Protokoll:
6033

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 33

  • date_rangeDatum: 25. Februar 1970

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:35 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 33. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1970 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Dohmann . . . 1549 A Amtliche Mitteilungen 1549 B Weitergeltung der Geschäftsordnung für das Verfahren nach Art. 115 d GG und der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses 1550 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1970 (Haushaltsgesetz 1970) (Drucksache VI/300) — Erste Beratung — in Verbindung mit 1550 A Beratung des Finanzplans des Bundes 1969 bis 1973 (Drucksache VI/301) 1550 A Fortsetzung der Aussprache Scheel, Bundesminister . . . . . 1550 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 1555 D Mattick (SPD) . . . . . . . . 1563 C Dr. Achenbach (FDP) 1567 D Strauß (CDU/CSU) 1569 B Dr. Dahrendorf (FDP) 1578 B Wischnewski (SPD) . . . . . 1581 C Baron von Wrangel (CDU/CSU) . 1584 A Dr. Schmid, Vizepräsident . . . 1585 D Fragestunde (Drucksache VI/415) Frage des Abg. Dichgans: Inhaftierung eines im Besitz von Einbruchswerkzeug angetroffenen Ausländers Jahn, Bundesminister 1586 B Dichgans (CDU/CSU) 1586 D Frage des Abg. Weigl: Einschaltung deutscher Fachkräfte beim Aufbau sozialer Sicherungssysteme in den Entwicklungsländern 1587 A Fragen des Abg. Müller (Mülheim) : Standort der Sportschule der Bundeswehr Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 1587 C Müller (Mülheim) (SPD) 1587 C Frage des Abg. Jung: Berechnung der ruhegehaltfähigen Zeiten von Soldaten Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 1587 D Jung (FDP) 1588 A Josten (CDU/CSU) . . . . . . 1588 D Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen: Verfahren bei der Unterbringung von Angehörigen der Bundeswehr auf Dienstreisen . . . . . . . . . . 1588 D Frage des Abg. Dr. Kempfler: Vergabe von vergabereifen Straßenbauprojekten in Bundesfördergebieten Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 1589 A Dr. Kempfler (CDU/CSU) . . . . . 1589 B Frage des Abg. Jung: Hochwasserschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Rheins zwischen Kehl und Lauterburg Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 1589 C Frage des Abg. Folger: Erweiterung des Autoreisezugsystems der Bundesbahn Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 1589 D II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1970 Frage des Abg. Dr. Apel: Benachteiligung der westdeutschen Reedereien im überseeischen Linienfrachtverkehr Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 1590 A Dr. Apel (SPD) . . . . . . . 1590 B Blumenfeld (CDU/CSU) 1590 C Fragen des Abg. Baron von Wrangel: Behebung der durch Frostaufbrüche auf Bundesstraßen im Zonenrandgebiet eingetretenen Schäden Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 1590 C Baron von Wrangel (CDU/CSU) . 1591 A Frage des Abg. Dr. Früh: Benachteiligung der Landwirtschaft durch das Verbot der Autobahnbenutzung für Lastkraftwagen während des Ferienreiseverkehrs Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 1591 C Dr. Früh (CDU/CSU) 1591 C Jung (FDP) 1592 A Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 1592 B Frage des Abg. Niegel: Beförderung von frischem Weichobst durch die Bundesbahn Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 1592 C Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 1592 C Leicht (CDU/CSU) . . . . . . . 1593 A Frage des Abg. Susset: Wettbewerbsvorteile Belgiens und Hollands durch Erweiterung des Fahrverbots an Wochenenden Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 1593 A Susset (CDU/CSU) 1593 B Fragen des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) : Risikoübernahme durch die Bundesbahn für Obsttransporte — Verordnung zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 1593 D Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . 1593 D Fragen des Abg. Dr. Hermesdorf (Schleiden) : Abkommen mit Belgien zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs und zur Berichtigung der deutsch-belgischen Grenze Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 1594 D Dr. Hermesdorf (Schleiden) (CDU/CSU) 1595 A Fragen des Abg. Dr. Unland: Herausnahme von Orten im westlichen Münsterland aus dem Amtlichen Fernsprechbuch 8 Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 1595 B Dr. Unland (CDU/CSU) 1595 D Frage des Abg. Wittmann: Fahrpreisvergünstigungen für ältere Bürger im Personenkraftverkehr der Bundespost Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 1596 C Frage des Abg. Wittmann: Erlaß der Fernsprechgebühren für gebrechliche ältere Bürger Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 1596 D Fragen des Abg. Bäuerle: Kosten der Errichtung von Telefonnebenanschlüssen Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 1597 A Bäuerle (SPD) . . . . . . . . 1597 B Frage des Abg. Dr. Riedl (München) : Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag Lenins Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 1597 C Frage des Abg. Cramer: Beförderung von Briefdrucksachen Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 1597 D Fragen des Abg. Suck: Durchführung von Arbeitsgerichtsprozessen der öffentlichen Hand bis zur letzten Instanz Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 1598 A Suck (SPD) 1598 B Fragen des Abg. Maucher: Verbesserung der Renten der Kriegerwitwen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 1598 C Maucher (CDU/CSU) 1598 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1970 III Frage des Abg. Roser: Weiterzahlung von Waisenrente, Kinderzuschuß und Kinderzulage über das 18. bzw. 25. Lebensjahr hinaus Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 1599 D Roser (CDU/CSU) 1600 A Frage des Abg. Dröscher: Berechnung von Elternrenten für Landverpachtung 1600 A Frage des Abg. Niegel: Lebenslauf eines neuernannten Vizepräsidenten der Bundesanstalt für Arbeit Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 1600 B Niegel (CDU/CSU) 1600 C Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 1600 D Dank an die zum Schutz des Bundeshauses vor dem Hochwasser des Rheins eingesetzten Männer des Bundesgrenzschutzes und des Betriebsselbstschutzes sowie an die Helfer bei der Bekämpfung der Hochwasserkatastrophe Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 1600 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltplans für das Rechnungsjahr 1970 (Haushaltsgesetz 1970) (Drucksache VI/300) — Erste Beratung — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1969 bis 1973 (Drucksache VI/301) Fortsetzung der Aussprache Brandt, Bundeskanzler 1600 D Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . . 1608 A Mischnick (FDP) . . . . . . . 1611 C Dr. Apel (SPD) . . . . . . . 1615 D Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 1618 D Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . 1619 C Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 1622 C Dr. Haack (SPD) . . . . . . . . 1624 B Frau Dr. Focke (SPD) 1625 D Blumenfeld (CDU/CSU) 1627 B Schmidt, Bundesminister 1629 C Wehner (SPD) . . . . . . . 1632 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 1636 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 1638 B Scheel, Bundesminister 1640 D Entwurf eines Gaststättengesetzes (CDU/ CSU) (Drucksache VI/5); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (Drucksache VI/322) — Zweite und dritte Beratung — 1646 C Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache VI/304) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 1646 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 31. Mai 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über zoll- und paßrechtliche Fragen, die sich an der deutsch-österreichischen Grenze bei Staustufen und Grenzbrücken ergeben (Drucksache VI/305) Erste Beratung — . . . . . . . . . 1646 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Juli 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malaysia über den Luftverkehr zwischen ihren. Hoheitsgebieten und darüber hinaus (Drucksache VI/307) — Erste Beratung — . . . . . 1647 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. November 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kolumbien über den Luftverkehr (Drucksache VI/308) — Erste Beratung — 1647 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. Juli 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweier/Lauterburg (Drucksache VI/309) — Erste Beratung — . . . . . 1647 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. März 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Kongo über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache VI/310) — Erste Beratung — 1647 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Gabun über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache VI/311) — Erste Beratung — 1647 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. November 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indonesien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache VI/312) — Erste Beratung — 1647 B Entwurf eines Gesetzes zu der Langfristigen Vereinbarung vom 9. Februar über den internationalen Handel mit Baumwolltextilien im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) und des Protokolls vom 1. Mai 1967 zur Verlängerung der Vereinbarung über IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1970 den internationalen Handel mit Baumwolltextilien (Drucksache VI/313) — Erste Beratung — 1647 B Entwurf eines Gesetzes über die am 14. Juli 1967 in Stockholm -unterzeichneten Übereinkünfte auf dem Gebiet des geistigen Eigentums (Drucksache VI/401) — Erste Beratung — 1647 B Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Bundesrat) (Drucksache VI/332) — Erste Beratung — 1647 C Übersicht 2 des Rechtsausschusses über die dem Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache VI/283) . . . . . . . . 1647 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen über den Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates über die Einführung gemeinsamer Regeln für den Linienverkehr und die Sonderformen des Linienverkehrs mit Kraftomnibussen (Drucksachen V/4676, VI/320) 1648 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft über den Vorschlag der Kornmission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates über die Einführung einer gemeinsamen Police für mittel- und langfristige Geschäfte mit öffentlichen Käufern (Drucksachen VI/61, VI/321) 1648 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft über die Vorschläge der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für die Verwaltung mengenmäßiger Kontingente Verordnung des Rates über die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr ... über die Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für die Verwaltung mengenmäßiger Kontingente auf die französischen überseeischen Departements Verordnung des Rates zur Schaffung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhren aus anderen als Staatshandelsländern Verordnung des Rates über die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. ... zur Schaffung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhren aus anderen als Staatshandelsländern auf die französischen überseeischen Departements (Drucksachen V1/48, VI/89, VI/325) . . . . . . . . 1648 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen über den Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates über die Festsetzung der allgemeinen Anwendungsbedingungen für die in der Verordnung (EWG) Nr. 1174/68 des Rates vom 30. Juli 1968 über die Einführung eines Margentarifsystems im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten vorgesehenen Tarife (Drucksachen V/4554, VI/373) . . . . . . . . . 1648 C Nächste Sitzung 1648 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten .1649 1649 A Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abg. Borm (FDP) zu Punkt III der Tagesordnung . . 1649 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Koenig betr. Handhabung des Tatbestandes der illegalen Einreise von arbeitsuchenden Ausländern . . . 1650 B Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Picard betr. Anwendung der Mehrwertsteuer auf den Kraftfahrzeughandel 1650 C Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Memmel betr. Schaffung einer neuen Finanzverfassung der Europäischen Gemeinschaften 1650 D Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Pieroth betr. Untersuchung über die Bildung und Verteilung des Vermögens . . . . . . . . . . 1651 A Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Eyrich betr. Krankenversicherungsschutz für Bauern und Altenteiler 1651 B Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) betr. Deckung des Bedarfs der landwirtschaftlichen Betriebe an technisch ausgebildeten Arbeitnehmern 1651 C Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Westphal betr. Verfahren bei der Umschulung ehemaliger Bergbaubeschäftigten zu Volksschullehrern 1652 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1970 1549 33. Sitzung Bonn, den 25. Februar 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 32. Sitzung, Seite 1488 B, Zeile 7 statt „SPD": „SED" Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach * 26. 2. Dr. Arndt (Berlin) 25. 2. Dr. Artzinger * 25. 2. Dr. Bayerl 28. 2. Behrendt * 26. 2. Berlin 31. 3. Biechele 28. 2. Bittelmann 25. 2. Burgemeister 31. 3. Dr. Dittrich* 27. 2. Faller * 25. 2. Frehsee 28. 2. Dr. Furler * 25. 2. Geldner 6. 3. Gerlach * 25. 5. von Hassel 28. 2. Hauck 28.2. Dr. Hein 26. 2. Jacobi (Köln/Iserlohn) 28. 2. Dr. Jahn (Braunschweig) * 26. 2. Dr. Koch* 25. 2. Kriedemann* 25. 2. Lücke (Bensberg) 28. 2. Lücker (München) * 27. 2. Müller (Aachen-Land) * 27. 2. Frau Dr. Orth * 25. 2. Ott 27. 2. Dr. Pohle 28. 2. Dr. Schober 25. 2. Schröder (Sellstedt) 6. 3. Schwabe * 25. 2. Dr. Schwörer * 25. 2. Dr. Siemer 27. 2. Wurbs 27. 2. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Borm (FDP) zu Punkt III der Tagesordnung: Die Sowjetunion und die Regierung der DDR werden nicht müde, uns ihre Auffassung bezüglich der Rechtslage Berlins vorzutragen. Sie gipfelt in der Forderung, West-Berlin sei eine selbständige Einheit und gehöre daher nicht zur Bundesrepublik. Wir dürfen dagegen genauso wenig müde werden, unsere - besseren - Argumente entgegenzusetzen. Lassen Sie mich nochmals zusammenfassen, wobei ich davon ausgehe, daß sowohl die Regierung in Ost-Berlin als auch die in Moskau diese Argumente nicht nur aus den Protokollen des * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Bundestages zu entnehmen brauchen, sondern sie auch stets und ständig bei den Verhandlungen von den Vertretern der Bundesregierung zu hören bekommen. Berlin gehört sowohl nach seiner Verfassung als auch nach dem Grundgesetz zur Bundesrepublik. Kraft höheren Besatzungsrechts haben die WestAlliierten dabei lediglich den Vorbehalt gemacht, daß dieser Teil der Bundesrepublik vom Bund nicht regiert werden darf. Wir alle wissen, daß die Bundesrepublik sich an den Vorbehalt der Besatzungsmächte stets gehalten hat. Die Folge ist u. a. ein besonderes gesetzgeberisches Verfahren zur Übernahme westdeutscher Gesetze in Berlin. Diese Rechtstatsachen gehören zu den Realitäten, auf die sich die Regierung der DDR oft und gern beruft. Sie täte gut daran, sie endlich anzuerkennen. Das sollte ihr um so leichter fallen, als ihre frühere Haltung in bezug tauf alle Punkte, die die Zuständigkeit Berlins zum Bund betreffen, durchaus anders war als ihre heutige. Lassen Sie mich nur einige Punkte aufgreifen: 1. Noch 1957 hat die DDR-Volkskammer den Besuch des Bundestages in West-Berlin begrüßt und dabei die Hoffnung geäußert, die damalige Delegation des Bundestages würde die Gelegenheit benutzen, sich in ganz Berlin umzuschauen. Was damals also auch nach Ansicht der DDR zulässig war, kann heute nicht falsch sein. Es ist nicht einzusehen, warum die Regierung der DDR heute ablehnt, was sie ,damals begrüßt hat, es sei denn, wir wollen unterstellen, daß die Machthaber in Ost-Berlin einer von Adenauer geführten CDU-Alleinregierung mehr konzedieren wollten als der sozial-liberalen Bundesregierung von heute. Soweit dürfte die Abneigung selbst eingefleischter Kommunisten wohl kaum gehen. 2. Noch Ende der 50er Jahre hat die DDR-Regierung vom Bundesministerium des Innern ausgegebene, in Berlin ausgefertigte Reisepässe von Westberlinern anerkannt. Ihre Grenzorgane haben damals nie gezögert, ihre Stempel in diese Reisepässe zu drücken. Erst später ist den Behörden in OstBerlin eingefallen, in der Ausgabe von Bundespässen an Berliner eine Provokation zu sehen. Mit Folgerichtigkeit hat diese Einstellung allerdings nichts zu tun. 3. Auch im internationalen Verkehr wurde die Zuständigkeit Berlins zum Bund nicht immer bestritten. In die ersten Verträge mit osteuropäischen Staaten wurde Berlin durchaus miteinbezogen. Auch das ist ein Faktum, das wir nicht vergessen und das auch unsere Gesprächspartner im Osten nachträglich nicht ungeschehen machen können. Damit kein Mißverständnis entsteht: Wir Freien Demokraten sind 'keine großen Freunde von spektakulären Demonstrationen des Bundes in Berlin. Wir sind allerdings nicht bereit, daraus einen Verzicht auf unbestreitbare rechtliche und tatsächliche Positionen, die früher auch im Osten anerkannt wur- 1650 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1970 den, herleiten zu lassen. Die Westberliner können im Gegensatz zu den Ostberlinern ihren Willen frei artikulieren. Sie haben bei allen Wahlen der Vergangenheit nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie sich dem Bund zugehörig fühlen und sich der Bedeutung des Bundes für ihr Schicksal voll bewußt sind. Unsere Gesprächspartner in Moskau und die Partner zukünftiger Verhandlungen in Ost-Berlin werden auf ein um so freundlicheres Klima von unserer Seite treffen, je weniger sie derartige Realitäten in Frage stellen. Wir erwarten von ihnen keine spektakulären Gesten. Auch sie sollen die Möglichkeit haben, ihr Gesicht zu wahren. Wir müssen allerdings darauf bestehen, daß die kleinlichen Schikanen, denen insbesondere die Teilnehmer im Berlin-Verkehr — einfache Menschen, Busfahrer, Reisende, kaum Politiker — ausgesetzt sind, in Zukunft unterbleiben. Mit Recht haben wir Freien Demokraten in unserem Entwurf eines Vertrages zwischen Bundesrepublik und DDR vom Januar 1969 der Berlin-Frage breiten Raumgewidmet. Das Problem der Zufahrtswege und ihre Sicherung ist nach wie vor besonders aktuell. Wir sind nicht so illusionär zu erwarten, ,daß der Bundeskanzler gleich in seiner ersten oder zweiten Beratung mit Herrn Stoph hier Erfolge zu verzeichnen haben wird. Dieses Problem muß aber ganz besonders in der Diskussion gehalten werden. Berlin darf nicht übrigbleiben. Friedenssicherung und Gewaltverzicht sind wichtig und werden in ihrer Bedeutung von uns nicht verkannt. Für den Mann auf der Straße in Berlin ist allerdings genauso wichtig, ob er auch in Zukunft sinnlosen Schikanen auf den Zufahrtwegen nach Berlin ausgesetzt bleiben soll. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 23. Februar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Koenig (Drucksache VI/381 Frage A 36) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Handhabung des Tatbestandes der „illegalen Einreise" zu unnotigen Härten geführt hat, wenn z. B. Ausländer zur Rückreise in ihre Heimatländer gezwungen werden, obwohl sie alle Voraussetzungen für einen legalen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erfüllen und ist sie bereit, auf die Konferenz der Innenminister der Länder einzuwirken, den Auslandsämtern nach Prüfung des Einzelfalles einen größeren Ermessensspielraum zu geben? Es besteht ein nachdrückliches Interesse daran, daß arbeitsuchende Ausländer in die Bundesrepublik nur auf einem der beiden dafür gesetzlich vorgesehenen Wege einreisen: entweder durch Vermittlung einer deutschen Anwerbekommission oder mit einem Sichtvermerk einer deutschen Auslandsvertretung. Nur so kann verhindert werden, daß mehr Arbeitsuchende hereinkommen, als unser Arbeitsmarkt übernehmen kann, oder daß anstekkend Erkrankte oder Kriminelle in unser Land einreisen. Nachsicht gegenüber einer Umgehung dieser Schutzbestimmungen wäre eine Unbilligkeit denen gegenüber, die sich dem ordnungsgemäßen Verfahren unterzogen haben, und darüber hinaus ein Anreiz dafür, sich über unsere Rechtsvorschriften hinwegzusetzen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 20. Februar 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Picard (Drucksache VI/381 Fragen A 77 und 78): Inwieweit hat die Anwendung der Mehrwertsteuer zu: Ergebnissen geführt, die den bei ihrer Einführung von Parlament und Regierung geäußerten Erwartungen und Vorstellungen nicht entsprechen? Ist die Bundesregierung bereit, bei einer gegebenenfalls notwendig werdenden Reform den Kraftfahrzeughandel aus der Mehrwertsteuer herauszunehmen? Die Anwendung der Mehrwertsteuer seit über zwei Jahren hat gezeigt, daß die Erwartungen, die man mit der Umsatzsteuerreform verbunden hatte, erfüllt worden sind. Auch das Aufkommen hat sich trotz der mit einer solchen Systemumstellung notwendig verbundenen großen Schätzungsrisiken unter Berücksichtigung der konjunkturellen Lage erwartungsgemäß entwickelt, wenn man einmal von den bekannten Problemen der Selbstverbrauchsteuer absieht. In steuertechnischer Hinsicht waren Wirtschaft und Verwaltung durch die Systemumstellung zwar vor besondere Anforderungen gestellt. Das war wegen der tiefgreifenden Auswirkungen des Reformwerks aber unvermeidbar und wurde auch von Anfang an gesehen. Selbstverständlich läßt sich das Gesetz noch in einigen Punkten verbessern. Das wird nach Auswertung der inzwischen gewonnenen Erfahrungen in einem Änderungsgesetz geschehen, das nach den gegenwärtigen Planungen dem Hohen Hause im Laufe dieses Jahres vorgelegt werden soll. Ich kann hierauf nur mit „nein" antworten. Der Bundesregierung ist auch nicht bekannt, daß von irgendeiner Seite aus angestrebt wird, den gesamten Kraftfahrzeughandel von der Mehrwertsteuer freizustellen. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 20. Februar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Memmel (Drucksache VI/381 Frage A 79): Beabsichtigt die Bundesregierung, noch in diesem Jahr dem Deutschen Bundestag die Vereinbarung der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über eine neue Finanzverfassung der Gemeinschaften zur Ratifizierung vorzulegen, auch wenn die damit verbundene Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments in der vorgesehenen Art in Wegfall kommen sollte? Mit Recht gehen Sie davon aus, daß die Schaffung einer neuen Finanzverfassung der Europäischen Gemeinschaften, d. h. die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Einnahmen in engem Zusammenhang steht mit der Erweiterung Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1970 1651 der Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments. Die Bundesregierung hat diesen Zusammenhang stets gesehen und sich immer für eine weitgehende Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments ausgesprochen. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat auf seiner Tagung am 5./6. Februar 1970 in allseitigem Einvernehmen eine Lösung erarbeitet, die dem Europäischen Parlament innerhalb eines bestimmten Rahmens das „letzte Wort" im Haushaltsverfahren zuweist und insoweit eine bereits im Dezember 1969 beschlossene Regelung, gegen die ein Mitgliedstaat einen Vorbehalt eingelegt hatte, bestätigt. Ihre Frage ist daher durch die Entwicklung gegenstandslos geworden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 25. Februar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pieroth (Drucksache VI/415 Frage A 10) : Ist die Bundesregierung bereit, eine Untersuchung über die Bildung und Verteilung des Vermögens in der deutschen Bevölkerung — ähnlich wie die frühere „Konzentrations-Enquete" — durchführen zu lassen, damit die vielfältigen Überlegungen, die gegenwärtig zur Förderung der Vermögensbildung angestellt werden, eine zuverlässige Grundlage bekommen? Der Bundeskanzler kündigte in seiner Regierungserklärung einen Vermögensbildungsbericht an, den die Bundesregierung in diesem Jahr dem Bundestag vorlegen will. Er soll u. a. einen Überblick über die Entwicklung der Vermögensverhältnisse aufgrund des dann zur Verfügung stehenden Datenmaterials enthalten. Gegenwärtig werden dafür alle zugänglichen statistischen Informationen zusammengetragen und ausgewertet. Im Zusammenhang mit den Arbeiten an diesem Vermögensbericht wird z. Z. geprüft, auf welche Weise noch bestehende Informationslücken geschlossen werden können. Was die von Ihnen erfragte Enquête angeht, so bestehen dagegen grundsätzlich keine Bedenken. Allerdings muß ich darauf hinweisen, daß die Durchführung einer Entquête erfahrungsgemäß viel Zeit erfordert. Mit den Ergebnissen der Vermögensbildungsenquête wäre vermutlich erst nach Jahren zu rechnen. Da die Bundesregierung jedoch der Vermögenspolitik eine große Dringlichkeit beimißt, wird sie von sich aus alle geeigneten Schritte unternehmen, die möglichst rasch zur Verbesserung der Information über die Bildung und Verteilung des Vermögens beitragen. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 25. Februar 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Eyrich Drucksache VI/415 Fragen A 11 und 12) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß in mittleren und kleineren landwirtschaftlichen Betrieben ein ausreichender Krankenversicherungsschutz für die bäuerliche Familie und die Altenteiler weitgehend nicht besteht? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit der Verbesserung des Krankenversicherungsschutzes der in Frage 11 genannten Bevölkerungsgruppe durch Einführung einer Pflichtversicherung unter Eingliederung in die bestehende Unfallversicherung und Alterskasse? Der Bundesregierung ist bekannt, daß viele selbständige Landwirte und ihre Familien sowie Altenteiler gegen das finanzielle Risiko der Krankheit nicht ausreichend geschützt sind. Sie hält eine gesetzliche Regelung der Krankenversicherung für selbständige Landwirte, Familienangehörige und Altenteiler für erforderlich. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einen Arbeitskreis von Sachverständigen gebildet, der prüft, in welcher Weise die Krankenversicherung für den genannten Personenkreis gesetzlich geregelt werden kann. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 25. Februar 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Peters (Poppenbüll) (Drucksache VI/13 Frage A 13) : Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung sichergestellt werden, daß der ansteigende Bedarf der landwirtschaftlichen Betriebe an fachlich qualifizierten, vor allem technisch ausgebildeten Arbeitnehmern auch in Zukunft ohne Schwierigkeiten zu decken ist? Im Zuge des Strukturwandels in der Landwirtschaft ist an die Stelle des landwirtschaftlichen Arbeiters früherer Jahre vielfach die landwirtschaftliche Fachkraft mit vielseitigen Kenntnissen getreten, der auch die Bedienung und Pflege wertvoller Maschinen und sonstiger Einrichtungen obliegt. Um den Bedarf an derartigen Fachkräften besser decken zu können, hat die Bundesanstalt für Arbeit den bereits bestehenden Fachvermittlungsstellen für Melker und Tierpfleger auch die Vermittlung anderer landwirtschaftlicher Fachkräfte übertragen. Diese überbezirklich tätigen Fachvermittlungsstellen bestehen in Hannover, Hamm, Krefeld, Friedberg, Heidelberg, Würzburg und München. Von ihnen wurden 1968 4175 und 1969 4252 landwirtschaftliche Fachkräfte vermittelt. Die Bundesanstalt für Arbeit wird .die Organisation, dieser besonderen Fachvermittlungssparte für die Landwirtschaft ständig der Entwicklung anpassen. Bei der Anwerbung von qualifizierten Kräften dürfte die Landwirtschaft vor den gleichen Schwierigkeiten stehen, wie andere Wirtschaftszweige. Um das Angebot .an qualifizierten Kräften zu erhöhen, ermöglicht die Bundesanstalt für Arbeit geeigneten und bildungswilligen Arbeitnehmern die berufliche Fortbildung und Umschulung. Die Landwirtschaft ist in vollem Umfang in die beruflichen Bildungsmaßnahmen und die Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme einbezogen. Durch eine intensive Zusammenarbeit der Landwirtschaftsverbände mit der Bundesanstalt für Ar- 1652 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1970 beit und deren Fachvermittlungsstellen sollen Schwierigkeiten hinsichtlich des Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften soweit wie möglich vermieden werden. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 25. Februar 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Westphal (Drucksache VI/415 Fragen A 19 und Trifft es zu, daß bei der Umschulung ehemaliger Bergbaubeschäftigter zu Volksschullehrern zwei unterschiedliche Verfahren Anwendung finden — entweder sofortige Aufnahme eines Studiums an einer Pädagogischen Hochschule, gefördert durch das Arbeitsamt, oder Einstellung als Aushilfslehrkraft nach einem vom Arbeitsamt geförderten Umschulungslehrgang — mit der Konsequenz einer unterschiedlichen finanziellen Förderung und der Minderung des sozialen Besitzstandes für die zweitgenannte Umschülergruppe? Was gedenkt die Bundesregierung zusammen mit den zuständigen Landesregierungen zu tun, um eine Gleichbehandlung beider Umschülergruppen zu bewirken, insbesondere hinsichtlich des Ausgleichs für die als Aushilfslehrkräfte eingestellten ehemaligen Bergbaubeschäftigten während ihres Studiums an der Pädagogischen Hochschule? Sie haben, Herr Kollege, einen sehr speziellen Sonderfall angeschnitten, der durch besondere Vorschriften für eine Übergangsregelung noch komplizierter wurde. Die sehr technische Antwort läßt sich nur schwer im Rahmen der Fragestunde geben. Ich bitte um die Erlaubnis, Ihnen die Antwort schriftlich zu geben, zumal ich auch noch in den Ländern Rückfrage halten will.
Gesamtes Protokol
Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0603300000
Die Sitzung ist eröffnet.

(Die Abgeordneten erheben sich.)

Meine Herren und Damen! In den Nachmittagsstunden des 20. Februar 1970 isst unser Kollege Friedhelm Dohmann in einem Dortmunder Krankenhaus an den Folgen einer kurzen, aber schweren Krankheit gestorben.
Friedhelm Dohmann wurde am 24. August 1931 in Dortmund geboren. Nach dem Schulbesuch und einer Industriekaufmannslehre war er zunächst Angestellter und seit 1961 Geschäftsführer einer Betriebskrankenkasse im Ruhrgebiet.
1 Sein politisches Wirken begann 1951 mit dem Eintritt in die SPD. In seiner Partei bekleidete er verschiedene Ämter. Er war von 1964 bis 1968 stellvertretender Vorsitzender und seit 1968 Vorsitzender des Unterbezirks Dortmund und zugleich Beisitzer im Vorstand des Bezirks Westliches Westfalen. Sieben Jahre lang, von 1957 bis 1964, war er Mitglied des Rates der Stadt Dortmund.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Friedhelm Dohmann seit der 6. Legislaturperiode an. Es entsprach seinen Kenntnissen und seinen Erfahrungen, daß er sich für den sozialpolitischen Bereich entschied. Er war Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung und gehörte dem entsprechenden Arbeitskreis seiner Fraktion an.
Friedhelm Dohmann hinterläßt Frau und fünf Kinder. Ich spreche der Familie unseres so jung verstorbenen Kollegen und zugleich der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands die tief empfundene Anteilnahme des Hauses aus.
Ich danke Ihnen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat am 19. Februar 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Jobst, Dr. Dittrich, Dr. Fuchs, Rainer, Weigl und Genossen betr. Stillegung von Eisenbahnstrecken im Zonenrandgebiet — Drucksache VI/306 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/413 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 20. Februar 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Klepsch, Ernesti, Damm, Dr. Zimmermann, Dr. Marx (Kaiserslautern) und Genossen betr. Wehrdienstausnahmen — Drucksache VI/319 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/416 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 20. Februar 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Leicht, Dr. Pohle, Dr. Althammer und der Fraktion der CDU/CSU betr. finanzwirksame Vorschläge der Bundesregierung und der Fraktionen der SPD, FDP — Drucksache VI/265 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/418 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministers für Wirtschaft hat am 20. Februar 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wohlrabe, Dr. Kotowski, Frau Pieser, Prinz zu Sayn Wittgenstein-Hohenstein, Hussing und Genossen betr. Verbraucherpolitik — Drucksache VI/262 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/419 verteilt.
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat am 18. Februar 1970 mitgeteilt, daß der Ausschuß die
Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung
zur Änderung der Dienstbezüge der Beamten und der sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften
zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten
zur Festlegung der Höhe der in Anhang VII Artikel 4 a des Statuts der Beamten vorgesehenen vorübergehenden Pauschalzulagen
— Drucksache VI/88 —
zur Kenntnis genommen und beschlossen hat, von einem Bericht an den Deutschen Bundestag abzusehen.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 23. Februar 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Müller (Berlin), Ruf, Dr. Götz, Frau Kalinke, Dr. Barzel, Stücklen und der Fraktion der CDU/CSU betr. wirtschaftliche Situation der Rentner — Drucksache VI/258 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/421 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates über die Herstellung und das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von Dauermilcherzeugnissen, die für die menschliche Ernährung bestimmt sind
— Drucksache VI/394 —
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die zeitweilige Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für Silizium (polykristallin oder monokristallin) durch Zusatz oder selektive Reinigung dotiert, in Form von Scheiben, Plättchen, Rondellen und dergleichen, auch poliert, der Tarifstelle 38.19 T
— Drucksache VI/395 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) Nr. 225/70 des Rates vom 5. Februar 1970 zur Ergänzung der Verordnung (EWG) Nr. 2599/69 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Apfel
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden
Verordnung zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in der Bundesrepublik Deutschland dienstlich verwendet werden
Verordnung zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden
— Drucksache VI/408 —



Vizepräsident Frau Funcke
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 4/70 — Zollkontingent für Bananen)

— Drucksache VI/398 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1970
Ich rufe Punkt II der Tagesordnung auf:
Weitergeltung .der Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115 d des Grundgesetzes und 'der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, zu beschließen, die Geschäftsordnung für das Verfahren nach Art. 115 d des Grundgesetzes und die Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses auch für die 6. Wahlperiode fortgelten zu lassen. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt III der Tagesordnung:
1. Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1970 (Haushaltsgesetz 1970)

— Drucksache VI/300 —
2. Fortsetzung der Beratung des von der Bundesregierung vorgelegten Finanzplans des Bundes 1969 bis 1973
— Drucksache VI/301 —
Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister Scheel.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0603300100
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die außenpolitische Aussprache im Rahmen der diesjährigen Haushaltsdebatte findet zu einem Zeitpunkt statt, da die Bundesregierung sich anschickt, mit der Sowjetunion und Polen begonnene Gespräche fortzusetzen und den Dialog mit der Regierung der DDR vorzubereiten. Ich will damit sagen, daß diese Debatte der Bundesregierung eine willkommene und auch notwendige Gelegenheit bietet, das Parlament mit ihren Vorstellungen und ihren ernsten Erwägungen, aber auch mit ihren Hoffnungen vertraut zu machen.
Ein bedeutender Franzose — der Name ist mir entfallen - hat einmal — es war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges — gesagt, daß die überwundene Verzweiflung die höchste Form der Hoffnung sei. Die Außen- und Deutschlandpolitik ist in der Tat von dieser Art Hoffnung beseelt. Wie sonst könnte man in unserer Welt der Konflikte, der Gewalttätigkeiten und der Kriege den Mut aufbringen, den Frieden und den Verzicht auf Gewalt zu den bestimmenden Prinzipien der Außenpolitik zu machen?
Sie alle erinnern sich an den einleitenden Satz der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969:
Wir sind entschlossen, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und den Zusammenhalt der deutschen Nation zu wahren, den Frieden zu erhalten und an einer europäischen Friedensordnung mitzuarbeiten, die Freiheitsrechte und den Wohlstand unseres Volkes zu erweitern und unser Land so zu entwickeln, daß sein Rang in der Welt von morgen anerkannt und gesichert sein wird.
So wie am ersten Tag dieser Regierung steht auch heute unser außenpolitisches Handeln unter diesen Leitlinien. Wir sind in den wenigen Monaten, die wir im Amte sind, ans Werk gegangen, und was wir in Gang gesetzt haben, entspricht den von uns selbst gesteckten Zielen und ihrer Bedeutung für unser Volk.
Man kann nun nicht gleichzeitig sich zu diesen Zielen bekennen wollen, aber die Mittel und Wege, die sie erreichen lassen, verweigern. Ich darf zunächst einmal sachlich und nüchtern aufzählen, in welchen wichtigen Bereichen unserer Außen- und Deutschlandpolitik die Bundesregierung aktiv oder initiativ geworden ist.
Die europäische Gipfelkonferenz im Dezember des vergangenen Jahres ist, wie wir heute feststellen können, für die Überwindung der bis dahin ja von uns allen beklagten Stagnation in der europäischen Politik entscheidend gewesen, und jedermann weiß inzwischen, daß das vertrauensvolle Zusammenwirken der deutschen und der französischen Regierung nicht zuletzt die positiven Ergebnisse dieser Konferenz ermöglicht hat.
Die Bundesregierung ist in jene Konferenz hineingegangen mit der festen Überzeugung, daß eine Aussöhnung und ein konstruktives Verhältnis zu den osteuropäischen Staaten — allen voran die Sowjetunion — auf dem Boden eines rivalisierenden Westeuropa nicht möglich ist. Hier bestand und besteht für die Bundesregierung ein innerer Zusammenhang. Das Prinzip der Zusammenarbeit kann nicht geographisch limitiert werden.
Seit Anfang Dezember haben wir mit unseren Partnern in der EWG eine Fülle von Grundsatzbeschlüssen für das gefaßt, was man die Vollendung der Gemeinschaft nennt, also für die noch ausstehenden Regelungen der Zoll- und Agrarunion sowie für die Finanzierung der gesamten Integration. Die Übergangsphase ist damit beendet, und die Gemeinschaft, um deren Bestand man noch vor wenigen Monaten ernste Sorgen haben mußte, ist nun in ihre Endphase eingetreten. Damit sind wir definitiv in Westeuropa aus der Konfrontation der Staaten und ihrer Interessen in deren volle Interdependenz gelangt. Diese Entwicklung muß über kurz oder lang zu einer vollständigen Wirtschafts- und Währungsunion führen. Das Hohe Haus weiß, daß die Bundesregierung einen Stufenplan zur Erreichung dieses Zieles vorgeschlagen und ausgearbeitet hat. Ein solcher Plan soll noch in diesem Jahr von der Gemeinschaft beschlossen werden und das Kernstück dessen sein, was wir die Vertiefung der



Bundesminister Scheel
Gemeinschaft nennen — in der Übersetzung der berühmten französischen drei Begriffe.
Für Frankreich waren die Beschlüsse über die Vollendung der Gemeinschaft eine Voraussetzung für 'die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien, Dänemark, Norwegen und Irland. Im Vertrauen auf das gegebene Wort haben wir unsererseits auf ein Junktim in deser Frage verzichtet.
Der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen steht nichts mehr im Wege. Wir wünschen deshalb die Beratungen in Brüssel über die Herstellung einer gemeinsamen Verhandlungsposition der Gemeinschaft so rasch wie möglich abzuschließen, um mit allen Beitrittsbewerbern noch vor der Sommerpause Verhandlungen einleiten zu können. Dann werden wir uns zu gegebener Zeit den übrigen europäischen Staaten zuwenden müssen, deren wirtschaftliche Interessen mit den unseren schließlich auch untrennbar verbunden sind.
Die Bundesregierung hat auf der Gipfelkonferenz einen Vorschlag über die politische Zusammenarbeit in Europa gemacht, der als Ziffer 15 in das Abschlußkommuniqué Eingang gefunden hat. Damit ist auch auf dem Gebiet der politischen Zusammenarbeit die Stagnation der letzten Jahre überwunden und der Entschluß gefaßt worden, endlich zu der von uns allen als dringend notwendig erachteten außenpolitischen Zusammenarbeit zu kommen. Die vorbereitenden Gespräche sind im Gange, und die nächste Sitzung des Ministerrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wird sich zum erstenmal ausführlicher ,am Rande der formellen Sitzung mit dieser Frage befassen.
Bei der Darstellung der Grundlinien unserer Außenpolitik sind auch einige Bemerkungen über eine Dimension der Außenpolitik angebracht, die in Zukunft mehr und mehr Bedeutung erlangen wird. Der schnelle Fortschritt von Wissenschaft und Technik hat nicht nur unmittelbare Folgen für die Wirtschaft eines Staates; er bestimmt auch in zunehmendem Maße seinen internationalen Stellenwert. An diesem Fortschritt teilzunehmen und die daraus erwachsenden Gefahren für den Menschen und für seine Umwelt abzuwehren, sind Aufgaben, die heute im nationalen Rahmen nicht mehr zu bewältigen sind. Die ungeheure Wissensexplosion der letzten Jahrzehnte, die Größenordnung der modernen Technologie und die noch nicht abzusehenden Nutzungsmöglichkeiten des Meeres und des Weltraums sowie die Tatsache, daß die Verschmutzung der Luft und des Wassers keine nationalen Grenzen kennt, zwingen uns zu einer stetig wachsenden internationalen Zusammenarbeit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das gilt insbesondere für die europäischen Staaten, die der Entwicklung der zukunftsbestimmenden Forschungs- und Industriezweige nur dann folgen können, wenn sie ihre Kräfte auf diesem Gebiet vereinigen. Technologische Zusammenarbeit ist daher ein notwendiges Element unserer auswärtigen Beziehungen.
Aber darüber hinaus, meine Damen und Herren, ist sie auch ein zunehmend wichtiges Instrument unserer Außenpolitik. Wir müssen uns fragen, welchen außenpolitischen Nutzen die Bundesrepublik aus der Verstärkung ihrer internationalen Beziehungen auf diesem Gebiet ziehen kann und auf welche Weise sich unser wissenschaftlich-technisches Potential außenpolitisch einsetzen läßt, welche Formen für die Gestaltung der technologischen Beziehungen mit anderen Staaten geeignet sind und welche politischen Schwerpunkte bei der Gestaltung dieser Beziehungen gebildet werden sollen.
In der Praxis versuchen wir, diese Zusammenhänge jetzt in die Tat umzusetzen. Im Rahmen unserer Europapolitik, um einige Beispiele zu nennen, haben wir uns einer Schwächung der gemeinsamen Einrichtung Euratom widersetzt, als wir auf der Grundlage von Art. III des Nichtverbreitungsvertrags auf ein Verifikationsabkommen zwischen der internationalen Atomenergiebehörde und Euratom hinwirkten, das die Euratom-Kontrolle nicht beeinträchtigt.
Auch die deutschen Vorschläge für die Neustrukturierung der Atomforschungsstelle und zur Ausdehnung ihrer Tätigkeitsbereiche auf nichtnukleare Gebiete sind von dieser Zielsetzung, in Europa die technische Zusammenarbeit wirkungsvoller zu gestalten, bestimmt. In der gleichen Weise sehen wir die im Oktober 1967 beschlossene technologische Zusammenarbeit im Rahmen der EWG und ihre Erweiterung auf andere europäische Länder als Teil unserer Bemühungen zur Stärkung und zur Erweiterung der europäischen Gemeinschaft.
An den Arbeiten zur Verschmelzung der europäischen Weltraumorganisationen ELDO und ESRO beteiligen wir uns aktiv, weil wir der Auffassung sind, daß die westeuropäischen Staaten ihre Kräfte auf diesem Gebiet zusammenfassen müssen, um sich im Bereich der Nachrichtensatelliten eine gewisse Unabhängigkeit sichern und in anderen Bereichen der Weltraumtechnik zu einem wirklichen Partner der Vereinigten Staaten entwickeln zu können.
Der Sicherung einer gewissen europäischen Eigenständigkeit auf dem informations- und kulturpolitisch so bedeutsamen Gebiet der Nachrichtensatelliten dient unsere konsequente Haltung bei den zur Zeit in Washington laufenden Intelsat-Verhandlungen. Wir wollen dabei auch eine angemessene Form transatlantischer Zusammenarbeit erreichen, denn die weitere Zusammenarbeit auf dem Weltraumgebiet erfordert partnerschaftliche Formen, nicht nur finanzielle oder untergeordnete Beteiligung eines Teiles der Welt an den Arbeiten eines anderen Kontinents.
Auch das deutsch-britisch-niederländische Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gaszentrifugen, das wir am 4. März unterzeichnen werden, ist von Belang für die Europapolitik, da es die vertragliche Grundlage für die Errichtung einer europäischen, der ersten europäischen Urananreicherungskapazität abgibt. Es ist in den letzten Tagen in Genf auf der Abrüstungskonferenz darüber gesprochen worden, daß dieser Vertrag Sicherheitsrisiken enthalten würde. Dazu kann man sagen,



Bundesminister Scheel
daß die in dem Nichtverbreitungsvertrag vorgesehenen Sicherheitsvorkehrungen in unserem Vertrag über die Gaszentrifuge mit eingebaut sind.

(Abg. Dr. Barzel: Gegen die Gaszentrifuge wird doch nun Kritik geübt, in Genf und in Polen!)

— Ich sage gerade: in Genf von einem Polen. Dazu habe ichgerade Stellung genommen, Herr Dr. Barzel, weil offenbar übersehen worden ist, daß auch in diesem Vertrage die Sicherheitsvorkehrungen des Nichtverbreitungsvertrages aufgenommen worden sind.
Dem Ziel der Friedenssicherung durch Entspannung zwischen Ost und West sollen die kürzlich aufgenommenen Gespräche mit der Sowjetunion auf wirtschaftlich-technischem und wissenschaftlich-technologischem Gebiet dienen. Wir sind bereit, auch mit anderen europäischen Staaten in solche Gespräche einzutreten.
Der Verbesserung bilateraler Beziehungen, aber auch der Verringerung des Gefälles zwischen Nord und Süd dienen wissenschaftlich-technologische Rahmenabkommen, die wir im letzten Jahr schon mit Argentinien und Brasilien abgeschlossen haben. Wir haben die Absicht, weitere Abkommen dieser Art auch mit Indien, Pakistan, Spanien und Chile in Kürze zu unterzeichnen.
Schließlich gilt es, eine 'unserem wissenschaftlich-technischen Potential entsprechende Beteiligung der Bundesrepublik an der weltweiten multilateralen Zusammenarbeit auf dem technologischen Gebiet zu erreichen. Aus diesem Grunde streben wir eine ständige Mitgliedschaft im Gouverneursrat der Internationalen Atomenergie-Organisation an, und wir bemühen uns, im Rahmen der durch die Nichtmitgliedschaft in der UNO gezogenen Grenzen aktiv an der weiteren Diskussion über wissenschaftliche und technologische Fragen mitzuwirken.
In dem Maße, meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem die Bundesregierung an der konstruktiven Entwicklung in der Welt ,aktiven Anteil nimmt, wenden das Außerordentliche der innerdeutschen Lage und die Notwendigkeit, zu einem besseren Verhältnis zu den osteuropäischen Ländern zu kommen, noch stärker spürbar als bisher. Wir werden den Anforderungen unseres Anteils an einer aktiven Friedenspolitik nur gerecht und wir werden in der Welt von morgen nur dann einen angemessenen Rang einnehmen können, wenn wir in Deutschland selbst, aber fauch mit den osteuropäischen Ländern zu vernünftigen und tragbaren Verhältnissen kommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Aktivität der Bundesregierung in diesem Bereich ist nur das notwendige Korrelat zu unserer aktiven Westpolitik.
Die Bundesregierung hatte bereits in ihrer Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 als einen unmittelbar bevorstehenden Schritt angekündigt, der Sowjetunion die Aufnahme von Gewaltverzichtsgesprächen vorzuschlagen. Nachdem die sowjetische Regierung darauf eingegangen ist, hat ein
Meinungsaustausch begonnen, der um die Jahreswende für vier Wochen unterbrochen worden ist. Es geht dabei um ein Thema, das dem Hause bekannt ist und über das mehrfach diskutiert worden ist. Ich kann es mir also versagen, grundsätzlich auf diese Fragen einzugehen, so als handele es sich um etwas noch nie Dagewesenes oder etwas Neues. Neu, meine Kollegen, ist die Intensität, mit der beide Regierungen .dieses Gespräch führen. Es liegt in der Natur der Sache und im deutschen Interesse, daß ich hier und heute keine Einzelheiten über einen Meinungsaustausch ausbreite, der, wie gesagt, noch gar nicht abgeschlossen ist und über den deshalb auch lein Urteil heute noch nicht möglich ist.
Die Bundesregierung hat die Fraktionsvorsitzenden und die Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses über den augenblicklichen Stand der Gespräche informiert. Wir werden diese Information fortsietzen, sobald diese Phase in Moskau abgeschlossen sein wird. Es wird für dieses Thema wie auch für andere Themen gelten, daß die Bundesregierung bemüht ist und bemüht bleiben wird, über die Information hinaus auch zu einer Kooperation mit der Oppositionsfraktion zu kommen. Ich möchte hier und jetzt nur einige Feststellungen zu diesem Thema treffen.

(Abg. Dr. Barzel: Erlaubt Wehner das auch?)

— Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion hat in diesem Hause mehrfach betont, wie sehr er sich von der Regierung unterscheidet und wie selbständig er die Regierung handeln sehen möchte, damit er selber selbständig handeln kann.

(Beifall bei der SPD und der FDP.)

Meine Kollegen, ich möchte zu diesem Thema hier nur einige Dinge sagen.
Erstens. Die Bundesregierung betrachtet die Offenheit und die Dauer der Verhandlungen, aber auch den Rang der Verhandelnden und die Art und Weise, in der dieser Meinungsaustausch bisher schon von sowjetischer Seite geführt worden ist, als Zeichen des Ernstes, mit dem die sowjetische Regierung untersucht, ob es Wege gibt, die den Beginn einer wirksamen Entspannung zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik einleiten können, einer Entspannung, die dann zweifellos auch Europa insgesamt zugute kommen würde. Die Bundesregierung führt diesen Meinungsaustausch mit dem gleichen Ernst und mit der gleichen Offenheit.
Zweitens. Ich möchte bekräftigen, daß die Erklärung, die der Herr Bundeskanzler am 14. Januar zur Lage der Nation hier abgegeben hat, unverändert den Rahmen darstellt, innerhalb dessen dieser Meinungsaustausch von unserer Seite geführt wird. Sie wissen, was ich damit meine: die bekannten vier Grundvoraussetzungen, die die Basis unserer Politik den osteuropäischen Ländern gegenüber bilden.
Drittens. Wir können schon jetzt feststellen, daß wir nach den bisherigen Gesprächen zwischen dem sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin und dem sowjetischen Außenminister Gromyko einerseits und Botschafter Allardt und Staatssekretär Bahr an-



Bundesminister Scheel
dererseits eine Reihe von Positionen der Sowjetunion besser beurteilen können. Ich hoffe, das gilt auch umgekehrt: daß man das gegenwärtige Verhalten besser verstehen kann, selbst wenn man sich, wie es in der Natur der Sache liegt, über gewisse Meinungsverschiedenheiten nicht verständigen können wird. Nicht zu vereinbarende Ziele beispielsweise müssen aber kein Hindernis sein, zu Vereinbarungen zu gelangen, die jetzt möglich sind.
Im Auftrage der Bundesregierung hat Staatssekretär Duckwitz mit dem stellvertretenden polnischen Außenminister ein erstes Gespräch über die Probleme, die beide Staaten und Völker bewegen, geführt. In der zweiten Märzhälfte wind es fortgesetzt.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Alles, was Sie sagen, ist aus den Zeitungen bekannt! Können wir noch ein bißchen mehr erfahren?)

— Dies ist, Herr Dr. Stoltenberg, bei vielem so, weil die Zeitungen ja ungewöhnlich schnell Meldungen weitergeben und sehr viele Überlegungen daran knüpfen. Herr Dr. Stoltenberg, es wind Sie aber sicherlich interessieren, wie die Bundesregierung darüber denkt, ebenso wie es mich interessiert, wie Sie über Dinge denken, die ich aus den Zeitungen natürlich längst vorher kenne

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Stoltenberg: Können wir noch ein bißchen mehr erfahren?)

Die Gespräche, die Herr Duckwitz begonnen hat, werden in der zweiten Märzwoche in Warschau fortgesetzt werden. Wenn ich sage, daß uns ein Ausgleich mit Polen aus vielen Gründen besonders am Herzen liegt, so glaube ich, daß das eine gemeinsame Auffassung des Hohen Hauses ist. Sowenig man die Zukunft nur mit den Lasten der Vergangenheit bestreiten kann, so sicher ist auch, daß wir sie in unsere Überlegungen einbeziehen müssen. Es wird ein langer und beschwerlicher Weg sein bis zur vollständigen und für beide Seiten befriedigenden Lösung. Aber er muß beschritten werden, wenn wir die Zukunft für unser Volk meistern wollen.
Meine Damen und Herren, was hätten alle unsere Bemühungen in West und Ost für einen Sinn, wenn es nicht gelänge, in Deutschland selbst das Zusammenleben der beiden deutschen Staaten erträglich zu machen? Das sind wir der Bevölkerung hüben und drüben schuldig. Das ist auch notwendig, wenn die Glaubwürdigkeit unserer gesamten Politik erhalten bleiben soll.
Ich will nicht in eine Polemik über vergangene Versäumnisse hier verfallen. Wer die Dokumentation der Deutschlandpolitik studiert, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß er Zeitgenosse eines dramatischen und tragischen Schattenboxens um das Schicksal Deutschlands gewesen ist. Man mag von der sowjetischen Note aus dem Jahre 1952 und vom sowjetischen Friedensvertragsentwurf aus dem Jahre 1959 halten, was man will; aber eines steht fest: diese Bundesregierung wird keinen Weg und auch kein Hindernis auf diesem Wege scheuen, um auch die geringsten Möglichkeiten zur Verbesserung der Lage in Deutschland bis zum letzten auszuloten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir dürfen Genugtuung darüber empfinden, daß die mit uns verbündeten und befreundeten Staaten unser Konzept der Deutschland- und der Ostpolitik unterstützen. In den Gesprächen mit der franzöischen Regierung im Dezember haben wir feststellen dürfen, daß der sogenannte Rapallo-Komplex, der eine Zeitlang auch in die französische öffentliche Meinung einzudringen drohte, einer partnerschaftlichen Solidarität zwischen unseren beiden Ländern gewichen ist. Das gilt genauso für die anderen Alliierten des atlantischen Bündnisses. Hier ist es wichtig, noch einmal zu betonen, daß die politische Aktivität der Bundesregierung Osteuropa gegenüber auch fest in das Atlantische Bündnis gegründet ist, das allein unsere Sicherheit garantiert. Ohne die Gerantie dieser Sicherheit ist eine Politik Osteuropa gegenüber, die der Entspannung dienen soll, nicht denkbar.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, Zustimmung zu unserer Politik habe ich auch in Asien bei meinem Besuch festgestellt: daß man auch dort unsere Bemühungen, zu einem Ausgleich in Europa zu kommen, mit großer Sympathie verfolgt.
Ein westlicher Diplomat hat vor kurzem einmal in einem Gespräch gesagt: „Die Bundesrepublik war noch nie so angesehen in der Welt, wie sie es heute ist."

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU — Abg. Dr. Barzel: Dais liegt am Außenminister?! — Abg. Rasner: „Man schenkt sich Blumen" !)

— Ich weiß gar nicht, meine Damen und Herren, warum Sie das nicht sehr positiv aufnehmen;

(Zurufe von der CDU/CSU: Vorher schon! — Wir freuen uns!)

denn letzten Endes ist das eine lange Entwicklung, die uns dahin geführt hat. Sie sollten sich freuen, daß diese Regierung weiter Stein auf Stein zur Stärkung des Ansehens der Bundesrepublik beigetragen hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich nehme nicht an, daß Sie gewünscht hätten, es wäre das Gegenteil eingetreten.

(Abg. Rasner: „Laßt Blumen sprechen" !)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort zu Berlin sagen. Wir messen der alliierten Initiative bezüglich der Verbesserung der Lage in Berlin und in bezug auf die Verbesserung der Lage der Bevölkerung dieser Stadt große Bedeutung bei. Wir können nur hoffen und wünschen, daß sich auch die sowjetische Regierung und die Regierung der DDR darüber im klaren sind, daß es ohne eine Entspannung der Verhältnisse lin und um Berlin keine wirkliche Entspannung in Europa geben kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Deshalb erwarten nicht nur unsere Verbündeten
mit uns, sondern auch unsere Nachbarn mit dem



Bundesminister Scheel
Blick auf Berlin einen entscheidenden Beitrag der östlichen Seite zur Sicherung das Friedens.

(Beifall bei den Regierungsparteien und vereinzelt bei der CDU/CSU.)

Der freie Zugang nach Berlin muß gewährleistet sein. Die engen Bindungen der Stadt an die Bundesrepublik müssen respektiert werden; die Menschen und die Wirtschaft in Westberlin dürfen nicht wegen dieser selbstgewählten Bindungen diskriminiert werden.
Meine Damen und Herren, ,der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe in Bonn hat nach dem Bericht des Bundeskanzlers zur Lage der Nation erklärt, die Opposition der CDU werde jetzt „eisenhaltiger" werden.

(Abg. Stücklen: Wie, bitte? — Herr Außenminister, ich zitierte aus einer anderen Quelle! — Abg. Strauß: Außerdem war es vorher!)

— Ich meine, Herr Kollege, die politische Atmosphäre in unserer Welt ist „eisenhaltig" genug. Wir brauchen diesen Begriff nicht noch auf die Innenpolitik zu übertragen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Gerade jetzt beim Besuch des israelischen Außenministers haben wir über diese Spannungsherde sprechen können. Wir hatten Gelegenhelit, die bedrohliche Lage dm Nahen Osten ausführlich zu erörtern.

(Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Stücklen: Glauben Sie, ich habe die Absicht gehabt, hier mit Kanonen aufzufahren?)

— Sicher nicht!

(Abg. Stücklen: Was soll denn das!? —Weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Martin: Etwas kohärenter zur Sache!)

— Ja, gut.
Meine Damen und Herren, ich darf wiederholen: Es gibt Konflikte, die uns mit großer Sorge erfüllen. Wir haben nicht nur in diesen Tagen in einer ausführlichen Besprechung einen dieser Konfliktherde diskutiert, sondern auch anläßlich des Besuchs des jordanischen Ministerpräsidenten vor einigen Wochen. Die Bundesregierung hat sich, um das Verhältnis der Regierungspolitik zu diesem Krisenherd darzustellen, in ihrer Nahostpolitik zum Ziel gesetzt, auf jede Doppelzüngigkeit zu verzichten und ihren Standpunkt gegenüber allen Regierungen dieses Raumes in gleicher Weise zur Geltung zu bringen.

(Abg. Dr. Barzel: Herr Scheel, das gilt hoffentlich nicht nur für die Nahostpolitik der Bundesregierung!)

— Darauf können Sie sich verlassen, Herr Dr. Barzel.

(Abg. Dr. Barzel: Danke sehr!)

Ich glaube, dies ist auch von niemandem bisher bezweifelt worden.

(Abg. Dr. Barzel: Nur durch Ihren eigenen Satz soeben!)

— Herr Dr. Barzel, ich habe mich dabei bezogen auf die Beurteilung der Politik einer der früheren Regierungen diesem Gebiete gegenüber, die uns ja in außerordentliche Schwierigkeiten gebracht hat, einer Bundesregierung, der ich selbst angehört habe.

(Abg. Dr. Barzel: Wie wir uns erinnern, ja!) Sie wissen, worauf ich Bezug nehme?


(Abg. Dr. Barzel: Wo Sie für einen Teil dieser Politik zuständig waren, Herr Scheel!)

— Herr Dr. Barzel, da Sie schon auf Einzelheiten eingehen, muß ich sagen: Dieser Teil der Politik, der uns Schwierigkeiten gemacht hat, ist allerdings den Partnern dieser Regierung vorenthalten worden.

(Abg. Dr. Barzel: Na!)

Wir haben ihn vorgefunden, als die öffentliche Meinung darauf gestoßen ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie werden aber einige Kollegen in diesem Raum finden, die daran durch direkte Aktionen beteiligt gewesen sind.

(Abg. Dr. Martin: Links und rechts!)

— Rechts mehr durch Aktionen, links mehr dadurch, daß man von den Aktionen einiges gewußt hat.

(Lachen des Abg. Dr. Martin.)

Meine verehrten Kollegen, ich will noch einmal wiederholen: Wir verzichten darauf. So wünschenswert nun eine Ausgewogenheit — von der immer gesprochen wird — unserer Beziehungen zu den arabischen Ländern einerseits und Israel andererseits sein mag, ist diese Ausgewogenheit jedoch nicht das Entscheidende unserer Beziehungen zu diesem Raum. Das höchste Interesse, das wir haben, liegt in der Bewahrung des Friedens, der im Nahen Osten in gefährlicher Weise bedroht ist. Unsere Politik gegenüber diesem Raum wird daher vor allem bestimmt sein von diesem alles beherrschenden Wunsch, zu einer friedlichen und dauerhaften Regelung des Konflikts beizutragen. Wir haben keine direkte Möglichkeit, weil wir nicht zu den Weltmächten gehören, die an diesem Problem direkt beteiligt sind; wir haben auch zu einem Teil der Länder in diesem Raum keine diplomatischen Beziehungen. Unser Einfluß ist dadurch auf natürliche Weise beschränkt. Wir werden aber im Rahmen unserer Möglichkeiten alles tun, um der Friedensregelung in diesem Raum zu dienen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort zu den terroristischen Anschlägen auf zivile Luftverkehrslinien und zivile Flugplätze sagen. Die Bundesregierung ist nicht gewillt, der allgemeinen Verwilderung des internationalen Zusammenlebens tatenlos zuzusehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Was .die Sicherheit unserer Flugplätze angeht, so hat der Bundesinnenminister die nötigen Maßnahmen ergriffen. Er hat gestern mit den Innenministern der Länder ausführlich darüber gesprochen, und er bemüht sich auch, zu einer internationalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiete zu kommen,



Bundesminister Scheel
die es leider bis zum heutigen Tage noch nicht gibt. Der Gedanke der schweizerischen Regierung, die Fragen der Sicherheit im internationalen Flugverkehr auf eine Konferenz zu erörtern, findet unsere lebhafte Unterstützung.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Wir werden aber auch die Urheber solcher Terrorakte mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dingfest zu machen versuchen.
Im übrigen muß man sagen: Wenn es sich um politische Gruppen handelt, müßten die Urheber solcher Terrorakte wissen, daß diese Maßnahmen, die das Leben Unschuldiger fordern, der von ihnen vertretenen politischen Sache weiß Gott keinen Nutzen bringen, sondern schwersten Schaden zufügen müssen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine verehrten Kollegen, die 'deutsche Bundesregierung ist beseelt von dem Wunsch nach mehr Frieden, nach mehr Sicherheit und nach mehr Menschlichkeit. Über ihrer Politik steht das Prinzip der freien Selbstbestimmung. Sie gibt nichts auf; sie verschleudert nichts.

(Zuruf des Abg. Dr. Barzel.)

Sie will die Einheit der Nation bewahren, die in allen Phasen der deutschen Geschichte umstritten und manchmal bestritten gewesen ist. Sie handelt im Bewußtsein der Vergangenheit, in Kenntnis der Wirklichkeiten der Gegenwart und in der Perspektive des Morgen.
Was bedeutet da eine herabsetzende Kritik, die ihre inneren Widersprüche nicht verbergen kann? Was soll der Ausdruck „hochgejubelte Osteuphorie", wenn man daran denkt, daß wir im Osten das Gegenstück zur Aussöhnung im Westen schaffen müssen, die wir alle betrieben, alle bejaht haben und 'die uns gelungen ist.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Welches sind die Voraussetzungen dieser Aussöhnung mit dem Osten im Vergleich zur Aussöhnung mit dem Westen?)

— Es sind andere Voraussetzungen, Herr Dr. Kiesinger,

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Sehr richtig!)

und das sind die Wirklichkeiten, von denen ich gesprochen habe.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wer hat denn den Mut, vom „Zirkus der hektischen Verhandlungen im Osten" zu sprechen,

(Zuruf von der SPD: Strauß!)

wenn man bedenkt, daß 'diese Regierung 25 Jahre nach Kriegsende im Begriff ist, entscheidende Schritte zu tun, um den Berg von Mißtrauen abzubauen, den es ja immer noch gibt?

(Abg. Dr. Stoltenberg: Welche Schritte denn? 'Sagen Sie uns das mal!)

— Zu verhandeln, Herr. Dr. Stoltenberg. Dies hat ja bisher noch niemand begonnen und beginnen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU.)

Wer könnte die Stirn haben, von der Sowjetunion als von dem „Wunschverhandlungspartner" der Bundesregierung zu sprechen, wenn man bedenkt, was Rußland und Deutschland in der modernen Geschichte füreinander bedeutet haben?
Wir sind weder dem „Rechts- noch dem Tatsachenfetichismus" verfallen, obgleich ich diese Bemerkung für eine kluge Bemerkung gehalten habe; aber sie hat uns wohl etwas zusehr auf eine der beiden Seiten zu drängen versucht. Wir versuchen die Dinge so nüchtern wie möglich zu sehen, und wir glauben trotzdem, daß die Vernunft schließlich eine stärkere Triebfeder ist als dogmatische Verblendung, wie sie auf der anderen Seite anzutreffen ist. Wir sehen aber auch die weltpolitische Entwicklung mit wachen Augen. Sie lehrt uns, daß nur dasjenige Land eine Chance in der modernen Welt hat, das weniger nach den Formalien und dem Status, dafür aber mehr nach Leistung und Funktion fragt. Die Wirklichkeit nicht sehen wollen, wie sie ist, das heißt sich selbst fesseln. Das gilt für den einzelnen ebenso wie für die Staaten. In unserem Verhältnis zum anderen Staat in Deutschland, in der Aussöhnung und Zusammenarbeit mit Osteuropa, vor allem auch mit der Sowjetunion, wird sich zeigen, ob die Bundesrepublik ein wahrhaft moderner Staat ist, d. h. ein Staat, der ohne 'Rücksicht auf Formalismus und Ideologie seinen Beitrag zur Lösung der großen Probleme unserer Zeit zu leisten vermag.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. ,Stoltenberg: Was heißt das?)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0603300200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603300300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der offensichtlich informativste und sicher für das ganze Haus erregendste Satz dieser sehr bedeutenden Morgenrede war,

(Heiterkeit 'und Beifall bei der CDU/CSU — Oh-Rufe und weitere lebhafte Zurufe von den Regierungsparteien — Abg. Dr. Stoltenberg: Eine Provokation war diese Rede!)

die Bundesregierung sei draußen noch nie so angesehen gewesen wie jetzt. Dies freilich, Herr Kolle Scheel, sich selber Blumen zu schenken, ist ein neuer Stil.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Heute stehen im wesentlichen die außen- und deutschlandpolitischen Dinge an. Ich möchte gern nur einen einzigen Punkt aus der innenpolitischen Debatte der vergangenen Woche eben noch an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers sagen, weil er in diese Woche herüberspielt.

(Zuruf von der SPD.)

— Ja, er spielt in diese Woche herüber. Meine Damen und Herren, wir haben nach der Debatte der vergangenen Woche und den Festlegungen der Regierung am Sonntag gehört, daß der Bundeswirt-



Dr. Barzel
schaftsminister mit sehr deutlichen Worten gesagt hat, nun müsse gehandelt werden. Das ist in der Öffentlichkeit als die Ankündigung aufgefaßt worden, die Steuern zu erhöhen oder mindestens vorweg Steuererhebungen vorzunehmen. Wir haben dann eine Menge von Presseerklärungen beider Koalitionsfraktionen gehört. Wir lesen heute morgen eine groß aufgemachte Erklärung des Herrn Bundesministers der Finanzen. Herr Bundeskanzler, ich glaube, es ist an der Zelt, daß ,dieses Durcheinander durch ein Wort des Mannes, der die Richtlinien der Politik für seine Regierung bestimmt, beendet wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Scheel, ich möchte mich bei Ihnen in einem Punkt bedanken, auf den ich am Schluß zurückkommen möchte, nämlich dafür, daß Sie — und das war wohltuend — in einem außenpolitischen Bericht mit der doch wohl für uns alle fundamentalsten Frage begannen, der Lage in Europa und dem Fortschritt in Europa. Ich komme darauf zurück.
Aber ich muß einen fundamentalen Punkt bestreiten, den Sie allgemein gesagt haben. Er ist sehr wichtig für die ganze Debatte, die wir heute und in Zukunft halben werden. Sie haben gesagt, man könne nicht die Ziele bejahen — das war wohl mit dem Blick auf Ihre Ostpolitik gesagt —, aber die Mittel und Wege verneinen. Sehen Sie, das ist ein fundamentaler Satz, der sich aus dem Mund eines Liberalen schlecht und dem eines Demokraten unmöglich anhört, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn die Ziele dieses Landes sind im Grundgesetz normiert. Sie gelten für alle.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Seit mehr als 20 Jahren streiten wir hier, mit unterschiedlichen Erfolgen, über Wege und Methoden. Deshalb kann keiner sagen: „Ich will hier die Aussöhnung, und wenn du hier nicht jeden Schritt mitvollziehst, dann bestreitest du das Ziel." Das ist doch die Logik dieser Einlassung, Herr Kollege Scheel. Das kann man ja wohl so nicht machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann war davon die Rede, man wolle die Vergangenheitsbilanz in der Deutschlandfrage nicht machen. Wir sind gern bereit, dies zu tun. Nur so einfach sollte man es sich nicht machen, daß man erklärt, eine Wiedervereinigung gäbe es nicht, und dann jede bilaterale Klimaverbesserung für einen Erfolg ausgibt. Meine Damen und Herren, das ist wohl der leichteste Beitrag zur deutschen Politik, der jemals geleistet warden ist.
Herr Kollege Scheel, wie können Sie sagen, es sei niemals verhandelt worden?

(Abg. Dr. Stoltenberg: Groteske so etwas!)

Sie waren vielleicht damals nicht da. Aber hier sitzt
doch Carlo Schmid. Verehrter Herr Vizepräsident,
waren Sie nicht Zeuge und beteiligt an Verhandlungen in Moskau, die Konrad Adenauer geführt hat?

(Zustimmung bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD.)

Waren nicht Sie, Herr Kollege Scheel, Mitglied seiner Regierung,

(Zuruf des Abg. Wehner)

die z. B. im Jahre 1959 die Genfer Dinge verhandelt hat und die unter dem Außenminister Schröder damals die Mission in den Ländern Ost- und Mitteleuropas zu errichten begann? Das alles, meine Damen und Herren, können Sie doch nicht unter den Tisch fegen; das sollten Sie eigentlich nicht tun.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie unter ,der Überschrift, hier mehr Demokratie zu wagen und die Wahrheit zu sagen und im Hause sehr informativ zu sein, nach den Gesprächen zwischen Staatssekretär Bahr und den Mitgliedern der sowjetrussischen Führung wirklich nur zu sagen wissen, die Positionen würden nun besser verstanden, dann ist das ein bißchen wenig für dieses Haus.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist deshalb ein bißchen wenig, weil Sie vor der Presse mehr gesagt haben. Vor der Presse haben Sie nämlich gesagt, in der Sowjetunion bestünde das Interesse, zu geregelten Abmachungen mit uns zu kommen. Hier hätten wir gern mindestens diesen Satz gehört. Wir wünschen nichts zu stören, Herr Kollege Scheel. Glauben Sie nicht, daß wir hier etwas kaputtmachen, was vielleicht im deutschen Interesse liegt, nein. Aber hier weniger zu sagen als vor der Presse, das ist uns zuwenig.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich will hier nicht die Debatte über den Sperrvertrag wiederaufnehmen, die uns der Herr Kollege Scheel eigentlich angeboten hat. Aber ich denke, wenn wir die neuesten Dinge sehen, wenn wir die Tatsache sehen, daß von hier und da erhebliche Proteste, wie wir vorhergesagt haben, gegen die friedliche europäische Gaszentrifuge erhoben werden, wenn wir sehen, daß von europäischen Mitgliedsländern der Gemeinschaft eine gemeinsame Verhandlungsposition gegenüber der Wiener Behörde erheblich in Frage gestellt wird, ist doch unser Vorwurf, daß hier mit mangelnder Sorgfalt zur Unzeit unterschrieben worden ist, einfach in der Lektüre dieser Tage bestätigt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hier ist doch an einem klassischen Punkt gezeigt, daß das Weggeben von Konzessionen bei der anderen Seite nur neuen Appetit fördert.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Dieses Beispiel nehme ich bewußt jetzt bei der Überleitung zu dem deutschlandpolitischen Kapitel, zu dem ich jetzt sprechen möchte. Wir haben hier vor etwa 6 Wochen eine Debatte über den Bericht zur Lage der Nation gehabt. Ich will davon nichts wiederholen. Die Regierung hat damals gesagt, es



Dr. Barzel
sei der erste Teil des Berichts, der zweite Teil stehe aus. Wir haben das damals nicht kritisiert, weil die Argumente, die für das Ausstehen des zweiten Teils vorgetragen wurden, überzeugend waren. Aber wir würden doch gern wissen, wann endlich wir einen vollständigen Bericht mit dem zweiten Teil haben, um auch den diskutieren zu können.
Seit der letzten Debatte sind nun einige Dinge passiert, und ich will einige davon in diese Debatte einführen. Wir würden, Herr Bundeskanzler und Herr Außenminister und Herr Minister Franke und Sie alle, die damit zu tun haben — und auch von Herrn Kollegen Wehner vielleicht —, gern hören, ob die Meinungsverschiedenheit, die es damals in der Frage gab, die ich jetzt bezeichnen werde, noch fortbesteht. Wir haben in der Analyse der Positionen der Mitglieder des Warschauer Pakts auf Grund unserer Bemühungen gesagt, die Positionen aller dieser Mitglieder seien fugenlos. Die Bundesregierung hat damals noch durch den Mund des Bundeskanzlers an Hand von drei Beispielen behauptet, es seien Differenzen in den Auffassungen dieser Länder. Es wäre wichtig für dieses Haus, zu wissen, wer hier recht gehabt hat. Ich meine, das stört keine Verhandlungen,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

ob man feststellt, daß es Differenzen gibt, oder ob man feststellt, die Positionen seien fugenlos und die Sowjetunion trete vielleicht als Mandatar all der anderen auf.
Das andere, was sich zwischendurch sicherlich weiter entwickelt hat — das wird im Laufe dieser Debatte noch eine Rolle spielen —, ist das, was ich als die innenpolitischen Voraussetzungen dieser Ostpolitik bezeichnen möchte. Ich weiß nicht, wie die Bundesregierung inzwischen die Notwendigkeiten breiterer Mehrheiten in diesem Hause für fundamentale Lösungen beurteilt. Am 15. war der Herr Bundeskanzler noch der Meinung, er könne sich hier nicht etwa in irgend etwas einschränken lassen. Inzwischen hören wir aus der Zeitung, daß einige der Länder, mit denen verhandelt wird, auf eine breite Mehrheit hier Wert legen, weil sonst nichts dauerhaft genug abgesichert sei. Wir räumen ein, Herr Bundeskanzler, daß sich Ihre Regierung, auch Sie selbst, auch der Herr Außenminister und manchmal in Ihrem Auftrag Beamte um punktuelle Information der Opposition bemühen. Das räumen wir ein, und das stellen wir fest, daß dies geschieht. Wir stellen zugleich fest, daß wir ein Papier nie sehen und daß es zu der Kooperation, die wir angeboten haben, nicht gekommen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das werden wir im einzelnen noch zu behandeln haben..
Die Bundesregierung hat nun in direkten Gesprächen — und wir waren für diese direkten Gespräche und sind dafür — mit Moskau, Warschau und Ost-Berlin begonnen, sich ein eigenes, vollständigeres Bild zu machen. Sie wird sicherlich selbst den Zeitpunkt ermessen, in dem sie das Bild für so vollständig hält, daß sie weitere Gespräche sucht. Nur eines muß man heute sagen: der Zeitpunkt naht, zu dem die Bundesregierung dem deutschen Volk sagen muß, um was es geht und um was es nicht geht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich hoffe, daß dies dann von dieser Stelle aus geschieht und nicht in Interviews und mit lancierten Meldungen. Wer hier gegen den Kollegen Strauß, wie ich das gehört habe, in der Debatte der vorigen Woche den Vorwurf erhoben hat — er wird sich heute in der Debatte zu Wort melden —, er würde nicht das hier im Hause sagen, was hier ins Haus gehört, der sollte zunächst einmal sich selbst prüfen.
Herr Bundeskanzler, Sie sind uns bisher hier im Haus die Antwort schuldig geblieben, warum es keine Wiedervereinigung gibt, während Sie sich in einer Fülle von Interviews im Inland und Ausland dazu geäußert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

Das wollen wir heute hören. Und die Absage an die Gemeinsamkeiten mit der Opposition hat der Kollege Wehner nicht hier im Hause, sondern im „Spiegel" erklärt.

(Beifall bei der 'CDU/CSU.)

Und die neue Konzeption der Verteidigungspolitik haben wir in der Presse gelesen auf Grund einer Erklärung des Verteidigungsministers vor sozialdemokratischen Gremien und nicht nach Erklärung hier im Hause. Also, meine Damen und Herren, mit dem Vorwurf sind Sie — —

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe.)

Es wird Zeit sein, Herr Bundeskanzler, daß Sie hier im Hause sagen — zwar nicht öffentlich Ihre ganze Verhandlungsposition, das verlangen wir gar nicht — —

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0603300400
Herr Kollege Dr. Barzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage dies Herrn Abgeordneten Borm?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603300500
Dies ist mir ein Vergnügen, dem Kollegen Borm eine Frage zu beantworten.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0603300600
Danke, Herr Kollege Barzel. Wären Sie bereit, zuzugeben, .daß das Niveau der Äußerungen, die außerhalb dieses Hauses fallen, beim Herrn Bundeskanzler einanderes ist als bei dem Kollegen, den Sie vorher genannt haben?

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch und Lachen bei der CDU/CSU.)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603300700
Herr Kollege Borm, Sie werden sich im Laufe dieses Tages selbst ein Bild vom Niveau machen können. Wir haben ja alle unsere Zettelkästen. Ich versuche, dazu beizutragen, Herr Borm — und wie Sie wissen, gegenüber jedermann dazu beizutragen —, daß die fundamentalen



Dr. Barzel
Erklärungen zuerst hier im Hause abgegeben werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das sollte für alle hier gelten, vielleicht sogar für Herrn Wischnewski. Er versucht, in der Presse alle möglichen schweren Hände auf Gewissen zu legen. Hier im Hause, Herr Wischnewski, und nicht so mit Presseerklärungen, das ist bessere Demokratie.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung könnte nun wirklich — das ist sie uns wohl schuldig, nachdem Herr Kollege Scheel gesagt hat, die Positionen würden nun besser verstanden —, ohne ihre Verhandlungsposition zu schmälern, dem Hause sagen, welche die Absichten und die erkennbaren Intentionen der Sowjetunion sind, die dort als Mandatar der anderen auftritt, wenn nicht heute, dann doch in absehbarer Zeit. Das zu wissen, hat dieses Haus wohl einen Anspruch. Ich glaube, wir sollten langsam doch wissen dürfen, wo diese Regierung eine Chance sieht, den verstaubten und verkrusteten und, wie ich hinzufügen will, menschenrechtswidrigen Status quo wenigstens schrittweise zu verändern, und zwar im Interesse der Menschen schrittweise zu einer besseren Ordnung in Europa zu verändern.
Sehen Sie, meine. Damen und Herren, wir brauchen doch in Europa zumindest Ansätze, welche die Verhärtungen überwinden und die Zusammenarbeit stärken. Wir brauchen Bemühungen um den Abbau von Rüstung auf allen Seiten. Wir brauchen mehr noch. Wir brauchen, daß in ganz Europa die Grenzen offener werden; die Freizügigkeit muß stärker werden, die Informationsmöglichkeiten für alle müssen besser, der Austausch der Meinungen sowie die Begegnungen der Menschen müssen reger werden. Es müssen überall in Europa Möglichkeiten des Schutzes von Minderheiten geschaffen, es müssen Diskriminierungen von Menschen nach Religion und Nation und Sprache und Meinung gemildert und dann überwunden werden.

(Zuruf von der SPD: Warum haben Sie nicht dafür gesorgt?)

— Sehen Sie, ich verstehe, warum Sie unruhig werden.

(Lachen bei der SPD.)

— Ja, ja, Sie merken, meine Damen und Herren, daß ich dabei bin, an Versäumnisse dieser Bundesregierung zu erinnern,

(erneutes Lachen bei der SPD)

denn wir haben von dieser Stelle aus deutlich gemacht — und das, meine Damen und Herren, sollten Sie sorgsam hören und auch sorgsam wägen —, daß für solche substantiellen Zwecke im Interesse der Menschen und der Völker und einer besseren Ordnung in Europa Leistungen, auch schmerzhafte Leistungen, auch politische Leistungen, erbracht werden können und vielleicht erbracht werden müssen.
Aber eben deshalb halten wir es für fundamental uneuropäisch, den gegenwärtigen und ganz anders gearteten Status quo in Europa etwa zu zementieren und dadurch die Sowjetunion gegenüber allen Europäern, auch uns gegenüber, in ihrem Einfluß noch zu stärken. Wir haben die Erfahrungen der Tschechoslowakei nicht vergessen, und -uns hier in Deutschland sitzt die Breschnew-Doktrin im Nacken. Es wäre wichtig, zu hören, ob insoweit, Herr Bundeskanzler, die Unaufhebbarkeit aller Grenzen, die die Sowjetunion von uns verlangt, den Verzicht auf die Wiedervereinigung beinhaltet.
Es liegt, meine Damen und Herren, im Interesse der deutschen Politik, jeden Eindruck zu vermeiden, als sei gerade etwa sie, die doch hauptsächlich von. diesen Unmenschlichkeiten betroffen ist, dabei, diesen uneuropäischen Status quo auch noch zu billigen. Es ist doch die Aufgabe der deutschen Politik, die deutsche Frage zumindest offenzuhalten, eine europäische Friedensordnung nicht dadurch zu verbauen, daß man diese Verkrustungen zementiert. Deshalb muß man Verhandlungen für Fortschritte in dieser Richtung führen und nicht Verhandlungen in Richtung auf die Zementierung dieses Status quo mit der Hegemonie der Sowjetunion, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die CDU/CSU weiß, daß sich keiner um Schmerzlichkeiten, um Wahrheiten, um Tatsachen und um Leistungen drücken darf, der ostpolitisch weiterkommen will. Sie weiß, daß zu einer besseren europäischen Ordnung ein deutscher Beitrag gehört. Sie weiß aber ebenso, daß es vom Wege zu einer besseren, friedlichen, menschlicheren Ordnung in Europa weg — und ins Gegenteil führt, wenn etwa dieser deutsche Beitrag ins Nichts verschenkt würde, wenn er ohne Verbesserungen und ohne reale Veränderungen für die Menschen und Völker geleistet würde und wenn lediglich die sowjetische Vorherrschaft in Europa bestätigt und deren Einfluß dadurch ausgedehnt würde.
Aus dieser Sicht, meine Damen und Herren — etwas einbringen für eine bessere Ordnung, etwas leisten für eine Gegenleistung —,

(Zuruf von der SPD: Hätten Sie ja machen können!)

sind unsere Dokumente wie die Friedensnote Ludwig Erhards und die Friedenspolitik Kurt Georg Kiesingers — übrigens Dokumente, auf die sich diese Regerung mit Recht, zum Teil mit Recht, beruft — entstanden.
Meine Damen und Herren, deshalb haben wir Verhandlungen mit den Verantwortlichen in OstBerlin gefordert, deshalb haben wir konkrete Vorschläge für Verbesserungen gemacht, deshalb haben wir Beziehungen mit den Ländern Ost- und Mitteleuropas befürwortet, Rüstungsbegrenzungen und all diese Dinge, und deshalb forderten wir auch — und jetzt komme ich auf einen wichtigen Punkt —, daß Grenzfragen nur lösbar werden, wenn Grenzen offener, Freizügigkeit besser und Minderheiten geschützt würden usf.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben hier am 29. Oktober der Bundesregierung einige Angebote gemacht. Wir haben gesagt — und ich wiederhole dies hier, und es gilt für uns fort —:



Dr. Barzel
Wir begrüßen, daß die Bundesregierung auf die Gesprächsbereitschaft Polens eingehen will. ... Ohne Kooperation mit der Opposition werden Sie in dieser Frage kaum zu einem Erfolg kommen können.
Wir meinen: Deutsche und Polen wollen ... in gesicherten Grenzen leben, die frei vereinbart werden und die Zustimmung beider Völker finden müssen. Gespräche hierüber
— zur Vorbereitung —
sind auch vor einem Friedensvertrag sinnvoll. Verbindliche Regelungen bedürfen der Zustimmung des deutschen Volkes. . . . Wer Grenzfragen lösen oder auch nur entschärfen will, muß - außer dem Verzicht auf Gewalt . . . — der Grenze, um die es geht, . . . etwas von ihrer Totalität nehmen. In der Zeit der Raumfahrt gilt es, . . . Grenzen zu überwinden, sie durchlässig und den Menschen erträglicher zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Unruhe bei der SPD.)

- Sie werden schon merken, warum ich daran erinnere. Bei Freizügigkeit, bei europäischem Volksgruppenrecht, bei Abbau aller Diskriminierungen nach der Herkunft, dem Stand, der Religion, der Meinung überall in Europa erschienen und erscheinen uns Grenzfragen in einem anderen Licht.
Wir haben deshalb angeregt, die Bundesregierung möge nicht nur reagieren auf gesamteuropäische Vorschläge anderer, sondern sie möge sich selbst mit einem Entwurf einer Charta der Freizügigkeit, des Volksgruppenrechts und des Minderheitenschutzes an alle europäischen Regierungen wenden, um alle Grenzfragen überall in Europa lösbarer zu machen. Dies haben wir gesagt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben die Bundesregierung ermuntert, einen Beitrag zu dieser europäischen Sicherheitskonferenz dadurch zu leisten, daß sie hilft, daß man nicht vorn staatlichen Status quo, sondern von der Sicherheit menschenwürdigen Lebens ausgeht. Wir haben davon gesprochen, daß ein europäisches Sicherheitssystem und mehr noch eine europäische Friedensordnung gemeinsame Normen zur inneren Festigung der deutschen Lage brauchen.
Die Bundesregierung hat alle diese Anregungen, die wir hier im Hause vorgetragen haben, überhört. Sie hat sie auch nicht aufgenommen in dem ersten Gespräch, das wir über die Vorbereitung des Gesprächs mit Polen hatten, und nicht aufgenommen, als wir sie dort konkretisiert und erneuert haben. Wir nehmen das zur Kenntnis. Die Koalition wird schon sehen, wie weit sie auf diese Weise kommt. Ich sage dies heute, damit niemand später Verantwortlichkeiten und Geschichte hier durcheinanderbringt.
Ich verweise noch einmal auf eine jugoslawische Stimme, die ich ausführlich in der letzten Debatte zitiert habe und die uns alle mahnt, nicht diesen schrecklichen Status quo festzuschreiben, sondern eine bessere Ordnung zu suchen.
Jeder von uns wird in den letzten Wochen polnische Gesprächspartner gehabt habe. Ich habe vielen von denen gesagt: wie soll ich eigentlich ein Gespräch über Lösungen dieser Frage beginnen können, wenn nicht einmal der Vater mit seinem Sohn in aller Freiheit an den Ort seiner Geburt soll reisen können?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das sind doch ganz praktische Punkte. Solche Punkte, um die es hier wirklich geht, gehören in die Debatte.
Dann lesen wir in der Zeitung, in der Grenzfrage gehe es für die Bundesregierung nun zwischen Warschau und Bonn nur noch um eine Formel.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Das muß man wirklich hören — „nur noch um eine Formel". Dabei .geht es um ein Stück von Deutschland, das uns alle angeht und nicht etwa nur die, die dorther stammen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hier geht es nicht um eine Formel, sondern hier geht es um Menschen, hier geht es um Schicksale, hier geht es um Recht, hier geht es um Schlesien und Pommern und Ostpreußen.

(Unruhe bei der SPD.)

Sehen Sie, meine Damen und Herren, dies werfen wir dieser Regierung vor: Dem deutschen Volk nicht mit aller Offenheit gesagt zu haben, um was es hier wirklich geht, und statt dessen hier nur mit einer Formel zu arbeiten,

(Beifall bei der CDU/CSU)

mit einer Formel, von der Herr Wehner sagt: Es ging um eine Antwort, die die Polen befriedigen kann und die hier politisch zu tragen ist. Offenbar haben Sie die Formel noch nicht gefunden, die die Polen befriedigt und die hier innenpolitisch das ein bißchen vernebeln soll, was in Wirklichkeit an vollendeten Tatsachen geschaffen werden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, wenn Sie wirklich Lösungen suchen, Lösungen eines Problems, dann lassen Sie uns ernsthaft, offen und geduldig miteinander sprechen. Die Deutschlandpolitik braucht nicht kurzfristige klimatische Erfolge bei den doch wechselnden Verantwortlichen in den Ländern des Warschauer Paktes, sondern sie braucht langfristig wirkende und haltbare Lösungen, Lösungen im Interesse der Menschen, Lösungen im Interesse der Völker 'und einer besseren europäischen Ordnung, und nicht Lösungen, die, weil sie heute à la mode sind, gefunden und vielleicht morgen oder von künftigen Generationen verworfen werden.
Meine Damen und Herren, wir würden an Lösungen mitarbeiten. Das weiß man auch in Polen. Wir werden an Formeln, die Inhalte verbergen

(Abg. Dr. Stoltenberg: Sehr wahr!)

oder die von dem einen als endgültig und von dem anderen als vorläufig interpretiert werden, nicht mitwirken.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Barzel
Denn nur Offenheit, Geben und Nehmen, die volle Glaubwürdigkeit und Redlichkeit sowie der Respekt vor dem geltenden Recht werden unsere Position in den Verhandlungen mit diesen Ländern stärken.
Meine Damen und Herren, je ernster wir das auch insoweit jedermann in Ost und West und im eigenen Volk sichtbar machen, je ernster war das Grundgesetz und den Deutschlandvertrag als für uns verbindlich ansehen und nirgendwo augenzwinkernd in Frage stellen, desto eher wird man uns glauben, daß das neue verbindliche Wort, um das wir ringen, von uns genauso eingehalten werden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wer, wie wir, neues Recht und andere Verbindlichkeiten zum Ausgleich der Interessen und zur Aussöhnung sucht und zugleich — und kein Demokrat kann etwas anderes tun — für Selbstbestimmung ist, der muß nicht den Formelweg, sondern der muß den Lösungsweg gehen, und er muß den mühsamen Weg gehen, durch Zustimmung der Beteiligten und durch Verbesserungen für die Menschen neues Recht verbindlich zu machen. Meine Damen und Herren, es gibt keinen anderen Weg. Wir haben auf die begrenzte Legitimation der Bundesregierung, wir haben auf 'die begrenzte Legitimation selbst dieses Hauses in diesen Fragen hingewiesen, und zwar rechtzeitig, intern, und wir tun es auch öffentlich. Diese begrenzte Legitimation gibt es für uns als Demokraten doch nicht nur deswegen, weil sie im Grundgesetz und im Deutschlandvertrag steht, sondern wer es mit der Selbstbestimmung ernst meint, kann doch gar nicht anders, als eine Lösung nur mit Zustimmung der Beteiligten und nicht durch eine Formel zwischen Regierungen suchen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich sage das auch noch aus folgenden zwei Gründen. Einmal sind der Deutschlandvertrag und auch sein Art. 7 nicht nur geltendes Recht. Sie sind nicht nur ein verbindlich und feierlich durch Ratifikation erhärtetes Wort, an dessen Einhaltung die Glaubwürdigkeit der deutschen Politik von vielen gemessen wird, sondern zugleich ein verbindlicher Bestandteil eines sehr komplizierten Geflechts von Normen, Verträgen und Wirklichkeiten, die im Interesse unseres Landes, konkret: im Interesse unserer Sicherheit, noch konkreter: vor allem im Interesse der Lebensfähigkeit und Sicherheit des freien Berlins stehen; aus diesem Geflecht kann man nicht einen Punkt herausbrechen oder in seiner Rechtskraft mindern, indem man es nur noch zu einer Abladestelle für Terminvorbehallte macht. Nein, dies ist eine inhaltlich gemeinte Norm. Das sollte hier niemand übersehen.
Und :das andere, Herr Bundeskanzler: Formeln statt Lösungen und der Versuch, das ohne das Gespräch und die Zustimmung :der Beteiligten zu lösen, was mühsam ist, können vielleicht dazu führen, daß Sie kurzfristig bei dem einen oder anderen der gegenwärtig Verantwortlichen in den Ländern des Warschauer Paktes Gewinn davon haben. Aber Sie müssen doch einrechnen, Herr Bundeskanzler, daß hier die Gefahr nicht :auszuschließen ist, daß dem am Schluß :der Schaden einer Erstarkung des Rechtsradikalismus in Deutschland gegenüberstehen könnte.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Dies abzuwägen und deshalb nicht Formeln, sondern Lösungen zu suchen und hier ein Verhältnis zu finden, das nicht so ist wie Wehner sagte auf die Frage nach Polen: „Ich brauche die Opposition nicht" — das, meine Damen und Herren, ist der Punkt, um den es hier in Wahrheit geht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, ich appelliere hier nicht an Sie. Ich stelle hierzu auch keine Frage. Ihr Ohr war zu oft taub. Nur: wenn Sie, mit dem Blick auf die ungenutzte Möglichkeit der Kooperation mit dieser Opposition, eines Tages zu :der Erkenntnis kommen sollten, eine Chance für :die deutsche Politik nicht haben gebührend wahrnehmen zu können, dann würde diese verpaßte Chance im Geschichtsbuch der deutschen Politik Mit Ihrem Namen überschrieben sein.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Oh-Rufe von der SPD.)

Zum Gespräch mit Moskau möchten wir ganz weniges sagen. Wir würden es begrüßen, wenn ein Gewaltverzichtsvertrag zustande käme.

(Zuruf.)

— Es gibt bekanntlich einen Entwurf der Regierung Kiesinger ,dazu, und wir haben erklärt, daß wir dazu stehen. Nur erscheint natürlich ein solcher Entwurf, wenn eine Regierung ihn vorlegt, die in ihrer eigenen Erklärung sagt, sie spreche für alle Deutschen, und wenn in der Präambel steht, wir wollten die Wiedervereinigung, und wenn sie dann sagt, wir verzichten auf Gewalt als ein Mittel auch der deutschen Politik, in einem ganz anderen Licht, als wenn denselben Entwurf eine Regierung vorlegt, die sagt, eine Wiedervereinigung gibt es nicht, und hier existieren zwei deutsche Staaten.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Genau das! — Abg. Dr. Martin spüren!)

Herr Bundeskanzler, ich kann mir nicht vorstellen — ich möchte dies sagen und hoffe, daß es verstanden wird —, daß etwa die Bundesregierung über diese Fragen anders verhandelt und gesprochen hat, als es ihren verbindlichen Erklärungen vor diesem Hause am 14. Januar in ihrem Bericht zur Lage :der Nation entspricht.

(Zuruf von der SPD: Ja, Herr Lehrer!)

Ich bin jedermann, drinnen und draußen, entgegengetreten, der vermutet hat, diese Regierung würde in Wirklichkeit in Moskau anders sprechen als hier am 14. Januar im Bundestag,

(Zurufe von der SPD: Ja: und? Und?) und ich bin dabei, das jetzt zu erklären.


(Zuruf von der SPD: Sie müssen Herrn Strauß entgegentreten!)




Dr. Barzel
Ich kann mir nicht vorstellen, Herr Bundeskanzler — vielleicht ist es ganz interessant für jemanden, daß die Opposition das hier heute sagt, nicht wahr? —, daß die Bundesregierung einen Vertrag aushandeln oder dem Hause vorlegen würde, welcher mit dem Grundgesetz, mit dem Deutschlandvertrag, mit dem Selbstbestimmungsrecht, mit dem Wiedervereinigungsgebot nicht übereinstimmte oder etwa das Interventionsproblem nicht löste. Wir gehen davon aus, daß für die Bundesregierung unverändert fortgilt, was der Herr Bundeskanzler am 14. Januar 1970 hier verbindlich erklärte: Einheit der Nation, Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes, keine völkerrechtliche Anerkennung der DDR, keine Beeinträchtigung des Deutschlandvertrages. Wir fügen hinzu, daß für uns Gewaltverzicht nicht ein Ersatz für einen Friedensvertrag sein kann. Um das bilateral gegenüber dieser Großmacht durchzusetzen, fehlt uns neben der Vollmacht, die nur das ganze deutsche Volk hat, politisch und rechtlich auch die Kraft. Für uns ist Gewaltverzicht nicht etwa der Verzicht auf die politische Forderung nach friedlichen Bemühungen, nach einer friedlichen Lösung der deutschen Frage auf der Basis der Selbstbestimmung. Wir hielten es für unerträglich, wenn wir etwa am Schluß von Wiedervereinigung nicht einmal mehr sprechen dürften, während Ulbricht diese Forderung erhebt.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, hier gibt es keinen Verhandlungsspielraum, ich nehme an, für niemanden in diesem Hause. Selbstbestimmung, Menschenrechte und die Forderung nach Freiheit sind für jeden Demokraten das schlechthin Unverzichtbare. Dies sollte man in dieser Phase internationaler Überlegungen auch aus dem Mund der Opposition hier im Hause hören.
Was im übrigen konkret zu diesem Thema zu sagen ist, habe ich am 16. Januar für unsere Fraklion gesagt. Ich nehme darauf Bezug. —
Nun zu dem Gespräch mit Ost-Berlin. Die Bundesregierung hat unsere Vorschläge, die wir seit Oktober gemacht haben, abgelehnt, den Verantwortlichen im anderen Teil Deutschlands rein konkretes Verhandlungsangebot zu machen. Wir hatten dazu im Ausschuß an eine Erklärung und einen Briefwechsel des Bundeskanzlers Kiesinger sehr präzise Punkte vorgelegt. Die Bundesregierung hat, was ihr gutes Recht ist, eine andere Politik eingeschlagen. Sie hat uns zugleich aber, was schlechter Stil ist, eine Begründung für ihre Argumente und eine Antwort auf unsere Argumente vorenthalten. Das muß klar sein.
Nun hat sich der Bundeskanzlerentschlossen, nach Ost-Berlin zu fahren. Da es uns nicht um Rechthaberei geht, sondern allein um Fortschritt für alle Deutschen, erklären wir heute zu dieser Sache nur folgendes — dies ist ein Beschluß der Bundestagsfraktion der CDU/CSU —: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt den Beschluß 'der Bundesregierung, mit Ost-Berlin in Gespräche über alle Fragen des Zusammenlebens der Deutschen einschließlich Gewaltverzicht einzutreten. Sie ist der
Auffassung, daß solche Gespräche auf der Basis gründlicher Vorgespräche erfolgen müssen. Die Fraktion warnt jedoch die Bundesregierung davor, solche Gespräche mit der Bedingung der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR verquicken zu lassen. — So weit dieser Beschluß.
Ich halte fest, indem wir dies heute von dieser Stelle erklären, geben wir nichts von unserer Ungebundenheit auf, unsere Meinung frei und kritisch zu sagen, wann und wie wir es für geboten halten. Wir — das soll auch jeder wissen — wissen nichts von den Motiven für dieses Treffen, von den konkreten Vorbereitungen, von den Absichten, mit denen man in diese Gespräche geht. Meine Damen und Herren, auch das soll jedermann wissen.
Gegen uns — das gehört in diesen Zusammenhang — hat die Bundesregierung die Zwei-StaatenTheorie akzeptiert, wie sie gegen uns den Sperrvertrag unterschrieb. Sie sagt, wenn ich sie recht verstehe, die DDR sei ein Staat, aber sie sei ein Teil Deutschlands und daher für uns kein Ausland. Darum könne die Bundesrepublik Deutschland die DDR völkerrechtlich nicht anerkennen. Demgegenüber sagten wir bisher, und wir sagen dies noch: wir können die DDR nicht anerkennen, weil den dort lebenden Deutschen das Selbstbestimmungsrecht vorenthalten wird.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Bedeutet nun die Formel, welche die Regierung verwendet, daß alle anderen Staaten der Weh, für die die DDR natürlich Ausland ist, die DDR auch völkerrechtlich anerkennen können? Eine solche Konzession bedeutete nach meiner Auffassung — vielleicht stellt die Regierung hier etwas klar; Fragen werden ja hier nicht sehr vielle beantwortet — doch wohl den Verzicht auf das Selbstbestimmungsrecht für die Deutschen in der DDR. Denn wer die DDR völkerrechtlich anerkennt, kann schwerlich im gleichen Augenblick sagen: Abler der Bevölkerung dort wird das Selbstbestimmungsrecht vorenthalten. Bisher war es die Stärke unserer Position, daß die ganz überwiegende Staatengemeinschaft im Interesse des fundamentalen Völkerrechtsprinzips der Selbstbestimmung dem anderen Teil Deutschlands die Anerkennung versagt hat.
Meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung künftig die völkerrechtliche Anerkennung der DDR etwa nur noch mit der Begründung ablehnt, sie sei für uns kein Ausland, dann wird es auch für uns schwerer, die These von der Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts für alle Deutschen aufrechtzuerhalten. Wir beeinträchtigen damit unsere Position, in der wir bis zur Stunde mit der überwiegenden Mehrheit der Staatengemeinschaft identisch sind, in einer negativen Weise.
Ich habe dies so formuliert, weil es vielleicht eine Möglichkeit gibt, hier Klarstellungen vorzunehmen. Wenn es das nicht gäbe, müßte man diese Position hier anders darstellen, wenn man im Bericht zur Lage der Nation über Selbstbestimmung spricht und diese Politik vollzieht. Vielleicht gibt es hier noch eine Klarstellung. Sonst besteht die Pflicht, nicht



Dr. Barzel
von Selbstbestimmung zu reden und dann hier auch insoweit kontrovers zu verhandeln.
Meine Damen und Herren, in der ersten Aussprache über die erste Erklärung dieser Bundesregierung am 29. Oktober 1969 hat die CDU/CSU der Koalition ein Angebot gemacht, das ich im Wortlaut noch einmal verlesen möchte. Wir haben gesagt:
Wir bieten auch in aller Form die Möglichkeit an, in den Lebensfragen der Nation zur Kooperation aller zu kommen. Ob das zum Nutzen aller Deutschen erreicht wird, liegt ganz wesentlich an Ihnen, Herr Bundeskanzler, nämlich an dem Ausmaß, der Stetigkeit und der Offenheit, mit der Sie uns unterrichten, mit uns sprechen und unsere Meinungen in Ihre Entscheidungen einbeziehen.
Das ist das, was die CDU/CSU damals und auch heute noch meint und versteht, wenn sie „Kooperation", „Zusammenwirken" sagt.
Da genügt es nicht, nach vollzogenen Entscheidungen und nachdem ein Teil der Presse informiert worden ist, der Opposition noch einiges zu sagen. Damals haben Sie, Herr Bundeskanzler, diesen Vorschlag akzeptiert, und Sie haben ihn am 15. Januar 1970 nach einer Intervention meines Kollegen von Weizsäcker noch einmal bestätigt. Eine Woche darauf bezeichnete dann Herbert Wehner in einem „Spiegel"-Interview unseren, der CDU/CSU, Katalog gemeinsamer Vorstellungen als, wie er sich ausdrückte, eine „Fassade" und als „Bedingungen". Er erklärte auf Fragen im Zusammenhang mit Oder/ Neiße und mit deutsch-polnischen Fragen: „Nein, ich brauche die Opposition nicht."

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Nun gut, der Bundeskanzler muß ja wissen, ob das hilfreich für seine Politik ist, ob er das als eine Unterstützung oder eigentlich mehr von hinten empfunden hat.
Wir können nur feststellen, meine Damen und Herren, daß es bisher zur Kooperation, mit einer Ausnahme im Zusammenhang mit der Haager Konferenz, nicht gekommen ist. Dies stellen wir hier heute fest; und das stellen wir .nicht erfreut fest, aber wir stellen die Verantwortlichkeiten fest.
Ich habe vorher etwas über die Chance, Chancen zu verpassen, wenn man Kooperation verpaßt, gesagt. Uns interessiert aber noch ein anderes — und ich glaube, dieses ganze Haus interessiert es —: in diesem Bericht zur Lage der Nation, und zwar, wie wir damals noch gar nicht wußten, vor einer sehr schwierigen internationalen Verhandlung — wir waren ja über den Besuch von Herrn Staatssekretär Bahr und dessen Auftrag in Moskau nicht unterrichtet, was das gute Recht ist; aber das ist eben keine Kooperation —, hat der Bundeskanzler vor dieser schwierigen Lage und immerhin nach mehreren Besprechungen des Botschafters Allardt und nach der Eröffnung von Vorverhandlungen mit Polen wörtlich erklärt:
Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR kommt für uns nicht in Betracht.
Wir haben dem zugestimmt. Aber in der Woche darauf erklärt dann Herbert Wehner — wieder nicht hier, sondern in einem Interview —, „daß Nichtanerkennung in dem völkerrechtlichen Sinne keine absolute Angelegenheit ist". Dies, Herr Kollege Wehner, war eine Schwächung deutscher Verhandlungspositionen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich kann nur singen, man muß die Verhandler ser Regierung wirklich eher bedauern als beneiden. Denn wo sollen die eigentlich hinkommen — wir sind doch hier alle in irgendeiner Weise innenpolitisch in Verhandlungen —, wenn außerdem Herbert Wehner in demselben Interview, angesprochen auf die Risiken, die Gefahren Ides Scheliterns, von denen der Bundeskanzler gestern noch gesprochen hat, als er „Skepsis" sagte, erklärt: „Wird ja nicht scheitern". Wessen Verhandlungsposition hat dies gestärkt, meine Damen und Herren? Nun, dais muß der Bundeskanzler ja wissen.
Meine Damen und Herren, zu den Moden unserer Zeit gehört es — und wir gestehen, daß wir selbst davon nicht frei sind und uns beteiligen —, jede Woche zu studieren, ab — wenn ich ein Beispiel sagen darf — das Freitagskommuniqué des Zentralkomitees -der kommunistischen Partei Bulgariens noch im Komma mit dem Mittwochskommuniqué identisch ist. Das ist wichtig, das muß man verfolgen. Ich weiß aber nicht, ob Wir darüber nicht manchmal in unserem Bewußtsein und vielleicht auch in der Öffentlichkeit sehr viel wichtigere Dokumente und Erklärungen übersehen.

(Zuruf von der SPD: Kiesinger zum Beispiel!)

Ich möchte Ihnen z. B. das Dokument vorlesen, in dem der amerikanische Außenminister Rogers — und Idas ist ja hier verteilt worden mit dem Hinweis, das sei die erste Rede in Europa ganz klar gesagt hat, daß jene Amerikaner, die einen größeren .europäischen Beitrag zu den Kosten der Wahrung unserer gemeinsamen Sicherheit fordern, nicht ganz unrecht haben. Weiter heißt es:
Es wird allgemein anerkannt, nicht nur in Amerika, daß die Lasten heute nicht gerecht verteilt sind. Ein Fortschritt in Richtung auf die Herstellung eines Ausgleichs wird die Vereinigten Staaten in die Lage versetzen, ihrer Verpflichtung zur Aufrechterhaltung von Tappen in Europa besser nachzukommen.
Das war der 8. Dezember.
Dann kam der Präsident der USA, Nixon, mit seinem Kongreßbericht über die Lage seiner Nation, und das muß in diese Debatte eingeführt werden. Ich hätte eigentlich erwartet, daß das der Herr Außenminister gemacht hätte, denn das betrifft einen fundamentalen Punkt der deutschen Politik.

(Zuruf von der CDU/CSU: In der Tat!)

Ich zitiere nur zwei Sätze aus diese Kongreßbotschaft, die uns ja allen zugegangen ist:
Die Länder
— so sagte Präsident Nixon —



Dr. Barzel
in allen Teilen der Welt ,sollten die Hauptverantwortung für ihren eigenen Wohlstand übernehmen, und sie sollten selbst die Bedingungen dieses Wohlstandes bestimmen. Wir werden treu zu unseren vertraglichen Verpflichtungen stehen, aber wir werden unser Engagement und unsere Präsenz, was die Angelegenheiten der anderen Länderanbetrifft, abbauen.
Herr Bundesaußenminister, dazu hätte ich von Ihnen gern etwas .gehört. Das ist ein fundamentaler Punkt, gerade wenn man Ostpolitik betreiben will. Haben Sie mit Ihren europäischen Kollegen über diese Dinge gesprochen? Haben Sie mit dem Finanzminister und mit dem Verteidigungsminister diese Dinge bei der mittelfristigen Finanzplanung eingerechnet?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Was ist in Europa geschehen? Haben Sie, Herr Bundesaußenminister — an Sie stelle ich eine Frage, weil ich immer noch hoffe, ich bekomme von Ihnen eine Antwort — einmal die Frage geprüft, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Wekkung von Erwartungen über Entspannungen und bilateralen Entspannungsbemühungen eines NATO-Partners auf der einen Seite und der Tatsache des Anwachsens der Mehrheit im Senat der USA für den Abzug des wesentlichen Teils der Truppen aus Mitteleuropa?

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Sehr richtig!)

Wie beurteilen Sie diese Zusammenhänge, Herr Bundesaußenminister? Das ist doch die fundamentale Frage. Denn wer von den Realitäten redet, muß doch davon ausgehen, daß wir Sicherheit nur im Bündnis haben. Wer von Realitäten ausgeht, muß an die Breschnew-Doktrin und die Realität der Tschechoslowakei denken. Wer von Realitäten redet, muß wissen: wir können uns allein nicht verteidigen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir können, meine Damen und Herren, in den Fragen unserer Zukunft, in Bildung und Wissenschaft, im Sozialen und in der Politik nicht einmal Schritt halten mit der Welt, wenn es nicht in Europa weitergeht. Und welche Anstrengungen unternimmt die Regierung — wir hatten sie öffentlich dazu aufgefordert nach dieser Erklärung des Präsidenten Nixon —, um nun mit den europäischen Ländern weiterzukommen, nachdem doch die Chancen in Paris anders sind, und in London doch sicher befestigt werden, wenn es in Europa schnell zu Entscheidungen kommt? Wo bleibt hier eine Initiative zur schnellen Verbesserung der politischen und ökonomischen Zusammenarbeit in Europa? Das ist doch die Basis, meine Damen und Herren, an der die Entscheidung für das ganze Europa, die Friedensordnung eingeschlossen, hängt.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0603300800
Das Wort hat der Abgeordnete Mattick.

Kurt Mattick (SPD):
Rede ID: ID0603300900
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Abg. Rasner: Wehner hat es die Sprache verschlagen!)

Als wir vor rund vier Wochen in diesem Hause über den Bericht zur Lage der Nation diskutierten, haben wir eigentlich alle diese Fragen, die heute noch einmal auf der Tagesordnung stehen, behandelt. Nachdem diese ausführliche Aussprache stattgefunden hat, nachdem die 'Regierung in ihrem Bericht zur Lage sehr deutlich dargelegt hat, was sie in den nächsten Wochen vorhat, und nachdem die Opposition auch Gelegenheit hatte, diese Aussprache hier zu führen, habe ich mich gefragt, ob es überhaupt vernünftig war, die erste Lesung des Haushalts dazu auszunutzen — was wir bisher noch nie getan haben —, eine solche Aussprache in einer bestimmten Situation, in der diese Regierung schon im Handeln begriffen ist, zu provozieren. Beim Bericht zur Lage der Nation und der Debatte dazu war deutlich, Herr Barzel, daß die Mehrheit dieses Hauses die Politik der Regierung unterstützt. Die Regierung hatte durch die damalige Auseinandersetzung das Mandat für ihr Handeln.
Nun will ich Ihnen eines sagen, meine Damen und Herren: Es ist eine Geschmacksfrage, hier in einer solchen Phase diese Diskussion zu führen. Eines sollten Sie von vornherein wissen: Wir werden nicht rückwärts über jeden Stock springen, den Sie uns in dieser Situation in die Kniekehlen zu schlagen versuchen. Der kategorische Imperativ ist eben nicht bei der Opposition, verehrte Damen und Herren von der Opposition. Sie hat nicht die Mehrheit in diesem Hause, sie kann nicht dirigieren, sondern muß sich mit idem auseinandersetzen, was durch die heutige Mehrheit in diesem Hause geschieht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich halte es auch nicht für gut, in einer solchen Situation — in vornehmeren Formen — die Auseinandersetzung von Vilshofen fortzusetzen; damit auch das ganz klar ist!

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, nach dieser Vorbemerkung möchte ich zu den sachlichen Ausführungen kommen. Ich bin Herrn Außenminister Scheel sehr dankbar, daß er einleitend einiges über das gesagt hat, was diese Regierung — Herr Barzel hat daran etwas vorbeigeredet — in den wenigen Monaten, in denen sie im Amt ist, außenpolitisch getan und auch erreicht hat. Die Fragen, die hier gestellt worden sind, hat u. a. Herr Scheel zum Teil schon beantwortet.
Durch das, was der Herr Außenminister hier über die bisherige Auseinandersetzung dieser Regierung dargelegt hat, ist einiges deutlich geworden, und da muß ich ihn jetzt einmal unterstützen, obwohl Sie das vorhin mit einem Lächeln quittiert haben. Auch Sie beobachten doch die internationale Presse — das tun Sie ja, bis zu Rumänien, wie hier deutlich geworden ist —, und da können Sie doch nicht abstreiten, daß diese Bundesregierung in ihrer



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außenpolitischen Tätigkeit auf allen Seiten, wo wir Wert darauf legen müssen, ein internationales Fundament hat, das es seit langem für die Bundesrepublik nicht gegeben hat.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Lesen Sie einmal die „Neue Zürcher Zeitung" !)

— Na ja, zwei Zeitungen kann auch ich Ihnen heraussuchen, Herr Stoltenberg. Aber Sie wissen ganz genau, daß das allgemeine Echo eine Zustimmung zu der Politik dieser Bundesregierung ist. Wir waren doch zusammen, z. B. in der Nordatlantik-Brücke und bei anderen Zusammenkünften, wo Sie versucht haben, für Ihre Politik Partner bei den Alliierten zu finden. Das ist Ihnen doch nirgends geglückt. Wir haben ja zum Teil die Diskussion zusammen geführt. Insofern können Sie Ihre Vorstellung, die Sie hier dem Volke vermitteln wollen, nämlich als ob diese Bundesregierung von der internationalen Verbindung nicht gestützt werde, hier in keiner Weise vertreten; denn Sie wissen ganz genau, daß das nicht stimmt.
Lassen Sie mich nun ein paar Bemerkungen zu dem machen, was Herr Barzel ausgeführt hat. Vorgestern mittag hatte ich Gelegenheit, Herrn Barzel auf der Straße zu begrüßen. Ich freute mich über sein Aussehen, und er erzählte mir, daß er zwei Wochen in Urlaub gewesen sei. So etwas ist notwendig, und ich wünsche es jedem von uns. Aber ich muß sagen: bei einigen Passagen in der Rede von Herrn Barzel bin ich im Zweifel gewesen, ob er zwei Wochen oder 20 Jahre in Urlaub war.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Denn das, was Herr Barzel hier über die Vergangenheit gesagt hat, kann doch wirklich nur jemand sagen, der die 20 Jahre verpaßt hat oder die Ohren davor verschließen will.
Der Herr Barzel hat also hier all die Bedingungen aufgezählt, um die es eigentlich geht, all die Fragen aufgeworfen, die wir seit 25 Jahren immer wieder erörtern: Was ist eigentlich unser Ziel? — Selbstbestimmungsrecht, Freizügigkeit und Wiedervereinigung, wobei die Freizügigkeit immer im Vordergrund steht. Verehrter Herr Barzel, Sie wissen doch ganz genau, daß das nicht das Problem von heute ist, und daß das Problem, das Sie angeschnitten haben, von uns und nicht von den westlichen Alliierten allein zu meistern ist, sondern nur durch eine Veränderung der Weltpolitik, .die aber zur Zeit überhaupt nicht sichtbar ist.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Na also!)

Das, was Sie in dem Zusammenhang gesagt haben, ist nicht neu. Daß wir die Freizügigkeit, die Wiedervereinigung und das Selbstbestimmungsrecht erstreben, steht ja seit 20 Jahren in allen Regierungserklärungen. Aber das Problem lautet doch: Was kann man jetzt tun?
Sie haben noch einmal die Vergangenheit beschworen oder nur angedeutet. Ich möchte nicht noch einmal zurückblicken. Wir haben das hier vor vier Wochen getan. Aber lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur eines sagen, verehrter Herr
Barzel: Heute wissen wir ja einiges über die Jahre 1952 bis 1954. Ich weiß heute sogar noch etwas mehr darüber als vor vier Wochen, nachdem wir die Protokolle über die Auseinandersetzung zwischen der damaligen Bundesregierung und Herrn Dulles zu sehen bekommen haben. Nun frage ich Sie: Warum hat denn der damalige Bundeskanzler hier in diesem Hause nicht gesagt, was ihn veranlaßt, sich so zu verhalten, wie er sich 1952 bis 1954 verhalten hat? Warum hat er denn nicht gesagt, daß die Freundschaft zwischen Dulles und ihm im Grunde genommen nicht die Unterstützung einer eigenen deutschen Politik fand? Allerdings wäre dadurch die Sache nicht einfacher geworden; denn der Unterschied zwischen dem Verhalten Dr. Adenauers zu den Amerikanern, die wir auch damals als Freunde angesehen haben, und dem Verhalten z. B. Ernst Reuters gegenüber den Amerikanern in schwierigen Auseinandersetzungen bestand darin, daß Herr Reuter wußte: Man muß auch mit den befreundeten Mächten um seine Position kämpfen, wenn es nicht anders geht. Er hat das auch öffentlich getan; das war seine Position.

(Abg. Dr. Barzel: Würden Sie die Güte haben, ... !)

Heute ist mir klar, warum Herr von Guttenberg hier vor vier Wochen bei meinen Erinnerungen an diese Zeit gesagt hat: Mein Gott! Denn er weiß selber, daß die damalige CDU in einer Situation war, die sie hier nicht auf den Tisch gelegt haft.

(Abg. Dr. Barzel: Ich denke, die Einlassung von Kurt Schumacher von 1952 ist auch Ihnen bekannt!)

— Gehen Sie doch ans Mikrofon! Ich gestatte Ihnen gern die Zwischenbemerkung. Aber ich verstehe Sie so nicht; es tut mir sehr leid.
Mir kam es darauf an, .einmal daran zu erinnern, wenn Sie schon von der Vergangenheit reden. Wenn wir uns heute die Frage vorlegen, wo denn diese Bundesrepublik steht und wo die deutsche Politik steht, dann müssen wir sagen, Herr Barzel, ob Versäumnisse oder Fehler der Vergangenheit — nicht nur unsere, sondern allerseits — da sind. Wir stehen nach 25 Jahren Spaltung seit Kriegsende vor der schrecklichen Tatsache, daß wir eine wirkliche Veränderung dieser deutschen Lage in dem Wissen, wie die internationale Lage aussieht, nicht durchführen können. Das liegt nicht an uns, es liegt nicht an der westlichen Seite allein. Nur ausgehend von diesem Standpunkt, meine Damen und Herren, kann man die Politik der heutigen Bundesregierung doch überhaupt fair und sachlich beurteilen und sich auch die Frage vorlegen, was denn jetzt zu tun ist.
Herr Barzel hat hier Präsident Nixon zitiert. Auch ich darf das tun, und zwar mit einem anderen Zitat, wozu ich um Erlaubnis der Frau Präsidentin bitte. Nixon hat sich am 18. Februar mit der außenpolitischen. Lage beschäftigt und dazu unter anderem folgendes gesagt:
Die Teilung Europas wirft eine Reihe miteinander zusammenhängender Fragen auf: die Teilung Deutschlands, der Zugang nach Berlin, die



Mattick
Stärke der Streitkräfte auf beiden Seiten der Linie, die Hindernisse für wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen und andere Fragen. Wir sind bereit, über diese Fragen in jeder geeigneten Form zu verhandeln.
Er sagt zum Schluß:
Letztlich hängt ein Fortschritt nicht nur von uns und unseren Verbündeten allein ab. Für die Aussichten auf ein dauerhaftes Abkommen spielen auch Haltung, die Interessen und die Politik der Sowjetunion und ihrer Verbündeten in Osteuropa eine Rolle. Schließlich wird ein arbeitsfähiges Sicherheitssystem, das ganz Europa umfaßt, auch eine Bereitschaft auf seiten der Sowjetunion bedingen, ihre eigenen Beziehungen zu Osteuropa zu normalisieren, die anachronistische Furcht vor Deutschland zu über winden und zu erkennen, daß ihrer eigenen Sicherheit und der Stabilität Mitteleuropas am besten durch ein Gefüge der Aussöhnung gedient ist. Nur dann wird eine Ara der Verhandlungen in Europa in einer Ara des Friedens gipfeln.
Das ist Nixon mit seiner Botschaft an sein Volk und auch mit seiner Botschaft an die Welt. Diese Botschaft ist ja auch an uns und die heutige Bundesregierung gerichtet, dieses Bemühen zu unterstützen.
Nun hat Herr Barzel — ich darf das in Erinnerung rufen — mit Recht den Bericht des Bundeskanzlers zur Lage in einigen Punkten zitiert. Ich habe den Eindruck gehabt, Herr Barzel, daß Sie den Bericht zur Lage heute mit anderen Augen sehen als noch vor fünf Wochen; denn da gibt es bestimmte Positionen, zu denen Sie fragten, ob diese noch gültig sind, die also Ihre Unterstützung fanden. Ich frage Sie nun, Herr Barzel: Was veranlaßt Sie eigentlich, von damals bis zum heutigen Tage daran zu zweifeln, daß das, was die Regierung hier dargelegt hat, der Bericht zur Lage, nicht mehr gültig ist?

(Abg. Dr. Barzel: Herbert Wehners Interview!)

Was veranlaßt Sie, sich in einer Phase, in der diese Regierung nunmehr Gespräche begonnen hat, die vor vier Wochen angekündigt wurden, so zu verhalten, wile sie es hier getan haben?
Ich darf Sie daran erinnern, daß die Bundesregierung des Herrn Bundeskanzlers Erhard im Jahre 1966 in einer anderen Frage an dieses Haus durch den Außenminister appelliert hatte, der Regierung die Möglichkeit zu verschaffen, wirklich gestützt von diesem Hause zu verhandeln. Herr Außenminister Schröder hatte am 17. Mai 1966 hier gesagt:
Ich habe die Überzeugung, daß die nächsten Wochen, und vielleicht nicht nur die nächsten Wochen, sondern die nächsten Monate von uns, von unserem politischen Stehvermögen, von unseren guten Nerven, von unserer Festigkeit sehr viel verlangen werden. Ich will das jetzt nicht dm einzelnen beschreiben, ich kann nur meine Überzeugung ausdrücken, daß das so sein wird.
Ich möchte das Hohe Haus sehr herzlich bitten, in dieser Lage schwieriger Verhandlungen die Bundesregierung mit aller Kraft zu unterstützen. Für den Fall, daß man bessere Ratschläge hat als die Erkenntnisse oder die bekannten Absichten der Bundesregierung, würde ich darum bitten, sie uns so diskret wie möglich mitzuteilen und nicht etwa die Verhandlungsposition, die wir eingenommen haben, in irgendeiner Weise beeinträchtigen. Meine Damen und Herren, wir kämpfen hier nicht für den Erfolg einer Regierung sicherlich, auch das tun wir, das ist das Natürlichste von der Welt —, wir kämpfen hier für die Interessen unseres Landes, und die Interessen unseres Landes verlangen zwingend die Unterstützung des ganzen Hauses.
Das war die Bemerkung, die Herr Schröder 1966 hier gemacht hat. Ich habe gar keinen Grund, dieser Bemerkung noch etwas hinzuzufügen.
Mir liegt jetzt daran, vor diesem Haus noch einige Bemerkungen darüber zu machen, wie wir zur Politik dieser Regierung stehen. Wir haben das in der Debatte über den Bericht zur Lage deutlich dargelegt, und wir haben heute keinen anderen Standpunkt als damals. Die Zitate, die Herr Barzel hier aus dem Zusammenhang heraus über einige Bemerkungen oder Interviews vorgetragen hat, sind keine Zitate, Herr Barzel, die Sie zu Recht veranlassen könnten, an der Festigkeit des Standpunktes der Regierung, der in der Regierungserklärung zum Ausdruck gekommen ist, zu zweifeln.

(Abg. Dr. Barzel: Das würde ich gern von Herrn Wehner hören!)

— Das wird er Ihnen nachher auch sagen. Dessen
können Sie ganz sicher sein. Daran zweifle ich nicht.
Mir liegt nur daran, hier der Regierung noch einmal die Unterstützung zu geben, die sie in dieser Phase notwendig hat. Herr Barzel, wenn Sie diesen Standpunkt in einer solchen Situation vertreten, wie Sie es getan haben, dann gilt doch das Wort, das Herr Wehner zu sagen sich veranlaßt sah: Diese Regierung soll handeln, wenn es sein muß, auch ohne Unterstützung der Opposition in dieser Phase.

(Abg. Dr. Barzel: So hat er ja nicht gesagt!)

— Natürlich! Das sind doch Auslegungen von kurz gefaßten Wiedergaben, die Sie hier einfach benutzen, um eine Darstellung zu geben, die der Sache nicht gerecht wird.

(Abg. Dr. Barzel: Ich habe den ganzen Text hier!)

Mir liegt daran, meine Damen und Herren, noch folgende Bemerkung zu machen, die Berlin betrifft und gleichzeitig an die Berliner gerichtet ist. Ich sage das auch gerichtet an einige Berliner Journalisten, die in diesen Wochen über die Fragen der deutschen Politik geschrieben haben. Es werden in diesen Wochen so oft Zweifel daran geäußert, ob diese Politik der Bundesregierung eine Gefährdung für Berlin darstellt oder nicht. Ich möchte all denen, die aus berechtigten Überlegungen, die ich zwar nicht teile, die man aber untersuchen muß, eine



Mattick .solche Frage überhaupt stellen, folgendes sagen — und ich als Berliner bin vielleicht mehr in der Lage, das aus dieser Sicht zu sehen und zu unterstützen, als mancher andere —: Dieses Berlin, meine Damen und Herren, lebt seit 25 Jahren unter besonderen Umständen. Es lebt seit 1948 im Zustand der absoluten Spaltung und seit 1961 mit der Mauer. Diese 21/4 Millionen Berliner leben auf einer Insel, wenn man davon ausgeht, daß sie beim Verlassen dieses Stückchen Landes ständig Unbilligkeiten auf sich nehmen müssen, die kein anderer in Westeuropa gewöhnt ist. Das Bemühen der Bundesregierung, dieses Berlin aus dieser Lage etwas herauszubringen, ist an sich nicht neu. Jede Bundesregierung hat das von Schritt zu Schritt, von Fall zu Fall einmal versucht. Gelungen ist bis heute gar nichts, sondern die Lage ist nicht einfacher geworden. Wir haben zwar in Berlin heute keine unmittelbaren innenpolitischen Sorgen. Aber dieses Besondere, was Berlin betrifft, hat sich nicht verändert. Diese Regierung hat in ihrem Bericht zur Lage ganz klar umrissen, wie sie in der Frage Berlin steht und was für Berlin gilt. Ich brauche hier nicht zu wiederholen, was für Berlin gilt.
Darum möchte ich wirklich mit allem Ernst denjenigen sagen, die ihre Zweifel haben: unter den Voraussetzungen, unter denen die Bundesregierung ihre Stellung zu Berlin dargelegt hat, kann doch jeder nur zufrieden sein, wenn es unter irgendeinem Gesichtspunkt einer Entwicklung der kommenden Monate gelingen könnte — ich möchte das jetzt einmal in Erinnerung rufen —, wieder einen solchen Zustand herzustellen, wie er vor einigen Jahren einmal war, daß z. B. die Durchfahrt von Berlin nach Westdeutschland unter normalen Grenzverhaltensbedingungen vor sich geht — wir hatten einen solchen Zustand schon einmal — und daß die Übelkeiten aufhören, die heute auf dieser Straße üblich sind, und unter Umständen von Schritt zu Schritt auch Berliner wieder einmal in den anderen Teil der Stadt und in den anderen Teil Deutschlands kommen.

(Beifall bei der SPD.)

Das sind doch die Fragen, die heute darum vordringlich sind, weil die Zielvorstellungen, die Herr Barzel hier dargestellt hat und die unser aller sind, zur Zeit überhaupt keine Aussicht haben, erreicht zu werden. Sie setzen eine internationale politische Entwicklung voraus, die, wie Sie wissen, für viele Jahre oder Jahrzehnte nicht kommt. Daher geht es nur um diese unmittelbare Problematik. Da können die Berliner — und das ist meine feste Überzeugung — wirklich beruhigt sein. Der Standpunkt, der hier festgelegt ist, .schafft keine Änderung für diese Stadt, die irgendeine Gefahr mit sich 'bringen kann, weil nämlich diese Bundesregierung — und da habe ich die Zweifel des Herrn Barzel nicht verstanden, weil es dafür keinerlei Begründung gibt — bisher ihre ganze Politik genauso sicher wie alle anderen Bundesregierungen auf das Bündnis- und Freundschaftssystem mit den Alliierten und den westlichen Verbündeten abgestützt hat. Das steht doch wohl fest, Daran können Sie doch nicht zweifeln, Herr Barzel. Daher war mir Ihre letzte Bemerkung am unverständlichsten. Ich halte es für selbstverständlich, daß diese Bundesregierung keinen Weg beschreitet, bei dem idie Amerikaner sich veranlaßt sehen könnten, aus ihrer Sachlage heraus die Position Europas in eine so geschwächte Situation zu bringen, die gefährlich werden könnte. Das ist doch für diese Regierung sicher. Diese kritischen Bemerkungen von Herrn Barzel müssen, wenn man sie draußen hört, den Eindruck erwecken, diese 'Bundesregierung könnte leichtfertig genug sein, eine 'Politik zu betreiben, ,die dazu führt, ,daß die Amerikaner ihren Schutz dieser Stadt 'und diesem Land nicht mehr im Rahmen ,des Vertrages zur Verfügung stellen.
So etwas hier in ,einer Situation auszusprechen, in der diese Regierung vor schwierigen Auseinandersetzungen steht, halte ich nicht für eine gute Sache. Da erinnere ich an die Worte, die Herr Schröder hier 1966 gesagt hat.

(Abg. Dr. Barzel: Diese Realität soll man verschweigen?!)

— Diese Realität? Was nennen Sie hier Realität?

(Abg. Wehner: Daß er ,die Regierung miesmachen will!)

Realität ist, daß diese Regierung sich vom ersten Tage an bemüht hat, nicht nur die Rückendeckung der westlichen Alliierten, sondern in ihrer Politik volle Übereinstimmung mit ihnen auch in der Berlin-Frage zu haben. Das ist doch wohl unbestreitbar. Was ist denn Realität ihrerseits? Realität ist, daß diese Bundesregierung in keiner Phase irgend etwas tun wird oder getan hat, was Ihre Vermutungen, Ihre durchsichtigen Äußerungen hier in irgendeiner Art rechtfertigt. Wenn Sie ,die Debatte auf der Nordatlantik-Brücke und auch anderwärts kennen, dann wissen Sie, daß es unter uns keinen Unterschied in der Fragestellung gibt, wie man an das, was in bezug auf gemeinsame Verteidigung notwendig ist, auch materieller Art, herangehen wird. Da werden Sie nachher wahrscheinlich in größere Schwierigkeiten kommen als wir.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun ein paar Bemerkungen zu dem machen, was sich wahrscheinlich in den nächsten Wochen zutragen wird. Sollte es zu dieser Begegnung Brandt/Stoph kommen, dann wäre das — das muß sich einmal jeder Deutsche überlegen — seit der Spaltung die erste Begegnung überhaupt, das erste Gespräch, die erste Fühlungnahme offizieller Art zwischen den Verantwortlichen — ganz gleich, wie sie zu dieser Position gekommen sind — der beiden Teile Deutschlands seit dem Chaos 1945. Ich sage Ihnen: Die Geschichte wird darüber einmal lachen!

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Fühlungnahme stimmt nicht!)

Und wenn wir uns diese schreckliche Welt ansehen, wie sie heute aussieht, dann haben wir Deutschen sehr wenig Recht, darüber ein Urteil zu fällen, denn wir sind ja — das trifft beide Teile — bis heute nicht in der Lage gewesen, untereinander ein einziges offizielles Gespräch zu führen.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)




Mattick
Verzeihen Sie, Herr Dr. Kiesinger, ich habe Ihren Zwischenruf nicht ganz verstanden. Aber zu den Zweifeln, die Sie hier damit ausdrücken: Es gibt doch seit 1948 keine einzige Gelegenheit, die gesucht und gefunden wurde,

(Zustimmung des Abg. Wehner)

um die offiziell verantwortlichen Männer oder Frauen dieser beiden Teile Deutschlands irgendwo an einen Tisch zu bringen.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Ich habe nur gesagt: Der Ausdruck „Fühlungnahme" stimmt nicht!)

Nun, meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen jetzt noch einmal vor Augen führen, in welche Mondlandschaft — entschuldigen Sie diese Bemerkung — unser Bundeskanzler mit seinem Gefolge kommt, wenn er in dieses Gespräch geht. Es ist ja grotesk, wenn ich Ihre Rede höre, Herr Barzel, gegen diese Regierung und gegen ihre Versäumnisse und ihre Fehler und wenn ich dann in diesen Tagen „Neues Deutschland" lese. Sie lesen etwas aus Rumänien; das „Neue Deutschland" liegt viel näher. Da spricht also der Herr Honecker in diesen Tagen in seiner Rede erst einmal davon, daß die Sozialdemokratische Partei den Imperialismus mit unterstützt usw. Das ist alles nicht neu. Und dann schreibt er unter anderem folgendes:
So betrachtet, läuft die Politik der gegenwärtigen Bonner Regierung darauf hinaus, mit etwas geänderten Methoden die Hegemonie der herrschenden Kreise Westdeutschlands über West-, Süd- und Nordeuropa zu festigen und mit Hilfe der Politik des Brückenschlages, der Konvergenz, der Wirtschaftshilfe den Stoß in die sozialistischen Länder zu führen. Der Brükkenschlag soll, wenn es die Großwetterlage erlaubt, offensichtlich der Bundeswehr erlauben, zum entsprechenden Zeitpunkt über diese Brücke zu marschieren. Diesem Ziel dient auch der große Übungsplan der Bundeswehr.
Ich könnte Ihnen hier ausführlich darlegen, mit welchen Schwierigkeiten es die Führung der SED drüben anläßlich dieser deutschen Politik in dieser Runde heute schon wieder zu tun hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

Wir werden hier durch manche Zitate an den Versuch des Redneraustauschs erinnert, und dazu möchte ich jetzt zu unserer Regierung noch einmal ein Wort sagen. Der Redneraustausch war damals versucht worden von der Oppositionspartei SPD, weil sie keine andere Form und Möglichkeit hatte, denn sie regierte nicht. Die heutige Regierung hat den Schritt, der unter Umständen zu der Begegnung in Berlin führen wird, im Ostblock soweit vorbereitet, daß wahrscheinlich für die SED eine ähnliche Reaktion wie beim Redneraustausch kaum noch möglich ist.
Ich glaube wirklich, Sie sollten in einer Situation, die, wenn sie zustande kommt, geschichtliche Bedeutung haben könnte, alles tun, um der Regierung wenn auch nicht den Rücken zu stärken, doch zumindest nicht Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Keiner von uns, meine Damen und Herren, keiner von uns erwartet von dieser Begegnung und von diesen Gesprächen eine veränderte Großwetterlage. Aber was ich erwarte und was möglich ist, ist eine atmosphärische Veränderung, die von außen allmählich auch in dieses Gebiet Ost-Berlin hineindrückt und der man dann nicht mehr voll ausweichen kann.
Atmosphärische Veränderungen zu bewirken, die letztlich den Menschen dienen — und daraum geht es uns doch wohl allen in einer Phase, in der wir wissen: die Großwetterlage ist für Jahre nicht zu verändern —, Veränderungen, die den Menschen in beiden Teilen Deutschlands dienen, das ist die Aufgabe, die im Augenblick diese Regierung zu erfüllen versucht.

(Abg. Dr. Kiesinger: Vage!)

Seien wir uns darüber klar: Das sind ganz schwere
Wege, und sie können durchaus genauso scheitern.

(Vorsitz : Vizepräsident Dr. Schmid.)

Ich wiederhole meine Schlußbemerkung von vor vier Wochen. Wenn sie scheitern, hat diese Bundesregierung durch ihre Vorarbeiten, durch ihre Rückendeckung und durch ihre sonstige Politik alle Voraussetzungen dafür geschaffen, daß nicht nur in Westeuropa und der westlichen Welt, sondern auch im anderen Teil dieses Europa die Bundesrepublik mit ihrer Bundesregierung eine bessere Position hat,

(Abg. Frau Griesinger: Nein!)

immer ganz gleich, wie diese Beratungen ausgehen werden, eine bessere Position hat als vorher.

(Beifall bei der SPD.)

Denn das wissen Sie, Frau Griesinger, ganz genau: wir handeln ja nicht nur aus dem Empfinden heraus, alles abzutasten, was möglich ist. Wir handeln letzten Endes auch auf den Ruf vieler Menschen in Westeuropa: „Ihr müßt es versuchen." Wir müssen wissen, wo die Grenzen sind. Aber der Versuch erfolgt auch, um international gesehen die Voraussetzungen zu schaffen, etwas zu erreichen, jedenfalls für dieses Drängen deutlich gemacht zu haben:
es liegt nicht an uns, wenn in dieser Runde noch gar nichts erreicht werden kann. Aber ich glaube, es wird in dem Maße etwas erericht werden, wie dieses ganze deutsche Volk und sein Parlament hinter der Regierung in dieser schweren Phase stehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Frau Griesinger: Sie können nicht mehr zurück!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603301000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Achenbach.

Dr. Ernst Achenbach (FDP):
Rede ID: ID0603301100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst im Namen der Freien Demokratischen Partei unserem Freunde Walter Scheel sehr herzlich danken für seine ausgezeichnete abgewogene Rede über die jetzige Situation in der Welt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Dr. Achenbach
Bei der Gelegenheit möchte ich im besonderen das unterstreichen, Herr Barzel — nachher gehe ich noch auf einige Argumente von Ihnen ein —, was Herr Scheel am Schluß ausgeführt hat. Wir wollen mehr Frieden, wir wollen mehr Sicherheit, wir wollen mehr Menschlichkeit. Sie auch, wie ich annehme. Diese Regierung wird ebensowenig etwas aufgeben wie Sie. Diese Regierung wird nichts verschleudern. Diese Regierung wird sich um den Frieden der Welt und die Einheit der Nation nach Kräften bemühen.
Ich habe in diesem Hause schon verschiedentlich meiner alten Überzeugung Ausdruck verliehen, daß in kritischen Zeiten der Nation eine Außenpolitik, die von allen Seiten des Hauses aus ehrlicher Überzeugung mitgetragen wird, unzweifelhaft ein stärkeres Gewicht hat, als wenn sich in wesentlichen Lebensfragen der Regierung ganz verschiedene Auffassungen der Regierung und der Opposition gegenüberstehen. Herr Kollege Kiesinger, ich habe es neulich noch gesagt bei der Debatte über die Gipfelkonferenz: ich hatte damals den Eindruck, daß Sie dieser Generalthese zustimmten, und bei der Diskussion über die europäischen Fragen haben wir ja auch eine übereinstimmende Meinung hier in diesem Hause festgestellt.
Auch Walter Scheel hat diesen Wunsch zur Kooperation unterstrichen und der Herr Bundeskanzler ebenfalls. Nun, Herr Kollege Barzel, gehen wir doch einmal in Ruhe und ohne Polemik die einzelnen Punkte durch, und stellen wir fest, ob tatsächlich wesentliche Unterschiede vorhanden sind. Ich glaube, bei den ganzen europäischen Fragen haben wir Übereinstimmung festgestellt. Dieses ganze Haus will die europäischen Dinge vorwärtstreiben. Unser Ziel ist eine echte europäische Föderation. Wir haben uns alle darüber gefreut, daß nach der Gipfelkonferenz und nach den letzten Entscheidungen ein Gutteil Weg zurückgelegt worden ist. Wir sind der festen Überzeugung — Walter Scheel hat auf das von den Franzosen gegebene Wort hingewiesen —, daß auch in der Frage der Erweiterung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft demnächst die Verhandlungen beginnen werden. Ich darf erneut — wie neulich — hier unterstreichen: wir hoffen auch sehr, daß es zu einer echten außenpolitischen Zusammenarbeit kommt, die einfach notwendig ist.
Herr Kollege Barzel hat ,erklärt, daß auch er für Verhandlungen mit Polen sei. Nun gut, solche Verhandlungen mit Polen werden geführt. Aber was soll denn die polemische Bemerkung, er wolle Lösungen, und die Regierung begnüge sich mit Formeln. Es lohnt doch nicht, daß wir uns dabei aufhalten. Meine Damen und Herren, wir — ich glaube, auch Sie — betrachten doch alle unser Verhältnis zu Polen wie unser Verhältnis zu Frankreich als Problem höchsten Ranges. So wie eis uns gelungen ist, mit unserem westlichen Nachbarn zu einer echten Versöhnung, einer 'gemeinsamen Politik zu kommen, müssen wir das auch in bezug 'auf Polen anstreben.

(Beifall bei der FDP.)

Das ist schwierig; das wissen wir. Aber, meine Damen und Herren, ein echter Frieden zwischen Polen und uns — das wissen Sie genausogut wie wir — ist natürlich nur möglich und von Dauer, wenn in den Verhandlungen ein Ergebnis erzielt wird, das sowohl den Polen als auch den Deutschen zusagt. Darum werden wir uns bemühen. Lassen Sie deshalb doch bitte solche Unterstellungen, die zu nichts führen. Ich unterstelle Ihnen auch keine Absichten, die von vornherein unsinnig sind.
Sie haben auch nichts gegen die Verhandlungen mit der Sowjetunion. Gut, natürlich nicht! Aber wenn hier gesagt wird, die Regierung habe die Absicht, auf die Wiedervereinigung zu verzichten, ist das doch schlichter Unsinn. Die Regierung bemüht sich keineswegs weniger intensiv um die Wiedervereinigung. Sie hat auch keineswegs die Absicht, fundamentale Positionen aufzugeben, genau wie jede andere Regierung vorher. Selbstverständlich können wir in voller Übereinstimmung zu den Russen sagen, wie wir es auch schon seit vielen Jahren sagen: Wir wollen eine Aussöhnung mit dem in vieler Hinsicht liebenswerten russischen Volk, wir wollen mit diesem großen Volk, mit dem wir jahrhundertelang in Frieden gelebt haben, wieder vertrauensvoll zusammenleben.
Aber, meine Damen und Herren, selbstverständlich kann ein echter Frieden nur aus einem frei ausgehandelten Kompromiß resultieren. Man muß wissen, daß das nicht geht, wenn man die alte Formel gebraucht: Du hast den Krieg verloren; also mußt du das und das tun. Das ist dieselbe Formel, mit der man in den letzten 10 000 Jahren alle zukünftigen Konflikte vorbereitet hat. Wir, aber selbstverständlich auch unsere Partner, müssen einsehen, daß ein dauerhafter und echter Frieden nur auf einen frei ausgehandelten Kompromiß gegründet werden kann.
Zu einer echten Friedensbereitschaft gehört natürlich auch — darüber sollten wir uns alle einig sein —, daß man einsieht, daß es gewisse fundamentale Dinge gibt, auf die niemand verzichten kann, z. B. die Tatsache, daß wir ein Volk sind, das unzweifelhaft nicht gewillt ist, auf seine Selbstachtung zu verzichten. Wir wollen den Frieden mit allen, die guten Willens sind. Ich darf eine Formel von Walter Scheel aufgreifen: Wir wollen vernünftig mit jedem reden. Es hat keinen Zweck, sich über dogmatische oder ideologische Fragen zu streiten. Ich gestehe offen, daß ich, wenn ich Gelegenheit habe, mit Leuten aus diem Osten zusprechen, ihnen von vornherein sage, daß mich Diskussionen über ideologische Fragen tatsächlich im Stehen zum Einschlafen bringen.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Kommen Sie dann in dem Gespräch weiter?)

— Herr Kollege Kiesinger, ich bemühe mich wie Sie darum. Vor allen Dingen kommt es dabei auf die Stetigkeit, die Willenskraft und die Gelassenheit an. Wenn ich höre, daß manche Leute sagen: die werden Ihnen nie zustimmen, pflege ich zu sagen, daß man nach meinem Eindruck in Westfalen, meiner engeren Heimat, auch nicht unbedingt in dem Ruf 'steht, besonders nachgiebig zu sein. Wir werden



Dr. Achenbach
in Ruhe über das, was wir gerechterweise beanspruchen können, verhandeln, wir werden davon nicht heruntergehen, wir werden ständig und fest um den Frieden kämpfen, den wir brauchen.
Deshalb richte ich in diesem Zusammenhang noch einmal dein Appell an die Opposition — in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Bundesaußenminister —: Die Außenpolitik eignet sich nicht, Herr Kollege Kiesinger, für polemische Auseinandersetzungen. Das wissen Sie doch. Herr Barzel, Sie wissen es auch. Deshalb: Verzichten wir doch freundlichst darauf! Sie sagen: „Wir wollen die Kooperation."

(Abg. Dr. Barzel: Wird je nichtgemacht!)

Wir wollen sie auch. Nun stellen Sie doch nichtgleich fest, es würde keine geben, stellen Sie nicht gleich fest, die verpaßten Gelegenheiten gingen auf das Konto des einen oder des anderen. Sie sehen doch z. B., daß ich völlig darauf verzichte, darüber zu sprechen, wofür ich mich in den letzten zehn Jahren im Auswärtigen Ausschuß eingesetzt habe und wo ich heute froh bin, daß Sie alle in diesem Hause das wollen, nämlich daß man, wenn man den Frieden will, man mit jedem reden muß, insbesondere auch mit denen, mit denen man in Spannung lebt.
Herr Kollege Kiesinger, Sie entsinnen sich: als Sie seinerzeit die Regierung gebildet haben, sind Sie im Auswärtigen Ausschuß erschienen und haben von einer neuen Politik gesprochen. Sie haben diesen Grundsatz herausgestellt. Ich habe gesagt: „Nun, wenn das Ihr Grundsatz ist, dann werden wir als Opposition Sie unterstützen." Nun, dieser Grundsatz ist auch vornehmster Grundsatz dieser Regierung. Deshalb mein Apell an Sie: Verzichten Sie auf Polemik, unterstützen Sie die Regierung, und arbeiten wir gemeinsam für den Frieden dieses Volkes.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Denn das, meine Damen und Herren, werden Sie mir zugeben: Es ist die Pflicht jedes deutschen Patrioten, diesem Volke, das in diesem Jahrhundert zweimal durch große Kriege mit all dem Leid hat hindurchgehen müssen, den Frieden zu sichern. Ich bin überzeugt, die Opposition will das. Die Koalition will es ganz sicher. Arbeiten wir zusammen, damit aus den Verhandlungen, die jetzt nach allen Seiten laufen und die vernünftig sind, etwas Gutes herauskommt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603301200
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß. Seine Fraktion hat gebeten, seine Redezeit auf 45 Minuten festzusetzen.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0603301300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich bemerken, daß die Bundesregierung die zahlreichen von uns in der Vergangenheit gestellten und heute vom Kollegen Barzel wiederholten und neu aufgeworfenen Fragen bis jetzt nicht beantwortet hat.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr richtig!)

Diese Beantwortung ist offensichtlich nach den mir zugegangenen Informationen auch nicht bei der Sonderinformation gegeben worden.
Zum zweiten bitte ich davon auszugehen, daß das, was Kollege Dr. Barzel heute vorgetragen hat, die gemeinsame Auffassung der CDU und der CSU ist.

(Abg. Dr. Apel: Dafür war diese Auffassung auch unklar genug!)

Ich sage das deshalb, weil man nicht nur den ersten Satz, sondern auch den zweiten und den dritten Satz lesen soll. Der erste Satz unserer Resolution — die, nebenbei gesagt, ich formuliert habe —

(Zurufe von der SPD)

ist die Bestätigung dessen, was. die Regierung der Großen Koalition in dieser Beziehung unternommen hat. In Satz 2 beginnt bereits der Dissens: daß wir nämlich unter „Vorgesprächen" auch politische Vorgespräche verstehen und nicht nur technische Klärungen. In Satz 3 beginnt dann die große Streitfrage, nämlich unsere Feststellung, daß wir die Regierung warnen, bei solchen Gesprächen auch die Frage der völkerrechtlichen Anerkennung mit dem Gespräch zu verquicken. Deshalb ist es gut, wenn man alle drei Sätze im Zusammenhang liest und nicht nur den ersten einzelnen herausnimmt.
Aber ich muß noch einige Bemerkungen zu dem machen, was letzte Woche gesagt worden ist. Herr Kollege Mattick, was gilt jetzt eigentlich? Sie haben heute beanstandet, daß heute eine deutschlandpolitische Debatte überhaupt stattfindet, es wäre besser, keine zu halten. Waren Sie neulich nicht da, als Kollege Helmut Schmidt uns vorgehalten hat, daß wir — absprachegemäß! — uns auf Haushaltsund Wirtschaftsfragen beschränkt und auf Bitte der Regierung die Deutschland- und außenpolitische Debatte auf diese Woche vertagt haben? Damals hat Kollege Schmidt — ist er hier?; leider nicht — ein bißchen schnell und unüberlegt aus der Hüfte geschossen, und das ging daneben. Er hätte wissen müssen, daß wir diese Woche für die Behandlung dieses Themas vorgesehen hatten. Ich hätte wider die Absprache gehandelt, wenn ich letzte Woche über dieses Thema gesprochen hätte. Von mir aus, Herr Kollege Mattick, wäre ich auch bereit gewesen, heute auf eine Rede zu verzichten, aber der Kollege Schmidt hat ausdrücklich gesagt, ich solle mich doch endlich einmal auch hier im Hause zu Wort melden. Ich habe nicht den Eindruck, daß ich mich bis jetzt hier zu wenig zu Wort gemeldet habe. Ich habe eher den Eindruck, daß ich nicht genug Redezeit habe.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Für mich war es erstaunlich, Herr Kollege Schmidt, daß Sie als Verteidigungsminister auf einmal die Rolle des Fraktionsvorsitzenden übernommen haben. Der Kollege Wehner war ja hier vertreten. Ich habe so ein bißchen das Gefühl, daß hier eine innerparteiliche Pflichtübung absolviert worden ist, daß sich hier der Kollege Helmut Schmidt aus seiner Exilposition wieder einmal nicht nur als Verteidi-



Strauß
gungsminister, sondern auch als politischer Kämpfer in Erinnerung gebracht hat.

(Zuruf von der SPD: Stoltenberg — Barzel!)

Das Ganze dürfte auch mit personellen Überlegungen zusammenhängen, die Sie mehr beschäftigen als uns; aber das sei nur am Rande bemerkt.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)

Ich möchte allerdings gerade hier noch einmal feststellen, was ich letzte Woche schon sagte — ich glaube, das gilt nicht nur für mich, aber ich sage es nur für meine Person —: Ich lasse mir vom Kollegen Schmidt hier doch nicht vorschreiben, wann ich in der Öffentlichkeit wo was zu wem worüber sprechen darf.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das beste Beispiel hat er selbst geboten, indem er alte Entwürfe des Verteidigungsministeriums — ob sie nun noch in der Schublade lagen oder ob sie von ihm nachgeahnt, ich sage nicht „nachgeahmt", nachempfunden worden sind — und für uns alle höchst bedeutsame Fragen — Umbau der Wehrpflicht, Berufsarmee, Miliztruppe — vor einem Parteigremium der SPD erörterte, ohne sie vorher im Verteidigungsausschuß oder in diesem Hohen Hause zur Sprache gebracht zu haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist doch ein Musterbeispiel für eine solche Verhaltensweise.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Schmidt hat, auch wenn er die Gemeinsamkeit in dem Fall nicht liebt, von seinem Kollegen, dem Verteidigungsminister Armeegeneral Hoffmann, eine Kennzeichnung erhalten, die ich nicht deshalb erwähne, weil ich an die Richtigkeit dieser Kennzeichnung glaubte, sondern nur deshalb, weil sie für den Stil bezeichnend ist, mit dem von drüben her auf diese Regierung und die sie tragenden Parteien eingewirkt wird. Herr Hoffmann sagt:
Wir stehen einem gefährlichen Feind gegenüber. Jenseits der Elbe und Werra liegen die Hauptkräfte der NATO auf der Lauer. Nach wie vor versucht der westdeutsche Imperialismus, die Gemeinschaft unserer sozialistischen Staaten zu schwächen. Sein Ziel ist es, die DDR von ihren Verbündeten zu isolieren und die sozialistische Gemeinschaft zu liquidieren. Daran hat sich auch unter der neuen Bonner Regierung nichts geändert. Trotz vieler demagogischer Erklärungen über eine neue Politik der Entspannung und Annäherung zeigt sich immer deutlicher: Die militärpolitische Grundkonzeption der rechten SPD-Führung und besonders des neuen Bonner Kriegsministers Helmut Schmidt ist die gleiche wie die aller seiner Vorgänger Blank, Strauß, von Hassel und Schröder.
Das gehört zu dem Stil der Kalt-Heiß-Bäder, der
Wechselbäder, die dieser Regierung und den sie
tragenden Parteien von drüben her verpaßt werden.

(Zurufe von der SPD.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte den Kollegen Schmidt auch, gegenüber Ausdrücken, die außerhalb dieses Hauses gebraucht werden, nicht allzu zimperlich zu sein. Der Kollege Schmidt würde, wenn er sich sein Vokabular in Erinnerung riefe, das er in all den Jahren sowohl außerhalb wie innerhalb des Hauses angewandt hat, vielleicht etwas zurückhaltender sein.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Der Kollege Schmidt — das habe ich neulich gesagt — hat nicht so sehr Grund, sich mit uns auseinanderzusetzen; er hat mehr Grund, sich mit denen in seiner Partei auseinanderzusetzen, die — zum Teil ist es der Nachwuchs, zum Teil der linksradikale Flügel — an die Umfunktionierung unserer Gesellschaftsordnung herangehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich würde von ihm gern einmal eine Stellungnahme dazu hören, daß — ich wollte das gar nicht glauben — im Hamburger Gondel-Verlag so eine komische Postille unter dem Titel „Spontan" erschienen ist. Da gibt es eine Verherrlichung der Pornographie und eine Verhöhnung der sogenannten staatserhaltenden Kräfte, und dann geht der Kampf gegen die Bundeswehr los. Darin ist ein programmatisches Interview des SPD-Vorsitzenden Steffen von Schleswig-Holstein und Mitglied des Bundesvorstands enthalten. Auf drei Seiten befaßt er sich in gekonntem APO-Deutsch mit „Systemüberwindung", deutlicher ausgedrückt, mit der notwendigen Titoisierung der Bundesrepublik — das ist meine Interpretation —, die man noch nicht erreicht hat. Das ganze ist deshalb so eindrucksvoll, weil dort eine Soldatenmütze der Bundeswehr gezeigt wird, unter der ein Kohlkopf zu sehen ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

Ob das ein Beitrag zur wehrpolitischen Erziehung oder ein Beitrag zur inneren Stärkung der Bundeswehr ist, ist eine Frage, die zur Zeit Herr Kollege Schmidt mehr zu beantworten hat als ich. Ich glaube, er sollte sich mehr damit auseinandersetzen, was in seiner eigenen Partei in Sachen Bundeswehr heute propagiert wird, als etwa mit uns hier.
Auch Herr Bundesminister Ehmke hat einige Bemerkungen gemacht. Ich darf ihm nur sagen, daß der Richtigkeitsgehalt dieser Bemerkungen höchst dubios ist. Ich habe heute die gleiche seelsorgerische Anwandlung Ihnen gegenüber, wie Sie sie als Dauerzustand mir gegenüber haben. Bei den Bremer Vorgängen scheinen Sie einen frisierten Bericht in der Hand gehabt zu haben.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Jetzt gibt es ja darüber ganz konkrete Tatsachenfeststellungen. Aber natürlich wünscht man, Ihnen für Ihre Behauptung hier Unterstützung zu geben.
Es ist auch schlechterdings nicht richtig, Herr Bundesminister Ehmke, .daß, wie Sie sagten — habe ich es richtig in Erinnerung? —, von dieser Umfunktionierung im Bundeskanzleramt zwei Beamte betroffen worden seien. Insgesamt sind es an die



Strauß
zwanzig. Vielleicht ist da nur die Null vor dem Komma hinter das Komma gerutscht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603301400
eine Politik, die Gewalttaten und Verbrechen — nicht: Kriminalität und Verbrechen — nicht mehr unter Kontrolle hält.
Das eine, was ich damit meine, trifft uns alle, selbstverständlich auch mich, wenn ich nicht an der Abstimmung teilgenommen haben sollte. Die seinerzeitige Änderung der Strafprozeßordnung ist nach Ansicht aller Polizeibeamten, Staatsanwälte und der meisten Richter nämlich zu weit gegangen, und die Tatsache, daß es für einen Richter unmöglich ist, auch einen überführten Verbrecher in Haft zu halten, wenn er nur einen festen Wohnsitz nachweisen kann, erschwert die Verbrechensbekämpfung außerordentlich.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Daran sind im letzten Bundestag einige Übungen gemacht worden, Herr Kollege Hirsch — ich sehe ihn im Augenblick nicht —, aber man hat dann wieder den Rückzug angetreten.

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0603301500
Wenn das geltende Ausländerrecht es nicht mehr möglich macht, hier eine wirksame Vorbeugung zu treffen — ich zitiere ihn jetzt inhaltsgemäß, weil ich das wörtliche Zitat nicht mehr gefunden habe —, dann muß man eben das Ausländerrecht ändern. Das ist eine zutreffende Bemerkung, die aus diesem Munde sicher wesentlich unverdächtiger wirkt, als wenn ich eine solche Äußerung erstmals getan hätte. Offensichtlich scheint also auch Herrn Eppler hier etwas nicht ganz in Ordnung zu sein.
Den Herrn Bundesinnenminister darf ich darauf hinweisen, daß in einer Belgrader Zeitung schon im Laufe des letzten Jahres eine Mitteilung erschienen ist, nach der man sich dort offen dazu bekennt, daß der jugoslawische Nachrichtendienst die Morde in München begangen habe. Diese Serie von Morden in München, die nie aufgeklärt worden sind, für die auch die Mittel der örtlichen Polizei nicht ausreichen, weil es sich um eine übergreifende Angelegenheit handelt, sollte angesichts der jüngsten Vorgänge das Bundesinnenministerium' beschäftigen. Die Frage, ob man überhaupt in Belgrad interveniert und gefragt hat, ob diese Meldung stimmt, daß der jugoslawische Nachrichtendienst diese Morde unmittelbar vorgenommen habe, wage ich nicht einmal zu stellen, weil die Antwort darauf sicherlich nein heißen würde.
Nun komme ich noch auf einen anderen Vorgang zu sprechen. Herr Bundesinnenminister, was haben
Sie sich eigentlich gedacht, als Sie sich so besonders eindrucksvoll und intensiv der Einreisegenehmigung für „Big Man" der „Black Panther"-Bewegung annahmen? Ich bin auch der Meinung, daß man hier bei den Formalitäten gar nicht kleinlich sein soll, wenn einmal jemand seinen Paß vergessen hat oder wenn er sonstwie in irgendwelchen Formalitäten ein Defizit aufzuweisen hat, aber die Black Panther-Bewegung ist doch nachweislich eine revolutionäre Bewegung, die in dauerndem Kampf mit der amerikanischen Polizei steht. Wenn Sie Einzelheiten darüber außerhalb amtlicher Akten lesen wollen, empfehle ich Ihnen eine der letzten Nummern von „Newsweek". Da ist unter anderem auch der Gesang dieser Organisation zitiert:
Nun dann, glaube es, mein Freund, das Schweigen wird enden. Wir haben uns Gewehre zu beschaffen und Männer zu sein.
Und eine Aussage eines hohen amerikanischen Polizeioffiziers besagte, „daß diese Bewegung darauf aus ist, so viele wie möglich von unseren Polizeibeamten zu ermorden".
Warum es ausgerechnet notwendig war, auf den Protest des SDS hin so zu reagieren, verstehen viele auch in Ihren eigenen Reihen sicherlich nicht. Sie haben in keiner Weise auf die Drohungen des SDS-Vorsitzenden Wolff mit rechtlichen Mitteln, wie es notwendig oder zumindest wünschenswert gewesen wäre, reagiert, als er sagte, man werde es Ihnen schon eintränken und unter Umständen „Big Man" mit einem gepanzerten Fahrzeug aus Ost-Berlin bis nach Frankfurt bringen, damit er dort ja seine heilsverkündende Lehre beim SDS loswerden kann. Sie haben daraufhin erklärt, Sie bedauerten, daß er aufgehalten worden sei. Sie hätten davon nichts gewußt. Sie sind also Ihrer Polizei in den Arm gefallen, haben die Polizeibeamten desavouiert.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie es gewußt hätten, wäre die Einreise nicht verhindert worden, und wenn „Big Man" noch einmal käme oder so gütig wäre, noch einmal zu kommen, würden Sie dafür sorgen, daß ihm nichts in den Weg gelegt würde. So ist es in der Zwischenzeit auch geschehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn das der für die innere Sicherheit der Bundesrepublik zuständige Minister in dieser Weise handhabt, darf er es uns nicht übelnehmen, wenn dadurch bei uns ernste Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Sicherheitspolitik und ,dieser Maßnahmen automatisch :hervorgerufen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann noch zum Herrn Bundeskanzler. Der Herr Bundeskanzler hat den Ausdruck „mieser Stil" zurückgewiesen

(Zurufe von der SPD)

und hat gesagt, es sei in seinen Augen ein mieser Stil, wenn man die Frage .der Verfassungsmäßigkeit der Politik der Bundesregierung, wie ich es schrecklicherweise getan hätte, überhaupt zur Diskussion stellte.

(Erneute Zurufe von der SPD.)




Strauß
Nun, einmal bin ich aufgefordert worden, zur Verfassungswidrigkeit und ihrer Nachprüfung Stellung zu nehmen. Das war die Formulierung in der Fragestellung, die nicht von mir stammt. Ich habe daraufhin geantwortet, wie Ihnen bekannt ist, daß es durchaus reizvoll wäre, diese Frage einmal verfassungsgerichtlich nachzuprüfen, habe alber hinzugefügt, daß ich an sich von der richterlichen Entscheidung politischer Fragen nicht viel hielte, weil das die Richter überfordere. Nun sitzen Sie hier, Herr Kollege Brandt, in einem ganz schlechten Boot, weil die SPD in früheren Jahren alles, auch einwandfrei verfassungswdrige Mittel, aufgeboten hat, um die Politik der damaligen Bundesregierung zu Fall zu bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie werden sich doch noch erinnern, daß man nicht nur beim EVG-Vertrag das Verfassungsgericht angerufen hat, was Ihr gutes Recht war. Da hat man aber auch der Bundesregierung unterstellt, daß sie eine verfassungswidrige Politik treibe, und das Verfassungsgericht angerufen, nein, man hat auch versucht, auf dem Wege von Volksabstimmungen in den Ländern Entscheidungen der Bundespolitik zu sabotieren, zu unterminieren und zu torpedieren — das ist damals so geschehen —, und man hat darüber hinaus in. Zusammenarbeit mit dem DGB die berühmte Listensammlung von Haus zu Haus mit der ganz einleuchtenden Fragestellung durchgeführt: „Für die Pariser Verträge: Krieg; gegen die 'Pariser Verträge: Frieden! Wofür sind Sie?" So ist doch in diesem Lande jahrelang gearbeitet worden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die, Antwort, Herr Bundeskanzler, haben Sie mir selbst in den Mund gelegt. Sie haben nämlich damals, fünf Tage nach dem Mauerhau, hier in diesem Hause als Regierender Bürgermeister von Berlin gesagt:
Die 'Berliner stehen ganz gewiß nicht allein, wenn sie sagen: Die Bundesrepublik wird sich mit einem Teilungsdiktat nicht abfinden können. ... Sie wird es niemals anerkennen können, nicht nur, weil sie ihre eigene Verfassung nicht brechen darf, ... ... Die Bundesrepublik kann und darf ein Teilungsdiktat nicht anerkennen, ohne die Verfassung zu brechen.
So der Regierende Bürgermeister Brandt am 18. August 1961 in diesem Hohen Hause.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Da dürfen Sie sich doch nicht wundern, wenn in einem Interview die Frage der Verfassungswidrigkeit aufgeworfen wird und ich erkläre, es wäre durchaus reizvoll und interessant, die Frage auch einmal mit diesen Methoden zu klären, wovon ich im allgemeinen viel weniger halte, als es bei Ihnen aus Ihren Reihen praktiziert worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie aber schon diese Frage stellen, dann darf ich Sie auf ein Gutachten eines frührenden Juristen hinweisen, des ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofs, Herrn Weinkauff, der in diesem Gutachten sagte:
Es tritt nun die Frage auf, ob einem Gebilde, dem in Wirklichkeit die Merkmale des Staates im Rechtssinne und des Völkerrechtssubjektes fehlen,
— er meinte damit den anderen Teil Deutschlands — durch solche Erklärungen
— wie sie von der Bundesregierung kommen —
die Rechtsqualität des Staates und Völkerrechtssubjektes verliehen werden kann. Das ist klar zu verneinen. Es ist aber weiter zu- fragen — und das ist ernster —, wie weit die so beschaffenen Erklärungen und Angebote der Bundesrepublik in sich selbst rechtlich gültig sind, d. h. ob und wie sie mit dem Deutschlandvertrag und mit der Präambel des Grundgesetzes vereinbar sind oder vereinbar wären. Von besonderer rechtlicher Bedeutung ist dabei die Präambel des Grundgesetzes. Sie ruft in feierlicher und grundsätzlicher Form das gesamte deutsche Volk auf, ...
Es folgt die bekannte Formulierung.
Das hat nicht nur politische Bedeutung, sondern durchaus auch rechtlichen Gehalt. Es ist ein verfassungsrechtliches Gebot. Das hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgesprochen; .. . Den politischen Staatsorganen bleibt dabei allerdings ein sehr weites Maß politischen Ermessens. Ihre Maßnahmen dürfen jedoch die staatliche Wiedervereinigung nicht praktisch unmöglich machen oder so erschweren, daß die Aussicht auf ihre Verwirklichung gegenüber dem jetzigen Zustand entscheidend verschlechtert wird. Die völkerrechtliche Anerkennung der DDR,
— so schreibt er zum Schluß —
gleichgültig, ob sie ausdrücklich oder durch schlüssige Handlungen erfolgt,
— ausdrücklich oder durch schlüssige Handlungen! —
würde dem Verfassungsgebot widersprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Was dann noch schlechter oder mieser Stil sein soll, wenn ein Mitglied dieses Hohen Hauses es wagt, zu sagen, es wäre durchaus reizvoll, die Verfassungswidrigkeit dieser Politik durch das dafür zuständige Organ nachprüfen zu lassen, weiß ich wirklich nicht mehr. Was soll dann noch etwa guter Stil sein? Ich habe hier nur einmal die Originalzitate verlesen.
Nun hat der Kollege Genscher — da haben ihm allerdings seine „Büchsenspanner" die falsche Rede vorgelegt — behauptet, ich hätte am 20. März 1958 auf die Wiedervereinigung sozusagen schon verzichtet und auf das Österreich-Modell verwiesen. Ich glaube, das steht nicht in der Rede vom 20. März 1958; dort finde ich es beim besten Willen nicht. Ich habe sie gestern noch dreimal durchgelesen, weil ich mir dachte, ein so kluger Mann wie der Herr Genscher muß doch sicherlich das Richtige gelesen ha-



Strauß
ben. Aber da hat man ihm einen falschen Zettel vorgelegt. Ich hatte nicht mehr die Möglichkeit, alle Bundestagsprotokolle zu prüfen, um festzustellen, in welcher Rede das war. Aber ich habe einmal darüber gesprochen. Ich habe gefragt: Was bedrückt uns am meisten, das Fehlen der staatlichen Einheit oder das Fehlen an Freiheit? Uns bedrückt zunächst am meisten das Fehlen an Freiheit.
Wenn das Problem wäre: Sicherheit der Sowjetunion — man sagte doch immer: Das Potential der Zone, der DDR, darf nicht der NATO zugute kommen, es darf keine Bundesrepublik mit NATO-Bindung entstehen und damit eine Vorverlegung der Militärgrenze nach dem Osten; das war doch das Anliegen vieler, die glaubten, es gehe um Sicherheit, weil sie die Frage der ideologischen Zusammengehörigkeit und ihre Bedeutung für die interne Konsistenz des Sowjetblocks nicht begriffen haben —, könnte man doch, so habe ich damals gesagt, sich von unserer Seite zunächst durchaus einmal mit der Forderung nach Freiheit begnügen, und wir wären zunächst völlig zufrieden, wenn, bis die Schatten .der Vergangenheit in der Versenkung verschwunden sind, die Menschen im anderen Teil Deutschlands das Maß an bürgerlichen Rechten und Freiheiten und an innerer und äußerer Souveränität hätten, was unser österreichisches Nachbarland aufzuweisen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es bleibt mir schlechterdings unerfindlich, wie man diese analysierende und auf Widerlegung falscher Argumente bedachte Rede dazu verwenden kann, zu sagen, das Österreich-Modell für die DDR wäre ja dann genau derselbe Bruch der Verfassung gewesen wie heute die Anerkennung von zwei Staaten und die völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe, die man in keiner Weise miteinander vergleichen kann. Das möchte ich gerade dem Herrn Verfassungsminister sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, Sie werfen mir vor, ich hätte Ihren Unterhändler in Moskau herabgesetzt.

(Zuruf von der SPD: Ist doch wahr!)

Ich glaube nicht, daß der Brief, aus dem ich jetzt zwei Sätze zitieren will, durch Herrn Springer in den „Spiegel" gekommen ist. Ich habe ihn nämlich im „Spiegel" gelesen. Da gibt es ja andere, unmittelbare Kanäle und Verbindungen. In einem Brief an Herrn Springer sagt Herr Bahr: Ich finde es ungeheuerlich, mit welcher Heuchelei einige unserer Leute Volksverdummung betreiben oder Haß säen, deren Politik uns in 25 Jahren dahin gebracht hat, wo wir heute stehen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Beifall bei der SPD.)

Wenn es sich Herr Bahr als Chefdiplomat erlaubt, die führenden politischen Kräfte, angefangen von Adenauer bis in die Reihen der Fraktion hinein, mit diesen Ausdrücken zu bezeichnen, dann ist das, was ich als Ausdruck meiner Meinung über seine Qualifikation für diese Mission sage, noch eine relativ harmlose Kennzeichnung.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Das war aber schwach, Herr Strauß!)

— Na, wenn das schwach sein soll, dann glaube ich eher, daß der Verstand schwach ist, der 'das nicht begreift.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Noch ein Wort zu der Polemik und der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in der letzten Woche. Es ist ein hartes Wort gefallen; das gebe ich zu. Aber jetzt haben wir schon die Äußerung des Herrn U Thant, daß der Abschluß des Vertrages über die Gaszentrifuge ein Verstoß gegen den Atomsperrvertrag sei.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Herr U Thant ist ja kein kommunistischer Agitator, der den Vertrag mißgünstig auslegt, sondern immerhin ein Mann, unter dessen Segen dieser Vertrag zustande gekommen ist. Wenn uns heute schon vorgeworfen wird, daß der Abschluß des Vertrages über die Gaszentrifuge, der in Ihre Regierungszeit fällt, sozusagen im Vorgriff ein Verstoß gegen den noch nicht ratifizierten Atomsperrvertrag bedeute, dann heißt das doch, daß dieser Vertrag wahrlich ohne Klärung der essentiellen Probleme

(Beifall bei der CDU/CSU)

in der Hoffnung geschlossen worden ist, daß dadurch eine Atmosphäre eintreten werde, in der man sich leichter über die Sachprobleme einigen könne, daß aber diese Hoffnung leider getrogen hat

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

und daß man hier etwas, worauf auch unsere östlichen Gesprächspartner, vor allem in Moskau, einen gewissen Wert legen, um der Atmosphäre und der Klimapflege willen aus der Hand gegeben hat.
Jetzt kommt auch schon das Nächste. In dem Katalog der Einheitsforderungen, bei denen sich nur die Reihenfolge je nach Partner ändert — aber sowohl Ost-Berlin wie Warschau wie Prag wie Bukarest wie Sofia und wie Moskau haben genau denselben Katalog der fünf oder sechs Forderungen, nur ,daß jeder die Erlaubnis hat, das, was ihn selbst betrifft, an erster Stelle zu nennen;

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

das nennt man dann die Dissonanzen in der Politik des kommunistischen Blockes —,

(Beifall und Zurufe bei der CDU/CSU)

in diesem Katalog wird bereits die Forderung auf Ratifizierung des Atomsperrvertrages als eine unabdingbare Forderung für die Normalisierung der Beziehungen erhoben. Hier wird also schon in die souveränen Rechte dieses Hohen Hauses eingegriffen und präjudiziert, daß wir die von Ihnen — auch von uns, von jedermann — gewünschte Normalisierung nur erreichen können, indem wir den Katalog der Forderungen, darunter auch die nach der Ratifizierung des Vertrages, für dessen Unterschrift wir gar nichts bekommen haben, nun endlich erfül-



Strauß
len. Das ist das, was ich, an einem Beispiel ,dargelegt — es gäbe noch zwei oder drei mehr —, mit einem „Ausverkauf" bezeichne. Man muß in diesem Lande immer noch gewisse Dinge sagen dürfen, wenn man sie erstens für richtig hält und wenn zweitens die Umstände sehr dafür sprechen, .daß sie auch so sind, wie man sie ausgedrückt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf Sie, Herr Bundeskanzler, daran erinnern, daß nicht Sie persönlich — Sie gehörten damals dem Hohen Hause nicht an —, aber einer Ihrer führenden Redner — nach meiner Erinnerung war es der Abgeordnete Dr. Arndt —damals, als es in der Frage der Pariser Verträge zu einem erregten Wortspiel zwischen ihm und ,den Abgeordneten auf den vordersten Bänken kam, gesagt hat: Hier geht es um eine Straße, an deren Endstation der Krieg steht. Meine Damen und Herren, wenn jemand mit solchen Ausdrücken um sich wirft, dann darf man doch wohl auch von unserer Seite angesichts dieser Vorgänge die Frage .stellen, ob das ein Ausverkauf deutscher Interessen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Erlauben Sie mir, einiges zur Analyse zu sagen. Ich werde damit kein Kontrastprogramm zu Herrn Barzel liefern — wie manche vielleicht erhoffen oder erwarten —, sondern im Gegenteil das noch fundieran. Es erhebt sich einmal die Frage: Ist die Sowjetunion vor dem Abschluß Ihrer Gespräche mit den USA — diese Helsinki-Gespräche sind ja unterbrochen worden — überhaupt an ernsthaften Verhandlungen mit Bonn interessiert? Trotz zähen Hinschleichens der Gespräche von Helsinki veranstaltet die Sowjetunion 'im Gegensatz zu sonst kein öffentliches Palaver um diese Gespräche, wie bei den Gesprächen mit uns, um damit Meinungen zu erzeugen, Hoffnungen zu erwecken und 'dann bestimmte Resultate herbeizuführen. Hier findet kein Palaver statt. Der amerikanische Präsident Nixon setzt mit Recht Zweifel in die Friedfertigkeit der sowjetischen Außenpolitik und empfiehlt einen behutsamen Stil und ein besonnenes Tempo.
Zwei Projekte stehen für die Sowjetunion in Europa an der Spitze. Das eine ist die europäische Sicherheitskonferenz und damit das Streben nach wirtschaftlicher Kooperation. Der sowjetische Vorschlag zu einer europäischen Sicherheitskonferenz — milde im Ton und unklar im Inhalt, psychopolitisch in der Linie europäischer Sehnsucht nach Ausgleich der Gegensätze und der Friedensliebe — ist in der Öffentlichkeitswirkung so anziehend, daß kein Staat a priori nein sagen kann.
Aber zugleich zeigt sich der Vorschlag zugunsten der Sowjets geeignet, die in der Politik neuerdings beschworene Bedeutung der Atmosphäre schon für eine Grundlage der Normalisierung des Verhältnisses anderer Staaten zur Sowjetunion zu halten. Das ist ein gefährlicher Trugschluß. Für die Sowjetunion handelt es sich darum, den unter der Breschnew-Doktrin stehenden Staaten eine neue, ofefnsichtlich bindende außenpolitische Zielsetzung unter Federführung der Sowjetunion zu geben. Sie soll tauglich erscheinen, den politischen Besitzstand der Sowjetunion in Europa zu sichern, ein Plazet des Westens zur blockinternen Politik der Breschnew-Doktrin zu erreichen. — das ist doch der große Unterschied, ob man die Breschnew-Doktrin als ein Unrecht zur Kenntnis nimmt oder ob man sein in einem feierlich unterschriebenen, international sozusagen protokollierten Vertrag von uns aus mit Zustimmung besiegelt; das ist der Unterschied, der auch in der Frage der deutschen Teilung zu verzeichnen ist —, d. h. für die Sowjetunion, reale Vorteile diner Zementierung des Status quo in Europa gegen nur atmosphärische Verbesserungen einzutauschen.
Lieber Herr Außenminister, wenn Sie meinen, daß die Sowjetunion ihre Bereitschaft zu einem Abkommen schon dadurch beweist, daß Sie um Mitternacht in Moskau mit .einem, ich hoffe, einigermaßen anständigen Mitternachtsmahl bedacht worden sind

(Heiterkeit bei 'der CDU/CSU) und daß Sie den Tee in Taschkent — —(Abg. Wehner: Sie werden immer unverschämt! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Ich zitiere ja nur, was ich in den Agenturmeldungen als Äußerungen des Herrn Außenministers lang und breit gefunden habe, daß er als Indizien das Mitternachtessen in Moskau und den Tee in Taschkent erwähnt hat. Ich wäre an Ihrer Stelle nicht so humorlos, Herr Kollege Wehner, daraus hier noch ein großes Theater zu machen.

(Beifall und Heiterkeit bei 'der CDU/CSU.)

Lange vor diesem Projekt einer neuen Friedenslinie legte die Sowjetunion den Anreiz dazu aus, die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik in das Spiel der atmosphärischen Verbesserungen einzubeziehen. Heute ist man weit davon entfernt, noch vom Einholen und Überholen des Westens zu sprechen. Die Sowjetunion und in ihrem westlichen Vorfeld das ganze COMECON sehen sich gezwungen, wirtschaftliche, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit mit dem westlichen Ausland zu suchen. Wir bejahen — ich sage das, damit gar kein Zweifel entsteht — diese Zusammenarbeit, alber nicht um den Preis der Aufgabe essentieller politischer Rechte und Forderungen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Druck scheint so zwangsvoll zu sein, daß eine möglichst hautnahme Kooperation mit der kapitalistischen Wirtschaft angestrebt wird, um Lieferungen, Inspirationen und Kredite zu erhalten. Dabei blicken natürlich — das ist auch im Zeichen der Dissonanz im Ostblock zu sehen — die Verbündeten Ulbrichts mit Neid auf die Vorteile, die er aus seiner Rolle als Nichtausland im Handel mit uns bezieht.
Bei den Wirtschaftsprojekten hat die Sowjetunion nie einen Zweifel gelassen, daß es sich um Handel und Wirtschaft und nicht um Politik handelt. Ich habe schon einmal in einer drastischen Formulie-



Strauß
rung in diesem Hause und mehrmals im Rundfunk und im Fernsehen gesagt, daß es keinen Preis gäbe, mit dem wir die Zustimmung der Sowjetunion zur deutschen Wiedervereinigung oder — vorerst würde ich das noch verstehen - in der Weise erreichen, daß dafür die Zone den inneren und äußeren Status Österreichs erhält. Wir könnten aus allen europäischen und atlantischen Bindungen austreten. Wir könnten uns für hundert Jahre zur Neutralisierung und Entmilitarisierung verpflichten. Wir könnten darüber hinaus noch das Thema der Wiedervereinigung für 25 Jahre nicht mehr in den Mund nehmen und vielleicht 100 Milliarden DM Wiedergutmachungs-Investitionshilfe für die in Rußland angerichteten Schäden anbieten. Wenn wir das anbieten würden, was wäre dann die Antwort auf unsere Gegenforderung, der Zone den österreichischen Status zu geben? Die Antwort wäre — nicht daß ich eine solche Politik befürworten würde, weil sie eine Politik zwischen allen Stühlen wäre; aber heute gibt es so viele Denkmodelle bei den Beratungen, daß man es ruhig einmal durchdenken kann —, daß die Bundesrepublik gut beraten wäre, all diese Schritte zu unternehmen, damit man sich über ihren Vorschlag dann in besserer Atmosphäre unterhalten kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Regierung der Großen Koalition hatte auf diese Situation und diese Projekte mit der deutschen Lage angemessenen Annährungsvorschlägen und Annäherungswegen reagiert. Eine breite Mehrheit im Parlament trug diesen politischen Willen, dem als Mittel der deutschen Außenpolitik nur Gespräche und Verhandlungen zur Verfügung standen und stehen, eine Mehrheit, die auch dem Zielpartner Sowjetunion bedeutsam, kompetent und verläßlich erscheinen mußte. Die Große Koalition hat die Politik der Entspannung aktiv fortgesetzt und erweitert, hat aber — und das ist der Unterschied — in der Durchführung gewisse Grenzen gezogen, klar und deutlich.
Heute ist die Grenzlinie unklar, und daraus erwächst die Chance für Moskau, seinen Spielraum zu immer maßloseren Forderungen auszuweiten, und zwar Forderungen, die nicht nur der Bundesrepublik, sondern eines Tages auch dem ganzen Westen ernsthafte Sorgen machen werden. Man hat alle Karten auf den Tisch gelegt — ich hoffe, man hat schon alle auf den Tisch gelegt; die anderen glauben es allerdings nicht —, aber man hat damit die politische und diplomatische Position der Bundesrepublik und der Bundesregierung nicht etwa verbessert, Herr Außenminister, sondern man hat sie gegenüber dem Ausgangspunkt der Großen Koalition erheblich verschlechtert.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Man kann auch nicht erwarten, daß das alles so nebensächliche Stimmen wären, wenn Herr Honecker spricht, wenn Herr Spichalski spricht, wenn der Sender 904 spricht. Das sind doch nicht freiheitliche Organe, in denen die vom Recht der Pressefreiheit Gebrauch machenden Redakteure ihre private Meinung ausdrücken. Wenn der Sender 904 vor wenigen Tagen hohnlächelnd erklärte, man
solle nicht immer von „ausloten" reden, man solle endlich einmal — „Butter bei die Fische tun", würden Sie sagen, Herr Wehner — Farbe bekennen, ob man bereit ist, die Realitäten anzuerkennen; das Gerede von „ausloten" und „sondieren" und „explorieren" habe überhaupt keinen Sinn mehr; die Karten lägen ganz klar auf dem Tisch; entweder so oder so, das sei die einzige Alternative — —

(Abg. Wehner: Für die nächsten Wochen haben die wieder Stoff, Herr Strauß!)

— Ja, ich weiß nicht, welche Rede Sie noch halten wollen.
Meine sehr verehrten Damen sund Herren, wie das auch in befreundeten Kreisen des Auslandes wirkt — ich kann es ,der Kürze der Zeit halber nicht vorlesen —, können Sie feststellen, wenn Sie beispielsweise den Artikel im „ Daily Telegraph" lesen.

(Abg. Wehner: Lesen Sie doch ruhig weiter! Das wäre so schön!)

— Ja, wissen Sie, Kollege Wehner, mit dem Spiel des hämischen Herabsetzens — —

(Abg. Wehner: Im Gegenteil! Ich bin begierig!)

Ich rede ernst und kritisiere und gebe auch meine Meinung zu bestimmten Vorgängen und Personen. Aber ich würde mich nie dazu hinreißen lassen, Sie etwa persönlich so verächtlich zu machen, Herr Wehner, als ob das, was Sie sagten, kein Gewicht hätte. Ich bin sogar vom Gegenteil überzeugt, daß das, was Sie sagen, auch neulich gesagt haben, mehr Gewicht hat als das, was in der Regierungserklärung an Festlegungen und angeblich unwiderruflichen Prinzipien enthalten ist.

(Beifall bei ,der CDU/CSU.)

Seit Mitte Dezember 1969, nach dem Moskauer Gipfeltreffen und dem 12. Plenum ides ZK kann es doch keine Illusionen mehr geben, was die Bundesrepublik vom Osten zu erwarten hat. Es wird ihr doch überall und ständig die Pistole auf die Brust gesetzt mit der Frage: Wann endlich, wann endlich werdet Ihr? Springt doch endlich ins Wasser! Dann kommt eine Reihe von Anerkennungen sogenannter Realitäten, bei denen die Erfüllung der einen sofort die Forderung einer neuen hervorruft. Das ist der Katalog, wie er hier zusammengekommen ist. Da hat man sich mit gewissen Vorleistungen, die ich heute schon erwähnt habe — das eine ist die Unterschrift unter den Atomsperrvertrag, das andere ist die Erklärung, man gehe von der Existenz zweier deutscher Staaten aus, aber ohne völkerrechtliche Anerkennung; eine Sache, die ohnehin sehr schwierig zu unterscheiden ist, wie ich mich in der Zwischenzeit eingehend von solchen, die vom Völkerrecht etwas verstehen, habe informieren lassen —, hineinkatapultiert und kommt nunmehr sehr schwer da heraus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sowjetunion wollte ursprünglich mit ihrem Projekt einer europäischen Sicherheitskonferenz ihre Absichten multilateral verwirklichen. Die westlichen



Strauß
Reaktionen arisch gewisser NATO-Partner-Staaten auf den Propagandarummel, der die Völker Westeuropas wundergläubig und 'ungeduldig machen sollte, bewirkten, daß sich die Sowjetunion entschloß, auch bilaterale Verhandlungen, aber immer auf der Grundlage ein und desselben Textes, in dem nur gewisse Sätze in der Reihenfolge ausgetauscht werden, durchzuführen. Bilaterale Gespräche, Dialoge in der Politik, setzen den erkundeten oder erklärten Willen der Gesprächspartner voraus, sich, von verschiedenen Ausgangspunkten ausgehend, schließlich doch mit einem gemeinsamen Verständnis der Probleme zu begegnen, um eine gemeinsame Plattform zu finden, die den Interessen beider Seiten entspricht.
Die sowjetische Seite ist bezüglich des Willens dieser Bundesregierung im Bilde. Die Bundesregierung kann bis jetzt nur darauf hinweisen, daß die Sowjetunion deutsche Gesprächspartner mit außergewöhnlichen Gesten, mit einer Atmosphäre angenehmen Wohlwollens behandelt und damit Kontakinteresse bekundet. Wenn es etwas anderes ist, dann muß ich die Frage stellen: Wie soll man das auslegen, was in der letzten Ausgabe der „Welt der Arbeit" als Leitartikel steht, wo es heißt, daß Bahr und Gromyko bereits an der Ausarbeitung eines Textes arbeiten, unter dem die eine Seite die völkerrechtliche Anerkennung versteht und die andere Seite nicht?

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Ich glaube nicht, daß sich ein solcher Text schon in Ausarbeitung befindet. Oder sollte der Redakteur der „Welt der Arbeit" bessere Informationen haben als die Kollegen, die gestern Sonderinformationen bekommen haben?

(Abg. Rasner: Denkbar ist es!)

Genau vor diesem Spiel müssen wir warnen, daß man glaubt, Formeln zu finden, unter denen der eine das und der andere das Gegenteil verstehen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist genau dasselbe, wie auch beim Atomsperrvertrag argumentiert wurde, es wäre gut, wenn die Gegensätzlichkeiten in der Interpretation nicht durch Klärung offenkundig würden, es wäre besser, die Dinge in dubio zu lassen. Von dieser Politik, die in Lebensfragen nicht die letzte Klärung herbeiführt und glaubt, sich mit dem sanften Öl doppeldeutiger Formulierungen einreiben zu können, um damit leichter durchzukommen, halten wir gar nichts.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie heute der Ball zwischen Moskau und Ost-Berlin hin und her gespielt wird, das ist nun wirklich unschwer zu erkennen. Bonn spielt auf Ost-Berlin zu, Bonn spielt auf Warschau zu, Bonn spielt gleichzeitig in Moskau. Ost-Berlin spielt unter Hinweis auf die Priorität der Sowjetunion nach Moskau zu, Bonn schickt dann einen Emissär nach Moskau, und während der glaubt, dort noch am Ball zu sein, ist der Ball schon an Ulbricht zurückgespielt. Der läßt ihn von Stoph wieder nach Bonn zurückrollen, und nun fährt der Bundeskanzler hinter dem Ball her in die Hauptstadt des anderen Teils Deutschlands.

(Zurufe von den Regierungsparteien.)

Wir haben eben andere Vorstellungen von Vorgesprächen. Wir verstehen unter Vorgesprächen, daß auf diplomatischem Wege die Möglichkeiten einer sachlichen Einigung über bestimmte Sachprobleme, wie sie in der Regierungserklärung Kiesingers einmal und sonst mehrmals aufzufinden sind, erkundet und bei erfolgreichem Verlauf dann ein Treffen auf dieser — nun, sagen wir einmal — hohen Ebene durchgeführt wird. Mit dieser Einschränkung bei der „hohen Ebene" wollte ich nicht Ihre Funktion bezweifeln, Herr Bundeskanzler, sondern die Funktion des anderen, der zu diesem Gespräch weniger Legitimation mitbringt als Sie.
Wenn die Vorgespräche aber zu keinem Erfolg führen, dann wäre es besser, das Ganze nicht so in den von sämtlichen Fernsehstationen der Welt bedachten großen Auftritt einmünden zu lassen, wo die zwei sich die Hand geben, wo sie unter Umständen noch eine Ehrenformation abschreiten und in der Welt kein Mensch mehr versteht, daß das keine völkerrechtliche Anerkennung ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir gehen sehr weit. Wir gehen weit über das hinaus, was unter den früheren Umständen nach unserer Meinung richtig war, was aber nach den heutigen Umständen geboten ist. Wir sitzen ja nicht fest, inflexibel und unelastisch auf gewissen Positionen, aber wenn man sich weiterentwickelt, heißt das noch nicht, daß man sich so weit weiterentwikkelt, daß man sich dabei zum Schluß selbst aufgibt. Das ist das, was hier heute zur Diskussion steht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch in der Sache Oder-Neiße-Linie — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603301600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schultz?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0603301700
Bitte sehr!
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Herr Kollege Dr. Strauß, verstehe ich Sie richtig, daß Sie meinen, es sollten vor einem Treffen von Bundeskanzler Brandt mit Herrn Stoph diplomatische Beziehungen aufgenommen werden, damit die Dinge ausgelotet werden können?

(Abg. Dr. Giulini: Hinhören! — Lachen und weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0603301800
Ich glaube, Herr Kollege Schultz, Sie sind schon so mit der Vorbereitung auf Ihr neues Amt beschäftigt, daß Ihnen völlig entgangen ist, daß Bundeskanzler Kiesinger damals Staatssekretär Carstens, einen Berufsdiplomaten, für diese Vorverhandlungen zum Zwecke der lautlosen Sondierung angeboten hat und daß die Bundesregierung ebenfalls einen Berufsdiplomaten, Ministerialdirektor Sahm, jetzt für vorbereitende Gespräche schickt. Wo ist denn jemals gesagt worden, daß solche vorbereitenden Gespräche eines vor-



Strauß
hergehenden Aktes der diplomatischen Anerkennung bedürfen? Da haben Sie doch ein Eigentor von beachtlichen Ausmaßen geschossen!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich brauche jetzt zur Oder-Neiße-Grenze nicht auf das zu verweisen, was Sie, Herr Bundeskanzler, gesagt und geschrieben haben. Auch das, was Kollege Erler noch im Jahre 1965 in seinem bei Seewald erschienenen Buch gesagt hat, möchte ich jetzt gar nicht wiederholen. Aber ich möchte eine Stimme zitieren, die sicherlich nicht ohne Billigung und Inspiration der polnischen Regierung dies formuliert hat, die des Herrn Raykowski, der im Januar 1970 in „Polityka" nach seiner Rückkehr aus der Bundesrepublik schreibt, die SPD-FDP-Koalition sei der Auffassung, für Polen sei aus nationalen und psychologischen Gründen die Frage der Oder-NeißeGrenze am wichtigsten. Er fährt fort:
Ich antwortete, daß dies nicht ganz so ,ist. An die Frage der Anerkennung der Oder-NeißeGrenze ,durch die Bundesrepublik gehen wir nicht nur vom polnischen Standpunkt heran. Unsere Westgrenze wird von der DDR als endgültige polnisch-deutsche Grenze anerkannt. Ihre Sicherheit garantiert unser großer Verbündeter, die Sowjetunion. Für uns bedeutet die Anerkennung der Grenze durch die Bundesrepublik, daß in diesem Staate
— hier in der Bundesrepublik
jene Kräftestärker werden, die endlich nach 20 Jahren die Situation in Europa realistisch einzuschätzen beginnen.
Das heißt, man legt weder aus ,atmosphärischen noch aus psychologischen Gründen Wert ,auf die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie, sondern betrachtet diese Anerkennung als einen Teilakt der Unterwerfung unter das kaudinische Joch des Forderungskatalogs und nicht etwa als eine politische Lösung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun ist ja die Frage nach der Rolle der Opposition gestellt worden. Die Opposition kann ,sich angesichts der Ostpolitik der gegenwärtigen Bundesregierung drei Methoden aussuchen. Sie könnte die Regierung auffordern, noch mehr in der Richtung zu tun, so wie es früher die FDP als Opposition getan hat. Das kommt für uns natürlich nicht in Betracht. Wir könnten die Regierung ständig loben und ihr unser uneingeschränktes Vertrauen bekunden. Das ist schon mit der Funktion der Opposition kaum vereinbar, und dafür haben wir in dem Falle noch weniger Grund als sonst. Ich verweise hier auch darauf, was Kollege Erler eines Tages gesagt hat, auch wenn man es nicht gerne hört. Er sagte sinngemäß: Es ist nicht unsere Aufgabe, der Regierung Ratschläge zu geben. Es ist unsere Aufgabe, der Regierung auf die Finger zu sehen, sie zu kontrollieren und zu kritisieren.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wir können schon deshalb keine Ratschläge im einzelnen geben, weil sich die Ausgangslage gegenüber damals so verändert hat, daß sie wesentlich ungünstiger ist, da wir uns bereits in Etappen vorgewagt haben, aus denen wir entweder ohne Gesichtsverlust kaum mehr zurückkommen oder in denen wir Rechte aufgeben müssen, die aufzugeben wir seinerzeit feierlich als unmöglich erklärt haben. Das ist die Schwierigkeit dieser Politik, und darum können Sie auch von uns keine Ratschläge dieser Art bekommen oder die Antwort auf die berühmte Frage: Was ist denn die Gegenkonzeption? Die Gegenkonzeption kann nicht eine Frage von wenigen Monaten oder Jahren sein. Die Gegenkonzeption ist ,aufgebaut worden durch Adenauer mit der westlichen Absicherung, die Sie damals verhindern wollten, die aber heute von Ihnen mit Stolz als der Rückhalt dieser Ihrer neuen Ostpolitik in Anspruch genommen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Gegenkonzeption ist durch Erhard fortgesetzt worden, unter anderem mit der Friedensnote und dem Gewaltverzichtsangebot. Die Gegenkonzeption ist weiter fortgesetzt worden durch Bundeskanzler Kiesinger mit seinem völlig in der Entwicklung der Dinge liegenden Wandel in der Auslegung und Anwendung dieser sogenannten Doktrin, die es ja in der Form gar nicht gibt — siehe diplomatische Beziehungen mit Rumänien, diplomatische Beziehungen mit Jugoslawien. Damit kein Zweifel entsteht: Ich habe im Kabinett beidem zugestimmt und nicht etwa 'dagegen Warnungen erhoben. In der Sache der Handelsmissionen in der Tschechoslowakei hätte man vielleicht ein bißchen mehr herausholen können, hätte sich vor allen Dingen nicht nur auf die unklare Terminologie „Deutsche Bundesrepublik" usw. festlegen sollen.
Wir haben diese Politik weiterentwickelt, haben allerdings nie den Boden unter den Füßen verloren. Jetzt sind im Inland Hoffnungen erweckt worden, und Sie stehen unter Zeitdruck und unter Erfolgszwang. Deshalb muß auch manches als Erfolg ausgegeben werden, was kaum als atmosphärische Verbesserung erwähnenswert ist, wenn man an die Substanz der Dinge herangeht, um die es hier geht.

(Beifall bei 'der CDU/CSU.)

Stehen Sie noch, Herr Bundeskanzler, zu dem, was Sie seinerzeit am 13. Dezember 1967 als Außenminister erklärt haben:
„Sinn und Zweck eines Gewaltverzichts ist es, strittige Fragen, für die die Möglichkeit eines gewaltsamen Lösungsversuchs besteht oder befürchtet wird, in bindender Form endgültig auf den Weg einer Lösung mit ausschließlich friedlichen Mitteln zu verweisen, nicht jedoch die strittigen Fragen zu präjudizieren."

(Abg. Dr. Stoltenberg: Sehr wahr!)

Das ist der große Dissens oder die große Unklarheit.
Ich wiederhole unsere Bereitschaft — ich darf hier wohl für die gesamte CDU/CSU sprechen —, ein Gewaltverzichtsabkommen auszuhandeln, das dem



Strauß
Inhalt nach das zum Ausdruck bringt, was Gewaltverzicht bedeutet, nämlich: auf die Anwendung oder Androhung physischer Gewalt für die Austragung von Meinungsverschiedenheiten oder für die Durchsetzung politischer Ziele zu verzichten, aber nicht auf die Verfolgung dieser Ziele mit politischen, d. h. friedlichen Mitteln ebenfalls zu verzichten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist die Frage, Herr Bundeskanzler, in der Sie hier — wenn Sie es jetzt nicht können, dann möglichst bald — Farbe bekennen sollten. Sie haben uns auf Ihrer Seite, wenn es um das Nein zur physischen Gewalt und zur Androhung der physischen Gewalt geht. Sie haben uns nicht auf Ihrer Seite, wenn Sie die sowjetische Interpretation, die offensichtlich in Moskau auf den Tisch gelegt worden ist, als diskutabel betrachten, daß wir auf 'die Verfolgung der Ziele, d. h. auf Wiedervereinigung mit friedlichen Mitteln, verzichten. Denn damit würden wir nach Abschluß eines solchen Gewaltverzichtabkommens eine unerschöpfliche Serie von Interventionsmöglichkeiten und Eingreifmöglichkeiten überhaupt erst heraufbeschwören, und wir würden uns selber des primitivsten und einfachsten Rechts berauben, das jede Nation für sich beanspruchen darf: für ihre Freiheit und für ihre Einheit ohne Gewalt kämpfen zu dürfen.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603301900
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dahrendorf; seine Fraktion hat für ihn eine Verlängerung der Redezeit auf 30 Minuten beantragt.

Prof. Dr. Ralf Dahrendorf (FDP):
Rede ID: ID0603302000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Unterschied von meinem Herrn Vorredner brauche ich nicht mit einem Katalog von mehr oder minder erheblichen Richtigstellungen früherer Äußerungen von mir zu beginnen, sondern kann gleich zur Sache kommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Schulhoff: Das ist kein Verdienst! — Abg. Frau Griesinger: Das kann auch ein Nachteil sein!)

Herr Barzel. hat vorhin eine Reihe von Fragen gestellt, die nach meiner Meinung eine Antwort verdienen. Herr Strauß hat eine ganze Reihe von „Gewißheiten" vorgetragen, die, wenn sie so stimmten, jedenfalls gegen die These sprächen, daß die Opposition nicht informiert worden ist. Denn, Herr Strauß, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wissen Sie sogar unvergleichlich viel mehr, als der Regierung bekannt ist, über sowjetische Motive, über das politische Handeln in der Welt und in den verschiedenen Ländern.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Vielleicht ist es nützlich, durch die Beantwortung der Fragen von Herrn Barzel die „Gewißheiten" von Herrn Strauß ein bißchen zu relativieren. Herr Barzel hat gesagt, er wolle nicht Formeln, sondern
Lösungen, und er wolle von dieser Regierung hören, wo sie ihre Lösungen ansetzen möchte. Herr Barzel, ich teile Ihre Meinung: wir brauchen nicht Formeln, sondern wir brauchen Lösungen. Ich bin aber auch der Meinung, daß sich diese Regierung genau auf den Weg begeben hat, auf dem sich mindestens herausstellen wird, ob Lösungen möglich sind. Es ist ein Weg, von dem ich sehr hoffe, daß er an einigen entscheidenden Punkten zu Lösungen führt.
Lassen Sie mich das noch einmal ganz knapp skizzieren, um auch den Zusammenhang der Lösungsmöglichkeiten deutlich zu machen, wie er sich uns in den Koalitionsfraktionen und in der Bundesregierung darstellt. Der erste Schritt der Bundesregierung war ein Schritt der Konsolidierung der bestehenden Bündnisse. Ich glaube, daß das immer wieder betont werden muß, weil das ein notwendiger Ausgangspunkt und der minimale Endpunkt dessen ist, was wir im übrigen in unserer Politik unternommen haben. Konsolidierung der Bündnisse hieß in erster Linie Konsolidierung der westeuropäischen Bündnisse und Konsolidierung im Bereich des Nordatlantischen Verteidigungspaktes.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Davon kann doch keine Rede sein, Herr Dahrendorf!)

Diese Konsolidierung ist keineswegs abgeschlossen. — Ich komme gleich darauf. — Es gibt noch eine ganze Reihe von Dingen zu tun, Dinge, bei denen aber die Haltung dieser Bundesregierung keinen Augenblick in Zweifel gezogen werden kann. Wir wünschen eine erweiterte Europäische Gemeinschaft, die in ihrer Erweiterung nicht nur neue Länder, sondern auch neue Aufgaben umfaßt und die durch diese Erweiterung selbst eine Stärkung unserer politischen Position bedeutet. Wir wünschen auch ein wirksames Sicherheitssystem, wobei „wirksam" nicht immer in der Zahl der in den verschiedenen Bereichen Europas stehenden Divisionen oder in der Menge der dort vorhandenen Waffen ausgedrückt werden muß.
Herr Barzel hat die Frage gestellt, wie wir den Zusammenhang zwischen der in den Vereinigten Staaten offenkundig wachsenden Abneigung gegen ein Engagement außerhalb der USA und unseren eigenen Entspannungsbemühungen beurteilten. Herr Kollege Barzel, wenn ich es richtig sehe, liegt der Zusammenhang doch darin, daß diese Art von Mehrheit oder diese Art von wachsender Stimmung in den USA seit Jahren spürbar ist. In gewisser Weise sind unsere Entspannungsbemühungen auch eine Antwort auf internationale Entwicklungen, die zu einem geringeren Engagement insbesondere der Vereinigten Staaten in der Welt führen könnten. Das heißt, in gewisser Weise sind unsere Entspannungsbemühungen ein Versuch, genau das zu tun, was Präsident Nixon an vielen Stellen angedeutet hat, nämlich in einer neuartigen weltpolitischen Situation europäische Lösungen zu finden, bei denen wir selber treibende Kraft sind. Ich würde den Zusammenhang so sehen, ohne damit, um das ganz deutlich zu sagen, in irgendeiner Form den Wunsch zu verbinden, daß diese Neigung in Iden Vereinigten Staaten, sich weniger zu engagieren, fortschreiten möge. Im Gegenteil! Wir werden immer wieder,



Dr. Dahrendorf
und zwar auch durch unser Handeln, deutlich machen, daß wir ein solches amerikanisches Engagement wünschen. — Ich komme gleich noch zum Thema der europäischen Sicherheitskonferenz in eben diesem Zusammenhang.
Der zweite Schritt — nach der Konsolidierung — war ein Schnitt, der uns in bilaterale Verhandlungen oder Gespräche, zum Teil auch Vorgespräche, an einer Reihe von Stellen geführt hat. Nun weiß diese Bundesregierung genau, daß diese, bilateralen Verhandlungen bis zu einem gewissen Grad scheinbilateral sind. Das heißt, wir wissen ganz genau, daß es Konsultationen nicht nur auf unserer Seite mit unseren Bündnispartnern, sondern selbstverständlich auch auf der anderen Seite gibt. Dennoch meine ich, daß die Art der Probleme, die sich in den bilateralen Verhandlungen stellen, verschieden ist, was unsere Verhandlungen mit Moskau betrifft, einerseits, was unsere Verhandlungen mit Warschau betrifft, andererseits, ganz zu schweigen von der völlig andersartigen Problematik im Bereich der innerdeutschen Beziehungen.
Wir haben Grund zu der Annahme, daß die Sowejtunion mindestens in den letzten sechs Monaten deutliche Gesten gezeigt hat, die als Verhandlungsbereitschaft und Bereitschaft zum erfolgreichen Abschluß von Verhandlungen gedeutet werden können. Wir wissen noch nicht, ob diese Annahme wirklich richtig ist, und es bleibt ein Sinn der Verhandlungen oder Gespräche, die wir führen, festzustellen, ob es sich hier um Änderungen in der Substanz oder nur um Änderungen im Stil handelt. Es bleibt festzustellen, ob die Ziele, die wir verfolgen, in diesem Bereich der Verhandlungen und Gespräche auch nur ein bißchen vorangetrieben werden können oder ob sich in der Tat der Verdacht derer bestätigt, die vermuten, daß das gar nicht geht.
Ich selber möchte meinen, aber natürlich auch hoffen, das es gelingen sollte, zwischen dem Status quo, den auch ich als verkrustet und verstaubt und menschenrechtswidrig bezeichnen würde, und einer ein für allemal endgültigen Regelung in der Form von Gewaltverzichtsabkommen mit der Sowjetunion in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis zu kommen, das ich als Ansatzpunkt für .europäische Regelungen in einem umfassenderen Sinn des Begriffs Europa betrachte. Das und nicht mehr ist die Hoffnung,

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

ich betone noch einmal: eine Hoffnung, deren Erfolgsaussicht mit Sicherheit einzuschätzen zu diesem Zeitpunkt nicht möglich ist.

(Abg. Dr. Barzel: Das ist die Sprache, die wir gern von der Regierung gehört hätten! — Abg. Dr. Stoltenberg: Herr Wehner weiß das aber ganz anders! — Abg. Dr. Barzel: Aber Wehner sagt: Die scheitern nicht!)

— Auch Herr Wehner hat damit seiner Hoffnung Ausdruck geben wollen. Es gibt in diesem Bereich keine Gewißheiten, und wir jedenfalls sind nicht bereit, uns hier in Gewißheiten zu äußern, für die
es keine Beweise gibt; wir sind nur bereit, uns in Möglichkeiten zu äußern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Jetzt lassen Sie mich .ein Wort zu der Frage unserer Verhandlungen mit Polen sagen und damit unterstreichen — hier sage ich meine persönliche Meinung —, daß die Verhandlungen, die wir in Moskau führen, unter Umständen einen anderen Charakter haben als die, die wir in Warschau führen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Sicher ist es richtig. Herr Strauß, daß von Polen aus gesehen an der Endgültigkeit der polnischen Westgrenze kein Zweifel besteht; von Polen heute aus gesehen. Ebenso list aber richtig, daß für die polnischen Gesprächspartner die Frage, wie sich die Bundesrepublik zu dieser unrechtmäßig zustande gekommenen Grenze stellt, von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ich selber hätte den Wunsch, daß wir durch Diskussionen in diesem Hause und in seinen Ausschüssen, durch Diskussionen auch in unserer Öffentlichkeit den Sinn dafür wecken könnten, daß im Hinblick auf unsere Gespräche mit Polen eine Friedensregelung gesucht werden sollte, die in stärkerem Maße endgültigen Charakter hat als die Abmachungen, die wir zu diesem Zeitpunkt mit der Sowjetunion treffen können.
Ich möchte dem etwas hinzufügen — was ich ebenfalls ausdrücklich als meine persönliche Meinung kennzeichne —: ich bin allerdings auch der Meinung, daß eine solche endgültige Friedensregelung nur dann verantwortbar und vertretbar ist, wenn sie die Zustimmung der großen Mehrheit der Bevölkerung unsere Landes findet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe daher oft — ich sage das als eine Art Richtigstellung zu manchen Behauptungen, die da aufgestellt worden sind — vor und nach der Bundestagswahl gesagt, ich würde es für richtig halten, daß in einer solchen Frage das ganze Volk entscheiden kann — was, wie ich weiß, nach der gegenwärtigen Verfassungslage nicht möglich ist —; denn nur wenn eine solche Entscheidung möglich ist, kann man von einer Regelung sprechen, die auf Dauer verläßlich ist und die den politischen Spielraum schafft, den wir suchen.
Ein Wort muß zu Berlin gesagt werden. Ich meine, daß sich an der Frage der Haltung zur Stellung Berlins entscheiden wird, ob eine ernsthafte Bereitschaft zu wechselseitig sinnvollen Abmachungen auch im Osten vorhanden ist oder nicht. Ich würde daher sagen: wir alle tun gut daran, die Verhandlungen rings um die Berlin-Frage mit großer Aufmerksamkeit zu beobachten. Damit will ich sagen, daß für uns auch die Verhandlungen, die die Alliierten — hoffentlich bald — mit den Sowjets aufnehmen werden, im Hinblick auf die Verbesserung der Lage Berlins von entscheidender Bedeutung sind im Zusammenhang des Gesamtkomplexes



Dr. Dahrendorf
der Verhandlungen, die gegenwärtig geführt werden.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Sehr richtig!)

Der Herr Bundeskanzler fährt nach Ost-Berlin, weil er, wie sein Vorgänger, mit Recht gesagt hat, er sei bereit, an jedem Ort mit den Herren der DDR zu sprechen. Es sollte aber ganz klargelegt werden und es sollte uns allen daran liegen, dies hier ganz klarzulegen, daß weder diese Reise nach Ost-Berlin noch die Gespräche, die in West-Berlin von den Alliierten geführt werden, irgend etwas an unserer Auffassung ändern, daß West-Berlin in seinen Bindungen zur Bundesrepublik gestärkt werden muß und nicht geschwächt werden darf,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

und lassen Sie mich noch weiter gehen: daß Berlin nicht die Hauptstadt der DDR ist.

(Lebhafter Beifall bei der 'CDU/CSU. — Beifall bei der FDP und vereinzelt' bei der SPD. — Abg. Dr. Barzel: Kein Beifall bei der SPD! Für's Protokoll!)

— Der Beifall der Opposition wird mir wahrscheinlich nicht bis zum Schluß erhalten bleiben.

(Abg. Dr. Barzel: Das ist auch nicht die Absicht, Herr Kollege! — Abg. Rasner: Die SPD hat nicht geklatscht!)

Im übrigen bin ich aber der Meinung, daß die politische Diskussion in ,diesem Hause mit Argumenten und unter Umstanden auch einmal quer durch die Fronten geführt werden sollte.

(Beifall bei ,der CDU/CSU.)

Auf die Phase der Konsolidierung ist die Phase der bilateralen Gespräche und Verhandlungen gefolgt. Ich selber sehe — ich glaube, daß das für viele von uns gilt — hinter dieser Phase bilateraler Gespräche und Verhandlungen die mir sehr wichtig erscheinende Möglichkeit multilateraler Gespräche, an denen sowohl die Länder des Ostens als auch die Länder des Westens, selbstverständlich unter Einschluß der Vereinigten Staaten, beteiligt sind.
Herr Strauß hat zum wiederholten Male darauf hingewiesen, daß die bisherigen Vorschläge der Mächte des Warschauer Paktes und insonderheit der Sowjetunion für die Tagesordnung einer Europäischen Sicherheitskonferenz unklar und undeutlich sind. Diese Feststellung ist bis zu einem gewissen Grade richtig. Man kann auf diese Feststellung aber in sehr verschiedener Weise reagieren. Ich würde darauf so reagieren, daß ich sage: Hier liegt eine Aufforderung zu einer Aktivität, die wir entfalten können, weil die Vorschläge bisher noch ungenau und undeutlich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

Weil bisher nicht festgelegt ist, wie die Tagesordnung einer solchen Konferenz aussehen wird und was dort diskutiert werden kann, können wir, vielleicht sogar maßgeblich, mit entscheiden, was auf einer solchen Konferenz diskutiert wird. Ich würde es für möglich halten, daß auf einer solchen Konferenz, bei der wir im Kreise unserer Verbündeten sitzen, die aber nichtsdestoweniger keine Konferenz der Blöcke sein sollte, die Ziele deutscher auswärtiger Politik in einer Weise sichtbar gemacht werden kann, die uns allen nachher zum Nutzen gereicht.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Darüber läßt sich reden!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich teile die Auffassung, daß wir verschiedene Wege zu gemeinsamen Zielen suchen. _Ich unterschätze, so hoffe ich, keine Minute das Gebot, das durch die Präambel des Grundgesetzes gegeben ist. Ich möchte dennoch — auch im Hinblick auf die hier auftauchende Frage unseres Verhaltens zur DDR — eine These formulieren, die mir für die gesamten zukünftigen Verhandlungen wichtig zu sein scheint. Wenn ich es richtig sehe, ist es Zeit, daß wirr im Hinblick auf unser Verhalten gegenüber der DDR — das gilt sowohl für das direkte Verhalten als auch für das indirekte Verhalten draußen in der übrigen Welt —aus einem Schattenboxen mit Phänomenen herauskommen und in eine vielleicht neuartige, vielleicht anstrengende, aber dringend notwendige, ja überfällige Haltung hineinkommen. Ich meine, wir sollten unser eigenes Tun als den Anfang des Versuchs einer aktiven Konkurrenz zwischen diesen beiden deutschen Staaten, die nicht durch unseren Willen entstanden sind, empfinden. Wir sollten unser Tun als Anfang 'des Versuches empfinden, bei voller Vergegenwärtigung der tieigehenden Unterschiede in den inneren Ordnungen dennoch in der direkten Auseinandersetzung und an dritter Stelle sichtbar zu machen, was wir in der Bundesrepublik an inneren Entwicklungen erlebt haben und zu bieten haben, was unsere Interessen sind und was an Energie hinter diesen Interessen in diesem Lande und in diesem Volke steht. Eine solche Politik der aktiven Konkurrenz setzt unter Umständen voraus, daß eine Reihe von Orten gefunden wird, an denen diese aktive Konkurrenz nach außen sichtbar wird. Die Politik des Verschweigens des anderen hilft uns nicht mehr weiter.
Ich bin der Auffassung, daß eine solche aktive Konkurrenz auch im Rahmen von internationalen Organisationen sichtbar werden kann. Ich denke, daß diese Formulierung in gewisser Weise auch eine Antwort auf manche Fragen ist, die von der Opposition gestellt worden sind. Es ist kein Verschenken, wenn man in der direkten friedlichen Auseinandersetzung der Systeme der Welt deutlich macht, wo unsere Stärke liegt, und zugleich die Voraussetzungen dafür schafft, im Zuge der Auseinandersetzung manches abzubauen, was nur erhöht und gesteigert wird, wenn man die Auseinandersetzung scheut.
Die Bundesrepublik ist stark. Warum machen wir das nicht sichtbar? Wir sind viel zu stark, als daß wir uns den läppischen Rückzug auf jene Formeln leisten könnten, in denen immer wieder vom Ausverkauf und Verschenken die Rede ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Gehen wir also hinein in die internationale Auseinandersetzung! Gehen wir hinein in die direkte



Dr. Dahrendorf
innernationale Auseinandersetzung! Scheuen wir sie nicht mehr!
Herr Strauß hat gesagt — damit komme ich zum Schluß —, daß er ein Gegner der Lösung politischer Fragen durch Gerichte ist. Ich teile diese Meinung. Ich möchte das, was in dieser Meinung steckt, auch auf unsere auswärtigen Beziehungen übertragen. Jawohl, es gibt Rechtsansprüche und Rechtsstandpunkte, und es gibt nicht .den geringsten Grund, von diesen Rechtsansprüchen und Rechtsstandpunkten abzugehen. Aber Rechtsansprüche und Rechtsstandpunkte sind auch nicht mehr als die Basis oder der Rahmen unserer Politik, d. h. das Ständig-sich-aufdie-Rechte-Beziehen entlastet uns nicht von der Aufgabe, in unserem politischen Handeln — darf ich es einmal so ausdrücken; ich hoffe, ich werde nicht mißverstanden — offensiver zu werden, lebendiger, offener eigene Initiativen zu entfalten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auf der Grundlage unserer Rechte, auf der sicheren Grundlage unserer Rechtsansprüche also werden wir eine Politik betreiben, die dahin führt, daß sich der ganzen Welt dieses Deutschland, zunächst gespalten und in vieler Hinsicht widersprüchlich, doch als ein Land darstellt, in dem die Auseinandersetzungen ausgetragen werden, die viele beschäftigen, in dem Interesse eines Beitrages zu einer europäischen Friedensordnung.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603302100
Das Wort hat der Abgeordnete Wischnewski. Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 30 Minuten angegeben.

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0603302200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte des Deutschen Bundestages war heute vormittag von Versäumnissen dieser Bundesregierung die Rede. Der Vorwurf der Versäumnisse bezog sich auf die Fragen der Öffnung der Grenzen, der Rüstungsbegrenzung, von mehr Menschlichkeit und auf andere Fragen.
Diese Bundesregierung ist hundertdreißig Tage im Amt. Der Redner, der diese Vorwürfe erhoben hat, gehört der Partei an, die 7300 Tage die politische Verantwortung getragen hat. Wer unter diesen Gegebenheiten von politischen Versäumnissen der jetzigen Regierung spricht, setzt sich der Gefahr aus, politisch nicht ernst genommen zu werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603302300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Barzel?

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0603302400
Bitte, Herr Kollege Dr. Barzel!

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603302500
Herr Kollege Wischnewski, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß ich davon sprach, daß man Chancen auch versäumen kann, weil man die innenpolitischen und parlamentarischen Voraussetzungen für Möglichkeiten versäumt hat? Dies war meine Aussage. Ich bitte, sie nicht anders zu interpretieren.

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0603302600
Ich muß mich an die Formel halten, die Sie vorhin hier gebraucht haben, und ich bleibe dabei, daß Sie in bezug auf die Probleme, die ich genannt habe, von Versäumnissen gesprochen haben.
Eine zweite Frage möchte ich hier noch zu Beginn aufwerfen. Wohl noch niemals ist eine Opposition über entscheidende vertrauliche politische Vorgänge in so hervorragender Weise informiert worden, wie es seit Bestehen dieser Regierung der Fall ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch und Lachen bei der CDU/CSU.)

— Ich könnte Ihnen an praktischen Beispielen klarmachen, daß Sie zu der Zeit, als Sie Regierungspartei waren, über manche politische Vorgänge nicht so informiert waren, wie es heute der Fall ist.

(Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU.)

Nun möchte ich einige Bemerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Strauß gesagt hat. Herrn Kollegen Strauß kennen wir mit drei Gesichtern.

(Zuruf des Abg. Strauß.)

Da gibt es einmal das Gesicht von Vilshofen. Das hat er heute zu verhüllen sich bemüht. Dann gibt es das Gesicht hier im, Deutschen Bundestag. Das bemüht er sich in Vilshofen zu verhüllen. Und dann gibt es allerdings auch noch das Gesicht desjenigen, der ernsthaft politische Überlegungen anstellt: da habe ich den Eindruck, da hat er sich in der letzten Zeit bemüht, das in Vilshofen und hier im Deutschen Bundestag zu verhüllen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Strauß, Sie haben sich erfreulicherweise in Ihren verschiedenen politischen Funktionen mehr als einmal mit der Deutschlandpolitik beschäftigt, und Sie sind ja auch heute darauf zu sprechen gekommen. Ich habe aber den Eindruck, daß ein paar Formulierungen, vor allen Dingen ein paar Formulierungen, die Sie sehr ernstlich niedergeschrieben, nicht nur in Interviews wiedergegeben haben, sondern in Büchern oder in Vorträgen im Ausland, bei Ihnen in Vergessenheit geraten sind oder daß Sie der Auffassung sind, das sollte auch bei uns in Vergessenheit geraten. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, daß ich an einige dieser früheren Formulierungen in bezug auf das, was Sie gerade in den letzten Tagen gesagt haben, noch einmal erinnern möchte.

(Abg. Strauß: Im Zusammenhang, bitte!)

— Im Zusammenhang, selbstverständlich, sogar mit besonderer Freude.
Sie sind selbst auf Ihre Ausführungen am 20. März 1958 hier vor dem Deutschen Bundestag eingegangen.

(Abg. Strauß: Das ist ein Irrtum, das hat Herr Genscher falsch zitiert!)




Wischnewski
— Ich werde es jetzt ganz genau zitieren. Ich weiß nicht, wie der Herr Bundesinnenminister zitiert hat, aber ich werde es ganz genau zitieren.

(Abg. Strauß: Das war eine andere Rede!) Da haben Sie folgendes gesagt:

Ist es denn wirklich die Wiedervereinigung, die uns in erster Linie drängt, quält, bedrückt und treibt? Es ist doch weniger die Wiedervereinigung im Sinne der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands; es ist doch mehr das Herzensanliegen der Wiederherstellung demokratischer und menschenwürdiger Zustände in diesem Gebiet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Genau das hat er hier gesagt!)

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0603302700
Sehen Sie, meine Damen und Herren, diese Regierung ist darum bemüht, auf diesem Gebiet einen entscheidenden Schritt vorwärtszukommen. Sie haben aber in Vilshofen in dieser Hinsicht völlig andere Formulierungen gebraucht.

(Abg. Baron von Wrangel: Vilshofen ist doch nur ein Ablenkungsmanöver für Sie!)

— Vilshofen ist kein Ablenkungsmanöver, sondern Vilshofen ist für mich ein politisches Dokument eines der Parteivorsitzenden in der Bundesrepublik Deutschland.

(Abg. Rasner: Wir sind doch hier im Bundestag, Herr Wischnewski! — Abg. Wehner: Vilshofen, wo das Herz schlägt!)

Herr Kollege Dr. Strauß, Sie haben am 8. April 1966 zu diesen Fragen in einem Interview der „Zeit" Stellung genommen, und ich zitiere wiederum wörtlich und im Zusammenhang:
Und ich glaube nicht an die Wiederherstellung
eines deutschen Nationalstaats, auch nicht innerhalb der Grenzen der vier Besatzungszonen.
Das, Herr Kollege Strauß, haben Sie gesagt.
Ich kann mir unter den gegebenen und vorausschaubaren Umständen und den möglichen Entwicklungen und Entwicklungslinien nicht vorstellen, daß ein gesamtdeutscher Nationalstaat wieder entsteht, sei er auch neutralisiert, aber ungebunden.

(Abg. Strauß: Wegen der Sowjetunion!)

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, waren Vorstellungen, die der Kollege Strauß früher vertreten hat.

(Abg. Baron von Wrangel: Na und?)

Sie haben am 17. Juni 1966 vor einem internationalen Forum zu diesen Fragen Stellung genommen, und zwar vor dem Royal Institute of International Affairs in London. Sie haben bei dieser Gelegenheit folgendes gesagt:
Eine westeuropäische Konföderation kann nur als Zwischenstufe auf dem Weg zu einem europäischen Bundesstaat betrachtet werden. Unter diesem Aspekt darf man sogar an eine analoge
Behandlung des deutschen Problems denken. Das deutsche Volk wäre sicherlich bereit, dem Beitritt eines allerdings mit allen freiheitlichen Rechten ausgestatteten östlichen deutschen Teilstaates in eine europäische Konföderation zuzustimmen.
' Sie haben ein Buch geschrieben — nein, Sie haben mehrere Bücher geschrieben, ich bitte um Entschuldigung. Ich will mich erst an das Buch halten, das Sie im Jahre 1966 geschrieben haben.

(Abg. Rasner: Er spricht immer noch von vorgestern statt von heute!)

Da haben Sie folgendes gesagt:
Wir müssen die zu unser aller Schaden — zu unser aller Schaden! —
noch immer herumgeisternden falschverstandenen deutsch-nationalen Leitbilder von vorgestern zum alten Eisen werfen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja auch völlig richtig! — Abg. Strauß: Europäischer Bundesstaat mit Deutschland!)

Sie haben sich dann weiterentwickelt

(Abg. Dr. Apel: Aber nicht zum Guten!)

und halben in Vilshofen vom Deutschen Reich gesprochen, das die Regierung Brandt mit einer neuen Trümmerpolitik verspielen wolle. Hier frage ich mich, ob das nicht deutschnationale Leitbilder sind, in einer derartigen Sprache solche Probleme anzusprechen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Strauß: Das Reich ist doch noch die Grundlage!)

— Herr Kollege Dr. Strauß, ich habe noch ein viel interessanteres Dokument gefunden. Da heißt es:
Hier handelt es sich um eine richtungweisende Darstellung unserer Politik.

(ist. Ich möchte das aus diesem Grunde hier wörtlich zitieren: Da das deutsche Volk in der Mitte eines machtpolitisch und ideologisch geteilten Europas lebt, darf es eine Krätfe nicht im Streben nach einer nationalstaatlichen Restauration verzehren, die selbst theoretisch in nur unbefriedigender Begrenztheit denkbar wäre, aber grundsätzlich der allgemeinen Entwicklungstendenz weder entsprechen noch ihr förderlich sein würde. Es wäre eine nicht nur unnötige, sondern für das Wohl und den Fortbestand der europäischen Völker äußerst bedrohliche Zeitvergeudung, wenn man sich noch weiterhin mit den überholten Problemen der nationalstaatWischnewski lichen Organisation und Reorganisation in Mitteleuropa beschäftigte, anstatt politische Entscheidungen einzig unter dem Gesichtspunkt einer Harmonisierung der Interessen aller Völker dieses Kontinents zu treffen. Das nationalstaatliche Verantwortungsbewußtsein der Deutschen findet daher einen zeitgemäßen Ausdruck weniger im Beharren auf einer staatlichen Wiedervereinigung, die nun einmal durch die Gegebenheit im Augenblick weder realistisch ist, obgleich sie selbstverständlich vom menschlichen Standpunkt aus wünschenswert und rechtlich absolut begründet ist, (Abg. Rasner: Das klingt doch alles viel besser als das, was er selber sagt!)


(Hört! Hört! bei der SPD.)


(Zuruf von der CDU/CSU: Na und?)




sondern vielmehr in dem politischen Entschluß, Verhältnisse in Europa herbeiführen zu helfen, mit denen die freiheitliche Existenz, das soziale Wohlergehen, ,die kulturelle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch für die kommenden Generationen ides ganzen Volkes gesichert sein können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie etwas Derartiges schreiben, muß ich ganz
ehrlich sagen, kann ich überhaupt nicht verstehen,

(Abg. Rasner: Richtig!)

wieso Sie sich in einer Differenz zur jetzigen Politik befinden.

(Abg. Windelen: Wo ist denn bei Ihnen von Freiheit die Rede?)

Jetzt ein Letztes — und das halte ich für, besonders interessant —: In dem Buch „Herausforderung und Antwort", das Sie im Jahre 1968 geschrieben haben, haben Sie noch einmal Stellung genommen zur staatlichen Wiedervereinigung Deutschlands, ganz gleich, unter welchen gesellschaftspolitischen oder hegemonialen Vorzeichen, und sind zu der Überzeugung gekommen, daß das mit den Interessen der übrigen Welt unvereinbar wäre, Herr Kollege Dr. Strauß. Sie haben gesagt — ich zitiere wörtlich —:
Ihr Ziel
— damit ist .das Ziel der Sowjetunion gemeint —
heute ist jedenfalls nicht mehr — für wie lange, ist eine andere Frage —, ein kommunistisches Gesamtdeutschland herbeizuführen.
Das ist die Aussage des Kollegen Dr. Strauß.
Schon Ulbricht fällt seiner kommunistischen Protektoratsmacht und seinen kommunistischen Verbündeten lästig. Wieviel mehr fürchtet man die Entfaltung der schlechten deutschen Eigenschaften auch einer kommunistischen deutschen Regierung, wenn sie über das Potential von 70 Millionen Menschen und 350 000 Quadratkilometern mit der Kombination der integrierten Wirtschaftskraft beider Teile Deutschlands verfügen könnte.
Und dann heißt es weiter:
Ein rein nationalstaatlich wiedervereinigtes
Deutschland, das auch nur die heutige Bundesrepublik und die sowjetisch besetzte Zone umfaßt, brächte ein hartes wirtschaftliches und politisches Problem für die Welt mit sich, das man nicht beiseite schieben kann.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Sie wollen beweisen, daß Herr Strauß kein Deutschnationaler ist!)

Das sind Ihre Aussagen, und ich bringe das damit in Zusammenhang. Herr Kollege Dr. Strauß, Sie sind derjenige gewesen, der gesagt hat, daß man an die Politik dieser Regierung den verfassungsgerichtlichen Test anlegen müsse.

(Abg. Strauß: Hat ja Herr Brandt vorgeschlagen!)

— Sie sind derjenige gewesen, der das gesagt hat. Ich halte es für zwingend notwendig, Ihre Ausführungen einem solchen Test einmal in aller Deutlichkeit auszusetzen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

vor allem dann, wenn Sie in Ihrem Buch sogar auf die Problematik und auf die Gefahr einer nationalstaatlichen Wiedervereinigung für die übrigen Länder in ,der Welt hinweisen.
Mir liegt daran, hier noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen, daß sich die Bundesregierung und diese Koalition in ihrer Politik in völliger Übereinstimmung mit den Verbündeten befinden. Weil immer wieder versucht wird, Mißtrauen zu säen, muß hier auf einige Tatbestände hingewiesen werden.
Der französische Staatspräsident hat am 30. Januar dieses Jahres ausdrücklich seine Zustimmung zur Osteuropapolitik der Bundesregierung erklärt. Der belgische Außenminister Harmel, der politisch Ihnen sehr viel näher steht als uns, hat am 13. Februar dieses Jahres ,die derzeitige Politik dieser Bundesregierung eindeutig unterstützt. Diese Einstellung gilt auch für den dänischen Ministerpräsidenten; sie gilt auch für den schwedischen Ministerpräsidenten,

(Abg. Rasner: Soviel Alibis!)

der das am 20. Februar in der Bundesrepublik zum Ausdruck gebracht hat. Sie gilt aber auch für die großen internationalen Organisationen, insbesondere für den Ministerrat des Nordatlantikpaktes. Auch in Straßburg hat man sich mit diesen Fragen beschäftigt.
In einer Hinsicht gebe ich .dem Kollegen Barzel recht. Ich gehe von ,der Voraussetzung aus, daß die Regierung der Vereinigten Staaten nicht daran interessiert ist, ihr Engagement in Europa zu mindern; aber wir alle, die wir die Verhältnisse in den USA kennen, wissen, daß es dort innerhalb der beiden Häuser eine Reihe von politischen Vertretern gibt, die eine Politik der Minderung des Engagements vertreten. Alle Fraktionen dieses Hauses sollten gemeinsam darum bemüht sein, das Gespräch mit diesen Kollegen in der amerikanischen Politik aufzunehmen, um sie davon zu überzeugen, daß eine Minderung des Engagements der Vereinigten Staaten von Amerika in Europa nicht in unserem Inter-



Wischnewski
esse und auch nicht im Interesse der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika in Europa liegen kann. Ich kann mir vorstellen, daß wir, wenn wir das gemeinsam tun, auf diese Art und Weise der offiziellen Regierungspolitik ,der Vereinigten Staaten nutzen können.
Die Bundesregierung hat Gespräche eingeleitet, die hoffentlich zu Verhandlungen führen werden: in Moskau, in Warschau und demnächst in Ostberlin. Dabei geht es um mehr Frieden, um mehr Sicherheit und um mehr Menschlichkeit.

(Abg. Katzer: Mehr Freiheit!)

Es geht darum, die Einheit der Nation zu erhalten. Wir sollten die Regierung bei ihrer schwierigen Arbeit unterstützen.

(Beifall bei den Re'gierungspartei'en.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603302800
Das Wort hat der Abgeordnete von Wrangel.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0603302900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier jetzt zwei Reden von recht unterschiedlicher Qualität gehört.

(Sehr wahr! in der Mitte.)

Herr Kollege Wischnewski, ich habe den Eindruck, als hätten Sie zeitweise zwar versucht zu polemisieren. Sie haben andererseits dankenswerterweise die Redezeit unseres Freundes Strauß ein bißchen verlängert. Das war sicherlich auch in unserem Interesse.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Zweitens. Auch nach Ihren vielen Zitaten ist mir nicht ganz klargeworden, ob Sie Herrn Kollegen Strauß hier nun doch als einen Nationalisten apostrophieren wollten oder ob Sie ebenso wie wir — und dafür hat die CDU/CSU, insbesondere der Kollege Strauß, jahrzehntelang ja gestritten — nationale und europäische Politik als identisch empfinden; denn dies ist unser Standpunkt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte hier, Herr Kollege Wischnewski, doch auch ein Wort zur Gemeinsamkeit sagen. Wir haben — das ist von Herrn Barzel und anderen schon betont worden, zu diesem Thema von Herrn Kollegen Wehner ja leider ganz andere Worte gehört. Wir möchten hier noch einmal klipp und klar feststellen, daß die CDU/CSU in diesem Hause keine Zustimmungsopposition sein wird.
Es war interessant, daß der Kollege Professor Dahrendorf hier einige Aspekte vorlegte — das hat uns alle interessiert, und man muß das festhalten —, von denen wir durchaus sagen könnten, daß sie mit unseren Auffassungen weitgehend übereinstimmen. Ich freue mich darüber, daß hier die europäische und die atlantische Politik noch einmal beschworen worden ist. Wenn das aber so ist und wenn die Koalition diese Anliegen ernst nimmt, dann muß sie z. B. in der Haushaltspolitik und bei anderen Einlassungen auch klarer sagen, wie sie sich selber — Herr Wischnewski, hier komme ich auf die amerikanische Politik — den ganzen Fragenkomplex, den man mit „sharing of the burden" umreißen kann, im einzelnen vorstellt. Das ist ein Punkt, über den diese Regierung in der letzten Zeit sehr wenig gesagt hat. Ich meine auch, daß es gut gewesen wäre, wenn Sie, Herr Kollege Scheel, heute morgen zu dieser Frage ein bißchen mehr gesagt hätten, als Sie es getan haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hier ist von der Viermächte-Verantwortung für Berlin, leider wenig von der Viermächte-Verantwortung für Deutschland gesprochen worden. Diese Verantwortung besteht. Ich kann das leider nur sehr summarisch erwähnen. Wenn hier von der Notwendigkeit gesprochen worden ist, westliche Freunde für die deutsche Sache zu interessieren, dann kann ich nur anmerken, durch Verbalismus innerhalb der Bannmeile des Regierungsviertels — ich will mich vorsichtig ausdrücken — werden vielleicht doch die Kräfte, die sich ganz gern aus der Verantwortung in Deutschland zurückziehen würden, geradezu dazu ermutigt, sich aus dieser Verantwortung zurückzuziehen. Diese Politik kann die CDU/CSU nicht unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir haben auch zur Kenntnis genommen, daß Herr Kollege Dahrendorf noch einmal gesagt hat — so deutlich war das vorher leider nicht —, daß Ost-Berlin nicht die Hauptstadt der DDR sein kann. Wir wollen das für alle nächsten Debatten in diesem Hause festhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Die SPD hat nicht geklatscht!)

— Ja, die SPD hat nicht geklatscht. Das stimmt, Herr Kollege Rasner.

(Abg. Rasner: Sie hat dabei geschwiegen! — Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

— Auch das sollten wir festhalten.
Ich möchte zu Polen nur bemerken, daß man bedauerlicherweise immer versucht, uns in eine falsche Ecke zu stellen, obwohl doch gerade die CDU/CSU gesagt hat, daß sie Grenzen europäisieren und daß sie sie durchlässig machen will. Wir wollen weg von der Konfrontation der Phrasen. Wir wollen hin zu einem sachbezogenen Gespräch, in dem man dann auch gemeinsam z. B. über eine Definition des Volksgruppenrechts und des Heimatrechts sprechen könnte. Von Regierungsseite hat man darüber ebenfalls nichts gehört. Dies wäre ein Weg, und diesen Weg würden wir mitgehen. Wir glauben aber, daß durch Formeln dieser Weg aber blockiert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb müssen wir uns hier dagegen wehren, daß man so tut, als sei man in den Verhandlungen oder Gesprächen schon ein Stück vorangekommen.
Ich wollte kurz noch einige Bemerkungen zu dem machen, was der Kollege Professor Dahrendorf in seiner Rede anläßlich unserer Debatte über den Bericht zur Lage der Nation gesagt hat. Damals sagte Herr Dahrendorf, man müßte auch einmal überlegen, ob es nicht doch irgendwann ein gemein-



Baron von Wrangel
saures Dach über den beiden Teilen Deutschlands gebe. Meine Damen und Herren, hier ist doch die Frage .der Interessenidentität gestellt. Diese Interessenidentität — und hier, Herr Kollege Scheel, habe ich das Gefühl, daß es zwischen Ihrer und unserer Analyse erhebliche Unterschiede gibt — ist nirgendwo erkennbar. Und weil sie nicht erkennbar ist, müssen wir befürchten, daß durch verbale Preisgaben und verbale Konzessionen die Position der Bundesrepublik Deutschland letzten Endes demontiert werden könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hier ist doch dann das Problem gestellt, wie sich diese Bundesrepublik im Wettbewerb der Systeme behaupten soll — ich greife das Problem des Wettbewerbs gern einmal auf; Herr Dahrendorf hat es gesagt; der Bundeskanzler ist leider nicht da — Herr Außenminister, wenn wir freiwillig dem System, Idas offen erklärt, daß es die Bundesrepublik bekämpfen will, bessere Wettbewerbschancen einräumen. Dies ist doch eine sehr wichtige Frage für uns, und ich glaube, daß wir über diese Frage auch noch eingehend diskutieren müssen. Wenn wir diesem System bessere Wettbewerbschancen einräumen, werden wir in eine Lage hineingeraten, in der man eines Tages, so wie es bisweilen geschieht, Deutschlandpolitik und Gesellschaftspolitik im sozialistischen Sinne miteinander verbinden will. Wenn man das tut, wird man mit Sicherheit die CDU/CSU-Fraktion nicht auf seiner Seite haben können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Scheel, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich einmal sage, daß ich wirklich manchmal den Eindruck habe, als betrieben einige Vertreter der Bundesregierung oder ihr nahestehender Kreise auswärtige Politik zu stark unter dem Gesichtspunkt innenpolitischer Effekthascherei. Man bewegt sich hier und da plaudernd auf der Einbahnstraße, ohne überhaupt daran zu denken, wie denn die Gegenfahrbahn aussehen soll, um im Bild zu bleiben. Hier ist die Regierung es dem Hohen Hause schuldig, klar zu sagen, mit welcher Zielsetzung verhandelt wird. Über die Zielsetzung haben wir auch heute wenig oder gar nichts gehört.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, erlauben Sie, daß ich noch auf die Frage eingehe, die Herr Kollege Dahrendorf zum Schluß hier aufgeworfen hat. Er sagte, daß dies sicherlich oder vermutlich nicht die Zustimmung der Opposition finden werde. Er hat recht. Er fragte etwa: Wie stark sind wir denn? Er führte dabei die internationalen Organisationen an. Meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung in dieser Situation Grünlicht gäbe, um einen zweiten deutschen Staat in die internationalen Organisationen hineinzulassen, dann würde das bedeuten, daß die Mehrheit der Völkerrechtsgemeinschaft diesen zweiten deutschen Staat zum Völkerrechtssubjekt macht. Hier besteht eine entscheidende Differenz. Auf der einen Seite sagt man, daß die völkerrechtliche Anerkennung nicht in Betracht komme, und auf der anderen Seite tut man hinter einer Nebelwand — um einmal diesen Begriff des Bundeskanzlers zu gebrauchen — doch etwas, an dessen Ende die völkerrechtliche Anerkennung stehen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren. Wir werden über einige dieser Punkte heute und sicherlich noch lange miteinander reden. Aber, offen gesagt, die publizistischen Begleiter dieser Regierung versehen die Politik dieser Regierung mit Attributen wie „fortschrittlich", „dynamisch" usw. Sie kennen das alles. Wer aber einen totalitätren Staat auf deutschem Boden, der dem Souverän — um einmal Ihr Wort zu gebrauchen, Herr Kollege Wehner — nicht zur Geltung verhelfen, also dem Volk keine Freiheiten geben will, wer eine solche Politik betreibt, der verhält sich doch nicht dynamisch und fortschrittlich, sondern viel eher reaktionär.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Noch zwei Bemerkungen. Herr Dahrendorf hat dann gesagt, die Rechtstitel, die Rechtspositionen seien ja nicht aus der Hand gegeben. Man kann sie auch, ohne daß man sie formal preisgibt, unterhöhlen und damit eliminieren. Auch hier will ich Herrn Kollegen Wehner, weil er so oft zitiert wurde, aus dem Kopf zitieren. Sie haben als gesamtdeutscher Minister mit unserer Zustimmung gesagt: Rechtstitel gibt man auch dann nicht aus der Hand, wenn man .sich im Augenblick nichts dafür kaufen kann. — Wir fordern .die Bundesregierung auf, hier zwischen verbalen Erklärungen und Taten endlich eine Harmonie herzustellen. Wenn Sie das nicht tut, Herr Kollege Scheel, werden wir, so fürchte ich, sehr bald weniger Frieden, wenigem Sicherheit und weniger Freiheit in Deutschland haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603303000
Meine Damen und Herren, ehe ich die Sitzung auf heute nachmittag vertage, habe ich einer Verpflichtung zu genügen, nämlich der Verpflichtung, das Protokoll der Sitzung vom 19. Februar zu ergänzen. Um Ihnen ins Gedächtnis zurückzurufen, worum es sich handelt: Während der Rede des Verteidigungsministers hat der Abgeordnete Dr. Starkeine Frage an ihn gestellt:
Herr Minister, darf ich Sie fragen: Leisten Sie jetzt im Augenblick Ressortarbeit, oder in welcher Eigenschaft sprechen Sie?
Daraufhin hat der Abgeordnete Wehner den Zwischenruf gemacht:
Hier ist ein Parlament! Lümmel!
Ich selber habe, während ich präsidierte, das Wort „Lümmel" nicht gehört.

(Abg. Strauß: War das nicht in Vilshofen?)

— Nein, Herr Abgeordneter, man könnte sagen, wie Seldwyla sei Vilshofen ein bißchen überall.

(Heiterkeit. — Abg. Strauß: Der Ausdruck ist in Vilshofen gar nicht gefallen!)

Man könnte auch sagen, Vilshofen ist weniger ein Ort 'als ein Zustand.

(Heiterkeit.)




Vizepräsident Dr. Schmid
Ich habe das Wort „Lümmel" nicht gehört. Hätte ich es gehört, dann hätte ich eingegriffen. Man hat mir nachher das Protokoll vorgelegt, und darin war der Zwischenruf vermerkt. Die CDU hat darauf bestanden, daß auf diesen Zwischenruf geschäftsordnungsmäßig reagiert wird, und heute morgen hat der Abgeordnete Dr. Stark mich noch einmal ermahnt.
Dem Präsidenten steht nur ein Urteil über die Form des Ausdrucks zu. Ich stelle fest, daß der Ausdruck „Lümmel" nicht parlamentarisch ist. Ich erteile darum dem Abgeordneten .Wehner mit Wirkung für die Sitzung des 19. Februar leinen Ordnungsruf.
Ich vertage die Sitzung auf heute nachmittag, 14 Uhr. Wir beginnen dann mit der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung 12.59 Uhr bis 14.00 Uhr.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603303100
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir beginnen heute am Nachmittag mit Punkt I der Tagesordnung; anschließend wird die Haushaltsdebatte fortgesetzt.
Ich rufe auf:
Fragestunde
— Drucksache VI/415 —
Ich rufe zunächst die einzige Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz, die Frage 1 des Abgeordneten Dichgans, auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung eines Düsseldorfer Haftrichters, daß das geltende Recht keine Möglichkeit biete, einen Ausländer, in dessen Besitz ein Trommelrevolver und zwei Maschinenpistolen mit reichlich Munition, Einbruchswerkzeuge, Funksprechgeräte, zwei gefälschte Pässe und ein gefälschter Führerschein gefunden werden und der außerdem zugibt, aus einem Gefangenentransport geflohen zu sein, länger als 24 Stunden in Haft zu halten, wenn ihm nicht eine bestimmte Straftat vorgeworfen werden kann, auch dann nicht, wenn die 24stündige Frist nicht einmal ausreicht, um im internationalen Polizeiverkehr die notwendigen Feststellungen zu treffen?
Für die Beantwortung steht der Herr Bundesminister der Justiz zur Verfügung. Bitte schön, Herr Minister!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603303200
Der Ihrer Frage zugrunde liegende Sachverhalt, Herr Kollege Dichgans, berührt die Zuständigkeit des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen. Ich darf deshalb um Ihr Verständnis dafür bitten, daß der Bundesminister der Justiz keine Stellungnahme zu einem von den Justizbehörden eines Landes geführten Ermittlungsverfahren abgeben kann. Nach meinen Informationen über den von Ihnen angesprochenen Fall Kahvush konnte nicht festgestellt werden, daß dieser der Besitzer der Waffen und Werkzeuge war, die bei den gegen ihn und vier weitere Personen gerichteten polizeilichen Maßnahmen sichergestellt worden waren. Es stand nur fest, daß Kahvush zwei gefälschte schwedische Pässe und einen für eine andere Person ausgestellten Führerschein besaß.
Zu Ihrer Frage, ob die Inhaftierung eines Ausländers, dem eine bestimmte Straftat nicht vorgeworfen werden kann, über die Frist von 24 Stunden hinaus zulässig ist, wenn diese Frist nicht ausreicht, um die im internationalen Polizeiverkehr notwendigen Feststellungen treffen zu können, darf ich zunächst auf Art. 104 Abs. 3 des Grundgesetzes hinweisen, wonach jeder wegen des Verdachts einer straftbaren Handlung vorläufig Festgenommene spätestens am Tage nach der Festnahme. dem Richter vorzuführen ist, damit dieser darüber entscheiden kann, ob ein Haftbefehl zu veranlassen oder die Freilassung anzuordnen ist.
Gemäß § 16 Abs. 1 des Ausländergesetzes kann ein Ausländer zur Vorbereitung der Ausweisung in Haft genommen werden.
Für die Dauer jeder nicht strafrechtlichen Freiheitsentziehung bestimmt Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes, daß die Polizei aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten darf. Das zuständige Amtsgericht kann auf Grund der genannten Vorschrift die weitere Freiheitsentziehung, die die Dauer von sechs Wochen nicht übersteigen soll, anordnen, wenn über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebungshaft ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde.
Das 'geltende Ausländerrecht bietet also sehr wohl die Möglichkeit, einen Ausländer länger als 24 Stunden in Haft zu halten, auch wenn ihm nicht schon eine bestimmte Straftat vorgeworfen werden kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603303300
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0603303400
Herr Minister, halten Sie es bei der heutigen Lage nicht doch für notwendig, einmal rechtspolitisch zu prüfen, ob nicht Möglichkeiten geschaffen werden müßten, die einen Richter berechtigten, einen Verdächtigen — und zwar will ich jetzt ganz von der Ausländereigenschaft absehen, also auch einen Deutschen — jedenfalls solange festzuhalten, bis die Bedeutung der in seinem Besitzbefindlichen Einbruchswerkzeuge geklärt ist, auch wenn nicht klar ist, ob sie ihm gehören?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603303500
Ich bin im Prinzip gerne, bereit, diesem Gedanken noch einmal nachzugehen, Herr Kollege Dichgans, aber ich muß zunächst einmal darauf hinweisen, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes natürlich, wie Sie wissen, zwingenden Charakter haben und daß zum anderen die Entscheidung über diese Frage davon abhängt, ob man ein allgemeines rechtspolitisches Bedürfnis dieser Art anerkennen kann.
Nach aller Erfahrung hat sich bisher gezeigt, daß die 24-Stunden-Frist ausreichend ist, daß die haftrechtlichen Bestimmungen der Strafprozeßordnung ausreichend sind. Es gibt Grenzfälle, aber darüber, ob sie insgesamt eine Änderung rechtfertigen, läßt sich zumindest streiten. Dennoch will ich es gerne noch einmal prüfen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603303600
Eine weitere Zusatzfrage.




Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0603303700
Herr Minister, fürchten Sie nicht, daß gezielte Angriffe auf eine angeblich allzu autoritäre Justiz allmählich einige junge Staatsanwälte und junge Richter so weit verunsichern, daß sie, um keinesfalls Anstoß zu erregen, vorsorglich auch Gangster laufen lassen, wenn die Polizei einmal einen schnappt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603303800
Zunächst einmal gibt die Erfahrung, soweit der Bundesminister der Justiz das übersehen kann, zu einer solchen Befürchtung keinen Anlaß. Zum ,anderen würde ich glauben, daß diejenigen, die sich für den Beruf eines Richters oder Staatsanwalts entschieden haben, wissen, daß sie damit nicht von allen Anfechtungen dieser Gesellschaft frei sind, die also bereit sind, dieses Risiko auf sich zu nehmen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603303900
Keine Zusatzfragen? — Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Hein zurückgezogen worden.
Der Fragesteller der Frage 3, Abgeordneter Weigl, hat um schriftliche Antwort gebeten. Die Frage lautet:
Sind deutsche Fachkräfte beratend eingeschaltet beim Aufbau sozialer Sicherungssysteme in den Entwicklungsländern?
Die Antwort des Bundesministers Dr. Eppler vom
25. Februar 1970 lautet:
Die Bundesregierung steht Wünschen nach Entsendung von Sachverständigen zur Beratung belm Aufbau sozialer Sicherungssysteme aufgeschlossen gegenüber.
Sie hat im Wege der Technischen Hilfe in den Jahren 1960/61 für 11/2 Jahre zwei Fachleute zum Aufbau eines Sozialversicherungssystems nach Griechenland entsandt. In den Jahren 1962/63 hat ein deutscher Sachverständiger für ein Jahr einen gleichartigen Auftrag der ILO in Birma und im Jahre 1966 für vier Monate einen Auftrag der ILO in Äthiopien ausgeführt. Im Rahmen der deutschen Technischen Hilfe wird ein deutscher Sachverständiger in diesem Jahre die zyprische Regierung beim Aufbau ihrer Sozialversicherung beraten.
Darüber hinaus ist die Bundesregierung auch bereit, Fachleute der Sozialversicherung aus Entwicklungsländern in Deutschland weiterzubilden. Eine solche fachliche Weiterbildung wurde 1966/67 einem Sozialversicherungsfachmann aus Haiti und 1967/68 zwei Sozialversicherungsexperten aus Marokko für jeweils ein Jahr ermöglicht.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung steht der Herr Paralmentarische Staatssekretär Berkhan zur Verfügung.
Ich komme zur Frage 75 des Abgeordneten Müller (Mülheim) .

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0603304000
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, beantworte ich die Fragen gemeinsam.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603304100
Herr Fragesteller, sind Sie einverstanden? — Herr Staatssekretär, Sie können beide Fragen gemeinsam beantworten. Ich rufe die Fragen 75 und 76 des Abgeordneten Müller (Mülheim) gemeinsam auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß der Standort für die Sportschule der Bundeswehr endgültig bestimmt worden ist?
Welche Überlegungen gaben oder geben für die Entscheidung den Ausschlag?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0603304200
Als Standort für die Sportschule der Bundeswehr ist endgültig Warendorf bestimmt worden. Ausschlaggebend für
die Entscheidung waren erstens die zentrale, verkehrsmäßig und auch klimatisch günstigere Lage und zweitens die Möglichkeit der besseren Unterbringung gegenüber Sonthofen. In Sonthofen wird eine Wintersportschule der Bundeswehr eingerichtet. Sie wird organisatorisch Teil der Sportschule der Bundeswehr sein.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603304300
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Willi Müller (SPD):
Rede ID: ID0603304400
Darf ich aus dem, was Sie gesagt haben, Herr Staatssekretär, schlüssig folgern, daß es bei einer Bundeswehrsportschule bleiben wird und daß nicht in Betracht gezogen wird, zwei Schulen einzurichten, in denen differenziert nach den verschiedenen Sportarten ausgebildet wird?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0603304500
Herr Kollege, ich wiederhole: in Sonthofen wird eine Wintersportschule der Bundeswehr eingerichtet; sie wird organisatorisch Teil der Sportschule der Bundeswehr sein. Differenziert muß schon werden, weil Wintersport sich in Warendorf nicht durchführen läßt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603304600
Die nächste Frage — Frage 77 — ist vom Abgeordneten Jung gestellt:
Ist die Bundesregierung bereit, einen Gesetzentwurf zur Änderung des § 70 des Soldatenversorgungsgesetzes vorzulegen, durch den die unterschiedliche Behandlung von Berufssoldaten, die bereits am 8. Mai 1945 Berufssoldaten waren, und anderen, die damals Wehrdienst geleistet haben, bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Zeiten beseitigt wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0603304700
Ich beantworte die Frage folgendermaßen. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, einen Gesetzentwurf zur Änderung des § 70 des Soldatenversorgungsgesetzes vorzulegen. Es ist nicht gerechtfertigt, die unterschiedliche Behandlung zu beseitigen, weil § 70 des Soldatenversorgungsgesetzes ebenso wie .§ 181 Abs. 3 des Bundesbeamtengesetzes und § 92 des Beamtenrechtsrahmengesetzes auf dem Grundgedanken beruht, daß die Anrechnung der Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und der Einstellung in die Bundeswehr nur Personen zugute kommen soll, die am 8. Mai 1945 berufsmäßig als Beamter, Berufssoldat oder als berufsmäßiger Angehöriger des Reichsarbeitsdienstes im öffentlichen Dienst gestanden haben und nach diesem Zeitpunkt infolge des staatlichen Zusammenbruchs an der Fortsetzung ihres Lebensberufes gehindert waren.



Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
Für die Reservisten der ehemaligen Wehrmacht trifft dies aber nicht zu, ,da sie ihren Lebensberuf allenfalls durch Heranziehung zur Wehrdienstleistung unterbrechen mußten und nicht gehindert waren, ihren Beruf nach dem 8. Mai 1945 fortzusetzen. Die Bundesregierung prüft zur Zeit aber im Rahmen einer Novelle zum Soldatenversorgungsgesetz die Möglichkeiten, den Berufssoldaten das Höchstruhegehalt nach kürzerer Dienstzeit als bisher zu gewähren. Die Folgen der unterschiedlichen Berücksichtigung ,der sogenannten Zwischenzeiten nach dem 8. Mai 1945 würden durch eine solche Regelung gemildert werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603304800
Eine Zusatzfrage.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0603304900
Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Tatsache bekannt, daß es eine große Zahl von Berufssoldaten in der jetzigen Bundeswehr gibt, die in Kürze wegen Erreichen der Altersgrenze ausscheiden und die bereits am 8. Mai 1945 Berufssoldaten waren, heute aber auf Grund der Kriegs- und Nachkriegsereignisse nicht mehr den Nachweis führen können, daß sie am 8. Mai 1945 die Laufbahn des Berufssoldaten eingeschlagen hatten?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0603305000
Herr Kollege Jung, die rechtlichen Folgen treten bei Ernennung zu Beamten und Soldaten mit Übergabe der Urkunde ein. Diese Herren, von denen Sie sprechen, sind durch die Umstände,, die nicht sie zu verantworten haben, die aber auch die jetzige Regierung nicht zu verantworten hat, nicht in den Besitz dieser Urkunden gekommen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir nur einheitlich für Soldaten und Beamte handeln könnten. Ein Verfahren, wie Sie es offenbar im Auge haben, würde Folgerungen nach sich ziehen, die ich im Moment nicht überblicken kann.
Die Frage, ob es richtig ist, was Sie behaupten, nämlich daß es sich um eine große Zahl handle, kann ich weder bestätigen noch dementieren. Ich weiß nur, daß es eine gewisse Zahl von Soldaten gibt, die diesen Dienst leisten.
Wenn Sie mir dies gestatten, Herr Präsident, möchte ich aber noch bemerken, daß alle diese Herren vorher einen zivilen Beruf hatten und daß aus diesem zivilen Beruf, sofern sie arbeiter- oder angestelltenversichert waren, Ansprüche erwachsen sind, die zwischen 1945 und ihrem Eintritt in die Bundeswehr durch weitere Beitragsleistungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber angewachsen sind, so daß diese Fälle nicht so pauschal betrachtet werden können, wie Sie sie hier vortragen. Jeder einzelne Fall liegt anders. Das ist der Grund dafür, warum wir uns bemühen, generell und nicht punktuell für eine Gruppe zu einer besseren Lösung zu kommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603305100
Herr Kollege, Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0603305200
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, in den Fällen, die mir bekannt sind, von Ihrer Seite aus zu versuchen, die Ungerechtigkeit zu beseitigen, die darin besteht, daß die Betreffenden sich zwar damals als Berufssoldaten beworben haben und eingestellt wurden, heute aber auf Grund der Kriegswirren nicht mehr den Nachweis dafür führen können, obgleich andere Soldaten bestätigen, daß sie zu jener Zeit Berufssoldaten waren?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0603305300
Herr Kollege Jung, wenn Sie mir die Unterlagen, die zur Verfügung stehen und die ,sicher spärlich sind, zuschikken, werde ich selbstverständlich durch die entsprechenden Abteilungen des Ministeriums prüfen lassen, ob man nicht einen Weg finden kann, diese Härtefälle zu glätten. Aber ich kann hier nicht generell versprechen, daß es für jeden Härtefall eine Lösung gibt. In diesem Volk werden als Folge des Kriegs Schicksale getragen, die, auf viele Schichten verteilt, nicht durch den Gesetzgeber und den Steuerzahler auszugleichen sind. Das sage ich mit allem Respekt vor dem Leid, das über. unser Volk gekommen ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603305400
Herr Kollege Josten, eine Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0603305500
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zu diesem Thema die Kriegsopferverbände und den Verband der Heimkehrer zu hören, die zu diesem Problem exakte Vorstellungen haben?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0603305600
Ich werde das prüfen lassen, Herr Kollege Josten. Wir sind selbstverständlich immer bereit, sachverständigen Rat entgegenzunehmen. Sie wissen, daß beispielsweise der Kollege, der links neben mir sitzt, Herr Rohde, in einem engen Kontakt zu den Kriegsopferverbänden steht. Ich weiß nicht, was die Verbände vorzutragen haben. Wenn die Verbände schreiben, werde ich sie mit den zuständigen Sachbearbeitern des Ministeriums in Kontakt bringen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603305700
Ich rufe die Frage 78 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen auf:
Läßt sich das in Presseberichten beanstandete und glossierte, mit großem Verwaltungsaufwand verbundene Verfahren bei der Unterbringung von auf Dienstreise befindlichen Angehörigen der Bundeswehr vereinfachen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 25. Februar 1970 lautet:
Auch in der Bundeswehr besorgt sich normalerweise jeder Dienstreisende seine Hotelunterkunft selbst und bezahlt sie aus seiner Reisekostenvergütung.
Nimmt jedoch der Dienstreisende an einem Dienstgeschäft teil, das reisekostenrechtlich als „Truppendienst" bezeichnet wird, so wird ihm im allgemeinen eine „amtliche Unterkunft" bereitgestellt.
Anstelle der Reisekostenvergütung erhält er dann eine geringere Aufwandsvergütung.



Vizepräsident Schmitt-Vockenhausen
Wenn diese Unterbringung aber aus Platzmangel in der Kaserne unmöglich Ist, so hat ihm entweder die Standortverwaltung ein Hotelquartier als amtliche Unterkunft zu beschaffen oder er mietet sich selbst ein Hotelzimmer an und erhält dann die volle Reisekostenvergütung.
Das in den Presseberichten glossierte Verfahren ist nur in einem Einzelfall angewandt worden.
Die entsprechende Standortverwaltung ist inzwischen angewiesen worden, künftig unkompliziert und unbürokratisch zu verfahren.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen dann zu den Fragen aus den Geschäftsbereichen des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Die erste Frage, Frage 91, hat Herr Abgeordneter Dr. Kempfler eingebracht:
Sind Meldungen zutreffend, wonach die Bundesregierung eine Anordnung getroffen hat, daß für vergabereife Straßenbauprojekte auch in Bundesfördergebieten eine Vergabe nicht erfolgen darf?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Börner.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603305800
Herr Kollege, die Bundesregierung hat keine generelle Anordnung getroffen, daß die Vergabe von Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen in Bundesfördergebieten zurückgestellt wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603305900
Eine Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Kempfler (CSU):
Rede ID: ID0603306000
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich die örtlichen Behörden auch in Bundesfördergebieten auf eine solche Anordnung berufen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603306100
Nein, Herr Kollege, das ist mir nicht bekannt. Mir ist aber bekannt, daß wir verschiedene Vergaben zurückstellen mußten, weil Preise gefordert wurden, die wir aus Gründen der Preisehrlichkeit nicht zahlen wollten. Vielleicht liegt hier die Lösung des Problems.

Dr. Friedrich Kempfler (CSU):
Rede ID: ID0603306200
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, bei der bayerischen obersten Baubehörde klarzustellen, daß ein Ausschreibungs- und Vergabeverbot mindestens nicht für die Fördergebiete besteht, nachdem Sie erfreulicherweise vor etwa vier Wochen erklärt haben, daß hier nichts gekürzt und nichts gesperrt werde?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603306300
Ich bin gern bereit, diese Frage zu prüfen, Herr Kollege. Ich muß aber darauf hinweisen, daß gerade in dem Land, von dem Sie sprechen, ein akuter Fall vorlag, in dem wir Anlaß hatten, der Preisentwicklung unsere besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603306400
Danke schön! —
Ich rufe die Frage 92 des Kollegen Jung auf:
Hat die Bundesregierung Verhandlungen mit Frankreich geführt, um die durch die vorgesehenen Rhein-Ausbaumaßnahmen zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweier/Lauterburg eintretenden Verschlechterungen des Hochwasserabflusses sowie die Verlagerung der Erosion des Flußbettes durch Hochwasserschutzmaßnahmen sowie andere schadenverhütende Maßnahmen zu vermeiden?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603306500
Herr Kollege, die Antwort lautet: ja. Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich haben in dem Vertrag über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweier/Lauterburg vom 4. Juli 1969 sowohl Vorkehrungen zur Verminderung der Hochwassergefahr vorgesehen als auch Maßnahmen zur Verhinderung der Erosion des Flußbettes unterhalb der letzten in diesem Abschnitt zu errichtenden Staustufe Iffezheim vereinbart. Zur Zeit untersuchen beide Vertragspartner in ständiger Fühlungnahme die technischen und hydrologischen Voraussetzungen der dafür erforderlichen Maßnahmen, die noch im einzelnen in besonderen nach dem Vertrag geforderten Übereinkünften festzulegen sein werden. Konkrete Vorkehrungen gegen die durch den Ausbau bedingte Verschlechterung des Hochwasserabflusses sind geplant. Maßnahmen gegen die Verlagerung der Erosion können erst nach Fertigstellung der Staustufe Iffezheim ergriffen werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603306600
Keine Zusatzfrage.
Frage 93 des Abgeordneten Folger:
Ist die Bundesregierung bereit und in der Lage, der Deutschen Bundesbahn zu helfen, damit das Autoreisezugsystem durch Vermehrung der Verladebahnhöfe, der Züge, der Zielorte und Verbilligung erheblich erweitert und damit das Straßennetz entlastet werden kann?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603306700
Herr Kollege, die Bundesregierung unterstützt die Deutsche Bundesbahn global durch Investitionshilfen für Rationalisierungs- und Modernisierungsmaßnahmen und zur Verbesserung ihres Leistungsbildes. Sie verfolgt deshalb die Bestrebungen der Deutschen Bundesbahn, ihren Dienst „Auto im Reisezug" ,auszubauen, mit großem Interesse, weil sie hierin einen Beitrag zur Entlastung des Straßennetzes sieht. Im Vergleich .zum Jahr 1968 hat die Deutsche Bundesbahn im letzten Jahr die Anzahl aller Autoreisezugverbindungen verdoppelt. Für den Fahrplanabschnitt 1970/71 werden sechs weitere Verladestellen eingerichtet, 30 neue Relationen und zusätzliche Verkehrstage vorgesehen. Die Deutsche Bundesbahn versucht, auch über eine günstige Preisgestaltung einen Anreiz zur Benutzung der Autoreisezüge zu geben. Untersuchungen über eine weitere Ausdehnung dieses Dienstes wurden von der Deutschen Bundesbahn bereits eingeleitet. Die Entwicklung wird von der Ausnutzung des Angebotes abhängig sein.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603306800
Keine Zusatzfrage.



Vizepräsident Schmitt-Vockenhausen
Frage 94 des Abgeordneten Dr. Apel:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um der zunehmenden Benachteiligung der westdeutschen Reedereien, der sogenannten Flaggendiskriminierung, im überseeischen Linienfrachtverkehr zu begegnen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603306900
Herr Kollege, die Bundesregierung hat nur begrenzte Möglichkeiten, z. B. das Außenwirtschaftsgesetz, dessen volle Anwendung sich bisher nicht empfohlen hat. Sie hat jedoch im Zusammenhang mit Kredit- und Kapitalhilfeverträgen, u. a. auch im Zusammenhang mit der Gewährung von Ausfuhrbürgschaften und -garantien, einen gewissen Schutz der Schiffahrtsinteressen erreichen können. Hierbei ist es notwendig, geeignete Maßnahmen ZUT Vermeidung einer Benachteiligung deutscher Schiffahrtsunternehmen im Linienverkehr auf das jeweilige Land und das betreffende Fahrtgebiet abzustellen.
Im übrigen wird sich die Bundesregierung im Rahmen der OECD dafür einsetzen, den Liberalisierungskodex der OECD zu modernisieren, um gegenüber Staaten, deren Schiffahrtspolitik liberale Grundsätze ausschließt, größere Handlungsfreiheit zu gewinnen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603307000
Eine Zusatzfrage.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0603307100
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von der Modernisierung des Schiffahrtskodexes der OECD. Darf ich diese Aussage dahin interpretieren, daß Sie ihn einsatzfähiger gegen Diskriminierung westeuropäischer Flaggen machen, als notfalls auch zu einer gewissen Beschränkung der Möglichkeiten, die man uns gegenüber hat, kommen wollen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603307200
Herr Kollege, ich habe ja im letzten Satz meiner ersten Antwort schon angedeutet, daß nach dieser Seite versucht wird, die Dinge in Ordnung zu bringen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603307300
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0603307400
Herr Staatssekretär, sind Sie auch nach den letzten aktuellen Ereignissen, die insbesondere das Fahrtgebiet Argentinien betreffen, der Meinung, daß wir in der Vergangenheit bereits genügend getan haben, um ungerechtfertigte Flaggendiskriminierungen zu verhindern?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603307500
Herr Kollege, ich habe Ihnen in der Beantwortung Ihrer ersten Frage angedeutet, daß es sich hier um einen außerordentlich komplizierten Sachverhalt handelt, der außen- und handelspolitische Fragen und Schiffahrtsinteressen berührt. Ich halte es für wenig hilfreich, die Detailprobleme hier in der Fragestunde auszudiskutieren, weil von da her eventuell auch auf künftige Reaktionen geschlossen werden könnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603307600
Herr Kollege Blumenfeld!

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0603307700
Herr Staatssekretär, darf ich der Antwort, die Sie dem Kollegen Apel soeben gegeben haben, entnehmen, daß der Verkehrsminister mit den übrigen westeuropäischen Ländern präzise Schritte unternommen hat, um zu einer gemeinsamen Linie in der uns nunmehr seit über zehn Jahren immer mehr bedrückenden Frage der Flaggendiskriminierung zu gelangen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603307800
Das ist der Fall.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603307900
Ich rufe die Frage 95 des Kollegen Baron von Wrangel auf:
Durch welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung, die — wie jetzt schon erkennbar — in diesem Winter besonders schweren Schäden durch Frostaufbrüche auf Bundesstraßen im Zonenrandgebiet schnellstmöglich zu beheben, um wirtschaftliche Nachteile durch Transportschwierigkeiten gerade in diesen Gebieten zu vermeiden?
Herr Staatssekretär, wollen Sie die beiden Fragen — im Einverständnis mit .dem Herrn Fragesteller — zusammen 'beantworten?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603308000
Ich wäre dankbar.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603308100
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 96 des Abgeordneten Baron von Wrangel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dafür kurzfristig zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, damit nicht Finanzmittel und Baukapazität, die für andere Projekte zur Verbesserung der Infrastruktur im Zonenrandgebiet eingeplant sind, für diese Ausbesserungsarbeiten verwendet werden?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603308200
Herr Kollege, Frostschäden an Bundesstraßen werden nach Abklingen der Frostperiode unverzüglich behoben, um wirtschaftliche Nachteile an den Fahrbahndecken zu vermeiden. Das ist die Praxis der zurückliegenden Jahre, die — wenn nötig — auch im Jahre 1970 angewandt werden wird. Zur Zeit ist jedoch noch nicht erkennbar, ob Frostschäden größeren Ausmaßes auftreten werden; bis jetzt konnten lediglich sogenannte Oberflächenschäden wahrgenommen werden.
Die Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel für die Beseitigung von Frostschäden an Bundesstraßen, auch . für solche im Zonenrandgebiet, dürfte voraussichtlich nicht notwendig werden. Für die Behebung von Schäden im normalen Ausmaß stehen Haushaltsmittel in Kap. 1210, Titel 760 10 zur Verfügung. Bei größeren Schäden haben die obersten



Parlamentarischer Staatssekretär Börner Straßenbaubehörden der Länder die Möglichkeit, den Ansatz dieses Titels durch Mittelausgleich zu verstärken. Es ist nicht anzunehmen, daß dafür die Ansätze von Bauobjekten im Zonenrandgebiet herangezogen werden müssen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603308300
Zusatzfrage.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0603308400
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß z. B. im Zonenrandgebiet von Schleswig-Holstein Bauprojekte mit dem Hinweis auf die Frostschäden zurückgestellt werden sollen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603308500
Herr Kollege, ich werde das gern nachprüfen lassen. Nach den Mitteilungen, die uns bisher von den zuständigen Straßenbauämtern vorliegen, besteht kein Anlaß zu der Befürchtung, daß so verfahren wird. Ich gebe aber zu, daß die Situation auf Grund des Klimas von Land zu Land verschieden sein kann. Ich habe jedoch eben bereits darauf hingewiesen, daß, wenn eine solche Notwendigkeit 'bestünde, andere Titel heranzuziehen, wir auf keinen Fall wünschen, daß dadurch Bauobjekte tangiert werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603308600
Eine weitere Zusatzfrage.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0603308700
Herr Staatssekretär, um ein gewisses Unsicherheitsmoment, das in diesen Gebieten besteht, zu beseitigen: Wann glauben Sie, werden Sie einen Überblick über das Ausmaß der Frostschäden erhalten? Ich denke jetzt natürlich nicht an einen kurzfristigen, sondern an einen längerfristigen Termin.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603308800
Herr Kollege, dies ist eine Klimafrage und keine Verwaltungsfrage. Ich muß darauf hinweisen, daß wir zwar den Wetterdienst in unserem Hause haben, daß wir aber das Wetter nicht selber machen können. Deshalb kann ich nur sagen: Wenn der Frost vorbei ist, wird eine gewisse Zeit vergehen, bis die Straßenbauämter eine Bestandsaufnahme der Schäden durchgeführt haben. Ich rechne damit, daß uns im April eine Übersicht vorliegt.
Ich möchte aber darauf hinweisen, daß die Dinge im Falle von überdurchschnittlichen Schäden im Rahmen des Mittelausgleichs, d. h. unter Heranziehung anderer Mittel für die Unterhaltung der Straßen, kurzfristig behoben werden müssen, denn wir wissen, daß leistungsfähige Straßen gerade im Zonenrandgebiet entscheidende Voraussetzung z. B. für die Wettbewerbsfähigkeit der dort ansässigen Industrie sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603308900

Ich rufe nunmehr die Frage 97 des Abgeordneten Dr. Früh auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß ihre Absicht, während des Ferienreiseverkehrs 1970 keine Ausnahmemöglichkeit für die Benutzung der Bundesautobahn an den Wochenenden zu gewähren, die Landwirtschaft in den süd- und südwestdeutschen, marktfernen Sonderkulturgebieten außergewöhnlich benachteiligt und ihre Wettbewerbslage entscheidend erschwert?
Herr Staatssekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603309000
Herr Kollege, die Bundesregierung sieht keine Benachteiligung der Landwirtschaft in Süd- und Südwestdeutschland, da der Vorstand der Deutschen Bundesbahn sich grundsätzlich bereit erklärt hat, das weitgehende Garantieangebot des Vorjahres auch in diesem Jahr zu wiederholen. Damit ist der Absatz der Produkte sichergestellt. Die zur Zeit laufenden Verhandlungen der Bundesbahn mit den Spitzenverbänden der Landwirtschaft werden in Kürze abgeschlossen. Im übrigen stehen für Straßentransporte fast alle Bundesstraßen und in der Nacht von Freitag 21 Uhr bis Samstag 7 Uhr und ab Sonntag 22 Uhr auch die Bundesautobahnen zur Verfügung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603309100
Eine Zusatzfrage.

Dr. Isidor Früh (CDU):
Rede ID: ID0603309200
Herr Staatssekretär, es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß sich das Angebot des Wochenendes gerade auf den Sonntag zusammendrängt. Würde es nicht gerade für die Gebiete, die kleinbäuerlich strukturiert sind und in denen Sonderkulturen mit öffentlichen Mitteln gefördert worden sind, eine schlimme Entwicklung bedeuten, wenn dort der Absatz so benachteiligt wird?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603309300
Herr Kollege, ich möchte schon im Vorgriff auf weitere Fragen dieser Art, die hier gestellt worden sind, folgendes sagen: Diese Diskussion ist ja nicht neu. Wir hatten uns im Vorjahr mit den gleichen Argumenten auseinanderzusetzen, und wir haben festgestellt, daß das Angebot der Bundesbahn, hier mit voller Transportgarantie zu helfen, von denen, die vorher so laut gerufen hatten, überhaupt nicht genutzt wurde. Das ist der Sachverhalt. Daher glaube ich — ich stütze mach dabei auf die positiven Erfahrungen des vergangenen Jahres —, daß auch in diesem Jahr keine Behinderung des Absatzes eintreten wird. Es wird ja nicht verboten, Erdbeeren auf den Autobahnen zu befördern. Durch die Verordnung wird nur erreicht, daß an Wochenenden, an denen ein überdurchschnittlich starker Urlaubsverkehr herrscht, gewisse Interessen zugunsten des Urlaubsverkehrs zurücktreten müssen. Es ist die Meinung des Bundesverkehrsministers, daß sich diese Regelung in der Vergangenheit bewährt hat und daß man auch in diesem Jahr so verfahren sollte. Ich bin überzeugt, daß auch die entsprechenden Landesregierungen so denken und der vorgesehenen Regelung im Bundesrat ihre Zustimmung geben werden.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603309400
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Isidor Früh (CDU):
Rede ID: ID0603309500
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Ernte im letzten Jahr unterdurchschnittlich war und daß damit zu rechnen ist, daß im zweijährigen Turnus größere Mengen von Obst anfallen werden?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603309600
Herr Kollege, das mag sein. Trotzdem wird die Zeit ausreichen, wenn Sie die Nachttransporte noch hinzunehmen, diese Produkte auf den Straßen an den Verbraucher heranzubringen oder aber das Angebot der Bundesbahn in Anspruch zu nehmen. Die Kernfrage ist einfach die, ob man wirklich den Ruin der Landwirtschaft herbeiführt, wenn am Wochenende für anderthalb Tage einmal auf die Beförderung von Weichobst auf den Bundesautobahnen und auf einigen Bundesstraßen verzichtet wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603309700
Eine Zusatzfrage des Kollegen Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0603309800
Herr Staatssekretär, gilt dieses Benutzungsverbot nur für deutsche Fahrzeuge oder auch für ausländische Fahrzeuge aus dem benachbarten EWG-Raum?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603309900
Für alle.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603310000
Herr Kollege Niegel!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0603310100
Herr Staatssekretär, hat der Bundeslandwirtschaftsminister bei den Beratungen im Bundeskabinett die erheblichen Vorbehalte und Einwände der betroffenen Obsterzeuger gegen dieses Sonntagsfahrverbot nicht nachdrücklich vorgetragen, oder hat er bei der Behandlung dieses Geschäftsvorgangs in der Bundesregierung etwa für diese Vorlage gestimmt?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603310200
Herr Kollege, ich habe ja schon angedeutet, es handelt sich hier um eine Verordnung des Bundesverkehrsministers. Es ist selbstverständlich, daß auf die Landwirtschaft, soweit es geht, Rücksicht genommen wird. Man muß aber sehen, daß sich hier bestimmte Erwartungen der Landwirtschaft mit den Interessen von etwa 10 Millionen Urlaubern kreuzen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603310300
Ich rufe die Frage 98 des Abgeordneten Niegel auf:
Welche Folgerungen zieht das Bundesverkehrsministerium aus der Tatsache, daß die Deutsche Bundesbahn in der Besprechung mit den einschlägigen Wirtschaftsverbänden ausgangs Januar 1970 entgegen den Erwartungen des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner in der Fragestunde des 30. Januar 1970 zugeben mußte, daß sie unmöglich alle Großverteilermärkte rechtzeitig erreichen kann, um das von den Verbrauchern zurecht erwartete frische Weichobst über das Wochenende an die Empfangsorte zu befördern und zu verteilen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603310400
Herr Kollege, der Vertreter der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn hat bei der Anhörung 'der Verbände am 27. Januar keine Erklärung in 'dem angeführten Sinne abgegeben. Die Deutsche Bundesbahn 'ist durchaus in der Lage, die Großmärkte rechtzeitig zu erreichen. Entsprechende Verhandlungen mit den 'Spitzenverbänden der Landwirtschaft sind im :Gange.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603310500
Eine Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0603310600
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß die Bundesbahn keinesfalls in der Lage ist, bestimmte Zielorte wie z. B. Kassel, Osnabrück, Bielefeld, Kiel 'und Hamburg rechtzeitig zu beliefern?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603310700
Herr Kollege, da Sie diese Orte angeführt haben, muß ich Ihnen sagen: auch im vorigen Jahr ist das behauptet worden. Die Bundesbahn hat es geschafft.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603310800
Eine weitere Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0603310900
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß bei dem Angebot der Bundesbahn so rechtzeitig disponiert werden muß, daß die Wagen lange, fast zwei Tage, vorher bestellt werden müssen? Ist Ihnen bekannt, daß bei einem momentanen Ernteanfall bei günstiger Witterung, wenn vorher schlechte Witterung war, unter Umständen mehr als das Doppelte angeboten wird oder daß am Montag unter Umständen bei bestimmten Großmärkten ein hoher Bedarf vorhanden ist, wodurch Transportfragen auftreten können, für die die Bundesbahn so kurzfristig nicht disponieren kann?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603311000
Herr Kollege, ich glaube, daß das nicht der Fall ist. Ein bißchen verstehe ich ja auch von Transportproblemen. Sie können sicher sein, daß die Bundesbahn im letzten Jahr die erforderlichen Kühlwagen gestellt hätte und auch bereitgestellt hat. Sie wurden dann nur nicht abgenommen. Auch wenn ein Volumen auf den Markt kommt, das größer ist, wird sich Idas machen lassen. Außerdem bitte ich nicht zu übersehen, daß das Obst geerntet werden muß, ehe es transportiert werden kann. Die Dinge kumulieren ja nicht alle am Samstag oder am Sonntag.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603311100
Eine Zusatzfrage, der Kollege Leicht.




Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0603311200
Herr Staatssekretär, ist es nicht möglich, das Ende des Fahrverbots — insbesondere in den Abendstunden am Sonntag — dahin gehend zu überprüfen, ob es nicht eventuell etwas vorverlegt werden kann, damit weiter entfernt liegende Großstädte auch in der Nacht noch mit Lkw rechtzeitig erreicht werden können?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603311300
Herr Kollege, ich bin gern bereit, dieses Argument einmal einer besonderen Prüfung zuzuführen, wenn Sie mir sagen, welche Relationen hier gemeint sind. Man muß das einmal mit dem Fahrplan der Bundesbahn vergleichen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603311400
Ich rufe die Frage 101 des Abgeordneten Susset auf:
Weiß die Bundesregierung, daß sie mit der Erweiterung des Fahrverbots an Wochenenden den marktnäher gelegenen EWG-Partnern Belgien und Holland entscheidende Wettbewerbsvorteile gegenüber den Weichobst- und Gemüsegebieten in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz einräumt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603311500
Herr Kollege, die Bundesregierung sieht keine Wettbewerbsvorteile für Belgien und die Niederlande, da der Vorstand der Deutschen Bundesbahn sich grundsätzlich bereit erklärt hat, das weitgehende Garantieangebot des Vorjahres in diesem Jahr zu wiederholen, und dadurch der Absatz des Obstes aus Süd- und Südwestdeutschland in den herkömmlichen Absatzzentren gewährleistet ist. Die zur Zeit laufenden Verhandlungen der Bundesbahn mit den Spitzenverbänden der Landwirtschaft werden in Kürze abgeschlossen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603311600
Eine Zusatzfrage.

Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0603311700
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß einzelne Autobahntrassen, beispielsweise die Strecke Saarbrücken—Mannheim, von den Verboten ausgenommen werden sollen, womit ja unweigerlich für das westliche Nachbarland eine Bevorzugung gegenüber unseren Anbauzonen gegeben wäre?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603311800
Nein, Herr Kollege, hier liegt ein Mißverständnis vor. Es sind nicht solche Autobahnstrecken von dem Verbot ausgenommen, sondern es sind nur frei in der Fläche liegende Ausbaustrecken der Bundesautobahnen, die keine Beziehung zum vorhandenen Netz haben, davon freigestellt. Ich denke z. B. an die Umgehung Regensburg oder an Strecken der Sauerlandlinie, die bis jetzt noch nicht in direkter Verbindung mit dem vorhandenen Autobahnnetz stehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603311900
Eine letzte Zusatzfrage.

Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0603312000
Wie beurteilen Sie dann die Situation, daß Gemüse- und Obsttransporte aus dem Ausland nicht unter das Fahrverbot fallen, also praktisch ungehindert über die Grenzen gehen können, wenn sie auch nur kurze Strecken auf Autobahnen oder Fernstraßen, vielleicht in Grenznähe, fahren können, 'so daß hier doch ein Nachteil gegenüber unseren Gebieten festzustellen ist?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603312100
Herr Kollege, ich habe vorhin schon auf die Frage von Herrn Kollegen Jung festgestellt, es wird kein Unterschied zwischen ausländischen und inländischen Fahrzeugen gemacht. Auch inländische Fahrzeuge können natürlich die nicht gesperrten Straßen benutzen. Es sind ja nur das Netz der Bundesautobahnen und einige wenige Bundesstraßen überhaupt von dem Verbot betroffen. Von daher sehe ich keine Beeinträchtigung des jetzigen Konkurrenzverhältnisses. Es gibt keine Strekken in Grenznähe, z. B. zur Westgrenze der Bundesrepublik Deutschland, die vom Verbot frei wären und die dann eine solche Verschiebung des Konkurrenzverhältnisses zur Folge hätten, wie Sie es annehmen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603312200
Dann die Frage 99 des Abgeordneten Dr. Hauser (Sasbach) :
Ist der Bundesverkehrsminister bereit anzuerkennen, daß in die in Aussicht genommene Risikoübernahme durch die Deutsche Bundesbahn für die Obsttransporte notwendigerweise auch der Bruch der Geschäftsbeziehungen zum Großversand und Großverteilerhandel gehört, der bei verspäteter oder sonst zu beanstandender Lieferung mit verhängnisvollen Wirkungen für die obsterzeugende Landwirtschaft befürchtet werden muß, wenn eine zeitgerechte Lieferung über die Wochenenden nicht mehr wie bisher über die Bundesautobahn erfolgen könnte?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603312300
Herr Kollege, die Bundesregierung verkennt nicht, daß der Handel durch die zeitweise Verlagerung der Obsttransporte auf die Schiene Umdispositionen vornehmen muß. Das Garantieangebot der Deutschen Bundebahn gleicht damit eventuell verbundene finanzielle Risiken weitgehend aus. Etwa noch verbleibende Nachteile müssen im allgemeinen Interesse in Kauf genommen werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603312400
Zusatzfrage.

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0603312500
Ist nach Ihrer Meinung, Herr Staatssekretär, meine Frage nach einem Schadensausgleich bei Abbruch der Geschäftsbeziehungen nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil die Warenempfänger — und ich erlebte das immer wieder — mit zur Vertragsbedingung gemacht haben, daß die Fahrer der Obsttransporte bei größeren Kettengeschäften die Verteilung auf die einzelnen Filialen vornehmen und durchführen, und ist angesichts dieser Tatsache die Bundesbahn bereit, auch den möglichen Verlust der Geschäftsbeziehungen zwischen Erzeugern und Abnehmern dann zu übernehmen?




Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603312600
Herr Kollege, ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß vernünftige Kaufleute aus der Eingrenzung der Transportmöglichkeit über wenige Stunden am Wochenende zu solchen Konsequenzen fähig sind, wie Sie sie eben angedeutet haben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603312700
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bei weiteren Zusatzfragen die Richtlinien für die Fragestunde im Auge behalten würden. Sie haben eben ein Meisterbeispiel sehr extensiver Interpretation dieser Richtlinien gegeben. — Bitte!

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0603312800
Danke, Herr Präsident, ich will es beachten.
Herr Staatssekretär, ist in der Verordnung zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs bei den Verkehrsrestriktionen, was den Lastkraftwagenverkehr angeht, wenigstens eine Notstandsklausel vorgesehen, die .es bei überbordenden Situationen auf dem Obstmarkt in den kommenden Sommermonaten ermöglicht, auch über die Autobahn auszuweichen, um einen völligen Marktzusammenbruch zu verhüten?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603312900
Herr Kollege, ich weiß nicht, wie Sie den Begriff ides Notstands interpretieren. Ich habe Ihnen ja angedeutet, daß selbst eine Verdoppelung des Angebots von der Bundesbahn im Rahmen ihrer Kapazität aufgefangen werden kann. Ich kann mir nicht vorstellen, daß bei extremen Ernteerwartungen noch mehr Erzeugnisse dieser Art auf den Markt kommen und gegebenenfalls alle kurz vor dem Wochenende reif werden. Ich halte also eine Notstandsklausel für entbehrlich, zumal, wie gesagt, das Straßennetz neben der Autobahn noch zur Verfügung steht. Es ist ja keinesfalls so, daß verboten wird, mit Lkws zu fahren, sondern es ist nur verboten, auf bestimmten Autobahnen zu fahren.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603313000
Dann die Frage 100 des Kollegen Dr. Hauser (Sasbach) :
Hält der Bundesverkehrsminister die von ihm vorgesehene Verordnung zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs, die nicht einmal eng begenzte Ausnahmegenehmigungen zur Beförderung leicht verderblichen Weichobstes auf der Bundesautobahn vorsieht, mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar, nachdem hier ernste Existenzfragen kleiner Landwirte entscheidend in Rede stehen, wogegen auf der anderen Seite derart tiefgreifende Belange nicht berührt sind?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603313100
Herr Kollege, die Bundesregierung sieht keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, wenn in der Verordnung zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs auf der Straße im Jahre 1970 keine Ausnahmegenehmigungen für Transporte auf den Bundesautobahnen vorgesehen werden.
Würde die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen auf Weichobst beschränkt werden, wäre in der Tat eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gegeben, weil es zahlreiche andere Güter gibt, deren Transport ebenso dringlich ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat bei der Überprüfung der vorjährigen Verordnung, die ebenfalls keine Ausnahmemöglichkeit vorsah, mit Beschluß vom 25. Juni 1969 festgestellt, daß das Grundrecht des Art. 3 Abs. 3 GG offensichtlich nicht verletzt ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603313200
Herr Kollege!

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0603313300
Darf ich darauf aufmerksam machen, Herr Staatssekretär, daß jene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einen anderen Sachverhalt betraf als den, den ich soeben angesprochen habe, und daß es hier im Gegensatz dazu in der Tat um Existenzfragen kleinbäuerlich parzellierter Landwirtschaft geht.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603313400
Herr Kollege, ich kann Ihnen darauf nur antworten: Ich habe den Text der Verfassungsgerichtsentscheidung hier vor mir. Ich kann mich auf Grund der Kenntnis dieses Textes Ihren Argumenten nicht anschließen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603313500
Es folgen die Fragen 102 und 103 des Kollegen Dr. Hermesdorf:
Wann ist mit dem Abschluß des in Artikel 9 des deutschbelgischen Vertrages vom 24. September 1956 vorgesehenen Zusatzabkommens zu rechnen, dessen Inkrafttreten für den betroffenen Wirtschaftsraum an der deutschen Westgrenze eine Erleichterung bei der Abwicklung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs bringen würde?
Worauf ist es zurückzuführen, daß das die Fragen des Eisenbahnverkehrs betreffende Zusatzabkommen zu dem Vertrag vom 24. September 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über eine Berichtigung der deutschbelgischen Grenze und andere die Beziehungen zwischen beiden Ländern betreffende Fragen bislang noch nicht abgeschlossen worden ist?
Herr Staatssekretär, sollen die beiden Fragen gemeinsam beantwortet werden? — Wenn der Fragesteller einverstanden ist. Ihr Zusatzfragerecht wird dadurch nicht geschmälert, Herr Kollege. Sind Sie einverstanden? — Bitte schön!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603313600
Herr Kollege, Art. 9 des von Ihnen genannten deutsch-belgischen Vertrages vom 24. September 1956 sieht vor, daß die früheren Bestimmungen über die sogenannte Venn-Bahn, d. h. die Eisenbahnstrecke Raeren-Kalterherberg, aus den Jahren 1922, 1929 und 1935 ,den heutigen Verhältnissen angepaßt werden. Die seit Jahren mit den zuständigen belgischen Stellen laufenden Bemühungen, zum Abschluß des vorgesehenen Zusatzabkommens zu gelangen, hatten zuletzt zu Delegationsverhandlungen der Vertreter beider Staaten am 18. und 19. Januar 1968 in Bonn geführt, die mit einem Entwurf des vorgesehenen Zusatzabkom-



Parlamentarischer Staatssekretär Börner
mens beendet wurden. Nach Erfüllung mehrerer belgischer Änderungswünsche wurden die endgültigen Texte des Abkommens und der Verhandlungsniederschrift im November 1968 der belgischen Seite übersandt. Eine ,abschließende Stellungnahme der belgischen Seite liegt noch nicht vor. Der letzten Mitteilung des Auswärtigen Amtes vom Oktober 1969 zufolge hat das belgische Außenministerium lediglich verlauten lassen, daß sich die Unterzeichnung des Abkommens noch etwas hinziehen werde. Die beteiligten belgischen Ressorts seien dankt beschäftigt, dem Außenministerium einen geeigneten Textvorschlag über die Vorstellungen der belgischen Seite zukommen zu lassen. Ein solcher Vorschlag ist bisher der deutschen Seite noch nicht übermittelt worden.
Ich bin gern bereit, das Auswärtige Amt zu bitten, bei dem belgischen Vertragspartner nochmals vorstellig zu werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603313700
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? — Bitte!

Dr. Herbert Hermesdorf (CDU):
Rede ID: ID0603313800
Ist die Bundesregierung bereit, falls sich das Zustandekommen des Zusatzabkommens — nach einer Wartezeit von zwölf Jahren ist das zu erwarten — noch verzögern sollte, mit dem Königreich Belgien in Verhandlungen einzutreten, um eine Zurückführung der Tarife auf ,den deutschen Tarifstand zu erreichen und dadurch diesen Teilkomplex des abzuschließenden Zusatzabkommens vorweg zu regeln?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603313900
Herr Kollege, ich will das gern prüfen lassen. Ich bin aber persönlich der Meinung, daß eine Chance besteht, die Angelegenheit in angemessener Frist generell zu bereinigen. Eventuell würden sich aus der Verwirklichung Ihres Vorschlags noch weitere Komplikationen ergeben, die ich nach Lage der Dinge vermeiden möchte. Ich bitte um Ihr Verständnis.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603314000
Herr Kollege, damit sind Ihre beiden Fragen beantwortet.
Ich rufe nunmehr die Fragen 104 und 105 des Kollegen Dr. Unland auf:
Was waren die wirklichen Gründe, die die Deutsche Bundespost veranlaßt haben, einige Orte im westlichen Münsterland aus dem Amtlichen Fernsprechbuch (AFB) 8 herauszunehmen und sie in das AFB 10 einzufügen, da die von der Deutschen Bundespost gegebene Begründung, nämlich Handlichkeit der Telefonbücher, offensichtlich nicht zutreffen kann, wie etwa ein Vergleich zwischen dem ca. 15 mm dicken und ca. 900 g schweren AFB 8 „Münsterland" und dem ca. 52 mm dicken und ca. 5200 g schweren AFB 11 „Bereiche Köln, Aachen, Bonn" beweist?
Von wem ging die Anregung zu dieser Änderung aus, wer wurde gutachtlich oder sonstwie dazu gehört, und war sich die Deutsche Bundespost bei ihrer Entscheidung darüber im klaren, daß sie damit in die offene Diskussion um die Gebietsreform eingriff?
Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- _und

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603314100
Herr Präsident, ich wäre auch hier dankbar, wenn ich die beiden Fragen zusammen beantworten dürfte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603314200
Herr Fragesteller, sind Sie einverstanden? — Bitte schön!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603314300
Herr Kollege, die bisherigen Fernsprechbücher im Rhein-Ruhr-Gebiet waren im Laufe der Jahre unhandlich geworden. Die Deutsche Bundespost sah sich deshalb veranlaßt, ab Ausgabe 1970 die Geltungsbereiche der Fernsprechbücher im Rhein-Ruhr-Gebiet neu zu ordnen. Dabei entstanden aus bisher drei Büchern acht neue Bücher.
Im Zuge dieser Neuordnung wurde auch in einigen Randgebieten eine andere Abgrenzung der Buchbereiche vorgenommen. Dabei wurden u. a. die Knotenamtsbereiche Borken und Bocholt aus dem Fernsprechbuch des Münsterlandes heraus- und in das Fernsprechbuch Wesel hineingenommen. Die Gründe für diese Maßnahme waren ausschließlich fernmeldebetrieblicher Art. Messungen der Verkehrsstruktur bestätigen, daß der Gesprächsverkehr aus den Bereichen Borken und Bocholt in den Bereich der Hauptvermittlungsstelle Wesel wesentlich größer ist als in den Bereich der Hauptvermittlungsstelle Münster. Damit liegt die durchgeführte Neuabgrenzung der Fernsprechbücher auch im Interesse der Teilnehmer, die dadurch ein Fernsprechbuch in die Hand bekommen, das ihrem Gesprächsverkehr besser Rechnung trägt.
Das Argument der besseren Handlichkeit der Bücher gilt generell für die Neuordnung der Fernsprechbücher im Rhein-Ruhr-Gebiet. Bezüglich der veränderten Zuordnung der Bereiche Borken und Bocholt trifft es allerdings nicht zu. In einer Mitteilung an die Fernsprechteilnehmer wurde dieses Argument lediglich infolge eines redaktionellen Versehens verwendet. Ich möchte hier hinzufügen: ich bedaure das sehr. Der Deutschen Bundespost liegt es fern, mit einer fernmeldebetrieblichen Organisationsänderung in die Diskussion um die Gebietsreform einzugreifen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603314400
Eine Zusatzfrage.

Dr. Hermann Josef Unland (CDU):
Rede ID: ID0603314500
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht bereit, zuzugestehen, daß in der Tat ein Eingriff in die offene politische Diskussion erfolgt ist, sei es verschuldet oder unverschuldet, und daß es im Grunde einer Verwaltungsbehörde nicht ansteht, in diese extrem politischen Diskussionen einzugreifen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603314600
Herr Kollege, ich habe Ihnen soeben schon angedeutet, daß ich bedaure, daß durch eine ausschließlich betriebliche Maßnahme und ein redaktionelles Versehen eine solche Wirkung bzw. ein solches Mißverständnis entstehen konnte.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603314700
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hermann Josef Unland (CDU):
Rede ID: ID0603314800
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß diese Begründung mit einer betrieblichen Maßnahme bei der dortigen Bevölkerung im Grunde deswegen nicht sehr glaubhaft ist, weil das derzeitige Telefonbuch, das Amtliche Fernsprechbuch 8, Münsterland, weder von der Dicke noch von der Schwere her diese Maßnahme im Rahmen der derzeitigen Diskussion der Gebietsänderung erforderlich gemacht hat?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603314900
Herr Kollege, Sie müssen aber sehen, daß wir hier nicht nur partiell vorgehen können, sondern das gesamte Rhein-Ruhr-Gebiet neu geordnet haben. Die Daten, die ich vorhin nannte, nämlich die überwiegenden Gesprächsbeziehungen, sind ja meßbar gewesen. Sie sind aus den Gebührenzählern abzulesen, so daß also von daher nach Meinung der Post durchaus eine Berücksichtigung des Kundenwunsches gegeben ist. Allerdings bedaure ich noch einmal die Nebenwirkung, die, wie gesagt, von der Post nicht gewollt wurde.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603315000
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hermann Josef Unland (CDU):
Rede ID: ID0603315100
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß diese betrieblichen Begründungen dann auch zu weiteren Konsequenzen in der Anschlußqualität führen müßten? Heute besteht kaum die Möglichkeit, vom Ortsnetz Bocholt die entsprechende Vermittlungsstelle in Wesel oder die Auskunft der Bundespost in Wesel zu erreichen.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603315200
Herr Kollege, das will ich gern prüfen lassen. Ich muß aber darauf hinweisen, daß natürlich im Rahmen der Notwendigkeit, das Fernmeldenetz immer auf den technisch neuesten Stand zu bringen, da und dort Verengungen entstehen können, auch solche Wirkungen, wie Sie sie im Moment zitieren. Das ist eine Frage der finanziellen Leistungsfähigkeit der Post, aber auch eine Frage der Liefertermine der deutschen Fernmeldeindustrie. Man muß sehen, daß es sich dabei um eine für den Betroffenen manchmal sehr langsame Entwicklung handelt. Insgesamt handelt es sich aber immer um Investitionen in einer Größenordnung von vielen hundert Millionen, die erst einmal aufgebracht und dann auch technisch verarbeitet werden müssen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603315300
Eine letzte Zusatzfrage.

Dr. Hermann Josef Unland (CDU):
Rede ID: ID0603315400
Herr Staatssekretär, würden Sie mir dann nicht generell zugestehen, daß es aus der Sicht eines Kunden der Deutschen Bundespost besser wäre, zunächst einmal die Qualität des Angebots zu verbesern, um dann später aus verwaltungstechnischen Gründen Maßnahmen hinsichtlich der Zuordnung der einzelnen Fernsprechnetze zu treffen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603315500
Herr Kollege, die Bundespost bemüht sich, ein Höchstmaß an Kundendienst aufrechtzuerhalten und ihre Einrichtungen immer den Kundenwünschen laufend anzupassen. Nur ist das, wie gesagt, ein schweres Investitionsproblem. Ich gebe gern zu, daß da oder dort die Kundenwünsche noch nicht mit den betrieblichen Möglichkeiten in Einklang gebracht werden können. Wir werden uns aber bemühen, gerade beim Ausbau des Telefonnetzes diesen Wünschen Rechnung zu tragen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603315600
Ich rufe die Frage 106 des Kollegen Wittmann auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, in Anpassung an die Fahrpreisvergünstigungen der Deutschen Bundesbahn für ältere Bürger zu bestimmten Zeiten, solche Ermäßigungen auch im Personenkraftverkehr der Deutschen Bundespost zu gewähren?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603315700
Die Bundesregierung sieht nicht die Möglichkeit, im Omnibusverkehr der Deutschen Bundespost ähnliche Fahrpreisvergünstigungen zu gewähren, wie sie die Deutsche Bundesbahn älteren Bürgern einräumt.
Die Fahrpreisvergünstigungen der Deutschen Bundesbahn zielen darauf ab, ohnehin vorhandene und nicht immer voll ausgenutzte Kapazitäten besser zu nutzen. Im Omnibusverkehr besteht dagegen im allgemeinen nicht die Möglichkeit, eine größere Anzahl zusätzlicher Fahrgäste ohne Inanspruchnahme zusätzlicher Fahrzeuge zu befördern. Hierfür sind aber die Investitions- und Betriebskosten weit höher, als Einnahmen aus dem Mehrverkehr zu Sozialtarifen erwartet werden können.
Aus diesen Erwägungen gewährt auch die Deutsche Bundesbahn die Fahrpreisvergünstigungen nicht im Bahnbusverkehr.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603315800
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 107 des Kollegen Wittmann auf:
Wie steht die Bundesregierung zu der Möglichkeit eines generellen Erlasses der Fernsprechanschlußgebühren und monatlichen Grundgebühren für alleinstehende körperbehinderte und gebrechliche ältere Bürger?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603315900
Herr Kollege, weder die einmalige Einrichtungsgebühr von 90 DM noch die laufende monatliche Grundgebühr decken die Selbstkosten der Post. Damit stellen diese Gebühren bereits eine verbilligte Eintrittskarte zum öffentlichen Fernsprechnetz dar.



Parlamentarischer Staatssekretär Börner
Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Deutsche Bundespost als wirtschaftliches Unternehmen nicht zur Erfüllung allgemeiner Fürsorgemaßnahmen berufen ist, sieht sich die Bundesregierung leider nicht in der Lage, die Fernsprechgebühren für alleinstehende körperbehinderte und gebrechliche ältere Bürger zu ermäßigen. Es besteht allerdings die Möglichkeit, daß in Einzelfällen der Träger der Sozialhilfe im Rahmen des Sozialhilfegesetzes einen Beitrag zu den Kosten eines Fernsprechanschlusses leistet.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603316000
Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe ,die Fragen 108 und 109 des Abgeordneten Bäuerle auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei neuen Nebenanschlüssen eines Telefonanschlusses oder beim Namenswechsel des Anschlußinhabers dem Antragsteller Anschlußgebühren von 90 DM entstehen — die mit den Kosten für die Neuverlegung eines Anschlusses identisch sind —, ohne daß der Post tatsächlich Auslagen in Höhe von 90 DM entstehen?
Ist die Bundesregierung bereit, die förmlichen Verfahren dahin gehend zu ändern, daß bei den vorgenannten Voraussetzungen künftig den Anschlußinhabein in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr in vollem Umfang die Kosten eines Neuanschlusses berechnet werden?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603316100
Herr Kollege, die Einrichtungsgebühr von 90 DM wird als Pauschale für die Herstellung eines Fernsprechanschlusses erhoben. Die tatsächlichen Kosten liegen bei den neu herzustellenden Anschlüssen meistens weit über diesem Betrag und nur in wenigen Fällen unter diesem Wert. Von der Kostenseite her gibt es dabei keinen Unterschied zwischen Haupt- und Nebenanschluß. Deshalb ist die Einrichtungsgebühr für beide Anschlußarten gleich.
Bei der Änderung eines Namens eines Fernsprechteilnehmers wird für den Hauptanschluß eine Umschreibgebühr von 30 DM erhoben. Diese wird jedoch nicht erhoben, wenn sich der Name einer Teilnehmerin durch Eheschließung ändert. Wenn sich die Person des Fernsprechteilnehmers durch Übertragung des Anschlusses oder Erbgang ändert, wird ebenfalls nur die Umschreibgebühr von 30 DM erhoben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603316200
Eine Zusatzfrage.

Willi Bäuerle (SPD):
Rede ID: ID0603316300
Herr Staatssekretär, sind nicht auch Sie der Meinung, daß bei den hier angesprochenen Fällen keine Installationskosten entstehen und deshalb die verlangte Gebühr in Höhe von 90 DM in keinem Verhältnis zu dem zusätzlichen Verwaltungsaufwand steht, von dem Sie bei der Beantwortung der Frage gesprochen haben?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603316400
Herr Kollege, es entsteht doch ein Installationsaufwand. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß die Einrichtungsgebühr als Pauschale bei der Herstellung eines Fernsprechanschlusses erhoben wird.
Die beiden letzten Bemerkungen bezogen sich auf Umschreibungen. Aber das erste ist eine echte Leistung auch technischer Art.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603316500
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 110 des Abgeordneten Dr. Riedl (München) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Postministerium der UdSSR beim Weltpostverein die Herausgabe einer Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag von Lenin in den einzelnen Mitgliedsländern des Weltpostvereins angeregt hat, und ist die Bundesregierung bereit, dieser Empfehlung zu folgen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603316600
Herr Kollege, der Deutschen Bundespost liegt eine Empfehlung der Postverwaltung der UdSSR vor, die ihr über ein Rundschreiben des Weltpostvereins zugegangen ist. In dieser Empfehlung regt die Postverwaltung der UdSSR die Mitgliedsländer des Weltpostvereins an, aus Anlaß des 100. Geburtstages von Lenin eine Gedenkmarke herauszugeben. Die Deutsche Bundespost wird dieser Anregung nicht folgen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603316700
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 111 des Abgeordneten Cramer auf:
Wird eine mit 20 Pf frankierte Briefdrucksache schneller befördert als eine mit 10 Pf frankierte Drucksache?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0603316800
Herr Kollege, die Antwort lautet ja. Briefdrucksachen werden zusammen mit Briefen und Postkarten befördert. Drucksachen dagegen werden über stationäre Drucksachenverteilerleitstellen geleitet und auch nicht über das Nachtluftpostnetz befördert.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603316900
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt. Vielen Dank, Herr Staatssekretär!
Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rohde zur Verfügung.
Die Fragen 10 bis 13 der Abgeordneten Pieroth, Dr. Eyrich und Peters (Poppenbüll) werden schriftlich beantwortet, weil die Fragesteller nicht im Saal sind.
Ich rufe die Fragen 14 und 15 des Abgeordneten Suck auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts, daß die Exekutive in einer Vielzahl von Fällen Arbeitsgerichtsprozesse ohne Rücksicht auf die Kosten, manchmal nur aus Angst vor dem Rechnungshof, unnötigerweise bis in die letzte Instanz treibt?
Welche Maßnahme gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die fragwürdige Prozeßfreudigkeit der öffentlichen Hand, durch die andere Rechtsuchende gehindert werden, ihr ernsthaft im Zweifel stehendes Recht zeitgerecht klären zu lassen, einzudämmen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!




Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603317000
Es liegen keine genauen Angaben für den gesamten Bereich der öffentlichen Hand darüber vor, ob Arbeitsgerichtsverfahren aus den von Ihnen genannten Gründen bis in die Revisionsinstanz gebracht worden sind. Soweit es die Bundesbehörden angeht, läßt sich feststellen, daß die meisten Arbeitsgerichtsprozesse in den letzten Jahren in der ersten oder zweiten Instanz oder durch Vergleich beendet worden sind.
Aus der Statistik ergibt sich, daß die öffentliche Hand folgenden Anteil an den beim Bundesarbeitsgericht eingelegten Revisionen hat: Von den 1969 beim Bundesarbeitsgericht eingelegten 542 Revisionen entfallen auf den Bund 25, die Länder 20 und die Gemeinden 3 Revisionen. Das sind zusammen 48 Revisionen öffentlich-rechtlicher Dienstherren. Ihnen stehen 89 Revisionen von Bediensteten gegenüber.
Die überwiegende Zahl der Revisionen, also 405, kommt aus dem privatwirtschaftlichen Bereich. Dieses Verhältnis der öffentlichen Hand gegenüber dem privaten Bereich ist seit Jahren im großen und ganzen gleichbleibend. Es darf dabei auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß höchstrichterliche Entscheidungen gerade im öffentlichen Dienst sehr oft wegen der Vielzahl gleichgelagerter Fälle von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Ergänzend darf ich noch darauf hinweisen, Herr Kollege, daß die durchschnittliche Revisionsdauer beim Bundesarbeitsgericht 8 Monate beträgt. Das Bundesarbeitsgericht bemüht sich also, Revisionen schnell und zügig zu entscheiden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603317100
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Walter Suck (SPD):
Rede ID: ID0603317200
Ich 'bedanke mich, daß Sie die Dinge durchaus positiv beurteilt haben, Herr Staatssekretär. Sind Sie aber nicht doch der Meinung, daß man sich von seiten der Bundesregierung, vor allen Dingen dann, wenn Grenzfälle der Bewertung bei Eingruppierungsmaßnahmen auftreten, für den Angestellten entscheiden sollte? Mir ist andererseits bekannt, daß einige Landesregierungen gerade dazu übergegangen sind, ihren entsprechenden Dienstherren durch Erlasse dieses Argument an die Hand zu geben, um die Bediensteten der Behörden, vor allen Dingen diejenigen, die die Verantwortung zu tragen haben, im Hinblick auf den Bundesrechnungshof, der hier sehr scharf eingreift, zu entlasten?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603317300
Herr Kollege, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich bei der besonderen Lage des jeweiligen Rechtsfalles auf Ihre Frage keine pauschale Antwort geben kann. Aber ich werde diesen Einwand von Ihnen zum Anlaß nehmen, von unserem Hause das Problem an den Herrn Innenminister heranzutragen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603317400
Weitere Zusatzfragen? — Keine.
Ich rufe nunmehr die Frage 16 des Kollegen Maucher auf:
Ist die Bundesregierung bereit zuzugeben, daß auf Grund ihres Inserates „Mehr soziale Gerechtigkeit für die Kriegsopfer" ein falscher Eindruck bei den Betroffenen und in der Öffentlichkeit entstehen muß, nämlich der, daß die Renten in der Kriegsopferversorgung bei allen Kriegerwitwen um 25,3 % verbessert werden?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603317500
Auch ,da bitte ich, zu gestatten, Herr Präsident, daß ich beide Fragen zusammen beantworte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603317600
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 17 des Kollegen Maucher auf:
Bei wie vielen Kriegerwitwen wird der Schadensausgleich gekürzt bzw. fällt er ganz weg?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603317700
Mit der von Ihnen angesprochenen Anzeige, Herr Kollege, wurde angestrebt, in knapper Form die wesentlichen Leistungsänderungen des ersten Anpassungsgesetzes für die Kriegsopferversorgung im Grundsatz darzustellen. Bei Anzeigen dieser Art ist es .allgemein nicht üblich, die besonderen Probleme, die sich z. B. .aus der gegenseitigen Beeinflussung der Rentenleistungen des Bundesversorgungsgesetzes ergeben, im einzelnen darzustellen. Im vorliegenden Fall wird man außerdem davon ausgehen können, daß die seit langem geltende gesetzliche Regelung, nach der die Grund- und Ausgleichsrenten der Witwen bei Feststellung der Schadensausgleiche wie Einkommen zu behandeln sind, weitgehend, vor allem aber den betroffenen Witwen, bekannt ist. Darum kann ich der Tendenz ihrer Frage nicht folgen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603317800
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? — Bitte!

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0603317900
Damit ist aber die zweite Frage nicht beantwortet.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603318000
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Kollege. Ich darf die Antwort nachtragen.
Infolge der Rentenerhöhungen des ersten Anpassungsgesetzes treten bei denjenigen, die Schadensausgleich erhalten, Kürzungen ein. Das wurde sowohl im Parlament, wie Sie wissen, als auch sonst öffentlich erörtert. Nach dem Haushaltsansatz 1970 werden hiervon rund 375 000 Witwen betroffen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603318100
Eine weitere Zusatzfrage.




Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0603318200
Herr Staatssekretär, ich habe nach der Zahl gefragt und frage ergänzend, wieviel Witwen, die gleichzeitig Renten aus der Sozialversicherung erhalten, infolge der Anrechnungsbestimmungen, die Sie genannt haben, eine verminderte Ausgleichsrente erhalten.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603318300
Herr Kollege, auf die Zahl habe ich hingewiesen. Alle darüber hinausgehenden Angaben werde ich Ihnen schriftlich nachreichen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603318400
Eine weitere Zusatzfrage.

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0603318500
Herr Staatssekretär, darf ich Sie 'fragen, ob es mehr Gerechtigkeit ist, wenn infolge des dynamisierten 'Rückstands die Rente eines Erwerbsunfähigen, Grund- und Ausgleichsrente, jetzt schon — ab 1. Januar 1970 — 277 DM unter der allgemeinen Bemessungsgrundlage liegt und, wenn wir das Glück haben ,in Zukunft ebenso die Erhöhung der Renten zu erhalten, in etwa zehn Jahren der Rückstand 440 DM betragen wird? Ist die Bundesregierung bereit, um diesen Rückstand im Laufe der Zeit nicht immer größer werden zu lassen, bei der jährlichen Anpassung wenigstens eine Zulage zu gewähren?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603318600
Herr Kollege, ich darf Sie an die Diskussionen im Sozialpolitischen Ausschuß erinnern, in denen ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, daß im Zuge der weiteren Entwicklung der Kriegsopferversorgung auch bei der jetzt vorgenommenen Dynamisierung Strukturprobleme sorgfältig beobachtet und in die künftigen politischen Beratungen einbezogen werden sollen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603318700
Eine weitere Zusatzfrage.

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0603318800
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Äußerungen jetzt so verstehen, daß Sie unter einer künftigen Entwicklung der Strukturveränderung auch das Auseinanderklaffen zwischen der allgemeinen Bemessungsgrundlage und der Höhe der Rente eines Erwerbsunfähigen verstehen?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603318900
Herr Kollege, ich will Ihnen dazu freimütig sagen, daß es sich dabei um Fragen mit erheblichen Folgewirkungen handelt. Diese Art von Problemen gibt es wiederholt in den Fragestunden. Ich meine, daß es den Charakter der Fragestunde überschreiten würde, darauf eine konkrete Antwort zu geben, ohne daß alle Hintergründe der Sache in den sozialpolitischen Diskussionen dieses Hohen Hauses gründlich erörtert worden sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603319000
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Kollege.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603319100
Herr Staatssekretär, wären Sie wenigstens bereit, zu überlegen, ob, wie Sie es jetzt bei der Erleichterung in der sozialen Fürsorge gemacht haben, durch einen Erlaß für diejenigen Beschädigten und Witwen, deren Berufsschadensausgleich und Schadensausgleich nicht nach dem Beamtenrecht, sondern nach den wirtschaftlichen und tariflichen Sätzen errechnet wird, entsprechend der alljährlichen Anpassung am 1. Januar 1970 eine Anpassung erfolgen kann?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603319200
Ich werde diese von Ihnen gegebene Anregung prüfen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603319300
Weitere Zusatzfragen liegen zu diesen beiden Fragen nicht vor.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Roser auf:
Wie verhält sich die Bundesregierung der Anregung gegenüber, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Waisenrente, Kinderzuschuß und Kinderzulage über die Vollendung des 18. bzw. 25. Lebensjahres hinaus in den Fällen weitergezahlt werden, in denen die betroffenen Personen infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen auf Lebenszeit zu eigenem Erwerb nicht in der Lage sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603319400
Herr Kollege, Sie haben eine schwerwiegende Frage angesprochen, die es verdient, daß sie in der weiteren sozialpolitischen Entwicklung gründlich erörtert wird. Sie wissen, daß im Rahmen der Sozialhilfe bereits heute in den von Ihnen genannten Fällen gezielte, auf die besonderen Umstände des Betroffenen abgestellte Hilfen gewährt werden. Das Bundeskindergeldgesetz und das Bundesversorgungsgesetz sehen eine Fortzahlung des Kindergeldes über das 25. Lebensjahr hinaus vor. Ihre Frage bezieht sich aber offensichtlich auf die zeitliche Leistungsbegrenzung in der Sozialversicherung, insbesondere der Renten- und Unfallversicherung.
In den bisherigen Erörterungen dieses Hauses wurde überwiegend davon ausgegangen, daß die von Ihnen erfragten Leistungen eher als eine Aufgabe der Allgemeinheit als lediglich des Kreises der Sozialversicherten anzusehen sind. Ob die bisherige Abgrenzung der Leistungen zwischen Sozialversicherung und Sozialhilfe sowie anderen Leistungsbereichen auf Grund der praktischen Erfahrungen aufrechterhalten werden kann, bedarf nach meiner Auffassung eingehender Prüfung. In unserem Haus sind entsprechende Vorarbeiten eingeleitet worden. Der Sachverhalt wird im übrigen auch mit dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit erörtert.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603319500
Eine Zusatzfrage!




Hans Roser (CSU):
Rede ID: ID0603319600
Herr Staatssekretär, können Sie mir Auskunft darüber geben, bis wann mit dem Abschluß Ihrer Prüfungen zu rechnen ist?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603319700
Ich hoffe, Herr Kollege, daß das noch im Laufe dieses Jahres der Fall sein kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603319800
Damit ist Ihre Frage beantwortet.
Die Fragen 19 und 20 sind von dem Herrn Abgeordneten Westphal gestellt. Sie werden schriftlich beantwortet, denn der Herr Fragesteller ist nicht im Saal.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dröscher auf:
Hält es die Bundesregierung noch für zulässig, daß die Versorgungsämter bei der Berechnung von Elternrenten für Landverpachtung theoretisch Beträge in einer Höhe einsetzen, die — was den möglichen Ertrag aus landwirtschaftlichen Grundstücken und die Verpachtungsmöglichkeit angeht — vor 20 Jahren vielleicht berechtigt waren, heute aber, gerade in den Mittelgebirgslagen, unmöglich zu erzielen sind?
Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 25. Februar 1970 lautet:
Wenn ich Sie richtig verstehe, geht es Ihnen um die Frage, nach welchen Grundsätzen Einkünfte aus der Verpachtung von landwirtschaftlichen Nutzflächen für die Feststellung von Ausgleichs- oder Elternrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz zu ermitteln sind.
Nach den einschlägigen Vorschriften der Durchführungsverordnung zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes werden der Rentenberechnung grundsätzlich die tatsächlich erzielten Pachtzinsen nach Abzug von Werbungskosten zugrundegelegt. Lediglich in vereinzelt vorkommenden Sonderfällen kann für die Rentenberechnung ein fiktives Einkommen angesetzt werden, bei dessen Festsetzung die Verwaltungsbehörde aber den tatsächlichen Pachtwert zu berücksichtigen hat. Der Bundesregierung sind bisher keine Fälle bekanntgeworden, die eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften erforderlich erscheinen lassen. Sollten Ihnen darüber Angaben vorliegen, wäre ich gern bereit, sie in jedem Einzelfall nachprüfen zu lassen.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Niegel auf:
Glaubt die Bundesregierung, daß es der zunehmenden Bedeutung der Bundesanstalt für Arbeit als einer modernen Dienstleistungsbehörde dienlich ist, wenn anläßlich der Ernennung eines neuen Vizepräsidenten in dieser Anstalt durch die Pressestelle in Nürnberg ein nicht ausreichender Lebenslauf veröffentlicht wird?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603319900
Herr Kollege, die Bundesregierung hat es 'bisher nicht als ihre Aufgabe angesehen, Pressemitteilungen der Bundesanstalt für Arbeit redaktionell zu beurteilen. Sie wird auch in Zukunft nicht so verfahren. Mitteilungen, die von dieser Bundesanstalt zu machen sind, fallen unter deren eigene Verantwortung. Im übrigen habe ich den Eindruck, daß die Angaben über den beruflichen Werdegang des neuen Vizepräsidenten die besondere Beziehung zu seinem neuen Amt deutlich machen. Das entspricht allgemeiner Übung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603320000
Zusatzfrage!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0603320100
Herr Staatssekretär, würden Sie dann als Aufsichtsbehörde .auf die Bundesanstalt für Arbeit dahin einwirken, daß wenigstens der Lebenslauf soweit ergänzt wird, daß er nicht auffälligerweise 1912 beginnt und später 1946 wieder fortfährt, wobei der Verdacht auftritt, daß in der Zeit vor 1946 — man kann hier an bestimmte Zeiten denken — auch etwas geschehen sein muß?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603320200
Herr Kollege, unsere Aufsicht über die Bundesanstalt ist eine Rechtsaufsicht. Ich habe nicht die Möglichkeit, in dem von Ihnen genannten Sinne auf die Bundesanstalt einzuwirken.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603320300
Eine weitere Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0603320400
Herr Staatssekretär, treffen Pressemeldungen zu, wonach für die ausscheidenden Abteilungsleiter der Bundesanstalt für Arbeit Dr. Fritze und Komo, die zu Präsidenten von Landesarbeitsämtern ernannt wurden, Neubesetzungen nach DGB- oder SPD-Gesichtspunkten vorgesehen sein sollen?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0603320500
Nein, Herr Kollege, diese Pressemeldungen treffen — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603320600
Herr Staatssekretär, diese Frage steht nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der von Ihnen, Herr Kollege, ,gestellten Hauptfrage. Ich lasse daher diese Zusatzfrage nicht zu.
Damit ist die Fragestunde abgelaufen.
Der Rhein, meine Damen und Herren, führt Hochwasser, wie wir es letztmals 1955 erlebt haben. Daß wir hier nicht stärker betroffen wenden, verdanken wir den Männern des Bundesgrenzschutzes, die Hand in Hand mit unserem Betriebsselbstschutz und anderen Mitarbeitern des Hauses Tag und Nacht zum Schutze des Bundestages im Einsatz sind. Ihnen und dem Betriebsselbstschutz gilt daher unser laufrichtiger Dank.

(Beifall.)

Ich darf diesen Dank in Ihrem Namen, meine Damen und Herren, ausdehnen auf alle, die draußen in unserem Lande als unermüdliche Helfer tätig sind, um vielerorts diese Flutkatastrophe zu bekämpfen.

(Erneuter Beifall.)

Wir treten nunmehr wieder in die Haushaltsberatungen ein. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603320700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zwei Bemerkungen machen, die außerhalb der außenpolitischen Debatte dieses Tages liegen. Die eine Be-



Bundeskanzler Brandt
merkurig bezieht sich auf eine Frage, die Herr DT. Barzel heute früh gestellt hat. Ich darf daran erinnern, daß ich heute vor einer Woche, am 17. Februar, vor diesem Hohen Hause gesagt habe, daß die Bundesregierung das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ernst nehme und die Konjunkturlage sorgfältig prüfen werde. Diese Aussage gilt unverändert, und der fortlaufenden sorgfältigen Prüfung dient auch die Sitzung des Wirtschaftskabinetts, die zu Freitagnachmittag einberufen worden ist.
Ich halte es nicht für richtig, zu sagen, nun haben wir die Debatte halbwegs hinter uns gebracht, und nun lassen wir die Dinge zunächst einmal sich entwickeln. Vielmehr ist es richtig, daß nach einer solchen Debatte das zuständige Gremium vorbereitend für das Kabinett das Ganze noch einmal sorgfältig überprüft unter Berücksichtigung dessen, was hier im Hohen Hause erörtert worden ist und was sonst in der Öffentlichkeit vorgetragen wird.
Daß diese Fragen, Herr Kollege Barzel, auch öffentlich erörtert werden, ist in der Demokratie selbstverständlich. Daß sich daran auch Mitglieder des Kabinetts aktiv beteiligen, ist nicht ein Novum dieser Bundesregierung.

(Abg. Dr. Barzel: Ich hab's auch nicht gerügt!)

Ich kann nur wiederholen: Diese Bundesregierung wird sich nicht zu voreiligen Handlungen verleiten lassen. Sollten aber weitere Stabilisierungsmaßnahmen notwendig werden, dann hoffe ich sehr, bei denen, die in diesen Tagen nach zusätzlichen Maßnahmen gerufen haben, auch volle Unterstützung zu finden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die zweite Bemerkung ergibt sich daraus, daß die Debatte am letzten Freitagmittag etwas abrupt zu Ende ging. Ich hätte sonst gerne noch, wie es mit Recht erwartet wurde, ein Wort gesagt. Ich hätte einen Nachtrag angebracht zu den Erörterungen über das Verhältnis zwischen Regierung und Presse. Lassen Sie mich das jetzt mit drei Feststellungen versuchen.
Erstens. Wenn es nicht schon vorher klar gewesen sein sollte, dann ist es doch wohl jedenfalls inzwischen klar geworden, daß der Chef des Bundespresseamtes, als er ein gewisses Verständnis für Proteste gegen manipulierte Nachrichten zeigte, auch nicht entfernt daran gedacht hat, sich mit Gewalttätigkeiten oder anderen rechtswidrigen Handlungen identifizieren zu wollen.
Zweitens. Herr Kollege Benda ist aus meiner Sicht der Dinge dem Problem insofern nicht gerecht geworden, als er — übrigens unter Hinweis auf einen südosteuropäischen Staat — meinte, es handele sich bei ,diesem Teil der Kontroverse darum, ob hier irgendjemand aus der Regierung oder für die Regierung eine Kompetenz in Anspruch nehmen wolle, um über Art. 5 des Grundgesetzes zu entscheiden. Davon kann natürlich überhaupt keine Rede sein. Es ging und es geht um etwas weit Bescheideneres: nicht um die Entscheidung, sondern um die Meinung, wenn Sie so wollen, die Freiheit der Meinung — auch für die Regierung und ihre Beauftragten —, die Freiheit, sich tauch darüber äußern zu können und zu dürfen, was sich an Rechten und Pflichten aus dem Art. 5 des Grundgesetzes ergibt.
Drittens. Die Regierung wird weiterhin für die Freiheit der Meinung und für die Pressefreiheit einstehen, wie es das Grundgesetz und die eigene Überzeugung befehlen. Sie wird über ihre Meinung nach bedenklichen oder gefährlichen Entwicklungen, wenn und wo sich solche ergeben, nicht schweigen. Aber sie wird sich hüten, das Mißverständnis aufkommen zu lassen, sie fürchte die kritische Auseinandersetzung oder wolle sich ihr entziehen.
Nun zu dem Gegenstand der heutigen Debatte im engeren Sinne! Wenn ich die letzten Monate überblicke, mir auch die augenblickliche Lage in diesen Tagen deutlich mache, dann komme ich zu vier Feststellungen, die zunächst einmal den Rahmen des Gesprächs wieder etwas ausweiten, so wie auch der Außenminister heute früh ganz bewußt nicht nur von der Ostpolitik und von der Deutschlandpolitik gesprochen hatte.
Die erste dieser vier Feststellungen ist, daß unser Bemühen um Fortschritt auf dem Wege zum Zusammenschluß in Westeuropa nicht ohne Erfolg geblieben ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die schwierigen, natürlich nicht jeden befriedigenden Verhandlungen - darüber wird das Hohe Haus ja noch zu befinden haben — über den Abschluß der Übergangsphase für die EWG konnten zum Abschluß gebracht werden. Die Verhandlungen über die Erweiterung der EWG werden stattfinden. Mehr kann man nicht sagen. Sie werden stattfinden. Das wird in der nächsten Woche eine Rolle spielen, wenn hierüber und über anderes während meines Besuches in London mit der britischen Regierung gesprochen wird.
Zweitens. Ostpolitisch haben wir uns genau an das gehalten, was wie hier vor dem Hohen Hause, damit zugleich vor der deutschen und internationalen Öffentlichkeit, am 28. Oktober vergangenen Jahres angekündigt haben, nämlich das Gespräch mit der Sowjetunion, das diese wieder aufzunehmen noch vor den Bundestagswahlen vorgeschlagen hatte, tatsächlich wieder aufzunehmen, ein Gespräch mit Warschau, mit der Regierung der Volksrepublik Polen, aufzunehmen und einem Gespräch mit der Regierung in Ost-Berlin nicht auszuweichen.
Drittens. Unsere illusionslose, geduldige, aber beharrlich auf einen Abbau der Spannungen gerichtete Politik hat in vielen Teilen der Welt eine starke politisch-moralische Unterstützung gefunden. Diese Politik ist abgesichert im Kreise unserer Verbündeten. Das gilt in ganz besonderem Maße für Washington, für Paris und auch für London.

(Beifall bei der SPD.)

Viertens. Die bewährte freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten wird erneut deutlich werden, wenn ich Anfang April auf Einladung Präsident Nixons zur Besprechung aller aktuellen Fragen in Washington sein werde. In diesem Zusammenhang liegt mir daran, den heute früh nur



Bundeskanzler Brandt
angedeuteten, aber doch wirklich sehr gewichtigen, umfassenden. Bericht Präsident Nixons zur außenpolitischen Lage in diese Debatte des des Deutschen Bundestages einzuführen, jenen Bericht vom 18. Februar, dessen Leitmotiv die Friedenssicherung ist. Nachdem nur eine Wendung herausgegriffen worden war, muß ich das Thema bitte ausweiten und sagen dürfen:

(Abg. Dr. Barzel: Ich wäre Ihnen sehr dankbar dafür!)

Dieser Bericht des Präsidenten der Vereinigten Staaten spricht sich für die Bekräftigung der amerikanischen Bindungen an Europa aus, für eine echte Partnerschaft zwischen Amerika und Europa, für die anhaltende Förderung der westeuropäischen Einigungsbestrebungen. Er enthält auch das deutlich ausgesprochene Verständnis der amerikanischen Regierung für unsere Friedenspolitik und expressis verbis die Unterstützung unserer Bemühungen um normalere Beziehungen zu unseren Nachbarn im Osten. Das möchte ich zunächst einmal außerhalb jeder Polemik unter uns festhalten. Das möchte ich begrüßen dürfen, und ich wäre froh, wenn ich es von dieser Stelle aus mit Zustimmung vieler, also nicht nur für die Regierung, auch dankbar würdigen dürfte.

(Allgemeiner Beifall.)

Im übrigen, meine Damen und Herren, möchte ich davon abraten, die Diskussion über die künftige amerikanische Präsenz in Europa so zu führen, daß sich daraus für uns zwangsläufig abträgliche Wirkungen ergeben. Dazu gehört, wenn Sie mir bitte diesen Rat abnehmen wollen, in jeder öffentlichen Erörterung — aber in einer nichtöffentlichen erst recht — der klare Hinweis darauf, daß es hierbei auch um uns - nicht zuletzt um uns — und um Europa geht, daß es natürlich aber auch um die
Vereinigten Staaten von Amerika selbst, um ihren Rang als Weltmacht, um ihre Stellung in der Welt und in diesem Teil der Welt geht. Jede Diskussion, die nicht von diesem Punkt aus startet, geht in die Irre, auch was die Regelung praktischer Fragen zwischen den Vereinigten Staaten und uns angeht.
Meine Damen und Herren, wenn man einigen Rednern zuhört, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, als ob sie hinsichtlich der Möglichkeiten der deutschen Politik, Forderungen gegenüber der Sowjetunion durchzusetzen, die Bundesrepublik Deutschland als eine Weltmacht ansehen, die sogar stärker als die Vereinigten Staaten sei, andererseits aber, wenn es darum geht, die sowjetische Gefahr darzustellen, die Möglichkeiten des Westens zur Abwehr wesentlich geringer einschätzen, als sie in Wirklichkeit sind.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

Mit einer solchen Weltoptik kann man unter Umständen naive Gemüter beeinflussen, aber man kann keine Politik damit machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir bemühen uns, die politische Kraft der Bundesrepublik Deutschland richtig zu kalkulieren. Wir bemühen uns um eine Verstärkung der Tendenzen zur friedlichen Kooperation im gesamteuropäischen Sinne, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir sehr genau beobachten, welche potentiellen Gefahren in einer Verminderung des amerikanischen militärischen Engagements in der jetzt vor uns liegenden Zeit liegen können.
Sie, meine Damen und Herren, können sich darauf verlassen, daß die Bundesregierung alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um die militärische Präsenz der USA in Europa zu sichern, bis eines Tages im Zusammenwirken der Kräfte in West und Ost eine Friedensordnung geschaffen sein wird.
Wir achten selbstverständlich darauf und müssen darauf achten — ich ließ es soeben schon anklingen —, die auf ein amerikanisches Desengagement
— „disengagement" müßte man wohl sagen, wenn man von den Amerikanern spricht —

(Abg. Dr. Barzel: Sagen Sie es auf deutsch!)

hinwirkende Kräfte nicht zu verstärken. Aber die Situation stellt sich mir insofern umgekehrt dar, als sie hier heute früh von Herrn Barzel geschildert wurde. Eine Weigerung der Bundesregierung, sich ihrerseits — ich sage noch einmal: illusionsfrei, aber beharrlich — um eine Entspannung und damit auf eine mittlere Frist um eine Verringerung der militärischen Lasten 711 bemühen, würde nur dazu führen, entsprechende Tendenzen im amerikanischen Senat zu fördern.

(Abg. Dr. Barzel: Herr Bundeskanzler, hat hier jemand verlangt, man solle sich nicht um Entspannung bemühen?)

— Nein. Dies war auch nicht der Punkt. Ich will nur sagen: gerade auch dieser Zusammenhang entspricht den Notwendigkeiten, die sich für uns aus der gegenwärtigen Lage ergeben.
Ich hätte übrigens meine vier Punkte noch durch einen fünften ergänzen können, wenn mir daran gelegen gewesen wäre, heute auch noch ausdrücklich zu widerlegen, was Herr Kollege Strauß in der Februar-Nummer des „Deutschland-Magazins" zu Papier gebracht hat, nämlich seine Behauptung, die Stellung Deutschlands werde immer mehr geschwächt — und jetzt habe ich ihn wörtlich zitiert. Ich will hier kein rosarotes, unerlaubt optimistisches Bild malen — wie käme ich dazu! —; aber ich empfehle, Zeitungen zu lesen

(Lachen bei ,der CDU/CSU)

— ja, auch ausländische Zeitungen zu lesen, ich empfehle, mit Geschäftsleuten zu sprechen, ich empfehle, sonst mit Leuten zu sprechen, die sich in der Welt auskennen. Das wird zu dem Ergebnis führen: wir stehen nicht schlechter da, wir stehen eher ein wenig sicherer da in dem einen oder anderen internationalen Zusammenhang, und es ist unser Interesse — nicht das Interesse einer Regierung, sondern das Interesse dieser Bundesrepublik Deutschland —, daß das so bleibt und, wenn es geht, etwas besser wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Bundeskanzler Brandt
Nun zu den Fragen der Opposition. Zunächst komme ich zu der vielleicht wichtigsten Frage, die heute früh gestellt worden ist. Es ist die Frage des Führers der Opposition, ob sich die Regierung mit ihren Gesprächen in Moskau und anderswo — ich zitiere jetzt nicht wörtlich, sondern gebe die Frage sinngemäß wieder — im Rahmen ihrer eigenen hier abgegebenen Regierungserklärungen bewege. Ich nehme an, Herr Kollege Barzel hat sich insbesondere auf die Erklärung vom 14. Januar bezogen. Ich beziehe mich sowohl auf die Erklärung vom 28. Oktober als auch auf die Erklärung vom 14. Januar. Nun will ich es mir nicht zu leicht machen. Ich könnte schließlich antworten: Herr Kollege Barzel kannte die Antwort auf die gestellte Frage. Ihm lag aber vermutlich daran — dies wäre legitim —, das, was er dazu schon Wußte, hier aktenkundig zu machen, nämlich durch eine Antwort, die ich auf die Frage von dieser Stelle aus gebe. Ich versuche, dies zu tun.

(Abg. Dr. Barzel: Wegen des Interviews von Wehner!)

Meine Damen und Herren, ich habe dem, was in der erwähnten Regierungserklärung vom 14. Januar, die damals im Januar etwas negativer aufgenommen worden ist, als sie im Februar gedeutet wird — aber das lasse ich einmal beiseite —, und in der Regierungserklärung vom 28. Oktober vergangenen Jahres steht, in diesem Augenblick nichts hinzuzufügen, sondern ich unterstreiche ausdrücklich das, was dort zu dem Gegenstand unserer heutigen Debatte steht. Unsere Ziele und Absichten sind also bekannt, und zwar nicht nur hier, sondern auch anderswo. Sie werden auch anderswo bekanntgemacht. Wir sind alle miteinander doch nicht so naiv zu meinen, andere verfolgten — auch wenn Gewaltverzichtsabkommen geschlossen würden — nicht weiterhin ihre Ziele. Ich finde, es wäre nicht in Ordnung, wenn man hier oder anderswo unterstellte, irgend jemand sei auf einen Verzicht auf nationale Einheit aus, wenn er in Wirklichkeit lediglich versucht, die Lage in der Welt und die Lage Deutschlands in der Welt deutlich zu machen. Ich sage Ihnen sehr offen, Herr Kollege Barzel, ich habe heute früh fast etwas Angst bekommen, als ich den Satz hörte: Es geht bei unseren gegenwärtigen ostpolitischen Bemühungen — so habe ich es im Ohr — um Schlesien, um Pommern, um Ostpreußen.

(Abg. Dr. Barzel: O nein! — Abg. Dr. Apel: Das haben Sie gesagt! — Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603320800
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie dem Abgeordneten Barzel eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603320900
Gern.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603321000
Herr Bundeskanzler, wir haben durch Zwischenrufe und Antworten zwei andere Sachen in Ordnung gebracht; dann wollen wir das auch gleich in Ordnung bringen. Ich habe gesagt, es sei in den Zeitungen zu lesen und von der
Bundesregierung zu hören, es gehe in den Verhandlungen zwischen Warschau und Bonn in der Grenzfrage jetzt nur noch um eine Formel. Dann habe ich gesagt: Was meint das? Das meint Schicksale, Menschen, Recht, Schlesien, Pommern usw. Dies war meine Einlassung, und wir wollen das, weil es die Wahrheit ist, hier doch von niemandem bestreiten lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Brandt, 'Bundeskanzler: Ich komme auf die Formeln gleich noch einmal zurück.
Es geht erstens um die Sicherheit und die Wohlfahrt der Bundesrepublik Deutschland. Es geht zweitens um die Deutschen und darum, wo sie heute leben, und es geht drittens darum, was sich für die Deutschen und durch ihre Mitwirkung an einer europäischen Friedensordnung zum Besseren wenden mag.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Alles Bemühen liegt auf diesem schwierigen Wege, der zu einer europäischen Friedensordnung hinführt. Es geht um vertragliche Regelungen — sie werden schwer genug zu erreichen sein —, welche mehr sein müssen als Formeln und welche den legitimen Interessen unseres Volkes und den friedlichen Zielen der deutschen Politik nicht zuwiderlaufen dürfen. Aber eines darf ich hier sagen, ohne den Mund zu voll zu nehmen. Ein formalisierter Gewaltverzicht, wenn wir ihn zustande bringen, wird das Buch der deutschen Geschichte ganz gewiß nicht zuschlagen, oder es wird ihn nicht geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Ich habe hier nicht das — wenn ich es so nennen darf, ohne daß es falsch aufgefaßt wird — Vilshofener Argument gehört, die dortige Sparkasse wolle ja auch nicht die Bundesbank schlucken. Dies als Parallele zum Verhältnis Bundesrepublik Deutschland-Sowjetunion.

(Zuruf des Abg. Stücklen.)

Es stimmt im übrigen, daß die Bundesrepublik Deutschland die Sowjetunion weder bedrohen kann noch will. Es stimmt aber auch, ob es uns Spaß macht oder nicht, daß es in der Sowjetunion und im Ostblock, und nicht nur bei kommunistischen Regierenden, sondern auch bei anderen, immer noch Mißtrauen gegenüber den Deutschen und auch der Bundesrepublik Deutschland gibt. Ich bin bzw. bleibe der Meinung von Präsident Nixon, ausgedrückt in dem vorhin erwähnten Bericht zum 18. Februar, daß die Sowjetunion — dies gehörte auch dazu, zum Frieden in Europa zu kommen — die anachronistische Furcht vor Deutschland überwinden müsse.
Der Kollege. Barzel hat heute früh gefragt, ob die Bundesregierung der Meinung sei, daß die Positionen der östlichen Partner uns gegenüber fugenlos aufeinander abgestimmt seien und ob, wenn dies bejaht werde, die Regierung bereit sei — ich gebe es frei wieder —, zu akzeptieren, daß die Opposition



Bundeskanzler Brandt
insoweit im Januar die Lage richtig eingeschätzt habe.

(Abg. Dr. Barzel: Die Frage habe ich gar nicht gestellt, weil es gar nicht um Rechthaben geht!)

— Sie war dabei; aber es ist um so besser, wenn es darum nicht geht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Stellen Sie sich nicht selber Fragen, die Sie beantworten können!)

— Sehen Sie im Protokoll nach! Außerdem ist es auch erlaubt, sich selbst Fragen zu stellen.

(Beifall bei der SPD.)

Aber ich tue es in enger Anlehnung an das, was hier vorgetragen wurde.
Meine Damen und Herren, jeder, der die Zusammenhänge kennt, muß wissen — ich bin ganz sicher, daß Herr Kollege Barzel es weiß —, daß eine Antwort des Bundeskanzlers auf diese Frage die Operation stören muß, in die er Beauftragte hineingestellt hat.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Trotzdem will ich jetzt nicht ausweichen. Es handelt sich, wie unterschiedlich die Regierungssysteme uns gegenüber immer sein mögen, nach internationalem Recht um souveräne Staaten, und solche haben selten fugenlose Positionen. Das ist das eine. .
Herr Kollege Strauß hat es neulich in dem schon erwähnten Interview — ich denke nicht an die Rede, sondern an das schwarz auf weiß formulierte Interview im „Deutschland-Magazin" — einen gefährlichen Illusionismus genannt — das gehört zu diesem Komplex, und das ist nicht eine selbst gestellte Frage, sondern das Anknüpfen an ein Zitat; jetzt zitiere ich wörtlich —, als ob man den Ostblock auseinandermanövrieren könnte. Das ist eine krasse Fehlinterpretation, und mir liegt daran, dies zurechtzurücken: Wir werden nicht, auch wenn wir es könnten, andere gegeneinander ausspielen, weil wir zwischen uns und den Staaten und Völkern Osteuropas Vertrauen und nicht neues Mißtrauen brauchen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Im übrigen hat Herr Strauß heute vormittag — durchaus zu Recht — darauf hingewiesen, daß die Länder des Ostens, mit denen wir Gespräche führen, in enger Abstimmung miteinander vorgehen. Wir tun das auf unsere ganz andere Weise und als demokratisch organisierte Staaten mit unseren Verbündeten. Von einem Alleingang kann und wird nicht die Rede sein, weder hüben noch drüben. Aber diese konzertierte Aktion — jetzt auf die Seite drüben bezogen oder auch auf die hiesige —, bei der gelegentlich durchaus nicht voll übereinstimmende Interessen der beteiligten Staaten sichtbar werden, darf uns nicht daran hindern, den Versuch zu machen, Übereinkünfte zu erzielen. Wir spekulieren — ich darf dies noch einmal in aller Deutlichkeit sagen — nicht auf Uneinigkeit im Osten oder auf Schwächeperioden dortiger Regierungen oder gar auf die Kontroverse zwischen Rußland und China. Wer das täte, würde das Gegenteil von dem erreichen, was er will, und würde vor allem die deutsche Politik auf den womöglich metaphysischen Zeitpunkt verweisen, an dem die Geschichte ihre Phantasie spielen ließe. Wer sagt uns denn, daß diese Phantasie der Geschichte dann nicht gegen uns ausschlagen und all unsere Bemühungen zunichte machen würde?
Meine Damen und Herren, zu einem Punkt hat Herr Strauß mich mißverstanden, als er sich heute früh zum Thema der Verfassungsmäßigkeit oder -widrigkeit äußerte. Er hat bei dem Zitat, das er dazu vortrug, den unmittelbar sich anschließenden Satz nicht mit vorgetragen. Das passiert uns manchmal, Herr Kollege Strauß. Mir lag aber an dem Satz, der an die beiden anschließt, die Sie zitiert haben, und der lautet, er würde es begrüßen — jetzt zitiere ich wörtlich, Herr Kollege Strauß, „Deutschland-Magazin", Februarnummer —, „wenn Bundeskanzler Brandt sich einmal zur Frage der Verfassungsmäßigkeit seiner Politik klar und deutlich äußern würde."

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das war der Satz, der anschloß an das, was Sie vorgetragen haben, und da habe ich sagen wollen und sage es jetzt so deutlich, wie ich meine, es sagen zu müssen: Wer mir Verfassungswidrigkeit unterstellt, sollte nicht die Beweislast verschieben!

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Mich würde in diesem Zusammenhang z. B. interessiert haben, wie der seinerzeitige Verteidigungsminister Strauß die Vorschläge des damaligen Bundeskanzlers Adenauer an die Regierung der Sowjetunion verfassungsrechtlich gewürdigt hat oder gewürdigt haben würde, Vorschläge, die, glaube ich, nicht in diesem Hohen Hause erörtert worden sind — ich weiß nicht, ob sie im Kabinett erörtert worden sind, aber aus den Akten kann man sich über sie informieren —, die darauf hinausliefen, für zehn oder zwanzig Jahre in den Fragen, über die wir streiten, immer noch streiten und uns Sorgen machen, zu einem Stillhalteabkommen zu gelangen. Er hat damals die sowjetische Seite wissen lassen, daß man die erste Ziffer auch durch mehrere andere Ziffern ersetzen könnte. Ich glaube, ich brauche nicht deutlicher zu werden.

(Hört! Hört! bei Abgeordnetnn der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, noch in diesem Zusammenhang, wo es um die Fragen der Opposition geht, ein paar Sätze zu den vermeintlichen Vorleistungen. Herr Kollege Strauß hat das schon in der vergangenen Woche deutlich gemacht. Das war jedenfalls hilfreich, weil man wußte, worauf dieser Vorwurf des Ausverkaufs beruhte. Ich denke an NV, Nichtverbreitung, und ich denke an das, was er Zweistaatentheorie nennt. Diese beiden Themen sind zwar in einer anderen Form, aber doch inhaltlich heute früh durch den Vorsitzenden der Unionsfraktion hier erörtert worden. Ich darf daran anknüpfen.
Zunächst zum NV-Vertrag, meine Damen und Herren! Es wird gesagt: Ja, nun haben wir das soeben unterzeichnet — d. h. im November, wie wir es im Oktober angekündigt hatten —, und schon



Bundeskanzler Brandt
gibt es irgend jemanden in Polen, in New York, in Genf oder anderswo,

(Zuruf von der CDU/CSU: U'Thant!)

der wirft Fragen auf, die sich auf den Vertrag über das gemeinsame Gasultrazentrifugen-Projekt zwischen uns, den Engländern und den Holländern beziehen. Meine Damen und Herren! Daß es viele geben wird, die uns gegenüber noch lange kritische Fragen aufwerfen, das überrascht mich nicht. Wir müssen uns hier erst einmal darüber verständigen: Zu diesem Projekt, das wichtig sein wird für Westeuropa — Großbritannien, die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland —, wäre es nicht gekommen, es würde jetzt nicht zu einem Abschluß kommen können ohne die deutsche Unterschrift unter den NV-Vertrag. Damit fängt die Geschichte erst einmal an.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Vorher schon unterzeichnet!)

Dies sage ich in voller Kenntnis der Aktenlage und der übrigen Zusammenhänge. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln, daran, daß es zu der tatsächlichen Inkraftsetzung nicht gekommen wäre ohne dieses Zwischenstück.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Davon war nie die Rede! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Im übrigen bestreite ich nicht, daß es einen indirekten Zusammenhang dieser Unterschrift — nicht der Ratifizierung; das ist ein anderer Punkt —, unserer Unterschrift unter den Vertrag, mit unsseren ostpolitischen Bemühungen gibt. Das habe ich gewußt. Deshalb habe ich am 28. Otkober hier ganz offen vor die drei Punkte Moskau, Warschau, Ost-Berlin in der Zusammenfassung den Punkt gesetzt: Wir werden diesen Vertrag unterzeichnen, nachdem die und die Punkte geklärt sind.
Was ich jetzt sage, sage ich nicht, um unnötig zu polemisieren, aber Sie, Herr Kollege Barzel, haben einen wichtigen Punkt zwar nicht ausgebreitet, aber angetippt, und alle Kenner halben gewußt, was damit gemeint ist: Unsere Auseinandersetzung um das Wegräumen einer uns schädlichen Deutung der Feindstaaten-Klausel der Charta der Vereinten Nationen ist nach dem, was ich heute überblicken kann, erleichtert warden, aussichtsreicher geworden durch die Situation, in der wir uns befinden. Jedenfalls werden wir nicht davon ablassen können, daß auch für uns Art. 2 der Charta der Vereinten Nationen gelten muß, wie es die Westmächte uns gegenüber erklärt haben. Und es ist für mich ebenso klar, daß die Unterschrift — der ja inzwischen u. a. auch die japanische gefolgt ist — eine Vorausetzung war, um erfolgreich über nicht diskriminierende Kontrollen zu verhandeln. Die Partner Italien und Benelux — von der Sonderlage Frankreichs abgesehen — wollten ja halt nicht in die Verhandlungen mit der Wiener Behörde eintreten, bevor wir uns nicht insoweit in der gleichen Situation befänen.
Ich sehe also diesen Schritt nicht als eine deutsche Vorleistung. Daß der ganze Vertrag problematisch bleibt, haben wir immer gewußt. Wenn man hier von Leistung spricht, dann ist es eine Leistung vieler Staaten für dasschwierige Werk des Friedens und nicht die Leistung eines Staates — Bundesrepublik Deutschland — zugunsten. anderer. Auch mein Vorgänger im Amt des Bundeskanzlers hat, wenn ich es recht verstanden habe, genau gewußt, daß er eine Abseitsstellung auf diesem Gebiet auf die Dauer nicht würde aufrechterhalten können.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Auf die Dauer! — Abg. Dr. Barzel: Nein, aber vorher alles klären!)

Meine Damen und Herren! Was die Zwei-StaatenTheorie angeht: ich habe keine solche Theorie erfunden,

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber akzeptiert!)

die Bundesregierung hat keine solche Theorie erfunden, sondern die Bundesregierung hat wie viele in unserem Volk zur Kenntnis nehmen müssen, daß sich eine Zwei-Staaten-Realität auf deutschem Boden entwickelt hat, nicht eine Theorie, sondern ein beklagenswertes Stück Wirklichkeit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Damit sind wir bei den „Formeln" und bei den „Lösungen". Hat nicht während der vergangenen 20 Jahre der Formelkram allzusehr dominiert? Ich sage das nicht als Vorwurf, sondern ich schließe mich selbst mit ein. Ich habe das lange genug selbst mitgemacht. Dies ist nicht eine Frage, um die es allein zwischen der Union und anderen geht. Ich greife das auf, was Herr Kollege Strauß heute vormittag vorgebracht hat. Er hat das zitiert, was ich damals als Regierender Bürgermeister von dieser Stelle aus wenige Tage nach dem 13. August 1961 in meiner und unser aller Verzweiflung gesagt habe. Ich stehe zu dem. Aber glaubt denn hier jemand, daß sich etwas an meiner Gesinnung und meinen Grundsätzen geändert hätte? Will nicht auch Herr Kollege Strauß mir zugeben, daß damals ein Vorhang weggezogen worden ist und daß sich herausstellte: die Bühne war leer? Ich sage das nicht als Anklage, sondern als Tatsachenfeststellung. Keine Bundesregierung, auch nicht diejenige mit dem Verteidigungsminister Strauß, hat den Berlinern und dem Berliner Bürgermeister Brandt helfen können. Auch die mächtigen Vereinigten Staaten haben uns nicht helfen können, sondern wir haben zur Kenntnis nehmen müssen: dort ist die Grenze durch die Stadt gleichbedeutend mit einer Grenze zwischen den beiden Supermächten dieser Welt.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603321100
Herr Bundeskanzler, — —

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603321200
Wer seitdem — darf ich den Satz noch hinzufügen — geglaubt hat, daß er, mit dem Kopf gegen diese schreckliche Mauer anrennend, etwas erreichen könnte, der hat leider zur Kenntnis nehmen müssen, daß das seinem Kopf



Bundeskanzler Brandt
schlechter bekommt als der Mauer. Gestützt darauf hat mancher von uns in diesen Jahren zusätzliche Überlegungen anstellen müssen. — Bitte, Herr von Guttenberg.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0603321300
Herr Bundeskanzler, nachdem Sie soeben gesagt haben, daß nicht die Bundesregierung eine ZweiStaaten-Theorie laufgestellt habe, sondern daß es eine Tatsachenbeschreibung sei, wenn Ihre Regierung von zwei deutschen Staaten rede, frage ich Sie: Was hat sich eigentlich vom September 1968 bis zu Ihrer Regierungserklärung geändert? Im September 1968 hat noch dieses ganze Haus erklärt, daß es nicht zwei deutsche Staaten gebe; auch die SPD-Fraktion hat das gesagt.
Zweitens frage ich Sie, Herr Bundeskanzler, ob nicht eine Erklärung der deutschen Bundesregierung, daß es zwei deutsche Staaten gebe, selbstverständlich mehr ist als eine reine Tatsachenbeschreibung? Ist es nicht so, daß diese Erklärung draußen in der Welt als ein Politikum allererster Ordnung und als ein Verlassen der bisherigen Rechtsposition angesehen werden mußte?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Ach!-Rufe von der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603321400
Verehrter Herr von Guttenberg, die uns allen bekannten Rechtspositionen, die ich gar nicht über Gebühr reduzieren will, haben keinem Berliner geholfen, seine Familie im anderen Teil der Stadt zu sehen. Sie haben mich nicht davor bewahrt, den Geßler-Hut grüßen zu müssen, Papiere vorzeigen und Gebühren entrichten zu müssen. Nein, das geht alles eine gewisse Zeit, aber dann kommt man zu dem Punkt — jetzt folge ich dem Herrn Kollegen Barzel —, wo man sagt: die Formeln reichen nicht mehr aus.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Man muß sich, so schwer es auch sein mag, von den Formeln frei machen, um zu Lösungen zu kommen. Aufgabe der Politik ist es, zu verhindern, daß eine Besserung der Verhältnisse — da sind wir uns, glaube ich, einig — in der Zukunft durch Formeln der Vergangenheit unmöglich gemacht wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt gleich anschließend noch ein Wort zum Thema Information und Kooperation zwischen den Kräften dieses Hauses und zwischen Opposition und Regierung sagen. — Bitte, Herr Guttenberg!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0603321500
Herr Bundeskanzler, darf ich Sie fragen, ob Sie wirklich glauben, mit dem, was Sie eben gesagt haben, meine beiden Fragen beantwortet zu haben?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD und der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603321600
Verehrter Herr Guttenberg, daß die Regierung die Situation neu beschrieben hat, hat sie ja nicht verhehlt, sondern sie hat es zweimal begründet, im Oktober 1969 und im Januar 1970. Ich weiß, Sie sehen das anders. Aber das wird dadurch nicht besser. Wir kommen im Augenblick in Punkt einander nicht näher, wenn ich die Begründungen wiederhole.

(Abg. Dr. Barzel: Die sind nicht gegeben!)

Ich möchte jetzt zum Thema Information und Kooperation kommen. — Bitte, Herr Barzel!

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603321700
Herr Bundeskanzler, die Argumente für die Veränderung Ihrer Position, nach denen Herr Guttenberg gefragt hat, sind diesem Hause bisher nicht gegeben worden.

(Zurufe von der SPD.)

Sie haben bisher nur gesagt: Inzwischen war eine Wahl. Dann haben wir Sie gefragt, was seit September bis jetzt passiert sei, ob Sie neue Fakten, neue Argumente hätten, und wir haben Sie aufgefordert, das mit uns zu diskutieren.

(Zurufe von der SPD.)

Diese Diskussion sind Sie uns bis zur Stunde schuldig geblieben, Herr Bundeskanzler.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603321800
Verehrter Herr Barzel, das mit der Wahl ist natürlich nur ein Teilargument, welches sich allein darauf bezieht, daß sich nach unserer, nach meiner und der Überzeugung vieler meiner Freunde während der Wahlauseinandersetzung mehrere der Führer der Union von dem zurückgezogen haben, was wir für eine gemeinsam erarbeitete Politik hielten,

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

und daß wir es, um künftige Mißverständnisse zu vermeiden, daher für notwendig gehalten haben, unsere Politik weiter zu klären, 'z. B. — das darf ich hier noch einmal deutlich sagen — zu erklären, daß wir zu dem Ergebnis gekommen sind, daß mit den Partnern des Warschauer Pakts Regelungen nicht zu erreichen sind, wenn man nicht von der Notwendigkeit ausgeht, auch mit Ost-Berlin zu Regelungen auf dem Boden der Gleichberechtigung und der Nichtdiskriminierung zu gelangen. Das ist in der Tat die Situation.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Was die Information und die Kooperation angeht, meine Damen und Herren, so lassen sie mich erstens folgendes sagen. Ich sitze jetzt nicht auf der anderen Seite des Tisches. Trotzdem hoffe ich, daß ich nicht ganz unobjektiv bin, wenn ich sage: In diesen vier Monaten hat es auf diesen Gebieten im Verhältnis zwischen Regierung und Opposition mehr Information gegeben, als es in früheren Zeiten häufig üblich war. Das ist das eine.
Der zweite Punkt — und der macht mir die Sache so schwierig — ist folgendes. Herr Kollege Barzel sagt: Kooperation. Und Herr Kollege Strauß sagt unter dem Beifall der gemeinsamen Fraktion von Herrn Barzel und Herrn Strauß, wir betrieben einen Ausverkauf deutscher Interessen. Das können Sie



Bundeskanzler Brandt
doch nicht meinen. Sie wollen sich doch nicht durch Kooperation an einem „Ausverkauf" deutscher Interessen beteiligen! Das ist unzumutbar.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. , Rasner: Es gibt ja keine!)

Herr Kollege Barzel sagt: Kooperation. Und Herr Kollege Strauß sagt: Wir denken doch nicht daran, Ihnen Ratschläge zu geben. — Das brauchen Sie auch nicht. Nur wenn man mehr will als Information, nämlich Kommunikation und Kooperation, dann muß die eine Seite der anderen auch ihre Ratschläge geben wollen.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

Ich muß also bitten, sich dies noch einmal untereinander zu überlegen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich bin für möglichst sachliche, auch umfassende Aussprachen. Aber ich könnte, wenn sich diese Lage ergäbe, natürlich nicht Forderungen akzeptieren — heute hatte ich solche herausgehört, zumal beim Kollegen Strauß —, die zur Aktionsunfähigkeit meiner Regierung führen müßten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der ,CDU/CSU.)

Denn, meine Damen und Herren, daß sie hier keine besonders breite Mehrheit in diesem Haus hat, das weiß ich auch. Herr Scheel und ich wissen es gemeinsam. Aber es gibt keine begrenzte, es gibt nur eine volle Legitimation der deutschen Bundesregierung in diesem Haus und draußen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Außenpolitik meiner Regierung ist in erster Linie europäisch. Aber sie ist nicht nur westeuropäisch, sie versucht auch gesamteuropäisch orientiert zu sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir wollen geduldig und beharrlich mithelfen, Spannungen zwischen Ost und West abzubauen. Aber man muß bitte wissen und uns abnehmen, daß es
für uns keine vernünftige Ostpolitik geben kann, die nicht nach Westen voll abgesichert ist.
Meine Damen und Herren, den Gang nach OstBerlin, wenn es zu ihm kommen sollte — und ich denke, es wird zu ihm kommen —, werde ich in dem Bewußtsein antreten, daß 25 Jahre nach der erzwungenen Teilung unseres Landes der Versuch gewagt werden muß, an das Problem heranzukommen, ob man und wie man die Last der Teilung abbauen könnte. Ich habe gestern an anderer Stelle gesagt und darf es hier wiederholen: Um mehr als einen allerdings sehr ernst gemeinten Versuch kann es sich nicht handeln.
Hier bin ich noch einmal bei den Formeln. Abstrakte politische Theorien, juristische Vorbehalte und „Formeln" haben uns kaum weitergebracht, weiterbringen können und werden uns auch jetzt nicht weiterhelfen. Die Deutschlandpolitik war in eine Stagnation geraten. Diese Bundesregierung wagt, ohne sich zu übernehmen, das. direkte Gespräch mit Moskau und mit Warschau, auch mit OstBerlin. Ich bin dabei frei von Illusionen. Für diese Aktion kann auch nicht der Maßstab des momentanen Erfolges gelten. Es geht darum, auszuloten, was möglich ist und was nicht.
Hier bin ich ganz kurz noch einmal bei Richard Nixon, dem amerikanischen Präsidenten, und seinem umfassenden Bericht vom 18. Februar. Meine Damen und Herren, ich stimme — da heute früh so viel von „atmosphärisch" die Rede war — mit diesem Bericht der amerikanischen Regierung ausdrücklich überein, wenn darin z. B. gesagt wird, daß man atmosphärische nicht schon für reale Veränderungen halten darf,

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

daß es nicht genügt, von einer Milderung der Spannungen zu sprechen, sofern wir uns nicht im klaren darüber sind, daß 20 Jahre der Spannungen nicht einfach durch geringfügige Mißverständnisse geschaffen worden sind, sondern durch sehr viel mehr als dies. Ich stimme auch der Auffassung zu, es genüge nicht, von der europäischen Sicherheit in abstrakten Begriffen zu sprechen. Worauf es ankommt, ist: Wir müssen die Elemente der Unsicherheit kennen und immer wieder prüfen, wie sie beseitigt werden können.
Es geht um zwei nicht unproblematische, aber große Aufgaben, nämlich einmal darum, in Fühlung mit unseren westlichen Partnern und Verbündeten zu erkunden, ob gegenüber der Sowjetunion und den mit ihr verbündeten Staaten die Chance für eine Verbesserung der Beziehungen gegeben ist oder geschaffen werden kann, und zum anderen darum, ob im Verhältnis zwischen Bonn und Ost-Berlin trotz allem weiterhin nur das Trennende obwalten muß oder ob nicht durch das Herauspulen gewisser — wenn auch vielleicht zunächst nur minimaler — sich begegnender Interessen auch Gemeinsames zum Zuge .kommen könnte. Darum geht es in der Tat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD.)

Die Menschen in diesem Lande, finde ich, sollten wissen, daß diejenigen unrecht haben, die Gespenster an die Wand malen. Das Ringen um mehr Sicherheit, um ein Mehr an Frieden ist natürlich nicht völlig frei von Risiken, und man darf meiner Meinung nach ein kalkulierbares Risiko in diesen Zusammenhängen nicht scheuen. Unsere Bündnis- und unsere Entspannungspolitik gehören zusammen, unsere EWG-Politik und unsere Ostpolitik gelten im Zusammenhang mit anderen einer europäischen Friedensordnung, die sich nur Schritt um Schritt erreichen läßt. Vorsicht ist gut, Angstlichkeit ist schlecht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Was unser Volk braucht, ist der gezügelte Mut, einen stärkeren deutschen Beitrag für Europa und für den Frieden zu wagen. Ich werbe hier und anderswo um Verständnis und, wo es geht, auch um Vertrauen; denn gestützt auf Vertrauen und kritische Hilfe ist es leichter, wichtige Aufgaben für unser Volk zu lösen.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)





Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603321900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiesinger.

Dr. Kurt Georg Kiesinger (CDU):
Rede ID: ID0603322000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Außenminister hat heute früh in den Mittelpunkt seiner Rede den Gedanken gestellt, daß als ein Gegenstück zur Aussöhnung unseres Landes mit dem Westen nun die Aussöhnung mit dem Osten kommen müsse. Wer würde dem nicht zustimmen! Ich habe dem Herrn Außenminister dann die Frage zugerufen: Welche Voraussetzungen sind nach Ihrer Meinung für eine solche Aussöhnung mit dem Osten erforderlich? Sie haben mir, Herr Außenminister, darauf keine Antwort gegeben. Auch die folgenden Redner der Regierungskoalition in dieser Debatte haben dazu nichts gesagt. Herr Achenbach sprach von einem frei auszuhandelnden Kompromiß. Welcher Kompromiß ist ins Auge gefaßt? Oder es war die Rede von der Besserung der Atmophäre. Frage: um welchen Preis? Oder sind diese Verhandlungen ein Wert an und für sich? Meine Damen und Herren, dann freilich könnte man den Satz zu sagen wagen, solche Verhandlungen könnten nicht scheitern. Ich fürchte aber, daß solche Verhandlungen zu gefährlichen Ergebnissen führen könnten.
Der Herr Bundeskanzler sprach von einem ernst gemeinten, illusionslosen Versuch, zu erkunden, ob eine Chance für Verbesserung der Beziehungen gegeben sei. Einem solchen Versuch, Herr Bundeskanzler, haben wir zugestimmt. Die Frage ist nur, welche Risiken, von denen Sie sprachen, Sie bei einem solchen Versuch einzukalkulieren und zu übernehmen bereit sind. Wir haben zu Gesprächen mit OstBerlin unsere Zustimmung ausgesprochen. Aber, Herr Bundeskanzler, wir meinten geschützte Gespräche. Denn allein schon die Tatsache, daß ein deutscher Bundeskanzler in Ost-Berlin zu solchen Gesprächen erscheint, ist eine politische Tatsache allerersten Ranges und von größter Tragweite, und schon deswegen darf man nicht darauf verzichten, solche Gespräche abzusichern.
Aber leider ist von dem Schutzgeleit für solche Gespräche lin den vergangenen Wochen und Monaten schon allzuviel preisgegeben worden. Ich nenne eis nicht Vorleistung, Herr Bundeskanzler, ich nenne es so: Preisgabe eines guten Teils des Schutzgeleites für Gespräche, die auch wir wollen. Da ist es nun eben, dieses fatale Faktum der Anerkennung eines angeblichen zweiten souveränen deutschen Staates. Selbst diejenigen, die mit sich juristisch darüber reden lassen würden, daß es .einen solchen Staat gibt, sagen uns schon heute, daß es dann jedenfalls ein Fehler war, in einer Regierungserklärung diese dubiose Sache ausdrücklich zu bringen und anzuerkennen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, es ist uns daher nicht leichtgefallen, unsere Zustimmung zu diesen Gesprächen, auszusprechen. Es ist uns nicht leichtgefallen, weil ja zu dieser über den Kopf der Mitglieder dieses Hauses hinweg erklärten Feststellung der Existenz eines zweiten souveränen deutschen Staates — und
das zugleich mit der Formel „Mehr Demokratie in diesem Staate", meine Damen und Herren! —

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

so viele verwirrende Erklärungen von führenden Leuten der Regierungskoalition abgegeben worden sind, daß dies weiter dazu beitrug, das so bitter notwendige Schutzgeleit für diese Gespräche zu schwächen.
Formelkram? Meine Damen und Herren, die Frage Baron Guttenbergs war nur zu berechtigt, die Wiederholung der Frage, die wir in allen bisherigen Debatten gestellt haben. Was hat sich denn geändert? Herr Bundeskanzler, Sie haben davon gesprochen, ein Vorhang sei weggezogen worden, und man habe die Bühne leer gefunden. Nein! Eine Mauer ist gebaut worden, und ich frage, ob der Bau dieser Mauer es rechtfertigt, daß wir eine gemeinsame Politik, über Jahre hinweg gemeinsam durchgehalten, über Nacht aufgeben!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir können miteinander darüber reden, was sich geändert hat. Natürlich hat sich z. B. durch den Bau der Mauer der unablässige Strom von Flüchtlingen aus der DDR, in welcher sie gefangengehalten wurden, geändert. Rechtfertigt das eine radikale Änderung unserer Politik? Ich glaube, es rechtfertigt diese Änderung nicht.
Im Wahlkampf? Herr Bundeskanzler, ich kann mich nicht erinnern, daß ich selbst zum Beispiel — und ich habe für meine Partei gesprochen — im Wahlkampf im geringsten nur abgewichen wäre von dem, was wir gemeinsam vereinbart hatten.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Und 'ich stehe zu jedem Wort und zu jedem Satz,

(Beifall bei der CDU/CSU)

welchen wir gemeinsam während dieser drei Jahre gefunden haben, auch, Herr Kollege Wehner, zu jener Rede vom 17. Juni, die Sie freundlicherweise in Ihrem letzten Beitrag zu dieser Frage hier zitiert haben. Ich will darüber keinerlei Mißverständnis aufkommen lassen.
Aber, Herr Bundeskanzler, das Risiko, von dem Sie gesprochen haben, zeigt sich ja schon hier in unserem Lande, wo die Leute ein wenig vertrauter sind mit der Art, wie wir miteinander umgehen. Wieviel mehr muß sich das Risiko im Ausland zeigen, wo uns so viele sagen, daß sie uns einfach nicht mehr verstehen. Daß sie mit Formeln wie z. B. der von der Anerkennung eines zweiten deutschen Staates, der für uns allerdings nicht Ausland sei und den wir darum nicht völkerrechtlich anerkennen könnten, überhaupt nichts anfangen könnten. Daß sie nichtsanderes in diesen Erklärungen der Regierung sehen könnten als eine — mindestens — Defacto-Anerkennung der DDR.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn dem, so ist, dann muß man größere Klarheit in die Dinge bringen.
Da komme ich an einen Punkt, an dem wir schon einmal waren. Sie erinnern stich, Herr Bundeskanz-



Dr. h. c. Kiesinger
ler, wir hatten im Sommer 1967 einige Schwierigkeiten miteinander, als eine ganze Reihe publizistischer Organe sich daranmachte, Ihre politischen Aussagen zu interpretieren, und zwar in einem äußerst gefährlichen. Sinne. Es war damals nicht leicht, Sie dazu zu bewegen, diesen Interpreten entgegenzutreten. Nun sind sie schon wieder da, diese Interpreten, sie geben Erklärungen ,ab, an denen wir in dieser Debatte einfach nicht vorbeigehen können, vor allem weil Millionen Deutschen in 'diesen Tagen eine Darstellung der Außen- und Deutschlandpolitik dieser Regierung zu vermitteln versucht wird, die ich — das sage ich Ihnen gleich zu Beginn — Ihnen nicht unterstellen möchte.

(zur Sicherung des Friedens in Europa nicht die Besiegelung des Status quo, sondern die Überwindung des Status quo in Frieden, Recht und Gerechtigkeit erfolgen muß. Das ist wichtig, weil Sie nicht darüber hinwegsehen können, daß Sie offenbar von manchen Leuten falsch verstanden worden sind; und das sind keine dummen Leute. Der eine, der diesen Artikel für Millionen Leser geschrieben hat, ist ja auch nur der Repräsentant einer ganzen Gruppe, über die wir uns in den vergangenen Jahren des öfteren unterhalten haben. Es ist nicht nur für dieses Volk wichtig, sondern wichtig für die ganze Welt, daß wir, Sie, nicht mißverstanden werden. Auch wir wünschen, ich wiederhole es, eine Aussöhnung mit dem Osten. Aber wie leicht geht die Parallele über die Zunge, wie einfach ist es zu sagen: Nach der Aussöhnung mit 'dem Westen muß nun halt auch die Aussöhnung mit dem Osten kommen. Darf ich an Frankreich erinnern? Auf dem Wege der Aussöhnung mit Frankreich lag die Rückkehr des Saarlandes nach Deutschland. Was soll auf dem Wege der Aussöhnung mit dem Osten stehen? Das ist unsere Frage. Hier muß ich auf Ihre Bemerkung eingehen, man habe manchmal den Eindruck, als gäbe es in der Opposition Leute, die uns für eine Weltmacht hielten, die gebieterische Forderungen an die Sowjetunion stellen könnte. Ich glaube nicht, daß Sie uns das ernsthaft unterstellen, Herr Bundeskanzler. Unser Fraktionsvorsitzender hat heute früh schon von den bitteren Möglichkeiten gesprochen, die auf dem Wege der Versöhnung liegen mögen. Bittere Möglichkeiten, aber eben nicht der Status quo, sondern Opfer, bittere Opfer vielleicht für den Frieden, aber für einen Frieden, der auch dem deutschen Volk Gerechtigkeit widerfahren lassen soll. ( „Formelkram"? Wenn wir von Wiedervereinigung oder von Wiedergewinnung der staatlichen Einheit sprechen — wie oft haben wir das gesagt! —, meinen wir zuallerletzt einen Rückfall in den nationalstaatlichen Anarchismus vergangener Zeiten. Genau das ist es, was mein Freund Franz Josef Strauß in den vergangenen Jahren immer wieder gesagt und wovor er, der Europäer, gewarnt hat. Selbstverständlich wollen wir eine deutsche Lösung in übergreifende, überstaatliche Zusammenhänge eingebettet sehen. Das Grundgesetz verpflichtet uns ja schon dazu. Soviel es an uns liegt, wollen wir mithelfen, sie in eine europäische Friedensordnung einzubetten — jawohl, Herr Kollege Wehner —, die das Problem, wie ich es in jener Rede zum 17. Juni ausgedrückt habe, lösbar machen soll. Ich hoffe, daß wir uns darin einig geblieben sind. Diese Formeln haben für uns — darüber haben wir nie einen Zweifel gelassen — als obersten Wert das Ziel der Freiheit, das Ziel freilich uns nicht mit Minifreiheiten, mit ein bißchen mehr Freizügigkeit und der Möglichkeit, daß der eine die andere heiraten kann — das ist auch wichtig —, abspeisen zu lassen. Am Ende muß die große Freiheit stehen, und diese bedeutet: das Offenhalten und Anbahnen der Ausübung des Rechts der Selbstbestimmung für alle Deutschen. Daß wir dabei die Deutschen drüben nicht bevormunden wollen, haben wir hundertmal gesagt und sagen es noch einmal. Ihr Wille soll darüber entscheiden, was sie wollen, wohin sie wollen, wo sie einmal ihren Platz haben werden. Auch das haben wir in den vergangenen Jahren gemeinsam festgehalten und sollten es auch in Zukunft tun. Und da ich, wenn ich Sie recht verstanden habe, dieses Selbstbestimmungsrecht auch als das zentrale Anliegen Ihrer Deutschland-Politik begreifen darf, muß ich Ihnen dazu sagen: Dann dürfen Sie sich aber auch bei keinen Verhandlungen, weder in Moskau noch in Ost-Berlin noch in Warschau, den Weg zur Dr. h. c. Kiesinger Ausübung dieses Selbstbestimmungsrechts verbauen lassen. Wenn geschieht, was zu geschehen droht, die völkerrechtliche Anerkennung oder der Anschein der völkerrechtlichen Anerkennung de facto oder de jure; wenn wir uns zwar dagegen verwahren, daß drüben Ausland sei, daß wir dabei aber beinahe eine Einladung an die übrigen Staaten der Welt aussprechen, ihrerseits dieses Land nach ihrem Ermessen als Ausland, als ausländischen souveränen Staat anzuerkennen — ja, meine Damen und Herren, dann nehmen wir eben unseren Landsleuten drüben dieses Selbstbestimmungsrecht aus den Händen, und zwar für immer. (Abg. Matthöfer: Sollen die Ausländer die DDR als Inland betrachten?)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)





(Beifall bei der CDU/CSU.)

— Aber das ist nun wirklich zu billig. Ich habe gesagt, daß es fast wie eine Einladung an dritte Staaten klinge, diesen Staat, der, wie Sie sagen, für uns nicht Ausland sei, ihrerseits als Ausland völkerrechtlich anzuerkennen. Darauf liegt der Nachdruck: auf der völkerrechtlichen Anerkennung.
Der Herr Bundeskanzler hat vom Spiel der Phantasie der Geschichte gesprochen. Vielleicht war es eine Anspielung auf manches, was ich zu diesem Thema in der Vergangenheit gesagt habe. Ich bleibe dabei: die Geschichte hat eine reichere Phantasie als wir. Ich bleibe dabei, daß es sehr schwer ist, in dieser Situation unserer Welt Prognosen zu wagen und auf Grund dieser Prognosen zu handeln, und zwar so zu handeln, daß es keine Rückkehr gibt. Vieles, das wir eben aus Ihrem Munde hören, gibt uns noch nicht Gewähr genug dafür, daß Sie sich nicht bis zu einem solchen Punkte, von dem es keine Rückkehr mehr gibt, mit Ihrem einkalkulierten Risiko vorwagen wollen. Das ist unsere Sorge. Herr Mattick hat davon gesprochen, daß die große Weltlage sich nicht ändern lasse. Dem muß zugestimmt werden. Wenn 'dem aber so ist, dann muß man sich in seinen Zielsetzungen sehr bescheiden und darf sich nicht in Bereiche vorwagen, wo man mindestens den Eindruck erwecken könnte, als wolle man versuchen, Geschichte 'zu antizipieren, wo sie schlechthin nicht vorweggenommen werden kann. Auch darüber haben wir unsere Sorgen. Denn wir wissen nicht genug von Ihren Vorstellungen über Ihren Erkundungsversuch, über das „Ausloten" der Möglichkeiten, die sich für eine, wie Sie es nennen, Besserung des Zusammenlebens oder Nebeneinanderlebens ergeben könnten.
Ich kann mir nicht helfen: hier bedarf es einfach deutlicherer Klärungen. Wenn Sie manches nicht in voller Öffentlichkeit sagen wollen, dann sagen Sie es uns eben nicht in voller Öffentlichkeit. Ich will nicht sagen, daß das, was Sie uns gesagt haben, uns etwa täuschen oder beruhigen sollte. Aber manche Frage, die einem bei diesen Informationsgesprächen auftauchte, ist eben unbeantwortet geblieben. Wenn wir schon von Kooperation sprechen, müssen wir Ihnen sagen, daß die Antwort auf diese Fragen noch aussteht. Herr Bundeskanzler, ich bin nicht von dem überzeugt worden, was Sie soeben im Hinblick auf
Information, Konsultation, Kooperation, Gemeinsamkeit in der Außenpolitik ausgeführt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Was Sie und wir erstreben sollten, ist natürlich nicht nur Information, Konsultation, Kooperation, sondern Gemeinsamkeit. Aber gerade was die Gemeinsamkeit angeht, so habe ich einen Satz Herbert Wehners in Erinnerung, den er vor kurzem gesagt hat. Er sagte, es gehe natürlich nicht, daß die Opposition etwa halbwegs mit bestimmen könne, was diese Regierung nach ihrer Meinung zu tun habe. Kurt Schumacher hat seine Auffassung von der Rolle der Opposition genau gegenteilig begriffen. Er hat damals etwa gesagt — ich zitiere aus dem Gedächtnis —, daß es die Aufgabe der Opposition sei, so viel wie möglich von ihrer eigenen politischen Konzeption in die Politik der Regierung hineinzubringen. So müßte natürlich eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Deutschland- und Ostpolitik aussehen.
Es erhebt sich natürlich die Frage: Sind wir zu einer solchen Gemeinsamkeit fähig, d. h. sind wir nicht zu weit auseinander, und, wenn wir dazu fähig sind, sind wir auch bereit, damit ernst zu machen? Diese Frage muß viel ernster und viel gründlicher angegangen werden, als das bis jetzt geschehen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es war im übrigen von den „angeblichen" Vorleistungen die Rede. Herr Bundeskanzler, ich kann Ihnen in Ihren Argumenten zum Atomsperrvertrag nicht folgen. Sicher, Sie haben recht, meine politischen Freunde und ich waren .der Auffassung, daß es für uns sehr schwer sein würde, einer Zustimmung zum Atomsperrvertrag letztlich auszuweichen, zumal ja auch wir ein Interesse daran haben, daß auf diesem gefährlichen. Gebiet die Dinge in der Welt geordnet werden. Aber ich kann beim besten Willen nicht einsehen, daß die voreilige Unterschrift unter den Atomsperrvertrag Ihnen und uns im Hinblick auf unser Verhältnis zur Sowjetunion und bei den begonnenen Verhandlungen irgendwo und irgendwie genützt hätte. Ich bin im Gegenteil der Ansicht, daß sie uns geschadet hat; denn sie hat unsere Verhandlungsposition geschwächt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Warum diese Eile, wenn man schon mit der Macht über Gewaltverzicht verhandelt, für die unsere Unterschrift unter den Atomsperrvertrag, wie sie selbst sagte, entscheidend war? Ich muß leider auch bestreiten, Herr Bundeskanzler, daß die Übereinkunft über die Gaszentrifuge von unserer Unterschrift unter den Atomwaffensperrvertrag abhängig gewesen sei. Ich habe ja die Entwicklung dieses Problems genau verfolgt: in keinem Augenblick stand zur Debatte, daß es nur dann zum Abschluß dieses Vertrages kommen könne, wenn wir, die Bundesrepublik, den Atomsperrvertrag unterzeichnen würden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Darf ich noch ein Wort zur Frage unserer Westpolitik in Beziehung zur Ostpolitik sagen. Natürlich



Dr. h. c. Kiesinger
sind wir uns alle einig darin, daß eine erfolgversprechende Ostpolitik nur von der sicheren Grundlage der westlichen Basis aus betrieben werden kann. Wer würde das bestreiten? Aber auch hier muß tiefer gebohrt werden. Auch hier muß gefragt werden, ob die Ostpolitik, die wir betreiben, unsere westliche Basis nicht doch gefährdet. Es kann Ihnen, Herr Bundeskanzler, nicht verborgen geblieben sein, daß es im Westen Sorgen gibt, die sich etwa so formulieren lassen: Diese neue Deutschland- und Ostpolitik der Regierung nimmt einen über Gebühr großen Raum im Interesse der publizistischen Weltöffentlichkeit ein, beschäftigt die Phantasie vieler Menschen in der Welt in einer Weise, 'die sie davon abhält — so haben mir es westliche Politiker dargestellt —, dringendere Probleme im Aufbau und in der Festigung der westlichen Gemeinschaft zu lösen. Das bedeutet eine psychologisch-politische Rückwirkung z. B. in Amerika. Wenn das wahr ist, wenn solche Sorgen bestehen, dann müssen wir doch damit rechnen, daß man uns entgegenhält, daß wir selbst den Willen des Westens zum Zusammenhalt und zur Festigung durch diese über Gebühr aufgeblähte politische Aktion schwächen. Man sollte diese Sorgen nichtgering schätzen. Jedenfalls ist es eine Aufgabe unserer Politik, dafür zu sorgen, daß diese schwächende Wirkung im Westen nicht eintritt.
Es war viel die Rede, Herr Bundeskanzler — Sie selbst haben es wieder gesagt —, vom Ansehen, das diese neue Politik in der Welt gewonnen habe. Ich will dem, was der Fraktionsvorsitzende und was Franz Josef Strauß zu dieser Thematik gesagt haben, nicht viel hinzufügen. Es ist so leicht, Zustimmung zu einer Politik zu erhalten, die anderen ein unbequemes, lästiges Problem aus der Welt schafft.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese Zustimmung können wir alle Tage zu allen möglichen Problemen erhalten. Aber wir dürfen sie nicht unbesehen als eine Vermehrung unseres Ansehens in der Welt betrachten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Was ist die Aufgabe der deutschen Politik? Was ist die Aufgabe der Außenpolitik jedes Staates, der ein schweres und für andere lästiges Problem mit sich herumschleppt? Ist es, Zustimmung zu finden für bequeme Lösungen? Oder ist es nicht vielmehr, die Aufgabe, dieses lästige Problem der übrigen Welt so überzeugend darzustellen, daß sie einsieht, .daß es zu keinem guten Ende führen kann, wenn man den bequemen Weg geht. Das war bisherige deutsche Politik. Das war unser gemeinsamer Versuch in den vergangenen Jahren. Ich finde, diesen Versuch sollten wir fortsetzen. Dann werden wir Ansehen für unsere Politik gewinnen.
Darf ich eine kleine historische Erinnerung in Ihr Gedächtnis rufen? Ich denke an eine Auseinandersetzung in der Beratenden Versammlung des Europarats 1953, als dort eine wilde Debatte gegen Konrad Adenauer in Gang kam. Ich erinnere mich, was damals in jenen Durchbruchsjahren Konrad Adenauers und uns, die wir auf seiner Seite standen, entgegenstand. Es hat lange Jahre schwersten Bemühens gebraucht, bis wir endlich festes Ansehen gewonnen haben, Herr Bundeskanzler. Das Beste, was wir Ihnen wünschen können, ist nicht ein Strohfeuer billiger Zustimmungen, sondern daß Ihre Bemühungen - und wenn es recht geht, mit unserer Zusammenarbeit — dazu führen, daß diese neue Strecke der Deutschland- und Ostpolitik einmal von wirklichem Erfolg gekrönt sein wird. Dieser Erfolg heißt dann Friede und Gerechtigkeit in Europa und Ansehen für dieses Land, die Bundesrepublik, die dieses Ziel erreicht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603322100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0603322200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es wäre heute eine große Stunde der Opposition geworden, wenn sie heute früh den Mut gehabt hätte, hier in einer kurzen Erklärung zu erläutern, weshalb sie in dieser Stunde, in diesen Tagen auf eine ausführliche Ost- und Deutschlanddebatte verzichten würde. Denn nachdem wir vor vier Wochen ausführlich über diese Themen debattiert hatten, war es wenig sinnvoll, zu diesem Zeitpunkt, wo alle Gespräche noch in ihrem Anfangsstadium sind, erneut das zu bekräftigen, was vor vier Wochen in diesem Hause bereits gesagt worden ist.

(Beifall bei Abgeordeten der Regierungsparteien. — Abg. Dr. Heck: Herr Schmidt hat es gewünscht!)

— Der Kollege Schmidt hat nicht gewünscht, daß heute eine Debatte stattfindet; das hatten Sie gewünscht. Wenn Sie über die Westpolitik, wenn Sie über die Fragen gesprochen hätten, die im Augenblick nicht in besonderen Verhandlungen stehen, wir hätten volles Verständnis dafür gehabt. Sie haben es aber so gewollt, und es hat sich sehr schnell gezeigt, daß all Ihre Kritik, all Ihre Bemühungen, irgend etwas zum Einhaken zu finden, doch zum Scheitern verurteilt waren.
Wir stellen noch einmal fest, uns geht es um folgende Punkte. Erstens: ein Bekenntnis zu einer friedlichen gesamteuropäischen Entwicklung und die grundsätzliche Zustimmung zu einer gut vorbereiteten europäischen Sicherheitskonferenz.
Zweitens. Wir haben das Ziel, mit allen Staaten Ost- und Südosteuropas diplomatische Beziehungen aufzunehmen und auch zu einer Aussöhnung mit ihnen zu kommen. Wir wissen, daß das ein schwerer, ein langwieriger Weg ist, um so notwendiger ist es aber, nicht die ersten Schritte schon mit ständigen Mäkeleien zu bedenken, sondern sie konsequent erst einmal gehen zu lassen.
Drittens. Ein weiteres Ziel, das wir haben, sind verbindliche Abkommen über wechselseitige Gewaltverzichtserklärungen mit allen Staaten des Warschauer Paktes.
Viertens schließlich haben wir das Ziel, zu vertraglichen Regelungen mit der DDR zu kommen.



Mischnick
Das sind die vier Punkte, die wir uns zum Ziel gesetzt haben mit den Initiativen, die im Augenblick im Gange sind. — Bitte!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0603322300
Herr Kollege Mischnick, geben Sie mir nicht recht, wenn ich sage, daß es in allen Beiträgen der Opposition zu der heutigen Debatte keinesfalls darum ging, etwas zu finden, was man der Regierung am Zeug flicken könnte — zu mäkeln, wie Sie gesagt haben —, sondern lediglich darum, einige Grundsätze und Prinzipien dazu aufzustellen, was bei jenen Verhandlungen berücksichtigt werden sollte, die vor uns stehen und von denen seinerzeit, als das letzte Mal hier über diese Thematik gesprochen wurde, noch nicht die Rede war? •

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0603322400
Aber Herr Kollege von Guttenberg, all die Punkte, die heute in der Debatte behandelt worden sind, sind bereits im Bericht zur Lage der Nation hier besprochen worden. Es ist keine Veränderung der Situation eingetreten. Es war angekündigt, daß entsprechende .Gespräche, Briefwechsel usw. stattfinden sollen. Insofern hat sich wirklich . nichts geändert gegenüber vor vier Wochen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie eben die Grundsätze noch einmal darlegen wollen, wenn Sie sich noch einmal auseinandersetzen wollen: wir sind dem nicht entgegengetreten. Uns kommt es aber darauf an, hier deutlich zu machen — und hier ist zum Teil Übereinstimmung festzustellen —, daß auch das, was jetzt geschieht, in der Deutschland-, in der Ostpolitik, als ein Teil unserer gesamteuropäischen Politik zu sehen ist und daß wir in der Deutschlandpolitik, genauso wie wir es in der Westpolitik getan haben, nun gegenüber der Sowjetnion, gegenüber den osteuropäischen Staaten und gegenüber der DDR das laufende Gespräch, das laufende Auseinandersetzen um die uns gemeinsam berührenden Fragen wollen.
Viele Vorwürfe und viele Kritik gipfelten doch darin, wir würden gebannt nur nach Ost-Berlin, nach Warschau, nach Moskau starren. Ich habe manchmal das Gefühl, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, Sie starren wie das Kaninchen .auf die Schlange, ob heute oder morgen dieser oder jener Satz in der Zeitung steht. Es wäre gut, wenn Sie selber mit mehr Gelassenheit an diese Dinge herangingen, statt ständig in Hektik zu machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir verhandeln oder versuchen, das konstruktive Gespräch, und zwar mit Sorgfalt und mit Gewissenhaftigkeit, mit Gelassenheit, zu finden. Uns geht es darum, hier endlich das an Versäumnissen zu überwinden, was eben zu einer Festschreibung des heute früh auch vom Kollegen Barzel beklagten Status quo geführt hat. Das zu überwinden, ist aber doch nur möglich, wenn man das Gespräch aufnimmt und nicht mit Kleinmut herangeht oder auch teilweise durch böse Unterstellungen versucht, davon abzulenken.
Meine Damen und Herren, es war der Kollege Schröder, der als Außenminister in den sechziger Jahren gesagt hat — ich zitiere wörtlich —: „Unbeweglichkeit ist noch keine Politik."

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Beweglichkeit aber auch nicht!)

Wir unterstreichen diesen Satz voll und ganz. Wir müssen aber feststellen, daß diese Unbeweglichkeit und Tatenlosigkeit sowie das Schweigen zu diesen Dingen jahrelang, Kollege Kiesinger, jahrzehntelang von Ihren Freunden als das bessere Mittel angesehen wurde, als man immer sagte: Die Zeit arbeitet für uns. Heute müssen wir doch feststellen: Die Zeit hat gegen uns gearbeitet. Deshalb ist es notwendig, jetzt anzupacken, wo sich noch eine Chance bietet.

(Abg. Heck: Welche denn?)

— Herr Kollege Heck, wenn Sie jetzt schon wieder fragen: „Welche denn?", dann wird doch daraus deutlich, daß alles Beteuern: Sie seien auch der Meinung, wir sollten zu Gesprächen kommen, offensichtlich nur eine Abschirmung gegenüber der öffentlichen Meinung darstellt, aber nicht der bewußte Versuch, diesen Weg mit zu gehen und zu versuchen, aus diesen Gesprächen zu Verhandlungen zu kommen. Welches Ergebnis die Gespräche haben werden? — Wir haben nie im ,Zweifel gelassen, daß das sehr offen ist.

(Abg. Heck: Sie müssen nicht so viel im voraus weggeben wollen!)

— Herr Kollege 'Heck, wenn Sie jetzt sagen: vieles im voraus weggeben wollen — ich wäre später noch darauf gekommen —, dann ist das doch ein weiterer Beweis dafür, daß mit den Vokabeln „Verzicht", „Ausverkauf" versucht wird, diese Bemühungen zu diskreditieren, während gleichzeitig gesagt wird: wir sind bereit, alles zu unterstützen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Hier liegt die Diskrepanz, gegen die wir unis wehren.

(Abg. Heck: Jetzt lenken Sie doch ab, Herr Kollege! Der Herr Bundeskanzler hat doch selber von Vorleistungen gesprochen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann doch von der Opposition nicht bestritten werden, daß diese Regierung mit ihrer Politik nach dem Westen, insbesondere in Den Haag und Brüssel, dazu beigetragen hat, daß die westeuropäische Politik wieder flottgemacht worden ist, daß die EWG wieder handlungsfähig gemacht worden ist, da ß für den Beitritt Englands und der anderen Staaten zur EWG realistische Daten gesetzt worden sind. Das sind doch, wenn Sie so wollen, begleitende Abschirmungen unserer Politik gegenüber der DDR, gegenüber den Warschauer-Pakt-Staaten. Hier ist genau das geschehen, was vorhin vom Kollegen Kiesinger vermißt wurde, nämlich daß diese Aktionen abgeschirmt werden.
Uns erscheint es wenig sinnvoll, im Augenblick etwas im .einzelnen zu den Gesprächen zu sagen, die Staatssekretär Bahr in den vergangenen Wochen in Moskau geführt hat. Wir freuen uns dar-



Mischnick
über, daß es ihm gelungen ist, das Klima in Moskau für ständige deutschsowjetische Verhandlungen spürbar zu verbessern. Wir hören daraufhin: Aber das ist doch kein Erfolg! Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, zunächst muß es doch einmal darum gehen, daß wir durch die Klimaverbesserung die Voraussetzungen für Verhandlungen schaffen, und das ist eben die erste Runde, die jetzt endlich eingeläutet worden ist und die Sie jahrzehntelang leider versäumt haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Staatssekretär Bahr wird in Kürze nach Moskau zurückkehren. Wir wünschen ihm und uns — lassen Sie mich das in aller Härte und Deutlichkeit sagen —, daß ,die politischen Heckenschützen in der Bundesrepublik, die ihn anschießen, während er in Moskauaufreibende Gespräche führt und seine Pflicht tut, endlich schweigen und nicht mehr Schwierigkeiten bereiten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel: Das war kräftig gegen Wehner!)

— Herr Kollege Barzel, wenn Sie sagen: ,,Das war kräftig gegen Wehner", so sage ich Ihnen: das ist einer der vielen Versuche, von Ihren eigenen Fehlern und Ihren eigenen Mängeln abzulenken; denn aus Ihren Reihen kamen die Heckenschützen gegen den Kollegen Bahr und nicht aus den Reihen der Koalition.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es fällt uns .allerdings schwer — und das sage ich ganz offen —, an die Ernsthaftigkeit der Bemühungen der CDU/CSU-Opposition um eine gemeinsame Außenpolitik mit der Bundesregierung zu glauben, solange der Kollege Strauß sich so äußert, wie er es getan hat. Wir sind immer — solange wir in der Regierung waren, solange wir in der Opposition waren und auch jetzt wieder — für eine Außenpolitik gewesen, die möglichst auch von der Opposition abgestützt wird.
Herr Kollege Kiesinger, Sie sprachen davon, daß die gesamte Politik über Nacht geändert worden sei. Wie reimt sich denn das damit zusammen, daß auf der anderen Seite gesagt wird, der Briefwechsel, das Annehmen des Gesprächs, sei nur eine konsequente Fortsetzung der Politik, die Sie früher selbst getrieben hätten? Hier sind doch die Widersrpüche aus Ihren eigenen Reihen, die einmal unter der CDU/CSU geklärt werden müssen.
Eine gemeinsame Arbeit setzt auch ein Mindestmaß .an Einsicht in die Notwendigkeiten voraus. In dieser Beziehung ist doch festzustellen, daß Teile der Opposition immer wieder lautstark Thesen verkünden, die im Gegensatz zu solchen Bemühungen einer gemeinsamen Politik stehen. Hier wird doch deutlich, daß mit diesen lautstarken Verkündungen, die meist draußen im Lande stattfinden — nicht hier im Hause —, die Arbeit der Bundesregierung in diesen diffizilen Fragen erschwert, aber nicht erleichtert wird. Wir haben es doch wieder erlebt, daß zwischen dem, was der Kollege Strauß in Vilshofen sagt, dem, wais er hier sagt, und dem, was er in Büchern schreibt, ein solcher Unterschied besteht, ,daß man fast zu der Überzeugung kommt: das ist eine Art Meinungskarussel, in Bayern rechts, national, hier europäisch und in den Büchern international. Es wäre gut, wenn das überall gleichmäßig und nicht so unterschiedlich dargestellt würde.

(Abg. Dr. Althammer: Das verstehen nur Sie nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Lieber Herr Althammer, wenn Sie sagen: „Das verstehen nur Sie nicht!", kann ich nur fragen: wie ist es denn zu verstehen, daß der Herr Kollege Strauß heute wiederum, um seine Äußerung ein bißchen abzudecken, entscheidende Sätze, die der Herr Bundeskanzler nach zitierte, wegläßt? — Doch offensichtlich aus der Sorge, daß daraus deutlich würde, wie unterschiedlich seine Meinungsäußerungen sind, je nachdem, wo er gerade spricht.
Unsere Bemühungen um eine innerdeutsche Entspannung sind mit einer Erklärung der CDU/CSU begrüßt worden. Aber bei dem, was ich heute dazu höre, habe ich fast den Eindruck, als täte es Ihnen schon wieder leid, grundsätzlich ja zur Eröffnung der Gespräche gesagt zu haben. Oder aber — die Frage stellt sich dann natürlich — geschah das nur, weil man das Gefühl hatte, die öffentliche Meinung würde ein Nein zu diesen Gesprächen nicht verstehen? Mir wäre es lieb, wenn Sie aus Überzeugung die Aufnahme der Gespräche, die jetzt vor uns stehen, mittragen. Ich erwarte nicht von Ihnen, daß Sie sagen — das ist nicht Ihre Aufgabe als Opposition —: Wir werden das Ergebnis, gleich wie es sei, billigen. Das erwarte ich nicht. Aber daß Sie bis zu dem Zeitpunkt, wo hier über das, was schließlich herausgekommen ist, berichtet werden kann, all das mit abschirmen helfen und nicht ständig wieder Schwierigkeiten bereiten, z. B. mit der Diskussion darüber, ob nun Teppiche ausgelegt werden, welcher Weg gefahren wird, ob es Ehrenformationen gibt. Auch da hat sich ja Herr Kollege Strauß in einer Weise geäußert, daß man das Gefühl hatte, hier gehe es nur darum, die nebensächlichen Schwierigkeiten herauszustellen, aber nicht an das Problem selbst heranzukommen.
Wir hoffen und wünschen, daß die Gespräche erfolgreich sind, d. h. daß wir dazu kommen, mit diesem ersten Zusammentreffen eine Gesprächsserie zu eröffnen, und daß daraus genau die Erleichterung für die Menschen kommt, die Sie, Herr Kollege Barzel, heute mit Ihrem Katalog angesprochen haben. Aber Sie müssen mir doch zugeben, daß die Menschenrechte in der Verfassung, in der Charta der Vereinten Nationen und beim Europarat in den verschiedensten Formen heute schon stipuliert sind. Schlimm ist nur, daß sie nicht überall beachtet werden. Deshalb ist das Entscheidende jetzt doch, durch die Gespräche Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das, was Sie als Katalog genannt haben, verwirklicht werden kann. Das ist unsere Politik, die wir treiben.

(Abg. Dr. Barzel: Ich habe ja gesagt: Bringen Sie etwas für die Menschen mit; dann unterschreiben wir sogar!)




Mischnick
— Aber, Herr Kollege Barzel, wenn Sie der Meinung sind, schon gleich das erste Gespräch könnte den Katalog bringen — —

(Abg. Dr. Barzel: Aber nein!)

— Auch nicht. Sie meinen also auch, daß das am Ende einer Reihe von Gesprächen stehen kann. Ich bin sehr dankbar, daß Sie das hier klargestellt haben und nicht die falsche Hoffnung erwecken, schon am Anfang könnten solche Ergebnisse vor uns stehen. Es wäre aber auch falsch, das am Anfang als Katalog zu präsentieren, wie es oft aus Ihren Reihen geschehen ist. Das würde ich nicht für richtig halten.

(Abg. Dr. Barzel: War es eigentlich eine FDP-Forderung, einen Gegenvertragsentwurf vorzulegen?)

— Aber, Herr Kollege Barzel, unser Gegenvertragsentwurf kam ja, weil Sie damals, als Sie den Regierungschef stellten, trotz zweimaliger Bitte von dieser Stelle aus nicht bereit waren, mit der damaligen Opposition überhaupt über die Möglichkeit eines Vertragsentwurfs zu sprechen. Erst nachdem Sie das zweimal abgelehnt hatten und wir angekündigt hatten, daß wir, wenn die Regierung nicht handele, einen Vertragsentwurf vorlegen würden, ist er zur Einbringung gekommen. Wir sind im Gegensatz dazu von Anfang an bereit gewesen, mit Ihnen damals über all diese Dinge zu sprechen. Das ist eben der Unterschied im Stil zwischen der heutigen und Ihrer damaligen Regierung.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: Aber Sie haben sich bei Ihrem Partner nicht durchgesetzt!)

— Sie täuschen sich. Wir sind gemeinsam der Auffassung, daß am Ende der Vertrag steht. Jetzt brauchten wir den Partner ja gar nicht mit einem eigenen Entwurf zu überzeugen; denn er ist mit uns der Meinung, daß am Ende der Gespräche vertragliche Reglungen stehen sollen, wenn wir es erreichen können. Nichts anderes ist die gemeinsame Basis.
Meine Damen und Herren, heute ist wieder die Diskussion darüber geführt worden, ob es zwei deutsche Staaten gibt oder nicht. Wer in der Welt bezweifelt eigentlich heute noch, daß es in Ostberlin eine Regierung gibt und daß sie Macht ausübt?

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Das ist etwas anderes!)

— Das ist nichts anderes, das ist der Tatbestand. Das ist alles schon von uns in der Regierungserklärung, in den Debattenbeiträgen deutlich gemacht worden. Wir werden uns jedenfalls nicht auf den Holzweg juristischer oder formalistischer Diskussionen locken lassen.
Allerdings, Herr Kollege Barzel, als Sie heute früh davon sprachen, es gehe nicht um Formeln, sondern um Lösungen, hatte ich das Gefühl: Wenn wir die Lösungen präsentierten, würden Sie vielleicht wieder ,die Formeln aus der Kiste holen und meinen, die Lösungen paßten nicht zu den Formeln. Ich wäre 'dankbar, wenn Sie sich immer zu Lösungen bekennen würden und nicht mehr das formelhafte
Denken der vergangenen Jahre — auch Ihrer Freunde — in der Zukunft wieder aneignen würden. Ich meine nicht Sie persönlich, aber viele in Ihren Reihen haben doch die Formel immer für wichtiger gehalten als die Lösung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603322500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603322600
Wie wäre es, Herr Kollege Mischnick, wenn Sie die vom Herrn Bundeskanzler und von anderen Sprechern auch Ihrer Fraktion offensichtlich sehr ernst genommenen gemeinsamen Auffassungen der CDU/CSU, heute morgen von mir hier vorgetragen, möglicherweise auch als ernst und dauerhaft gemeint betrachten würden und nicht in Zweifel ziehen würden? Wie sonst soll demokratisches Gespräch möglich sein?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0603322700
Herr Kollege Barzel, ich nehme Ihre Bereitschaft ernst, zu Lösungen zu kommen. Ich habe sie nicht bezweifelt. Ich warne heute nur davor, wenn die Lösungen auf dem Tisch liegen, dann die Formeln wieder auszugraben und diese Lösungen, die gefunden sind, in Frage zu stellen. Darum geht es mir und um nichts anderes.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603322800
Herr Kollege Mischnick, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Guttenberg?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0603322900
Herr Kollege Mischnick, ist nach Ihrer Meinung auch die von der Regierung 'ausgesprochene „Ablehnung der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR" eine solche Formel?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0603323000
Das, was in der Regierungserklärung steht, ist die gemeinsame Auffassung der Regierung und der Koalitionsfraktionen. Dazu stehen wir. Auf dieser Basis werden die Gespräche geführt.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0603323100
Mit anderen Worten, auch Sie sind also der Meinung, daß es in der Tat solche Formeln geben muß, um vernünftige Politik zu machen?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0603323200
Wenn Sie das als Formel bezeichnen, dann kann ich nur sagen: Hier ist in der Regierungserklärung eine Feststellung getroffen worden, aber nicht von Formeln geredet worden. Wenn Sie das zu Formeln umformulieren wollen, dann werden wir Ihnen dabei nicht folgen.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Heck: Was bezeichnen Sie denn als Formeln?)

Wir alle müssen uns bewußt sein, ganz gleich, welche Abmachungen und welche Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR zustande kommen, daß alles vom Grundsatz der Gleichberechtigung und der Nichtdiskriminierung ausgehen muß; denn alles andere hätte keinen Sinn. Wir sind entschlossen, solche Verträge, wenn sie zustande kom-



Mischnick
men, zu halten. Über die juristischen Details müssen sich dann die Fachleute 'unterhalten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß nur noch ;einige Bemerkungen zu dem politischen Stil machen, mit ;dem diese Fragen in den letzten Tagen behandelt wurden. Ich bin wirklich zutiefst überzeugt, daß die Form schlecht war, in der diese außenpolitische Aussprache vom heutigen Tage in der Öffentlichkeit vorbereitet wurde. Heute ist wieder davon gesprochen worden, daß die Verfassungswidrigkeit der Vorschläge, die hier gemacht worden sind, geprüft werden muß, daß Herr Bahr — so war es jedenfalls in der vorigen Woche — nicht ausreichend für seine Funktion sei. Es geht nicht darum, daß hier etwas geäußert worden ist. Es geht nicht darum, daß Sie in der Öffentlichkeit Ihre Meinungen zu diesen Fragen sagen. Es geht einfach darum, 'daß mit Herrn Bahr ein Mann angegriffen wurde, der gar nicht selbst hier dazu Stellung nehmen konnte, und das bedauern wir. Es wäre gut, wenn wir in den nächsten Wochen nicht Ähnliches erleben, wenn die Gespräche in Ost-Berlin beginnen. Auch die Gegner der Politik der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen sollten sich vor Vokabeln hüten, die vielleicht für eine kurze Zeit den innenpolitischen Beifall wecken, die aber den deutschen Interessen mehr schaden als nützen. Es sollte 'endlich aufhören — und das sage ich mit aller Deutlichkeit, meine verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU —, daß Sie die Deutschlandpolitik als innenpolitisches Hauptkampfinstrument benutzen; denn das ist das schlechteste, was der Deutschlandpolitik, was der Ostpolitik überhaupt passieren kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

— Daß Sie darüber lachen, zeigt mir, daß es Ihnen eben mehr darum geht, mit der Deutschlandpolitik innenpolitisch zu wirken, als in der Sache selbst einen Schritt weiter zu kommen. Uns geht es um die Sache und nicht um die innenpolitische Auseinandersetzung mit diesen Fragen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, Kollege Barzel hat davon gesprochen, es bestehe die Gefahr, daß, wenn andere Staaten die DDR anerkennen würden, das als Verzicht auf das Selbstbestimmungsrecht ausgedeutet werden könnte; so sagten Sie 'heute vormittag. Ja, verehrter Herr Kollege Barzel, wenn das so wäre, daß eine diplomatische Anerkennung eines Staates durch einen anderen gleichzeitig bedeutet, daß man seine eigene Auffassung über das Selbstbestimmungsrecht für die Betreffenden in. diesem Land aufgibt, dann hätte das natürlich weitgehende Konsequenzen für viele diplomatische Beziehungen, die wir haben. Daran denken Sie doch wohl nicht. Sie werden mir entgegenhalten: Aber es ist doch ein Unterschied in den beiden Teilen Deutschlands, ob da das Selbstbestimmungsrecht aufgegeben wird oder nicht. Ich antworte Ihnen darauf: mit der Gleichberechtigung der beiden deutschen Staaten durch vertragliche Abmachungen wind das Selbstbestimmungsrecht nicht aufgegeben, aber die Chance, daß die Freiheitsrechte in der DDR stärker beachtet werden als heute, ist größer, wenn wir zu einer Normalisierung kommen, als wenn wir es bei dem verhärteten Zustand lassen, den wir heute haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß darauf hinweisen, daß in dieser Debatte, insgesamt gesehen, deutlich geworden ist, daß die Koalitionsfraktionen hinter der Bereitschaft der Regierung stehen, ins Gespräch zu kommen, das, was die Regierung vorhat, abzudecken. Dabei darf ich an ein Wort von Thomas Dehler erinnern, das er hier am 28. Januar 1958, vor zwölf Jahren, gesagt hat. Er sagte damals:
Wir wollen den Eisernen Vorhang nicht anerkennen, sondern wollen uns leidenschaftlich dagegen wenden. Wir wollen das Gespräch. Wir wollen diesen Eisernen Vorhang durchstoßen. Wir suchen das Gespräch mit den deutschen Menschen drüben.
Dieses Wort möchte ich heute ergänzen. Wir suchen bewußt das Gespräch mit Moskau, Warschau und Ost-Berlin im Interesse und zum Wohle des gesamten deutschen Volkes. Uns dabei zu unterstützen, wäre eine Aufgabe der Opposition, die insgesamt allen nützlich sein kann. Dazu sind Sie aufgerufen, und wir würden uns freuen, wenn Sie das endlich richtig erkennen würden.

('Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603323300
Das Wort hat ;der Herr Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0603323400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat muß man sich fragen, worin der Sinn liegt, daß wir nun schon seit heute morgen, 9 Uhr, eine deutschland- und ostpolitische Debatte führen, obwohl in den letzten Wochen wirklich nichts Neues stattgefunden hat und wir immer noch in der Vorphase der Verhandlungen sind. Insofern können wir Sozialdemokraten dem voll zustimmen, was 'unser Kollege Schröder in einem Interview des Saarländischen Rundfunks gesagt hat. Ich möchte das hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Herr Kollege Schröder sagte:
Ich halte es nicht 'für 'gut, jedenfalls für den Politiker, wenn diese Reise
— es geht also um die Reise nach Ost-Berlin — mit allzuviel schwerem Gepäck vorbefrachtet wird. Jedes Wort, das vorher gesagt wird, kann sich möglicherweise als eine Behinderung des Gesprächs auswirken. Und das sollte man nicht tun. Es ist nicht Sache der Opposition, das zu tun. Die Opposition hat ihren grundsätzlichen Standpunkt vorher klargemacht.
Wir Sozialdemokraten können 'das voll unterstreichen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und wir möchten hier deutlich machen, daß diese Debatte insofern hoffentlich nicht allzu viel Vorfracht für das, was in Ost-Berlin zu besprechen sein wird, geliefert hat. In jedem Fall kann man nicht



Dr. Apel
behaupten, daß das, was die Opposition heute morgen hier versucht hat, für diese Gespräche hilfreich war.
Herr Präsident, ich möchte ein zweites Zitat anbringen. Herr Kollege Kiesinger hat sich hier mit bewegten Worten darüber beklagt, daß die Opposition nicht in genügendem Maße informiert worden sei. Sie haben das mit dem Argument begründet: Mehr Demokratie - wo ist sie, denn nun eigentlich? — Sie selbst, Herr Kollege Kiesinger, haben zu diesem Thema 1958 — ich gebe zu, ich war zu der Zeit gerade eben in die SPD eingetreten, aber immerhin — gesagt — ich zitiere wörtlich aus dem Protokoll vom 23. Januar 1958 —:

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Ich kenne meine Sünden!)

Das ist einfach die Übung, und zwar deswegen, weil überall in der Welt die Regierungen das Recht haben, Außenpolitik zu machen, und das Parlament sich darauf beschränkt, die Regierung dabei zu kontrollieren.
Sie haben dann süffisant hinzugefügt und haben dabei die Heiterkeit des Hauses erregt, wie im Protokoll festzustellen ist, man könne sich ja eine andere Regierung suchen, wenn einem das nicht passe.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Mit größtem Vergnügen!)

Auch das müssen wir hier mit allem Nachdruck sagen: Sie haben leider nicht die Mehrheit, das ist das Traurige für Sie.

(Abg. Wehner: Was heißt hier „leider"? Gott sei Dank, die haben sie lange genug gehabt!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0603323500
Herr Kollege Dr. Apel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Guttenberg?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0603323600
Herr Kollege Apel, ist es nicht so, daß das Verlassen einer zwanzig Jahre lang gemeinsam von diesem ganzen Haus getragenen Rechtsposition mehr ist als lediglich ein Akt der außenpolitischen Routine?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0603323700
Ja, aber Herr von Guttenberg, Sie haben Ihre Argumentation doch nun schon mindestens zweimal in diesem Hause darstellen können, und insofern hat sich inzwischen wirklich kein neuer Tatbestand ergeben. Und ich stütze mich auf die Ansicht, die Herr.. Kiesinger als Jugendsünde bezeichnet, nämlich daß es jetzt die Aufgabe und die Stunde der Exekutive ist, ihre Verantwortung wahrzunehmen und ohne Vorbefrachtung, wie es Herr Schröder sagt, in diese Gespräche hineinzugehen.
Meine Damen und Herren, ich möchte eine weitere Bemerkung machen. Ich verstehe auch nicht die Kassandrarufe hier in diesem Hause von seiten der Opposition, denn natürlich wird dieses Haus am Ende dieser langen Phase ostpolitischer Verhandlungen — und es wird nicht darum gehen, schnell voranzukommen, und es kann nicht darum gehen, schnell zu Ergebnissen zu kommen — entscheiden müssen, ob das, was herausgekommen ist, gut ist oder schlecht ist. Und insofern gibt es auch hier keine Notwendigkeit, irgendwie in Panik zu machen und zu meinen, es führen Züge ab, die nicht mehr zu bremsen sind. Denn — das müßte zum Kollegen Strauß gesagt werden — wir stehen eben nicht unter Zeitdruck, und wir stehen auch nicht unter Erfolgszwang. Der Herr Bundeskanzler hat sehr deutlich gemacht, mit wie wenig Illusionen, aber mit wieviel Dynamik er dennoch an diese Dinge herangeht.
Sie, Herr Kiesinger, und auch Herr Strauß haben es als eine große, bedenkliche Vorleistung bezeichnet, daß wir von der DDR als einem Staat sprechen. Ich unterstreiche, daß das keine Vorleistung ist. Auch das ist bereits in der letzten Debatte gesagt worden. Es ist Tatsachenbeschreibung, an der wir nicht vorbeikommen. Und wenn Sie, Herr Kiesinger, meinen, das verwirre die Gemüter weltweit, dann meine ich, daß die Politik, die Sie versucht haben, nämlich mit einem Phänomen und dessen Repräsentanten zu sprechen, die Gemüter mindestens ebensosehr verwirrt hätte.

(Abg. Baron von Wrangel: Es gibt auch Umwege, Herr Kollege Apel!)

— auch nicht auf. Umwegen — hineinschlittert. Hierzu ist ein deutlicher Willensakt notwendig, und Herr Mischnick hat ja auf die Regierungserklärung hingewiesen. Dort sind dazu klare Aussagen enthalten.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Aber es gibt den Anstoß für Drittstaaten, Herr Apel!)

Auf der anderen ,Seite müssen wir die Debatte um den zweiten deutschen Staat mit einer größeren Realistik sehen. Beide Seiten müssen wissen, daß es Positionen gibt, die nicht verrückbar sind, denn wir werden uns in den Verhandlungen eben nicht heraustreiben lassen laus den Festlegungen des Grundgesetzes. Wir werden nicht bereit sein, am Grundgesetz irgendetwas zu verändern. Wir haben im Bericht zur Lage der Nation unterstrichen, daß wir Wert darauf legen, daß die Dreimächteverantwortung für West-Berlin und die Bundesrepublik und für Deutschland als ganzes — so heißt es dort — erhalten bleibt, und wir unterstreichen immer wieder, daß wir Mitglied der NATO und Mitglied der EWG sind.
Insofern gibt es hier feste Positionen, die es allerdings auf der anderen Seite, meine Herren von der



Dr. Apel
CDU/CSU, auch gibt. Hier gibt es eine Verfassung der DDR, die im übrigen sogar auch von Wiedervereinigung spricht; hier gibt es Vorbehaltsrechte der UdSSR, was die Viermächteverantwortung anlangt; hier gibt es Comecon und Warschauer Pakt.

(Abg. Stücklen: Breschnew-Doktrin!)

Wenn man die ganze Diskussion um ,,.Anerkennung — ja oder nein?" — betreiben will, dann muß man diese beiden Positionen auch sehen, diese beiden Positionen, in denen keine der beiden Seiten bereit sein wird, sich aus ihrer Position — unsere Position habe ich skizziert, die andere, die der DDR, ist deutlich — heraustreiben zu lassen. Insofern habe ich volles Verständnis dafür, daß in der Diskussion eben auch über die Fragen der Anerkennung und ihrer Bedeutung für diese Verhandlungen etwas gesagt und versucht wird, Konstruktionen zu finden, die diese Schwierigkeiten vielleicht überbrücken oder auch nicht.

(Vorsitz : Vizepräsident Dr. Schmid.)

In jedem Falle ist das eine sehr ernsthafte Diskussion, der wir uns auch in diesem Hause stellen müssen.
Was die Reise des Herrn Bundeskanzlers nach Ost-Berlin anlangt, sind wir Sozialdemokraten der Meinung, daß wir natürlich darauf achten müssen, in welchem Rahmen, mit welchem Dekor, mit welchen äußeren Gegebenheiten diese Reise bedacht wird. Aber — das muß zu Herrn Strauß gesagt werden — wir lehnen es ab, Fragen des Protokolls, Fragen des Roten Teppichs oder andere Probleme zur zentralen Argumentation machen zu lassen.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Das hat Herr Strauß auch nicht gemacht!)

— Nun, Sie kennen die Äußerung von Herrn Strauß; ich will sie nicht vertiefen. Denn ich bin nicht dazu da, für Herrn Strauß hier Schleichwerbung zu betreiben; er tut es schon genügend selbst.

(Abg. Dr. Barzel: Dann sind Sie schon etwas erfahrener als Herr Wischnewski!)

Was also die Reise anlangt, so werten wir die Tatsache, daß es jetzt diese Einladung gibt und daß es Vorgespräche gibt, als ein positives Zeichen, wenn nicht sogar als einen gewissen Erfolg dieser Politik. Wir haben ja alle gelesen, wie sehr Herr Ulbricht doch eigentlich gezögert hatte, in diese Gespräche einzutreten. Das heißt nicht, daß wir uns irgend etwas erwarten, daß wir jetzt hoffen, es ginge schnell voran. Wir wissen um den dornigen Weg. Aber wir sollten doch anmerken, daß hier ein neues Element — nachdem wir zuvor nichts erhoffen durften — nach der Pressekonferenz von Herrn Ulbricht festzustellen ist.
In der Debatte heute morgen ist auf Äußerungen in der DDR Bezug genommen worden, insbesondere auf eine Rede von Herrn Honnecker. Wir Sozialdemokraten denken nicht daran, an dieser Stelle dazu irgend etwas zu sagen, weil das die Gespräche nur vorbelasten würde. Allerdings meine ich eine Bemerkung machen zu sollen, und das ist die, daß auch die Führung der DDR wissen soll und muß, daß
es eine einheitliche Bundesregierung gibt, einheitliche Koalitionsfraktionen, und daß in diese Regierung auch Helmut Schmidt, der heute morgen in einem Zitat angesprochen wurde, hineingehört und daß er unser volles Vertrauen genießt, Mitglied dieser Mannschaft ist, und daß, wenn man versuchen sollte, Sozialdemokraten nach gewissen Güteklassen zu sortieren, es keinen Erfolg geben kann.

(Zustimmung bei der SPD. — Abg. Dr. MüllerHermann: Das machen Sie umgekehrt!)

Wir haben heute morgen mit großer Spannung auf die Rede von Herrn Barzel gewartet. Denn als ich heute morgen im Hause Kaffee trank, verkündete der Westdeutsche Rundfunk, der Herr Barzel würde zweierlei tun, erstens große politische Linien darstellen, eine Art Kontrastprogramm — so wenigstens der WDR — zur Ost- und Deutschlandpolitik der Bundesregierung, und zum zweiten würde er darstellen, daß es doch eine einheitliche Konzeption bei den beiden Oppositionsgruppierungen gebe. Wenn ich genau hingehört habe, muß ich sagen, Herr Barzel, daß wir das eigentlich doch nicht festgestellt haben. Denn Sie haben zwar — —

(Abg. Dr. Barzel: Es tut mir leid, daß das an Ihnen vorbeigegangen ist!)

— Das mag durchaus sein. Sie haben sehr viel Wortgeklingel geliefert, sehr viel Phraseologie — nach meinem Geschmack —, aber sehr wenig praktische Aussagen.

(Abg. Dr. Barzel: Aber das ist doch, Herr Apel — —! Warum hat denn der Bundeskanzler darauf geantwortet?)

— Lassen Sie mich versuchen, das in einzelnen Punkten darzustellen. Die Regierungserklärung von Herrn Kiesinger hat am 13. Dezember 1966 sehr deutlich ausgesprochen, daß wir Polens leidvolle Geschichte kennen und daß wir Verständnis dafür haben, und zwar wachsendes Verständnis, daß Polen endlich in einem Staatsgebiet mit gesicherten Grenzen leben will und daß wir das um so besser begreifen, als wir selbst ein geteiltes Volk sind. Wenn das aber so ist, Herr Kollege Barzel, dann geht es bei dem, was in Warschau verhandelt wurde und noch verhandelt werden wird, eben nicht um Formeln, sondern — basierend auf dieser Erklärung — um die Notwendigkeit, in dieser Frage zu einer gewissen Regelung zu kommen, mit der beide Seiten leben können. Sie muß deutlich machen, daß wir eben dieses Verständnis haben, von dem Herr Kiesinger am 13. Dezember 1966 gesprochen hat.

(Abg. Dr. Barzel: Und von dem ich heute wieder gesprochen habe! Das bezeichnen Sie dann heute als Phraseologie!)

Dann können Sie, Herr Kollege Barzel, dieser Diskussion auch nicht ausweichen, indem Sie von der Durchlässigkeit von Grenzen und von Rechten der Minderheiten sprechen. All das sind Themen, die vielleicht in den Zusammenhang hineingehören. Aber dem zentralen Thema, nämlich der Grenzfrage, weichen wir damit nicht aus, wenn wir echte Verhandlungen wollen.




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603323800
Eine Zwischenfrage, Herr Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0603323900
Herr Kollege, hätten Sie, nachdem Sie Herrn Bundeskanzler Kiesingers Erklärung vom 13. Dezember 1966 vorhin zitiert haben, die Freundlichkeit festzustellen, ob der Satz, den Sie hier nicht zitiert haben, ebenfalls noch gilt, nämlich der Satz:
Die Grenzen eines wiedervereinigten Deutschlands können nur in einer frei vereinbarten Regelung mit einer gesamtdeutschen Regierung festgelegt werden, einer Regelung, die die Voraussetzung für ein von beiden Völkern gebilligtes dauerhaftes und friedliches Verhältnis guter Nachbarschaft schaffen soll.
Gilt dieser Satz auch heute noch?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0603324000
Ich will den Verhandlungen, die in Warschau laufen, nicht vorgreifen.

(Aha-Rufe bei der CDU/CSU.)

Ich gehe aber davon aus, daß es darauf ankommt, eine für beide Seiten befriedigende Formulierung zu finden.

(Abg. Schulhoff: Das ist doch eine Phrase! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Augenblick! Ich könnte mir deswegen vorstellen, daß wir mit diesem Satz dort nicht durchkommen. Ich wäre dann auch bereit zu überdenken, ob das heute noch meine Position ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603324100
Eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603324200
Herr Kollege Apel, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Forderung nach Durchlässigkeit der Grenze ein Ausweichen vor dem Problem sei? War das Ihre These?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0603324300
Ja.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603324400
Dann beklage ich diese Kritik an der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Willy Brandt, der am 14. Januar diese Forderung der Opposition übernommen und von der Durchlässigkeit der Grenze als einer unerläßlichen Forderung gesprochen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0603324500
Herr Kollege Barzel, natürlich geht es auch um diese Frage.

(Aha-Rufe bei der CDU/CSU.)

Aber wenn wir jetzt mit Polen verhandeln, geht es vorrangig um die Grenzfrage.

(Abg. Dr. Barzel: Wenn er es sagt, ist es ernst, wenn ich es sage, nicht!)

— Herr Barzel, was soll denn das? Ich hatte mir
einen Zettel zurechtgelegt, auf dem steht: „Sei nett
zur CDU!" Sie haben nämlich beim letztenmal gesagt, ich sei zu frech gewesen. Ich werfe den Zettel gleich weg.

(Heiterkeit. — Abg. Stücklen: Das ist auch nötig, denn Sie handeln nicht danach!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen weiteren Widerspruch aufmerksam machen. Herr Kollege Strauß hat gesagt, wir könnten tun, was wir wollten; wir könnten Opfer bringen, so viel wir wollten: all das sei Unsinn — ich versuche wörtlich zu zitieren, wie ich es mitgeschrieben habe —, denn um keinen Preis gebe es für die DDR das österreichische Modell. Herr Kollege Kiesinger, wenn das die Aussage von Herrn Strauß ist, widerspricht sie Ihrer Aussage. Denn Sie sprechen von Opfern, von großen Opfern, und erhoffen sich von diesen Opfern etwas. Dann gibt es hier einen deutlichen Widerspruch. Denn entweder bringen diese Opfer etwas oder sie sind vergeblich.
Wir sollten von dieser Art der Debatte wegkommen.

(Abg. Stücklen: Ja, das wäre gut!)

— Sie haben doch diese Debatte angeregt, nicht wir.

(Abg. Stücklen: Nein, ich meine: von dieser Art!)

Wir sollten ,das tun, was Herr Kiesinger am 17. Juni 1967 gesagt hat, nämlich daß wir endlich wegkommen müßten von glatt eingespielten Denkgewöhnungen, einem bequemen Formelkult, der das tönende Wort, Herr Barzel, an die Stelle mühsam politischen Denkens und Handelns setzt. Das ist die Situation, in der sich diese Bundesregierung zur Zeit befindet. Sie ist von dem „tönenden Wort" weggekommen. Sie ist in der Phase des mühsam politischen Tastens und Versuchens. In dieser Phase ist es einfach unzulässig, hier oder draußen im Lande so zu diskutieren, als gebe es gute und bessere Deutsche.
Der bequeme Weg hat sich als nicht gangbar erwiesen. Er ist in 20 Jahren gescheitert. Es bleibt, wenn wir den Auftrag des Grundgesetzes und unseren Willen, den Frieden in Europa sicherer zu machen, erfüllen wollen, nur noch der unbequeme Weg. Ich bewundere den Bundeskanzler, weil er diesen unbequemen Weg geht. Denn es wird ein sehr 'unbequemer Weg nach Ost-Berlin sein.
Angesichts der Tatsache wäre es gut, meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie das beherzigten, was Herr Schröder im Saarländischen Rundfunk gesagt hat: Wir sollten diesen Weg der Bundesregierung in den nächsten Wochen nicht befrachten mit Vorbedingungen, mit Argumenten, mit Peinlichkeiten, mit unsauberen Vokabeln, denn das wird eines Tages auch auf Sie, die Sie für Deutschland auch Verantwortung tragen, mit zurückschlagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603324600
Das Wort hat Herr Bundesminister Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0603324700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!



Bundesminister Dr. Ehmke
Da sich auf der Rednerliste als nächster ein Kollege der CSU eingetragen hat, möchte ich ihm die Gelegenheit geben, gleich auf das zu antworten, was ich auf zwei Bemerkungen von Herrn Kollegen Strauß zu sagen habe, die er heute morgen gemacht hat, betreffend die Debatte der vergangenen Woche. Er hat gemeint, daß ich in zwei Dingen dem Hause etwas Unrichtiges berichtet habe.
Einmal in der Frage, wie viele nichtpolitische Beamte im beamtrechtlichen Sinne „Briefe" bekommen hätten, mit denen sie von der Funktion entbunden worden seien; das seien zwanzig gewesen und nicht zwei. Hier ist Herr Strauß ein Opfer seiner unpräzisen Fragestellung. Die Frage war, wie viele der nichtpolitischen Beamten solche Briefe bekommen haben. Heute hat Herr Strauß dagegen irgend etwas von „Umfuktionieren" gesprochen, in Aufnahme von APO-Terminologie. Die Frage der vergangenen Woche habe ich beantwortet. Es kann. sein, daß ich einen Herrn vergessen habe, nämlich

(Zuruf)

— Vorsicht, Herr Stücklen, Vorsicht! — Herrn Ministerialdirigenten Neusel, den ich auf Bitten der CDU dem Herrn Altbundeskanzler Kiesinger zur Verfügung gestellt habe.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Der zweite Vorgang betrifft die drei Nachrichtenmanipulationen, die ich in der vergangenen Woche hier ausgebreitet habe. Es ging um den Fall Bahr, um die Frage „Lage der Nation" und um die Bremer Vorgänge im Anschluß an die Äußerungen von Herrn Ahlers. Nur ein Vorgang ist aufgegriffen worden, und zwar in der „Bild am Sonntag" vom 22. Februar. Da wird behauptet, daß die Darstellung, die ich hier gegeben habe, gestützt auf den Polizeibericht von Bremen, unrichtig sei. Herr Strauß hat sich heute beeilt, hier die Version von „Bild am Sonntag" zu vertreten. Das hat er übrigens mit Vorwürfen gegen die Bremer Polizei verbunden, die ich eigentlich nicht machen würde, wenn ich andererseits so sehr den Aspekt der inneren Sicherheit unterstreiche, wie Herr Strauß das getan hat. Dann sollte man auch die Arbeit der Polizei ernstnehmen. Ich habe keinen Grund zu glauben, daß die Darstellung der Bremer Polizei weniger glaubwürdig ist als die Darstellung der „Bild am Sonntag" . Ich wiederhole hier: Die Darstellung in „Bild am Sonntag" war in allen den Punkten falsch, wie die Gegenüberstellung von Herrn Ahlers gezeigt hat. Für den Bremer Senat hat der Anwalt heute den Verlag des Blattes aufgefordert, eine Gegendarstellung zu bringen. Er hat mir mitgeteilt, daß er diese Gegendarstellung notfalls auch gerichtlich durchsetzen will. Ich wäre also dankbar, wenn dem abwesenden Herrn Strauß berichtet werden könnte, daß er sich in diesem Streit vielleicht etwas voreilig auf die Seite von „Bild am Sonntag" gestellt hat.
Schönen Dank.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603324800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becher. Seine Fraktion hat für ihn 20 Minuten Redezeit beantragt.

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0603324900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der schnelle, rasante Ablauf der Ereignisse und die Widersprüchlichkeit in so manchen Aussagen in der Dission der letzten Wochen mache es meiner Meinung ach erforderlich, daß hier einmal auch ein Sprecher derjenigen Deutschen zu Wort kommt, auf deren Kasten im wesentlichen, möchte ich sagen, die neue Ostpolitik durchgeführt werden soll, also der Deutschen, bei denen es wirklich nicht um Formeln, sondern um die Heimat geht, in der sie geboren wurden.
Es ist sehr einfach, über die Millionenmasse der Deutschen, die unter Raub und Mord und Totschlag und unter Zurücklassung ihres gesamten Eigentums aus ihrer Heimat vertrieben wurden, einfach mit dem Hinweis darauf zur Tagesordnung überzugehen, das sei eben eine Folge des verlorenen Krieges, diese Realität müßten wir anerkennen, respektieren oder zumindest in unsere Deutschland- und Ostpolitik einkalkulieren. Ich meine, diese Rechnung ist falsch ud eine Rechnug ohne den Wirt.
Liegen, so möchte ich fragen, Schuld und Verantwortung nicht auch auf seiten derer, ,die sich damals — denken wir an den Hitler-Stalin-Pakt — zu einem Teufelsbund zusammengefunden haben? Ist der von beiden ausgelöste Eroberungsfeldzug nicht heute noch gegen die ganze freie Welt im Gange? Und sind die unmittelbar betroffenen Deutschen, um deren Hab und Gut und Boden es in erster Linie geht, im heutigen Zusammenhang nicht auch als eine Realität anzuführen? Ist man des Glaubens, daß ein Volk oder eine Volksgruppe im Laufe von wenigen Jahrzehnten einfach so dahinschmilzt? Kann man das Ethos unseres Volkes, des Staates gesund erhalten, wenn man zuläßt, daß man jene denunziert und schmäht und herabsetzt, welche sich einer Verpflichtung verbunden fühlen, die letztlich den inneren Kitt unseres ganzen Gemeinwesens ausmacht?
Ich glaube, man kann nicht der Meinung sein, daß dann, wenn die Rechts- und Verfassungstreue dieser Deutschen dahinschmilzt, nicht auch die Gefahr besteht, daß die Bundesrepublik als ganzes ins Wanken kommt und einer Zeit zustrebt, in der sie sich eben nicht, wie der Herr Bundeskanzler in seiner Rede zur Lage der Nation sagte, selbst anerkennt, sondern in .der die Gefahr besteht, daß sie sich selbst aufgibt. Niemand will hier — ich möchte das betonen — gegen den Strom schwimmen oder kein Opfer für das Ganze und für die Freiheit bringen. Aus der Rede des Herrn Bundeskanzlers möchte ich in der Tat die Erklärung herausgreifen, er handele für die Freiheit und Sicherheit der Deutschen, der Bundesrepublik, aller Deutschen, wo immer sie leben; es gehe daher nicht um Ostpreußen, um Schlesien, um die deutschen Ostgehiete. Ich möchte das unterstreichen. Ich bin der Meinung, daß jeder verantwortliche Bundeskanzler so handeln muß. Die Frage ist nur, ob man durch die Aufgabe verbriefter Rechte auf deutsche Gebiete die Sicherheit und die Freiheit der Bundesrepublik schwächt oder stärkt.
Ich meine, man sollte den Menschen aus diesen Gebieten auch nicht unterschieben, sie würden nationalistische oder deutschnationale Ziele anstre-



Dr. Becher (Pullach)

ben. Ich glaube unterstreichen zu können, daß niemand hier im Hause und niemand aus den Reihen derer, über die ich hier spreche, der Meinung ist, unsere Zukunft könne von einer Wiederkonstituierung eines großdeutschen Reiches oder irgendeiner ähnlichen Kombination abhängen. Es wird in der Zukunft weder ein großdeutsches noch ein großenglisches noch ein großfranzösisches Reich geben. Wir alle sind felsenfest davon überzeugt, daß die Aussöhnung mit allen Völkern Europas nur im Rahmen einer Partnerschaft freier Völker und Volksgruppen in Europa möglich ist.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Aber ich glaube, diese Aussöhnung ist von vornherein auf Sand gebaut, wenn man sie unter Ausschaltung der Deutschen erreichen will, um die es hier geht. Meiner Meinung nach ist eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den Deutschen in Mitteleuropa und ihren östlichen Nachbarn nur möglich, wenn man Entwicklungen anstrebt, die beiden Teilen Recht und Gerechtigkeit bringen. Ich meine also, es ist in der Tat zu fragen, ob die Opfer, die man diesen Deutschen abverlangt, zur Freiheit von uns allen, zur Sicherung unserer freiheitlichen Zukunft hinführen.
Ich will hier noch einmal ein Problemgebiet anschneiden, das heute schon diskutiert worden ist. Viele Menschen, vor allem unter den besonders Betroffenen, Herr Bundeskanzler, sind darüber erschrocken, daß man in einer gewissen Leichtigkeit Gegebenheiten des Rechtszustandes zu relativieren, herunterzuspielen, beiseite zu schieben bereit ist. In der Tat geht die Alternative „hie Politik, hie Rechtspositionen" wie ein roter Faden durch so manche Erklärungen der Regierungsseite.
Was heißt es denn, was wir heute so oft wieder hörten: Rechtskampf, Rechtsvorbehalte seien kein Ersatz für Politik? Was heißt das, man könne politische Lösungen nicht mit rechtlichem Formelkram erreichen? Und was heißt dieses so prägnant über das Fernsehen ausgesprochene Wort des Herrn Bundeskanzlers, die Weltgeschichte sei kein Amtsgericht? Ich meine natürlich, man soll dieser Formel nichts Böswilliges unterschieben. Das tue ich auch nicht. Aber ich glaube, ein Bundeskanzler der Bundesrepublik muß sich im klaren sein, daß er mit solchen Formeln Mißtrauen genau bei jenen erweckt, die ganz besonders an den Rechtspositionen hängen, die für sie mehr bedeuten als nur Formeln. Er muß sich im klaren sein, daß diese Herabwürdigung der Rechtspositionen, der Rechtsstandpunkte eine Eskalation der rechtlichen Selbstaufgabe einleiten kann, die immerhin eine Gefahr für uns wäre.
Ich darf auch von mir aus noch einmal darauf verweisen, daß Tatbestände vorliegen, die diese Eskalation unterstützen. Der Herr Bundeskanzler hat hier von Selbstbestimmung gesprochen. Er hat davon gesprochen, daß für ihn die völkerrechtliche Anerkennung nicht in Frage kommt. Aber wir haben dann — das ist in der Zwischenzeit, in der Zeit seit der letzten außenpolitischen Debatte geschehen — die Formel des Herrn Kollegen Wehner gehört, der diese Behauptung sehr relativierte, indem er sagte, daß die Ablehnung der völkerrechtlichen Anerkennung keine absolute Angelegenheit sei.
Ich darf hier vielleicht ganz wörtlich das zitieren, worauf auch Herr Dr. Kiesinger schon hinwies. Ich meine, nicht, daß Herr Günter Gaus ein Präzeptor Germaniens. ist. Aber ich glaube doch, daß er einigermaßen Verbindungen zu den Persönlichkeiten hat, die hier Verantwortung tragen. Er schreibt heute im „Spiegel" in seiner Diskussion über die Reise des Bundeskanzlers nach Ost-Berlin:
Ohne Täuschung und Selbsttäuschung aber gehört zur jetzigen Bonner Ostpolitik die Einsicht, daß am Ende die unmißverständliche Anerkennung der DDR steht, eine Anerkennung,
— wie er sich ausdrückt —
an deren Eindeutigkeit dann nur noch berufsmäßige Exegeten des Völkerrechtes akademische Zweifel haben können.
Daraus geht hervor, daß man mit Recht Zweifel darüber haben kann, wohin die Reise führt. Wenn das wahr wäre, was hier ein der Regierungspolitik immerhin sehr nahestehender Journalist schreibt,. dann würde der Bundeskanzler, wenn er nach dem anderen Teil Deutschlands fährt, nicht eine Reise von Amtsgericht zu Amtsgericht antreten, sondern dann würde das die Reise eines Mannes sein, der — wenn das wahr wäre — Rechtsfundamente bereits aufgegeben hat, zu einem Mann, der seinerseits sehr wohl Rechtsfundamente anstrebt, nämlich die Position der Anerkennung der Unrechtszustände in dem von ihm beherrschten Teil Deutschlands.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Sehr richtig!)

In Ihrer Rede zur Lage der deutschen Nation, Herr Bundeskanzler, hat mir am besten der Passus gefallen, mit .dem Sie sich zum Prinzip der Selbstbestimmung bekannt und mit dem kühnen Verlangen der anderen Seite auseinandergesetzt haben, wir sollten eine Volksabstimmung darüber durchführen, ob wir weiterhin dem Westbündnis angehören sollen oder nicht. Ich würde sagen, wenn Sie Verhandlungen führen, schlagen Sie diese Volksabstimmung aller Deutschen vor. Reden wir deutlich — dais versteht die Welt —: Verlangen wir Volksabstimmung aller Deutschen, wo sie leben, über den Status Deutschlands!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Große Teile unseres Volkes verstehen es nicht, wenn man auf der einen Seite von Gewaltverzicht spricht und — das mit guten Gründen tut und anspricht und auf der anderen Seite Rechtsverzichte zumindest anbietet. Gewaltverzicht kann man nicht anstreben, wenn man ihn mit Rechtsverzicht paart. Gewaltverzicht ist entweder die legalisierte Kapitulation oder die Voraussetzung für ,eine Lösung aus dem Recht. Darum geht es.
Ich meine auch, Herr Kollege Dahrendorf, dessen Argumenten ich sehr viel Positives abgewinnen möchte, hat heute nicht so ganz die Rolle des Rechts erfaßt, als er auch seinerseits sagte: ,,Rechtsansprüche sind nicht mehr als die Basis unserer Poli-



Dr. Becher (Pullach)

tik". Ich gehe davon aus. daß das zutrifft. Aber ich meine, wir sollten uns mehr noch, als das bisher geschah, das zentrale Phänomen der Zeit vor Augen halten, in der wir leben. Ich meine damit die Erfindung der atomaren Zerstörungskraft und die dadurch ausgelöste Tatsache, ,daß es Gott sei Dank zu einer Selbstentmachtung der kriegerischen Möglichkeiten weitgehendst gekommen ist.
Diesem atomaren Phänomen steht aber, ich möchte sagen, .ein rechtliches Phänomen gegenüber: Zum erstenmal seit Adam .und Eva werden Gott sei Dank die Entscheidungen nicht auf der militärischen Ebene, sondern auf der politisch-moralischen Ebene getroffen, auf jener Ebene also, wo das Recht eben nicht nur „Juristerei" ist, sondern ein Element des politischen Manövrierens, ein Element der politischen Selbsterhaltung. Deshalb würde ich sagen, es ist ,eine Sünde gegen dieses zentrale Phänomen, wenn wir Rechtspositionen aufgeben, statt sie aufrechtzuerhalten.
Von hier aus gesehen ist auch das viel zitierte Selbstbestimmungsrecht und Recht auf die Heimat eben mehr als nur ein sentimentaler Traum. Von hier aus gesehen sind die Rechte aller Deutschen, auch der Vertriebenen, auch der Ostdeutschen, in der Strategie des Gleichgewichts bedeutungsvoll. Das Recht auf die Heimat ist deshalb auch kein Fossil, wie Herr Klaus Schutz, ,der Regierende Bürgermeister von Berlin, sich auszudrücken pflegt, ein Fossil, das man angeblich in das Museum stellen soll.
Gebe Gott, daß es nicht morgen schon — und ich möchte das von hier aus einmal sagen — Menschen bei uns gibt, die das Recht auf das freie Berlin als Fossil bezeichnen. Ich meine, diese Formulierung des Herrn Schütz war wohl ein Schlag in die eigene Niere, traf .er doch genau jene Gruppen in Deutschland, nämlich die Deutschen aus den Ostgebieten, die sich in der Treue zu Berlin, wie ich glaube, kaum von jemandem übertreffen ließen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Nun muß man sich aber auch fragen: Wofür Aufgabe von Rechtspositionen oder Schwächung von Rechtspositionen? Das ist doch die entscheidende Frage. Der schon zitierte Herr Günter Gaus hat unter dem Titel „Das einfache Konzept" darauf im neuesten „Spiegel" — ich darf dieses ehrenwerte regierungsfreundliche Magazin hier nennen —(Abg. Wehner: Sparen Sie sich diese Verzierungen! Sie sind auch so lästig!)

eine sehr einfache Antwort gegeben. Er hat gesagt, das alles sei deshalb sinnvoll, die Aufgabe rechtlicher Positionen sei sinnvoll, weil man dann im Strom der Ostpolitik schwimmen könne und weil man dann der Entspannungsthese der Sowjets entspreche, die ihre Politik auf der Festigung und Legalisierung des Status quo aufbauten.
Auch wenn Ihnen das nicht lieb ist, Herr Wehner, möchte ich sagen: Genau darin sehe ich den zentralen Irrtum der Denkschule, die davon ausgeht, wir hätten es — nun, ich möchte einmal sagen — mit einem Partner zu tun, dem es lediglich um den Status quo gehe.

(Abg. Wehner: Das haben Sie doch schon bei der Fernsehsendung gesehen, worum es geht!)

Wenn man schon von der Stunde der Wahrheit spricht und wenn man die Realitäten ansprechen will,

(anhaltende Zurufe von der SPD)

dann möchte ich sagen: Die realste der Realitäten ist die Tatsache,

(Zuruf des Abg. Wehner)

daß es den Sowjets eben nicht auf den Status quo ankommt, sondern daß es ihnen darauf ankommt, den Status quo lediglich als Ausgangspunkt für eine offensive Politik nicht nur gegenüber der Bundesrepublik, sondern der gesamten freien Welt zu benützen.

(Zuruf von der SPD: Ja, ja, ja!)

Und in der Tat: Wenn Sie die Dokumente studieren, wenn Sie die Kongresse der östlichen Welt und deren Beschlüsse studieren, dann finden Sie den gesamten Katalog der deutschlandpolitischen Forderungen jeweils immer verbunden, so möchte ich sagen, mit dem weltrevolutionären offensiven Auftrag.

(Zuruf von der SPD: Ja, ja, ja!)

Das ist einfach Wahrheit; das kann man nicht hinwegleugnen. Und wer das deutsche Volk darüber nicht auch aufklärt, macht sich einer Unterlassungssünde schuldig.
So gesehen geht es den Sowjets, wenn sie die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie fordern, nicht um das Wohl Polens, wenn sie Anerkennung des Ulbricht-Regimes fordern, nicht um das Wohl der Deutschen, und wenn sie die Annullierung des Münchener Abkommens wollen, nicht um das Wohl der Tschechen und der Slowaken. Sie rufen hier nach Annullierung national und international verbriefter Rechte und meinen in Wirklichkeit die Annullierung der Freiheit in der Bundesrepublik und in der westlichen Welt. Das ist zumindest eine Tatsache, die man feststellen muß, wenn man die Dokumente zur Kenntnis nimmt. Man muß eben zur Kenntnis nehmen, daß es der anderen Seite nicht um die Formel „Von der Konfrontation zur Kooperation", sondern um die Formel „Von der Konfrontation zur Revolution" geht.
Ich will nicht bestreiten, daß Ihnen das auch bekannt ist. Ich will nicht bestreiten, daß Sie das auch zur Kenntnis nehmen wollen. Die Frage ist nur, wie man sich gegenüber diesem Faktum einer gelenkten politischen Offensive verhalten soll. Wir sind uns darin einig, daß das nur aus der Kraft und aus dem Zusammenhang des westlichen Bündnisses heraus geschehen kann. Was uns unterscheidet, ist lediglich die Methode.
Wir befürchten, daß der Verzicht auf die Wiedervereinigung, wenn er ausgesprochen wird — da und dort ist er ausgesprochen worden —, daß die Anerkennung des Ulbricht-Regimes die Machtbasis nicht nur legalisieren, sondern auch zementieren wird,



Dr. Becher (Pullach)

von der aus nicht nur die Bundesrepublik, sondern das gesamte europäische Feld, das gesamte Westeuropa auf dem Wege über die Durchsetzung der sogenannten sozialen Errungenschaften irgendwie machtmäßig vereinnahmt wenden soll. Die Umkehrung der Hallstein-Doktrin, die Erweiterung der Breschnew-Doktrin auf die Bundesrepublik und auf Europa ist die Gefahr, die wir da vor Augen haben. Das alles könnte geschehen, ohne daß die Mauer vorher beseitigt wird und ohne daß die menschlichen Erleichterungen eintreten, von denen gesprochen wird.
Ich weiß — nehmen Sie das bitte zur Kenntnis —, daß genau die Menschen, um deren Güter, deren heilige Güter, möchte ich sagen, es hier zuvörderst geht, unter dem größten Druck einer Propaganda vom Osten und zum Teil auch von hier aus leben. Aber ich meine, wir werden unter Umständen die Verfassungs-, die Rechts- und die Freiheitstreue dieser Menschen sehr brauchen.
Ich darf hier Matthias Walden zitieren, der ineiner, wie ich glaube, guten Analyse anführte:
Die Freiheit, die wir einmal meinten, wird nun nur noch konsumiert. Als Ideal ist sie einem Wandel durch Annäherung an Diktaturen unterworfen und Erosionen ausgesetzt. Wer heute etwas Vitales über die Freiheit hören will, der muß nach dem Osten lauschen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603325000
Kommen Sie zum Schluß!

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0603325100
In der Tat, möchte ich meinen, ist hier der Ort, daß man einmal 'erinnert an die Freiheit der Völker — etwa der Tschechen und 'der Slowaken —, die seit dem 21. August genau von denen, weiß Gott, bedrängt werden, die sich uns als Träger Ides Gewaltverzichts offerieren.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603325200
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß! Ich habe noch sieben Wortmeldungen 'hier.

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0603325300
Ich habe mir erlaubt, dies hier anzuführen, weil wir der Überzeugung sind, daß es nicht wenige, daß es Hunderttausende und Millionen von Menschen sind, die über viele der aufgeworfenen Fragen Aufklärung verlangen und die .an den 'Bundeskanzler die Bitte richten, den auf Grund dieser Tatbestände vielfach gestörten Glauben an ihn wi'ederherzustell'en durch eine klare, überzeugende Sprache auch denen gegenüber, um deren Grund und Boden und Heimat es in erster Linie geht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603325400
Meine Damen und Herren, Sie kennen die Bestimmung der Geschäftsordnung über die Redezeit. Wir haben noch sieben Redner. Da sie alle miteinander ein Recht darauf haben, gehört zu werden, zwingt mich das, die Bestimmung der Geschäftsordnung strikte wahrzunehmen. Ich werde das tun.
Das Wort hat der Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.

Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm (FDP):
Rede ID: ID0603325500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute morgen hörte ich im Radio die Ausführungen des Herrn Fraktionsvorsitzenden, des Kollegen Barzel, er werde diese Debatte aus Sorge um Deutschland führen. Ich erkenne das an. Aber ich glaube, Herr Dr. Barzel, nachdem wir vor vier Wochen in diesem Hohen Hause eine ausgiebige Aussprache über die Deutschland- und Außenpolitik gehabt haben, wäre es nicht notwendig gewesen, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt die Debatte noch einmal zu führen.
Ich freue mich aber, feststellen zu können, daß bisher in dieser Debatte nichts verschüttet worden ist und auch die Möglichkeiten der Bundesregierung in ihren weiteren Verhandlungen nicht eingeschränkt worden sind. Das war meine Befürchtung, als ich vor unserer Debatte unerfreuliche Töne aus Saarbrücken und Niederbayern hörte. Ich hätte es bedauert, wenn diese Debatte dazu geführt hätte, die Position der Bundesregierung auf den vielen Ebenen, auf denen sie zu verhandeln gezwungen ist, negativ zu beeinträchtigen. Zur Zeit wird im Ost-West-Verhältnis auf fünf Ebenen verhandelt: zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion, zwischen der Bundesrepublik und Warschau, zwischen der Bundesrepublik und der DDR, zwischen Frankreich, England, Amerika auf der einen und Rußland auf der anderen Seite wegen Berlin, und zwar wegen Gesamtberlin, nicht wegen WestBerlin; das ist eine sehr ernste Situation. Außerdem finden Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion über die berühmte SALT-Frage statt; diese Gespräche beginnen wieder Anfang April in Wien. Es wird sehr schwierig sein, diese fünf verschiedenen Ebenen so zu koordinieren, daß im Sinne der Entspannung zwischen Ost und West das maximal Mögliche herauskommt. Wir werden uns zumindest mit unseren westlichen Verbündeten sehr sorgfältig abstimmen müssen, damit keine Überschneidungen erfolgen. Ich hoffe, daß das gelingen wird. Der Herr Bundeskanzler hat in einer seiner Reden gesagt, es werde sehr langwierige Verhandlungen geben, und er hat von den 80er und 90er Jahren im Zusammenhang z. B. mit den Problemen der Teilung Deutschlands gesprochen. Ich hoffe, daß wir in die Lage versetzt werden, die Verhandlungen kurzfristig aufzunehmen bzw. fortzusetzen. Wir sind auf gutem Wege, und ich glaube auch, daß die Verhandlungen der Bundesrepublik mit der Sowjetunion auf gutem Wege sind. Der russische Außenminister ist nach Ost-Berlin gefahren, um dort die Regierung zu informieren. Offenbar liegt der Sowjetunion etwas daran, daß diese Gespräche fortgesetzt werden. Ich habe aber nicht die Illusion, daß dabei kurzfristig Ergebnisse erzielt werden könnten.
Bei den Verhandlungen mit Polen sind wir wohl in der Lage, die hier aufgeworfene Frage der OderNeiße-Linie so zu behandeln, wie sie verfassungs-



Freiherr von Kühlmann-Stumm
rechtlich behandelt werden muß. Ich glaube, daß unser polnischer Gesprächspartner darauf eingehen wird, nachdem neben dieser für ihn sicher sehr wichtigen Frage andere wesentliche Punkte im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen auf der Tagesordnung stehen.
Ich habe Sorgen, und zwar im Hinblick auch auf unsere Politik gegenüber dem Westen. Ich habe Sorgen bezüglich der Situation im Mittelmeer,

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

an der Südflanke der NATO. Ich würde gern erfahren, wie unsere englischen und amerikanischen Freunde über diese Frage denken: Gibraltar, Mers-el-Kebir, Türkei, Griechenland, Italien. Dort entsteht eine Situation, die mir große Sorgen bereitet. Denn unsere Deutschland- und auch unsere Ostpolitik wird nur dann wirksam sein können, wenn sie auf einer sicheren Basis der westlichen Verträge weitergeführt werden kann. Innerhalb der westlichen Verträge spielt für mich nach wie vor das NATO-Bündnis eine ganz entscheidende Rolle. Deswegen glaube ich, daß wir mit unseren westlichen Verbündeten absprechen müßten, wie wir diese Situation bessern und den wachsenden Einfluß der Sowjetunion im Mittelmeerraum einschränken können.
Sorgen habe ich auch bezüglich unserer Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, und zwar im Gegensatz zu dem Herrn Bundeskanzler. Hier sind einige Ereignisse zu verzeichnen. Ich denke an das Röhrengeschäft; ich denke an die Aktion der Bundesbank mit den Schatzanweisungen und an andere Fragen; ich denke an die Besprechung der Atlantikbrücke hier in Bonn, wo uns Herr Senator Percy eine sehr beachtliche Lektion erteilte. Der Herr Bundeskanzler hat dann am Abend sehr zu meiner Freude den Amerikanern mitgeteilt, daß die Bundesregierung nach wie vor die Verträge mit dem Westen als das Rückgrat ihrer Außenpolitik ansieht.
Vom Herrn Bundeskanzler ist als Termin für seine Reise in die USA der April genannt worden. Herr Präsident Nixon ist vor der Sommerpause 1969 hier gewesen. Das erste Parlament, vor dem er gesprochen hat — einschließlich seines eigenen —, war der Deutsche Bundestag. Seitdem ist von maßgeblichen Persönlichkeiten unserer Bundesregierung niemand in Amerika gewesen. Genauso wie ich bei den Ostverhandlungen den Verhandlungen mit der Sowjetunion die Priorität geben würde, halte ich bei unseren Beziehungen mit dem Westen und im Rahmen unserer westlichen Bündnisse die Bindungen mit den Vereinigten Staaten nach wie vor für vordringlich.
Ich hoffe also, daß es dem Bundeskanzler gelingen wird — Herr Nixon hat ja eine sehr beeindruckende Rede gehalten, die Sie heute gelesen haben —, die Dinge in Amerika — es gibt dort verschiedene Gruppen und Schattierungen; Herr Pompidou hat jetzt bei seinem Besuch einige zu spüren bekommen — genauso ins richtige Licht zu setzen, wie es in Frankreich, Dänemark, Norwegen, Indien, Singapur inzwischen von der Bundesregierung geschehen ist.
Ich halte das für sehr dringend; denn ich weiß, daß die Kräfte in Amerika immer mehr zunehmen, die auch in Europa die Truppen schrittweise reduzieren wollen. Ich würde es für sehr bedauerlich halten, wenn ein auch nur stufenweiser Abzug der US-Truppen in einem Zeitpunkt erfolgen würde, an dem wir in den Verhandlungen mit dem Osten, insbesondere mit der Sowjetunion, in eine aktuelle Phase getreten sein werden. Das würde auf jeden Fall unsere Position ganz erheblich schwächen. Man sollte versuchen, die Amerikaner davon zu überzeugen, daß diese Präsenz auch in dieser Stärke notwendig ist, daß wir aber auch bereit sind, unseren Part bei dieser Präsenz der amerikanischen Truppen in Europa zu spielen, und zwar einen echten Part, keinen verschwommenen.
Wir sollten uns darüber klar sein, was uns das außenpolitisch wert sein muß. Auch die Amerikaner werden das erkennen. 'Herr Präsident Nixon hat ja sehr wohlwollend in seiner Rede darauf Bezug genommen.
Hier ist gesagt worden, wir hätten die Wiedervereinigung in Zweifel gezogen. Meine Damen und Herren, die FDP und auch diese Bundesregierung stehen nach wie vor auf der Basis des Grundgesetzes und seiner Präambel; damit es dafür keinen Zweifel gibt. In der Verfassung der DDR steht in Art. 8 eine sehr eindrucksvolle Formulierung über deren Auffassung von Wiedervereinigung. Ich stehe zu dieser Präambel des Grundgesetzes, wie wir selbstverständlich überhaupt zum Grundgesetz stehen. Also dieses Gerede, man habe die Wiedervereinigung abgeschrieben oder diese Forderung werde nur noch verwaschen gestellt, ist einfach nicht richtig. Wir müssen uns nur darüber klar sein, daß die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung, so wie die Väter des Grundgesetzes sie gesehen haben, als sie diese Präambel entwarfen, heute in der Form natürlich nicht mehr gegeben sind. Wir werden andere Wege suchen müssen, um die Zusammenführung der beiden Teile Deutschlands zu erreichen, z. B. auf dem Wege einer Sicherheitskonferenz mit einer anschließenden, späteren europäischen Friedensordnung.
Von der völkerrechtlichen Anerkennung wird hier immer wieder gesprochen. Der Herr Bundeskanzler hat diese Frage in seinen beiden Reden, in der Regierungserklärung und in der Debatte über die Lage der geteilten Nation, erläutert und expressiv verbis festgestellt, wie die Bundesregierung zu der Frage der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR steht. Es gibt doch keine Verzichtpolitik in dieser Frage. Die Schwelle der Anerkennung wird nach Ansicht von Völkerrechtlern — und zwar von völkerrechtlichen Kapazitäten — nur dann überschritten, wenn ein Staat sich ausdrücklich positiv zu diesem Akt bekennt und die Anerkennung erklärt, damit es da auch gar keinen Zweifel gibt.
Daß heute von zwei Staaten gesprochen wird, ist eine Tatsache. Die DDR wird in München anläßlich der olympischen Spiele mit Flagge und Hymne einziehen. Inzwischen haben die Innenminister beschlossen, daß das auch für die übrigen Sportveranstaltungen gelten soll, auf denen die DDR hier auftreten wird. Man soll doch zur Kenntnis nehmen,



Freiherr von Kühlmann-Stumm
daß das so ist, und nicht dauernd um den heißen Brei herumreden. Das hat mit völkerrechtlicher Anerkennung überhaupt nichts zu tun.
Ich möchte auch hier noch einmal ganz klar sagen: Wir verschenken nichts, wir versilbern nichts, wir veranstalten auch keinen Ausverkauf deutscher Interessen.
Ich habe jetzt gerade einen kleinen, sehr bescheidenen Wahlkampf hinter mir, bei dem ich eine ganze Menge Menschen gesehen und gesprochen habe. Ich kann Ihnen sagen: diese Reise des Herrn Bundeskanzlers ist sehr, sehr populär draußen, und man freut sich, daß endlich gesprochen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Man ist sich völlig klar, daß das nicht in einem Zuge zu einem Erfolg führen wird. Aber man hofft, daß diesem Spitzengespräch andere Gespräche folgen werden, letzten Endes mit dem Ziel, das Los der Menschen in beiden Teilen Deutschlands — denn wir leiden unter der Spaltung ebenso wie die Menschen jenseits der Mauer — zu erleichtern. Ich kann nur sagen: Meine Fraktion wünscht dem Herrn Bundeskanzler viel Glück und Erfolg auf dieser Reise im Interesse der Menschen im geteilten Deutschland.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603325600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Haack.

Dr. Dieter Haack (SPD):
Rede ID: ID0603325700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir über Deutschlandpolitik diskutieren, sowohl hier in diesem Hohen Hause als auch draußen im Land, dann geistern immer noch drei Begriffe durch die Diskussion, wie wir es auch heute teilweise, ganz besonders bei Herrn Kollegen Becher vorhin, gehört haben: Aufgaben von Rechtspositionen, Anerkennung von Unrechtstatbeständen; illusionäre Ziele dieser Politik; falsche Analysen dessen, was im Osten gewollt und geplant ist.
Meine Damen und Herren von der Opposition, man muß oft fragen, ob die Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers vom 28. Oktober 1969 zu wenig gelesen wird. Ich glaube, viele vergessen, daß diese Regierungserklärung gilt. Es sollte mehr auf die Regierungserklärung vom Oktober 1969 hingewiesen werden als auf andere, frühere Regierungserklärungen. Dort steht doch deutlich:
Wir sind frei
— und das gilt nicht nur für die Regierung, sondern, wie ich glaube, auch für die Parteien dieses Hauses —
von Illusionen, zu glauben, das Werk der Versöhnung sei leicht oder schnell zu vollenden. Es handelt sich um einen Prozeß; aber es ist an der Zeit, diesen Prozeß voranzubringen.
Also keine Illusionen.
Und was heißt hier „falsche Analyse"? Diese Bundesregierung und die Parteien dieses Hauses, die diese Bundesregierung unterstützen, gehen davon aus, daß zu einer richtigen Analyse auch eine richtige Tatsachenbeschreibung gehört, und das heißt eben, daß wir heute in Deutschland auf Grund der Entwicklung der letzten 25 Jahre zwei deutsche Staaten haben. Auf diesem Hintergrund einer meiner Ansicht nach richtigen Analyse und Einschätzung wird das Ziel dieser Regierung deutlich, nämlich den Versuch, den in der Tat schwierigen Versuch zu unternehmen, zu einer Kooperation zwischen West und Ost und darin eingeschlossen auch zu einer Kooperation der beiden deutschen Teilstaaten zu kommen.
Es gibt für uns Deutsche, wenn wir die Dinge objektiv betrachten, zu dieser Politik keine Alternative. Wenn heute früh von der Opposition gesagt worden ist, es sei nicht Sache und Aufgabe der Opposition, hier eine Alternative zu bieten, so möchte ich dazu nur bemerken: wenn diese Opposition eine Alternative hätte, dann würde sie bei der Gegnerschaft, die sie zu dieser Regierung hat, diese Alternative sicher auf den Tisch legen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Es gibt aber keine Alternative, sondern wir müssen, wenn wir es ernst meinen, gemeinsam unseren Beitrag für eine Überwindung der Konfrontation in Europa und in Deutschland leisten. Diejenigen, die gegen diese Politik polemisieren und die sagen, sie sei illusionär, vergessen, daß wir als Deutsche in der Bundesrepublik nicht über den Erfolg dieser Politik entscheiden. Wir können nur darüber entscheiden, was wir als unseren Beitrag zu der Entspannung und der Friedenssicherung in Europa tun wollen. Das heißt für uns, daß wir eben eine glaubwürdige und eine konsequente Friedens- und Entspannungspolitik treiben müssen. Glaubwürdigkeit heißt, daß wir jeden Versuch unternehmen müssen, auch mit dem Osten zur Verständigung zu kommen, d. h. vor allem keine Chancen einer solchen Verständigung zu versäumen.
Ich meine, daß zur Glaubwürdigkeit dieser Deutschlandpolitik drei Dinge gehören. Einmal sollten wir von dem ausgehen, was ist, und das ist eben in Deutschland die Tatsache, daß sich hier 25 Jahre nach dem verlorenen Krieg zwei deutsche Teilstaaten gebildet haben. Ich glaube, daß diese Tatsachenbeschreibung zu Unrecht immer noch mit einer Aufgabe von Rechten verwechselt wird. Auch das ist mir heute _früh wieder deutlich geworden, gerade in der Rede des Oppositionsführers. Wir sind uns doch alle einig, wenn es um Menschenrechte, um Selbstbestimmung und um nationale Einheit geht. Ich glaube, es ist in einem Aufsatz in der „Zeit", .der in der vorigen Debatte hier schon einmal diskutiert worden ist — „Ist die Einheit noch zu retten?" —, von Martin Kriele im Dezember richtig gesagt worden:
Nicht die Liebe zum Recht unterscheidet die Gruppen,
— gemeint sind die gegensätzlichen Positionen in der Bundesrepublik —
sondern die unterschiedliche Beurteilung seiner Realisierungsbedingungen?
Ich glaube, das ist gerade der entscheidende Unterschied, der aber für die praktische Politik von besonderer Bedeutung ist.



Dr. Haack
Zweitens meine ich zur Glaubwürdigkeit dieser Deutschlandpolitik, daß sich Deutschlandpolitik ganz konsequent als Friedenspolitik artikulieren muß, d. h. daß sie aus der Erkenntnis heraus getrieben werden muß, daß wir Deutschen gerade in der Situation der Teilung unseres Landes nationale Interessen nur dann wahrnehmen können, wenn wir Vertrauen bei unseren Nachbarn haben.
Und ein Drittes gehört meiner Auffassung nach auch noch zu dieser Glaubwürdigkeit, nämlich daß wir zu dem Stellung nehmen, was hier auch heute immer über den Status quo gesagt worden ist, daß wir deutlich machen, daß es zunächst nicht darum geht, diesen Status quo in seiner territorialen Ausformung zu ändern, sondern daß es darum geht, den Status quo inhaltlich, qualitativ zu ändern, daß wir zu der von uns gewünschten und angestrebten Zusammenarbeit zwischen West und Ost kommen.
Das können wir draußen in der Welt nur deutlich und glaubwürdig machen, wenn wir bereit sind, im innerdeutschen Verhältnis zu einer Kooperation zu kommen. Ich glaube, wer sich von der starren Haltung der SED beeinflussen läßt, der hemmt in Wirklichkeit unseren Spielraum. Wir wissen doch alle, daß die Ideologen und die Propagandisten in OstBerlin den Haß und die Verteufelung der Bundesrepublik, vor allem der Sozialdemokraten, sozusagen als konstitutives Element ihres Staates brauchen. Sie suchen, weil sie in Schwierigkeiten gekommen sind, bei uns kalte Krieger als ihre Partner. Das wissen wir doch alle; das ist für uns doch nichts Neues. Warum wundern wir uns darüber?
Aber wir müssen hier ganz deutlich sagen, daß wir uns in dieser konsequenten Politik eben nicht irremachen lassen, weder von den Propagandisten in Ost-Berlin noch von denen hier in der Bundesrepublik, die glauben, diese Politik verdächtigen zu müssen. Wir sind bereit, diese Politik fortzuführen. Eines sollte man nicht übersehen — das ist hier auch schon gerade von Herrn von Kühlmann-Stumm erwähnt worden —, daß diese Politik der Friedenssicherung, diese Politik der Entspannung eine ganz große Zustimmung in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland findet, eine Zustimmung, die viel größer ist als die Mehrheit, die wir und diese Regierung hier in diesem Parlament haben.
Meine Damen und Herren! „Es scheint an der Zeit zu sein, den Versuch zu unternehmen, das Trennende zurückzustellen und das Verbindende zu suchen", so sagte der Bundeskanzler in seinem letzten Brief an den Ostberliner Ministerpräsidenten. Ich glaube, darum geht es. Das ist das Leitmotiv dieser Politik, einen Modus vivendi zwischen den getrennten Teilen Deutschlands zu finden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603325800

Risikobeladen ist jedes politische Handeln. Es gibt nie einen Garantieschein dafür, daß alles sich nur zum besten wendet. Risiko hin, Risiko her, den Mut dazu muß man haben, um wirklich weiterkommen zu können. Oder man muß sich zur Ruhe setzen und darauf warten, daß andere in der eigenen Sache sich bewegen. Und das haben wir ja wohl lange genug erlebt, und da hat sich nichts getan.
Ich glaube, das sind die richtigen Worte. Wenn der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, wenn die ganze Bundesregierung in diesem Sinn und in diesem Geist an dieses schwierige Gebiet geht, das wir in den nächsten Jahren zu bewältigen haben, dann, glaube ich, können wir hoffen, daß wir in der nächsten Zeit wenigstens ein kleines Stück weiterkommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0603325900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Amrehn.

(Zurufe von der SPD: Er ist doch nicht da! — Abg. Dr. Barzel: Ist doch zurückgezogen! — Abg. Stücklen: Zurückgezogen!)


(Vorsitz : Vizepräsident Dr. Jaeger.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0603326000
Das Wort hat Frau Dr. Focke, ich weiß nicht, ob als Abgeordnete oder als Staatssekretärin.

(Abg. Frau Dr. Focke: Als Abgeordnete!) — Als Abgeordnete. Bitte sehr!


Dr. Katharina Focke (SPD):
Rede ID: ID0603326100
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kiesinger hat im Laufe seiner Rede gesagt, daß durch die sehr starken Akzente auf der Ostpolitik zu Lasten der Westpolitik optisch der Eindruck entstehen könnte, daß hierauf sehr viel Wert gelegt würde, und er sah darin eine psychologische Gefahr. Herr Kiesinger, ich möchte mir Ihnen und Ihren Kollegen in der Fraktion gegenüber die Bemerkung erlauben, daß Sie zu dieser psychologischen Gefahr beigetragen haben, indem hier heute in der Debatte die Akzente auch von Ihnen so sehr stark auf die Ostpolitik gelegt worden sind und in bezug auf die Erfolge und die Aktivitäten in der Westpolitik sehr wenig gesagt worden ist.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich möchte meinerseits versuchen, die Diskussion weg von diesem sehr starken Akzent zu ziehen und auf eine geschlossene europäische Außenpolitik der Bundesregierung zu sprechen zu kommen. Dabei knüpfe ich insbesondere an das an, was Bundesminister Scheel und Bundeskanzler Brandt hierzu schon gesagt haben. Es gibt — auf diese Feststellung lege ich Wert — nicht zwei getrennte Schubladen „Westpolitik" und „Ostpolitik", auch keinen Gegensatz oder Widerspruch zwischen beiden, sondern, wie es in der Regierungserklärung heißt, bzw. wie Bundeskanzler Brandt es in seiner Eingangserklärung in Den Haag gesagt hat: die Bundesrepublik sucht die Verständigung mit dem Osten in



Frau Dr. Focke
Zusammenarbeit und Abstimmung mit ihren Partnern im Westen.
Diese Bundesregierung hat wahrlich seit ihrem Antritt bewiesen, daß aktive Ostpolitik nicht nachlassendes Interesse an Westeuropapolitik bedeutet, sondern im Gegenteil aktivere Westeuropapolitik. Dabei ist sehr deutlich hervorzukehren, daß nach dem Willen dieser Regierung die Bundesrepublik eigebettet bleibt in westliche Bündnisse und Gemeinschaften. Unsere Politik gegenüber der Sowjetunion und den osteuropäischen Ländern ist um so wirkungsvoller, je eindeutiger und umfassender wir in Übereinstimmung mit unseren westlichen Partnern vorgehen.
Im Grunde gibt es gar keine eigene Ostpolitik der Bundesregierung, sondern eine westliche Ostpolitik, angepaßt an die eigene Interessenlage der Bundesrepublik. Ostpolitik geschieht bei uns weder auf Kosten anderer Partner noch hinter deren Rükken. Diese Tatsache ist — darauf wurde heute schon mehrfach hingewiesen — auch von unseren übrigen Bündnispartnern und anderen Regierungen voll anerkannt worden.
Nach Auffassung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien ist es selbstverständlich, daß der immer engere Zusammenschluß der europäischen Völker und des westlichen Bündnisses nicht zur Disposition steht und nicht Gegenstand von Verhandlungen mit dem Osten sein kann.
Andererseits ist die Gemeinschaft auch kein Block mit einer antikommunistischen Kreuzzugsideologie, sondern sie ist in den Augen von SPD und FDP das, was der Bundeskanzler in den Haag ein Bauelement bzw. eine exemplarische Ordnung in einer ausgewogenen gesamteuropäischen Friedensordnung genannt hat. In diesem Sinne liegt der eigentliche Beitrag der Gemeinschaft zur gesamteuropäischen Friedensordnung in dem in ihr realisierten Ausgleich nationaler Interessen in übernationalen Ordnungen. Aus der Erkenntnis gemeinsamen Schicksals und gemeinsam in der Zukunft zu lösender Aufgaben muß eine Arbeitsteilung und auch eine Umverteilung der Lasten in solidarischer Gemeinsamkeit erfolgen. Dies gilt auf die Dauer, wenn auch in anderen Formen der Zusammenarbeit, ebenfalls für den Bau Gesamteuropas.
Außerdem ist eine Friedensordnung für Europa nur denkbar, wenn Europa ein geachteter Partner der Großmächte ist. Dazu gehört ein Mindestmaß europäischer Organisation und europäischen Willens.
Schließlich. ist die Lösung der Deutschen Frage, für 'die sich auch unsere Bündnispartner verantwortlich fühlen, von der Lösung ,der europäischen Frage nicht zu trennen. Eine nationale Lösung des deutschen Problems ohne Einbettung in eine europäische Zusammenarbeit halte ich weder für möglich noch für wünschenswert.
Es hat deshalb nichts mit einer falsch verstandenen Führungsrolle zu tun, wenn gerade die Bundesrepublik ihre Rolle darin sieht, den europäischen Völkern überzeugend Vorstellungen davon zu geben, wie 'in unserem Teil der Welt der Friede sicherer und vielleicht sogar weniger kostspielig wird. —
Dies ist ein Zitat des damaligen Außenministers Brandt vor dem Überseeclub in Hamburg im vergangenen Jahr. — Die Stimme der Bundesrepublik wird - das ist eine Maxime dieser Regierung — um so besser Gehör finden, je mehr sie ihren Beitrag zu den Sorgen vieler leistet.
Mit dieser Einstellung ist die Bundesregierung zur Gipfelkonferenz nach den Haag gegangen. Das Interesse der Öffentlichkeit am Meinungsaustausch in Moskau und Warschau und am Zusammentreffen des Kanzlers mit Stoph verdeckt — ich gebe es Herrn Kiesinger zu — gelegentlich, ,daß diese Bundesregierung seit ihrem Antritt im Oktober nach Westen weit umfangreichere Aktivität entwickelt hat als nach Osten. Mit Recht hat der Bundeskanzler die Haager Gipfelkonferenz kürzlich das bisher wichtigste außenpolitische Ereignis seiner Regierungszeit genannt. Die SPD stimmt dieser Auffassung zu. In Den Haag ist eine Entscheidung für die europäische Zukunft gefallen.
Erstens. Das grüne Licht für die Beitrittsverhandlungen wird es der Gemeinschaft in den nächsten Jahren endlich erlauben, den Test für ihre Erweiterungsfähigkeit anzutreten. Das ist, um nun wieder die Brücke zur Ostpolitik zu schlagen, ein entscheidender Test für unsere Fähigkeit, später auch zu einer gesamteuropäischen Friedensordnung zu gelangen.
Zweitens. Der in Auftrag gegebene, gestern und vorgestern in Paris von den Wirtschafts- und Finanzministern diskutierte Stufenplan für eine Wirtschafts- und Währungsunion ist eine unerläßliche Voraussetzung für eine Gemeinschaft der inneren Reformen. Nur wenn diese Reformen gemeinschaftlich konzipiert und verwirklicht werden, werden wir bestehen. Nur dann werden wir auch gesellschaftspolitisch in den Stand gesetzt, eine europäische Friedensordnung zu erreichen.
Drittens. Der Auftrag an die Außenminister, Formen qualifizierter politischer Zusammenarbeit zu finden und zu entwickeln, wird unsere Instrumente zur Abstimmung unserer Politik im Westen auch im Hinblick auf eine gemeinsame Ostpolitik und eine gemeinsame aktive Haltung gegenüber der sogenannten europäischen Sicherheitskonferenz verbessern.
Ich möchte nun nicht so mißverstanden werden —das sollte ich vielleicht hier einflechten —, als betrachtete ich die westeuropäische Politik nur noch als eine instrumentale Angelegenheit und als Rückhalt und Stütze für die Ostpolitik. Aber es liegt mir daran aufzuzeigen, daß richtig verstandene westliche Gemeinschaftspolitik in eine Politik der europäischen Friedensordnung eingebettet ist und konstruktive Konsequenzen für eine solche Politik hat, genauso wie richtig verstandene deutsche Außenpolitik eingebettet ist in die Gemeinschaft und die Bundesrepublik sich nicht als national abgekapseltes, sondern als ein mit seiner Umwelt eng verwobenes System begreift.
Den Haag hat ,das Signal und den Auftakt für eine Reihe erfolgreicher Maßnahmen und Entscheidungen gegeben. Die Gipfelkonferenz beendete den lähmen-



Frau Dr. Focke
den Stillstand und die drohende Auszehrung. Nach langer Zeit ergab sich wieder ein ausgesprochen gutes Klima gegenseitigen Vertrauens in der Gemeinschaft. Seither häufen sich die Verhandlungserfolge, die verdienen, immer wieder herausgestrichen zu werden. Für Euratom ist eine Wiedergesundung, eine Reorganisation der Kernforschungsstelle eingeleitet worden. In der Wirtschafts- und Währungspolitik ist mit dem Barre-Plan endlich ernstgemacht worden. Bereits im März wird sich der Rat auf Grund der Vorbereitungen, die inzwischen getroffen sind, der Verhandlungslinie für den Beitritt Englands und der anderen Staaten zuwenden. Die Entscheidung für eigene Einnahmen der Gemeinschaft ist gefallen. Das Europäische Parlament erhält ab 1975 das letzte Wort über den Haushalt der Gemeinschaften.
Die europapolitische Erfolgsbilanz dieser Bundesregierung läßt sich also wahrlich vorzeigen. Die Erinnerung an unsere kurze Debatte hier in diesem Hohen Hause nach der Rückkehr der Deutschen Delegation aus Den Haag läßt mich hoffen, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, diese Erfolgsbilanz im Ernst auch nicht bestreiten. Wie wäre es aber, wenn Sie sich bemühten, Ihrerseits diese Bundesregierung als eine Regierung mit einer einheitlichen Politik nach Osten wie nach Westen zu betrachten und ihr nicht, wenn sie nach Westen schaut, mit relativem Vertrauen, aber wenn sie nach Osten schaut, mit übergroßem Mißtrauen zu begegnen? Mir scheint, das wäre eine Voraussetzung für die von Ihnen immer wieder geforderte Gemeinsamkeit zwischen Regierung und Regierungsfraktionen einerseits und ,der Oppositionsfraktion andererseits.
Nehmen Sie diese Debatte zum Anlaß, endlich diese Voraussetzung zu schaffen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0603326200
Das Wort hat der Abgeordnete Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0603326300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte den Versuch unternehmen, einen Bogen zum Ausgangspunkt unserer Diskussion heute früh um 9 Uhr zu schlagen.
Die Ausführungen des Herrn Außenministers veranlassen mich, ein paar Bemerkungen zu machen. Herr Scheel, Sie haben heute früh in der Ihnen eigenen persönlichen und liebenswürdigen Weise einen kleinen Spaziergang durch die Außenpolitik und insbesondere am Anfang Ihrer Rede durch die Europapolitik vorgenommen. Ich verstehe zu würdigen —, wie wir alle —, daß Sie unter Zeitdruck stehen und gestanden sind, nachdem Sie in den letzten Wochen sehr viel gereist sind. Wir hatten uns allerdings gewünscht, in diesem Hause auch etwas über die Bewertung Ihrer Ostasien-Reise zu hören,

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

insonderheit im Hinblick auf die Deutschland- und Ostpolitik der Regierung. Aber das meiste haben wir ja aus der Presse entnehmen können und dürfen.
Lassen Sie mich zu Ihren beiden Kernsätzen im Hinblick auf die Europapolitik zurückkehren, nachdem auch Frau Kollegin Focke eben das Loblied der „Europapolitik dieser Regierung aus einem Guß" vorgetragen hat.

(Abg. Dr. Barzel: Nach Noten vorgetragen hat! — Abg. Dr. Klepsch: Vorgelesen hat!)

Herr Außenminister, Sie sagten heute früh:
Wir sind damit definitiv in Westeuropa aus der Konfrontation der Staaten und ihrer Interessen zu deren voller Interdependenz gelangt.
Ein paar Augenblicke später sagten Sie:
Damit ist auch auf dem Gebiete der politischen Zusammenarbeit die Stagnation der letzten Jahre überwunden und der Entschluß gefaßt worden, endlich zu der von uns allen als dringend notwendig erachteten außenpolitischen Zusammenarbeit zu kommen. Die vorbereitenden Gespräche
— haben Sie hinzugefügt —
sind im Gange.
Herr Minister, darf ich Sie und die Bundesregierung fragen, wie ernst Sie es eigentlich mit diesen poltischen Gesprächen meinen. Nach dem, was uns aus der Presse bekanntgeworden ist, hat die Bundesregierung bisher auf einer relativ unteren Ebene sehr minimalistische Vorstellungen entwickelt, und das auf dem Hintergrund dessen, was hier in der Debatte angeklungen ist, daß nämlich der Bundeskanzler in Den Haag ein großes Wort ausgesprochen hat, indem er sagte: Wir wollen uns endlich zu dem neuen Versuch für die außenpolitische Zusammenarbeit entschließen„ und das nicht nur im Rahmen der Westeuropäischen Union. Darf ich Sie fragen, Herr Scheel: Welche konkreten Vorstellungen hat die Regierung bisher auf dem Gebiete der politischen Einigung entwickelt und welche Haltung wird sie in den kommenden Gespräche einnehmen? Ist sie bereit, über ein unverbindliche Kooperationsformel hinaus eine beständige Ebene des politischen Meinungsaustausches anzustreben und eine Abstimmung in allen politischen Fragen herbeizuführen? Ist sie vor allen Dingen bereit, Herr Minister, diese Abstimmung vorzunehmen in Verbindung mit den Organen der Gemeinschaft — Rat, Kommission und Parlament —, der Gemeinschaft, deren Aktivität inzwischen weit über den wirtschaftlichen Aspekt hinausgeht, wie wir ja wissen. Ich erinnere an den Versuch, eine gemeinsame Währungs-, Wirtschafts-und Handelspolitik herzustellen.
Herr Außenminister, ist die Regierung bereit, diese Abstimmung nicht nur auf die Außenpolitik, sondern auch auf die Verteidigungspolitik auszudehnen? Ich frage das insbesondere deswegen, weil wir auch anläßlich der Haushaltsdebatte—ich möchte das in Erinnerung zurückrufen — bisher keine Antwort darauf bekommen haben. Der Herr Finanzminister hat erklärt, daß für die gesicherte Basis unserer Politik die europäische Basis, also die Westpolitik, und im Zusammenhang damit der Verbleib der amerikanischen Truppen in Europa und in der Bundesrepublik Deutschland wichtig seien. In diesem Zu-



Blumenfeld
sammenhang hat Herr Finanzminister Möller ausgeführt:
Ich bedaure, daß einige öffentliche Stellungnahmen aus Kreisen, die nicht zur Regierungskoalition gehören, in den Vereinigten Staaten leider den irreführenden Eindruck erweckt haben, als besäßen wir einen Dukatenesel. Man darf nicht unverantwortliche Andeutungen machen, die bei anderen unerfüllbare Hoffnungen erwecken.
Herr Minister Möller, ich wäre sehr dankbar, wenn Sie das ein bißchen präzisieren würden. Ich glaube, Sie bringen Ihren Kollegen, den Herrn Verteidigungsminister, in einige Schwierigkeiten, wenn diese Äußerung als eine verbindliche Äußerung der Bundesregierung im Raum stehenbleibt. Die Antwort aus Amerika ist an diesem Wochenende jedenfalls sehr schnell zu uns herübergeschallt, nämlich von Herrn Senator Mansfield, von Senator Kennedy und auch von Senator Percy. Die Antwort lautete: Wenn der politische Wille in der Bundesrepublik, formuliert durch die Bundesregierung, sich etwa in einem solchen Satz ausdrückt, so ist das nicht ausreichend. — Wir werden im nächsten Jahr dann eben erleben, daß sich die amerikanische Regierung unter dem Druck ihres eigenen Abgeordnetenhauses und des Senats dazu veranlaßt sehen wird, mehr Truppen — :sprich Sicherheit — abzuziehen, als uns lieb ist. Meine sehr verehrten Herren der Bundesregierung, ich weiß nicht, ob das in Ihrem Interesse liegt. Wir wären jedenfalls sehr dankbar, wenn Sie diese Äußerung des Herrn Finanzministers einmal richtig- oder klarstellen würden. Im übrigen haben wir, die wir uns dazu geäußert haben, gesagt, daß wir meinen, daß ernsthaft zu prüfen ist, ob nicht ein Teil derjenigen Ausgaben, die in der Bundesrepublik Deutschland entstehen, auch budgetär ausgewiesen werden sollte. Wir glauben, daß das besser wäre.
Herr Außenminister, würden Sie uns bitte auch erklären, ob Sie es nicht für notwendig halten, daß neben den Plänen für die Wirtschafts- und Währungsunion, über die im Prinzip inzwischen anscheinend Einvernehmen hergestellt worden ist, ein Programm für die politische Einigung Europas entwickelt werden muß. Ich sage das insbesondere deswegen, weil der Herr Bundeskanzler während seines Besuches in Paris „Le Monde" — und das ist ja schließlich nicht irgendeine Zeitung — ein Interview gewährt hat, das in der Diskussion in der vergangenen Woche schon einmal angesprochen worden ist, in dem der Herr Bundeskanzler auf eine entsprechende Frage erklärt hat:
Es ist noch nicht die Zeit gekommen, supranationale Elemente in die Gemeinschaftsverfassung einzuführen. Wir sind davon weit entfernt.
Was wollen Sie denn nun eigentlich? Wollen Sie Intregration, so wie sie Frau Kollegin Focke hier eben beredt darzustellen versucht hat? Wollen Sie in dieser Westpolitik wirklich vorankommen? Oder wollen Sie — das hat Herr Kiesinger gefragt — in der Ostpolitik ein weiteres Stück anbauen, das unter Umständen dazu führt, daß es zu einer Kollision mit der europäischen Integrationspolitik kommt? Herr Außenminister, ich meine, Sie sind uns hier doch wohl eine Erklärung schuldig; auch deswegen, weil
Sie heute früh in Ihren Ausführungen auf einen Punkt nur ganz kursorisch zu sprechen gekommen sind, nämlich auf Euratom. Ich möchte Sie fragen, Herr Minister, warum Sie diesem Hause die aktuellen Entwicklungen, die sich jetzt anbahnen, verschweigen. Warum müssen wir diese Dinge aus der Presse bzw. aus den Couloir-Gesprächen entnehmen? Ich möchte an die Bundesregierung, insbesondere an Sie und an den Herrn Bundeskanzler die Frage stellen, ob Sie bei Ihren Pariser Gesprächen Vor knapp vier Wochen von dem französischen Partner nicht unterrichtet worden sind. Oder haben Sie über diese Frage überhaupt nicht gesprochen? Haben Sie nicht ein bißchen nachgefühlt und nachgebohrt, ob die Kommission in der Tat das Mandat zur Aushandlung der Verifikationsurkunden und Kontrollen mit der Wiener Behörde bekommt? Wir wissen doch, Herr Minister, daß sich hier eine ganz schwierige politische Situation entwickelt. Ich will dieses. Thema im Augenblick gar nicht vertiefen. Sie wissen genau, worauf meine Äußerung abzielt.
Es wäre sehr gut, Herr Minister, wenn Sie uns, anstatt einen kurzen Gang durch das dornige Feld der Außenpolitik, das Sie heute früh mit ein paar Blümchen versehen haben, zu unternehmen, genau und präzise über den aktuellen Stand der Dinge informierten, damit wir uns wirklich miteinander unterhalten können, damit wir die Informationen von Ihnen bekommen, auf die wir Anspruch zu haben glauben.
Ein Wort noch an Herrn Kollegen Dahrendorf. Seine Ausführungen in der heutigen Diskussion haben unser aller Ohr gehabt und haben viele von uns nachdenklich gemacht. Ich möchte Herrn Kollegen Dahrendorf für seine Ausführungen und auch für die Form, in der er sie vorgetragen hat, danken.
Nur zu zwei Punkten möchte ich ein Fragezeichen anmerken. Herr Kollege Dahrendorf, Sie sprachen von der Aktivkonkurrenz zwischen der DDR und der Bundesrepublik in internationalen Organisationen. Was haben Sie damit eigentlich gemeint? Haben Sie damit eine exekutive Funktion gemeint, sagen wir, eine Zusammenarbeit im GATT oder in der OECD, oder haben Sie damit parlamentarische Gremien gemeint oder große internationale Gremien wie die Vereinten Nationen? Das würde doch in etwa verdeutlichen, was Sie meinen. Im übrigen, glauben Sie denn oder glauben wir denn alle, daß Pankow sich in solchen internationalen Organisationen anders verhalten würde, als es dies heute schon z. B. im Olympischen Komitee oder in dem Internationalen Leichtathletikverband tut? Wir wissen alle, wie „kooperativ" und wie außerordentlich „aktiv konkurrenzfähig" die DDR in diesen Gremien zum Nachteil aller Beteiligten gewesen ist.
Im übrigen, eine Aktivkonkurrenz zwischen der Bundesrepublik und der DDR hat es seit weit über einem Jahrzehnt gegeben. Jeden Tag hat es das gegeben. Was hat denn letzten Endes den Bau der Mauer bewirkt, wenn nicht die Tatsache, daß diese Aktivkonkurrenz in der Bewertung der Betroffenen selbst zu einem eindeutigen Votum für die freiheitliche Demokratie in der Bundesrepublik geführt hat?

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)




Blumenfeld
Der zweite Punkt betrifft die europäische Sicherheitskonferenz. Sie haben davon gesprochen, weil so vieles unklar sei, sollte man die Chance für eigene Initiativen nicht versäumen. Ich sage ja, Herr Kollege Dahrendorf. Ich muß aber auch fragen: welche Initiativen? In der Wirtschaft vollziehen sie sich bilateral schon seit einigen Jahren. Im kulturellen Rahmen könnte mehr geschehen, vor allem in der Präsenz unsererseits mit gütiger Erlaubnis der Staaten in Osteuropa, in der Präsenz unserer kulturellen Darbietungen und nicht nur bei dem relativ starken Angebot an osteuropäischen oder sowjetischen „Kultur"-Darstellungen oder -Darbietungen vom Zirkus bis hin zu Ballettaufführungen. Was meinen wir denn eigentlich mit den Initiativen? Herr Kollege Dahrendorf, da Sie diesen Punkt mit Recht anschneiden, meine ich, daß wir ganz besonders und bewußt von uns aus in die Diskussion mit unseren Partnern die Forderung einführen müssen, dafür zu sorgen, daß neben den Dingen, die ich soeben erwähnt habe, das grundlegende Element der Freizügigkeit der Menschen in Europa an die oberste Stelle der Tagesordnung einer solchen europäischen Sicherheitskonferenz gelangt. Das scheint mir wesentlich zu sein neben den Fragen der Sicherheit und der militärischen Abdeckung, einer Thematik, bei der wir in den Vorbereitungen im Rahmen der NATO und der europäischen Regierungen ja noch nicht sehr weit gekommen sind. Ich habe mir sagen lassen, daß wir eigentlich seit vielen Wochen auf der Stelle treten.
Anmerkbar ist auch der Skeptizismus unserer wesentlichen Partner, der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs, im Hinblick auf eine solche europäische Sicherheitskonferenz. In allen Gremien, in denen ich in Europa und im atlantischen Bereich parlamentarisch tätig bin, wird mir sowohl von der Exekutive wie von den parlamentarischen Kollegen gesagt: Wir haben unsere Erfahrungen; zwanzig Jahre Verhandlungen mit der Sowjetunion haben uns beigebracht, daß wir in dieser Frage sehr vorsichtig vorgehen sollten. Auch das sollte uns leiten, wenn wir eigene Initiativen entwickeln.
Herr Bundeskanzler und Herr Außenminister, wir wären sehr dankbar, wenn — vielleicht nicht mehr heute abend, aber doch zu einem sehr baldigen Zeitpunkt — die gewisse Unverbindlichkeit, mit der Sie sowohl die westeuropäische Politik wie das, was Sie in den übrigen Bereichen der Ostpolitik vorhaben, aufhörte und uns das konkreter, präziser dargelegt werden könnte, damit Sie dann auch wiederum von der Opposition eine entsprechende klare Antwort und Darstellung ihres Standpunktes erhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0603326400
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Borm bittet, seine Rede zu Protokoll zu nehmen *). Ich denke, daß das Haus dem entspricht.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
*) Siehe Anlage 2

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603326500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur auf zwei Bemerkungen zu antworten, die die Kollegen von Kühlmann-Stumm und Blumenfeld gemacht haben. Aber wenn ich schon hier heraufgehe, möchte ich mir doch wenigsten im Vorübergehen auch noch eine kleine Antwort auf eine Bemerkung erlauben, die einerseits Herr Kollege Barzel heute morgen gemacht hat, andererseits Herr Strauß — —

(Abg. Stücklen: Er kann es nicht lassen!)

— Aber hören Sie mal, wie kann ich denn Herrn Strauß zufriedenlassen, wenn er sich immer wieder so äußert. Ich habe ja nichts dagegen, mit einem feuerspeienden Panzerwagen — oder wie war das — verglichen zu werden, nur nett finde ich es nicht. In der vorigen Woche hatte es eine Auseinandersetzung mit Herrn Strauß gegeben — ich muß jetzt immer stellvertretend Sie anschauen, Herr Stücklen; das kennen wir schon aus früheren Zeiten; da war der andere auch manchmal nicht da —, und dann habe ich mich nach der Mittagspause hingesetzt und mir die Antwort angehört — die war ganz manierlich —, und dann bin ich nach Hause gegangen.. Aber abends um sechs gab es eine zweite Antwort, und dann gab es im Interview in der „Welt am Sonntag" eine dritte Antwort und heute morgen die vierte. Jedesmal kam dabei die Bemerkung: Der andere ist aber nicht da, und das sei nicht nett. Ich zahle diese Bemerkungen nicht heim, nur: in der Sache, um die es mir ging, hat der Vorsitzende der CSU auch heute in seiner Rede nur eine Teilanwort gegeben.
Dies ist eine ganz eigenartige Haushaltsdebatte, die wir hier erleben. Sie wird in lauter Fachdebatten zerlegt. Heute ist offenbar das Äußere dran.

(Zuruf von der CDU/CSU: Haben wir immer gehabt!)

— Das haben wir nicht immer gehabt, das ist ganz einmalig.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Normalerweise ist die erste Lesung des Haushalts eine Generalaussprache.
Was ich Herrn Strauß immer noch vorwerfen muß, ist, daß er auch heute trotz langer Ankündigung die Generaldebatte nicht geführt, sondern sich wiederum sehr eng auf einen anderen Ausschnitt beschränkt hat. Ich will das einmal auf sich beruhen lassen. Er hat heute relativ gemäßigt gesprochen. Es ist nicht im Stil jenes vielgenannten Ortes in Niederbayern geschehen.

(Abg. Stücklen: Der Bayernkurier gibt auch keinen Anlaß!)

— Das will ich ungelesen nicht glauben, Herr Stücklen; den müßte ich mir erst einmal anschauen.
Ich will aber auch eine Bemerkung zu Ihnen macher, Herr Barzel. Wenn ich das richtig im Ohr habe, haben Sie in einem Nebensatz, in dem Sie viele Minister des Kabinetts in einem Aufwaschen mit kritischen Noten bedachten, auch kritisiert, daß ich vor einem Gremium meiner Partei zu Verteidigungsfragen geredet hätte. Sie haben das etwas



Bundesminister Schmidt
vornehmer gemacht, als ich das aus anderem Munde schon gehört habe. Ich sehe Herrn Rasner neben Ihnen sitzen, und ich habe den Deutschland-UnionDienst gelesen. Das hat allerdings niemand mit seinem Namen gezeichnet; das war es auch nicht wert, was dort gedruckt war. Dazu möchte ich etwas sagen. Sind eigentlich nach Ihrer Vorstellung Parteigremien oder Parteitage dazu da, daß man dort unverbindlich redet? Ich kann mich an manche Reden erinnern, die Herr Kiesinger damals als Kanzler bei solcher Gelegenheit gehalten hat.

(Abg. Baron von Wrangel: Das Parlament hat den Vorrang!)

— Ja, bitte, ich bin ja bereit, im Parlament zu reden. Bin ich denn von Ihnen gefragt? Haben Sie eine Große Anfrage eingebracht?

(Abg. Baron von Wrangel: Sie können ja auch s o reden!)

— Ich könnte sie ja bei Ihnen bestellen: Bringen Sie sie doch.

(Abg. Dr. Barzel: Meinen Sie, Ihre Beziehungen zu uns sind besser als zur anderen Seite?)

Ich bin ja nicht derjenige, der sich vor einer Auseinandersetzung drückt. Ich werde ja wohl noch und jeder von uns wird ja wohl noch vor den Gremien seiner Partei und vor anderen Gremien zur Sache reden dürfen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es ist doch wohl nicht so, daß eine politische Zusammenkunft unter Parteifreunden dem Austausch von Gemeinplätzen zu dienen hat. Das würden weder Sie noch Ihre Parteifreunde noch die unsrigen akzeptieren.
Zur Sache, die dort zur Rede stand, will ich sagen: Ich wäre dankbar, wenn sich die Kollegen den Text der Stelle ansähen — er ist ja auch offiziell herausgegeben worden —, die sie besonders interessiert hat. Ich habe gesprochen von einer Option für das
Ende dieses Jahrzehnts, die wir uns eröffnen müßten. Was „Option" auf deutsch heißt, muß ich nicht übersetzen; es heißt: eine Möglichkeit, die man wählen kann, aber nicht wählen muß; eine Option sichern heißt, sich die Wahlmöglichkeit eröffnen. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen; ich habe das nur gesagt, weil es von dem einen oder anderen mißverständlich zitiert worden ist.
Nun aber zu Herrn Kollegen von KühlmannStumm! Die Sorgen, Herr von Kühlmann, über diese Diskussion in der öffentlichen Meinung der Vereinigten Staaten Amerikas, genauer gesagt: die Diskussion im amerikanischen Senat

(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht nur!)

— nicht nur dort, aber dort im Zentrum — über eine einseitige Verringerung der amerikanischen Truppenpräsenz in Europa, diese Sorgen, die Sie ausgesprochen haben, werden von der ganzen Bundesregierung geteilt. Diese Diskussion ist geeignet, nicht nur — was zu beurteilen nicht unsere Sache ist
— die amerikanische Regierung in Schwierigkeiten zu bringen bei ihrem eindeutigen Willen, die Verpflichtungen auszuführen, die sie uns gegenüber vertraglich eingegangen sind, sondern die Diskussion ist auch geeignet, hier in Europa Besorgnisse zu erwecken hinsichtlich der Zuverlässigkeit solcher Vereinbarungen. Die Besorgnis ist nicht nur im Deutschen Bundestag vorhanden, sie ist auch in Frankreich vorhanden — sogar auch in Frankreich! —, sie ist auch in England vorhanden. Ich will dazu nur sagen, daß ich mich immer bemühen würde, unseren amerikanischen Freunden — auch solchen, die sich in diesem Punkte in ihrer Argumentation nicht sehr freundlich der Bundesrepublik Deutschland gegenüber bewegen — zu sagen, daß es für die Anwesenheit der Truppen dieser einen Weltmacht USA auf dem europäischen Kontinent, solange hier Truppen der anderen Weltmacht, außerhalb von deren Territorium, stehen, überhaupt keinen politischen Ersatz gibt. Das ist keine militärische, das ist eine politisch-psychologische Feststellung. Sie muß am Anfang stehen.
Nicht am Anfang sollten stehen — und da antworte ich auf die Bemerkung, die Herr Blumenfeld an die Adresse von Dr. Möller gerichtet hat — Bemerkungen aus unseren Bänken darüber, was und wieviel wir uns das denn vielleicht kosten lassen könnten. Ich bin da ganz der Meinung, die der Finanzminister vorige Woche ausgesprochen hat.

(Abg. Bumenfeld: Ich habe nicht gesagt: wieviel!)

— Na gut, aber es war eine etwas humorvoll gefaßte kritische Bemerkung, wenn ich mich richtig erinnere, die der Finanzminister an die Adresse jemandes gemacht hat, der nicht Blumenfeld heißt, aber meistens nicht weit weg von Ihnen zu finden ist, Herr Blumenfeld. Sie wissen genau, wen ich meine.

(Abg. Blumenfeld: Ich habe viele Freunde!)

— Gut, ich kann auch deutlicher sprechen. Herr Kiep z. B. hat sich nach meinem Gefühl sowohl auf deutschem Boden als auch auf amerikanischem Boden in bezug auf die Andeutungen zukünftiger deutscher Leistungsfähigkeiten und -möglichkeiten viel weiter vorgewagt, als er hätte gehen können, wenn er sich einmal vorher mit dem Finanzminister, dem Außenminister oder dem Bundeskanzler unterhalten hätte.

(Abg. Matthöfer: Er ist von seiner persönlichen Finanzlage ausgegangen! — Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Barzel: Das war ein wunderbarer Beitrag zur Überwindung des Klassenkampfes!)

Schauen Sie, hier ist den ganzen Morgen über, zum Teil ausgesprochenerweise, zum Teil unausgesprochenerweise, die Rede davon gewesen, was eigentlich die möglichen Rollen — Herr Strauß hat drei Rollen in Erinnerung gerufen — der Opposition sein können, während die Regierung mit einem ausländischen Partner in Verhandlungen steht oder wenn solche Verhandlungen bevorstehen. Es gibt mehrere Rollen, sehr nützliche Rollen, die die Opposition dabei spielen kann. In diesem Fall ist es so: Wir haben mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein Offset-Abkommen, dessen Laufzeit noch



Bundesminister Schmidt
nicht zur Hälfte beendet ist. Noch nicht einmal die Hälfte ist erreicht. Das Abkommen läuft bis zum Sommer nächsten Jahres, und es liegt überhaupt kein Grund vor, von uns aus Zweifel in die Vertragstreue der anderen Seite zu säen. Es liegt kein Grund vor, von uns aus an den Verhandlungen über ein späteres Anschlußabkommen vorzugreifen, erst recht nicht in der Weise, in der es geschehen ist, nämlich mit der Attitüde, wir würden uns das zu Herzen nehmen, was einige vorwitzige amerikanische Senatoren vorbringen, nicht so sehr deshalb, weil sie die Lage Europas richtig verstehen, sondern aus Gründen — mir sehr verständlichen Gründen; ich bin ja Politiker — ihrer eigenen Wahlkreissituation. Wir beobachten doch nun Mike Mansfield seit was weiß ich wieviel Jahren, und das Wort „Wahlkreis" ist nur eine Umschreibung für eine etwas größere Gemeinde, die er hat.
Ich meine also, Herr Blumenfeld, daß Sie sich diese Retourkutsche Ihrer Kritik am Finanzminister gefallen lassen müssen. Aber Sie wollen eine Zwischenfrage stellen.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0603326600
Herr Kollege Schmidt, sind Sie sich ganz klar darüber, daß ich nicht einer Ausweitung des Budgets das Wort geredet, sondern gemeint habe, daß die Elementarformel, der sich der Herr Bundesfinanzminister mit dem „Dukatenesel" bedient hat, eben in der Tat nicht nur bei den, wie Sie sagen, vorwitzigen amerikanischen Senatoren — immerhin ist Senator Mansfield der Fraktionsführer der Mehrheitspartei im amerikanischen Senat — schlecht ankommt — —

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603326700
Den meinte ich jetzt gerade nicht.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0603326800
Na, dann müssen Sie deutlicher werden, wen Sie meinen. Vielleicht meinten Sie Percy. Aber auch der ist eine nicht ganz unbedeutende Figur im amerikanischen politischen Leben und hat eine Menge Möglichkeiten der Einflußnahme auf die derzeitige Regierung.
Wollen Sie doch bitte davon Kenntnis nehmen, daß ich damit zum Ausdruck bringen wollte — ich glaube, es sollte auch Ihre Sorge sein und die der Regierung —, daß man sich rechtzeitig Ge danken darüber machen muß, ob man diese Form des Offset weiter fortsetzen kann, die in den vergangenen Jahren soviel Kopfschmerzen bereitet und soviel politische Unzuträglichkeiten auf beiden Seiten erbracht hat, oder ob es nicht besser wäre, daß Sie rechtzeitig Ihren politischen Willen als Regierung erkennen ließen, diese Frage anders zu regeln, und zwar so, daß der amerikanische Partner damit einverstanden sein wird.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Man könnte die Frage ja auch noch länger formulieren!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603326900
Zunächst möchte ich Ihnen recht geben: die Bundesregierung muß sich darüber den Kopf zerbrechen. Sie tut das aber auch — was Sie vielleicht nicht wissen können, aber erfahren hätten, wenn Sie gefragt hätten — seit ungefähr drei Wochen nach ihrem Amtsantritt.
Zweitens bin ich keineswegs der Meinung, daß wir Vorschläge zu machen hätten, die die Amerikaner von vornherein befriedigen und die sie annehmen würden. So ist das nicht. Die Amerikaner spielen die Rolle einer Weltmacht, auch in Europa. Es gibt — ich weiß nicht, wie viele — 30, 32 sowjetische Divisionen außerhalb der Sowjetunion auf dem östlichen Teil des zentraleuropäischen Theaters. Es gib demgegenüber hier knapp fünf der amerikanischen. Weltmacht. Ich rede hier nicht von Panzern und Kanonen und Soldaten. Ich zähle da nicht die Beine oder die Köpfe, sondern ich rede von dem politischen Gewicht, das sich hier gegenübersteht. Wir können nicht auf die Dauer eine Weltmacht mit Geld dazu bewegen, von ihrer Rolle in Europa nicht abzudanken — falls das wirklich die Vorstellung einiger drüben sein sollte. Das können wir nicht.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Der Präsident will das ja keineswegs. Deswegen habe ich mir das Wort „vorwitzig" erlaubt. Ich hatte durchaus den Herrn vor Augen, von dem Sie dann an zweiter Stelle sprachen. Aber der Präsident will das ja gar nicht. Wie kommen wir Deutschen eigentlich dazu, jenen Herren in Amerika zu helfen, dem Präsidenten in diesem Punkt das Leben und uns in dieser Frage das Herz zusätzlich schwerzumachen? Das muß ich nun doch darauf erwidern dürfen.
Der Kollege von Kühlmann-Stumm hat in diesem Zusammenhang aufs Mittelmeer hingewiesen. Ich teile seine Sorgen; es sind ja auch die Sorgen anderer, nicht nur der Deutschen; wir sind ja verhältnismäßig weit weg vom Mittelmeer. Das Mittelmeer ist ein glänzendes Beispiel, das man den Amerikanern vor Augen führen kann, ein Beispiel dafür, was passieren würde, wenn sich aus einem Gebiet eine Weltmacht einseitig zurückzöge, vielleicht mit dem Argument, im Notfall könnte man in 14 Tagen zurückkommen. Stellen Sie sich einmal das Mittelmeer vor, entleert von der Präsenz der 6. amerikanischen Flotte bei andauernder Anwesenheit der sowjetischen Flotte, und denken Sie an alle Länder einzeln, an den Libanon, an die Türkei, an Syrien, an Israel, an die Vereinigte Arabische Republik, an Libyen, um auf diese Weise zu empfinden, was psychologisch-politisch entstünde, wenn die eine Weltmacht der Vereinigten Staaten ein solches Gebiet von ihrer Präsenz befreite und die andere Weltmacht Sowjetunion dort bliebe!
Dies ist .dass Argument, das man mit den Amerikanern austauschen muß — denn das Beispiel gilt ja für Europa ,genauso! —, und nicht so sehr die Frage, ob wir bereit sind, ein bißchen mehr Geld oder ein bißchen weniger oder !in anderer Form zu zahlen, Herr Blumenfeld. Natürlich müssen wir uns irgendwie mit Ihnen einigen. Wir sind doch nicht die Leute, die sich mit den Amerikanern verkrachen wollen, ganz im Gegenteil. Wir wissen doch — der Bundeskanzler hat es heute wieder gesagt, und der Außenminister hat es erneut gesagt -, daß diese ostpolitische Auslotungsopera-



Bundesminister Schmidt
tion gar nicht anders möglich ist als mit dem Rückhalt, den wir im Westen brauchen. Aber das heißt doch nun nicht, daß wir den von sehr verschiedenen Motiven getragenen Operationen einiger amerikanischer Senatoren und Zeitungen allzu früh auf den Leim kriechen müssen. Ich hoffe, wir werden überhaupt nicht auf irgendeinen Leim kriechen.
Was wir den Amerikanern sagen müssen, ist: „Jawohl, ,das verstehen wir sehr gut, daß ihr auf die Dauer weniger Truppen unterhalten wollt. Auch wir möchten gern weniger Truppen unterhalten. Und wir vermuten, daß eis auch die Sowjetunion auf die Dauer nicht ertragen kann, 10 % ihres Sozialprodukts für Rüstung abzuzweigen!" Das ist ein schrecklich hoher Prozentsatz von einem Sozialprodukt, das per capita relativ niedrig ist. Wir sind der Meinung, man muß versuchen, das alles herunterzubringen. Wir Sind dafür, daß die militärische Rüstung auf beiden Seiten verringert wird. Wir schlagen das vor. Die NATO hat das auf deutsche Initiative auf der NATO-Ratssitzung in Reykjavik im Sommer 1968 vorgeschlagen.
Bleiben wir doch bitte bei der Linie! Das ist eine Linie, die auch Herr Kiesinger und die die damaligen Minister Ihrer Fraktion für richtig gehalten, mitgemacht, mitgetragen haben! Bleiben wir doch dabei, daß dies, wie ich denke, der einzige Weg ist, der es ohne Verletzung amerikanischer und europäischer Interessen und des deutschen Sicherheitsinteresses erlauben würde, die Truppen zu verringern! Wie groß die Aussichten dafür sind, daß das möglich gemacht werden kann, kann keiner vorhersagen, genauso wie keiner heute sagen kann, wie groß die Aussichten sind, daß beim ersten oder zweiten oder wievielten Zusammentreffen mit Vertretern der Regierung der DDR etwas Positives herausgeholt wird. Aber versuchen muß man es, wenn man mit einem guten Gewissen nach Hause gehen will.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0603327000
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0603327100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin bezüglich des Zeitpunkts dieser Debatte 'derselben Meinung, wie sie heute hier Herr Mischnick zum Ausdruck gebracht hat. Denn zu dieser Zeit kann man weder eine Zwischenbilanz, die alles Wesentliche enthielte, erwarten noch kann man miteinander abrechnen. Das kann man zwar, aber wenn man es tut, dann zeigt man ja wohl, wie man 'zu den internationalen Notwendigkeiten der Politik steht.
Es ist an sich rührend, Herr Kollege Kiesinger, Fragen weitestreichender Art zu stellen, welche Voraussetzungen für die Aussöhnung mit dem Osten erforderlich seien, welche Kompromisse ins Auge gefaßt seien usw. Das ist gut gemeint. Das alles während eines Meinungsaustausches, um dessen Fortsetzung man an verschiedenen Stellen doch beträchtliche Aufmerksamkeit und auch beträchtliche Mühe aufbringen muß. Wir konnten uns das nicht aussuchen: erst einmal weggehen und später das in Angriff nehmen und dann wieder weggehen und dann mal .das in Angriff nehmen. Das ist nun so. Da hat sich einiges zusammenmassiert. Wir könnten gern mal darüber reden, warum das eigentlich so ist; aber heute hat es keinen Zweck.
Ich wollte nur zu einigen Bemerkungen, die hier in der Diskussion offensichtlich Streitfragen berühren, etwas sagen, soweit es sich in der kurzen Zeit machen läßt.
Ich halte es für falsch, anzunehmen und die Dinge so darzustellen, als verlaufe bei dieser Auseinandersetzung eine Front 'zwischen solchen, die, wie man so sagt, völkerrechtlich anerkennen wollten, was die Gegenseite verlangt, und anderen, die das nicht wollen. Ich halte das für falsch. Vielleicht geschieht das irrtümlich, vielleicht ist das auch bei anderen bewußt so gemacht. Aber mit diesen Worten wird sowieso viel Staub gemacht. In der Tat geht es meiner Ansicht darum, ob alle mit unserer .Selbstbehauptung zu vereinbarenden Bemühungen um Verständigung unternommen werden sollen und können oder ob davon ausgegangen werden soll, es hätte eigentlich keinen Sinn, ja, es wäre vielleicht sogar gefährlich, weil es sich eben auf der anderen Seite um Regime handele, die aus Gewalt entstanden und auch vorwiegend mit Gewalt aufrechterhalten werden.
Meines Erachtens aber müssen wir imstande sein, Wege zu prüfen, d. h. zu probieren — nicht zu prüfen, indem man darüber redet, ob man wohl oder ob man wohl nicht; das ist eh und je gemacht worden; nein, zu probieren —, statt von vornherein zu erklären: nur das gibt es und sonst nichts, oder: nie jenes, sondern nur das. Das ist unmöglich in der Lage, in die unser Land gekommen ist, um nicht zu sagen: hat gebracht werden können.
Wenn ich mir solche Reden auf der anderen Seite anhöre wie Honeckers — sie sind heute hier von einigen erwähnt worden —, so stelle ich fest, daß es dort darum geht, daß die natürlich am liebsten nichts möchten. Insofern ist es völlig falsch, anzunehmen, wir wollten etwas, das vielleicht in einem geheimen Einverständnis ist. Ich meine die Insinuation, die die Ihnen zur Verfügung stehenden Dienste gegen Leute wie mich und andere ausstreuen. Ich habe gerade heute wie der solch einen Schmutz auf den Tisch bekommen. — Na ja, Sie waschen ihre Hände wie üblich in Lavendel und Unschuld. Das ist auch gar nicht mein Vorwurf an Sie, Herr Kiesinger. Aber irgendwo gibt es eine Grenze für Geduld, wenn man hier lauter Gentlemen hat, die sich als solche auch gerieren, und wenn man von denen, die mit Tinte oder mit dem Diktiergerät umgehen, die aber mit diesen Gentlemen offenbar gute Beziehungen haben, fortgesetzt von unten angegangen wird. Aber lassen wir das. Vielleicht gibt es mal eine günstige Gelegenheit, darüber zu reden.
Ich meine nur, die Honeckers wollen nicht. Das sind ihre eigenen Gründe, die sie haben. Mich interessiert eines: daß sie so tun, als ginge es bei den Auseinandersetzungen um Deutschland darum, sozusagen über eine Stunde Null zu streiten. Die gibt es gar nicht mehr und das sollten wir uns auch hier



Wehner
klarmachen. Ich hatte den Eindruck, wir seien eigentlich hier längst darüber hinweg, als müßte man hier noch darüber reden, als könnte es eine Stunde Null geben.
Wir — das ist unsere Auffassung — haben es zu tun und wir rechnen auch mit dem, was sich DDR nennen läßt in ihrem Block, in ihrem Vertragssystem. Die Auseinandersetzungen, in die wir gehen, gehen nicht um die Fragen, um die es ginge, wäre eine Stunde Null erdenkbar. Sie ist nicht mehr erdenkbar, und der täuscht sich selbst, der so tut, als gäbe es sie.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Wer denkt so?)

— Ja, bitte, dann sagen Sie das mal und gaukeln hier nicht auf irgendwelchen Wogen herum, als könne es eine Stunde Null geben!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir haben es mit Machtpositionen zu tun, die wir nur ganz geringfügig ändern können zum Heil der Menschen in beiden Teilen und um uns herum.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist sicher ihre Auffassung, genau wie es die unsere ist, was ich jetzt sagen will, bei all den Auseinandersetzungen, die es jetzt gegeben hat mit denen auf der anderen Seite, so tun, als könnte man jetzt noch einmal alles von den Verträgen und von den Vorbehaltsrechten usw. aufrollen; da hätte man am Ende nichts mehr an, wenn man das machen würde. Keine Seite hätte mehr etwas am Leib.

(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: So ist es!)

— So ist es.
Nein, bei dem wovon wir ausgehen, gibt es etwas, glaube ich, was zwischen uns nicht streitig ist, wenn auch vielleicht dann die nächste Überlegung schon Anlaß zu Streit gibt, nämlich daß es sich darum handelt, daß beide Teile Deutschlands in ihren jeweiligen Vertragssystemen, die wir sehr unterschiedlich bewerten — ich meine jetzt: denen gegenüber in der Sache unterschiedlich bewerten —, um das Verhältnis beider Teile zueinander reden und diese Versuche durchführen.
Da gibt es das sehr starke Berufen einiger derer, die heute hier in der Diskussion von der Opposition her gesprochen haben: das habe doch die Regierung gesagt, füreinander sollten beide Teile oder Staaten Deutschlands nicht Ausland sein. Ich verstehe das so: ein Verhältnis zueinander zu finden suchen, durch das beide vertraglich der Tatsache Rechnung tragen, daß beide — nach ihren eigenen Aussagen und Verfassungen — Staaten deutscher Nation sind. Entsprechende Verträge, auf die man hin will — das möchte ich einmal so ausdrücken 'sind nicht Verträge minderer Art und minderen Werts als andere Verträge, die wir schließen. Wenn wir uns darauf nicht verständigen könnten, dann täten wir etwas
— ich meine aus Sorge, daß man sagen könnte: ja, aber —, was jener auf der anderen Seite in seiner Weise ausnützt und sagt: Es ist doch nun klar, die wollen uns in Wirklichkeit unterlaufen. Dann muß man sich darüber klarwerden, ob es Verträge solcher Art sein sollen oder nicht. Denn ich möchte
nicht jener These der SED-Spitze' Vorschub leisten, wir erstrebten sozusagen in einer betrügerischen Absicht eine Art von Scheinverträgen, mit denen wir, wie es ja fortgesetzt behauptet wird, die DDR unterordnen wollten, als ob das, was wir innerdeutsches Verhältnis nennen, ein innerbundesrepublikanisches Verhältnis sei.
Schon deswegen wäre es gut, wenn man deutlich machen kann, daß jede der beiden Seiten ihre Zielvorstellungen hat, die nicht miteinander vereinbar sind. Ich würde mich gegen die Phrase — in diesem Fall Phrase — von der Wiedervereinigung wenden, wenn es eine unter deren Vorzeichen wäre, und natürlich wehren die sich gegen die Wiedervereinigung, wenn es eine unter unseren Vorzeichen ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Darüber streiten wir, ob sie dasselbe Recht haben wie wir. Aber das sind Zielvorstellungen, und ich denke — ich bin auch kein Prophet —, daß diese Zielvorstellungen in den vielen Jahren immer deutlicher gegeneinander stehen werden, wobei man hoffen kann, daß die Entwicklungen in der Welt und in den einzelnen Bereichen unserer nicht gerade ungünstig entgegenwirken werden.
Ich möchte es so sagen. Wir sollten versuchen, zu verdeutlichen: nicht die Bundesrepublik Deutschland verlangt die Eingliederung der DDR, aber die Bundesrepublik Deutschland und die DDR, d. h. die Menschen in beiden, sollen, wenn es beide wollen und wollen können, sich vereinigen können. Das ist etwas, wofür wir streiten, und da kann man sich sogar auf jene Verträge stützen, Herr Kollege Barzel, die 1967 — aus ganz anderen Gründen — bilateral gemacht worden sind, das sogenannte „eiserne Dreieck" mit dem jeweiligen Art. 7 oder Art. 11. Sogar der Vertrag vom 12. Juni 1964 zwischen Moskau und der Ostberliner Regierung hat eine solche Klausel. Für die, es ist nicht unsere Klausel. Aber wir haben das Recht, eine entsprechende Klausel zu haben, und deswegen brauchen wir uns von Herrn Honecker und anderen, die ihre eigenen Sorgen haben, jetzt nicht in dieser Frage durcheinanderbringen zu lassen.
Eine andere Sache. Ich glaube, daß es eine erörternswerte Frage ist. Nicht die Bundesrepublik Deutschland verlangt einen Teil Berlins oder ganz Berlin. Aber die Bundesrepublik Deutschland will gesichert wissen, daß Berlin-West nicht in den Prozeß der Einverleibung in die DDR gezogen wird. Deshalb in diesem Falle Sicherung dessen, was man dort den Status quo nennt, und Verstärkung der Garantien; dabei nicht Aufgabe unserer Auffassung über die Rolle, die die Vier als die oberste Gewalt, die de jure besteht, in der ganzen Stadt haben. Sie machen nur ab und zu de facto von ihr Gebrauch.
Ich möchte es auch so sagen: Nicht die Bundesrepublik Deutschland verlangt Änderung der Grenzen Polens. Aber die Bundesrepublik Deutschland will oder möchte, daß die polnische Westgrenze bis zu dem, was man etwas lieblos Formalisierung nennt, nicht die Teilung Deutschlands und auch das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Polen



Wehner
verschlimmert. Das ist etwas, das meinetwegen besser, schärfer formuliert werden kann. Aber die Tendenz wird sicher auch von Ihnen nicht unbedingt bestritten werden können.
Ich wollte noch — ich muß mich sehr beeilen — auf einige Bemerkungen der Debatte selbst kommen. Man kann nicht, wollte ich sagen, mitten in einem Meinungsaustausch, dabei in einem so komplizierten, im Ernst die Frage stellen, wer denn nun Recht gehabt hätte mit der Analyse. Ich bitte Sie, Herr Kollege Dr. Barzel: Sie wissen ganz genau, daß man zwar die Frage stellen kann, aber daß man nicht erwarten kann, daß man hier jetzt eine solche Aufrechnung macht, wer hier Recht gehabt habe und wer nicht Recht gehabt habe. Denn ich nehme nicht an, daß Sie dastehen wollen und daß man dann sagt: Ja, das haben die gemacht um den Preis, die eigene Seite bloßgestellt zu sehen. Das würde ich Ihnen nicht unterstellen, aber das käme faktisch dabei heraus, zu einer solchen Zeit, einer Unzeit, eine Aufrechnung sogar noch mit dem Blick zurück, wessen Analysen und Schätzungen von Anfang an richtig waren, machen zu wollen. Aber, wie gesagt, ich muß das jetzt so hinsagen und bitte um Entschuldigung, weil ich meine Zeit schon bald überzogen haben werde.
Eines macht mich sehr nachdenklich. Sie begründen Ihre Position hier — das haben einige getan — u. a. damit, daß in jenen Ländern gesagt worden sei, man wünsche für das, worum es denen gehe, breite Mehrheiten. Ich nehme an, das betrifft Polen, das betrifft wohl auch die Sowjetunion; ich bin so genau nicht informiert wie Sie; Sie haben mehr Informationen, als ich sie habe, von dem, was die Regierung und ihre Umgebung durch ihre Unterhändler mitgebracht haben, und ich bin darüber nicht böse, denn was ich nicht weiß, das macht mich nicht heiß.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

- Ja, sicher, es ist Ihnen gegenüber eine recht loyale Regierung. — Kann ja sein, daß das gesagt wurde. Ich zweifle das nicht an, weil ich nicht in Abrede stellen will, daß Sie solche Informationen bekommen haben. Aber ich muß Sie doch bitten: Nun möchten Sie wohl zeigen — könnte man sagen , daß Sie eben dies nicht wollen, daß es breite Mehrheiten gibt.

(Abg. Dr. Kiesinger: Doch!)

Aber Sie können doch nicht annehmen, daß die Haltung in Moskau und die Haltung in Warschau — von Ost-Berlin rede ich in diesem Zusammenhang gar nicht — dadurch anders und man dort dadurch verhandlungsbereiter würde, daß Sie hier sagen: Na, die haben ja selber gesagt, sie wollten breite Mehrheiten haben. Oder wollten Sie damit sagen, es wird sowieso nicht viel herauskommen? Kann ja auch sein. Das wäre kein Malheur, aber mit der Auffassung kommt man nicht sehr viel weiter.
Herrn Barzels Aufzählung steht in einer sympathischen Nachbarschaft zu einer, die unlängst einmal der Minister für innerdeutsche Beziehungen hier gegeben hat. Sie war heute nur sehr, sehr lebendig dargebracht.

(Abg. Dr. Barzel: Ferien gehabt!)

— Was soll das? Nein, gar nicht! Hören Sie mal, da unterscheide ich mich ein wenig. Ich habe es als sehr taktlos empfunden, wie Sie heute vormittag hier einstiegen. Aber ich gönne Ihnen das Vergnügen. Ich repliziere so nicht, mit Ferien und sowas. Das habe ich nicht gemacht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hier wurde gesagt, daß Herr Barzel Ferien gehabt hat!)

— Das habe ich nicht gesagt.

(Zuruf des Abg. Dr. Barzel.)

— Gut, das brauchen wir nicht, es geht um meine Redezeit, nicht urn Ihre.

(Heiterkeit.)

Ich wollte nur sagen, es wäre eine Verkennung der Lage, jetzt mit neu aufgelegten und im einzelnen, in jedem einzelnen Detail noch so wesentlichen und unstrittigen Punkten kommen zu wollen. Wie gesagt, das ist nicht drin. Da holt man nichts heraus, und wenn man nichts herausholt mit solch einem Katalog, dann soll man sich nicht in eine Lage bringen lassen, von der aus man dann kaum etwas in Bewegung bringen kann.
So gesehen, ist das auch eine — ich sage es so, Herr Kiesinger — beinahe tragische Erinnerung, die Sie hier heraufbeschwören: daß bei dem Bemühen um und der Bewerkstelligung der Freundschaft mit Frankreich wieder das Saarland kam. Soll man nun darüber reden, wann man darüber hätte reden können? Ich würde es nicht wagen. Aber glauben Sie selbst im Ernst bei dem, was Sie sonst so gerne sagen, daß man nämlich Geschichte nicht antizipieren könne, daß es da eine Analogie geben könnte

(Abg. Dr. Kiesinger: Im Gegenteil!)

bei der Unterschiedlichkeit der Partner — um hier einmal wertfrei „Partner" zu sagen —, mit denen wir es .da zu tun haben? Na, ich bitte Sie!

(Abg. Dr. Kiesinger: Das war ja meine Meinung!)

— Na gut, aber da werden Sie doch hoffentlich nicht sagen, deswegen müssen wir. die Hände einstecken. Das dürfen wir gar nicht.

(Abg. Dr. Kiesinger: Nur vorsichtig!)

Sie haben ja in der einen Rede, die ich so gern zitiert habe — monatelang bin ich mit der Rede herumgelaufen,

(Heiterkeit)

obwohl keine Zeitung sie abgedruckt hat; Sie können sie immer nur im Bulletin vom 20. Juli finden; keine deutsche Zeitung hat die Rede des damaligen Bundeskanzlers abgedruckt; das ist eine späte Genugtuung für die Behandlung, die ich durch manche Zeitung erfahren habe, aber das war ganz am Anfang —

(erneute Heiterkeit)

dazu etwas gesagt. Ich meine, das sind eben schreckliche Unterschiede.



Wehner
Herr Kollege Barzel, es tut mir leid, da muß ich noch einmal auf das zurückkommen, wie Sie das jetzt — natürlich sehr geschickt — machen: zu peitschen. Was Sie sich da mit der Formel gedacht haben, war gekonnt. Den Text der Formel habe ich hier, den könnte man sehr schnell erklären. Selbstverständlich, man stellt sich dann so vor, vor wem man spricht, vor denen nämlich, von denen heute gesagt worden ist, sie seien „die eigentlichen Leidtragenden". Ich denke an Herrn Becher, der das hier gesagt Da gebraucht man dann so das Wort „vernebeln", in der Wendung: „will dir das vernebeln". Das ist zu deutlich, welche Absicht mit dieser Übung verfolgt wird. Ich weiß, daß das für uns sehr schwer wird, so wie Sie das aufziehen werden. Aber auch da sind die Zeiten ein wenig anders.
Sie sagen, „augenzwinkernd" rede man davon. Das werden Sie von mir nicht erleben. Ich habe aber schon Freunde Ihrer eigenen Partei gehört, die mich beschworen haben, doch ja nicht jene sieben schrecklichen Worte vom Ende des Feldzugs in Polen, so wie ich sie in der Erinnerung habe, in irgendeinem Zusammenhang wieder zu sagen. Denn das habe schauerlich gewirkt. Das hatte ich auch gemeint, daß das wirkte.
Ich wollte nur sagen: wenn wir uns begegnen werden bei allfälligen Tagungen, werde ich so redlich reden und werden auch Sie so redlich reden, wie Sie sind, und dann müssen wir mal sehen, was die Leute von dem halten, was wir ihnen zu bieten haben. Aber bitte, lassen Sie die Bemerkungen sein. Das sollen sie selber merken, ob ich z. B. augenzwinkernd in der Richtung Polens rede oder so. Das gleiche gilt für die Formel und für das mit dem Vernebeln. Das ist nicht gut. Natürlich — das haben Sie ja heute schon aus einer Replik gehört, die hier gemacht worden ist —: der, dem Sie nun das Wort von der Formel anhängen, der ist natürlich in den Augen derer, die hier als die Betroffenen hingestellt worden sind — viel zu früh übrigens — ganz was anderes als die, die Schlesien und andere Heimatländer nennen.
Ich gehe nicht in Wettbewerb mit Ihnen über Grabstätten und so. Nicht. Ich könnte das. Das liegt mir nicht. Wir müssen sehen, was wir dort, wo wir Politik relativ nach eigenem Empfinden und nach eigenem Interesse machen können, was wir mit dem zugunsten des friedlichen Zusammenlebens und unseres ganzen Volkes machen können. Das ist es, was unsere Aufgabe ist. Und das andere: Sie brauchen es sich nicht zu sparen; ich jedenfalls würde es mir sparen.
Wissen Sie, es hat sich da doch etwas geändert. Ich stelle mir vor, der Bundeskanzler wäre nicht der, der hier sitzt, sondern wäre jener gewesen, den manche hier noch erlebt haben von 1949 an, was der gesagt hätte nach einer solchen Rede, wie es die war, die Sie gehalten haben: was wir angerichtet hätten, indem wir von zwei Staaten sprächen; es sei eben ein riesiger Unterschied, ob ein Gewaltverzichtsabkommen von einer Regierung geboten wird, die sagt, sie spricht für alle Deutschen, oder von einer Regierung, die von vornherein gesagt hat: „Das sind eben zwei Staaten" —, nicht weil sie
es wünscht, sondern weil es so ist. Wissen Sie, was da der alte Herr gesagt hätte — ich will es nicht nachahmen, wie er es gesagt hätte —; aber der wäre hier gleich aufgestanden, sofort nachdem der andere herunter war und hätte gesagt, daß diese Rede ein Unglück für Deutschland gewesen sei. Das hat sich geändert,

(Beifall bei den Regierungsparteien) das tut der jetzige Bundeskanzler nicht.

Ich möchte nur sagen: die Legende, mit der erklärt werden soll, was nicht erreichbar ist auf dem Weg, den wir gehen und ausschreiten müssen, ohne uns dabei irgendwo verlieren zu dürfen, diese Legende, mit der erklärt werden soll, wenn nichts erreicht würde oder nicht das, was eigentlich zu erreichen notwendig wäre, sei das die Folge des Angetretenseins mit einer Theorie von zwei Staaten — die ja in Wirklichkeit eine Beschreibung eines Zustandes ist —, diese Legende soll offensichtlich dazu dienen, weniger deutlich zu machen und die Überlegung weniger schmerzhaft für die meisten Betroffenen zu machen, daß das eigentlich eine Folge einer Politik ist, die Deutschlands Spaltung nicht verhindert, sondern schließlich besiegelt hat. Das ist es, was damit umspielt werden soll. Wir werden sehen.
Meine Herren von der Opposition. Sie haben sich einige Male daran gerieben, daß ich gesagt habe: Die Verträge, wenn es welche gibt, werden natürlich Verträge sein, die nicht weniger wert sind als jeder andere Vertrag. Ich würde streiten, wenn man den Versuch machte, sie irgendwie nach unten abzustufen. Wer schon vorher sagt: dies und dies, und jenes nicht, der erfreut jene drüben, die sagen: ohne das und das — jenes nicht! Das ist die fatale Situation, in der Sie selber sind,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

in der alle diejenigen sind, die es so machen.
Was das Verhältnis hier im Hause betrifft, meine Herren: Es geht hier doch nicht um eine abstrakte Politformel, sondern es geht um das Ringen und den Versuch, dieses Ringen so fair durchzuführen, wie es Ihnen möglich ist und wie wir es verstehen. Aber das ist eben die Änderung: Sie sind nicht auf das erste und das letzte Wort der konkreten Politik abonniert. Wenn Ihnen das die Regierung nicht so trocken sagt, wie ich es Ihnen sage, mag es daran liegen, daß ihre Mitglieder bessere Kavaliere sind. Sonst wäre ich auch noch in einer Regierung.

(Heiterkeit.)

— Natürlich! Ich bin nun einmal so.
Sie wollten, nachdem in der Diskussion darauf hingewiesen worden war, daß inzwischen eine Wahl stattgefunden habe, darauf noch einmal eine Antwort haben. Ich möchte das verdolmetschen, weil ich mit Unzufriedenheit bemerkt habe, daß der Urheber dieses Wortes trotz mehrerer Fragen darauf nie wieder zurückgekommen ist. Ich kann nicht an seiner Stelle sprechen, sondern ich sage nur: Sie, meine Herren von der CDU/CSU, bei aller Achtung vor Ihnen, können — das ist der Unterschied — nicht mehr bestimmen, was alles unterlassen werden muß oder was nur hinhaltend gemacht werden



Wehner
darf. Das ist das Ergebnis der Wahl, und das versuchen wir für die deutsche Politik nutzbar zu machen. Darum ringen wir.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0603327200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0603327300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, wie ich es dem Bundesaußenminister über Mittag persönlich gesagt habe, mit einem persönlichen Wort beginnen. Es tut mir leid, daß ich heute früh von Ihrer „besonderen Strapaze als Parteivorsitzender" gesprochen habe.

(Beifall bei dein Regierungsparteien.)

— Ich füge hinzu: Ich habe mir selbst den schlechtesten Dienst erwiesen, mit einem so schlechten Anfang zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zur Debatte. Diese Debatte war nötig — hier bin ich anderer Meinung als Herr Mischnick, Herr Wehner und andere, die etwas anderes gesagt haben —, weil seit dem 14. Januar, dem Bericht zur Lage der Nation und der Aussprache darüber, neue Tatbestände, Entwicklungen und Erklärungen zu verzeichnen ,gewesen sind. Sie war ferner notwendig, weil es keine Kooperation und keinen Ort für Gespräche gab. Wer diese Debatte ,als .ein Sachkundiger der deutschen Politik und auch als einer, der die Personen hier und die Zwischentöne kennt, nachliest, wird es in der Tat, Herr Bundeskanzler, als Ihr Versäumnis betrachten müssen, nicht mehr Gemeinsamkeit, die doch keineswegs unmöglich wäre, herbeigeführt zu haben.
Meine Damen und Herren, da es keine Kooperation gab, da Fragen nicht beantwortet worden sind, mußte die Opposition

(Zuruf von der SDP: Sie waren doch im Urlaub!)

— die Debatte findet auch statt, wenn ich im Urlaub bin; das haben Sie vorige Woche gesehen, meine Damen und Herren — hier einiges sagen. Es mußte auch deshalb gesagt werden, weil die Koalitionspolitik — das haben wir öffentlich gesagt — durch eine Erklärung von Herrn Wehner aus unserer Sicht in Frage gestellt worden ist. Durch die Erklärungen des Bundeskanzlers und des Kollegen Wehner, die gerade bezüglich dessen, was nicht oder nicht mehr gesagt wurde, interessant waren, ist sicherlich hinsichtlich dieser Fragen einiges aus der Welt geräumt worden. Das zeigt, wie notwendig die Debatte war.
Sie war aber auch notwendig, weil öffentlich, draußen immer wieder die Frage gestellt wurde: Wo ist eigentlich die Alternative der CDU/CSU? Nun hat sich mancher gefragt und bedauert, warum sie nicht groß genug sei. Aber der Bundeskanzler hätte es sicherlich vor seinen schweren Gängen gerne, wenn sie noch geringer wäre. Aber ich komme auf dieses Alternative-Problem zurück. Wir wollten alle diese Fragen hier im Hause beantworten und nicht in den vielfältigen Interviewmöglichkeiten, die auch uns zur Verfügung stehen. Fraglos stehen uns nicht die Hauspostillen der Regierung, „Der Spiegel" oder „Der Stern" zur Verfügung.
Ich möchte zunächst ein Wort zur 'Rede des Bundeskanzlers sagen. Auf das, was Herr Wehner gesagt hat, komme ich gleich zurück. Der Bundeskanzler hat sich in einigen Fragen doch in einen von der Opposition angenehm empfundenen Gegensatz begeben — wieweit er damit fertig wird, wird seine Sache sein —, indem er hier einige der Fragen beantwortet hat, bei deren Beantwortung manche seiner Kollegen aus der eigenen Fraktion heute morgen zu lachen für richtig hielten und die der Kollege Apel ,als Phrasen abzutun für den richtigen Stil dieser Debatte fand.
Freilich, Herr Bundeskanzler, den größeren Teil der Fragen haben Sie nicht beantwortet. Ich habe ein gewisses Verständnis für die Situation eines Regierungschefs, der in Verhandlungen und vor Verhandlungen steht. Deshalb will ich hier nicht insistieren. Aber alle diese Fragen bleiben auf dem Tisch, nicht zuletzt, weil Sie, Herr Bundeskanzler, vor diesem Gang, den Herr von Kühlmann als schwer bezeichnet und ,den andere mit allen möglichen guten Wünschen begleitet haben, nicht einmal in dieser Debatte gesagt haben: Dann laßt uns doch vorher noch einmal sprechen! Deshalb bleibt natürlich dieser unbeantwortete Teil der Fragen bis dahin auch Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung. Nicht, weil wir es so wollen, Herr Kollege Wehner, sondern weil die Regierung es nicht anders will oder weil Sie es nicht anders wollen. Das, meine Damen und Herren, müssen Sie verantworten.
Offengeblieben ist u. a. die Frage nach den Intentionen der Sowjetunion und dem, was sie in der Zentralen Frage des Verzichts auf die friedliche Wiedervereinigung verlangt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese Frage ist nicht dadurch beantwortet, daß der Herr Bundeskanzler sagt, das Buch der Geschichte über die deutsche Frage dürfe nicht zugeschlagen werden. Sie ist nicht durch das beantwortet, was Herr Wehner sagt, es sollten sich alle Deutschen, wenn sie wollen und können, vereinigen dürfen — ein Fortschritt 'in der Formulierung, für die ich mich bedanke.
Wir freuen uns, daß der 'Bundeskanzler und auch der Verteidigungsminister auf unsere Anregung hin zu dem Problem .der Tendenz in den USA Stellung genommen haben. Die Stunde ist zu spät, um hier flüchtige Antworten zu geben. Wir sind nicht zufrieden mit dem, was gesagt worden ist. Wir behalten uns darüber eine spätere Debatte im Gesamtzusammenhang vor.
Der Widerspruch ist nicht aufgeklärt zwischen dem Bundeskanzler, der an dieser Stelle noch einmal von der Skepsis gesprochen hat, mit der er an all diese Dinge herangeht — das haben wir gehört, und es war sicherlich klug, das zu erklären —, und dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, der vorher mit Gewißheit sagte: Das alles wird nicht scheitern. Wissen Sie, wenn man da bei uns nach einem solchen Tag



Dr. Barzel
wie heute 'immer noch versucht — ich weiß nicht, wer der .Debattenredner war —, zwischen Strauß, Kiesinger, Barzel und Schrader irgendwo einen Punkt zu finden, an dem einer im Temperament etwas anderes gesagt hat, dann sind das fast keine Differenzen im Vergleich nicht nur zu den steuerpolitischen in Ihrer Regierung, von der ich jetzt nicht reden will, sondern auch zu ,der Skepsis und der Sicherheit, es werde zum Ergebnis führen, es werde kein Scheitern geben.
Nun, Herr Kollege Wehner, zu ,dem, was Sie eben gesagt haben. Ich bin froh, daß Sie gesprochen haben; denn ich hatte schon den ganzen Tag darauf gewartet und dachte schon, ich müßte wieder den „Spiegel" der nächsten Woche abwarten.

(Zurufe von der SPD.)

Herr Wehner, ich möchte zunächst einen Punkt aufgreifen, bei dem Sie sehr leidenschaftlich waren. Sie wandten sich zunächst gegen den Honnecker — das war sicher hilfreich für alle — und dann gegen die Honneckers — das war sicher auch gut gemeint —; Sie sagten weiter, daß es keine Stunde Null gebe. Wir sehen natürlich, daß das heißt — so betrachte ich Ihre Antwort; hoffentlich habe ich das jetzt richtig interpretiert —: Die ganze Propaganda, die drüben getrieben wird, um die Sozialdemokratische Partei 'Deutschlands in .die Positionen des Jahres 1954 zurückzudrängen, ist erfolglos. So habe ich Ihre Erklärung verstanden.

(Abg. Wehner: Ja, genau das!)

Dafür wollte ich mich bedanken, Herr Wehner, weil das hilfreich ist. Sie haben alber dann von der Stunde Null gesprochen. Herr Wehner, die gibt es in der Politik niemals. Es 'gibt immer nur die Last von ,gestern, die Verantwortung von heute und .den Weg für morgen.
Ich komme nun zu .einem Punkt, in dem wir nicht übereinstimmen. Sie sagen, Herr Kollege Wehner, die Verträge mit dem anderen Teil Deutschlands — das ist eine wichtige Frage — seien nicht von minderer Art als andere. Sie haben dann später von Verbindlichkeit gesprochen. Wenn Sie sagen würden, die Verträge mit dem anderen Teil Deutschlands seien nicht von minderer Rechtskraft als andere, so vermöchte ich dem zu folgen, weil dies ein fundamentaler politischer und juristischer Unterschied ist. Wir leben ja nun eine ganze Weile mit Abmachungen — Sie haben einige zitiert —, die eingehalten werden, ohne daß man eine völkerrechtliche Anerkennung in allen möglichen Formen vollzieht. Das sollte hier noch gesagt sein.
Herr Wehner, ich hoffe, an der Stelle, an der Sie sagten, ich wünschte gar keine breiten Mehrheiten, habe ich Sie mißverstanden. Wir 'beide kennen uns nun schon .eine ganze Weile, im Guten wie im Schlechten. Vielleicht haben Sie einmal abgewogen, was es eigentlich hieß, was nach dieser Art der Regierungsbildung dazugehörte, hier für meine Fraktion mit deren Billigung nach langen Debatten erklären zu können: Trotzdem 'bieten wir die Kooperation in nationalen Fragen an. — Glauben Sie, das war leicht? Und dann sagen Sie einem Mann wie mir, er suchte keine breiten Mehrheiten, und
so, wie er es anlegte, würde es hier schwerer. Sie haben recht, es soll bei den großen innenpolitischen Kontroversen hier schwerer werden, wo wir auf die Initiativen dieser Regierung, die die inneren Reformen ,durchführen wollte, warten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber, meine Damen und Herren, es soll doch nicht auf diesem Gebiet schwerer werden! Herr Wehner, das sollte mir niemand unterstellen, schon gar nicht, wenn man sich kennt.
Meine Einlassung über den Gewaltverzichtsvorschlag der Regierung Kiesinger mit den Attributen und Vokabeln, die Sie gebraucht haben, zu belegen, dazu gehört schon entweder eine große Portion von Nichtkenntnis der Vorlagen oder eine große Portion Unverfrorenheit der Darstellung. Wenn eine Regierung, die sagt, sie spreche für alle Deutschen, hier ein Gewaltverzichtsabkommen vorschlägt, in dem in der Präambel steht „Um die Wiedervereinigung in Freiheit friedlich herzustellen, versichern wir uns gegenseitig entsprechend der UNO-Charta, das Mittel der Gewalt feierlich auszuschließen", dann ist dies eine gute Vorlage. Dieselbe Vorlage erscheint aber natürlich nicht nur rechtlich, sondern auch politisch in einem anderen Licht, wenn sie von der Anerkennung zweier Staaten ausgeht, weil die Grenzfrage dann einen ganz anderen Gehalt bekommt. Herr Kollege Wehner, wenn Sie sich mit Ihrer Regierung darüber unterhalten, worin die größten Schwierigkeiten im Hinblick auf ein solches Abkommen liegen — ich weiß das nur aus den Dokumenten von 1967 und 1968 über den Gewaltverzicht, die ich studiert habe; sie sind ja veröffentlicht —, werden Sie immer wieder auf eben diese Frage stoßen. Da haben Sie sich durch das, was Sie hier getan haben, die deutsche Position nicht erleichtert, sondern erschwert. Das hier darzustellen, um es dann über die Ecke dialektisch als nationales Unglück zu behaupten, Herr Wehner, das war eigentlich genauso ein schlechter Schluß bei Ihnen, wie ich heute einen schlechten Anfang hatte.
Einige haben in dieser Debatte behauptet, die Alternative der Opposition sei nicht verstanden worden oder nicht deutlich genug geworden. Nun, es ist manchmal so, Herr Kollege Apel — das geht auch uns manchmal so —, daß man erst bei längerem Zusehen merkt, was da wirklich passiert ist. Bei uns haben manche damals am 30. Juni die Worte von Herbert Wehner als taktische Tagesrede empfunden und erst später gemerkt, was passiert war. Na ja, es kann so sein, daß es Ihnen heute ähnlich ergeht. Vielleicht lesen Sie, Herr Apel und andere, einmal nach, was für eine Konzeption wir heute vorgelegt haben, wo wir gesagt haben, für Lösungen und die Bereitschaft, etwas für Europa einzubringen, seien wir bereit, politische Leistungen zu erbringen. Wir haben die Maßstäbe gesetzt, und da es eine Kooperation nicht gibt, haben wie sie hier im Hause gesetzt, damit jeder wissen kann, wozu man mit dem Ja der Opposition rechnen kann und wozu man das Nein der Opposition mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit voraussehen muß. Das können Sie aus dem, was hier heute gesagt worden ist, sehen.



Dr. Barzel
Nun kommen Leute und sagen uns, wir hätten hier gesagt: das nicht und jenes nicht! Dann müssen Sie Reden zum Fenster hinaus halten, aber nicht gegen die Position, die hier die CDU/CSU eingenommen hat. Diese hat nämlich gesagt — ich zitiere —:
Uns geht es um die Anerkennung der Menschenrechte. Wenn es das zu besiegeln gilt, fragen wir nicht nach der Farbe der Tinte und der Form des Unterschriftsformulars.
Diese Fraktion hat gesagt — ich lese es jetzt noch einmal vor —:
Wir brauchen in Europa zumindest Ansätze, welche die Verhärtung überwinden und die Zusammenarbeit stärken, Bemühungen um den Abbau der Rüstung auf allen Seiten und mehr noch: In ganz Europa müssen die Grenzen offener werden. Die Freizügigkeit muß stärker, die Informationsmöglichkeiten für alle müssen besser und der Austausch der Meinungen sowie die Begegnung der Menschen müssen reger werden. Überall in Europa müssen Minderheiten geschützt sein, und es müssen die Diskriminierungen nach Nation, Sprache, Religion und Meinung gemildert werden mit dem Ziel, sie ganz zu überwinden. Für solche Zwecke auch politische Leistungen zu erbringen erscheint uns sinnvoll. Wir halten es aber eben deshalb für fundamental uneuropäisch, den gegenwärtig ganz anders gearteten Status quo in Europa etwa zu zementieren und dadurch die Sowjetunion gegenüber allen Europäern, auch uns gegenüber, in ihrem Einfluß noch zu stärken.
Ich habe dies noch einmal vorgelesen, damit das hier vielleicht doch besser verstanden wird.
Meine Damen und Herren, der Bundesregierung ist es nicht gelungen, Kooperation herzustellen. Es ist ihr nicht gelungen, heute unsere Besorgnisse zu zerstreuen. Sie war nicht bereit, wesentliche Fragen zu beantworten. Diese Bundesregierung hat auf dem Wege in Verhandlungen, für die wir sind, Vorleistungen erbracht, gegen die wir sind und waren. Herr Bundeskanzler, in der Steuerpolitik können Sie ohne Schaden für uns alle, was die Steuersenkung damals betraf, Ihr Wort mit guten Gründen ändern. Das zeiht keiner sehr. Nur, auf dem Gebiet der Außenpolitik sind die Worte einer Regierung auch auf dem Wege zu einer Verhandlung Tatsachen. Diese Tatsachen, auch viele von denen, die Sie geschaffen haben, sind unverrückbar, und sie sind weggegeben, ohne in einem der Punkte, die wir als Maßstab genannt haben, auch nur den Schatten eines Fortschritts erkennbar werden zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0603327400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0603327500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Warschauer Gesprächen, die aktuell sind und in den nächsten Wochen weitergehen, sei mir gestattet, noch einige Sorgen und einige unbeantwortete Fragen festzuhalten, nicht Sorgen darüber, daß gesprochen wird, aber wohl Sorgen darüber, worüber nicht gesprochen wird und worüber gesprochen wird. Sosehr die Bundesregierung einen Spielraum haben muß, sosehr hat das Staatsvolk und sosehr haben die Betroffenen, um deren Menschenrechte und um deren nach der europäischen Menschenrechtskonvention zu achtende Wohnsitzrechte es geht, Anspruch darauf, über die Grundvorstellungen, und zwar über alle Grundvorstellungen der Bundesregierung, mit denen sie an die Gespräche herangeht, Klarheit zu erhalten, dies um so mehr, als der polnische Staatspräsident in sehr eindeutiger Weise nicht nur Grundvorstellungen, sondern Einzelheiten genannt hat. Hier sind doch gerade auch nach der heutigen Debatte entscheidende Unklarheiten geblieben.
Ich stelle noch einmal die Frage, die Herr Dr. Barzel hier zweimal von diesem Pult aus gestellt hat und die bisher nicht beantwortet ist: Gilt das Wort des Bundesaußenministers Willy Brandt vom 2. Juli 1967 gerade zu den Verhandlungen noch? Das ist im Bulletin vom 4. Juli überschrieben: „Grundvorstellungen einer europäischen Friedensordnung". Auf diese europäische Friedensordnung hat sich ja der Herr Bundeskanzler heute berufen. Gilt das noch nach zweieinhalb Jahren, oder gilt das nicht mehr? Dieses Wort — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vier bis fünf Sätze zitieren — lautete so, daß es nach einer Ablehnung des sterilen Status quo — so damals der Herr Bundesaußenminister Willy Brandt — folgendermaßen hieß:
Eine europäische Friedensordnung
— und auf die hat sich der Herr Bundeskanzler heute berufen —
soll man sich
— und das sagte er damals mit Rücksicht auf die Ostgrenzen —
auch in anderer Hinsicht nicht so vorstellen, als ob einfach nur zu bestätigen wäre, was der zweite Weltkrieg in Europa hinterlassen hat. Die europäische Friedensordnung müßte Grenzen einebnen und neue Formen der Zusammenarbeit möglich machen. Zu ihr müßte deshalb beispielsweise auch ein europäisches Volksgruppenrecht gehören. Sie müßte die Menschenrechte nicht nur deklarieren, sondern auf wesentlichen Gebieten praktizieren.
Gilt dieser Satz noch heute? Wir haben im Ausschuß gefragt; auch dort ist die Frage nicht beantwortet worden. Das sind ja Grundvorstellungen, und hier ist keine leere Bühne seit 1967 geschaffen worden oder übriggeblieben.
Unklar und widersprüchlich ist auch die Frage beantwortet, wozu sich die Bundesregierung bezüglich Anerkennung und Zustimmung zu Gebietsänderungen für legitimiert hält und welches ihr politischer Wille hierzu ist. Ich muß gestehen, vorbehaltlich der weiteren Prüfung der persönlichen Meinung von Herrn Professor Dahrendorf zu dieser Frage scheint mir durch die heutige Debatte die Verhandlungs-



Dr. Czaja
situation der Bundesrepublik Deutschland nicht verbessert worden zu sein,

(Zuruf des Abg. Hermsdorf [Cuxhaven])

insbesondere nicht durch die widersprüchlichen Ausführungen, Herr Kollege Hermsdorf, von Herrn Kollegen Apel und von Herrn Kollegen Haack. Sosehr ich vieles von Herrn Kollegen Haack bejahen und unterschreiben kann, so kann ich nicht verstehen, daß Herr Kollege Apel genau das, was ich hier zitiert habe und was Herr Dr. Barzel angesprochen hat, als Wortgeklüngel, als Phraseologie und ähnliches bezeichnet.
Offensichtlich drehten sich die Gespräche in Warschau bisher nur um die Frage, was der andere Gesprächspartner will. Meine Damen und Herren, eine solide Grundlage für Beziehungen ergibt sich aber nur aus klaren Willensäußerungen auf beiden Seiten. Formeln, die sie überdecken, machen solche Beziehungen nicht frei von ungutem Mißtrauen und Unsicherheit mit allen Folgen, also auch von Mißtrauen gegen uns. Art. 7 des Deutschland-Vertrages ist wichtig und wertvoll, wenn ein klarer politischer Wille des am meisten betroffenen Vertragspartners — das sind wir — dahintersteht.
In dem langen Prozeß eines Sich-wieder-besser-
Verstehens zwischen dem deutschen und dem polnischen Volke, der wiederholt hier angesprochen worden ist, müssen die großzügige wirtschaftliche Zusammenarbeit ich sage ausdrücklich: großzügige —, ein Austausch wirklicher kultureller Leistungen auf beiden Seiten, bessere Beziehungen der Menschen und Völker, ein häufigeres Zusammenkommen der Fachleute, der Techniker und der Kaufleute vorangehen. Dauerhafte geschichtliche Lösungen, annehmbar für beide Völker, können aber nicht erzwungenes und daher weder glaubwürdiges noch haltbares Ergebnis am Anfang sein. Sie erfordern einen langen Prozeß.
An seinem Ende — das scheint mir doch eine erwägenswerte Alternative zu sein — sollte nicht, wie der polnische Außenminister Jendrichowski meint, eine Fixierung expansiver national-staatlicher Barrieren, sondern, wie es der Bundesaußenminister Willy Brandt am 2. Juli 1967 ausgesprochen hat, eine enge Zusammenarbeit, eine enge menschliche und gruppenmäßige Zusammenarbeit auch in umstrittenen Gebieten stehen. Solche dauerhaften Lösungen lassen sich weder rasch noch in einem 'für einen gerechten Ausgleich ungünstigen geschichtlichen Moment des erheblichen Ungleichgewichtes in Europa erreichen. Dauerhafte Lösungen liegen aber — das möchte ich ganz deutlich sagen — im wohlverstandenen Interesse beider Seiten: nicht nur unseres, sondern auch des polnischen Volkes.
Eines aber ist gewiß, und daß möchte ich auch zu den Ausführungen von Herrn Professor Dahrendorf sagen: Sosehr über Territorien Mehrheiten der vertragschließenden Parteien — Mehrheiten in den Parlamenten — entscheiden: über Menschenrechte können sich auch Mehrheiten nicht hinwegsetzen.
Wir bedauern es ,auch, daß dem mit irrigen Argumenten arbeitenden Druck auf Scheinlösungen nicht mit sachlicher Klarheit entgegengetreten wird. Kein gerecht denkender Mensch kann und darf verschweigen, was im deutschen Namen Grausames und Grauenhaftes getan wurde. Bei aller berechtigten Forderung nach Sühne, die die schuldigen Personen, Täter und Urheber, in geordnetem Rechtsgang zu leisten haben, und politischer Haftung — nicht Kollektivschuld, sondern politische Haftung für Falsches, was die unwürdige Vertretung unseres Volkes getan hat —, muß es zurückgewiesen werden, daß 'deshalb über das Unrecht der gegenüber zehn Millionen Menschen begangenen Vertreibung ohne den letzten friedlichen Versuch zur zeitgemäßen Wiederherstellung von Völkerrecht und Menschenrechten hinweggegangen und daß dieses Unrecht hingenommen wird ohne diesen letzten Versuch. Wenn wir das täten, würden wir dem Faustrecht und der Gewalt statt der Durchsetzung der Normen des Völkerrechts und der Menschenrechte Vorschub leisten. Auch 25 Jahre heilen das nicht.
Vielmehr muß, wie Willy Brandt am 2. Juli 1967 erklärt hat, zu gegebener Zeit eine umfassende Friedensordnung, eine gemeinsame Aufbauarbeit in neuen Formen des Zusammenlebens gesucht und ermöglicht werden. Wenn man Grausamkeiten als Motivierung für politische Entscheidungen vorgehalten bekommt — obwohl das Völkerrecht dies nicht kennt —, sollte allerdings auch nicht systematisch das Grausame verschwiegen werden — ohne aufzurechnen; ,denn Unmenschlichkeiten sind nicht gegeneinander aufrechenbar —, das auch an Deutschen begangen wurde.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Es ist nicht gerecht, das eine zu nennen und das andere überhaupt nicht zu nennen.
Nicht zu verschweigen ist, daß die Hauptursache des Grausamen, ein frevelhaft übersteigerter Nationalismus, zwar ganz besonders in deutschem Namen ausgeübt wurde, aber auch bei denen, die uns anklagen, keineswegs beseitigt ist, sondern heute noch Vertreibung verursacht, und daß dort, wo andere vor dem Nationalsozialismus Gewalt und Macht über Deutsche hatten, ebenfalls schwere, aus einem solchen Nationalismus herauskommende Diskriminierungen, ja Verfolgungen von Deutschen lange vor 1933 zu verzeichnen waren. Wer einmal die Übersetzungen von Aussagen einiger Unterhändler in den Jahren vor 1933 durchliest, der wird merken, daß auch einzelne Unterhändler an diesem nationalen Chauvinismus nicht unschuldig waren.
So muß die Ursache jener Übersteigerung eines maßvollen und notwendigen Nationalbewußtseins, die nicht nur Fehler der Deutschen ist, im Alltag durch neue Formen der Zusammenarbeit — nicht aber durch neue fixierte Grenzpfähle, die dem einen alles und dem anderen nichts geben — ersetzt werden. Die nach dem Furchtbaren verbliebenen tiefen Lücken in der Wirtschaft, in der Technologie, im Vollzug des Strukturwandels und in den kulturellen Begegnungen bieten reichliche Ansatzpunkte zur Kooperation, nicht nur im Finanziellen und im Handel, sondern auch in der Begegnung der Fachleute und der Menschen.



Dr. Czaja
Zu den Irrtümern, denen entgegenzutreten ist, gehört auch die Meinung, daß Annexionen statt durch ein erträgliches und umfassendes Vertragswerk durch Formeln oder durch politische Absichtserklärungen ersetzt werden können. Das Annexionsverbot zählt zu den Normen des Völkerrechts. Der Sicherheitsrat der UNO hat im Nahostkonflikt noch im November 1967 daraus eindeutige und einstimmige Beschlüsse abgeleitet. Art. 25 des Grundgesetzes verkettet damit unsere staatliche Grundordnung und verbietet damit die Hinnahme von Annexionen durch Formeln anstatt ihrer Ablösung durch den Abschluß eines umfassenden Vertragswerkes. Hier wird auch in diesem Bundestag nicht nur nach der einfachen Mehrheit, sondern auch nach der verfassungsmäßig geltenden Mehrheit gefragt werden.
Bei der Kritik an den Verhandlungen stoßen wir auf einen schweren Mangel hinsichtlich der bisherigen Traktandenliste, der bisherigen Gegenstände. Unsere Regierung muß auch die menschenrechtliche Lage der Deutschen zur Sprache bringen. Bisher war das offensichtlich nicht der Fall. Wir machen keine Vorschriften über den Zeitpunkt zur Führung des Gesprächs, aber wir fordern, daß die Menschenrechte, die Grundrechte, die es gestatten, ohne Diskriminierung am angestammten Wohnsitz zu leben und die Persönlichkeit zu entfalten, in die Verhandlungen aufgenommen werden.
Unlängst hat die Bundesregierung zum Ausdruck bringen wollen, daß sie die Vertreter der von der Tragödie Betroffenen nicht nur informieren, sondern auch ihre Sachkenntnis nutzen möchte. Es wäre auch schwer verständlich, wenn man Sachkenner von Land und Leuten und Problemen ausklammern und sich zur Vervollständigung der Meinungsbildung im Auswärtigen Amt nur Eindrücke von raschen Touristen ohne Sprachkenntnisse holen wollte.
Der Staat muß sich allen Teilen des Volkes verpflichtet fühlen, auch den hart getroffenen Teilen, die nicht die Mehrheit sind. Ihre von Irrtümern gereinigte Sachkenntnis ist nötig. Dem Versuch ausländischer Kräfte, die die Vertreibung billigten, nunmehr die Vertriebenen in der deutschen Politik und Gesellschaft aus der Rolle politischer Mitwirkung und Mitgestaltung zu verdrängen, muß widerstanden werden, selbst wenn Strömungen in der Massengesellschaft, die immer. wieder Buh-Männer brauchen, sich dieser Minderheiten bemächtigen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0603327600
Herr Abgeordneter Dr. Czaja, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Günter Wichert (SPD):
Rede ID: ID0603327700
Herr Abgeordneter, sollte es Ihnen bei Abfassung Ihres Manuskripts entgangen sein, daß der Bundeskanzler heute nachmittag erklärt hat, daß bei den Verhandlungen mit Polen auch die Rechte und die Angelegenheit der dort lebenden Deutschen behandelt werden sollen?

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0603327800
Herr Kollege, mir ist das gar nicht entgangen. Ich höre diese Erklärung jetzt schon zum drittenmal, einmal in der Debatte über die Regierungserklärung der SPD/FDP-Koalition, zum anderen im Auswärtigen Ausschuß. Ich habe hier aber festgestellt, daß nach meiner Erfahrung und meines Wissens davon in den Gesprächen bisher nicht in ausreichendem Maße die Rede war; genau das habe ich vorher festgestellt.
Nicht zuletzt deshalb, weil der Verdrängung der Beteiligten und Betroffenen aus der Mitgestaltung widerstanden werden muß, habe ich aus meiner Fraktion heraus, die sich zu der Schicksalsgemeinschaft auch mit den Vertriebenen bekennt, das Wort genommen. Ich hoffe, daß Sprecher aller Fraktionen dies auch weiterhin tun werden.
Wo man versucht, die vernünftige und gleichberechtigte Mitwirkung an den politischen Entscheidungen den Betroffenen zu versagen, wird man nicht auf Resignation stoßen, sondern auf die Zähigkeit derer, die in langem politischem Ringen im Grenzland Selbstbehauptung gelernt haben. Wo man sich aber um die zähe Hilfe zu einem dauerhaften, gerechten, ' zeitgemäßen Ausgleich in der europäischen Friedensordnung auf der Grundlage der Menschenrechte, der Gruppenrechte und der föderalen Zusammenarbeit bemüht, wird diese Hilfe zäh geleistet.
Aus vielen Briefen einfacher Menschen — auch Frauen — des polnischen Volkes weiß ich, daß unsere Nachbarn um diese Aufgabe ebenfalls wissen. Dies auf der politischen Ebene quer durch die Parteien zu nutzen, bleibt, so meine ich, auch weiterhin eine sinnvolle staatspolitische Aufgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0603327900
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0603328000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Haushaltsdebatte konnte naturgemäß keine Wertung der Politik der Bundesregierung bringen, noch nicht einmal ein Zwischenergebnis; denn wir sind mitten in einem Prozeß von Verhandlungen und können in einer solchen Debatte nichts anderes als die Ausgangspositionen darstellen und über Zielvorstellungen diskutieren. Ich glaube, daß das heute allerdings in einem überreichen Maß geschehen ist. Ich muß am Schluß noch einmal auf manche Probleme zurückkommen, die hier schon behandelt worden sind.
Ich darf mit Herrn Dr. Czaja beginnen, weil ich den Eindruck gewonnen habe, daß er sich hier vor uns allen über gewisse Mängel an Informationen beklagte. Aber ich weiß, daß Herr Dr. Czaja wie andere Vertreter der Vertriebenenverbände nicht einmal, sondern mehrfach über die Absichten und die Positionen der Bundesrepublik, gerade auch bei den Verhandlungen in Polen, unterrichtet worden ist. Ich hatte soeben das Gefühl, als ob einiges von dem, was Herr Dr. Czaja hier eben vorgetragen hat, aus solchen Unterrichtungen stammt.

(Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen: Die Debattenreden werden hier auch so gehalten wie manche Reden in der grünen Debatte!)




Bundesminister Scheel
— Ja, einiges aber stammt aus diesen Unterrichtungen, und ich bin im Hinblick auf den Nutzen der Verhandlungen noch nicht einmal so sicher, ob man so viel von diesen Unterrichtungen in der öffentlichen Diskussion verwerten sollte.
Jetzt möchte ich einige Fragen beantworten, die noch offengeblieben sind, vor allem die des Kollegen Blumenfeld, der sich auf die europäische Politik bezogen hat. Er hat danach gefragt, welche Absichten die Bundesregierung in der politischen Zusammenarbeit in Europa hat. Ich will ihm gern darauf antworten. Wir stehen mittendrin in den Unterhaltungen mit unseren Partnern aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die erste Diskussion der Außenminister wird am 6. und 7. März im Zusammenhang mit einer Ministerratstagung sein. Dort wird die Bundesregierung zum erstenmal auch eigene Vorstellungen in der Diskussion vortragen und vertreten.
Sie haben gesagt, Herr Blumenfeld, wir hätten das bisher auf niedrigerer Ebene betrieben. Das ist ein Irrtum über das Verfahren. Wir haben auf hoher Ebene, nämlich durch den Direktor der politischen Abteilung, Kontakte mit den übrigen Partnern aufnehmen lassen, um unsere eigenen Vorstellungen etwas an der Wirklichkeit zu orientieren, nämlich an der Meinung auch unserer Partner. Jetzt konnten wir sie ausarbeiten und in die Diskussion der Minister einführen, was wir am 6. und 7. März zum erstenmal tun werden.
Sie haben danach gefragt, wie sich unsere Meinung denn nun entwickelt habe. Herr Blumenfeld, ich kann keine Einzelheiten sagen. Nur soviel: Wir wollen keine festen Formen für die politische Zusammenarbeit der Sechs in der ersten Phase, sondern wir möchten, daß sich diese Zusammenarbeit organisch entwickelt, natürlich beginnend mit Konsultationen. Dann wird man sich darüber unterhalten müssen, ob man aus den Konsultationen heraus gemeinsame Verhaltensweisen in der Außenpolitik entwickelt, vielleicht sogar erst in einer zweiten Phase. Aber es wäre geradezu ein Hindernis auf dem Wege der politischen Zusammenarbeit, wenn wir zu früh mit festen Formen für diese Zusammenarbeit aufwarteten. Ich darf nur sagen, daß nicht nur die Sechs, sondern auch Großbritannien und die übrigen beitrittswilligen Länder an solcher politischer Zusammenarbeit interessiert sind, und sie könnten irritiert werden, wenn vor ihrer Aufnahme in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft schon Formen der Zusammenarbeit entwickelt worden wären.
Darüber hinaus haben wir auf diesem Gebiet mit festen Programmen immer Pech gehabt. Wir hüten uns, jetzt ein festes Programm zu entwickeln und das vielleicht weltweit zu verkünden und damit möglicherweise, was man könnte, Propaganda für unsere Politik zu machen. Wir wollen es der Sache halber nicht tun, weil man sich nämlich dann leicht in ein Programm festrennt, von dem man nicht mehr herunterkommt zum Schaden der Verwirklichung der Zusammenarbeit, und wir möchten Zusammenarbeit verwirklichen. — Das zur politischen Zusammenarbeit.
Zu Euratom, Herr Kollege Blumenfeld, kann ich Ihnen eigentlich nur den letzten Stand der Vorbereitung dies Verifikationsabkommens mitteilen. Ich glaube, darauf haben Sie sich bezogen, als Sie von gewissen Schwierigkeiten sprachen. Die Kommission hat auf unseren Antrag und nachdem wir unterschrieben hatten nunmehr eine Grundlage für ihre Verhandlungen mit der Internationalen Atomenergiebehörde erarbeitet. Diese Grundlage, die erarbeitet worden ist, wird im Augenblick im Ministerrat diskutiert. Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.
Bisher hatte die französische Regierung die Position der Bundesrepublik, die sich mit der Kommissionsvorlage deckt, auch immer unterstützt. Ich habe keinen Anlaß, in diesem Augenblick zu zweifeln, daß das auch weiterhin der Fall sein wird, wenn auch diese Verhandlungen in dem Gremium der ständigen Vertreter möglicherweise noch einige Zeit dauern werden. Aber wir tun alles, um sie zu beschleunigen, damit wir zu den Verhandlungen mit der Internationalen Atomenergiebehörde kommen, die ja Voraussetzungen für die Möglichkeit der Bundesregierung sind, dem Bundestag den Vertrag zur Ratifikation vorzulegen. Vorher kann er ja überhaupt nicht vorgelegt werden. Das ist der letzte Stand, den ich Ihnen mitteilen kann, Herr Kollege Blumenfeld.
Jetzt darf ich etwas zu Herrn von Kühlmann sagen, der mit Recht auf die bedrohliche Situation im Nahen Osten hingewiesen hat. Auch wir finden es außerordentlich bedrohlich, daß die UdSSR den Konflikt im Nahen Osten als ein Vehikel benutzen möchte, ihren Einfluß in diesem Bereich zu verstärken. Man sieht, daß ein solcher Konflikt in der Tat geeignet ist, den Einfluß der Sowjetunion in diesem Bereich zu verstärken, und das, wiederum im Rückkehrschluß, legt den Verdacht nahe, daß es vielleicht Interessenten geben könnte, die diesen Konflikt so auf Sparflamme unterhalten, die an seiner Beseitigung gar kein so außergewöhnliches Interesse zeigen, wie man es wünschen möchte.
Dies alles macht uns sehr besorgt, und in den Gremien, in denen wir mitarbeiten, versuchen wir, das zu tun, was wir können. Das ist nicht viel. Wir haben wenig Einfluß in diesem Bereich. Wir sind keine Großmacht, wir sind nicht in der UNO, wir verhandeln nicht mit. Wir haben zu einem Teil der dort beteiligten Länder keine diplomatischen Beziehungen, und das hat unseren Einfluß vermindert. Was wir hier dem Bundestag erklärt haben, ist dies: Wir wollen den Versuch unternehmen, mit den Ländern, mit denen wir keine diplomatischen Beziehungen unterhalten, wieder zu einer Normalisierung zurückzufinden. Das würde auch unseren Einfluß auf diesen Konflikt vermehren.
Wir können heute nur sagen, daß wir glauben, daß auf der Grundlage der Entschließung des Sicherheitsrats 'der UNO eine Regelung möglich wäre. Aber wir wissen, daß die beteiligten Parteien diese Entschließung unterschiedlich auslegen, nämlich die Entschließung vom 12. November 1967, was die Zeitfolge der Inkraftsetzung der einzelnen Maßnahmen angeht. Aber es gilt, das ganze Paket zu ver-



Bundesminister Scheel
wirklichen. Im Grunde hatten die Beteiligten schon einmal ihre Zustimmung dazu geben. Die Bundesregierung glaubt, daß 'das 'der Weg ist, aber sie kann auf diesem Wege nur indirekt nutzen, und das tun wir, soweit es überhaupt möglich ist.
Nun möchte ich, meine verehrten Kollegen, ein Wort zu einer Bemerkung von Herrn Strauß zu der Gaszentrifuge sagen. Er hat darauf hingewiesen, daß Kritik laut geworden sei oder daß Zweifel laut geworden seien. Er hat 'auf die Äußerungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, U Thant, hingewiesen, die in der Tat am 18. Februar vor der Abrüstungskonferenz von ihm gemacht worden sind. Sie heißen folgendermaßen:
In den letzten Jahren haben einige Delegationen bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf mögliche militärische Verwendung der Gaszentrifugenmethode zur Produktion angereicherten Uraniums 'aufmerksam gemacht, und ich selbst habe mir Gedanken gemacht über die Auswirkung dieser technischen Entwicklung. Deshalb sehe ich mich veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß für die Konferenz vielleicht der Zeitpunkt gekommen sein mag, auch diesem 'Bereich technologischer Forschung und Entwicklung ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Soweit das Zitat.
Und gleich hat sich die Versammlung damit befaßt. Der britische und ,der niederländische Vertreter in Genf haben in ausführlichen Erklärungen vor der Konferenz darauf hingewiesen, daß es sich bei diesem Verfahren und vor allen Dingen bei dem Vertrag, der von den drei Vertragspartnern abgeschlossen ist, um eine Entwicklung handelt, die absolut nicht militärischen Charakter hat. Die Erklärung, die die Vertreter Großbritanniens und der Niederlande abgegeben haben, deckt sich mit unserer Meinung, und sie ist Gegenstand des Vertrages gewesen, den wir im übrigen — wenn ich das sagen darf, um Herrn Kollegen Stücklen zu antworten — noch nicht unterzeichnet haben. Nein, es ist richtig, was der Bundeskanzler gesagt hat, daß die Unterzeichnung 'des Nichtweiterverbreitungsvertrages eine Voraussetzung dafür gewesen ist, den Vertrag über die Gaszentrifuge zu unterzeichnen. Der wird erst am 4. März, also in einigen Tagen, unterzeichnet werden.
Meine Damen und Herren, dies zu der Gaszentrifuge. Jetzt vielleicht ein Wort zur Berichtigung eines Eindrucks, der heute morgen hier über die Bemerkungen meines Freundes Professor Dahrendorf hinsichtlich dessen, was er über Berlin gesagt hat, entstanden sein muß. Das nämlich hat in einer Wiederholung von Herrn von Wrangel eine gewisse Veränderung erfahren, wodurch die Meinung von Herrn Dahrendorf nicht richtig zum Ausdruck kam. Sie haben seine Feststellung, er will, daß Berlin nicht Hauptstadt der DDR werden soll, etwas verändert und haben gesagt, er habe gemeint, daß Ostberlin nicht Hauptstadt der DDR sein soll. — Das hat der Professor Dahrendorf nicht gesagt und konnte er schlechterdings auch nicht sagen. Da kommen wir wieder an die Tragik der Entwicklung, denn wir sehen ja, daß das heute so ist, ohne daß wir daran etwas hätten ändern können.
Aber, meine Damen und Herren, was wir mit unseren westlichen Verbündeten in Konsultationen verabredet haben, ist, die Position Berlins in Verhandlungen mit dem vierten Alliierten, mit der Sowjetunion, zu stärken — parallel zu unseren Bemühungen in den Verhandlungen mit osteuropäischen Ländern, an deren Spitze die Sowjetunion steht.
Es geht dabei darum, über den innerstädtischen Verkehr zu sprechen, über die Sicherheit der Zufahrtswege, über die Grundlage der Wirtschaft in Berlin und darüber, daß die Berliner Wirtschaft nicht diskriminiert werden soll. Das sind Fragen, die von unseren Verbündeten verhandelt werden sollen, und ich hoffe, daß die Verhandlungen bald beginnen können; die Antwort der Sowjetunion auf die Anregung der westlichen Verbündeten ist ja positiv, und die Vorbereitungen dazu sind im Gange, wie Sie wissen.
Es kommt uns darauf .an, parallel zu unseren Verhandlungen diese so wichtige Berliner Frage in dem Sinne zu fördern, wie die Position Berlins in diesen Jahren gewachsen ist, um die Bindungen Berlins an die Bundesrepublik im wirtschaftlichen Bereich, im Bereich des Rechts, im Bereich der Währung und die Bindungen der Menschen an die Bundesrepublik auf eine sichere Basis zu stellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren! Nun ist hier — auch heute wieder, und ich weiß gar nicht, warum — viel die Rede gewesen vom „Ausverkauf" und vom „Verzicht", und jetzt gibt es eine neue Formulierung von der „Preisgabe", und die wird abgeändert auf „verbale Preisgabe irgendwelcher Rechte". — Meine Damen und Herren, was hat diese Regierung bei den eingeleiteten Verhandlungen aufgegeben? Ich möchte wissen, wer mir da etwas sagen kann außer der Behauptung, die Unterschrift unter den NV-Vertrag sei eine Preisgabe irgendwelcher Güter oder irgendwelcher Atouts. Das ist doch eine Behauptung, die gänzlich unbewiesen ist! In Wahrheit ist es so, daß wir sowohl in dem Bereich, den ich eben genannt habe, als auch bei der Eröffnung der Verhandlungen mit der Sowjetunion die Unterschrift unter den NV-Vertrag als ein Plus mit einführen konnten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

In Wahrheit ist es so, wie es der Bundeskanzler gesagt hat, daß wir natürlich, wenn es darum geht, unsere Sicherheit — auch im Zusammenhang mit der Anwendung der Grundrechte der UNO-Charta — zu erhöhen, wenn es darum geht, hier einen weiteren Fortschritt zu machen, diese Unterschrift als ein Plus mit in unsere Verhandlungen einführen können. Es hat diese Regierung nichts aufgegeben, was den Menschen in Deutschland etwa Schaden zufügen könnte. Aufgegeben hat sie ein paar vielleicht in der Vergangenheit viel zu lange gepflegter Illu-



Bundesminister Scheel
sionen, um endlich zu praktischem Handeln zu kommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Erfüllt denn diese Regierung nicht das Verfassungsgebot des Grundgesetzes, von dem Herr Strauß gesprochen hat, das er also sozusagen verfassungsrechtlich einklagen will? Hätte denn Herr Strauß nicht in den letzten 20 Jahren permanent vor dem Verfassungsgericht stehen und sich und andere anklagen müssen, daß dieses Gebot nicht erfüllt werden konnte? Was wir heute tun, ist doch keine Verschlechterung der bestehenden Situation, sondern wir versuchen, sie mit allen Mitteln zu verbessern. Wir versuchen, auf einem anderen Wege dem nicht aufgegebenen Ziel, die Deutschen wieder zusammenzubringen, ein Stück, einen Schritt näherzukommen, was in der Vergangenheit doch nun nachweislich nicht gelungen ist.

(Sehr gut! bei der FDP.)


(Abg. Baron von Wrangel: Das ist doch Polemik!)

— Herr von Wrangel, das ist keine Polemik, sondern das ist eine sehr nüchterne Antwort auf das, was Herr Strauß gesagt hat. Sie können ihn einmal fragen, was er von den Bemerkungen — —

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen.)

— Das wird er auch selbst tun; dagegen kann er sich selbst in Schutz nehmen. — Sie können ihn einmal fragen, was er von den Bemerkungen und Angeboten hält, die der verstorbene Bundeskanzler Adenauer in seinem Gespräch mit Herrn Smirnow damals der Sowjetunion gemacht hat. Das ist gar keine Geheimaufzeichnung. Der Bundeskanzler hat sich heute morgen darauf bezogen, und er hat gesagt: „Das geht aus den Akten hervor". Es ist zwar richtig, daß das aus den Akten hervorgeht. Aber der verstorbene Bundeskanzler Adenauer war so frei, diese Akten in vollem Umfange in seinen Memoiren zu verwenden. Das steht also auch in einem inzwischen veröffentlichten Buch, das allzu wenig Leute gelesen haben; da steht das drin.

(Abg. Dr. Barzel: Die Auflage war hoch!)

— Die Auflage war sehr hoch, und es steht in jedem Bücherschrank, aber es gibt wenig Leute, die es gelesen haben. Ohne dem verstorbenen Bundeskanzler Adenauer nahetreten zu wollen — ich habe ihn nämlich persönlich sehr geschätzt —,

(Hört! Hört! bei der SPD)

muß ich sagen: es liest sich auch ein bißchen schwer. Ich habe also Verständnis für diejenigen, die es nur als Nachschlagewerk und zum Quellenstudium benutzen.

(Abg. Dr. Barzel: Ich erlaube mir den Zuruf: es ist auch schwer, Ihnen jetzt zuzuhören!)

— Das kann ich verstehen aus der Lage, Herr Dr. Barzel, in der Sie sich in diesem Teil der Diskussion befinden.

(Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Jetzt steht es 1:1!)

Ich will sagen, Herr Dr. Barzel: da steht das alles darin. Dann hätte Herr Strauß Herrn Dr. Adenauer vor ein Verfassungsgericht bringen müssen, denn der war bereit, da eine ganze Menge Konzessionen zu machen.
Die Bundesregierung treibt weder einen Ausverkauf irgendwelcher Rechte noch eine verbale Preisgabe irgendwelcher Güter. Aber sie löst sich — jetzt will ich ein Wort von Herrn Barzel wieder aufgreifen — von Formeln, und sie sucht nach Lösungen. Das war bei Herrn Dr. Barzel heute ja eine seiner großen Meisterleistungen, daß er diese berechtigte Gegenüberstellung von Formeln und von Lösungen sozusagen zu seinen Gunsten umfunktionieren wollte. Aber, Herr Dr. Barzel: wir müssen schon dabei bleiben, daß wir in den letzten 20 Jahren in unserer Politik eine Politik der Formeln versucht haben und zu Lösungen gekommen sind.
Eines werden Sie doch nicht bestreiten können: daß der erste Schritt zu dieser Lösung das Gespräch mit dem ist, mit dem ich nun mal eine Lösung herbeiführen muß. Dieser erste Schritt ist getan worden: mit der Sowjetunion, mit Polen, und er wird getan auch mit der DDR. Man muß miteinander reden; damit beginnt jede Lösung. Wir können heute nicht etwa das Ergebnis dieser Gespräche anbieten. Aber niemand hat das hier gesagt. In der Bundesregierung gibt es kein Mitglied, das irgendwelche besonderen Aussichten gemacht hätte, sondern im Gegenteil: wir sind sehr zurückhaltend gewesen bei der Beurteilung der möglichen Ergebnisse. Aber wenn Sie eine Lösung haben wollen, dann müssen Sie den ersten Schritt tun, sonst gibt es nie eine Lösung.
Es gibt auch keine „Politik des Augenzwinkerns", wie es heute morgen von einem der Diskussionsredner — ich glaube, es war Herr Dr. Barzel — befürchtet worden ist. Es gibt keine solche Politik, und in diesen Fragen darf es auch keine geben. Wir müssen die Fundamente unserer Politik, von denen wir ausgehen, jedem nennen, auch dem Verhandlungspartner, und wir müssen die politischen Ziele, die wir verfolgen, jedem nennen und jedem nennen können, auch dem Verhandlungspartner, und wir tun das.

(Beifall bei der FDP.)

Ich darf noch einmal wiederholen, was ich selber in einer der letzten Debatten gesagt habe. Fundament unserer Bemühungen ist es die Sicherheit und Freiheit der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland zu garantieren. Fundament ist es, das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen unangetastet zu lassen und es zu verteidigen, und Fundament ist, alles zu versuchen, um die Einheit der Nation nicht nur zu erhalten, sondern in dem Zustand, in dem wir uns befinden, auch etwas zur Förderung der



Bundesminister Scheel
Einheit der Nation zu tun. Fundament unserer Politik schließlich ist 'es, für die Deutschen die Option, ihr Schicksal, wenn sie das wollen und können, gemeinsam selbst zu bestimmen, aufrechtzuerhalten. Das sind die Fundamente unserer Politik, und das bleibt so.
Ziel unserer Politik ist es, eine Aussöhnung mit den Völkern des Ostens herbeizuführen, wie es uns mit den Völkern des Westens gelungen ist. Aber jeder von uns weiß und jeder von uns erkennt an, daß die Voraussetzungen dafür schwieriger und auch durch den Zeitablauf nicht einfacher geworden sind, was ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor 20 Jahren nicht geglaubt hätte. Ich hätte vor 20 Jahren auch eine ganz andere Entwicklung bei der deutschen Jugend, was ihre Beurteilung der Vergangenheit angeht, angenommen. Auch dabei hat sich die Wirklichkeit anders herausgestellt, als wir es uns damals vorgestellt haben, als wir glaubten, darüber werde Gras wachsen, das werde einfacher, das werde man vergessen, man werde nicht mehr über die Bewältigung der Vergangenheit reden müssen, die junge Generation werde sich dafür nicht interesiseren. Sie interessiert sich in höchstem Maße dafür, und zwar mit viel größerer Schärfe im Urteil, als wir, die wir alle beteiligt waren, .an Schärfe im Urteil entwickeln können. Das ist der Grund dafür, warum dieses Bemühen heute schwerer geworden ist, als wir es uns vorgestellt haben und als es vielelicht vor Jahren gewesen wäre Aber wir wollen auch mit unserer Politik einen Modus vivendi im Zusammenleben der beiden Teile Deutschlands finden.
Meine Damen und Herren, wenn uns das nicht gelingt, ist es nicht möglich, in Europa zu einer Friedensordnung zu kommen, die alle anstreben. Ich habe hier schon einmal erklärt, daß die Bundesregierung dieses Bemühen um einen Modus vivendi im Zusammenleben der beiden Teile Deutschlands als einen Teil ihrer umfassenden Europapolitik sieht. Es ist in der Tat — und das ist heute mit Recht positiv aufgenommen worden — die Voraussetzung für eine europäische Friedensordnung. Aber es wird auch Teil einer europäischen Friedensordnung sein, in der sich allein die deutsche Frage in der Zukunft lösen lassen wird. Wir müssen von der Konfrontation zu einer Koordination auch zwischen Westeuropa und Osteuropa kommen, so wie es uns im Westen gelungen ist.
Meine Damen und Herren, die Großmächte bemühen sich genau wie wir — sie haben es schon vor uns getan; das ist eine weltweite Entwicklung — um den Übergang von der Konfrontation der großen Mächte zu einem Minimum an Kooperation auf allen Gebieten, und zwar auch auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik. Wir haben die Gespräche zwischen den USA und der UdSSR über Rüstungsprobleme, über Sicherheitsfragen, über atomare Rüstungsbereiche. Wir haben gleichzeitig Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Volksrepublik China, die in Warschau wieder aufgenommen worden sind. Diese Ereignisse werfen lange Schatten, nicht nur in Europa, sondern auch in Asien, wo ich die Schatten dieser Ereignisse in Gesprächen sehr wohl habe feststellen können.
Dieser Entwicklung können wir uns nicht entziehen. Wenn wir für die Politik der Bundesrepublik Deutschland Spielraum gewinnen wollen, dann nur in einer gewissen parallelen Bewegung zu dieser von mir eben angedeuteten Entwicklung, über die man noch sehr viel sagen könnte.
Der Präsident der Vereinigten Staaten, Nixon, hat in dem Ihnen zugegangenen Bericht mit der Überschrift „Die amerikanische Außenpolitik für die 70er Jahre" eine neue Friedensstrategie entwickelt. Ein Teil dieses Berichts ist mit dem Satz „eine Ära der Verhandlungen" überschrieben. Das ist auch der Kerngedanke der amerikanischen Politik. Auch wir sind in einer Ara der Verhandlungen. Im Gegensatz zu unseren Partnern im Westen liegen wir — wenn Sie so wollen — an der Nahtstelle der beiden großen Blöcke. Bei uns ist es natürlich, daß wir Verhandlungen mit dem Westen und mit dem Osten pflegen.
Ich sehe gerade meinen Kollegen Dr. Schröder da sitzen. Alles, was ich hier sage, ist sein Katechismus gewesen, als er in einer Bundesregierung mit mir gemeinsam die ersten tastenden Schritte zu einer solchen Entwicklung vorgeschlagen und auch durchgesetzt hat. Wenn ich weiter zurückgehe, darf ich sogar erklären, daß bei der Bildung der damaligen Koalitionsregierung die Aussicht auf diese seine Politik ein wesentlicher Grund gewesen ist, ihn uns als Außenminister sozusagen zu wünschen. So weit reicht die Entwicklung einer solchen Politik zurück, mit der wir aber in die richtige Richtung gehen.
Präsident Nixon sagt in dem Zusammenhang — ich will nur drei Sätze vorlesen —:
Aber die Veränderungen zweier Jahrzehnte haben neue Verhältnisse geschaffen und die Risiken einer halsstarrigen Feindseligkeit vergrößert.
Meine Damen und Herren, wir machen unsere Politik, um aus der halsstarrigen Feindseligkeit herauszukommen, in die die Blöcke hineingeraten waren.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0603328100

In einer sich wandelnden Welt erfordert daher der Aufbau des Friedens eine geduldige und kontinuierliche Kommunikation.
Wir werden geduldig und kontinuierlich arbeiten müssen. Das verbietet, daß wir alle drei Monate in diesem Kreise gemeinsam Ergebnisse errechnen, nachrechnen und saldieren. Wir müssen auch im Deutschen Bundestag Vertrauen zueinander haben, auch zwischen Regierung und Opposition. Wir tun das unsere dazu.
Herr Dr. Barzel hat heute morgen die Information durch die Regierung erwähnt und gewürdigt. Das rechne ich ihm hoch an. Er hat sich darüber beklagt, daß in einzelnen Bereichen keine Kooperation entstanden ist. Herr Dr. Barzel, das liegt in der Natur der Sache. Der Herr Bundeskanzler hat eben darauf hingewiesen, daß und warum man nicht in allen



Bundesminister Scheel
Bereichen Kooperation mit der Opposition in Gang setzen kann. Das würde die Regierung fesseln, das würde die Opposition fesseln. Dadurch würde die Qualität der Politik nicht verbessert werden. Es gibt Bereiche, da können und wollen wir nicht kooperieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Barzel.)

Aber in der Außenpolitik, Herr Dr. Barzel, hat sich die Regierung bereiterklärt, ein Höchstmaß an gemeinsamen Grundauffassungen, ein Höchstmaß an gemeinsamen Zielvorstellungen zu entwickeln und ein Höchstmaß an Information zu versuchen. Außerdem hat sie den Versuch gemacht, da, wo es geht, Kooperation in Gang zu setzen. Das hat die Opposition bisher auch gewürdigt, was ich anerkenne.
Der dritte Satz, den ich hier noch verlesen möchte, ist folgender. Nixon sagt:
Wir werden mit den kommunistischen Ländern auf der Grundlage eines genauen Verständnisses dessen verhandeln, was sie in der Welt erreichen wollen, und damit auf der Basis dessen, was wir vernünftigerweise von ihnen und sie von uns erwarten können.
Meine Damen und Herren, darin liegt genau das, was wir, sozusagen relativierend, zu unseren eigenen Bemühungen sagen müssen. Wir haben es mit Partnern zu tun, die nicht seit 20 Jahren darauf gewartet haben, nunmehr die aufgespeicherten Bedürfnisse der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen. Unsere Partner sind Weltmächte — zumindest gilt das für die Sowjetunion —, die einen festen politischen Willen haben, den wir kennen. Ich brauche ihn mir aus den verschiedenen Unterlagen, auf die hier noch- einmal Bezug genommen worden ist, gar nicht vorlesen zu lassen. Ich kenne den politischen Willen der Sowjetunion. Aber wir sind nicht ausgezogen, um uns diesem Willen unterzuordnen, sondern um in wohlverstandener Verfolgung der Interessen der Bundesrepublik zu einem Ausgleich mit unseren Partnern zu kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte, weil es sich hier um ein wichtiges Gebiet handelt, noch ein paar Worte zu einer Frage sagen, die Dr. Barzel aufgegriffen hat, nämlich zur Möglichkeit einer Veränderung der amerikanischen Präsenz in Europa. Herr Dr. Barzel hat sich auf Äußerungen des Außenministers Rogers vom 8. Dezember des vorigen Jahres bezogen. Es ist nicht so, wie Herr Wrangel befürchtet — er hat diesen Verdacht ausgesprochen —, daß etwa das Verhalten der Bundesregierung oder einzelner Politiker der Koalitionsparteien die Kräfte ermutigt hätte, sich aus der Verantwortung zurückzuziehen, die das seit Jahren zur Grundlage ihrer Politik gemacht haben, also schon zu einer Zeit, in der es diese Bundesregierung und ihre Politik überhaupt noch nicht gab. Es ist doch offensichtlich, daß Mansfield und andere seit vielen Jahren mit absoluter Konsequenz auf eine Veränderung der amerikanischen Politik hingewirkt haben. Daran haben wir nichts ändern können. Darauf haben wir keinen Einfluß nehmen können. Wir haben aber auf die Haltung der amerikanischen
Regierung Einfluß nehmen können, die ja zum wiederholten Male erklärt hat, daß sie an ihren Verpflichtungen festzuhalten gedenkt. Ich beziehe mich auf das, was Helmut Schmidt gesagt hat. Sie muß das schon deswegen tun, weil es eine politische Unmöglichkeit ist, in dieser Situation die Amerikaner in Europa zu ersetzen. Durch wen sollten sie ersetzt werden? Etwa durch die Bundesrepublik Deutschland?

(Abg. Baron von Wrangel: Warum sagen Sie das an unsere Adresse?)

Sie sollten sich einmal vorstellen, wie sich das politisch auswirken könnte. Das müssen wir unseren amerikanischen Freunden sagen und das haben wir auch getan.
Wenn man über das Burden-sharing spricht und darüber diskutiert, ob eine Änderung nach Qualität eintreten sollte, sollte man nicht vergessen, daß dies eine Frage ist, die nicht die Bundesrepublik Deutschland allein angeht. Dies ist eine Frage der Allianz, der wir angehören, zu der wir stehen, in der wir unsere Verpflichtungen voll erfüllen wollen, in der wir dafür sorgen wollen, daß andere wichtige Partner ihre Sicherheitsverpflichtungen voll erfüllen können. Das ist unser Interesse in dieser Allianz. Das ist aber, wie gesagt, eine Frage des Bündnisses.
Die Vereinigten Staaten als der wichtigste Bündnispartner haben keinen Anlaß gegeben, daran zu zweifeln, daß sie ihre Verpflichtungen erfüllen. Wir haben, was den materiellen Teil angeht, eine Abmachung getroffen, die noch lange Zeit gilt. Noch nicht einmal die Hälfte der Zeit, die dieser Vertrag läuft, ist verstrichen. Es wird Aufgabe der nächsten Monate sein, sich Gedanken darüber zu machen, wie man Schwierigkeiten, die entstanden sind, zu überwinden in der Lage ist.
An die Adresse von Herrn Barzel will ich folgendes sagen. Natürlich habe ich mir, ohne auf Ihre Anregung zu warten, die Freiheit genommen, mit meinem Kollegen Helmut Schmidt sehr frühzeitig auch über die Möglichkeiten der Sicherheitspolitik der siebziger Jahre in Europa im Zusammenhang mit unseren bilateralen Konsultationen in Paris zu sprechen. Wir haben auch mit unseren französischen Partnern darüber eine Zusammenkunft vereinbart. Wir sehen das auch im engen Zusammenhang mit einer möglichen Konferenz über die europäische Sicherheit, der ich auch gerne diesen Titel geben möchte, einer Konferenz, die sehr viel Positives bringen kann, die aber auch Gefahren hat. Ich brauche nicht zu wiederholen, was ich darüber hier gesagt habe. Die Bundesregierung hat ihre feste Meinung. Aber wir wollen vor allem auch, daß auf einer solchen Konferenz über Sicherheitsfragen gesprochen wird, über die ausgewogene Minderung von Rüstung und von Truppen auf beiden Seiten der Demarkationslinie in Europa. Wenn wir das vorbereiten wollen, dann bedarf es der engsten Zusammenarbeit vor allem der europäischen Partner und hier in erster Linie der Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der Bundesrepublik. Der Kollege Schmidt hat dasselbe Thema auch mit seinem britischen Kollegeen erörtert. Ich glaube, daß Sie, meine verehrten Damen und Herren, sicher



Bundesminister Scheel
sein können, daß wir der Zeit nicht hinterherhinken werden.
Zum Abschluß möchte ich nun ein paar allgemeine Worte sagen. Ich muß folgendes feststellen. Trotz aller Kritik und trotz mancher warnender Fragestellung von seiten der Opposition habe ich nicht den Eindruck gewonnen — Herr Dr. Barzel, auch nach Ihren letzten Bemerkungen nicht —, daß die heutige Opposition, wenn sie heute oder morgen wieder, was sie ja anstrebt, die Regierungsverantwortung übernähme, eine wirkliche Alternative zur Ostpolitik, zur Westpolitik, zur Deutschlandpolitik und insgesamt zu der auf Friedenssicherung gerichteten Politik dieser Regierung anbieten würde. Sie haben von dem Ja und dem Nein gesprochen, daß Sie zur Regierungspolitik sagen werden. Das kommt mir so vor wie der Peilstrahl, auf dem sich ein Flugzeug bewegt, wie die Punkte auf der einen Seite und die Striche auf der anderen Seite, was ich sehr wohl positiv würdige.

(Abg. Dr. Barzel: Wie soll es auch anders sein! Wir sind ja beide Flieger!)

— Sie haben aus diesem Bereich Ihr Beispiel genommen.
Aber damit geben Sie zu, daß die Bundesregierung auf dem rechten Wege ist. Hier möchte ich die erste Bemerkung von Ihnen von heute morgen aufgreifen, als Sie sagten: Wenn man sich in den Zielen einig ist, dann heißt das noch lange nicht, daß man Wege und Methoden billigt. Das ist zwar absolut richtig, aber, Herr Dr. Barzel, man kann die Wege und die Methoden nicht verneinen, wenn man nicht festgestellt hat, daß sie ungeeignet sind, oder wenn man keine besseren Wege und Methoden anbieten kann. Das ist es, was ich heute morgen gesagt habe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Unterhaltung zwischen den wichtigen Besprechungen, die die Bundesregierung führt, zwischen Verhandlungen, die sie beginnen will, hat sicherlich Sinn gehabt für Sie, für die Bundesregierung, auch für die deutsche Öffentlichkeit. Ich möchte am Schluß dieser Unterhaltung noch einmal sagen, daß es mir darauf ankommt, die begonnene Zusammenarbeit, auch wenn es nur ein Stück dieser Zusammenarbeit ist, weiter zu pflegen. Ich ringe in diesem Parlament um die Mehrheit für die Außenpolitik der Bundesregierung, ich ringe auch um die Stimmen, die nicht in der Regierungskoalition zusammengefaßt sind, zumal ich weiß, daß in diesen wichtigen Fragen in der Opposition die Meinungen ganz unterschiedlich sind. Das ist auch ganz gut so.

(Abg. Baron von Wrangel: Nein, nein, Herr Scheel! Nicht so wie bei der FDP! Da ist das anders!)

Ich möchte deswegen meine Schlußbemerkungen mit einem Zitat von Herrn Dr. Schröder beenden, das heute morgen schon einmal von Herrn Mattick genannt worden ist. Ich will nur wenige Sätze daraus zitieren:
Ich möchte das Hohe Haus bitten, meine Damen
und Herren, in dieser Lage schwieriger Verhandlungen die Bundesregierung zu unterstützen. Wir kämpfen hier für die Interessen unseres Landes, und die Interessen unseres Landes verlangen die Unterstützung des ganzen Hauses.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0603328200
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, das Haushaltsgesetz und den Finanzplan an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, noch einige wenige Minuten hier im Saale zu verbleiben.
Ich rufe 'Punkt IV der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gaststättengesetzes
— Drucksache VI/5 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß)

— Drucksache VI/322 —
Berichterstatter: Abgeordneter Junghans (Erste Beratung 10. Sitzung)

Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung die §§ 1 bis 38, Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nichtgewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht begehrt; ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe die Punkte V bis XV auf:
V. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines . . . Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
— Drucksache VI/304 —
VI. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vorn 31. Mai 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über zoll- und paßrechtliche Fragen, die sich an der deutsch-österreichischen Grenze bei Staustufen und Grenzbrücken ergeben
— Drucksache VI/305 —



Vizepräsident Dr. Jaeger
VII. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Juli 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malaysia über den Luftverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus
— Drucksache VI/307 —
VIII. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. November 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kolumbien über den Luftverkehr
— Drucksache VI/308 —
IX. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. Juli 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweier/ Lauterburg
— Drucksache VI/309 —
X. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. März 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Kongo über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache VI/310 —
XI. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Gabun über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache VI/311 —
XII. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. November 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indonesien über die Förderung und
den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen — Drucksache VI/312 —
XIII. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Langfristigen Vereinbarung vom 9. Februar 1962 über den internationalen Handel mit Baumwolltextilien im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) und des Protokolls vom 1. Mai 1967 zur Verlängerung der Vereinbarung über den internationalen Handel mit Baumwolltextilien — Drucksache VI/313 —
XIV. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die am 14. Juli 1967 in Stockholm unterzeichneten Übereinkünfte auf dem Gebiet des geistigen Eigentums
— Drucksache VI/401 — XV. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
— Drucksache VI/332 —
Es handelt sich um von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe und um einen Gesetzentwurf des Bundesrates. Das Wort wird nicht gewünscht? — Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Bei Punkt XII, Drucksache VI/312, hat zusätzlich der Auswärtige Ausschuß um Mitberatung gebeten. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen in der geänderten Fassung einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Demnach ist überwiesen:
der Gesetzentwurf auf Drucksache VI/304 an den Rechtsausschuß — federführend —, an den Innenausschuß — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung;
der Gesetzentwurf auf Drucksache VI/305 an den Finanzausschuß — federführend — sowie zur Mitberatung an den Innenausschuß;
die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen VI/307 und VI/308 an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen;
der Gesetzentwurf für Drucksache VI/309 an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung;
die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen VI/310, VI/311 und VI/312 an den Ausschuß für Wirtschaft — federführend — sowie zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß;
der Gesetzentwurf auf Drucksache VI/313 an den Ausschuß für Wirtschaft;
der Gesetzentwurf auf Drucksache VI/401 an den Rechtsausschuß — federführend — sowie zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft;
der Gesetzentwurf auf Drucksache VI/332 an den Innenausschuß — federführend —, den Rechtsausschuß — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung.
Ich rufe Punkt XVI der Tagesordnung auf:
XVI. Beratung der Übersicht 2 des Rechtsauschusses (5. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
— Drucksache VI/283 —
Das Haus verzichtet im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit auf einen mündlichen Bericht. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren, wer ,dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich



Vizepräsident Dr. Jaeger
um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte XVII bis XX auf:
XVII. Beratung des Schriftlichen Berichts ides Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (13. Ausschuß) über den von .der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates über die Einführung gemeinsamer Regeln für den Linienverkehr und die Sonderformen des Linienverkehrs mit Kraftomnibussen
— Drucksachen V/4676, VI/320 —
Berichterstatter: Abgeordneter Ollesch
XVIII. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für. eine Richtlinie des Rates über .die Einführung einer gemeinsamen Police für mittel- und langfristige Geschäfte mit öffentlichen Käufern — Drucksachen VI/61, VI/321 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs
XIX. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der EG-Kommission für eine
Verordnung des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für die Verwaltung mengenmäßiger Kontingente
Verordnung des Rates über die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr.... über die Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für die Verwaltung mengenmäßiger Kontingente auf die französischen überseeischen Departements
Verordnung des Rates zur Schaffung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhren aus anderen als Staatshandelsländern
Verordnung des Rates über die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr.... zur Schaffung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhren aus anderen als Staatshandelsländern auf die französischen überseeischen Departements
— Drucksachen VI/48, VI/89, VI/325 —Berichterstatter: Abgeordneter Lange
XX. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (13. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission. der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates über die Festsetzung der allgemeinen Anwendungsbedingungen für die in der Verordnung (EWG) Nr. 1174/68 des Rates vom 30. Juli 1968 über die Einführung eines Margentarifsystems im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten vorgesehenen Tarife
— Drucksachen VI/4554, VI/373 —
Berichterstatter: Abgeordneter Haar (Stuttgart)

Es handelt sich um Berichte der Ausschüsse zu Vorschlägen der Kommission der EWG. Die Ausschüsse empfehlen Kenntnisnahme der Vorschläge und darüber hinaus die Annahme von Entschließungen. Ich danke den Herren Berichterstattern für ihre Schriftlichen Berichte.
Das Wort wird nicht gewünscht? — Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen? — Ich höre keinen Widerspruch.
Ich komme zur Abstimmung über ,die Ausschußanträge auf den Drucksachen VI/320, VI/321, VI/325 und VI/373. Wer zustimmen will, der gebe ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ,ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 26. Februar 1970, 9 Uhr, ein, und zwar mit folgender Tagesordnung:
1. Punkt XXI der Tagesordnung. Das sind die Wahleinsprüche.
2. Punkt XXIII der Tagesordnung. Das ist die zweite und dritte Beratung ides Zehnten Strafrechtsänderungsgesetzes.
3., 4. und 5. die Punkte XXV, XXVI und XXVII der Tagesordnung, die alle die Landwirtschaft betreffen.
Unabhängig davon, wie lange die Sitzung dauert, findet um 14 Uhr eine Fragestunde statt. Der Nachmittag ist für die Ausschüsse freigegeben.
Am Freitag werden nur noch die Beamtenbesoldung und die Amnestie behandelt, außerdem findet eine Fragestunde statt.
Die Sitzung ist ,geschlossen.