Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein schreckliches Mißverständnis hier aufgekommen. Herr Dr. Dichgans hatte mich so verstanden, als ob ich gesagt hätte, ich könne nicht auf die Grenzkontrollen verzichten. Ich kann auf sie sehr gut verzichten. Ich bin belehrt worden, daß man noch nicht auf sie verzichten könne.
Im übrigen natürlich nichts gegen die braven Männer, die mit einer so oder so farbigen Mütze ihren Dienst, manchmal ja auch gar nicht so angenehmen Dienst, verrichten. Nur, eines ist klar: Erst wenn die Mützen weg sind, spürt der Mann auf der Straße, daß sich in Europa wirklich etwas verändert hat; erst dann, wenn er ohne ein halb schlechtes Gewissen wieder aus einem anderen Land in das eigene Land zurückkommt.
Ein Satz zu dem, was Herr Professor Furler und Herr Professor Burgbacher über europäische Aspekte der Atomenergiepolitik gesagt haben. Jeder in diesem Hohen Hause darf sich darauf verlassen, daß sich die Bundesregierung — nicht allein, sondern zusammen mit anderen, die aus ähnlicher Interessenlage handeln — um die beiden Kernpunkte kümmert, von denen hier heute die Rede war, d. h. volle Sicherheit für unsere Entfaltung als Nichtkernwaffenstaat auf dem Gebiet der Forschung, der Entwicklung und der Nutzung der Kernenergie
und zweitens nichts, was einem künftigen politischen Europa seine Entfaltung in dieser Welt unmöglich machen würde.
Im übrigen hat Herr Professor Burgbacher eine Frage an die Regierung der Vereinigten Staaten gerichtet. Die ist hier nicht vertreten. Ich werde versuchen, die Frage weiterzugeben.
Herr Abgeordneter, in der EWG — wie immer man sie sonst beurteilt — ist bisher doch schon wesentlich mehr geschehen als der Zollabbau,
so z. B. die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen, eine weitgehende Freizügigkeit der Arbeitskräfte, eine teilweise Herstellung der Niederlassungsfreiheit und eine fast vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs, eine weitgehende Freiheit im Dienstleistungsverkehr und Anfänge — nicht mehr, aber immerhin — der Steuerharmonisierung. Hinzu kommt, daß die EWG mit all ihren Schwächen, von denen natürlich auch die Rede war, für Dritte attraktiv ist; denn die Türkei und Griechenland sind assoziiert, die erwähnten 18 afrikanischen Staaten einschließlich Madagaskars ebenfalls; das Assoziierungsabkommen mit Nigerien ist unterzeichnet; die EFTA-Staaten wünschen Verbindung mit der EWG als Mitglied oder als Assoziierte, und zugleich mit Spanien und Irland bemühen sich Israel, die Maghreb-Staaten und die ostafrikanischen Staaten um ein geregeltes Verhältnis zu dieser Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Nun ist durch den Herrn Abgeordneten Staratzke die Frage gestellt worden, ob nicht von dem, was sich vollzogen habe, zu viel auf Kosten Deutschlands gegangen sei. Der Herr Abgeordnete Mauk hat vorhin — auf einem bestimmten Stektor — die Frage noch dahingehend zugespitzt: ist nicht zuviel davon auf Kosten des deutschen Steuerzahlers gegangen? Was ich dazu noch sagen möchte, dient nicht einer Schönfärberei und ist nicht der Versuch, etwas beiseite zu schieben, was uns allen, auch nach dieser Debatte, mit auf den Weg gegeben wird, damit wir weiter darüber nachdenken. Nur sollten wir dann eines uns und der Öffentlichkeit noch dazu sagen — und zwar vor dem Hintergrund der Worte „auf Kosten Deutschlands" —: Seit der Gründung der EWG hat der Welthandel um 70% zugenommen, der Handel zwischen den EWG-Staaten um 200%, und hieran hat Deutschland nicht unterdurchschnittlich, sondern überdurchschnittlich partizipiert. Zweitens. Die Steigerung des Volkseinkommens, die in der EWG seit 1958 50% beträgt und damit viel stärker ist als in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien, ist weitgehend auf die Verflechtung der sechs Volkswirtschaften zurückzuführen. Auch aus dieser Entwicklung hat die Bundesrepublik Deutschland als stärkster Industriefaktor in dieser Gemeinschaft der Sechs nicht einen unterdurchschnittlichen, sondern einen überdurchschnittlichen Nutzen gezogen.
Im übrigen, Herr Präsident, darf ich für die Regierung den die Regierung tragenden Parteien und der Opposition danken für die in dieser Debatte gegebenen Hinweise, auch die kritischen Hinweise, die uns weiterhelfen.
Was das an der Teilnehmerzahl abzulesende Interesse an dieser Debatte angeht, so stünde es der Regierung in keiner Weise zu — schon von der „Kleiderordnung" her —, sich dazu zu äußern. Aber auch wenn es diese Hemmung nicht gäbe, würde ich mich dazu nicht äußern, weil ich mich sonst in der Rolle des Pfarrers in einer schlecht besuchten Kirche fühlte, der dann noch die ausschimpft, die doch gekommen sind.