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    Deutscher Bundestag 244. Sitzung Bonn, den 27. Juni 1969 Inhalt: Amtliche Mitteilungen 13601 A Erweiterung der Tagesordnung 13602 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer bebauten Teilfläche des bundeseigenen Grundstücks Flur Nr. 404/23 der Gemarkung München- Milberthofen an die Arbeitsgemeinschaft freier Wohnungsunternehmen „Olympia-Dorf" München (Drucksachen V/4258, V/4490) 13602 A Entwurf eines Gesetzes über den Verkauf von bundeseigenem Gelände in München zur Errichtung frei finanzierter Wohnungen, die während der Olympischen Spiele 1972 als Olympisches Dorf der Männer benutzt werden sollen (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache V/4491) — Erste Beratung — 13602 B, 13645 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des ehemaligen Exerzierplatzes und des ehemaligen Schießstandes in Paderborn an die Stadt Paderborn (Drucksache V/4448) 13602 B Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (Drucksachen V/3912, V/4425) in Verbindung mit Weißbuch 1969 zur Verteidigungspolitik der Bundesregierung (Drucksache V/4100), mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (FDP) (Drucksache V/1741); Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache V/4051) — Zweite Beratung —, mit Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksache V/4219) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache V/4463), Mündlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache V/4433) — Zweite und dritte Beratung —, mit Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache V/3770) ; Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache V/4432) — Zweite und dritte Beratung — und mit Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache V/4249) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache V/4464), Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (Drucksache V/4424) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 13602 C Dr. Klepsch (CDU/CSU) . 13603 A,13603 C Buchstaller (SPD) 13609 A Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler 13612 D, 13618 A Mischnick (FDP) 13616 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1969 Schmidt (Hamburg) (SPD) 13618 C, 13641 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . 13621 A Jung (FDP) 13623 A Ernesti (CDU/CSU) 13625 C Berkhan (SPD) . . . . . . . 13629 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 13632 A Hoogen, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 13636 D Dr. Schröder, Bundesminister . . 13638 A, 13643 A Ollesch (FDP) 13639 D Josten (CDU/CSU) 13644 D Fragestunde (Drucksachen V/4430, V/4467) Fragen der Abg. Josten, Ramms und Kubitza: Vergiftung des Rheinwassers Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . 13645 D, 13646 A, B, C, D, 13647 A, B, C, D, 13648 A, B, C, D, 13649 A, B, C, D Josten (CDU/CSU) . . 13646 A, B, 13648 C, 13649 C Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . . 13646 C Dr. Gleissner (CDU/CSU) . 13646 D, 13647 A Dr. Meinecke (SPD) . . . . . .13647 A, B Jung (FDP) 13647 C Dröscher (SPD) . . . . . . . 13647 C Frau Dr. Heuser (FDP) . 13647 D, 13649 B, C Ertl (FDP) 13648 A Fragen der Abg. Weigl und Frau Holzmeister: Besetzung von Sozialreferentenstellen an deutschen Auslandsvertretungen Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 13650 A, B, C, D, 13651 A, B, C, D, 13652 B, D, 13653 A, B Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . .13650 A, B, 13652 D Frau Holzmeister (CDU/CSU) . . . 13650 D, 13651 A, D, 13652 B, D Sänger (SPD) 13651 A, B Dröscher (SPD) 13653 A Fragen des Abg. Dr. Czaja: Konflikt zwischen Nigeria und Biafra Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 13653 B, D, 13654 Ar 13655 A, B, D Dr. Czaja (CDU/CSU) . 13653 D, 13654 A, D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) .13655 A, B Biechele (CDU/CSU) . . . . .13655 C, D Fragen des Abg. Hirsch: Ansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz 13655 D Fragen des Abg. Reichmann: Ausfälle an Zolleinnahmen durch Einfuhren aus Drittländern über EWG-Mitgliedstaaten Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . .13656 B, C Fragen des Abg. Dr. Schmidt (Offenbach) : Dauer der Anerkennungsverfahren von Kriegsdienstverweigerern 13656 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Kommandostabsübungen oder Manöver der Sowjetarmee und der NVA . . . 13656 D Fragen des Abg. Jung: Flugsportgruppen — Flugzulage für Propeller- und Hubschrauberpiloten Laufbahnregelung für Propeller- und Hubschrauberpiloten . . . . . . 13657 A Nächste Sitzung 13657 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 13659 A Anlagen 2 und 3 Entschließungsanträge Umdrucke 717 und 731 zu dem Schriftlichen Bericht des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (Drucksachen V/3912, V/4425) 13659 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Weigl betr. Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen bei Restriktionen auf dem Baumarkt . . . . 13660 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1969 13601 244. Sitzung Bonn, den 27. Juni 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung In der 240. Sitzung muß es auf Seite 13343 C ab Zeile 3 richtig heißen: wenn die Beratungsergebnisse eines Gründungsausschusses, an dem der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung und der Bundesminister für Wirtschaft beteiligt sind, über Fragen der Organisation und der Aufgaben den I. T. E. vorliegen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach 27. 6. Arendt (Wattenscheid) 27. 6. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 29. 6. Bading * 27. 6. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 27. 6. Dr. Barzel 27. 6. Prinz von Bayern 27. 6. Bazille 5. 7. Dr. Birrenbach 27. 6. Börner 27. 6. Dr. Brenck 15. 7. Deringer 27. 6. Dr. Dittrich * 27. 6. von Eckhardt 27. 6. Dr. Eckhardt 27. 6. Dr. Even 28. 6. Dr. Friderichs 27. 6. Frieler 27. 6. Freiherr von Gemmingen 27. 6. Dr. Giulini 30. 6. Dr. Götz 27. 6. Graaff 27. 6. Freiherr von und zu Guttenberg 15. 7. Haage (München) 27. 6. Haar (Stuttgart) 27. 6. Hamacher 30. 6. Dr. Heck 5. 7. Hellenbrock 15. 7. Hölzle 27. 6. Hösl 27. 6. Illerhaus * 27. 6. Dr. Ils 4. 7. Jacobi (Köln) 27. 6. Jahn (Braunschweig) 27. 6. Frau Kleinert 4. 7. Klinker * 27. 6. Kriedemann * 27. 6. Freiherr von Kühlmann-Stumm 27. 6. Kunze 15. 7. Lemmer 27. 6. Lenz (Brühl) * 27. 6. Dr. Lohmar 5. 7. Lotze 15. 7. Mauk * 27. 6. Memmel * 27. 6. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 27. 6. Michels 27. 6. Missbach 5. 7. Müller (Aachen-Land) * 27. 6. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Nellen 15.7. Richarts * 27. 6. Dr. Schulze-Vorberg 27. 6. Dr. Schmidt (Wuppertal) 27. 6. Dr. Staratzke 27. 6. Dr. Starke (Franken) 27. 6. Steinhoff 15. 7. Dr. Wahl * 28. 6. Weiland 27. 6. Frau Wessel 15. 7. Frau Dr. Wex 27. 6. Wiefel 27. 6. Dr. Wilhelmi 30. 6. Winkelheide 27. 6. Zink 27. 6. Anlage 2 Umdruck 717 Entschließungsantrag der Abgeordneten Rommerskirchen, Draeger, Ernesti, Dr. Zimmermann, Berger und Genossen zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses (5. Ausschuß) über den Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages - Drucksachen V/3912, V/4425 -. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der Fürsorgepflicht für Wehrpflichtige sicherzustellen, daß jedem Grundwehrdienstleistenden Beiträge für eine Unfallversicherung ersetzt werden, sofern die Versicherung nach den Bedingungen eines vom Bundesministerium der Verteidigung zu vereinbarenden Rahmenvertrags von dem Wehrpflichtigen abgeschlossen wurde. Bonn, den 12. Juni 1969 Rommerskirchen Draeger Ernesti Dr. Zimmermann Berger Dr. Althammer Dr. Conring Damm Dichgans Dr. Frerichs Frieler Glüsing (Dithmarschen) Haase (Kassel) Dr. Häfele Hauser (Bad Godesberg) Frau Jacobi (Marl) Josten Frau Kalinke Dr. Klepsch Köppler Lemmrich Dr. Lenz (Bergstraße) Lenze (Attendorn) Lücker (München) Dr. Marx (Kaiserslautern) Meis Frau Mönikes Petersen Picard Rasner Rawe Dr. Reinhard Röhner Stahlberg Dr. Wörner Baron von Wrangel 13660 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1969 Anlage 3 Umdruck 731 Entschließungsantrag der Abgeordneten Schultz (Gau-Bischofsheim), Jung, Ollesch, Mischnick und Fraktion der FDP zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses (5. Ausschuß) über den Jahresbericht 1968 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksachen V/3912, V/4425 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, den Hinweisen des Wehrbeauftragten dadurch Rechnung zu tragen, daß sie seine Anregungen prüft und gegebenenfalls die nötigen Maßnahmen trifft. Dabei soll sie insbesondere folgende Punkte berücksichtigen: 1. Im staatsbürgerlichen Unterricht und in der aktuellen Information sollten die Vorgesetzten verstärkte Bestrebungen und Aktionen der außer- und antiparlamentarischen Opposition, insbesondere auch Flugblätter und Plakate, behandeln, um auf diese Weise die Soldaten in die Lage zu versetzen, agitatorischen Argumenten und Halbwahrheiten kritisch entgegenzutreten. 2. Bund und Länder müssen durch geeignete Maßnahmen gemeinsam sicherstellen, daß in Zukunft die Wehrtechnik in der Lehr- und Forschungstätigkeit der Universitäten stärker berücksichtigt wird. 3. Gediente Studienbewerber müssen die Möglichkeit erhalten, ohne Zulassungsbeschränkung zu studieren, wobei die sachlichen Zulassungsbedingungen zugrunde zu legen sind, die bestanden, bevor sie zur Bundeswehr eingezogen wurden. 4. Die Einstellungs- und Entlassungstermine der Bundeswehr und die Termine für den Studienbeginn müssen aufeinander abgestimmt werden, damit die gedienten Abiturienten keinen Zeitverlust erleiden. Das gleiche gilt für Prüfungstermine der Industrie- und Handels- sowie der Handwerkskammern. 5. Die Bundesregierung hat zu prüfen, wie die Dienstposten insbesondere der technischen Spezialisten in den Streitkräften sachgerecht bewertet werden können. Dabei muß erörtert werden, ob eine besondere technische Laufbahn zu schaffen ist, weil die nach Dienstgraden ausgerichtete Besoldung heute möglicherweise nicht mehr dem insbesondere im technischen Bereich anzuwendenden Leistungsprinzip gerecht wird. 6. Es ist sicherzustellen, daß insbesondere die einberufenen Soldaten entsprechend ihrer Eignung und Neigung verwendet werden. 7. Es ist sicherzustellen, daß zu Wehrübungen einberufene Reservisten sinnvoll eingesetzt wer- den und daß nicht ein erheblicher Teil der Übungszeit durch Verwaltungsgeschäfte und organisatorische Maßnahmen verloren geht. 8. Es ist sicherzustellen, daß auch Spezialisten, die in den Einheiten unabkömmlich erscheinen, zu laufbahnfördernden Lehrgängen entsandt werden, damit sie in ihrer Beförderung keine Nachteile erleiden. 9. Die Bundesregierung soll gesetzgeberische Maßnahmen vorschlagen, durch die sichergestellt wird, daß Wehrpflichtige auch dann von dem Arbeitgeber ein ungekürztes Weihnachtsgeld erhalten müssen, wenn sie in dem fraglichen Jahr teilweise Wehrdienst abgeleistet haben. Darüber hinaus sollten auch Wehrpflichtige vom Bund ein Weihnachtsgeld erhalten. Beide Maßnahmen wären ein Beitrag zur besseren Wehrgerechtigkeit. 10. Die Wehrstrafgerichtsbarkeit muß so geregelt werden, daß im Ernstfall keine Umstellung gegenüber der Friedenszeit erforderlich ist. 11. Das Handbuch „Die Innere Führung" ist so zu bearbeiten, daß es endlich ein schlüssiges Konzept der Inneren Führung enthält, das für jedermann verständlich ist und im übrigen erschöpfend darstellt, was unter Innerer Führung zu verstehen und wie sie anzuwenden ist. Bonn, den 26. Juni 1969 Schultz (Gau-Bischofsheim) Jung Ollesch Mischnick und Fraktion Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 27. Juni 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Weigl (Drucksache V/4430 Frage 53) Wird die Bundesregierung bei aus konjunkturellen Gründer notwendig werdenden Restriktionen auf dem Baumarkt jene Infrastrukturmaßnahmen ausnehmen, die die Voraussetzung für die Strukturverbesserung wirtschaftlich schwacher Gebiete be deuten, z. B. den Ausbau der Schnellstraße B 15 neu? Die Antwort auf Ihre Frage lautet ja. Die Bundesregierung ist zu einer solchen Haltung schon deshalb verpflichtet, weil die am 23. Januar 1969 vom Konjunkturrat der öffentlichen Hand verabschiedeten „Grundsätze für die Abstimmung der Förderungsmaßnahmen des Bundes, der Länder und Gemeinder in der regionalen und sektoralen Strukturpolitik” den Satz enthalten: „Konjunkturdämpfende Maßnahmen sollen nicht auf strukturpolitisch wichtig Maßnahmen angewendet werden".
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    Herr Präsisident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in dieser Aussprache über den Bericht des Herrn Wehrbeauftragten, dem auch ich einen hohen Wert beimesse, das Wort ergreifen. Mir erscheint dies um so mehr notwendig angesichts einer öffentlichen Diskussion, die meine Ansprache vom 18. Juni vor dem Bundeswehrverband zum Anlaß genommen hat, die Grundprobleme unserer Bundeswehr anzusprechen. Leider ging es dabei, wie es so häufig geht: daß diese Rede, die bei meinem Auditorium und darüber hinaus, sowohl unmittelbar wie bis zu dieser Stunde, einen außerordentlichen und nach-



    Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
    haltigen Eindruck gemacht hat, durch ein isoliertes und daher notwendigerweise verzerrendes Herausgreifen weniger Passagen, die eine völlig nebensächliche Bedeutung hatten, gar nicht zur Kenntnis unserer Bevölkerung gekommen ist.
    Meine Damen und Herren, ich fand im Jugendbericht der Bundesregierung vom 15. Januar 1968 folgende interessante Stelle. In dem Kapitel, in dem von der Ausbildung und Erziehung des Jugendlichen als Soldaten die Rede ist und vom Ausbildungs- und Erziehungsauftrag der Bundeswehr gesprochen wird, findet sich folgender Satz.
    Diese Soldaten müssen erzogen werden zum unbeirrbaren Willen, tapfer zu kämpfen und gleichzeitig in der Zuordnung der Bundeswehr zum Frieden das Leitmotiv ihres mitverantwortlichen Denkens und Handelns als Soldat zu sehen. Der Soldat muß die Widersprüchlichkeit moderner soldatischer Existenz begreifen und verarbeiten, diese Widersprüchlichkeit, die darin besteht, daß er sich auf den Ernstfall der Verteidigung vorbereiten muß und doch nicht wünschen darf, daß dieser Ernstfall eintritt.
    Dies war das Thema meiner Rede vom 18. Juni. Ich habe in dieser Rede drei Fragen gestellt: 1. Was müssen wir von unseren Soldaten erwarten? 2. Was muß der Soldat von der Politik und von dem Staatsmann, der für diese Politik verantwortlich ist, erwarten? 3. Was darf der Soldat von der Gesellschaft, von unserem Volk erwarten?
    Ich habe, ausgehend von dem soeben zitierten Gedanken, daß der Soldat die Widersprüchlichkeit der modernen soldatischen Existenz begreifen und verarbeiten muß, darauf hingewiesen, daß unseren Soldaten in zwei Weltkriegen Ungeheuerliches zugemutet worden ist, daß sie in zwei Weltkriegen Ungeheures an Opfermut und Einsatz geleistet haben und dieser ihrer Leistung eine jammervolle und elende Politik gegenüberstand, die sie in einen vergeblichen Tod getrieben hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ausgehend von dieser geschichtlichen Feststellung zu den beiden Weltkriegen habe ich folgendes gesagt— ich bitte den Herrn Präsidenten, mir zu gestatten, es wörtlich wiederzugeben —:
    Deswegen kann der Soldat heute vom Politiker zweierlei verlangen:
    1. Er kann verlangen, daß das Instrument, das die Politik geschmiedet hat, nämlich unser Beitrag zum Nordatlantischen Bündnis, so gut und so volkommen sei, wie dies unter den gegebenen Umständen nur möglich ist. Das meine ich so, wie ich es sage, und da ist noch sehr viel zu tun!
    Das war die erste Feststellung. Nun die zweite:
    2. Der Soldat kann erwarten, daß das, was nun zweimal passiert ist und was einmal zu einer riesigen Katastrophe geführt hat, nicht mehr geschieht, soviel an uns liegt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Ich habe fortgefahren:
    Ich habe dies oft in dem Bilde ausgedrückt: Wenn zwei riesige Apparate, wie die der NATO und des Warschauer Paktes, einander gegenüberstehen, dann muß die Politik dafür sorgen, daß die Spannung in diesen Militärapparaten politisch so niedrig gehalten wird, daß sie sich nicht bis zu einem Punkt akkumuliert, wo es dann, wie es schon einmal geschah, durch den Überschlag des Funkens zur Katastrophe kommt.
    Das ist die ganz große Aufgabe unserer Friedenspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Es ist nicht immer leicht, unseren Mitbürgern diesen Zusammenhang darzustellen, daß es nämlich notwendig ist, dieses Bündnis zu haben und zu halten und unsere kräftige Beteiligung daran ... und daß andererseits diese Friedenspolitik zu führen ist. Beides steht in einem völlig unaufhebbaren Zusammenhang, ... wir könnten überhaupt kein Vertrauen in unseren Soldaten zu ihrer Aufgabe erwecken, wenn sie nicht wüßten, daß sie sich auf eine solche Politik in unserem Lande verlassen können, die sie nicht noch einmal vor eine unzumutbare Forderung stellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    ... Diese Friedenspolitik ist nicht eine Politik der Schwäche, sie ist nicht einmal nur eine Politik der Friedfertigkeit. ... Aber die Bereitschaft zum Frieden
    — die notwendig ist —
    hatte Wilhelm II., hatte auch Bethmann-Hollweg, hatten viele andere damals, und dennoch
    — so sagte ich —
    ist es zum Ersten Weltkrieg gekommen. Man muß eben auch in der Lage sein, diese Bereitschaft zum Frieden in die hohe Kunst und die schwierige Kunst des Friedenstiftens umzuwandeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe die Soldaten gebeten, diese Friedenspolitik richtig zu verstehen, nicht als eine Politik der Illusionen, eine Politik ,der Schwäche, eine Politik der Fremdheit den Gegebenheiten unserer Welt gegenüber. Ich habe diese Bitte mit den Worten geschlossen:
    ... es ist höchster Wirklichkeitssinn, der uns ...
    diese Politik betreiben läßt. Und ich meine,
    — so schloß ich —
    unsere Soldaten sollten — und ich habe es ihrer Zustimmung entnommen — gerade mit dieser Politik einverstanden sein.
    Meine Damen und Herren, das war die Stelle in meiner Rede, die den größten und den nachhaltig-



    Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
    sten Beifall und die Zustimmung jener Versammlung gefunden hat. Jeder, der dabei war, weiß das.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich mache darauf aufmerksam, daß Besucher auf der Tribüne jede Kundgebung zu unterlassen haben.

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    Meine Damen und Herren, ich habe das vorgetragen, nicht um etwa in unsere Reihen Zwiespalt zu tragen, sondern ganz im Gegenteil, um zu bestätigen, daß wir uns, wie ich weiß, in dieser Auffassung völlig einig sind. Das knüpft an das Wort der Regierungserklärung an, daß der Friede das erste Wort und das Grundanliegen dieser Regierung sei.
    Ich habe dann die nächste Frage gestellt und gefragt: „Was kann der Soldat von der Gesellschaft, von unserem Volk erwarten?" Dabei habe ich ausgeführt, was uns allen selbstverständlich ist, daß unser Volk den Soldaten unserer Bundeswehr als einen Garanten des Friedens begreift, weil wir ohne die Existenz dieser Bundeswehr im größeren Rahmen des atlantischen Bündnisses unsere politische, unsere wirtschaftliche und unsere kulturelle Existenz gar nicht bewahren und behaupten könnten.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Weil unsere Soldaten diese Garanten sind, gebührt ihnen eben auch der Respekt, die Anerkennung und der Dank unseres Volkes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Ich habe auch — das müssen wir ja gerade Soldaten sagen — zu dem Problem — wenn Sie so wollen — Liebe zum Vaterland oder zum Patriotismus Stellung genommen. Gewiß, auch da kann man sagen: wenn man nur diese Worte wiederholt, dann sind es alte Klischees und man kann mißverstanden werden. Deswegen habe ich von einem modernen Patriotismus gesprochen; deswegen habe ich — so wie in meinem Bericht zur Lage der Nation — gesagt, unserem Volk kam es von Anfang an nicht nur darauf an, die eigene Existenz in der Bundesrepublik wiederaufzubauen und die Einheit der Nation wieder zu gewinnen, sondern diesem Volk kam es in Übereinstimmung mit den Vätern des Grundgesetzes darauf an, Europa zu bauen und dem Frieden in der Welt zu dienen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Wer sich wie wir alle dazu bekennt, daß wir, um bleiben zu können, was wir sind, nämlich freie Menschen in einem freien deutschen Land und hoffentlich eines Tages freie Deutsche in einem wiedervereinigten Deutschland, Europa bauen müssen, der ist kein Patriot im alten Sinne, im alten Klischeesinne, der ist kein Hurrapatriot wie ehedem. Das ist moderner Patriotismus.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Gerade deswegen habe ich an unsere Soldaten so
    dringend appelliert, unsere Friedenspolitik und un-
    sere europäische Politik zu verstehen, weil ja am ehesten politisch nicht mitdenkende Soldaten für alte patriotische und vielleicht nationalistische Klischees anfällig sein könnten. Deswegen habe ich die anwesenden Soldaten auf die Gefahr eines solchen Nationalismus hingewiesen.
    Ich habe von jenen Narren und Verführern unserer jungen Generation gesprochen, die schon wieder das alte, unselige Lied zu singen beginnen, und ich habe wörtlich gesagt:
    Darum bitte ich Sie, — die Vorgesetzten und Vorbilder dieser jungen Menschen in der Bundeswehr — wo Sie junge Menschen sehen, die sich aufgeschlossen zeigen für diese Parolen, versuchen Sie es, mit ihnen gegen die Verführer zu diskutieren. Diskutieren Sie mit ihnen, sagen Sie ihnen, wie heute in dieser Welt Vaterland zu begreifen ist, wie heute in dieser Welt das deutsche Interesse zu sehen ist!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe im selben Zusammenhang ausdrücklich davor gewarnt, daß wir uns etwa verführen lassen, uns nun schon wieder in Gedanken an eine deutsche Stärkeposition in Europa einzulassen, oder uns von anderen dazu verleiten lassen. Vormacht, deutsche Vormacht in Europa — was für ein gefährliches Wort! Ich habe dann gesagt:
    Lassen Sie uns darauf uns einigen: in diesem Europa wollen wir weder die Vorherrschaft noch die Hegemonie irgendeiner Macht. Dieses neue Europa, das wir wollen, muß das Europa gleichberechtigter Partner werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Nun, meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß
    wir in diesen Fragen alle dieselbe Auffassung haben.
    Ich kam dann zu dem Thema der Bundeswehr als der Institution unserer demokratischen Gesellschaft und unseres demokratischen Staates. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Armee vor dem ersten Weltkrieg noch Züge des Feudalzeitalters trug, daß die Offiziere sehr häufig aus dem Adel oder gehobenen bürgerlichen Ständen stammten und daß sich schon daher ein schiefes Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Soldaten ergab, und sagte: das ist vorbei. Wir leben in einem durch und durch demokratischen Staat, und diesem demokratischen Staat gehört auch die Bundeswehr als ein entscheidendes Element an.
    Nun kommt dieser Passus, der isoliert aus dem Zusammenhang meiner Rede herausgerissen worden ist und den niemand, der mit offenen Ohren zugehört hat, mißverstehen konnte; der in jener Versammlung auch nicht mißverstanden worden ist, auch wenn einige vielleicht glaubten, ich würde hier versuchen, von bestimmten Vorstellungen, die wir gemeinsam miteinander entwickelt haben, abzurükken. Ich sagte, daß alles auf dieses Vorbildhafte der Existenz des Vorgesetzten ankommt. Das wissen wir doch. Wir erfahren doch alle von jedem, der in der Bundeswehr gedient hat: Hier war einer, der war



    Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
    großartig jawohl, das sagen sie —; das war ein
    Kerl, oder: ein Mann!

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe.)

    — Ich sage nicht so; ich habe die Jungen zitiert, die so sagen. Darauf kommt es — so sagte ich — ganz entscheidend an, gar nicht so sehr auf die vielen Worte, sondern auf das existentielle Vorbild. Es kann einer Worte machen noch und noch; wenn er nicht überzeugt

    (Abg. Matthöfer: Sehr wahr!) durch sein existentielles Vorbild,


    (Beifall bei der CDU/CSU — Beifall bei der SPD)

    wenn er da nicht überzeugt, dann wird er auch seine Aufgabe als Vorgesetzter und als Erzieher — denn als solchen sehen wir ihn gemeinsam — nicht leisten können.
    Dann sagte ich:
    Ich will jetzt gar nicht mit den alten Klischees kommen, . . . mit dem „Bürger in Uniform" und der „Inneren Führung" . . . Ich will ganz einfach sagen . . . Nichts gegen all diese Versuche, all diese Formeln, die in schweren Jahren gefunden und geprägt worden sind. Sie sind ja der Ausdruck eines großen Ringens um diese neue Bundeswehr und ihre Integration in unserer demokratischen Gesellschaft gewesen. Aber manchmal werden eben gewisse Formeln auch abgeschliffen, und sie verlieren etwas von dem Leben, das sie einmal besessen haben, so meine ich es.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

    Meine Damen und Herren, der Herr Wehrbeauftragte hat in seinem Bericht zum Handbuch Innere Führung folgendes gesagt:
    Der Bundesminister der Verteidigung bereitet zur Zeit eine Neuauflage des Handbuchs Innere Führung vor. Dieses Vorhaben begrüße ich nachdrücklich . . . Es ist . . . an der Zeit, die Grundsätze der Inneren Führung in einer lehr- und lernbaren Darstellung den Soldaten der Bundeswehr, insbesondere den Vorgesetzten für Unterrichtszwecke, nahezubringen und hierbei die politischen, gesellschaftlichen und militärischen Entwicklungen — auch im Hinblick auf das Berufsbild und das Selbstverständnis des Soldaten — eingehend zu berücksichtigen .. .
    . . . Die gegenwärtigen Darstellungen der Inneren Führung leiden darunter, daß sie keine folgerichtige Entwicklung aufzeigen, sondern sich in der Darstellung von Teilkomplexen unter bestimmten Gesichtspunkten erschöpfen. Wie mir zahlreiche Soldaten auf meinen Truppenbesuchen gesagt haben, würden sie es begrüßen, wenn sie eine Darstellung der Inneren Führung an die Hand bekämen, die auch für das Selbststudium geeignet ist. . . .
    Die Innere Führung ist einer stetigen Veränderung unterworfen; wenn die Streitkräfte in
    glaubwürdiger Weise in Staat und Gesellschaft integriert werden sollen, müssen sie die gesellschaftlichen Entwicklungen erkennen und dem militärischen Auftrag nutzbar machen.
    Genau das und nichts anderes, meine Damen und Herren, wollte auch ich sagen, als ich formulierte, daß wir uns nicht auf alte Klischees verlassen sollten, sondern daß wir das sagen sollen, was darunter gemeint ist.