Protokoll:
5244

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 244

  • date_rangeDatum: 27. Juni 1969

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:59 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 244. Sitzung Bonn, den 27. Juni 1969 Inhalt: Amtliche Mitteilungen 13601 A Erweiterung der Tagesordnung 13602 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer bebauten Teilfläche des bundeseigenen Grundstücks Flur Nr. 404/23 der Gemarkung München- Milberthofen an die Arbeitsgemeinschaft freier Wohnungsunternehmen „Olympia-Dorf" München (Drucksachen V/4258, V/4490) 13602 A Entwurf eines Gesetzes über den Verkauf von bundeseigenem Gelände in München zur Errichtung frei finanzierter Wohnungen, die während der Olympischen Spiele 1972 als Olympisches Dorf der Männer benutzt werden sollen (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache V/4491) — Erste Beratung — 13602 B, 13645 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des ehemaligen Exerzierplatzes und des ehemaligen Schießstandes in Paderborn an die Stadt Paderborn (Drucksache V/4448) 13602 B Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (Drucksachen V/3912, V/4425) in Verbindung mit Weißbuch 1969 zur Verteidigungspolitik der Bundesregierung (Drucksache V/4100), mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (FDP) (Drucksache V/1741); Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache V/4051) — Zweite Beratung —, mit Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksache V/4219) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache V/4463), Mündlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache V/4433) — Zweite und dritte Beratung —, mit Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache V/3770) ; Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache V/4432) — Zweite und dritte Beratung — und mit Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache V/4249) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache V/4464), Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (Drucksache V/4424) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 13602 C Dr. Klepsch (CDU/CSU) . 13603 A,13603 C Buchstaller (SPD) 13609 A Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler 13612 D, 13618 A Mischnick (FDP) 13616 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1969 Schmidt (Hamburg) (SPD) 13618 C, 13641 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . 13621 A Jung (FDP) 13623 A Ernesti (CDU/CSU) 13625 C Berkhan (SPD) . . . . . . . 13629 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 13632 A Hoogen, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 13636 D Dr. Schröder, Bundesminister . . 13638 A, 13643 A Ollesch (FDP) 13639 D Josten (CDU/CSU) 13644 D Fragestunde (Drucksachen V/4430, V/4467) Fragen der Abg. Josten, Ramms und Kubitza: Vergiftung des Rheinwassers Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . 13645 D, 13646 A, B, C, D, 13647 A, B, C, D, 13648 A, B, C, D, 13649 A, B, C, D Josten (CDU/CSU) . . 13646 A, B, 13648 C, 13649 C Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . . 13646 C Dr. Gleissner (CDU/CSU) . 13646 D, 13647 A Dr. Meinecke (SPD) . . . . . .13647 A, B Jung (FDP) 13647 C Dröscher (SPD) . . . . . . . 13647 C Frau Dr. Heuser (FDP) . 13647 D, 13649 B, C Ertl (FDP) 13648 A Fragen der Abg. Weigl und Frau Holzmeister: Besetzung von Sozialreferentenstellen an deutschen Auslandsvertretungen Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 13650 A, B, C, D, 13651 A, B, C, D, 13652 B, D, 13653 A, B Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . .13650 A, B, 13652 D Frau Holzmeister (CDU/CSU) . . . 13650 D, 13651 A, D, 13652 B, D Sänger (SPD) 13651 A, B Dröscher (SPD) 13653 A Fragen des Abg. Dr. Czaja: Konflikt zwischen Nigeria und Biafra Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 13653 B, D, 13654 Ar 13655 A, B, D Dr. Czaja (CDU/CSU) . 13653 D, 13654 A, D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) .13655 A, B Biechele (CDU/CSU) . . . . .13655 C, D Fragen des Abg. Hirsch: Ansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz 13655 D Fragen des Abg. Reichmann: Ausfälle an Zolleinnahmen durch Einfuhren aus Drittländern über EWG-Mitgliedstaaten Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . .13656 B, C Fragen des Abg. Dr. Schmidt (Offenbach) : Dauer der Anerkennungsverfahren von Kriegsdienstverweigerern 13656 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Kommandostabsübungen oder Manöver der Sowjetarmee und der NVA . . . 13656 D Fragen des Abg. Jung: Flugsportgruppen — Flugzulage für Propeller- und Hubschrauberpiloten Laufbahnregelung für Propeller- und Hubschrauberpiloten . . . . . . 13657 A Nächste Sitzung 13657 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 13659 A Anlagen 2 und 3 Entschließungsanträge Umdrucke 717 und 731 zu dem Schriftlichen Bericht des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (Drucksachen V/3912, V/4425) 13659 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Weigl betr. Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen bei Restriktionen auf dem Baumarkt . . . . 13660 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1969 13601 244. Sitzung Bonn, den 27. Juni 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung In der 240. Sitzung muß es auf Seite 13343 C ab Zeile 3 richtig heißen: wenn die Beratungsergebnisse eines Gründungsausschusses, an dem der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung und der Bundesminister für Wirtschaft beteiligt sind, über Fragen der Organisation und der Aufgaben den I. T. E. vorliegen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach 27. 6. Arendt (Wattenscheid) 27. 6. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 29. 6. Bading * 27. 6. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 27. 6. Dr. Barzel 27. 6. Prinz von Bayern 27. 6. Bazille 5. 7. Dr. Birrenbach 27. 6. Börner 27. 6. Dr. Brenck 15. 7. Deringer 27. 6. Dr. Dittrich * 27. 6. von Eckhardt 27. 6. Dr. Eckhardt 27. 6. Dr. Even 28. 6. Dr. Friderichs 27. 6. Frieler 27. 6. Freiherr von Gemmingen 27. 6. Dr. Giulini 30. 6. Dr. Götz 27. 6. Graaff 27. 6. Freiherr von und zu Guttenberg 15. 7. Haage (München) 27. 6. Haar (Stuttgart) 27. 6. Hamacher 30. 6. Dr. Heck 5. 7. Hellenbrock 15. 7. Hölzle 27. 6. Hösl 27. 6. Illerhaus * 27. 6. Dr. Ils 4. 7. Jacobi (Köln) 27. 6. Jahn (Braunschweig) 27. 6. Frau Kleinert 4. 7. Klinker * 27. 6. Kriedemann * 27. 6. Freiherr von Kühlmann-Stumm 27. 6. Kunze 15. 7. Lemmer 27. 6. Lenz (Brühl) * 27. 6. Dr. Lohmar 5. 7. Lotze 15. 7. Mauk * 27. 6. Memmel * 27. 6. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 27. 6. Michels 27. 6. Missbach 5. 7. Müller (Aachen-Land) * 27. 6. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Nellen 15.7. Richarts * 27. 6. Dr. Schulze-Vorberg 27. 6. Dr. Schmidt (Wuppertal) 27. 6. Dr. Staratzke 27. 6. Dr. Starke (Franken) 27. 6. Steinhoff 15. 7. Dr. Wahl * 28. 6. Weiland 27. 6. Frau Wessel 15. 7. Frau Dr. Wex 27. 6. Wiefel 27. 6. Dr. Wilhelmi 30. 6. Winkelheide 27. 6. Zink 27. 6. Anlage 2 Umdruck 717 Entschließungsantrag der Abgeordneten Rommerskirchen, Draeger, Ernesti, Dr. Zimmermann, Berger und Genossen zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses (5. Ausschuß) über den Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages - Drucksachen V/3912, V/4425 -. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der Fürsorgepflicht für Wehrpflichtige sicherzustellen, daß jedem Grundwehrdienstleistenden Beiträge für eine Unfallversicherung ersetzt werden, sofern die Versicherung nach den Bedingungen eines vom Bundesministerium der Verteidigung zu vereinbarenden Rahmenvertrags von dem Wehrpflichtigen abgeschlossen wurde. Bonn, den 12. Juni 1969 Rommerskirchen Draeger Ernesti Dr. Zimmermann Berger Dr. Althammer Dr. Conring Damm Dichgans Dr. Frerichs Frieler Glüsing (Dithmarschen) Haase (Kassel) Dr. Häfele Hauser (Bad Godesberg) Frau Jacobi (Marl) Josten Frau Kalinke Dr. Klepsch Köppler Lemmrich Dr. Lenz (Bergstraße) Lenze (Attendorn) Lücker (München) Dr. Marx (Kaiserslautern) Meis Frau Mönikes Petersen Picard Rasner Rawe Dr. Reinhard Röhner Stahlberg Dr. Wörner Baron von Wrangel 13660 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1969 Anlage 3 Umdruck 731 Entschließungsantrag der Abgeordneten Schultz (Gau-Bischofsheim), Jung, Ollesch, Mischnick und Fraktion der FDP zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses (5. Ausschuß) über den Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksachen V/3912, V/4425 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, den Hinweisen des Wehrbeauftragten dadurch Rechnung zu tragen, daß sie seine Anregungen prüft und gegebenenfalls die nötigen Maßnahmen trifft. Dabei soll sie insbesondere folgende Punkte berücksichtigen: 1. Im staatsbürgerlichen Unterricht und in der aktuellen Information sollten die Vorgesetzten verstärkte Bestrebungen und Aktionen der außer- und antiparlamentarischen Opposition, insbesondere auch Flugblätter und Plakate, behandeln, um auf diese Weise die Soldaten in die Lage zu versetzen, agitatorischen Argumenten und Halbwahrheiten kritisch entgegenzutreten. 2. Bund und Länder müssen durch geeignete Maßnahmen gemeinsam sicherstellen, daß in Zukunft die Wehrtechnik in der Lehr- und Forschungstätigkeit der Universitäten stärker berücksichtigt wird. 3. Gediente Studienbewerber müssen die Möglichkeit erhalten, ohne Zulassungsbeschränkung zu studieren, wobei die sachlichen Zulassungsbedingungen zugrunde zu legen sind, die bestanden, bevor sie zur Bundeswehr eingezogen wurden. 4. Die Einstellungs- und Entlassungstermine der Bundeswehr und die Termine für den Studienbeginn müssen aufeinander abgestimmt werden, damit die gedienten Abiturienten keinen Zeitverlust erleiden. Das gleiche gilt für Prüfungstermine der Industrie- und Handels- sowie der Handwerkskammern. 5. Die Bundesregierung hat zu prüfen, wie die Dienstposten insbesondere der technischen Spezialisten in den Streitkräften sachgerecht bewertet werden können. Dabei muß erörtert werden, ob eine besondere technische Laufbahn zu schaffen ist, weil die nach Dienstgraden ausgerichtete Besoldung heute möglicherweise nicht mehr dem insbesondere im technischen Bereich anzuwendenden Leistungsprinzip gerecht wird. 6. Es ist sicherzustellen, daß insbesondere die einberufenen Soldaten entsprechend ihrer Eignung und Neigung verwendet werden. 7. Es ist sicherzustellen, daß zu Wehrübungen einberufene Reservisten sinnvoll eingesetzt wer- den und daß nicht ein erheblicher Teil der Übungszeit durch Verwaltungsgeschäfte und organisatorische Maßnahmen verloren geht. 8. Es ist sicherzustellen, daß auch Spezialisten, die in den Einheiten unabkömmlich erscheinen, zu laufbahnfördernden Lehrgängen entsandt werden, damit sie in ihrer Beförderung keine Nachteile erleiden. 9. Die Bundesregierung soll gesetzgeberische Maßnahmen vorschlagen, durch die sichergestellt wird, daß Wehrpflichtige auch dann von dem Arbeitgeber ein ungekürztes Weihnachtsgeld erhalten müssen, wenn sie in dem fraglichen Jahr teilweise Wehrdienst abgeleistet haben. Darüber hinaus sollten auch Wehrpflichtige vom Bund ein Weihnachtsgeld erhalten. Beide Maßnahmen wären ein Beitrag zur besseren Wehrgerechtigkeit. 10. Die Wehrstrafgerichtsbarkeit muß so geregelt werden, daß im Ernstfall keine Umstellung gegenüber der Friedenszeit erforderlich ist. 11. Das Handbuch „Die Innere Führung" ist so zu bearbeiten, daß es endlich ein schlüssiges Konzept der Inneren Führung enthält, das für jedermann verständlich ist und im übrigen erschöpfend darstellt, was unter Innerer Führung zu verstehen und wie sie anzuwenden ist. Bonn, den 26. Juni 1969 Schultz (Gau-Bischofsheim) Jung Ollesch Mischnick und Fraktion Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 27. Juni 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Weigl (Drucksache V/4430 Frage 53) Wird die Bundesregierung bei aus konjunkturellen Gründer notwendig werdenden Restriktionen auf dem Baumarkt jene Infrastrukturmaßnahmen ausnehmen, die die Voraussetzung für die Strukturverbesserung wirtschaftlich schwacher Gebiete be deuten, z. B. den Ausbau der Schnellstraße B 15 neu? Die Antwort auf Ihre Frage lautet ja. Die Bundesregierung ist zu einer solchen Haltung schon deshalb verpflichtet, weil die am 23. Januar 1969 vom Konjunkturrat der öffentlichen Hand verabschiedeten „Grundsätze für die Abstimmung der Förderungsmaßnahmen des Bundes, der Länder und Gemeinder in der regionalen und sektoralen Strukturpolitik” den Satz enthalten: „Konjunkturdämpfende Maßnahmen sollen nicht auf strukturpolitisch wichtig Maßnahmen angewendet werden".
Gesamtes Protokol
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524400000
Die Sitzung ist eröffnet.
Zu der in der Fragestunde der 240. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Juni 1969 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Mommer, Drucksache V/4375 Nr. 88 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 23. Juni 1969 eingegangen. Sie lautet:
Es ist richtig, daß nach wie vor deutschen Staatsangehörigen in der Sowjetunion und den sowjetisch verwalteten Gebieten, die unter die deutsch-sowjetische Repatriierungsvereinbarung vom 8. April 1958 fallen und die den Wunsch geäußert haben, in das Bundesgebiet zu übersiedeln, von den sowjetischen Behörden die Ausreise verweigert wird. Darunter sind auch Personen, die zu ihren im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen übersiedeln wollen. Von uns ist die sowjetische Seite wiederholt auf dieses noch immer ungelöste Problem hingewiesen worden. Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin für eine Erledigung der von der Vereinbarung erfaßten Ausreisefälle und für Erleichterungen im Rahmen der Familienzusammenführung einsetzen. Die Bundesregierung bedauert den feststellbaren Rückgang der Ausreisezahlen.
Zu den in der Fragestunde der 240. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Juni 1969 gestellten Fragen des Abgeordneten Burger, Drucksache V/4375 Nrn. 6 und 7 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 18. Juni 1969 eingegangen. Sie lautet:
Die von Ihnen angeführte Pressemeldung ist mir bekannt. Es läßt sich jedoch von hier aus nicht überprüfen, ob die in ihr enthaltenen Behauptungen zutreffend sind. Dies wäre nur möglich, wenn der Kreis der von dem genannten Mathematiker beratenen Rentner bekannt sein würde. Allerdings mag es zutreffen, daß eine gewisse Anzahl von Rentenbescheiden fehlerhaft ist. Nach den Feststellungen meines Hauses beruhen die Fehler jedoch nur zu einem sehr geringen Teil auf unrichtiger Anwendung des Rechts. Die Mehrzahl der Fehler wird vielmehr dadurch verursacht, daß bei der Beantragung der Rente die Versicherten zu den für die Rentenberechnung bedeutsamen Daten oft unzutreffende oder unvollständige Angaben machen. Die Versicherungsträger trifft in diesen Fällen nicht der Vorwurf einer mangelhaften Sachbearbeitung; denn diese können nur dann weitere Nachforschungen anstellen, wenn sich aus dem Rentenantrag oder aus den Versicherungsunterlagen Anhaltspunkte hierfür ergeben.
Ich bin davon überzeugt, daß durch solche nicht überprüfbaren Feststellungen eines Mathematikers keineswegs allgemein ein Mißtrauen gegenüber der Tätigkeit der Rentenversicherungsträger geweckt worden ist. Ungeachtet dessen sollen jedoch wegen der genannten Fehlerquellen die Bemühungen intensiviert werden, die Versicherten und vor allem die Rentenantragsteller auf die für die Rentenberechnung wesentlichen Tatsachen aufmerksam zu machen. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wird sich in dieser Frage mit den Aufsichtsbehörden der Versicherungsträger in Verbindung setzen.
Die Zahl der fehlerhaften Rentenbescheide wird sich mit Sicherheit auf ein Minimum reduzieren, wenn die von meinem Hause eingeleitete und mit aller Kraft geförderte automatische
*) Siehe 240. Sitzung, Seite 13 331 A
*) Siehe 240. Sitzung, Seite 13 330 B
Datenverarbeitung, insbesondere die Speicherung der für die Versicherten anfallenden Daten, durchgeführt ist. Bereits im 3. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz sind Ermächtigungen für Rechtsverordnungen vorgesehen, auf Grund deren das bisherige Verfahren der Datenerfassung in der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich beschleunigt und vereinfacht werden soll. Sind erst einmal alle für die Rentenberechnung wichtigen Daten gespeichert, dann werden wir in der Lage sein, den Versicherten durch die Übersendung von Kontoauszügen Auskünfte über ihre anwachsenden Rentenanwartschaften zu geben und ihnen die rechtzeitige Mitprüfung der für die Rentenberechnung maßgeblichen, aus den Kontoauszügen ersichtlichen Daten zu ermöglichen. Die Hauptursache für fehlerhafte Rentenbescheide wird dann beseitigt sein.
Zu der in der Fragestunde der 241. Sitzung des Deutschen Bundestages am 19. Juni 1969 gestellten Frage des Abgeordneten Dröscher, Drucksache V/4375 Nr. 14 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 19. Juni 1969 eingegangen. Sie lautet:
Die Sach- und Rechtslage, die für die Beurteilung einer Entschädigung der in der Zeit von 1933 bis 1945 Zwangssterilisierten von Bedeutung ist, ist in einem umfangreichen Bericht des Bundesministers der Finanzen an den Wiedergutmachungsausschuß vom 1. Februar 1961 dargestellt und von diesem Ausschuß in mehreren eingehenden Beratungen (zuletzt am 21. Januar 1965) erörtert worden.
Die Bundesregierung sieht hiernach zu bundesgesetzlichen Maßnahmen, die über das geltende Recht hinausgehen, keine Möglichkeit. Sie ist insbesondere der Ansicht, daß eine allgemeine Entschädigungsregelung, durch die allen Sterilisierten neue Entschädigungsansprüche gewährt werden würden, nicht in Betracht kommt und auch nicht sinnvoll wäre. Wenn Verfolgten für die körperlichen und seelischen Schmerzen schon aus finanziellen Gründen kein Schmerzengeld gewährt werden kann, dann ist es nicht gerechtfertigt, Personen, die nicht als Verfolgte anzusehen sind, eine solche Entschädigung zu zahlen.
Da im Bundesgebiet heute etwa 175 000 bis 200 000 Zwangssterilisierte leben dürften, würde sich überdies eine finanzielle Belastung von fast 1 Milliarde DM ergeben, wenn man jedem der Betroffenen auch nur eine Entschädigung von 5000 DM gewähren würde. Diese Belastung des Bundeshaushalts ist schon in Anbetracht anderer gewichtiger und vordringlicher Ausgabeverpflichtungen nicht möglich. Auch wäre eine Pauschalabfindung bedenklich.
Im übrigen darf ich auf die Stellungnahme der Bundesregierung zur Anfrage des Herrn Abgeordneten Mick in der 136. Sitzung der 5. Wahlperiode des Deutschen Bundestages am 17. November 1967 — Bundestagsprotokoll S. 6953 (C) — hinweisen.
Zu der in der Fragestunde der 240. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Juni 1969 gestellten Frage des Abgeordneten Brück (Holz), Drucksache V/4375 Nr. 85 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 23. Juni 1969 eingegangen. Sie lautet:
Die Bundesregierung hält das Verhalten der deutschen Truppenverbände aus folgenden Gründen für vertretbar: Wie schon in früheren Jahren hat ein deutscher Truppenverband Ende Mai/ Anfang Juni an einer Übung des beweglichen Eingreifverbandes der NATO in Griechenland teilgenommen. Es handelt sich um eine Übung des integrierten NATO-Verbandes unter dem Kommando der NATO-Militärbehörden, an dem Verbände aus 5 NATO-Staaten (Belgien, Großbritannien, Italien, USA und Bundesrepublik Deutschland), die Kontingente zum Alliierten Verband stellen, teilnahmen. Die periodischen Übungen dieses Verbandes in den besonders verwundbaren Flankenländern
*) Siehe 241. Sitzung, Seite 13 460 D *) Siehe 240. Sitzung, Seite 13 330 C



Vizepräsident Schoettle
dienen dem Interesse aller Bündnispartner, da der Verband die Aufgabe hat, im Falle von Aggressionen die Ausweitung von lokalen Konflikten zu verhindern.
Militärischem Brauch gemäß werden diese Übungen mit einem Vorbeimarsch abgeschlossen, an dem auch in diesem Falle Abordnungen aller alliierten Kontingente teilgenommen haben. Sie sind nicht als nationale Vertretungen, sondern als integrierter Verband aufgetreten. Führer des Verbandes war ein italienischer General. Der Vorbeimarsch fand, wie üblich, nicht nur vor Vertretern der Alliierten Kommandostellen, sondern auch vor Vertretern der Streitkräfte und der Regierung des Gastlandes statt, zumal die nationalen Streitkräfte der Gastländer den Hauptteil der übenden Verbände stellen.
Der Vorbeimarsch wurde von dem Regenten, Generalleutnant Zoitakis, gemeinsam mit dem Stellvertreter des Alliierten Oberbefehlshabers in Europa, General Sir Robert Bray, dem Alliierten Oberbefehlshaber Europa Süd, Admiral Rivero, und dem Alliierten Befehlshaber Europa Südost, General Harrel, abgenommen. Der griechische Ministerpräsident Papadopoulos befand sich unter den Zuschauern auf der Tribüne.
Der Bundesregierung war vorher nicht bekannt, wer im einzelnen an der Abschlußveranstaltung teilnehmen würde. Es gibt insoweit keine festen Regeln oder ständige Übung.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden. — Das Haus ist damit einverstanden; die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Der Einfachheit halber nehme ich die eben auf die Tagesordnung gesetzten Punkte gleich vorweg, und zwar zunächst:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen (23. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung einer bebauten Teilfläche des bundeseigenen Grundstücks Flur Nr. 404/23 der Gemarkung München-
Milberthofen an die Arbeitsgemeinschaft freier Wohnungsunternehmen „Olympia-Dorf" München
— Drucksachen V/4258, V/4490 — Berichterstatter: Abgeordneter Strohmayr
Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort nicht. — Der Antrag des Ausschusses steht zur Abstimmung. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Der nächste Punkt:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkauf von bundeseigenem Gelände in München zur Errichtung frei finanzierter Wohnungen, die während der Olympischen Spiele 1972 als Olympisches Dorf der Männer benutzt werden sollen
— Drucksache V/4491 —
Diese Vorlage soll an den Ausschuß für das Bundesvermögen überwiesen werden. Das Haus ist mit diesem Überweisungsvorschlag einverstanden? — Dann ist so beschlossen.
Ferner der Punkt:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung des ehemaligen Exerzierplatzes und des ehemaligen Schießstanstandes in Paderborn an die Stadt Paderborn
— Drucksache V/4448 —
Diese Vorlage soll an den Ausschuß für das Bundesvermögen überwiesen werden. Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Dann rufe ich die Punkte 40 bis 45 der Tagesordnung auf, deren Beratung nach dem Vorschlag des Ältestenrates und nach einer Verständigung unter den Fraktionen miteinander verbunden werden soll:
40. Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses (5. Ausschuß) über den Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
— Drucksachen V/3912, V/4425 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Klepsch
41. Beratung des Weißbuches 1969 zur Verteidigungspolitik der Bundesregierung
— Drucksache V/4100 —
42. Zweite Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes
— Drucksache V/1741 —
Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (5. Ausschuß)

— Drucksache V/4051 —
Berichterstatter: Abgeordneter Josten (Erste Beratung 141. Sitzung)

43. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes
— Drucksache V/4219 —
a) Bericht des Haushaltsausschusess (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/4463 —
Berichterstatter: Abgeordneter Haase (Kassel)

b) Mündlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (5. Ausschuß)

— Drucksache V/4433 —
Berichterstatter: Abgeordneter Neumann (Stelle)


(Erste Beratung 238. Sitzung)

44. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes
— Drucksache V/3770 —
Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (5. Auschuß)

— Drucksache V/4432 —
Berichterstatter: Abgeordneter Josten (Erste Beratung 212. Sitzung)

45. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines



Vizepräsident Schoettle
Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
— Drucksache V/4249 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/4464 — Berichterstatter: Abgeordneter Bremer
b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache V/4424 —
Berichterstatter: Abgeordneter Brück (Köln)


(Erste Beratung 238. Sitzung)

Berichterstatter zum Punkt 40 ist der Abgeordnete Dr. Klepsch. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort?

(Abg. Dr. Klepsch: Eigentlich nicht als Berichterstatter, es sei denn, Sie gestatten mir, meine Ausführungen zu teilen!)

— Ja, natürlich. Sie können ja sagen: Von jetzt an spreche ich nicht mehr als Berichterstatter. — Sie haben das Wort.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0524400100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Beratung des Bericht des Wehrbeauftragten für das Jahr 1968 gibt uns die Möglichkeit, umfassend die Lage der Bundeswehr und in der Bundeswehr miteinander zu erörtern. Ich möchte zunächst als Berichterstatter meinen besonderen Dank an den Herrn Wehrbeauftragten und seine Mitarbeiter für diesen Bericht voranstellen. Dieser Bericht ist von allen uns bisher vorgelegten Berichten unseren idealtypischen Wünschen am nächsten gekommen, und der Ausschuß war der Auffassung, daß der Bericht es wert sei, in allen seinen Teilen in größtmöglichem Umfang über den normalen Verteilerschlüssel hinaus verteilt zu werden. Ich möchte dem Wehrbeauftragten auch für die Arbeit danken, die er im Berichtsjahre geleistet hat.
Ich möchte hervorheben, daß dieser Bericht außerordentlich übersichtlich gegliedert ist, eine klare Sprache führt und sehr brauchbare Zusammenfassungen zu den Detailproblemen, mit denen man sich auseinanderzusetzen hatte, aber auch zu den großen Fragen, die der Verteidigungsausschuß in diesem Bericht behandelt wünschte, gebracht hat.
Als besonders gut sehen wir die Darstellung über das Selbstverständnis des Amtes des Wehrbeauftragten an. Um deutlich zu machen, worum es geht, zitiere ich aus dem Bericht einen Halbsatz:
... wenn der Wehrbeauftragte als Hilfsorgan des Parlaments sich sowohl als Beauftragter des Bundestages bei den Streitkräften als auch als Sachwalter der Soldaten gegenüber dem Parlament betrachtet.
Hier ist ausgedrückt, wie der Wehrbeauftragte seine Aufgabe sieht: in eben der Weise, in der sie auch der Ausschuß sieht, wobei wir uns alle darüber klar sind, daß die Wirklichkeit dieser seiner Arbeit eine
Anpassung des formalen Textes des Gesetzes nach sich ziehen müßte. Ich möchte ausdrücklich festhalten, daß wir diese Auffassung teilen.
Wir haben auch die umfassende Darstellung des Fragenkomplexes der Inneren Führung im Bericht sehr begrüßt, zurückgehend auf einen Wunsch des Verteidigungsausschusses, von einer großen Aktualität in diesem Jahr. Diese Darstellung gibt die Chance, daß eine systematische Auseinandersetzung mit den verschiedensten mit der Inneren Führung zusammenhängenden Fragenkreisen gewährleistet ist. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß der Bericht in diesen seinen Teilen die von uns gewünschte gute Grundlage erbracht hat. Ich freue mich darüber, daß auch der Verteidigungsminister im Zusammenhang mit diesem Bericht den Fragenkreis durch Klarstellung und präzise Definition von seiner Seite her abgerundet hat.
In meinen folgenden Ausführungen möchte ich davon abgehen, nur als Berichterstatter zu sprechen, obwohl in vielen Punkten eventuell die Möglichkeit bestünde, es als solcher zu tun. Die Bundeswehr stellt eine Armee der Friedenssicherung dar. Wir sind uns darüber klar, daß ohne Verteidigungsbeitrag und ohne NATO-Bündnis weder ein gesicherter Friede für das deutsche Volk, noch eine erfolgversprechende Friedens- und Entspannungspolitik durch die Bundesregierung möglich wären. Diese Problematik ist in der letzten Diskussion über den Bericht des Wehrbeauftragten vom Vorjahr so eingehend behandelt worden, daß ich darauf verzichte, Weiteres dazu zu sagen. An der inneren Begründung und ihrer Richtigkeit hat sich nichts geändert.
Der Bericht des Wehrbeauftragten führt uns nun nicht nur die innere Lage der Armee und ihre Probleme vor Augen, sondern spiegelt auch in einem großen Umfang die innere Verfassung von Staat und Gesellschaft wider, und zwar in den Problemen, mit denen sich die Bundeswehr auseinandersetzen muß. In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig, im Blick auf die innere Verfassung unseres Staates und unserer Gesellschaft auf einige Probleme hinzuweisen, die der Bericht mit Recht in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gerückt hat.
Zunächst einmal komme ich auf die Notwendigkeit zu sprechen, immer wieder Sinn und Zweck des Verteidigungsbeitrages darzustellen. In einer demokratischen Gesellschaft ist es nun einmal so, daß die Politik auch in ihren grundsätzlichen Aspekten immer wieder begründet werden muß, daß die immer wieder in das Wählerpotential eintretenden nachwachsenden Gruppen mit denselben Problemen und Fragestellungen konfrontiert werden und die neu hinzutretenden Akzente es erforderlich machen, diese Begründung immer wieder abzurunden. Und so ist, glaube ich, sehr nachdrücklich zu fordern, daß wir uns immer wieder als die politisch Verantwortlichen bereit finden, die Begründung dieses unseres Verteidigungsbeitrages vorzunehmen.
Ich meine, daß es sinnvoll wäre, wenn schon bei der Musterung dem Wehrpflichtigen eine Begründung für den Wehrdienst gegeben würde, wenn er schon da in einer Zusammenfassung mit den Argu-



Dr. Klepsch
menten über den Dienst, der ihn erwartet, und mit Sinn und Zweck dieses Dienstes vertraut gemacht würde. Natürlich wäre es noch erfreulicher, wenn der staatsbürgerliche Unterricht in den Schulen das notwendige Maß an Information nicht nur darüber, was an Kritischem zu Staat und Gesellschaft zu sagen sei, sondern vor allem auch darüber, was an staatsbürgerlichen Pflichten gerade in diesem Zusammenhang vom Bürger wahrzunehmen ist, vermittelte. In diesem Zusammenhang sei auch gesagt: man muß dafür Sorge tragen, daß die Information über Struktur, Arbeitsweise und Arbeitsbedingungen der Bundeswehr an unseren Schulen wenigstens denselben Raum einnimmt wie Propaganda, die eventuell dagegen wirkt.
Der Herr Wehrbeauftragte hat es mit Recht als Aufgabe der Politiker bezeichnet, dafür Sorge zu tragen, daß nicht etwa der Bundeswehr die Aufgabe zufällt, ihren Auftrag selber darzustellen und zu rechtfertigen, daß es vielmehr die Auftraggeber sind — nämlich wir —, die diese Arbeit in allererster Linie zu leisten haben.
Der Wehrbeauftragte hat dargelegt, daß in der Truppe selber dem Wehrpflichtigen ein im Vergleich zu allen anderen Bereichen außerordentlich qualifizierter staatsbürgerlicher Unterricht vermittelt wird, daß die Informationen, die er dort erhält, und die Möglichkeiten der Kooperation, die dort gegeben sind, ihn dazu führen, in einem sehr viel größeren Umfange staatsbürgerliche Rechte und Pflichten zu sehen und zu verstehen. Wenn ich es so nennen darf: „Qualitätsaufbesserung" des Staatsbewußtseins, die in der Bundeswehr _erfolgt, kann nicht übersehen werden, auch nicht die Verantwortung für die Gesellschaft, die dort erkannt wird.
Im ganzen möchte man wünschen, daß bei der staatsbürgerlichen Information der Truppe im starken Maße dafür Sorge getragen wird, daß die Publikationen, die vom Ministerium herausgegeben werden, auch eine aktuelle Information über kontroverse Fragen vermitteln. Es darf also nicht so sein, daß der Einheitsführer, der zu bestimmten Problemen staatsbürgerlichen Unterricht halten soll, zwei oder drei Monate nachher zu einer kontroversen Frage erfährt, wie er es hätte machen sollen. Er sollte so schnell wie möglich diese Unterrichtung erhalten.
Festgestellt worden ist auch, daß sich die Truppe sowohl ihrer Leistung als auch ihrer Belastbarkeit nach unter den schwierigen Bedingungen des Jahres 1968 außerordentlich bewährt hat. Wir hatten Gelegenheit, das schon an anderer Stelle anzudeuten. Aber ich möchte doch zitieren, daß der Wehrbeauftragte ausdrücklich sagt, daß Geist und Moral des Soldaten im Berichtsjahr durch die Vorgänge, die auf die Truppe zugekommen sind, nicht berührt worden sind. Und daß er an einer anderen Stelle sagt: „Ich verkenne nicht, daß es der Truppe trotz dieser Belastung grundsätzlich gelungen ist, diese Schwierigkeiten innerhalb der vorgegebenen verfassungsrechtlichen Ordnung zu bewältigen." Das, meine Damen und Herren, ist ein außerordentlich hohes Lob für die Bundeswehr.
Ich möchte besonders auf die Ausführungen des Wehrbeauftragten zurückkommen, in denen er ,die Loyalität gegenüber Staat und Grundgesetz, die in diesen Streitkräften herrscht, ausdrücklich bekräftigt und in denen er deutlich macht, daß es wünschenswert wäre, daß in allen anderen Bereichen der Gesellschaft ein ähnlicher Loyalitätsgrad zu verzeichnen wäre. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß für die Truppe in einem ungewöhnlichen Umfang der Drang nach Diskussion und Information, der heute gerade von der jungen Generation ausgeht, dazu zwingt, verstärkt dafür Sorge zu tragen, daß die Ausbildung der Ausbilder den Erfordernissen dieser Fragestellung Rechnung trägt. Die kritischen Akzente, die der Wehrbeauftragte mit Recht an dieser Stelle darüber angebracht hat, daß ,es durchaus auch Vorgesetzte gibt, die die bohrenden Fragen, die ihnen gestellt werden, nicht in jedem Falle mit den notwendigen Sachargumenten beantworten konnten, können uns nur darin bestärken, dafür einzutreten, daß die Sachinformation so gut wie nur irgend möglich sichergestellt wird.
Allerdings müssen wir, meine verehrten Damen und Herren, deutlich ein sehr schwieriges Problem sehen, mit dem sich die Bundeswehr nicht nur im Berichtsjahr, sondern auch in diesem Jahre und vielleicht auch in Zukunft auseinanderzusetzen hat. Ich möchte es voneiner doppelten Seite her sehen. Wir erleben auf der einen Seite, daß zersetzende Kritik, direkte Angriffe auf die Bundeswehr mit dem Ziel, ihre Funktionsfähigkeit und Funktionstüchtigkeit zu begrenzen, einzuschränken, wenn nicht unmöglich zu machen, einen großen Raum des Themas „Verunsicherung der Bundeswehr" einnehmen. Ich werde darauf noch einzugehen haben. Dem steht auf der anderen Seite gegenüber eine ganz merkwürdige Hysterie über die Bewußtseinslage der Bundeswehr und ihre demokratische Zuverlässigkeit. Zu diesen beiden Fragen möchte ich mir erlauben ein paar Ausführungen zu machen.
Zunächst zum letzteren. Für mich ist es überraschend, in welchem Umfang in einer Gesellschaft, die sich, wie dieses Haus immer wieder nahezu einmütig in seinen Beschlüssen bekundet hat, völlig darüber klar ist, daß diese Armee eine diesem Staat gegenüber loyale und zuverlässige Armee darstellt, der wir Dank und Anerkennung nicht nur formal für das Geleistete und für ihre Verhaltensweisen ausgesprochen haben — wir meinen es wirklich so und haben in diesem Haus, aber auch in der Öffentlichkeit zu wiederholten Malen deutlich gemacht, in welch vorzüglicher Weise die Bundeswehr als Organ dieses demokratischen Staates strukturiert und funktionsfähig ist —, wir dessenungeachtet immer wieder das merkwürdige Erlebnis einer Diskrepanz zwischen diesen Feststellungen und dem Aufplustern jedes geeigneten falschen oder möglicherweise mißverstandenen oder möglicherweise auch nur falsch gehörten Zungenschlages in unserer öffentlichen Meinung und auch in diesem Hause haben, ein Erlebnis, das in seiner Summierung geeignet ist, das Bild, das ich soeben zeichnete, völlig umzudrucken. Bei fast jedem denkbaren Anlaß stürzt man sich, oft ohne jede Prüfung des Sachver-



Dr. Klepsch
haltes, geradezu begierig auf solche Positionen, oft mit dem Ziel, in einer Art Wortfetischismus sich an irgendeinem Begriff aufrankend ihn mit irgendwelchen abgestandenen Assoziationen, die nicht auf die Wirklichkeit dieser Bundeswehr und dieser Gesellschaft passen, zu verbinden und sich auf diese Weise mit dem dargestellten Problem auseinanderzusetzen.
Ich möchte das an zwei Beispielen kurz erläutern, gerade weil sie in der deutschen Publizistik ein so großes Interesse gefunden haben. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gestatte ich mir, aus dem Bulletin der Bundesregierung einen kurzen Absatz aus einer Rede des Herrn Bundeskanzlers zu zitieren. Er hat dort gesagt:
Ich habe gesehen, was ein einziger guter und ein einziger schlechter Vorgesetzter in der Bundeswehr anrichten können. Und es ist — wenn man das weiß — doch für jeden von Ihnen, der an verantwortlicher Stelle steht, eine hohe Verpflichtung, die große Chance wahrzunehmen durch das eigene persönliche Vorbild, da braucht es nämlich gar nicht vieler Worte, da wirkt das existentielle Vorbild einfach entscheidend, durch dieses eigene existentielle Vorbild, das sich beim Soldaten dann in die Worte kleidet: „Donnerwetter, das ist ein Kerl", durch dieses Vorbild beizutragen, daß die Bundeswehr eine große Schule der Nation für unsere jungen Leute wird.
Nun, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Aussage, wie wir sie dem Sachgehalt nach in diesem Hause und in diesem Ausschuß zu unzähligen Malen miteinander besprochen haben.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Um so mehr ist man überrascht, daß man in der öffentlichen Meinung eine völlige Verzeichnung einer so klaren Aussage verspüren konnte.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das war doch Absicht!)

Ich selber habe das Vergnügen gehabt, in Podiumsdiskussionen ehrenwerterweise mitgeteilt zu erhalten, daß diese Ausführungen blöd, instinklos, dumm und wie auch immer seien. — Bitte sehr Herr Kollege Schultz!
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Herr Präsident, darf ich fragen, ob Herr Abgeordneter Klepsch noch als Berichterstatter spricht oder als Mitglied — —

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Da müssen Sie zuhören, Herr Kollege Schultz!)


Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0524400200
Herr Kollege Schultz, ich habe vor etwa zehn Minuten — —

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524400300
Einen Moment! Er hat mich gefragt.

(Abg. Dr. Klepsch: Ach so! Entschuldigung!)

Herr Abgeordneter Schultz, der Herr Berichterstatter hat während seines Berichts betont, daß er jetzt auch als Abgeordneter, als Sprecher seiner Fraktion spreche.

(Abg. Rasner: War von Anfang an so ausgemacht! Wie wäre es denn mit Zuhören?)

Es war von Anfang an klar, daß der Abgeordnete Klepsch teils als Berichterstatter, teils als Sprecher seiner Fraktion spricht.
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Ich hatte verstanden, daß Herr Klepsch beides voneinander getrennt halten, aber in einem sprechen wollte.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0524400400
Herr Kollege Schultz, wenn Sie die Liebenswürdigkeit gehabt hätten, mir während meiner Ausführungen zu folgen — Sie werden das im Protokoll nachher nachlesen können —, hätten Sie festgestellt, daß ich vor etwa zehn Minuten gesagt habe, daß ich jetzt nicht mehr als Berichterstatter spräche, obwohl vieles von dem, was ich sagte, auch mit dem Berichterstatter abzudecken sei, — um solchen Mißverständnissen vorzubeugen. Ich vermute, daß Sie vielleicht noch nicht im Saal waren

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

und daß dadurch dieses Mißverständnis zustande gekommen ist.
Ich darf also zu dieser Frage folgendes sagen. Es ist verblüffend, in welcher Weise man vor geeigneten Kreisen, in denen man mit diesem Wortfetischismus Zustimmung und Resonanz zu erzielen hofft, dann von diesen Möglichkeiten der Verzeichnung Gebrauch macht. Das halte ich für keinen guten Stil, und das dient auch der Sache nicht, das dient auch der Bundeswehr nicht, und das dient auch diesem demokratischen Staat nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich meine das auch im Zusammenhang damit, daß wir uns fortgesetzt allen möglichen Tartarenmeldungen über die innere Verfassung der Bundeswehr gegenübersehen, angefangen von den zwei Generälen, die der Nationaldemokratischen Partei als Kandidaten zur Verfügung stehen sollen und die wir bisher nicht gefunden haben, bis hin zu allen möglichen sonstigen Aussagen, die ich jetzt hier nicht im einzelnen vortragen will, obwohl dafür eine lange Leporello-Liste zur Verfügung stünde. — Bitte sehr, Herr Kollege Berkhan!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524400500
Herr Kollege Klepsch, wir sind uns doch einig, daß es nicht so sehr auf den Dienstgrad ankommt, daß es aber schon schlimm genug ist, daß hohe Stabsoffiziere der Bundeswehr für diese fragwürdige Partei kandidieren?

(Sehr richtig! bei der SPD.)


Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0524400600
Wir sind uns sehr einig, Herr Kollege Berkhan. Ich würde nur nicht davon ausgehen, daß es das Problem unserer Gesellschaft sei, daß eine zugelassene Partei im Rah-



Dr. Klepsch
men der Bundeswehr auch Anhänger zu finden vermag. Ich erinnere mich noch sehr gut, daß es Leute gibt, die sich ellenlang darüber auslassen, wieviel potentielle NPD-Wähler es möglicherweise unter den Angehörigen der Bundeswehr gebe. Es wundert mich nicht, daß es dann Leute gibt, die retourkutschenmäßig berechnen, wieviel potentielle DKP-Wähler es unter den Angehörigen der IG Metall gibt. Die Prozentsätze unterscheiden sich erheblich.

(Zurufe von der SPD.)

— Ich sage Ihnen das ja in der Meinung, daß es Unsinn ist, solche demoskopischen Untersuchungen, Tiefenspürungen und was auch immer zum Gegenstand politischer Aussagen zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Worum es mir geht, ist nur, daß durch die Prüfung des Sachverhalts in der Bundeswehr selber nicht gedeckt ist — wie uns der Bericht des Herrn Wehrbeauftragten ganz zweifelsfrei bescheinigt —, wie es zu dieser merkwürdigen Hysterie kommt, die in bezug auf die Bundeswehr herrscht. Ich möchte durchaus sagen, daß wir zusammen die Verpflichtung haben, dafür einzutreten, daß die Bundeswehr mehr Anerkennung, mehr Dank für die von ihr erbrachte Leistung erhält und daß man sich weniger darauf konzentriert, den Versuch zu machen, ihr da und dort etwas am Zeuge zu flicken.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich hatte schon gesagt, daß wir demgegenüber eine sehr viel tolerantere Haltung, so möchte ich einmal sagen, in bezug auf die Maßnahmen erleben, die auf die Zersetzung der Bundeswehr unmittelbar gerichtet sind. Wir würden es wünschen, daß in einem sehr viel größeren Umfang, als es geschieht, dafür Sorge getragen wird, daß Informationen über diese Zersetzungsarbeit auf die Bundeswehr hin und die damit zusammenhängenden Organisationen gegeben werden.
In der Regel erfahren wir nur etwas ganz anderes, nämlich Informationen darüber, wie in gewisser Weise die Arbeit dieser Zersetzungsaktionen von durchaus legalen und berechtigten anderen Institutionen abgeschirmt ist, von Institutionen, die unsere volle Zustimmung finden wie etwa diejenigen, die sich darum bemühen, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung im Sinne der Verfassung wahrzunehmen. Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage in diesem Hause mitgeteilt, daß ihr nicht weniger als neun Organisationen und sieben Presseorgane bekannt sind, die sich das Ziel gesetzt haben, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung umzufunktionieren, sprich: mißbräuchlich das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen von Kräften, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung unseres Staates agitieren, im Sinne ihrer Zielsetzung zu politisieren. Dokumentenmaterial darüber ist in umfangreichem Maße vorhanden.
So taucht natürlich die Frage des Spannungsverhältnisses zwischen der Wahrnehmung dieses Rechts und der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte auf — diese Frage hat der Wehrbeauftragte in seinem Bericht zu Recht angesprochen —, die in Erfüllung eines anderen Verfassungsauftrags wahrgenommen werden und erhalten bleiben muß. Wir werden uns darüber klarzuwerden haben, welche Haltung wir gegenüber den Exemplaren dieser gehässigen Sudelküche einnehmen sollen, die in Truppe und Gesellschaft hineinwirkt, die mit Lügen, Verleumdung, offener Aufforderung zur Sabotage und zu Gewaltakten arbeitet, die detaillierte Handblätter, Merkzettel und Unterlagen darüber herausgibt, in welcher Weise man die Bundeswehr verunsichern solle, und die nicht davor zurückschreckt, in großem Umfang die unglaublichsten Behauptungen über unsere Streitkräfte zu verbreiten.
Ich denke nur etwa daran, daß die Bundeswehr als eine Institution dargestellt wird, in der man dazu erzogen wird, den Spaten scharf zu schleifen, um anderen den Schädel zu spalten und die Hirnmasse verspritzen zu lassen, oder daß die Soldaten als Bauchaufschlitzer oder als Frauenplattwalzer dargestellt werden. Diese umfangreiche Literatur, die sich nicht einmal scheut, namentlich gezeichnete Verantwortliche zu benennen, dringt auf unsere Streitkräfte ein und bedeutet fortgesetzt zusätzliche Belastungen für unsere Soldaten und für die Lage in der Gesellschaft.
Wir sind der Meinung, daß ein klareres Vorgehen gegen diese Organisationen notwendig ist.

(Sehr gut bei der CDU/CSU.)

Wir haben schon einmal erörtert, daß das eine Aufgabe für Regierung und Parlament ist, und zwar für das Parlament hinsichtlich einer vielleicht notwendigen Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften; denn diese enthalten so viele Schlupfwinkel und Lücken, daß es unter Umständen nur sehr schwer möglich ist, diese Leute zur Verantwortung zu ziehen. Ich glaube, wir sollten auch erkennen, daß wir das Opportunitätsprinzip diesen Organisationen gegenüber in einem außerordentlichen Umfange strapazieren. Was ich meine, ist dieses: wir befinden uns in einer Art Teufelskreis. Organisationen, deren Sinn, Zweck und Arbeit nach den Aussagen der Bundesregierung vollständig außerhalb der Verfassung liegen, sind auf die gewaltsame Zerstörung dieser Grundordnung gerichtet. Dessenungeachtet können sie weitgehend ungehindert ihre Agitationen und ihre Maßnahmen fortsetzen. Das bedeutet eine Schwierigkeit für alle diejenigen, speziell für unsere Soldaten, die sich bei jeder Äußerung einer disziplinaren Würdigung ausgesetzt sehen, gegenüber solchen Elementen, die eigentlich ohne Rücksicht auf das, was Recht und Gesetz ist, ihre Maßnahmen treffen. Die Soldaten sehen mit einiger Verblüffung — das möchte ich doch ausdrücklich sagen —, wie wenig daraufhin geschieht.
Ich würde sagen, daß sich der Herr Innenminister und der Herr Justizminister mit diesen Fragen konkret beschäftigen und dafür Sorge tragen sollten, daß wir im nächsten oder übernächsten Jahr nicht vor sehr viel größeren Schwierigkeiten stehen, als das bisher der Fall ist; denn man kann ja die Truppe nicht dauernd einer zusätzlichen Sonderbelastung



Dr. Klepsch
zu den bereits bestehenden Sonderbelastungen aussetzen, die sie ohnehin zu tragen haben.
Im übrigen scheint es mir notwendig zu sein, daß die Bildungsarbeit in der Bundeswehr gestrafft und stärker systematisiert wird. Wir sind uns darüber klar, daß die Ausbildung verwendungsbezogen sein muß. Aber manchmal beschleicht einen das Gefühl, daß immer mehr zusätzliche Aufgaben — auch durch dieses Haus und durch diesen Ausschuß — auf die Bundeswehr übertragen werden und daß dort dann immer mehr zusätzliche Bildungseinrichtungen geschaffen werden müssen. Oft geschieht das auch auf Anregungen, die aus unserem Kreis kommen. Wir drohen an den vesrchiedensten Stellen der Ausbildung und Bildungsarbeit auf der einen Seite der Gefahr der Verschulung der Bundeswehr, auf der anderen Seite einer völligen Zersplitterung und einer ständigen Wiederholung desselben Stoffes von Adam und Eva an zu begegnen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Hier müßten wir tatsächlich dafür Sorge tragen, daß erstens eine Einschränkung, eine Konzentration auf die wichtigen Punkte hin erfolgt und daß zweitens das Ganze unter einheitlichen Gesichtspunkten vollzogen wird.
Wir haben im Bericht des Wehrbeauftragten durchaus zur Kenntnis genommen, daß auch eine Diskussion, wie sie seit langem geführt wird, über Eid und Gelöbnis besteht. Ich möchte diese beiden Dinge voneinander trennen. Der Diensteid der Berufs- und Zeitsoldaten, durch den sie sich eben als Organ in die Staatsdienerschaft einreihen, kann, glaube ich, außerhalb dieser Betrachtung stehen. Eine andere Frage ist die nach dem Gelöbnis. Hier stellt sich für uns immer das Problem, daß jeder Wehrpflichtige mit Recht die Fragen stellen wird: Wozu ist das Ganze? Bin ich dazu berechtigt, das zu tun? Besteht eine Notwendigkeit dafür? Für ihn stellt sich von daher die Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflicht durchaus nicht als eine unbedingte Selbstverständlichkeit dar. Hier hat einmal die Truppe sehr viel staatsbürgerliche Information zu leisten; aber ich glaube, daß auch die Politiker wesentlich dazu beitragen könnten, und ich frage mich, ob es nicht zweckmäßig wäre, etwa die Wahlkreisabgeordneten in diesen Prozeß einzubeziehen.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Auch die Listenabgeordneten! — Abg. Herold: Alle!)

— Selbstverständlich, Herr Kollege Herold. Ich wollte nur sicherstellen, daß einer bestimmt zuständig ist. Ich weiß nicht, ob Sie im Wahlkreis oder über Liste gewählt sind, Herr Kollege; entschuldigen Sie meine Unwissenheit. Ich wollte mit diesen Ausführungen keinen benachteiligen. Ich bin im Gegenteil sehr froh, wenn sehr viele das tun. Der Sinn meiner Ausführungen war nur, daß einer es bestimmt tun sollte.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Aus den Landtagen auch!)

Der Wehrbeauftragte hat auch zu Recht darauf hingewiesen, daß die Notstandsgesetzgebung für die Frage von Eid und Gelöbnis kein neues Problem gebracht hat; wohl ein neues Argument, aber kein neues grundsätzliches Problem. Ich pflichte deshalb völlig seiner Auffassung bei, daß jetzt nicht etwa eine Wiederholung der Eide und Gelöbnisse angeordnet werden müßte.
Wir haben uns schließlich mit der Frage des Ersatzdienstes auseinanderzusetzen. Ich weiß, daß der Herr Bundesminister für Arbeit, der gern hier wäre, heute an dieser Beratung leider nicht teilnehmen kann. Sonst hätte ich vor ihm meiner Freude darüber Ausdruck gegeben, daß es möglich gewesen ist, innerhalb des letzten Halbjahres in Erfüllung des Wunsches dieses Parlaments die Zahl der Plätze von 2700 auf 4000 zu erhöhen, und daß bis Ende 1969 weitere 2000 Plätze geschaffen werden, so daß damit der Sofortbedarf von 6000 Plätzen gedeckt werden wird. Ich glaube, daß dies einen guten Fortschritt im Sinne der Wünsche dieses Hauses darstellt. Ich freue mich zu sehen, daß die Beschlüsse dieses Hauses auch von den kooperierenden Ressorts ernst genommen werden,

(Beifall bei der CDU/CSU)

wie ich überhaupt an Hand dieses Berichts freudig feststellen möchte, daß zu dem Zeitpunkt, da wir ihn beraten, eine Fülle von Anregungen und Vorschlägen des Herrn Wehrbeauftragten, sei es vom Ministerium, sei es vom Verteidigungsausschuß, sei es von diesem Parlament, bereits auf der Grundlage des vorliegenden Berichts realisiert worden sind. Ich glaube, daß es ein guter Brauch ist, daß wir nicht erst damit warten, bis wir nach einer Beratung im Ausschuß dazu kommen, hier im Plenum Entscheidungen zu treffen, sondern daß wir unmittelbar an die Beseitigung von Problemen herangegangen sind.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut!)

Ich möchte darüber hinaus sagen, daß der große Fragenkreis der Wehrgerechtigkeit, der in diesem Bericht eine bedeutsame Rolle spielt und der mit der Beratung des Verteidigungsausschusses am gestrigen Tage zu einem vorläufigen Abschluß gekommen ist, von mir nicht behandelt wird, sondern daß mein Kollege Ernesti auf alle damit zusammenhängenden Fragen namens meiner Fraktion eingehen wird.
Ich möchte mich nun noch zu zwei Fragen äußern, einmal zur Frage der Inneren Führung. Wir haben es in der öffentlichen Diskussion und in der bundeswehrinternen Diskussion fortgesetzt zu tun gehabt mit sogenannten Mißverständnissen und Fehldeutungen, mit dem Problem, daß eigentlich ein allgemeines Einverständnis darüber, was unter Innerer Führung und den einzelnen Begriffen, die ihr zuzuordnen sind, zu verstehen sei, fehlt und die unterschiedlichsten Auslegungen die Runde gemacht Nahen, viele, die nur nuanciert, verwandt, den Kern durchaus richtig wiedergaben, aber auch viele, die ganz anderes damit in Zusammenhang brachten. Unser Problem ist, glaube ich, in diesem wie in jedem solchen Zusammenhang ein doppeltes, erstens die Personalisierung zu vermeiden. Es gibt nicht Innere Führung à la X oder Innere Führung à la Y

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr richtig!)




Dr. Klepsch
— ich will das nicht mit Namen verbinden —, sondern es geht darum, daß ein für richtig erkanntes Prinzip seinem Inhalte nach bestimmt, weiterentwickelt und angewandt wird.
Wir müssen zweitens sagen, daß bei Innerer Führung die inhaltliche Bestimmung vor die Schlagworte treten muß. Unter Schlagworten verstehe ich sehr plakatierte Bezeichnungen, die wir alle durchaus weiter verwenden wollen, die aber je nachdem dadurch abgegriffen werden können, daß so viele andere Inhaltsangaben damit verbunden worden sind. Trotzdem meine ich, daß es wichtig ist, über das idealtypische Bild keinen Zweifel zu lassen und die notwendige sachliche Klärung und Weiterentwicklung vorzunehmen. Dazu liefert uns der Bericht des Herrn Wehrbeauftragten einen vorzüglichen Beitrag, ebenso wie ich Bezug nehmen möchte auf die ausgezeichneten Reden des Herrn Bundesministers der Verteidigung zur Definition dieser Frage.
Ich möchte hier nur kurz aus einer dieser Reden zitieren, daß zu den unverzichtbaren Grundlagen der Inneren Führung die folgenden Grundsätze gehören: der Primat der Politik gegenüber der militärischen Führung, die Integration der Streitkräfte in einen freiheitlichen Rechtsstaat, das Leitbild vom Staatsbürger als Soldat, der rechtsstaatliche Schutz der Einzelpersönlichkeit auch im besonderen Abhängigkeitsverhältnis des Soldaten, die Achtung vor der Menschenwürde des einzelnen auch unter dem notwendigen Prinzip von Befehl und Gehorsam und das Kriegsvölkerrecht als verbindlicher Bestandteil der militärischen Ordnung. Dem gegenüber sind die Formen der soldatischen Menschenführung, die Formen der Ausbildung und Erziehung, der Führungsstil, die Laufbahnverordnung, die Form der politischen Betätigung und die Organisationsformen, jeweils der Entwicklung von Gesellschaft und Staat angepaßt, weiterzuentwickeln und zu gestalten.
Ich glaube, wenn man diese Grundposition einnimmt, dann wird es auch möglich sein, dafür Sorge zu tragen, daß wir in Zukunft, gebunden an verbindliche Definitionen, diesen Wirrwarr an Mißverständnissen nicht mehr erleben.
Eine letzte Bemerkung. Ich glaube, daß es uns möglich gewesen ist, in vielen Fällen gerade in diesem Hause — der Kollege Ernesti wird das nachher sicherlich klar darlegen können — dafür zu sorgen, daß manche der berechtigten Wünsche im letzten halben Jahr erfüllt werden konnten. Als Kulminationspunkt, glaube ich, können wir das kürzlich verabschiedete Eingliederungsgesetz nehmen. Wir haben auch in einer Reihe von Fragen, die die Bundeswehr seit Jahren beschäftigen, wie etwa der Frage der Sanitätsoffiziere, im letzten Jahr, ausgehend von der Diskussion der Berichte des Herrn Wehrbeauftragten, vorzügliche Fortschritte machen können, die uns die Hoffnung geben, daß wir in Zukunft mit einer stärkeren Schließung der Lücke im Sanitätsoffizierkorps rechnen können. Wir hoffen, daß wir auf diesem Wege weiterschreiten können.
Zwei Probleme scheinen mir aber noch immer der Lösung zu harren. Das eine ist die Frage der Wohnungen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Mit Recht hat der Ausschuß einhellig die Forderung nach der Wiedereinführung der Miet- und Heizkostenzuschüsse erhoben. Aber die Frage Wohnung und Bundeswehr ist in diesem Hause wiederholt diskutiertes Problem, von dessen Erörterung wir so lange nicht ablassen können, wie die Frage nicht endgültig zufriedenstellend gelöst ist.
Das zweite ist die Frage der Sonderbelastungen, die dadurch entstehen, daß durch Unterbesetzung oder durch das Hinzufügen immer neuer Aufgaben der Dienst, den der Soldat — nicht nur der, den ich jetzt besonders hervorheben möchte, der Berufs- und Zeitsoldat, sondern auch der Wehrpflichtige — zu leisten hat, zeitlich und arbeitsmäßig eine außerordentlich hohe Belastung darstellt, für welche ein wenigstens annähernd entsprechender Gegenwert ins Auge gefaßt werden sollte. Wir sind uns darüber klar, daß sich aus diesen besonderen Arbeitsbedingungen auch eine mit anderen Sparten der Staatsorgane schwer vergleichbare besondere Stellung der Soldaten ergibt. Das werden wir bei unseren künftigen Beratungen noch stärker zu berücksichtigen haben, als wir das in der Vergangenheit schon getan haben.
Wichtig ist aber, daß wir bei all diesen Maßnahmen darauf abzielen, die Bundeswehr zu einem funktionstüchtigen und die Verteidigungsverpflichtungen, die sich ihr für diesen Staat stellen, erfüllenden, einsatzfähigen Organismus zu entwickeln. Und hier, so darf ich sagen, hat sich für uns alle im vergangenen Jahr erfreulicherweise gezeigt, daß seit dem Schock, den die gesamte Öffentlichkeit durch den Einmarsch der Sowjets in die Tschechoslowakei erfahren hat, dieses Haus eigentlich auch willig gewesen ist, schwierige Probleme, um die wir hart und lange gerungen haben, doch in einem großen Umfange zu lösen. Wir werden auch heute weitere Schritte auf diesem Wege gehen, um dem Wunsch Rechnung zu tragen, die Bundeswehr personell wie materiell so auszustatten, wie das für uns alle notwendig ist.
Meine Damen und Herren! Der Bericht des Wehrbeauftragten dieses Jahres sollte von uns allen gewissermaßen als ein Modell für künftige Berichte angesehen werden. Wir haben ihn — auch seiner Anlage nach — übereinstimmend außerordentlich positiv beurteilt. Wir glauben, daß jetzt die Form gefunden worden ist, die es diesem Hause in vorzüglicher Weise ermöglicht, Durchblick durch das Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft zu erhalten, und die es uns ermöglicht, auf dieser Grundlage in einer Fülle von Fragen zu Lösungen, zu Verbesserungen zu kommen. Dafür gebührt dem Herrn Wehrbeauftragten besonderer Dank.
Ich möchte meine Ausführungen damit schließen, daß ich für meine Fraktion die Zustimmung zum Ausschußantrag ausspreche.

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524400700
Das Wort als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Buchstaller.

Werner Buchstaller (SPD):
Rede ID: ID0524400800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Als Mitberichterstatter und zugleich für die SPD-Fraktion darf ich dem Herrn Wehrbeauftragten dafür danken, daß er das zehnjährige Bestehen der Institution des Wehrbeauftragten zum Anlaß genommen hat, die Aufgabenstellung des Wehrbeauftragten ausführlich darzulegen und anhand praktischer Beispiele und Maßnahmen zu erläutern, und daß er zum anderen auch deutlich auf die Schwierigkeiten in der Bundeswehr aufmerksam gemacht und auf sich ständig wiederholende Sorgen und Nöte der Soldaten hingewiesen hat.
Es ist ohne Zweifel gut, daß der Herr Wehrbeauftragte bei der Darstellung seines Auftrags und seiner Aufgaben deutlich macht, daß er als Hilfsorgan des Parlaments nicht nur auf Mängel und Unzulänglichkeiten im militärischen Bereich aufmerksam zu machen habe, sondern zugleich auch aus seinen Erfahrungen und Erkenntnissen dem Gesetzgeber Hinweise, Anregungen und Vorschläge für dessen politische Entscheidungen geben müsse. Insofern fühlt sich der Herr Wehrbeauftragte zu Recht, wie er sagt, nicht nur als Kontrollorgan des Parlaments, sondern auch als Sachwalter der Anliegen der Streitkräfte an das Parlament.
Daß trotz dieser Ausführungen des Herrn Wehrbeauftragten sogar sehr hohe Offiziere vereinzelt vom Wehrbeauftragten nach wie vor als vom Sonderaufpasser für die Bundeswehr sprechen, kann nur daran liegen, daß diese Herren den Jahresbericht entweder nicht gelesen haben oder ganz einfach böswillig sind. Mir als Abgeordnetem, Herr Hoogen, drängt sich vielmehr die Frage auf, ob Sie in Ihrer Eigenschaft als Wehrbeauftragter nicht zu leicht dazu geneigt sind, die in der Bundeswehr ohne Zweifel vorhandenen Schwierigkeiten und das Unbehagen zu einseitig der Politik anzulasten. Aus vielen Gesprächen und Diskussionen weiß ich, daß es bei vielen jungen Menschen nicht so sehr Fragen des Verdienstes und der dienstlichen Belastung, sondern vielmehr die der dienstlichen Atmophäre sind, die sie veranlassen, sich nicht freiwillig zu verpflichten oder sich nicht freiwillig weiterzuverpflichten. Eine Hauptrolle spielt dabei das auch von Ihnen angesprochene Verhältnis zwischen Offizier und Unteroffizier oder, um es anders zu formulieren, teilweises Standesdenken und teilweiser Standesdünkel. Bedauerlicherweise wird eine solche Entwicklung teilweise auch noch ministeriell gefördert.
Ich habe zu diesen Fragen bei der Diskussion über den Jahresbericht 1967 schon die Grußordnung erwähnt, in der die Anrede nach meiner Ansicht nach feudalistischen Maximen geregelt wird. Heute bringe ich lediglich zur Verdeutlichung meines Anliegens ein weiteres Beispiel, nämlich den sogenannten Raumgebührerlaß. In diesem Raumgebührerlaß ist die Ausstattung der Offiziersheime und der Unteroffiziersheime geregelt. Neben allgemeinen Räumen gehören dazu ein „Garderoberaum" für Offiziere, eine „Kleiderablage" für Unteroffiziere, „Aborträume für Herren" bei Offizieren, „Aborträume für Männer" bei Unteroffizieren, „Aborträume für Damen" für die Damen des Offizierscorps, „Aborträume für Frauen" für die Frauen der Unteroffiziere. So genau wird zwischen „Damen und Herren" einerseits und „Frauen und Männern" andererseits unterschieden, daß man nur für die erstgenannten Waschbecken vorsieht und die letztgenannten ohne Waschbecken beläßt; sozusagen Händewaschen als gesellschaftspolitischer Maßstab.

(Zurufe und Lachen.)

Darf ich in diesem Zusammenhang noch einmal unterstreichen, was auch Sie, Herr Wehrbeauftragter, wiederholt zum Ausdruck gebracht haben — und das war der Sinn dieses hier angeführten Beispiels —, daß das gesellschaftliche Ansehen des Unteroffiziers weitgehend von seiner Anerkennung in der Bundeswehr selbst bestimmt wird. Dem entsprechend Nachdruck zu verleihen, ist auch eine wichtige Aufgabe des Wehrbeauftragten. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß der Soldat mehr als mit strategischen Überlegungen, gesetzlichen Bestimmungen und APO-Aktionen mit den Sorgen, Nöten und Bedrängnissen des militärischen Alltags konfrontiert ist. Aus dem Verlauf seines Dienstes, den Aufgaben, die ihm gestellt sind, und aus dem Verhalten seiner direkten Vorgesetzten ergeben sich Dienstfreude ebenso wie Dienstunwilligkeit. Bei einem schlechten Betriebsklima wird keine gute Arbeit zu leisten sein; das ist in der Bundeswehr nicht anders als in der Wirtschaft. Man kann zwar dienstliche Leistungen, aber keinesfalls eine dienstliche Gesinnung befehlen.
Auch diese Fragen fallen in den großen Katalog der modernen Menschenführung in unserer Zeit und der inneren Führung der Bundeswehr. Ich möchte für mich als Berichterstatter und für die SPD-Fraktion begrüßen, daß der Herr Wehrbeauftragte den Grundsätzen der Inneren Führung in seinem Jahresbericht einen so breiten Raum gegeben hat. Ich möchte diese Darlegungen ausdrücklich und nachdrücklich unterstreichen. Die Grundsätze der Inneren Führung haben weder mit alten noch mit neuen Klischees zu tun, sie haben auch nichts zu tun mit einer opportunistischen Anpassung an einen vorübergehenden Zeitgeist, und sie haben nichts zu tun mit einer Verweichlichung der Soldaten. Vielmehr wird mit diesen Grundsätzen bewußt ein Beitrag dazu geleistet, die Bundeswehr als Ganzes und die Soldaten als Bürger in unsere gesellschaftliche und staatliche Ordnung zu integrieren und, wie es der Herr Wehrbeauftragte formuliert, die bewaffnete Macht in unseren parlamentarischen Rechtsstaat einzuordnen. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß der „Staatsbürger in Uniform" keinesfalls ein Versuchskaninchen und auch nicht eine abgedroschene Formel ist. Ich zitiere den Wehrbeauftragten, der es so formuliert, daß mit dem Staatsbürger in Uniform von diesem Parlament in verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Form ein politisches Leitbild für unseren Soldaten, d. h. für den Soldaten unserer Demokratie, geschaffen wurde. Wir wollen — und das ist entscheidend —, daß die Männer in



Buchstaller
der Bundeswehr gute Soldaten und gute Demokraten sind.
Damit, Herr Kollege Dr. Klepsch, komme ich zu einigen Ihrer Bemerkungen. Ich möchte Ihnen ganz ehrlich sagen, daß ich von dem von Ihnen zitierten „Donnerwetterkerl" außerordentlich wenig halte.

(Abg. Dr. Klepsch: Na, na!)

Schließlich möchte ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß es diesen so oft strapazierten „ganzen Kerl" in allen Armeen gibt, in der russischen, in der chinesischen und auch in der griechischen. Das kann kein Maßstab sein. Maßstab für unsere Soldaten der Bundeswehr sind Verfassung und Soldatengesetz.

(Abg. Rommerskirchen: Das ist aber ein gutes Beispiel!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524400900
Gestatten Sie eine Frage?

Werner Buchstaller (SPD):
Rede ID: ID0524401000
Bitte, Herr Dr. Klepsch!

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0524401100
Herr Kollege Buchstaller, ich habe Ihnen nicht nur das Wort vom „Donnerwetterkerl" vorgelesen. Das ist, glaube ich, nur eine schmückende Beifügung gewesen. Vielmehr war das, was ich Ihnen vorgetragen habe — und das ist meine Frage —, doch etwas ganz anderes, nämlich die Beschreibung des Idealbilds eines Vorgesetzten.

Werner Buchstaller (SPD):
Rede ID: ID0524401200
Einer Beschreibung des Idealbilds eines Vorgesetzten kann ich mich nur anschließen. Ich möchte aber feststellen, daß nach meiner Auffassung Maßstab für die Soldaten unserer Bundeswehr zwar auch das Verhalten der Vorgesetzten, aber in erster Linie Verfassung und Soldatengesetz sind. Darum ging es mir.

(Abg. Dr. Klepsch: Na, gut!)

Verfassung und Soldatengesetz bestimmen auch den Grundgehalt der Inneren Führung. Die Grundsätze der Inneren Führung orientieren sich an der vom Herrn Wehrbeauftragten aufgezeigten Tatsache, daß Verteidigungsbereitschaft und Wehrmotivation in einem demokratischen Staat wesentlich davon abhängen, inwieweit es gelingt, rechtsstaatlichen Vorstellungen auch im militärischen Bereich Raum zu geben. Der Hinweis des Wehrbeauftragten, daß sich Staatsordnung und Wehrordnung nicht widersprechen dürfen, scheint mir von großer Bedeutung zu sein. Darum legt der Wehrbeauftragte zu Recht in seiner Tätigkeit und in seinem Bericht so großen Wert auf den Schutz der Grundrechte. Dazu gehört, daß diese Grundrechte auch im militärischen Bereich nur unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden dürfen und eine klare Abgrenzung zwischen den militärischen Erfordernissen und der verfassungsrechtlich verbrieften Privatsphäre des Soldaten gegeben sein muß.
Ich verkenne nicht, daß es in unserer Zeit, in unserer sehr unruhigen Zeit, nicht leicht ist, das rechte Maß zwischen dem Ordnungsanspruch der Streitkräfte und dem Freiheitsraum des Soldaten zu finden. Das zeigt sich auch in den von Ihnen, Herr
Wehrbeauftragter, angeführten Beispielen. Um so erfreulicher ist es, daß Grundrechtsverletzungen seltene Ausnahmefälle darstellen. In den Eingaben an den Herrn Wehrbeauftragten machen solche Fälle ganze 2,9 % aus.
Die Grundrechte müssen aber nicht nur gewahrt — und hier beziehe ich mich ebenfalls auf meinen Vorredner —, sondern auch jedem Mißbrauch entzogen werden. Von dieser Gefahr sind vor allem das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung und das Grundrecht der freien Meinungsäußerung und Information betroffen. Ich glaube, es so sagen zu dürfen, daß niemand in diesem Hause der Einengung des Grundrechts der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen das Wort redet. Genauso deutlich muß aber die Feststellung des Herrn Wehrbeauftragten unterstrichen werden, daß dieses Grundrecht nicht als Vorwand für Drückebergerei und zersetzende Agitation und zersetzende Aktionen gegen die Bundeswehr mißbraucht werden darf. Die freie Gewissensentscheidung jedes einzelnen ist garantiert; daraus kann aber nicht das Recht abgeleitet werden, Gewissen zu manipulieren, auf die Gewissensentscheidung durch Propaganda und Aktionen Einfluß zu nehmen oder zu versuchen, Wehrpflichtige von der Erfüllung ihrer staatsbürgerlichen Pflicht abzuhalten.
Diese klare Trennung muß vom Gesetzgeber gezogen werden. Er hat nach dem Grundgesetz die Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte zu tragen. Dazu gehört auch, daß die Anerkennungsverfahren für Soldaten, die ihren Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt haben, beschleunigt abgewickelt werden und nach erfolgter Anerkennung eine sofortige Überstellung in den Ersatzdienst sichergestellt ist. Es ist zu begrüßen, daß die jeweils zuständigen Ministerien sehr darum bemüht sind, diesem Anliegen Rechnung zu tragen. Damit ist in dieser Hinsicht ein wichtiges Petitum des Herrn Wehrbeauftragten erfüllt. Im übrigen halte ich es wie der Herr Wehrbeauftragte für richtig, daß durch Erlaß vom 1. Juli 1968 der Soldat bis zur unwiderruflichen Anerkennung als Kriegsdienstgegner auch Waffendienst zu leisten hat.
Eine Frage, die im Jahresbericht des Herrn Wehrbeauftragten nur am Rande erwähnt ist, wird uns wahrscheinlich in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen, die Frage nämlich, ob wir bei der beachtlichen Zahl von anerkannten Wehrdienstverweigerern mit den heute gegebenen Organisationsgrundlagen für den Ersatzdienst auskommen können. Dabei wird ohne Zweifel auch die Anregung des Vorsitzenden meiner Fraktion, die Ersatzdienstzeit zusammenhängend der Zeit des Grundwehrdienstes und der Wehrübungen gleichzusetzen, eine Rolle spielen.
Ähnlich wie beim Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung gibt es auch Gruppen und Kräfte, die versuchen, das Grundrecht der freien Meinungsäußerung und Information in ein Propagandamittel gegen die Bundeswehr und die Verteidigungsbereitschaft schlechthin umzufunktionieren. Diesen Kräften müssen wir uns stellen. Wir müssen uns ihnen



Buchstaller
stellen durch ein klares Bekenntnis zur Verteidigung und zu den Soldaten der Bundeswehr, durch die Bereitschaft, den Problemen und bohrenden Fragen der jungen Soldaten nicht auszuweichen, sowie durch eine intensive Information und Aufklärung, die sich nicht in einem abstrakten Lehrstoff erschöpfen darf.
In diesem Zusammenhang möchte ich die Anregung des Herrn Wehrbeauftragten aufgreifen, für den staatsbürgerlichen Unterricht und für die Aussprache über aktuelle Probleme auch den sogenannten befehlsfreien Raum zu nutzen, in dem das Argument und nicht Dienstrang und Dienststellung ausschlaggebend sind. Dazu muß man sich allerdings zu der Erkenntnis durchringen, daß sich auch im militärischen Bereich nicht mehr alles durch Befehl und Gehorsam regeln läßt. Autorität durch Vorbild und Überzeugungskraft ist ohne Zweifel schwieriger, aber ebenso ohne Zweifel auch nachhaltiger.
Damit ist der militärische Führungsstil angesprochen, mit dem sich der Herr Wehrbeauftragte ausführlich auseinandersetzt. Ich möchte seine Ausführungen zu diesem Thema unterstreichen. Die Technisierung der Streitkräfte, die volle Einbeziehung des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts in die militärische Strategie und in den soldatischen Alltag verlangen dem Soldaten mehr als nur Gehorsam ab. Er braucht Sachverstand, Können und Fertigkeit, Verantwortungsbewußtsein und Eigeninitiative. Alle Erfahrungen des Wehrbeauftragten sprechen dafür, daß der so geforderte Soldat gerne
seinen Dienst leistet. Das setzt moderne Führungsmethoden voraus. Herr Hoogen nennt das den kooperativen Führungsstil.
Wie man das auch bezeichnen mag, Tatsache ist, daß in die militärische Führung immer mehr Elemente und Erkenntnisse aus dem Bereich des modernen Managements einbezogen werden müssen, daß die Amtsautorität durch funktionelles Können ergänzt werden muß, daß Vorgesetzte und Untergebene zu einem Partnerschaftsverhältnis gezwungen sind und daß damit die Vertrauensbasis — hier möchte ich das, was Sie, Herr Dr. Klepsch, in Ihren Ausführungen vermerkt haben, unterstreichen — zwischen Vorgesetzten und Untergebenen zum tragenden Element des Geistes unserer Armee wird.
Ich bedauere es sehr, daß Sie, Herr Wehrbeauftragter, nichts darüber aussagen, inwieweit sich Ihre theoretischen Betrachtungen in der militärischen Praxis widerspiegeln. Sie könnten sicher besser als wir beurteilen, ob die Meinung vieler Soldaten zutreffend ist, daß noch viel zuviel im alten Trott verfahren wird, weil es so ungeheuer bequem ist, nicht umlernen und nicht umdenken zu müssen. Die total veränderten Bedingungen einer kriegerischen Auseinandersetzung mit modernsten Vernichtungsmitteln werden darauf allerdings keine Rücksicht nehmen.
Die Politik hat aus dieser Entwicklung nicht nur für die Führungsstruktur der Streitkräfte, sondern für das gesamte militärische Personalwesen Konsequenzen zu ziehen. Ich möchte mich hier auf den Abschnitt „Die Technik und ihre Auswirkungen in den Streitkräften als Problem der Inneren Führung" und auf den Abschnitt „Soldat und Technik" im Bericht des Wehrbeauftragten berufen. Aus der Erkenntnis, daß die Technik immer mehr zur Spezialisierung der militärischen Funktionen führt und damit soldatische Leistung und technisches Können für die Funktionsfähigkeit und Schlagkraft der Streitkräfte gleichwertig werden, leitet der Wehrbeauftragte seine Forderungen nach Teamarbeit, nach einer dem Dienstposten und dem Spezialwissen entsprechenden spezifischen Stellenbewertung und nach Berücksichtigung des Leistungsprinzips ab. Seinen Forderungen und seinem Vorschlag, im technischen Bereich sachgerechte Laufbahnstrukturen mit angemessener Stellendotierung zu schaffen, kann ich mich vorbehaltlos anschließen. Neben militärischen Führern und Unterführern brauchen wir Spezialisten auf allen Gebieten. Nach meiner Auffassung ist dieses Problem ohne Speziallaufbahnen im technischen Bereich nicht zu lösen. Die neugeschaffene Laufbahn des Fachoffiziers ist ein erster, wie ich meine, zaghafter Anfang. Wir brauchen diese Fachlaufbahnen auch im Unteroffiziers- und Mannschaftsbereich.
Das heißt natürlich Abschied nehmen von der vor allem im Heer so lieblich gepflegten Idee vom Allround-Soldaten und vom militärischen Vorgesetzten nicht möglichst großer Verwendungsbreite. Es wird dann hoffentlich nicht mehr möglich sein, daß ein Elektroingenieur als Schreibstubenhilfskraft beschäftigt wird, ein hochqualifizierter Klarinettist mit zehnsemestriger Hochschulausbildung als Heeresmusiker an den Gefechtsübungen der Unteroffizierschule scheitert oder ein qualifizierter Schwermotorenspezialist nicht Unteroffizier werden kann, weil er das Sportabzeichen nicht schafft.
Wenn man diesen ersten Schritt gewagt hat, kommt man vielleicht auch noch zu dem zweiten und wirbt für die Bundeswehr Fachleute und Techniker, um sie zu Soldaten zu machen, und nicht Soldaten, um sie zu Technikern zu machen. Wenn wir erst auf den anderen Gebieten den gleichen Engpaß wie in der ärztlichen Versorgung und in der gesundheitlichen Betreuung der Soldaten haben, ist es zu spät.
Ich bin deshalb froh darüber, daß der Herr Wehrbeauftragte diese Probleme in aller Dringlichkeit und Deutlichkeit angesprochen hat.
In einem besonderen Abschnitt hat der Herr Wehrbeauftragte und hat auch der Herr Berichterstatter Fragen des Eides und des feierlichen Gelöbnisses behandelt. Mit diesem Komplex beschäftigen sich auch die katholischen und insbesondere die evangelischen Militärseelsorger sehr eingehend. Ich möchte zu diesem Punkt in dieser Stellungnahme zum Bericht des Wehrbeauftragten keine Debatte auslösen. Der Verteidigungsausschuß und auch das Plenum werden sich sicherlich zu gegebener Zeit mit diesem Problem zu befassen haben.
Trotzdem möchte ich nicht versäumen, festzustellen, daß ich die Rechtsauffassung des Herrn Wehrbeauftragten zu diesem Thema voll teile. Nach meiner Meinung wäre das Verteidigungsministerium gut beraten, wenn es seinen Standpunkt noch einmal überprüfte. Es ist meine Auffassung, daß die Praxis



Buchstaller
des Ministeriums, Soldaten, die das feierliche Gelöbnis nicht ablegen, von jeder Beförderung auszuschließen, rechtlich nicht haltbar ist.
Sehr ausführlich greift der Herr Wehrbeauftragte das Problem der Wehrgerechtigkeit auf, das auch schon im Jahresbericht 1967 eine große Rolle gespielt hat. Der Verteidigungsausschuß hat sich wiederholt mit diesen Fragen beschäftigt. Mit den flexiblen Umfangzahlen der Bundeswehr und den Einberufungen zum Bundesgrenzschutz soll erreicht werden, daß alle tauglich gemusterten Wehrpflichtigen der jetzt aufgerufenen Jahrgänge eingezogen werden. Außerdem wird es notwendig sein, die Rückstellungs- und Freistellungsgründe genau zu durchforsten.
Ich bin nach wie vor der Meinung, daß mit großen Anstrengungen versucht werden muß, längerdienende Freiwillige zu gewinnen, und daß damit die Möglichkeit geschaffen wird, die allgemeine Wehrpflicht zu verkürzen. Mit dem derzeitigen Zahlenverhältnis von Zeit- und Berufssoldaten und Wehrpflichtigen sind die Aufgaben einer hochtechnisierten Armee auf die Dauer nicht zu meistern. In vielen Bereichen sind Wehrpflichtige auf Dienstposten von Zeitsoldaten gesetzt, wo ihnen unzumutbare Anforderungen und Verantwortungen abverlangt werden. Das kann in dieser Form nicht zu einer ständigen Einrichtung werden.
Gleichzeitig mit den Bemühungen um längerdienende Freiwillige muß die Verbesserung der Leistungen für die Wehrpflichtigen fortgesetzt werden. Darunter sind — das möchte ich besonders betonen — nicht nur Entlassungsgeld, Wehrsold und Unterhaltssicherung zu verstehen, vielmehr muß endlich auch einmal damit ernst gemacht werden, die Wehrpflichtigen berufs- und ausbildungsbezogen zu verwenden. Eine solche Verwendung würde sowohl für die Bundeswehr als auch für den Wehrpflichtigen bei seiner Rückkehr in das zivile Berufsleben von Nutzen sein. Zu Recht hat der Wehrbeauftragte besonders darauf aufmerksam gemacht und dieses Problem unterstrichen. Einer solchen berufsbezogenen Verwendung würde ich den Vorzug geben vor einer berufsfremden Verwendung in Heimatnähe. Wenn beides zusammen bewerkstelligt werden kann, um so besser.
Zur Fürsorgepflicht gegenüber dem Wehrpflichtigen gehören auch anständige Kasernenunterkünfte, ausreichende sanitäre Anlagen und Gelegenheit zu Sport, Spiel und sinnvoller Freizeitgestaltung. Es ist mehr als bedauerlich, daß der Wehrbeauftragte immer wieder Klage über unzureichende Unterkunftsverhältnisse und Betreuungseinrichtungen führen muß. Er erwähnt besonders Mannschaftsunterkünfte auf Truppenübungsplätzen, Barackenunterkünfte und die Grundrenovierung bei Kasernenanlagen. Es ist zu hoffen, daß das Ministerium die Behebung dieser Mängel nicht auf die lange Bank schiebt.
Der Herr Berichterstatter hat es bereits erwähnt, und ich möchte mich dem anschließen: Für die längerdienenden Zeitsoldaten, vor allem für die Unteroffiziere, wurden in den letzten Monaten und Wochen entscheidende Maßnahmen eingeleitet. Sie können ohne Zweifel dazu beitragen, die verhängnisvolle Personalmisere in der Bundeswehr zu lindern. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die Voraussetzungen dafür geschaffen.
Ein Problem blieb leider ungelöst. Es betrifft die Zeit- und Berufssoldaten, vor allem die Unteroffiziere, gleichermaßen. Es ist das Problem der Wohnungen, besser gesagt: der Wohnungsmieten. Hier muß dringend Abhilfe geschaffen werden. Herr Wehrbeauftragter,, Sie können sich darauf verlassen, daß Sie in dieser Frage die volle Unterstützung des Verteidigungsausschusses und dieses Plenums haben. Es kann jedenfalls nicht länger hingenommen werden, daß bei den Soldaten, die durch ständige Versetzungen in immer wieder neue Standorte in ihnen zugewiesene Wohnungen einziehen müssen, alle finanziellen Leistungsverbesserungen durch Mieterhöhungen aufgefressen werden.
Ich habe mich bemüht, sehr verehrte Damen, meine Herren, als Mitberichterstatter zum Jahresbericht des Herrn Wehrbeauftragten zu seinen kritischen Bemerkungen, seinen Anregungen und Erfahrungen Stellung zu nehmen. Ich habe mich auch bemüht, mich daran zu halten, obwohl es in diesem Zusammenhang ohne Zweifel sehr reizvoll gewesen wäre, auf einige aufsehenerregende Bemerkungen über die Bundeswehr und ihre Rolle in Staat und Gesellschaft einzugehen, wie es mein Vorredner getan hat. Ich nehme diese Vorgänge aber ausdrücklich zum Anlaß, den Herrn Wehrbeauftragten zu ermuntern, sich dadurch in der Wahrnehmung seiner Aufgaben und in seiner Berichterstattung nicht beirren zu lassen. Ich möchte Sie bitten, Herr Wehrbeauftragter: fahren Sie fort, den Problemen auf den Grund zu gehen und sie deutlich anzusprechen! Unter anderem auch aus diesem Grunde und zu diesem Zweck hat sich das Parlament sein Hilfsorgan geschaffen, ein Hilfsorgan, das sowohl von der Bundesregierung als auch von den militärischen Führungsstellen unabängig ist. Ich möchte als Mitberichterstatter und als Sprecher für die SPD-Fraktion Ihnen, Herr Wehrbeauftragter, und Ihren Mitarbeitern noch einmal Dank sagen für die ausgezeichnete Tätigkeit, für den guten Bericht, und wünsche Ihnen weiterhin eine erfolgreiche Arbeit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524401300
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524401400
Herr Präsisident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in dieser Aussprache über den Bericht des Herrn Wehrbeauftragten, dem auch ich einen hohen Wert beimesse, das Wort ergreifen. Mir erscheint dies um so mehr notwendig angesichts einer öffentlichen Diskussion, die meine Ansprache vom 18. Juni vor dem Bundeswehrverband zum Anlaß genommen hat, die Grundprobleme unserer Bundeswehr anzusprechen. Leider ging es dabei, wie es so häufig geht: daß diese Rede, die bei meinem Auditorium und darüber hinaus, sowohl unmittelbar wie bis zu dieser Stunde, einen außerordentlichen und nach-



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
haltigen Eindruck gemacht hat, durch ein isoliertes und daher notwendigerweise verzerrendes Herausgreifen weniger Passagen, die eine völlig nebensächliche Bedeutung hatten, gar nicht zur Kenntnis unserer Bevölkerung gekommen ist.
Meine Damen und Herren, ich fand im Jugendbericht der Bundesregierung vom 15. Januar 1968 folgende interessante Stelle. In dem Kapitel, in dem von der Ausbildung und Erziehung des Jugendlichen als Soldaten die Rede ist und vom Ausbildungs- und Erziehungsauftrag der Bundeswehr gesprochen wird, findet sich folgender Satz.
Diese Soldaten müssen erzogen werden zum unbeirrbaren Willen, tapfer zu kämpfen und gleichzeitig in der Zuordnung der Bundeswehr zum Frieden das Leitmotiv ihres mitverantwortlichen Denkens und Handelns als Soldat zu sehen. Der Soldat muß die Widersprüchlichkeit moderner soldatischer Existenz begreifen und verarbeiten, diese Widersprüchlichkeit, die darin besteht, daß er sich auf den Ernstfall der Verteidigung vorbereiten muß und doch nicht wünschen darf, daß dieser Ernstfall eintritt.
Dies war das Thema meiner Rede vom 18. Juni. Ich habe in dieser Rede drei Fragen gestellt: 1. Was müssen wir von unseren Soldaten erwarten? 2. Was muß der Soldat von der Politik und von dem Staatsmann, der für diese Politik verantwortlich ist, erwarten? 3. Was darf der Soldat von der Gesellschaft, von unserem Volk erwarten?
Ich habe, ausgehend von dem soeben zitierten Gedanken, daß der Soldat die Widersprüchlichkeit der modernen soldatischen Existenz begreifen und verarbeiten muß, darauf hingewiesen, daß unseren Soldaten in zwei Weltkriegen Ungeheuerliches zugemutet worden ist, daß sie in zwei Weltkriegen Ungeheures an Opfermut und Einsatz geleistet haben und dieser ihrer Leistung eine jammervolle und elende Politik gegenüberstand, die sie in einen vergeblichen Tod getrieben hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ausgehend von dieser geschichtlichen Feststellung zu den beiden Weltkriegen habe ich folgendes gesagt— ich bitte den Herrn Präsidenten, mir zu gestatten, es wörtlich wiederzugeben —:
Deswegen kann der Soldat heute vom Politiker zweierlei verlangen:
1. Er kann verlangen, daß das Instrument, das die Politik geschmiedet hat, nämlich unser Beitrag zum Nordatlantischen Bündnis, so gut und so volkommen sei, wie dies unter den gegebenen Umständen nur möglich ist. Das meine ich so, wie ich es sage, und da ist noch sehr viel zu tun!
Das war die erste Feststellung. Nun die zweite:
2. Der Soldat kann erwarten, daß das, was nun zweimal passiert ist und was einmal zu einer riesigen Katastrophe geführt hat, nicht mehr geschieht, soviel an uns liegt.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Ich habe fortgefahren:
Ich habe dies oft in dem Bilde ausgedrückt: Wenn zwei riesige Apparate, wie die der NATO und des Warschauer Paktes, einander gegenüberstehen, dann muß die Politik dafür sorgen, daß die Spannung in diesen Militärapparaten politisch so niedrig gehalten wird, daß sie sich nicht bis zu einem Punkt akkumuliert, wo es dann, wie es schon einmal geschah, durch den Überschlag des Funkens zur Katastrophe kommt.
Das ist die ganz große Aufgabe unserer Friedenspolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Es ist nicht immer leicht, unseren Mitbürgern diesen Zusammenhang darzustellen, daß es nämlich notwendig ist, dieses Bündnis zu haben und zu halten und unsere kräftige Beteiligung daran ... und daß andererseits diese Friedenspolitik zu führen ist. Beides steht in einem völlig unaufhebbaren Zusammenhang, ... wir könnten überhaupt kein Vertrauen in unseren Soldaten zu ihrer Aufgabe erwecken, wenn sie nicht wüßten, daß sie sich auf eine solche Politik in unserem Lande verlassen können, die sie nicht noch einmal vor eine unzumutbare Forderung stellt.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

... Diese Friedenspolitik ist nicht eine Politik der Schwäche, sie ist nicht einmal nur eine Politik der Friedfertigkeit. ... Aber die Bereitschaft zum Frieden
— die notwendig ist —
hatte Wilhelm II., hatte auch Bethmann-Hollweg, hatten viele andere damals, und dennoch
— so sagte ich —
ist es zum Ersten Weltkrieg gekommen. Man muß eben auch in der Lage sein, diese Bereitschaft zum Frieden in die hohe Kunst und die schwierige Kunst des Friedenstiftens umzuwandeln.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe die Soldaten gebeten, diese Friedenspolitik richtig zu verstehen, nicht als eine Politik der Illusionen, eine Politik ,der Schwäche, eine Politik der Fremdheit den Gegebenheiten unserer Welt gegenüber. Ich habe diese Bitte mit den Worten geschlossen:
... es ist höchster Wirklichkeitssinn, der uns ...
diese Politik betreiben läßt. Und ich meine,
— so schloß ich —
unsere Soldaten sollten — und ich habe es ihrer Zustimmung entnommen — gerade mit dieser Politik einverstanden sein.
Meine Damen und Herren, das war die Stelle in meiner Rede, die den größten und den nachhaltig-



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
sten Beifall und die Zustimmung jener Versammlung gefunden hat. Jeder, der dabei war, weiß das.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524401500
Ich mache darauf aufmerksam, daß Besucher auf der Tribüne jede Kundgebung zu unterlassen haben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524401600
Meine Damen und Herren, ich habe das vorgetragen, nicht um etwa in unsere Reihen Zwiespalt zu tragen, sondern ganz im Gegenteil, um zu bestätigen, daß wir uns, wie ich weiß, in dieser Auffassung völlig einig sind. Das knüpft an das Wort der Regierungserklärung an, daß der Friede das erste Wort und das Grundanliegen dieser Regierung sei.
Ich habe dann die nächste Frage gestellt und gefragt: „Was kann der Soldat von der Gesellschaft, von unserem Volk erwarten?" Dabei habe ich ausgeführt, was uns allen selbstverständlich ist, daß unser Volk den Soldaten unserer Bundeswehr als einen Garanten des Friedens begreift, weil wir ohne die Existenz dieser Bundeswehr im größeren Rahmen des atlantischen Bündnisses unsere politische, unsere wirtschaftliche und unsere kulturelle Existenz gar nicht bewahren und behaupten könnten.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Weil unsere Soldaten diese Garanten sind, gebührt ihnen eben auch der Respekt, die Anerkennung und der Dank unseres Volkes.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Ich habe auch — das müssen wir ja gerade Soldaten sagen — zu dem Problem — wenn Sie so wollen — Liebe zum Vaterland oder zum Patriotismus Stellung genommen. Gewiß, auch da kann man sagen: wenn man nur diese Worte wiederholt, dann sind es alte Klischees und man kann mißverstanden werden. Deswegen habe ich von einem modernen Patriotismus gesprochen; deswegen habe ich — so wie in meinem Bericht zur Lage der Nation — gesagt, unserem Volk kam es von Anfang an nicht nur darauf an, die eigene Existenz in der Bundesrepublik wiederaufzubauen und die Einheit der Nation wieder zu gewinnen, sondern diesem Volk kam es in Übereinstimmung mit den Vätern des Grundgesetzes darauf an, Europa zu bauen und dem Frieden in der Welt zu dienen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Wer sich wie wir alle dazu bekennt, daß wir, um bleiben zu können, was wir sind, nämlich freie Menschen in einem freien deutschen Land und hoffentlich eines Tages freie Deutsche in einem wiedervereinigten Deutschland, Europa bauen müssen, der ist kein Patriot im alten Sinne, im alten Klischeesinne, der ist kein Hurrapatriot wie ehedem. Das ist moderner Patriotismus.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Gerade deswegen habe ich an unsere Soldaten so
dringend appelliert, unsere Friedenspolitik und un-
sere europäische Politik zu verstehen, weil ja am ehesten politisch nicht mitdenkende Soldaten für alte patriotische und vielleicht nationalistische Klischees anfällig sein könnten. Deswegen habe ich die anwesenden Soldaten auf die Gefahr eines solchen Nationalismus hingewiesen.
Ich habe von jenen Narren und Verführern unserer jungen Generation gesprochen, die schon wieder das alte, unselige Lied zu singen beginnen, und ich habe wörtlich gesagt:
Darum bitte ich Sie, — die Vorgesetzten und Vorbilder dieser jungen Menschen in der Bundeswehr — wo Sie junge Menschen sehen, die sich aufgeschlossen zeigen für diese Parolen, versuchen Sie es, mit ihnen gegen die Verführer zu diskutieren. Diskutieren Sie mit ihnen, sagen Sie ihnen, wie heute in dieser Welt Vaterland zu begreifen ist, wie heute in dieser Welt das deutsche Interesse zu sehen ist!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe im selben Zusammenhang ausdrücklich davor gewarnt, daß wir uns etwa verführen lassen, uns nun schon wieder in Gedanken an eine deutsche Stärkeposition in Europa einzulassen, oder uns von anderen dazu verleiten lassen. Vormacht, deutsche Vormacht in Europa — was für ein gefährliches Wort! Ich habe dann gesagt:
Lassen Sie uns darauf uns einigen: in diesem Europa wollen wir weder die Vorherrschaft noch die Hegemonie irgendeiner Macht. Dieses neue Europa, das wir wollen, muß das Europa gleichberechtigter Partner werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Nun, meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß
wir in diesen Fragen alle dieselbe Auffassung haben.
Ich kam dann zu dem Thema der Bundeswehr als der Institution unserer demokratischen Gesellschaft und unseres demokratischen Staates. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Armee vor dem ersten Weltkrieg noch Züge des Feudalzeitalters trug, daß die Offiziere sehr häufig aus dem Adel oder gehobenen bürgerlichen Ständen stammten und daß sich schon daher ein schiefes Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Soldaten ergab, und sagte: das ist vorbei. Wir leben in einem durch und durch demokratischen Staat, und diesem demokratischen Staat gehört auch die Bundeswehr als ein entscheidendes Element an.
Nun kommt dieser Passus, der isoliert aus dem Zusammenhang meiner Rede herausgerissen worden ist und den niemand, der mit offenen Ohren zugehört hat, mißverstehen konnte; der in jener Versammlung auch nicht mißverstanden worden ist, auch wenn einige vielleicht glaubten, ich würde hier versuchen, von bestimmten Vorstellungen, die wir gemeinsam miteinander entwickelt haben, abzurükken. Ich sagte, daß alles auf dieses Vorbildhafte der Existenz des Vorgesetzten ankommt. Das wissen wir doch. Wir erfahren doch alle von jedem, der in der Bundeswehr gedient hat: Hier war einer, der war



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
großartig jawohl, das sagen sie —; das war ein
Kerl, oder: ein Mann!

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe.)

— Ich sage nicht so; ich habe die Jungen zitiert, die so sagen. Darauf kommt es — so sagte ich — ganz entscheidend an, gar nicht so sehr auf die vielen Worte, sondern auf das existentielle Vorbild. Es kann einer Worte machen noch und noch; wenn er nicht überzeugt

(Abg. Matthöfer: Sehr wahr!) durch sein existentielles Vorbild,


(Beifall bei der CDU/CSU — Beifall bei der SPD)

wenn er da nicht überzeugt, dann wird er auch seine Aufgabe als Vorgesetzter und als Erzieher — denn als solchen sehen wir ihn gemeinsam — nicht leisten können.
Dann sagte ich:
Ich will jetzt gar nicht mit den alten Klischees kommen, . . . mit dem „Bürger in Uniform" und der „Inneren Führung" . . . Ich will ganz einfach sagen . . . Nichts gegen all diese Versuche, all diese Formeln, die in schweren Jahren gefunden und geprägt worden sind. Sie sind ja der Ausdruck eines großen Ringens um diese neue Bundeswehr und ihre Integration in unserer demokratischen Gesellschaft gewesen. Aber manchmal werden eben gewisse Formeln auch abgeschliffen, und sie verlieren etwas von dem Leben, das sie einmal besessen haben, so meine ich es.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

Meine Damen und Herren, der Herr Wehrbeauftragte hat in seinem Bericht zum Handbuch Innere Führung folgendes gesagt:
Der Bundesminister der Verteidigung bereitet zur Zeit eine Neuauflage des Handbuchs Innere Führung vor. Dieses Vorhaben begrüße ich nachdrücklich . . . Es ist . . . an der Zeit, die Grundsätze der Inneren Führung in einer lehr- und lernbaren Darstellung den Soldaten der Bundeswehr, insbesondere den Vorgesetzten für Unterrichtszwecke, nahezubringen und hierbei die politischen, gesellschaftlichen und militärischen Entwicklungen — auch im Hinblick auf das Berufsbild und das Selbstverständnis des Soldaten — eingehend zu berücksichtigen .. .
. . . Die gegenwärtigen Darstellungen der Inneren Führung leiden darunter, daß sie keine folgerichtige Entwicklung aufzeigen, sondern sich in der Darstellung von Teilkomplexen unter bestimmten Gesichtspunkten erschöpfen. Wie mir zahlreiche Soldaten auf meinen Truppenbesuchen gesagt haben, würden sie es begrüßen, wenn sie eine Darstellung der Inneren Führung an die Hand bekämen, die auch für das Selbststudium geeignet ist. . . .
Die Innere Führung ist einer stetigen Veränderung unterworfen; wenn die Streitkräfte in
glaubwürdiger Weise in Staat und Gesellschaft integriert werden sollen, müssen sie die gesellschaftlichen Entwicklungen erkennen und dem militärischen Auftrag nutzbar machen.
Genau das und nichts anderes, meine Damen und Herren, wollte auch ich sagen, als ich formulierte, daß wir uns nicht auf alte Klischees verlassen sollten, sondern daß wir das sagen sollen, was darunter gemeint ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524401700
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0524401800
Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen gern eine Frage stellen, die, wie ich hoffe, Ihnen Gelegenheit geben wird, gerade an dieser Stelle das gefährliche Mißverständnis auszuräumen, das durch diese Stelle Ihrer kürzlichen Rede, über die Sie im Augenblick sprechen, an diesem oder an jenem Ort entstanden ist. Es hat acht Wochen vor Ihrer Rede eine Affäre gegeben, wo sich ein militärischer Vorgesetzter nichtöffentlich zur Inneren Führung geäußert hat. Sie haben soeben Ihre eigenen Äußerungen in einer durchaus akzeptablen Weise interpretiert. Würden Sie, um klarzumachen, wie Sie .es meinen, uns sagen, daß Sie die Äußerungen des Generals Grashey genauso wie der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages bedauern und verurteilen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524401900
Ich befinde mich in Übereinstimmung mit dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages. Das ist hoffentlich eine ganz klare Aussage.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Lassen Sie mich aber, Herr Kollege Schmidt, hinzufügen, daß ich gerade deswegen meine, daß wir uns nicht auf Formeln allein verlassen dürfen, sondern daß wir die größten Anstrengungen unternehmen müssen, um unseren Soldaten diese Widersprüchlichkeit ihrer Existenz verständlich zu machen, die ja noch widersprüchlicher und noch schwieriger ist, als es in diesem Jugendbericht formuliert worden ist, im Zusammenhang mit der großen und schweren Frage, die sie sich stellen müssen: können wir überhaupt unserem Auftrag gerecht werden? Wir müssen bei unseren Soldaten das Gefühl verfestigen, daß wir ihre Position verstehen, daß wir ihre Schwierigkeiten, ja oft genug ihre Not verstehen und daß wir wissen, daß wir eine große Verpflichtung ihnen gegenüber haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Als ich ihnen davon sprach, daß es nicht zum drittenmal zu diesem schrecklichen Unheil und zu dieser unzumutbaren Forderung an sie kommen dürfe, habe ich ihnen gesagt:
Ich kann Ihnen nur versprechen, ... daß, solange ich Verantwortung in diesem Lande trage, ich weiß, daß diese Verpflichtung zum Frieden die höchste ist, die mir aufgegeben ist.



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
Und ich weiß, daß ich sagen darf, daß sie von allen die höchste ist, die uns aufgegeben ist. Jene Soldaten haben mich im Entscheidenden meiner Rede verstanden. Ich hoffe, daß mich nun auch dieses Hohe Haus und unser Volk versteht.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und Beifall bei Abgeordneten der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524402000
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0524402100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur einige kurze Bemerkungen zu dem Punkt machen, den der Herr Bundeskanzler angeschnitten hat. Zu den anderen Fragen werden meine Kollegen anschließend Stellung nehmen. Herr Bundeskanzler, es ist sehr gut, daß Sie hier am Anfang Ihrer Ausführungen einige Gesichtspunkte dargelegt haben, die von uns allen geteilt werden. Ich habe allerdings vermißt, daß Sie neben der umstrittenen Äußerung über Klischees und den „Bürger in Uniform" auch ein Wort zu der Vokabel „Schule der Nation" gesagt haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat der Herr Klepsch schon gesagt!)

— Entschuldigung, es geht hier darum, daß auch der
Herr Bundeskanzler diese Dinge absolut klarstellt.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) Meine Damen und Herren,


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben nicht zugehört, Herr Mischnick!)

es scheint Ihnen doch sehr unangenehm zu sein,
wenn der Bundeskanzler selbst dazu Stellung nimmt.

(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Umgekehrt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist doch unbestreitbar, daß mit der Äußerung beim Bundeswehrverband eine Unsicherheit in die Bundeswehr hineingetragen worden ist.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Keine Spur! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Von der FDP vielleicht! — Dahrendorf!)

Daran gibt es gar keinen Zweifel. Herr Bundeskanzler, Sie haben ja selbst bei Ihrer Rede, als Sie sagten: „Jetzt habe ich etwas angerichtet", gemerkt, daß Sie mit diesen Worten falsch lagen.

(Abg. Stahlberg: Das war eine ganz andere Stelle!)

Entschuldigung, wenn Sie es nicht glauben! Wenn ich es richtig verstanden habe, Herr Bundeskanzler, sagten Sie — ich zitiere —:
Ich will jetzt gar nicht mit den alten Klischees kommen. Ich will gar nicht mit dem „Bürger in Uniform" kommen, mit all dem kommen. Ich will ganz einfach sagen, — Applaus. — Meine Damen und Herren, jetzt habe ich etwas angerichtet. — Zustimmendes Gelächter. — Nichts gegen all diese Versuche.
Meine Damen und Herren, damit wird deutlich, daß auch Ihnen, Herr Bundeskanzler, bewußt geworden ist, daß bei dieser Diskussion, die wir im Augenblick über die Innere Führung haben, mit Ihren Äußerungen eine Unsicherheit in die Bundeswehr hineingetragen worden ist. Wir bedauern das.

(Beifall bei der FDP: — Zuruf von der CDU/CSU: Bei Herrn Dahrendorf vielleicht! — Zuruf des Abg. Majonica. — Lachen.)

— Lieber Herr Majonica, wenn Sie meinen, daß bei uns Unsicherheit bestehe, dann haben Sie wieder einmal nicht mitbekommen, mit welcher Geschlossenheit und Sicherheit unser Parteitag zu Ende gegangen ist. — Das Gegenteil ist der Fall.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben nicht einmal zur Mitbestimmung Stellung genommen!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben außerdem zum Ausdruck gebracht, daß Sie sich mit diesen Worten auf keinen Fall im Gegensatz zu dem Bericht und der Meinung des Verteidigungsausschusses stellen wollten. Wir nehmen das mit Befriedigung zur Kenntnis. Aber, Herr Bundeskanzler, es ist doch unbestreitbar, daß hier der Eindruck entstehen muß, daß darüber, wie die Innere Führung aussehen soll, wie sie gehandhabt werden soll, im Bundeskabinett Unklarheit besteht. Das, was Sie tun sollten, wäre, endlich Klarheit zu schaffen, was unter Innerer Führung verstanden wird, und dafür zu sorgen, daß das auch in der Bundeswehr entsprechend durchgehalten wird. Darauf kommt es uns an, daß hier Klarheit geschaffen wird und nicht diese Unklarheiten bleiben, die im Augenblick bestehen.

(Beifall bei der FDP.)

Herr Bundeskanzler, als Sie von „Schule der Nation" sprachen — —

(Zuruf von der CDU/CSU: Einer Schule der Nation!)

— Auch das will ich Ihnen genau zitieren, keine Sorge:

(Abg. Dr. Klepsch: Das steht schon im Protokoll!)

Das ist ein Kerl, durch dieses Vorbild beizutragen, daß die Bundeswehr eine große Schule der Nation für unsere jungen Leute wird.

(Abg. van Delden: Sind Sie denn dagegen? — Unruhe. — Mehrere Abgeordnete melden sich zu Zwischenfragen.)

— Einen Augenblick! — Herr Bundeskanzler, in der „Politisch-Sozialen Korrespondenz" hat Herr Professor Dr. Pögeler — die „Politisch-Soziale Korrespondenz" ist nach meiner Kenntnis ein der CDU/CSU nahestehendes Organ — geschrieben: „Es wird der Bundeswehr völlig unzutreffend unterstellt, sie wolle wieder Schule der Nation sein."

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist ein Unterschied! — Um solche Feinheiten kümDeutscher Bundestag — S. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1969 13617 Mischnick mern Sie sich nicht! — Abg. Rasner: Simplifikateur!)

Dann muß natürlich der Eindruck entstehen, daß Sie im Gegensatz zu dem, was in diesem Organ vertreten worden ist, andere Auffassungen haben. Wenn das nicht der Fall ist, nehme ich das gern zur Kenntnis. — Bitte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524402200
Herr Kollege Josten hatte sich als erster gemeldet. Bitte, Herr Josten!

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0524402300
Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen bekannt, was mir gestern abend bei einer großen Diskussion mit über hundert Offizieren und Beamten der Bundeswehr in Bad Neuenahr bestätigt wurde, daß der Herr Bundeskanzler von einer Schule der Nation gesprochen hat und daß es ein Unterschied ist, ob man sagt „die Schule der Nation" oder „eine Schule der Nation"?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0524402400
Ich bedaure, Herr Kollege Josten, daß Sie nicht zugehört haben. Ich habe ja wörtlich vorgelesen: eine Schule der Nation.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524402500
Gestatten Sie noch eine Frage von Herrn Dr. Klepsch?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0524402600
Bitte.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0524402700
Herr Kollege Mischnick, Sie waren leider nicht da, als ich das Zitat vollständig — —

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0524402800
Irrtum, ich habe da hinten gesessen.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0524402900
Sehr schön. Aber Sie haben es doch etwas sehr verkürzt wiedergegeben. Doch ich wollte Sie nur fragen, ob Sie mit Ihren jetzigen Ausführungen meinen damals unwidersprochen gebliebenen Feststellungen widersprechen wollen, daß das, was darin zum Ausdruck kommt, in sehr vielen Debatten und Aussprachen auch die Meinung des Verteidigungsausschusses dieses Hauses gewesen ist und völlig in Übereinstimmung mit dem steht, was im Handbuch der inneren Führung unter „Ziele der Erziehung" steht.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0524403000
Sie haben leider immer noch nicht gesagt, was Sie damit jetzt sagen wollten. Sie haben nur darauf hingewiesen, daß in dem Handbuch der inneren Führung viele Dinge stehen, die wir absolut begrüßen. Aber mit dem Begriff „eine Schule der Nation" verbindet sich doch etwas anderes als das, was in der inneren Führung niedergelegt worden ist. Darüber müssen Sie sich im klaren sein.

(Beifall bei der FDP. — Widerspruch bei der CDU/CSU.)

Für uns ist die Schule der Nation die Demokratie,
die wir in unserem Lande haben, und nicht die
Bundeswehr als Institution. Darüber müssen Sie sich im klaren sein.

(Beifall bei der FDP.)

Lieber Herr Kollege Klepsch, wenn Sie glauben, auf diese Art und Weise wegwischen zu können, daß mit diesem Begriff falsche Vorstellungen verbunden sind, täuschen Sie sich.

(Abg. Dr. Klepsch: Sie bauen sich Ihre eigenen Popanze auf, Herr Kollege!)

— Wir bauen uns keine Popanze auf. Wir stellen nur fest, daß es leider viele bei uns gibt, die noch immer nicht verstanden haben,

(Abg. Rasner: Ja, bei Ihnen!)

daß wir die Bundeswehr als einen integrierten Bestandteil unseres Staates betrachten sollten, aber nicht immer wieder dazu beitragen sollten, daß die Stellung der Bundeswehr dadurch erschwert wird,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das tun Sie jetzt!)

daß wir ihr falsche Aufgaben stellen, anstatt ihr endlich die richtigen Aufgaben zu stellen.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524403100
Gestatten Sie noch eine Frage?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0524403200
Ja.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524403300
Bitte, Herr Dr. Kraske!

Dr. Konrad Kraske (CDU):
Rede ID: ID0524403400
Herr Kollege Mischnick, würden Sie mir zugeben, daß es der entscheidende, auch der entscheidende historische Unterschied ist, ob eine Armee für sich in Anspruch nimmt, d i e Schule der Nation zu sein, oder ob ein ziviler Regierungschef gereade als der Vertreter des Primats der Politik dieser Armee seinerseits den Auftrag gibt, eine Schule der Nation zu sein?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0524403500
Ich bin Ihnen für diese Klarstellung deshalb sehr dankbar, weil natürlich ein Unterschied zwischen beiden Dingen besteht. Aber bis zur Stunde glaubten wir nicht, daß der Herr Bundeskanzler kraft Richtlinienkompetenz gesagt hat: Bundeswehr, du hast den Auftrag, eine Schule der Nation zu sein. Aus Ihren Worten muß ich das jetzt schließen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

— Sie haben eben gesagt, es ist etwas anderes, wenn der Bundeskanzler der Bundeswehr den Auftrag gibt, eine Schule der Nation zu sein. Wenn das der Fall sein sollte, müssen wir hier ausführlich darüber diskutieren. Das kann nicht kraft Erklärung bei der Tagung des Bundeswehrverbandes geschehen, sondern das muß hier politisch ausdiskutiert werden; nichts anderes wollen wir.

(Beifall bei der FDP. — Unruhe bei der CDU/CSU.)





Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524403600
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

(Abg. van Delden: Herr Bundeskanzler, es lohnt nicht! — Abg. Rasner: Es lohnt wirklich nicht!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524403700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gerne, daß diese Debatte so verläuft, daß meine Bemühung, unsere von mir nie bezweifelte gemeinsame Aufgabe, Wesen und Aufgabe unserer Bundeswehr am Ende klar- und für alle deutlich zu machen, sichtbar geworden ist. Herr Kollege Mischnick hat mit Recht moniert, daß ich nicht zu dem von mir gebrauchten Wort, daß die Bundeswehr „eine Schule der Nation" für unsere jungen Leute werden soll — das war genau meine Formulierung — Stellung genommen habe.
Daß die Bundeswehr eine Schule für die jungen Leute ist, darüber sind wir uns seit Jahr und Tag einig. „Leitsätze für die Erziehung der Soldaten" heißt es in vielen Äußerungen, die dieses Hohe Haus gebilligt hat. Darin ist formuliert, welches die Ziele dieser Erziehung der jungen Menschen in der Bundeswehr sind. Das Büchlein „Leitsätze für die Erziehung des Soldaten" und der Erlaß „Erzieherische Maßnahmen" sind auch mit Einverständnis des Verteidigungsausschusses und nicht gegen den Willen dieses Hauses verfaßt worden.
Lassen Sie mich aber ein paar Sätze hinzufügen. Es ist in der Tat so, daß mit dem Wort „Schule der Nation" im Zusammenhang mit einer Armee geschichtlich sehr Verschiedenes verbunden ist. Zum erstenmal tauchte es in der Französischen Revolution und in den Befreiungskriegen auf. Dann wanderte es durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch und wird im 19. Jahrhundert in der Tat zum Teil ganz anders verstanden, als ich es verstanden wissen möchte.

(Abg Schmidt [Hamburg] : Wir sind in der Mitte des 20. Jahrhunderts!)

— Deswegen verbietet es sich doch nicht, die Wahrheit zu sagen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

die Wahrheit, die darin besteht, daß die Bundeswehr in der Tat — und ich bin sehr froh darüber — eine Schule der Nation für unsere jungen Leute ist und sein soll!

(Abg. Schwabe: Wo bleibt der Beifall Ihrer Freunde?)

— Sind Sie damit nicht einverstanden? (Zurufe von der SPD.)

— Sie können doch nicht, verehrter Herr Kollege, die Mitglieder dieses Hohen Hauses auffordern, sich allzusehr durch Beifall zu ermüden.

(Heiterkeit.)

Wir sind uns einig, und ich will über diese Frage gar nicht mit großen Emotionen reden. Diese Emotionen sind doch nicht durch meine Rede entstanden, sondern durch die Behandlung dieser Rede in einem
Teil unserer veröffentlichten Meinung. Das ist doch die Wahrheit!

(Abg. Rasner: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, wir wären doch Toren, wenn wir das Beisammensein von Hunderttausenden junger Menschen in der Bundeswehr, wo man ihnen wirklich Vieles und Großes zumutet, nicht verstünden und dann auch praktisch in dem Sinne nützten, in dem ich meinen Vortrag angelegt hatte. Soll ich es noch einmal wiederholen, soll ich noch einmal sagen, daß ich die Vorgesetzten und Vorbilder aufgefordert habe, den jungen Leuten Verständnis für unsere Politik des Friedens beizubringen, für eine moderne, ganz neue Art des Patriotismus, für europäisches Denken, ja, für ein Denken und Fühlen in der Solidarität aller Friedenswilligen in der Welt? Das ist es, was ich mit „Schule der Nation" für unsere jungen Leute gemeint habe, und ich hoffe, daß auch Sie mich dabei verstanden haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0524403800
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Hamburg).

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0524403900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts des Sachgebietes, von dem heute morgen die Rede ist, ist es für viele, auch für die Soldaten in der Bundeswehr, sicherlich ein besonderer Tag; denn es ist seit vielen Jahren das erste Mal, daß sich ein Bundeskanzler ausführlich zu Problemen der Bundeswehr äußert. Es war eine sehr wirkungsvolle Rede, die der Herr Bundeskanzler gehalten hat. Der entscheidende Punkt, den ich positiv quittiere, der wirklich entscheidende Punkt lag in der Antwort auf meine Zwischenfrage.

(Zuruf des Abg. Dr. Zimmermann.)

— Wenn Sie das bezweifeln, lieber Herr Zimmermann, muß ich das ausführen. — Ich glaube aber, der entscheidende Punkt lag darin, daß der Bundeskanzler unter Wegwischung aller Mißverständnisse klargemacht hat, daß er sich in Übereinstimmung mit dem Beschluß des Verteidigungsausschusses in Sachen Grashey befindet. Das war der Punkt der Mißverständnisse.

(Beifall bei der SPD.)

Ich komme gleich dazu, den Beschluß, den der Verteidigungsausschuß in Sachen Grashey gefaßt hat, hier noch einmal in Erinnerung zu rufen.
Ich will zunächst aber sagen: Ich war hier nicht als Redner meiner Fraktion vorgesehen, Herr Hoogen, ich habe nur ad hoc eingegriffen, nachdem ich diese Kontroverse, in die der Herr Bundeskanzler und Herr Mischnick verwickelt waren, miterlebt habe. Wenn ich aber schon einmal hier stehe, möchte ich gerne für meine Person sagen — übrigens auch als jemand, der der Bundeswehr angehört —, daß der Bericht des Wehrbeauftragten über das Jahr 1968 das Vorzüglichste ist, was man gegenwärtig über das innere Gefüge unserer Truppen lesen kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Schmidt (Hamburg)

Sie werden aus diesem Satz nicht entnehmen, daß ich mit allen Ihren Bemerkungen und Darlegungen einverstanden bin. Ihr Bericht ist aber insgesamt eine ungemein reiche Quelle der Erkenntnis, die sehr tief eindringt.
Wenn man diesen Bericht des Wehrbeauftragten des Parlaments gelesen hat, weiß man, daß die Soldaten eine ganze Menge Schwierigkeiten haben, Probleme, für die sie nur zum Teil selbst verantwortlich sind, die sie nur zum Teil selbst lösen können. Auf der anderen Seite ist es nicht so, wie ich in dem großen amerikanischen Magazin „Time" lesen muß, daß die Bundeswehr in einer so schlechten Verfassung sei, daß ihre Soldaten kaum ernsthafte Gegner für die Wachtruppen im Londoner Tower oder für die Schweizergarde im Vatikan wären. Auch wenn das eine ganz schwere und bösartige Übertreibung ist, so ist es allerdings so, daß die Bundeswehr ernsthafte Schwierigkeiten hat, die nicht durch Reden, die wir hier halten oder die wir an anderer Stelle halten — in Vororten von Bonn —, behoben werden, sondern diese Schwierigkeiten werden nur durch tatkräftiges Handeln der Regierung und der verantwortlichen Ressorts und durch gesetzgeberisches Handeln des Bundestages beseitigt, nicht durch Psychotherapie, sondern durch Handeln, durch Tun.

(Beifall bei der SPD.)

Mir will vorkommen — und ich sage das nicht zum erstenmal; ich habe das am allerersten Tage gesagt, als diese Regierung gebildet war und ihre erste Regierungserklärung hier debattiert wurde; ich wiederhole es heute, zweieinhalb Jahre später —, daß sich die Bundesregierung insgesamt — ich rede nicht vom Verteidigungsminister allein — stärker um die Bundeswehr kümmern muß. Das fängt bei der Personalwirtschaft und bei dem Mangel an Ausbildern an, das geht aber dann auf das gleich große Feld der Wohnungsfürsorge — und das betrifft keineswegs allein den Verteidigungsminister —, auf dem die Dinge entsetzlich im argen liegen, und das geht dann drittens auf das Feld der Wehrungerechtigkeit über. Sie entnehmen dem Bericht des Wehrbeauftragten, daß vom Jahrgang 1946 ganze 41 % der Männer eingezogen worden sind. Ich wiederhole, was ich vor einem halben Jahr in diesem Hause zum gleichen Punkt gesagt habe: Wie sollen diese 41 % und wie sollen diese anderen 59 %, die nicht gedient haben, Vertrauen in die Fähigkeit dieses Staates zur Gerechtigkeit gewinnen können?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Aber auch hier muß gehandelt werden!)

— Ja, hier muß gehandelt werden.

(Abg. Rasner: Lösungsvorschläge!)

Deswegen verlange ich, daß jemand, der sich um das Problem Sorgen macht, — und ich habe aus Herrn Kiesingers Worten durchaus echtes Engagement und Sorge um diese Armee gespürt; er hat ja nicht eine Pflichtübung dahergeredet —, erkennt, daß die Wehrungerechtigkeit die Crux ist, an der das ganze innere Gefüge der Bundeswehr leidet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Da gibt es z. B. .die Wehrdienstverweigerer. Ich bin keiner; ich werde wahrscheinlich mein ganzes Leben lang keiner werden. Aber wir haben gemeinsam dieses fortschrittlichste Recht, das es in einer europäischen Verfassung gibt, zugunsten des unbeschädigten Gewissens der Wehrdienstverweigerer eingeführt, und zwar nicht zu dem Zweck, zu dem es heute hier und da gebraucht wird,

(Abg. Rasner: Mißbraucht wird!)

— mißbraucht wird. Was ich aber doch wohl verlangen kann, ist, daß derjenige, der als Wehrdienstverweigerer anerkannt wird, genauso wie der Soldat eingezogen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)

Ich kann von dieser Regierung doch wohl verlangen, daß sie dafür endlich die notwendigen Einrichtungen schafft.

(Abg. Rasner: Und die Länder!)

— Nein, das ist eine Sache des Bundes, lieber Herr Rasner.

(Abg. Rasner: Die Länder müssen es machen!)

Ich will Ihnen noch etwas dazu sagen: Nach meiner festen Überzeugung — ich glaube, das hat mein Kollege Buchstaller vorhin gesagt — muß man die Gewissenserforschung durch demokratische Ausschüsse abbauen. Das war ein Experiment, das nicht gelungen ist. Ich bin dafür, daß der junge Mann bei der Musterung gefragt wird: Befiehlt dir dein Gewissen, Soldat zu sein, oder befiehlt dir dein Gewissen, den Kriegsdienst zu verweigern? Man soll diese Entscheidung, die er dann trifft, respektieren. Anschließend sollten aber alle gleichbehandelt werden und zu 100 % entweder zur Bundeswehr oder zum Ersatzdienst einberufen werden.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)

Ich sage das nicht zum erstenmal. Das hätte ich gern
als die Absicht der Bundesregierung endlich einmal
in einer Regierungserklärung ausgesprochen gehört.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

In der Sitzung, in der sich der Verteidigungsausschuß mit den bemerkenswerten Äußerungen des vorhin schon genannten Generals beschäftigt hat, führte wohl Herr Zimmermann den Vorsitz. Herr Präsident, wenn Sie erlauben, darf ich den Beschluß des Verteidigungsausschusses vorlesen. Der Verteidigungsausschuß beschloß, nachdem er „von der dienstlichen Behandlung der Ausführungen des Generals Grashey durch den Bundesminister der Verteidigung Kenntnis genommen" hatte:
1. Nach ausführlichen Diskussionen bedauerte der Verteidigungsausschuß einige von General Grashey gemachte Ausführungen, aber auch die unvollständige Berichterstattung zu diesen Äußerungen. Sie belasten die innere Situation der Bundeswehr und ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit.



Schmidt (Hamburg)

2.
— ich bitte, auf der Regierungsbank aufzumerken —
Das Konzept des Staatsbürgers in Uniform beruht einmal auf der Einordnung unserer Streitkräfte in unserer Verfassungsordnung als ein Teil der Exekutive. Die politische Leitung durch den Minister bzw. Bundeskanzler als Inhaber der ungeteilten Befehls- und Kommandogewalt wird als Grundsatz uneingeschränkt bejaht. Die militärische Führung übt ihre Funktion im Auftrag der politischen Leitung aus.
3. Zum anderen beruhen Pflichten und Rechte des Soldaten auf dem Grundsatz, daß die staatsbürgerlichen Rechte des Soldaten nur insoweit eingeschränkt werden, wie es der militärische Auftrag erfordert.
4.
— und darauf kommt es hier wieder an —
Es bleibt nötig, gegenüber Truppe und Öffentlichkeit diese Grundsätze immer wieder darzulegen. Der Verteidigungsausschuß begrüßt die im Verteidigungsministerium begonnene Weiterentwicklung der Inneren Führung. Er ist überzeugt, daß die Bundeswehr auch in Zukunft die ihr übertragenen Aufgaben auf der Grundlage unserer Verfassung und der vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetze lösen wird.
Der Bundesminister der Verteidigung, Herr Schröder, hat dies in einer öffentlichen Rede zwei Tage nach der vorhin hier behandelten Rede des Kanzlers ausdrücklich bestätigt, indem er die künftige Gültigkeit der Inneren Führung als selbstverständlich — nur damit sich bei niemandem Mißverständnisse einschleichen — in einem Nebensatz feststellte.
Was die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses angeht, so möchte ich niemanden darüber im Zweifel lassen, daß wir der Meinung sind, daß die Grundprinzipien der Inneren Führung, die auch in einem vom Bundestag beschlossenen Gesetz zum Ausdruck kommen — Grundprinzipien bedürfen je nach veränderter Lage der Fortentwicklung —, die bindende Grundlage bleiben müssen, auf der in unserer Armee erzogen wird. Diese gemeinsame Grundlage muß bleiben, weil, wie wir glauben, ein junger Mann für den Rechtsstaat und für die Freiheit des Menschen nur dann innerlich überzeugt dienen kann und eintreten kann, wenn ihm das keine abstrakten Begriffe sind, sondern er sie selber in seinem eigenen persönlichen täglichen Leben erlebt — Freiheit und Rechtsstaat!

(Beifall.)

Für abstrakte Prinzipien kann niemand seine Haut riskieren, sondern nur für etwas, das er selber erlebt hat. Das muß er auch in der Bundeswehr erleben können.
Ich will am Schluß dieser kurzen Intervention eine Bemerkung über die Formel machen, von der der Bundeskanzler in seiner zweiten Rede, seine Geschichtskenntnisse ausbreitend, gesprochen hat. Ich weiß, aus welchen Quellen Sie geschöpft haben, Herr Kiesinger. Ich habe aus denselben Quellen geschöpft.

(Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger: Nicht nur!)

— Nicht nur; ich auch nicht nur. Wir haben, wie mir aufgefallen ist, dieselben Ämter und Archive beschäftigt.

(Große Heiterkeit.)

Es gibt eine ganze Menge Leute, die sich in den letzten Tagen über die geschichtliche Entwicklung des Wortes von der „Schule der Nation" informiert haben. Man hat dabei überraschende Entdeckungen gemacht. Ich will nicht meine ganzen Entdeckungen ausbreiten; auch Sie haben Ihre Entdeckungen nicht alle ausgebreitet.

(Heiterkeit.)

Ich nehme an — und ich bin sehr schonsam, wenn ich mich jetzt auf diese Formel beschränke —, daß Sie nach den Entdeckungen, die Sie mindestens inzwischen gemacht haben, Herr Kiesinger, dieses Wort, weil geschichtlich so vielfältig gebraucht und von so eigenartigen und zum Teil bemerkenswerten und zum Teil sehr eindrucksvollen Figuren der deutschen Geschichte gebraucht, selber in Zukunft nur noch in ganz eindeutiger, niemand zur Mißdeutung Anlaß gebender Weise benutzen werden.

(Beifall bei der SPD.)

Nun ein Wort an Herrn Kraske. Ich bedaure, daß der Herr Kraske so selten im Deutschen Bundestag debattiert. Er ist einer der klügsten Leute, die wir hier unter uns haben.

(Heiterkeit. — 0-Rufe von der SPD.)

— Ich meine, als Debatter. Ich wollte ja keine allzugroßen Schmeicheleien hier vor dem Mittagessen ausbreiten.

(Abg. van Delden: Warum nicht!)

Herr Kraske ist ein geschickter Mann. Da hat der Herr Mischnick hier über diese Formel geredet, und Sie, Herr Kraske, haben gemeint, es sei doch ganz was anderes, ob die Armee beanspruche, Schule — oder „ein Schule" ? —

(Abg. van Delden: „die Schule"!)

— „eine" oder „die" ; ich wil nicht klittern, deswegen frage ich ja „ die Schule der Nation" zu sein, oder aber ob die zivile Regierung der Armee bescheinige, daß sie eine Schule sei. Natürlich ist das etwas Verschiedenes.

(Abg. Dr. Kraske: beauftrage, nicht bescheinige!)

— Im Auftrag, ja. Ich fand das großartig. Das erzielte Wirkung auch bei mir; bis mir dann einfiel: das ist auch nicht das erste Mal, daß eine zivile Regierung das so bescheinigt.

(Heiterkeit.)

Sie haben in denselben Archiven geschöpft wie ich. Wir wollen es nicht ausbreiten; die Sache würde nur böser.



Schmidt (Hamburg)

Deswegen bedanke ich mich ausdrücklich für die Klarstellung, die — und ich nehme an, daß das alle Mißverständnisse beseitigt — der Bundeskanzler gegeben hat, daß er sich in Übereinstimmung befindet mit den von mir ausdrücklich noch einmal vorgelesenen vier Punkten des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages. Ich würde wünschen, daß diese Debatte keine unnötigen Weiterungen erzeugt.
Im Grunde — das darf ich aber zum Schluß sagen, meine Damen und Herren, — ist den Soldaten nicht damit zu helfen, daß man ihnen in kürzer werdenden Abständen aufmunternde Reden hält, so sehr sie nötig sind und so sehr sie auch wahr sein mögen; im Grunde ist den Soldaten nur zu helfen, wenn man sich handelnd um sie kümmert. Damit mache ich nicht Ihnen einen Vorwurf, Herr Bundeskanzler, sondern Ihrer ganzen Regierung.

(Beifall bei der SPD. — Abg. van Delden: Nein, das gilt für uns alle! Das Wort hat Herr Abgeordneter Zimmermann. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem sich nun die Debatte, wie das manchmal der Fall zu sein pflegt, anders entwickelt, als sie vorher in Klischees — wir haben das Wort heute so oft schon gebraucht, daß es jetzt wieder paßt — bestimmt war, und ein bißchen die Ufer sprengt — das ist meistens kein Schaden für eine Debatte—, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, noch ein paar Anmerkungen zu dem zu machen, was Helmut Schmidt gerade angeschnitten hat. Im Gegensatz zu ihm möchte ich meinen, daß in der Rede des Herr Bundeskanzlers der Punkt Grashey -auf diese Zwischenfrage — nicht der entscheidende Punkt gewesen ist. (Abg. Matthöfer: Es kommt doch auf die Einstellung zur inneren Führung an, nicht auf diesen Fall!)

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524404000
Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0524404100
— Aber, Herr Matthöfer, ich zitiere doch gerade den Kollegen Helmut Schmidt, der sagte, dieser Punkt sei der entscheidende in der Rede des Herrn Bundeskanzlers gewesen. Ich sage, nein, er war es nicht, weil diese Äußerung des Herrn Generals Grashey in einer Rede von 65 Minuten im Verteidigungsausschuß einen ganzen Tag lang behandelt und vorher sorgfältig auf dem Tonband abgehört, keineswegs so symptomatisch für die Bundeswehr ist, wie manche Leute sie exemplarisch symptomatisch machen wollen.

(Beifal bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524404200
Herr Kollege Zimmermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Berkhan?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0524404300
Ja, bitte sehr!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524404400
Herr Kollege Zimmermann, ist Ihnen entgangen, daß der Vorsitzende der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ausdrücklich auf die weit über den damals verhandelten Komplex hinausgehenden vier Punkte, die der Verteidigungsausschuß schriftlich festgelegt hat, Bezug genommen hat? Der aktuelle Anlaß ist mit dem Namen eines deutschen Generals verbunden, aber die vier Punkte sind ja wohl eine Feststellung, wo die Politik des Verteidigungsausschusses sich zu diesem Zeitpunkt befunden hat.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0524404500
Da ich im allgemeinen sehr gut zuzuhören vermag, Herr Kollege Berkhan, ist mir natürlich nicht entgangen, daß Helmut Schmidt den ganzen Beschluß des Verteidigungsausschusses vorgelesen hat. Aber er selbst hat doch gesagt, der entscheidende Punkt in der Rede des Herrn Bundeskanzlers sei die Antwort auf seine, Helmut Schmidts, Frage gewesen, wie es denn der Kanzler mit Grashey halte

(Widerspruch bei der SPD)

und mit dem Punkt des Beschlusses des Bundestages, der sich mit dem General und seiner Einstellung zur inneren Führung beschäftigte.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524404600
Gestatten Sie noch eine Frage von Herrn Berkhan?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0524404700
Ich halte es zwar nicht für sehr nützlich, aber bitte, sehr gerne!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524404800
Herr Kollege Dr. Zimmermann, sind Sie bereit, hinterher im Protokoll nachzulesen und sich überzeugen zu lassen, daß Ihre Interpretation der Intervention von Helmut Schmidt sehr fragwürdig ist?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0524404900
Selbstverständlich bin ich zum Nachlesen immer gern bereit. Aber ob sie fragwürdig ist, wird sich nachher herausstellen. Vielleicht lesen wir es zusammen, Herr Berkhan.
Meine verehrten Damen und Herren, es klingt natürlich außerordentlich attraktiv, es klingt auch sehr plausibel und fordert den Beifall geradezu heraus, wenn man sagt: Bei der Musterung frage ich schon: willst du dienen oder willst du verweigern?, und dann lasse ich jeden das tun, was er will, die einen ziehe ich alle ein, und die anderen ziehe ich alle zum Ersatzdienst ein. Nur, mit der Praktikabilität dieses Verfahrens möchte ich mich jetzt ein wenig befassen. Wie sieht sie denn aus?
Im allgemeinen meint jeder, daß die Frage der Wehrgerechtigkeit ganz einfach zu lösen ist. Man muß ja nur alle einziehen. Dann ist sie gelöst. Ich habe auch einmal über die Möglichkeiten der Schaffung von Wehrgerechtigkeit ein wenig einfacher gedacht, als ich seit dem Jahre 1968 denke. Je länger die Kommission „Wehrgerechtigkeit" zusammen war, um so komplexer schien das Thema, und als sie auseinanderging und Vorschläge machte — u. a. Wehrsteuer, wie Sie wissen ---, stellte sich auf einmal heraus, daß die Mehrheit des Hauses, ja, schon die



Dr. Zimmermann
) Mehrheit des Verteidigungsausschusses nicht bereit war, diesen Vorstellungen in entscheidenden Punkten zu folgen. Das Ganze war ein dickes Papier.
Wie sieht es denn gegenwärtig aus, meine verehrten Anwesenden? Helmut Schmidt hat eine Quote des Jahrgangs 1946 gewählt, die besonders unattraktiv ist. Vom Jahrgang 1946 sind nur 41 % gezogen. Wir werden in diesem Jahr eine andere Quote haben. Es sieht so aus — wenn ich recht informiert bin —, als würden wir etwa 60 % ziehen können. 30 % bleiben beschränkt tauglich oder untauglich. Rund 10 % werden zurückgestellt. Wir haben in Zukunft weiter steigende Jahrgangsstärken. Wenn wir bei weiter steigenden Jahrgangsstärken in Zukunft so verfahren wollten, wie Helmut Schmidt es hier vorgeschlagen hat, dann wäre die Armee bald 500 000 und dann 550 000 Mann stark. Das ist die eine Seite — die Folgerungen überlasse ich Ihnen; ein weites Feld, in jeder Beziehung —, und auf der anderen Seite sieht es so aus, als hätten wir im Jahre 1969 22 000 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung vor uns.
Trotz aller Bemühungen des Bundesarbeitsministers, mit der Zahl der Ersatzdienstplätze hinaufzugehen — ich höre, er hat jetzt etwa 6000 erreicht; vor zwei Jahren waren es noch 1500 ungefähr —, muß er wirklich mit der Lupe und mit dem Fernrohr gleichzeitig suchen, um solche Plätze herzubringen. Wir wissen doch, wie schwer die von der Funktion her darzustellen sind. Wir wissen, daß in den Krankenanstalten weithin eine Ablehnung mit beiden Händen besteht und man dort sagt: „Diese Leute, die den Kriegsdienst verweigern, wollen wir nicht, aus diesen und jenen Gründen." Diese Ersatzplätze sind sehr schwer zu klassifizieren und sehr schwer darzustellen.
Wie paßt das jetzt zusammen? Nicht bloß heute, nicht bloß vom Jahrgang 46, sondern in zwei, drei, vier, fünf Jahren? Dann ist es faktisch unmöglich, so zu verfahren, wie Helmut Schmidt es vorgeschlagen hat. Man kann nicht einfach zu dem einen sagen: „Jawohl, Du dienst, Dich nehme ich, wenn Du tauglich bist", und zu dem anderen: „Du nicht, Du rückst am gleichen Tage zum Ersatzdienst ein." Sonst stehen im Jahre 1974 einer Armee von 600 000 Leuten 25 000 Ersatzdienstpflichtige gegenüber.

(Zuruf des Abg. Wienand.)

— Na und? Wollen Sie die Armee von 600 000 Mann, Herr Wienand? Und wer will sie bezahlen? Wie groß ist der Anteil der Wehrpflichtigen in dieser Armee, die heute schon darüber klagt, daß sie 47 % Berufs- und Zeitsoldaten, aber 53 % Wehrpflichtige hat? Jeder weiß, der die Dinge ein bißchen kennt, daß das Verhältnis andersherum das Richtige für diese Armee wäre.

(Abg. Eschmann: Dann müssen wir die Wehrverfassung ändern!)

Manchmal vergessen vielleicht alle zusammen, daß das eben keine Ausbildungsarmee ist, daß das eine integrierte und im Bündnis einem militärischen Oberbefehlshaber für den Ernstfall unterstellte Armee ist und bleiben muß. Deswegen sind die Wehrpflichtprobleme, die man in einer reinen Ausbildungsarmee, wo man die Dienstzeit variabel gestalten kann, natürlich lösen könnte, in dieser Armee mit ihrer Funktion und Aufgabenstellung nicht zu lösen.
Zum zweiten! Dieser blöde Artikel, den „Time" da — in der deutschen Presse übersetzt — in den Raum gestellt hat, fordert eigentlich keine Antwort heraus, aber ich will ein einziges Mal noch auf das Wort „Schule der Nation" zurückkommen. Ich sehe eine ganze Reihe von Kollegen, die, wie ich, häufig in Garnisonen sind, und ganz sicher hat der eine oder andere schon einmal einen Offiziersunterricht, einen Unterricht des Kompaniechefs mitgemacht bei Rekruten, die so im dritten Monat sind, einen Unterricht über die Pflicht zum treuen Dienen nach dem Soldatengesetz. Ich habe vor einer Woche die Gelegenheit wahrgenommen, einem solchen Unterricht beizuwohnen, und habe anschließend eineinhalb Stunden mit ungefähr 140 jungen Soldaten diskutiert, über diese Begriffe hinaus diskutiert. Das war alles außerordentlich lebendig. Da ist viel Kluges gefragt worden, auch manches Dumme natürlich. Aber das Ganze hat sich vollzogen, wie es sich in einer Schule auch vollziehen würde, in einer Volksschule, in einer Fachschule, in einer Höheren Schule, in einer Universität. Es war eine Schulart, es war eine Art von Diskussion, aber unverkennbar war es Erziehung, war es Bildung, war es Unterricht, war es Diskussion.
Diese Bundeswehr ist im allgemeinen, wenn man sie ganz unmittelbar so in ihrer Funktion sieht, viel besser, als manchmal ihr Ruf gemacht wird. Dabei hängt der Ruf natürlich auch ein wenig davon ab, wo sich die Garnison befindet, in Niederbayern, in der Oberpfalz oder in anderen Landstrichen der Bundesrepublik Deutschland. Da, wo manches nicht in Ordnung ist, handelt es sich oft nicht um die Bundeswehr, sondern um die Umwelt um die Bundeswehr herum in ganz bestimmten Landstrichen. Da kann sich jeder fragen, ob daran die Bundeswehr oder die Umwelt schuld ist.

(Zuruf des Abg. Schultz [Gau-Bischofsheim].)

— Ich kann gern deutlicher werden, Herr Schultz. Aber es würde uns Auseinandersetzungen und Arger sparen, wenn Sie mich nicht dazu zwingen, deutlicher zu werden. Ich bin aber gern dazu bereit; Sie wissen, ich gehe ungern dem Streit aus dem Wege. Das gehört zu meinem Naturell.
Wir hätten noch einige entscheidende Dinge hier zu sagen. Ich möchte aber nur noch einmal feststellen, daß das Wehrgerechtigkeitsproblem, dem sich auch noch der nächste Deutsche Bundestag widmen muß, eben nicht mit einer großen Adresse, eben nicht mit einer populären Darstellung, eben nicht mit einer scheinbar plausiblen Formel — entweder oder, und jeder kann tun, was er will, und wird so behandelt, wie er will — zu lösen ist. Das geht leider nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524405000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Jung.




Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0524405100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon ein Fortschritt, daß es dem Parlament möglich ist, den Jahresbericht 1968 seines Wehrbeauftragten drei Monate nach der Vorlegung zu- debattieren; denn den Jahresbericht 1967 haben wir erst vor wenigen Monaten, Anfang dieses Jahres, im Plenum erörtert. Das ist selbstverständilch viel, viel zu spät gewesen. Ich bewerte es deshalb als sehr positiv, daß sich hier keine ungute Tradition bei der Behandlung der Berichte im Bundestag gebildet hat.
Der Jahresbericht 1968 des Herrn Wehrbeauftragten enthält wieder eine Fülle von Material für alle diejenigen, die sich mit der Stimmung in der Truppe vertraut machen und sich über Mißstände informieren wollen. Bedauerlicherweise müssen wir dabei vor allem feststellen, daß es sich häufig um Mißstände handelt, die im Bundestag schon sehr oft und wiederholt diskutiert worden sind, die also bereits seit Jahren bestehen. Es ist den zuständigen Stellen immer noch nicht gelungen, hier die Situation entscheidend zu verbessern.
Zum Teil, meine Damen und Herren, liegt die Schuld allerdings auch bei den Landesregierungen und den Landesparlamenten; denn ein besonders wichtiges Problem dabei ist, inwieweit wehrgediente Studienbewerber ohne Diskriminierung nach dem Wehrdienst studieren dürfen. Meine Fraktion erreichen immer wieder Briefe von gedienten Abiturienten, die entweder nicht oder nicht sofort zum Studium zugelassen werden oder an die neuerdings Anforderungen gestellt werden, die höher sind als zu der Zeit, zu der sie als Wehrpflichtige in die Bundeswehr einrückten.
Wen, meine Damen und Herren, wundert es dann, daß diese jungen Männer besonders verdrossen sind! Denn sie leiden ja sowieso schon unter der bestehenden Wehrungerechtigkeit und müssen im Gegensatz zu vielen ihrer Altersgenossen eineinhalb Jahre für den Wehrdienst opfern. Der Staat, die Gemeinschaft, bemüht sich aber offenkundig nicht ausreichend darum, dieses Opfer wenigstens dadurch klein zu halten, daß die Abiturienten nach ihrem Wehrdienst bevorzugt zum Studium zugelassen werden und keinen erschwerten Bedingungen unterliegen.
Wir haben vor einigen Monaten alle Landtagsfraktionen der Freien Demokratischen Partei gebeten, parlamentarisch initiativ zu werden, um sicherzustellen, daß wehrgediente Abiturienten bevorzugt zum Studium zugelassen werden. Die Antworten der jeweiligen Landesregierungen auf diese Initiative laufen jetzt ein, und wir bereiten eine zusammenfassende Dokumentation hierzu vor. Eines läßt sich jetzt schon sagen: einigen Ländern, die dieses Problem durchaus erkannt haben, ist es gelungen, unnötige Diskriminierungen der wehrgedienten Studienbewerber abzubauen oder zu vermeiden. Es gibt aber auch andere Landesregierungen, deren Antwort auf die Vorstöße der Freien Demokraten immer noch jedes Verständnis für diese Problematik vermissen lassen. Hier bleibt uns, den Politikern im Bund und vor allem natürlich auch den Kollegen draußen in den Ländern, noch viel zu tun übrig.
Lassen Sie mich nur am Rande sagen, daß erweiterte Bundeskompetenzen im Hochschulbereich, wie wir, die Freien Demokraten sie gefordert haben, eine Lösung dieses Problems sicherlich wesentlich erleichtern würde. In diesem Zusammenhang ist auch von besonderer Bedeutung, daß die Entlassungstermine der Bundeswehr immer noch nicht mit den Terminen für den Studienbeginn an den Universitäten abgestimmt sind. Es ist gar nicht selten, daß gediente Studienbewerber hierdurch noch weitere wertvolle Monate in ihrer Ausbildung verlieren. Es wäre eine dankenswerte Aufgabe für den Herrn Bundesminister der Verteidigung, hier möglichst bald in konkrete Verhandlungen mit den Kultusministern der Länder und den Universitäten einzutreten, um Verbesserungen zu erreichen. Wenn man nämlich nicht einmal mit solch rein technischen Problemen fertig wird, wie will man dann erst große politische Fragen lösen?
Zu den weiteren Fragen, die der Wehrbeauftragte anschneidet und die nur bei Mitarbeit der Länder gelöst werden können, gehört z. B. auch die Briefwahl bei Kommunalwahlen und bei Landtagswahlen. Diese Briefwahl, die zu Bundestagswahlen längst schon eine Selbstverständlichkeit ist, gibt es für Landtags- und Kommunalwahlen leider noch nicht überall. Gerade die Soldaten, die häufig von ihren Wahlgemeinden abwesend sind, sehen darin mit Recht eine erhebliche Einschränkung ihrer staatsbürgerlichen Rechte. Dabei müssen wir doch alle ein Interesse daran haben, daß auch gerade die Bundeswehrangehörigen von der politischen Willensbildung nicht ausgeschlossen bleiben.
Der Wehrbeauftragte rügt mit Recht, daß die Probleme der Wehrtechnik in den Lehr- und Forschungstätigkeiten der Hochschulen nicht ausreichend berücksichtigt sind. Es handelt sich hierbei um eine alte Forderung der Freien Demokraten, von deren Verwirklichung wir aber immer noch sehr weit entfernt sind. Dabei sollte es doch jedem Einsichtigen klar sein, daß auch die immer komplizierter werdenden Fragen der Wehrtechnik einer wesentlich qualifizierteren Behandlung auch an den Universitäten bedürfen. Wir können ohne verstärkte Berücksichtigung der Wehrtechnik im Hochschulbereich nicht erwarten, daß wir in den technischen Fragen der Verteidigung auf der Höhe der Zeit bleiben. Darüber hinaus sollte eigentlich die Erkenntnis selbstverständlich sein, daß Fortschritte in der Wehrtechnik nicht nur dem engeren Verteidigungsbereich zugute kommen, sondern auch die Gesamtforschung in der Bundesrepublik erheblich befruchten und somit der ganzen Volkswirtschaft dienen.
Zur Wehrstrafgerichtsbarkeit, die der Wehrbeauftragte ebenfalls anspricht, hat die FDP-Bundestagsfraktion in diesen Wochen eine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, die von ihr auch beantwortet wurde. Es bleibt nur dringend zu hoffen, daß die positiven Ansätze, die in dieser Antwort zu erkennen sind, nicht fallengelassen werden, sondern dazu führen, daß vom nächsten Bundestag sofort die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, daß eine Wehrstrafgerichtsbarkeit entsprechend dem Auftrag des Grundgesetzes errich-



Jung
tet wird, die im Ernstfall ohne Verzögerungen und ohne nennenswerte Umstellungen gegenüber der Friedenszeit tätig werden kann. Nur so wird sichergestellt, meine Damen und Herren, daß ein rechtsstaatliches Verfahren auch im Ernstfall gewährleistet ist.
Mein Kollege Ollesch wird noch zu den schwerwiegenden Fragen der Wehrgerechtigkeit und dem damit unmittelbar zusammenhängenden Problem der Kriegsdienstverweigerung sprechen. Lassen Sie mich hierzu nur eines sagen.
Einige der Kriegsdienstverweigerer, insbesondere derjenigen aus der Truppe heraus, handeln eingestandenermaßen mit dem Ziel, die Truppe zu verunsichern, um einen modernen Ausdruck aus dem Soziologendeutsch zu gebrauchen. Für sie ist die Kriegsdienstverweigerung ebenso wie die anderen gezielten Maßnahmen gegen die Bundeswehr ein Mittel, um politischen Zielen im Sinne der außerparlamentarischen Opposition zum Durchbruch zu verhelfen. Plakate und Flugblätter, insbesondere der antiparlamentarischen Opposition, erfüllen Bundeswehrangehörige, noch dazu, wenn sie vor Kasernen verteilt werden und eine eindeutige Tendenz gegen die Bundeswehr aufweisen, häufig mit hilfloser Wut. Das, meine Damen und Herren, ist ein bedenkliches Zeichen. Es beweist, daß sowohl der staatsbürgerliche Unterricht als auch die aktuelle Information in der Bundeswehr noch nicht den Stand erreicht haben, der erforderlich ist, um die Bundeswehr gegenüber den Attacken einer kleinen radikalen Minderheit widerstandsfähig zu machen. Wir müssen daher fordern, daß gerade solche Verlautbarungen der außer- und antiparlamentarischen Opposition von den Vorgesetzten im staatsbürgerlichen Unterricht und in der aktuellen Information in sachlicher Weise besprochen werden, um den Soldaten so das Rüstzeug zu geben, das sie in den Stand setzt, Verdrehungen und Halbwahrheiten zu erkennen und richtig zu bewerten.
Der Wehrbeauftragte hat, wie in allen seinen Berichten, auch diesmal wieder eine Reihe von bundeswehrinternen Problemen angesprochen, deren Auswirkungen auf die Stimmung und auch auf die Moral der Truppe wir nicht unterschätzen wollen. Niemand braucht sich zu wundern, wenn Spezialisten, die in den Einheiten unabkömmlich erscheinen und deshalb nicht auf laufbahnfördernde Lehrgänge entsandt werden, mit Mißmut und Unlust reagieren, weil sie klar erkennen, daß auf diese Weise ihre Beförderungschancen erheblich gemindert werden. Es ist weiterhin nicht verwunderlich, daß zu Wehrübungen einberufene Reservisten, die einen erheblichen Teil der Übungszeit mit Verwaltungsbeschäftigungen und Organisationsmaßnahmen hinbringen müssen, am Sinn der ganzen Übung zweifeln und mit Verdrossenheit reagieren. Gleiches gilt für die zum Wehrdienst einberufenen Soldaten, die entgegen ihnen ursprünglich gemachten Zusagen weder entsprechend ihrer Neigung noch entsprechend ihrer Eignung verwendet werden, obwohl das bei einigermaßen gutem Willen durchaus möglich wäre. Derartige Gedankenlosigkeiten und organisatorische Mängel mindern selbstverständlich die Lust und
Liebe, mit der die Soldaten ihren Tätigkeiten nachgehen sollen. Verbesserungen in all diesen Bereichen kosten kein Geld; sie haben aber eine mindestens so positive Auswirkung auf die Moral der Truppe wie allgemeine Besoldungserhöhungen. Gerade in diesem Bereich sollte der Bundesminister der Verteidigung besonders schnell handeln. Hier bedarf es nämlich keiner gesetzgebenden Maßnahmen. Man muß den Karren nur von den festen Gleisen der Bürokratie herunterziehen.
In der Bundeswehr ist die Diskussion über die Innere Führung, die ja nie abgeebbt war, wieder hoch aufgeflammt. Ein wichtiges Indiz hierfür sind neben den Ausführungen der Generale Grashey und Karst, die die Öffentlichkeit und auch das Parlament beschäftigt haben, natürlich auch die Ausführungen, die der Herr Bundeskanzler heute in diesem Hohen Hause gemacht hat. Soweit aber hier insbesondere von General Grashey Kritik an der Institution des Wehrbeauftragten laut wurde — wenn ich mich an die Tonbandaufzeichnungen recht erinnere, hat er allerdings an anderer Stelle ihm auch gar einen Kuß geben wollen —, ist diese Kritik sicherlich unberechtigt. Es wäre gut, wenn man auch in den Kreisen dieser höheren Offiziere erkennen würde, daß gerade die Berichte des Wehrbeauftragten ein wichtiges Mittel für das Parlament sein können, Mißstände in der Bundeswehr, unter der alle Bundeswehrangehörigen — die Offiziere, die Unteroffiziere und die Mannschaften — leiden, zu erkennen und damit die Voraussetzung für ihre Beseitigung zu schaffen.
Ich möchte bewußt davon absehen, hier zu den Einzelheiten der Äußerungen von Herrn Grashey Stellung zu nehmen. Ich möchte nur noch einmal das Bundesverteidigungsministerium auffordern, das Handbuch Innere Führung endlich so zu bearbeiten, daß es ein Konzept der Inneren Führung enthält, das jedermann verständlich ist und im übrigen erschöpfend darstellt, was unter Innerer Führung zu verstehen ist. Solange nämlich jeder etwas anderes darunter versteht, ja zum Teil überhaupt keine konkreten Vorstellungen darüber herrschen, ist es ziemlich witzlos, sich über solche abstrakten Begriffe hier zu unterhalten. Es besteht die Gefahr, daß bei solchen Diskussionen über die Innere Führung dem bisher üblichen Blabla nur weitere nichtssagende Phrasen hinzugefügt werden.
Der Wehrbeauftragte setzt sich in seinem Bericht in längeren Ausführungen mit den Fragen des Wehrdisziplinarrechts auseinander. Seine Hinweise werden wir eingehend zu prüfen haben.
Ich würde es außerordentlich begrüßen — und möchte ausdrücklich den entsprechenden Antrag stellen —, wenn sich der Wehrbeauftragte gutachtlich zu der Frage äußern könnte, ob und inwieweit die bisherige Regelung des Art. 87 b des Grundgesetzes überprüft und verbessert werden soll. Wir alle wissen, daß die gegenwärtige Form der Bundeswehrverwaltung umstritten ist, insbesondere natürlich bei den Soldaten. Es wäre eine dankbare Aufgabe für den Wehrbeauftragten, hier einmal die objektiven Grundlagen für eine Überprüfung durch das Parlament zu schaffen.



Jung
Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen auf Umdruck 731 einen Entschließungsantrag vorgelegt, in welchem die wesentlichen Punkte erfaßt sind und auch die Forderung erhoben ist, die notwendigen Maßnahmen umgehend zu treffen. Auf die einzelnen Punkte bin ich in meinen Ausführungen in größerem Rahmen eingegangen, und ich möchte mir das Verlesen dieser umfangreichen Drucksache ersparen.
Nur einen Punkt, nämlich Punkt 11, möchte ich nochmals aufgreifen, weil er doch in Zusammenhang mit den Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers von Bedeutung ist. Meine Damen und Herren, mein Kollege Michschnick hat darauf hingewiesen, daß ein Bundeskanzler, der die „Innere Führung" und den „Staatsbürger in Uniform" ironisierend abwertet, Unsicherheit in die Bundeswehr trägt. Ich registriere nur, was mein Kollege Mischnick hier gesagt hat.

(Abg. Rommerskirchen: War das denn ironisierend?)

— Herr Kollege Rommerskirchen, in der Tat; es war in der Rede vom 18. Juni ironisierend gesagt. In der Tat — der Herr Bundeskanzler ist leider nicht mehr da — ist es so. Denn als „Schüler" dieser „Schule" war es für mich doch sehr wertvoll, hier zu hören, ob ich nun den Ausführungen meines „gedienten Lehrers" oder des „ungedienten Oberlehrers" folgen soll. Ich darf hier aus der Rede des Herrn Bundesverteidigungsministers Schröder vom 5. Mai dieses Jahres vor Offizieren der Bundeswehr in München zitieren: Denn dort hat Herr Bundesminister Schröder eindeutig festgestellt: „Die Grundsätze der Inneren Führung und das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform' beruhen auf dem Grundgesetz und der vom Bundestag und Bundesrat geschaffenen Gesetzgebung. Das gleiche gilt für die Einrichtung des Wehrbeauftragten." Ich will es mir ersparen, hier einen größeren Teil dieser Rede zu vorzulesen. Aber es ist schon wichtig, das einmal in Ihre Erinnerung zu bringen, genauso wie auch Herr Mischnick den Aufsatz aus der sozialpolitischen Korrespondenz Ihrer Partei zur Sprache brachte. Denn ich halte diese Äußerungen zu diesem Thema für gewichtiger als die Äußerungen, die der Bundeskanzler am 18. Juni gemacht hat. Der Herr Bundeskanzler hat nun vorhin versucht, seine Formulierung über die alten Klischees zu interpretieren, und hat sich auf die Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schmidt wieder vorbehaltlos zur Inneren Führung bekannt.

(Abg. Rommerskirchen: Auch in Godesberg hat er das gemacht; das haben Sie mit angehört!)

— Herr Rommerskirchen, ich habe das hier festgestellt. Ich habe das wohl mit angehört und habe dort sehr deutlich aufgepaßt.
Der Herr Bundeskanzler hat in Godesberg auch bedauernd gesagt, daß es ihm nicht möglich ist, die Truppe so oft zu besuchen, wie er es eigentlich gern möchte. Wir möchten ihm die Empfehlung geben: Besuchen Sie, Herr Bundeskanzler, öfter die Bundeswehr, und praktizieren Sie damit Innere Führung. Sorgen Sie dafür, daß die Offiziere, die Unteroffiziere und Mannschaften in die Lage versetzt werden, ihre Aufgabe zu erfüllen, und daß ihnen nicht noch zusätzlich neue Aufgaben zugemutet werden. Sorgen Sie z. B. dafür, daß ein gerechter Dienstzeitausgleich für 70 und 80 Wochenstunden Dienst gefunden wird, damit diese Soldaten mit Lust und Liebe ihrer Aufgabe nachkommen. Folgen Sie, meine Damen und Herren, deswegen diesen Aufforderungen in Punkt 11. Dann werden wir nämlich die Bundeswehr in die Lage versetzen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden: Schutztruppe unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaftsordnung zu sein.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524405200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ernesti.

Leo Ernesti (CDU):
Rede ID: ID0524405300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Rede des Kollegen Jung fällt es mir leicht, hier zu sprechen. Denn der Bericht des Wehrbeauftragten und die Anregungen, die darin enthalten sind, scheinen mir im Augenblick wichtiger zu sein als die Äußerungen, die hier in der letzten Viertelstunde gemacht worden sind. Ich komme aber zum Schluß noch einmal auf Sie, Herr Jung, zurück.
Zunächst, Herr Wehrbeauftragter, im Namen meiner Freunde noch einmal Dank für Ihre Arbeit und die Arbeit Ihrer Mitarbeiter.

(Zuruf von der FDP: Was soll das großkotzige Gerede!?)

Ich glaube, das Wichtige an diesem Bericht ist, daß Sie deutlich gemacht haben, daß Sie sich nicht nur als Hüter der Grundrechte der Soldaten und der Grundsätze der Inneren Führung fühlen, sondern daß Sie sich darüber hinaus als Mittler zwischen den Soldaten und dem Parlament fühlen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Diskussion heute morgen hat sichtbar gemacht, daß diese Mittlerrolle nicht nur für die Bundeswehr etwas Wertvolles ist, sondern auch für die Demokratie in unserem Staat.
Herr Kollege Klepsch hat zum Bericht des Wehrbeauftragten generell Stellung genommen. Mir bleibt es, einige Schwerpunkte anzusprechen. Ich bin dem Kollegen Schmidt dankbar, daß er sich noch einmal der Wehrgerechtigkeit zugewandt hat. Wir wissen, daß die Frage der Wehrgerechtigkeit oder Wehrungerechtigkeit in der Öffentlichkeit sehr stark diskutiert wird, aber oft sehr mit Emotionen geladen. Ich hatte fast den Verdacht, daß das heute morgen auch bei dem Kollegen Schmidt ein wenig der Fall war. Man muß sich, glaube ich, sehr sachlich mit den Fakten befassen und darf vor allen Dingen nicht Zahlen zitieren, die keineswegs stimmen. Ich bitte den Kollegen Schmidt, seine Mitarbeiter vielleicht noch einmal nachprüfen zu lassen, ob man eine solche Behauptung aufrechterhalten kann, daß vom Jahrgang 1946 nur 41 % eingezogen sind. Ich bin gern bereit, Herr Kollege Berkhan, Ihnen nach-



Ernesti
her die Aufstellung für das Jahr 1946 zu übergeben. Von diesem Jahrgang sind über 60 % einberufen worden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört Hört!)

Das ist die Wahrheit. Deshalb sollte man sich mit dieser Frage etwas sachlicher befassen.
Fest steht, daß in Zukunft alle Verfügbaren und alle tauglich gemusterten Wehrpflichtigen einberufen werden. Damit ist die Frage der Wehrgerechtigkeit für diesen Personenkreis meiner Ansicht nach nur im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Entlastung der Dienenden zu sehen. Ich sage noch einmal: gegenwärtig werden über 60 % von den Gemusterten eines Jahrgangs einberufen. Die Ungerechtigkeit beginnt da, wo 35 % der Gemusterten durch Wehrdienstausnahmen und Tauglichkeitsbeschränkungen von jedem Dienst an der Gemeinschaft entbunden sind. Zu diesem Personenkreis zählen 22 % vom gemusterten Jahrgang, die als eingeschränkt Taugliche von jedem Dienst befreit sind. In diesem Personenkreis befinden sich Spitzensportler, hier finden sie Abiturienten mit einer 1 im Zeugnis,

(Zurufe: Im Turnen!)

— mit einer 1 im Turnen

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524405400
Herr Kollege Ernesti, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Richter?

Leo Ernesti (CDU):
Rede ID: ID0524405500
Ja, bitte!

Klaus Richter (SPD):
Rede ID: ID0524405600
Herr Kollege Ernesti, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß das Tonbandprotokoll der Sitzung des Verteidigungsausschusses vom März oder Februar ausweist, daß 47 % des Jahrgangs einberufen wurden, und sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es völlig gleichgültig ist, ob das 47 oder 43 oder 51 % sind, sondern daß der Kollege Schmidt auf das Problem an sich hinweisen wollte?

Leo Ernesti (CDU):
Rede ID: ID0524405700
Ich glaube, das Tonband wird ausweisen, daß dort vielleicht eine andere Zahl genannt wurde. Wichtig ist, daß Sie die Zahlen bis zum heutigen Tage verfolgen; denn fortwährend werden weitere verfügbar Gemachte einberufen, und damit erhöht sich im Laufe der Jahre der Prozentsatz der Einberufenen von einem Jahrgang fortwährend, und man kann nicht von dem Jahrgang ausgehen, in dem er erstmalig einberufen wird. Das wollte ich hier deutlich machen. Ich glaube, deshalb sollte man bei Nennung solcher Zahlen — weil das erschreckend ist; zwischen 60 und 41 % ist eben doch ein großer Unterschied — vorsichtig sein.
Ich habe hier noch einmal gesagt, daß es wesentlich darauf ankommt, daß wir uns dem Personenkreis zuwenden, der als eingeschränkt tauglich — das sind 22 % vom gemusterten Jahrgang — zu keinem Dienst herangezogen wird. Hierunter sind zum Teil auch die sogenannten Cleveren, die es erreicht haben, sich diesem Dienst zu entziehen. Da besteht die eigentliche Ungerechtigkeit. Nach den neuesten Musterungsergebnissen wächst gerade dieser Personenkreis, und deswegen müssen wir ihm die Aufmerksamkeit schenken. Gegen diese eingeschränkt Tauglichen wächst auch das Empfinden der Dienenden und vor allen Dingen ihrer Eltern, in diesem Staat ungerecht behandelt zu werden.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524405800
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Richter?

Leo Ernesti (CDU):
Rede ID: ID0524405900
Bitte!

Klaus Richter (SPD):
Rede ID: ID0524406000
Herr Kollege Ernesti, ist es nicht sehr fragwürdig, hier mit unterschiedlichen Zahlen aus unterschiedlichen Jahrgängen zu operieren? Für den letzten Jahrgang hat der Herr Bundesminister der Verteidigung im Verteidigungsausschuß die Zahlen der wegen mangelnder Tauglichkeit nicht Einberufenen mit 30 % ausgewiesen. Diese Zahl weicht von Ihrer um 10 % ab.

Leo Ernesti (CDU):
Rede ID: ID0524406100
Ich habe von „eingeschränkt Tauglichen" gesprochen, nicht davon, daß dauernd Untaugliche oder zum Zeitpunkt der Einberufung nicht Verfügbare auch noch hinzukommen.

Klaus Richter (SPD):
Rede ID: ID0524406200
Ich habe von jungen Leuten gesprochen, die wegen mangelnder Tauglichkeit nicht zum vollen Grundwehrdienst herangezogen werden konnten.

Leo Ernesti (CDU):
Rede ID: ID0524406300
Herr Kollege Richter, wir können über die Zahlen fortwährend streiten. Ich glaube, daß man sich auch im Verteidigungsministerium gegenwärtig noch darüber streitet. Entscheidend ist natürlich der Bezugspunkt. Aber für dieses Hohe Haus ist, glaube ich, die Tendenz, die hier sichtbar wird, wichtiger als die Zahl,

(Abg. Berkhan: Das ist richtig!)

zumal da der Personenkreis von eingeschränkt Tauglichen fortwährend wächst. Diesem Personenkreis müssen wir unsere Aufmerksamkeit schenken; denn die Betreffenden können während dieser Zeit ihre Ausbildung fortsetzen, sie können während dieser Zeit Geld verdienen und sich ihrem beruflichen Fortkommen widmen.
Um hier einen Ausgleich zu schaffen, hat die Sonderkommission „Wehrdienstausgleich" meines Erachtens gute Vorschläge erarbeitet und dem Verteidigungsausschuß vorgetragen. Fest steht jedenfalls, daß die ungesunde Personalstruktur der Berufs- und Zeitsoldaten einem gerechten Ausgleich gegenwärtig entgegensteht. Daher war dieses Hohe Haus gut beraten, als es in den letzten Monaten Gesetze verabschiedete, die den Anteil der längerdienenden Soldaten, also der Berufs- und Zeitsoldaten, vergrößern werden. Ich darf hier nur erinnern an die Verbesserung der Unteroffiziersbesoldung, die Einführung der Laufbahn des militärischen Dienstes, die Wiedereinführung des Soldaten auf zwei Jahre und vor allen Dingen an das Eingliederungsgesetz mit Rechtsanspruch und Besitzstandswahrung. Sollten diese Maßnahmen wirksam und



Ernesti
eine gesunde Personalstruktur sichtbar werden, wäre die Diskussion um den gleitenden Grundwehrdienst wiederaufzunehmen. Durch eine Verringerung der Wehrdienstdauer könnten mehr Wehrpflichtige dem Dienst zugeführt werden.
Gegenwärtig — das möchte ich mit aller Eindringlichkeit noch einmal sagen — muß es bei den 18 Monaten Wehrdienst bleiben, weil sonst die Präsenz und damit die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr aufs höchste gefährdet wäre. Aber auch eine strengere Handhabung der Befreiungsmöglichkeiten wird sicherlich einen größeren Kreis verfügbar machen. Der Einsatz von vorwiegend eingeschränkt Tauglichen — das ist der Personenkreis, den ich vorhin erwähnte — auf Dienstposten für Zivilpersonal im Bereich der Truppe würde sicherlich mithelfen, einen Teil der Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Selbstverständlich — das muß ich hier erklären — könnte das nur bei Dienstposten geschehen, die durch natürlichen Abgang frei werden. Ich glaube, daß es die in der Zwischenzeit verwirklichte Einführung einer flexiblen Umfangszahl der Bundeswehr erlaubt, einen größeren Personenkreis von Wehrpflichtigen in Zukunft einzuberufen.
Im wesentlichen spitzt sich deswegen für mich die Frage des gerechten Ausgleichs auf zwei Komplexe zu. Der eine umfaßt die Heranziehung der Nichtdienenden zu einem finanziellen Ausgleich. Diese Frage einer Wehrdienstausgleichsabgabe muß sorgfältig geprüft werden.
Das zweite ist: Dem dienenden Wehrpflichtigen muß durch einen Katalog von entlastenden Maßnahmen geholfen werden. Ich denke hier außer an die Verdoppelung des Entlassungsgeldes und die Erhöhung des Wehrsoldes vor allen Dingen auch an die Zahlung von Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten an diesen Personenkreis oder an die Zahlung von Weihnachtsgratifikationen an Wehrpflichtige, die ihnen jetzt vorenthalten werden, oder an Maßnahmen, die sicherstellen, daß der Wehrpflichtige mehr berufsbezogen einberufen und in der Bundeswehr verwandt wird. Auch die Überprüfung der Möglichkeiten für Steuererleichterungen sollten wir ins Auge fassen. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, daß die Wehrdienstzeit auch als Laufbahndienstzeit anerkannt wird und daß gediente Wehrpflichtige sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt werden.
Sicherlich ist es wichtig — auch das ist hier schon erwähnt worden —, Verhandlungen mit den Kultusministern aufzunehmen, um nun endgültig Erleichterungen für diejenigen Wehrpflichtigen zu erreichen, die ein Studium aufnehmen wollen. Ich bin dankbar, gehört zu haben, daß das bayerische Kultusministerium hier inzwischen Zusagen gemacht hat. Auch der Gedanke eines Fernstudiums für Wehrpflichtige während der Dienstzeit muß ernsthaft geprüft werden. Anzustreben wären Vergünstigungen in der Öffentlichkeit, wie sie jetzt Schülern und Studenten bei kulturellen und Sportveranstaltungen gewährt werden. Diese sollten auch auf
Wehrpflichtige ausgedehnt werden. Alle diese Vorschläge könnten dazu beitragen, eine gerechtere Verteilung der Lasten herbeizuführen. Durch bereits eingeleitete Maßnahmen werden inzwischen jährlich zusätzlich 130 Millionen DM für die Wehrpflichtigen ausgegeben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz zu einigen anderen Punkten Stellung nehmen. Der Wehrbeauftragte ist in seinem Bericht erneut auf die mangelnde Wohnungsfürsorge eingegangen. In dieser Richtung sind auch heute morgen hier schon einige Worte gefallen. Für mich ist dabei immer wieder nicht nur die Höhe der Miete erschütternd, sondern auch die Tatsache, daß die betroffenen Soldaten während des Dienstes von diesen familiären Sorgen bedrückt sind. Sie warten während der Dienstzeit, weil sie oft von ihren Familien getrennt sind, immer schon auf das nächste Wochenende. Ihr dienstlicher Eifer und ihre Leistungsfähigkeit schwinden, auch reicht die Trennungsentschädigung einfach nicht aus, um den finanziellen Mehraufwand dieser Getrenntlebenden auszugleichen. Außerdem sind die Wochenendfahrten für diesen Personenkreis eine erhöhte Unfallgefahr.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Deswegen verpflichten sich Unteroffiziere oft nicht weiter. Wegen der mangelnden Fürsorge des Dienstherrn ist ein Vertrauensschwund entstanden. Deshalb müssen wir uns in der nächsten Legislaturperiode dem System zuwenden. Ich bin dem Kollegen Schmidt sehr dankbar, daß er hier auch die Zuständigkeit des Wohnungsbauministers angesprochen hat, denn die Fürsorgepflicht hat der Bundesminister der Verteidigung, die Zuständigkeit liegt aber beim Wohnungsbauminister. Dieser Knoten muß durchschlagen werden.
Auch das Kantinenwesen bedarf sicherlich einer Überprüfung. Wir haben immer wieder darüber gesprochen, daß die unzumutbaren Preise oft eine Verärgerung hervorrufen. Vor allen Dingen muß dafür gesorgt werden, daß die Truppe in einem Ernstfall von Marketenderwaren und Kantiniers begleitet wird. Die Soldaten müssen auf eine Organisation hoffen können, die auch das sicherstellt.
Die Truppenunterkünfte — Sie haben das in Ihrem Bericht erwähnt, Herr Wehrbeauftragter — müssen, insbesondere was die Wohnverhältnisse und die sanitären Verhältnisse anbetrifft, fortwährend auf ihre Gebrauchstüchtigkeit überprüft werden. Hier ist eine Quelle großen Ärgers.
Als nächsten Punkt nenne ich die Neugestaltung der Laufbahn. Ich meine auch, wie es hier heute morgen schon einmal betont worden ist, daß ein besonderes Augenmerk auf das Leistungsprinzip, eine gerechte Dienstpostenbewertung und vor allen Dingen auf die Spezialisten gerichtet werden muß, damit wir zu einer Neugestaltung der Laufbahn kommen und damit die Leistung und Qualität des Soldaten besser ausnutzen können.
Die Wehrdisziplinarordnung ist ein Kapitel, welches wir leider in dieser Legislaturperiode nicht mehr bearbeiten konnten. Sie wissen, daß die Wehr-



Ernesti
disziplinarordnung endlich der Bundesdisziplinarordnung angepaßt werden muß. Hier gibt es zur Zeit eine Ungerechtigkeit. Wenn Sie sich aber einmal den Katalog der notwendigen Änderungen ansehen, werden Sie Verständnis dafür haben, daß das Werk in dieser Legislaturperiode nicht zu schaffen war. Es geht um 310 Änderungen; es sind allein 80 Anpassungen, 76 terminologische Änderungen, 46 redaktionelle Änderungen und 108 Neufassungen. Darunter befinden sich allein 10 Großkomplexe. Das wird eine Arbeit sein, die dieses Haus zusammen mit den mitberatenden Ausschüssen in der nächsten Legislaturperiode erledigen muß.
Ich darf hier noch einmal das Reservistenkonzept erwähnen. Auch hier bedarf die Verfügbarmachung der Leute, die in der Bundeswehr ausgebildet worden sind, unbedingt einer Überprüfung. Die schlafende Armee von fast 700 000 Mann muß geweckt werden, um für die Sicherheit dieses Staates mobil werden zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, als letzter Punkt ist in diesem Zusammenhang die Straffung der Organisation zu erwähnen. Wir sind uns alle hierüber im klaren, daß beim Aufbau der Bundeswehr die Organisation darauf angelegt war. Jetzt müssen wir zwingend zu einer funktionsgerechten Organisation kommen. Das erfordert allerdings, daß man unter Umständen auch einmal von liebgewordenen Vorstellungen abweicht und Tabus durchbricht.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, das ist eine Aufgabe für die nächsten vier Jahre, um die Effizienz der Bundeswehr sicherzustellen.
Ich will auf die einzelnen Äußerungen des Kollegen Buchstaller jetzt nicht eingehen. Sie sind ziemlich ausdiskutiert. Ich möchte nur an dieser Stelle dem Bundeswehr-Verband, weil er und seine Veranstaltung hier heute morgen so häufig genannt worden sind, meinen Dank aussprechen. Hier ist eine Organisation, die von einem Grundsatz der Inneren Führung, nämlich der Koalitionsfreiheit, Gebrauch gemacht hat und mutig und mit Sachkenntnis Dinge diskutiert, die den persönlichen Lebensbereich der Soldaten, bezogen auf ihren Beruf, betreffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Daß dieser Bundeswehr-Verband dem Radikalismus eine eindeutige Absage erteilt hat, möchte ich in diesem Zusammenhang einmal erwähnen, weil so manche Leute in diesem Staat den Rechtsradikalismus gerne der Bundeswehr in die Tasche schieben würden. Der Bundeswehr-Verband, dem 80 % aller Berufs- und Zeitsoldaten als Mitglieder angehören, hat sich von diesem Rechtsradikalismus distanziert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und FDP.)

Meine Damen und Herren, zum Schluß komme ich auf die Umdrucke zurück, die Ihnen vorliegen. Der von meinen Freunden auf Umdruck 717 *) einge-
*) Siehe Anlage 2 brachte Entschließungsantrag zielt darauf ab, es im Rahmen der Fürsorgepflicht für Wehrpflichtige zu ermöglichen, daß die dienstleistenden Soldaten in einem großen Rahmenvertrag eine Versicherung abschließen können und ihnen die Prämie dafür im Rahmen des Unterhaltssicherungsgesetzes erstattet wird. Wir wissen alle — das wurde bei dem tragischen Unglück von Lebach deutlich —, daß die Versorgung der Wehrpflichtigen im argen liegt. Wir sind deswegen der Meinung, daß wir — deshalb unser Entschließungsantrag — dafür sorgen sollten, daß dieser Personenkreis im Falle einer Beschädigung gegenüber den anderen, die nicht dienen, und wenn sie einen Unfall haben, durch eine Unfallversicherung geschützt sind, nicht noch zusätzliche Nachteile erleidet. Ich bitte Sie deshalb, dem Entschließungsantrag auf Umdruck 717 zuzustimmen.
Dem Entschließungsantrag auf Umdruck 731 *, der von der FDP vorgelegt worden ist, werden wir ebenfalls zustimmen. Herr Kollege Jung, der gesamte Inhalt dieses Antrags ist im Verteidigungsausschuß so ausführlich diskutiert worden, daß es müßig wäre, ihn dem Ausschuß zu überweisen. Sie können gewiß sein, daß wir diesem Entschließungsantrag zustimmen, wenn ich auch bei Punkt 11 erhebliche Einschränkungen machen möchte;

(Abg. Jung: Wieso?)

denn das Handbuch der Inneren Führung sollte man sicher nicht ändern, Herr Jung. Das Handbuch „Die Innere Führung" nach dem Muster einer Vorschrift „Streiche-Setze!" zu ändern, würde eine Vergewaltigung dieses Werkes bedeuten. Dieses Handbuch gehört nach wie vor in den Bücherschrank und auf den Tisch eines jeden Vorgesetzten der Bundeswehr.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber die Zeit hat sich gewandelt, und Sie wollen sicherlich sagen: Das, was sich aus dem Grundgedanken für die heutige Zeit ergibt, muß in einem zusätzlichen Buch, einem Handbuch, das in der Praxis dann unter Umständen sogar als Lose-Blatt-Sammlung zur Verfügung steht, seinen Niederschlag finden. Insofern werden wir auch diesem Punkt, d. h. also Ihrem Antrag insgesamt zustimmen.
Ich persönlich möchte hier aber noch einen Antrag stellen und das Hohe Haus bitten, ihn zu unterstützen. Ich beantrage, daß dem Herrn Wehrbeauftragten, der ja nur nach Aufforderung durch dieses Hohe Haus hier sprechen darf, heute morgen Gelegenheit gegeben wird, vor dem Hohen Hause zu sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir haben in den letzten Monaten und Jahren Milliarden für die Modernisierung der Bundeswehr ausgegeben. Diese modernen Waffen, auch wenn sie mechanisiert sind, müssen von den Menschen gehandhabt werden. Deswegen gilt unsere Sorge in diesem Augenblick vor allen Dingen dem Menschen, der im Mittelpunkt unserer Überlegungen zu stehen hat.
*) Siehe Anlage 3



Ernesti
Er muß von der Durchführbarkeit seines Auftrages überzeugt sein, er muß vom Verteidigungswillen unseres Volkes getragen sein; denn nur dadurch werden wir, dieses Hohe Haus und die Bundesregierung, in ,die Lage versetzt, an der Friedenspolitik zu arbeiten, die wir uns zum Ziele gesetzt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524406400
Das Wort hat Herr Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524406500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin hier im Saal schon gefragt worden: Wollen Sie denn auch noch reden? Herr Kollege Jung, es ist natürlich die Schwierigkeit bei einer Debatte am Freitag, daß viele Damen und Herren dieses Hauses, auch Regierungsmitglieder, Verpflichtungen außerhalb dieses Hauses haben und nicht mehr anwesend sein können. Daher kann ich meine erste, etwas spitze Bemerkung, die an Herrn Klepsch gerichtet sein soll, nun nicht mehr an Herrn Klepsch richten. Er ist — wie auch der Kanzler — nicht mehr im Hause; jedenfalls sehe ich ihn im Moment hier nicht im Saale.
Die Sache mit dem „Donnerwetter, Kerle!" hat mich an Paul Lincke erinnert. Das klingt ein bißchen nach 1904. Herr Kraske, wir haben ja doch die gleichen Quellen studiert. Wir sind zwar immer erst in der zweiten Linie im Gefecht, aber die Kleineren hatten diese Quellen ebenso wie die Großen zur Verfügung. Wir wissen, wo die Worte „Schule" und „eine Schule" herkommen. Wir wissen, wer diese Schule als sein Instrument benutzt hat, und wir wissen eben auch, woher „Donnerwetter, Kerle!" kommt. Mitunter hat man ja zu Hause auch noch eine Grammophonplatte, und da spürt man so richtig den Schmiß in der Sache. Mir will das auch nicht gefallen. Ich stimme da völlig mit Herrn Kollegen Buchstaller überein. Das alles ist ein bißchen von vorgestern hergeholt. Aber es ist nicht so tragisch zu nehmen, daß man sich sehr lange dabei aufhalten sollte.
Ich will hier eine Bemerkung machen; ich glaube, Herr Rommerskirchen, die mache ich im Einvernehmen mit Ihnen persönlich, aber ich nehme an, auch mit Ihren Kollegen. Wir Sozialdemokraten würden es gern sehen, wenn die Debatte über das Weißbuch — es ist jetzt 12 Uhr 10 — so vonstatten ginge, daß wir die Gewißheit mitnehmen, daß im Verteidigungsausschuß — ausweislich der Tagesordnung soll ja eine Überweisung an den Verteidigungsausschuß stattfinden — dieses Basisdokument gründlich erörtert werden kann. Wenn wir jetzt einzelne Punkte herausgriffen, hätte ich, das sage ich ganz offen, die Befürchtung, daß das Weißbuch im Plenum des Bundestages nicht angemessen behandelt wird. Es kann natürlich sein, daß ich hinterher meinem eigenen Wunsch nicht folgen kann, weil man ja nicht ganz allein Herr in diesem Hause ist; es gibt auch Kollegen, die anderen Gruppierungen angehören, und keiner von uns will ihnen das Recht beschneiden, hier ihre Themen zu behandeln. Ich muß mir also vorbehalten, gegebenenfals darauf zurückzukommen. Vorerst will ich es damit genug sein lassen.
Herr Ernesti — ich habe mein Redekonzept weggelegt und betätige mich mehr als Debatter —, Sie und der Kollege Zimmermann sind auf Äußerungen meines Fraktionsvorsitzenden Helmut Schmidt eingegangen. Ich will mich nicht mehr streiten, über welche Zahlen. Aber Sie selber müssen wissen, daß ein Fraktionsvorsitzender, heiße er Mischnick, heiße er Schmidt, heiße er Barzel, ein mühseliges Amt hat und von der Krankenkassenreform bis zum Bericht des Wehrbeauftragten alles zur Kenntnis nehmen soll. Die Zahlen, die Helmut Schmidt verwandt hat, stehen justament auf Seite 13 des Berichts des Wehrbeauftragten; da sind sie her. Da kann man nicht unterstellen, es seien falsche Zahlen. Es sind die Zahlen, die in dem Bericht stehen; die hat er benutzt. Wir als Wissende, Herr Ernesti, wir wissen natürlich — in meinem Arbeitsexemplar steht daneben in Rot: „Neue Zahlen beachten!" —,

(Heiterkeit)

daß neue Zahlen vorliegen. Das ist ja auch eine erfreuliche Sache im Sinne des Themas, das hier debattiert wurde. Wenn mehr von den Tauglichen einberufen werden können, weil andere Zahlen zur Verfügung stehen, so gibt es uns etwas Luft.
Bleibt doch der Tatbestand, daß wir als Parlament aufgerufen sind, auch den Grundsatz der Gerechtigkeit immer wieder zu beachten.

(Abg. Josten: Das ist der entscheidende Grundsatz!)

Ich bleibe dabei, Herr Kollege Zimmermann: Sobald durch organisatorische Maßnahmen — eine Gesetzesänderung scheint mir in diesem Falle gar nicht notwendig, das kann man noch einmal prüfen, das werden wir sehen — genügend Ersatzdienstplätze zur Verfügung stehen, sollte man durch Änderung des Wehrpflichtgesetzes das Verfahren der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ändern. Das ist dann erst der zweite Schritt. Erst einmal müssen die Plätze dasein. Ich meine nach wie vor, Helmut Schmidt hat recht, wenn er sagt, daß der begründete Antrag bei der Musterung genügen sollte, wenn anschließend die Gewähr gegeben ist, daß derjenige, der sich für den zivilen Dienst entscheidet, den Ersatzdienst auch tatsächlich ableistet. Mir gefällt die Vokabel „Ersatzdienst" nicht; sie steht aber so im Gesetz, daher verwende ich sie. Das sind zwei Dienste, die gleichwertig nebeneinander zu betrachten sind.
Wir würden dann diejenigen Kriegsdienstverweigerer, die wirklich im Gewissen betroffen sind, von denjenigen trennen, die dieses durch uns geschaffene Gesetz als einen Hebel nutzen, um Unsicherheit in die Truppe hineinzutragen, als einen Hebel, um ihren politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Das Ziel ist nicht einfach zu erreichen. Das weiß ich, das weiß auch Helmut Schmidt. Daher haben wir uns entschlossen — es hätte wenig Sinn, das heute noch zu tun, es ist beinahe die letzte Woche des Parlaments angebrochen —, im nächsten Parlament



Ernesti
eine Enquetekommission zu fordern, eine Enquetekommission mit dem Auftrag, die Entwicklung der gegenwärtigen und der zukünftigen Wehrverfassung — damit hängt das ja sehr eng zusammen — sowie die Organisation und die Personalstruktur der Bundeswehr zu untersuchen und darüber zu berichten. Dabei sind von der Wehrgerechtigkeit über die zu erwartende Entfaltung militärischer Technologie bis hin zu den bündnispolitischen Rückwirkungen und Abhängigkeiten und zu den strategischen Rückwirkungen alle außerhalb oder gegenüber dem Bündnis wirksamen Faktoren abzuwägen. Ich habe hier ein wörtliches Zitat von Helmut Schmidt gebracht. Wir sind uns darüber im klaren, daß diese Enquetekommission, wenn sie sorgfältig arbeitet, ihren Bericht vielleicht in zwei Jahren vorlegen kann. Das ist gemeint, und nichts anderes ist gemeint gewesen. Das halten wir nach wie vor für richtig.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524406600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kraske?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524406700
Ja, bitte sehr!

Dr. Konrad Kraske (CDU):
Rede ID: ID0524406800
Herr Kollege Berkhan, ich stimme Ihren Überlegungen zur Ausweitung des Ersatzdienstes im Grundsatz vollauf zu. Aber sind Sie sich darüber im klaren, daß wir bei einer solchen Ausweitung des Ersatzdienstes zwangsläufig sehr schnell in die Nähe eines Begriffes kommen, der in der Vergangenheit mindestens so belastet war wie andere Begriffe, die heute hier zitiert worden sind, nämlich des Arbeitsdienstes, und daß wir dann den Mut haben müssen, auch die Konsequenzen aus ziemlich unpopulären Überlegungen zu ziehen? Ich bin dazu bereit. Aber ich meine, wir sollten dann gemeinsam dazu bereit sein.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524406900
Herr Kollege Kraske, ich ziehe immer erst dann Konsequenzen, wenn die Grundlagen da sind. Daher wollen wir die Enquetekommission. Jetzt binde ich nicht meine Fraktion. Ich sage Ihnen das, was ich als Abgeordneter dazu denke. Darum habe ich gesagt: wir sind verpflichtet, dem Grundsatz der Gerechtigkeit Nachdruck zu verleihen. Ich bin dann auch bereit, darüber nachzudenken, wie wir das tun können.
Zu dem, was Sie soeben andeuteten, will ich Ihnen folgendes sagen. Nicht alles aus der Geschichte des Arbeitsdienstes ist ja mit dem „Dritten Reich" belastet, sondern da gibt es ja auch Vorläufer, die durchaus Beachtliches geleistet haben. Daran kann man sich also auch noch einmal erinnern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir müssen ja auch den Männern, und jetzt muß ich auch sagen: den Damen, die im „Dritten Reich" in dieser Institution Dienst getan haben, Gerechtigkeit werden lassen. Nicht alle, die dort gedient haben oder die dort als Führer tätig waren, sind ja a priori und für alle Zeiten und überhaupt als Personen mißachtend zu betrachten, sondern mancher hat auch in dieser schwierigen Zeit in dieser Institution das ge-
tan, was seine Pflicht war, und nicht so, daß wir ihm heute Vorwürfe machen können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich bin bereit, Herr Kraske, mit Ihnen in Beratungen einzutreten und auch Konsequenzen zu ziehen. Wir haben ja einmal die Wehrpflicht von 12 auf 18 Monate verlängert. Sie werden sich daran erinnern, daß der Abgeordnete Berkhan und seine Fraktion damals zugestimmt haben. Wir werden solchen Konsequenzen, wenn sie aus Gründen der Gerechtigkeit zu ziehen sind, gebührenden Nachdruck verleihen.

(Abg. Stahlberg meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Die Frage ist ganz einfach — darf ich den einen Satz zu Ende sprechen, Herr Stahlberg; dann bin ich bereit, auch Ihre Zwischenfrage zu hören —, was dann besser ist. Kommen wir zu dem Ergebnis, das ja nicht ausgeschlossen ist — Herr Ernesti hat darüber gesprochen —, daß wir eine Geldabgabe besonderer Art einführen, oder wollen wir eine zeitliche Belastung auferlegen? Das muß sehr sorgfältig abgewogen werden. Wir haben ja in dieser Woche, abschließend, einen halben Tag im Verteidigungsausschuß über diese Fragen geredet, wir haben vorher Stunden über diese Fragen geredet. Wir wissen, wie schwierig es mit der besonderen Abgabe ist und welche komplizierten Dinge da auf uns zukommen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524407000
Eine Zwischenfrage von Herrn Stahlberg.

Hermann Stahlberg (CDU):
Rede ID: ID0524407100
Herr Kollege Berkhan, befinden wir uns in Übereinstimmung, daß wir aufhören sollten, von Ersatzdienst zu reden, wenn wir, womit ich voll übereinstimme, aus der Gerechtigkeit die Konsequenz ziehen? Und sind wir uns zweitens gemeinsam darüber klar, daß wir dann, wenn wir einen andersgearteten Dienst neben dem Wehrdienst haben, dort auch ein Disziplinarrecht brauchen, da sonst ein solcher Dienst überhaupt nicht durchzuführen wäre?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524407200
Der Kollege Damm wird Ihnen übersetzen, was ich Ihnen jetzt sage. Se hem mi jetzt ganz schön inne Kniep. Ich weiß ja auch, warum Sie diese Frage stellen, Herr Stahlberg. Ich habe sie Ihnen im Verteidigungsausschuß als Vorsitzender weggestrichen, und Sie nehmen jetzt die Gelegenheit wahr, den Abgeordneten zu fragen. Natürlich bin ich dazu bereit. Nur muß dann die Regierung und der Minister, der dafür zuständig ist, etwas vorlegen, was man diskutieren kann. Sie können doch nicht von mir verlangen, daß ich hier jetzt aus der freien Hand heraus ein Disziplinarrecht für einen anderen Dienst entwickle. Was den Ansatz Ihrer Frage betrifft, so möchte ich sagen — wenn Sie meine Ausführungen nachlesen, werden Sie das feststellen —, daß ich den Begriff „Ersatzdienst" ohnehin nicht liebe und ihn hier nur verwendet habe, weil er im Gesetz steht. Vielleicht darf ich mich jetzt auch einmal wiederholen; ich habe das im Ausschuß auch schon gesagt. Was in bestimmten Anstalten ein



Berkhan
junger Mann zu leisten hat, der, von seinem Gewissen getragen, den Dienst mit der Waffe ablehnt, so sind wir zwei uns sehr bald einig, daß der eine Belastung auf sich nimmt, eine psychologische Belastung, die, wenn ich anfangen würde zu vergleichen, den Vergleich nicht zu scheuen brauchte. Darüber sind wir uns ja wohl einig. Es geht doch gar nicht — wenn wir debattieren — um diejenigen, die in ihrem Gewissen betroffen sind, sondern es geht immer nur um diejenigen, die ihren Anspruch nutzen, um ihren politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen, sonst nichts.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich habe darum noch einmal das Wort genommen, weil ich wirklich der Überzeugung bin: Herr Kollege Zimmermann, wenn Sie Helmut Schmidt richtig verstehen und wenn Sie die ganze Debatte verfolgen, in die er sich ja immer wieder einschaltet — nicht nur hier mal spontan, sondern auch in der Literatur, auf Tagungen und sonst dergleichen mehr —, dann werden Sie begreifen, warum die Sozialdemokraten der Auffassung sind, daß wir eines Tages das Ziel erreichen müssen, daß man wirklich über eine andere Zeit des Grundwehrdienstes reden kann, weil wir die entsprechenden Stellen der Soldaten mit längerdienenden Zeitsoldaten besetzt haben. Wenn Sie das alles zusammen sehen, dann wissen Sie, was wir mit der Enquete-Kommission meinen, und dann wissen Sie auch, wo dieses Ziel liegt. Gelingt es aber, den Grundwehrdienst, sagen wir, nur um drei Monate abzusenken, dann würde — das wissen Sie aus dem Verteidigungsausschuß — bei den heutigen Zahlenverhältnissen das Aufkommen an tauglichen Wehrpflichtigen gar nicht ausreichen, um die Stellen zu füllen; es muß also vorher ein anderes Verhältnis geschaffen werden.
Ich wehre mich nur dagegen, daß zum Teil in der öffentlichen Debatte, zum Teil aber auch von Politikern so getan wird, als könnte man das so einfach mit einem Beschluß „Der Grundwehrdienst wird ab heute auf soundsoviel Monate heruntergesetzt" herbeiführen. Denn jeder weiß, daß weder die Ausbildungsorganisation noch die Führungsorganisation der jetzigen Bundeswehr ausreicht, um das verkraften zu können. Jeder weiß auch, daß wir nicht in einer Zeit leben, von der wir sagen könnten, daß wirklich eine politische Beruhigung eingetreten sei in dem Sinne, daß man auf solche Versuche zugehen könne. Anträge lagen dem Parlament, ich glaube, seit Mai 1967 vor; geredet haben wir darüber im Dezember. Aber dann ist ja später einmal etwas eingetreten, und daß das heute in der Debatte wieder eine Rolle spielt, hat doch nur den Grund, daß wir mit den Antragstellern gemeinsam beschlossen haben, den komplizierten Bericht „Wehrausgleich" der kleinen gemischten Kommission abzuwarten. Das ist also die schwierige Situation, vor der wir stehen. Wir jedenfalls meinen: das Parlament und die Regierung sind immer wieder aufgerufen, diese Frage zu prüfen. Es kann kein Dogma sein, daß der Grundwehrdienst bei uns ein für allemal auf 18 Monate oder auf 15 Monate oder auf 24 Monate oder auf 12 Monate festgelegt wird, sondern das ist eine Frage, die immer wieder geprüft werden muß und die der veränderten Situation anzupassen ist.
Herr Kollege Ernesti, zu Ihrem Antrag darf ich sagen: wir haben gar nichts dagegen, wir werden diesem Antrag zustimmen. Wir begrüßen das Prinzip. Wir würden es aber gern sehen, wenn die Regierung einmal prüfte, ob dies der einzige und der beste Weg ist. Vielleicht gibt es bessere Wege über die Pflichtversicherung, die es ja gibt, wo ja auch bestimmte Möglichkeiten vorgegeben sind. Dann ist es nämlich anrechnungsfähig für das ganze Leben. Das alles muß berechnet werden. Dafür braucht man einen Rechner und nicht nur sein Gehirn. Dann muß man sehen: wo wird das Geld am besten hingetan?
Ich schließe mich der Auffassung an, die Sie über den Entschließungsantrag Umdruck 731 der FDP geäußert haben. Herr Jung, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie diesen Sreit hier nicht aufgenommen haben.
Ich will meinen Kollegen Schultz beruhigen. Herr Kollege Schultz, ich habe die Verhandlungen, die wir bei dem erstmaligen Vorliegen Ihres Antragskatalogs geführt haben — das waren ja noch 14 Punkte —, sorgfältig auf dem Tonband abgehört. Ich komme zu dem Ergebnis, daß der amtierende Vorsitzende — das war ich —, keinen Fehler begangen hat, als er im Ausschuß diese Anträge, die ja als Pressekorrespondenz vorlagen, nicht zur Abstimmung gestellt hat. Aber Sie bleiben aufgefordert, das selbst zu prüfen. Vielleicht können wir uns einigen. Wir werden zustimmen.
Auch der Punkt 11 ist ja, wenn ich Herrn Jungs Kopfnicken richtig verstanden habe, nicht so zu verstehen gewesen, daß das alte Handbuch in Archive zu verdammen ist. Herr Ernesti, ich wäre froh, wenn ein Teil unserer Soldaten ein paar Bücher mehr von der Qualität des Handbuchs ständig vor sich hätten. Vielleicht gibt es noch ein paar Bücher, die man auch lesen kann, und vielleicht sollte etwas mehr gelesen werden. Der Wehrbeauftragte hat nur mit einem Nebensatz einmal auf die Büchereien der Bundeswehr Bezug genommen. Wir werden bei Gelegenheit noch einmal über die Büchereien der Bundeswehr zu reden haben. Wir müssen uns dann überlegen, wie wir dort zu einer brauchbaren Änderung kommen, ohne das Prinzip der Beteiligung der Soldaten zu verletzen.
Der Wehrbeauftragte hat in zweifacher Hinsicht eine große Woche. Er ist vor zwei Tagen 65 Jahre alt geworden.

(Beifall.)

Dazu glaube ich — ich habe eben zu Herrn Spitzmüller gesehen — die Glückwünsche des ganzen Hauses aussprechen zu können; das ist ja auch unpolitisch, Herr Spitzmüller.
Der Bericht, den Sie vorgelegt haben, Herr Hoogen, verdient nicht nur die Aufmerksamkeit des Parlaments, sondern er verdient die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit, er verdient auch die Aufmerksamkeit der Truppe.



Berkhan
Der Verteidigungsminister ist aufgerufen, dafür dafür Sorge zu tragen, daß dieser Bericht nicht nur auf dem Dienstweg, sondern auch mit dem notwendigen intellektuellen Nachdruck Disziplinar-Vorgesetzten und Unterstellten immer wieder als Grundlage von Belehrungen und des Unterrichts angepriesen wird. Der Bundesminister der Verteidigung ist aufgerufen, sein Amt als höchster Vorgesetzter in diesem Punkt so zu verstehen, daß er dies auch kontrolliert. Der Verteidigungsausschuß — da bin ich ziemlich sicher —, aber auch die meisten anderen Kollegen dieses Hauses wünschen nämlich, daß auch die Soldaten den Bericht des Wehrbeauftragten zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524407300
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz (Gau-Bischofsheim).
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei dem Kollegen Ernesti und auch dem Kollegen Berkhan dafür bedanken, daß sie bereit sind, hier ganz gegen alle Übung einen Entschließungsantrag der Freien Demokraten anzunehmen.
Allerdings darf ich dazu vielleicht doch bemerken, daß das, was darin steht, sicherlich im Verteidigungsausschuß diskutiert worden ist. Aber ich meine, daß das, was wir diskutiert haben, natürlich ein sehr viel stärkeres Gewicht bekommt, wenn das Plenum einer solchen Entschließung zustimmt, als wenn wir nur im Verteidigungsausschuß dem Bundesminister der Verteidigung Empfehlungen geben, er möge doch einmal dieses oder jenes berücksichtigen.
Nach meiner Meinung kann es nicht mehr damit getan sein, daß wir nur pauschal dem Herrn Wehrbeauftragten für seine Arbeit und für das, was er uns hier an Hilfe geleistet hat, zu danken. Wir sind auch verpflichtet, vor diesem Hause ganz deutlich zu machen, daß das, was hier als nicht in Ordnung befindlich gekennzeichnet worden ist, in Ordnung kommt. Das können wir nicht allein tun, sondern wir bedürfen dazu der Hilfe des Verteidigungsministeriums.
Nun, lieber Herr Kollege Berkhan, ich möchte den Streit darüber, wie es zu diesem Antrag kam und wie es im Verteidigungsausschuß war, nicht mehr aufgreifen. Ich hätte es nämlich lieber gesehen, wenn der Verteidigungsausschuß hier einen solchen Antrag eingebracht hätte.
Aber ich frage Sie: Ist es denn wirklich so schwer, einmal zu sagen: „Ich habe mich geirrt"? Ich kenne das Tonband nämlich auch. Wir wollen darauf jedoch nicht mehr eingehen. Ich will es eigentlich nur in dem Sinne sagen — wir sind uns noch nie gegenseitig böse gewesen —: Manches geht in unserem Staat so schwierig zu regeln, um zu vernünftigen gemeinsamen Operationen zu kommen, weil die Menschen viel zuwenig bereit sind, einmal zu sagen: wir haben uns geirrt. Wenn sich Leute dann dazu durchringen, zu sagen, wir haben uns geirrt, und sie ändern daraufhin ihre Meinung, so ist das der große „Umfall" in der Politik.
Sie, Herr Kollege Berkhan, haben gemeint, daß das Verteidigungsweißbuch heute eigentlich nicht zu debattieren sei; denn es werde ja dem Verteidigungsausschuß überwiesen, und dort könne man die große Diskussion beginnen. Wir Freien Demokraten haben nicht beantragt, daß das Verteidigungsweißbuch heute auf die Tagesordnung kommt. Wenn ich mich aber recht erinnere, hat Ihr Fraktionsvorsitzender am Anfang dieses Jahres einmal gesagt: Dieses Verteidigungsweißbuch muß hier sehr genau und sehr deutlich debattiert werden. Ich bin leider nicht schuld daran, daß das erst heute geschehen kann. Möglicherweise ist es auch so, daß Sie an dem, was ich auszuführen habe, gar keine Beanstandungen haben. Dann brauchen wir gar nicht mehr darauf einzugehen.
Ich meine aber, daß man sich, wenn dieser Tagesordnungspunkt nun vorhanden ist, eben doch, wenn es auch Freitag ist und nicht so viel Zeit zur Verfügung steht, einige Minuten nehmen muß, um etwas über dieses Weißbuch zu sagen, einfach deswegen, weil wir alle wissen, daß ein neues wahrscheinlich in Vorbereitung und Arbeit ist, und es ganz nützlich ist — auch für den Bundesminister der Verteidigung — zu wissen, was der eine oder andere in diesem Hause darüber denkt.
Ich möchte mit einem Punkt anfangen, von dem ich meine, daß er im nächsten Weißbuch eine sehr viel stärkere Berücksichtigung finden müßte. Das ist der Punkt, in dem es in dem jetzigen Weißbuch über den Zusammenhang der militärischen und der zivilen Verteidigung geht. Die Feststellung, die in dem Weißbuch getroffen worden ist, verdeutlicht die in unserem Lande zu beklagende mangelnde Koordinierung zwischen militärischer und ziviler Verteidigung. So fasse ich das jedenfalls auf. Zwar wird auf Drucksache V/3683 — Bericht der Bundesregierung über das Konzept der zivilen Verteidigung und das Programm für die Zeit bis 1972 — Bezug genommen und auch daraus zitiert, aber ich bin der Meinung, daß ein entscheidender Punkt in diesem Bericht eben nicht zitiert worden ist. Deswegen möchte ich das hier nachholen. Er lautet:
Die Wirksamkeit der Gesamtverteidigung ist somit von einem ausgewogenen Aufbau der militärischen wie der zivilen Komponente abhängig; Versäumnisse in dem einen Bereich lassen sich auch nicht durch verstärkte Anstrengungen in dem anderen ausgleichen.
Weil das nämlich so ist, weil hier eben auf der einen Seite große Anstrengungen gemacht werden, auf der anderen Seite viel zu geringe, ist diese Verteidigung ja auch im Volk draußen nicht glaubwürdig — das ist jedenfalls meine Meinung.
An dieser gleichmäßigen Planung mangelt es seit Jahren. Das Verhältnis der finanziellen Mittel, die für die militärische und die zivile Rüstung ausgegeben worden sind, verhält sich einschließlich 1969 wie 43 : 1. Praktisch sind also 43 DM für militärische Rüstung und 1 DM für zivile Verteidigung ausgegeben worden. Wenn man die mittelfristige Finanzpla-



Schultz (Gau-Bischofsheim)

nung fortschreibt, wird sich das Verhältnis bis 1972 auf 50 : 1 verschlechtern.
Ich möchte noch einmal auf das Weißbuch eingehen. Das Vorwort im ersten Satz sagt:
Die Regierungspolitik in allen für unseren Staat wichtigen Fragen muß zu jeder Zeit klar und verständlich sein.
Ich meine, hier ist die Regierungspolitik eben nicht klar und verständlich. Wir haben zwar in diesem Hohen Haus in großer Kraftanstrengung — zwar nicht so, wie wir es gern gehabt hätten, aber immerhin — erheblich einschneidende Gesetze verabschiedet, die den Verteidigungsfall betreffen. Wir haben sie verabschiedet, aber die praktischen Folgerungen sind nicht gezogen worden, weil das Geld wieder nicht dagewesen ist oder weil es woanders ausgegeben werden mußte, ja, weil man vielleicht gar nicht so weit gehen wollte — was vielleicht auch möglich gewesen wäre —, aus dem Verteidigungshaushalt entsprechende Mittel für die zivile Verteidigung abzuzweigen, wenn es nicht anders geht.
Ich bin nur der Meinung: wenn die Ausgewogenheit zwischen diesen beiden Bereichen nicht hergestellt wird, wird es nicht an der mangelnden Bereitschaft, für das Volk Dienst zu tun, wird es nicht an der Wehrgerechtigkeit scheitern, sondern dann wird es letzten Endes an diesem Problem scheitern, daß wir zu einer Gemeinsamkeit in unserer ganzen Bevölkerung kommen.

(Abg. Berkhan: Welches Verhältnis würden Sie als ausgewogen ansehen?)

— Das sind ähnliche Fragen wie die, die Ihnen vorhin gestellt worden sind. Ich möchte sagen, überlassen wir es der Ausschußberatung. Ich wollte nur einmal auf den Widerspruch hinweisen, und nicht eine genaue Zahl fixieren, wie es nun sein sollte. Ich glaube, der Widerspruch ist deutlich geworden.
Ich will gar nicht der jetzigen Bundesregierung vorwerfen, daß sie hierfür allein die Schuld trage. Das ist eine Sache, die wir lange mitschleppen. Ich darf für die Freien Demokraten nur vielleicht doch sagen, daß wir, ob in Opposition oder in Koalition, immer wieder versucht haben, in der Frage der zivilen Verteidigung die Dinge in dieser Richtung weiter voranzubringen.
Wenn man davon spricht, kommt man zwangsläufig zu den Begriffen und den Aussagen, die im Weißbuch unter dem Stichwort „Verteidigungsbereitschaft" stehen. Der Feststellung, daß die Aufgabe, die Freiheit und die Unversehrtheit unseres Landes im Verein mit den verbündeten Mächten zu bewahren, nur erfüllt werden kann, wenn unsere verteidigungspolitischen Anstrengungen von der Verteidigungsbereitschaft der gesamten Bevölkerung, vor allem der Jugend, getragen werden — das ist etwa die Feststellung, die dort getroffen worden ist —, ist nur zuzustimmen. Nun möchte ich aber einmal fragen: Wieweit haben es eigentlich Verteidigungsminister und Bundeskanzler aller Regierungen in der Bundesrepublik bisher verstanden, diese Bereitschaft und das entsprechende Verständnis nicht nur aus Hurra-Patriotismus — darüber ist heute früh genug gesprochen worden —, sondern aus schlichter und einfacher Notwendigkeit, dem Staat zu dienen, zu wecken? Ich bin der Meinung, daß das nicht durch gelegentliche Feststellungen, Dankadressen usw. hier im Bundestag geschehen kann, sondern daß hier eine permanente Überzeugung notwendig ist, eine permanente Überzeugung in Rede und Gegenrede, der sich nicht nur die Fraktionen dieses Hauses und die Parteimitglieder draußen stellen müssen. Das muß natürlich auch innerhalb der Organisationen und Einrichtungen unseres Landes auf Anstoß der Regierung hin geschehen. Ich glaube, daß ein mehr hier für die Zukunft notwendig ist und schon sehr viel früher nützlich gewesen wäre.
Ich will Ihnen dafür ein Beispiel sagen. Dieser Tage hat der Reservistenverband seine Jahrestagung abgehalten. Da ging es wesentlich ruhiger zu. Zumindest hat diese Tagung keine Rückwirkungen gehabt wie die des Bundeswehrverbandes. Der Reservistenverband schrieb über seine Tagung als Motto: Reservisten — Wehrbürger der Demokratie. Das hat ihm recht schnell — allerdings verhältnismäßig versteckt, auf der dritten oder vierten Seite — eine Rüge in der Gewerkschafts-Wochenzeitung „Welt der Arbeit" eingetragen, in der dieses Motto in die Nähe der Militarisierung gerückt worden ist. Nun bin ich aber der Meinung — und wir alle sind, glaube ich, derselben Auffassung —, daß das Bestimmende der Sicherheitspolitik der NATO und damit der Bundesrepublik die Friedenserhaltung durch Abschreckung ist. Darüber sind wir uns wohl einig. Diese Abschreckung, um den Krieg zu verhindern, beruhte lange Zeit auf dem allein möglichen Einsatz nuklearer Waffen mit allen seinen Folgen. Aus verschiedenen Gründen — ich komme nachher noch einmal darauf zurück — ist diese Art der Abschreckung allein nicht mehr ausreichend. Abschreckung zum Zweck, den Frieden auf dieser Erde zu erhalten, geht, wie ich meine, besonders auch in Mitteleuropa sehr viel mehr von der Bereitschaft aller Bürger eines Staates aus, den, der das eigene Staatsgebiet durch Anwendung militärischer Mittel verletzt, zurückzuwerfen. Was — so möchte ich, eigentlich nur rhetorisch, fragen — gibt es an „konzertierten Aktionen", um diese sehr primitive, aber reale Auffassung Allgemeingut der politischen Überzeugung unserer Bürger draußen werden zu lassen? Wie lange wird es noch dauern, bis verstanden wird, daß Abschreckung im Sinne der Friedenserhaltung nur dann glaubhaft gemacht werden kann, wenn sich die Bevölkerung mit dem Gedanken der Selbstverteidigung identifiziert? Sie kann sich aber nach meiner Auffassung und der meiner Freunde nur dann damit identifizieren, wenn das Verteidigungskonzept klar und einfach als rein defensiv verstanden werden kann und auch eine Überlebenschance übrig läßt. Von da her gesehen wiederum ist der „Wehrbürger" kein militaristischer Begriff, sondern er symbolisiert nur die Tatsache, daß Sicherheit auf der einen erst die Entspannung auf der anderen Seite möglich macht.
Im Verteidigungsweißbuch ist auch ein Passus eingefügt, der sich mit dem Problem der Vorwarnzeit beschäftigt. Hier möchte ich meinen, daß dieser Punkt im nächsten Bericht doch etwas genauer und



Schultz (Gau-Bischofsheim)

besser ausformuliert und ausgedeutet werden muß. Ich meine, daß man hier auf die Unterscheidung zwischen politischer und militärischer Vorwarnzeit mehr eingehen sollte.
Die erstere wird, so meine ich jedenfalls, länger sein, und in ihr muß und kann politisches Handeln in Gang gesetzt werden. Man kann in dieser Zeit etwas tun, um eine drohende Kriegsgefahr wieder zu reduzieren, sei es, daß man mit der Gegenseite zu Übereinkommen kommt, die einem Konflikt oder einem drohenden Konflikt wieder die Schärfe nehmen, sei es auch, daß man durch ein In-Bereitschaft-Setzen der eigenen Verteidigungskapazität sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich ein deutliches Zeichen setzt. Wir kennen das Wort, mit dem solches Handeln umschrieben wird; es ist das englische Wort „crisis management", was eigentlich nichts anderes bedeutet als Bewältigung einer politischen Krise, die einen Waffengang im Gefolge haben könnte.
Auch im Falle der Intervention der Sowjetunion und ihrer Verbündeten in der Tschechoslowakei war diese Zeit der politischen Hochspannung vorhanden. Ich kann mir nicht denken — und hier befinde ich mich im Gegensatz zu dem Weißbuch —, daß, wenn es zu einer Konfrontation zwischen den beiden Paktsystemen in Mitteleuropa kämen, nicht eine solche Zeit politischer Hochspannung vorgeschaltet wäre. Man kann sich vorstellen, daß eine Verwicklung der beiden großen Mächte dieser Erde, sagen wir, über
den Nahost-Konflikt, mit Sicherheit ihre Auswirkungen auf uns in Mitteleuropa hätte. Wir wollen hoffen und wünschen, daß so etwas nicht geschieht, sondern daß es gelingt, auch dieses Problem, das uns sehr naheliegt, schließlich doch „friedlich" zu regeln. Aber von dort aus jedenfalls könnte natürlich immer der Funke überspringen, und wir meinen, daß es dann in der Zeit dieser Spannung doch die Möglichkeit gäbe, entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen zum Überstehen eines solchen Konflikts zu treffen. Dieser Zusammenhang sollte, meine ich, auch im nächsten Weißbuch etwas genauer ausgeführt werden.
Was das Problem der militärischen Vorwarnzeit anlangt, so muß ich allerdings zustimmen, wenn gesagt wird, daß die Zeit vom Fassen des Entschlusses zur militärischen Intervention bis zur Auslösung nur verhältnismäßig kurz zu sein braucht. Es kommt bei uns aber wohl darauf an, daß eben in der dieser militärischen Vorwarnzeit vorgelagerten politischen Spannungszeit die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden. Sie können unterbleiben — davon wird häufig gesprochen — aus Furcht vor Eskalation. Ich möchte dazu meine Meinung sagen: Angst vor Eskalation ist kein crisis management. Wir sind uns natürlich völlig darüber klar, daß wir eine Bundeswehr nur haben und unterhalten müssen, weil die Bedrohung vorhanden ist. Die „Times" hat vor einiger Zeit sehr gut ausgedrückt, unter welcher Art der Bedrohung wir leben:
Es mag in höchstem Grade unwahrscheinlich sein, daß sowjetische Panzer
— so schreibt die „Times" —
diese Grenze zwischen Bundesrepublik und Warschauer Pakt überschreiten. Der Grad der Unwahrscheinlichkeit steht jedoch in direkter Beziehung zu den Panzern auf unserer eigenen Seite und der hierin liegenden politischen Entschlossenheit.
Es wäre in der Tat töricht, wenn wir darüber hinwegsehen wollten. Wir sind nun allerdings der Meinung, daß es darauf ankommt, im Bereich unterhalb der atomaren Schwelle die Mittel zur Verfügung zu haben, die dem Gegner eine solche Aggression als zu risikoreich und zu gefährlich erscheinen lassen. Daran fehlt es ohne Zweifel noch. Deswegen möchten wir auch die Erläuterungen des Konzepts der angemessenen Reaktion, der flexible response, im Verteidigungsweißbuch sehr viel deutlicher und — wie wir meinen — mehr auf die Realitäten abgestimmt formuliert wissen. Ich will Ihnen nicht die Direktive, die die Grundlage für die flexible response gewesen ist, hier vorlesen. Es genügt, daß wir wissen, über was wir reden. Aber es muß doch deutlich sein und, wie ich glaube, viel deutlicher werden, daß dieses Konzept der flexiblen Antwort die Ablösung des Konzepts der massiven Vergeltung ist, das für elf Jahre vorher, vor dem 9. Mai 1967, gegolten hat. Warum sich diese Doktrin geändert hat, ist hier oft besprochen worden; ich brauche nur das Stichwort „atomares Gleichgewicht" in den Raum zu stellen. Ich meine aber, daß dieses atomare Gleichgewicht auch noch etwas anderes mit sich gebracht hat, nämlich eine sehr viel deutlichere Unterscheidung zwischen nuklearen und konventionellen Waffen. Es bedeutet nämlich, daß Kriege mit konventionellen Waffen unterhalb der nuklearen Schwelle möglich geworden sind, so scheußlich das an sich ist. Aber man muß sich eben, glaube ich, damit abfinden. Es wäre früher eine Auseinandersetzung gar nicht denkbar gewesen, ohne die nuklearen Waffen als prima ratio einzusetzen. Das, was die flexible response heute bedeutet, ist, daß die nuklearen Waffen nunmehr ultima ratio sein könnten, wenn es schließlich darauf hinausliefe. Diese Unterscheidung kommt auch sehr deutlich darin zum Ausdruck, daß sich im Bereich der taktischen Nuklearwaffen der amerikanische Präsident die Entscheidung vorbehalten hat und nicht bereit ist, sie in Hände von Militärs — etwa des Oberbefehlshabers in Europa für die NATO — abzugeben. Ich meine, daß dieser Feststellung die Verteidigungspolitik, das Verteidigungskonzept der Bundesregierung immer noch nicht Rechnung trägt. Sie wissen, was wir hier immer wieder sagen. Wir sind der Meinung, daß wir die konventionelle Rüstung so stark machen müssen, daß wir in der Tat eine Möglichkeit haben, bei einem Angriff eine deutliche Pause zu erzwingen. Es wird bezweifelt, ob wir das erreichen können. Wir meinen, daß wir es können, wenn die Verteidigungsdispositionen und -konzeptionen entsprechend umgestellt werden.
Wir sind froh, daß zumindest von der militärischen Seite her eine sehr viel deutlichere Sprache gesprochen wird als von der politischen Seite her. Ich darf auf das Interview verweisen, das der Heeresinspek-



Schultz (Gau-Bischofsheim)

teur, General Schnez, am 15. März 1969 in der „Bonner Rundschau" gegeben hat und das bisher unwidersprochen geblieben ist. Dort steht am Anfang der Satz: Den Gegner abzuwehren mit taktischen Atomwaffen — und zwar als Form der Kriegsführung — hätte für unser Land ähnliche Auswirkungen wie ein großer Atomkrieg.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524407400
Herr Kollege Schultz, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Berkhan? — Bitte, Herr Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524407500
Herr Kollege Schultz, Sie haben jetzt mehrfach das Wort „wir" gebraucht. Nur zur Klarstellung, weil man es später nachlesen möchte: Ist mit „wir" die Freie Demokratische Partei gemeint, ist mit „wir" die Bundesrepublik Deutschland gemeint, oder ist mit „wir" das Bündnis gemeint, in dem die Bundesrepublik Deutschland ihre militärische Kraft integriert hat?

(Zuruf von rechts: Pluralis maiestatis!)

Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Ich nehme an, daß das hier der Pluralis maiestatis gewesen ist, wie Sie ganz richtig gesagt haben. Ich meine, die Freien Demokraten vertreten diese Auffassungen. Was ich allerdings von Schnez vorgelesen habe, ist die Auffassung von Schnez, die zufällig mit der der Freien Demokraten übereinstimmt.
Das Verteidigungsweißbuch hält einen selektiven
Einsatz von nuklearen Waffen — und das sind wieder die taktischen nuklearen Waffen — für durchaus möglich. Darüber streiten wir uns schon sehr oft. Da sind eben wir, die Freien Demokraten, anderer Auffassung. Nebenbei bemerkt, wieweit sich das Bündnis nicht noch zu einer anderen Auffassung durchringen wird, bleibt abzuwarten. Ich bin da gar nicht so hoffnungslos. Zur Zeit ist dort allerdings etwas anderes im Gange. Die Bundesregierung und die englische Regierung haben innerhalb der nuklearen Planungsgruppe gemeinsam eine Studie über den Einsatz von taktischen Nuklearwaffen ausgearbeitet. Diese Studie ist selbstverständlich wie alle diese Studien geheim, und deswegen ist es schwer, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen. Man kann sich eigentlich nur mit den Meinungen auseinandersetzen, die darüber verbreitet werden.
Da ist die Frage von Bedeutung, ob es letzten Endes darauf hinausgehen soll, daß im Rahmen der Studie oder als ihre Auswirkung die nukleare Schwelle wieder gesenkt werden soll. Wir, das sind wieder die Freien Demokraten, würden das für eine falsche Politik halten und würden das für einen Rückschritt in der Verteidigungsplanung als solcher halten, weil wir der Meinung sind, daß damit der Spielraum der einzelnen Regierungen zur Bewältigung von Krisen des NATO-Paktes, nicht von Krisen innerhalb der NATO selber, sondern von Krisen mit der gegenüberliegenden Seite, nicht vergrößert, sondern eher verringert würde. Ich bin der Meinung — nun sage ich einmal „ich", Herr Berkhan —, wenn der im Weißbuch dargestellten konventionellen militärischen Kapazität des Warschauer Paktes nichts anderes entgegengestellt werden kann als der selektive Einsatz nuklearer Waffen in einem sehr frühen Zeitpunkt eines wirklichen militärischen Konflikts, dann ist unsere politische Handlungsfreiheit und letzten Endes unsere politische Sicherheit im Augenblick nicht als sehr gut anzusehen. Ist es nicht vielmehr so, daß die Regierungen aller Staaten, die in der NATO vereinigt sind, sich davor scheuen, das Notwendige im Rahmen der konventionellen Verteidigung zu tun, weil angeblich die atomare Komponente billiger ist? Ist das eigentlich richtig, was wir hier machen? Dient das nun wirklich unserer Sicherheit? Praktisch ist an uns die Frage zu stellen: Können wir nicht endlich erkennen, daß Ausgaben für atomare Trägerwaffen keine sinnvolle militärische Ausgabe sind? Wir glauben, daß hier Menschen, Material und Finanzen gebunden werden, die anderswo im Verteidigungsbereich besser eingesetzt und verwandt werden können.
Wir sagen immer wieder, daß die eigentliche Aufgabe der Bundeswehr im Bereich der konventionellen Verteidigung liegt und daß hier die Modernisierung der Waffensysteme angestrebt werden muß, die Modernisierung allerdings im Verhältnis zur Bedienbarkeit durch normale Menschen. Wir haben in dieser Richtung in der jüngsten Zeit manches getan. Mit Zustimmung der Freien Demokraten ist in diesem Bereich eine ganze Reihe von Beschaffungen vorgenommen worden. Das halten wir für gut und richtig.
Allerdings sind wir uns auch klar darüber, daß der Einsatzwert der Bundeswehr nicht allein von Bewaffnung und Ausrüstung abhängt, sondern daß er natürlich im wesentlichen von dem bestimmt wird, worüber heute früh schon gesprochen worden ist, nämlich von der Gesamtsituation in personeller, psychologischer und menschlicher Hinsicht. Wir sind froh darüber, daß wir hier das Fachoffiziersgesetz, das Eingliederungsgesetz und dergleichen mehr beschließen konnten. Wir begrüßen die Meinung des Kollegen Ernesti in bezug auf einen gerechten Ausgleich für Soldaten, die auf Grund besonderer Aufgaben sehr viel mehr Dienststunden zu leisten haben. Alle diese Dinge sind notwendig und richtig, und wir hoffen, daß wir im neuen Bundestag schnell zu einer entsprechenden Regelung kommen werden.
Aber es ist vielleicht doch noch zu sagen, daß eine leistungsorientierte Gesellschaft den Soldaten natürlich auch nach seiner Besoldung und seinem Verdienst bewertet. Schon von daher gesehen ist noch manches zu tun, wenn man die Verantwortung betrachtet, die Einheitsführer, die Unteroffiziere durch die Aufgabe zu übernehmen haben, die ihnen übertragen worden ist.
Herr Kollege Ernesti hat schon darauf hingewiesen, daß die Ausschöpfung des Reservistenpotentials eine Frage ist, mit der wir uns weiter beschäftigen müssen. Ich stimme Herrn Ernesti voll zu, bin aber der Meinung, daß gerade dazu im Weißbuch viel zuwenig gesagt worden ist. Das muß für uns ein wesentliches Problem in der Zukunft sein. Ich bin der Meinung, daß man hier die Möglichkeit hat, in diesem Bereich die konventionelle Abwehrlücke" zu schließen, ohne daß man entweder an der Rüstungs-



Schultz (Gau-Bischofsheim)

last erstickt oder aus Angst vor Selbstmord nichts mehr tut bzw. ihn durch nuklearen Einsatz selbst herbeiführt. Ich bin weiter der Meinung, daß die allgemeine Wehrpflicht nur dann sinnvoll ist, wenn sie auch in bezug auf die Reservisten entsprechend ausgenutzt wird. Daran fehlt es immer noch. Ich frage deshalb: Will man an den alten Strukturen, die wir jetzt haben, auf die Dauer festhalten?
Ich meine, daß ein Weniger an präsenten Verbänden, dafür voll aufgefüllt mit Menschen, Munition und Material, und ein Mehr an Kaderverbänden im Rahmen einer, möchte ich sagen, Milizarmee, ohne nun genau umschreiben zu wollen, was darunter im einzelnen zu verstehen ist, möglicherweise eine bessere Lösung wäre als das, was wir augenblicklich haben.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524407600
Herr Kollege Schultz, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Berkhan?
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Bitte!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524407700
Bitte, Herr Berkhan!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524407800
Herr Kollege Schultz, auf der Seite 24 des Weißbuchs — Präsenz, Beweglichkeit, Feuerkraft — steht etwas über eine Veränderung der Struktur. Darf ich Sie fragen, ob sich diese Veränderung in der Struktur schon in der Richtung bewegt, die Sie hier beschrieben haben. Ich bin jedenfalls dieser Auffassung.
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Ich bin sicher, daß sie sich in der Richtung bewegt. Nur muß immer wieder einmal deutlich gesagt werden, daß es so weitergehen sollte.

(Zuruf von der Mitte.)

— Es tut mir leid, Herr Kollege, wenn Sie das, was ich hier sage, als eine Zumutung empfinden. Es steht Ihnen frei, den Saal zu verlassen. Aber Sie werden durch diesen Zwischenruf nicht erreichen, daß ich das, was ich zu sagen habe, weil ich es zu sagen für notwendig halte, nun hier nicht sage.

(Zuruf von der Mitte: Sie handeln doch aber offensichtlich gegen eine Verabredung!)

— Nein, ich handle nicht gegen eine Verabredung. Mit mir hat niemand etwas verabredet.
Wir sind weiter der Auffassung — darüber sagt das Weißbuch verhältnismäßig wenig aus —, daß die Organisation der Landesverteidigung überprüft werden muß. Herr Ernesti hat das auch angesprochen; ich bin ihm dankbar dafür. Nur bin ich traurig darüber, daß der Gesetzentwurf, den wir zu dieser Frage vorgelegt haben, eine so geringe Anteilnahme oder ein so geringes Interesse bei den Regierungsparteien gefunden hat. Nun, vertagen wir das auf den nächsten Bundestag. Aber eins möchte ich heute schon sgen: Was mir augenblicklich etwas Sorgen macht, ist die Tatsache, daß sich innerhalb der Bundeswehr eine Tendenz anzubahnen scheint, die wieder ein Auseinanderlaufen in Teilstreitkräfte oder Teilstreitkraftlösungen deutlich macht. Die Bundeswehr ist als Bundeswehrlösung konzipiert worden, und dabei sollten wir auch ohne Zweifel bleiben. Wenn man an die Bundeswehrlösung denkt, muß man wissen, daß Personalführung dann auch bundeswehreinheitlich gemacht werden muß. Es ist eine schlechte Sache, wenn man, sagen wir, in der Luftwaffe schneller Karriere machen kann als im Heer, weil dort eben weniger sind. Das aber ist ohne Zweifel heute der Fall.
Im militärischen Bereich ist es unabdingbar, daß der Generalinspekteur und auch die Inspekteure Disziplinarbefugnis erhalten und daß sie befehlen können. Das war, nebenbei bemerkt, eine Forderung beim Amtsantritt des Generalinspekteurs. Diese Forderung ist noch nicht erfüllt. Ich würde es für nützlich halten, sie zu erfüllen. Wir werden uns darum bemühen.
Führung muß nicht immer zentral sein, sondern Führung muß auch dezentralisiert werden können. Auch das ist eine Notwendigkeit der Organisationsänderung. Wir leiden daran, daß alles über einen Schreibtisch laufen muß und dadurch Entscheidungen verzögert und zu spät gefällt werden.
Das neue Weißbuch sollte in der Tat die Anregungen aufgreifen, die im Laufe dieser Legislaturperiode und insbesondere im letzten Jahr in diesem Parlament gemacht worden sind. Wir wünschen uns, daß wir dann etwas finden, woran wir erkennen können, daß die Weichen für die Zukunft doch etwas anders gestellt worden sind.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0524407900
In Anwendung des § 116 c unserer Geschäftsordnung hat der Herr Wehrbeauftragte das Wort.
Vor zwei Tagen hat er seinen 65. Geburtstag gefeiert. Einige Redner haben ihm schon Glückwünsche ausgesprochen. Ich darf das noch zusätzlich im Namen des ganzen Hauses tun.

(Beifall.)

Hoogen, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst sehr herzlichen Dank für Ihre Glückwünsche, Herr Präsident. In den Dank möchte ich die einbeziehen, die mir die Glückwünsche im Laufe der Debatte ausgesprochen haben, und ich darf meinen Dank anschließen für die anerkennenden Worte, die die Redner in dieser Debatte für den Bericht und für meine Arbeit gefunden haben.
Meine Damen und Herren, wenn ich die Zeichen der Zeit rechts und links oben recht verstehe, sollte ich mich kurz fassen. Ich werde das auch tun und zu manchen Problemen hier nicht mehr Stellung nehmen. Ich möchte allerings ein Problem aufgreifen, das mich sehr bewegt, das in meinem Jahresbericht — auch schon im vorletzten — angesprochen ist, das hier auch in der Debatte am 15. Januar dieses Jahres angesprochen wurde und das mir deswegen sehr am Herzen liegt, weil ich fürchte, daß das Unbeha-



Hoogen
gen unter den Soldaten der Bundeswehr nicht abnimmt. Es wird zwar viel getan — das ist sicher anzuerkennen, — aber manchmal könnte der Eindruck aufkommen, daß an Symptomen kuriert wird, ohne dem Übel auf den Grund zu gehen.
Obwohl ich es mir vorgenommen hatte, möchte ich jetzt über die Fragen der Inneren Führung nicht mehr sprechen. Ich habe in meinem Jahresbericht auf 24 Seiten, d. h. etwa zwei Drittel, wenn nicht sogar drei Viertel des Berichts, dazu Stellung genommen. Eine ganze Reihe von Fragen ist hier angesprochen worden; es würde also eine Wiederholung bedeuten.
Soweit Sie, Herr Abgeordneter Buchstaller, die Frage der von mir aufgeworfenen drei Führungsstile erwähnt haben, und zwar, wie ich es bezeichnet habe, den traditionalen, den kooperativen und den personalen Führungsstil, und Sie dazu Vorschläge von mir vermißt haben, darf ich Ihnen antworten, daß ich mich dazu nicht für befugt halte.
Ich habe die Fragen aufgeworfen; mehr wollte ich nicht tun. Ich wäre sehr glücklich, wenn — insbesondere vom Herrn Bundesminister der Verteidigung — zu diesen Fragen Stellung genommen würde. Diese Stellungnahme braucht natürlich nicht heute zu geschehen.
Eines möchte ich aber doch hinzufügen. Ich würde eine Zudeckung der Truppe mit einem engmaschigen Netz von Vorschriften und Erlassen nicht als Führung ansehen. Ein Verband von etwa 2100 Soldaten konnte z. B. mit 254 ZDvs, LDvs, Besonderen Anweisungen für den Fernmeldebetrieb, STANAG etc. in mehreren Ordnern aufwarten. Mehr möchte ich dazu rein negativ nicht sagen.
Ich möchte aber — das sagte ich schon — zu einem Punkte Stellung nehmen. An der Stelle meines Jahresberichtes, die der Herr Bundeskanzler heute morgen vorgelesen hat, heißt es — ich möchte das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier wiederholen —:
Es ist deshalb an der Zeit, die Grundsätze der Inneren Führung in einer lehr- und lernbaren Darstellung den Soldaten der Bundeswehr, insbesondere den Vorgesetzten für Unterrichtszwecke, nahezubringen und hierbei die politischen, gesellschaftlichen und militärischen Entwicklungen — auch im Hinblick auf das Berufsbild und das Selbstverständnis des Soldaten —
eingehend zu berücksichtigen.
Das ist mein Wunsch im Hinblick auf die Neufassung des Handbuchs der Inneren Führung.
Es ist das Stichwort „Berufsbild" gefallen. Ich sagte soeben schon: das „Berufsbild" ist in meinem Jahresbericht 1967 behandelt worden; es ist auch in meinem jetzigen Jahresbericht — und zwar nicht nur an dieser Stelle — erörtert worden, und es ist auch in meinen Diskussionsbeiträgen hier von mir zur Diskussion gestellt worden. Ich halte die Frage der Neuordnung des Berufsbildes des modernen Soldaten — und ich meine den Berufssoldaten, den Zeitsoldaten und auch den wehrpflichtigen Soldaten — im Interesse der Schlag- und Kampfpraft der
Armee, aber auch im Interesse der Soldaten selber für wichtig, damit diese wissen, woran sie sind, wenn sie sich für den Soldatenberuf entscheiden. Ich befinde mich mit dieser Auffassung in, wie ich glaube, sehr guter Gesellschaft. Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang einige wenige Sätze aus einer Rede des Inspekteurs der Luftwaffe, Herrn General Steinhoff, gehalten im Oktober des vergangenen Jahres vor dem Offizierskorps der Luftwaffe an der Technischen Akademie der Luftwaffe in Neubiberg, vorlesen. Ich halte das dort Gesagte — ich möchte davon, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten, nur zwei, drei Sätze zitieren — für eine ausgezeichnete Analyse dieses vielschichtigen Problems. Diese entspricht auch meiner persönlichen Meinung, die ich schon seit langer Zeit vertrete. Ich werde bei Truppenbesuchen — das wird dann in meinen Jahresbericht Eingang finden — gerade auch mit den jüngeren Offizieren der Bundeswehr über diese Fragen sprechen, damit sie das Empfinden haben, daß sie bei der Regelung des Berufsbildes eines modernen Soldaten nicht übergangen werden. Herr General Steinhoff hat damals am 11. Oktober 1968 in Neubiberg folgendes gesagt:
Unser Vorstellungsbild vom Offizier, wie es auch den gesetzlichen Laufbahnregelungen zugrunde liegt, ist immer noch zu stark vom traditionellen Typ des sogenannten Einheitsoffiziers mit Verwendungsbreite und Austauschbarkeit bestimmt. Es entspricht nicht mehr der vorwärtseilenden technologischen Entwicklung, die das Wesen der Luftwaffe in besonderem Maße kennzeichnet,
— und dann fügt General Steinhoff hinzu —
aber auch die anderen Teilstreitkräfte zunehmend prägt und verändert.
Er sagt an anderer Stelle weiter:
Die Tatsache als solche ist bekannt, aber ins Bewußtsein, besonders im Hinblick auf die daraus zu ziehenden Konsequenzen, ist sie bisher nur teilweise eingedrungen. So muß man feststellen, daß das Vorstellungsbild vom Offizier, davon abhängend seine Ausbildung, sein Selbstverständnis und seine Haltung, immer noch von Konservativismen belastet sind, die viele Bestrebungen der weiteren Entwicklung hemmen und belasten.
Meine Damen und Herren, genau das ist es — an anderen Stellen der Rede ist es nochmals gesagt worden —, um was es mir seit langer Zeit geht. Ich habe mich bemüht, das in meinem Jahresbericht, der heute besprochen wurde, darzustellen. Ich bemühe mich, das weiter auf Grund der Erkenntnisse zu erörtern, die ich jetzt nach einem halben Jahr erneut gewonnen habe; denn bereits in einem halben Jahr ist der nächste Jahresbericht fällig. Ich bin sehr glücklich darüber, dem nächsten Deutschen Bundestag — es ist der 6. Deutsche Bundestag — den Bericht über das Jahr 1969 gleich zu Beginn seiner Arbeit vorlegen zu können.

(Beifall auf allen Seiten des Hauses.)





Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524408000
Ich danke dem Herrn Wehrbeauftragten.
Das Wort hat nunmehr Herr Ollesch.

(Zuruf: Ist nicht im Saal!)

Ist nicht im Saal. — Dann erteile ich das Wort dem Herrn Bundesverteidigungsminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524408100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß der Kollege Ollesch gerade nicht im Saal war. Ich möchte Ihnen versprechen, Herr Kollege Ollesch, daß ich alles anhören werde, was Sie zu sagen vorhaben, und notfalls kann ich darauf noch eingehen.
Ich will nun zu sechs Punkten Stellung nehmen.
An den Eingang meiner Ausführungen möchte ich setzen, daß ich dem Herrn Wehrbeauftragten für seinen Bericht danke, und eigentlich noch mehr als für seinen Bericht für die gute Zusammenarbeit mit dem Ministerium, die sein Wirken in der Vergangenheit ausgezeichnet hat und, wie ich sicher bin, auch in Zukunft auszeichnen wird. Wir dienen derselben Sache, und wir leisten dafür den bestmöglichen Beitrag. Ich glaube, daß ist die Gesinnung, in der dies getan werden muß.

(Beifall.)

Meine Damen und Herren, über die Probleme der Inneren Führung ist hier heute morgen eingehend gesprochen worden. Ich möchte dem Herrn Bundeskanzler dafür danken, daß er so intensiv zu diesen Problemen Stellung genommen hat. Ich glaube, für die ganze Bundeswehr wird es sehr gut sein, im einzelnen zu erfahren, was er hier gesagt hat, weit über den Bundeswehrverband und über dieses Haus hinaus. Wir werden sehen, in welcher Form wir das erreichen können.
Ich möchte denen danken, die in lobender Weise, wenn ich so sagen darf, meine Münchener Rede erwähnt haben. Meine Münchener Rede — ich habe hier ein gedrucktes Exemplar davon — ist in Grün gebunden worden. Grün ist eine optimistische Farbe. Ich hoffe, Sie lesen das Ganze nicht etwa als Giftgrün — den davon ist nicht eine Spur darin — sondern als das Grün des Optimismus. Ich hoffe, daß wir uns in den Grundsätzen, die dort niedergelegt sind, tatsächlich einig sind. Jedenfalls habe ich aus der Debatte diesen Eindruck gewonnen.
In der Debatte ist ein paarmal erwähnt worden — ich glaube, auch Herr Jung hat sich damit des längeren beschäftigt —, daß wir eine Neuauflage des Handbuchs für Innere Führung brauchten, und das ist nachdrücklich gesagt und unterstrichen worden. Ich möchte hier, damit Mißverständnisse vermieden werden, unterscheiden zwischen dem Handbuch für Innere Führung und dem Kompendium, dessen Neuherausgabe wir mehrfach — auch in der Fragestunde — angekündigt haben. Dieses Kompendium — ich will jetzt nur davon sprechen — soll drei Abschnitte umfassen. Es soll sich zu den grundsätzlichen Fragen der Inneren Führung verhalten, so wie ich das etwa in meiner Münchener Rede getan habe, es soll Begriffsbestimmungen und Definitionen enthalten, und schließlich soll es in einer dritten Abteilung eine Hinweisübersicht auf Schriftgut des In- und Auslandes über Führungsfragen geben; eine Hinweisübersicht, die ständig ergänzt werden soll. Wir meinen, daß das Führer- und Unterführerkorps damit einen Überblick über die notwendigen Arbeitsgrundlagen für den staatsbürgerlichen Unterricht, auf den neuesten Stand gebracht, haben wird. Daß ein solches Arbeitsvorhaben nicht von heute auf morgen verwirklicht werden kann, wird jeder verstehen und einsehen. Es wird aber sehr ernsthaft daran gearbeitet. Wir hoffen, es in absehbarer Zeit tatsächlich fertig stellen zu können.
Über die Kriegsdienstverweigerung und den Ersatzdienst ist heute morgen von mehreren Kollegen gesprochen worden. Ich möchte gerade zu diesem Punkt einige Daten geben, die mir doch wesentlich erscheinen.
Wir haben heute morgen den Herrn Bundesminister für Arbeit leider nicht hier — er hat sich wegen einer anderen dringenden Sache entschuldigen lassen —, aber ich darf die Zahlen benutzen, die er seinen Ausführungen zugrunde legen wollte. Wenn Sie sich die einmal anhören, werden Sie daraus sehr schnell die Problematik ersehen, die sich hier stellt. Die Zahlen stellen sich heute wie folgt dar:
Es gehören 11 786 anerkannte Kriegsdienstverweigerer Jahrgängen an, die entsprechend der Praxis der Bundeswehr gegenwärtig zur Einberufung heranstehen. Von diesen leisten zur Zeit 2425 Ersatzdienst, 1157 haben bereits Ersatzdienst geleistet. 3310 sind befreit, unabkömmlich oder zurückgestellt, so daß nach dem Stand von Ende Mai dieses Jahres noch 4897 Ersatzdienstpflichtige einberufen werden müßten. Da diese Zahl sich im Laufe des Jahres 1969 noch erhöhen wird, müssen mindestens 6000 Dienstplätze zur Verfügung stehen. Um dies zu erreichen, sind mehrere Maßnahmen durchgeführt worden. Diese Maßnahmen haben die Zahl der Plätze innerhalb des letzten Halbjahres von 2700 auf gegenwärtig rund 4000 erhöht. Nach dem bisher gewonnenen Überblick erscheint es möglich, bis Ende dieses Jahres weitere 2000 Plätze zu schaffen und damit den eingangs genannten Sofortbedarf von 6000 Plätzen zu decken. Die Bundesregierung wird auch weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun — das möchte ich hier nachdrücklich unterstreichen —, um der Entschließung, die dieses Hohe Haus am 15. Januar gefaßt hat, in vollem Umfang gerecht zu werden.
Ich möchte aber aus der Praxis noch ein einziges Faktum beleuchtend hinzufügen, das den einen oder anderen von Ihnen nachdenklich stimmen wird. In den letzten Monaten haben zirka 20 Einrichtungen mit insgesamt rund 200 Plätzen auf die weitere Beschäftigung von Ersatzdienstleistenden verzichtet. Das ist auf das Verhalten einzelner Dienstleistender zurückzuführen, die Unruhe in die Krankenhäuser tragen und sie für politische Aktionen „umfunktionieren" möchten. Ich bin davon überzeugt, meine Damen und Herren, daß wir auch dieses Problem lösen werden, Aber man muß sich darüber klar sein,



Bundesminister Dr. Schröder
daß das Problem existiert. Wir können und dürfen uns bei der Lösung dieses Problems natürlich nicht auf staatliche Zwangsmaßnahmen beschränken, auch wenn es sich um einen zahlenmäßig kleinen Teil der Dienstleistenden handelt. Wir dürfen sie nicht isolieren, sondern müssen die geistige Auseinandersetzung mit ihnen suchen. Dazu gehört auch, daß wir mehr als bisher politische Bildungsveranstaltungen für die Dienstleistenden durchführen. Zur Zeit werden die organisatorischen und personellen Voraussetzungen dafür geschaffen.
Ich dachte, daß es gut wäre, diese Beleuchtung aus der Praxis zu geben. Sonst macht man sich vielleicht eine falsche Vorstellung von dem, was tatsächlich möglich ist und wie die Wirklichkeit aussieht.
Dies ist gleichzeitig eine Anmerkung zu den Betrachtungen, die Herr Kollege Schmidt, der jetzt leider nicht mehr da ist, angestellt hat. Sein Vorschlag hört sich ein bißchen an wie das „Ei des Kolumbus". Es tut mir leid, das „Ei des Kolumbus" fand er noch nicht; auch wenn es so vielleicht geklungen haben könnte. Wir werden darüber noch weiter sprechen müssen.
Der Kollege Buchstaller, dem ich mit großem Interesse zugehört habe, hat gesagt, entscheidend sei, daß die entsprechende dienstliche Atmosphäre überall besteht oder hergestellt wird. Er hat darin zweifellos recht.
Er hat auch zu meiner Erheiterung und gleichzeitig zu meiner Trauer einen Erlaß angeführt, von dem ich inzwischen festgestellt habe, daß er aus den 50er Jahren stammt. Ich werde ihn mir genau ansehen. Ich weiß nicht genau, wessen Unterschrift er trägt. In ihm ist also sehr sorgfältig zwischen Herren und Damen unterschieden worden. Das muß natürlich geschehen. Aber ob wir zwischen Herren und Männern sowie zwischen Damen und Frauen unterscheiden sollen? Das ist etwas, was ich gar nicht verknusen kann. Ich werden mir den Erlaß ansehen. Wir werden sehen, worauf das eigentlich zurückzuführen ist. Ich möchte Ihnen versichern, Herr Kollege Buchstaller, mit meiner Unterschrift wird es diese Art von Unterscheidungen nicht geben. Wenn es nötig ist, werden wir dafür sorgen, daß dieser Erlaß aufgehoben wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist die Verwendung nach Eignung gefordert worden. Ich weiß nicht, wer es vorgetragen hat. Ich habe es mir leider nicht notiert. Ich glaube, es ist der Kollege Jung gewesen. Dabei ist hinzugefügt worden, es sei völlig genügend, daß wir das einfach täten und den Zug von den Gleisen der Bürokratie herunterbrächten. In dem Zusammenhang darf ich einmal folgendes sagen: Jeder Wehrpflichtige wird vor Eintritt einer Eignungs- und Verwendungsprüfung unterzogen, die zu erkennen geben soll, wie er mit den ihm gegebenen Möglichkeiten in der Bundeswehr am sinnvollsten Verwendung finden kann. Jeder Freiwillige wird in dieser Hinsicht natürlich besonders geprüft. Alle werden nach ihren Wünschen gefragt, denen — und das ist nun die Grenze — nach Möglichkeit entsprochen wird. Offiziersanwärter und Bewerber zur Verwendung mit besonderen Forderungen werden besonderen Prüfungen ihrer Eignung unterzogen.
Alles, was ich hier sage, ist selbstverständlich. Aber es könnte so aussehen, als ob es etwa nicht genügend intensiv geschähe. Mindestens einmal im Jahr — das ist der Versuch, die richtige Verwendung zu kontrollieren — erfolgen Personalbesichtigungen von vorgesetzten Dienststellen, in denen die sinnvolle Nutzung von Ausbildung, Erfahrung und Eignung geprüft wird. Dies ist ein Beitrag zu den hierzu gemachten Äußerungen. Ich denke, daß damit die richtige und notwendige Klarstellung erfolgt ist.
Als sechste Bemerkung habe ich nur noch folgende zu machen: Jeder. von Ihnen — und alle, die hier anwesend sind, haben sich mit der Problematik eingehender befaßt —, aber auch jeder andere, der sich mit der Problematik eingehend befaßt hat, weiß, daß die Bundeswehr es heute sehr schwer hat. Sie lebt mitten in einer unruhigen, in einer sehr unruhigen Gesellschaft. Ich glaube, daß die Bundeswehr für ihr Verhalten in dieser Gesellschaft Dank und Anerkennung verdient. Ich freue mich darüber, daß das heute morgen so rückhaltlos ausgesprochen worden ist. Sie verdient aber nicht nur Dank und Anerkennung, sondern sie verdient auch eine gewisse Ermutigung,

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei der FDP)

und ich hoffe, daß die heutige Debatte eine solche Ermutigung für sie darstellen wird. Ich bin tief davon überzeugt, daß das, was getan werden muß und getan werden kann, nur dann möglich ist, wenn alle hier in diesem Hohen Hause daran intensiv mithelfen und mitwirken. Ich verlasse mich darauf, daß das geschieht. Deswegen ist die Prognose, die ich stelle, keine ungünstige, sondern eine ausgesprochen günstige. Ich würde nicht wagen, Herr Kollege Berkhan — ich sage das zu Ihnen, weil Sie gerade hier vor mir sitzen —, ich würde nicht so rückhaltlos zu sagen wagen, daß die gesellschaftliche Prognose, die ich stelle, genauso günstig und positiv ist wie die, die ich für die Bundeswehr stelle.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524408200
Ich danke dem Herrn Bundesminister der Verteidigung und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Ollesch.
Darf ich darauf aufmerksam machen, daß wir jetzt den letzten Redner haben und daß wir anschließend zur Abstimmung kommen. Ich darf Sie bitten, zu den Abstimmungen auch die anderen Kollegen mitzubringen.

(Heiterkeit.)

Bitte schön, Herr Abgeordneter Ollesch!

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0524408300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einen Satz des Herrn Bundesverteidigungsministers aufnehmen und ihn aus meiner Sicht ergänzen. Der Herr Bundesverteidigungsminister sagte, die Bundeswehr brauche Lob und Anerkennung. Hier stimme ich ihm für die Freien Demokraten in vollem Umfange zu. Wir meinen aber, daß sie auch einen glaubhaften



Ollesch
Kampfauftrag braucht, der Durchsetzungsvermögen und Durchsetzungsmöglichkeit beinhaltet. An einem solchen glaubhaften Verteidigungsauftrag — für die Bundeswehr glaubhaft und für unsere Bevölkerung glaubhaft — scheint es uns in den letzten Jahren vom Beginn der Schaffung der Bundeswehr an bis vor ganz kurzer Zeit wohl gefehlt zu haben.
In dieser Auffassung werden wir nicht nur durch einen Artikel in einem bekannten deutschen Nachrichtenmagazin, so sagt man ja, bestärkt, sondern auch durch einen sehr namhaften Militärkritiker in einer als seriös geltenden großen deutschen Tageszeitung, die beide übereinstimmend feststellten, daß die Bundeswehr bis vor kurzem einen Kampfauftrag eben nicht gehabt habe. Die vielbeklagte und -zitierte Unruhe in der Bundeswehr rührt nach unserer Auffassung aus dem Fehlen eines glaubhaften Kampfauftrages her.
Aber darüber wollte ich gar nicht sprechen, obwohl es sehr reizvoll wäre, zu einigen aufgerissenen Problemen Stellung zu nehmen, beispielsweise auch zu dem Problem der Kriegsdienstverweigerer. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich mir eine Lösung in dem Sinne, wie sie der Fraktionsvorsitzende Schmidt (Hamburg) angedeutet hat, doch vorstellen kann. Ich meine, daß der nächste Deutsche Bundestag die Gedanken in dieser Richtung weiterentwikkeln sollte. Ich selbst habe sie in der Vergangenheit in vielen Gesprächen mit Soldaten vorgetragen.
Ich sehe nicht die ungünstige Entwicklung bei dieser Lösung. Ich könnte mir vorstellen, daß, wenn es eben nicht mehr Heldentum, Märtyrertum oder politische Demonstration bedeutet, Kriegsdienstverweigerer zu sein, das Anschwellen der Zahl der Kriegsdienstverweigerer in absehbarer Zeit ins Gegenteil verkehrt werden könnte.
Aber darüber werden wir demnächst zu reden haben; heute ist sicherlich nicht mehr die Zeit dazu. Ich habe vielmehr unseren Antrag zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes vom Herbst 1967 noch einmal in zweiter Lesung zu begründen.
Der Schriftliche Bericht des Verteidigungsausschusses zu diesem Antrag liegt Ihnen vor. Daß dieser Antrag erst jetzt abschließend behandelt wird, liegt daran, daß die Freien Demokraten im Jahre 1968 im Zuge -der Überlegungen bei der Schaffung der Wehrgerechtigkeit bereit waren, die Behandlung zurückzustellen, weil sich aus den Beratungen der sogenannten kleinen Kommission herauskristallisierte, daß Gedanken ähnlicher Richtung in dieser Kommission mit Mehrheit angenommen werden würden. Die Kommission hatte tatsächlich einstimmig empfohlen, zur Wiederherstellung der Wehrgerechtigkeit bzw. zu ihrer schrittweisen Erreichung — die vollendete werden wir sicherlich nie erreichen — auch die Verkürzung der Grundwehrdienstdauer ins Auge zu fassen. Es wurde eine feste Zahl genannt: 15 Monate.
Allerdings ist von vielen Vorschlägen der kleinen Kommission auch dieser Vorschlag bis heute nicht verwirklicht worden; die Verwirklichung ist auch nicht ins Auge gefaßt. Als Begründung werden die Ereignisse des 21. August 1968 angeführt.
Der schriftliche Bericht, der das Ergebnis der Abstimmung im Verteidigungsausschuß zu unserer Vorlage festhält, spricht ja auch davon, daß eine Verkürzung im Sinne der Freien Demokraten nicht möglich sei, einmal wegen der derzeitigen gespannten Lage in Mitteleuropa, die eine sofortige Einsatzbereitschaft, eine hohe operative Beweglichkeit unserer Bundeswehr erfordere. Zweitens werden Rückwirkungen auf NATO-Verbündete befürchtet. Zum dritten wird mit Mehrheit festgestellt, daß erst das Fehl der einsatzbereiten Soldaten durch Längerdienende gedeckt werden müßte, das Fehl, das dann entstünde, wenn statt 18 Monaten nur noch 12 Monate Grundwehrdienst abgeleistet würden. Letztlich und endlich: Eine Folge des verkürzten Grundwehrdienstes wäre, daß mehr Wehrpflichtige eingezogen werden müßten, und dazu reiche das Ausbildungspersonal bekanntlich nicht aus. Das Fazit wird gezogen: eine Verkürzung der Grundwehrdienstdauer wäre im jetzigen Zeitpunkt nicht vertretbar.
Herr Kollege Berkhan hat hier vor einigen Minuten ähnliche Ausführungen gemacht. Er hat sich zwar nicht so sehr auf das heute fehlende Ausbildungspersonal bezogen, sondern mehr auf die welt- und militärpolitische Lage in Mitteleuropa. Aber mir scheint — Sie mögen mir das verzeihen, Herr Berkhan — es etwas unredlich zu sein, wenn draußen im Lande auch von den Vertretern der Sozialdemokraten immer wieder die Verkürzung der Grundwehrdienstdauer als möglich und durchführbar hingestellt wird, hier aber, wo entschieden wird, Zuflucht genommen wird zu der derzeitigen militärischen Lage oder zu der Lage auf dem Personalsektor, um einen Antrag der Freien Demokraten, der dann die Entscheidung fordert, abzulehnen.
Ich habe hier eine Verlautbarung der. Fraktion der SPD vom Januar 1969 vor mir, in der Herr Kollege Schmidt (Hamburg) erklärt:
Eine gleichmäßigere Heranziehung von Wehrpflichtigen scheint möglich, wenn unser Vorschlag
— der der SPD —
einer gleitenden Grundwehrdienstzeit von zwölf bis achtzehn Monaten durchgeführt wird. In vielen Einheiten, z. B. in Sicherungs- und Transportbataillonen, würde eine zwölfmonatige Grundwehrdienstzeit genügen.
Er schildert die Vorteile des verkürzten Grundwehrdienstes. Man könne mehr Wehrpflichtige einziehen, da der Durchlauf dann schneller erfolge. Er führt weiter aus:
Wir hatten diesen Vorschlag schon Mitte 1968 ins Auge gefaßt. Die militärische Operation der Warschauer-Pakt-Mächte gegen die CSSR ließ es dann geraten erscheinen, den Vorschlag zurückzustellen. Nachdem aber die Lage sich beruhigt hat, gibt es keinen Grund mehr, die zweckmäßige Form weiter aufzuschieben.

(Abg. Berkhan meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Ja, Herr Kollege Berkhan, ich führe weiter aus. Ich weiß, was Sie jetzt wollen. Er hat dann weiter gesagt:



Ollesch
Natürlich wird dabei teilweise vorausgesetzt, daß es dem Bundesverteidigungsminister gelingen würde, mit Hilfe der Gesetze
— von denen wir heute auch einige verabschieden —
die Personalstruktur zu verbessern.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524408400
Gestatten Sie an dieser Stelle eine Zwischenfrage des Abgeordneten Berkhan? — Bitte!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524408500
Herr Kollege Ollesch, sehen Sie nicht den grundsätzlichen Unterschied zwischen Ihrer Forderung nach Herabsetzung des Grundwehrdienstes auf zwölf Monate und der sozialdemokratischen Vorstellung, einen gleitenden Grundwehrdienst von zwölf bis achtzehn Monaten einzuführen?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0524408600
Herr Kollege Berkhan, ich sehe den Unterschied. Aber wir haben im Verteidigungsausschuß vergeblich auf konkrete Vorlagen von Ihnen gewartet, nachdem Sie draußen — Sie persönlich mit größeren Einschränkungen, Sie wollten erst die Personallage verbessert haben; aber Ihr Kollege Schmidt (Hamburg) mit geringeren Einschränkungen — die gleitende Wehrdienstzeit gefordert und immerhin erklärt haben, diese Reformen dürfen nunmehr — das war im Januar — nicht mehr hinausgeschoben werden. Wir hätten uns darüber unterhalten können. Zwölf Monate sind kein Evangelium.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524408700
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Berkhan? — Bitte !

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0524408800
Herr Kollege Ollesch, ist Ihnen entgangen, daß auch im Ministerium darüber nachgedacht wird, ob der . Grundwehrdienst mit achtzehn Monaten richtig angesetzt ist?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0524408900
Nein, Herr Kollege Berkhan, das ist mir nicht entgangen. Nur dauert uns Freien Demokraten das Nachdenken einfach zu lange. Wir denken nämlich schon

(Zuruf von der SPD: Schneller!)

seit 1967, das Bundesverteidigungsministerium erst seit 1968 nach. Immer dann, wenn es schien, als käme es zu einem Ergebnis, gab es irgendein tagespolitisches oder ein anderes politisches Ereignis, das alle Denküberlegungen des Ministeriums wieder über den Haufen warf.

(Abg. Rommerskirchen: So ist die Welt!)

— Sicherlich, so ist die Welt. Aber, Herr Kollege Rommerskirchen, wir können die Bundeswehr nicht nach tagespolitischen Ereignissen aufbauen.

(Beifall bei der FDP.)

Wir haben ein bestimmtes Ziel, und eine bestimmte
Aufgabe ist uns Politikern gestellt, und nach dieser
Aufgabe haben wir unsere Verteidigungsstreitkräfte
aufzubauen, langfristig geplant, nicht ohne Beachtung auch von kurzfristigen Ereignissen.

(Abg. Rommerskirchen: Aber Politik ist doch Reaktion darauf!)

— Natürlich, ich habe ja gesagt: auch unter Beachtung kurzfristig eintretender Ereignisse.
Meine Damen und Herren, ich will Sie — Sie kennen die Probleme wie wir — nicht länger aufhalten. Nur sind die angeführten Gegengründe nach Meinung der Freien Demokraten nicht durchschlagend. Die Kampfkraft der Bundeswehr wird durch Verkürzung des Grundwehrdienstes nicht geschwächt, wenn, wie wir in der Begründung bei der Einbringung dieses Antrags ausgeführt hatten, in ausreichender Anzahl von dem brachliegenden Reservistenpotential Gebrauch gemacht wird. Die Tatsache, daß nur eine Armee auf der Basis der allgemeinen Wehrpflicht in der Lage ist, Reserven zu schaffen, war u. a. ein Grund zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Wir sollten das hineingesteckte Kapital und das Potential nicht brachliegen lassen.
Eine Verkürzung der Dauer des Grundwehrdienstes bedeutet auch keine Vergrößerung der Wehrungerechtigkeit, sondern ist geeignet, die bestehende Wehrungerechtigkeit in ihren Folgen abzumildern, einmal durch die Tatsache, daß eben nur 12 statt 18 Monate Grundwehrdienst abgeleistet werden müssen, zum anderen durch eine mögliche Kombination von vermehrtem Einzug von Reservisten und erhöhtem Einzug von zur Verfügung stehenden Wehrpflichtigen. Alle Zahlen, die heute hier vorgebracht wurden — ob 41 %, 47 % oder 60 % der zur Verfügung stehenden Wehrpflichtigen von der Wehrpflicht auch wirklich erfaßt werden —, würden dann nicht mehr zur Debatte stehen. Wir wären in der Lage, das zur Verfügung stehende Angebot fast restlos auszuschöpfen.
Ich darf Ihnen also im Auftrage der Freien Demokraten empfehlen, trotz widersprechenden Beschlusses der Mehrheit des Verteidigungsausschusses unseren Antrag, der mit der Drucksache V/1741 eingebracht wurde, anzunehmen.
Des weiteren darf ich erklären, daß wir die übrigen Vorlagen, die heute zur Debatte stehen und in denen zum Teil materielle Verbesserungen für die Soldaten enthalten sind, annehmen.

(Beifall bei der FDP.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524409000
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Hamburg).

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0524409100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde die wenigen, die hier ausharren, vor dem Mittagessen nicht noch lange in Anspruch nehmen. Ich hatte heute vormittag eine Sitzung in einem anderen Raum dieses Hauses und habe einige Reden also nur am Fernsehschirm oder am Rundfunk hören können. Ich bin dankbar dafür, daß mein Freund Berkhan einige falsche Interpretationen, die man dem, was ich gesagt hatte, unterlegen wollte, oder einige Kritiken, wie mir beim



Schmidt (Hamburg)

Nachlesen des Protokolls scheinen will, gehörig zurückgewiesen hat.
Aber ich war dann Ohren- und Augenzeuge, wie Sie, Herr Schroeder, meinten, das, was ich hier angedeutet hatte, sei auch kein Ei des Kolumbus. Das soll es auch nicht sein. Wir sind keine Kolumbusse; den gibt es nur einmal in der Weltgeschichte. Wir haben schwierige Probleme zu lösen, und da kann man nur auf dem Wege der Annäherung die Lösung finden.
Nur damit — darauf lege ich eben Wert — der Verteidigungsminister versteht, was ich gemeint habe, möchte ich das noch einmal sagen dürfen — wahrscheinlich ist es eine Doublette zu dem, was mein Freund Berkhan schon erläutert hat —: Ich denke, daß die Herstellung absoluter Wehrgerechtigkeit ein Kardinalproblem ist, vielleicht d a s Kardinalproblem, wenn ich von den Wehrpflichtigen und nicht von den längerdienenden Zeitsoldaten spreche. Und dies Kardinalproblem steht für mich höher als viele militärische Zweckmäßigkeitsprobleme, die auch ihren Rang haben. Weil das so ist, muß ich darauf bestehen, daß die geltenden Wehrdienstausnahmen, die zum Teil weit über das hinausgehen, was der Gesetzgeber gewollt und vorgeschrieben hat, abgebaut werden, so daß diejenigen, die wehrpflichtig sind, auch zu hundert Prozent eingezogen werden — es sei denn, jemand habe einen wirklich schweren körperlichen Mangel —, und zwar entweder zum Wehrdienst oder zum Ersatzdienst.
Nun sagt man, das sei kein Ei des Kolumbus, weil das vielleicht zu einer Vergrößerung der Umfangs) stärke der Armee führen würde. Das hat jemand hier angedeutet, und vielleicht muß ich auch den Verteidigungsminister so verstehen, daß er seinen Unterton der freundlichen Kritik auf dieses Problem — —

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein, nein! — Das ist Herr Zimmermann gewesen!)

— Also nicht ganz dieselbe Partei, aber immerhin, wie ich gestern in einer Fernsehdiskussion erfahren habe, ein Partner — übrigens ja auch ein Partner von uns.

(Heiterkeit.)

Ich bitte, das noch einmal sagen zu dürfen — und bitte Sie, mir diese zwei Minuten noch zu schenken —: Wenn es zu einer Vermehrung der Umfangsstärke führen sollte, dann bin ich unter diesen Voraussetzungen durchaus bereit und geneigt, um diese Erhöhung aus innenpolitischen, außenpolitischen, finanziellen oder was für Gründen immer zu vermeiden, eine Herabsetzung der Wehrdienstdauer ins Auge zu fassen — unter diesen Voraussetzungen! Ich bin unter keinen Umständen geneigt, eine Herabsetzung der Wehrdienstdauer deshalb ins Auge zu fassen, weil es vielleicht bei dem einen oder anderen populär sein könnte. Dazu bin ich nicht bereit.

(Zuruf von der FDP: Wir auch nicht!)

— Sehr schön!
Ich füge hinzu, daß sich jeder von uns bei öffentlichen Diskussionen über die Dauer des Wehrdienstes oder auch bei tatsächlichen Veränderungen seiner Dauer sicher der psychologischen und politischen Rückwirkungen bewußt sein muß, die das bei den uns verbündeten Staaten, in den uns verbündeten Armeen und bei den uns gegenüberstehenden Staaten und in den uns gegenüberstehenden Armeen auslöst.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Deshalb haben wir gesagt, das kann man nicht übers Knie brechen. Man kann den Antrag der Freien Demokratischen Partei hier nicht eine Woche vor den Sommerferien annehmen ohne Rücksicht auf das, was damit bei unseren Verbündeten ausgelöst würde. Das ist bei allem Respekt, den ich vor meinen Kollegen in der FDP-Fraktion habe, wirklich nicht zu verantworten.
Auf der anderen Seite meine ich nicht, daß die notwendige Rücksichtnahme auf die etwaigen Rückwirkungen bei den uns verbündeten Staaten und den uns gegenüberstehenden Staaten dazu führen dürfte, das Problem auf sich beruhen zu lassen. Jeder von uns weiß, daß in vielen Staaten des Westens eine Entwicklung im Gange ist, die vielleicht im Laufe der ersten Hälfte der siebziger Jahre, vielleicht früher, zu einer Lösung führen wird, die ich einmal ganz grob, und ohne mich auf Details festzulegen, kennzeichnen möchte als eine Kombination des englischen Systems einer Armee aus längerdienenden oder Berufssoldaten mit einem System einer auf einer relativ kurzen Wehrdienstdauer beruhenden territorialen Verteidigungsorganisation, einer Miliz.

(Beifall bei der SPD.)

Darauf läuft die Tendenz in vielen europäischen Staaten hinaus. Wir wissen, daß das auch in militärischen Stäben — —

(Abg. Jung: Wir wollen das schon seit langem!)

— Ich weiß, Sie wollten alles immer schon früher. Deswegen hat auch Ihre Regierungstätigkeit so großartige Ergebnisse erzielt.

(Abg. Mertes: Den Beweis müssen Sie erst mal liefern!)

Ob wir hier über Finanzen oder Aufwertung oder das Militär reden — Sie rufen immer dazwischen: das wollten wir schon immer. Sie hatten ja nun mal Gelegenheit gehabt.

(Abg. Mertes: Das können Sie doch nachlesen!)

— Meine Freunde, ich war so sachlich, so versöhnlich und so auf das Mittagessen aus, das ich genauso dringend nötig habe wie Sie, — da sollten wir doch zum Schluß nicht noch eine polemische Episode anhängen.

(Abg. Mertes: Selbsterkenntnis ist ganz gut!)

Ich bitte Sie, zu verstehen, Herr Ollesch, daß der Antrag, den Sie hier eben noch einmal begründet haben, in der Motivation — von mir aus gesehen — durchaus überlegt und ehrlich und gut gemeint gewesen ist. Ich bitte Sie, genauso zu verstehen, daß seine



Schmidt (Hamburg)

Verabschiedung in dieser Situation — ohne Prüfung aller Rückwirkungen und ohne vorherige Schaffung der Voraussetzungen innerhalb der Bundeswehr, z. B. auf dem Felde der Unteroffiziere und der Ausbilder — wirklich unverantwortlich ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524409200
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524409300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus Freude an der Debatte kann ich mir nicht versagen, doch noch ein paar Worte an die Adresse besonders des Kollegen Schmidt zu richten, obwohl ich über das Mittagessen genauso denke wie er

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

und wie wahrscheinlich alle anderen hier. Ich würde mich, Herr Kollege Schmidt, von Kolumbus nicht so weit absetzen, wie Sie das gerade getan haben. Sie als Sohn einer Hansestadt müssen Kolumbus hoch und in Ehren halten, und ich war etwas überrascht, als Sie von ihm so weit weggehen wollten.
Es handelt sich um zwei Dinge, die ich sagen möchte. Das eine ist, daß ich Ihre Sorge um ein höheres Maß von Wehrgerechtigkeit — so will ich es jetzt einmal formulieren; jeder weiß, was gemeint ist — durchaus teile und daß es deswegen absolut notwendig ist, daß alle, die tauglich sind, tatsächlich eingezogen werden können und daß die dafür notwendigen Vorkehrungen geschaffen werden müssen. Ich spreche jetzt vielleicht ein bißchen von der Theorie, aber ich möchte meinen, daß wir — und damit meine ich das ganze Hohe Haus und den Verteidigungsausschuß — uns durchaus in der richtigen Richtung befunden haben und ein gutes Stück weitergekommen sind, indem wir alles getan haben, was nur menschenmöglich ist.
Wir werden das im Laufe der nächsten Monate fortsetzen, und ich hoffe auf die Unterstützung des ganzen Hauses, insbesondere natürlich auch Ihrer Freunde. Wir werden den Versuch fortsetzen, mit den gesetzlich verbesserten Maßnahmen, die der Bundestag sehr dankenswerterweise beschlossen hat, den personalen Mittelbau, d. h. also — einmal anders ausgedrückt — die Zahl der Längerdienenden zu vergrößern, wenn dies nur irgendwie geht. Dabei bin ich mir darüber klar, daß wir dies in der Konkurrenz zu einer Gott sei Dank voll laufenden industriellen Maschinerie tun und daß deswegen der finanziellen Anreiz dabei von ganz großer Bedeutung sein muß und auch — ich darf das sagen — ganz legal tatsächlich ist. Das ist die eine Sache, über die wir in gleicher Weise denken.
Die Bemerkungen, die ich gemacht habe, daß Ihnen das mit dem Kolumbus doch ein bißchen quergegangen ist, beziehen sich auf die Verbindung des gegebenen Problems der Kriegsdienstverweigerer mit dem Ersatzdienst. Ich finde, es ist keine so gute Idee, wie Sie offenbar meinen — aber darüber können wir ja des längeren sprechen —, daß man kurzerhand gefragt wird: Willst du da oder im Ersatzdienst dienen? Das führt also zunächst einmal zu einer Gleichstellung, die durchaus unerwünscht ist und gegen die ich mich — ich sage Ihnen das ganz klar und deutlich — absolut wénden werde. Ich glaube nicht, daß das die richtige Fragestellung an dieser Stelle ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir brauchen wirklich ein komplizierteres Verfahren, denn wir würden sonst tatsächlich, wie ich glaube, einen starken Schlag gegen die normale Wehrdienstpflicht richten — Sie haben das nicht vor, das weiß ich —, wenn wir zu einem solchen Verfahren übergingen. Aber lassen Sie uns darüber noch im einzelnen sprechen.
Die andere Sorge, die ich hinsichtlich des Ersatzdienstes habe — und Sie waren wohl nicht im Saal, als ich das ausgeführt habe —, ist die, daß kurzerhand und leichthin gesagt wird: Ersatzdienst? Na, wir werden das organisieren, und dann wird es klar sein. — Wir haben gesehen, daß das nicht einfach so leicht zu organisieren ist und daß das nicht einfach so leicht zu bewerkstelligen ist, wie wir das vielleicht möchten. Das ist eine sehr, sehr schwierige Sache. Ich will jetzt nicht das ganze dabei vorhandene Elend sozusagen der verfassungsstrukturellen Fragen aufwerfen, aber den Ersatzdienst zu organisieren ist eine sehr, sehr schwierige Sache. Der Kollege Katzer ist heute leider nicht da; er weiß das, er weiß sehr genau, wie schwer es ist. Ich habe das nicht ohne Grund vorgetragen.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Ich habe es gehört!)

Das beleuchtet aber die Szenerie und zeigt, wie schwer es ist, das Erforderliche zu tun. Deswegen darf man nicht — das war der eigentliche Sinn meiner Bemerkung — den Eindruck erwecken, als ob dieses Problem einfach durch eine gewisse Umstellung lösbar wäre. Dieses Problem ist nicht durch eine gewisse Umstellung lösbar, und es ist leider ein sehr kompliziertes und schwieriges Problem.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524409400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt (Hamburg)?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524409500
Natürlich.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0524409600
Damit ich nicht noch einmal hinaufgehen muß, versuche ich, mich hier in Frageform einzumischen. Würden Sie mir zugeben, Herr Schröder, daß die Anstregnungen, die die verschiedenen Bundesregierungen und die verschiedenen Minister für Arbeit und Sozialordnung seit der Verabschiedung jenes Grundgesetzartikels 4 Abs. 3, von dem Sie eben sprachen, unternommen haben, das heißt, seit beinahe 15 Jahren, der Vervollkommnung noch in erheblichem Maße fähig sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524409700
Herr Kollege Schmidt, das würde für alle unsere Taten gelten. Ich will Ihnen aber jetzt — und nicht nur Ihnen, sondern dem ganzen Hause — eine Geschichte erzählen, die ich gelegentlich erzähle. Ich bin in der Kabinettssitzung gewesen, in der es



Bundesminister Dr. Schröder
darum ging, den Mann herauszufinden, der das Vergnügen haben würde, den Ersatzdienst zu organisieren. Wenn ich nicht irre, bin ich damals Außenminister gewesen. Als Außenminister hat man das Glück, daß man von gewissen Zumutungen von vornherein — —

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Sie waren damals Innenminister!)

— Damals war ich Innenminister; gut, dann habe ich die Sache zeitlich ein bißchen verlegt, Herr Kollege Schmidt. Aber ich entsinne mich an die Sitzung als solche sehr genau. Wir waren eigentlich alle sehr erleichtert, als dieser Schwarze Peter, der ein bißchen wanderte, dann beim Bundesminister für Arbeit hängenblieb, weil sich jeder sagte: Das wird die richtige Stelle sein, dies zu organisieren.
Da Sie gerade darauf hingewiesen haben — offenbar entsinnen Sie sich an das Jahr genau —, und daß ich damals Innenminister war, muß ich Ihnen eines sagen: die Sorge, die ich in all den Jahren gehabt habe, habe ich unentwegt bis heute, nämlich die Sorge darum, daß man zwar gesetzlich einen bestimmten Ersatzdienst festlegen kann, daß aber der einzige Dienst, um dessen Organisation mit der notwendigen Ausstattung und Ausrüstung man sich ernstlich wird kümmern können, halt der Wehrdienst sein wird. Es ist unwahrscheinlich schwer — und ich bin auf denjenigen, der hier etwas anderes fertigbringt, sehr gespannt —, einen Ersatzdienst zu organisieren, in den alle mit der Freudigkeit hineingehen werden, die Sie offenbar dafür voraussetzen. Wenn das der Fall sein sollte, bin ich der erste, der diese Freudigkeit großartig fände. Leider sehe ich im Moment mehr Umfunktionierer als wirklich freudig Ersatzdienst Leistende. Das ist die Sorge, die ich habe. Ich glaube, das ist eine Sorge, die wir getrost gemeinsam haben können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524409800
Ich danke dem Herrn Bundesminister.
Meine Damen und Herren, die Geschäftslage ist folgendermaßen: Wir haben keine weiteren Wortmeldungen, und Sie sind sicher damit einverstanden, daß die Generalaussprache zu den gemeinsam aufgerufenen Punkten 40 bis 45 damit abgeschlossen wird und daß wir zur Abstimmung kommen.

(Abg. Josten: Redaktionelle Änderungen bei Punkt 44!)

— Ich rufe Punkt 44 in der Abstimmung dann getrennt auf.
Ich schließe die Generalaussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht des Wehrbeauftragten. Dazu liegt Ihnen der Vorschlag des Ausschusses vor. Zu diesem Vorschlag des Ausschusses in Drucksache V/4425 liegen zwei Entschließungsanträge auf Umdruck 717 und Umdruck 731 vor. Über diese beiden Anträge müssen wir wohl zunächst abstimmen.
Wer dem Entschließungsantrag Umdruck 717 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Wer dem Entschließungsantrag Umdruck 731 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Dann darf ich wohl feststellen, daß Sie damit dem Bericht des Ausschusses mit seinen Empfehlungen Ihre Zustimmung geben. Ich bitte um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Nach dem Vorschlag des Ältestenrates soll das Weißbuch 1969 zur Verteidigungspolitik der Bundesregierung an den Verteidigungsausschuß überwiesen werden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen!
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes. Der Antrag des Ausschusses lautet, den Entwurf abzulehnen. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/4051 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der FDP ist der Antrag des Ausschusses angenommen. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr in der zweiten Lesung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes ab. Wer den Artikeln 1 und 2 des Gesetzes einschließlich Einleitung und Überschrift seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig in zweiter Lesung angenommen!
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!
Zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes wünscht der Herr Berichterstatter das Wort zu einer redaktionellen Ergänzung. Bitte schön, Herr Abgeordneter Josten!

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0524409900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Folgende redaktionelle Änderungen ergeben sich bei der 8. Novelle zum Wehrpflichtgesetz.
Erstens. Die Präambel lautet jetzt wie folgt:
Das Wehrpflichtgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1965 (Bundesgesetzblatt I S. 390), zuletzt geändert durch das Entwicklungshelfergesetz vom 18. Juni 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 549), wird wie folgt geändert und ergänzt:



Josten
Zweitens. Die Bezeichnung lautet jetzt wie folgt:
Siebentes Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes.
Diese Bezeichnung erhält das Gesetz auf Grund der vorherigen Ablehnung des Antrags der FDP.
Zum Schriftlichen Bericht darf ich noch sagen, daß die Zusammenstellung der Beschlüsse des Ausschusses wie folgt zu ändern ist: Art. 2 Nr. 1 bleibt unverändert. Art. 2 Nr. 2 erfährt folgende Ergänzung:
2. § 19 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 4 wird folgender Satz angefügt:
„Das gilt nicht in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2."
Die bisherigen Buchstaben a) und b) werden b) und c).
Herr Präsident, ich darf Ihnen diese redaktionellen Änderungen übergeben, damit sie jetzt gleich mitbeschlossen werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524410000
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich kann nur hoffen, daß unsere Stenographen alles genau mitbekommen haben. Ich muß persönlich sagen, daß ich nicht alles verstanden habe. Ich glaube aber, bei dieser redaktionellen Änderung gibt es keine politischen oder sonstigen, etwa rechtlichen Probleme.
Wir können dann zur Abstimmung in zweiter Lesung kommen. Das Wort wird sonst zur Abstimmung nicht mehr begehrt. Wir haben abzustimmen über die Art. 1, 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift einschließlich der eben vorgetragenen redaktionellen Änderungen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig in zweiter Beratung angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage unter Punkt 45 der Tagesordnung, den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes, Drucksache V/4249.
Wer in zweiter Beratung dem Gesetz in den Art. 1, 2, 3, 3 a, 4 und 5, Einleitung und Überschrift seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetz in der Gesamtheit seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Fragestunde eintreten, habe ich noch eines nachzuholen. Heute morgen ist auf Grund der Zusatzliste zu unserer heutigen Tagesordnung folgender Punkt behandelt worden: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkauf von bundeseigenem Gelände in München zur Errichtung frei finanzierter Wohnungen, die während der Olympischen Spiele 1972 als Olympisches Dorf der Männer benutzt werden sollen; Drucksache V/4491. Es hat sich inzwischen herausgestellt, daß wir diese Vorlage nach § 96 der Geschäftsordnung gleichzeitig dem Haushaltsausschuß zuzuweisen haben. — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zurück zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksachen V/4430, V/4467 —
Meine Damen und Herren, ich rufe zunächst die Dringlichen Mündlichen Anfragen auf.

(Unruhe.)

— Darf ich diejenigen bitten, die dringend zum Mittagessen gehen wollen — wofür wir alle Verständnis haben —, dann möglichst schnell zu gehen, damit wir wieder Ruhe herstellen können.
Ich rufe die Dringlichen Mündlichen Anfragen gemäß § 111 der Geschäftsordnung aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen auf, und zwar zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Josten:
Was ist bis zur Stunde der Bundesregierung bekannt über die Ursachen der starken Vergiftung des Rheinwassers in den letzten Tagen?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Professor von Manger-Koenig.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524410100
Die Bundesregierung kann sich an der Ermittlung der Ursachen des Fischsterbens nur mit wissenschaftlichen Untersuchungen des Bundesgesundheitsamtes und der Bundesanstalt für Gewässerkunde beteiligen. Im übrigen beruhen ihre Kenntnisse auf der Unterrichtung durch die zuständigen Länderbehörden, durch ausländische Dienststellen und durch die eingeschalteten wissenschaftlichen Arbeitskreise.
Aus den seit Tagen laufenden Untersuchungen in Holland und in mehreren deutschen Instituten ergibt sich, daß das Pflanzenschutzmittel Endosulfan, Handelsbezeichnung Thiodan, das Fischsterben im Rhein verursacht hat. Es besitzt eine extrem hohe Giftigkeit für Fische, nicht jedoch für Menschen und Säugetiere. Die Sachverständigen weisen darauf hin, daß noch nicht ausgeschlossen werden kann, ob und inwieweit noch andere Umstände zu dem Ausmaß des Fischsterbens beigetragen haben.



Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig
Auf welche Weise das Endosulfan in den Rhein gelangt ist, ist noch nicht sicher bekannt. Nach den bisherigen Feststellungen sind die ersten toten Fische im Gebiet oberhalb von St. Goar beobachtet worden. Nach dem Stand der Ermittlungen von heute morgen wird eine Kontamination des Rheinwassers oberhalb der Ilmenau, einer Insel bei Ingelheim—Geisenheim, vermutet. Die Staatsanwaltschaft in Koblenz ermittelt in dieser Angelegenheit.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524410200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0524410300
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Meinung, daß die bestehenden Vorschriften über die Reinhaltung der Gewässer nicht genügen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524410400
Herr Abgeordneter, ich muß darauf hinweisen, daß es sich hier weitgehend um Länderrecht handelt. Sie wissen, daß das Reinhaltungsgesetz, das im Jahre 1965 als Änderungsgesetz zum Wasserhaushaltsgesetz eingebracht wurde, im Bundesrat gescheitert ist, weil die Länder die Auffassung vertreten haben, diese Gesetzesvorlage überschreite die dem Bund bis heute gegebene Rahmenkompetenz. Auch unsere Bemühungen und die Bemühungen dieses Hohen Hauses, dem Bund über eine Gesetzesvorlage zur Änderung des Grundgesetzes eine größere Zuständigkeit für die Reinhaltung des Wassers zuzuerkennen, sind ja schließlich dann im Bundesrat an dessen Einspruch gescheitert.
Wir müssen also von 11 Landeswassergesetzen ausgehen. Das ist ein Zustand, der sicher nicht ganz befriedigt und durch eine um so stärkere Kooperation und Koordination kompensiert werden muß.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524410500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0524410600
Herr Staatssekretär, wird Ihr Ministerium auf Grund dieser Katastrophe, die Millionenschäden verursacht haben soll, mit den betroffenen Ländern Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen — gegebenenfalls auch mit den Niederlanden — beraten, um eine weitere Verseuchung des Rheins oder anderer Gewässer zu verhindern oder um zu einer befriedigenderen Rahmenkompetenz, von der Sie vorher sprachen, zu kommen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524410700
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, ob es, nachdem wir mit unserer Vorlage, mit den Beschlüssen des Bundestages im Vermittlungsausschuß gescheitert sind, sinnvoll ist, nach so kurzer Zeit erneut eine derartige Vorlage zur Änderung der Verfassung vorzulegen. Wir bemühen uns, auf die Länder in Richtung auf eine sehr viel stärkere Kooperation einzuwirken, und wir drängen darauf, daß das Registrier-, Melde- und Alarmsystem verbessert wird. Hier gab es ja, wie Sie wissen, gewisse Mängel, die inzwischen auch von den Länderbehörden erkannt worden sind.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524410800
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0524410900
Herr Staatssekretär, sollte der ärgerniserregend langwierige Gang der Untersuchungen Bund und Länder nicht doch veranlassen, erneut über die Berechtigung oder Problematik der Entscheidung von 1965 nachzudenken?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524411000
Herr Abgeordneter, das war eine Entscheidung — im Zusammenhang mit der Ergänzung des Grundgesetzes — aus den letzten beiden Monaten. Gleichwohl werden wir Ihre Frage in den Beratungen, zu denen wir die Länder bitten wollen, noch einmal zur Diskussion stellen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524411100
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0524411200
Herr Staatssekretär, dürfte nicht gerade dieser Vorfall der letzten Tage und die Art seiner Behandlung nach Meinung der Bundesregierung und vielleicht auch nach Meinung der beteiligten Länderregierungen — nach einer zu erhoffenden Einsicht — den Nachweis dafür erbracht haben, daß die von Ihnen angesprochene Regelung reichlich unzulänglich ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524411300
Wir werden uns, wie ich eben schon sagte, um die Verbesserung der De-facto-Handhabung bemühen, dabei aber auch gleich noch einmal über die verfassungsrechtlichen Fragen sprechen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524411400
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0524411500
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es unverantwortlich ist, in dieser Situation auf Kompetenzen herumzureiten und die Verantwortung jetzt auf die Länder zu schieben?

(Zurufe von der SPD.)

— Doch, die Frage ist berechtigt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524411600
Nach unserem Grundgesetz liegen die Verantwortung und die Ausführung der Gesetze eindeutig bei den Ländern. Die Länder verfügen auch über die entsprechenden Institutionen. Herr Abgeordneter, wir haben daraus auch keineswegs eine Kompetenzfrage gemacht, sondern wir haben uns bemüht, in Zusammenarbeit und in einem laufenden, täglichen, ja stündlichen Informations- und Erfahrungsaustausch



Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig
mit den Ländern das Beste zu tun, um diesen Vorfall zu klären.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524411700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0524411800
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die Länder weniger verantwortlich und weniger geeignet sind, den Aufgaben auf diesem Gebiet gerecht zu werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524411900
Ich glaube sicher, daß die Länder voll ihre Verantwortung sehen. Es geht nur darum, das Zusammenspiel zwischen den Ländern noch weiter zu verbessern. Darum sind die Länder auch bemüht, wie Sie aus den Ausführungen etwa des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministers ersehen haben.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524412000
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0524412100
Herr Staatssekretär, ich sehe das Problem doch wohl richtig, wenn ich annehme, daß eine Verbesserung des Registrier-, Melde- und Alarmsystems auch ohne eine Änderung der Kompetenz nach Art. 74 des Grundgesetzes möglich ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524412200
Ich habe soeben darauf hingewiesen, Herr Abgeordneter, daß wir uns primär um die Verbesserung der De-facto-
Handhabung bemühen und die Fragen der Kompetenz, wie hier angeregt, allenfalls dabei auch noch einmal erneut zur Sprache bringen wollen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524412300
Zu einer zweiten Frage der Abgeordnete Dr. Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0524412400
Herr Staatssekretär, können Sie mir in Anbetracht der Tatsache, daß sich auf einmal in der deutschen Öffentlichkeit wie in den gesamten Publikationsmitteln die Bereitschaft zu einer Verlagerung der grundgesetzlichen Kompetenz anscheinend verstärkt hat, erklären, wieso das in Deutschland immer nur dann so ist, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524412500
Eine Erklärung dafür kann ich Ihnen auch nicht geben, Herr Abgeordneter; dazu haben wir die öffentliche Meinung zu wenig erforscht. Wir sehen, daß bei dieser Gelegenheit die Verantwortung gern von den unteren Instanzen zu den mittleren und von den mittleren zu den oberen verlagert wird. Wir sollten aber eines aus dieser Sache lernen: daß die Kooperation zwischen den verschiedenen Ebenen der Verwaltung noch weiter verbessert werden muß.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524412600
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0524412700
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß angesichts dieser aktuellen Situation die Bundesländer und der Bundesrat jetzt einsichtig genug wären, entgegen ihrer bisherigen Haltung die Kompetenzen dem Bund zu übertragen, weil ja z. B. am Rhein nicht nur Bundesländer angrenzen, sondern auch die Schweiz, Frankreich und die Niederlande, und hier doch eindeutig der Gesprächspartner die Bundesrepublik Deutschland sein muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524412800
Ich kann im Augenblick über die Meinung und Haltung der Länder nichts Verbindliches sagen. Ich glaube, es kommt jetzt in erster Linie darauf an, praktisch weitere Lösungen zu finden. Die Fragen der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit können dabei allenfalls am Rande erneut zur Diskussion gestellt werden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524412900
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dröscher.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0524413000
Herr Staatssekretär, sind auch Sie der Meinung, daß, da die Welt, in der wir leben, immer gefährlicher wird — Beispiele: einmal das Munitionsunglück, zum anderen dieses Fischsterben — und die Bedrohung durch die technische Entwicklung immer mehr steigt, das System der Überwachung geändert werden muß, anstatt daß nur die Kooperation der kleinen Einheiten verbessert wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524413100
Herr Abgeordneter, wenn ich vorhin von den Registrier-, Melde- und Alarmmaßnahmen sprach, so bezog sich das auf das System, also auf die Frage einer laufenden automatischen Registrierung der Schadstoffe im Rhein, und dann sekundär auch auf die Frage der Kooperation.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524413200
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Heuser.

Dr. Hedda Heuser (FDP):
Rede ID: ID0524413300
Herr Staatssekretär, würden Sie so weit gehen, zu sagen, daß die offensichtlich doch sehr verschleppte Behandlung, die offensichtlich doch sehr verschleppte Meldung, insbesondere nach den Niederlanden, ein Ausdruck a) schlechter Kooperation und b) einer unsicheren verfassungsrechtlichen Zuständigkeit in diesen Dingen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524413400
Der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister hat schon in einer Pressekonferenz auf die Ursache für die verzögerte Information der holländischen Seite hingewiesen. Es war eine allzu zögerliche Behandlung bei einem einzelnen Wasserwerk. Deshalb ist es auch aus seiner Sicht notwendig, künftig andere Institutionen mit den Alarm- und Meldeaufgaben zu betrauen.




Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524413500
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0524413600
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß erst ein holländisches Institut in der Lage war, die Ursache wissenschaftlich zu analysieren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524413700
Das trifft zu.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524413800
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0524413900
Herr Staatssekretär, kann dann die deutsche Öffentlichkeit annehmen, daß wenigstens in Zukunft auch deutsche wissenschaftliche Institute so ausgestattet werden, daß sie in der Lage sind, solche Ursachen zu analysieren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524414000
Die deutsche Öffentlichkeit darf davon ausgehen, daß unsere Institute schon jetzt entsprechend ausgestattet sind und auch zu solchen Untersuchungen durchaus qualifiziert sind. Die Umstände, weshalb es schließlich einem holländischen Institut geglückt ist, sind vielfältig. Die Holländer selbst haben davon gesprochen, daß sie ein wenig Glück hatten. Denken Sie bitte auch daran, daß diese Vergiftung des Rheins in Form einer Welle bergab geströmt ist und daß sich in der Zwischenzeit die Verdachtsmomente schon in Richtung auf bestimmte Schadstoffe konzentriert hatten, so daß man etwa zu der Zeit, da man in Holland die Untersuchungen machte, schon sehr gezielt untersuchen konnte, was am Wochenanfang noch nicht ohne weiteres möglich war. Die Holländer haben also ihre Untersuchungen auf die Erwägungen, die hier gepflogen worden sind, insbesondere auch auf die Auswertung des klinischen Bildes, das die Fische gaben, einstellen können.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524414100
Meine Damen und Herren, ich möchte nur auf eines aufmerksam machen. Wir haben 13 Zusatzfragen gehabt, von denen ein ganzer Teil sich gar nicht auf die Grundfrage, sondern z. B. auf das Bund-Länder-Verhältnis bezogen hat. Ich habe sie zugelassen, weil die Bevölkerung ein außerordentlich großes Interesse an dem Vorgang hat. Ich möchte nur für die Zukunft bitten, Rücksicht darauf zu nehmen, daß ich nur Zusatzfragen zulassen kann, die sich unmittelbar mit der Grundfrage befassen. Auch bei den ganzen übrigen Fragen, die zu diesem Thema gestellt sind, ist im Grunde nur das Fischsterben, nicht aber all das andere gefragt worden.
Ich rufe jetzt die Frage 2 des Abgeordneten Josten auf:
Welche Maßnahmen wurden bisher ergriffen, um Gesundheitsschäden für die Bevölkerung zu vermeiden?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524414200
Auf Anfrage teilten die für das Gesundheistwesen und für die Wasserwirtschaft zuständigen obersten Behörden der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit, daß dort die Maßnahmen getroffen worden seien, die notwendig sind, um Gesundheitsschäden für die 'Bevölkerung zu vermeiden. Soweit mir durch eigene Recherchen zusätzlich bekannt wurde, sind von den Wasserwerken geeignete Maßnahmen getroffen worden. Insbesondere werden ständige Testversuche mit Fischen angestellt. In solche Versuche ist auch die Außenstelle Düsseldorf des Bundesgesundheitsamtes, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, eingeschaltet. Auf Grund dieser Maßnahmen könnte eine etwa noch auftretende Gefährdung der Trinkwasserqualität frühzeitig erkannt werden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524414300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0524414400
Herr Staatssekretär, da der Rhein auch das Trinkwasser für Hunderttausende von Menschen liefert und Sie gerade darauf hingewiesen haben: teilen Sie die Meinung, daß ganz besonders auch Ihr Haus die Fragen hier beobachten und sich gegebenenfalls rechtzeitig mit den Ländern in Verbindung setzen muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524414500
Wir stehen mit den Ländern in Verbindung, Herr Abgeordneter. Wir beobachten laufend. Ich habe noch an diesem Vormittag etwa 15 Telefonate mit den verschiedenen Stellen geführt, um den Stand von heute morgen für diese Fragestunde zu eruieren, z. B. über die Untersuchungen, die das Bundesgesundheitsamt laufend macht, und zwar bei Wasserwerken, die mit uferfiltriertem Rheinwasser arbeiten. Dort sind in sehr diffizilen Untersuchungen auch die Möglichkeiten, durch Kohlefiltration mögliche Schadstoffe zu eliminieren, geprüft worden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524414600
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Josten auf:
Inwieweit ist die Qualität des Trinkwassers aus dem Rhein in den betroffenen Gebieten gefährdet?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524414700
Ich glaube, daß die Frage 3 mit dieser Antwort beantwortet ist, Herr Abgeordneter. •

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524414800
Die Frage des Abgeordneten Josten ist durch die vorangehende Antwort beantwortet.
Wir kommen zur Frage 4 des Abgeordneten Ramms:
Ist der Bundesregierung bekannt, worauf das massenweise Fischsterben im Rhein in der letzten Woche zurückzuführen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524414900
Herr Abgeordneter, Ihre Frage ist durch die Antwort auf



Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig
die erste Frage des Herrn Abgeordneten Josten beantwortet worden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524415000
Herr Kollege Opitz, Sie übernehmen die Fragen für Herrn Ramms. Sind Sie damit einverstanden, daß wir gleich zur nächsten Frage übergehen?

(Abg. Opitz: Ja!)

Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Opitz auf:
Können im Zusammenhang mit der hier aufgetretenen Verseuchung auch andere Schäden verbunden sein?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524415100
Herr Abgeordneter, ob sich im Zusammenhang mit der Verunreinigung des Rheinwassers neben dem Fischsterben noch andere Schäden ergeben werden, ist zur Zeit noch nicht vollständig zu übersehen. Zu übersehen ist, daß auch das Phytoplankton im Rhein und über das Phytoplankton der Sauerstoffhaushalt geschädigt worden sind.
Ich meine jedoch, daß eine Gefährdung der Bevölkerung nicht zu besorgen ist, zumal die Untersuchungen, die ich eben zitiert habe, schon gestern und heute eine Normalisierung der Verhältnisse deutlich werden ließen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524415200
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Heuser.

Dr. Hedda Heuser (FDP):
Rede ID: ID0524415300
Herr Staatssekretär, ist jetzt schon zu übersehen, wie lange es dauern wird, bis die biologische Störung des Wassers überwunden sein wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524415400
Das ist bis jetzt nicht zu übersehen, Frau Abgeordnete.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524415500
Ich rufe Frage 6 des Abgeordneten Kubitza auf — sie wird von der Frau Abgeordneten Dr. Heuser übernommen —:
Sind nach Ansicht der Bundesregierung die Zweifel gerechtfertigt, daß die deutschen Maßnahmen zur Reinhaltung der Gewässer nicht ausreichend sind, die im Zusammenhang mit der jüngsten Verseuchung des Rheins in den Niederlanden angemeldet worden sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär, zur Beantwortung!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524415600
Frau Abgeordnete, die Maßnahmen zur Rheinhaltung der Gewässer in der Bundesrepublik, insbesondere zur Förderung der Abwässerreinigung, werden weithin anerkannt. Das Fischsterben der letzten Tage ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Ereignis, das auf einen Unfall oder unsachgemäßes Hantieren mit dem Schadstoff zurückzuführen ist. Insoweit sind Zweifel an den deutschen Bemühungen, also an den Bemühungen von Bund, Ländern und Gemeinden, um die Reinhaltung der Gewässer nicht gerechtfertigt.
Ich darf aber noch einmal wiederholen, daß der Bundesminister für Gesundheitswesen sich zusammen mit den Länderbehörden um eine weitere Verbesserung der Überwachung und der Reinhaltung bemühen wird.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524415700
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Heuser.

Dr. Hedda Heuser (FDP):
Rede ID: ID0524415800
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß die Bußgeldvorschriften und die Strafbestimmungen aus dem Wasserhaushaltsgesetz 1957 noch ausreichend sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524415900
Wir sind der Auffassung, daß nach den bisherigen Erfahrungen diese Bestimmungen im wesentlichen, jedenfalls im Hinblick auf Ereignisse, wie wir sie hier vor uns haben, ausreichend sind. Wir werden, wenn die Ursachen dieses Unfalles geklärt sind, aber erneut diesen Standpunkt überprüfen müssen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524416000
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0524416100
Herr Staatssekretär, wird der Bund einen Strafantrag stellen, sobald der an der Katastrophenfolge auf dem Rhein Schuldige ermittelt ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524416200
Herr Abgeordneter, die Staatsanwaltschaft in Koblenz ermittelt bereits. Zum Beispiel sind sämtliche Schiffe, die am 18. Juni die von mir vorhin zitierte Stelle bei Kilometer 521 bis 523 passiert haben, und zwar zu Berge oder zu Tal fahrend, in diese Ermittlungen einbezogen worden. Ihre Ladepapiere usw. werden überprüft, weil zunächst die Vermutung besteht, daß vielleicht durch Unfall oder unsachgemäße Handhabung bei einem dieser Schiffe der Schadstoff in den Rhein gelangt sein könnte.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524416300
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind wir am Ende der Behandlung der Dringlichen Mündlichen Anfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Fragen 82 und 83 des Abgeordneten Kahn-Ackermann sind zurückgezogen. Die Fragen 84 und 85 der Fragestellerin Frau Griesinger sind ebenfalls zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 86 des Abgeordneten Rollmann auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 87 des Abgeordneten Weigl auf:
Kann die Bundesregierung folgenden Auszug aus dem DGB-Geschäftsbericht für das 2. Halbjahr 1965 bis 1968 näher erläutern: „Aufbauend auf die zwischen dem Vorsitzenden des DGB und dem Bundesminister des Auswärtigen in der Frage der den Deutschen Botschaften attackierten Sozialreferenten getroffenen Vereinbarungen war es möglich, eine Reihe von Neu- bzw. Umbesetzungen von Sozialreferentenstellen mit qualifizierten Gewerkschaftskollegen vorzunehmen."?



Präsident von Hassel
Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Jahn, bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524416400
Es trifft nicht zu, daß der DGB Neu- und Umbesetzungen von Sozialreferentenstellen an deutschen Auslandsvertretungen vornimmt. Die Ausführungen im DGB-Geschäftsbericht für die Zeit zweites Halbjahr 1965 bis 1968 müssen so verstanden werden, daß das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Anregungen des DGB in seine Personalentscheidungen einbezogen hat.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524416500
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0524416600
Herr Staatssekretär, können Sie dann nicht die Zahl von Neu- und Umbesetzungen von Sozialreferenten-Stellen mit qualifizierten Gewerkschaftskollegen nennen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524416700
Eine Zahl kann ich Ihnen im Moment nicht nennen, Herr Kollege. Aber ich bin gern bereit, das genau festzustellen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524416800
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0524416900
Herr Staatssekretär, welches sind die Kriterien bzw. die Maßstäbe, die bei der Berufung von Gewerkschaftskollegen als Sozialreferenten zugrunde gelegt werden, um den Ausdruck „qualifiziert" zu rechtfertigen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524417000
Da bringen Sie mich in eine Schwierigkeit. Herr Kollege, das ist, wenn ich es recht verstanden habe, die zweite Frage der Frau Kollegin Holzmeister, die sie hier schriftlich vorgelegt hat. Ich möchte nicht gern jetzt schon darauf antworten, ohne ihre Zustimmung zu haben.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524417100
Sind Sie, Frau Kollegin Holzmeister, damit einverstanden, daß die Beantwortung Ihrer Frage damit verbunden wird?

(Abg. Frau Holzmeister: Ja!)

— Dann rufe ich auch die Frage 92 der Abgeordneten Frau Holzmeister auf, die dazu gehören könnte:
Welche Vorbildungs- und sonstigen Qualifikationsmerkmale werden an die von der Auslandsabteilung des DGB vorgeschlagenen Bewerber um diese Positionen gestellt, und inwieweit sind diese Merkmale vergleichbar mit der Ausbildung des üblichen Auswärtigen Dienstes?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524417200
Bewerber für die Aufgabe eines Sozialreferenten müssen in der Regel die Amtssprache des Empfangsstaats beherrschen und gute Kenntnisse der Arbeits- und Sozialgesetzgebung sowie entsprechende Erfahrungen auf diesen Gebieten besitzen. Sie sollen außerdem möglichst über ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder über eine gleichwertige Vorbildung verfügen. Auslands- und Verwaltungserfahrungen sind erwünscht.
Die im Auswärtigen Dienst tätigen Sozialreferenten besitzen zwar, sofern sie nicht vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung kommen, oft nicht die gleiche formale Bildung, wie sie von Bewerbern für den allgemeinen Auswärtigen Dienst gefordert wird, bringen dann aber für diese Tätigkeit als Spezialreferenten besondere Erfahrungen mit, die den Angehörigen des allgemeinen Auswärtigen Dienstes nicht eigen sind. Das ist eine Erscheinung, die wir auch bei anderen Spezialreferenten haben. Da sie, wie es im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und dem DGB vorgesehen ist, nach etwa drei Jahren den Auswärtigen Dienst wieder verlassen, ist das Auswärtige Amt auch nicht an diese Fachleute gebunden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524417300
Ich muß zunächst einmal eine Frage stellen: Gehören die Fragen 91, 92 und 93 nicht eigentlich zusammen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524417400
Sie betreffen natürlich denselben Sachverhalt, aber die Aspekte sind verschieden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524417500
Gut. Frau Abgeordnete Holzmeister zur ersten Zusatzfrage zur Antwort auf die Frage 92.

Lieselotte Holzmeister (CDU):
Rede ID: ID0524417600
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß einige Sozialreferenten aus dem DGB-Bereich fünf Jahre, neun Jahre und länger an ihrem Posten sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524417700
Das ist richtig. Der damalige Bundeskanzler Dr. Adenauer und auch der Bundesminister des Auswärtigen Dr. von Brentano hatten sich im Einvernehmen mit dem DGB in Einzelfällen für ein weiteres Verbleiben von Sozialreferenten, die an Auslandsvertretungen tätig waren, entschieden.
Das geltende Tarifrecht erlaubt im übrigen nach einer Verlängerung der in der Regel auf drei Jahre befristet abgeschlossenen Arbeitsverträge eine Kündigung durch das Auswärtige Amt nur, soweit nicht die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes entgegenstehen. Da einzelne Sozialreferenten naturgemäß nicht allgemein einsetzbar sind, entschied sich das Auswärtige Amt dafür, sie längere Zeit an ihrem jeweiligen Dienstposten zu belassen.
Seit Sommer 1966 ist die Situation jedoch anders. Der DGB hat dem Wunsch des Auswärtigen Amts zugestimmt, daß die von ihm vorgeschlagenen Sozialreferenten nunmehr nach etwa drei bis vier Jahren aus dem auswärtigen Dienst ausscheiden und zum DGB oder zu der anderen Organisation,



Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
aus der sie kommen, zurückkehren. Für Sozialreferenten, die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung stammen, gilt die gleiche Regelung.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524417800
Zu eine weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Holzmeister.

Lieselotte Holzmeister (CDU):
Rede ID: ID0524417900
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß zur Zeit eine Reihe dieser Sozialreferenten länger als drei Jahre in ihrem Amt sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524418000
Ja, das habe ich eben schon bestätigt.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524418100
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sanger.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0524418200
Herr Staatssekretär, ohne jede Absicht einer polemischen Fragestellung möchte ich gern fragen: Wenn nun aber unter diesen Sozialreferenten besonders tüchtige und besonders brauchbare Leute sind, sollte man sie dann nicht auch länger behalten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524418300
Selbstverständlich, Herr Kollege Sanger. Hier kann es sich ja nur darum handeln, Regeln aufzustellen, Regeln, die normalerweise angewandt werden, aber kein Hindernis sein dürfen, eine elastische und vernünftige Handhabung in Einzelfällen herbeizuführen, wenn es erwünscht ist.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524418400
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sänger.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0524418500
Das darf also so verstanden werden, Herr Staatssekretär, daß die formale Voraussetzung hinter die Leistung zurückgestellt wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524418600
Nein, Herr Kollege Sänger, da liegt ein Mißverständnis vor. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß die Regel ist: seit 1966 gilt ein begrenzter Zeitraum, dann Rückkehr in die frühere Tätigkeit. Aus meinen Gesprächen, die ich in diesem Zusammenhang mit den Vertretern des DGB führte, kann ich sagen, daß es durchaus auch im Interesse des DGB liegt, daß Persönlichkeiten mit einer reichen Auslandserfahrung wieder mit in die eigene Arbeit einbezogen werden.
Ich habe ausdrücklich gesagt: Die Regel kann dann, wenn es für sinnvoll erachtet wird, von den Beteiligten, insbesondere natürlich vom Auswärtigen Amt, um dessen Interessen es hier geht, auch durchbrochen werden; d. h. es kann auch eine Fortführung der Beschäftigung im Einzelfall in Frage kommen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0524418700
Ich rufe die Frage 91 der Abgeordneten Frau Holzmeister auf:
Ist die Bundesregierung bereit, unter Bezug auf meine Frage Nr. 123 — Drucksache V/4020 — der 224. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 26. März 1969, den Wortlaut jener Vereinbarungen bekanntzugeben, die zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und dem DGB-Vorstand getroffen wurden, gemäß denen Neu- und Umbesetzungen von Positionen der den Deutschen Botschaften attachierten Sozialreferenten mit DGB-Mitgliedern vorzunehmen sind, wie dies aus dem Geschäftsbericht des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, 2. Halbjahr 1965 bis 1968, Seite 37, hervorgeht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524418800
Der Wortlaut einer Vereinbarung über die Besetzung von Sozialreferentenstellen an deutschen Auslandsvertretungen, die zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Deutschen Gewerkschaftsbund getroffen wurde, ist schriftlich nicht festgehalten worden.
Richtig ist, daß es der Deutsche Gewerkschaftsbund war, der im Jahre 1950 die Initiative zur Einrichtung von Sozialreferentenstellen an deutschen Auslandsvertretungen ergriff. Der damalige Bundeskanzler Dr. Adenauer und der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. von Brentano, die engen Kontakt mit dem damaligen Leiter der Auslandsabteilung des DGB, Rosenberg, gepflegt haben, stimmten dem Vorschlag des DGB, Sozialreferenten an deutschen Auslandsvertretungen zu entsenden, zu.
Auf Wunsch des damaligen Bundesarbeitsministers Storch wurden dann auch Angehörige des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für diese Aufgabe befristet in den auswärtigen Dienst übernommen. Die Praxis, daß sowohl Vertreter der Arbeitnehmer als auch des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung als Sozialrefeenten an deutschen Auslandsvertretungen tätig wurden, hat sich in der Folgezeit bewährt. In einem Gespräch vom 26. Juli 1967 zwischen dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Katzer, dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Rosenberg, und dem damaligen Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Schütz, ist dies noch einmal bestätigt worden.

(Vorsitz : Vizepräsident Scheel.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524418900
Zusatzfrage, gnädige Frau, bitte schön!

Lieselotte Holzmeister (CDU):
Rede ID: ID0524419000
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch mit mir der Meinung, daß die Bundesregierung das Recht und die Pflicht hat, mit allen Gruppen unserer Gesellschaft Vereinbarungen zu treffen, Gespräche zu führen, daß es aber mißtrauisch macht, wenn auf Fragen im Parlament nur unvollständig geantwortet wird oder sogar bestehende Vereinbarungen nicht zugegeben werden? Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Ihre Antwort am 26. März 1969, die zu den bisherigen Ausführungen im Widerspruch steht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524419100
Frau Kollegin Holzmeister, ich möchte jetzt von mir aus keine Schärfe in dieser Frage hineinbringen. Nur, Sie hatten damals gefragt — ich hoffe, daß mir der richtige



Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Wortlaut vorliegt —: „Trifft es zu, daß bestimmte Verbände Einfluß auf die Stellenbesetzung an den deutschen Botschaften nehmen oder genommen haben?"
Diese so formulierte Frage, Frau Kollegin Holzmeister, mußte ich pflichtgemäß und korrekterweise verneinen. Mit mir — es ist ja in der Regel so, daß man sich über die richtige Antwort nicht allein Gedanken macht — haben die damit befaßten Herren meines Hauses — es sind eine ganze Reihe gewesen — diese Frage ebenso aufgefaßt wie ich. Das, was Sie hier unter „Einflußnahme auf Stellenbesetzungen an deutschen Botschaften" meinten, ist offenbar anderer Sachverhalt als der, den wir erkennen konnten. Nur bitte ich, dafür nicht das Amt oder denjenigen, der hier spricht, verantwortlich zu machen und ihm bösen Willen oder gar die Absicht der Täuschung zu unterstellen.
Wenn Sie konkret nach einer solchen Vereinbarung gefragt hätten, hätten Sie sofort eine entsprechende Antwort bekommen. Ich räume, nachdem ich inzwischen dank unseres freundlichen Schriftwechsels Gelegenheit hatte, sehr häufig darüber zu reden und nachzudenken, ein, daß vielleicht bei etwas mehr Phantasie jemand hätte darauf kommen können, daß Sie eigentlich diesen Sachverhalt meinten. Ich bekenne mich dazu, soviel Phantasie nicht gehabt zu haben.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524419200
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Lieselotte Holzmeister (CDU):
Rede ID: ID0524419300
Ich bitte um weitere Beantwortung der anderen Fragen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524419400
Dann kommt, wenn Sie keine Zusatzfrage zu diesem Thema mehr haben, die Frage 93:
Welche entsprechenden Vereinbarungen bestehen zwischen der Bundesregierung und anderen Gruppen und Verbänden unserer Gesellschaft?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524419500
Solche Vereinbarungen gibt es nicht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524419600
Eine Frage dazu? — Bitte schön.

Lieselotte Holzmeister (CDU):
Rede ID: ID0524419700
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht auch, daß es um des Gleichgewichts in unserer Gesellschaft willen notwendig wäre, auch mit anderen Gruppen ähnliche Vereinbarungen zu treffen, damit nicht der gewisse Vorwurf, der hier im Raume ist, daß eben doch gewisse Verbände einen besonderen Einfluß auf die Stellenbesetzung haben, aufrechterhalten werden kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524419800
Frau Kollegin Holzmeister, ich möchte sehr herzlich darum bitten, daß nicht der Eindruck erweckt wird, als werde hier von irgend jemandem Einfluß genommen. Hier geht es lediglich darum, daß, wenn es sich um die Besetzung solcher Stellen handelt, auf Grund der Vereinbarung das Auswärtige Amt den Deutschen Gewerkschaftsbund fragt: Könnt ihr dazu Vorschläge machen? Das Auswärtige Amt ist in keiner Weise verpflichtet, irgendeinen dieser Vorschläge zu akzeptieren. Es muß ohnehin zunächst einmal volles Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herstellen. Die Anregungen, die hier gegeben werden, werden sorgfältig geprüft. Es ist aber doch keine Einflußnahme, wenn jemand gebeten wird, Vorschläge zu machen. Auch in anderen Bereichen werden, wenn es gilt, Personalprobleme zu lösen, andere Gruppen oder wer sonst auch immer selbstverständlich gefragt.
Ich unterstelle keinem Mitglied des Hauses, das mir einen Brief schreibt — das geschieht relativ häufig — und darauf verweist, daß der oder jener, von der Sekretärin angefangen — was leider nicht genügend erfolgt — bis hin zu allen möglichen Stellen, die es im Amt zu besetzen gibt oder von denen man glaubt, daß es sie zu besetzen gibt, geeignet sei, die Absicht zu haben, Einfluß auf die Personalpolitik des Auswärtigen Amts zu nehmen. Hier geht es lediglich darum, an einen bestimmten Kreis von dazu besonders Geeigneten heranzutreten und zu fragen, ob sie Vorschläge machen können. Die Entscheidungsfreiheit des Amts wird in keiner Weise berührt. Auch wenn es um die Berücksichtigung anderer Gruppen geht, die interessiert sind, in bestimmter Richtung Vorschläge machen zu können, ist das Auswärtige Amt bereit, darüber genauso unbefangen zu urteilen oder in eine Prüfung einzutreten, wie es in diesen Fällen geschieht. Wenn darüber hinausgehende Wünsche geltend gemacht werden, etwa auf Abschluß entsprechender weiterer Vereinbarungen, wird das eine etwas schwierigere Frage, die auch etwas gründlicher geprüft werden muß.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524419900
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin? — Bitte!

Lieselotte Holzmeister (CDU):
Rede ID: ID0524420000
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß Ihre eben geäußerte Meinung mit dem Geschäftsbericht des Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes übereinstimmt, wo über eine viel intensivere Einflußnahme in dieser ganzen Frage berichtet wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524420100
Ich habe nicht den Geschäftsbericht des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu vertreten. Ich will auch dessen gesundes Selbstbewußtsein, zu dem er sicher allen Anlaß hat, in keiner Weise in Frage stellen. Aber wenn Sie hier die Bundesregierung fragen, dann kann ich für das Auswärtige Amt nur das sagen, was ich gesagt habe.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524420200
Eine Zusatzfrage dazu, Herr Kollege Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0524420300
Herr Staatssekretär, vielleicht trägt folgende Frage zur Klärung bei:



Dr. Gleissner
Können Sie andere Gruppen und Verbände nennen oder gibt es solche, mit denen ähnliche Vereinbarungen wie mit dem DGB abgeschlossen worden sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524420400
Ich hatte eben bereits auf eine Frage von Frau Kollegin Holzmeister darauf geantwortet. Über diese einmalige, von dem damaligen Bundeskanzler Adenauer und dem damaligen Bundesaußenminister von Brentano getroffene nahezu förmliche Vereinbarung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund hinaus gibt es weitere Vereinbarungen nicht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524420500
Herr Kollege Dröscher zu einer Zusatzfrage.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0524420600
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für eine staatsmännisch bemerkenswerte Leistung, daß der frühere Bundeskanzler Dr. Adenauer es verstanden hat, auf diese Weise die weltweiten guten Beziehungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu den freien Arbeitnehmerverbänden auszunutzen, um so für unsere Botschaften im Ausland eine gute Verbindung in diese Kreise hinein zu schaffen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524420700
Ich bin sicher, daß diese Entscheidung manche außenpolitische Bemühungen der Bundesregierung zu allen Zeiten sehr unterstützt hat.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524420800
Wir kommen dann zur Frage 88 des Abgeordneten Dr. Czaja:
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung auf den Appell des Konsultativausschusses des Europarats hin zu ergreifen, der die Regierungen aller ihm angeschlossenen Staaten unter Hinweis auf die allgemeine Verantwortung, die man nicht nur auf die afrikanischen Staaten beschränken könne, aufgefordert hat, ihren Einfluß dahin gehend zu verstärken, daß im Nigeria-Biafra-Konflikt die Einstellung des Feuers erzielt und über das ganze Gebiet ein strenges Waffenembargo verhängt werde?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524420900
Ich bitte um Verständnis, wenn ich diese Frage mit einer knappen Vorbemerkung zu dem Gesamtthema versehen muß; aber anders ist dieses umfangreichen Komplexes nur schwer Herr zu werden.
Die Bundesregierung und alle Parteien dieses Hauses — sie haben es wiederholt erklärt und betont — bedauern diesen Bürgerkrieg zutiefst. Wir hoffen auf einen Kompromiß, der für alle Beteiligten annehmbar ist. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die bisherigen Vermittlungsversuche so angesehener Institutionen wie des Vatikans, der Organisation für afrikanische Einheit, des Commonwealth-Sekretariats ohne Ergebnisse geblieben sind.
Zur Zeit haben verschiedene Umstände zu einer erneuten Gefährdung der humanitären Hilfsmaßnahmen geführt. Wir sind im Rahmen unserer Möglichkeiten bemüht, gemeinsam mit den befreundeten Regierungen in Afrika, Europa und Amerika darauf hinzuwirken, daß diese so schnell wie möglich wiederaufgenommen werden können. Es läßt sich jedoch nicht bestreiten, daß diese humanitären Hilfsmaßnahmen nur bei Zustimmung oder jedenfalls Duldung durch die kämpfenden Parteien wiederaufgenommen werden können. Mit Stellungnahmen im politischen Bereich sollten wir daher in der gegenwärtigen Situation möglichst zurückhaltend sein, da sie die Wiederaufnahme der humanitären Hilfsmaßnahmen erschweren könnten. Wir sind an einer Fortführung der humanitären Hilfsmaßnahmen besonders interessiert, da wir nach den Vereinigten Staaten von Amerika bisher den größten Beitrag zur humanitären Hilfe geleistet haben.
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat nach Beginn des Bürgerkriegs ein allgemeines Waffen- und Munitionsembargo für diesen Raum erlassen, wie es ihrer ständigen Übung bei Auftauchen neuer Spannungsgebiete ohnehin entspricht, und damit dem sehr viel späteren Appell des Konsultativausschusses des Europarats schon im vorhinein Rechnung getragen. Eine Beeinflussung der Entscheidung anderer Regierungen in dieser Frage ist dagegen der deutschen Regierung kaum möglich. Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, daß der militärische Widerstand im restlichen Ostnigeria, kürzliche militärische Erfolge von General Ojukwu und die neu entstandene Aktivität seiner Luftwaffe starke militärische Hilfsmaßnahmen von dritter Seite erkennen lassen, ohne daß hier irgendeine Regierung angesprochen werden könnte.
Ich wiederhole: Die deutsche Regierung hat ein totales Waffenembargo erlassen, sieht aber keine Möglichkeit, ein strenges internationales Waffenembargo für das ganze Spannungsgebiet durchzusetzen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524421000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0524421100
Herr Staatssekretär, würden Sie die Freundlichkeit haben, auch den zweiten Teil meiner Frage 88 bezüglich der Bemühungen um Feuereinstellung zu beantworten, um so mehr, als der Herr Bundesaußenminister in der Haushaltsrede am 19. März 1969 vor dem Deutschen Bundestag sehr eingehend und im einzelnen auf die politischen Bemühungen hingewiesen hat, die die Bundesregierung bis dahin unternommen hatte, und auch auf die Unruhe, die viele Menschen in der Bundesrepublik deshalb beherrscht, und würden Sie nicht jetzt vor Abschluß der Legislaturperiode auch noch die Bemühungen seit März bis heute in der in Frage stehenden Richtung detaillieren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524421200
Ich will das gerne tun, nur ist der erste Teil Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Czaja, fast völlig deckungsgleich mit Ihrer zweiten Frage. Ich wollte in diesem Zusam-



Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
menhang dann darauf eingehen, aber ich bin gern bereit, mit Ihrer Zustimmung die etwas ausführlichere Antwort auf die zweite Frage und auch die Antwort auf die letzte Frage sofort zu geben.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0524421300
Bitte!

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524421400
Dann rufe ich die Fragen 89 und 90 des Abgeordneten Dr. Czaja mit auf:
Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß die lange Dauer des Konfliktes zwischen Nigeria und Biafra, die Unmöglichkeit, den Konflikt militärisch zu entscheiden und eine gewisse Annäherung in den Standpunkten der kämpfenden Parteien zur Frage einer Feuereinstellung es jetzt sinnvoll erscheinen lassen, in Zusammenarbeit zwischen den afrikanischen und europäischen Staaten sich verstärkt um eine Feuereinstellung auf diplomatischem Wege zu bemühen, bei der die Sicherheit der beiden Parteien, das Einfrieren der Fronten und der Beginn von Friedensverhandlungen gesichert ist?
Ist die Bundesregierung geneigt, zur Erreichung dieser Ziele insbesondere auch mit der Regierung Großbritanniens in intensivere Konsultationen einzutreten?
Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524421500
Leider hat die Tagung des Konsultativkomitees für Nigeria der Organisation für Afrikanische Einheit im April 1969 in Monrovia, an der die beiden Parteien des Bürgerkriegs teilnahmen, keinerlei Fortschritte gebracht und auch keine Anzeichen für eine Annäherung der Standpunkte erkennen lassen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Resolution hinweisen, die die 5. ordentliche Konferenz der Organisation für Afrikanische Einheit zur Nigeriafrage im September 1968 in Algier mit 33 gegen 4 Stimmen — nämlich gegen die Stimmen der vier Länder, die Biafra anerkannt haben — bei 2 Enthaltungen verabschiedete und die folgenden Wortlaut hat:
Diese Konferenz appelliert an die Führer der Sezessionisten, mit den Behörden der Föderation zusammenzuarbeiten, um den Frieden und die Einheit Nigerias wiederherzustellen. Sie ruft zur Einstellung der Feindseligkeiten auf. Sie empfiehlt der nigerianischen Bundesmilitärregierung die Ausrufung einer Generalamestie und die Zusammenarbeit mit der Organisation für Afrikanische Einheit bei der Gewährleistung der persönlichen Sicherheit aller Nigerianer, bis das gegenseitige Vertrauen wiederhergestellt ist. Sie appelliert erneut an beide Parteien, zur schnellen Versorgung der Hilfsbedürftigen mit humanitären Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten. Sie wendet sich an alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und der Organisation für Afrikanische Einheit, sich jeder Aktion zu enthalten, die der Einheit, der territorialen Integrität und dem Frieden Nigerias zuwiderläuft. Sie beauftragt den Konsultativausschuß, dem sie erneut ihr Vertrauen ausspricht, seine Bemühungen um die Verwirklichung dieser Resolution sowie der in Kinshasa gefaßten Entschließung fortzusetzen.
Hiermit hat sich die überwiegende Mehrheit der
afrikanischen Staaten erneut zum Prinzip der territorialen Integrität und Einheit bekannt und jegliche
außerafrikanischen Vermittlungsversuche zurückgewiesen.
Bei der Ministerratstagung der Westeuropäischen Union in Den Haag am 4. und 5. Juni 1969 waren alle anwesenden Delegationen der Ansicht, daß die Westeuropäische Union und ihre Mitgliedstaaten nicht zur Lösung des Konflikts beitragen könnten, sondern sich auf Fragen der humanitären Hilfe beschränken müßten.
Auf die letzte Frage darf ich folgendes antworten. Die Bundesregierung führt regelmäßig mit der britischen Regierung Konsultationen, bei denen der Nigeria-Konflikt jeweils ausführlich behandelt wird. Neue Aspekte, die über das vorher Gesagte hinausgehen, sind dabei nicht erkennbar geworden.
Ich darf noch folgendes hinzufügen. Wir haben in den letzten Monaten eine große Anzahl von Begegnungen mit verantwortlichen afrikanischen Staatsmännern gehabt. Keine dieser Begegnungen ist ausgelassen worden, um der tiefen Besorgnis, die die Bundesregierung mit den Menschen unseres Landes, mit der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, mit den Mitgliedern dieses Hauses teilt, Ausdruck zu geben und auch nach der Möglichkeit zu fragen, was denn von denjenigen, mit denen wir gesprochen haben, getan werde und was von uns getan werden könne, um zu helfen, diesen schrecklichen Konflikt zu beenden.
Ich habe selber anläßlich einer Reise in eine Reihe westafrikanischer Staaten die Gelegenheit benutzt, über diese Frage zu sprechen, und dort eine Erfahrung bestätigt bekommen, die wir bei allen anderen Gesprächen auch gemacht haben. Die Einwirkungsmöglichkeiten von außen — zumindest was europäische Länder angeht — werden übereinstimmend als außerordentlich gering angesehen. Ich darf ganz persönlich anmerken: Gelegentlich, ganz gelegentlich entsteht sogar der Eindruck, daß die bei uns sehr intensive Beschäftigung mit dieser Frage nicht in allen afrikanischen Ländern das Echo findet, das wir häufig erhoffen. Das hängt sicher auch damit zusammen, daß dort eine sehr starke Vorstellung davon herrscht, daß dies nicht nur ein innerafrikanisches, sondern nach den Vorstellungen der anderen afrikanischen Länder ein innennigerianisches Problem ist, bei dem eine Einmischung von außen — und auch jeder Versuch zur Beilegung des Konflikts wird natürlich so aufgefaßt — nicht mit ungeteiltem Beifall aufgenommen wird.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524421600
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0524421700
Herr Staatssekretär, würden Sie mir in der Meinung zustimmen, da zwar die Differenzen über die Lösung des Konflikts sehr tief sind, aber die Differenzen bezüglich der Feuereinstellung nicht so gravierend sind, da beide Seiten diese Feuereinstellung wünschen, nur die eine dabei eine völlige Niederlegung der Waffen fordert und die andere dabei ein Massaker befürchtet, daß mit Hilfe der Regierung von Großbritannien diese Bandbreite überwunden werden könnte?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524421800
Wenn Sie nicht die Einfügung „mit Hilfe der Regierung von Großbritannien" gemacht hätten, würde ich sagen, es müßte möglich sein, diese Differenz zu überwinden. Ob die Regierung von Großbritannien dazu besonders legitimiert ist oder sich selber als besonders legitimiert empfindet, ist eine Frage, die ich nur mit großem Vorbehalt beantworten kann. Der britische Premierminister, der, wie Sie wissen, vor einigen Wochen selber einen Besuch in Nigeria gemacht hat, hat sehr bewußt darauf verzichtet, in dieser Frage eine eigene Aktivität zu entfalten. Das kommt sicher nicht von ungefähr.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524421900
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0524422000
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre letzte Antwort so interpretieren, daß es offensichtlich keine oder jedenfalls keine sehr großen britischen Bemühungen in Richtung auf eine Beilegung dieses Konflikts gibt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524422100
Nein, so bitte ich meine Antwort nicht zu verstehen. Es gibt, wie wir aus den Konsultationen wissen, nicht nur eine sehr ernste Sorge um die Situation dort, sondern auch ein ständiges Bemühen. Die Frage ist nur: wann, durch wen und bei welcher Gelegenheit werden solche Bemühungen unternommen? Eine so offizielle Visite wie die des britischen Premierministers in Nigeria wäre sicherlich keine sehr geeignete Gelegenheit gewesen. Jedenfalls ist das von der britischen Regierung so aufgefaßt worden. Das heißt nicht, daß es nicht andere Bemühungen in erheblicher Zahl gibt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524422200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0524422300
Wenn, wie Sie, Herr Staatssekretär, in Ihrer Vorbemerkung zur Antwort auf Frage 88 mit Recht feststellten, bisher alle Bemühungen gescheitert sind, ein Ende der Feindseligkeiten zu erreichen, so stellt sich doch die Frage, ob dieses Scheitern einzig und allein — ich betone: einzig und allein oder ausschließlich — nur von Nigeria und Biafra zu verantworten ist. Ich möchte in dem Zusammenhang die Frage stellen, ob die Bundesregierung bereit ist, diese Frage zu untersuchen, und ob vielleicht Einflüsse von dritter Seite hier eine gewisse Rolle spielen und ob die Bundesregierung bereit wäre, dem Außenpolitischen Ausschuß dieses Hauses gegebenenfalls von den Ergebnissen ihrer Untersuchungen Kenntnis zu geben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524422400
Selbstverständlich ist das Auswärtige Amt bereit, im Rahmen seiner Möglichkeiten — für diese Einschränkung bitte ich um Verständnis — das zu untersuchen, was in diesem Zusammenhang möglich ist. Aber ich glaube, auch ohne eine solche Untersuchung, Herr Kollege Kliesing, können Sie unterstellen — und ich habe versucht, das in einem Teil meiner Antwort anzudeuten —, daß es Einflüsse von dritter Seite gibt, die zumindest nicht ohne weiteres erkennbar, nicht einmal auf eindeutige staatliche oder Regierungsinterventionen zurückzuführen sind. Daß überall da, wo Konflikte gerade dieser Art entstehen, die verschiedensten Kräfte versuchen, auch ihre eigenen Interessen ins Spiel zu bringen, gehört leider zu einer Erfahrung, die hier nur einmal mehr bestätigt wird. Ob Erkenntnisse, die in diesem Zusammenhang gewonnen werden können, eine Hilfe für eigene Überlegungen sein würden, wage ich nur mit sehr großer Vorsicht zu bewerten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524422500
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Biechele.

Hermann Biechele (CDU):
Rede ID: ID0524422600
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob der amerikanische Präsident den Appell des Senators Edward Kennedy aufgenommen hat, Vier-Mächte-Gespräche auf der Ebene der Vereinten Nationen mit dem Ziel zustande zu bringen, zu einem allgemeinen Waffenembargo im Hinblick auf Nigeria/Biafra zu kommen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524422700
Ich kann Ihnen diese Frage im ' Augenblick nicht beantworten. Ich will ihr aber gern nachgehen. Bekanntgeworden ist mir das bisher nicht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524422800
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Biechele.

Hermann Biechele (CDU):
Rede ID: ID0524422900
Wäre die Bundesregierung bereit zu prüfen, ob eine solche Initiative nicht auch von uns unterstützt werden könnte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0524423000
Sie kennen die Schwiergkeiten, die, wenn es um eine Initiative im Rahmen der Vereinten Nationen geht, für ein Handeln der Bundesregierung in dieser Richtung gegeben sind. Darüber hinaus hat die Bundesregierung für die Bundesrepublik Deutschland ohnehin längst klargestellt, daß sie ihrerseits ein absolutes Waffenembargo verhängt hat. Das bedeutet andererseits aber auch, daß sie dort, wo es ihr möglich ist, jede Bemühung nachdrücklich unterstützen wird, Waffenlieferungen in dieses Gebiet zu verhindern. Aber man muß sich, wenn man eine solche Frage vollständig beantworten will, dann auch darüber im klaren- sein, daß hier wahrscheinlich Dimensionen angesprochen werden, die die Einflußmöglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland übersteigen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524423100
Damit kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Fragen 38, 39 und 40 des Abgeordneten Hirsch auf:



Vizepräsident Scheel
Angesichts der Tatsache, daß für Entschädigungsansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz, die bis Ende 1969 noch nicht festgesetzt sind, Zinsverpflichtungen entstehen, frage ich die Bundesregierung, ob sie die Schaffung einer Rechtsgrundlage in Erwägung ziehen will, die es ermöglicht, Antragsteller bisher noch nicht erledigter und nicht offensichtlich unbegründeter Entschädigungsanträge nach dem BEG vor die Wahl zu stellen, entweder unter Verzicht im übrigen sofort einen pauschalierten Kapital- oder Rentenbetrag anzunehmen oder auf die reguläre Erledigung ihrer Anträge zu warten.
Wie hoch wären die dadurch entstehenden Mehrkosten an Entschädigungsleistungen gegenüber einer vollständig regulären Abwicklung aller noch nicht erledigten Entschädigungsanträge anzusetzen?
Mit welchem Betrag wären andererseits die Einsparungen anzusetzen, die bei Verwaltungen und Gerichten durch einen solchen vorzeitigen Abschluß der BEG-Feststellungsverfahren und durch dementsprechend geringere Zinsbelastungen gemäß § 169 BEG möglich werden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatsskretärs Leicht vom 25. Juni 1969 lautet:
Obwohl sich die Höhe der Zinslast nicht abschätzen läßt, weil nicht vorauszusehen ist, wie hoch die Entschädigungsaufwendungen für die am 31. Dezember 1969 noch nicht festgesetzten Ansprüche sein werden, und obwohl ferner völlig ungewiß ist, in welchem Umfang die dann noch unerledigten Ansprüche auch begründet sind, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Zinsbelastung nicht derart ins Gewicht fallen durfte, um eine gesetzliche Regelung in dem von Ihnen angesprochenen Sinne in Erwägung zu ziehen.
Bei den bis zum 1. Januar 1970 noch unerledigten Ansprüchen dürfte es sich in der Hauptsache um Ansprüche wegen Gesundheitsschadens, des weiteren um schwierige, schon lange Zeit in Bearbeitung befindliche Fälle, sowie um Anträge handeln, auf deren Lauf die Behörden keinen unmittelbaren Einfluß haben. So hängt bei Gesundheitsschäden die Entscheidungsreife eines Anspruchs in erster Linie vom Zeitpunkt des Eingangs des ärztlichen Gutachtens ab. Hierzu zählen auch Erbanträge mit weit verstreuten Erbengemeinschaften und Fälle, deren Akten zu anderen Verfahren beigezogen worden sind.
Die Erfahrungen aus der Zeit vor Verkündung des BEG-
Schlußgesetzes haben darüber hinaus gezeigt, daß gegen Ende der Durchführung einer Gesetzesmaterie nicht nur besonders schwierige Tatbestände zu entscheiden sind, sondern auch eine Menge unbegründeter, nur vorsorglich gestellte Anträge auftauchen, die von den Antragstellern zunächst bewußt vernachlässigt wurden.
Deshalb dürfte ein nicht unerheblicher Teil der Festsetzung von Anträgen nach Ablauf der Erledigungsfrist auf das Konto säumiger Antragsteller und Bevollmächtigter gehen und daher eine Zinslast nach § 169 Abs. 4 BEG nicht auslösen.
Da für die Durchführung des BEG und des BEG-Schlußgesetzes die Länder zuständig sind, könnte die Frage der Schaffung einer Rechtsgrundlage in dem angesprochenen Sinne nur im Benehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden erörtert werden, die ihrerseits bisher nicht mit einer entsprechenden Anregung an die Bundesregierung herangetreten sind.
Ohne entsprechende Prüfung und Stellungnahme der zuständigen obersten Landesbehörden können keine Angaben über Mehrkosten an Entschädigungsleistungen gegenüber einer vollständig regulären Abwicklung aller noch nicht erledigten Entschädigungsanträge gemacht werden; dasselbe gilt für die Höhe des Betrages mit dem andererseits etwaige Einsparungen bei Verwaltungen und Gerichten durch einen vorzeitigen Abschluß der BEG-Feststellungsverfahren anzusetzen wären und wie hoch schließlich die Zinsbelastung gemäß § 169 BEG geringer ausfallen würde.
Frage 41 des Herrn Abgeordneten Reichmann:
Wieviel Zolleinnahmen gingen der Bundesrepublik Deutschland seit Einführung der Zollunion am 1. Juli 1968 verloren, weil Einfuhren aus Drittländern für die Bundesrepublik Deutschland —über andere EWG-Mitgliedstaaten — erfolgt sind?
Die Frage wird von Herrn Kollegen Ertl übernommen.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0524423200
Etwa 20 Millionen DM nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524423300
Frage 42 des Abgeordneten Reichmann:
Werden diese verlorenen Zolleinnahmen der Bundesrepublik Deutschland infolge der Maßnahmen der Gemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland bei den Zahlungsverpflichtungen an die Gemeinschaft angerechnet?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0524423400
Bisher nicht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524423500
Frage 43 des Abgeordneten Reichmann:
Wenn nicht, wie wird die Bundesregierung die Berücksichtigung dieser erheblichen Ausfälle an Zolleinnahmen bei der Gemeinschaft erwirken?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0524423600
Die Bundesregierung wird versuchen, jedenfalls ab 1. Juli 1969 einen Ausgleich von den EWG-Partnerstaaten zu erlangen. Für die zurückliegende Zeit besteht kaum Hoffnung, daß es gelingen wird.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0524423700
Erfreulich präzise und kurz! Die Fragen 44 bis 46 sind zurückgezogen.
Wir kommen zur Frage 47 des Abgeordneten Graaff. — Der Abgeordnete Graaff ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Dasselbe gilt für die Fragen 48 und 49.
Da alle Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung entweder schriftlich beantwortet werden oder zurückgezogen worden sind, ist der Herr Bundesminister der Verteidigung nicht hiergeblieben.
Ich rufe die Fragen 71 und 72 des Abgeordneten Dr. Schmidt (Offenbach) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei Anerkennungsverfahren von Kriegsdienstverweigerern lange, zum Teil nicht zumutbare Wartezeiten bestehen?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um im Rahmen der gegebenen Gesetzeslage eine Beschleunigung dieser Verfahren zu erreichen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Schröder vom 27. Juni 1969 lautet:
Im allgemeinen entstehen bei den genannten Anerkennungsverfahren keine unzumutbaren Wartezeiten.
Bis zum 31. 3. 1969 wurden insgesamt 56 842 Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt; hiervon sind 46 938 Anträge durch die Prüfungsausschüsse und Prüfungskammern für Kriegsdienstverweigerer entschieden worden bzw. haben sich die Anträge aus sonstigen Gründen erledigt. Danach sind noch 9904 Anträge bei den Prüfungsausschüssen und Prüfungskammern in Bearbeitung. Diese Zahl erscheint zwar hoch, erklärt sich aber daraus, daß allein im I. Quartal 1969 5535 neue Anträge gestellt worden sind.
Wenn im übrigen das Anerkennungsverfahren in Einzelfällen unverhältnismäßig lange dauert, so liegt dies vielfach daran, daß die Antragsteller den Rechtsmittelweg ausschöpfen. So waren am 31. 3. 1969 allein 2548 Verfahren bei den Verwaltungsgerichten anhängig.
Trotzdem ist in den vergangenen Jahren das Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer durch eine Vielzahl von Weisungen soweit wie möglich vereinfacht und dadurch wesentlich beschleunigt worden. Weitere Vereinfachungen wären mit den für dieses Verfahren geltenden gesetzlichen Vorschriften nicht in Einklang zu bringen.
In organisatorischer Hinsicht ist außerdem sichergestellt, daß die Zahl der Prüfungsausschüsse und Prüfungskammern fortlaufend dem Antragsaufkommen angepaßt wird. Seit Ende 1966 wurde allein die Zahl der Prüfungsausschüsse mehr als verdoppelt (1966 = 21, Juni 1969 = 44) ; außerdem wurden die Prüfungsausschüsse und Prüfungskammern teilweise personell verstärkt.
Die Fragen 73, 74 und 75 des Abgeordneten Dr. Kreutzmann sind zurückgezogen worden.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0524423800

Wieviel gemeinsame Kommandostabsübungen oder Manöver sind seit 1964 von der Sowjetarmee und der NVA durchgeführt worden?



Vizepräsident Scheel
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Schröder vom 27. Juni 1969 lautet:
Seit dem Jahre 1964 bis Juni 1969 wurden folgende gemeinsame Übungen zwischen sowjetischen Streitkräften und NVA durchgeführt:
Landstreitkräfte: mehr als 30 Übungen (teils Stabsrahmenübungen, teils Übungen mit Volltruppe)

Luftstreitkräfte: über 30 gemeinsame Ubungen der Luftverteidigungskräfte
Seestreitkräfte: 6 Manöver mit Seestreitkräften des WARSCHAUer-PAKTes in der OSTSEE
Hierbei ist zu berücksichtigen, daß an diesen gemeinsamen Übungen teilweise Streitkräfte anderer WARSCHAUer-PAKT-Staaten beteiligt waren und daß oft bei Übungen der Landstreitkräfte Luftstreitkräfte eingesetzt wurden.
Die gemeinsame Übungstätigkeit läßt eine gewisse Regelmäßigkeit erkennen.
Die Fragen 77 und 78 des Abgeordneten Berkhan sind zurückgezogen worden.
Fragen 79, 80 und 81 des Abgeordneten Jung:
Ist die Bundesregierung bereit, den Erlaß von FüH IV/3, wonach die bisher gute Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Flugsportgruppen zum Nachteil der Bundeswehr unterbunden wird, umgehend wieder aufzuheben?
Ist der gemeinsame Antrag der Teilstreitkräfte Luftwaffe und Heer zur Regelung der Flugzulage von Propeller- und Hubschrauberpiloten, der Mitte Januar 1969 gestellt wurde, erst Ende Mai durch FüS an die Abteilung VR weitergeleitet worden, um eine Regelung dieser wichtigen Frage in dieser Legislaturperiode unmöglich zu machen?
Hat die Bundesregierung geprüft, ob eine eigene Laufbahnregelung für Propeller- und Hubschrauberpiloten — ähnlich der Strahlflugzeugführerlaufbahn, jedoch mit längeren Dienstzeiten — geeignet wäre, dem in absehbarer Zeit eintretenden Mangel an qualifizierten Flugzeugführern — besonders beim Heer — wirksam zu begegnen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Schröder vom 27. Juni 1969 lautet:
1. Zur Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Flugsportgruppen (Frage Nr. 79)

Die Bundesregierung sieht sich zur Zeit leider nicht in der Lage, den von Ihnen zitierten Erlaß von Fü H IV 3 vom 16. April 1969 wieder aufzuheben. Einer solchen Maßnahme stehen noch nicht befriedigend gelöste Haftungsfragen entgegen. Die Bundeswehr mußte daher ihre Teilnahme an zivilen Luftfahrtveranstaltungen und die Bereitstellung von Flugzeugen hierfür auf bestimmte Einzelfälle von erheblichem dienstlichen Interesse beschränken. Bei diesen Einzelfällen handelt es sich um
— die Deutschen Meisterschaften auf Bundesebene im Segel-und Motorflug sowie im Fallschirmsportspringen;
— den Deutschlandflug;
-- die Europa- und Weltmeisterschaften auf deutschem Boden im Segel- und Motorflug sowie im Fallschirmsportspringen;
- bestimmte Veranstaltungen im Ausland, über die von Fall zu Fall entschieden wird.
Es wird jedoch zur Zeit geprüft, ob darüber hinaus ein erhebliches dienstliches Interesse an der Bereitstellung von Flugzeugen zum Absetzen ziviler Sportspringergruppen bejaht werden kann. Diese Prüfung umfaßt eine Reihe zum Teil komplizierter rechtlicher, organisatorischer, personeller und finanzieller Fragen, die vor einer Gestellung von Absetzflugzeugen geklärt werden müssen.
2. Zur Flugzeugzulage für Propeller- und Hubschrauber-Piloten (Frage Nr. 80)

Es besteht kein Anlaß zu vermuten, die Behandlung dieser Materie in der gegenwärtigen Legislaturperiode werde durch eine verzögerliche Bearbeitung unmöglich gemacht. Der Vorgang wurde vielmehr von den beteiligten Abteilungen und Teilstreitkräften mit besonderer Dringlichkeit bearbeitet. Da
es sich bei der gewünschten Erhöhung der Fliegerzulage aber um eine erhebliche Besoldungsverbesserung für das gesamte fliegende Personal der Bundeswehr handelt, bedarf es zumindest der Erstellung eines Gutachtens des Flugmedizinischen Instituts. Erst wenn dieses Gutachten vorliegt, kann eine endgültige Entscheidung ergehen.
In diesem Zusammenhang darf ich auf die Antwort von Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Adorno vom 11. Juni 1969 auf eine Mündliche Anfrage des Kollegen Dr. Wörner zum Flugmedizinischen Institut verweisen (Prot. des Deutschen Bundestages vom 11. Juni 1969; 236. Sitzung S. 13138).
3. Zur Frage, ob mit einer eigenen Laufbahnregelung für Propeller- und Hubschrauberpiloten einem zukünftigen Flugzeugführermangel begegnet werden kann (Frage Nr. 81).
Aufgrund der bisherigen Untersuchungen des Flugmedizinischen Instituts ist eine eigene Laufbahnregelung für die genannten Flugzeugführer nicht in Erwägung gezogen worden. Auch soweit sie das 50. Lebensjahr überschritten haben, sind sie fast alle wehrfliegerverwendungsfähig geblieben. Unter diesen Umständen ist zur Zeit nicht beabsichtigt, für diese Piloten eine besondere Altersgrenze festzulegen.
Die Fragen 50, 51 und 52 des Abgeordneten Zoglmann sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung ein auf Dienstag, den 1. Juli 1969, 10 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.