Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe die schmerzliche Pflicht, dem Hause Kenntnis zu geben von dem Tod eines hochverdienten Mitglieds dieses Hauses, des Vorsitzenden der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, unseres verehrten Kollegen Fritz Erler.Fritz Erler ist heute nacht nach langem, schwerem Leiden gestorben. Ich spreche den Angehörigen, der SPD-Fraktion und der ganzen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands die herzliche Anteilnahme des3) Deutschen Bundestages aus.Wir werden des teuren Kollegen gedenken und ihn in einer parlamentarischen Trauerfeier würdigen, die am nächsten Freitag um 12 Uhr hier in diesem Hause stattfinden soll.Ich bin ermächtigt, bekanntzugeben, daß die Beisetzung unseres Kollegen Fritz Erler am Dienstag, dem 28. Februar, 12 Uhr, in Pforzheim auf dem Hauptfriedhof stattfinden soll.Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 14.45 Uhr.Ich danke Ihnen.
Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche des Hauses dem Herrn Abgeordneten Dr. Schellenberg zu seinem 60. Geburtstag aus.
Dann muß ich mich zunächst korrigieren: Die Trauerfeier für den Herrn Kollegen Erler findet nicht am Freitag um 12 Uhr statt, sondern muß eine Stunde früher, also um 11 Uhr, stattfinden.Die Tagesordnung, soweit sie am Freitag abgewickelt werden sollte, muß auf den Donnerstag vorgezogen werden. Sie wird also morgen nachmittag im Anschluß an die Fragestunde abgewickelt. DieFragestunde für den Freitag muß — ich bedaure es — ersatzlos gestrichen werden.Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Vorlage des BundesschatzministersBetr.: Ergebnisse der Entbehrlichkeitsprüfung und der Veräußerung von Bundesgelände zu Zwecken des Wohnungsbaues und der EigentumsbildungBezug: Beschluß des Bundestages vom 18. Mai 1962— Drucksache V/1417 —zuständig: Ausschuß für das Bundesvermögen , Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und WohnungswesenVorlage des Sprechers der deutschen Delegation bei der Beratenden Versammlung des EuroparatesBetr.: Bericht über die Tagung der Beratenden Versammlungdes Europarates vom 23. bis 27. Januar 1967— Drucksache V/1442 — zuständig: Auswärtiger AusschußErhebt sich gegen die beabsichtigten Überweisungen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.Die Fraktion der SPD hat mir mit Schreiben vom 17. Februar 1967 mitgeteilt, daß sie für den ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Schäfer den Abgeordneten Berlin als ordentliches Mitglied im Wahlprüfungsausschuß vorschlage. Wer der Wahl zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Abgeordnete Berlin ist als ordentliches Mitglied des Wahlprüfungsausschusses gewählt.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 17. Februar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Berkhan, Draeger und Genossen betr. Empfehlung 145 der Versammlung der Westeuropäischen Union — Drucksache V/1372 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1453 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 20. Februar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Budde, Winkelheide, Mick, Müller , Russe (Bochum) und Genossen betr. Stiftung Warentest — Drucksache V/1361 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1454 verteilt,Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 17. Februar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josten, Leicht, Dr. Hofmann und Genossen betr. Rückgang der Produktion von Sperrholzfurnierplatten — Drucksache V/1336 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1413 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 21. Februar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stücklen, Niederalt, Schlager, Unertl, Hösl, Kühn , Röhner, Dr. Kempfler und Genossen betr. Einsatz von Mitteln des Investitionshaushalts unter Bevorzugung von durch die Konjunkturabschwächung besonders betroffenen Gebieten — Drucksache V/1384 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1459 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat ans 21. Februar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stücklen, Wagner, Schlager, Dr. Althammer, Schmidhuber und Genossen
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4356 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Präsident D. Dr. Gerstenmaierbetr. Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie hier: Förderung der elektronischen datenverarbeitenden Industrie — Drucksache V/1330 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1460 verteilt.Gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 1956 rückt für den ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Schäfer als Wahlmann der Abgeordnete Dr. Arndt aus der Reihe der nicht mehr Gewählten nach.Der Präsident des Bundestages hat am 16. Februar 1967 gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die von der Bundesregierung als dringlich bezeichneteEinundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V/1410 —dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung überwiesen.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Zehnte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung —Drucksache V/1406 --an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. Mai 1967;Achtundachtzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V/1416 —an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. April 1967;Vierundachtzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V/1425 —an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und an den Verkehrsausschuß — mitberatend — mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. Mai 1967;Elfte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung— Drucksache V/1435 —an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. Mai 1967.Die heutige Tagesordnung soll noch um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden. — Das Haus ist damit einverstanden; die Erweiterung der Tagesordnung ist beschlossen.Zu den in der Fragestunde der 94. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Februar 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Wuermeling, Drucksache V/1399 Nrn. IV/1, IV/2 und IV/3 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Barth vom 16. Februar 1967 eingegangen:Zu 1 und 2:Die Reform des Familienlastenausgleichs soll nach der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 20. Januar 1967 im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung erfolgen. Die Vorarbeiten für diese Reform sind noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung ist daher z. Z. noch nicht in der Lage, über Inhalt und Umfang der Reform Erklärungen abzugeben.Zu 3:Die Bundesregierung war gezwungen, innerhalb einer kurzen Frist Vorschläge zur Schließung einer weiteren Deckungslücke von 3,67 Mrd. DM im Haushalt für 1967 vorzulegen. Die Bundesregierung war hierbei bemüht, sozial ungerechte Maßnahmen zu vermeiden; sie hat deswegen eine große Zahl von Kürzungen in den verschiedensten Bereichen und Einzelplänen vorgeschlagen und damit unmittelbar oder mittelbar die Zahl dieser Kürzungen auf alle Schichten und Gruppen unseres Volkes verteilt.Der Bundesregierung ist bekannt, daß Familien, die mehrere Kinder in weiterführender Ausbildung haben, besonders belastet sind. Die Bundesregierung wird sich bemühen, durch die Neugestaltung des Familienlastenausgleichs oder in Form einer besonderen Ausbildungsförderung dieser Belastung Rechnung zu tragen.Zu den in der Fragestunde der 94. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Februar 1967 gestell-*) Siehe 94. Sitzung, Seite 4297 Cten Fragen des Abgeordneten Dr. Wörner, Drucksache V/1399 Nr. VI/1, VI/2 und VI/3*), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Schütz vom 17. Februar 1967 eingegangen:Zu Frage 1:Bei dem Artikel der „Washington Post" vom 1. 2. 1967 über ein Gespräch mit Bundesminister Wehner handelte es sich nicht um ein zur Veröffentlichung bestimmtes Interview, sondern um einen privaten Gedankenaustausch mit einem Journalisten, bei dem eine Reihe von Überlegungen und Denkmodellen erörtert wurden. Es handelt sich also nicht um Vorschläge der Bundesregierung.Bei den ständigen Überlegungen der Bundesregierung, wie Fortschritte in der Deutschlandfrage erzielt werden können. spielt selbstverständlich auch der Gedanke einer neuen Viermächte-Konferenz eine Rolle, zumal den Vier Mächten besondere Verantwortlichkeiten gegenüber Deutschland obliegen. Die Überlegungen werden fortgesetzt.Zu Frage 2:Bisher ist die Bundesregierung bei ihren Überlegungen noch nicht zu dem Ergebnis gekommen, daß sie sich für die baldige Abhaltung einer Viermächte-Konferenz einsetzen sollte. Bei den Erwägungen spielt die Haltung der Sowjetunion verständlicherweise eine wichtige Rolle.Zu Frage 3:In der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 hat der Herr Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß wir, soviel an uns liegt, ein Auseinanderleben der beiden Teile unseres Volkes während der Trennung verhindern wollen. Wir wollen entkrampfen und nicht verhärten, Gräben überwinden und nicht vertiefen. Deshalb wollen wir die menschlichen, wirtschaftlichen und geistigen Beziehungen mit unseren Landsleuten im anderen Teil Deutschlands mit allen Kräften fördern. Wo dazu die Aufnahme von Kontakten zwischen Behörden der Bundesrepublik und solchen im anderen Teil Deutschlands notwendig ist, bedeutet dies keine Anerkennung eines zweiten deutschen Staates. Wir werden diese Kontakte von Fall zu Fall so handhaben, daß in der Welt-Meinung nicht der Eindruck erweckt werden kann, als rückten wir von unserer Rechtsauffassung ab.In diesem Zusammenhang wird auch die Frage, ob die Bundesregierung Vorschläge für die Einsetzung einer gesamtdeutschen Kommission machen sollte und wie eine solche Kommission ggfs. arbeiten könnte, untersucht; über das Ergebnis läßt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts sagen.Nicht auf der Tagesordnung steht, es ist aber im Ältestenrat vereinbart worden, daß der Präsident des Hauses nachher zum Gedenken an den vor 100 Jahren zusammengetretenen Reichstag des Norddeutschen Bundes ein kurzes Gedenkwort spricht. Das wird am Ende der Fragestunde geschehen.Wir treten dann in die Tagesordnung ein. Punkt 1:Fragestunde— Drucksache V/1446.Ich rufe zunächst die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers auf. Es handelt sich um die Frage VIII/5 des Abgeordneten Dr. Effertz:Welche Wirtschaftsbereiche meinte der Bundesschatzminister, als er anläßlich der Eröffnung des Wirtschaftstages 1967 der CDU/CSU die Forderung aufstellte: „Es sollte bei der angestrengten Belebung der Konjunktur nicht ein Pfennig zur Erhaltung überholter Strukturen ausgegeben werden."?Herr Abgeordneter Dr. Effertz ist im Saal. Zur Beantwortung der Herr Bundesschatzminister.Schmücker, Bundesschatzminister: Zunächst möchte ich Ihnen, Herr Dr. Effertz, recht herzlich dafür danken, daß Sie mir durch die Wiederaufnahme der Frage des Kollegen Dr. Friderichs Gelegenheit geben, persönlich Stellung zu nehmen. Ich tue es besonders deswegen gern, weil ja auch außerhalb des*) Siehe 94. Sitzung, Seite 4291 C
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4357
Bundesminister SchmückerHauses in sehr mißdeutender Art und Weise meine Ausführungen zitiert worden sind.In meiner Rede auf dem Wirtschaftstag der CDU/CSU habe ich zur Strukturpolitik folgendes ausgeführt:Diese soziale Marktwirtschaft, die in gleicher Weise vom Wettbewerb und der sozialen Verpflichtung lebt, kann nur durchgehalten werden, wenn Staat und Selbstverwaltung— wirtschaftliche Selbstverwaltung —eine bewußte Strukturpolitik führen, eine Strukturpolitik, die nicht nur ideenreich ist, sondern die erforderlichen Mittel ganz bewußt — allen Neidparolen zum Trotz — einsetzt. Niemand weiß, wann und zu welcher Zeit Bleichgroße Probleme, wie wir sie heute in der Kohle und in der Landwirtschaft zu lösen haben, zusätzlich auftreten. Wir wissen, daß in kleineren Größenordnungen Strukturwandlungen zum täglichen Bild gehören. Sie sind eine Herausforderung an uns — wir sollten sie nicht beklagen, sondern sie meistern. Die Art der Lösung ist nicht bloße Technik, sie wird bestimmt von einer gesellschaftspolitischen Vorstellung.Der mit starkem Beifall bedachte Satz, nach dessen Sinn Sie fragen, heißt im Zusammenhang folgendermaßen:Wir können uns eine Verschwendung von Arbeit und Kapital nicht leisten. Das, was wir an konjunkturellen Schwächen zur Zeit erleben, ist größtenteils das Ergebnis struktureller Unzulänglichkeiten und auch Sünden. Und es sollte bei der von uns allen zu bejahenden Konjunkturbelebung nicht ein Pfennig zur Erhaltung überholter Strukturen eingesetzt werden. Dann wären viele Mühen sinnlos vertan.Dieser Satz besagt für jeden, der zuhört, daß der Eventualhaushalt nicht eingesetzt werden sollte, um erfolgreich angelaufene Bereinigungsprozesse zu stören.Wenn Sie, Herr Dr. Effertz, nun danach fragen, um welche Wirtschaftsbereiche es sich dabei handelt, möchte ich Ihnen antworten: Um alle! Denn der wirtschaftliche Fortschritt besteht doch darin, daß die einzelnen Unternehmen in der Produktion und der Verteilung von Jahr zu Jahr immer rationeller arbeiten und bei diesem Fortschritt natürlich andere überholen. Diese überholten Betriebe darf man nicht mit staatlichen Subventionen mit dem Zweck der Erhaltung der überholten Strukturen finanzieren, sondern — ich zitiere wieder — man muß die erforderlichen Mittel allen Neidparolen zum Trotz einsetzen, damit auch diese Betriebe den Anschluß an den Fortschritt gewinnen. Wer das dann nicht schafft, gerät natürlich in Gefahr, auf der Strecke zu bleiben.Da Sie aber offenbar einige konkrete Beispiele wollen, will ich Ihnen auch diese gern zur Verfügung stellen. Die Bundesbahn soll über den Eventualhaushalt — so ist die Planung — 750 Millionen DM erhalten. Die Bundesregierung ist sich darin einig, daß diese Mittel nicht für einen Bedarf eingesetzt werden sollen, der gar nicht vorhanden ist. Es können weder mehr Waggons noch mehr Eisenbahnschwellen gekauft werden, als die Bundesbahn benötigt.Die Mittel für den Straßenbau sind nach verkehrspolitischen und regionalpolitischen Bedürfnissen einzusetzen, aber keineswegs um eine hie und da aufgetretene Überkapazität zu konservieren.Ich habe zu meinem Erstaunen gelesen, daß der Satz, der davor warnt, die Mittel des Eventualhaushalts zur Erhaltung überholter Strukturen einzusetzen, als agrar- oder kohlefeindliche Äußerung mißverstanden wird. Das kann noch nur jemand tun, der nicht hingehört hat. Das kann außerdem nur jemand tun, der in der Agrar- oder der Kohlepolitik auf die Erhaltung überholter Strukturen aus ist. Eine solche Politik würde auch für die beiden genannten Bereiche zum Nachteil sein. Denn es ist nun einmal so, unrationelle Betriebe mit öffentlichen Mitteln am Leben erhalten, das bedeutet, das Geld in ein Faß ohne Boden werfen. Aber es ist auch gefährlich für die Mitbewerber; denn unrationell arbeitende, aber öffentlich geförderte Betriebe sind, ich möchte sagen, eine unlautere Konkurrenz.Darum fasse ich noch einmal zusammen: keinen Pfennig für die Erhaltung überholter Strukturen, aber jede Anstrengung, allen Neidkomplexen zum Trotz, um den Anschluß an den Markt zu ermöglichen!
Zusatzfrage?
Herr Bundesminister, ich habe Sie weder mißverstehen wollen noch mißverstanden. Deshalb eine Zusatzfrage: Können wir beide uns auf die Feststellung einigen — hier möchte ich gerne Mißdeutungen in betroffenen Kreisen der Landwirtschaft zuvorkommen; deshalb auch meine Fragestellung —, daß Sie nicht expressis verbis gesagt haben und auch nicht so ausgelegt werden wollen, als wollten Sie denen recht geben, die meinen, man müsse mit der Auflösung von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben schneller machen, die also praktisch das Schlachten der Kleinbetriebe darunter verstehen. Ich glaube, wir haben uns recht verstanden.
Schmücker, Bundesschatzminister: Darum habe ich Ihnen ja den ganzen Teil vorgelesen und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ich dafür bin, allen Neidparolen zum Trotz die Strukturförderung in der Landwirtschaft zu betreiben.
Zweite Zusatzfrage.
Wir sind uns also, Herr Minister, darin einig, daß dieses Rededuell zwischen uns beiden dazu dienen kann, schon aufgetretene Mißverständnisse zu beseitigen und mögliche Mißverständnisse darußen zu vermeiden?
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4358 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Schmücker, Bundesschatzminister: Wir sind uns darin einig, und ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar, daß Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, mich dazu zu äußern!
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Ich rufe die Frage II/1 des Abgeordneten Dröscher auf:
Trifft es zu, daß, obwohl der Weltmarktpreis für Uran in den letzten Jahren fast um 100 Prozent gestiegen ist, die einzige Uranverarbeitungsanlage im Bundesgebiet ihre Produktion um ca. 25 Prozent einschränken muß?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es trifft zu, daß die Anlage Ellweiler im Jahre 1967 voraussichtlich nur ca. 16,5 t Uranoxyd als Konzentrat produzieren wird, während sie in den letzten drei Jahren je 20 t Uranoxyd produziert und an den Bund verkauft hat. Der Bund hat in den letzten drei Jahren für diese Leistungen folgende Beträge gezahlt:
1964 1,7 Millionen DM, 1965 1,5 Millionen DM und 1966 1,4 Millionen DM.
Die Betreiberin der Anlage, die Gewerkschaft Brunhilde, hat 1966 etwa 300 000 DM aus eigenen Mitteln zusetzen müssen, um den Verkaufsvertrag mit dem Bund erfüllen zu können. Sie hat deshalb vor kurzem gebeten, 1967 wieder — wie schon 1964 — auf einer Basis von 85 DM je Kilogramm Uranoxyd zu liefern. Im Bundeshaushalt — Kap. 31 03 Tit. 958 — sind für 1967 jedoch 1,4 Millionen DM, wie 1966, für den Ankauf vorgesehen. Da der Bitte der Betreiberin der Anlage entsprochen worden ist, mußte der Lieferumfang für 1967 auf ca. 16,5 t Uranoxyd beschränkt werden.
Eine Steigerung des Weltmarktpreises für große Uranmengen ist bisher nicht zu verzeichnen. Die langfristigen Verträge zwischen der amerikanischen und britischen Atomenergiebehörde einerseits und kanadischen, amerikanischen und südafrikanischen Lieferanten andererseits basieren nach wie vor zwischen 70 und 90 DM je Kilogramm Uranoxyd. Gestiegen sind lediglich die Preise für kleinere Uranmengen, die bis 1965 aus Kanada noch für ca. 32 DM je Kilogramm Uranoxyd bezogen werden konnten, während heute 45 bis 50 DM je Kilogramm gezahlt werden müssen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hängt die ungenügende Ausnutzung der Kapazität unseres einzigen Uranaufbereitungswerkes, das ja insgesamt nur mit 5 bis 6% der Kapazität arbeitet, damit zusammen, daß wir immer noch keine weiteren Vorkommen an uranhaltigem Gestein aufgeschlossen haben, insbesondere die doch hervorragenden Lager im Schwarzwald — in Menzenschwand — immer noch nicht ausgenutzt werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ein unmittelbarer Zusammenhang, Herr Abgeordneter, mit dieser Tatsache besteht nicht, weil, wie ich schon sagte, die Einschränkung haushaltsmäßig bedingt ist. Wir haben uns in der Zwischenzeit so beholfen, daß wir das bessere Uranerz aus Frankreich eingeführt haben. Wenn wir es aus dem Schwarzwald zur Verfügung hätten, wäre es natürlich näher und wahrscheinlich preiswerter.
Noch eine Zusatzfrage.
Darf ich in diesem Zusammenhang fragen, ob Nachrichten zutreffen, die dieser Tage in den Tageszeitungen veröffentlicht wurden, denen zufolge, nachdem in der Bundesrepublik nicht genügend Uranerz prospektiert ist, deutsche Stellen mit der Prospektierung im Ausland — in Kanada und an anderen Stellen — beginnen wollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das trifft zu. Es sind langfristige Lieferverträge mit deutschen Firmen in Kanada in Vorbereitung.
Meine Damen und Herren, die Frage des Herrn Abgeordneten Genscher wird von dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen beantwortet.
Ich rufe jetzt die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Der Herr Bundespostminister hat gebeten, heute seine Fragen beantworten zu dürfen. — Ja, was ist, meine Herren? Ist der Herr Bundespostminister nicht da, auch nicht der Herr Staatssekretär? — Da läuft natürlich die Courtoisie ins Leere.
Ich bin darum gebeten worden. Nun, dann geht es eben nach der Ochsentour, so wie es vorgesehen war. — Ich kann nichts dafür. Es geht manchmal schneller als vorgesehen.
Nun gut, jetzt geht es weiter mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe Frage III/1 des Herrn Abgeordneten Müller auf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich alle drei Fragen des Herrn Abgeordneten zusammen beantworten?
Dann rufe ich die Fragen III/1, III/2 und III/3 des Herrn Abgeordneten Müller gemeinsam auf:Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß § 11 Abs. 1 der Luftverkehrs-Ordnung vom 10. August 1963 eine ausreichende Handhabe dafür bietet, beim Besuch ausländischer Staatsoberhäupter globale Flugbeschränkungen anzuordnen, die über den Landeflughafen hinaus gelten?Läßt das geltende Recht ausdrücklich Ausnahmeregelungen hinsichtlich der in Frage III/1 erwähnten Vorschrift zu?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4359
Präsident D. Dr. GerstenmaierIst die Bundesregierung bereit, dafür zu sorgen, daß künftig notwendig werdende Flugbeschränkungen, die den Flughafen Düsseldorf-Lohausen betreffen, nicht zum Erliegen des Flugverkehrs auf dem Flughafen Essen-Mülheim führen?Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach § 11 Abs. 1 der Luftverkehrs-Ordnung können Gebiete mit Flugbeschränkungen festgelegt werden, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Bei Besuchen ausländischer Staatsoberhäupter hängt die Entscheidung, ob solche Maßnahmen anzuordnen sind, davon ab, inwieweit eine Gefährdung des Besuchers zu befürchten ist. Wann ein Besucher als gefährdet gilt und somit Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen, bestimmt der Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt.
Die Sicherheitsvorkehrungen sind nicht auf die Umgebung von Flugplätzen beschränkt. Das räumliche und zeitliche Ausmaß richtet sich jeweils nach Aufenthaltsort oder Reiseweg des Besuchers. und der Dauer des Aufenthaltes oder der Reise. Sie werden jedoch auf ein Mindestmaß festgelegt.
Art und Umfang der Flugbeschränkungen werden nach pflichtgemäßem Ermessen festgelegt. Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Flugbeschränkungen sind danach innerhalb der Grenzen dieses Ermessensspielraumes zulässig und, falls erforderlich, in den jeweiligen Bekanntmachungen über die Festlegung von Gebieten mit Flugbeschränkungen auch enthalten. Bei der Festlegung von Flugbeschränkungen wird, soweit es möglich ist, auf den übrigen Flugverkehr Rücksicht genommen, insbesondere in der Umgebung von Flugplätzen. Das gilt auch für Essen-Mülheim.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß trotz der angeordneten Luftverkehrsbeschränkung bei Staatsbesuchen Flugzeuge, die außerhalb des Gebietes starten, in einer Höhe von etwa 600 Metern ohnehin dieses Gebiet und auch den Zielflughafen überfliegen können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir bekannt und wird sich offenbar mit den Sicherheitsbestimmungen vereinbaren lassen. Im übrigen ist es so, Herr Abgeordneter, daß auf Antrag durch die örtlich zuständige Flugsicherheitsbehörde auch Ausnahmen für an-und abfliegende Flugzeuge von den angeordneten Sperren zugelassen werden.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wissen Sie, daß während der Anwesenheit eines Staatsbesuchers auf irgendeinem Flughafen — z. B. Lohausen —, abgesehen von der Ausnahmevorschrift des § 11, die üblichen Linienflugzeuge starten und landen können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch das ist möglich und kann mit den Sicherungsvorschriften vereinbar sein.
Gehört das alles noch zu der gleichen Frage?
Es gehört noch dazu, Herr Präsident. — Herr Staatssekretär, die Frage, die sich dann aus Ihren Antworten ergibt, lautet: Wäre es nicht sinnvoller, Flugbeschränkungen anzuordnen, die ganz auf die Zeit des Kommens und Wiederwegfliegens und die Zeit des Aufenthalts auf dem Zielflughafen abgestimmt sind? Das wäre doch wahrscheinlich viel sinnvoller und im Effekt auch rationeller, weil dann der übrige Luftverkehr nicht davon betroffen würde.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, als Laie würde ich sagen, mir leuchtet sehr ein, was Sie sagen. Aber ich bin nicht Polizeispezialist genug, um beurteilen zu können, ob das vom sicherheitspolizeilichen Gesichtspunkt aus gesehen genügen würde. Wir bestimmen ja nicht Art und Umfang, sondern, wie gesagt, das Innenministerium tut es im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt.
Die Flugbeschränkung als solche wird, wie Sie vorhin erklärt haben, unter gewissen Bedingungen durchgeführt. Aber zuständig ist doch die Bundesanstalt für Luftsicherung?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl, die Bundesanstalt für Luftsicherung ist zuständig. Sie muß sich aber natürlich hinsichtlich des geforderten Sicherheitsrahmens an das Gutachten oder die Weisung der für sie zuständigen Behörde halten; für die Sicherheit ist das der Bundesinnenminister.
Ich rufe die Fragen III/4 und III/5 des Herrn Abgeordneten Welslau auf:
Hält die Bundesregierung es mit unserer Rechtsprechung für vereinbar, daß Verwaltungsbeamte des zuständigen Straßenverkehrsamtes darüber entscheiden, daß die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von einer medizinisch-psychologischen Eignungsuntersuchung abhängig gemacht wird, obwohl dem Betroffenen auf Grund eines richterlichen Urteils die Fahrerlaubnis nur für einen bestimmten Zeitraum ohne Einschränkung entzogen wurde?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß dem zuständigen Institut vor Erstellung eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens Einsicht in die Urteilsbegründung gewährt werden muß?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage III/4, Herr Abgeordneter, wird mit Ja beantwortet. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. November 1966 verstößt es nicht gegen das Grundgesetz, wenn die Verwaltungsbehörde nach Ablauf
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4360 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Staatssekretär Dr. Seiermannoder Abkürzung der vom Strafrichter festgesetzten Sperrfrist die Eignung des Bewerbers zum Führen eines Kraftfahrzeuges in vollem Umfang erneut prüft. Die Verwaltungsbehörde kann daher zur Vorbereitung ihrer Entscheidung auch die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle fordern, wenn Tatsachen bekanntgeworden sind, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Bewerbers begründen.Zur Frage III/5: Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht, weil nämlich die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens nicht im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Urteil stehen muß. Es mag jedoch im Einzelfall angebracht sein, der medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle nicht nur die Urteilsformel, sondern auch die Entscheidungsgründe mitzuteilen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn in der Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen ist, daß der Führerscheinentzug für einen Berufskraftfahrer eine schwere Strafe bedeutet, und an keiner Stelle des Urteils gesagt wird, daß ein Neuerwerb der Fahrerlaubnis erforderlich ist, stellt dann das Verlangen eines Verwaltungsbeamten, die Fahrerlaubnis von neuem zu erwerben, nicht eine Ermessensentscheidung dar, die über das Urteil des Gerichts weit hinausgeht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie müssen berücksichtigen, daß nach der gesetzlichen Regelung die Zuständigkeit für die Entziehung der Fahrerlaubnis zwar zwischen Verwaltung und Strafrichter aufgeteilt ist, die Erteilung der Fahrerlaubnis aber ausschließlich in der Hand der Verwaltung liegt, und zwar auch dann, wenn es sich um die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorausgegangener Entziehung handelt. Der Strafrichter kann keine Entscheidung darüber treffen, ob der Betroffene nach Ablauf der Sperrfrist wieder als geeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs angesehen werden kann.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß der Verwaltungsbeamte überfordert ist, wenn er auf Grund eines Gerichtsurteils nach seinem Ermessen entscheiden soll, ob eine medizinisch-psychologische Eignungsuntersuchung bzw. eine erneute Fahrprüfung abgelegt werden muß?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Beamte mag in dem einen oder anderen Fall überfordert sein. Das ist aber das Leid der Verwaltung insgesamt.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, auf eine Klarstellung in der Richtung hinzuwirken, daß nicht in jedem Fall einer gerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis eine medizinischpsychologische Eignungsuntersuchung anzuordnen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe in meiner Antwort zum Ausdruck gebracht, daß das kein Zwang ist.
Ich rufe die Fragen III/6 und III/7 des Abgeordneten Kühn auf:
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß der Bahnhof Hildesheim hinsichtlich seines Neubaues seit Jahren vernachlässigt wird?
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß infolge des in Frage III/6 aufgezeigten Sachverhalts durch die eingetretenen baulichen Unzulänglichkeiten insbesondere die älteren Verkehrsteilnehmer ernsthafter Gefährdung ausgesetzt sein können?
Bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, sind ihr die baulichen Verhältnisse der Bahnhofsanlage in Hildesheim durchaus bekannt. Bedauerlicherweise war es ihr im Zusammenhang mit der Elektrifizierung wegen Fehlens der Mittel nicht möglich, diese Anlagen zu modernisieren.
Die Deutsche Bundesbahn hat jedoch inzwischen die Planungsarbeiten für den Wiederaufbau der aus Sicherheitsgründen abgebrochenen Bahnsteigüberdachung, für die Instandsetzung und Aufhöhung der Bahnsteige sowie für die Abdichtung des schadhaften Bahnsteigtunnels eingeleitet. Sie ist im Interesse aller Beteiligten um eine baldige Verbesserung der baulichen Anlagen bemüht.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, im Hinblick darauf, daß Hildesheim im Zonengrenzgebiet liegt, aus dem Eventualhaushalt Mittel für diese Arbeiten zur Verfügung zu stellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde diese Frage nach Verabschiedung des Eventualhaushalts gerne prüfen.
Ich rufe die Frage III/8 des Abgeordneten Kühn auf:Ist die Bundemsregierung bereit, bei der Bundesbahnhauptverwaltung verstärkt dahin zu wirken, daß seitens der Deutschen Bundesbahn die seit langem abgesprochenen Voraussetzungen für den Ausbau des Kennedydammes in Hildesheim geschaffen werden?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4361
Präsident D. Dr. GerstenmaierStaatssekretärs Dr. Seiermann vom 21. Februar 1967 lautet:Wie mir milgeteilt wurde, ist über die Beseitigung des Bahnübergangs im Zuge des Kennedydammes in Hildesheim zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Stadt bereits am 30. Juni 1966 eine Vereinbarung geschlossen worden. Beide Beteiligten erkennen darin die Notwendigkeit dieser Baumaßnahme an. Lediglich der Umfang der Kostenmasse ist in der Vereinbarung wegen einiger strittiger Punkte noch offengeblieben. Auch der Bundesminister für Verkehr legt großen Wert darauf, daß mit der Baumaßnahme möglichst bald begonnen werden kann, da die Beseitigung des Bahnübergangs zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in Hildesheim sehr erwünscht ist. Mein Haus hat deshalb den Beteiligten schon vor einiger Zeit die notwendigen Hinweise zur Klärung der noch offenen Fragen gegeben und sowohl der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn als auch der Stadt Hildesheim nahegelegt, auch über den Umfang der Kostenmasse baldmöglichst eine Einigung herbeizuführen. Sollte das nicht möglich sein, so wird darüber der Bundesminister für Verkehr im Wege der Anordnung nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz entscheiden müssen.Nunmehr rufe ich die Frage I11/9 des Herrn Abgeordneten Dr. Hudak auf:Wann kann mit dem Bau der seit Jahren geplanten Autobahnausfahrt Schnaittach auf der Strecke Nurnberg—Bayreuth gerechnet werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bau einer Anschlußstelle bei Schnaittach an der Bundesautobahnstrecke Nürnberg—Bayreuth ist in den 3. Vierjahresplan für den Aufbau der Bundesfernstraßen aufgenommen worden. Mit der Inangriffnahme der Bauarbeiten kann im Hinblick auf die gegenwärtig außerordentlich angespannte Haushaltslage des Bundes vorerst allerdings noch nicht gerechnet werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie mit mir die Auffassung, daß durch die Autobahnausfahrt bei Schnaittach die Bundesstraße 14 entlastet würde und daß damit zugleich auch ein besserer Zugang zu den Urlaubsorten in der Hersbrucker Schweiz geschaffen würde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich ersehe aus meinen Unterlagen, daß das Projekt, das Sie ansprechen, in seiner verkehrswirtschaftlichen Bedeutung und Notwendigkeit durchaus gewürdigt wird. Es wird aus diesem Grunde auch verfolgt. Aber, wie gesagt, im Augenblick kann es noch nicht finanziert werden. Es wird aber sicher damit zu rechnen sein, daß es im Laufe des Vierjahresplans durchgeführt wird.
Fragen III/10 und III/11 des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher:
Trifft es zu, daß die ovalen Zollkennzeichen für Kraftfahrzeuge ein Jahr lang Gültigkeit haben, aber dabei nur für vier Wochen Kraftfahrzeugsteuer und Versicherungsprämie bezahlt werden muß?
Ist es richtig, daß infolge des in Frage III/10 geschilderten Sachverhalts zahlreiche Kraftfahrzeuge mit ovalen Zollkennzeichen im Verkehr sind, ohne versichert oder versteuert zu sein?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Zollkennzeichen werden hauptsächlich zugeteilt, wenn Kraftfahrzeuge, die im Inland nicht zugelassen sind, mit eigener Kraft ausgeführt werden sollen. Ihre Gültigkeit beträgt längstens ein Jahr; das entspricht den
internationalen Vereinbarungen. Für Personenkraftwagen, deren Halter ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, besteht keine Kraftfahrzeugsteuerpflicht. Halter mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland unterliegen zwar grundsätzlich der Kraftfahrzeugsteuer, sind von ihr jedoch für die ersten 10 Tage nach Zuteilung des Zollkennzeichens befreit. Fahrzeuge mit Zollkennzeichen sind hingegen haftpflichtversicherungspflichtig, solange sie im Bundesgebiet verwendet werden.
Soweit für die Fahrzeuge mit Zollkennzeichen Kraftfahrzeugsteuer zu entrichten ist, wird dies durch die Zollstellen im Rahmen ihrer Möglichkeiten überwacht; nicht entrichtete Steuer wird gegebenenfalls nacherhoben. Dabei kann, wie ich bereits in der Fragestunde am 3. Februar auf die Frage des Herrn Abgeordneten Strohmayr ausgeführt habe, nicht ausgeschlossen werden, daß gelegentlich Mißbräuche vorkommen. Das gilt auch für die Haftpflichtversicherung, wenngleich die Zulassungsstellen angewiesen sind, vor Erteilung des Internationalen Zulassungsscheins sich das Bestehen ausreichenden Versicherungsschutzes nachweisen zu lassen. Es ist beabsichtigt, im Zusammenhang mit dem zur Zeit vorbereiteten neuen Weltabkommen über den Straßenverkehr auch die nationale Regelung mit dem Ziel zu überarbeiten, die Mißbrauchsmöglichkeiten weitgehend auszuschließen.
Ich darf noch anfügen, Herr Abgeordneter, daß auf Grund der kurzen Diskussion in der letzten Fragestunde am 3. Februar mein Haus prüft, ob und welche Möglichkeiten gegeben sind, auf nationalem Wege vor Inkrafttreten der neuen internationalen Weltstraßenordnung etwa festzustellende Lücken vorweg zu schließen.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage III/12 des Herrn Abgeordneten Fritsch auf:
Ist in absehbarer Zeit mit der Elektrifizierung der Bundesbahnstrecke Plattling—Landshut zu rechnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn hat meinem Hause zu Ihrer Anfrage mitgeteilt, daß mit einer Elektrifizierung der Strecke Landshut—Plattling vorerst nicht zu rechnen ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich der Wirtschaftsausschuß des Bayerischen Landtages vor einigen Tagen mit dieser Frage beschäftigt hat und daß dort gleichermaßen die Forderung nach Elektrifizierung erhoben worden ist, möglicherweise unter Berücksichtigung der Mittel, die der Deutschen Bundesbahn aus dem Eventualhaushalt zur Verfügung gestellt werden?
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4362 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, mir ist das nicht bekannt. Aber ich halte das durchaus für möglich.
Das ändert aber nichts an dem Sachverhalt, daß ohne Zurverfügungstellung von Landesmitteln die Bundesbahn aus eigener Kraft nicht in der Lage und bereit ist, diese Elektrifizierung jetzt durchzuführen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil nach ihren Rentabilitätsberechnungen mit einer Verzinsung des hierzu notwendigen Kapitals wegen der verhältnismäßig geringen Streckenbelastung nicht gerechnet werden kann. Es wird Sie vielleicht in etwa zufriedenstellen, wenn ich Ihnen sage, daß die Bundesbahn beabsichtigt, die Strecke jetzt auf Dieselbetrieb umzustellen, mit dem praktisch die gleichen Fahrtzeit- und Verkehrsverbesserungen erzielt werden können.
Herr Staatssekretär, würden Sie mit Rücksicht auf den Inhalt meiner ersten Frage doch mit der Bayerischen Staatsregierung bezüglich dieses Problems Fühlung aufnehmen, nachdem wiederholten Darlegungen in der Presse zu entnehmen ist und auch begreiflich ist, daß es sich einmal um ein betriebswirtschaftliches Problem der Bundesbahn und zum anderen um ein eminent politisches Verkehrsproblem für den niederbayerischen Raum handelt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will das gern tun. Es wird aber zweckmäßiger sein, wenn ich die Bundesbahn bitte, diese Beziehungen selbst aufzunehmen. Denn ich müßte das Ergebnis doch nur wieder der Bundesbahn weiterleiten. Ich unterstelle die Richtigkeit dessen, was Sie gesagt haben.
Ich rufe die Frage III/13 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Wie weit sind die Verhandlungen zur Erreichung einer einheitlichen Straßenverkehrs-Ordnung in Europa gediehen?
Bitte, zur Beantwortung!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie bereits auf die Fragen der Herren Abgeordneten Folger und Brück am 16. Juni 1966 ausgeführt wurde, werden im Rahmen der Vereinten Nationen neue Weltabkommen über Straßenverkehrsregeln und -verkehrszeichen vorbereitet. Dadurch wird in Zukunft auch eine Vereinheitlichung der Verkehrsregeln in Europa erreicht werden.
Eine europäische Straßenverkehrs-Ordnung ist daher im Augenblick nicht aktuell.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, warum wird denn von Ihrem Hause nicht dazu beigetragen, daß wenigstens im europäischen Raum die Regeln
über die Verkehrszeichen aus Gründen der Verkehrssicherheit vereinheitlicht werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das geschieht schon seit Jahren. Ich darf daran erinnern, daß sich die Europäische Verkehrsministerkonferenz schon seit 1964 entscheidend mit einer Vereinheitlichung dieser Verkehrsregeln befaßt hat. Nur ist davon abgesehen worden, die Vereinheitlichung im Rahmen eines europäischen Gesetzes durchzuführen. Man hat sich aber aus verschiedenen Zweckmäßigkeitsgründen, die ich im einzelnen näher darlegen könnte, dahin geeinigt, die gemeinsam festgestellten einheitlichen Regeln und Zeichen in die nationalen Gesetze zu übernehmen. Das ist zu einem großen Teil wohl auch schon geschehen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird Ihr Ministerium auch für eine einheitliche Fassung über die Straßenfahrzeuge und ihre Ausrüstung eintreten, da der internationale Straßenverkehr ständig zunimmt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das wird geschehen. Wir hoffen, daß das im Jahre 1968 bei dem weltweiten Abkommen möglich sein wird.
Ich rufe die Fragen III/14 und 15 des Abgeordneten Berberich auf:Hält die Bundesregierung den baldigen Weiterbau der Bundesautobahn Weinsberg—Tauberbischofsheim—Würzburg mit Mitteln des Eventualhaushaltes für gerechtfertigt, nachdem die berührten Gebiete im Förderprogramm des Landes Baden-Württemberg liegen?Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Bereich des Arbeitsamtes Tauberbischofsheim die Zahl der Arbeitslosen besonders hoch ist und damit die Voraussetzungen für den Einsatz der Mittel des Eventualhaushaltes gegeben sind?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Seiermann vom 22. Februar 1967 lautet:Zu Frage 14:Im Rahmen des Straßenbauplanes 1967 können für den Beginn der Arbeiten auf der Bundesautobahn-Neubaustrecke Würzburg—Heilbronn keine Mittel bereitgestellt werden. Die wirtschaftliche Verwendung der Mittel erfordert, daß sie auf den Bundesautobahn-Neubaustrecken eingesetzt werden, auf denen die Bauarbeiten bereits weit vorangeschritten sind. Nur auf solchen Strecken können bei Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln anstehende Anschlußarbeiten sofort vergeben und somit durch diese Mittel schnell Verkehrswerte geschaffen werden. Dies ist auf der Bundesautobahn-Neubaustrecke Würzburg—Heilbronn nicht der Fall.Im übrigen sind die Vorarbeiten auf der Bundesautobahn-Neubaustrecke Würzburg—Heilbronn noch im Gange. So ist für den 1. Bauabschnitt dieser Strecke zwischen Tauberbischofsheim und Großrinderfeld noch das Planfeststellungsverfahren abzuschließen. Sodann müssen der Grund und Boden erworben sowie die Bauarbeiten ausgeschrieben und vergeben werden. Da dies vor Ende 1967 voraussichtlich nicht möglich ist, können auf dieser Strecke im Jahre 1967 noch keine zusätzlichen Arbeitsplätze für Bauarbeiter geschaffen werden.Zu Frage 15:Die Bauarbeiten auf den Bundesautobahn-Neubaustrecken Bad Hersfeld—Würzburg und Mannheim—Heilbronn können infolge der Bereitstellung zusätzlicher Mittel aus dem Eventualhaushalt
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4363
Präsident D. Dr. Gerstenmaierbeschleunigt weitergeführt werden. Es müßte versucht werden, arbeitslose Bauarbeiter aus dem Raum Tauberbischofsheim auf den Baustellen dieser nächstgelegenen Neubaustrecken unterzubringen, wenn sie nicht an anderen Orten günstigere Arbeitsmöglichkeiten finden können.Ich rufe die Frage III/16 des Herrn Abgeordneten Brück auf:Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Verhandlungen der Internationalen Kommission zum Schutze der Saar gegen Verunreinigungen endlich erfolgreich abzuschließen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Unter Hinweis auf Art. 8 der Anlage 8 des Saarvertrags vom 17. Oktober 1956 hat die Bundesregierung seit 10 Jahren alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um über die Regierung der französischen Republik die Einleitung von Schlamm und Teer in die Rossel und die Saar abzustellen. Erst seit der Konstituierung der Internationalen Kommission zum Schutze der Saar gegen Verunreinigung im Januar 1963 finden technische Gespräche mit der französischen Seite statt. Eine Teilbereinigung des Problems — nämlich die Zurückhaltung der durch die Kohlenwäschen der lothringischen Kohlengruben eingeleiteten Schlammengen, die nach französischer Darstellung etwa ein Drittel der Gesamtbelastung ausmachen — war für Ende 1965 zugesagt. Die von lothringischer Seite erstellten Anlagen haben sich jedoch als ungenügend erwiesen und sollten bis Ende 1966 ergänzt und verbessert werden. Weitere Maßnahmen wie die Zurückhaltung der Teere und Phenole der Kokerei Marienau wurden von der französischen Delegation in Aussicht gestellt. Über die letzten Ergebnisse und das weitere Programm wird der Kommission am 14. März dieses Jahres in Luxemburg berichtet werden.
Die technischen Schwierigkeiten, die einer Bereinigung des Rossel-Problems entgegenstehen, sind nach unserer Meinung nicht von so ungewöhnlicher Art, daß sie nicht gelöst werden könnten. Es ist wohl in erster Linie die Höhe der finanziellen Aufwendungen, die die Durchführung des Sanierungsprogramms verlangsamt.
Leider ist im Saarvertrag keine zeitliche Grenze für den Abschluß der notwendigen Maßnahmen enthalten. Die Vereinbarung sagt nur:
Die beiden Regierungen treffen jede für ihren Bereich die erforderlichen Maßnahmen, um die Sauberkeit und Reinhaltung des Wassers der Saar sicherzustellen. Die gleiche Verpflichtung übernehmen sie auch für die Zuflüsse der Saar.
Die Vertreter der Bundesregierung in der Saarschutzkommission werden, wie das schon bisher geschehen ist, auch weiterhin ununterbrochen an die französischen Partner appellieren, im Geiste des Saarvertrags und der deutsch-französischen Verständigung dieses Ärgernis baldigst aus der Welt zu schaffen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, werden die Vertreter der Bundesregierung bei diesen Ver-
handlungen auch darauf hinweisen, daß bei den Bewohnern der betroffenen Gemeinden an der Rossel die Verbitterung ständig wächst und daß das nicht dazu beiträgt, gutnachbarliche Verhältnisse zu schaffen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das wird mit Nachdruck geschehen.
Wollen Sie dazu eine Zusatzfrage stellen? — Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht auch, daß das Ansehen der internationalen Kommission bei den Betroffenen nicht gerade gefördert wird, wenn jahrelang nichts geschieht? Halten Sie es nicht für zweckmäßig, wenigstens die deutschen Mitglieder der Kommission zu ersuchen, auf einen baldigen Abschluß der Arbeiten zu drängen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihrer ersten Frage kann ich leider nicht widersprechen. Zu Ihrer zweiten habe ich bereite darauf hingewiesen, daß wir mit Nachdruck in dieser Richtung tätig werden.
Die Fragen III/17, III/18 und III/19 des Herrn Abgeordneten Richter:Welchen Einfluß kann das Bundesverkehrsministerium nehmen, um in den Landkreisen Tauberbischofsheim und Buchen die im Vorfeld des künftigen Autobahnbaues notwendigen Zubringerstraßen beschleunigt ausbauen zu lassen?Ist die Bundesregierung bereit, mit der Landesregierung in Baden-Wüttemberg zu verhandeln, daß noch 1967 mit dem Bau der 600 m langen Brücke über das Taubertal bei Tauberbischofsheim und dem Bau des Rötensteinviaduktes bei Grünsfeld begonnen werden kann, nachdem im Verhältnis zu anderen Wirtschaftszweigen die Bauwirtschaft in einigen nordbadischen Gebieten überdimensioniert ist und der Rückgang der öffentlichen Aufträge zu ernsthaften Krisenerscheinungen geführt hat?Kann die Bundesregierung zusichern, daß spätestens 1968 mit der Verlegung der Bundesstraßen 27, 37 und 292 begonnen wird und daß das notwendige Planfeststellungsverfahren in den nächsten Monaten durchgeführt wird?werden schriftlich beantwortet.Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Seiermann vom 22. Februar 1967 lautet:Zu Frage III. 17:Das Bundesverkehrsministerium wird bemüht sein, im Einvernehmen mit der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg die notwendigen Zubringerstraßen bis zur Inbetriebnahme der Bundesautobahnstrecke Würzburg—Heilbronn verkehrsgerecht auszubauen.Zu Frage III. 18:Wie ich bereits in meiner schriftlichen Beantwortung Ihrer Frage zu Drucksache V/1399, XIII. 29 ausgeführt habe, konnten im Rahmen des Straßenbauplanes 1967 wegen der angespannten Finanzlage des Bundes keine Mittel für die Inangriffnahme der Arbeiten auf der Strecke Würzburg—Heilbronn bereitgestellt werden.Zu Frage III. 19:Die Fertigstellung der Planung hängt vom Ergebnis der Untersuchung der Bundesanstalt für Wasserbau über die Hochwasserabführung des Neckars im Raume Neckarelz—Diedesheim ab. Nach anschließender Planfeststellung kann voraussichtlich im Jahre 1968 mit den Bauarbeiten begonnen werden.Dann rufe ich die Frage III/20 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg auf:Wie erklären sich, nach Kenntnis der Bundesregierung, die erneuten Verzögerungen bei der Fertigstellung der neuen Mainbrücke in Schweinfurt, durch die frühere Zusicherungen aus dem Bundesverkehrsministerium überholt sind?
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4364 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Präsident D. Dr. GerstenmaierAuch Herr Dr. Schulze-Vorberg hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Seiermann vom 22. Februar 1967 lautet:Aus Witterungsgründen war es nicht möglich, den Fahrbahnbelag unmittelbar nach Abschluß der Montagearbeiten aufzubringen.An dem zwischen Auftragsverwaltung und Stadt Schweinfurt abgesprochenen Fertigstellungstermin — Frühjahr 1967 --- ändert sich dadurch nichts.Nun kommen wir zu der Frage III/21 des Herrn Abgeordneten Biechele:Wie ist der gegenwärtige Stand der Beratungen über die neue Internationale Schiffahrts- und Hafenordnung für den Bodensee?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Österreichs haben am 8. und 9. November 1966 in Bonn ,die Gespräche über die Revision der Internationalen Schiffahrts-
und Hafenordnung aufgenommen. Zur Beschleunigung der Arbeiten wurden zwei Arbeitsgruppen eingesetzt, von denen sich die eine mit den völkerrechtlichen Fragen und die andere mit der Ausarbeitung der Verkehrsvorschriften für den Bodensee befassen soll. Die Arbeitsgruppen haben ihre Arbeit bereits aufgenommen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biechele.
Herr Staatssekretär, ist im Rahmen des weiteren Verfahrens daran gedacht,
I die betroffenen Fachverbände der Sport- und Berufsschiffahrt im Bereich des Bodensees, wie schon mehrfach zugesichert wurde, zu hören?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn das zugesichert wurde, wird es geschehen. Ich will aber gern dieser Frage noch einmal besonders nachgehen.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biechele.
Ist heute schon abzusehen, Herr Staatssekretär, bis wann etwa diese internationalen Verhandlungen abgeschlossen werden können und dieser neue Entwurf in Kraft treten kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es ist sehr schwer, bei internationalen Verhandlungen, an denen mehrere Staaten und innerhalb eines Staates mehrere Länder beteiligt sind, auch nur Vorausschätzungen zu machen. Sie dürfen aber versichert sein, daß wir schon aus Gründen der Arbeitsökonomie bemüht sein werden, diese Verhandlung zu 'beschleunigen und so schnell wie möglich zum Abschluß zu bringen.
Wir kommen nun zu den Fragen III/21 und III/23 des Herrn Abgeordneten Strohmayr:
Wie beurteilt die Bundesregierung den auf dem 5. Deutschen Verkehrsgerichtstag gemachten Vorschlag, einen Motorbootführerschein und die amtliche Bootskennzeichnungspflicht auch für die Binnenwasserstraßen einzuführen, wie dies für die Seewasserstraßen in diesem Jahre Pflicht wird?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die in Frage III/22 erwähnte Kennzeichnung der Motorboote den Abschluß einer Haftpflichtversicherung in sich schließen sollte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hält es noch nicht für erforderlich, auch auf den Bundeswasserstraßen im Binnenbereich einen Motorbootführerschein einzuführen. Sie ist nach wie vor der Meinung, daß mit einer ständigen Verkehrsüberwachung und mit eindringlichen Verkehrsbelehrungen durch Wort und Schrift ein verkehrsgerechtes Verhalten der Motorbootfahrer erreicht wird. Der gute Ablauf der Motorbootsaison 1966 dürfte die Richtigkeit dieser Auffassung der Bundesregierung bestätigen.
Die Bundesregierung ist mit den Ländern einig, daß auf allen deutschen Gewässern eine einheitliche amtliche Kennzeichnung vorgeschrieben werden soll. Die Arbeiten für eine entsprechende Verordnung auf den Bundeswasserstraßen sind eingeleitet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Strohmayr.
Herr Staatssekretär, wie verhalten sich andere Länder mit großen Binnengewässern hinsichtlich Motorbootführerschein und Motorbootkennzeichnung?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine so allgemeine Frage kann ich nicht beantworten, Herr Abgeordneter. Diese Frage wird sich auch dort nach den Bedürfnissen entscheiden. Der überwiegende Teil der beteiligten Behörden ist jedenfalls der Auffassung, daß es im Augenblick noch nicht erforderlich ist, für diese doch sehr große Anzahl von Motorbootbesitzern ein besonderes Verfahren einzuführen, das uns ja auch verwaltungsmäßig sehr stark in Anspruch nehmen würde.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Strohmayr.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wieviel Unfälle im vergangenen Jahr auf unseren Binnengewässern vorgekommen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen. Jedenfalls zeigt die Kurve keine steigende Tendenz. Ich bin aber gern bereit, durch Rückfrage bei der Wasserschutzpolizei diese Angaben — soweit sie für 1966 bereits vorliegen — zu ermitteln und sie Ihnen schriftlich zuzuleiten.
Nun ist noch die Frage III/23 des Herrn Abgeordneten Strohmayr zu beantworten.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4365
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage der Einführung einer gesetzlichen Haftpflichtversicherung ist im Jahre 1964 eingehend geprüft worden. Die Bundesregierung kam dabei zu der Auffassung, daß für Motorboote die Voraussetzungen für eine gesetzliche Haftpflichtversicherung noch nicht vorliegen. Es sind auch bis jetzt keine neuen Tatbestände bekanntgeworden, die eine Änderung der bisherigen Auffassung rechtfertigen würden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wer kommt dann für Unfälle auf?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Schuldige.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, was geschieht aber, wenn der Schuldige nicht in der Lage ist, den Schaden zu reparieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach den Erfahrungen unserer Verwaltungsbehörden, die mit dem Verkehr auf dem Wasser unmittelbar zu tun haben, hat sich aus solchen Vorgängen, die theoretisch möglich sind, noch keine praktische Folgerung ergeben.
Herr Abgeordneter Fellermaier, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie im Hinblick auf die starke Zunahme des Motorbootverkehrs fragen, ob die Bundesregierung nicht vielleicht bereit ist, ihren Rechtsstandpunkt zu überdenken und doch eine Haftpflichtversicherung für den Motorbootverkehr auf den Binnengewässern vorzuschreiben, um Fälle, wie sie der Kollege Strohmayr gerade in seiner Frage angeführt hat, auszuschließen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, diese Frage ist erst vor zwei Jahren in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesjustizminister, der dafür in erster Linie zuständig ist, und dem Bundeswirtschaftsminister, der ebenfalls unmittelbar beteiligt ist, eingehend geprüft worden. Das Bundesjustizministerium hat uns seinerzeit einen Katalog von vier Fragen übermittelt, die nach Meinung des Justizressorts alle mit Ja beantwortet werden müßten, damit die Voraussetzungen für eine gesetzliche Haftpflichtversicherung gegeben sind. Sie dürfen überzeugt sein, daß wir den Katalog ständig im Auge behalten und unseren Standpunkt rechtzeitig revidieren werden. Denn das ist für uns keine Weltanschauungsfrage.
Ich rufe die Frage III/24 des Herrn Abgeordneten Moersch auf:
Hält es die Bundesregierung für geboten, deutsche Reisevermittler und Touristikunternehmen zu veranlassen, daß Schiffsreisen nur für solche Schiffe vermittelt werden, die ausreichend versichert sind und den internationalen Sicherheitsnormen entsprechen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Alle Staaten, unter deren Flagge die in Betracht kommenden Passagierschiffe fahren, gehören dem Internationalen Übereinkommen von 1960 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See als Vertragspartner an. Alle deutschen Fahrgastschiffe entsprechen den dort geforderten weitgehenden Sicherheitsvorschriften für neue Schiffe. Die Sicherheitsvorschriften für ältere Passagierschiffe, die zur Zeit noch unter fremder Flagge verkehren, werden gegenwärtig von der Zwischenstaatlichen Beratenden Seeschiffahrt-Organisation — der sogenannten IMCO — in London verschärft, insbesondere die Brandschutzvorschriften. Da kein Fahrgastschiff ohne ein Sicherheitszeugnis nach dem genannten Übereinkommen eingesetzt werden darf, sind die Sicherheitsinteressen unserer Passagiere voll gewahrt.
Da im Seeverkehr eine vertragliche Freizeichnung des Beförderers von seiner Haftung weitgehend zu- lässig und üblich ist, hält es die Bundesregierung für erwünscht, daß den Reisenden von den Vermittlern regelmäßig auch eine Versicherung angeboten wird. Es sind auch Überlegungen im Gange, auf der Grundlage eines im Jahre 1961 in Brüssel beschlossenen und von der Bundesrepublik gezeichneten internationalen Übereinkommens eine zwingende Mindesthaftung für die Personenbeförderung einzuführen. Bei der Vorbereitung des Zustimmungsgesetzes zu dem genannten Übereinkommen wird auch zu erwägen sein und sicher erwogen werden, ob die Reisevermittler verpflichtet werden sollen, bei der Vermittlung von Reisen mit Schiffen, für die dieser Haftungszustand, also diese Mindesthaftung, nicht gilt, ausdrücklich auf die geringere Haftung und die Zweckmäßigkeit des Abschlusses eines Versicherungsvertrages hinzuweisen.
Zusatzfrage.
Habe ich Sie also richtig verstanden, wenn ich aus Ihrer Antwort entnehme, daß die Bundesregierung wünscht, daß die Reisevermittler künftig bei Abschluß ausdrücklich solche Hinweise auf eine mögliche Minderhaftung geben, so daß ein zweiter Fall Iraklion oder ein ähnlicher Fall nicht eintreten könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, Herr Abgeordneter, sobald in unserem Zustimmungsgesetz zu dem internationalen Übereinkommen die Ratifizierung betrieben wird.
Ich komme nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen
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4366 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Präsident D. Dr. Gerstenmaierund rufe die Frage IV/1 des Herrn Abgeordneten Geldner auf:Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost im süddeutschen Raum dazu übergehen will, sogenannte Vorortnetze im Telefonverkehr einzurichten?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Es trifft nicht zu, daß beabsichtigt ist, im Raume München oder Würzburg sogenannte Vorortnetze einzurichten. Auch hinsichtlich anderer Großstädte bestehen keine derartigen Absichten.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Fragen IV/2 und IV/3 des Herrn Abgeordneten Kubitza auf:
Wie steht die Bundesregierung zu den Plänen, bei Einführung des Farbfernsehens die Fernsehgebühren spürbar zu erhöhen?
Wird die Bundesregierung die Möglichkeit in Erwägung ziehen, daß bei unvermeidlicher Gebührenerhöhung diejenigen Fernsehteilnehmer, die am Farbfernsehen nicht interessiert oder technisch zu seinem Empfang nicht in der Lage sind, nach wie vor bei den bisherigen Gebühren bleiben können?
Die Bundesregierung hat sich bisher noch nicht mit einer Änderung der FernsehRundfunk-Gebühr aus Anlaß der Einführung des Farbfernsehens befaßt. Voraussichtlich wird diese Frage im Rahmen der schwebenden Bund-LänderVerhandlungen über die Neuregelung des Rundfunkgebührenwesens behandelt werden.
Hierbei müßte dann auch geprüft werden, wie die der Deutschen Bundespost durch die Umrüst-
und Nachrüstmaßnahmen der Leitungsnetze und Sendeanlagen für Farbfernsehen entstandenen Kosten geregelt werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, teilen Sie die Auffassung des früheren Ministerpräsidenten Meyers, daß eine finanzielle Entlastung auch durch eine Konzentration der bestehenden Rundfunkanstalten erzielt werden könnte?
Ich kenne diese Auffassung. Es ist schwer, eine Antwort zu erteilen, weil im Augenblick darüber Beratungen im Gang sind.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, stimmt es, daß beim Zweiten Deutschen Fernsehen innerhalb der nächsten vier Jahre ein Überschuß von fast 64 Millionen DM erzielt werden soll?
Die Zahlen sind mir nicht bekannt.
Ist die zweite Frage mitbeantwortet? — Bitte sehr!
Falls in den kommenden Jahren eine Gebührenerhöhung nicht zu umgehen 'sein sollte, wird geprüft werden müssen, ob eine unterschiedliche Behandlung der Schwarz/Weiß-Fernsehgeräte und der Farbfernsehgeräte gerechtfertigt ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau. Ich rufe zunächst die Frage V/1 des Herrn Abgeordneten Fritsch auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Bayern im Jahre 1966 9200 Anträgen auf Gewährung eines öffentlichen Baudarlehens im Gesamtbetrage von 500 Millionen DM, davon 250 Millionen DM für eigentumsbildende Maßnahmen und 100 Millionen DM für kinderreiche Familien, wegen mangelnder Mittel nicht mehr entsprochen werden konnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen zusammenfassend beantworten zu dürfen.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich ferner die Frage V/2 des Herrn Abgeordneten Fritsch auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die in Frage Vil erwähnte Situation die Wohnungsmarktlage verschärft und Abwanderungstendenzen, insbesondere der Facharbeiter, in den Grenzgebieten verstärkt wurden?
Bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die in der ersten Frage angegebenen Zahlen sind mir bekannt. Die besonderen Schwierigkeiten, die im Jahre 1966 bei Bund und Ländern bestanden, im Haushalt die erforderlichen Wohnungsbaumittel bereitzustellen, sind wohl allgemein bekannt. Es ist sehr zu bedauern, daß eine Reihe von Bauvorhaben wegen der Mittelkürzung im vergangenen Jahr nicht realisiert werden konnte. Ich teile auch Ihre Befürchtung, daß sich das Fehlen ausreichender Wohnungsbauförderungsmittel in den Grenzräumen in einer Verstärkung der Abwanderungstendenzen auswirken kann. In diesem Zusammenhang darf ich jedoch darauf aufmerksam machen, daß der Bund bei den Ende des Jahres 1966 verteilten Wohnungsbauförderungsmitteln die Zonenrandgebiete nach § 19 a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes besonders berücksichtigt hat, und zwar mit insgesamt 14 Millionen DM.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß für das Jahr 1967 ein weiterer Bedarf von etwa 10 000 Darlehensanträgen in Bayern zu erwarten ist? Nach Aussagen des bayerischen Innenministeriums stehen lediglich 188 Millionen DM an Förderungsmitteln zur Verfügung, so daß die
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4367
Fritsch
Situation auf dem Wohnungsbaumarkt in Bayern in diesem Jahr ganz besonders verschärft wird, wenn nicht eine weitreichende Hilfe des Bundes — hier wäre doch an die Mittel des Eventualhaushalts zu denken — geleistet werden könnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich könnte mir denken, daß diese Frage beim Einsatz der Mittel aus dem Investitionshaushalt mitberücksichtigt wird.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, wäre Ihr Haus bereit, Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung aufzunehmen mit dem Ziel, die Mittel für den Wohnungsbau für Arbeitnehmer und Facharbeiter zu verstärken und die bisher geltenden Bestimmungen etwas zu lockern, damit den Arbeitsämtern ermöglicht wird, diesen Arbeitnehmer- und Facharbeiterwohnungsbau großzügiger als bisher zu fördern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin gern bereit, entsprechende Verhandlungen mit der Bundesanstalt zu führen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß nach dem Inkrafttreten des Investitionshaushalts die für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellten Mittel nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz im besonderen für die Eigentumsbildung der breiten Schichten zur Verfügung gestellt werden sollten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich meine, man sollte den Kernhaushalt und den Investitionshaushalt so nicht in Verbindung bringen. Die Zielsetzung des Investitionshaushalts ist eine ganz besondere, und man sollte beides nicht miteinander in Verbindung bringen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß es, wenn Wohnungen gefördert werden sollen, trotzdem möglich ist, den breiten Schichten auf diese Weise gleichzeitig zu Eigentum zu verhelfen, und daß hier kein Widerspruch besteht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Durchaus!
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baier .
Herr Bundesminister, haben Sie angesichts der großen Zahl unerledigter Anträge in bezug auf Familienheime in den Ländern bei der Ausgabe der Verteilungsrichtlinien für die Förderungsmittel im Wohnungsbau für das Jahr 1967 darauf Rücksicht genommen, damit diese auch gezielt und entsprechend den Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes dafür zur Verfügung gestellt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Mittel sind mit entsprechenden Richtlinien an die Länder gegeben worden.
Ich rufe auf die Frage V/3 des Herrn Abgeordneten Rollmann:
Wie steht es heute um die Versorgung kinderreicher Familien mit familiengerechten Wohnungen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Durch die Wohnungsbauleistungen der vergangenen Jahre konnte die Wohnungsversorgung auch der kinderreichen Familien verbessert werden. Kinderreiche Familien, d. h. Familien mit drei und mehr Kindern, gab es nach der Wohnungszählung vom 6. Juni 1961 2,1 Millionen in der Bundesrepublik. Über die wohnungsmäßige Versorgung dieser Familien liegen zur Zeit noch keine genaueren Unterlagen vor. Erste Aufschlüsse sind aus der Auswertung der Wohnungsstichprobe 1965 zu erwarten, genauere Aufschlüsse werden erst auf Grund der geplanten Wohnungszählung des Jahres 1968 möglich sein.
In der Zeit von 1949 bis 1966 sind in der Bundesrepublik mehr als 2 Millionen Wohnungen mit fünf und mehr Räumen errichtet worden. Der Anteil an großen Wohnungen hat sich im Laufe der Zeit von rund 5 v. H. im Jahre 1949 auf fast 40 v. H. erhöht. Diese Wohnungen — seien es Familienheime, Eigentumswohnungen oder Mietwohnungen — sind gerade ihrer Größe nach zur Unterbringung kinderreicher Familien besonders geeignet. Es ist sicher, daß ein Teil von ihnen zur Unterbringung wohnraummäßig noch nicht versorgter kinderreicher Familien gedient hat. Bei den mit öffentlichen Mitteln geförderten größeren Wohnungen ist der Anteil für Kinderreiche wahrscheinlich größer, weil § 28 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes den Ländern einen Vorbehalt solcher Wohnungen für kinderreiche Familien zur Pflicht macht.
Zusatzfrage.
Herr Minister, ist der Bundesregierung bekannt, wie viele kinderreiche Familien sich noch in abbruchreifen Wohnungen, in Notunterkünften und in Lagern befinden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Unterlagen darüber verspre-
Metadaten/Kopzeile:
4368 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Bundesminister Dr. Lauritzenchen wir uns gerade von der für 1968 vorgesehenen Wohnungszählung. Zur Zeit haben wir darüber keine exakten Unterlagen.
Keine weitere Zusatzfrage? Frage V/4 des Herrn Abgeordneten Rollmann:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Versorgung kinderreicher Familien mit ausreichendem Wohnraum sicherzustellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Durch das Wohnungsbauänderungsgesetz 1965 ist in das Zweite Wohnungsbaugesetz die Vorschrift des § 19 a aufgenommen worden, wonach die Bundesmittel an die Länder nicht mehr global, sondern mit Zweckbindung für bestimmte Personengruppen, so vor allem für kinderreiche Familien, zu vergeben sind. Demzufolge sind Ende des Jahres 1966 die vorgesehenen Haushaltsmittel des Bundes mit einem Anteil von 48 % der Mittel mit Zweckbindung für Wohnungsbaumaßnahmen zugunsten von kinderreichen Familien, jungen Ehepaaren und alten Menschen und mit 25 % der Mittel zur Verstärkung der Mittel für Familienzusatzdarlehen verteilt worden. Da das Wohnungsbauänderungsgesetz die Familienzusatzdarlehen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, erheblich erhöht hat, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß damit der Bau von Familienheimen, die für die Unterbringung kinderreicher Familien besonders geeignet sind, wesentlich erleichtert wurde.
Zusatzfrage.
Herr Minister, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Versorgung kinderreicher Familien auch mit Mietwohnungen in ausreichendem Umfange zu gewährleisten? Nicht jeder möchte ein Familienheim haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Rahmen der Zweckbindung nach § 19 a des Wohnungsbaugesetzes ist diese Förderung durchaus gegeben.
Zweite Zusatzfrage.
Sieht die Bundesregierung darüber hinaus zusätzliche Möglichkeiten, etwa bei den Wohnungsunternehmen der öffentlichen Hand im Bundesgebiet dahin zu wirken, daß sie in bevorzugtem Umfang kinderreiche Familien mit Wohnraum versorgen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das wird nur im Wege der Verhandlungen mit den Wohnungsunternehmen möglich sein. In solchen Gesprächen sind wir ständig.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baier .
Herr Minister, darf ich aus Ihren Ausführungen schließen, daß der § 19 a des Wohnungsbauänderungsgesetzes eine besonders segensreiche Wirkung zur Beseitigung dieser dringenden Wohnungsnotstände und zur Unterbringung kinderreicher Familien hatte und daß man diesen Paragraphen deshalb auch in der Zukunft beibehalten sollte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zum ersten Teil Ihrer Frage darf ich auf meine Ausführungen zur Frage 4 des Herrn Abgeordneten Rollmann Bezug nehmen. Die Frage, ob das Zweite Wohnungsbaugesetz einer Novellierung bedarf und in welchen Punkten, prüfen wir zur Zeit, so daß darüber im Augenblick abschließend noch nichts gesagt werden kann.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kühn .
Herr Bundesminister, sind Sie auch bereit, einmal zu prüfen, inwieweit Möglichkeiten bestehen, den Vermietern von Wohnungen ganz allgemein die Aufnahme kinderreicher Familien interessant zu machen? Darf ich die Frage etwas erläutern.
Nein, nein, Herr Kollege! Die Frage muß sich aus sich selber erläutern, aus sich selber erhellen.
Ich bitte, nicht die Erläuterung in einer Fußnote nachzuschicken. Vielleicht ist sie schon ohne Erläuterung begreiflich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir prüfen doch zur Zeit im Rahmen unserer Arbeiten die ganze Frage der Wohnungsbaufinanzierung auf Grund ,der Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben; in den Rahmen dieser Prüfung werden wir diese Frage mit einbeziehen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling.
Treffen Nachrichten zu, denen zufolge die Versorgung kinderreicher Familien mit Eigenheimen in Zukunft wesentlich dadurch erschwert werden soll, daß die Familienzusatzdarlehen eine Kürzung erfahren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Augenblick ist mir davon nichts bekannt, Herr Abgeordneter.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Frage VII/1 des Herrn Abgeordneten Hübner:Ist den Sozialpartnern im öffentlichen Dienst eine aktive Rolle innerhalb der „konzertierten Aktion" zugedacht?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4369
Präsident D. Dr. GerstenmaierDie Frage wird von Herrn Abgeordneten Dr. Mommer übernommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei der großen Zahl der im öffentlichen Dienst Tätigen und bei der Bedeutung dieses Dienstes für unsere gesamte Volkswirtschaft ist die Einbeziehung des öffentlichen Dienstes in die „konzertierte Aktion" eine wesentliche Voraussetzung für deren Gelingen.
Im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern für Wirtschaft und der Finanzen hat der Bundesminister des Innern daher in den vergangenen Wochen im Rahmen der „konzertierten Aktion" sowohl mit den Berufsverbänden der Beamten als auch mit den für den öffentlichen Dienst zuständigen Gewerkschaften eingehende Gespräche geführt. Bei seinen Gesprächspartnern hat der Bundesminister des Innern dabei volles Verständnis für die Notwendigkeit der Stabilisierung der Wirtschaft und der Währung sowie Zustimmung zu den Grundzügen der Haushaltspolitik gefunden. Es ist weitestgehend Übereinstimmung darüber erzielt worden, daß einerseits die Angehörigen des öffentlichen Dienstes ihren Beitrag zur Erreichung der eben genannten Ziele leisten werden, daß andererseits jedoch ihre Interessen im Rahmen der allgemeinen Entwicklung zu berücksichtigen sind.
Der Bundesminister des Innern wird in diesen Fragen mit den Berufsverbänden und Gewerkschaften auch künftig laufend Fühlung halten. Darüber hinaus wird er auch mit den Arbeitgeberverbänden der Länder und der Gemeinden aufs engste zusammenarbeiten.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Jung auf:
Trifft die Äußerung des Düsseldorfer Kripo-Chefs Dr. Wehner zu, daß es beim Bundeskriminalamt kaum einen Beamten gibt, „der in den letzten 15 Jahren einen Tatort gesehen oder einen Beschuldigten vernommen hat"?
Warum finden die Besprechungen der Leiter der Landeskriminalämter mit den Vertretern des Bundeskriminalamtes nur noch zweimal im Jahr statt?
Was hat die Bundesregierung unternommen bzw. was beabsichtigt sie zu tun, um durch eine möglichst zentrale Führung die Arbeit der Kriminalbehörden zu vereinheitlichen und den bei der Verbrecherbekämpfung hinderlichen Kompetenzwirrwarr zu überwinden?
Die Fragen werden von Herrn Spitzmüller übernommen.
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn der Leiter der Kriminalpolizei Düsseldorf sich in der geschilderten Weise geäußert haben sollte, dann hätte er eine nicht zutreffende Behauptung aufgestellt; denn in den letzten 15 Jahren haben 87 % der Kriminalbeamten im. Bundeskriminalamt einen Tatort gesehen oder einen Beschuldigten vernommen.
Die Antwort auf die nächste Frage lautet: Die Besprechungen der Leiter der Landeskriminalämter mit den Vertretern des Bundeskriminalamtes finden deshalb nur noch zweimal im Jahre statt, weil der Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz der Länder, dem die Leiter der Polizeiabteilungen angehören, einen entsprechenden Beschluß gefaßt hat.
Die Antwort auf die dritte Frage lautet: Die Zuständigkeit des Bundes auf kriminalpolizeilichem Gebiet ist — ich zitiere aus Art. 73 Nr. 10 des Grundgesetzes — „auf die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei . . . , die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes sowie die internationale Verbrechensbekämpfung" beschränkt. Einer zentralen Führung der Arbeit der Kriminalbehörden stehen somit die Zuständigkeitsnormen des Grundgesetzes entgegen. Das Polizeiwesen ist im wesentlichen Ländersache. Deshalb bestimmt auch § 4 des Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes: „Die vorbeugende Verbrechensbekämpfung und die Verfolgung strafbarer Handlungen bleiben Sache der Länder".
Keine Zusatzfrage.Damit sind wir am Ende der Fragestunde.Ehe ich den Punkt 2 unserer Tagesordnung aufrufe, erlauben Sie mir, einige Worte zum 100. Geburtstag des Reichstages des Norddeutschen Bundes zu sagen.Am 24. Februar 1867 ist dieser konstituierende Reichstag des Norddeutschen Bundes in Berlin zusammengetreten. Daß wir heute dieses Ereignisses gedenken, hat mehrere Gründe. Am wichtigsten davon scheint mir zu sein, daß seit immerhin 100 Jahren auf deutschem Boden nach modernen Grundsätzen gewählt worden ist. Im Unterschied zu den Institutionen, die schon zuvor jahrhundertelang den ehrwürdigen Namen „Deutscher Reichstag" führten, wurde nämlich dieser Reichstag nach Grundsätzen gewählt, die dem ersten Abschnitt des Art. 38 unseres Grundgesetzes gerecht zu werden vermögen. Allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen — das, meine Damen und Herren, war vor 100 Jahren auch in wohletablierten Rechtsstaaten keineswegs selbstverständlich.Indessen ist der Reichstag des Norddeutschen Bundes nicht das erste tatsächliche parlamentarische Ereignis von Rang auf deutschem Boden. Schwäbische Bescheidenheit verbietet mir,
auf einige Ereignisse hinzuweisen, die meiner württembergischen Heimat seit dem Ende des Mittelalters rechtsstaatliches Gepräge und entsprechendes Bewußtsein gegeben haben. Die geschichtliche Wahrheit verlangt jedoch — und hier kann man nicht aus Bescheidenheit schweigen — mindestens den Hinweis darauf, daß bereits ein halbes Jahrhundert vor dem Reichstag des Norddeutschen Bundes sich in den süddeutschen Einzelstaaten konstitutionelle Strömungen durchgesetzt haben. Sie brachten geschriebene Verfassungen, welche die Gewaltenteilung und die Grundrechte kannten. Sie brachten ein Wahlrecht mit dem freien Abgeordnetenmandat und mit Parlamenten, die etwas qua-
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4370 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Präsident D. Dr. Gerstenmaierlitativ anderes waren als die herkömmlichen großen und keinen Standesvertretungen.Dieser Geburtstag kann uns die ehrwürdige Tradition wieder vor Augen bringen, die der Parlamentarismus auch auf deutschem Boden in mehr als 150 Jahren gebildet hat. Es ist eine Erinnerung, die alles in allem dazu angetan ist, allzu pauschale Verdammungsurteile über die deutsche Geschichte und den Charakter der Deutschen zu korrigieren. Das gilt auch dann, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Reichstag des Norddeutschen Bundes auch bei großzügiger Betrachtung nicht gerade die Verwirklichung der Demokratie gewesen ist. Die Bismarcksche Reichsverfassung vom 4. Mai 1871 steht auf der Verfassung, die der konstituierende Reichstag des Norddeutschen Bundes von 1867 zu beraten hatte. Weder die eine noch die andere machten Deutschland zu einer parlamentarischen Demokratie. Dennoch stellen die Wahlen vom Februar 1867 und auch das Werk des aus ihnen hervorgegangenen Reichstages einen klaren Fortschritt in der Selbstverwirklichung des freiheitlichen deutschen Rechtsstaates dar.In der Wahl Eduard von Simsons zum Reichstagspräsidenten wird man auch heute noch mehr als bloße Anciennität sehen dürfen. Diese Wahl war eine Geste der Ehrerbietung gegenüber der gescheiterten Frankfurter Nationalversammlung. Simson war Präsident der Frankfurter Paulskirchenversammlung gewesen, und er hatte an der Spitze ihrer Delegation 19 Jahre zuvor Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die deutsche Kaiserkrone angetragen. Der Urenkel Herrn von Simsons hat dem Bundestag vor kurzem die sorgfältig gearbeitete Büste dieses bedeutenden Parlamentariers geschenkt. Ich habe sie im Reichstag in Berlin aufstellen lassen.Das von Simson präsidierte Haus hat den ihm vorgelegten Verfassungsentwurf in 90 Punkten abgeändert. Es muß zügig gearbeitet haben; denn es war in wenigen Monaten mit seinen Verfassungsarbeiten fertig. Und dies, obwohl sich zehn Parteien um die 297 Mandate des Hauses gestritten haben und obwohl in jenem Haus durchaus kontroverse Kräfte sich gegenüberstanden.Die meisten Mitglieder jenes Reichstages waren Persönlichkeiten mit parlamentarischer Erfahrung. 26 waren mit Simson in der Nationalversammlung gewesen, 97 hatten dem preußischen Abgeordnetenhaus und 25 dem Herrenhaus angehört. Andere hatten hannoverschen, kurhessischen, sächsischen, nassauischen und schleswig-holsteinischen parlamentarischen Gremien der verschiedensten Art angehört.Interessant ist auch ein Blick auf die berufliche Zusammensetzung. Ich hoffe, daß, wenn ich das jetzt erzähle, es nachher nicht von den Verbänden bei mir eingeklagt wird. 90 Landwirten, 70 Juristen, 55 aktiven Verwaltungsbeamten und gegen 30 pensionierten Beamten standen nur etwa 25 Mitglieder des Hauses gegenüber, die man heute zu Handel, Gewerbe, Industrie und freien Berufen zählen würde.
Ein einziger Handwerker, meine Damen und Herren, war unter ihnen. Er hieß August Bebel, und er sagte frank und frei, daß er von dem Unternehmen nichts halte.Die für die folgenden 70 Jahre so charakteristische deutsche Parteienlandschaft zeigte sich damals erst in Umrissen, aber, meine Damen und Herren, sie zeigte sich. Es gab zwei konservative Fraktionen mit an die hundert Mitgliedern, es gab die Fortschrittspartei mit Schulze-Delitzsch, die es schließlich auf 80 Mann brachte, es gab 79 Nationalliberale mit Bennigsen und Gustav Freytag, es gab das Zentrum mit Windthorst, den Welfen und 34 Mandaten, es gab Zusammenschlüsse, in denen das Landsmannschaftliche wichtiger war als Ideologie und Programmatik. Die 13 Polen und die beiden Dänen verharrten immer im Protest. Immerhin fällt aus der Reihe der polnischen Reichstagsmitglieder das Wort, daß sie wohl Preußen sein könnten, aber niemals Deutsche.Der Zeit entsprechend fühlte man sich in der großen Mehrheit durchaus als ein Honoratiorenparlament.Ich habe hier den Auszug aus der von diesem Norddeutschen Reichstag verabschiedeten Verfassung. Art. 32 bestimmt genau das, was so viele deutsche Bundesbürger für das höchste Ideal halten:Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen.Der Art. 48 Abs. 3 unseres Grundgesetzes sagt genau das Gegenteil. Nun, damals von der Politik leben, nein, das sollte und das wollte man nicht. Denn bis zu Max Webers durchdringenden Einsichten über die „Politik als Beruf" waren es immerhin noch 52 Jahre. Ganz so lange hat es mit der Einführung der Diäten und der Freifahrkarte allerdings dann nicht gedauert: im Mai 1906 war es so weit.Von wesentlicher Bedeutung für die Durchbildung des Parlamentarismus war jedoch die von jenem Reichstag fest begründete Indemnität und Immunität des Abgeordneten. Meine Damen und Herren, es lohnt sich sich, einen Blick auf die Art. 30 und 31 jener Verfassung zu werfen. Sie werden wahrscheinlich den Text im Ohr haben, und er wird sie genau an die Bestimmungen erinnern, die in unser Grundgesetz nahezu wörtlich übernommen worden sind. Es heißt dort in dem Art. 30:Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Äußerungen gerichtlich oder disciplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.Hier wird die Indemnität des Abgeordneten verfassungsrechtlich festgelegt.Art. 31 behandelt die Immunität:Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied desselben während der SitzungsPeriode wegen einer mit Strafe bedrohten
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4371
Präsident D. Dr. GerstenmaierHandlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird.Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich.Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs- oder Civilhaft für die Dauer der Sitzungs-Periode aufgehoben.Meine Damen und Herren, diese Indemnität und Immunität des Abgeordneten allein sicherten die ungehinderte Freiheit der parlamentarischen Kritik in einer Zeit, in der das vereinte Übergewicht von Krone, Exekutive und gesellschaftlicher Konvention beengend, ja erdrückend wirken konnte.Auf Grund der von jenem Reichstag beschlossenen Bundesverfassung wurde am 31. August 1867 der erste ordentliche Deutsche Reichstag gewählt. Am 27. März 1849 hatte die deutsche Nationalversammlung ein Reichswahlgesetz beschlossen. 18 Jahre lang war es ein Traum gewesen. Nun verwirklichte es der Reichstag des Norddeutschen Bundes. Er tat es nicht gegen, sondern mit Bismarck, der selber darauf zurückgegriffen hatte. Vielen erschien das aus ganz verschiedenen Gründen paradox. Die Lage blieb auch lange genug durchaus paradox. Denn für den preußischen Landtag galt nach wie vor das Dreiklassenwahlrecht. Die selbstbewußten Hansestädte hielten an ihren alles andere als modernen Wahlgesetzen fest, und Bayern — ich bitte um Nachsicht, meine Herren; Geschichte kann man nicht beschönigen — führte erst 1906 das allgemeine Wahlrecht ein.
— Na ja, „Hört! Hört!", — immerhin: sie taten es.
Bis zur parlamentarischen Demokratie in Deutschland war es also noch immer ein weiter Weg.Aber der geschichtliche Tatbestand, den wir ins Auge zu fassen haben und zu dessen Dolmetsch ich mich machen möchte, widerlegt dennoch in mehr als nur historischer Hinsicht das oft so herablassend gebrauchte Wort von den demokratischen Kinderschuhen, in denen die Deutschen eben noch immer steckten. Das Wort ist zu banal, um auch nur anzudeuten, daß Freiheitsliebe und Rechtsbewußtsein mächtig bewegende Elemente in der vielhundertjährigen Geschichte der Deutschen sind. Ich weiß, was lähmend dagegen gesagt werden kann. Aber schließlich bestand die erste Reihe, die gegen Hitler und seine Leute antrat, doch aus Deutschen, genau gesehen nur aus Deutschen. Das ist nicht zur Rechtfertigung gesagt — was sollte das? —, aber es ist gesagt gegen die Banalität und gegen jene deutsche Melancholie, die glaubt, daß gar nicht mehr wahr sei, was in unserer eigenen Geschichte etwas wert ist.
Meine Damen und Herren, diese Rede — ich gestehe es — soll indessen gar nicht nur dieser Vergegenwärtigung dienen. Sie möchte auch ein Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber diesem kleinen Büchlein, gegenüber unserer Geschäftsordnung sein, denn diese geht geradewegs zurück auf die Geschäftsordnung jenes Reichstages von 1867. Gewiß, dies und das wurde geändert, manches hinzugefügt, aber nur weniges gestrichen. Ihre Wurzeln liegen wohl in der Geschäftsordnung des alten preußischen Abgeordnetenhauses; ihre Grundform hat unsere Geschäftsordnung aber erfahren durch den Reichstag des Norddeutschen Bundes. In den Reichstagen des Kaiserreiches, der Weimarer Republik und in den Legislaturperioden des Deutschen Bundestages hat sie nichts von ihrer Substanz verloren.Gute Köpfe haben zuweilen versucht, dieses nicht ideale und auch nicht perfekte Hausgesetz vieler deutscher Parlamente grundlegend zu verbessern oder zu ersetzen. Jetzt, nach manchem Jahr der nachdenklichen Erfahrung halte ich es nicht mehr für Zufall oder die Macht der Gewohnheit, daß daraus nie etwas geworden ist. Mir scheint, es liegt an der erwiesenen Qualität dieser Geschäftsordnung. Sie ist nicht gerade brillant, aber sie ist doch eine gediegene und praktikable Verbindung von Freiheitlichkeit und Rechtlichkeit. Ich kann nicht sagen, daß mir diese hundertjährige Geschäftsordnung stets glatte Lösungen geboten hätte in den Streitfragen, die dieses Haus so oft bewegen. Aber ich glaube, nein, ich weiß es, daß sie nicht nur mir eine Hilfe in der Bemühung um Gerechtigkeit gewesen ist. Auch deshalb, meine Damen und Herren, haben wir Anlaß, ehrerbietig der Deutschen Reichstage von 1867 zu gedenken.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Europapolitik— Drucksache V/1042 —b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDPbetr. Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften, des Europarates und der Westeuropäischen Union— Drucksache V/1010 —c) Beratung des Schriftlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der SPDbetr. Auswirkung der EWG-Agrarfinanzierung auf den Bundeshaushalt— Drucksachen V/687, V/1383 —Berichterstatter: Abgeordneter RöhnerZunächst hat der Herr Abgeordnete Dr. Apel zur Begründung der Großen Anfrage das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als mein Fraktionsvorsitzender das recht umfangreiche Manuskript zu Augen bekam, das ich vorbereitet hatte, um diese Rede hier zu halten, packte ihn schieres Entsetzen. Er hat mich
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4372 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Dr. Apeldringend darum ersucht, von diesem Manuskript nicht Gebrauch zu machen und hier nicht zu sprechen als — wie er es nannte — weiser Staatsmann, sondern politische Bemerkungen zu dieser Großen Anfrage zu machen und damit — das war sicherlich seine Hoffnung — auch einen Teil der speziellen Anliegen, die wir mit dieser Großen Anfrage haben, zu vergessen, und damit zu einer politischen Zuspitzung dieser Europa-Debatte zu kommen. Wir halten es für ganz besonders notwendig, daß diese Debatte nicht auseinanderfließt, daß keine allgemeinen Bemerkungen gemacht werden, sondern daß wir die politisch aktuellen Fragen, um die es heute geht, herausstreichen.Die Große Anfrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, meine Damen und Herren, ist nicht mehr taufrisch. Das wissen Sie. Sie ist datiert vom 25. Oktober vergangenen Jahres und ist unter ganz anderen politischen Aspekten zustande gekommen. Es ging damals darum, der Bundesregierung Erhard deutlich zu machen, daß die Europapolitik der damaligen Bundesregierung nicht die Politik war, die die Sozialdemokraten wollten. Inzwischen hat sich die Situation geändert, und damit ist zumindest eine der sechs Fragen, nämlich die Frage 3, gegenstandslos geworden, und ich werde deswegen zu dieser Frage auch keine Ausführungen machen. Lassen Sie mich kurz einiges zu den restlichen Fragen sagen.Frage 1: Wir müssen konstatieren, daß sich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ungleichmäßig entwickelt hat. Wir stehen vor einem fast vollendeten Agrarmarkt — er wird in wenigen Monaten Wirklichkeit sein —, wir werden Mitte 1968 den „Zollverein" EWG geschaffen haben. Wir verfügen aber bis heute noch nicht über die wirtschaftspolitischen Instrumente, die EWG funktionsfähig zu halten, sie zu organisieren und damit vor Krisenerscheinungen zu bewahren. Dieses Fehlen der Wirtschaftspolitik hat vor allen Dingen unangenehme Konsequenzen — nicht zuletzt für die deutsche Industrie —, wenn es darum geht, gleichberechtigt im Wettbewerb auf den Märkten unserer Partnerländer aufzutreten. Das Fehlen der EWG-Wirtschaftspolitik hat somit zwei Konsequenzen:Erstens: Die EWG wird krisenanfälliger. Deutlichstes Beispiel dafür ist die Situation in der Stahlwirtschaft der EGKS. Der Montanunion in Luxemburg fehlen die Waffen, um mit den aktuellen Schwierigkeiten fertig zu werden. So muß konstatiert werden, daß die Preis- und damit die Erlösrückgänge in der Stahlindustrie der EGKS größer sind als in vergleichbaren Ländern, z. B. den USA, dem Vereinigten Königreich, Japan, aber auch Österreich. Wir müssen hier etwas tun, wenn wir nicht immer wieder in entsprechende Schwierigkeiten kommen wollen.Die zweite Konsequenz des Fehlens einer Wirtschaftspolitik ist die, daß sich bestehende Wettbewerbsverfälschungen verfestigen. Ich brauche hier keine Beispiele zu geben; sie liegen auf der Hand. Das Fehlen einer Energiepolitik wirkt sich wiederum in der Stahlwirtschaft aus, pflanzt sich in andere Bereiche fort und führt zu Wettbewerbsverzerrungen. Das Fehlen einer Verkehrspolitik macht dendeutschen Nordseehäfen in ihrer Konkurrenz zu den Rheinmündungshäfen Schwierigkeiten. Die unterschiedliche Subventionierung der Werften in der EWG bringt Wettbewerbsprobleme mit sich.In fast allen Bereichen der Wirtschaft müssen wir feststellen, daß das Fehlen der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft dazu führt, daß die Durchdringung der Märkte, so wie es gewollt wurde, nicht erreicht wird. Wen kann es dann verwundern, daß an uns als den nationalen Gesetzgeber immer wieder die Forderung herangetragen wird: schafft Gegenmaßnahmen, tut etwas für uns, wehrt die illoyale Konkurrenz ab!? Können wir uns auf die Dauer diesen Forderungen und Ansprüchen entziehen? Ich meine, nein.Damit wird deutlich, daß die EWG bisher keineswegs den — wie es so schön heißt — „point of no return" überschritten hat, den Punkt also, von dem an die EWG nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Sie kann sehr wohl durch eine Reihe nationaler Maßnahmen in ihrer Substanz ausgehöhlt und damit paralysiert werden. Aus diesem Grunde möchten wir mit unserer Frage 1 die Bundesregierung dazu veranlassen, ihr Augenmerk nachdrücklich auf diese Probleme zu richten. Wir sind optimistisch; denn gerade in den letzten Wochen konnten in den Ministerräten der EWG und der EGKS zwei wesentliche Beschlüsse gefaßt werden: einmal die Umsatzsteuerharmonisierung der EWG-Länder und zum anderen die gemeinsame Subvention zugunsten der Kokskohle der Gemeinschaft. Wir sollten auf diesem Wege weitergehen, um die EWG voll funktionsfähig zu machen.Die Frage 2 stellt darauf ab, daß es eben nicht nur darum geht, in der Zollunion EWG — die, wie gesagt, Mitte nächsten Jahres verwirklicht sein wird — eine gemeinsame Außenhandelspolitik lediglich in Gestalt einer gemeinsamen Zollgesetzgebung zu haben. Vielmehr verlangt der EWG-Vertrag nachdrücklich eine Außenhandelspolitik, die auch die Vereinheitlichung der Exportbeihilfen und der gesamten Ausfuhrpolitik sowie gemeinsame Schutzmaßnahmen gegen Dumping und Niedrigpreiseinfuhren umfaßt. Damit ist die Außenhandelspolitik, die für die Funktionsfähigkeit der EWG notwendig ist, doch etwas mehr, als man gemeinhin unter Außenhandelspolitik der EWG versteht. Uns interessiert in diesem Zusammenhang keineswegs die Frage, ob diese gemeinsamen Regeln einstimmig im Ministerrat zu beschließen sind, weil ein wesentliches nationales Interesse der Mitgliedstaaten berührt wird, oder ob diese gemeinsame Außenhandelspolitik mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen ist, wie es nach dem EWG-Vertrag möglich wäre. Es kommt darauf an, daß Fortschritte erreicht werden, damit die EWG-Zollunion funktionsfähig wird.Bei der Frage der Außenhandelspolitik wird auch sehr deutlich, welche Wechselbeziehungen zwischen der Außenhandelspolitik einerseits und der Außenpolitik andererseits gegeben sind. Das stellt keine Probleme in unserem Verhältnis zu den Industrienationen der westlichen Welt. Hier geht es darum, den beschrittenen Weg der Liberalisierung fortzu-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4373
Dr. Apelsetzen. Wenn es aber darum geht, Außenhandelspolitik mit den Entwicklungsländern und mit den Staatshandelsländern zu machen, dann ist das bereits ein Teil der allgemeinen Außenpolitik.Bereits die erste Welthandelskonferenz hat deutlich gemacht, wie stark die Entwicklungsländer ihre Außenhandelsbeziehungen zu den Industrienationen politisiert haben und unter politischem Gesichtspunkt sehen. Inzwischen ist die Welthandelskonferenz Institution der Vereinten Nationen geworden, und die Politisierung des Außenhandels zwischen den Industrienationen und den Entwicklungsländern wird sich fortsetzen.Uns liegt die vorläufige Tagesordnung der zweiten Welthandelskonferenz im nächsten Jahr in New Delhi vor. Die Entwicklungsländer wollen auf dieser zweiten Welthandelskonferenz unter anderem über Zollpräferenzen und über weltweite Rohstoffabkommen sprechen. Auf diese Herausforderung, auf diese Fragen der Entwicklungsländer werden, wenn der „Zollverein" EWG verwirklicht worden ist, nationale Antworten von den Mitgliedern der EWG nicht mehr gegeben werden können. Hier muß eine EWG-Lösung gefunden werden, die dann eine Antwort auf diese Herausforderung der Entwicklungsländer gibt. Wir fordern die Bundesregierung auf, rechtzeitig an die Arbeit zu gehen. Denn es darf nicht noch einmal passieren, daß die Bundesrepublik wie auf der ersten Welthandelskonferenz eine schlechte Figur macht.Betrachten wir die Außenhandelsbeziehungen mitden Staatshandelsländern, dann werden die Beziehungen zwischen Außenpolitik und Außenhandelspolitik um so deutlicher. Die Ostpolitik der großen Koalition bedarf der ökonomischen Basis, der ökonomischen Untermauerung durch einen ausgeweiteten Osthandel. Aber bedenken Sie bitte dabei, daß 73 % der bulgarischen Exporte in die Bundesrepublik im Jahre 1965 aus Agrargütern bestanden. Die Vergleichszahlen für Polen und Rumänien liegen bei 50 bzw. gut 33 %. Diese Agrarimporte werden aber in der EWG von den Marktordnungen der Gemeinschaft betroffen werden, so daß es darauf ankommt, Agrarpolitik in der EWG nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Schutzes unserer einheimischen Erzeugung zu betreiben, sondern auch dafür zu sorgen, daß hier der außenpolitische Aspekt mit berücksichtigt wird. Darüber hinaus kommt es auch darauf an, im Bereich der gewerblichen Ausfuhr und Einfuhr nach und von den Staatshandelsländern voranzukommen und eine gemeinsame Liberalisierung voranzubringen, um somit der Ostpolitik, der Entspannung, die alle EWG-Staaten in der gleichen Richtung verfolgen, eine ökonomische Basis zu geben.In der Frage 5 geht es um die Kennedy-Runde. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstreicht, daß es bei der Kennedy-Runde nicht nur um eine ökonomische Verfahrensweise geht, den Welthandel zu liberalisieren. Es geht vielmehr darum, daß auf diese Art und Weise die ökonomische und schließlich auch die politische Zusammengehörigkeit der Industrienationen der westlichen Welt gefestigt wird.Für uns geht es zudem zusätzlich darum, neben der Liberalisierung unseres Handels mit den USA unseren EFTA-Handel zu konsolidieren und gegen Gefahren abzusichern, die aus einer ökonomischen Grabenbildung in Europa entstehen könnten. Auch im letzten Jahr hat sich der Handelsbilanzüberschuß der Bundesrepublik mit den EFTA-Staaten auf rund 7 Milliarden DM belaufen. Diese Zahl von 7 Milliarden DM müssen Sie vor dem Hintergrund des Gesamthandelsbilanzüberschusses der Bundesrepublik im Jahre 1966 in Höhe von 7,9 Milliarden DM sehen. Damit wird klar, welche Bedeutung der Handel der Bundesrepublik mit der EFTA für die Beschäftigung unserer Wirtschaft hat. Ich möchte es mir hier ersparen, auf einzelne Wirtschaftszweige einzugehen. Ich glaube, diese Zahlen sprechen für sich.Da wir heute nicht wissen, wie es mit dem britischen Beitritt wird, wie sich das institutionelle Verhältnis zu den EFTA-Staaten gestaltet, müssen wir aus nationalem Interesse darauf bestehen, daß die Kennedy-Runde zum Erfolg geführt wird. Hier gibt es für uns kein politisches Junktim derart, daß unsere Zahlungen an die EWG-Fonds von dem Erfolg der Kennedy-Runde abhängig sind. Es gibt aber zweifelsohne, meine Damen und Herren, einen ökonomischen Zusammenhang zwischen einem guten Erfolg in der Kennedy-Runde und unserer Fähigkeit, in der EWG unseren Verpflichtungen nachzukommen.Aus dieser Sicht müssen wir drei sehr präzise Fragen an die Bundesregierung stellen.Erste Frage: Reicht nach Meinung der Bundesregierung die Vollmacht, die die EWG-Kommission jetzt in den Genfer Verhandlungen hat, aus? Diese Vollmacht wird umschrieben durch den Begriff „liberté de parole", d. h. also Sprech-, Verhandlungsfreiheit. Kann mit dieser Vollmacht die Kennedy-Runde zum Erfolg geführt werden, wird der EWG-Ministerrat das, was als Ergebnis vorliegen wird, durch einen entsprechenden Beschluß honorieren?Zweite Frage. In der „liberté de parole", dieser Verhandlungsfreiheit, die man der EWG-Kommission gegeben hat, sind Agrarfragen weitgehend ausgeschlossen. Wir fragen die Bundesregierung: Ist es denkbar, daß wir auf dieser starren Position beharren? Ist es nicht notwendig, in die Verhandlungen der Kennedy-Runde stärker die Agrarwirtschaft einzubringen? Denn schließlich sind eine Reihe von Nationen am Erfolg der Kennedy-Runde nicht zuletzt deswegen interessiert, um Absatzchancen ihrer Agrarproduktion auf dem Gemeinsamen Markt sicherzustellen.Dritte Frage. Es kann wohl nicht bestritten werden, daß durch die Verhandlungstaktik der EWG in den letzten Jahren besonders die skandinavischen Länder und die Schweiz betroffen sind. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß die diesen Ländern entgegentretenden Schwierigkeiten durch das Verhalten der EWG gemildert werden? Wie will sie es vor allen Dingen verhindern, daß
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4374 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Dr. Apelsich diese Länder eines Tages vielleicht in die Front der „EWG-Geschädigten" einreihen?Meine Damen und Herren, die Vollmacht, die dem US-Präsidenten durch den Trade Expansion Act gegeben ist, läuft Mitte dieses Jahres aus. Die Fachleute sagen uns aber, daß man bereits vor Ostern, also in etwa vier Wochen, feststellen muß, wie denn wohl die großen Linien des Ergebnisses der Kennedy-Runde aussehen werden. Werden wir also in vier Wochen einen Frühlingsanfang in der Liberalisierung des Welthandels erleben, oder werden wir vor einem Karfreitag stehen? Das ist die entscheidende Frage. Wir meinen: Der Expertengespräche hat es genug gegeben. Wir fordern eine politische Lösung und bitten die Bundesregierung, hier ihre Verantwortung zu übernehmen.In der Frage 6 geht es um den zweiten Entwicklungsfonds zugunsten der assoziierten Staaten der EWG. Er umfaßt 730 Millionen Dollar. Davon hat die Bundesrepublik 34 % aufzubringen. Die Aufträge, die bei Entwicklungsvorhaben in den Entwicklungsländern aus diesem Fonds finanziert werden, gehen nur zu 9 % in die Bundesrepublik. Wir halten dieses Mißverhältnis von Zahlungen und Aufträgen für nicht gut, um so mehr als die Industrie eines Landes in der EWG der besonders Begünstigte dieses Entwicklungsfonds ist.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion denkt nicht daran, zu einer Renationalisierung dieses Fonds derart zu kommen, daß wir 34% einzahlen und nun auch 34 % zurückhaben müssen. Das ist allein schon deswegen nicht möglich, weil sich ein gut Teil der Vorhaben aus Bauaufträgen zusammensetzt, die nicht zuletzt auch von einheimischen Unternehmungen in den Entwicklungsländern selbst ausgeführt werden. Aber wir meinen: Das Verhältnis von 9 % Aufträgen und 34% Beteiligung ist nicht akzeptabel. Hier müssen technische Verbesserungen erfolgen. Wir müssen verlangen, daß die Ausschreibungsbedingungen in alle Amtssprachen der Gemeinschaft übersetzt werden, auch ins Deutsche. Wir meinen ferner, daß die deutsche Industrie stärker hingewiesen werden muß auf die Möglichkeiten, die sich aus diesem Entwicklungsfonds ergeben, und wir meinen auch, daß wir unseren EWG-Partnern deutlich sagen sollten, daß sich hier für uns Probleme stellen, um so mehr, als dieser zweite Entwicklungsfonds nur bis zum 1. 6. 1969 läuft und dann über einen dritten Entwicklungsfonds zu verhandeln sein wird. Wir wollen uns nicht drücken vor den Verpflichtungen, die wir eingegangen sind gegenüber den 18 assoziierten afrikanischen Staaten, aber wir meinen, in der Organisation dieses Entwicklungsfonds könnte einiges geändert werden.Lassen Sie mich damit zur letzten Frage kommen, die ich mir bewußt als Leckerbissen aufgespart habe, nämlich zur Frage 4. Wenn Sie sich die Formulierung der Frage 4 ansehen, so werden Sie merken, daß auch hieran der Zahn der Zeit genagt hat; denn es geht heute weniger darum, sich hier in diesem Hause darüber zu unterhalten, ob denn wohl eine Gipfelkonferenz zwischen den EFTA-Staaten und den EWG-Ländern zweckmäßig undnotwendig wäre, sondern es geht konkret um die Frage: Gelingt es den Briten, in die EWG einzutreten oder nicht? Das ist die Kernfrage, um die es geht. Auf diese Frage müssen wir eine Antwort finden, und erst hinterher können wir uns darüber klarwerden, wie denn wohl das Verhältnis zu den EFTA-Staaten insgesamt gestaltet werden sollte.Bei der Frage des britischen Beitritts können wir davon ausgehen, daß die britische Regierung eindeutig erklärt hat, sie wolle Vollmitglied der EWG werden. Die britische Regierung hat alle Surrogatlösungen, eine Assoziation oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der EWG zurückgewiesen. Sie will Vollmitglied der EWG werden.Und ein Zweites: Die britische Regierung hat eindeutig erklärt, sie wolle mit ihrem Beitritt zur EWG vor allen Dingen wirtschaftliche Probleme anpacken und lösen. Premierminister Wilson hat in Straßburg vor der Beratenden Versammlung im Hinblick auf die Frage des britischen Beitritts gesagt: we mean business = wir sprechen hier über Wirtschaft, über Geschäft. Und er hat hinzugefügt, daß erst nach dem britischen Beitritt zur EWG über eine engere politische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten gesprochen werden sollte, daß also, wenn ich das so interpretieren darf, als Ergebnis der ökonomischen Zusammenarbeit in der EWG eine wachsende politische Solidarität in Europa entsteht. Das sind genau die Erfahrungen, meine Damen und Herren, die wir auch bisher in der EWG gemacht haben. Auch in der EWG war die ökonomische Solidarität zwischen den sechs Partnern stark genug, um alle politischen Krisen, die wir in den letzten Jahren zwischen den EWG-Ländern erlebt haben, zu überwinden helfen und neue Ansätze zu einer gemeinsamen politischen Aktion zu ermöglichen.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es nachdrücklich, daß die deutsche Ostpolitik mit der französischen Ostpolitik weitgehend übereinstimmt, und wir sind für die Unterstützung aus Paris dankbar. Aber da diese Ostpolitik auch unterstützt und mitgetragen wird von den anderen EWG-Ländern, mitgetragen und unterstützt wird von den EFTA-Staaten, dem Vereinigten Königreich und den USA, sehen wir nicht, daß hier eine Alternative, eine Wahl zu treffen ist zwischen einer neuen deutschen Ostpolitik und ihrer Unterstützung durch Frankreich — die wir hoch anerkennen, das unterstreiche ich — und der geographischen Erweiterung der EWG.Wir können uns deswegen auch nicht mit der Forderung nach einer Europäisierung der britischen Außen- und Verteidigungspolitik einverstanden erklären. Das ist schon deswegen nicht möglich, weil wir in der EWG in diesen Fragen eine gemeinsame Konzeption noch nicht haben. Daher gibt es auch gar keinen Maßstab, an dem man eine Europäisierung der britischen Außen- und Verteidigungspolitik messen könnte.Großbritannien betreibt Weltpolitik, gekennzeichnet durch das Schlagwort der Präsenz östlich von Suez. Großbritannien verfügt über traditionelle Freundschaftsbande zu den USA. Wir lehnen es ab,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4375
Dr. Apeldaß Großbritannien, bevor es Mitglied der EWG werden kann, in ein EWG-Prokrustesbett gelegt und durch Amputation auf europäische Größenmaßstäbe zurechtgestutzt wird.Wenn wir über den britischen Beitritt sprechen, geht es vor allen Dingen um ökonomische Fragen. Da stellt sich sofort die Frage: Sollte Großbritannien jetzt der EWG beitreten, wo doch die EWG noch nicht konsolidiert ist? Wäre es nicht vielleicht besser, zu warten, bis die EWG vollendet ist, um dann das Problem der Erweiterung der EWG zu lösen? Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Meinung, daß es jetzt darum geht, über die Frage des britischen Beitritts zu sprechen. Denn, sehen Sie, die EWG ist zur Zeit noch nicht weit entwickelt. Wir sind dabei, eine Zollunion zu erreichen; wir werden eine gemeinsame Agrarpolitik haben. Aber bei der gemeinsamen Wirtschaftspolitik ist immer noch weitgehend Fehlanzeige. So ist es zur Zeit relativ einfach, England in die Gemeinschaft mit einzubeziehen. Schreiten wir dagegen auf dem Wege zur Wirtschaftsunion und damit faktisch zur politischen Union fort — und es gibt doch viele Ansätze dafür, die es uns möglich erscheinen lassen, daß Europa in den nächsten Jahren seine Lethargie überwunden haben wird —, wird die Frage des britischen Beitritts immer schwieriger und läuft zum Schluß auf eine vollständige Übernahme der EWG-Regelungen durch die beitrittswilligen europäischen Staaten hinaus. Wir meinen deswegen, heute und jetzt ist die entscheidende Frage zu stellen: Gelingt es oder gelingt es nicht, die EWG geographisch zu erweitern?Auch hier müssen wir aus nationalem ökonomischem Interesse — ich habe die Zahlen des Außenhandels mit der EFTA bereits genannt — darauf dringen, daß die Bundesregierung alles in ihren Kräften Stehende tut, um den britischen Beitritt zu fördern.Meine Damen und Herren, dabei werden die Briten selbst wissen, daß dieser gute Wille allein nicht ausreicht, daß wir die EWG-Interessen voll vertreten müssen, daß wir fordern müssen, daß die EWG-Regelungen voll übernommen werden. Natürlich sind wir zu Übergangsregelungen bereit. Aber die Briten werden als Kaufleute begreifen müssen, daß auch von uns hier eine ganze Reihe von peniblen Fragen gestellt werden. Aber der gute Wille müßte ausreichen, um den Engländern den Weg in die EWG zu öffnen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, natürlich.
Das ist sehr liebenswürdig; denn ich höre, daß an sich bei Begründungen gar nicht gefragt werden darf.
Bei Großen Anfragen sind wir noch ein bißchen konzilianter als bei der Begründung von Gesetzentwürfen oder Initiativanträgen, vor allem, wenn der Redner es konzediert. — Bitte sehr!
Herr Kollege Apel, Ihre Darstellung ist objektiv richtig. Sehen Sie aber nicht darin einen erheblichen Widerspruch — und das ist das eigentliche Problem —, daß Wilson sagt: Gut, die wirtschaftlichen Fragen ja, während Sie selber sagen: Außenhandel und Außenpolitik hängen sehr eng miteinander zusammen? Ist nicht hierin die Schwierigkeit begründet, die gerade aus dem französischen Lager kommt? Wie, glauben Sie, kann man diese beiden völlig verschiedenen Entwicklungslinien in Einklang bringen?
Herr von Merkatz, vielen Dank für diese Frage! Sie gibt mir die Möglichkeit, meine Ansicht noch einmal zu präzisieren und die Position der sozialdemokratischen Fraktion deutlich zu machen. Wir verstehen die britische Äußerung, in die EWG zu wollen, so — und nur so kann sie auch von uns akzeptiert werden —, daß es zur Zeit darum geht, ökonomische Fragen zu regeln, da der politische Gehalt der EWG noch nicht sichtbar ist, daß aber für die Briten klar sein muß, daß sie, wenn sie in der EWG sind, den Weg zur politischen Integration voll mitgehen müssen.
Denn die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist ja kein Selbstzweck. Sicherlich geht es nicht nur darum, die Märkte zu öffnen, sondern die EWG ist der Ansatzpunkt, um Europa politisch zusammenzufassen.Die Äußerungen verantwortlicher britischer Politiker machen deutlich, daß die Briten, wenn sie einmal in der EWG sind, bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Uns steht es nicht an, daran Zweifel zu äußern; denn wenn wir daran Zweifel äußern, haben wir von vornherein die Frage des britischen Beitritts negativ entschieden.Ein Wort noch zu den ökonomischen Problemen eines britischen Beitritts. Da stellt sich einmal die Frage der Zahlungsbilanzschwierigkeiten. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion nimmt mit Freude zur Kenntnis, daß es seit dem Amtsantritt der Regierung Wilson gelungen ist, diese Probleme einer Lösung näherzubringen. Das ist um so bedeutsamer, als die Frage der britischen Zahlungsbilanz in etwa gelöst sein muß, bevor England in den Gemeinsamen Markt eintreten kann. Wir sollten allerdings aus dieser Frage kein Dogma machen. Erinnern wir uns daran, daß 1957 bei der Schaffung der EWG ein oder zwei Mitgliedstaaten entsprechende Zahlungsbilanzschwierigkeiten hatten! Von daher kommt ja der Art. 108 des Vertrages, der den gegenseitigen Beistand bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten eines Mitgliedstaates festlegt.Nun zur Agrarpolitik. Die Regierung Wilson hat erklärt, sie sei bereit, das System der EWG-Agrarpolitik zu übernehmen, sie sei aber nicht in der Lage, die Agrarfinanzierung, die sie jährlich 2 bis 3 Milliarden DM netto kosten könnte, mitzutragen. Diese Frage ist durchaus lösbar; denn die gemeinsame Agrarfinanzierung, so wie sie jetzt besteht, gilt bis Ende 1969. Dann wird sowieso neu durch-
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Dr. Apeldacht werden müssen, was mit der gemeinsamen Agrarpolitik und ihrer Finanzierung in der Endphase des Gemeinsamen Marktes zu geschehen habe. Der Bericht des Kollegen Röhner, der unter diesem Tagesordnungspunkt mitbehandelt wird, macht deutlich, welchen Problemen und Schwierigkeiten sich die Bundesrepublik in der Agrarfinanzierung gegenübersieht. Wir sollten die Möglichkeit anvisieren, den Briten für die Zeit bis zum 31. Dezember 1969 Übergangsregelungen anzubieten, um dann mit ihnen zusammen die definitive Finanzierung der Agrarpolitik zu beschließen.Der französische Wissenschaftsminister, Alain Peyreefitte, hat im Mai letzten Jahres in Straßburg gesagt, Europa verwirkliche sich entweder mit Hilfe des Atoms, der Computer-Industrie, der Raumfahrt und der Luftfahrt oder überhaupt nicht. Er hat damit auf den technologischen und den technischen Rückstand Europas gegenüber den Großmächten angespielt und deutlich machen wollen, daß alles Streben nach politischer Einigung Europas zwecklos sein wird, wenn wir diesen Rückstand nicht aufholen, da die ökonomischen Abhängigkeiten gegenüber den Großmächten sich dann verstärken müßten, was politische Abhängigkeiten nach sich ziehen müßten. Präsident Wilson hat diesen Gedanken im Januar in Straßburg aufgegriffen und hat — ich meine, zu Recht — deutlich gemacht, welche Anstrengungen gerade Großbritannien in diesen vier Bereichen unternommen hat und welchen technologischen Beitrag es hier für eine europäische Gemeinschaft leisten kann. Aus dem britischen Beitritt könnte also sicherlich für ganz Europa ein großer Vorteil entstehen. Das haben ja unsere französischen Partner auch durchaus begriffen, indem sie sich in einer Reihe von bilateralen Abkommen — denken Sie an das Projekt „Concorde" — das Know-how der Briten zunutze machen.Ich möchte die Diskussion hier nicht verlängern, sondern zum Abschluß nur noch zwei Bemerkungen zu institutionellen Problemen machen, die bisher in meinen Ausführungen keine Rolle gespielt haben.Erstens: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß die Regierung Kiesinger-Brandt in diesen Monaten nicht eine Diskussion über das richtige europäische Credo, über die Fragen der Supranationalität, der Demokratisierung der Gemeinschaft, der Aufwertung des Europäischen Parlaments will, sondern für sie kommt es vielmehr darauf an, heute und jetzt europäische Fortschritte zu erreichen.
— Manches war früher anders;
das werden Sie selber wissen. Wir halten diese Grundhaltung der Bundesregierung für richtig. Damit verschwindet aber für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dieses zentrale Problem der Zukunft Europas, seiner parlamentarischen Ausrichtung, der Kontrolle durch das Volk nicht von der Bühne und wird sehr bald wieder von uns in die europäische Diskussion eingebracht werden müssen.Eine zweite Bemerkung: Wir begrüßen die Absieht der Bundesregierung, die Fusion, die Zusammenführung der drei europäischen Exekutiven in einer europäischen Kommission voranzubringen. Wir halten das für gut. Diese Bündelung des Willens der Exekutiven in einer Institution wird Europa guttun. Aber wir warnen davor, zu meinen, daß damit bereits alle Probleme gelöst seien. Die Marschgeschwindigkeit der europäischen Integration hängt von der politischen Bereitschaft der Mitgliedstaaten ab, Europa zu gestalten und gemeinsame Beschlüsse zu fassen.Wir rufen die Bundesregierung deswegen auf, hier ihre Verantwortung zu übernehmen und im Interesse Deutschlands wie im Interesse Europas darauf zu drängen, daß die geographische Erweiterung der EWG und die gemeinsame Wirtschaftspolitik der EWG sehr schnell Wirklichkeit werden, damit so eine neue Dynamik auf dem Wege zu Europas Einheit möglich wird.
Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich namens der Bundesregierung und nach Absprache mit dem Kollegen Bundeswirtschaftsminister auf die einzelnen Punkte der Großen Anfrage eingehe, die der Abgeordnete Dr. Apel soeben begründet hat, möchte ich unsere grundsätzliche Orientierung noch einmal umreißen.Wir gehen in unserer ganzen Arbeit davon aus, daß ein immer stärkerer Zusammenschluß der Völker Europas dringend erforderlich ist, weil unsere Völker entschiedener als bisher Mitverantwortung für die Bewahrung des Weltfriedens übernehmen müssen und weil nur die Verbindung der begrenzten Kräfte der einzelnen Völker unseres Kontinents es ihnen ermöglicht, diese Aufgabe zu erfüllen und Europa den ihm gebührenden Platz in der heutigen Welt zu sichern.Die wirtschaftliche und politische Einigung Europas ist also eines der großen Ziele, auf die die deutsche Politik sich richtet. Die Förderung der bestehenden europäischen Gemeinschaften seit deren Gründung darf eine Konstante der deutschen Politik genannt werden. Die Gemeinschaft der Sechs soll ausgebaut und gefestigt werden. Sie soll nach unserer Überzeugung auch allen europäischen Staaten offenstehen, die sich zu ihren Zielen bekennen. In diesem Sinne würden wir die Teilnahme Großbritanniens und anderer EFTA-Staaten lebhaft begrüßen. Dies liegt in der Natur unserer Vorstellungen von einer möglichst umfassenden Kooperation, und außerdem entspricht es unseren eigenen, deutschen Interessen.Die enge deutschfranzösische Zusammenarbeit, der für die Zukunft Europas eine entscheidende Rolle zufällt, konnte neu belebt werden. Wir sind darüber hinaus betrebt, auch mit jedem anderen der uns befreundeten Nachbarn bilateral vertrauens-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4377
Bundesminister Brandtvoll zusammenzuarbeiten. Das ist auch in den Gesprächen zum Ausdruck gekommen, die wir in den vergangenen Wochen und bis in die letzten Tage mit den Außenministern der Nachbarstaaten geführt haben.Auf allen sich bietenden Wegen streben wir also demselben Ziel zu: der Einigung Europas. Diese Einigung liegt, so meinen wir, zunächst im Interesse jener europäischen Völker, die unmittelbar daran mitwirken. Sie liegt im Interesse der Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten. Doch hoffen wir, eines Tages werde auch im Osten, nicht zuletzt in der Sowjetunion, die Erkenntnis zum Durchbruch kommen, daß ein solch einiges Europa ein entscheidendes Element der von uns erstrebten stabilen Friedensordnung in der Welt werden kann und soll.Uns geht es also einmal um den inneren Ausbau und die Ausweitung der europäischen Gemeinschaften. Zum anderen geht es uns um die Verstärkung der wirtschaftlichen, technischen, wissenschaftlichen, kulturellen und — wo es möglich ist — auch politischen Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Völkern und Staaten, weil solche Zusammenarbeit der Prüfstein ist für Entspannung in unserem Teil der Welt.Was nun die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft angeht, so hat sie seit der schweren Krise des Jahres 1965 ein großes Arbeitspensum hinter sich gebracht:Der EWG-Rat hat im Juli des vergangenen Jahres die wesentlichen Beschlüsse zur Herstellung des freien Warenverkehrs gefaßt. Im gewerblichen Bereich werden die Binnenzölle bis zum 1. Juli 1968 fallen. Zum gleichen Zeitpunkt wird gegenüber dritten Ländern der gemeinsame Zolltarif angewandt werden. Im landwirtschaftlichen Bereich liegen die Marktordnungen und gemeinsamen Preise der maßgeblichen Erzeugnisse fest. Sie werden ebenfalls bis zum 1. Juli 1968 in Kraft treten. Die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik ist für den Zeitraum bis zum Ende der Übergangszeit geregelt. Auf dem Gebiet der Außenbeziehungen ging es namentlich um die rechtzeitige Ergänzung des Verhandlungsmandats für die Kennedy-Runde. Die Gemeinschaft wurde damit im gewerblichen und im landwirtschaftlichen Bereich wieder verhandlungsfähig. Auch über die Ausfuhrkreditpolitik gegenüber den Staatshandelsländern und gegenüber .dem anderen Teil Deutschlands konnte Einvernehmen erzielt werden. Außerdem hat der Rat in einer Entschließung ausdrücklich die Notwendigkeit einer gleichgewichtigen Entwicklung der Gemeinschaft anerkannt. Als vordringlich sind danach die rasche Harmonisierung der Umsatzsteuer und der erfolgreiche Abschluß der Kennedy-Runde anzusehen. Auch bei der allgemeinen Handelspolitik, der Sozialpolitik und der Regionalpolitik sowie bei den Arbeiten auf dem Gebiet des europäischen Patentrechts und Gesellschaftsrechts sollen Fortschritte erzielt werden. Schon jetzt wurden immerhin so gewichtige Fortschritte erzielt, daß unserer Meinung nach jetzt kein Mitgliedstaat die EWG mehr in Frage stellen kann, ohne selbst dabei Schaden zunehmen. Darin liegt zugleich ein entscheidender politischer Erfolg auf dem Wege zur europäischen Einigung. Auch in Zukunft wird die EWG sich in großem Umfang mit Einzelfragen wirtschaftlicher Art befassen müssen. In der öffentlichen Diskussion tritt demgegenüber leider mitunter das in den Hintergrund, was über die wirtschaftlichen und technischen Fragen hinausführt.Wir sollten uns hier jedenfalls auch für diejenigen mit, für die dieses Hohe Haus spricht, vor Augen halten, daß sich auch mit all diesen vielen wirtschaftlichen Einzelfragen ein Stück politische Gestaltung, wenn auch mühsam, in Europa vollzieht.Der vor uns liegende Abschnitt der Gemeinschaftsarbeit ist der letzte Abschnitt der Übergangszeit, also vor dem Eintritt in die Endphase, die am 1. Januar 1970 beginnen soll. Dem Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der drei europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965 haben inzwischen alle Parlamente der Mitgliedstaaten zugestimmt. Die damit bezweckte Fusion der Organe der europäischen Gemeinschaften wird nicht nur einen Rationalisierungseffekt haben; damit wird auch schon der erste Schritt zur Verschmelzung der Gemeinschaften selbst getan. Ich darf dies sagen, ohne abstreiten zu wollen, worauf Herr Dr. Apel hingewiesen hat, daß man es von der Fusion der Organe bis zur Fusion der Verträge noch mit einem schwierigen Weg zu tun haben kann. Die Fusion wird die Lösung vicier die drei Gemeinschaften angehender Fragen erleichtern. Die Vereinheitlichung der Verwaltung und die stärkere Konzentration auf Brüssel werden, davon bin ich überzeugt, von den Völkern, von unserem Volk und den anderen, als Fortschritte auf dem Wege zur europäischen Einigung gewertet werden.Bisher stand die Uneinigkeit über die personelle Zusammensetzung der Kommission der europäischen Gemeinschaften dem Inkrafttreten des Fusionsvertrages im Wege. Die Bundesregierung hofft, daß es nun bald zu einer Einigung in dieser Frage und damit zum Inkrafttreten des Fusionsvertrages kommen wird. Ich bitte, mir zu glauben, daß das, was hier demnächst noch abzuhandeln ist, dadurch nicht besser wird, daß ich es bis ins einzelne gehend hier behandle.Ich komme zur Beantwortung der einzelnen Fragen.Zur Frage 1 nach den Schwerpunkten wirtschaftspolitischer Beschlußfassung des Ministerrats der EWG. Ich darf an meine Vorbemerkungen anknüpfen und folgendes sagen. Am 1. Juli 1968 werden die Zollgrenzen innerhalb der Gemeinschaft fallen. Dies wird auch zu einer raschen Harmonisierung des Zollrechts zwingen. Es ist nur so, meine Damen und Herren, so wichtig und erfreulich der Wegfall der Zollgrenzen in der Geschichte der Einigung Europas sein wird, so werden doch die Grenzbeamten zunächst noch bleiben und die Grenzkontrollen andauern müssen.
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4378 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Bundesminister Brandt— Es macht mir gar keinen Spaß, das so nüchtern feststellen zu müssen. Es ist auch nicht wegen der Statistik. Es ist so, — das empfinden wir sicher alle mit — daß die Völker, die in diesen etwas mühsamen Einigungsprozeß hineingestellt sind, zunächst mit Bedauern feststellen werden, daß sich optisch noch nichts Grundlegendes ändert, daß sich damit also die landläufige Vorstellung von einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet noch nicht verwirklicht hat.Auf dem Wege zum Abbau der Grenzkontrollen ist die Harmonisierung des Steuerrechts besonders wichtig, damit umsatzsteuerliche Ausgleichsmaßnahmen innerhalb der Gemeinschaft entbehrlich werden. Über die beiden ersten Richtlinien: Struktur und Anwendungsmodalitäten der gemeinsamen Mehrwertsteuer hinaus, bei denen der EWG-Rat auf seiner letzten Sitzung zu unserer Freude Einvernehmen erzielen konnte, müssen auch Fortschritte bei der Vereinheitlichung der Steuerbefreiungen und der Steuersätze erreicht werden. Langfristiges Ziel ist die Beseitigung der Steuergrenzen. Die Vielfalt der Steuersysteme und der mit der Steuerharmonisierung verbundenen Probleme stellt uns und unsere Partner noch vor große Aufgaben. Das ist also das eine Problem — wenn nach Schwerpunkten gefragt wird —, das der Zollgrenze.Zum anderen ist die gemeinsame Energiepolitik ein zweites wichtiges Problem aus dem Bereich des inneren Marktes. Die Koordinierung der Energiefragen bereitet angesichts der unterschiedlichen Struktur in den Mitgliedstaaten und der verschiedenen energiepolitischen Maßnahmen der Regierungen besondere Schwierigkeiten. Sie werden dadurch verstärkt, daß die einzelnen Energieträger, wie Kohle, Mineralöl und Atomenergie, der Zuständigkeit verschiedener Gemeinschaften unterliegen. Immerhin besteht in dem Energieprotokoll vom 21. April 1964 eine Ausgangsbasis für eine gemeinsame Energiepolitik. Auf Grund dieses Protokolls ist inzwischen ein gemeinschaftlicher Rahmen für staatliche Beihilfen im Kohlebereich geschaffen worden. Außerdem finden in Luxemburg laufend Konsultationen über geplante Anpassungen, Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen statt. Der besondere Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl hat im Februar, also jetzt in diesem Monat, eine gemeinsame Regelung der Kokskohlenversorgung für die Stahlindustrie in den Mitgliedstaaten verabschiedet. Über solche erste Schritte hinaus drängen wir darauf, daß eine gemeinsame europäische Energiepolitik erarbeitet wird. Auch hier bin ich der Meinung, daß die Fusion der Organe der europäischen Gemeinschaften die Lage erleichtern wird.Mit der Herstellung des freien Warenverkehrs kommt der Wettbewerbspolitik erhöhte Bedeutung zu. Für die Wirtschaft ist es unerläßlich, daß durch Ausbildung einer kontinuierlichen Verwaltungspraxis Rechtsklarheit über zulässige und unzulässige Praktiken entsteht. Außerdem müssen wir überlegen, welche Erleichterungen für wettbewerbspolitisch unbedenkliche und wirtschaftspolitisch nützliche Absprachen getroffen werden können. Auch in der Frage der Unternehmenskonzentration wird den Notwendigkeiten des größeren Marktes Rechnung getragen werden müssen.Die wirtschaftliche Entwicklung in den Mitgliedstaaten hat gezeigt, wie wichtig zur Abwehr von Schäden eine enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Konjunkturpolitik ist. Die unterschiedliche konjunkturelle Lage in den einzelnen Mitgliedstaaten stellt Parlamenten, Regierungen und Sozialpartnern die Aufgabe, das gemeinsame Ziel von Wachstum und Stabilität mit den jeweils situationsgerechten Maßnahmen zu fördern. Der Rat der EWG hat im Dezember konjunkturpolitische Leitlinien für das Jahr 1967, für dieses Jahr also, aufgestellt. In der Ratssitzung hat die Bundesregierung auf die Abschwächung der Konjunktur in der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen und erreicht, daß die Empfehlung des Rates die wirtschaftspolitischen Ziele der Bundesregierung für 1967 voll unterstützt.Im Rahmen der mittelfristigen Wirtschaftspolitik wird sich die Bundesregierung für eine koordinierte Wachstums- und Strukturpolitik einsetzen. Hierzu wird auch die sozialpolitische Tätigkeit der Gemeinschaft insbesondere auf den Gebieten der Freizügigkeit und der beruflichen Bildung beitragen. EWG-Rat und Mitgliedstaaten haben das erste Programm, das die Zeit bis 1970 umfaßt, Anfang Februar verabschiedet. Der Ausschuß für mittelfristige Wirtschaftspolitik wird jetzt unter Zugrundelegung dieses Programms die wirtschaftliche Entwicklung in den Mitgliedstaaten analysieren und ihre Wirtschaftspolitik regelmäßig überprüfen. Außerdem müssen die Vorarbeiten für das zweite Programm gefördert werden. Hier geht es um die mittelfristige Finanzplanung, die sektorale Strukturpolitik, die wissenschaftliche und technische Forschung, die optimalen Unternehmensgrößen, die Einkommenspolitik und die Agrarpolitik.Die Bundesregierung wird sich — um noch einen Punkt zu nennen — weiterhin um eine Beschleunigung der Arbeiten auf dem Gebiet der Verkehrspolitik bemühen. Auf deutsche Initiative hat sich der Rat schon im Jahre 1963 das Ziel gesetzt, die gemeinsame Verkehrspolitik in ihren wesentlichen Bestandteilen bis zum Ende der Übergangszeit, und wenn möglich, schon bis 1. Januar 1968 festzulegen. Im Oktober vergangenen Jahres hat der Rat festgestellt, daß ein gemeinschaftliches Tarifsystem erst dann erlassen werden kann, wenn die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen gefördert und über die im Bereich der Kapazitäts- und Wettbewerbspolitik zu treffenden Maßnahmen Einigkeit herbeigeführt worden ist. Wir werden darauf drängen, daß die gemeinsame Verkehrspolitik sich in den Rhytmus der Wirtschaftsgemeinschaft einfügt.Zu dem zweiten Satz in Punkt 1 der Großen Anfrage — wie akuten Schwierigkeiten in der Bundesrepublik in einzelnen Bereichen entgegengewirkt werden kann — eine kürzere Bemerkung ! Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Fortschritte auf den von mir genannten Gebieten wesentlich zur Vermeidung und Überwindung von Schwierigkeiten beitragen werden, die die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes für einzelne Bereiche der deutschen Wirtschaft mit sich bringen könnte. Unsere eigene Regional- und Strukturpolitik ist ebenfalls mit darauf ausgerichtet — und muß es sein —,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4379
Bundesminister Brandtdie Eingliederung der deutschen Wirtschaft in den Gemeinsamen Markt zu erleichtern. Die Bundesregierung wird auch darüber hinaus von den Möglichkeiten zum Schutz der Interessen der deutschen Wirtschaft Gebrauch machen, die der Vertrag bietet.Zu Frage 2 nach der Außenhandelspolitik! Hier ist zu sagen, daß sich die Bundesrepublik schon bisher um Fortschritte auf dem Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik bemüht hat. Nicht zuletzt auf deutsches Drängen sind die Beschlüsse des EWG-Rates über die Agrarfinanzierung mit den Entscheidungen auf dem Gebiet der Handelspolitik verbunden worden. Nicht nur aus handelspolitischen, sondern auch aus gesamtpolitischen Gründen treten wir dabei für die Aufrechterhaltung und Ausweitung des Handels mit den Drittländern ein. Diese Bemühungen waren insgesamt nicht erfolglos, wie die Tatsache zeigt, daß die EWG ihren Handel mit dritten Ländern insgesamt stärker steigern konnte, als es der allgemeinen Entwicklung des Welthandels entspricht.Ich will aber natürlich nicht verschweigen, daß es für einzelne Länder und Produkte unterschiedliche Ziffern gibt und daß wir in einer Reihe von Fällen einen bedauerlichen relativen Rückgang des deutschen Anteils an der Einfuhr und Ausfuhr uns befreundeter Länder zu verzeichnen haben. Da nun zum 1. Juli 1968 der gemeinsame Zolltarif in Kraft treten wird, wird die Gemeinschaft in der nächsten Zeit eine Reihe von koordinierenden Maßnahmen auf handelspolitischem Gebiet treffen müssen. Sie werden vor allem eine Vereinheitlichung der Ein- und Ausfuhrregime zum Gegenstand haben. Die hierdurch eintretende stärkere Bindung der Mitgliedstaaten untereinander wird Gemeinsamkeiten schaffen, die auch auf die Außenpolitik ausstrahlen werden.Die noch zu entwickelnden Grundsätze für die Osthandelspolitik müssen unserer Meinung nach so gestaltet werden, daß auch in Zukunft dem Handel mit den osteuropäischen Ländern ein angemessener Anteil am Gesamtaußenhandel der Bundesrepublik zukommt. Dabei muß sichergestellt werden, daß zwischen den Lieferungen der einzelnen Mietgliedstaaten nach Osteuropa und ihren Bezügen von dort kein unzumutbares Mißverhältnis entsteht. Zugleich muß der Schutz gewährleistet bleiben, den die deutsche Osthandelspolitik bisher dem deutschen Markt vor nachteiligen Einflüssen geboten hat, die sich aus den Verschiedenheiten der Wirtschaftssysteme ergeben. Die begonnene Auflockerung der Einfuhrpolitik gegenüber dem Osten sollte aber auch in Zukunft fortgesetzt werden. Da sämtliche EWG-Staaten an dieser Auflockerung interessiert sind und auch schon entsprechende Maßnahmen getroffen haben, dürfte eine Einigung, wenn auch unter gewissen Schwierigkeiten, möglich sein. Die besondere Lage der Bundesrepublik Deutschland muß dabei berücksichtigt werden. Der deutschen Politik gegenüber Osteuropa sind in den vor uns liegenden Jahren Aufgaben gestellt, die auch des Mittels der Handelspolitik bedürfen. Wir streben dabei ein koordiniertes Vorgehen der EWG-Mitgliedstaaten an und sind uns darüber im klaren, daß auf dem Gebiete der Agrarpolitik bereits Daten gesetzt sind, die nur noch ein gemeinschaftsorientiertes Handeln zulassen.Die Frage 3 bezog sich, gestützt auf die Präambel des EWG-Vertrages, auf den Zusammenhang von EWG und EFTA, auf die Problematik des größeren Zusammenschlusses der europäischen Völker. Lassen Sie mich dazu sagen: Im November 1964 hatte die damalige Bundesregierung dargelegt, wie sie sich die Einigung Europas vorstellte. Sie unterschied hierbei zwischen der zügigen Fortentwicklung der Gemeinschaften einerseits und der Arbeit auf dem Wege zu einer gemeinsamen Außen-, Kultur- und Verteidigungspolitik andererseits. Wie die Dinge heute liegen, müssen in der Tat die drei zuletzt genannten Ziele — Außen-, Kultur- und Verteidigungspolitik — im wesentlichen durch Zusammenarbeit der Regierungen erreicht werden.Eine Sonderstellung nimmt das Europäische Parlament ein, dessen Stellung nach übereinstimmender Auffassung in diesem Hause und auch nach Meinung der Bundesregierung gestärkt werden sollte. Von ihm sind zur Frage der politischen Einigung Europas wertvolle Impulse ausgegangen.Das gesellschaftspolitische Fundament für die politische Einigung Europas wurde in den drei bestehenden Gemeinschaften geschaffen. Der Fortschritt dieser Gemeinschaften wird die Einigung Europas auch auf anderen Gebieten anregen. Wir sehen uns damit in voller Übereinstimmung mit der Präambel des EWG-Vertrages, wonach durch diesen Vertrag die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker geschaffen werden sollen.Die Frage 4 bezieht sich noch konkreter — wie Herr Dr. Apel schon gesagt hat: aus der konkreten Diskussionslage vom Herbst 1966 — auf die Relation von EWG und EFTA. Dazu möchte ich sagen, daß nach Auffassung der Bundesregierung bei einer regionalen Ausweitung der EWG Zielsetzungen und Grundlagen der Gemeinschaftsverträge erhalten bleiben müssen. Anpassungen der Verträge im institutionellen Bereich sind bei Beitritten neuer Mitglieder erforderlich, Daneben können für die von der Gemeinschaft bisher gefaßten Beschlüsse im begrenzten Rahmen Sonderregelungen zugunsten der beitretenden Staaten ins Auge gefaßt werden. Sonderregelungen haben die EWG-Mitgliedstaaten bei Abschluß des Vertrages von Rom auch für sich vereinbart. Bei Beitritten neuer Mitgliedstaaten werden zumindest Übergangsregelungen unvermeidlich sein; denn von einem neu beitretenden Land wird nicht verlangt werden können, daß es sich sofort an den in der EWG erreichten Stand angleicht. Die Bundesregierung meint, daß Lösungen gefunden werden können, die bei Einhaltung der Ziele des Vertrages von Rom den wesentlichen Erfordernissen neu beitretender Länder Rechnung tragen. Im übrigen ist es ja so, daß gegenwärtig nicht Gespräche zwischen EWG und EFTA anstehen, sondern daß sich herausstellen muß, zu welchem Ergebnis die Sondierungen der britischen Regierung führen und welche Folgerungen sich daraus für die einzelnen EFTA-Partner ergeben werden. Hierauf möchte ich gleich zurückkommen.
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4380 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Bundesminister BrandtDie Frage 5 bezieht sich auf die Kennedy-Runde. Hier kam es darauf an, meine Damen und Herren, daß die Gemeinschaft nach der Unterbrechung 'im Jahre 1965 in Genf wieder verhandlungsfähig wurde. Mit der Verabschiedung der wesentlichen Angebote im gewerblichen und landwirtschaftlichen Bereich durch den Ministerrat im Juni, Juli und Dezember ist dieses Ziel erreicht worden. Die Kennedy-Runde ist jetzt in ihre entscheidende Phase eingetreten. Die Verhandlungspartner im GATT haben zur Vorbereitung der Schlußverhandlungen die gegenseitigen Angebote bewertet. Sie haben ihre Wünsche an die anderen Partner formuliert und teilweise Rückzugslisten für den Fall aufgestellt, daß ihren Forderungen nicht entsprochen wird. Anfang Januar hat der EWG-Rat die Kommission beauftragt, sich in Genf dafür einzusetzen, daß das Gleichgewicht der gegenseitigen Konzessionen durch eine Verbesserung der Angebote und nicht durch Rücknahmen erreicht wird. Die Kommission soll dabei erklären, daß die Rücknahmedrohungen der anderen GATT-Partner nicht geeignet seien, die Verhandlungen zu fördern. Die EWG wird selbst zunächst keine Rücknahmelisten ausarbeiten. Damit haben sich alle EWG-Länder der deutschen Auffassung angeschlossen, daß die Flucht 'in das Minimum vermieden werden muß.Die Kommission steht nun in Verhandlungen mit den USA und Großbritannien über die Zolldisparitäten und nichttarifären Handelshemmnisse und sucht parallel dazu, mit den skandinavischen Ländern und der Schweiz — darauf bezog sich ja eine der mündlich konkretisierten Fragen von Herrn Dr. Apel — ein ausgeglichenes Verhandlungsergebnis im innereuropäischen Bereich zu erzielen. Über den Fortgang der Verhandlungen wird die Kommission den Rat in jeder seiner Sitzungen unterrichten, um ihm die Möglichkeit zusätzlicher Direktiven zu geben.Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß die EWG zu einem optimalen Ergebnis der GATT-Verhandlungen beiträgt. Die erfolgreiche Teilnahme der Gemeinschaft an der Kennedy-Runde ist für uns von großer politischer Bedeutung. Es ist auch keine Schande, wenn wir darauf hinweisen, daß Deutschland die Mittel, die es für seine Europapolitik und für seine weltweiten Verpflichtungen benötigt, durch Exporte auf den Weltmärkten verdienen muß. Es wird hierzu nur in der Lage sein, wenn die Gemeinschaft das in 'ihren Kräften Stehende dazu beiträgt, die Kennedy-Runde zu dem im Interesse aller liegenden Erfolg zu bringen.Herr Dr. Apel hatte zusätzlich gefragt, ob die Vollmachten für die Kommission ausreichten, ob man nicht im Agrarbereich mehr tun könne und — ich hatte es schon anklingen lassen — wie es im besonderen mit Skandinavien und mit der Schweiz stehe. Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen dazu machen; dann brauche ich mich dazu nicht noch einmal zusätzlich zu Wort zu melden. Wir gehen also davon aus — und dies ist die Grundlage unserer Bewertung des gesamten Vorgangs —, daß für die Gemeinschaft in Genf die EWG-Kommission verhandelt. Der EWG-Ministerrat hat die jeweils erforderlichen Vollmachten zu erteilen, und Vertreterder Mitgliestaaten stehen der Kommission bei den Beratungen in Genf beratend zur Seite, was Zeitverluste erspart. Trotzdem, ich muß offen zugeben, dieses Verfahren ist schwerfällig und langwierig. Das zeigt sich insbesondere, wenn man berücksichtigt, daß die anderen GATT-Delegationen in Genf ihre Weisungen direkt von ihren Regierungen bekommen. Darum ist gerade für den Fall, nach dem Herr Dr. Apel unter Punkt 2 fragt — Skandinavien und Schweiz —, das Verhandlungsmandat, das der Rat der Kommission gegeben hat, flexibel gestaltet worden. Als die Engländer in der vorigen Woche hier in Bonn waren, haben wir darauf hingewiesen, daß sich aus diesem Verhandlungsvorgang in bezug auf Skandinavien auch für die Verhandlungen EWG-Großbritannien Wichtiges ableiten lassen könnte. Die Kommission 'ist jedenfalls, was den nächsten Punkt betrifft, den wir im Auge haben, Skandinavien und Schweiz, ermächtigt, zu sondieren, welche Verbesserungen des EWG-Angebots erforderlich sind, um zu einem besseren Gleichgewicht zwischen Angeboten und Gegenangeboten zu gelangen. Aber es bleibt dabei, daß die Vorschläge vom Ministerrat genehmigt werden müssen. Ein ähnliches Verfahren wird, wie die Dinge nun einmal liegen, auch auf andere Teilbereiche der Verhandlungen angewendet werden müssen. Ich glaube, daß dann vom Verfahren her in der kurzen noch zur Verfügung stehenden Zeit bei gutem Willen aller Beteiligten doch die Ergebnisse erzielt werden können, die für einen Erfolg der Kennedy-Runde erforderlich sind.Die Agrarerzeugnisse sind jetzt bei der Kennedy-Runde zum erstenmal in der Geschichte der GATT-Verhandlungen voll einbezogen. Auf dem gewerblichen Gebiet liegen Erfahrungen von 19 Jahren und 6 Zollrunden vor. Diese Erfahrungen fehlen noch auf dem Agrargebiet. Deshalb, fürchte ich, werden auf dem Agrargebiet die Ergebnisse der Kennedy-Runde notwendigerweise noch geringer sein als im gewerblichen Sektor. Dieses Faktum ist allen Teilnehmern bekannt. Aber ich gebe gerade auch nach meinen Unterhaltungen in den Vereinigten Staaten in der vorletzten Woche zu, daß es ein großer Vorteil wäre, wenn auch im Agrarbereich möglichst große Fortschritte erzielt werden könnten.Trotz der noch zu lösenden Probleme ist die Bundesregierung jedenfalls der Meinung, daß es gelingen muß, ein erfolgreiches Ergebnis der Kennedy-Runde bis zum 30. Juni zu erzielen. Dann laufen bekanntlich die Verhandlungsvollmachten des amerikanischen Präsidenten aus. Ich habe mich erst in der vorletzten Woche in Washington selber davon überzeugen können, wie schädlich es sich auswirken könnte, wenn nicht müßte, falls diese Frist unausgenutzt bliebe.Die letzte Frage, die Frage 6, bezieht sich auf den EWG-Entwicklungsfonds und diejenigen Entwicklungsländer, die jetzt schon assoziiert sind, und andere, die in ein Assoziierungsverhältnis geraten können.Die Arbeiten des EWG-Entwicklungsfonds und die damit verbundene Durchführung von Hilfsmaßnahmen bei den Assoziierten haben sich, wie wir meinen, 'im ganzen zufriedenstellend entwickelt. Al-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4381
Bundesminister Brandtlerdings waren Anlauf- und Übergangsschwierigkeiten zu überwinden, die sich aus der Erstmaligkeit eines solchen Assoziierungsverhältnisses ergeben. Es bedurfte einer Einstimmung auf die damit beabsichtigten Ziele bei allen Beteiligten. Administrative Regelungen mußten erlassen werden. Dies war für die Assoziierten in Anbetracht der erst neuerdings erreichten Selbständigkeit vielfach besonders schwer.Der durch das Abkommen von Jaunde geschaffene Entwicklungsfonds, der in der Verantwortung der Kommission liegt, hat ebenso wie der erste Fonds eine Laufzeit von fünf Jahren. Er endet also am 1. Juni 1969. Über den darin zur Verfügung gestellten Betrag ist bisher durch Mittelbindungen etwa zur Hälfte verfügt worden. Es kann mit größter Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß bis zum Ende der Laufzeit des Abkommens über den Gesamtbetrag verfügt werden wird. Das Abfließen der Mittel wird naturgemäß länger dauern. Es hängt zum größten Teil vom Tempo der Durchführung der Projekte ab.Die bisherige Beteiligung der deutschen Wirtschaft an den aus dem EWG-Entwicklungsfonds resultierenden Aufträgen ist nicht als ausreichend anzusehen. Die Bundesregierung bemüht sich daher ständig um eine Verbesserung des deutschen Anteils. Obwohl die Bestimmungen des Fonds auf eine nicht diskriminierende Behandlung aller Firmen, die sich um Aufträge bewerben, abzielen, haben deutsche Firmen immer noch große Schwierigkeiten, bei der Zuschlagserteilung, insbesondere bei Bauarbeiten, zum Zuge zu kommen. Sie haben vor allem Nachteile tatsächlicher Art gegenüber den in Afrika ansässigen Firmen, die sich aus deren besserer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und Bedingungen ergeben.Die Bundesregierung bemüht sich, diese unbefriedigende Situation im Ministerrat der EWG zu erörtern. Mit konkreten Vorschlägen wird sie dazu beitragen, daß auch in tatsächlicher Hinsicht der freie Wettbewerb verwirktlicht wird und die deutschen Firmen ermutigt werden, sich künftig mit mehr Erfolg an den Ausschreibungen zu beteiligen. Soweit die EWG im Rahmen ihrer durch den Vertrag gegebenen Zuständigkeiten mit bisher nicht assoziierten Entwicklungsländern zur Überwindung akuter wirtschaftlicher Schwierigkeiten verhandelt, wird sich die Bundesregierung im Zusammenwirken mit den übrigen EWG-Ländern hierfür nach Kräften einsetzen.Es geht also, was den in der mündlichen Begründung jetzt unterstrichenen Punkt der Beteiligung der deutschen Firmen betrifft, konkret darum, daß auch deutsch-französische Konsultationen — neben dem, was im EWG-Rat abzuhandeln ist — stattfinden und stattfinden werden mit dem Ziel, die gemeinsamen Anstrengungen und das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren des Fonds zu verbessern und den jeweils besseren Bieter zum Zuge kommen zu lassen. Die Bundesregierung wird in diesem Sinne den Entwurf einer Entschließung vorlegen, die vom EWG-Rat bei einer seiner nächsten Sitzungen behandelt werden soll. U. a. sollte die Bildung von Firmenkonsortien weiter gefördert werden.Ich darf Ihnen zum Schluß, meine Damen und Herren, über die Gespräche berichten, die der Bundeskanzler und ich am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche hier in Bonn mit Premierminister Wilson und Außenminister Brown geführt haben.Sie wissen, daß der Premierminister im November vergangenen Jahres den Wunsch seiner Regierung bekundet hatte, der EWG beizutreten, und daß dieser Wunsch von einer Konferenz der Regierungschefs der EFTA-Länder in London unterstützt wurde. Bonn war nun die vierte der EWG-Hauptstädte nach Rom, Paris und Brüssel, die die Vertreter der britischen Regierung besuchten, um ihre Gründe für den Beitritt Großbritanniens zur EWG vorzutragen und zu erörtern.Der Premierminister und der Außenminister werden Ende des Monats Den Haag und Anfang März Luxemburg besuchen. Vor dem Luxemburger Besuch wird eine neue EFTA-Konferenz zu dieser Frage stattfinden. Ich darf hier in Abstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler sagen, daß die Gespräche in Bonn in freundlicher und aufgelockerter Atmosphäre verlaufen sind, daß sie nützlich und hilfreich gewesen sind. Herr Wilson hat die große Bedeutung des britischen Beitritts zur EWG und zu den anderen Gemeinschaften — oder zu einer einzigen europäischen Gemeinschaft, wenn es sie bis dahin gibt — dargelegt, die Bedeutung für sein eigenes Land, für Europa, für die Stellung Europas in der Welt, sofern — aus seiner Sicht verständlich — wesentliche britische Interessen gewahrt werden. Dies entspreche, so sagten uns der Premierminister und der Außenminister, dem Willen der großen Mehrheit des britischen Parlaments und der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs. Die Überwindung der wirtschaftlichen Spaltung würde Europa zu einem verstärkten Einfluß in der Weltpolitik verhelfen. Durch Bildung eines — wenn man noch in andere Bereiche der EWG hineindenken würde — 280 Millionen Menschen umfassenden Wirtschaftsraumes würde der größte Markt der freien Welt enstehen. Der Beitritt Großbritanniens werde — so wurde uns die britische Auffassung dargelegt — das sich organisierende Europa nicht schwächen, sondern stärken.Der Herr Bundeskanzler hat auf unsere Regierungserklärung vom 13. Dezember vergangenen Jahres Bezug genommen, in der es heißt: „Besonders würden wir eine Teilnahme Großbritanniens und anderer EFTA-Länder an den europäischen Gemeinschaften begrüßen." Der Herr Bundeskanzler sprach die Hoffnung aus, daß die Bemühungen zu einem positiven Ergebnis führen würden.Im einzelnen ergab sich, daß Großbritannien — vorbehaltlich der selbstverständlichen Anpassung im institutionellen Bereich infolge Beitritts eines neuen Mitglieds — bereit ist, den Rom-Vertrag und alle bisher gefaßten Beschlüsse anzunehmen sowie nach dem Beitritt die Fortentwicklung der Gemeinschaft zu einer vollen Wirtschaftsunion zu fördern, sofern die Gemeinschaft den wichtigsten Problemen Großbritanniens in anderer Weise Rechnung tragen würde. Sonderprotokolle und Übergangsregelungen, dm Agrarbereich auch gewisse Anpassungen, würden im Bereich der Commonwealth-Beziehungen zu Neu-
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Bundesminister Brandtseeland — oder für Neuseeland — und im Bereich der Währungs- und Kapitalpolitik als unerläßlich angesehen werden.Großbritannien ist bereit — so ergibt es sich aus unseren Bonner Besprechungen —, die gemeinsame Agrarpolitik zu übernehmen, sofern seine Hauptprobleme zufriedenstellend gelöst werden. Die hieraus resultierende Steigerung der Lebenshaltungskosten würde bei ausreichend langer Übergangszeit nicht als unüberwindliches Problem angesehen werden. Trotz großer eigener Schwierigkeiten kann davon ausgegangen werden, daß Großbritannien im Hinblick auf die mühevoll ausgehandelten gemeinsamen Agrarpreise in der EWG keine großen Forderungen stellen würde.Gleichwohl würde die Übernahme der gemeinsamen Agrarpolitik für Großbritannien erhebliche soziale und strukturelle Probleme aufwerfen. Die britische Regierung 'ist aber der Auffassung, daß diese Fragen im Verhandlungswege lösbar seien. Die Commonwealth-Fragen könnten nach Meinung unserer Gesprächspartner etwa so gelöst werden, wie es sich aus den Zwischenergebnissen der Beitrittsverhandlungen vom Jahre 1962 ergeben hatte. Neuseeland stellt allerdings — ich ließ es schon anklingen — ein Sonderproblem dar, für das die Briten, wenn es geht, eine Dauerlösung wünschen.Die Aussichten auf Gesundung der britischen Zahlungsbilanz wurden durch unsere Gesprächspartner als gut bezeichnet. Das Vertrauen in das Pfund wachse. Eine Inanspruchnahme des gegenseitigen Beistandes nach Beitritt — und das ist ja die Problematik des Art. 108, an den Herrn Dr. Apel erinnert hat — sei nicht zu erwarten. Gewisse britische Befürchtungen bestehen mit Bezug auf den freien Kapitalverkehr. Aus der Kennedy-Runde sich ergebende Fragen sollen im deutsch-britischen Wirtschaftsausschuß näher erörtert werden.Ich darf jetzt nur noch darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß wir unsere fünf Partner in der EWG über das Ergebnis des Wilson-Besuches bei uns unterrichtet haben.Wir haben uns nicht nur davon überzeugt, daß die Briten den ernsten Willen haben, der europäischen Gemeinschaft beizutreten, sondern wir haben auch den Eindruck gewonnen, daß es möglich sein müßte, die von britischer Seite aufgeworfenen Fragen im Verhandlungswege zu lösen. Es kommt aber nicht auf uns allein an, sondern es kommt darauf an, die anstehenden Probleme im Rahmen der Sechs und nicht zuletzt auch im Rahmen der deutsch-französischen Zusammenarbeit zu behandeln und zu Ergebnissen zu kommen, die dann gemeinsam getragen werden können. Darum werden wir uns — davon kann das Hohe Haus überzeugt sein — ehrlich bemühen.
Meine Damen und Herren, ich gebe jetzt zum Tagesordnungspunkt 2 c, der ja bereits aufgerufen ist, dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Röhner, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache V/687 am 26. Januar und am 2. Februar 1967 in Verbindung mit der Verordnung des Rats der EWG über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik ausführlich beraten. Gestatten Sie mir, daß ich in meinen Bericht dazu die wichtigsten Passagen dieser Finanzierungsverordnung wegen ihrer politischen und finanziellen Bedeutung für den Beratungsgegenstand kurz mit einbeziehe.Ganz wenige Worte zur Vorgeschichte. Wohl spricht der Art. 40 des EWG-Vertrages nur von der Möglichkeit, einen gemeinsamen Fonds der EWG-Agrarfinanzierung zu schaffen. Aber bereits in der ersten EWG-Marathonsitzung um die Jahreswende 1961/62 wurde die entscheidende Finanzierungsverordnung Nr. 25 und damit die gemeinsame Finanzierung der EWG-Agrarpolitik vom Ministerrat beschlossen. Es wurde ein Agrarfonds gebildet, unterteilt in eine Abteilung „Garantie" für die Finanzierung der Ausfuhrerstattungen und Interventionskosten und eine Abteilung „Ausrichtung" für die Finanzierung von Beihilfen an Bedarfsträger im Agrar- und Marktstrukturbereich. Die Einnahmen des Agrarfonds resultieren dabei aus Beiträgen der Mitgliedstaaten nach festgesetztem Beitragsschlüssel.Ich glaube, es muß, weil es von besonderer Bedeutung ist, darauf hingewiesen werden, daß die EWG- Finanzierungsverordnung Nr. 25 eine Grundlage geschaffen hat, die sich nicht nur auf die Übergangszeit erstreckt, sondern die auch bereits die Endphase des Gemeinsamen Marktes umfaßt.Zum zweiten halte ich es für erwähnenswert, daß hinsichtlich der Beitrags- und Erstattungstechnik zunächst ein Moratorium für drei Jahre geschaffen wurde, also ursprünglich bis 1965. Aus diesem Grunde mußten die Modalitäten der Finanzierung und des Beitragsschlüssels nach 1965, in unserer jetzigen Zeit also, neu beschlossen werden. Das ist nun in der EWG-Verordnung Nr. 130/66 geschehen. Ihre Regelungen gelten bis zum 31. Dezember 1969.Es muß, glaube ich, an dieser Stelle hervorgehoben werden, daß es der deutschen Verhandlungsseite seinerzeit beim Abschluß dieser neuen, jetzt geltenden Finanzierungsverordnung gelungen ist, sehr wesentliche Verbesserungen gegenüber dem bis dahin geltenden Rechtszustand zu erzielen:Der deutsche Beitrag zum Fonds wird z. B. einen Anteil von zirka 31 % nicht überschreiten.Weiter wird die Fonds-Abteilung „Ausrichtung" ab 1. Juli 1967 auf eine Höchstsumme von 1,14 Milliarden begrenzt. Nach der alten Regelung — um nur einen Zahlenvergleich zu bringen — wäre dieser Fonds heute auf zirka 2 Milliarden und damit der jetzige deutsche Beitrag von 356 Millionen auf zirka 624 Millionen DM festzusetzen gewesen.Bei der Finanzierung der Ausfuhrerstattungen wird ab 1. Juli 1967 das sogenannte Bruttoprinzip anstelle des bis dahin geltenden Nettoprinzips eingeführt; das heißt, daß von diesem Zeitpunkt an auch die deutschen Agrarexporte vergütungsfähig sein
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Röhnerwerden. Bisher erhielten bekanntlich nur Mitgliedstaaten eine Exportvergütung, die mehr exportierten als importierten.Vielleicht sollte auch noch auf einen Verhandlungsgegenstand, der erfolgreich abgeschlossen wurde, hingewiesen werden: die Agrarlieferungen der anderen EWG-Partner in die SBZ. Einige dieser Staaten hatten für ihre Exporte in die SBZ die Exportvergütung beantragt. Nach der Verordnung 130, die hier zur Debatte steht, kann nunmehr die SBZ nicht mehr als „Drittland" im Sinne der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik betrachtet werden.Soviel zum wesentlichen Inhalt der im Antrag der Fraktion der SPD angezogenen Beschlüsse des EWG-Ministerrates, soweit sie bei den Beratungen des Haushaltsausschusses zu berücksichtigen waren.Im Vordergrund dieser Beratungen standen selbstverständlich die haushaltspolitischen Probleme der EWG-Agrarfinanzierung und hier wiederum an erster Stelle ihre Auswirkung auf den Bundeshaushalt. Die Belastung für den Bundeshaushalt wird bestimmt durch das Ausgabevolumen des Brüsseler Agrarfonds. Dieses Ausgabevolumen wiederum richtet sich nach den Kosten der EWG-Agrarpolitik, genauer ausgedrückt: nach den Kosten der in Brüssel jeweils beschlossenen agrarpolitischen Regelungen.Dafür ein Zahlenbeispiel zu den mutmaßlichen Kosten für das EWG-Wirtschaftsjahr 1968/69. Die Kosten für den EWG-Garantiefonds werden aufzirka 5,9 Milliarden DM geschätzt. Hinzuzurechnen wären weitere 1,14 Milliarden DM, auf die für die gleiche Zeit der EWG-Ausrichtungsfonds eingestellt ist. Das ergibt ein Gesamtvolumen von 7,08 Milliarden DM.Der deutsche Beitrag errechnet sich somit aus einem 31%igen Garantiefondsanteil — das sind 1,837 Milliarden DM — und aus einem 31,2%igen Ausrichtungsfondsanteil — das sind 356 Millionen DM — und erreicht damit die Höhe von 2,193 Milliarden DM.Die Mehrbelastung für den Bundeshaushalt wird ersichtlich, wenn man dieser Brüsseler Zahlungsverpflichtung die Ausgaben gegenüberstellt, die bisher die Marktordnungen kosteten. Dann ergibt sich nämlich im Vergleich zum Entwurf des Bundeshaushalts 1967 eine Mehrbelastung in Höhe von etwa 1,2 Milliarden DM.Zu dieser Summe wären die Kosten für die Getreideausgleichszahlungen im fraglichen Jahr in Höhe von 233 Millionen DM hinzuzurechnen.Ein besonderes Problem ergibt sich daraus, daß die Abrechnungen in Brüssel immer mehr in Verzug geraten sind. Bis zum Jahre 1970 will die Kommission diesen zeitlichen Rückstand aufholen. Das bedeutet, daß der Bundeshaushalt in einem Haushaltsjahr — voraussichtlich 1970 — zwei Jahresbeiträge einzustellen haben wird. Das dürfte dann einen Haushaltsansatz — eventuell im Haushaltsjahr 1970 — für diesen Zweck von über 4 Milliarden DM bedeuten.In diesem Zusammenhang muß ein Wort zu den möglichen und tatsächlichen Rückvergütungen aus dem EWG-Fonds gesagt werden. Diese Rückvergütungen aus der Fondsabteilung „Garantie" werden für mein Beispielsjahr 1968/69 auf etwa 900 Millionen DM zu schätzen sein. Weitere 228 Millionen DM, die deutscherseits aus der Fondsabteilung „Ausrichtung" zu erwarten sind, können nicht in den Bundeshaushaltsplan — Einzelplan 60 — eingestellt werden, da sie von Brüssel aus direkt an die Zuschußempfänger zur Abrechnung gelangen.Die Abrechnungen des Garantiefonds erfolgen in Brüssel — und jetzt komme ich zu einem sehr wesentlichen Punkt — im sogenannten Rückvergütungsverfahren. Haushaltspolitisch und haushaltsrechtlich ist das ein besonders gravierendes Problem der EWG-Agrarfinanzierung. Dieses Rückvergütungsverfahren beinhaltet, daß die nationalen Staaten erst im Nachhinein ihre Ausgaben ersetzt erhalten. Augenblicklich wird z. B. in Brüssel das Wirtschaftsjahr 1962/63 vollständig abgerechnet. Bisher hat dieses Verfahren für den Bundeshaushalt keine Nachteile gebracht, da auch die Beiträge jeweils später zu entrichten waren. Nunmehr wird aber, und zwar ab 1. Juli 1967, der freie Warenverkehr in der Gemeinschaft eingeführt. Das heißt, daß die bisherigen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, innerhalb gewisser Höchstgrenzen Ausfuhrerstattungen nach den eigenen Haushaltsmöglichkeiten zu gewähren, sich ab 1. Juli 1967 in eine obligatorische Zahlungsverpflichtung verwandeln. Dabei legt die Höhe dieser Erstattungen ausschließlich die Kommission in Brüssel fest. Mit anderen Worten, in diesem Punkt wird also bei Beibehaltung dieser Regelung der Bundeshaushalt praktisch zwangsetatisiert.Haushaltsmäßig betrachtet bedeutet das, daß jegliche Haushaltskontrolle über die Ausfuhrerstattungen — und entsprechend über alle Marktordnungsausgaben — verlorengeht; denn nach dem jetzt geltenden Rückvergütungsverfahren müssen die vollen Ausgaben, ohne daß von nationaler Seite auf deren Höhe noch Einfluß ausgeübt werden kann, in den Bundeshaushalt auf jeden Fall eingesetzt werden.Auf eine weitere Gefahr, wenn ich so sagen darf, weist der Haushaltsausschuß noch besonders hin: Ein solches Verfahren macht auf diesem Gebiet eine mittelfristige Finanzplanung nahezu unmöglich. Sinn einer solchen Planung ist es, mögliche Ausgabenwucherungen rechtzeitig zu erkennen. Das jetzt geltende Brüsseler Rückvergütungsverfahren zeigt aber erst jeweils nach etwa drei Jahren, ob man sich zuvor vielleicht finanziell übernommen hat. Aus diesen Gründen hält es der Haushaltsausschuß für untragbar, daß nach der Einführung des freien Warenverkehrs in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft dieses Rückvergütungsverfahren beibehalten wird. Es wird für erforderlich gehalten, daß die Gemeinschaft in ihren Haushalt die Ausgaben einstellt, die die Mitgliedstaaten im jeweiligen Jahr für die Durchführung ihrer Aufgaben benötigen. Durch ein solches Veranschlagungsverfahren wäre wenigstens gewährleistet, daß die bisherige nationale Haushaltskontrolle durch
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Röhnerein ordentliches Haushaltsverfahren in Brüssel ersetzt würde, und zwar — wenn ich das einflechten darf — so lange, bis auch im europäischen Bereich eine parlamentarische Haushaltskontrolle einmal gegeben sein wird.Meine Damen und Herren, ich darf die Stellungnahme des Haushaltsausschusses nunmehr wie folgt zusammenfassen:1. Die Agrarfinanzierungsverordnung Nr. 130/66 ist geltendes Recht. Der Inhalt ihrer Bestimmungen kann bis einschließlich 1969 von uns nicht mehr beeinflußt werden.2. Die künftigen Belastungen des Bundeshaushalts sind beträchtlich. Es muß alles getan werden, um sie nicht noch höher ansteigen zu lassen.3. Insbesondere muß nach Mitteln und Wegen gesucht werden, durch die verhindert wird, daß es zur Kumulierung von zwei vollen Beitragszahlungen kommt.4. Das bisher geltende Rückvergütungsverfahren muß ehestens durch das Veranschlagungsverfahren im Haushalt der Gemeinschaften ersetzt werden.Der Antrag des Haushaltsausschusses lautet daher: Das hohe Haus möge beschließen, den Antrag der Fraktion der SPD — Drucksache V/687 — anzunehmen.Abschließend erbitte ich, Frau Präsidentin, die Erlaubnis, zur gesamten Problematik noch ganz 3) wenige Sätze anfügen zu dürfen.Ich glaube, aus meinem Bericht ging hervor, daß die Agrarfinanzierung zum Kernstück der gemeinsamen Agrarpolitik und damit zu einem Kernstück der EWG-Politik überhaupt geworden ist.Es ist kein Geheimnis, daß insbesondere das landwirtschaftlich größte und bedeutendste Partnerland, nämlich Frankreich, dem Gemeinsamen Markt nicht zuletzt deshalb Interesse abgewinnt, weil es erstens auf den Absatz seiner Agrarüberschüsse hofft und zweitens auf die gemeinsame Finanzierung seiner Agrarprobleme zielt.Es ist darüber hinaus unverkennbar, daß dagegen das wirtschaftliche Interesse der Bundesrepublik am Gemeinsamen Markt vordergründig am größeren gewerblichen Absatzmarkt orientiert ist. Auf Grund dieser Interessenunterschiede, die praktisch zu einem Kompromiß bei der Verabschiedung der EWG-Marktordnungen führten, ist die Bundesrepublik zum Mit-Financier der Agrarprobleme auch der Partnerstaaten geworden.Da der Agrarhaushalt in seinem ursprünglichen Volumen unverändert geblieben ist, sind die Mehrausgaben der Bundesrepublik, die bei der Verwirklichung der EWG-Marktordnungen entstehen, zum Teil durch erhebliche Kürzungen bei wichtigen Förderungsmaßnahmen der Landwirtschaft aufgebracht worden. Ich bin deshalb der Meinung, daß bei dieser Situation eine Lösung gesucht werden muß, die nicht der Landwirtschaft allein oder überwiegend das aufbürdet, was im Interesse der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von der ganzen Nation zutragen ist. Eine solche Lösung ist nicht zuletzt ein notwendiger Akt auch der Gerechtigkeit gegenüber einer Landwirtschaft, die, wie der Grüne Bericht 1967 ausweist und wie die Preisbeschlüsse der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erwarten lassen, im Jahre 1967 in eine schwierige Lage gerät.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, der zum Teil die Aussprache vorweggenommen hat. Ich eröffne jetzt die Aussprache, und zwar verbundene Aussprache zu den drei Punkten 2 a), 2 b) und 2 c).
Das Wort hat Herr Professor Dr. Furler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese europäischen Debatten haben immer eine Gefahr in sich: daß sie nämlich durch zu starke technische Details an Interesse verlieren. Deshalb will ich mich bemühen und das hat ja auch Herr Apel getan —, auf einige politische Hauptprobleme einzugehen, die heute zur Debatte stehen. Es werden andere Kollegen von mir noch zu den wirtschaftspolitischen und agrarpolitischen Einzelheiten sprechen.Ich möchte aber gleich zu Beginn etwas Polemisches sagen. Ich kann es nicht akzeptieren, Herr Kollege Apel, wenn Sie sagen, es sei jetzt plötzlich vieles in der europäischen Grundsatzpolitik verändert worden, seit jene Anfrage, die heute behandelt wird, eingebracht worden sei. Sehen Sie doch die Antworten an, die damals die Regierung gegeben hat, sehen Sie die früheren Erklärungen der Kabinette Adenauer und Erhard an und vergleichen Sie das, was heute erfreulicherweise Herr Außenminister Brandt über die großen europäischen Probleme gesagt hat. Sie werden da keinen Bruch, keine Abänderung, nicht einmal eine irgendwie beachtliche Differenz finden.Es ist doch so, daß wir, die Bundesregierung und wir, die CDU, immer eine Politik geführt haben — sie war und sie bleibt so —, die auf die Weiterentwicklung und Stärkung der Europäischen Gemeinschaften hinging. Wir wissen, daß hier nur ein Teilgebiet der europäischen Einigung erfaßt ist, das Gebiet der Wirtschaftspolitik und der Sozialpolitik. Aber, meine Damen und Herren, da kommen immer wieder Mißverständnisse auf. Schon in der Präambel zum EWG-Vertrag steht, und immer ist es wiederholt worden, daß Wirtschaftspolitik ein Stück der Gesamtpolitik ist. Wenn auf wirtschaftspolitischem und sozialpolitischem Gebiet ein enges Zusammenwachsen dieser sechs Staaten stattfindet, so hat dies natürlich auch eine große allgemeinpolitische Bedeutung.Sowohl in der früheren Antwort wie in der heutigen Erklärung des Herrn Außenministers steht ausdrücklich, daß mit der wirtschaftlichen Einheit ein Stück politischer Gestaltung Europas durchgeführt wird. Das halte ich für wichtig, dies zu beachten ist von ganz entscheidender Bedeutung. Denn die drei europäischen Gemeinschaften bilden nicht nur das wirtschaftliche Fundament Europas, sondern einen
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Dr. FurlerAusgangspunkt, eine Grundlage auch für politische Weiterentwicklung. Das wird um so deutlicher — wie nachher die Debatte zeigen wird —, weil eben in der EWG nicht nur eine Zollunion geschaffen wurde; nein, in ihr wurde der Grund gelegt — und das wird weiterentwickelt — für eine Wirtschaftsunion. Das ist ja gerade das Entscheidende und politisch so Wichtige: nicht nur Zollunion, sondern Weiterentwicklung des Gemeinsamen Marktes zu einem großen gemeinschaftlichen Wirtschaftsgebiet. Das bedeutet ein außerordentliches politisches Wagnis, das übernommen wurde das aber in den ersten großen, entscheidenden Schritten geglückt ist und von dem es kein Zurück mehr gibt. Daß wir nicht in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, in die drei Gemeinschaften heutiger Art die Außenpolitik und die Verteidigungspolitik hineinkoordinieren, hineinführen können, ist ganz klar.Es hat aber keinen Zweck, über doktrinäre Fragen der Gestaltung und der Form einer gemeinsamen Außen- oder Verteidigungspolitik sich zu unterhalten, wenn alle darüber einig sind, daß diese Probleme heute in ihrem sachlichen Gehalt noch nicht reif sind. Wir werden jedoch alle Vorschläge, die hier gemacht werden, aufgeschlossen prüfen. Wir sind überzeugt, daß es unausweichlich ist, im Laufe der großen Weiterentwicklung auch hier zu einer Harmonisierung, einer Zusammenarbeit, ja einer Vergemeinschaftung zu kommen.Wir haben immer dafür gekämpft — und tun dies auch heute —, daß die Institutionen der Europäischen Gemeinschaften gestärkt werden. Das ist selbstverständlich, wenn man starke Gemeinschaften will. Ich danke dem Herrn Außenminister dafür, daß er ausdrücklich die wichtige Sonderstellung des Europäischen Parlaments erwähnt hat. Ich brauche darauf nicht weiter einzugehen. Wir haben immer betont, daß wir eine Weiterentwicklung seiner Funktionen wollen. Der Bundestag hat, meist einstimmig mit allen drei Fraktionen, wiederholt Resolutionen zugunsten dieser Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments gefaßt. Wichtig ist im Moment die sehr akute Frage der Stärkung der Kommissionen, also der sogenannten Regierungen dieser Gemeinschaften. In diesem Zusammenhang steht für mich auch die wichtige Frage der Fusion dieser Exekutiven. Die Einheit des Parlaments, des Gerichts und des Ministerrats soll auch für die Exekutive gelten. Das ist eine alte Forderung und müßte längst realisiert sein. Jetzt haben wir 'die neue Hoffnung, daß in der Konferenz von Rom diese Dinge vollendet werden. Wir wollen, daß die Vereinigung, die Fusion der Exekutiven kommt. Ich möchte dabei aber mit besonderer Deutlichkeit sagen: Wir erwarten auch, daß Herr Hallstein der erste Präsident dieser vereinigten Exekutive sein wird.
Nun eine sehr akute Frage: der Beitritt Großbritanniens zur EWG, besonders akut durch den Besuch des englischen Premierministers und des englischen Außenministers. Sie wissen, daß die Bundesregierung und unsere Fraktion hier seit Jahren eine klare und eindeutige Haltung haben. Wir sinddafür, daß die Europäischen Gemeinschaften offen sind, daß andere europäische Staaten beitreten können, wie das im Vertrag ausdrücklich vorgesehen ist. Wir sind auch ganz eindeutig für den Beitritt Großbritanniens. Eine Assoziation ist nicht realisierbar, ist auch dem ganzen Problem nicht adäquat.Voraussetzung des Beitritts ist selbstverständlich die Annahme des Römischen Vertrages, was nicht nur heißt: des Wortlauts des ursprünglichen Vertrages, sondern: alles dessen, was an politischer Substanz und an Beschlüssen inzwischen in diesem Vertrag entwickelt worden ist. Großbritannien muß in die europäische Gemeinschaft eintreten in der Form und mit dem Inhalt, wie sie im Zeitpunkt des Beitritts bestehen, also auch in die sich immer stärker entwickelnde Wirtschaftsunion. Das gibt natürlich im einzelnen Probleme. Aber ich glaube, diese Probleme — Agrarpolitik, Verhältnis zum Commonwealth — sind keine unüberwindlichen Hindernisse. Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen. Ich bin überzeugt, das läßt sich lösen. Wir haben das miterlebt bei den Verhandlungen, die 1961 bis Januar 1963, als sie abgebrochen wurden, geführt worden sind. Man kam ziemlich überall zu Möglichkeiten der Einigung; auch die inzwischen eingetretene, realisierte europäische gemeinschaftliche Agrarpolitik, von der man immer fürchtete, England könne sie nicht mitmachen, scheint für England kein unüberwindliches Hindernis mehr zu sein.Nun aber erscheint das Problem des Beitritts unter zwei ganz neuen Gesichtspunkten, einmal der Besprechung, die der Bundeskanzler und der Außenminister mit dem französischen Staatspräsidenten geführt haben, zum anderen der vorgestrigen Besprechung mit den englischen Staatsmännern.In Paris war es ganz klar, daß der Beitritt Großbritanniens eine Frage ist, über die zwischen Deutschland und Frankreich keine einheitliche Meinung bestand. Das wurde ausdrücklich festgestellt. Wir vertraten unsere Meinung, die Franzosen in aller Freundschaft eine abweichende Auffassung. Aber falsch ist es, wenn Pressemeldungen sagen, wir hätten eine Art Geheimabsprache mit Frankreich dahin gehend, daß der französische Staatspräsident oder Frankreich allein die Entscheidung treffen sollten. Davon ist kein Wort wahr. Das Problem besteht zwischen uns.
Herr Professor Furler, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ertl?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege Furler, sind Sie vom Bundeskanzler autorisiert, zu erklären, daß Frankreich keine Einwendungen macht?
Das habe ich ja gar nicht behauptet. Ich habe nur erklärt — und ich glaube, daß ich das verantworten kann —, daß nicht, wie Zeitungsmeldungen es gebracht haben, ein Geheimabkommen zwischen der Bundesrepublik und Frank-
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Dr. Furlerreich gewissermaßen gegen einen Eintritt Großbritanniens in die Gemeinschaft besteht.
Soweit ich das gelesen habe, wurden Gespräche geführt. Es wäre doch interessant, ob es auch in der Frage eine Absprache gegeben hat, die die Verhaltensweise der deutschen Regierung bedingt.
Herr Abgeordneter Ertl, das ist keine Zwischenfrage.
Natürlich, Herr Kollege, hat es Gespräche gegeben. Ich habe es ja ausdrücklich gesagt. Man hat in Paris diese Probleme besprochen und kam zu dem Ergebnis, daß man keine einheitliche Meinung hat, daß wir also auf unserem Standpunkt bestehenbleiben, der für einen alsbaldigen Beitritt Großbritanniens ist, daß Frankreich aber auf seinem Standpunkt besteht, den ich nicht ganz exakt bezeichnen kann, von dem ich nur sagen möchte, daß er den Beitritt nicht in naher Aussicht sieht. Das ist die Differenz der Meinungen.Nun die Gespräche mit den britischen Politikern. Es ist ganz klar — das hat der Herr Außenminister bestätigt —, daß wir die Bestrebungen Englands unterstützen. Wir sind ja für den Beitritt Englands. Aber wir können natürlich keinen unmittelbaren Zwang auf irgendeinen EGW-Partner ausüben. Das ist auch selbstverständlich. Denn es bedarf ja eines einstimmigen, freien Beschlusses aller sechs Mitgliedstaaten. Ich bin hier der Auffassung, wie auch der Herr Bundeskanzler erklärt und der Herr Außenminister hier gesagt hat, es ist Sache einer geduldigen, beharrlichen und überzeugenden Arbeit, auch mit Frankreich zu einer einheitlichen Meinung zu kommen.Ich darf aber da noch sagen: Es mehren sich auch in Frankreich die Stimmen, die einem Beitritt aufgeschlossen gegenüberstehen. Nicht nur die technologische Entwicklung macht dies naheliegender, auch französische Industrieverbände haben sich schon positiv geäußert. Es ist sehr interessant, daß im Europäischen Parlament ein der Regierung nahestehender Abgeordneter, der einen Bericht erstattete, gesagt hat: Die Gründe, die in einem bestimmten Moment die Frage des Beitritts Großbritanniens schwierig gemacht haben, scheinen nicht mehr im gleichen Maße zu bestehen. Auch hier eine Entwicklung! Auch der französische Staatspräsident hat ja, obwohl seine Haltung dem sehr nahe kam, nie mit einem klaren und grundsätzlichen Nein geantwortet, sondern immer gesagt: Die Zeit ist noch nicht reif. Aber ich gebe zu, die Dinge lagen sehr nahe beieinander. Ich bin also der Meinung: unsere Politik ist klar; wir werden uns nur bemühen. Wir können es nicht erzwingen. Aber wir sind überzeugt, man muß auf längere Sicht sehen, daß die Haltungen doch zusammenkommen werden.Mit dem Beitritt Großbritanniens hängt nun auch das Verhältnis zu anderen europäischen Staaten zusammen — ich spreche nur von europäischen Staaten —, die in ein besonderes Verhältnis zur EWGkommen wollen. Ich nenne da zunächst einmal Norwegen. Der norwegische Handelsminister war gestern oder vorgestern hier. Er hat erklärt, daß Norwegen auf einen schnellen Beitritt Wert lege. Das ist sehr interessant. Wir freuen uns über diese Erklärung. Aber er hat auch ausdrücklich gesagt, daß zuerst oder mindestens gleichzeitig Großbritannien beitreten müsse. Sie sehen also: Großbritannien ist das Schlüsselproblem. Eine ähnliche Haltung nehmen wahrscheinlich auch Irland und Dänemark ein.Aber wir haben noch andere Staaten, mit denen Verhandlungen zu führen sind, z. B. Österreich. Wir bemühen uns -- ich bin ein sehr großer Anhänger dieses Gedankens —, daß Osterreich in ein ihm mögliches enges Verhältnis zur EWG kommt.Ich möchte noch erwähnen, daß auch das Problem Spanien und sein Verhältnis zur EWG eine Rolle spielt. Auch dieses Land muß in ein engeres Verhältnis zur EWG kommen. Ein Beitritt ist im Moment aus den verschiedensten Gründen nicht möglich. Aber einmal wird auch dieser bedeutende europäische Staat zu den Europäischen Gemeinschaften gehören.Noch ein kurzes Wort zum Verhältnis zur EFTA. Alle Schwarzseherei, daß der Graben zwischen EWG und EFTA immer tiefer würde, haben sich doch — freuen wir uns darüber! — als nicht so ernst erwiesen. Es steht fest, daß der Austausch, der Handelsverkehr zwischen EFTA- und EWG-Staaten immer noch positiv fortschreitend und sehr groß ist. Natürlich müssen wir alles tun, um ein Auseinanderleben zu verhindern. Auch die Kennedy-Runde soll dazu beitragen. Immerhin, es ist für die ganze Entwicklung leichter, zwischen der EWG und den sieben in der EFTA zusammengefaßten Staaten zu einer Einigung zu gelangen, als wenn alle dreizehn in ihrer Entwicklung noch unabhängig wären.Darf ich noch ein ganz kurzes Wort zu den deutsch-französischen Beziehungen und zum deutschfranzösischen Vertrag im Hinblick auf das Verhältnis zu den anderen vier EWG-Partnern sagen. Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist wieder neu belebt worden, und schon tauchen erneut die unbegründeten Sorgen der anderen Partner auf, die deutsch-französische Zusammenarbeit könne zu ihren Lasten gehen. Davon kann keine Rede sein. Das ist weder die Politik der Bundesregierung noch unsere Politik, die Politik der CDU. Schon im Vertrag steht, daß die anderen Partner immer unterrichtet werden. Die Zusammenarbeit ist gegen niemanden gerichtet. Sie hat auch viel größere politische Aspekte zum Gegenstand. Denken Sie an die Ostpolitik, denken Sie an Verhandlungen mit Südamerika und an andere Fragen. Aber sicher können die Kontakte und auch die Übereinstimmungen zwischen Frankreich und Deutschland sehr nützlich für Europa und auch für die EWG sein. Ich erinnere mich sehr deutlich, daß gerade von den vier anderen Partnern wiederholt Anregungen gegeben worden sind, die Bundesregierung möge doch ihren Vertrag mit Frankreich auswerten, um zu fortschrittlichen europäischen Lösungen zu kommen. Ich denke nur an die große Krise, die im Sommer 1965 ausgebrochen war.
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Dr. FurlerZu diesem Komplex noch am Schluß eine Frage, die ich beantworten soll, die Frage der Assoziation der EWG mit den siebzehn afrikanischen Staaten und Madagaskar. Ich glaube, wir haben hier ein großes und sehr positives Werk der EWG vor uns, an dem wir freudig mitarbeiten. Diese Assoziation hat in der Tat durch die Handelsbeziehungen, durch den Entwicklungsfonds und durch die technische Hilfe zu einer Stabilisierung des großen mittleren Teiles West- und Zentralafrikas, vor allem des tropischen Afrikas, beigetragen. Diese Gebiete, die früher einmal zu Frankreich, zu Belgien, zum Teil auch zu Italien gehörten, haben in der Assoziation eine Form der Zusammenarbeit gefunden, die sich auch politisch ausgewirkt hat. Wir legten diesen afrikanischen Staaten keine politischen Bedingungen auf. Jeder kann seine Außenpolitik treiben, wie er will. Aber wer die Dinge kennt, weiß, daß die Zusammenarbeit auch für eine Stabilisierung der Außenpolitik dieser Staaten fruchtbar gewesen ist.In Deutschland sind Klagen laut geworden, wir würden an den Ausschreibungen des Entwicklungsfonds nicht richtig beteiligt. Ich möchte dem Herrn Außenminister für seine Ausführungen danken. Ich halte sie für richtig. Der Grund lag nicht an dem bösen Willen der anderen. Er lag in den Verhältnissen, die am Anfang gegeben waren. Natürlich kamen zuerst die zum Zuge, die dort waren. Man hat inzwischen die Auschreibungsbedingungen und vieles andere geändert. Unsere Beteiligung nimmt zu, und es ist wichtig — ich möchte das noch ergänzend sagen —, daß wir im Augenblick zwar nur mit 9 % beteiligt sind, daß aber der Hauptteil der Ausschreibungen und der Verwendung des Entwicklungsfonds noch bei Bauleistungen liegt, wobei natürlich einheimische Betriebe einen Vorteil haben, daß aber auf anderen Gebieten, etwa der Lieferung von Einrichtungen und Ausstattungen, unser prozentualer Anteil höher ist. Wir unterstützen die Bemühungen, hier noch weitere Erleichterungen für unsere Wirtschaft zu schaffen. Ich schließe mich aber auch gern dem an, was Herr Kollege Apel gesagt hat: Wir sind durchaus nicht für eine Re-Nationalisierung dieses Entwicklungsfonds.Zum Abschluß noch folgendes, meine Damen und Herren. Es wurde gesagt, wir hätten mit den akuten europäischen Problemen zu tun. In diesem Zusammenhang muß ich neue große europäische Sorgen erwähnen. Es sind Sorgen, die mit der Entwicklung der Politik der Atommächte zusammenhängen, eine Weiterverbreitung der Atomwaffen zu unterbinden. Sie hängen mit dem Atomsperrvertrag zusammen. Ich will über ihn nicht speziell sprechen. Selbstverständlich erkennen auch wir die großen und grundlegenden Ziele des Vertrages an.Es gibt aber drei Fragen, die ich ganz kurz streifen will. Es geht einmal darum, daß nach den bisher vorliegenden Entwürfen die Europäische Atomgemeinschaft — Euratom — sehr stark beeinträchtigt werden kann. Euratom hat schon vor Jahren und in einer Zeit, als diese Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion noch nicht im Gange waren, dazu beigetragen, daß die europäischen Ländersich der friedlichen Auswertung der Kernenergie zuwenden, und dafür gesorgt, daß die Kernbrennstoffe friedlich ausgenutzt und nicht militärischen Zwecken zugeführt werden.Im Euratom-Vertrag steht, daß Euratom eine geeignete Überwachung durchführt, um zu gewährleisten, daß die Kernbrennstoffe nicht anderen als den vorgesehenen Zwecken zugeführt werden, um also eine militärische Auswertung zu verhindern. Wir müssen hier in den sechs Mitgliedstaaten zu einer Übereinstimmung gelangen. Wir können diese Euratom-Kontrolle nicht ersetzen. Wir können auf die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit nicht verzichten und müssen auch dafür sorgen, daß die großen Forschungs- und Entwicklungszentren von Euratom bewahrt und gesichert bleiben. Ich nenne hier vor allem die drei großen Zentren Ispra, Karlsruhe und Petten. Die Euratom-Kommission hat einen mutigen Vorstoß unternommen. Die Mitgliedstaaten müssen sich jetzt entscheiden. Ich glaube, sie haben die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß Euratom durch die neue Entwicklung nicht beeinträchtigt oder gar zerschlagen wird.Wir müssen uns sodann klarmachen: es wird in Europa Staaten geben, die atomare Waffen besitzen, und Staaten, die solche Waffen nicht besitzen; das war schon bisher der faktische Zustand. Es wird innerhalb Europas aber auch Staaten geben, die den großen Vertrag unterschreiben, und Staaten, die ihn nicht unterschreiben. Diese Differenzierungen mögen militärstrategisch unvermeidbar sein, aber sie dürfen in ihrer wirtschaftlich-technologischen Auswirkung nicht zu einer Zerlegung Europas, zu einer Diskriminierung eines Teils der Staaten und zu einer Beeinträchtigung von ganzen Gruppen von Staaten führen.Der jetzt im Gespräch befindliche Art. 3 — der Entwurf ist noch nicht veröffentlicht, aber man erfährt doch einiges über den Inhalt — könnte in bezug auf die Kontrolle und die zu kontrollierenden Stoffe und Einrichtungen zu Differenzierungen und sehr unterschiedlichen Behandlungen führen. Das würde mitten in die EWG hineingreifen und den großen EWG-Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit, der gleichen Chancen und der gleichen Startbedingungen beeinträchtigen. Wir wollen nicht, daß, nachdem die Zollgrenzen überwunden sind und die Steuergrenzen fallen, innerhalb der EWG Grenzen für die friedliche Auswertung der Atomkraft — vor allem für den Reaktorenbau und alles, was damit zusammenhängt — aufgerichtet werden. Ich sage dies, obwohl sich erst die Möglichkeit einer Gefahr abzeichnet. Ich hoffe, diese Gefahr wird nicht akut, aber als Europäer möchte ich ihr rechtzeitig entgegentreten.Das letzte, was ich sagen möchte, hängt mit den großen Zielen der europäischen Politik zusammen. Der Atomsperrvertrag darf nicht dazu führen, die europäische politische Entwicklung in ihren letzten Zielen zu beeinträchtigen oder unmöglich zu machen. Deshalb müssen wir fordern, daß für ein zukünftiges Europa in bezug auf die Kernwaffen eine Option vorbehalten wird, ein wirksamer Vorbehalt, um zu verhindern, daß das letzte Ziel der
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4388 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Dr. Furlereuropäischen Entwicklung unerreichbar wird. Man sagt uns heute, das Problem sei gar nicht akut, es gebe doch noch kein vereinigtes Europa, bei dem die Frage des Kernwaffenbesitzes eine Rolle spielen könnte. Aber was sind zehn oder zwanzig Jahre bei einem immerwährenden Vertrag, und bei einer europäischen Geschichte, die schon viele Jahrhunderte zurückreicht?! Dieser Atomsperrvertrag, der der Stabilisierung der Welt und der Sicherung des Friedens dienen soll, darf nicht die große Friedensordnung beeinträchtigen oder unmöglich machen, die die europäischen Völker und Staaten für dieses alte und immer noch so kraftvolle Europa anstreben. Ich sage das nicht wegen deutscher Interessen, ich sage das aus einer europäischen Verantwortung heraus. Ich glaube, daß diese Fragen eben auch sehr akute europäische Fragen geworden sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Klaus-Peter Schulz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Debatten über die Zukunft Europas, unter welchen Perspektiven und vor welchen Gremien sie auch immer geführt werden mögen, zeichnen sich neuerdings nicht nur durch weitgehend leere Bänke aus, sondern lassen auch kaum noch etwas von dem Bekennergeist und der Aufbruchstimmung ahnen, wie sie die späten 40er Jahre und die frühen 50er Jahre charakteriesierten. Die Zwischenzeit hat uns alle darüber belehrt, daß auch die makabren und eindeutigen Erfahrungen zweier Weltkriege offenbar nicht ausgereicht haben, um die nach wie vor bestehenden divergierenden und trennenden Elemente, die zwischen unseren Völkern stehen, ruckweise, sozusagen mit einem Schlag, durch eine spektakuläre geschichtliche Tat zu beseitigen, durch eine Tat im Sinne einer föderativen Gestaltung der europäischen Zukunft. Hierfür reichte die Politik der verbrannten Grenzpfähle von damals nicht aus. Es handelte sich vielmehr um einen ebenso rührenden wie dilettantischen und naiven Versuch der jungen europäischen Generation dieser Jahre. Wer heute in Europa und über Europa spricht, muß mit harten, nüchternen, noch dazu dem Laien kaum zugänglichen Realitäten rechnen, er muß von ihnen ausgehen. Ja, wenn ich mir noch einmal die anschauliche Begründung der Großen Anfrage durch meinen Fraktionskollegen Dr. Apel vergegenwärtige, muß ich sagen, daß es sich noch nicht einmal um vollendete Realitäten, sondern um Realitätsfragmente handelt.Die europäische Einigung hat insofern ihren ersten Schöpfungstag nicht mehr vor sich, sondern vielleicht den ersten oder zweiten Schöpfungstag gerade hinter sich. Die durchaus sichtbar gewordene, aber infolgedessen noch archaisch anmutende europäische Landschaft von heute wandelt noch dazu ihr Konturen unablässig, wenn nicht von Tag zu Tag, so doch fast von Woche zu Woche oder mindestens von Monat zu Monat. Immer wieder kollidieren die Realitäten oder die Realitätsfragmente, die schon geschaffen worden sind, mit den werdendenRealitäten von morgen. Daraus ergeben sich logischerweise Friktionen und Kollisionen.In diesem Zusammenhang und vor dieser, wie ich es ausgedrückt habe, archaisch anmutenden europäischen Landschaft von heute ergibt sich vielleicht gleich die Gelegenheit, Herr Kollege Professor Furler, ein Mißverständnis zu beseitigen, von dem Sie ausgegangen sind. Wenn ich Sie, Herr Kollege, recht verstanden habe, dann meinten Sie, der Hinweis meines Fraktionskollegen Dr. Apel in der Begründung seiner Großen Anfrage, daß zwischen ihrer Einbringung im Oktober und ihrer Behandlung heute ein relativ stattlicher Zeitraum verstrichen sei, beinhalte auch, daß sich die prinzipiellen Konstellationen oder gar unsere prinzipielle Einstellung zu den europäischen Notwendigkeiten in irgendeiner Form geändert hätten. Das ist zweifellos ein Mißverständnis. Herr Dr. Apel wollte lediglich darauf hinweisen, wie schnell heute ein aktuelles Bezugssystem, von dem man ausgegangen ist, in seinen Einzelheiten unaktuell werden kann und wie schnell sich neue Probleme in den Vordergrund drängen.Wie dem auch immer sei, ich meine, daß die innere Logik dieses europäischen Prozesses als gewaltiges und faszinierendes Phänomen möglicherweise den künftigen Historiker stärker beschäftigen und beeindrucken wird als manche Vorgänge, die uns Lebende. Handelnde und oft auch Leidende als Sensation der Geschichte anmuten mögen.Gerade weil die Große Anfrage meiner Fraktion, Herr Kollege Professor Furler, infolge der politischen Ereignisse in Bonn mit so arger Verspätung behandelt werden muß, hat sie eine neue Aktualität gewonnen. Sie erhält sozusagen Jubiläumscharakter. Wir schreiben heute den 22. Februar. Am 25. März 1957, also vor fast genau zehn Jahren, wurden die Römischen Verträge unterzeichnet, die die Gemeinschaften der EWG und der EURATOM begründeten. So bietet unsere heutige Debatte — und das sei mir in aller Kürze gestattet — hinreichend Anlaß zu einer sachlichen, aber auch kritischen Rückschau auf das bisher Geleistete.In den ersten fünf Jahren entwickelten sich die Gemeinschaften in einer durchaus befriedigenden Weise. Die Organe arbeiteten mit einer optimalen Harmonie, um das große, in seinen Einzelheiten überaus komplizierte Vertragswerk Zug um Zug zu verwirklichen. Insbesondere der französische Partner überwand damals seine initiale wirtschaftliche Lähmung, größtenteils aus eigener Kraft, in überraschend kurzer Frist und trug auf diese Weise zu dem notwendigen inneren Gleichgewicht der Partnerstaaten entscheidend bei. Die Welt begann, dem Phänomen der wirtschaftlichen Integration von sechs europäischen Staaten und der Herstellung eines gemeinsamen Markts für 200 Millionen Menschen in dem Gefüge reifer und ungemein differenzierter Industrieländer mehr und mehr Beachtung zu schenken. Diese Feststellung bezieht sich auch und gerade auf den Ostblock einschließlich der Sowjetunion, wo nach der üblichen grobschlächtigen und diskriminierenden Propaganda der ersten Phase immer deutlicher die Erkenntnis Platz griff, an der
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Dr. Schulz
imponierenden Realität von heute und der voraussichtlich noch imponierenderen Realität von morgen, wie sie sich in der EWG verkörperte, nicht mehr auf eine so billige Weise vorübergehen zu können. Die Hoffnungen schienen gerechtfertigt zu sein, daß die Partnerstaaten der EWG in der Tat von dem festen und unverbrüchlichen Willen getragen waren, nach Geist und Buchstaben der Römischen Verträge — wörtlich — die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker zu schaffen. Im Geiste dieses Auftrages war übrigens die ausführliche Antwort des Herrn Bundesaußenministers auf die Große Anfrage getragen. Wir wissen ihm Dank dafür.Dagegen nimmt sich die Bilanz des zweiten Jahrfünfts eher negativ aus. Gewiß wollen wir nicht unterschätzen, daß auch in diesem Zeitraum beispielsweise mit der Erarbeitung der Voraussetzungen für einen gemeinsamen Agrarmarkt der Sechs ein ungemein mühevolles und kompliziertes Werk vollbracht wurde, das wir um seiner selbst willen bejahen, obwohl es speziell der Bundesrepublik erhebliche Opfer abverlangt hat. Auf andere, nicht unbeträchtliche Fortschritte in wesentlichen Einzelfragen hat der Herr Bundesaußenminister in seinen Ausführungen hingewiesen.Was aber sonst in den letzten fünf Jahren geschah, war häufig dazu angetan, gerade die Öffentlichkeit zu beunruhigen, ja, sie allmählich dem europäischen Gedanken zu entfremden. Ich greife hier nur die wichtigsten Negativbeispiele dieser Zeit heraus.Der schon 1962 erstmalig unternommene Vorstoß Großbritanniens, der Wirtschaftsgemeinschaft beizutreten, scheiterte, weil über die Voraussetzungen keine Einigkeit zu erzielen war. Die ursprünglich harmonische Zusammenarbeit der Organe machte für einige Zeit und in zunehmendem Maße Mißhelligkeiten und Differenzen Platz, was hauptsächlich in dem Antagonismus zwischen Ministerrat und Kommission seinen Ausdruck fand. Die angestrebte und dem Geist der Römischen Verträge entsprechende fortschreitende Demokratisierung der Gemeinschaften, die mit einer Verstärkung der Befugnisse des Europäischen Parlaments identisch gewesen wäre, stagnierte völlig, und alle Initiativen in dieser Richtung sahen sich zum Scheitern verurteilt.Das seit 1. Januar 1966 vorgesehene Mehrstimmigkeitsprinzip im Ministerrat bei wichtigen Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf die auswärgen Beziehungen der Gemeinschaften, führte vorübergehend zu einer ernsten Existenzkrise und wurde schließlich durch einen Kompromiß abgefangen — um nicht zu sagen: unterlaufen —, der auf die Dauer niemanden so recht befriedigen kann.Schließlich: Obwohl sich die Zollunion ihrer Vollendung nähert, ja, nach den Bestimmungen der Verträge in knapp anderthalb Jahren ihre Vollendung finden muß, sind die Gemeinschaften von ihren eigentlichen, speziell wirtschaftspolitischen Zielen noch immer sehr weit entfernt. Wir sind daher sehr dankbar, den Ausführungen des Herrn Bundesaußenministers entnehmen zu dürfen, daß sich die Bundesregierung gerade der Harmonisierung der Wirtschaftspolitik im Lager der Sechs entschieden annehmen will.Der Katalog bedauerlicher Tatbestände, die ich hier aufgeführt habe, zeichnet wohl in erster Linie dafür verantwortlich, daß die ursprünglich spontane und starke Bereitschaft der Allgemeinheit, sich mit den Fragen der gemeinsamen europäischen Zukunft zu beschäftigen und an eine stetige positive Entwicklung zu glauben, in einem besorgniserregenden Maß verkümmert ist. Von diesem traurigen Tatbestand weiß jeder ein Lied zu singen, der die Öffentlichkeit und ihre Medien, in welcher Form und aus welchem Anlaß auch immer, mit der europäischen Frage in Anspruch nehmen will. Man hat einfach mehr und mehr das Vertrauen verloren, daß löblichen .Absichten und wohlklingenden Reden auch entsprechende und überzeugende Taten folgen. Die öffentliche Meinung reagiert verständlicherweise, was die Entscheidungen oder auch Nichtentscheidungen der politisch Verantwortlichen anbetrifft, in Einzelheiten wenig sachverständig, prinzipiell jedoch mit einer emotionalen Instinktsicherheit, die als psychologische Kraft in demokratischen Staaten nicht unterschätzt werden sollte; denn alles, was wir vollbringen wollen und müssen, müssen wir tunlichst im Einklang und mit der aktiven moralischen Unterstützung der öffentlichen Meinung unseres Landes bzw. unserer Länder vollbringen. Wenn daher der Eindruck in der Öffentlichkeit immer stärker verbreitet ist, das bereits einmal zitierte europäische Kredo, in den verschiedenen Sprachen unseres Kontinents allzu häufig vorgebracht, diene oft nur als eine Art Feigenblatt, hinter dem sich mangelnde Entschlußkraft oder gar nationale Egoismen verstecken, dann ist dies ein Problem, das die geplante Gipfelkonferenz der Regierungschefs der Sechs, die irgendwann im Frühjahr auch aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens der Römischen Verträge zusammentreten wird, ernsthaft beschäftigen sollte. Natürlich macht sich niemand Illusionen darüber, daß diese Konferenz, wenn sie überhaupt in der geplanten Form zustande kommt, praktisch relevante oder gar spektakuläre Entscheidungen fällen wird. Sie wird es nach dem nun einmal bestehenden Sachverhalt auch gar nicht darauf anlegen können, die öffentliche Meinung der Mitgliedstaaten kurzfristig zu neuen Hoffnungen und damit zu neuer Aktivität zu beflügeln. Sie wird im optimalen Falle lediglich dazu beitragen können, daß sich die öffentliche Meinung wieder stärker als in den letzten Jahren für die europäischen Dinge und für die Zukunft unseres Kontinents interessiert.In diesem Zusammenhang möchte auch ich mich noch einmal unter Ausklammerung aller anderen Fragen dem Kernproblem zuwenden, das in der heutigen Debatte bereits von vornherein eine so große Rolle gespielt hat, nämlich der von Großbritannien erneut bekundeten Absicht, sich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit allen Rechten und Pflichten anzuschließen. Die Sondierungen der britischen Regierung in bisher vier von sechs Hauptstädten der Sechser-Gemeinschaft haben eines bestimmt klar erkennen lassen, daß nämlich die Bereitschaft Großbritanniens, sein Herz gleichsam über die europäischen Hürden zu werfen, viel
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Dr. Schulz
klarer, bestimmter und vorbehaltloser zutage tritt, als das vor fünf Jahren der Fall war. Das hat auch der Herr Bundesaußenminister in seinen Ausführungen bestätigt, dem wir überhaupt sehr dankbar dafür sind, daß er so ausführlich über den Besuch der europäischen Gäste in Bonn und über instruktive Einzelheiten dieses Besuches berichtet hat.Allein diese Tatsache einer vorbehaltlosen Bereitschaft scheint mir ein überaus gewichtiges Politikum zu sein. Auf der anderen Seite sind zweifellos die materiellen und sachlichen Schwierigkeiten, die sich für alle Beteiligten ergeben, im Laufe der Zeit in gewisser Weise größer geworden, was damit zusammenhängt, daß die wirtschaftspolitische Integration im Lager der Sechs trotz aller von mir angesprochenen Unvollkommenheiten und Rückschläge inzwischen einen wesentlich höheren Grad erreicht hat. Es ginge in der Tat nicht an, es würde sogar einen bedenklichen Rückschritt bedeuten, das mühsam genug Errungene durch Rücksichtnahme auf abweichende Sonderinteressen eines oder mehrerer möglicher Partner in Frage stellen zu lassen und damit den ganzen Prozeß, wenn auch vielleicht nur in wichtigen Einzelheiten, erneut aufzurollen. Für diese Notwendigkeit muß die britische Regierung Verständnis haben, und sie hat dieses Verständnis —gerade nach den uns heute zuteil gewordenen Informationen — auch entsprechend bekundet.Auf der anderen Seite muß ebenso deutlich gesagt werden: was die Gemeinschaft der Sechs von ihren etwaigen künftigen Partnern auch immer an Anpassungsbereitschaft im einzelnen und damit an Solidarität im großen verlangen kann und muß, sie muß ihrerseits in jedem Falle mit speziellen Übergangsregelungen großzügig verfahren. Die SechserGemeinschaft kann ferner — hier greife ich noch einmal einen Gedanken meines Kollegen Dr. Apel auf — weder von Großbritannien noch von einem anderen Partnerstaat der Zukunft auch nur virtuell irgendwelche Vorleistungen erwarten, die über den Rahmen dessen hinausgehen, was in den Römischen Verträgen beabsichtigt und vorgeschrieben ist, denn diese Verträge sind bisher jedenfalls das einzige rechtsverbindliche Dokument, das zum Gegenstand konkreter Verhandlungen werden kann. Die Verträge laufen auf eine umfassende wirtschaftspolitische Integration der Mitgliedstaaten hinaus. Ist dieses Ziel in vollem Umfang erreicht, dann stellt sich selbstverständlich und automatisch die Frage, was man mit einem so mächtigen Instrumentarium auch im speziell politischen Raum anfangen kann. Zunächst aber darf die Sechser-Gemeinschaft weder von Großbritannien noch von weiteren interessierten Staaten Bindungen und Zusicherungen politischer Natur erwarten, die sie im eigenen Lager bisher jedenfalls nicht zu erfüllen bereit ist oder die zu erfüllen sie sich bisher zumindest noch nicht sehr überzeugend angeschickt hat.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bekräftigt noch einmal das entscheidende Interesse, das sie prinzipiell dem möglichst baldigen Beitritt Großbritanniens zur Gemeinschaft der Sechs beimißt. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf eindeutige Beschlüsse, die zu dem bedeutsamen Themasowohl im November vergangenen Jahres anläßlich der Konferenz der sozialistischen Parteien der Gemeinschaften in Berlin wie jetzt Anfang des Monats auf der Konferenz der europäischen Linken in Paris gefaßt worden sind. Wir sind uns darüber klar, daß ein Problem von solchem Umfang und solchem Rang, so dringlich es sich darstellt, weder vorschnell noch gar gewaltsam zu lösen ist. Wir brauchen nicht nur die formale Einstimmigkeit, worauf ja Herr Kollege Furler schon hingewiesen hat, sondern mehr noch die moralische Einmütigkeit aller sechs schon vorhandenen Partnerstaaten für den Beitritt Großbritanniens. In sorgfältigen bilateralen, wahrscheinlich auch multilateralen Besprechungen werden alle noch bestehenden Schwierigkeiten vorsichtig und behutsam, aber auch verständnisvoll und methodisch aus dem Wege zu räumen sein, bevor die eigentlichen Verhandlungen beginnen können. Sie dann aber auch in absehbarer Zeit zu einem positiven Abschluß zu bringen, ist der dringende Wunsch unserer Bundestagsfraktion.Im Zusammenhang mit den Fragen des Beitritts Großbritanniens ist in letzter Zeit mehrfach die Frage aufgeworfen worden, ob man deswegen eine mögliche neue Krise der bestehenden Gemeinschaften in Kauf nehmen solle. Ich lasse es dahingestellt, ob sich eine solche Frage bei der erforderlichen vorsichtigen und behutsamen Behandlung des Problems im konkreten Fall überhaupt aufdrängen wird. Wenn sie aber — ob heute in diesem und ob morgen in einem anderen Zusammenhang — überhaupt gestellt werden kann, dann ergibt sich daraus meines Erachtens eine ganz nüchterne Erkenntnis: eine Institution, die von einer noch so gewichtigen politischen Entscheidung sozusagen automatisch eine Existenzkrise befürchten muß, verfügt über ein noch unterentwickeltes Gemeinschaftsbewußtsein. Überlegungen solcher Art führen meines Erachtens zwangsläufig zu der Konsequenz, daß die immer wieder diskutierte Demokratisierung der Struktur der Gemeinschaften zwar sicher auf einen opportuneren Zeitpunkt verschoben werden muß, aber keinesfalls von der europäischen Tagesordnung verschwinden darf.Und hier handelt es sich — ich glaube, Sie stimmen mir darin zu, Herr Kollege Furler — auch keineswegs um doktrinäre Bedenklichkeiten oder Festlegungen, sondern um ein sehr akutes und wichtiges Politikum. Denn die richtige Anwendung und Praktizierung der Römischen Verträge hat doch unvermeidlich auf dem so wichtigen Gebiet der Wirtschaftspolitik zu einem Verlust an Souveränitätsrechten innerhalb der nationalen Legislativen geführt und wird es weiterhin tun. Schon seit Jahr und Tag nehmen wir Beschlüsse der Organe der Gemeinschaften, für die diese zuständig geworden sind, im Bundestag lediglich zur Kenntnis, ohne sie materiell beeinflussen oder gar inhaltlich noch umgestalten zu können. Ein solcher Verlust an legislativen Befugnissen, wie ihn der wohlverstandene Rhythmus der Verträge mit sich bringt und mit sich bringen muß, kann auf die Dauer nicht hingenommen werden. Ebensowenig ist es mit demokratischen Prinzipien vereinbar, gesetzgeberische Befugnisse stillschwei-
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Dr. Schulz
gend auf völlig unbestimmte Frist einem Exekutivorgan wie dem Ministerrat gleichsam zu treuen Händen zu überlassen, um so weniger, wenn in diesem Gremium nach wie vor qualifizierte Mehrheitsentscheidungen zwar theoretisch denkbar, aber praktisch kaum möglich sind. Die Aufgabe einer allmählichen Demokratisierung der Gemeinschaften stellt daher für meine politischen Freunde kein Tabu dar, über das man besser nicht spricht. Auch wenn wir es heute bei dieser Andeutung bewenden lassen, sind wir der Meinung, daß das Thema der Demokratisierung immer wieder in Erinnerung gebracht werden muß und daß es hauptsächlich das Europäische Parlament ist, auf das die verlorengehenden oder bereits verlorengegangenen Befugnisse der nationalen Legislativen im wirtschaftspolitischen Bereich im Laufe der Zeit eindeutig übertragen werden müssen.
Gestatten Sie einem Redner, der sich in seinen Ausführungen vorwiegend mit einigen kritischen oder auch unerquicklichen Themen befassen mußte, den Wunsch nach einem Happy-End. Gott sei Dank brauche ich danach nicht lange zu suchen. Ich erinnere an den Antrag Drucksache V/1010, den alle Fraktionen an die Bundesregierung gerichtet haben. Sie fordern darin die Bundesregierung auf, einen Schriftlichen Halbjahresbericht über die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften sowie des Europarates und der WEU vorzulegen. Dieser Antrag bedarf keiner Begründung. Seine Billigung würde von den sogenannten „Europäern" dieses Hohen Hauses — es sind ja mehr als 10 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestages — mit einer lebhaften Genugtuung begrüßt werden.Als persönliche Bemerkung darf ich hinzufügen, daß ich als Mitglied der Arbeitsgruppen in den beiden Versammlungen, denen gerade die Verbindung mit den nationalen Parlamenten obliegt, über diesen Antrag eine ganz besondere Freude empfinde. Wir erleben es immer wieder — zu unserem persönlichen Bedauern, aber auch zum Schaden einer guten Sache —, daß die Tätigkeit der parlamentarischen Versammlungen in Straßburg wie in Paris in der Regel nur eine beschämend geringe Resonanz findet. Wir wenden uns nicht allein Zukunftsaufgaben zu — obwohl diese Zukunft schon längst begonnen hat —, sondern auch konkreten, handfesten Gegenwartsaufgaben, und wir glauben, daß wir in den europäischen Versammlungen oft eine sehr nützliche Vorarbeit auch für die nationalen Parlamente und deren Ausschüsse in den Mitgliedstaaten leisten.Die Annahme des Antrags bezüglich eines solchen Halbjahresberichts, der durch die Bundesregierung zu erstatten wäre, würde die Bundesrepublik, was die Aktivierung der europäischen Sache angeht, mit einem Male in die Spitzengruppe der Mitgliedstaaten sowohl des Europarats als auch der WEU vorrücken lassen und dadurch sicherlich auch anderen größeren Mitgliedstaaten ein sehr positives Beispiel geben. Ich bin auch davon überzeugt, daß eine stattliche Anzahl von Kollegen, die, wie es heißt, „für Europa" unmittelbar tätig sind,dafür garantieren wird, daß künftig den von uns erbetenen schriftlichen Halbjahresberichten der Bundesregierung eine lebhafte politische Debatte in diesem Hause folgen wird. Sie sollte unter dem Prinzip des Gebens und Nehmens stehen. Denn wir wollen nicht nur unsere Erfahrungen von Straßburg und Paris nach hier gleichsam importieren und verbreiten. Vielmehr würden wir uns freuen, wenn wir auch aus diesem Hause möglichst zahlreiche Impulse und Anregungen für unsere europäische Arbeit wieder mitnehmen könnten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Sprecher der Opposition die Ehre hat, nach einer dreistündigen Debatte, nach fünf Rednern der Regierung und der beiden Regierungsfraktionen zu Wort zu kommen, so hat das natürlich seinen Nachteil; denn inzwischen hat sich die Besetzung dieses Hohen Hauses auf genau 48 Abgeordnete reduziert.
Die Opposition bildet sich nicht ein, daß sie in der Lage wäre, jetzt etwa attraktiver zu wirken.
— Das bezieht sich auf alle drei Fraktionen gleichermaßen. Ich will sagen, daß der bisherige Ablauf der Debatte alle drei Fraktionen in bezug auf die Besetzung dieses Hohen Hauses gleichermaßen beeinflußt hat. Aber es hat auch wiederum den Vorteil, wenn man nach drei Stunden erstmalig zu Wort kommt, daß man bereits eine Wertung der Darlegungen der Sprecher der beiden Regierungsfraktionen vornehmen kann.Nicht zu überhören ist der Realismus in der Darstellung der Europa-Politik durch Herrn Kollegen Schulz soeben und der noch sehr weitgehende Optimismus, der auch heute von Professor Furler bezüglich der Europa-Politik vertreten wird.Herr Kollege Schulz sagte schon: Es ist jetzt genau ein Jahrzehnt her, seit die Verträge unterschrieben wurden, und fast 10 Jahre her, seit dieses Hohe Haus seinerzeit diese Verträge ratifizierte, und zwar mit den Stimmen der Christlich-Demokratischen, Christlich-Sozialen Union und der sozialdemokratischen Fraktion, die damals in der Opposition war, gegen die Stimmen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei.Es empfiehlt sich, heute nach einem Jahrzehnt einmal Wunsch und Wirklichkeit gegenüberzustellen, wobei ich auch unterstelle, Herr Kollege Furler: Zehn Jahre sind in der Geschichte der Völker wahrlich kein großer Abschnitt. Aber für die Erwartungen, die sie 1957 in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gesetzt hatten, ist ein Jahrzehnt eine durchaus diskutable Zeitspanne.
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4392 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Dr. MendeHerr Kollege Furler, Sie haben am 5. Juli 1957 in der 224. Sitzung sehr optimistisch bezüglich der politischen Entwicklungsmöglichkeiten der EWG und der Anziehungskraft auf andere wörtlich formuliert:Die Gemeinschaft der Sechs darf nicht das Ende einer Entwicklung darstellen. Sie bedeutet für uns die Grundlage und damit den Ausgangspunkt für weitere wirtschaftliche Bildungen. Niemand denkt daran, die sechs Staaten, die diesen großen Schritt wagen, von dem übrigen Europa oder von der Welt überhaupt abzuschließen. Im Gegenteil, wir wünschen, daß das Gebiet wirtschaftlicher Einheit und damit besonderer Wachstumsmöglichkeiten mit der Wirtschaft der anderen Länder eng zusammenarbeitet. Die Gemeinschaft ist offen und muß es bleiben.Die erfreuliche Neuorientierung der europäischen Politik Großbritanniens setzt das Faktum der Gemeinschaft der Sechs voraus. Wir wollen mit dieser Gemeinschaft auf dem Weg zur Bildung eines ganz Europa umfassenden Wirtschaftsraumes mit all den positiven politischen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, weiterschreiten.Her Kollege Mommer hat als Sprecher der sozialdemokratischen Opposition diesen Ihren Ausweitungsoptimismus sehr begrüßt, indem er sagte:Ich habe soeben mit Befriedigung gehört, daß auch Herr Furler in den Gemeinschaften der Sechs nicht einen Selbstzweck sieht. Das kann eine Avantgarde sein, die immer danach streben muß, aus sich selbst herauszukommen, die neue Mitglieder gewinnen muß und die um sich herum Zonen der Assoziierung aufbauen muß wie jetzt z. B. hier in der Freihandelszone.Demgegenüber nimmt sich der damalige Realismus des Sprechers der Freien Demokratischen Partei fast prophetisch aus:
Es handelt sich
— so sagte der Sprecher der Freien Demokratischen Partei am 5. Juli 1957— — ob nützlich oder nicht nützlich — um eine Zollunion zwischen sechs Ländern in Europa, aber nicht um eine europäische Angelegenheit; denn dazu bedürfte es eben eines erheblich größeren Kreises. Wenn man von Europa spricht, können so wichtige Staaten wie die skandinavischen Länder und Großbritannien, aber auch Griechenland nicht außer acht gelassen werden. Ein europäisches Unternehmen sind diese Verträge nach unserer Auffassung also nicht. Wir sehen in den Verträgen nicht einen Schritt zur Einigung Europas, sondern befürchten leider eine weitere Spaltung des europäischen Marktes.Genau das ist eingetreten! Ich stelle daher, zehn Jahre nach solch optimistischen Hoffnungen der Kollegen Furler und Mommer fest, daß bis 1967 der Gemeinsame Markt keine Erweiterung erfahren hat,daß keine politische Union erreichbar war und die Ansätze des Fouchet-Planes steckengeblieben sind, daß wir 1963 den Rückschlag zu beklagen haben, den die französische Politik durch das Nein zum Beitritt Großbritanniens leider verursacht hat, daß schließlich auch der europäische Frühling von 1964 nicht von einem Sommer, geschweige denn von einem fruchtbaren Ernteherbst abgelöst wurde. Denn unsere Vorleistungen im Getreidepreis und in der Agrarfrage an Frankreich haben in keiner Weise zu einer Auflockerung der französischen Haltung geführt. Der europäische Frühling von 1964, durch große deutsche Vorleistungen an Frankreich in der Hoffnung entstanden, hat einen winterlichen Frost des Einfrierens aller Hoffnungen Platz machen müssen.
Herr Abgeordneter Dr. Mende, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Dr. Mende, sind Sie der Meinung, daß die Position Europas in der Welt — in der Weltwirtschaft und überhaupt — ohne EWG besser wäre, als sie heute mit dieser -- noch mit Mängeln behafteten — EWG ist?
Herr Kollege Burgbacher, ich spreche von dem Unterschied zwischen den Erwartungen, Hoffnungen und Wünschen und den gegebenen Verhältnissen, die manche damalige Hoffnung zur Illusion haben werden lassen.
Ich werde bei dem Thema, was noch zu erreichen wäre, auf Ihre Frage, Herr Professor Burgbacher, zurückkommen.Die EWG ist Wirklichkeit geworden, wenn auch ohne unsere Stimmen, und es ist selbstverständlich, daß wir unsere Mitarbeit an der Europäischen Gemeinschaft nie in Frage gestellt haben. Aber darum geht es nicht! Es geht um die Diskrepanz zwischen der Erwartung und Hoffnung von 1957 und der Illusion von 1967, immerhin nach einer Zeitspanne von zehn Jahren. Unüberhörbar, Herr Kollege Burgbacher, waren ja wohl auch die etwas realistischen, ich will nicht sagen, pessimistischen Deutungen der zweiten fünf Jahre in der EWG-Entwicklung durch den Sprecher der sozialdemokratischen Regierungsfraktion.Zu der Frage der wirtschaftspolitischen Auswirkungen, der agrarpolitischen Konsequenzen und der technischen Möglichkeiten der Zusammenarbeit werden die Kollegen Staratzke, Effertz und Mauk noch im einzelnen Stellung nehmen. Mir kam es nur darauf an, zu der politischen Grundfrage einige Bemerkungen zu machen und zu dem gedämpften Optimismus zurückzukehren, der in der Rede des Kollegen Schulz durchklang gegenüber der Euphorie, die Herr Kollege Furler erneut, wie auch 1957, hier glaubte vertreten zu müssen.Im gegenwärtigen Zeitpunkt stehen wir vor einer neuen Phase in der Entwicklung der Europäischen
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Dr. MendeWirtschaftsgemeinschaft durch den zweiten Versuch Großbritanniens, einzutreten. Herr Bundesaußenminister Brandt hat über die eindrucksvollen Reden und Gespräche berichtet, die beim Besuch des britischen Premierministers Wilson und des Außenministeras Brown hier in Bonn gewechselt wurden. Es genügt nicht, wenn die Bundesregierung erklärt, sie wolle alles in ihren Kräften Stehende tun, um den Beitritt Großbritanniens zu ermöglichen. Das hat in der früheren Regierung der damalige Bundeskanzler Adenauer im Jahre 1963 diesem Hohen Hause auch erklärt, ebenso der damalige Außenminister Schröder. Nein, meine Damen und Herren, beim zweiten Versuch Großbritanniens genügt es nicht zu sagen: „I will see what I can do for you", sondern diese Bundesregierung muß getreu den Beschlüssen dieses Hohen Hauses und unter Ausnutzung des deutschfranzösischen Freundschaftsvertrages alles tun, um ein französisches Veto zu überwinden; denn hier stellt sich eine Grundsatzfrage der künftigen europäischen und der deutschen Politik 'im Hinblick auf Großbritannien.
Lavieren genügt diesmal also nicht! Ich will hier nicht auf die Meldung der britischen Sonntagszeitung „Observer" eingehen und fragen, ob etwas Wahres daran sein könnte. Pressemeldungen allein sollten für die Opposition noch kein Anlaß sein, schon im Hohen Hause offizielle Fragen zu stellen. Daß aber eine große britische Zeitung ein solches Junktim aus dem Unter-vier-Augen-Gespräch des französischen Staatspräsidenten de Gaulle und des deutschen Bundeskanzlers Kiesinger als möglich melden kann, läßt doch die Sorge erkennen, die zum mindesten Teile der britischen öffentlichen Meinung haben, die Sorge nämlich, daß wir uns auch zum zweitenmal nicht mit unserer vollen Kraft für den Beitritt Großbritanniens und damit für eine Ausweitung der EWG auf Großbritannien und die skandinavischen Staaten einsetzen. Wenn sich aber das Verhängnis eines „Nein" Frankreichs zum Beitritt Großbritanniens zum zweitenmal wiederholen sollte, dann sehen wir Freien Demokraten darin nicht nur Gefahren für eine Umorientierung der britischen Politik insgesamt, sondern auch eine drohende Gefahr für eine mögliche Umorientierung der britischen Deutschlandpolitik, falls auch nur der Verdacht bekräftigt werden könnte, wir hätten nicht alles in unseren Kräften Stehende getan, um diesmal das französische Veto zu überwinden.
Europa — das ist die Meinung, die 1957 von den Freien Demokraten hier vertreten wurde und die 1967 wiederholt wird — ist als Sechsergemeinschaft allein auf die Dauer nicht lebensfähig. Europa ist in der Sechsergemeinschaft ein Torso. Europa wird nur lebensfähig werden durch den Beitritt Großbritanniens und der skandinavischen Staaten und die Assoziierung weiterer Staaten, die aus ihrer besonderen politischen Lage nicht Vollmitglied werden können.Es wäre auch zweckmäßig — vielleicht werden die Sprecher meiner Fraktion, die sich noch zu Worte gemeldet haben, darauf eingehen —, einmalgegenüberzustellen, was in diesen zehn Jahren an deutschen Leistungen in die EWG eingebracht wurde, insbesondere auch an materiellen Vorleistungen im Rahmen des Agrarmarktes, und welche Konsequenzen auf die industrielle und gewerbliche Wirtschaft in den zehn Jahren festzustellen sind. Von den politischen Konsequenzen will ich schweigen, denn die sind in der Tat nicht eingetreten. Alle unsere großen Hoffnungen — und wir wünschten, sie wären Realität geworden, Herr Kollege Furler — auf eine politische Union Europas sind zehn Jahre danach immer noch eine Illusion.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Mende hat gemeint, es genüge nicht, wenn die Bundesregierung sage, wie sie es in der Regierungserklärung gesagt hat, sie begrüße den Beitritt Großbritanniens auf der Grundlage der Römischen Verträge, oder wie sie es gesagt hat, als die Engländer hier waren: wir würden das Werk, um das es hier den Engländern und uns Europäern geht, aktiv unterstützen. Damit wir uns klar verstehen, verehrter Herr Dr. Mende: Das ist nicht durch lautstarke Erklärungen getan
und ist auch nicht damit getan, daß man so tut, als könnten wir Deutschen europäische Fragen durch Kraftmeiertum lösen,
sondern das ist nur zu machen, wenn man diejenigen, auf die es ankommt, überzeugt. Dazu gehört — und insofern gibt es diesen Gegensatz nicht und kann ich die Kritik nicht hinnehmen — das Sichbemühen um den französischen Partner. Davon war auch am Schluß dessen, was ich für die Regierung gesagt habe, die Rede.Wenn Sie mir die kritische Nebenbemerkung gestatten, verehrter Herr Dr. Mende: Wenn es um die EWG — ich sehe auch all das, was dort in den letzten Jahren nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen müssen — so schlecht stünde, wie es nach Ihrer Gegenüberstellung stehen müßte, dann würde ich guten Gewissens den Engländern nicht zuraten, sich um die Mitgliedschaft zu bemühen.
Im übrigen darf ich noch einmal auf die Besprechungen in Paris und den englischen Beitritt zurückkommen. Das geht nun weniger auf Äußerungen im Augenblick in diesem Hause zurück als auf das, was sonst immer eifrig verbreitet wird. Wo steht in dem, was die deutsche Regierung verbindlich gesagt hat, eigentlich, daß sie sich einem französischen Nein gegenübersehe? Ich kann nur für mich, für den mir zustehenden Teil der Konsultationen sprechen. Ich kann nur sagen: Der französische Außenminister und ich gingen davon aus: Erst müssen die Engländer in den Hauptstädten
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4394 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Bundesminister Brandtgewesen sein, dann werden wir die Ergebnisse miteinander vergleichen, erörtern und uns schlüssig werden, was nun weiter geschehen soll.Ich habe genau zugehört. Herr Kollege Dr. Mende hat, was die Wochenendzeitung „Observer" angeht, sich nicht zu eigen gemacht, was dort steht, sondern er hat nur gesagt, man müsse sich voller Sorge fragen, wie es zu solchen Meldungen kommen könne. Ich kann dazu nur sagen — und ich wäge meine Worte —: Entweder ist diese große englische Wochenzeitung einer Falschinformation aufgesessen, oder sie macht sich der Brunnenvergiftung schuldig.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf einen Satz des Kollegen Dr. Mende eingehen. Herr Dr. Mende hat gesagt, die EWG der Sechs sei nicht lebensfähig.
Das kann man wohl nicht ganz ernst nehmen.
— Ich nehme gerne Berichtigungen an. Deswegen spreche ich ja davon. Wie meinen Sie es, Herr Dr. Mende? Meinen Sie, das Europa der Sechs mit diesem großen Markt in Europa sei nicht lebensfähig? Gegenüber der Situation, die vorher war, sei das nicht ein wesentlicher Fortschritt?
— Bitte sehr!
Herr Kollege Burgbacher, gestatten Sie die Frage: Sehen Sie in der Sechsergemeinschaft die Endstation europäischer Entwicklung, oder sehen Sie in ihr auch nur einen Torso? Ein Torso ist bekanntlich als ein Europa nicht lebensfähig.
Ich sehe in den Sechs nicht die Endstation, sondern ich sehe in den Sechs einen so hoffnungsvollen Anfang, daß er zu weiteren Entwicklungen berechtigt. Ich sehe in den Sechs eine bessere Situation, als sie vor der Entstehung der Sechs in Europa gewesen ist.
Sie sind nicht als Endstation da, sondern ich bin der Meinung, daß die innere Kraft der Sechs — und alle Vorgänge beweisen es — geradezu so wirkt, wie Sie es gerne haben.
Wie wären denn — das hat der Herr Außenminister eben sehr schön gesagt — die Beitrittsgesuche
— und es sind eine ganze Menge — zu erklären, wenn nicht diese betreffenden Staaten der Meinung wären: Die Entwicklung der Sechs ist so günstig,
daß wir uns bald anschließen müssen, damit der Zug nicht abgefahren ist?
— Bitte!
Herr Kollege Burgbacher, Ihnen ist doch selbstverständlich ebenso klar wie mir, daß sie müssen, weil sich aus der handelspolitischen Verflechtung entweder der Bruch der EWG oder der Zwang einer Zusammenarbeit ergibt.
Dann kann ich nur feststellen, daß wir in großer politischer Weitsicht die Punkte gefunden haben, die dahin führen, daß die anderen die Assoziation und den Beitrag zu Europa so wünschen, wie Sie es auch wünschen.
Die Frage lautete, ob es nicht eine bessere, eine für Deutschland billigere Lösung hätte geben können!
Das ist eine Behauptung von Ihnen, die durch nichts bewiesen ist. Absolut ist nichts. Wenn damals jemand in diesem Hause gesagt hätte: „Im Jahre 1967 werden die Zahlen der EWG so sein, die Beitrittsgesuche werden so sein, und die Assoziationen in Afrika werden so sein", dann wäre er wahrscheinlich — von Ihrer damaligen Haltung aus — als ein Phantast verschrien worden.
Wir dürfen im weltgeschichtlichen Ablauf doch nicht die Pannen der letzten fünf Jahre zum Maßstab aller Dinge machen. Daß die Bundesrepublik in der EWG etwas investiert hat, war nach der Vergangenheit unseres Staates gar nicht anders möglich, wenn wir in dieser EWG der gleichberechtigte Partner in einer neuen Welt sein wollen.
Im übrigen wollen wir doch —
— Also entweder machen Sie Zwischenfragen — ich beantworte sie mit Vergnügen —, oder Sie hören ein bißchen zu; es könnte vielleicht nützlich sein.Ich will nicht in Optimismus machen, in Rosarot oder Euphorie. Dazu liegt keine Veranlassung vor. Aber noch weniger Veranlassung liegt für irgendwelchen Pessimismus vor. Denn was in diesen zehn Jahren erreicht wurde, das ist doch beachtenswert. Die Römischen Verträge — das können wir doch wohl sagen — sind zur guten Hälfte erfüllt; es wurde erfüllt, was sich die Römischen Verträge vorgenommen haben. Natürlich ist festzustellen, daß wir noch große Fragen haben — wie die Fusion der Exekutiven, die länger dauert, als wir es wünschen— und daß auf Gebieten wie dem der Energiepolitik noch eine Unvollkommenheit besteht. Aber der Weg von der Zollunion zur Wirtschaftsunion zeich-
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Dr. Burgbachernet sich klar ab. Allerdings haben wir für diesen Weg jetzt nur noch drei Jahre Zeit, wenn wir es bei der alten Beendigung der Übergangszeit belassen wollen, von 1968 bis 1971. Wir werden in dieser Zeit versuchen müssen, eine gleichgewichtige Entwicklung in den Bereichen der Wirtschaftspolitik und der Sozialpolitik zu erreichen. Das ist leichter gesagt als getan, und es wird auch sicher noch sehr viele Schwierigkeiten machen. Daß aber die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eine weltoffene Gemeinschaftspolitik macht, das ist doch durch ihr ganzes Verhalten, durch ihre ganze Entwicklung absolut bewiesen worden.Der hier erwähnte Skeptizismus, der in der Öffentlichkeit hier und da besteht, und die nicht mehr große öffentliche Begeisterung für Europa stellen sicherlich eine bedauerliche Entwicklung dar. Es liegt nun auch an uns, die Dinge ins richtige Maß zu bringen. Dabei ist, was mich besorgt macht, auf vielen Gebieten innerhalb der Europapolitik leider ein stärkeres Vordringen nationalstaatlicher Überlegungen gegenüber den Gemeinschaftsüberlegungen festzustellen. Das ist in der Tat eine große Sorge, ob sich diese Entwicklung fortsetzt oder ob die europäische Besinnung eintritt.Die Zollunion, die wir praktisch haben, und die Agrarpolitik, die praktisch abgeschlossen ist, sind beide nur voll funktionsfähig, wenn noch weitere Maßnahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik hinzukommen.Die französische Regierung — das möchte ich hier sagen — stand eine ganze Zeitlang in dem Verdacht, sie meine, wenn sie „EWG" sage, nur die europäische Agrarunion und sonst nichts. Es ist ganz klar, daß wir die Agrarunion in der sicheren Erwartung mitgemacht haben, daß die handelspolitische und wirtschaftspolitische Europaunion folgt, und zwar schnell folgt.
— Ich habe ja das Bedenken genannt, das Sie wohl auch gemeint haben. Meiner Ansicht nach sind die Verständigung im Ministerrat über die Umsatzsteuerharmonisierung und die vor kurzem erreichte Gemeinschaftslösung des sogenannten Kokskohleproblems ein Anlaß dafür, daß wir hoffen dürfen, daß sich auch die französische Politik auf dem wirtschaftspolitischen und anderen Gebieten auf die Gemeinschaft besinnt. Ich sehe die franzöische Politik überhaupt so, daß sie der Wirtschaftseinheit, der Wirtschaftsunion nicht nur keine Schwierigkeiten machen wird, sondern daß sie aus der Erkenntnis, daß die EWG auch der französischen Wirtschaft gut bekommen ist, auch die Wirtschaftsunion mitmacht.Eine Gemeinschaft wie die EWG ist auf lange Sicht nur dann richtig gewesen, wenn per Saldo alle beteiligten Länder und Staaten ihre Vorteile hatten. Ich bin der Meinung — ich gebe Ihnen zu, daß auf dem Gebiete der Agrarpolitik bewußt Vorleistungen gemacht wurden —, daß die EWG für unsere industrielle und Handelsentwicklung Vorteile gebracht hat, die größer sind als die Vorleistungen, von denen Sie gesprochen haben. Ich gebe Ihnen auch zu, daß eine statistische Beweisführung darüber natürlichnicht einfach ist; aber die Zuwachsraten der EWG-Länder sind ja wohl im Vergleich zu den Zuwachsraten der anderen industrialisierten Länder in der übrigen Welt ein ernst zu nehmendes Indiz.Bei der Steuerharmonisierung geht es in erster Linie um die Umsatzsteuer und um die Verbrauchsteuern. Bei den Verbrauchsteuern wird ein ganzer Teil mit Einführung der Mehrwertsteuer sozusagen automatisch verschwinden; die übrigen müssen harmonisiert werden.Die europäische Großraumwirtschaft, die schon zu einem beachtlichen Teil vollendet ist, kann natürlich ihre optimalen Wirkungen nur erreichen, wenn sie einen dieser Großraumwirtschaft zugeordneten europäischen Kapitalmarkt hat. Diese Frage des europäischen Kapitalmarkts ist eine Frage, die wir in diesem Flohen Hause bei Beratungen aller unserer Konjunktur- und sonstigen Gesetze ernsthaft in Betracht ziehen müssen.Im Zusammenhang mit der gemeinsamen Handelspolitik möchte ich darauf hinweisen, daß die Mitglieder der Gemeinschaft nicht mehr völlig frei sind in ihrer Außenpolitik; diese soll ja auch auf die EWG übergehen. Bis jetzt ist sie allerdings nur im Bereich der Agrarprodukte in der EWG wirksam geworden. Bei Agrarprodukten, etwa für Importe aus Ostblockländern, ist Partner nicht mehr die Bundesrepublik, sondern die EWG-Kommission. Das müssen wir bei der Neuorientierung unserer Außenpolitik gerade auf diesem Gebiet sehr ernst in Betracht ziehen. Wir werden Liberalisierungslisten für den Handel mit Staatshandelsländern aufstellen müssen. Ob wir dabei bei Lizenzen und Kontingenten bleiben, scheint mir zweifelhaft. Aber irgendeine Ordnung muß in die handelspolitischen Beziehungen zu den Ostblockstaaten gebracht werden. Aus dem Kinde kann, wie man zu sagen pflegt, sehr viel werden.Nun hat die EWG-Kommission ein Programm für eine mittelfristige Wirtschaftspolitik aufgestellt. Dieses Programm beschäftigt sich mit den öffentlichen Investitionen, der Beschäftigungspolitik, der Regionalpolitik, den Strukturmaßnahmen, der Produktionsbeeinflussung, der Nachfragebeeinflussung und der Fiskalpolitik. Allen Kollegen, die an dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums mitarbeiten, sind das geläufige Begriffe. Das bedeutet also, daß die Probleme der mittelfristigen Wirtschaftspolitik in der EWG und unsere Probleme für die Bundesrepubik in den Grundzügen identisch sind.Wir zerbrechen uns den Kopf über außenwirtschaftliche Absicherung von Stabilität und Wachstum. Dabei ist wohl nicht allen von uns bewußt, in welch hohem Maße bereits heute der Ablauf der Volkswirtschaft in der Bundesrepublik abhängig ist von dem Ablauf im EWG-Raum. Das heißt, die Interdependenz der nicht mehr voll souveränen deutschen Volkswirtschaft mit der noch nicht vollendeten EWG-Volkswirtschaft wird ein dauernder Bestandteil unserer Wirtschaftspolitik sein müssen. Ja, noch mehr: wir werden in unserer Europapolitik dafür eintreten müssen, daß die EWG-Kommission
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Dr. Burgbacherund der Ministerrat auf den genannten Gebieten wirtschaftspolitischer Betätigung Werkzeuge bekommen, mit denen sie die Voraussetzungen dafür schaffen können, daß diese Gebiete im EWG-Raum von den sechs Ländern einheitlich behandelt werden. Andernfalls können auch die besten Gesetze eines Landes durch die Interdependenz mit der EWG-Volkswirtschaft in Frage gestellt werden. Wir müssen also diesen Weg eines Überganges von den nationalen Volkswirtschaften auf die europäische Volkswirtschaft auf diesen Gebieten konkret entwickeln, weil nur dann eine gemeinsame Konjunkturpolitik möglich ist.Nun erlauben Sie mir noch einige Bemerkungen zur Kennedyrunde. Ich bin für den Erfolg der Kennedyrunde, nur weiß ich nicht, wieweit alle, die davon sprechen, die wichtigste Problematik der Kennedyrunde kennen. Auf eine sehr einfache Formel gebracht: Bei Zollsätzen von 30 % ist eine fünfzigprozentige Senkung, d. h. auf 15 %, für den internationalen Wettbewerb ein vollkommen uninteressanter Vorgang. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, die USA seien ein Niedrigzolland. Der EWG-Markt ist durch Harmonisierung und Abbau der Zölle Niedrigzolland geworden.Die 50%ige Senkung als Richtlinie ist besser als nichts. Aber überall da, wo Hochzölle sind, ist sie absolut keine Lösung im Sinne einer echten Liberalisierung.
Das Problem der Kennedy-Runde spitzt sich also nicht auf den Leitsatz von 50 % zu, sondern auf die Regelung der Ausnahmen. Gerade an der Regelung der Ausnahmen sind wir als Exporteur nach den USA brennend interessiert. Es bedarf keiner Prophetie, um zu sagen, daß die USA Hochzölle da gemacht haben, wo sie die Konkurrenz aus Europa gefürchtet haben. Deshalb geht es primär um die Ausnahmezölle, d. h. um die Reduktion der Hochzölle, und dann erst um die 50%ige Senkung. Dabei gibt es noch andere Dinge, die nicht unmittelbar Zolltariffragen sind, die aber die Sicherheit eines Importvertrages über deutsche oder EWG-Waren in die USA problematisch machen und auf die ich jetzt im einzelnen nicht näher eingehen will.Das Wichtigste also, das, worauf ich aufmerksam machen möchte, ist, daß die deutsche Volkswirtschaft bei all ihren Gesetzen aus diesem Hause die Interdependenz des Wirtschaftsablaufs der Bundesrepublik mit dem Wirtschaftsablauf der EWG in Betracht ziehen muß. Die konjunkturpolitischen Maßnahmen, die wir für richtig halten, sind nur dann zum Teil außenwirtschaftlich abgesichert, wenn die gleichen Richtlinien für die Konjunkturpolitik in der EWG gültiges Recht geworden sind. Dazu gehört nicht nur der Handel, sondern auch die ständige Konferenz der Notenbankpräsidenten der sechs Länder der Gemeinschaft zur Abstimmung aller mit der Währungspolitik, mit der Währungsstabilität, mit den Wechselkursen zusammenhängenden Fragen. Wir sind noch nicht so weit, daß wir eine einheitliche Notenbank haben können. Wir können aber in der Zeit bis dahin nicht die Hände in den Schoß legen, sondern müssen diese Dinge innerhalb der EWG-Notenbanken sehr sorgfältig entwickeln und durch Konsultation und Abstimmung schließlich einmal der Lösung zuführen.Was Großbritannien betrifft, ist genug gesagt worden. Da stehe ich auf dem Standpunkt, den der Bundeskanzler und der Herr Bundesaußenminister vertreten, und habe dem nichts hinzuzufügen.Wichtig ist noch Euratom. Ich erlaube mir, sozusagen die Frage an die Vereinigten Staaten zu stellen, wie sie ihre verbindlichen Abmachungen mit Euratom mit den bis jetzt bekannten Gedanken zum Atomsperrvertrag in Übereinstimmung bringen wollen. Es ist schon von Kollegen Furler gesagt worden: Die Grundidee für die Geburt der Euratom ist dieselbe wie die für den Atomsperrvertrag. Sie hat also eine Priorität, sie besteht schon. Die sechs Länder sollten also — wiederum ist das Problem Frankreich — in der Frage des Atomsperrvertrags eine Euratom-Haltung einnehmen. Dann wäre eine ganze Menge unserer Bedenken gegen die Auswirkungen der Kontrollen beseitigt.Ich bin dankbar, daß diese Debatte heute war und noch ist. Was den beantragten Bericht betrifft, so wird er sicher sehr nützlich sein. Ich werfe nur die Frage auf, ob statt des Halbjahresberichts nicht ein Jahresbericht genügen würde; denn wir werden ja mit so vielen Berichten eingedeckt und zugedeckt. Schließlich müssen unsere Ministerien auch noch wesentlich andere Dinge als Berichte machen. Ich werfe diese Frage hier nur auf, ohne damit sagen zu wollen, daß es eine entscheidende Frage sei.Ich bin der Meinung, daß sich die EWG weiter entwickeln wird, daß sie immer größer werden wird, daß auch das englische Problem gelöst werden muß, daß noch mehr Länder beitreten sollten und daß in den Beziehungen zu den Staatshandelsländern in Zukunft auch die EWG eine große Rolle spielen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat sich ein wenig auf die Frage zugespitzt, ob die EWG einen Wert habe oder nicht. Wenn wir realistisch denken, müssen wir feststellen — das darf zunächst einmal gesagt werden —, daß die EWG existiert und daß sie ein Stück europäischer Integration ist, jedenfalls in bezug auf die sechs Länder, die an der EWG und den übrigen Europäischen Gemeinschaften beteiligt sind. Daran läßt sich nichts abdiskutieren; das ist eine Tatsache.Wir sehen ja, wie lebensfähig die EWG ist. Sie hat ihre Organe. Sie hat die Möglichkeit, durch diese Organe zu handeln. Es ist gar kein Zweifel, daß sie ein Völkerrechtssubjekt ist, ein Völkerrechtssubjekt, das den Mitgliedstaaten sogar selbständig gegenübersteht.Ich darf in Klammern bemerken — das ist das einzige, was ich zu Euratom-Fragen sagen will —,
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Metzgerdaß manchmal übersehen wird, daß sowohl die EWG als auch die Euratom-Gemeinschaft eigene Völkerrechtssubjekte sind. Daraus ergeben sich Konsequenzen, die bei den Diskussionen oft vergessen werden. Im übrigen will ich zu dem Thema nichts sagen, weil wir den Vertrag gar nicht kennen. Ich halte es nicht für sehr fruchtbar, über Dinge zu reden, die man noch nicht genügend kennt. Daß im übrigen die Bundesregierung — das haben wir oft genug gehört — sich bemüht, Bedenken, da wo sie vorhanden sind, aus dem Wege zu räumen, ist selbstverständlich. Dazu wird die Bundesregierung auch unsere Unterstützung haben. Aber das nur in Klammern.Ich gehe davon aus: Die EWG ist ein integrierter Bestandteil Europas, ist ein eigenes Völkerrechtssubjekt, das handlungsfähig ist. Das ist auch insofern von Bedeutung, als es Leute gibt, die den Standpunkt vertreten, daß eine Integration nicht möglich, nicht erlaubt sei. Wer so argumentiert, wer so tut, als wenn er sie verhindern wollte, geht an der Wirklichkeit vorbei. Denn es kann sich allein um die Frage drehen, ob die Integration rückgängig gemacht oder weiterentwickelt werden soll. Wer sie rückgängig machen will, verstößt gegen den Vertrag von Rom. Auch darüber kann es keinen Zweifel geben.Im übrigen wird die Integration überall da, wo auf der EWG-Ebene irgend etwas getan wird, weiter gefördert. Ob man irgendeine Marktordnung erläßt oder sonst eine Regelung trifft, die Integration wird dadurch gestärkt. Wenn z. B. der landwirtschaftliche Markt vervollkommnet werden soll — das ist schon weithin geschehen —, so wird auch insofern die Integration gefördert und ist gefördert worden.Manch einer, der gegen die Integration ist, befindet sich in der Zwangslage, etwas zu wollen, etwas zu erreichen, was in Wirklichkeit, wenn auch gegen seinen Willen, Integration bedeutet. Denn jede Maßnahme auf landwirtschaftlichem oder sonstigem Gebiet bedeutet natürlich zu gleicher Zeit auch Stärkung der Kommission, die ja auf dem Gebiet tätig werden muß, die aber das Organ der Gemeinschaft ist, das neben dem Parlament am stärksten supranational eingestellt ist.Aber ich will über die EWG auch ein paar Worte unter dem Gesichtspunkt verlieren, daß wir ja vor der Frage des Beitritts Großbritanniens stehen. Ich will davon sprechen, daß — wie das ja auch von dem Herrn Außenminister gesagt worden ist — auch unser eigenes nationales Interesse diesen Beitritt Großbritanniens verlangt. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Römischen Vertrag und die anderen Gemeinschaftsverträge in der Überzeugung geschlossen, daß die Einheit Europas eine Notwendigkeit ist. Sie hat sich dabei Vorteile für unser eigenes Land und für Europa versprochen. Sie hat aber zu gleicher Zeit und mit vollem Bewußtsein in Kauf genommen, daß sie auch Opfer bringen muß und daß Konzessionen gemacht werden müssen. Der Ausgangspunkt der europäischen Arbeit, der Ausgangspunkt der Verhandlungen über den Römischen Vertrag war der, daß man sich geeinigt hat, indem einzelne auch Opfer übernommen haben und Konzessionen zu machen bereit waren.Mir scheint das wichtig zu sein, und mir scheint es wichtig zu sein, das auch einigen Partnern der EWG ins Gedächtnis zu rufen. Ich erinnere daran, daß z. B. die Frage der Assoziierung der überseeischen Gebiete keineswegs eine von vornherein entschiedene Frage war. Diese Assoziierung ist vor allen Dingen auf Drängen eines bestimmten Partners erfolgt. Das sind die Gebiete gewesen, die damals Kolonialgebiete waren. Das, was in Art. 131 des Römischen Vertrags schamhaft mit „besondere Beziehungen" bezeichnet wird, heißt nichts anderes als „Kolonialgebiete".Die Bundesrepublik Deutschland hat mit vollem Bewußtsein auch hier an Frankreich eine Konzession gemacht und hat die Lasten mit übernommen, die mit dieser Assoziierung verbunden sind. Allerdings sind wir uns dann auch darüber im klaren gewesen — und wir haben das damals auch hier zum Ausdruck gebracht —, daß wir zu gleicher Zeit natürlich diesen Ländern in Afrika und in den überseeischen Gebieten helfen wollen, nicht nur, wie es im Vertrag steht, in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Beziehung, sondern auch in der Weise, daß wir ihnen zu ihrer Souveränität verhelfen wollen. Das haben wir gerade hier besonders betont. Wir haben also auch durchaus Gesichtspunkte dabei mit ins Feld geführt, die im Interesse dieser Länder liegen. Aber es darf nicht übersehen werden: der Ausgangspunkt war die Bitte eines Partners der werdenden EWG, der verlangt hat, daß andere Konzessionen machten und Opfer übernahmen,Wenn das so ist, dann bedeutet das, daß sich auch andere jetzt die Frage sehr ernst überlegen müssen, daß jeder Partner sich die Frage überlegen muß, ob man nicht da, wo das Interesse eines Partners es verlangt, dann auch Konzessionen macht. Das gilt also z. B. für die Frage des Beitritts Großbritanniens. Wir haben gesehen, daß Großbritannien bereit ist, der EWG beizutreten unter Bejahung des Römischen Vertrags und — wie uns weiter gesagt worden ist — unter Bejahung der Tatsache, daß inzwischen eine ganze Reihe von Verfügungen, Anordnungen, Verordnungen usw. ergangen sind. Großbritannien hat nur den Wunsch, den sehr verständlichen Wunsch, daß Übergangsbestimumngen angenommen werden, und auch da ist Großbritannien genau in der gleichen Lage wie die Partner der EWG bei Abschluß des Vertrags, wo ja auch Rücksicht genommen worden ist auf die besondere Situation der einzelnen Partner. Ich erinnere in diesem Zusammenhang wieder an die Frage der Assoziierung der überseeischen Gebiete.Der Vertrag selbst ist auf Fortentwicklung angelegt. Die Fortentwicklung bezieht sich auf den inneren Aufbau der EWG, und das ergibt sich aus dem Vertrag. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Vorschriften zwingender Art. Da m ü s s en die Dinge getan werden, und sie sind zum großen Teil auch getan worden. Damit ist die Integration stärker und stärker geworden, und das ist eine Realität, die man einfach nicht abstreiten kann, Herr Kollege Mende.4398 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode —96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967MetzgerDie EWG ist in ihrer Fortentwicklung aber auch angelegt auf eine geographische Ausweitung, und es ist keineswegs so, daß das eine Frage ist, die einfach ins Belieben der Partner gestellt ist. Zwar gibt es keinen juristischen Zwang — von einem. anderen Zwang rede ich nicht —, der eines der Mitgliedsländer veranlassen könnte, einem Beitritt eines bestimmten Landes zuzustimmen. Aber es gibt ja in dem Vertrag ein gewisses Gefälle, das dazu führt, daß man ein gewisses Verhalten an den Tag legen will, wenn man den Vertrag bejaht und. wenn man erklärt, daß man vertragstreu sein will. Das haben alle Partner immer wieder betont. Wenn .man das erklärt, dann ist es klar, daß man auch nach dem Sinn des Vertrags handeln muß.Und was den Beitritt anbelangt, so sagt der Art. 237 des Römischen Vertrages: „Jeder europäische Staat kann beantragen, Mitglied der Gemeinschaft zu werden." Wenn das schon einmal im Vertrag steht, so gehen doch die Vertragspartner von der Voraussetzung aus, daß europäische Staaten, sofern sie Inhalt und Ziel des Vertrages bejahen — das steht ja auch noch darin —, erwünscht sind, daß man also alles tun soll, um die Mitgliedschaft dieser europäischen Staaten zu erringen.Daß das richtig ist, ergibt sich aus der Präambel des Vertrages, die ja auch oft genug übersehen wird. In der Präambel steht nämlich die Aufforderung an die anderen Völker Europas, „die sich zu dem gleichen hohen Ziel bekennen, sich diesen Bestrebungen anzuschließen". Ein Vertrag, der andere auffordert, sich diesen Bestrebungen anzuschließen, und der an anderer Stelle die Möglichkeit gibt, daß diese Völker bzw. ihre Regierungen einen Antrag stellen, will den Anschluß, will den Beitritt. Es entspricht durchaus dem Sinn des Vertrages, daß man dementsprechend handelt, d. h. daß man da, wo europäische Staaten willens sind, beizutreten, und wo sie keine unannehmbaren Bedingungen stellen, ihrem Antrag stattgibt.Es ist deutlich betont worden, daß für uns als Bundesrepublik ein eigenes Interesse eine entscheidende Rolle spielt. Es ist darauf hingewiesen worden — ich brauche das nicht mehr auszuführen —, wie stark der Beitritt Großbritanniens mit der Frage EFTA überhaupt zusammenhängt. Es darf darauf hingewiesen werden — es ist schon gesagt worden —, daß allein in die EFTA für 9 Milliarden DM Waren ausgeführt werden, und die Bundesrepublik ist daran in besonderem Maße beteiligt. Auch da zeigt es sich, daß, nachdem der agrarische Sektor weitgehend wohlwollend behandelt worden ist, gerade auch vom industriellen Sektor her ein lebhaftes Interesse des Industriestaates Bundesrepublik daran besteht, daß die Gemeinschaft erweitert wird, daß Großbritannien hinzukommt und daß im Gefolge auch die EFTA-Staaten entweder durch Beitritt oder durch Assoziation zum Gemeinsamen Markt kommen. Das muß einfach gesehen werden. Es geht nicht so, daß man — das ist ja auch eine Frage des Gleichgewichts — die Interessen der landwirtschaftlich Orientierten bis zum letzten Buchstaben berücksichtigt, die Interessen der industriell Interessierten aber doch weitgehend zurückschiebt. Wie gesagt:die Frage= der industriell' Interessierten und die Frage des Beitritts Großbritanniens stehen in einem engen Zusammenhang.Daraus ergibt sich ganz ohne Zweifel dieses Interesse. Ich glaube, das müßte den Partnern auch deutlich gemacht werden. Es müßte vor allen Dingen auch darauf verwiesen werden, daß bereits Opfer gebracht worden sind, und zwar gerade auch im Interesse anderer Partner, und daß man,' abgesehen von dem Sinn des Vertrages, auch von da her gesehen -ein entsprechendes Handeln erwarten kann. Die englische Regierung hat sich ja nicht nur in bezug auf die wirtschaftlichen Fragen geäußert. Die englische Regierung und Wilson haben erklärt, daß sie den Römischen Vertrag bejahen. Das bedeutet, daß sie auch das bejahen, was in diesem Vertrag an Integrationselementen enthalten ist. In seiner Straßburger Rede hat Wilson erklärt: Wird eine Erweiterung der Gemeinschaft zu ihrer Schwächung oder zu einer Verwässerung ihrer gegenwärtigen Zielsetzung und ihrer Institutionen führen? Ich lege Wert darauf, daß man das Wort „Institutionen" hört. Herrn Kollegen von Merkatz möchte ich sagen: hier ergibt sich deutlich, in welche Richtung die britische Regierung denkt; denn wenn sie die Institutionen bejaht, d. h. die Organe, die die EWG handlungsfähig gemacht haben und die Voraussetzung für die Integrierung sind, dann bejaht sie natürlich auch genau das, wonach Sie, Herr Kollege von Merkatz, gefragt haben. Da muß man sich die Mühe geben, die Worte genau zu wägen. Unter Umständen muß man auch zwischen den Zeilen lesen, man muß hören, was da bejaht wird und was von uns aus mit Recht gefordert wird.Über das Verhältnis der EWG zu Großbritannien und zur EFTA habe ich schon gesprochen. Das muß im Zusammenhang gesehen werden. Hier ist darauf hingewiesen worden, wie sehr wir daran interessiert sind, daß auch die anderen Länder der EFTA in ein entsprechendes Verhältnis zur EWG kommen. Das EFTA-Land Osterreich befindet sich im Augenblick in Verhandlungen mit der EWG. Wir als sozialistische Fraktion können nur wünschen, daß die Assoziierung gelingt. Ein Handelsvertrag reicht nicht aus. Wir sollten ruhig den Schritt wagen. Wenn Osterreich die Assoziierung will — und es will sie ja —, sollten wir auch dazu kommen. Bei den skandinavischen Staaten besteht das gleiche Interesse; das habe ich schon betont.Zur Frage des Beitritts Großbritanniens möchte ich noch einmal deutlich sagen, was wir wollen, und mich dabei auf die Entschließung beziehen, die der 7. Kongreß der Sozialdemokratischen Parteien der Europäischen Gemeinschaft in Berlin 'im November 1966 gefaßt hat; denn das ist unsere Auffassung. Dort heißt es:Der Kongreß begrüßt mit Genugtuung die Erklärung des britischen Premierministers Wilson, die Römischen Verträge zu akzeptieren, und erwartet von dem Beitritt Großbritanniens eine nachdrückliche Stärkung der Gemeinschaft.— Eine Frage, die Wilson in Straßburg gestellt und bejaht hat. —
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MetzgerDie politische und wirtschaftliche Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber Europa verlangt, daß die Gemeinschaft in den wirtschaftlichen Sachfragen gegenüber den beitrittswilligen Staaten durch die Gewährung angemessener Übergangsregelungen und -fristen Entgegenkommen und Flexibilität entgegenbringt.— Das ist genau der Punkt, über den mit den Vertretern Großbritanniens gesprochen worden ist. —Sonderregelungen müssen dabei nach Lage der Dinge ebenso möglich sein, wie sie es zwischen den Sechs waren.Was zwischen den Sechs war, habe ich an einem Beispiel gezeigt. Ich könnte hier noch andere Beispiele anführen; ich könnte das an der Frage der Assoziierung der überseeischen Gebiete deutlich machen.Was Österreich anlangt — um das noch nachzuholen —, stammt die Hälfte seiner Einfuhren aus der Gemeinschaft, und davon kommen wieder die meisten Einfuhren aus der Bundesrepublik Deutschland. Bei uns liegt also ein wirtschaftliches Interesse vor, ganz abgesehen von den politischen Fragen, über die ich jetzt nicht ausführlich sprechen will. Sie spielen auch insofern eine Rolle, als wir kein Interesse daran haben können, daß die Orientierung Osterreichs nach Westen in eine andere Richtung abgelenkt wird. Das darf immerhin nicht übersehen werden.Im Augenblick werden andere Assoziierungsverhandlungen geführt. In bezug auf Marokko und Tunesien gibt es in dem Römischen Vertrag eine Absichtserklärung, die sich auf die Länder der Franken-Zone bezieht, also vor allem auf Marokko und Tunesien. In dieser Absichtserklärung, die Teil des Römischen Vertrages geworden ist, steht, daß die Regierungen, die den Vertrag geschlossen haben, in Verhandlungen über den Abschluß von Übereinkünften zur wirtschaftlichen Assoziierung mit der Gemeinschaft eintreten wollen. Einerlei wie man das juristisch qualifiziert, hier besteht ohne Zweifel eine Verpflichtung der Gemeinschaft, Assoziierungsverhandlungen zu führen, und zwar mit dem Ziel, einen Erfolg zu haben.Die gleiche Frage stellt sich für Algerien, das damals, als der Römische Vertrag geschlossen wurde, noch ein Teil des Mutterlandes Frankreich war. Inzwischen ist es selbständig geworden. Aber für Algerien taucht die gleiche Frage auf wie für Marokko und Tunesien.Vielleicht sollte bei der Gelegenheit auch mit allem Nachdruck betont werden: Wenn schon die Frage der Assoziierung der Mittelmeerländer akut ist und gelöst werden muß, so ist eine andere Frage genau so akut, nämlich die Frage Israel. Israel ist das Land, das mit bei den ersten war, die die Verbindung zur EWG gesucht haben. Es hatte schon seit langem — vor vielen Jahren schon — die Absicht, in eine Assoziierung zur EWG einzutreten. Man hat ihm das ausgeredet. Als es dann an den Abschluß eines Handelsvertrages ging, hat man die GATT-Einwendungen vorgetragen und hatIsrael einen außerordentlich mageren Handelsvertrag gegeben.Israel liegt — im möchte beinahe sagen: zufälligerweise — nicht auf europäischem Boden. Daß Israel seiner ganzen Geisteshaltung nach europäisch ist, auch wenn es auf asiatischem Boden liegt, daß es ferner kulturelle Beziehungen und Handelsverbindungen zu Europa hat, darüber kann nicht gestritten werden. Insofern liegt hier also sogar noch ein ganz besonders ernsthafter Fall vor. Wenn schon Assoziierungen im Mittelmeerraum vorgenommen werden, dann ist es unmöglich, Israel noch einmal in der Weise abzuspeisen, wie das geschehen ist. Die sozialdemokratische Fraktion steht auf dem Standpunkt, daß aus vielen Gründen — auch aus moralischen Gründen — eine Verpflichtung besteht, die Assoziierungsverhandlungen mit Israel, die jetzt auf Antrag Israels wieder eingeleitet worden sind, zu einem Erfolg zu führen.Es ist dann noch die Rede von Nigeria gewesen. Der Assoziierungsvertrag liegt bereits vor. Die Assoziierung wird demnächst auch perfekt werden. Interessant dabei ist, daß sich Nigeria nicht etwa dem Vertrag von Jaunde angeschlossen hat. Das ist der Vertrag, der mit 18 afrikanischen Staaten und Madagaskar geschlossen worden ist. In diesem Vertrag ist ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, daß andere Staaten gleicher Art, also vor allen Dingen afrikanische Staaten, sich diesem Assoziierungsvertrag oder dem Vertrag, der die Assoziierung modifiziert, anschließen. Der richtige Gedanke dabei war, daß man im Interesse der Einheit Afrikas dafür sorgen sollte, daß möglichst viele afrikanische Staaten an den Wohltaten einer Assoziierung — verbunden auch mit den Mitteln aus dem Entwicklungsfonds usw. — teilnehmen können.Nigeria hat zwar einen großen Teil der Bestimmungen des Jaunde-Vertrages übernommen, hat sich selbst dem Vertrag aber nicht angeschlossen. Allerdings ist in dem Vertrag mit Nigeria vereinbart, daß er am 1. Juni 1969 ausläuft, d. h. genau zu dem gleichen Zeitpunkt, zu dem der Jaunde-Vertrag ausläuft. Man hat also durchaus die Möglichkeit offengelassen, daß bei einer neuen vertraglichen Regelung Nigeria und — wie man hoffen darf — auch andere afrikanische Staaten sich an einem solchen Vertrag mit beteiligen.Zum Entwicklungsfonds will ich nur noch eine kurze Bemerkung machen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß wir über ein Drittel der Beträge sowohl in den ersten als auch in den zweiten Entwicklungsfonds einzahlen und daß unsere Wirtschaft nicht in der Weise beteiligt ist, wie man das eigentlich erwarten könnte. Bei der Gründung des Entwicklungsfonds waren die Verhältnisse noch sehr viel schlechter. Immerhin haben wir jetzt eine Beteiligung der deutschen Wirtschaft an diesen Mitteln in Höhe von 9%. Mit Recht ist die Aufforderung an die Regierung ergangen, sich um die Herbeiführung einer Änderung zu bemühen.Es ist aber auch schon mit Recht gesagt worden, , daß sich die deutsche Wirtschaft selbst überlegen
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Metzgermüsse, wie sie aktiver werden könnte. Der Herr Außenminister hat erklärt, daß er ebenso wie die Bundesregierung eine solche Aktivität unterstützen werde. Dazu kann man nur sagen: Es ist zu wünschen, daß diese Unterstützung auch angenommen und verifiziert wird. In Afrika kann man oft genug erleben, wie schwierig es für deutsche Firmen ist, vor allen Dingen an Bauarbeiten beteiligt zu werden. Wenn es ihnen einmal gelungen ist, irgendwelche Arbeiten zu bekommen, kommt es — das muß man auch mit aller Offenheit sagen — vor, daß ihnen die bereits ansässigen nichtdeutschen Firmen Knüppel zwischen die Beine werfen. Es geht ja nicht nur davon aus, daß der Fonds selbst nicht genügend tut, sondern es geht auch davon aus, daß Firmen aus anderen Mitgliedstaaten keineswegs entzückt darüber sind, daß plötzlich deutsche Firmen auftauchen. Daß da Konkurrenzneid vorhanden ist, ist menschlich verständlich. Aber man muß die Tatsachen sehen und muß auch da helfen, daß eine neue Haltung entsteht. Denn wenn schon die EWG eine Gemeinschaft ist, dann muß auch auf diesen Märkten in Afrika und in den Entwicklungsgebieten gemeinsam gearbeitet werden und muß jedem Mitgliedstaat und den Angehörigen jedes Mitgliedstaates die Möglichkeit gegeben werden, sich zu entfalten, mitzuhelfen und mitzuarbeiten. Es hat sich gezeigt: da, wo deutsche Industrielle den Mut hatten, durchzuhalten, auch gegen die Widerwärtigkeiten des täglichen Lebens, sind sie erfolgreich gewesen. Deswegen ist, glaube ich, die Aufforderung an unsere Industrie richtig, in einer freien Wirtschaft, die ja von der freien Initiative ,ausgeht, auch auf diesem Gebiet Initiative zu entfalten. Die Beziehungen Europa-Afrika sind ja Beziehungen auf lange Sicht, und das, was an Entwicklungshilfe geleistet wird, ist ja nicht nur eine Frage der Humanität; auch und nicht zuletzt eine Frage der Humanität, aber doch zu gleicher Zeit eine Frage der Herstellung von Verbindungen, die nach einer gewissen Zeit auch für unsere wirtschaftliche Entwicklung von allergrößter Bedeutung sein werden. Auch das sollten wir also deutlich sehen.Zur Frage der Zuständigkeit des Parlaments ist schon einiges gesagt worden. Ich darf mich auch hier auf das beziehen, was auf der 7. Konferenz der Sozialdemokratischen Partei in Berlin im November gesagt worden ist. Da haben wir erklärt, daß sich die Frage der Zuständigkeit des Parlaments spätestens in dem Augenblick erneut stellen wird, wo die Frage des Landwirtschaftlichen Ausrichtungs-und Garantiefonds wieder zur Debatte steht, d. h. also im Jahre 1969/70. Dann müssen neue Entscheidungen getroffen werden, und wir sind durchaus auch frei, nach der einen oder anderen Richtung mehr zu arbeiten. Wir sind willens, auch unsere moralischen Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erfüllen, auch da, wo sie uns nicht unmittelbar zugute kommen, weil wir das Ganze im Auge haben. Aber es muß erwartet werden, daß dann auch die anderen notwendigen Dinge geschehen und, auch das ist eine Frage des politischen Gleichgewichts, ob das Parlament hier auf die Dauer etwas mitzureden hat oder nicht. Wir haben gehört: in diesem Fonds werden Milliarden sein und sind jetzt schon ganz hohe Beträge. Daß die im Grunde genommenvon einem kleinen Kreis von Bürokraten verwaltet und ausgegeben werden, ist auf die Dauer ein völlig unmöglicher Zustand. Daß hier die Frage der Zuständigkeit des Parlaments sich geradezu aufdrängt und daß sie erneut behandelt werden muß — ich sagte schon: spätestens 1969/70 —, ist ebenso klar.Ich möchte aber wiederholen: die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist — wir wollen gar nicht in Euphorie machen, und ich glaube, niemand hat diese Absicht — bei aller Kritik — die berechtigt ist, daran ist gar kein Zweifel — vorhanden, und die Frage, die von Herrn Burgbacher gestellt und die nicht beantwortet worden ist, ob es besser wäre, wenn die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft nicht da wäre, ist eindeutig zu verneinen, abgesehen davon, daß auch niemand irgendeinen Gedanken geäußert hat, wie denn die Lösung anders hätte gefunden werden können. Wir müssen den Weg der Integration gehen. Ich gebe Herrn Mende völlig recht: wir können uns nicht damit zufriedengeben, daß die Sechs diese Europäische Wirtschaftsgemeinschaft allein aufbauen. Der Kreis der Verantwortlichen muß weiter gezogen werden. Deswegen unsere klare Haltung in bezug auf Großbritannien und auch in bezug auf andere Fragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Staratzke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Großen Anfrage der Fraktion der SPD über das komplexe Thema der Europa-Politik ist — das möchte ich hier einmal besonders herausstellen — in dem Blumenstrauß von Fragen doch ohne Zweifel die berechtigte Sorge um die Zukunft dieses Europas deutlich zu verspüren, und ich glaube auch, daß die Kollegen Dr. Apel und Dr. Schulz — vielleicht der eine mehr, der andere weniger — hier deutlich gemacht haben, daß eine Sorge anzumelden ist. Wir Freien Demokraten teilen diese Sorge, weil wir der Meinung sind, daß es nun an der Zeit ist, daß eine Beschleunigung einsetzt, um nicht in einer Zollunion steckenzubleiben, um nicht die Wirtschaftsunion praktisch in einer Zollunion verkümmern zu lassen.Über den rein politischen Teil ist genügend gesagt worden; Herr Kollege Dr. Mende hat den Standpunkt der Freien Demokraten zum Ausdruck gebracht, auch zu der Frage des Beitritts Großbritanniens. Hierüber sind wir uns, glaube ich, klar. Ich möchte der vorgeschrittenen Zeit wegen nichts weiter tun, als auf einigen wirtschaftspolitischen Gebieten realistisch die Dinge zu schildern; denn ich meine, es tut der Bundesregierung und auch diesem Hohen Hause gut, wenn wir hier von ganz realistischen Betrachtungen ausgehen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich rein von der wirtschaftspolitischen Seite aus eine Schilderung dieses Gemeinsamen Marktes geben sollte, dann müßte ich sagen, wir werden im nächsten Jahr eine Zollunion der sechs EWG-Länder haben und wir werden vermutlich im nächsten Jahr
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4401
Dr. Staratzkeeinen, wie wir auch heute wieder gehört haben, in mancherlei Hinsicht außerordentlich kritisch zu betrachtenden, weitgehend durch die Bundesrepublik vorgeleisteten Agrarmarkt haben. Das sind die Tatbestände, und ich meine, heute sollte die Frage gestellt werden — uns interessiert diese Frage —, ob die EWG nun im Zustand einer Zollunion verkümmern soll oder ob sie doch noch das große gemeinsame Wirtschaftsgebiet von etwa 200 Millionen Verbrauchern werden kann, das denen vorgeschwebt hat, die den Vertrag von Rom geschlossen haben.Eine Zollunion ist nichts weiter als die Abschaffung der Binnenzölle innerhalb der EWG und die Anwendung gemeinsamer Außenzölle gegenüber dritten Ländern. Diese Stufe wird, wie wir alle wissen, voraussichtlich am 1. Juli 1968 erreicht sein. Sie ist dann aber — und das darf ich besonders betonen — nur ein allererster Schritt auf dem Wege zum Gemeinsamen Markt, der nach unserer Meinung sehr viel anspruchsvollere Voraussetzungen haben muß. Ein Gemeinsamer Markt fordert nämlich, daß binnenmarktähnliche Verhältnisse für alle in diesem Gebiet Tätigen herrschen. Davon sind wir aber sehr weit entfernt. Es ist unbestreitbar, meine Damen und Herren, daß gerade mit den Zöllen, die bisher bestanden haben, ein Teil der Wettbewerbsunterschiede, die den internationalen Handel stören, ausgeglichen wurde. Der selbstverständlich zu begrüßende Abbau dieser Binnenzölle fördert nun aber andererseits Wettbewerbsnachteile und Wettbewerbsverzerrungen, die vorher verdeckt waren, zutage — das möchte ich in aller Offenheit sagen —, leider sehr stark zum Nachteil der gesamten deutschen Wirtschaft.
Meine Damen und Herren, ich bin mir selbstverständlich bewußt — und ich glaube, jeder in diesem Hause —, daß das Zusammenwachsen von sechs Nationalstaaten mit zusammen zirka 200 Millionen Verbrauchern und mit der Abgabe von Kompetenzen seitens der Nationalstaaten an diesen Gemeinsamen Markt seine Zeit braucht. Die Geschichte hat dies immer wieder bewiesen — Deutscher Zollverein usw. —, daß hierfür eine gewisse Zeit gebraucht wird. Aber es sind zehn Jahre ins Land gegangen, und der rasante technische und wirtschaftliche Fortschritt in der heutigen Zeit erfordert auf diesem Felde des Zusammenwachsens Beschleunigung.Ich sprach von binnenmarktähnlichen Verhältnissen. Diese binnenmarktähnlichen Verhältnisse liegen aber nur dann vor, wenn eine wirklich harmonisierte Wirtschaftspolitik vorhanden ist, eine Wettbewerbspolitik, eine Strukturpolitik, eine Konjunkturpolitik, vor allem aber eine Währungs- und Kreditpolitik und eine harmonisierte Steuerpolitik und Handelspolitik. Solange das nicht vorhanden ist, ist es kein Gemeinsamer Markt und kann es kein Gemeinsamer Markt sein. Im Gegenteil — ich muß das deutlich sagen —, es entstehen Wettbewerbsverzerrungen und -verfälschungen, die möglicherweise zu strukturellen Umformungen in den EWG-Staaten führen.Ich sagte, das alles ist heute, von kleinen Ansätzen abgesehen, nicht vorhanden. Ich kenne natürlich die konjunkturpolitischen Überlegungen, die mittelfristige Planung usw. Was aber vorhanden ist — und das darf ich einmal in aller Deutlichkeit sagen — und immer mehr in diesem Gemeinsamen Markt zunimmt, realistisch betrachtet, das ist ein Gestrüpp, ein Dschungel von Beihilfen, Zinsverbilligungen, schlicht gesagt, von Subventionen aller Art in den EWG-Ländern, unterschiedlich natürlich in den Ländern, aber auch unterschiedlich je nach Branche, je nach Wirtschaftbereich, je nach Sparte.
Das führt weiß Gott nicht zu der erstrebten oder erstrebenswerten Integration, sondern im Gegenteil zu den eben genannten Wettbewerbsverfälschungen und -verzerrungen und, was noch schlimmer ist, langfristig gesehen, zu Strukturveränderungen und zu Störungen der Wirtschaftsstruktur.Ich darf Ihnen ein kleines Beispiel erzählen, auch zu so später Stunde. Mir ist bekannt, daß der italienische Staat vor ganz kurzer Zeit Investitionshilfen in Form von sehr billigen Krediten allein für einen bestimmten Industriezweig im Gesamtbetrag von umgerechnet immerhin 300 Millionen DM bereitgestellt hat, während dieselben Konkurrenzindustrien in den anderen EWG-Staaten selbstverständlich nichts erhalten, entweder weil ihre eigene Regierung das nicht tut oder weil sie kein Geld hat. Die betreffende Industrie in der Bundesrepublik hat obendrein, weil die Politik liberaler gehandhabt wird, noch sehr viele Scherereien mit anomalen Einfuhren aller Art aus außereuropäischen Ländern zu verkraften, welche die anderen Länder weitgehend nicht zulassen.Was den Komplex der Steuerharmonisierung angeht — lassen Sie mich wieder wegen der späten Stunde nur ein paar Stichworte sagen —, ist in diesen Tagen — wir haben es ja gehört — ein sicher nicht unwichtiger Schritt getan worden, nämlich durch den Beschluß vom 9. Februar, spätestens im Jahre 1970 in allen EWG-Staaten zu einem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem überzugehen. Mit der Bekundung dieser Absicht hat sich aber — das ist das Entscheidende, das muß man immer dazu sagen — der Ministerrat noch nicht für einen einheitlichen Umsatzsteuersatz ausgesprochen. Dieser einheitliche oder doch zumindest weitgehend harmonisierte Steuersatz — entweder mit keiner Ausnahme oder mit einheitlichen Ausnahmen — wäre erst die Voraussetzung für eine mögliche Beseitigung der Steuergrenzen. Solange das nicht der Fall ist, solange man also erst die Mehrwertsteuer einführt — im Jahre 1970 —, ist natürlich die Verzerrung, die immer beim grenzüberschreitenden Verkehr besteht, noch nicht verschwunden. Diese Regelung — ich sage es ausdrücklich ganz nüchtern — ist ein Fortschritt für das Jahr 1970, aber, wie gesagt, mit den Konsequenzen, die ich auch gleich dazugesagt habe. Von dieser Regelung auf dem Gebiet der indirekten Steuern abgesehen ist aber überhaupt noch kein Ansatz für die Harmonisierung der direkten Steuern da. Unser Steuersystem unterscheidet sich bekanntlich in vielfacher Hinsicht von den
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4402 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Dr. StaratzkeSystemen in anderen Staaten, z. B. bei der Vermögensteuer, bei der Gewerbesteuer; vom Lastenausgleich will ich gar nicht reden. Bei diesen Steuern — das allerdings ist auch eine Frage für die Integration — kann man nämlich autonom vorgehen. Diese „Flurbereinigung" bei bestimmten Steuern kann man vornehmen, wenn man bestrebt ist, die Integration in der EWG tatsächlich zu beschleunigen.Es ist doch selbstverständlich — ich brauche es nicht noch einmal auszusprechen —, daß alle derartigen Wettbewerbsnachteile — Steuern sind Kosten —, alle noch bestehenden Verzerrungen — die deutsche Wirtschaft leidet darunter — unsere Wirtschaftskraft und damit natürlich auch unsere Steuerkraft sehr erheblich stören. Gerade die Steigerung der Wirtschaftskraft und der Steuerkraft haben wir dringend nötig; wir müssen alles daran setzen, daß sie eintritt. Diese Übergangszeit, wenn man so sagen will, bis zum Jahre 1970, dann Einführung eines gemeinsamen Steuersatzes, dann vielleicht fünf Jahre weiter der Wegfall der Steuergrenzen usw., diese zu lange Übergangszeit ist für die deutsche Wirtschaft sehr hart — immer mehr Branchen stellen das fest — und wird immer härter, je länger diese Zeit dauert.Ich möchte noch auf einen weiteren wirtschaftspolitischen Tatbestand eingehen. Unmittelbar entscheidend und gegenwärtig drängend ist die Einigung auf eine gemeinsame Handelspolitik gegenüber dritten Ländern. Solange in den EWG-Ländern extrem unterschiedliche Regelungen und Praktiken gegenüber den Einfuhren aus dritten Ländern angewandt werden, muß es zu einer Verlagerung der Importströme von den mehr protektionistischen EWG-Ländern zu den liberalen Ländern innerhalb der EWG kommen. Die unmittelbare Folge dieser Entwicklung muß sich dann in einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition der Industrien liberalerer Länder oder Länder mit liberaler Handhabung im Vergleich zu ihren Konkurrenten in den mehr protektionistischen Ländern dieses sogenannten Gemeinsamen Marktes zeigen. Die Bundesregierung hat auf dem Gebiet der Einfuhr aus Drittländern eine sehr liberale Haltung eingenommen. Sie hat Vorleistungen erbracht. Sie muß sich aber nun bemühen, daß die übrigen fünf EWG-Länder sich entweder dem Liberalisierungsstand der Bundesrepublik anpassen oder daß man sich bezüglich der Freizügigkeit dieses Handels mit dem Drittländern der gesamten Welt irgendwo in der Mitte trifft. Andernfalls besteht einfach die Gefahr — das muß man ganz nüchtern sehen, es ist immer einmal wieder im Gespräch gewesen —, daß durch die Anrufung des Art. 115 des EWG-Vertrages neue Handelsschranken zwischen den EWG-Ländern errichtet werden. Das besagt immerhin der EWG-Vertrag, und er hat hier ausdrücklich einen besonderen Artikel dafür vorgesehen.Ebenso notwendig ist natürlich die Harmonisierungsbemühung bei der Ausfuhr in Drittländer, z. B. auf dem Feld der Kredite, der Kreditfristen, der Bürgschaften, der Versicherungen, der Embargos usw. Alle diese Fragen, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden natürlich durch den wünschenswerten Beitritt Englands und anderer Staaten nicht leichter werden, sondern sie werden im Gegenteil sehr viel schwieriger zu lösen sein.An dieser Stelle muß einmal auf die nachhaltigen Folgen hingewiesen werden, die aus der gemeinsamen Agrarpolitik der EWG entstehen. Hier handelt es sich jetzt bei meiner Kritik nicht um die übliche Kritik, die ganz sicher von den Freunden der Landwirtschaft viel besser vorgebracht wird. Hier handelt es sich um Nachteile aus handelspolitischen Überlegungen, denn es ist zu befürchten, daß den Ausfuhrinteressen unserer Handelspartner außerhalb der EWG immer weniger Rechnung getragen wird. Das muß sich aber auf den für das deutsche Volk lebensnotwendigen Export insbesondere auch gewerblicher Erzeugnisse aller Art sehr ungünstig auszahlen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staratzke? Sind Sie der Auffassung, daß die EWG im Import von Nahrungsmitteln aus dem Nicht-EWG-Raum liberaler verfahren sollte als bisher?
Nein. Herr Kollege Lenz, Sie werden sofort merken, was ich meine. Vielleicht darf ich meine Ausführungen erst zu Ende bringen. Ich will Ihnen aber vorweg sagen: es geht mir hier um etwas anderes, es geht mir um die Verlagerung der Warenströme. Es ist ganz einfach so, wenn Sie heute auf Grund der EWG-Autonomie nicht die Möglichkeit haben, Agrarerzeugnisse aus Drittländern einzuführen — das geschieht ja leider immer häufiger —, dann kann unter Umständen auch unser — —
— Lassen Sie mich das einmal zu Ende ausführen, Sie werden gleich merken, was ich meine. Ich will folgendes sagen: Wenn man in Drittländer exportieren will, muß man natürlich auch Güter aus diesen Ländern importieren. Infolge der Regelung, die der Gemeinsame Markt gebracht hat, wird nun diesen Drittländern der Zugang zum deutschen Markt erschwert und versperrt. Wenn es der Herr Präsident erlaubt, möchte ich Ihnen dazu auch ein paar statistische Zahlen aus dem Grünen Bericht vortragen. Nach dem neuesten Grünen Bericht 1967 hat sich das Verhältnis der Einfuhr von Gütern der Ernährungswirtschaft — Produkte wie Kaffee und Tabak ausgenommen — in die Bundesrepublik aus den EWG-Staaten einerseits und den Drittländern andererseits stark verschoben. Noch im Wirtschaftsjahr 1961/1962 haben die Agrareinfuhren aus den EWG-Mitgliedstaaten 33,4% betragen. Dieser Anteil steigt natürlich kontinuierlich. Im Wirtschaftsjahr 1965/1966 erreichte er bereits 40 %. Im gleichen Verhältnis — und nur das will ich beweisen — sinkt der Anteil der deutschen Agrareinfuhr aus den Drittländern, sei es gegenüber Dänemark, den Ostblockstaaten oder welchem Land auch immer. 1961/1962 betrug der Anteil noch 66,6 %, heute beträgt er nur noch 60 %. Diese Entwicklung wirkt
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4403
Dr. Staratzkesich ungünstig aus, vor allem auch gegenüber Ländern wie den Ostblockstaaten.
Herr Kollege Staratzke, trifft das nur auf die relativen oder auch auf die absoluten Zahlen zu?
Die relativen. Ich vergleiche ja relativ mit relativ. Wenn ich absolut mit relativ vergliche, dann hätten Sie recht.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend noch einmal folgendes unterstreichen. Es kam mir nur darauf an, ganz nüchtern an Hand von Beispielen klarzumachen, daß wir nicht in eine Euphorie ausbrechen dürfen und daß wir hier die Dinge sehr real sehen müssen. Die wirtschaftlichen und natürlich auf lange Sicht auch die politischen Vorteile des Gemeinsamen Marktes werden nur dann wirksam werden, wenn — gerade nach den deutschen Vorleistungen, die ja allenthalben, auch hier, bestätigt worden sind — die echte Wirtschaftsunion bald erreicht wird. Wenn die notwendigen Entscheidungen vor allem auf dem Gebiet der Handelspolitik, der Steuerpolitik, der Energiepolitik, der Verkehrspolitik usw. nicht bald gefällt werden, dann werden nicht nur nicht die positiven Integrationseffekte erreicht, sondern dann droht eine Verschlechterung der Wirtschaftsstruktur in der EWG. Das ist meine Befürchtung. Es sollte eine Flucht nach vorne angetreten werden, denn es ist sicher richtig — das wurde von verschiedenen Seiten gesagt —, daß die EWG existiert und nicht zurück gedreht werden kann. Uns kommt es also darauf an, nach all den Vorleistungen der Bundesrepublik eine Flucht nach vorne zu betreiben. Wir sprechen hier natürlich die Bundesregierung an, aber wir sprechen ebenso auch die Institutionen des Gemeinsamen Marktes an.
Das unerfreulichste Ergebnis wäre ganz sicher, wenn wir mit unserer Integrationspolitik darin endeten, daß eine Zollunion mit extremen Wettbewerbsverzerrungen und -verfälschungen innerhalb des gemeinsamen Zollgebiets entstünde. Dies mag hart klingen, unterstreicht aber nur um so mehr die Notwendigkeit zum schnellen Handeln im Ministerrat der EWG, — natürlich durch Initiativen oder weitere Initiativen der Bundesregierung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dichgans.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich könnte der Liste höchst unerfreulicher Tatbestände, die Sie, Herr Staratzke, hier eben zur Sprache gebracht haben, noch eine Reihe weiterer, ähnlicher Tatbestände hinzufügen. Wir sind uns im Tatbestand völlig einig, nur in der Deutung nicht. Sie vergleichen das, was ist, mit dem, was Sie gern haben möchten. Da ist es unvermeidlich, daß die Wirklichkeit hinter den Wünschen weit zurückbleibt. Wir sollten das, was ist, nur mit dem vergleichen, waswir vernünftigerweise erwarten dürfen. Da solltenwir sagen, die europäische Entwicklung ist sehrviel besser verlaufen, als wir es erwarten konnten.
Ich will jetzt der Versuchung widerstehen, eine umfassende Rede über europäische Fragen zu halten. Ich könnte mich sonst etwa mit den Problemen des Europäischen Parlaments befassen und die fortschrittlichen Methoden der Verteilung der Redezeit im Europäischen Parlament mit den eher konservativen Methoden des Bundestages vergleichen. Vielleicht können wir das später einmal tun. Lassen Sie mich nur konkret einige Punkte ansprechen. Politik muß anschaulich sein. Juristerei ist als Technik unentbehrlich, aber politische Wirkung hat nur das, was der Bürger sieht und erlebt.Dazu möchte ich zwei Punkte ansprechen, zunächst die Grenzkontrollen. Der Herr Bundesaußenminister hat uns soeben eröffnet, daß er, auch wenn die Zölle verschwinden, auf die Grenzkontrollen nicht wird verzichten können, nämlich wegen der Umsatzausgleichsteuer. Nun, Herr Minister, Sie sind ein sehr mutiger Mann, Sie haben das in Ihrem Leben bewiesen. Ich möchte Ihnen nun noch etwas zusätzlichen Mut zusprechen. Sollte nicht die Bundesregierung überlegen, kurzerhand im Reiseverkehr auf die Erhebung der Umsatzausgleichsteuer zu verzichten? Wir müssen dann zwar damit rechnen, daß der eine oder der andere Schmuggler — ich weiß nicht, ob das Wort dann noch zulässig ist — den Versuch machen wird, Umsatzausgleichsteuer zu hinterziehen, indem er einen ganzen Koffer voll Damenstrümpfe über die Grenze transportiert. Aber ich könnte mir denken, daß der Ausfall für die Bundeskasse weit aufgewogen wird durch die Ersparnisse an Personal, jedenfalls weit aufgewogen wird durch den politischen Impuls, den ein sichtbarer Beweis eines zusammenwachsenden Europas erbringen würde.Der zweite Punkt betrifft die europäischen Münzen. Das Europaparlament hat den Beschluß gefaßt, vorzuschlagen, daß europäische Münzen geprägt werden sollen, und zwar Münzen zu fünf Eurofranken und einem Eurofrank, in unserem Geldwert also 4 DM und 80 Pf, Münzen, die in allen Ländern der Gemeinschaft zirkulieren sollen. Es gibt da Anknüpfungspunkte, etwa die alte lateinische Münzunion. Wir haben uns auch mit den Fragen der Münzgewinne und ähnlichen Problemen eingehend befaßt. Haben Sie keine Angst, ich will nicht etwa die mir zustehende Stunde dazu ausnutzen, um Sie hier mit den Problemen der europäischen Währung zu befassen. Herr Minister, Sie könnten das alles in den Berichten, die vom Europaparlament erstattet worden sind, nachlesen. Ich habe den Eindruck, es würde psychologisch ein großer Impuls sein, wenn die Bundesregierung diesen Gedanken aufnähme und sich im Ministerrat dafür einsetzte, möglichst bald europäische Münzen zu prägen. Wir haben heute nachmittag gelernt, daß es Diäten seit dem Jahre 1906 gibt. Vielleicht wird ein Teil der Diäten bald in europäischen Münzen ausgezahlt.Meine Damen und Herren, um zum Schluß zu kommen: Der Bundestag sollte, wenn er sich so eingehend mit der Europapolitik befaßt, auch einige
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4404 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
DichganzWorte des Dankes an die europäischen Exekutiven sagen, nicht nur an die deutschen Mitglieder — Professor Hallstein, Herr von der Groeben, Herr Hellwig, Herr Hettlage und Herr Margulies —, sondern auch an die Mitglieder, die aus anderen Ländern kommen. Ich nenne stellvertretend für alle nur die Herren Marjolin und Mansholt. Alle Mitglieder der europäischen Exekutiven haben sich völlig neutral, völlig objektiv in einem europäischen Sinne eingesetzt. Daß es uns gelungen ist, so überraschend viele hochkomplizierte Regelungen auf den verschiedensten Gebieten, insbesondere denen der Landwirtschaft, mit der Zustimmung aller sechs Länder zustande zu bringen, das verdanken wir entscheidend der Sachkunde, dem Einfallsreichtum und der unermüdlichen Arbeitskraft aller Mitglieder der europäischen Exekutiven. Auch der Deutsche Bundestag sollte Ihnen dafür dankbar sein.
Herr Kollege Dichgans hat sich auf die Geschäftsordnung bezogen, als er von der ihm zustehenden Stunde sprach. Das war keine Drohung, und er hat auch glücklicherweise keinen Gebrauch davon gemacht.
Jetzt kommt der Herr Abgeordnete Richarts.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde am liebsten dem europäischen Brauche folgen und frei sprechen. Da ich aber zu dem heiklen Thema der Agrarpolitik etwas sagen will, habe ich es doch vorgezogen, mich auf eine schriftliche Ausarbeitung zu berufen.
— Ja, das liegt mir gar nicht, Herr Mauk; Sie kennen mich aus dem europäischen Bereich.Man hätte im Laufe der langen Debatte so den Eindruck haben können, als ob das agrarpolitische Problem schon gelöst sei, als ob es aus der ganzen europäischen Entwicklung ausgeklammert sei. Ich muß Ihnen sagen, meine Damen und Herren, die agrarpolitischen Fragen waren Schwerpunkte der europäischen Entwicklung, sind Schwerpunkte der europäischen Entwicklung und bleiben ein ganz gewaltiges Kriterium der europäischen Entwicklung.Kritisiert wurden dann stets diejenigen, die sich in der Vergangenheit hart und logisch für die Interessen ihrer Nation und die Interessen ihrer Sache einsetzten, am meisten sogar von ihren eigenen Leuten, während man mit voller Bewunderung auf die Haltung der anderen verwies.Aber trotz aller Gegensätzlichkeiten hat man sich in sehr harten Auseinandersetzungen in Brüssel geeinigt, weil dort Gott sei Dank der politische Wille zur Einigung vorhanden war; und das war das Entscheidende. Die Einigungsformeln, meine Damen und Herren, waren, wie es in der Regel in der Politik der Fall ist, eben Kompromisse. An diesen Kompromissen wird heute herumkritisiert, wird herumgedeutelt, und es wird behauptet, daß im Rahmen dieser Verhandlungen mehr hätte herauskommen können. Behauptungen über Behauptungen ohne jeden Beweis! Sie sind zudem zum Fenster hinaus gesprochen und im Augenblick weder der Sache noch den Betroffenen nützlich.Wir haben uns heute zu fragen, wo wir in der Agrarpolitik stehen. Denn heute dauert es keine 400 Tage mehr, dann ist der gemeinsame Agrarmarkt vollendet und die Zollunion fast komplett. Das ist ein mehr als wirtschaftliches Ereignis. Es scheint mir ein Ereignis von weltpolitischer Bedeutung zu sein. Es ist mehr als der erste Schritt auf die politische Einigung Europas, die schneller vorangeht als die Einigung vom Zollverein zum Deutschen Reich.Meine Damen und Herren, möglich waren diese Dinge nur deswegen, weil man sich auf dem agrarpolitischen Sektor auf Lösungen geeinigt hat, die sich in den gemeinsamen Marktordnungen, den gemeinsamen Preisen und der gemeinsamen Finanzierung niederschlagen. Ganz gleich, wie Sie zu den Brüsseler Beschlüssen stehen, die Logik und die Systematik dieser Beschlüsse können von niemandem bestritten werden. Hier wird Agrarpolitik aus einem Guß gemacht. Die einst heiß umstrittenen Marktordnungen für die verschiedenen Erzeugnisse haben sich durchaus als brauchbare Instrumentarien erwiesen, die, wenn sie richtig gehandhabt werden, sowohl dem Erzeuger wie dem Verbraucher zugute kommen.
— Müssen. Einverstanden!
Bei einem Mangel kommen die Marktordnungen dem Verbraucher, bei einem Überangebot auf dem Markt dem Erzeuger zugute.Über die Auswirkungen dieser Marktordnungen auf Erzeuger und Verbraucher hat die Bundesregierung in der Drucksache V/1108 einen ganz ausgezeichneten Bericht vorgelegt. Den Verfassern dieses Berichts gebührt ein Kompliment dafür, daß es ihnen gelungen ist, in einer klaren Sprache das schwer verständliche Europa-Chinesisch in ein verständliches Deutsch zu übersetzen. Dieser halbjährlich wiederkehrende Bericht wäre allein eine ausführliche Debatte wert; denn neben dem Grünen Bericht stellt er das wichtigste Informationspapier für und über die Landwirtschaft dar. Diesem Bericht entnehmen wir auch, daß die Marktordnungen bisher gut funktioniert haben und daß der Übergang von der nationalen in die supranationale Marktordnung reibungslos vonstatten gegangen ist.Wir nehmen auch an, daß sich die Bundesregierung mit den zum Teil komplizierten Techniken dieser Marktordnungen so vertraut gemacht hat, daß sie diese so zu nutzen weiß, wie es die Regierungen der Partnerländer tun. Wir erwarten daher von der Bundesregierung, daß sie alle Möglichkeiten, die ihr die Marktordnungen lassen, voll ausnutzt. Dies müssen wir von der Bundesregierung um so deutlicher verlangen, als nach dem diesjährigen Grünen Bericht festzustellen ist, daß die deutsche Landwirtschaft ein recht schlechtes Jahr hinter sich hat.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967 4405
RichartsWir wissen darüber hinaus — das wurde hier heute auch schon betont —, daß die deutsche Landwirtschaft vor einem sehr schwierigen Übergangsjahr steht. Denn dieses Jahr bringt ihr neue Einkommensverluste durch das Inkrafttreten des gemeinsamen Getreidepreises sowie durch die in ihrer Höhe — das sage ich deutlich — nicht vertretbaren Kürzungen im Agrarhaushalt. Hinzu kommen sicherlich bei gewissen Veredelungserzeugnissen beim Inkrafttreten des Gemeinsamen Marktes in diesem Jahre Übergangsschwierigkeiten dadurch, daß in Frankreich und Holland aufgestaute Produktionen sich auf dem deutschen Markt Platz zu schaffen versuchen werden. Hierfür müssen Übergangsregelungen mit verlängerten Abschöpfungen gefunden werden. In harten Auseinandersetzungen ist dies gestern im Ministerrat in Brüssel dem Bundesminister Höcherl gelungen. Dafür gebührt ihm Dank und Anerkennung. Wie schwer es ist, sich in Brüssel durchzusetzen, das wissen nur diejenigen, die das Brüsseler Milieu kennen. Die wenigsten, die an der gemeinsamen Agrarpolitik herumkritisieren, haben davon eine Ahnung.Wie weit wir in dieser gemeinsamen Agrarpolitik sind, sagt uns sehr deutlich der bereits zitierte Bericht. Ich entnehme daraus wörtlich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:Nach den bisher getroffenen Entscheidungen werden spätestens am 1. Juli 1968 etwa 95 % der deutschen landwirtschaftlichen Erzeugung EWG-Marktorganisationen mit einer gemeinschaftlichen finanziellen Verantwortung unterworfen sein; für etwa 90 % der Erzeugung werden gemeinsame Preise gelten. Für fast alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse werden dann die maßgeblichen Entscheidungen nicht mehr im nationalen Bereich getroffen, sondern von der Gemeinschaft in Brüssel.Von den die Landwirtschaftspolitik tragenden Säulen stehen also in wenigen Wochen die bedeutendsten, nämlich die Preis- und Marktpolitik, allein in Brüssel, während die Struktur- und Sozialpolitik noch weitgehend der nationalen Zuständigkeit unterstellt bleibt. Damit übernimmt die Gemeinschaft die entscheidende Verantwortung und den entscheidenden Einfluß auf die Höhe der landwirtschaftlichen Einkommen einerseits, aber auch auf die Verbraucherausgaben für Lebensmittel andererseits. Diese gewaltige Verantwortung kann die Kommission auf die Dauer ohne Hilfe des Parlaments nicht allein tragen. Die Forderungen nach Ausweitung der Vollmachten des Parlaments sind hier wiederholt erwähnt worden. Ich kann es mir versagen, weiter darauf einzugehen.Die Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse bleiben ausschlaggebend für die Höhe des landwirtschaftlichen Einkommens. Das beweist der vorliegende Grüne Bericht sehr deutlich. Die Funktion dieser Preise kann, solange wir die Tätigkeit in der Landwirtschaft als unternehmerisches Tun betrachten, durch nichts anderes ersetzt werden. Hier aber sei schon vermerkt, daß der Getreidepreis in Höhe und Relation heute schon revisionsbedürftig ist; denn Preise sind ja keine Dogmen und haben keinen Ewigkeitswert. Sie können von der Kommission auf die Dauer ohne Berücksichtigung der Kostenlage in der Landwirtschaft nicht festgesetzt werden.
Brüssel bestimmt aber nicht allein den Preis. Brüssel steuert in Zukunft auch die Marktordnungen — denn in Brüssel wird in Zukunft die Höhe der Abschöpfung einheitlich für die Gemeinschaft bestimmt —, und logischerweise bestimmt Brüssel ebenfalls die Höhe der Rückerstattung einheitlich für die Gemeinschaft beim Export von Marktordnungswaren in Drittländer. Darüber hinaus bestimmt Brüssel auch die Interventionen auf dem Markt. Brüssel übt also nicht nur auf den Preis, sondern auch auf den Markt den ganz entscheidenden Einfluß aus.Die Strukturpolitik bleibt dagegen noch in nationaler Zuständigkeit der Mitgliedsländer. Aber auch hier hat Brüssel seine Hände im Spiel, denn die Mittel stehen hier zur Verfügung. Diese sind Gott sei Dank nach oben begrenzt, und im meine, daß das gut so ist, damit nicht Mitgliedsländer ihre nationalen Kassen a conto der Gemeinschaft zur Lösung ihrer schwierigen Strukturprobleme schonen. Die gemeinsame Agrarpolitik, meine Damen und Herren, kostet eine Menge Geld,
denn sie wird logischerweise gemeinsam finanziert. Wer aber an der Finanzierung rüttelt — Herr Ertl, das dürfen Sie sich merken —, der erschüttert das ganze Gebäude der gemeinsamen Agrarpolitik und der rüttelt auch an den Fundamenten der Agrarpolitik überhaupt.Die gemeinsame Finanzierung ist im Grundsatz — das wurde heute betont — für immer schon eine beschlossene Sache. Sie gilt bis 1969. Über den späteren Modus müssen wir uns dann noch einmal sehr ernst auseinandersetzen.
— Heute nicht mehr, in späteren Debatten! Vor 1969 wird hier noch manche Europa-Debatte geführt werden. Darauf dürfen Sie sich verlassen.Ich möchte allerdings grundsätzlich unterstreichen, daß wir zu dieser gemeinsamen Finanzierung trotz der Haushaltsschwierigkeiten stehen, damit — heute muß dies besonders deutlich gesagt werden — nicht wegen der bestehenden Haushaltsunsicherheit im Agrarhaushalt noch eine neue zusätzliche Unsicherheit auf europäischer Ebene hinzukommt. Dies wäre auch für die deutsche Landwirtschaft geradezu unerträglich.Hart und klar verlangen sollten wir aber an dieser Stelle, daß die Milliarden, die nach Brüssel geben und die von Brüssel kommen, einer scharfen Kontrolle unterliegen. Wie notwendig dies ist, das zeigen die in der letzten Zeit bekanntgewordenen kleinen Skandale. Daß das die letzten sind, wage ich zu bezweifeln.
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4406 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
RichartsWie wirkt sich nun diese gemeinsame Agrarpolitik auf den Handel mit Drittländern aus? Von diesen wurde seit langem der Vorwurf der Diskriminierung erhoben. Sowohl der Präsident der EWG-Kommission, Herr Professor Hallstein, wie sein Vizepräsident, Herr Marjolin, haben in den Jahresberichten vor dem Europäischen Parlament regelmäßig deutlich nachweisen können, daß auch der Handel zwischen der Gemeinschaft und den Drittländern einschließlich denen des Ostblocks auf dem Agrarsektor beträchtlich zugenommen hat. Zur gleichen Feststellung kommt auch das Sonderkapitel „Landwirtschaft in der EWG" im Grünen Bericht, das hier eben von Herrn Staratzke zitiert worden ist. Zwar muß der Wahrheit getreu berichtet werden, daß die Zunahmequote hinsichtlich des Handels mit Drittländern von Land zu Land außerordentlich unterschiedlich war und daß der Handel in der Gemeinschaft eine größere Ausweitung erlebt hat als der Handel mit Drittländern. Ich meine, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist natürlich. Auch an dieser Stelle muß gesagt werden, daß der Agrarmarkt der Gemeinschaft kein Faß ohne Boden ist.Im Handel mit Ostblockländern stehen wir vor der Notwendigkeit einer neuen Orientierung von der bilateralen Regelung zu einer Gemeinschaftsregelung. Hierzu erklärte Herr Professor Hallstein am 28. November 1966 vor dem Straßburger Parlament — lassen Sie mich das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz zitieren; ich bin gleich fertig — wörtlich:Über die gemeinsame Handelspolitik ist — ich möchte das heute einmal deutlich sagen — kein Globalurteil möglich und angebracht. Man muß genau differenzieren, um sich ein zutreffendes Bild der noch verbleibenden Aufgaben und dessen zu machen, was schon erreicht ist.Für die agrarische Handelspolitik ist eine, man kann fast sagen, fundamentale neue Situation dadurch zustande gekommen, daß die Gemeinschaft zunächst autonom eine vollständige Regelung ihres Außenhandels mil Agrarprodukten geschaffen hat.Der zweite nicht minder bedeutsame Schritt ist das Angebot der Gemeinschaft, diese Handelsregelung im GATT zu konsolidieren. Beides ist vollgemeinschaftlich. Lediglich die Importregelungen für Agrarprodukte aus dem Ostblock werden noch dem in der Agrarpolitik bald erreichten vollen Einheitsmarkt angepaßt werden müssen, da dieser eine gesonderte Importregelung einzelner Mitgliedstaaten nicht mehr zuläßt. Sowenig auch, meine Damen und Herren, Kontingente in die Agrarkonzeption der Gemeinschaft hineinpassen, sowenig werden wir, meine ich — und dies hat vor wenigen Tagen vor dem Agrarausschuß des Europäischen Parlaments Herr Mansholt noch unterstrichen —, im Handel mit dem Ostblock auf die Dauer ohne Kontingente auskommen. Mansholt ließ auch keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die in der Gemeinschaft bestehenden Marktordnungen und die in ihr geschaffenen Schutzsysteme für die europäische Landwirtschaft nicht durchbrochen werden dürfen und daß nach wie vor die agrarische Produktion der Gemeinschaft diePräferenz haben muß. Wir hoffen und wünschen, daß sich die Bundesregierung dieser Forderung der Gemeinschaft anschließt.Noch ein Wort zur Kennedy-Runde. Der Herr Außenminister hat darauf hingewiesen, daß die Verhandlungen sehr kompliziert sind, weil die Gemeinschaft verhandelt. Er hat dazu den Wunsch ausgesprochen, daß auch die Agrargüter in die Kennedy-Runde mit einbezogen werden. Hier stoßen sich natürlich die Interessen des Agrariers und die Interessen des Außenhandelsmannes. Ich bin sehr glücklich darüber, daß in der Kennedy-Runde die Gemeinschaft verhandelt; denn vereint sind einem so starken Partner wie den Vereinigten Staaten gegenüber auch die Schwachen mächtig.
— „Mächtige Schwache" sind immerhin stärker als schwache Schwache, Herr Effertz.
Lassen Sie mich mit der Bemerkung schließen, daß die Agrarpolitik immer im Spannungsfeld zwischen Erzeuger- und Verbraucherwünschen steht, immer im Spannungsfeld zwischen dem Art. 39 — auf den ich den größeren Akzent lege — und dem Art. 110 des EWG-Vertrages — dem der Kollege Apel größeres Gewicht beigemessen hat. Aber Spannungen müssen nicht lähmend sein, sie können auch belebend sein, vor allem dann, wenn die Partner, die sich gegenüberstehen, bereit sind, sich zu verständigen.Ich danke Ihnen sehr, daß Sie in dieser späten Stunde noch so aufmerksam zugehört haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Saxowski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ungeduld ist allgemein groß. Ich verspreche Ihnen, Sie nicht mehr lange aufzuhalten. Ich werde mich nur mit den Auswirkungen der EWG-Agrarfinanzierung auf den Bundeshaushalt beschäftigen.Der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Haushaltsausschuß haben den Antrag der SPD betr. Auswirkungen der EWG-Agrarfinanzierung auf den Bundeshaushalt eingehend beraten und gegen die EWG-Verordnung Nr. 130/66 keine Bedenken erhoben. Dieses Ergebnis wird begrüßt.Besonders die anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaften machten im Sommer 1966 weitere Fortschritte in der Agrarpolitik von der Zustimmung zur Verordnung Nr. 130 abhängig. Die Verordnung über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik gilt bis zum Ende der Übergangszeit 1969 und ist für alle Mitgliedstaaten verbindlich. Über das Volumen des europäischen Agrarfonds, dessen Abteilung „Ausrichtung" auf 1,14 Milliarden DM begrenzt wurde, sind exakte Angaben von keiner
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SaxowskiSeite zu erhalten. Die einzelnen Schätzungen variieren zwischen 7 bis 9 Milliarden DM für 1970, je nach dem beabsichtigten Zweck der Verwendung. Auch wenn die tatsächlichen Kosten der Abteilung „Garantie" des EWG-Agrarfonds erst exakt übersehen werden können, nachdem die gemeinsamen Marktordnungen in vollem Umfang angelaufen sind und sich die Reaktionen der Erzeuger auf die veränderten Preis- und Absatzverhältnisse abzeichnen, sollte doch heute schon eine möglichst genaue Schätzung der zu erwartenden Kosten erfolgen. Dies muß vor allem im Hinblick auf die Bemühungen um eine mittelfristige Finanz- und Haushaltspolitik gefordert werden. Es geht nicht an, daß bei der Aufstellung mehrjähriger Haushalte Positionen aufgeführt werden, die lediglich einen Annäherungswert darstellen. Dadurch wird eine vorausschauende Haushaltspolitik illusorisch.Unter dem gleichen Blickwinkel muß die jetzt noch praktizierte Form der Abrechnung des Agrarfonds mit den Mitgliedsländern gesehen werden. Wir haben heute noch das sogenannte Rückvergütungsverfahren, wonach die EWG die abgelaufenen Jahre abrechnet und den Partnerstaaten der EWG dann mitteilt, welche Beiträge nach einem festen Schlüssel an den Fonds zu entrichten sind. Dieses Verfahren konnte noch akzeptiert werden, als die Aufwendungen des Agrarfonds im Verhältnis zu den nun auf uns zukommenden Summen noch relativ gering waren. Nach dem vollen Anlaufen der Marktordnungen und damit auch beachtlichen Anwachsen des Fondsvolumens kann den Ländern nicht mehr zugemutet werden, nachträglich Milliardenbeträge in ihre Haushalte aufzunehmen. Dies widerspricht den Grundsätzen einer soliden Haushaltspolitik.Es muß daher gefordert werden, zum Veranschlagungsverfahren überzugehen und nach möglichst genauer Vorausschätzung den Mittelbedarf des Fonds festzustellen, damit die Mitgliedsländer im gleichen Jahr anteilig ihre Beiträge leisten können. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie in dieser Frage initiativ wird und im Ministerrat der EWG bald einen Beschluß in dieser Richtung herbeiführt.Angesichts des zunehmenden Volumens des Agrarfonds drängt sich erneut die Einführung einer Kontrollinstanz auf. Der Ruf nach der parlamentarischen Kontrolle der enormen Ausgaben, die später in der EWG geleistet werden, darf nicht mehr überhört werden. Es wird Zeit, daß man hier wirklich eine Änderung vornimmt.
Aus haushaltsrechtlichen und haushaltspolitischen Gründen ist es nach unserer Auffassung erforderlich, die Aufwendungen der Bundesregierung für die verschiedenen Gemeinschaften in einem gesonderten Haushaltsplan zusammenzufassen und nicht wie bisher auf die Einzelpläne zu verteilen. Gerade beim Einzelplan 10 haben wir die unerfreuliche Tatsache, daß die Marktordnungsverpflichtungen nachher das Volumen enorm ausweiten und allgemein dann als Subventionen angesehen werden. Dasselbe gilt natürlich analog für die Rückflüsse aus den Fonds.Eine solche Zusammenfassung der Belastungen des Bundeshaushalts könnte ein weiterer Schritt sein, um eine bessere Ubersicht über die Aufwendungen der Bundesregierung für die europäische Gemeinschaft zu erhalten. Mein Kollege Dr. Alex Möller hat in seiner Rede zur Einbringung des Bundeshaushalts 1967 am 10. November 1966 bereits ausgeführt, daß auf Grund der immer stärker anwachsenden Finanzbeiträge an den EWG-Agrarhaushalt eine Zusammenfassung der deutschen Leistungen für die europäischen Gemeinschaften angestrebt werden müsse.Ich wollte Sie nur mit diesen beiden Dingen belästigen und wäre Ihnen dankbar, wenn alle Fraktionen diese Bestrebungen unterstützten.
Das Wort hat der Abgeordnete Effertz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eigentlich erwartet, daß wir heute über die Fragen der EWG — auch wenn es spät würde — endlich einmal vor einem vollen Hause debattieren würden;
denn es handelt sich ja heute nicht nur — wie früher immer — um Agrarpolitik in der EWG, sondern diesmal um das umfassende Problem dessen, was in Brüssel auf Grund eines Vertrages gemacht wird. Ich hatte insbesondere gehofft, daß die Sprecher aller Parteien wenigstens heute einmal den Versuch machen würden, ganz freimütig über die Erfahrungen, die wir auf einem Experimentierfeld zehn Jahre lang in Brüssel gemacht haben, nämlich auf dem Experimentierfeld der Agrarpolitik, zu reden, daß sie das Gute und das Schlechte, das Wünschenswerte und nicht Wünschenswerte, das Erreichte und das nicht Erreichte gegenüberstellen würden, um dann vielleicht hier in offener Rede und Gegenrede auch zu überlegen, welche Konsequenzen wir nun bei der Verwirklichung des größeren Teils der Wirtschaftsintegration in Brüssel gemeinsam zu ziehen haben. Leider ist das nicht geschehen.Heute ist mir auch noch etwas anderes aufgefallen. Sehr viele Kollegen haben schon geredet, und fast alle Reden haben begonnen und geendet mit einem Hosianna auf das, was in Brüssel bisher geschehen ist, und mit einem ungeingeschränkten — wenn auch nicht immer gleich lauten — Ja zu Brüssel, Ja zur politischen Einigung, zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Ich meine, wir vermitteln der Öffentlichkeit ein falsches Bild. Wir sollten uns nicht nur zu dem äußern, was in Brüssel geschehen ist, mit mehr oder weniger Enthusiasmus sagen, was gut ist oder weniger gut, sondern wir sollten auch über das ganz offen und freimütig reden, was in Brüssel nach unserer Auffassung nicht gut ist, falsch gelaufen ist und sogar dem Vertrag nicht entspricht; auch das gibt es! Der heutige Tag hätte nach meiner Auffassung eigentlich ein Anlaß sein sollen, einmal Bilanz zu ziehen. Nun, es hat keinen Sinn, das heute zu so
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Dr. Effertzspäter Stunde und bei dem mangelnden Interesse des Hauses in Rede und Gegenrede zu tun.
— Nein, ich habe mich soeben mit den Kollegen der anderen Parteien geeinigt, es auch kürzer zu machen, als ich ursprünglich vorhatte. — Auch die Regierungsbank ist, mit Ausnahme zweier Minister, dieich wegen ihres Ausharrens bewundere,
und eines Staatssekretärs leider leer, und der Minister, mit dem ich mich gern am meisten unterhalten hätte, und zwar in der Hauptsache über die Erfahrungen in der Agrarpolitik, ist leider auch nicht da. Aber die Erfahrung habe ich in der Vergangenheit des öfteren schon gemacht, auch als wir selber noch in der Koalition waren: die Agrarpolitik ist halt für den Politiker, insbesondere in diesem Hohen Hause, ein nicht sehr ergiebiges Betätigungsfeld, und vor allem müßte man ja, wenn man objektiv darüber redet, manchmal auch sehr unpopulär sein.
— Ja, ich muß hier einiges übernehmen, was die SPD todsicher heute getan hätte, wenn sie nicht neuerdings in der Koalition wäre.
— Das soll keine billige Kritik sein; im Gegenteil.
— Langsam, Herr Jahn, langsam! — Es wäre nämlich nett gewesen, wenn wir heute nicht nur Bilanz zögen, sondern uns auch einmal an gemeinsame Entschließungen aller Parteien, auch der SPD — siehe 30. Januar 1962 —, an mehrfache Regierungserklärungen und an die vielen anderen Entschließungen aus anderen Anlässen zur EWG-Politik erinnerten, und vor allen Dingen wäre es auch nützlich, uns wieder einmal daran zu erinnern, was eigentlich im Römischen Vertrag steht. Wer kennt ihn denn noch? Hier reden wir nicht mehr darüber. Und erst recht ist es bedauerlich, daß es — hier wird mir keiner widersprechen — kaum einen in diesem Hause gibt, der über alles, was inzwischen in Brüssel an vielen, vielen Verordnungen geschaffen worden ist, ein umfassendes, lückenloses Bild hat.In der Öffentlichkeit hat man noch viel weniger Ahnung von dem, was in Brüssel geschehen ist. Man redet nur über zu viel Perfektionismus, man vergleicht hier und da in der Öffentlichkeit das, was man in Brüssel praktiziere, mit dem Reichsnährstand aus dem Dritten Reich; aber über das ganze Tableau dessen, was in Brüssel gemacht wird, redet man eigentlich nicht. Weil man es nicht weiß!Sosehr wir auch heute noch einen gemeinsamen Antrag aller Parteien auf Vorlage eines Halbjahresberichts begrüßen, muß ich doch — da hier heute wiederholt die Feststellung getroffen worden ist, die Agrarpolitik sei bald perfekt — sagen, daß dieser Halbjahresbericht über Brüssel nicht mehr genügt. Es wäre, da im Jahre 1968 die Agrarpolitik nun eigentlich perfekt sein soll, dringend an der Zeit, dem Hohen Hause einen umfassenden Katalog aller Verordnungen vorzulegen, die inzwischen in Brüssel unter Berufung auf den Vertrag beschlossen worden sind, und aller Argumente, mit denen die einzelnen Partner in Brüssel um das Zustandekommen solcher Beschlüsse gerungen oder nicht gerungen oder sogar nachgegeben haben. Es wäre dann auch wichtig, anhand des Katalogs einmal zu überlegen, ob alles das, was in Brüssel geschehen ist, unserer Verpflichtung nach dem EWG-Vertrag, nach dem noch existierenden Landwirtschaftsgesetz und dem im letzten Bundestag verabschiedeten EWG-Anpassungsgesetz und den vielen gemeinsamen Erklärungen entspricht oder nicht entspricht.Bei diesem Katalog müßte auch einmal untersucht werden, ob das Ziel der Klasse, nämlich im Jahre 1970 mit der Harmonisierung der gesamten Wirtschaftspolitik fertig zu sein, noch erreicht werden kann. Wenn es nicht erreicht werden kann, muß man auch den Mut haben, zu überlegen, ob das Ziel, die Agrarpolitik 1968 in Kraft zu setzen, für uns noch tragbar ist. Warum sollen wir nicht in Brüssel genauso hart unsere nationalen deutschen Interessen vertreten, wie die Franzosen uns das vorexerzieren! Ich plädiere nicht für die Politik des leeren Stuhls, ich halte sie auch für vertragswidrig, denn man verhindert damit die Möglichkeit der einstimmigen Abstimmung. Aber etwas deutlicher in Brüssel nationale Interessen zu vertreten, wäre durchaus nützlich.
— Ich weiß, es ist Ihnen unbequem, wenn ich jetzt mit dieser Debatte anfange.
— Ich habe ja gesagt, ich möchte gern einmal Bilanz ziehen.
— Ich weiß, daß Ihnen das unbequem ist. Trotzdem nehme ich mir das Recht, darauf hinzuweisen, daß z. B. nicht stimmt, was Kollege Burgbacher gesagt hat, daß die Agrarpolitik fast perfekt sei. Sie ist es nämlich nicht. Man hat zwar Marktordnungen verabschiedet, man hat auch politisch gemeinsame Preise verabschiedet; aber das, worauf sie beruhen und was nach dem Vertrag vorher geschehen sollte, die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen, hat man nicht angepackt. Warum nicht? Das möchte ich wissen,
und das sollte auch diejenigen interessieren, die jetzt darangehen, in Brüssel die anderen Bereiche der Wirtschaftspolitik zu harmonisieren.
— Lesen Sie bitte nach, was ich hier auch als Mitglied einer Koalitionspartei in den Jahren vorher immer wieder gesagt habe. Ich habe mir das Recht
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Dr. Effertzherausgenommen, hier meine persönliche Meinung — mit Unterstützung meiner Fraktion —, auch wenn sie von der Meinung des anderen Koalitionspartners abwich, vorzutragen. Das tue ich auch heute, und ich werde es demnächst fortsetzen, wenn wir uns — hoffentlich recht bald — noch einmal über die Ergebnisse in Brüssel, die guten und die schlechten Erfahrungen und die Lehren für die Zukunft in diesem Hohen Hause unterhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Mauk.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf vorausschicken: Auch für die FDP ist die EWG eine Realität, wenn wir damals auch dagegen gewesen sind, und verstehen Sie das, was ich jetzt sage, bitte nicht falsch. Verschiedene Kollegen aus dem Europäischen Parlament haben ja darauf hingewiesen, was wir in diesen zehn Jahren nun doch erreicht haben. Ich möchte das gar nicht bestreiten. Manches ist vielleicht besser gelaufen, als wir es vor zehn Jahren gesehen haben. Eine EWG wäre heute gar nicht mehr wegzudenken — für mich jedenfalls, und ich glaube, auch die meisten meiner Fraktionskollegen denken so.
Lassen Sie mich aber doch auch darauf hinweisen, meine Damen und Herren, wenn auch zu so später Stunde: Auf wessen Kosten ist dieser Erfolg erreicht worden? Ich glaube, das ist heute in der gesamten Debatte noch nicht genügend herausgestellt worden. Es ist einmal auf Kosten des deutschen Steuerzahlers erreicht worden. Denn wir haben bisher schon ein Vielfaches von dem gezahlt, was wir zurückbekommen haben, und die Zahlungen des deutschen Steuerzahlers an die Gemeinschaft werden in den nächsten Jahren — das wissen alle Kollegen, die im Europäischen Parlament sitzen — noch laufend steigen. Der Bericht der Herren aus dem Haushaltsausschuß hat das heute ebenfalls bestätigt.
Also einmal auf Kosten der deutschen Steuerzahler. Und auf wessen Kosten noch? Das muß noch deutlicher gesagt werden: auf Kosten der deutschen Landwirtschaft.
Sie hat bisher praktisch als einziger Wirtschaftszweig die ganze Last getragen. — Nicht auf Kosten der deutschen Verbraucher, mein lieber Kollege! Die deutschen Verbraucher müssen mehr bezahlen als vor zehn Jahren, bei gleichbleibenden Erzeugerpreisen in Deutschland. Das kann doch niemand wegdiskutieren. Und nun muß die deutsche Landwirtschaft in diesem Jahr die Preissenkung hinnehmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Richarts? — Bitte sehr!
Herr Kollege Mauk, glauben Sie, daß die Schutzsysteme, die wir in Brüssel
in den Marktordnungen ausgehandelt haben, in nationalen Parlamenten auszuhandeln gewesen wären?
Das hat, mein lieber Kollege Richarts, gar nichts mit dem zu tun, was ich hier ausführe. Ich weiß noch nicht, wie sich das einmal auswirkt, genauso wenig, wie Sie das heute mit Sicherheit voraussagen können. Für heute ist es eine Tatsache, daß die deutschen landwirtschaftlichen Erzeuger eine Preissenkung von — man streitet darüber — zwischen 560 Millionen und über einer Milliarde DM in diesem Jahr hinnehmen müssen und daß ausgerechnet in diesem Jahr der Bauer noch eine andere Last auf sich nehmen soll, nämlich eine Streichung im Haushalt noch einmal um rund eine halbe Milliarde DM.
Bitte, Herr Dröscher!
Herr Kollege Mauk, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Lage der deutschen Landwirtschaft ohne die schützende Wirkung der EWG im Augenblick schon viel schlechter wäre, als sie mit der EWG ist?
Nein, dieser Meinung bin ich nicht. Ich hatte da zu der alten deutschen Bundesregierung doch ein bißchen mehr Vertrauen. Was die neue jetzt bringen wird, weiß ich nicht.
Meine Herren, ich bitte, mir eine Bemerkung zu gestatten. So reizvoll es ist, Zwischenfragen zu stellen, verlängern Sie doch bitte in dieser späten Abendstunde nicht unser gemeinsames Leiden!
In einem Jahr, für das der Grüne Bericht ein so schlechtes Ergebnis ausweist, worauf auch Herr Kollege Richarts und andere schon hingewiesen haben, in einer Zeit, in welcher der Gesamthaushalt um Milliarden ausgeweitet wird, sollte man nicht bei einem Ressort, gerade für die Landwirtschaft der Bundesrepublik, derartige Streichungen vornehmen. Das ist unverantwortlich. Ich bin der Auffassung, man sollte angesichts der Lage der Landwirtschaft versuchen, im Deutschen Bundestag die Ansätze des Vorjahres wieder einzusetzen. Wenn das im ordentlichen Haushalt nicht möglich ist, dann sollte man versuchen, das im Eventualhaushalt zu erreichen. Die 138 Millionen DM, die jetzt vorgesehen sind, reichen in keiner Weise aus, der deutschen Landwirtschaft gerecht zu werden. Diese Summe müßte mindestens verdoppelt werden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
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4410 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1967
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein schreckliches Mißverständnis hier aufgekommen. Herr Dr. Dichgans hatte mich so verstanden, als ob ich gesagt hätte, ich könne nicht auf die Grenzkontrollen verzichten. Ich kann auf sie sehr gut verzichten. Ich bin belehrt worden, daß man noch nicht auf sie verzichten könne.
Im übrigen natürlich nichts gegen die braven Männer, die mit einer so oder so farbigen Mütze ihren Dienst, manchmal ja auch gar nicht so angenehmen Dienst, verrichten. Nur, eines ist klar: Erst wenn die Mützen weg sind, spürt der Mann auf der Straße, daß sich in Europa wirklich etwas verändert hat; erst dann, wenn er ohne ein halb schlechtes Gewissen wieder aus einem anderen Land in das eigene Land zurückkommt.
Ein Satz zu dem, was Herr Professor Furler und Herr Professor Burgbacher über europäische Aspekte der Atomenergiepolitik gesagt haben. Jeder in diesem Hohen Hause darf sich darauf verlassen, daß sich die Bundesregierung — nicht allein, sondern zusammen mit anderen, die aus ähnlicher Interessenlage handeln — um die beiden Kernpunkte kümmert, von denen hier heute die Rede war, d. h. volle Sicherheit für unsere Entfaltung als Nichtkernwaffenstaat auf dem Gebiet der Forschung, der Entwicklung und der Nutzung der Kernenergie
und zweitens nichts, was einem künftigen politischen Europa seine Entfaltung in dieser Welt unmöglich machen würde.
Im übrigen hat Herr Professor Burgbacher eine Frage an die Regierung der Vereinigten Staaten gerichtet. Die ist hier nicht vertreten. Ich werde versuchen, die Frage weiterzugeben.
Herr Abgeordneter, in der EWG — wie immer man sie sonst beurteilt — ist bisher doch schon wesentlich mehr geschehen als der Zollabbau,
so z. B. die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen, eine weitgehende Freizügigkeit der Arbeitskräfte, eine teilweise Herstellung der Niederlassungsfreiheit und eine fast vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs, eine weitgehende Freiheit im Dienstleistungsverkehr und Anfänge — nicht mehr, aber immerhin — der Steuerharmonisierung. Hinzu kommt, daß die EWG mit all ihren Schwächen, von denen natürlich auch die Rede war, für Dritte attraktiv ist; denn die Türkei und Griechenland sind assoziiert, die erwähnten 18 afrikanischen Staaten einschließlich Madagaskars ebenfalls; das Assoziierungsabkommen mit Nigerien ist unterzeichnet; die EFTA-Staaten wünschen Verbindung mit der EWG als Mitglied oder als Assoziierte, und zugleich mit Spanien und Irland bemühen sich Israel, die Maghreb-Staaten und die ostafrikanischen Staaten um ein geregeltes Verhältnis zu dieser Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Nun ist durch den Herrn Abgeordneten Staratzke die Frage gestellt worden, ob nicht von dem, was sich vollzogen habe, zu viel auf Kosten Deutschlands gegangen sei. Der Herr Abgeordnete Mauk hat vorhin — auf einem bestimmten Stektor — die Frage noch dahingehend zugespitzt: ist nicht zuviel davon auf Kosten des deutschen Steuerzahlers gegangen? Was ich dazu noch sagen möchte, dient nicht einer Schönfärberei und ist nicht der Versuch, etwas beiseite zu schieben, was uns allen, auch nach dieser Debatte, mit auf den Weg gegeben wird, damit wir weiter darüber nachdenken. Nur sollten wir dann eines uns und der Öffentlichkeit noch dazu sagen — und zwar vor dem Hintergrund der Worte „auf Kosten Deutschlands" —: Seit der Gründung der EWG hat der Welthandel um 70% zugenommen, der Handel zwischen den EWG-Staaten um 200%, und hieran hat Deutschland nicht unterdurchschnittlich, sondern überdurchschnittlich partizipiert. Zweitens. Die Steigerung des Volkseinkommens, die in der EWG seit 1958 50% beträgt und damit viel stärker ist als in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien, ist weitgehend auf die Verflechtung der sechs Volkswirtschaften zurückzuführen. Auch aus dieser Entwicklung hat die Bundesrepublik Deutschland als stärkster Industriefaktor in dieser Gemeinschaft der Sechs nicht einen unterdurchschnittlichen, sondern einen überdurchschnittlichen Nutzen gezogen.
Im übrigen, Herr Präsident, darf ich für die Regierung den die Regierung tragenden Parteien und der Opposition danken für die in dieser Debatte gegebenen Hinweise, auch die kritischen Hinweise, die uns weiterhelfen.
Was das an der Teilnehmerzahl abzulesende Interesse an dieser Debatte angeht, so stünde es der Regierung in keiner Weise zu — schon von der „Kleiderordnung" her —, sich dazu zu äußern. Aber auch wenn es diese Hemmung nicht gäbe, würde ich mich dazu nicht äußern, weil ich mich sonst in der Rolle des Pfarrers in einer schlecht besuchten Kirche fühlte, der dann noch die ausschimpft, die doch gekommen sind.
Damit ist die Aussprache über die Große Anfrage der Fraktion der SPD geschlossen.Wir kommen zur Beschlußfassung über die damit verbundenen Anträge, zunächst über den Antrag Drucksache V/1010 der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, also einen Antrag aller drei Fraktionen. Über diesen Antrag kann sofort abgestimmt werden. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Dann haben wir Beschluß zu fassen über den Antrag des Haushaltsausschusses zum Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache V/687. Der Ausschuß schlägt vor, diesen Antrag anzunehmen. Wir stimmen ab. Wer dem Antrag des Ausschusses zu-
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Vizepräsident Schoettlestimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. Danke. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, ich bitte Sie inständig, mir noch bei der Erledigung einiger Tagesordnungspunkte zu assistieren. Es besteht ja die Gefahr, daß der eine oder andere anwesende Abgeordnete der Meinung sein könnte, jetzt sei das Geschäft für heute beendet. Davor möchte ich aber warnen.Ich schlage vor, daß wir zunächst die zu Beginn der heutigen Sitzung auf die Tagesordnung gesetzten Zusatzpunkte erledigen. Ich rufe die beiden Zusatzpunkte auf:1. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Neunundachtzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingente für Pfaumen, Rohblei usw.)— Drucksachen V/1390, V/1464 —Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber2. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Einundneunzigste Verordnung zur Anderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollaussetzungen 1967 — gewerbliche Waren — II. Teil)— Drucksachen V/1410, V/1465 —Berichterstatter: Abgeordneter LangeIch nehme an, das Haus ist damit einverstanden, daß ich über beide Ausschußanträge zusammen abstimmen lasse. Wer stimmt diesen Anträgen des Ausschusses zu? Ich bitte um ein Handzeichen. -Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Anträge sind einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Geflügelstatistik— Drucksache V/1287 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache V/1430— Berichterstatter: Abgeordneter Westphalb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache V/1419 Berichterstatter: Abgeordneter Marquardt
Auf die Ergänzung der Berichterstattung wird verzichtet.Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufeauf § 1,—§ 2,—§ 3,—§ 4,—§ 5,—§ 6,—§ 7,— § 8, -- § 9, — Einleitung und Überschrift des Gesetzentwurfs. — Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. Danke. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Paragraphen sind einstimmig beschlossen. Damit ist die zweite Beratung beendet.Ich rufe diedritte Beratungauf. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf im Ganzen. Wer dem in der dritten Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. Danke. Ich brauche keine Gegenprobe zu machen, da alle Anwesenden gestanden haben. Das vereinfacht die Sache. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Dann rufe ich Punkt 4 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Dasselfliege— Drucksache V/1286 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache V/1409 —Berichterstatter: Abgeordneter Logemann
Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort nicht.Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf die §§ 1 bis 10, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen angenommen. Die zweite Beratung ist geschlossen.Wir treten in diedritte Beratungein. Eine Aussprache findet nicht statt. Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Enthaltungen? — Eine Enthaltung. Im übrigen ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 4. April 1966 zur erneuten Verlängerung des Internationalen Weizen-Übereinkommens 1962— Drucksache V/1401 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache V/1463 Berichterstatter: Abgeordneter Brese
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Vizepräsident Schoettleb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache V/1441 Berichterstatter: Abgeordneter Blume
Die Berichterstatter wünschen das Wort nicht.Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Vorschriften zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.Ich eröffne diedritte Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. September 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kongo über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen— Drucksache V/1254 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
— Drucksache V//1415 —Berichterstatter: Abgeordneter Lenders
Der Berichterstatter begehrt das Wort nicht.Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Vorschriften zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Beratung einstimmig angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. April 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Arbeitslosenversicherung— Drucksache V/1445 —Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht; die Aussprache ist geschlossen.Die Vorlage soll an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. — Gegen diese Überweisungsvorschläge wird kein Widerspruch erhoben; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:Beratung der Ubersicht 11 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht— Drucksache V/1443 —Wer dem Antrag des Ausschusses auf der ersten Seite der Drucksache V/1443 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Punkt 9 wird morgen behandelt.Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Mommer, Dr. Lohmar, Sanger, Dr. Müller (München), Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Dr. Meinecke, Dr. Frede und Genossen und der Fraktion der SPDbetr. Tarifvertrag für Wissenschaftler an Forschungsinstituten— Drucksachen V/693, V/1423 —Berichterstatter: Abgeordneter Schlager Das Wort wird nicht gewünscht.Der Antrag des Ausschusses liegt auf Drucksache V/1423 vor. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, damit haben wir das Pensum für den heutigen Tag erledigt.Ich gebe bekannt, daß die nächste Plenarsitzung morgen, Donnerstag, den 23. Februar 1967, 14.30 Uhr stattfindet.Die Sitzung ist geschlossen.