Protokoll:
5062

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 62

  • date_rangeDatum: 7. Oktober 1966

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 12:23 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 62. Sitzung Bonn, den 7. Oktober 1966 Inhalt: Abg. Vogel (Warendorf) legt sein Mandat nieder 3011 A Erweiterung der Tagesordnung 3011 B Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses über die Vorschläge der Kommission der EWG für Richtlinien des Rats zur Änderung der Richtlinien des Rats vom 26. Juni 1964 zur Regelung 1) viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen, 2) gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch (Drucksachen V/806, V/968) . . 3011 C Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Zweiundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/928, V/969) 3011 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache V/810) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (Drucksache V/941) —Zweite und dritte Beratung — . . . . 3012 A Mündlicher Bericht des Innenausschusses über ,den Antrag der Abg. Rawe, Vogel (Warendorf), Dr. Klepsch, Prinz von Bayern u. Gen. betr. Olympiagroschen (Drucksachen V/794, V/944) 3012 B Ubersicht 7 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache V/942) 3012 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes Blexen bei Nordenham (Drucksache V/917) 3012 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Kaserne Ruhleben in Berlin-Spandau (Drucksache V/939) 3012 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks der sogen. Flötenteichschule in Oldenburg (Oldb), Flötenstraße/Hochheider Weg 169 (Drucksache V/953) . . 3012 D Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen (Drucksache V/955) . 3012 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Oktober 1966 Fünfundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksache V/924) . . . . . . . . 3012 D Achtundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksache V/925) . . . . . . . . 3012 D Schriftliche Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Zweiundfünfzigste und Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/825, V/950, V/833, V/952) 3013 A Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Zweiundvierzigste, Dreiundvierzigste, Vierundvierzigste, Vierundfünfzigste, Fünfundvierzigste, Einundvierzigste, Achtundvierzigste, Sechsundvierzigste und Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/798, 945, 799, 797, 863, 800, 946, 809, 947, 819, 948, 824, 949, 829, 951) 3013 B Antrag der Fraktion der SPD betr. Sozialenquete (Drucksache V/858) Katzer, Bundesminister 3014 A Dr. Schellenberg (SPD) 3014 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Deckungsverfahrens in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten (Drittes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) (Drucksache V/896) — Erste Beratung — Katzer, Bundesminister 3015 A, 3026 C, 3040 C Stingl (CDU/CSU) . . . . . . . 3018 D Dr. Schellenberg (SPD) 3022 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . 3028 A, 3039 B Springorum (CDU/CSU) 3030 C Killat (SPD) 3032 C Geldner (FDP) . . . . . . . 3036 C Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . 3037 A Rohde (SPD) 3038 B, 3042 C Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . . 3040 A Behrendt (SPD) . . . . . . . . 3040 B Rohde (SPD) . . . . . . . . . 3042 C Dr. Dehler, Vizepräsident . . . 3042 C Nächste Sitzung 3042 D Anlage 3043 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Oktober 1966 3011 62. Sitzung Bonn, den 7. Oktober 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach *) 13. 10. Dr. Adenauer 8. 10. Dr. Aigner *) 7. 10. Frau Albertz 7. 10. Dr. Apel *) 7. 10. Dr. Arndt (Berlin) 7. 10. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 7. 10. Dr. Artzinger 5) 7. 10. Bading *) 7. 10. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 7. 10. Bauer (Wasserburg) 11. 10. Bäuerle 31. 10. Prinz von Bayern 7. 10. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 7. 10. Frau Berger-Heise 7. 10. Bergmann *) 7. 10. Berlin 20. 10. Beuster 7. 10. Dr. Birrenbach 19. 10. Blachstein 10. 10. Blöcker 7. 10. Brand 15. 10. Burgemeister 31. 10. Corterier 11. 10. van Delden 7. 10. Deringer *) 7. 10. Dichgans *) 7. 10. Dr. Dittrich*) 7. 10. Dr. Eckhardt 7. 10. Eisenmann 7. 10. Frau Dr. Elsner *) 7. 10. Dr. Eppler 7. 10. Erler 31. 10. Folger 7. 10. Dr. Franz 7. 10. Frieler 8. 10. Frau Funcke 7. 10. Dr. Furler *) 7. 10. Frau Geisendörfer 7. 10. Dr. Giulini 7. 10. Freiherr von und zu Guttenberg 7. 10. Haage (München) 7. 10. Haar (Stuttgart) 7. 10. Hahn (Bielefeld) *) 7. 10. Dr. Dr. Heinemann 7. 10. Herold 7. 10. *) Für die Teilnahme an Fraktions- bzw. Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Hubert 8. 10. Illerhaus *) 7. 10. Kiep 7. 10. Klinker *) 7. 10. Dr. Koch 7. 10. Köppler 21. 10. Kriedemann *) 7. 10. Frau Dr. Kuchtner 7. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 7. 10. Kulawig *) 7. 10. Frau Kurlbaum-Beyer 8. 10. Lenders 7. 10. Lenz (Brühl) *) 7. 10. Lenz (Trossingen) 31. 10. Logemann 7. 10. Lücker (München) *) 7. 10. Mauk 7. 10. Frau Meermann 8. 10. Memmel *) 7. 10. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 7. 10. Metzger *) 7.10. Michels 7. 10. Missbach 14. 10. Müller (Aachen-Land) *) 14. 10. Müller (Worms) 7. 10. Frau Pitz-Savelsberg 7. 10. Dr. Pohle 7. 10. Frau Dr. Probst 7. 10. Prochazka 7. 10. Reichmann 7. 10. Dr. Reinhard 7. 10. Frau Renger 14. 10. Richarts 14. 10. Riedel (Frankfurt) *) 7. 10. Saam 7. 10. Dr. Schmidt (Gellersen) 7. 10. Schmidt (Würgendorf) 7. 10. Seifriz 7. 10. Seuffert *) 7. 10. Springorum *) 7. 10. Dr. Starke (Franken) 7. 10. Stein (Honrath) 7. 10. Strauß 7. 10. Frau Strobel *) 12. 10. Dr. Süsterhenn 8. 10. Teriete 20. 10. Dr. Verbeek 31. 10. Wächter 8. 10. Wagner 7. 10. Weimer 7. 10. Wieninger 7. 10. Baron von Wrangel 15. 10. Zerbe 7. 10. Dr. Zimmermann 7. 10.
Gesamtes Protokol
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0506200000
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Abgeordnete Vogel (Warendorf) hat auf seine Mitgliedschaft im Bundestag verzichtet. Die Mitgliedschaft ist am 6. Oktober 1966 erloschen.
Zu der in der Fragestunde der 61. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. Oktober 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Häfele, Drucksache V/960 Nrn. IV/1, IV/2 und IV/3 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Stücklen vom 6. Oktober 1966 eingegangen. Sie lautet:
Zu 1.
Ich habe vor einiger Zeit die Oberpostdirektion Freiburg im Breisgau beauftragt zu prüfen, ob es zweckmäßig ist, die Verwaltungsaufgaben der Postämter Furtwangen und Triberg in Triberg zusammenzufassen. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, so daß eine Entscheidung noch nicht getroffen werden konnte.
Bei der Entscheidung wird folgendes zu beachten sein:
Die Deutsche Bundespost führt bereits seit einigen Jahren eine weitgehende Neuordnung der Betriebsorganisation durch, um dem steigenden Arbeitsanfall bei ihren Ämtern und Amtsstellen durch neuzeitliche Arbeitsverfahren und rationellen Einsatz technischer Mittel zu begegnen. Sie folgt darin den Empfehlungen, die der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in seinem Gutachten über die Organisation der Deutschen Bundespost gegeben hat. Neuerdings hat sich auch die Sachverständigen-Kommission für die Deutsche Bundespost in ihrem Gutachten vom 6. November 1965 in gleicher Weise für die Neuordnung der postalischen Ämterorganisation ausgesprochen. Diese ist in weiten Bereichen des Bundesgebietes bereits abgeschlossen.
Zu 2.:
Das Zusammenfassen von Verwaltungsaufgaben dient dem Ziel, den Postbetrieb bei gleichbleibenden oder möglichst verbesserten Betriebsleistungen wirtschaftlicher zu gestalten und insbesondere die Kosten für die Verwaltungsaufgaben einzuschränken.
Zu 3.:
Die Neuordnung der postalischen Ämterorganisation wird wie in allen übrigen Gebieten der Bundesrepublik Deutschland auch im Furtwanger Raum nur durchgeführt werden, wenn feststeht, daß sich daraus für die Wirtschaft und die Bevölkerung des betroffenen Gebietes keine Nachteile ergeben.
Meine Damen und Herren, da in den bisherigen Fragestunden bereits alle Fragen dieser Woche erledigt worden sind, beginnen wir nicht mit einer Fragestunde, sondern mit der Erledigung der restlichen Punkte der Tagesordnung dieser Woche.
Zunächst aber soll die heutige Tagesordnung noch ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen.
1 Siehe 61. Sitzung, Seite 3008 A
Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall. Dann können diese beiden Ergänzungen gleich zu Beginn der Sitzung ,erledigt werden.
Es handelt sich erstens um die
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für
eine Richtlinie des Rats zur Änderung der Richtlinie des Rats vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen
eine Richtlinie des Rats zur Änderung der Richtlinie des Rats vom 26. Juni 1964 zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch
— Drucksachen V/806, V/968 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Rinderspacher
Es liegt ein Schriftlicher Bericht vor. Ich nehme an, daß eine mündliche Ergänzung nicht notwendig ist.
Es muß beschlossen werden über den Antrag des Ausschuses auf der Drucksache V/968; der Antrag befindet sich auf der Rückseite des Berichts und geht dahin, die Vorschläge der EWG-Kommission — Drucksache V/806 — zur Kenntnis zu nehmen. Wir stimmen ab. Wer dem Antrag ides Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. —Danke. Gegenprobe! — Keine Gegenstimme. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den zweiten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Zweiundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingente für Seidengarne und Schappeseidengarne — 4. Quartal 1966)
- Drucksachen V/928, V/969 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke



Vizepräsident Schoettle
Auch hier ist über den Antrag des Ausschusses — auf Drucksache V/969 — Beschluß zu fassen. Es wird vorgeschlagen, der Verordnung — Drucksache V/928 — zuzustimmen. Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitet ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Wenn das Haus damit einverstanden ist, erledigen wir zunächst einmal alle Punkte, die noch auf der Tagesordnung stehen, außer den Punkten 5 und 6 und dem damit zusammenhängenden Punkt 3. Können wir so verfahren? —

(Zustimmung.)

Dann haben wir das alles hinter uns. Ich rufe zunächst den Punkt 7 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
— Drucksache V/810 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß)

— Drucksache V/941 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Krips

(Erste Beratung 55. Sitzung)

Die Berichterstatterin wünscht das Wort nicht.
Wir kommen zur Beschlußfassung in der zweiten Beratung. Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Artikel, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, erheibe sich von seinem Platz. — Danke. Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Keine Gegenstimme, keine Enthaltung; das Gesetz ist angenommen.
Ich rufe Punkt 8 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses (6. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Rawe, Vogel (Warendorf), Dr. Klepsch, Prinz von Bayern und Genossen betr. Olympiagroschen
— Drucksachen V/794, V/944 —
Berichterstatter: Abgeordneter Haar (Stuttgart)

Berichterstatter zu diesem Punkt ist Herr Abgeordneter Haar (Stuttgart). Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann zur Beschlußfassung über den Antrag des
Ausschusses auf Drucksache V/944. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe Punkt 9 auf:
Beratung der Übersicht 7 des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
— Drucksache V/942 —
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Die Punkte 10, 11, 12, 13, 14 und 15 können zusammen behandelt werden. Es handelt sich um Anträge des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerungen sowie um Verordnungen der Bundesregierung. Ich rufe auf:
10. Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes Blexen bei Nordenham an die Firma Titangesellschaft mbH in Leverkusen
— Drucksache V/917 —
11. Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Kaserne Ruhleben in Berlin-Spandau an das Land Berlin
— Drucksache V/939 —
12. Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks der sogenannten Flötenteichschule in Oldenburg (Oldb), Flötenstraße/Hochheider Weg 169 an die Stadt Oldenburg
— Drucksache V/953 —
13. Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen
— Drucksache V/955 —
14. Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Fünfundfünfzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Erhöhung des Zollkontingents für Verschnittrotwein)

— Drucksache V/924 —
15. Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Achtundfünfzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingente für Kabeljau usw.)

— Drucksache V/925 —



Vizepräsident Schoettle
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen Sie aus der Tagesordnung; sie sind hinter den einzelnen Punkten kursiv gedruckt. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Es wird nicht widersprochen; dann ist so beschlossen.
Danach sind überwiesen:
Punkt 10 an den Ausschuß für das Bundesvermögen,
die Punkte 11 und 12 an den Ausschuß für das Bundesvermögen als federführenden Ausschuß sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung,
die Punkte 13 und 14 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung,
Punkt 15 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen.
Die Punkte 16 bis 23 können ebenfalls zusammen behandelt werden. Es handelt sich um Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über Zollvorlagen. Ich rufe auf:
16. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Zweiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingent für Melasse)
— Drucksachen V/825, V/950 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
17. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingent für Heringe und Sprotten)
— Drucksachen V/833, V/952 — Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber
18. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung verkündete Zweiundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Vorbemerkungen — Binnen-Zollsätze)
— Drucksachen V/798, V/945 — Berichterstatter: Abgeordneter Bading
19. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung verkündete
Dreiundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Revidierte zweite Angleichung für Waren der gewerblichen Wirtschaft — Zollaussetzungen I. Teil)

Vierundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Revidierte zweite Angleichung für Waren der gewerblichen Wirtschaft — Zollaussetzungen II. Teil)

Vierundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Revidierte zweite Angleichung für Waren der gewerblichen Wirtschaft — Zollaussetzungen III. Teil)

Fündundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Revidierte zweite Angleichung für Waren der gewerblichen Wirtschaft)

— Drucksachen V/799, V/797, V/863, V/800, V/946 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
20. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung verkündete Einundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingent für Rinder zur Vaccineherstellung)
— Drucksachen V/809, V/947 —Berichterstatter: Abgeordneter Junker
21. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung verkündete Achtundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Angleichungszölle — Verlängerung)
— Drucksachen V/819, V/948 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
22. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung verkündete Sechsundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollaussetzung für Roh-Diosgenin)
— Drucksachen V/824, V/949 — Berichterstatter: Abgeordneter Junker
23. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung verkündete Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Erhöhung des Zollkontingents für Bananen)
— Drucksachen V/829, V/951 — Berichterstatter: Abgeordneter Bading
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir über die Vorlagen unter Punkt 16 und Punkt 17 der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen? — Auch da wird nicht widersprochen. Dann stimmen wir ab über die Ausschußanträge auf den Drucksachen V/950 und V/952. Wer zustimmen will, den bitte ich



Vizepräsident Schoettle
um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
In den übrigen Fällen — Punkte 18 bis 23 der Tagesordnung — hat das Haus von den Berichten des Ausschusses nur Kenntnis zu nehmen. Anträge zu den Berichten liegen nicht vor. Ich stelle fest, daß das Haus von den Berichten des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen in den Drucksachen V/945, V/946, V/947, V/948, V/949 und V/951 Kenntnis genommen hat. — Dieser Feststellung wird nicht widersprochen; dann ist so beschlossen.
Nun kommen wir zurück zu den ersten Punkten der Tagesordnung, zunächst zu Punkt 3:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Sozialenquete
— Drucksache V/858 —
Als erster hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung das Wort.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506200100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Bundesregierung darf ich zu dem vorliegenden Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion folgendes erklären:
1. Die Bundesregierung hat vor etwa zwei Jahren sieben Professoren den Auftrag erteilt, eingehend das soziale Sicherungssystem in der Bundesrepublik Deutschland zu untersuchen. Sie ging dabei von dem Gedanken aus, daß es einer solchen Grundlage bedürfe, ehe einschneidende Änderungen im System der sozialen Sicherung sowie neue gesellschaftspolitische Aufgaben in Angriff genommen werden sollten. Die Bundesregierung wollte also mit ihrer Sozialenquete eine Grundlage für ihre langfristige sozialpolitische und gesellschaftspolitische Initiative schaffen.
2. Um von vornherein eine möglichst breite Meinungsbildung über diesen Bericht herbeizuführen, hat die Bundesregierung unmittelbar nach der Übergabe dieses Berichts an den Herrn Bundeskanzler ein Druckexemplar der Sozialenquete formlos allen Bundestagsabgeordneten zustellen lassen. Die Mitglieder des sozialpolitischen Ausschusses erhielten ein Exemplar an ihre Heimatadresse, und da sich die Bundesregierung außerstande sah, dies für alle Abgeordneten zu tun, wurde den Abgeordneten je ein Exemplar in das Fach gelegt.
3. Mit einer förmlichen Überweisung der Sozialenquete an den Bundestag hat die Bundesregierung gezögert, da erst Mitte Oktober aus drucktechnischen Gründen der Tabellenband zur Sozialenquete fertiggestellt werden kann. Wie mir mitgeteilt wird, wird etwa am 15. Oktober dieser Tabellenband ausgedruckt sein.
Sie alle wissen, daß bei der Perfektion unseres heutigen Nachrichtenwesens ein Gesetzentwurf, ein Bericht und eine solche Enquete nicht geheim bleiben können. Es war für mich als Abgeordneter schon immer ein großes Ärgernis, wenn ich aus Zeitungen über Dinge informiert wurde, über die ich erst später die Unterlagen in der Hand hatte. Ich habe das vermeiden wollen. Deshalb habe ich den, wie ich glaube, einzig möglichen, nämlich den formlosen Weg gewählt, um Ihnen zumindest wesentliche Teile der Sozialenquete sofort zur Kenntnis zu geben. Mir schien gerade die Zeit der Parlamentsferien für das Studium eines so umfangreichen Gutachtens sehr günstig zu sein. Ich glaube, ich habe es ihnen rechtzeitig zugestellt, damit es in das Feriengepäck mit hineingenommen werden konnte. Einige Kollegen haben sich dafür ausdrücklich bei mir bedankt.

(Beifall.)

Die Bundesregierung hat sich meinem Vorschlag angeschlossen; sie hat mit Drucksache V/961 die Sozialenquete dem Bundestag zugeleitet. Den Anlagenband werden wir Mitte Oktober nachreichen.
Ich nehme an, daß damit der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion erledigt ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0506200200
Meine Damen und Herren, an sich hätte der Antragsteller zunächst den Antrag begründen sollen, nach der Geschäftsordnung. Ich glaube aber, angesichts der besonderen Situation, die sich aus dem Gang der Ereignisse ergeben hat, ist es vielleicht auch nicht schlecht, wenn umgekehrt verfahren worden ist.
Jetzt hat das Wort Herr Professor Dr. Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506200300
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe eine kurze Erklärung für die sozialdemokratische Fraktion abzugeben.
Erstens. Immerhin hat unser Antrag erfreulicherweise bewirkt, daß jetzt die Enquete, wenn auch mit Verspätung, offiziell dem Hause zugeleitet wird. Darauf kommt es politisch an. Unwichtig war, daß sie formlos in den Fächern lag.

(Abg. Ruf: Sie sind sehr genügsam!)

Im übrigen, Herr Bundesarbeitsminister, der Hinweis, daß die Bundesregierung erst den Druck des Anlagenbandes abwarten wollte, ist eine schlechte Ausrede; denn die Bundesregierung hat jetzt auf Grund unseres Antrages nicht auf die Fertigstellung des Anlagenbandes gewartet, sondern zwei Tage vor Beratung dieses Tagesordnungspunktes die Enquete offiziell zugeleitet.
Zweitens. Die sozialdemokratische Fraktion wünscht die baldmöglichste Beratung der Enquete nebst Anlagenband hier im Plenum.
Drittens. Sobald der Enquetebericht nebst Anlage den Ausschüssen überwiesen ist, werden wir darauf dringen, daß die Enquete unter Hinzuziehung der Wissenschaftler, die sie erstellt haben, und unter Beteiligung anderer Sachverständiger in öffentlicher Anhörung beraten wird. Das entspricht der Bedeutung der Angelegenheit, nämlich der Aufgabe, die soziale Sicherung für die Zukunft in unserem Lande sinnvoll zu regeln.

(Beifall bei der SPD.)





Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0506200400
Keine weiteren Wortmeldungen. Eine Beschlußfassung ist zu diesem Punkt nicht notwendig, da die erwähnte Sozialenquete inzwischen vorgelegt ist. Das war ja Gegenstand der kurzen Aussprache.
Ich rufe nun den Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Deckungsverfahrens in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten (Drittes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz — 3. RVÄndG)

— Drucksache V/896 —
Soll der Entwurf der Bundesregierung begründet werden? — Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506200500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit der Reform der sozialen Rentenversicherung im Jahre 1957 sind fast 10 Jahre verstrichen. Im Dezember geht der erste Deckungsabschnitt zu Ende. Aus diesem Anlaß legt die Bundesregierung Ihnen heute einen Gesetzentwurf zur Änderung des Deckungsverfahrens der Rentenversicherung vor. Dieser Entwurf baut auf den Grundsätzen der Rentenreform des Jahres 1957 auf. Er paßt sich aber auch, wie ich gleich noch im einzelnen ausführen werde, den Erfordernissen an, vor die uns die wirtschaftliche und konjunkturelle Entwicklung stellt.
Dieser Gesetzentwurf will einen Beitrag dazu leisten, Stabilität und Fortschritt in unserem Lande zu sichern.
Im einzelnen ist die Bundesregierung dabei von folgenden Grundsätzen ausgegangen:
1. Oberstes Ziel dieses Gesetzes ist die Erhaltung der Stabilität und Leistungsstärke der gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Es wird sichergestellt, daß die Sozialrentner auch im Alter ihren im Arbeitsleben erworbenen Lebensstandard wahren und am wirtschaftlichen Wachstum beteiligt werden können.
3. Trotz der angespannten Haushaltslage ist die Bundesregierung der Auffassung, daß zur langfristigen Sicherung der finanziellen Grundlagen der Rentenversicherungen die Bundeszuschüsse erhalten bleiben müssen.
4. Trotz der Beibehaltung der Bundeszuschüsse läßt sich eine Beitragserhöhung nicht vermeiden. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß die Finanzberechnungen, die der Rentenreform 1957 zugrunde lagen, davon ausgingen, daß die Beiträge zum Ende des ersten Deckungsabschnittes, also bereits zum 1. Januar 1967, auf 16 1/4 % erhöht werden müßten. Die günstige wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Jahren hat wesentlich zu einer günstigeren finanziellen Entwicklung der Rentenversicherung beigetragen. So empfiehlt die Bundesregierung, die Beiträge erstmalig am 1. Januar 1968 von jetzt 14 auf 15 % und mit Wirkung vom 1. Januar 1970 auf 16 % zu erhöhen.
5. Die Beiträge sollen künftig alle vier Jahre für die folgenden vier Jahre, entsprechend den Ausgaben in diesem Zeitraum, festgelegt werden. Die nächste Überprüfung und Neufestsetzung der Beiträge muß demnach 1970 für die Jahre 1971 bis einschließlich 1974 erfolgen.
6. Das bisherige Abschnittsdeckungsverfahren wird aufgegeben. Ende 1966 dürfte die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ein Vermögen von etwa 27,6 Milliarden DM haben. In Zukunft soll die Rücklage etwa auf dieser Höhe gehalten werden.
7. Bei der Anlage ihres Vermögens soll die Rentenversicherung künftig soziale Zwecke mit Vorrang berücksichtigen.
8. Die Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung sollen nicht erhöht werden. Damit wird der schwierigen Lage im Bergbau Rechnung getragen.
Das sind kurz die wesentlichen Grundzüge des Entwurfs, den Ihnen die Bundesregierung heute vorlegt. Gestatten Sie mir, daß ich auf die damit angeschnittenen Fragen etwas tiefer eingehe. Denn ich bin der Meinung, daß es notwendig ist, daß Bundesregierung und Bundesparlament mit allem Nachdruck deutlich machen: Die soziale Rentenversicherung ist das Rückgrat unseres gesamten sozialen Sicherungssystems.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dieses System auch in Zukunft zu erhalten, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Das neue System der Rentenversicherung hat sich seit der Reform vor 10 Jahren bewährt. Es hat den Versicherten aus der Nähe des Fürsorgeempfängers in die Nachbarschaft des Lohnempfängers gerückt und ihm die Teilhabe am wachsenden Volkseinkommen ermöglicht. Wenn es heute kein Altenproletariat mehr gibt, dann ist das das Ergebnis der Rentenreform des Jahres 1957, die untrennbar mit den Namen meiner Amtsvorgänger, den Herren Storch und Blank, verbunden ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Den sozialen und gesellschaftspolitischen Wandel, der seitdem eingetreten ist, kann nur der begreifen, der sich vergegenwärtigt, welchen Weg die deutsche Rentenversicherung seit ihren Anfängen am Ende des vorigen Jahrhunderts durchlaufen hat. Sie wurde einst als Arbeiterversicherung konzipiert. Zu ihr gehörten in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nur 15 % der Bevölkerung. Heute sind es über 80 %. 1900 wurden eine halbe Million Renten gezahlt. Heute sind es in den 3 Zweigen der Rentenversicherung über acht Millionen, also das 16fache.
Noch eine Zahl lassen Sie mich nennen: Obwohl die Renten nach 1945 sechsmal durch Aufbesserungsgesetze angehoben worden waren, lagen 1956 die Renten der Arbeiterversicherung im Durchschnitt noch bei monatlich 90 DM, die der Angestelltenver-



Bundesminister Katzer
sicherung bei 138 DM. Heute beträgt die Durchschnittsrente in der Arbeiterrentenversicherung 233 DM, in der Angestelltenversicherung 394 DM monatlich. Diese Zahlen kennzeichnen die soziale und materielle Bedeutung der Rentenreform.
Sehr viel höher noch ist, so möchte ich meinen, die gesellschaftspolitische, strukturelle Bedeutung der Rentenreform. Die alte Arbeiterversicherung sollte den Arbeitern ein Mindestmaß an Fürsorge geben. Damals ging der Gesetzgeber noch davon aus, daß den vermögenslosen Fabrikarbeitern für den Wegfall der Arbeitskraft zum Schutz gegen Not ein anderweitiges Auskommen geschaffen werden müsse. Unsere Zeit ist dagegen geprägt von einem gewandelten Streben nach wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit. Dieses Sicherheitsbedürfnis der Menschen von heute unterscheidet sich erheblich von demjenigen früherer Generationen. Das rapide Anwachsen des Lebensstandards hat in breiten Schichten der Bevölkerung ein Gefühl der Furcht verstärkt, in einem etwaigen Krisenfall wieder alles verlieren zu können.
Die durch die beiden Weltkriege ausgelösten Wirtschaftskrisen und Währungszusammenbrüche haben außerdem deutlich gemacht, daß Eigentum, Besitz und angespartes Vermögen für sich allein keine soziale Sicherheit garantieren. Als krisenfest haben sich für das Gros unserer Bevölkerung Arbeit und berufliche Qualifikation erwiesen. Dem Arbeitseinkommen ist also heute völlig zu Recht die entscheidende Bedeutung für die Existenz und Alterssicherung beizumessen. In zunehmendem Maße bestimmen heute Arbeitsplatz und berufliche Stellung des einzelnen den Lebensstandard und den sozialen Status.
Auch wenn es heute unmodern geworden ist, von der Vergangenheit und von vergangenen Leistungen zu sprechen, so möchte ich doch in diesem Zusammenhang feststellen dürfen: Hier wird deutlich, nach welchen vorausschauenden gesellschaftspolitischen Vorstellungen vor 10 Jahren das Werk unserer Alterssicherung geformt worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich will der parlamentarischen Behandlung der Sozialenquete nicht vorgreifen. Dennoch möchte ich in diesem Zusammenhang meine Genugtuung darüber ausdrücken, daß hier das System der Rentenreform grundlegend gerechtfertigt wird. Mit ihm wurde die Bemessung der Rentenversicherung umgestaltet, das Finanzierungssystem geändert und die dynamische und praktikable Formel entwickelt, um die Sicherung im Alter an den schnellen wirtschaftlichen Fortschritt laufend anzupassen.
Ich glaube, nur wer selbst alt geworden ist, kann ermessen, was es bedeutet, die Umwelt mit all ihren neuen Freuden und Annehmlichkeiten an sich vorbeiwachsen zu sehen. Heute nimmt der, der sein Leben lang hart gearbeitet hat, an dem, was das Leben bietet, in hohem Maße teil. Hier stellen sich uns indes noch viele Probleme darüber müssen wir uns im klaren sein —, und das sind nicht nur Probleme materieller Art. Wir müssen neue Formen der Lebenshilfe für unsere älteren Mitbürger entwickeln, und wir brauchen ein neues Bewußtsein der Generationen füreinander.
Ich glaube deshalb, daß ich sagen kann: Diese soziale, gesellschaftliche und menschliche, von wissenschaftlichem Sachverstand geprüfte Bilanz unseres Systems der Alterssicherung kann für uns nur die eine Konsequenz haben: dieses Werk auch finanziell zu sichern, den sozialen und gesellschaftspolitischen Gehalt zu verbessern und das ganze System stärker in die Gegebenheiten einer neuen sozialwirtschaftlichen Entwicklung einzubetten.
Denn Grundlage einer stabilen Altersversorgung ist eine stabile und gesunde Wirtschaft. Hierzu kann die Rentenversicherung einen nicht unerheblichen Beitrag leisten, und ich bin dankbar, hier sagen zu können, daß sich die Versicherungsträger in hohem Maße bereit erklärt haben, diesen Beitrag zu leisten. Ich habe hier ein hohes Maß an Verständnis für ein neues sozialwirtschaftliches Bewußtsein gefunden.
Ich würde mich freuen und wir würden uns in vielen Fragen leichter tun, wenn wir in allen Bereichen das gleiche Verständnis finden würde.
Umgekehrt gilt aber auch, daß eine gesunde, stabile Wirtschaft nur möglich ist auf der Grundlage einer befriedigenden Lösung aller sozialen Anliegen und einer gesellschaftlichen Strukturpolitik, die dynamisch auf alle Veränderungen reagiert, die möglicherweise zu neuen sozialen Konflikten und unseligen Klassenspaltungen führen könnten. Das Beispiel der sozialen Rentenversicherung zeigt: Stabilität und sozialer Fortschritt sind ein Ganzes.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß die Rentner schön vor Jahren auf eine Rentenerhöhung verzichten mußten, die seither nicht nachgeholt werden konnte. Damit leisten die Rentner bis heute schon einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der Stabilität.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Auch das gehört mit zu dem Hintergrund, vor dem die entscheidenden Fragen der zukünftigen Finanzierung der Rentenversicherung gesehen werden müssen. Denn allein eine stabile und ausgeglichene finanzielle Basis versetzt die Rentenversicherung in die Lage, die ihr gestellten Aufgaben auch weiterhin zu bewältigen.
Dabei steht als besondere Schwierigkeit vor uns, die Belastungen auszugleichen, die uns aus dem ungünstigen Altersaufbau unserer Bevölkerung erwachsen. Wenn 1965 auf 100 Pflichtversicherte 41 Rentner entfielen, so werden es 1974 bereits 48 sein. Diese ungünstige Entwicklung ist im wesentlichen eine Folge der beiden Weltkriege und der dazwischenliegenden Zeit der allgemeinen Wirtschaftskrise. Wenn wir auch auf Grund der Zunahme der Geburtenzahlen hoffen, daß dieses Mißverhältnis keinen Dauerzustand darstellt, so sieht sich die Rentenversicherung doch in den nächsten 10 bis 15 Jahren vor zusätzliche finanzielle Probleme gestellt. Es ist das vordringliche Ziel dieses Gesetzentwurfes, die Voraussetzung zur Lösung dieser Probleme zu schaffen.



Bundesminister Katzer
Der vorliegende Geestzentwurf geht dabei von folgenden zwei Grundvoraussetzungen aus:
1. Es bleibt bei den jährlichen vollen Anpassungen der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung. Von diesem Grundsatz, der das Kernstück der Rentenreform ist, darf nicht abgegangen werden, wenn wir die Renten nicht verschlechtern wollen. Denn ein weiteres Absinken der Renten gegenüber dem Einkommen der erwerbstätigen Bevölkerung kann nur dann vermieden werden, wenn durch die jährlichen Rentenanpassungen die Renten der Lohnentwicklung folgen. Ein Sinken des Rentenniveaus würde die Renten sehr bald unter die Richtsätze der Sozialhilfe fallen lassen.
2. Der vorliegende Gesetzentwurf geht weiter davon aus, daß die allgemeinen Bundeszuschüsse unverändert beibehalten werden. Die Bundesregierung geht dabei von der Auffassung aus, daß es sich hier nicht um staatliche Subventionen, sondern um die Erstattung von Kosten handelt, die der sozialen Rentenversicherung entstehen und die nicht allein der Versichertengemeinschaft aufgebürdet werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn die deutsche Rentenversicherung muß für eine Reihe von Kriegsfolgelasten aufkommen, die an sich von der Allgemeinheit getragen werden müßten. So entstehen ihr durch die Berücksichtigung der Zeiten des Wehr- und Kriegsdienstes sowie der Kriegsgefangenschaft jährliche Mehraufwendungen von fast 2 Milliarden DM. Weitere rund 1,2 Milliarden DM bringt sie für Rentenleistungen aus Anlaß von Kriegsbeschädigung oder Kriegstod auf. Das sind also Kriegsfolgelasten von 3,2 Milliarden DM. Bei einem Bundeszuschuß von 6,4 Milliarden DM in diesem Jahr verbleiben also weitere 3,2 Milliarden DM als Anteil des Bundes an anderen Leistungen der Rentenversicherung, die nicht der Alterssicherung dienen, sondern Leistungen bei Frühinvalidität darstellen. Ich möchte dabei hinzufügen, daß durch diesen Betrag nicht die Geburtenausfälle gedeckt sind, die durch die beiden Weltkriege hervorgerufen wurden.
Wenn man also über die Bundeszuschüsse zur sozialen Rentenversicherung spricht — und es liegt mir sehr daran, dies hier im Hause klar auszusprechen und auch der deutschen Öffentlichkeit darüber Klarheit zu verschaffen —, dann muß man davon ausgehen, daß die Ausgaben für die Altersrenten in vollem Umfange durch Beiträge der Versicherten und deren Arbeitgeber gedeckt sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hierzu werden keine Zuschüsse geleistet. Es scheint mir wichtig, das festzuhalten, weil es in der Diskussion in der Öffentlichkeit bisher zum Teil anders gesehen worden ist.
Von den Gesamtausgaben der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten entfallen in diesem Jahr 19,1 Milliarden DM auf die reinen Altersrenten. Diese werden voll aus Beiträgen der Versicherten finanziert. 8,7 Milliarden DM — eine Zahl, über die wir miteinander noch, glaube ich, sehr viel nachdenken müssen — entfallen auf Leistungen bei
Frühinvalidität, 1,5 Milliarden DM werden für Rehabilitationsmaßnahmen und je 1 Milliarde DM für die Rentnerkrankenversicherung und für sonstige Kosten aufgebracht.
Ferner muß hier berücksichtigt werden, daß der Anteil des Bundeszuschusses an den Gesamtausgaben ständig sinkt. Denn nach den Rentengesetzen richtet er sich lediglich nach der jeweiligen Steigerung der allgemeinen Bemessungsgrundlage. Das bedeutet für 1967 eine Zunahme von rund 500 Millionen DM — also auf 6,9 Milliarden DM — gegenüber 1966. In den zehn Jahren seit der Rentenreform ist der Bundeszuschuß an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten von 3,4 Milliarden DM 1957 auf 6,4 Milliarden DM in diesem Jahr gestiegen. Weit stärker gewachsen sind jedoch die Ausgaben der Rentenversicherungen, nämlich von 12,4 Milliarden DM im Jahre 1957 auf 31,3 Milliarden DM im Jahre 1966. Dabei sank der Anteil des Bundeszuschusses an den Gesamtausgaben in dem gleichen Zeitraum von 27,5 % auf 20,2 %.
Nur unter der Voraussetzung, daß das System der „Bundeszuschüsse" — besser: der Erstattungen — beibehalten wird, ist das vorgesehene Finanzierungssystem der Rentenversicherung funktionsfähig. Eine Verminderung der Zuschüsse würde eine drastische zusätzliche Erhöhung der Beitragssätze erzwingen. Um auch hier einen Anhaltspunkt für die Größenordnung der finanziellen Auswirkung zu geben: 1 % Beitragserhöhung bedeutet für die Versicherten und ihre Arbeitgeber jeweils jährlich eine Belastung von je 1 Milliarde DM. Als Ersatz für die Bundeszuschüsse, zu denen der Bund verpflichtet ist, käme das einer beträchtlichen Steuererhöhung gleich. Unter diesen Voraussetzungen sieht der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, die Belastungen, die der Rentenversicherung in den kommenden Jahren vor allem aus dem ungünstigen Altersaufbau entstehen, durch drei Maßnahmen aufzufangen: 1. die Herabsetzung der vorgeschriebenen Rücklage; 2. den Verzicht auf die Festsetzung eines einheitlichen Beitrages für einen 10-Jahresabschnitt;
3. eine Änderung der Beitragssätze.
Lassen Sie mich zum ersten Punkt — Herabsetzung der vorgeschriebenen Rücklage — sagen. Nach der bisherigen Vorschrift mußte eine Rücklage gebildet werden, die der Jahresausgabe zu Lasten der Versicherungsträger im letzten Jahr eines 10jährigen Deckungsabschnittes entspricht. Würde dieses Verfahren beibehalten, so würde sich das Rücklagesoll im nächsten 10jährigen Deckungsabschnitt schon auf rund 50 Milliarden DM verdoppeln, weil die Ausgaben wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und der Zunahme der Zahl der Rentner beständig steigen. Das würde bedeuten, daß die Beitragssätze sich zu einem Zeitpunkt beträchtlich erhöhen müßten, in dem die Belastung der Rentenversicherung ohnehin zunimmt und schon zu Beitragserhöhungen zwingt. Auch wenn man daran festhält, daß die Rentenversicherung in gewissem Umfange über ein Vermögen verfügen muß, so erscheint es dennoch nicht sinnvoll, sie mit den Rentenausgaben parallel wachsen zu lassen. Die Bundes-



Bundesminister Katzer
regierung schlägt deshalb vor, daß für die Berechnung des Beitragssatzes diejenige Rücklage maßgebend sein soll, die auf der Höhe des tatsächlich vorhandenen Vermögens festgehalten werden wird.
Zur Verkürzung der jährlichen Deckungsabschnitte, die dieser Gesetzentwurf vorschlägt, darf ich folgendes sagen: Nach den bisherigen Deckungsvorschriften für die Rentenversicherung sollten die Beiträge so berechnet werden, daß sie in einem Deckungsabschnitt von zehn Jahren einheitlich gelten. Das mochte damals richtig sein, als noch nicht so erkennbar war wie heute, wie schnell und wie schnellebig in den einzelnen Phasen die wirtschaftliche Entwicklung sein würde. Bei der künftigen Zunahme der Belastung der Rentenversicherung würde jedoch heute eine Beitragsfestsetzung für zehn Jahre zu einem vor allen Dingen auch wirtschaftlich unerwünschten Ergebnis führen. Der Beitragssatz muß dann nämlich in den ersten Jahren des Deckungsabschnittes höher liegen als der erforderliche Beitragssatz; in den letzten Jahren liegt er dagegen darunter. Das hat zur Folge, daß im Laufe von zehn Jahren die Rentenversicherung etwa fünf Jahre lang ihr Vermögen aufstockt und in den nächsten fünf Jahren wieder abbaut. Neben den ungünstigen volkswirtschaftlichen Auswirkungen dieser Vermögensentwicklung würden dabei in den nächsten überschaubaren Jahren mehr Beiträge von den Versicherten und den Arbeitgebern erhoben, als erforderlich ist, wobei gerade umgekehrt eine höhere Belastung der Löhne und Gehälter bei angestiegenem Wohlstand in späteren Jahren leichter zu ertragen wäre. Der Gesetzentwurf geht daher zu einem jährlichen Deckungsabschnitt über, wobei die Beitragssätze jeweils vier Jahre im voraus festgesetzt werden sollen. Ich darf hier hinzufügen, daß das auch den Vorstellungen der Sozialenquete-Kommission entspricht.
Lassen Sie mich drittens zur Frage der Beitragserhöhung folgende ergänzende Feststellungen treffen: Durch die Beibehaltung der Bundeszuschüsse, die Herabsetzung des Rücklagesolls und die Verkürzung des Deckungsabschnitts ist es möglich, die künftige Beitragserhöhung in wirtschaftlich vertretbaren Grenzen zu halten. Wie ich bereits erwähnter wurde schon in den Gesetzentwürfen zur Rentenreform 1957 vorausgesagt, daß der Beitragssatz im Jahre 1967 auf 16,25 % der Entgelte steigen müsse. Dank der bisher günstigen finanziellen Entwicklung ist eine Erhöhung in dem damals angekündigten Umfang auch zur Zeit noch nicht erforderlich. Zudem ermöglicht es der jährliche Deckungsabschnitt, den Beitragssatz von Jahr zu Jahr am unmittelbar erforderlichen Bedarf zu orientieren und so den Anstieg von 14 auf 16 % fließender zu gestalten.
Diese jährliche Stufung der Beiträge hat auch wirtschaftlich ihre Vorteile; denn auf diese Weise werden Sprünge in der Belastung der Entgelte vermieden, so daß die angestiegenen Arbeitskosten leichter aufgefangen werden können. Allerdings — das möchte ich deutlich aussprechen — kann mit der Entscheidung über die Beitragserhöhung auch nicht länger zugewartet werden, da der Prozeß der zunehmenden Altersbelastung unserer Bevölkerung bereits begonnen hat, ja schon in ein Stadium getreten ist, in dem sich die Auswirkungen dieser Entwicklung deutlich abzeichnen.
Der Gesetzgeber trägt die Verantwortung für die künftige Stabilität der Rentenversicherung. Er muß daher auch 'beizeiten die gebotenen Maßnahmen zu ihrer Sicherung treffen. Der Gesetzentwurf schlägt daher eine Anhebung der Beitragssätze für 1968 und 1970 um jeweils 1 % der Entgelte vor. In Anbetracht der Finanzlage der Rentenversicherung und unter Berücksichtigung der konjunkturpolitischen Seite ist dies der spätestmögliche Zeitpunkt, bis zu dem mit der Erhöhung der Beitragssätze gewartet werden kann.
In den Gutachten zum 9. Rentenanpassungsgesetz, dessen Beratung heute noch nicht ansteht, hat der Sozialbeirat bereits eine Anhebung um ein halbes Prozent für 1967 und dann anschließend eine stärkere Anhebung für die kommenden Jahre empfohlen. In dem vorjährigen Gutachten hatte er sogar eine Erhöhung des Beitragssatzes auf 15 % bereits ab 1966 für erforderlich gehalten. Für diese Vorschläge des Sozialbeirates habe ich durchaus Verständnis. Wenn sich die Bundesregierung auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf noch nicht zu einer so frühen und starken Anhebung der Beitragssätze entschließen konnte, so wird man nicht umhin können, sich mit diesen Vorschlägen auseinanderzusetzen.

(Abg. Ruf: Sehr richtig!)

Die Vorschläge des Sozialbeirates lassen jedenfalls erkennen, daß die Beitragserhöhung spätestens zu dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Zeitpunkt vorgenommen werden muß. Andernfalls würde das Rücklagevermögen der Rentenversicherung in unvertretbarem Maße abgebaut.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Schon in den nächsten 4 Jahren würde ein beachtlicher Teil des Vermögens aufgezehrt werden müssen. Alber ein solcher Entsparungsprozeß wäre volkswirtschaftlich unerwünscht, da er eine weitere Schwächung des ohnehin angespannten allgemeinen Kapitalmarktes zur Folge haben würde.
Ich darf deshalb abschließend feststellen: Die vorgeschlagenen Beitragserhöhungen liegen also nicht allein im Interesse der Rentenversicherung, im Interesse ihrer Stabilität und dem wachsenden Fortschritt für unsere alten Menschen; sie tragen auch — und das möchte ich noch einmal mit Nachdruck unterstreichen — mit zu der dringend erforderlichen Stabilität unserer gesamten Volkswirtschaft bei. Um dieses doppelte Ziel zu erreichen, darf ich Sie bitten, dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0506200600
Wir treten in die allgemeine Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.

Josef Stingl (CDU):
Rede ID: ID0506200700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Anfang meiner Bemerkungen zu



Stingl
dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte ich den Dank an den Herrn Minister dafür zum Ausdruck bringen, daß er uns eben in seiner Einbringungsrede auch noch einmal verdeutlicht hat, um welch wichtige Materie es heute geht.
Das veranlaßt mich zugleich, mit ein wenig Betrübnis festzustellen, daß das Interesse der Offentlichkeit an den Beratungen des Bundestages, das bei einer sehr wichtigen Materie, nämlich bei der außenpolitischen Debatte, sehr groß war, heute nicht so sehr groß ist. Dabei kann ich mir in diesem Zusammenhang die Bemerkung nicht versagen: Die Alterssicherung für unser Volk sollte des Interesses der Öffentlichkeit auch so gewiß sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich wäre dankbar, wenn das in der Berichterstattung entsprechend zum Ausdruck kommt.
Herr Minister Katzer hat einen Gesetzentwurf begründet, der für die Alterssicherung unseres Volkes in der Zukunft von enorm großer Bedeutung ist. Meine Fraktion, die Fraktion der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union, stimmt diesem Gesetzentwurf zu. Die Zustimmung fällt ihr um so leichter, als dieser Gesetzentwurf auch in der Debatte, die um die Alterssicherung in unserem Volke überhaupt geführt wird — nämlich sowohl auf Grund des Berichts des Sozialbeirats als auch auf Grund des Berichts der Sozialenquetekommission —, seine volle Rechtfertigung erfährt.
Lassen Sie mich in dem Zusammenhang sagen, daß wir sowohl den Sozialbeirat wie auch den Mitgliedern der Sozialenquetekommission außerordentlich dankbar für die Mühe und die. Sorge sind, die sie in ihren wissenschaftlichen Untersuchungen und in ihren Darlegungen aufwenden, um den Politikern die Entscheidung in der Frage der Alterssicherung unseres Volkes zu erleichtern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Herr Minister hat eben, wie wir mit besonderer Genugtuung gehört haben, darauf hingewiesen, daß es der Sinn der Rentenreform von 1957 und der darauffolgenden Rentenanpassungsgesetze war, den Rentner, der aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden ist und während seiner Tätigkeit die Grundlage dafür gelegt hat, daß wir, die wir heute im Arbeitsprozeß stehen, eine vernünftige Basis für unsere Arbeit finden, von der Nähe des Fürsorgeempfängers zur Nähe des Lohnempfängers zu bringen.
Wir verhehlen in diesem Zusammenhang gar nicht — und sind auch bereit, das in der heutigen Debatte zuzugestehen —, daß wir das, was wir 1957 erstrebt haben, daß das Renteneinkommen nämlich etwa 60 °/o des letzten Arbeitseinkommens betragen solle, nicht erreicht haben. Das hat verschiedene Gründe. Einen hat der Minister besonders genannt: daß wir, um unseren Beitrag zur Konjunkturpolitik zu leisten, eine Rentenanpassung nicht durchgeführt haben. Das hängt andererseits aber auch damit zusammen, daß die allgemeine Bemessungsgrundlage eben eine verzögerte Anpassung bewirkt und daß das sehr schnelle Wachstum sowohl unserer Volkswirtschaft wie insbesondere der Löhne und Gehälter die Distanz zwischen den Renten und den aktuellen Löhnen vergrößert hat.
Ich möchte nicht sehr viel von dem wiederholen, was der Herr Minister hier in seiner Rede gesagt hat. Ich möchte aber, meine Damen und Herren, noch einmal darauf hinweisen, daß wir zur Rentenversicherung heute einfach deshalb ein anderes Verhältnis gewinnen müssen, weil wir in dieser Versicherungseinrichtung, als sie begründet wurde, nur 15 % der Bevölkerung gesichert hatten, während es heute rund 85 % der Bevölkerung sind. Das bedingt natürlich auch eine höhere politische Verantwortung, aber auch eine höhere wirtschaftspolitische Verantwortung und eine größere Bedeutung für die Stabilität unserer Währung.
Wir haben bei der öffentlichen Diskussion festgestellt, daß die Rentenreform in ihren Grundzügen heute nicht mehr umstritten ist. Ich sagte vorhin, daß der Sozialbeirat in seiner Stellungnahme im Sozialbericht dieses Jahres und auch die Sozialenquetekommission diesem Gesetzentwurf praktisch die Bahn ebnen. Damit wollte ich zugleich sagen, daß sie die Grundsätze der Reform von damals völlig bejaht haben. Niemand in unserem Volke — ich glaube, auch niemand im Hohen Haus — will noch eine allgemeine Volksversorgung anstreben oder nur eine Grundsicherung. Vielmehr sind die Prinzipien der Rentenreform, nach denen eine individuelle Rente entsprechend dem persönlichen Lebensschicksal gezahlt werden soll, unumstritten.
Nun haben wir uns heute dennoch mit den Rentenversicherungsgesetzen zu beschäftigen. Wir haben uns mit ihnen erstens von Gesetzes wegen zu beschäftigen. Der erste zehnjährige Deckungsabschnitt ist vorbei. Der Gesetzgeber von damals hat verfügt, daß nach diesen zehn Jahren neu überdacht werden muß, was denn hinterher passiert. Wir, die wir damals schon dem Hohen Hause angehörten, haben gemeint, daß wir immer in einem zehnjährigen Deckungsabschnitt die Rentenversicherungen überprüfen und die Beiträge danach festsetzen sollten. Das war in der damaligen Zeit richtig, und es zeugte von dem Verantwortungsbewußtsein des Bundestages, daß er einen solchen Deckungsabschnitt als Übergang vom Kapitaldeckungsverfahren zu einem Abschnittsdeckungsverfahren gewählt hat.
Diese zehn Jahre aber haben uns ja einige Erfahrungen beschert, und am Ende dieses zehnjährigen Deckungsabschnittes können wir sagen, daß ein zehnjähriger Deckungsabschnitt für die Zukunft nicht gerechtfertigt ist. Er ist nicht gerechtfertigt — das hat der Herr Bundesminister schon angeführt —, weil die weitere Beibehaltung eines zehnjährigen Deckungsabschnittes insgesamt, insbesondere aber in den jetzt kommenden zehn Jahren, in denen wir den sogenannten Rentenberg -haben werden, zur Folge hätte, daß wir in den ersten Jahren dieses Deckungsabschnittes ein allzu hohes Ansammeln von Kapitalien bei den Rentenversicherungsträgern bewirken würden und im zweiten Teil dieses Dekkungsabschnittes die angesammelten Gelder wieder liquide machen müßten. Wir hätten hier von der



Stingl
Rentenversicherung her einen recht ungünstigen Einfluß auf die Konjunkturentwicklung. Wir hätten zudem die Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber jetzt mit einer Beitragsbelastung versehen, die volkswirtschaftlich nicht nötig und für ihren eigenen Lebensstandard vielleicht doch etwas zu hoch wäre.
Wir müssen uns zweitens aber auch deshalb noch einmal mit diesen Deckungsabschnitten beschäftigen, weil wir uns ja nicht aus der Verantwortung entlassen können, die wir dafür haben, daß die Rentenversprechen, die wir heute abgeben, morgen gehalten werden.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Wir müssen uns bei der Frage, wie wir denn die Renten sichern können, die wir heute versprechen, auch mit den Problemen der finanziellen Deckung auseinandersetzen.
Drittens haben wir die volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten zu überprüfen; denn das scheint mir besonders nachhaltig betont werden zu müssen: Die beste Sozialpolitik kann nicht bestehen, wenn ihr nicht eine stabile Volkswirtschaft die Gewähr dafür bietet, daß sie die Leistungsversprechungen auch halten kann.

(Beifall in der Mitte.)

Unsere Rentenversicherung, meine Damen und Herren, ist ein Ausdruck der Solidarität der heute schaffenden Generation mit der Generation, die die Grundlage für dieses Schaffen gelegt hat. Wir haben also dabei zu beachten, daß wie bisher die aus dem Arbeitsprozeß ausgeschiedenen Menschen nicht nur einmal eine bestimmte Rente festgesetzt bekommen, sondern wir müssen darauf achten, daß diejenigen, die schon aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden sind, an der Fortentwicklung der Volkswirtschaft, an der Vergrößerung des Sozialprodukts oder — anders ausgedrückt — an der Anhebung des Lebensstandards Anteil haben können. Auch dies müssen wir bei unseren Überlegungen über die Deckung berücksichtigen.
Wir bejahen also aus diesen Überlegungen heraus die Darlegungen des Ministers und die Vorschriften des Gesetzes, daß wir die Rücklage in der sozialen Rentenversicherung anders gestalten müssen als bisher. Wir haben 1957 gesagt, daß am Ende eines Deckungsabschnittes, also nach zehn Jahren, eine Jahresausgabe vorhanden sein müsse, um etwaige Fährnisse zu überwinden. Heute sind wir zu der Erkenntnis gekommen, daß eine so hohe Rücklage nicht nötig ist. Diese hohe Rücklage würde ja z: B. nach dem nächsten zehnjährigen Deckungsabschnitt 50 Milliarden DM umfassen müssen. Eine solche Größenordnung wäre volkswirtschaftlich kaum vertretbar, und sozialpolitisch ist sie nicht nötig. Deshalb sind wir der Auffassung, daß die Rücklagevorschriften im Sinne dieses Gesetzes geändert werden können. Wir sind auch der Meinung, daß ein Entsparungsprozeß nicht stattfinden sollte. Wir sind also der Auffassung, daß die jetzt angesammelte Rücklage stabil gehalten werden soll; ob es dann wegen der Rückflüsse und sonst einiger Nuancierungen geringe Verschiebungen gibt, ist nicht so bedeutungsvoll. Prinzipiell jedenfalls wollen wir vermeiden, daß ein Anwachsen der Rücklage erfolgt. Wir sind uns aber auch bewußt, daß wir Verantwortung dafür tragen, daß nicht ein Entsparungsprozeß bei dieser Rücklage erfolgt und dann durch diesen Entsparungsprozeß volkswirtschaftlich unerwünschte Ergebnisse zustande kommen. Hier müssen wir allerdings auch bemerken, daß die Verhinderung eines Entsparungsprozesses gleichzeitig gesehen werden muß unter dem Gesichtspunkt — wir haben diese Überlegung an einer ganz anderen Stelle, nämlich anläßlich des Stabilitätsgesetzes, angestellt —, ob denn das Verhindern eines Entsparungsprozesses in Übereinstimmung mit den anderen Bestimmungen steht, gewisse liquide Mittel der Versicherungsträger bei der Bundesbank in Mobilisierungs- und Liquiditätspapieren festzulegen. Wir werden gerade anläßlich dieses Gesetzes die Frage des Zusammenhangs mit der Verantwortung für die Stabilität noch einmal prüfen. Denn die Begründung für den Vorschlag des Sozialbeirats, schon am 1. Januar 1967 den Rentenversicherungsbeitrag um 1/2 O/o zu erhöhen,

(Zuruf der Abg. Frau Kalinke)

spricht ja nicht davon, Frau Kalinke, daß ein Entsparungsprozeß verhindert werden soll, sondern auch für die Zukunft soll das Rücklage-Soll erhöht werden. Das scheint mir aber ein wenig in Widerspruch zu den Auskünften zu stehen, die wir vorgestern im Sozialpolitischen Ausschuß bekommen haben. Danach wird es nämlich nicht eintreten, daß sich die Rücklage durch die Erhöhung des Beitrags um 1/2 % erhöht. Vielmehr haben die Sachverständigen dargetan, daß eine Erhöhung des Beitrags nötig ist, um den Entsparungsprozeß schon 1967 auszuschließen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich habe Ihnen das dargelegt, weil ich für meine Fraktion erklären will, daß wir als Sozialpolitiker uns absolut der Verantwortung bewußt sind, die wir für die Stabilität der Währung und für die Volkswirtschaft haben. Wir würden uns aber zugleich gegen die Absicht wehren, allein durch eine Anhebung .des Beitragssatzes und einen Konsumentzug nur bei den Arbeitnehmern dieses Ziel zu erreichen. Wir müssen beides, Stabilität und Beitragsbelastung, nebeneinander sehen und werden unsere Entscheidung von beidem beeinflussen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich noch ein Wort zu denjenigen sagen, die heute, wenn sie die soziale Rentenversicherung betrachten, noch immer nicht von Überlegungen loskommen, die eigentlich aus dem Kapitaldeckungsverfahren stammen. Häufig wird noch davon gesprochen, daß der eigene Beitrag sich in Rente umsetze. Nach den Rentengesetzen ist der eigene Beitrag ein Maßstab für das individuelle Arbeitsschicksal und damit ein Maßstab für die Höhe der Rente. Wenn wir in einer gesetzlichen Rentenversicherung, in der wir immer Beitragszahler kraft Gesetzes haben — was in einer privaten Altersrentenversicherung oder Lebensversicherung nicht der Fall sein kann —, das Kapitaldeckungsverfahren durchführten, würde das bedeuten, daß wir



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eine Rücklage von 500 Milliarden DM haben müßten. 500 Milliarden DM sind, wie Sie wissen, mehr als unser gesamtes Sozialprodukt in einem Jahr. Im übrigen würden diese 500 Milliarden DM zwar monetär die Ansprüche sichern, die die Rentner haben, sie würden sie aber nicht sichern im Sinne des Anteils am Sozialprodukt, den wir den Rentnern versprochen haben.
Der Gesetzentwurf bedeutet eine Verkürzung des Beitragsabschnitts auf ein Jahr. Nun wird man einräumen müssen, daß die Festlegung des Beitragssatzes von Jahr zu Jahr die Dispositionsmöglichkeit der Betriebe einschränken würde. Deshalb begrüßen wir auch den Vorschlag der Regierung, die Beiträge zwar in Einjahresabschnitten fest zu bestimmen, aber jeweils vier Jahre vorher festzulegen. Ferner schlägt die Regierung vor, daß die versicherungstechnische Bilanz nicht mehr wie bisher alle zwei Jahre, sondern alle vier Jahre vorgelegt wird. Dadurch wird den gesetzgebenden Körperschaften die Entscheidung darüber, wie die Beitragssätze gestuft sein müssen, erleichtert.
Es wird den gesetzgebenden Körperschaften zudem erleichtert, darauf Rücksicht zu nehmen, daß nicht Beitragssprünge entstehen, so wie wir sie 1957 eigentlich noch erwarten mußten. Hier decken sich also die Überlegungen meiner Fraktion auch mit denen des Sozialbeirats und der Sozialenquetekommission, daß man eine Beitragsanhebung möglichst so durchführt, daß nicht Sprünge im Beitragsgefüge von Zeit zu Zeit nötig sind, sondern daß eine kontinuierliche Entwicklung bewirkt wird.
Wir müssen bei der Höhe des Beitrags feststellen, daß wir der Bundesregierung sehr dankbar dafür sind, daß anläßlich dieses Gesetzes die Debatte über den Zuschuß des Bundes zu den Rentenversicherungen geführt wurde und eindeutig entschieden wurde. Die Bundesregierung hat mit der Vorlage dieses Gesetzes, wie wir aus den Mitteilungen darüber wissen, sich klar dazu bekannt, daß das Finanzierungssystem der Rentenversicherung beibehalten werden soll, wie es in der Vergangenheit war, nämlich daß eine Säule dieser Sicherung der Altersrenten durch einen Zuschuß aus den Mitteln des Bundes gewährleistet ist. Wir sind der Bundesregierung für dieses Bekenntnis besonders dankbar, nicht nur aus den Überlegungen, die der Herr Minister vorgetragen hat, daß wir Kriegsfolgelasten in den Rentenversicherungen zu tragen haben. Die größte Kriegsfolgelast liegt darin, daß wir Geburtenausfälle durch die beiden Weltkriege hatten, wodurch das ungünstige Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern wesentlich hervorgerufen ist, und weniger darin, daß wir eine größere Anzahl von Sterbefällen gehabt hätten. Ein weiterer Grund für dieses im Sinne der Rentenversicherung ungünstige Verhältnis ist auch die erfreuliche Tatsache, daß das Lebensalter zugenommen hat, daß die Menschen heute älter werden. Deshalb dürfen wir natürlich auch die außerhalb dieses Hauses angestellten Erwägungen nicht unbeachtet lassen, ob es denn bei dieser Entwicklung noch gerechtfertigt sei, daß eine starre Altersgrenze für immer bestehenbleibt. Der Gesetzgeber wird sich dem nicht entziehen können, auch über solche Erwägungen nachzudenken. Allerdings glaube ich nicht, daß wir es anläßlich dieses Gesetzes tun sollten, sondern das wird wohl in der breiten Diskussion über die Forschungsergebnisse der Wissenschaft und die Sozialenquete eine Rolle spielen.
Wir müssen auch sagen, daß wir durch die Beitragsfestsetzung auf die Struktur des Kapitalmarktes einwirken. Meine Damen und Herren, die Rentenversicherungsträger haben sich — das wurde ihnen von sehr vielen Seiten immer wieder bescheinigt — in der Vergangenheit zumindest so konjunkturgerecht verhalten, wie es sonstige Kapitalsammelstellen taten. Ja, wir haben die Aussage von vorgestern noch im Ohr, mit der den Rentenversicherungsträgern bescheinigt wurde, daß sie sich außerordentlich jeweils nach den Erfordernissen des Kapitalmarkts und der Konjunkturpolitik gerichtet haben. Das führt uns dazu, auch an dieser Stelle für dieses Verhalten der Verantwortlichen in den Rentenversicherungsträgern, den Selbstverwaltungsorganen nämlich, zu danken.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie haben damit bewiesen, daß in einer gesetzlichen Versicherung, die auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift eine ganze Fülle von Beiträgen erhält, sie als demokratisch legitimierte Organe durchaus nicht übersehen haben, daß sie dieses Geld nicht nur nach ihrem Belieben zu verwalten haben, sondern daß sie eine Verantwortung für die gesamte Volkswirtschaft tragen. Wir meinen, das spricht dafür, daß wir dieses Vertrauen auch in die Zukunft haben können. Daß wir dennoch beim Stabilitätsgesetz auch Vorschriften für die Anlage bereit sind mitzubeschließen, hängt damit zusammen, daß wir auch anderen demokratischen Organen, beispielsweise den Ländern und den Gemeinden, gewisse Auflagen im Sinne der Konjunkturpolitik machen wollen.
Wir haben also festzustellen — ich wiederhole das —, daß die Rentenversicherungsträger sich bisher konjunkturgerecht verhalten haben. Der Bundesgesetzgeber, der Deutsche Bundestag, hat festzustellen, daß die Entgegennahme von Schuldbuchforderungen diesem Bundestag den Ausgleich des Haushalts schon mehrfach erheblich erleichtert hat. Am Anfang, als die Schuldbuchforderungen zum erstenmal ausgestellt wurden, haben wir gesagt, das solle nur für ein Jahr sein; dann waren es zwei Jahre; es blieb aber insoweit für ein Jahr, als die Bedingungen für die Schuldbuchforderungen auferlegt wurden. Seit diese Bedingungen mit den Rentenversicherungsträgern ausgehandelt werden, ist es unserer Meinung nach gerechtfertigt, diese Schuldbuchforderungen an sie auszugeben, weil damit nämlich eine marktgerechte Verzinsung für die Rentenversicherungsträger gesichert ist und die Verfügungsmöglichkeit über die Mittel gewährleistet ist.
Die Auseinandersetzung um die Rentenversicherung kann jeweils auch nicht daran vorbeigehen, daß die günstige Entwicklung von 1957 bis heute u. a. auch darauf zurückzuführen ist, daß wir eine große Zahl von Gastarbeitern in Deutschland haben.



Stingl
Es ist sicherlich nicht verkehrt, wenn vor diesem Hohen Hause auch einmal festgestellt wird, daß das Beitragsaufkommen der Gastarbeiter 1,3 Milliarden, die heutige Belastung durch Renten jedoch nur 150 Millionen im Jahr beträgt. Selbstverständlich kann jemand, der die Rentenversicherung kennt, Ihnen nicht vorreden, daß dieses Verhältnis für alle Zukunft so bleibt. Selbstverständlich entstehen aus diesen 1,3 Milliarden, die wir jetzt an Beiträgen einnehmen, später auch Belastungen. Aber wenn im Jahre 1975 auf 1000 Beitragszahler 480 Rentenempfänger kommen, müssen wir überlegen, wie die deutsche Volkswirtschaft dieses Verhältnis verändern kann. Es verändert sich nämlich dann, wenn eine höhere Zahl von Arbeitsplätzen da ist. In diesem Zusammenhang ist gar nicht wichtig, ob der Altersaufbau unseres Volkes ungünstig ist, sondern allein maßgebend für die Überlegungen in der Rentenversicherung ist das Verhältnis der Beitragszahler zu den Rentenempfängern, und zwar — das möchte ich dazu sagen — natürlich völlig ohne Rücksicht darauf, welche Staatsangehörigkeit sowohl die Rentenempfänger wie die Beitragszahler besitzen. Wir haben das auch bei unseren Überlegungen mit zu berücksichtigen und haben Folgerungen daran zu knüpfen. In der öffentlichen Diskussion sagen wir immer wieder — Minister Katzer hat es gesagt, ich habe es an mehreren Stellen auch schon gesagt —, daß wir bei dieser in die Zukunft gerichteten Schau auch für die Grundlegung unserer Rentenversicherung eine weitschauende Familienpolitik und eine weitschauende Mobilitätspolitik für die Arbeitnehmer brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn wir können den Rentenberg nicht bewältigen, wenn wir nicht durch eine höhere Ausbildung und Bildung unserer Bevölkerung und der in Großfamilien heranwachsenden Kinder dafür sorgen, daß wir mit weniger Arbeitskräften durch die Handhabung mehr technisierter Arbeitsmittel ein höheres Sozialprodukt herstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

So ist es also das Bestreben meiner Fraktion, im AVAVG eine Änderung zu erreichen, um die Mobilität der Arbeitskräfte zu sichern oder mit der Automation fertig zu werden. Daneben steht das Bestreben, auch in der Familienpolitik mehr dafür zu tun, daß die Kinder aus großen Familien in höhere Ausbildungszweige kommen. So ist es, von daher gesehen, ein Erfordernis der Solidarität der Generationen, untereinander die Grundlage dafür heute zu geben und damit also in diesem Sinne eine Sozialinvestition von höchster Bedeutung heute schon zu leisten.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich damit zum Schluß kommen. Wir haben hier ein wichtiges Gesetz vor uns liegen. Dieses Gesetz besagt, daß wir 1957 mit der Einführung der Rentenreform und der Deutlichmachung der Solidarität der Generationen ein gutes Gesetz geschaffen haben. Wir wissen, daß dieses Gesetz, das sich in zehn Jahren bewährt hat, heute aus den von mir angeführten Gründen geändert werden muß. Die CDU/CSU-Fraktion wird sich von niemandem darin übertreffen lassen, alles dafür zu tun, daß die Rentenversprechen von heute morgen erfüllt werden. Sie wird dabei nicht außer acht lassen, daß dazu eine gesunde Volkswirtschaft, stabiles Geld und soziales Rechtsempfinden gehören.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0506200800
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506200900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat bei seiner allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfs eine Reihe von zutreffenden Worten gesagt, beispielsweise über die Entwicklung der Rentenversicherung, über die Beteiligung der Rentner am wirtschaftlichen Wachstum, über die Rentenversicherung als Rückgrat der sozialen Sicherung, über die gesellschaftspolitische Bedeutung der Rentenversicherung. Herr Kollege Stingl hat das unterstrichen und noch erweitert durch den Gesichtspunkt einer Solidarität der Generationen. Für uns sind das Selbstverständlichkeiten.
Unsere besondere Verbundenheit mit den Grundlagen einer dynamischen Rentenversicherung haben wir stets unter Beweis gestellt, angefangen mit unserem ersten Entwurf für ein Rentenversicherungs-
Neuregelungsgesetz, das bekanntlich den Anstoß zur Rentenreform des Jahres 1957 gegeben hat

(Beifall bei der SPD)

bis zu unseren .ständigen Bemühungen, Härten und
Ungerechtigkeiten der Rentenreform zu beseitigen.

(Abg. Dr. Rutschke: Ihr seid die Größten! — Heiterkeit redits.)

Deshalb war der allgemeine Teil der Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers wohl vorwiegend an Kollegen seiner Fraktion und an seinen Koalitionspartner gerichtet,

(Beifall bei der SPD)

denn dort sitzen die Abgeordneten, die 1957 gegen die Rentenreform gestimmt haben

(Abg. Dr. Rutschke: Hört! Hört!)

und die sogar später zum Teil auch die Rentenanpassungen abgelehnt haben.
Der Gesetzentwurf soll, wie der Herr Bundesarbeitsminister richtig dargelegt hat, die finanziellen Grundlagen für die Rentenversicherung in der Zukunft sicherstellen. In diesen finanziellen Fragen der Rentenversicherung war das Urteil der sozialdemokratischen Fraktion während der letzten zehn Jahre wesentlich realistischer als das der Bundesregierung und der Regierungsparteien. Die Sozialdemokraten haben allen Unkenrufen zum Trotz stets erklärt, daß die dynamisierte Rentenversicherung wohlfundiert ist und daß der Beitrag für die ersten zehn Jahre ausreichen würde, auch die gesetzlich vorgeschriebenen Deckungsmittel anzusammeln.



Dr. Schellenberg
Nun, zu den eigentlichen finanzpolitischen Zusammenhängen. Hierzu haben sich leider der Herr Bundesarbeitsminister und auch Herr Kollege Stingl nicht geäußert. Sie sind diesen Problemen aus dem Wege gegangen. Politisch wichtig ist heute, daß es sich bei diesem Gesetzentwurf keineswegs um die einzige Vorlage handelt, die sich auf die Finanzen unserer Rentenversicherung auswirkt. Der Gesetzentwurf ist finanzpolitisch nur ein Teil des bedenklichen Finanzpakets, mit dem die Bundesregierung unter Beanspruchung der Sozialversicherung mehr schlecht als recht versucht, der Schwierigkeiten im Bundeshaushalt Herr zu werden.
Während der Herr Bundesarbeitsminister viele gute und schöne Reden über die Sozialpolitik im allgemeinen und die Sozialversicherung im besonderen hält, scheut sich die Bundesregierung nicht, Grundlagen dieser Sozialversicherung anzutasten. So will sie z. B. Sozialversicherungsbeiträge, die für klar umrissene Aufgaben erhoben werden, zu einer Form von Sondersteuer machen. Beispielsweise sollen Beitragsteile der Arbeitslosenversicherung mit staatlichen Verpflichtungen für die Mutterschaftshilfe gekoppelt werden.

(Abg. Ruf: Sind doch nicht mehr im Haushalt!)

Beiträge der gewerblichen Wirtschaft zur Unfallversicherung sollen Bundessubventionen für die Landwirtschaft ersetzen.

(Zuruf des Abg. Ruf.)

— Auch die Rentenversicherung, Herr Kollege Ruf, soll nicht verschont bleiben.
1. So soll die Erstattung der Sonderzuschüsse in Höhe von 110 Millionen DM gestrichen werden. Das ist das Doppelte dessen, was in der Härtenovelle für die Einführung der unbedingten Witwenrente von 60 % angesetzt ist. Die Streichung dieses Teiles des Bundeszuschusses steht in striktem Gegensatz zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister über die Erhaltung der Bundeszuschüsse gesagt hat, und zu dem, was der Minister immer wieder erklärt hat: er würde die Bundeszuschüsse vor jedem Eingriff schützen.

(Abg. Ruf: Sonderzuschuß ist etwas anderes als Bundeszuschuß! Das wissen Sie doch genau!)

— Jetzt teilen Sie auf in allgemeinen Bundeszuschuß und besonderen Bundeszuschuß und kürzen den besonderen Bundeszuschuß. Wehret den Anfängen!

(Abg. Ruf: Das hat Herr Katzer mit Erfolg getan!)

2. Die Schuldbuchforderungen, die der Bund der Rentenversicherung auferlegt, sollen im Jahre 1967 die Rekordhöhe von 1,2 Milliarden DM erreichen. Dann machen die Schuldbuchforderungen der Rentenversicherung insgesamt 5,6 Milliarden DM aus. Damit machen sie den größten Anlageposten der Rentenversicherung aus. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn die Rentenversicherung ihr Vermögen auch bei der öffentlichen Hand anlegt, um dieser die Durchführung von Sozialinvestitionen zu erleichtern. Herr Kollege Stingl hat die Schuldbuchforderungen vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Verzinsung betrachtet. Das ist auch ein Gesichtspunkt, aber er wird dem Kern der Sache nicht gerecht. Die Schuldbuchforderungen werden nämlich vom Bund keineswegs vermögenswirksam eingesetzt, sondern sie fließen in den allgemeinen Bundeshaushalt. Diese Milliardenbeträge werden nicht nur der freien Verfügung der Rentenversicherung, sondern auch dem Kapitalmarkt entzogen. Das ist weder sozialpolitisch noch finanzpolitisch noch konjunkturpolitisch sinnvoll.

(Beifall bei der SPD.)

3. Herr Kollege Stingl hat — und deshalb möchte ich darauf eingehen — von den Verhandlungen im Ausschuß für Sozialpolitik gesprochen. Auf Veranlassung der Bundesregierung hat der Herr Bundesarbeitsminister die Rentenversicherungen gebeten, 750 Millionen DM Mobilisierungspapiere zu übernehmen. Ohne der weiteren allgemeinen Diskussion über die Offenmarktpolitik, zu der sich mein Kollege Schiller für unsere Fraktion grundsätzlich bekannt hat, vorgreifen zu wollen, möchte ich doch zur sozialpolitischen Seite der Angelegenheit einige Bemerkungen machen. Wir stimmen mit Ihnen überein, daß gerade die Rentenversicherung an der Stabilität der Wirtschaft das größte Interesse hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!) — Jawohl! Selbstverständlich!


(Abg. Frau Kalinke: Welche Einsicht!)

— Sie waren nicht 'bei der Beratung im Sozialpolitischen Ausschuß. Deshalb muß ich Ihnen dazu noch etwas anderes sagen.

(Zurufe von der FDP.)

Im Ausschuß für Sozialpolitik hat gestern ein Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank erklärt,

(Abg. Ruf: In nichtöffentlicher Sitzung, Herr Schellenberg!)

daß die Aufforderung des Bundesarbeitsministers an die Rentenversicherungsträger, Mobilitätspapiere im Werte von 750 Millionen DM zu übernehmen, nicht auf Wunsch der Deutschen Bundesbank erfolgt ist.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Im Gegenteil. Der Vertreter der Deutschen Bundesbank hat ausdrücklich betont, daß die Bundesbank zwar besonderen Wert auf ein zusätzliches währungspolitisches Instrument legt. Aber er hat hinzugefügt, daß die Bundesbank es als ausgesprochen unerfreulich ansieht, wenn diese währungspolitischen Bemühungen in Verbindung mit aktuellen Finanzbedürfnissen der Bundesregierung gebracht werden. Das war der Kernpunkt der Darlegungen des Vertreters der Deutschen Bundesbank.
In diesem Zusammenhang läßt folgendes aufhorchen: In der Fragestunde am 1. Juli 1966 bestätigte der Herr Bundesverteidigungsminister Überlegungen der Bundesregierung, bei der Bundesbank einen Devisenkredit von 1 Milliarde DM aufzunehmen, um damit den Devisenausgleich zur Anschaffung



Dr. Schellenberg
militärischer Ausrüstungsgegenstände in den USA vorzufinanzieren. Der Bundesverteidigungsminister erklärte ferner, die Bundesbank wolle diese Transaktion nur durchführen, wenn sie in gleicher Höhe Geldmarktpapiere placieren könne. Einen Tag später schrieb die Stuttgarter Zeitung — ich zitiere —:
Es besteht die Absicht, diese Milliarde entweder am Geldmarkt oder bei den Sozialversicherungsträgern oder bei beiden aufzunehmen.

(Abg. Büttner: Wie gehabt!)

Das Schwergewicht dieser Transaktion soll sich, wie die Presse weiter berichtet, inzwischen zu Lasten der Sozialversicherung verschoben haben. Ich zitiere die Süddeutsche Zeitung vom 14. September:
Wieder einmal sollen die Sozialversicherungsträger in die Bresche springen. Ihre Möglichkeiten sind aber recht begrenzt, nachdem der Bund sie laufend mit Schuldbuchforderungen füttert. Überdies ist es nicht ihre Sache, die Stationierungskosten ausländischer Streitkräfte zu finanzieren.
Es handelt sich offenbar um eine sozialpolitische Nuance der Frage der Stationierungskosten, über die wir hier vorgestern gesprochen haben.
Zur finanzpolitischen Seite der Angelegenheit hat mein Kollege Möller sich geäußert. Ich fordere heute den Herrn Bundesarbeitsminister auf, unter sozialpolitischen Gesichtspunkten diesen Sachverhalt klarzustellen.
4. Nach Verwirklichung der Pläne der Bundesregierung wird der Rentenversicherung die Verfügung über Vermögensanteile in Höhe von über 6 Milliarden DM entzogen sein. Diese Mittel werden für Zwecke verwandt, die nichts mit der sozialen Sicherung zu tun haben. Angesichts dieses Tatbestands ist Nr. 1 b des Gesetzentwurfs bemerkenswert. Er lautet: „Anlagen für soziale Zwecke sollen mit Vorrang berücksichtigt werden." Zur Begründung heißt es im Gesetzentwurf: „Hierbei ist in erster Linie an Gemeinschaftsaufgaben im sozialen Bereich, wie z. B. die Finanzierung von Krankenhäusern und Altersheimen, gedacht."
Meine Damen und Herren, das ist offenbar ein Restbestand von Erhards Deutschem Gemeinschaftswerk. Bisher hat unbestritten die soziale Selbstverwaltung aus freiem Entschluß in vielfältiger Weise soziale Gemeinschaftsaufgaben finanziert. Jetzt, da außer den Überschüssen sogar die Vermögensrückflüsse vom Bund für alles andere als für Sozialaufgaben in Beschlag genommen werden, wird durch eine solche Anlagevorschrift die soziale Selbstverwaltung doch praktisch verhöhnt. Dieser Teil der Regierungsvorlage muß bei den Versicherungsträgern, deren Mittel man voll abschöpft, doch Bitternis hervorrufen und bei den Krankenhäusern und Altersheimen falsche Hoffnungen erwecken.
Nun lassen Sie mich zum Altersaufbau kommen! Der Herr Bundesarbeitsminister hat den Gesetzentwurf zu Recht mit dem ungünstigen Altersaufbau begründet. In der Tat ist die Frage — da stimme ich Herrn Stingl völlig zu —, wie der Rentenberg bewältigt werden soll, ein gesellschaftspolitisches Problem von weittragender Bedeutung. Ich kann unterstreichen, was der Herr Kollege Stingl gesagt hat, daß es auch zwischen Rentenberg und Verbesserung der Berufsausbildung von morgen weitgehende Zusammenhänge gibt. Bisher vermissen wir allerdings, Herr Kollege Stingl, einen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion dazu. Wir vermissen weiter, daß die Bundesregierung dem Auftrag dieses Hauses, einen Gesetzentwurf zur Regelung dieser Materie vorzulegen, seit vielen Jahren nicht nachgekommen ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Aber nun im einzelnen zur Frage der Bewältigung des Altersberges! Die Bundesregierung gibt zur Lösung dieses Problems eine Reihe von Beispielen, die ich als nicht gut bezeichnen muß.
Erstens. In dem gleichen Zeitpunkt, in dem der Bundesarbeitsminister hier von der zunehmenden Belastung der Rentenversicherung durch den Altersaufbau spricht, schwächt die Bundesregierung die Finanzkraft der Rentenversicherung. Angesichts des Rentenberges sorgt die Bundesregierung aber nicht für einen Abbau der Bundesschulden bei der Rentenversicherung, sondern sie vergrößert diese Verschuldung noch weiter. Da die 5,6 Milliarden DM Schulbuchforderungen eine mittlere Laufzeit von 15 bis 23 Jahren haben, beeinträchtigt dadurch die Bundesregierung die Liquidität der Rentenversicherung in ihrer schwersten Zeit. Der Bund wird nämlich in den Jahren, in denen die Rentenversicherung durch den Altersaufbau so stark wie niemals belastet ist, Schulden in Milliardenhöhe bei der Rentenversicherung haben. Das zeigt, wie es in Wirklichkeit um die Voraussicht und um das Verantwortungsbewußtsein der Bundesregierung gegenüber dieser Alterslast unseres Volkes bestellt ist.
Zweitens. Die Bundesregierung legt sich in diesem Gesetzentwurf einseitig auf eine Finanzierungsart fest, ohne alle Möglichkeiten zu nützen. Das Rezept der Bundesregierung sind Beitragserhöhungen. Die Beiträge sollen zum 1. Januar 1968 auf 15 % und zum 1. Januar 1970 auf 16 % erhöht werden. Das führt — im Entwurf steht das nicht; der Herr Bundesarbeitsminister hat es hier nebenbei erwähnt — bereits im ersten Jahr zu Mehrbelastungen für die Versicherten und ihre Arbeitgeber von 2 Milliarden DM und von 1970 an von über 4 Milliarden DM jährlich. In Anbetracht dieser Größenordnungen ist der Finanzteil der Begründung völlig unzureichend. Er umfaßt kaum eine Spalte. Es fehlt darin jede Vorausberechnung der Beitragseinnahmen, der Bundeszuschüsse, der Zinserträge, der Ausgaben für die Renten, für die Rentnerkrankenversicherung, für Heilverfahren usw. Das fehlt einfach!

(Abg. Ruf: Wir haben doch Bilanzen, Herr Schellenberg!)

— Darauf komme ich zu sprechen, Herr Kollege Ruf.
Der Stichtag der letzten uns vorgelegten Bilanzen ist der 1. Januar 1963.

(Abg. Ruf: Das weiß ich!)




Dr. Schellenberg
Mit solchen veralteten Unterlagen können sachgerechte Entscheidungen über Beitragserhöhungen für 1968 und 1970 nicht getroffen werden.

(Beifall bei der SPD.)

Es ist eine Zumutung an das Parlament, daß die Bundesregierung die Beschlußfassung über Beitragserhöhung in Milliardenhöhe fordert, ohne daß genaues Material über die Auswirkungen dieser Beitragserhöhung und über die voraussichtliche Finanzentwicklung vorliegt. Das Wort „genaues" unterstreiche ich.
Es werden in der öffentlichen Diskussion — Herr Kollege Stingl ist darauf eingegangen — auch diese und jene andere Zahlen genannt; aber widerspruchsvolle Zahlen. Es ist kein Geheimnis, daß der Herr Bundesarbeitsminister, der es eigentlich auf Grund der Unterlagen seines Hauses genauer wissen müßte, in der Kabinettsvorlage erst für eine Beitragserhöhung zum späteren Zeitpunkt eingetreten ist. Entscheidend ist, daß aktuelle, exakte und detaillierte Zahlenunterlagen fehlen. Jedenfalls haben wir sie noch nicht gesehen,

(Abg. Ruf: Aber die Regierung hat sie!)

— Das ist wundervoll, wenn die Regierung die Unterlagen im Schreibtisch hat. Das Parlament muß sie erhalten, wenn ein solcher Gesetzenwurf mit Beitragserhöhungen in Milliardenhöhe vorgelegt wird.

(Beifall bei der SPD.)

Deshalb ersuchen wir die Bundesregierung, dem Hause unverzüglich eingehende versicherungsmathematische Berechnungen unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Änderungen des Deckungsverfahrens und der vorgeschlagenen Erhöhung der Beitragssätze vorzulegen. Ohne derartige Unterlagen sind Beschlüsse über Finanzfragen der Rentenversicherung nach unserer Auffassung nicht zu verantworten. Ich hoffe, Herr Kollege Ruf, Sie stimmen uns wenigstens in diesem Punkte zu.

(Abg. Ruf: Wir werden die Unterlagen genau prüfen! — Zuruf der Abg. Frau Kalinke.)

Im übrigen, Herr Kollege Stingl, geht Ihr Einfluß doch wohl so weit, daß sie bereits in statu nascendi dieses Gesetzentwurfs der Bundesregierung hätten raten können: „Bringt den Entwurf mit eingehender, exakter und aktueller finanzieller Begründung!"
Um jeder falschen Deutung zu begegnen, wiederhole ich mit Nachdruck die Erklärung, die meine Fraktion bereits bei früheren Erörterungen von Finanzfragen der Rentenversicherung abgegeben hat. Wir lassen uns in der Verantwortung für die finanzielle Sicherheit unserer Rentenversicherung von niemandem übertreffen. Herr Stingl, Sie haben heute für ihre Fraktion diese Formulierung wiederholt. Wir Sozialdemokraten sind bereit, die politische Verantwortung auch für Beitragserhöhungen zu übernehmen, wenn und soweit diese wegen des Altersaufbaues oder infolge von Leistungsverbesserungen notwendig werden.

(Abg. Stingl: Genau wie wir!)

Auf das entschiedenste lehnen wir aber — und das ist der Gegensatz zu Ihnen — Beitragserhöhungen ab, die es der Bundesregierung weiter ermöglichen würden, Mittel der Rentenversicherung für Zwecke zu verwenden, die mit der sozialen Sicherung wenig zu tun haben.

(Abg. Ruf: Das kommt doch nicht in Frage!)

Drittens. Wer die politische Verantwortung für die soziale Sicherung bei zunehmender Alterslast zu tragen hat, muß in seine Entscheidung alle Formen der Finanzierung von Renten, also auch die Bundeszuschüsse, einbeziehen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat zwar von den Bundeszuschüssen gesprochen. Er hat aber mit dem, was er hier dargelegt hat, doch im wesentlichen die Auseinandersetzungen innerhalb des Kabinetts und vielleicht auch innerhalb der Regierungsparteien zur Frage der Bundeszuschüsse wiedergegeben.
Ich muß, um den Zusammenhang zwischen zunehmender Alterslast und Bundeszuschuß — und auf ihn kommt es jetzt an — deutlich zu machen, zu diesem Thema noch einige Bemerkungen machen; denn auch das, was Sie, Herr Kollege Stingl, dankenswerterweise dazu ausgeführt haben, reicht nicht aus. Es ist unbestritten, daß der Staat seit Bestehen der Rentenversicherung aus guten Gründen Zuschüsse zur Rentenversicherung gibt. Sie haben im Durchschnitt seit 1891 30 % der Ausgaben betragen. Die Bundeszuschüsse sind in den letzten Jahren zwar in absoluter Höhe gestiegen, aber gemessen an den Ausgaben gesunken, und zwar auf gegenwärtig 21 %. Bleibt es beim geltenden Recht, so werden — und das ist entscheidend — die Bundeszuschüsse bis zum Jahre 1981 auf 16,9 % der Ausgaben zurückgehen. Die Bundeszuschüsse werden dann im Vergleich zu den Staatszuschüssen der vergangenen 75 Jahre, gemessen an der Höhe der Rentenausgaben, fast nur noch die Hälfte des bisherigen Anteils betragen.
Bei einer Diskussion über die Bundeszuschüsse, um die wir nicht herumkommen, muß beachtet werden — Herr Kollege Stingl, Sie haben es angedeutet, aber es muß nachdrücklich klargestellt werden —, daß der sich verschlechternde Altersaufbau eine Folge beider Weltkriege ist. Das Statistische Bundesamt hat festgestellt, daß der Rentenversicherung infolge beider Kriege 3 Millionen Beiragszahler fehlen. Gleichzeitig hat sich durch die Wirkung der Kriege die Zahl der Rentner um Millionen vergrößert. Nach geltendem Recht sinkt jedoch — und das ist politisch entscheidend — praktisch der Anteil der Bundeszuschüsse um so stärker, je mehr ,die Alterslast zunimmt. Dieser gravierenden Entwicklung schenkt die Bundesregierung bei dem Vorlegen eines Gesetzentwurfs, der der langfristigen Finanzierung der Rentenversicherung dienen soll, keine ausreichende Beachtung. Unseres Erachtens zeugt es von mangelnder Verantwortung, den Widerspruch zwischen steigender Alterslast und sinkendem Anteil des Bundeszuschusses politisch nicht zu beachten. Auch die gegenwärtigen Probleme des Haushalts sind hierfür keine ausreichende Entschuldigung.



Dr. Schellenberg
Viertens. Der Gesetzentwurf ist auch in einem anderen Punkt lückenhaft. Die gesetzliche Rentenversicherung kann auf die Dauer nur lebensfähig bleiben, wenn die Stabilität des Kreises der Versicherten gewährleistet ist. War dieser Grundsatz schon für das Abschnittsdeckungsverfahren wichtig, so ist er für ein Umlageverfahren, das jetzt praktisch eingeführt werden soll, lebensnotwendig. Deshalb zeugt es unseres Erachtens von wenig Verantwortung der Bundesregierung, wenn sie es verabsäumt, in diesem Gesetzentwurf gleichzeitig für einen möglichst stabilen Versichertenkreis der Rentenversicherung zu sorgen.
Der Gesetzentwurf beläßt es in der Angestelltenversicherung bei der starren Versicherungsgrenze. Das muß in einer dynamischen Wirtschaft zwangsläufig dazu führen, daß der Kreis der Versicherungspflichtigen und -berechtigten relativ abnimmt. Das ist im Hinblick auf die demographische Entwicklung ein unmöglicher Zustand.
Meine Damen und Herren, es ist bekannt, daß wir Sozialdemokraten aus gesellschaftspolitischer Überzeugung die mit diesen Finanzfragen nichts zu tun hat — für die Einbeziehung auch aller Angestellten in die Rentenversicherung sind. Aber auch derjenige, der unsere politischen Auffassungen nicht teilt, kommt auf die Dauer in einer Rentenversicherung mit dynamischen Leistungen nicht um eine dynamische Versicherungspflichtgrenze herum. — Herr Kollege Stingl, Sie stimmen mir zu. Aber als wir im letzten Jahr hier über die Dynamisierung der Versicherungspflichtgrenzen abstimmten, da konnten Sie sich in der Koalition nicht durchsetzen.
In diesem Zusammenhang ist ein Vorgang aus den letzten Tagen außerordentlich widerspruchsvoll. Im Zusammenhang mit dem Finanzpaket will die Bundesregierung alle Angestellten in die Arbeitslosenversicherung einbeziehen. Aber für die Rentenversicherung, also für die soziale Sicherung für das Alter, hält die gleiche Bundesregierung an der Begrenzung des Versichertenkreises fest.
Der Bundesarbeitsminister hat davon gesprochen, der Gesetzentwurf solle Stabilität und Solidität der Rentenversicherung sichern. Daß es aber in diesem Gesetzentwurf an Vorschriften über die Gewährleistung eines stabilen Versichertenkreises fehlt, ist ein schweres Versäumnis.
Zusammenfassend erkläre ich für die sozialdemokratische Fraktion: Die versicherungs- und finanztechnische Seite des Gesetzentwurfs überlassen wir den Ausschußberatungen. Politisch ist entscheidend, daß dieser Gesetzentwurf den Aufgaben, die sich für unser Volk aus der Alterslast ergeben, nicht gerecht wird. Solange Mittel der Rentenversicherung zweckentfremdet abgeschöpft werden, sind Beitragserhöhungen nicht gerechtfertigt, und so lange werden wir uns dieser Sondersteuer für Sozialversicherte energisch widersetzen.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0506201000
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506201100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einige Bemerkungen des Herrn Kollegen Schellenberg sofort eingehen, weil ich es nicht für gut halte, daß sie unwidersprochen im Raume stehen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Zu den versicherungstechnischen Bilanzen, Herr Kollege Schellenberg, möchte ich folgendes sagen. Wir werden Ihnen im Ausschuß natürlich sorgfältig das ganze Material vorlegen müssen, ganz selbstverständlich. Sie wissen genauso wie ich, daß hier immer noch eine Differenz zwischen zwei Mathematikern besteht. Daran arbeiten wir. Das wissen Sie doch ganz genau. Ich darf darauf hinweisen, daß bei einer Größenordnung von 35 Milliarden DM eine Verschätzung von 1 % eben schon 350 Millionen DM ausmacht. Das sind doch die Dinge, die wir alle kennen. Darüber wird im Ausschuß beraten, und da werden wir jede Frage voll beantworten, die Sie uns stellen. Das ist eine bare Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In dem zweiten Punkt, Herr Kollege Schellenberg, gehe ich nicht mit Ihnen einig; das will ich hier auch ganz offen feststellen. Lieber Herr Kollege Schellenberg, Sie sind immer sehr schnell bei der Hand, zu sagen: die Regierung ist unzulänglich. Die Sozialdemokratische Partei hätte allen Anlaß, in allen Teilen eine gleiche Sprache zu sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Was soll ich z. B. davon halten, wenn der sozialdemokratische Pressedienst „Volkswirtschaft" am 19. September unter der Überschrift „Und wiederum soziale Demontage" beanstandet, daß 1,25 Milliarden DM in Schuldverschreibungen statt bar gegeben werden, und Herr Professor Schiller in der Debatte zum Stabilitätsgesetz hier wortwörtlich sagt, daß er die Erweiterung der Offenmarktpolitik der Bundesbank ausdrücklich begrüßt?

(Zurufe von der SPD.)

— Entschuldigen Sie, das sind doch Widersprüche, die wir so in der Offentlichkeit nicht stehenlassen sollten, weil das eine Verfälschung der tatsächlichen Situation ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0506201200
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506201300
Bitte schön, gern, Herr Kollege!

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506201400
Zwei Fragen, Herr Minister Katzer. Halten Sie nicht den erheblichen Rückgang, um nicht zu sagen: die Streichung von wesentlichen Teilen der Ausbildungsförderung für eine Form von sozialer Demontage, und ist nicht ein entscheidender Unterschied zwischen der zwangsweisen Gewährung von Schuldbuchforderungen und einer Offenmarktpolitik, oder ist Ihnen dieser Unterschied nicht bewußt geworden?




Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506201500
Herr Professor Schellenberg, zur ersten Frage würde ich sagen: Das werden wir beim Haushaltsgesetz zu verantworten haben. Ich komme aber gleich in anderem Zusammenhang noch einmal darauf zurück.
Zur zweiten Frage, sehr verehrter Herr Kollege Schellenberg, möchte ich sagen: Ich bin glücklich über die Einsicht der Rentenversicherungsträger gewesen, daß auch die Rentenversicherung zur Stabilität unserer Währung beitragen muß.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist der Unterschied, der zwischen Ihnen und mir besteht. Diese Einsicht scheint bei Ihnen noch nicht so ganz durchgedrungen zu sein. Sie sollten sich einmal mit Herrn Professor Schiller zusammensetzen, damit Ihnen deutlich wird, daß Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik eine Einheit sind und zusammen gesehen werden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ihre Frage trifft doch nicht den Kern. Ich habe dargestellt, daß der Sozialdemokratische Pressedienst „Volkswirtschaft" den Punkt als „soziale Demontage" bezeichnet hat, den Herr Professor Schiller in der anschließenden Debatte hier ausdrücklich begrüßt hat. Das ist die Tatsache, die ich hier angesprochen habe.

(Abg. Dr. Schellenberg: Ich habe die Offenmarktpolitik auch begrüßt!)

— Er hat nicht nur die Offenmarktpolitik, sondern auch die Schuldbuchforderungen begrüßt.

(Widerspruch bei der SPD.)

— Entschuldigen Sie! Dann darf ich Sie fragen, Herr Kollege Schellenberg: Sie wollen damit also offiziell von der Stellungnahme des Sozialdemokratischen Pressedienstes „Volkswirtschaft" abrücken? Wollen Sie das? Wollen Sie die Güte haben, das zu sagen?

(Abg. Dr. Schellenberg: Herr Professor Schiller hat sich zur Frage der Schuldbuchforderungen nicht geäußert!)

— Aber, Herr Kollege Schellenberg, würden Sie dann die Güte haben, sich hier ausdrücklich von dem zu distanzieren, was der Sozialdemokratische Pressedienst dargestellt hat? — Ich bedauere das.

(Lebhafte Zurufe von der SPD.)

Dann komme ich zu einem dritten Punkt. Herr Kollege Schellenberg, Sie haben es für richtig gehalten, diese Debatte zum Anlaß zu nehmen, die Haushaltsdebatte wenigstens in Teilen vorwegzunehmen.

(Zuruf von der SPD: Das muß man ja schon!)

— Vielen Dank! Dann werden Sie mir gestatten, daß ich dazu einige politische Bemerkungen mache.
Herr Kollege Schellenberg, wogegen ich mich wehre, ist folgendes. Wenn ich Ihre Pressedienste, Ihre Nachrichten aufschlage, heißt es überall: Dieser Haushalt ist zu groß, er muß eingeengt werden.

(Zustimmung in der Mitte.)

Aber überall da, wo ein Vorschlag zu Einengung gemacht oder ein Beitrag dazu geleistet wird, heißt es: Das ist natürlich genau der verkehrteste Punkt, an dem man anfangen kann.

(Beifall in der Mitte.)

Das geht doch einfach nicht an! Ich wehre mich leidenschaftlich dagegen, wenn Sie das so verkleinern, Herr Kollege Schellenberg. Natürlich hatten wir Diskussionen über den Staatszuschuß. Das weiß jeder. Meines Wissens wird auch in Ihrer Fraktion darüber diskutiert. Aber ich glaube, man darf das nicht so verkleinern. Ich muß vielmehr feststellen: Daß es uns gelungen ist, den Staatszuschuß zur Rentenversicherung zu erhalten, ist eine Leistung der Bundesregierung, die gerade vom sozialpolitischen Standpunkt her auch von der Opposition anerkannt werden könnte. Das ist jedenfalls meine Meinung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ein weiteres, Herr Kollege Schellenberg. Man kann doch nicht allen Ernstes von „sozialer Demontage" sprechen. Ich wehre mich deshalb dagegen, weil ich das aus der Vergangenheit kenne. Mit dem Stichwort „soziale Demontage" ist draußen im Lande in den Betrieben Stimmung gemacht worden. Es hat sehr viel Unruhe gestiftet. Wir können in der Sitution, in der wir stehen, diese Unruhe einfach nicht gebrauchen.
Deshalb möchte ich hier klarstellen: Dieser Bundeshaushalt wächst im sozialpolitischen Teil, Herr Professor Schellenberg, um 1,3 Milliarden DM.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist doch die Tatsache, von der wir auszugehen haben und die wir nicht verschleiern dürfen.
Sie haben behauptet, daß wir in der Kriegsopferversorgung Versprechungen nur im Hinblick auf den Wahlkampf vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen gemacht hätten. Entgegen dieser Ihrer Behauptung hat die Bundesregierung aber ihr Wort eingehalten. Sie hat rechtzeitig den Gesetzentwurf vorgelegt. Die Bundesregierung hat dafür Sorge getragen, daß dieser Gesetzentwurf so beraten werden kann, daß wir das Versprechen, das wir gegeben haben, einlösen. Zum ersten Januar des nächsten Jahres kann die Kriegsopferversorgung verbessert werden.
Das sind die Fakten, mit denen wir zu rechnen haben. Im übrigen müssen wir, meine Damen und Herren, gemeinsam überlegen — und wir werden gern miteinander diskutieren —, welchen Beitrag wir auch im sozialpolitischen Feld von uns aus für die Stabilität unserer Währung und unserer Wirtschaft leisten können und müssen. Denn darüber sind Sie sich doch ebenso im klaren wie wir: Wenn die Wirtschaft nicht stabil ist, werden wir die Renten so, wie wir sie heute haben, in Zukunft nicht mehr zahlen können. Das ist unser Standpunkt, das ist unsere Politik, und das ist unser Wille.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)





Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0506201600
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0506201700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Mit unnachahmlicher Liebenswürdigkeit hat Herr Professor Schellenberg als erster Sprecher der Opposition die Bundesregierung gescholten, daß sie nicht nur die Ausbildungsförderungsbeträge im Haushalt zu kürzen gedenke, sondern auch kein Ausbildungsförderungsgesetz vorgelegt habe. Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, man muß Sie einmal daran erinnern, welches Schicksal Ihr eigener Entwurf eines Ausbildungsförderungsgesetzes im letzten Bundestag gehabt hat. Ich glaube, es wäre besser — statt die Bundesregierung hier zu schelten, daß sie kein Ausbildungsförderungsgesetz vorbereitet habe —, einmal dafür zu sorgen, daß die SPD-Ministerpräsidenten ihren Widerstand aufgeben und Tritt fassen. Dann kann die Bundesregierung nämlich auf diesem Gebiet schnell handeln.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Schellenberg, Sie haben mit der Ihnen eigenen liebenswürdigen Eleganz darauf hingewiesen, daß der Koalitionspartner und einige Kollegen der CDU 1957 gegen die Rentenreformgesetze gestimmt hätten. Sie haben dabei nicht erwähnt, daß diese Rentenreform keine Grundsicherung enthielt; Sie haben nicht erwähnt, daß diese Rentenreform keine — in unseren Augen notwendige — Sonderregelung für Angestellte enthielt, sondern eine totale Nivellierung ohne Rücksicht auf soziale Tatbestände und Differenzierungen beinhaltete, und Sie haben nicht erwähnt — wie das auch anderwärts aus taktischen Motiven oft verschwiegen wird —, daß sich die FDP niemals dagegen ausgesprochen hat, daß die Rentner einen angemessenen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung haben sollen. Sie wissen ganz genau, daß wir für eine Dynamisierung waren, daß wir aber die Anhängung an die Lohnentwicklung nicht als eine sehr günstige oder als die einzig mögliche Entwicklung angesehen haben.

(Sehr wahr! in der Mitte. — Abg. Dr. Schellenberg: Also zurück hinter die Lohnentwicklung!)

Lieber Herr Kollege Schellenberg, das, worüber wir heute zu entscheiden haben, nämlich der Entwurf zur Änderung des Deckungsverfahrens, ist letztendlich die Auswirkung der Entscheidungen, die im Jahre 1957 in diesem Hause mit Ihren Stimmen getroffen worden sind. Und, sehr geehrter Herr Kollege Schellenberg und meine Damen und Herren von der SPD, was in diesem Gesetz vorgeschlagen wird, das sind doch im Grunde genommen zum größten Teil Mindestkonsequenzen Ihrer eigenen Mitentscheidung des Jahres 1957. Es ist einfach unverständlich, wenn Sie jetzt versuchen, die Dinge so darzustellen, als ob aus der Entscheidung des Jahres 1957 keine Konsequenzen gezogen werden sollten.
Wenn Sie nun die in diesem Gesetzentwurf vorgesehenen Beitragserhöhungen mit der Ihnen eigenen Art, Schlagworte zu prägen, als eine „Sondersteuer für Sozialversicherte" bezeichnen, so bedeutet das in meinen Augen nichts anderes, als daß Sie jetzt versuchen wollen, sich aus der Verantwortung, die Sie 1957 mitgetragen haben, still hinwegzuschleichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das, was hier drinsteht, kann man selbstverständlich in der einen oder anderen Form verändern. Aber man kommt nicht um die Konsequenz herum, daß eben die finanzielle Situation unserer Rentenversicherung verlangt, daß ihr mehr Mittel zur Verfügung stehen.

(Zuruf von der SPD: Wo steht denn das?)

— Die Situation verlangt, daß wir mehr Mittel in Form von erhöhten Beiträgen oder in Form von erhöhten, noch mehr wachsenden Bundeszuschüssen zur Verfügung stellen

(Abg. Geiger: Und für Schuldverschreibungen?)

oder in der Form, Herr Kollege Geiger, daß man zunächst keine Beitragserhöhungen beschließt und keine höheren Bundeszuschüsse gewährt, sondern das Vermögen aufzehrt. Ich glaube nicht, daß die Aufzehrung des Vermögens eine sozialpolitisch und volkswirtschaftlich zu verantwortende These wäre. Das möchte ich hier ganz klar zum Ausdruck bringen.
Wir Freien Demokraten sind sogar der Meinung, daß für dieses Gesetz im Ausschuß noch einmal sehr intensiv die Frage geprüft werden muß, ob es wirklich sinnvoll ist, nun das Vermögen der Versicherungsträger auf dem jetzigen Stande einzufrieren, was nach diesem Gesetz ja vorgesehen ist und was praktisch auch einem relativen Entsparungsprozeß gleichkommt. Ich höre schon heute die Debatten im Deutschen Bundestag in zwei oder drei Jahren, wenn einmal die Finanzierung aus Mitteln der Rentenversicherung, beispielsweise auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus oder auf dem Gebiet der Darlehenshingabe an die Versicherten beim Bau von Eigenheimen, nicht mehr möglich sein wird, weil dieser relative Entsparungsprozeß beginnt. Dann werden Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wieder bei denen sein, die schreien, daß die Bundesregierung die Entwicklung nicht genügend übersehen habe, dann werden Sie die Bundesregierung für diese sozial nicht gerade glückliche Veränderung verantwortlich machen.
Die Entwicklung der Beitragserhöhung kommt für die Freien Demokraten natürlich nicht überraschend. Wir haben im Jahre 1957 bei den Debatten über manche Rentenerhöhungsgesetze darauf hingewiesen, daß Beitragserhöhungen unvermeidbar sind und daß die Entwicklung der Beitragserhöhungen verzögert worden ist durch eine unwahrscheinlich günstige Entwicklung unserer Wirtschaft, die letztlich durch die freie Marktwirtschaft ausgelöst wurde. Hier ist zu sagen: wenn diese Konsequenzen erst jetzt langsam gezogen werden müssen, dann ist das u. a. eben auf die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Regierung, die wir mitgetragen haben, zurückzuführen.



Spitzmüller
Im Jahre 1957 haben wir schon angekündigt, daß Beitragserhöhungen unvermeidbar sein werden. Sie wurden durch die außerordentlich expansive Entwicklung der Löhne und Gehälter verzögert. Sie wurden dadurch verzögert, daß das Bruttosozialprodukt in einem nicht gekannten Ausmaße anwuchs. Wir hatten einen Zustrom von Gastarbeitern festzustellen, die Beiträge zahlen, denen nur geringe laufende Verpflichtungen gegenüberstehen. Bis zum Jahre 1961 hatten wir einen Zustrom von vorwiegend jungen Sowjetzonenflüchtlingen, die zunächst im wesentlichen ebenfalls nur als Beitragszahler in Frage kamen. Durch die Abschaffung des Wanderversicherungsausgleichs zu Lasten der Angestellten haben CDU und SPD erreicht, daß auch die schwierige Situation der Arbeiterrentenversicherung ein bißchen überbrückt, verdeckt oder verschleiert wurde — suchen Sie sich das Wort aus, das Ihnen paßt; aber es ist so.
Durch dieses Gesetz, in welcher Form man es endgültig auch verabschiedet, wird deutlich, daß eine Umfrage, die im Jahre 1957 durch Emnid angestellt wurde, in ihrer Fragestellung unseriös war. Dort wurde gefragt, ob man bereit sei, eine 1%ige Beitragserhöhung für 50 % höhere Renten und die laufende Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung zu bejahen. Selbstverständlich hat die Mehrheit der Bevölkerung diese 1%ige Beitragserhöhung damals bejaht. Wir mußten gleich um 2 % erhöhen, und jetzt stehen wir vor den nächsten Erhöhungen. Damit wird aber auch deutlich, daß eben die Frage der beitragsgerechten Rente einer Prüfung unterzogen werden muß. Denn wir stehen doch vor der Situation, daß die Beitragserhöhungen, die wir in irgendeiner Form vornehmen müssen, sich auf die spätere Rentenhöhe nicht auswirken. Die Rente und der Beitrag werden zwar in etwa nach dem Einkommen errechnet, aber der Prozentsatz der Beiträge, die bezahlt werden, haben mit der Rente nichts zu tun; denn wir haben Beitragszahlungen von 4, 5,6, 12, 14 und demnächst 15 und 16 %, ohne daß die Rentenformel für die Berechnung der Rente geändert würde. Wir haben also einen höheren Beitrag, ohne daß sich durch die Rentenformel an dem späteren Rentenanspruch etwas ändert.
Bei der Beitragserhöhung, die nach meiner Meinung unvermeidbar ist — meine Damen und Herren von der SPD, wir werden im Ausschuß darüber sehr hart miteinander sprechen müssen —, wird nicht nur die Verantwortung für die wirtschaftliche Situation der Rentner deutlich. Wir müssen die Beiträge erhöhen, um die Rentenversprechen von gestern und heute erfüllen zu können. Es wird auch die Verantwortung für die noch größere Zahl der Beitragszahler klar und deutlich herausgestellt. Ich meine, daß das heutige System nicht mehr beitragsgerecht, sondern höchstens einkommensorientiert ist.
In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir eine Zwischenbemerkung zu dem, was Kollege Stingl ausgeführt hat. Er glaubte einige Feststellungen für das ganze Haus treffen zu können. Sachlich ist hierzu zunächst festzustellen, daß nach dem derzeitigen System nicht die Beiträge entscheidend sind, die der einzelne leistet, sondern das Einkommen, auf das sie sich praktisch oder unter Zugrundelegung von Fiktionen beziehen.
Des weiteren darf ich hier für die FDP-Fraktion im Hinblick auf die Grundsatzfragen feststellen, daß die bisherige Entwicklung und die derzeitige Situation, die zu entscheidenden Änderungen zwingt, uns keineswegs davon überzeugt haben, daß das geltende Rentenrecht die optimale Lösung im Hinblick auf eine freiheitliche Gesellschaftsordnung darstellt. Es ist hier nicht der Zeitpunkt und der Ort, im Detail auf diese Fragen einzugehen. Eine Reihe von Feststellungen, die Herr Kollege Stingl getroffen hat, können jedoch nicht für die FDP gelten. Das glaubte ich doch in Erwiderung auf Sie, Herr Kollege Stingl, sagen zu müssen, damit es nicht nachher heißt: Eitel Freude und Sonnenschein und volle Einigkeit von der äußersten Linken bis zur äußersten Rechten über die Äußerungen des Kollegen Stingl.

(Abg. Stingl: Wir werden Sie aber noch überzeugen! — Gegenruf von der FDP: Überzeugen Sie erst einmal Ihre eigene Fraktion!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den vergangenen Jahren erlebt, daß das Nettoeinkommen ziemlich gleich geblieben ist und daß die Belastung des Nettoeinkommens keine Senkung erfahren hat mit Ausnahme der Steuersenkung des Jahres 1965. Entscheidend ist heute, durch stabile Wirtschaftspolitik zusätzliche Belastungen durch Beitragserhöhungen durch Erhöhung der nominalen und realen Einkommen zu kompensieren. Wir müssen deshalb Mut zu Lösungen haben, die sich langfristig bewahren, und nicht nur zu einem ungesunden Verschieben der Probleme für wenige Jahre.
Ich möchte nur noch auf drei Punkte im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf eingehen, und zwar zuerst auf die Verschlechterung der freiwilligen Weiterversicherung. Hier müssen wir feststellen, daß nach dem geltenden Recht Beiträge für beide vorangehenden Kalenderjahre nachentrichtet werden können. Nach dem neuen Recht sollen bei einer Nachentrichtung die höheren Beiträge für die Zeit gezahlt werden müssen, in denen noch niedrigere Beitragssätze gegolten haben. Vom Grundsatz her ist das unverständlich. Ich weiß aus der Praxis, daß es für die Post langsam unübersehbar wird, mit 120 oder 150 verschiedenen Beitragsmarken zu operieren. Aber vom Grundsatz her, glaube ich, muß dieses Problem noch einmal besprochen werden und muß geprüft werden, ob man die Lösung so annehmen kann.
Der nächste Punkt ist, daß der Bundeszuschuß für die Bundesversicherungsanstalt um weitere 350 Millionen DM gekürzt wird. Auch hier glauben wir, daß das auf die Dauer keine gute Entwicklung darstellt.
Zur letzten Einzelfrage, die ja nur angeschnitten werden kann, möchte ich meinen, Herr Bundesarbeitsminister, daß wir uns über die Frage unterhalten müssen, ob es sinnvoll ist, die versicherungs-



Spitzmüller
technischen Bilanzen nur alle vier Jahre vorzulegen. Ich verstehe, warum man vom Arbeitsministerium her versucht, diese lange Frist zu bekommen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)

Aber ich glaube, vom Parlament aus gesehen wird es notwendig sein, daß man alle zwei Jahre eine versicherungstechnische Bilanz bekommt. Der Sozialpolitische Ausschuß und das Plenum müssen sich nämlich wenigstens zweimal in jeder Legislaturperiode mit dieser Frage befassen, einmal sozusagen zu einer intensiven Vororientierung und das zweite Mal zur Entscheidung; denn bei der zweiten versicherungstechnischen Bilanz muß ja dann die Entscheidung bezüglich der Beitragshöhe getroffen werden. Wir hielten es für falsch, wenn die Abgeordneten des Sozialpolitischen Ausschusses nur einmal während einer Legislaturperiode mit der ganzen Wucht und der Fülle dessen, was eine versicherungstechnische Bilanz an sozialpolitischen Problemen enthält, konfrontiert werden müßten.
Meine Damen und Herren, ich darf zu meinen Schlußbemerkungen kommen und anführen, daß es bei den erwähnten Maßnahmen, die durch dieses Gesetz getroffen werden müssen, sich überwiegend um den Versuch handeln wird, das Beitragsvolumen zu erhöhen, um den wachsenden laufenden Bedarf möglichst zu befriedigen. Durch die Festlegung der neuen Beitragssätze bis einschließlich 1970 wird deutlich, daß die gesetzliche Regelung zunächst nur über die Hürden dieser Legislaturperiode helfen soll. Die Maßnahmen, von denen hier die Rede ist, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß lediglich wegen gewisser systematischer Rücksichten andere Schritte, z. B. Ausweitung der Versicherungspflicht oder allgemeine Versicherungspflicht, die zusätzliche Einnahmen ohne unmittelbare Ausgaben bringen, nicht gefordert sind. Sie werden aber aus dem Entwurf eines Zweiten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes und der Ankündigung einer allgemeinen Versicherungspflicht für alle Angestellten in der Arbeitslosenversicherung deutlich.
Die FDP-Fraktion ist sich bewußt, daß einschneidende Maßnahmen in Milliardenhöhe erforderlich sind, wenn die Rentner auch künftighin an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben sollen. Wir Freien Demokraten bejahen dies. Es erfordert aber wesentliche und entscheidende Eingriffe in das bisherige Finanzierungssystem. Dabei müssen die soziale Situation der Rentner, die Belastungen und die Belastungsfähigkeit der Beitragszahler in der Zukunft im Hinblick auf die sozialen Abgaben wie auf die Steuern und die Auswirkungen auf die Wirtschaft gesehen und nach allen Gesichtspunkten hin überprüft werden. Ich kann nur unterstreichen, was der Herr Bundesarbeitsminister hier gesagt hat: Wir — auch alle Sozialpolitiker des Deutschen Bundestages — müssen endlich einmal erkennen, daß die Sozialpolitik nur einen Teil einer insgesamt zu sehenden Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik darstellt und daß man nicht nur gelegentlich einmal die Scheinwerfer nur auf diesen Sektor wenden kann und daß andere im Schatten lassen darf.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der vorliegende Entwurf schlägt ein ganzes Bukett von Änderungen für die nächsten vier Jahre vor. Es kann heute schon gesagt werden, daß dies nicht die einzigen erforderlichen Schritte für die weitere Zukunft sein werden. Die FDP-Bundestagsfraktion ist bereit, bei den Ausschußberatungen diese und andere Vorschläge nach ihrer Zweckmäßigkeit, ihrer Praktikabilität und nach tragbaren Auswirkungen zu überprüfen, um zu einer optimalen Entscheidung für die Rentenversicherungsträger und für die Stabilität unserer Wirtschaft und unserer Finanzen beizutragen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506201800
Das Wort hat der Abgeordnete Springorum.

Gerd Springorum (CDU):
Rede ID: ID0506201900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! In diesem Jahr hat der Verband der deutschen Rentenversicherungsträger, haben die deutschen Rentenversicherungsträger und die Rentenversicherung überhaupt das 35jährige Bestehen feiern können. Die deutsche Rentenversicherung hat dieses Jubiläum voller Stolz gefeiert, voller Stolz deshalb, weil diese 75 Jahre tatsächlich gezeigt haben, daß die deutsche Rentenversicherung unendlich vieles für das deutsche Volk, für die Versicherten geleistet hat.

(Zustimmung bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Das ist doch nichts Neues!)

Hierzu haben im wesentlichen die letzten zehn Jahre — der letzte Abschnitt — beigetragen, die Jahre nach der Rentenversicherungsreform. Dieses Gesetz hat sich zum außerordentlichen Segen von unendlich vielen Menschen ausgewirkt.

(Zuruf von der SPD: Das haben wir heute schon gehört!)

Wir stehen jetzt vor einem neuen Abschnitt. Dieser neue Abschnitt, der bereits 1957 als der nächste Deckungsabschnitt vorgesehen war, ist voller Belastungen. Es ist heute morgen von jedem Redner auf den Rentenberg hingewiesen worden. Dieser Rentenberg unterscheidet sich von normalen Bergen dadurch, daß er nicht auf der einen Seite herauf und auf der anderen Seite herunter geht, sondern daß er eigentlich nur aufwärts führt und nur sehr viel weniger wieder herunter. Die heutige Belastungsquote liegt bei 0,41, d. h. auf 100 Beitragszahler kommen 41 Rentner. Diese Belastungsquote steigt in den nächsten Jahren auf 0,48 und sinkt dann wieder auf nur 0,45. Das heißt, daß wir das günstige Verhältnis der letzten zehn Jahre zwischen den Zahlen der Beitragszahler und denen der Rentner in absehbarer Zeit nicht wieder erreichen können.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506202000
Herr Kollege Springorum, wollen Sie bitte doch unterscheiden zwischen Rentnern und Renten. Das Verhältnis, das Sie angeben, ist in bezug auf die Zahl der Rentner nicht richtig. Sie müssen doch den Unterschied machen. Es gibt sehr viele Doppelrenten.




Gerd Springorum (CDU):
Rede ID: ID0506202100
Herr Schellenberg, ich darf Ihnen folgendes sagen.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506202200
Wenn der Herr Bundesarbeitsminister darüber falsche Aussagen gemacht hat, dann sollten Sie als Abgeordneter, der sich mit den Problemen besonders beschäftigt, nicht die gleichen Unrichtigkeiten wiederholen.

(Gegenruf des Abg. Kühn [Hildesheim].)


Gerd Springorum (CDU):
Rede ID: ID0506202300
Herr Kollege Schellenberg, ich bin Ihnen dankbar für diese scheinbare Belehrung. Die Unterschiede zwischen beiden sind trotz der Doppelrenten so gering, daß Sie diese Zahlen durchaus als Globalzahlen verwenden können.

(Zuruf von der SPD: Wie es einem gerade paßt!)

Die Unterschiede sind wirklich minimal.
Ich sprach davon, daß die Rentenbelastung auch in der Zukunft immer höher sein wird, als sie in den vergangenen Jahren war. Das bedeutet, daß in dem Zeitpunkt, in dem die heute im Erwerbsleben stehenden Menschen in die Rente kommen, die dann arbeitende Generation in jedem Falle höhere Beiträge zu zahlen hat als die heutige. Das sollte für uns doch bedeuten, daß wir bereit sein müssen, in der nächsten Zeit höhere Beiträge zu zahlen.
Es hat sich hier in der Debatte herausgestellt, daß eigentlich alle Fraktionen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung im großen und ganzen zustimmen. Trotz des „Feuerwerks" von Herrn Professor Schellenberg blieb, wenn man seine Ausführungen auf die Sache zurückführt, eigentlich nur die Zustimmung übrig, denn sein einziges Unbehagen entstammt seiner Meinung, daß das Vermögen der Rentenversicherungsträger zweckentfremdet würde; das ist ein Vorwurf, der nicht zutrifft und auch in der Zukunft sicher nicht zutreffen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Warten Sie mal ab!)

Die Rentenversicherung muß auch in der Zukunft ein Hort der Solidität und der Stabilität sein. Das ist nur möglich, wenn tatsächlich zwischen den Ausgaben und den Einnahmen das gesunde Verhältnis genauso bleibt, wie es in der Vergangenheit der letzten zehn Jahre gewesen ist.
Wir werden also deshalb um die Beitragserhöhungen nicht herumkommen können und werden uns den steigenden Ausgaben auch in der Zukunft anpassen müssen.
Wir wissen, daß wir mit einem Deckungsabschnitt — wie in der Vergangenheit — von zehnjähriger Dauer nicht diese Anpassung, die ja nach und nach kommt, durchführen können. Die Bundesregierung schlägt hier einen Deckungsabschnitt von einem Jahr vor, wobei die Beiträge auf einen längeren Zeitraum — für vier Jahre — festgesetzt werden sollen.
Ich möchte davor warnen, daß man dieses Deckungsverfahren bereits als Umlageverfahren bezeichnet. Zwischen einem Umlageverfahren und einem Abschnittsdeckungsverfahren bleibt immer ein Unterschied, selbst wenn die Abschnitte verhältnismäßig kurz sind. Der Unterschied liegt darin, daß bei einem Umlageverfahren die Beiträge laufend angepaßt werden und demzufolge — wie etwa bei der Krankenkasse — Monat für Monat den Ausgaben angepaßt werden können. Das ist für die Rentenversicherung nicht vorgesehen und sollte auch in Zukunft nicht vorgesehen werden. Das bedeutet aber, daß die Rentenversicherung in jedem Falle über eine Rücklage verfügen muß.
Wir können jetzt voller Stolz auf die große und hohe Rücklage von 27,6 Milliarden DM blicken, die in den letzten zehn Jahren, während des letzten Deckungsabschnitts, angesammelt worden sind. Diese Summe klingt außerordentlich hoch, und es wird von vielen Stellen befürchtet, daß diese große Summe „appetitanregend" für die wirken würde, die dringend Geld brauchen. Wir sollten uns aber vor Augen halten, daß diese Summe von 27 Milliarden DM zwar im Moment außerordentlich hoch erscheint, daß sie aber in der Zukunft, mit der Dynamisierung der Renten, mit der Dynamisierung unserer gesamten Rentenversicherung, später nur noch das Rentenaufkommen weniger Monate decken wird. Wenn wir uns vor Augen halten, daß im Jahre 1976 mit Rentenausgaben von annähernd 60 Milliarden DM gerechnet wird, dann nimmt sich hiergegen die Rücklage verhältnismäßig gering aus, zumal in ihr außerdem der Anteil des Verwaltungsvermögens, der Anteil der Betriebsmittel und der Betriebsmittelreserven enthalten sind.
Wir sollten uns deshalb auch vor Augen halten, daß eine Versicherung, wie es unsere Rentenversicherung ist, in jedem Falle über einen erheblichen Betrag an Betriebsmitteln und Reserven verfügen muß, weil tatsächlich im Laufe einer Periode von vier Jahren z. B., in denen die Beiträge festgesetzt sind, erhebliche Änderungen, die sich nicht vorhersehen lassen, eintreten können. Nehmen Sie bitte an, daß die Lohnsteigerung, daß die Einkommenssteigerung, die bisher in den Bilanzen mit 6 % je Jahr angesetzt ist, über mehrere Jahre nicht in der gleichen Höhe erfolgte. Dann würde es für die Rentenversicherungsträger notwendig sein, an diese Betriebsmittelreserven heranzugehen, um die Renten in vollem Umfange auszahlen und, was uns allen am Herzen liegt, auch weiterhin anpassen zu können.
Ich halte es deshalb für notwendig, daß im Sozialpolitischen Ausschuß noch einmal überlegt wird, ob nicht statt eines Einfrierens der Rücklage besser eine Mindestreserve, und zwar eine dynamisierte Mindestreserve, festgelegt wird, die dann langsam ansteigt. Halten wir uns einmal vor Augen, daß die Rücklage im Jahre 1976 etwa 20 bis 23 Milliarden DM beträgt, je nachdem, welche Bilanzen man zugrunde legt. Damit würde die Rücklage zu diesem Zeitpunkt nur noch den Bedarf von 36 % einer Jahresausgabe decken. Das heißt, wir müßten zu einer Zeit, zu der die Beiträge sowieso schon eine außerordentliche Höhe erreicht haben, die Beiträge nur deshalb erhöhen, weil die Rücklage, weil die Betriebsmittel, weil die Betriebsmittelreserven aufgestockt werden müssen. Hier scheint es eventuell



Springorum
richtiger zu sein, die Rücklagen durch ein langsames Anpassen an die künftig notwendigen Betriebsmittel so anzugleichen, daß eine „weiche Landung" auf die später einmal notwendige Rücklage möglich wird.
Es wurde mehrmals davon gesprochen, daß die Bundeszuschüsse, daß die Rücklagen unserer Rentenversicherung eventuell nicht für die Zwecke benutzt würden, für die sie ursprünglich gedacht gewesen seien. Es ist richtig, daß ein großer Teil der Rücklagen der Wirtschaft zugute gekommen ist. Aber — und die Sozialenquete betont es ganz deutlich und macht es auch immer wieder klar — zwischen Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik besteht eine so enge Verbindung, daß es sich hier um Lebensbereiche handelt, die einfach nicht zu trennen sind. Und wenn hier die Sozialversicherungsträger der Wirtschaft Kapital zur Verfügung gestellt haben, hat das der Wirtschaft geholfen, Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Das hat auf der anderen Seite wieder den Versicherten die Möglichkeit gegeben, zu höheren Verdiensten zu kommen, was wiederum die Folge hatte, daß die Versicherungsträger höhere Beiträge erhielten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wirtschafts- und Sozialpolitik müssen auch in Zukunft koordiniert bleiben. Sie sind voneinander abhängig und können auch die Schwierigkeiten in der Zukunft nur gemeinsam überstehen.
Wir werden also bei den Beratungen über diesen Gesetzentwurf noch vieles zu prüfen haben. Ich bin mit Herrn Professor Schellenberg der Meinung, daß wir uns jetzt noch einmal die genauen Zahlen einer aktualisierten Bilanz vorlegen lassen müssen, daß hier manche Zahlen aus den letzten Bilanzen nicht mehr zutreffen. Es sind auch verschiedene Tatbestände hinzugekommen wie die Härtenovelle, die Rentnerkrankenkasse, eine Verbesserung der Zinserträge sowie die Änderung der Sonderzuschüsse, von denen Sie sprachen, die ja nun Bestandteil der Renten werden.

(Abg. Dr. Schellenberg: Was wir neun Jahre vergeblich gefordert haben!)

— Ja, sehen Sie, wir kommen Ihnen doch auch immer wieder entgegen.

(Abg. Dr. Schellenberg: Aber zu langsam! — Zuruf von der CDU/CSU: Wenn nämlich der richtige Zeitpunktgekommen ist!)

Solange man in der Opposition ist, kann man Forderungen stellen.

(Abg. Dr. Schellenberg: Das kostet doch nichts!)

Aber Sie wissen genauso wie wir, daß aus einer leeren Tasche nichts herauszuholen ist. Dieses Gesetz muß die Weichen stellen für die soziale Sicherheit der Zukunft, für die soziale Sicherung der nächsten Jahre. Es wird ein Prüfstein für dieses Gesetz sein, daß es für möglichst viele Jahre für die Erhaltung und Stabilität unserer Wirtschaft und für unsere Sozialpolitik Geltung haben kann und daß wir genauso wenig Änderungen vornehmen müssen, wie das für das Rentenreformgesetz notwendig war.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506202400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Killat.

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506202500
Herr Präsident! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Herr Kollege Springorum hat soeben den Versuch gemacht, darzustellen, daß wir jetzt im zweiten Rentenabschnitt einen Rentenberg vor uns hätten, der — im Gegensatz zu den sonstigen Verhältnissen in der Rentenversicherung — die Eigenart habe, ständig zuzunehmen. Dadurch sei eine andere Situation gegeben. Herr Kollege Springorum, ich darf Sie bitten, in diesem Punkt Ihre Ausführungen zu revidieren. Sie können es erstens einmal in der versicherungstechnischen Bilanz nachlesen. Dort sind die Angaben über die bevölkerungspolitische Entwicklung in unserem Lande schon seinerzeit in der Weise gemacht worden, daß — ein Berg hat immer die Eigentümlichkeit, sonst könnten wir nicht von einem Berg sprechen, daß es irgendwo wieder heruntergeht — dieser Rentenberg vom Jahre 1980 ab sinken wird. Dieser Rentenberg kommt nicht etwa nur zustande, weil die Lebenserwartung wächst, sondern dieser Rentenberg ist dadurch zustande gekommen, daß — wie mein Kollege Schellenberg sagte — über 3 Millionen Beitragszahler durch die Verluste zweier Kriege und durch die geringeren Geburtenzahlen ausgefallen sind oder herausgeschossen wurden, wie Sie es nehmen wollen. Damit Sie sich selbst korrigieren können, nehmen Sie bitte die Sozialenquete vor. Auf Seite 165 Ziffer 479 können Sie feststellen, daß wir bei 1000 Einwohnern 1966 noch 179 über 65 Jahre Alte, in den Jahren 1976 bis 1981 aber 224 Alte haben; danach wird diese Zahl wieder absinken und sich bei 190 bis 200 alte Personen einpendeln. Bitte, lesen Sie es nach!

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506202600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Springorum?

Gerd Springorum (CDU):
Rede ID: ID0506202700
Geben Sie zu, daß ich gesagt habe, der Berg unterscheidet sich dadurch, daß er zwar absinkt, aber nicht wieder auf dasselbe Niveau wie heute? Ich sprach von der Belastungsquote, die dann aber immer noch wesentlich höher liegt als heute. Wie auch Sie eben vorgetragen haben, ist tatsächlich nach 1990 das Verhältnis von Versicherten und Beitragszahlern ungünstiger als heute.

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506202800
Herr Kollege Springorum, es kommt darauf an, das Verhältnis der aktiven Beitragszahler zu den Rentnern festzustellen, und das wird sich im Verlauf der nächsten 15 bis 20 Jahre nach 1980 wieder entscheidend verändern und verbessern.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506202900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Kalinke?

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0506203000
Welche Unterlagen oder welche wissenschaftlichen oder phantasievollen Begründungen können Sie, Herr Kollege Killat, für diese Ihre so feste Aussage geben, daß in 20 Jahren die Beitragszahler in größerer Zahl mit höheren



Frau Kalinke
Beiträgen da sein werden? Gibt Ihnen dafür irgendein Wunderrezept eine Sicherheit?

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506203100
Frau Kollegin, wenn ich hier die versicherungstechnische Bilanz oder die Sozialenquete mit dem statistischen Material zitiere, dann hat sich Ihre Frage erübrigt bzw. Sie haben die Antwort.

(Abg. Frau Kalinke: Aber nein, keineswegs!)

Herr Kollege Springorum hat eine Sachdarstellung zu geben versucht, die nicht den Gegebenheiten entspricht. Auch das, was der Herr Minister hier soeben in bezug auf die Offenmarktpapiere und die Schuldverschreibungen vorgetragen hat, spricht — ich will mich vorsichtig ausdrücken — von einem bedenklichen Mangel an Einsicht in die Gegebenheiten. Hier bitte ich, Herr Minister, sich einmal in der Sozialenquete, die doch auf Veranlassung der Regierung von den Wissenschaftlern erstellt worden ist, die Ziffer 467 zu Gemüte zu führen. Dort wird eindeutig — im Gegensatz zu den vorhergehenden Ziffern 463 bis 66, die sich mit der Frage der Offenmarktpolitik befassen — ausgeführt, worin der riesige Unterschied besteht zwischen der Anlage in Offenmarktpapieren als einer Vermögensanlage und einer Ausgabe von Schuldbuchverschreibungen an Stelle von Bundeszuschüssen, mit denen zusätzliche Kaufkraft auf den Markt geworfen wird, weil Sie diesen Betrag im Bundeshaushalt verwenden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506203200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506203300
Bitte!

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0506203400
Herr Killat, können Sie dem Hohen Hause mitteilen, welche unterschiedlichen Wirkungen diese beiden Dinge haben, von denen Sie eben gesprochen haben?

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506203500
Das kann ich Ihnen gleich sagen. Wenn Sie an Stelle der baren Bundeszuschüsse, die Sie den Versicherungsträgern zu geben haben, Schuldbuchverschreibungen ausgeben und diese 1250 Millionen DM nun zusätzlich im Etat verwenden und auf den Markt werfen, dann erzeugen Sie zusätzlich Kaufkraft für einen Schuldenbetrag.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer sagt denn, daß sie verwendet werden? — Abg. Stingl: Also, Sie müssen die 1250 Millionen DM woanders hinschmeißen! — Weitere Zurufe.)

— Meine Herren, Sie können darüber reden, wie Sie wollen: Sie wären sonst gezwungen — was angestrebt wird —, auch den Haushalt um diesen Betrag zu kürzen. Das tun Sie nicht.

(Abg. Stingl: Da warten wir auf Ihre Vorschläge!)

— Sie haben die Mehrheit, und Sie haben die Regierungsvorlage unterbreitet.

(Abg. Stingl: Das ist billig!)

Ich bedaure übrigens, daß der Herr Minister vorgestern, als wir uns in unserem Ausschuß mit den Sachverständigen und mit dem Vertreter der Bundesbank über diese Probleme im Zusammenhang mit der Frage der Anlage von Mitteln unterhielten, gefehlt hat. Wahrscheinlich hätte er schon dort eine Aufklärung über die unterschiedlichen Wertungen solcher Anlagen erhalten.
Zum anderen — auch das möchte ich hier noch anmerken — fehlt immer noch die Antwort auf die Frage meines Kollegen Schellenberg, Herr Minister, wie es sich mit den 750 Millionen DM verhält, die Sie nach Aussage des Präsidenten des Verbandes der Rentenversicherungsträger gefordert haben, ob diese Mittel für einen ganz bestimmten Zweck — Stationierungskosten — verwendet werden sollen oder ob hier ein Irrtum entstanden sei, ob es sich um einen „Vorgriff" auf die Stabilisierungsmaßnahmen und auf die dabei vorgesehenen gesetzlichen Maßnahmen zur Bindung von Mitteln aus der Rentenversicherung handelt. Hier, meine ich, müßten Sie Rede und Antwort stehen.
Genauso zweckmäßig wäre es, uns zu sagen, auf welchen versicherungsmathematischen Unterlagen die von Ihnen vorgeschlagenen Beitragserhöhungen beruhen. Sie haben hier offenbart, daß noch ein Streit zwischen zwei verschiedenen Versicherungsmathematikern bestehe und daß deshalb die versicherungstechnische Bilanz oder zumindest die finanziellen Unterlagen für diese Gesetzesvorlage noch nicht hätten erstellt werden können. Deshalb frage ich Sie, worauf dann Ihr Vorschlag beruht, die Beiträge im Jahre 1968 und ab 1970 um je 2 Milliarden DM zu erhöhen.
Weiter haben Sie, Herr Minister, den Versuch gemacht, eine Veröffentlichung im Volkswirtschaftlichen Pressedienst unserer Partei in Zusammenhang mit der Anlage in Schuldbuchverschreibungen und Offenmarktpapieren zu bringen, und Sie haben sich darüber mokiert, daß hier mit falschen Begriffen operiert werde; es werde von einer „sozialen Demontage" in diesem Lande gesprochen. Nun, Herr Minister, soweit ich diese Veröffentlichung im Volkswirtschaftlichen Pressedienst kenne, bezog sie sich nicht allein auf die Frage der Schuldbuchverschreibungen und der Offenmarktpapiere, sondern die tatsächlichen Vorhaben, einschneidende Änderungen im Sozialhaushalt 1967 vorzunehmen. Beispielsweise, daß die Verpflichtungen der Regierung „Mutterschaftsleistungen" und andere Leistungen in Höhe von 560 Millionen DM zu übernehmen, nun plötzlich von der Arbeitslosenversicherung gedeckt werden sollen; daß Sie, wie mein Kollege sagte, 110 Millionen DM als „Sonderzuschuß" streichen — auf den die Rentenversicherung seit 1957 Anspruch hat — und dafür eben, um das zu decken, die Beiträge bereits ab 1968 erhöht werden müssen; daß Sie das „Gemeinlastverfahren" durchführen wollen, um der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zwar zu ihren 140 Millionen DM zu verhelfen, diese aber aus dem Haushalt des Bundes gestrichen werden und nun über den Preis, nämlich über die Beiträge der gewerblichen Berufsgenossenschaften, hereingeholt werden sollen.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506203600
Frau Abgeordnete Kalinke möchte gern eine Zwischenfrage stellen.

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506203700
Ich möchte jetzt meinen Gedankengang zu Ende führen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506203800
Bitte!

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506203900
Der Herr Minister hat hier diese Frage heraufbeschworen, und Sie werden doch gestatten, daß ich ihm darauf eine Antwort oder eine Auskunft erteile.
Es ist bespielsweise vorgesehen, die „Ausbildungszulage" nach dem Kindergeldgesetz um 245 Millionen DM zu kürzen. Es ist weiter vorgesehen, das „Wohngeld" zu kürzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sprechen doch heute nicht vom Haushalt!)

Herr Minister, das war unter anderem, und zwar entscheidend, der Grund, warum in diesem von Ihnen zitierten Pressedienst von einer „sozialen Demontage" gesprochen worden ist. Ich hielt es für notwendig, darauf hinzuweisen, weil sonst der Eindruck entstehen könnte, es handle sich nur um die beiden Fragen — Schuldbuchverschreibungen und Offenmarktpapiere die Sie im Zusammenhang damit angesprochen haben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506204000
Herr Abgeordneter Killat, ist nun die Zeit für die Zwischenfrage der Frau Kalinke gekommen?

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506204100
Nein.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506204200
Bitte schön, Herr Abgeordneter Killat.

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506204300
Ich möchte in diesem Zusammenhang doch anmelden, Herr Minister, daß, wenn wir ein solches Gesetz beraten, nicht nur der Ausschuß, sondern die gesamte Offentlichkeit Anspruch darauf hat, erschöpfendes Material rechtzeitig vorgelegt zu erhalten.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist die einzige Möglichkeit, hier sachgerecht zu diskutieren. Denn sonst hätte ja eine solche erste Lesung gar keinen Zweck.
Der Herr Minister und auch Herr Kollege Springorum haben davon gesprochen, daß vor einiger Zeit — wir waren gemeinsam dabei zugegen — das 75jährige Bestehen der deutschen Rentenversicherung in einem Festakt gebührend gewürdigt worden ist. In diesem Zusammenhang darf ich auch einmal darauf aufmerksam machen, was Sie im Hinblick auf die Bundeszuschüsse, und zwar unter dem Stichwort „Verkennung des Wesens der Bundeszuschüsse", ausgeführt haben. Ich darf — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — aus Ihrer Rede zitieren:
Der deutschen Rentenversicherung sind durch
die Folgen zweier Weltkriege zusätzliche Verpflichtungen erwachsen. Zum anderen hat die biologische Substanz unseres Volkes durch die Kriege, die durch sie ausgelösten Wirtschaftskrisen schwere Einbußen erlitten. Die finanzielle Lage der Rentenversicherung wird auf Jahrzehnte hinaus durch das Mißverhältnis bestimmt, das zwischen den geburtenstarken Jahrgängen aus der Zeit vor 1914, die jetzt in das Rentenalter hineinwachsen, und den geburtenschwachen Jahrgängen der Folgezeit besteht und das durch den kriegsbedingten Rückgang der Geburtenhäufigkeit noch verschärft wird. Es muß einmal klar gesagt werden: Auch diese Zeit unserer Vergangenheit muß bewältigt werden. Das bedeutet aber, daß Einnahmeausfall und Mehraufwand von der Allgemeinheit, also durch den Bundeszuschuß, auszugleichen sind.
— Herr Minister, Ihre Worte! —
Denn die Folgen der Kriege kann man nicht einer Gruppe allein anlasten, 'die müssen von allen, dem ganzen Volk, getragen werden. Im übrigen sollte auch nicht übersehen werden,
— Ihre Worte! —
daß der Bundeszuschuß nicht entsprechend den Aufwendungen, sondern nach der Lohnentwicklung wächst. Das hat zur Folge, daß der Anteil des Bundeszuschusses an den Gesamtausgaben der Rentenversicherung stetig zurückgeht. Die Allgemeinheit, das heißt der Bund, müßte bei richtiger Betrachtungsweise auch an den Belastungen durch die zunehmende Zahl der Rentner beteiligt werden.
Ich muß Sie fragen, Herr Minister: warum sind Sie nicht bereit, aus der Entwicklung zu diesem Rentenberg, der nicht aus der Situation des allgemeinen Arbeitsmarktes und den allgemeinen Arbeitsverhältnissen herzuleiten ist, auch die entscheidenden Konsequenzen zu ziehen? Ich möchte doch noch bemerken, daß wir neben diesen Ausfällen an Beitragszahlern und diesen Mehrbelastungen an Rentenempfängern auch noch hohe Kosten zu tragen haben, die im Prinzip mit der Rentenversicherung nichts zu tun haben. Ich denke an die verschiedenartigsten Ausfall- und Ersatzzeiten und Wegfall von Wartezeiten, die aus kriegsbedingten oder politischen Gründen in Erscheinung treten. Sie haben beispielsweise gegen unsere Anträge auf Kostenerstattung für Einbeziehung aller aus den früheren deutschen Gebieten und aus dem Ausland heimgekehrten Deutschen mit dem Fremdrentengesetz, die die Belastung nur der Arbeiter- und der Angestelltenversicherung auferlegt, gestimmt.

(Widerspruch von der CDU/CSU.)

Sie haben keinen finanziellen Ausgleich in Form einer Erhöhung der Bundeszuschüsse geschaffen.

(Abg: Stingl: Sie müssen da den Vorteil berücksichtigen, daß im Verhältnis der Zuwachs an Beitragszahlern aus den Vertreibungsgebieten groß ist!)

— Herr Kollege Stingl, wenn Lasten zu tragen sind
— das hat Herr Bundesminister Katzer selbst in



Killat
seinem Vortrag gesagt —, dann sind solche Lasten von der Volksgesamtheit zu tragen.

(Abg. Stingl: Vorteilsausgleich!)

Wenn wir eine Versicherungspflicht für alle Beschäftigten hätten, dann könnte man darüber reden. Wenn Sie aber nur einen Teil der Bevölkerung in diese Solidarhaftung einbeziehen, dann erhebt sich die Frage: Wann Sind Sie endlich bereit, die Lasten, die nicht ursprünglicher Bestandteil der Rentenversicherung sind, aus dem allgemeinen Volksaufkommen zu bezahlen?

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506204400
Herr Abgeordneter Killat, Frau Kalinke würde gern eine Zwischenfrage an Sie stellen.

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506204500
Ja, bitte!

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506204600
Bitte sehr, Frau Abgeordnete!

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0506204700
Herr Kollege Killat, Sie haben mir leider an den betreffenden Stellen keine Gelegenheit gegeben zu fragen. Entschuldigen Sie, wenn ich meine Fragen jetzt zusammenfassen muß.

(Abg. Killat: Sie können sowieso auch von hier reden!)

— Nein, ich will Sie fragen, um Ihnen Gelegenheit zu geben zu antworten. — Ihre letzte Aussage bezog sich darauf,

(Zurufe von der SPD: Fragen!)

daß der Rentenberg nicht von der Arbeitnehmersituation abhängt. Ich frage Sie, ob Sie wissen, in welch glücklicher Lage wir nach 1957 waren. Sie werden doch wohl bestätigen, —

(Anhaltende Zurufe von der SPD: Fragen!)

— Darf ich Sie fragen, ob Ihnen bewußt ist, in welch großer Zahl die Vertriebenen Beiträge gezahlt haben. Ich habe Sie weiter zu fragen: Sind Sie sicher — oder besitzen Sie da eine Wunderwaffe —, daß die Arbeitnehmer- und damit Beitragszahlersituation, also die Vollbeschäftigung oder Überbeschäftigung, für immer garantiert ist?

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506204800
Frau Abgeordnete Kalinke, an sich kann man immer jeweils nur eine Frage stellen.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0506204900
Meine Meldungen und Fragen wurden leider nicht beantwortet.

(Unruhe bei der SPD.)

Darf ich Sie fragen: Ist das Gemeinlastverfahren, von dem Sie sprachen, nicht eine Erfindung sozialdemokratischer Gedankengänge? Darf ich Sie weiter fragen — —

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506205000
Das geht natürlich über die Möglichkeit der Zwischenfrage hinaus.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD.)


Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0506205100
Darf ich Sie weiter fragen — als letztes, Herr Präsident, wenn Sie gestatten —: Haben Sie auch im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit meinem Kollegen Springorum die weiteren Absätze der Enquete zum Thema Rentenberg gelesen?

(Anhaltende Zurufe und Heiterkeit bei der SPD.)

Lesen Sie bitte auch 477 und 479! Und darf ich Sie bitten, uns zu bestätigen, daß Sie auch gelesen haben,

(fortgesetzte Unruhe bei der SPD)

daß die Enquetekommission sich auf die gerade von Ihrem Vorredner, Herrn Professor Schellenberg, so deutlich kritisierten statistischen Zahlen der versicherungstechnischen Bilanzen von 1961 und 1963 bezieht.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506205200
Herr Abgeordneter Killat, Sie sind hoffentlich nicht überfragt.

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506205300
Es ist nicht mein Amt hier, einen Diskussionsbeitrag, den Sie hier geleistet haben, —

(Frau Abg. Kalinke: Fragen, nur Fragen!)

— Welche Fragen soll ich mir daraus heraussuchen? Sie sollen eine präzise Frage stellen, dann kann ich präzise antworten.

(Abg. Frau Kalinke: Und Sie sollten den Antworten nicht ausweichen! Sie haben leider keine Frage beantwortet!)

— Wenn Sie hier einen Diskussionsbeitrag leisten wollen, dann darf ich Sie bitten, nachher hierher auf das Podium zu kommen. Dann steht Ihnen jede Möglichkeit offen, dieses Haus von Ihren Auffassungen zu überzeugen.
Meine Damen und Herren, da oftmals in Zusammenhang mit der Gesamtfinanzierung der Rentenversicherung so getan wird, als wären die Reichszuschüsse seit über 75 Jahren nur ein Beitrag zur Armenfürsorge gewesen, verweise ich auf die entsprechenden Ausführungen auf Seite 93 in der Sozialenquete. Dort wird eindeutig zum Ausdruck gebracht — ich darf vielleicht diesen einen Satz vorlesen —:
Es wäre ein nicht zu rechtfertigender innerer Widerspruch, wenn das allgemeine Interesse des Reiches an einer möglichst normalen Gestaltung der sozialen Verhältnisse nicht auch in einer anteiligen Aufwendung von Reichsmitteln zur Bestreitung der zu erwartenden Gesamtbelastung seinen entsprechenden Ausdruck fände.
Das waren damals 30 0/o. Hier sollte auch endlich erkannt werden, daß nicht nur die Versichertengemeinschaft oder die Versichertengeneration Solidarität zu leisten haben, sondern die Volksgesamtheit.
Ergänzend ist zu bemerken, daß durch die Alters-und Invalidenversicherung eine erhebliche Erleichterung einer anderen öffentlichen Last eintritt. Dazu möchte ich mir noch folgenden Hinweis erlauben.



Killat
Unter dem 20. September 1966 — Frau Kollegin, Sie haben das Material bekommen — sind uns im Zusammenhang mit den Anrechnungsbestimmungen für Rentenleistungen und andere Sozialleistungen Unterlagen zur Verfügung gestellt worden, wonach durch die Anrechnung über 2 1/2 Milliarden DM an Leistungen eingespart werden, davon allein über 11/2 Milliarden DM beim Bund. Das ist noch ein zusätzlicher Beitrag, den die Sozialversicherten leisten.

(Abg. Frau Kalinke: Aber Sie haben doch gehört, daß die Kriegsopfer — —!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506205400
Herr Abgeordneter Killat, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506205500
Herr Präsident, ich möchte meine Ausführungen in Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit zu Ende bringen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506205600
Das ist Ihr gutes Recht.

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506205700
Ich möchte abschließend folgendes noch einmal herausstreichen. Herr Minister Katzer hat eindeutig erklärt: Zur Altersrente werden keine Zuschüsse geleistet. Es ist an der Zeit, daß das, was einmal Rechtens war und was durch besondere Belastungen geändert wurde, die nicht allein von den Versicherten zu vertreten sind, endlich wieder hergestellt wird. Er hat weiter eindeutig herausgestellt, daß trotz allem — es wird so getan, als hätten wir einen dynamisierten Bundeszuschuß — ein laufender Rückgang der Bundeszuschüsse an den Ausgaben festzustellen ist, und zwar von 27,5 % im Jahre 1957 auf jetzt gut 20 %.
Entscheidend aber, Herr Minister, war Ihre Feststellung, daß wir nach zehn Jahren unsere Ziele nicht erreicht haben. Ich verweise nur darauf, daß heute nach 40 Versicherungsjahren nicht, wie gewollt, Renten in Höhe von 60 % des Einkommens eines vergleichbaren Arbeitnehmers gezahlt werden, sondern nur in Höhe von 44%.
Sie haben ferner gesagt, Herr Minister, Sie wollten mit diesem Gesetz, das Sie jetzt vorgelegt haben, die Voraussetzungen dafür schaffen — so sinngemäß —, daß die auf uns zukommenden weiteren Belastungen einschließlich des Rentenbergs leichter bewältigt werden können. Ich muß sagen, das, was Sie uns dazu vorgelegt haben, wird dem in keiner Weise gerecht. Wir werden in den Ausschüssen die notwendigen Anträge stellen, bei denen Sie dann bekennen müssen, ob Sie nur die Solidargemeinschaft der Versicherten oder die Volksgesamtheit für diese riesigen zusätzlichen und versicherungsfremden Belastungen mit haftbar machen wollen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506205800
Das Wort hat der Abgeordnete Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0506205900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich handle im Sinne aller, wenn ich mich nun in Anbetracht der vorgerückten Zeit kürzer fasse.

(Zustimmung.)

Ich möchte zu dem Entwurf eines Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes eine prinzipielle Frage aufwerfen, nämlich die Frage der Weiterversicherung der freiwillig Versicherten. Dabei geht es weniger um Probleme von Angestellten, die die Pflichtversicherungsgrenze Überschritten haben, als um Versicherte, die die versicherungspflichtige Beschäftigung nicht mehr ausüben, also insbesondere Selbständige und Hausfrauen.

(Abg. Killat: Wieso nicht auch Angestellte?)

Für diesen Personenkreis sind im Vergleich zu den abhängig Beschäftigten zwei Dinge charakteristisch: ungleiche finanzielle Belastung, d. h. schwankende Ausgaben im Haushalt oder im Betrieb; bei Selbständigen kein kontinuierlich gleichmäßiges Einkommen, während abhängig Beschäftigte im Normalfall über ein gleichmäßiges Einkommen verfügen.
Durch die Möglichkeit, eine Nachentrichtung von Beiträgen für zwei vorhergehende Kalenderjahre vorzunehmen — mein Kollege Spitzmüller hat dies schon kurz erwähnt —, wird demjenigen freiwillig Versicherten, der nicht über kontinuierliche Beträge für die Altersversorgung verfügt, die Chance gegeben, die Altersversorgung im Rahmen seiner Möglichkeiten systematisch und ohne beitragslose Zeit aufzubauen.

(Zuruf von der SPD: Diese Rede würde ich im Sozialpolitischen Ausschuß halten, Herr Kollege!)

Nach den Plänen des Arbeitsministeriums sollen künftig nach Erhöhung der Beitragssätze bei der Nachversicherung nicht mehr die niedrigen Beitragssätze der vorhergehenden Jahre, sondern die höheren Beitragssätze im Zeitpunkt des Erwerbs der Marken gelten. Das heißt, daß, wenn im Jahre 1968 der Beitragssatz von 14 auf 15 % erhöht wird, bei der Nachentrichtung für die Jahre 1966 und 1967 ebenfalls dieser erhöhte Satz gelten wird.
Wir bitten jedoch, bei der Beratung im Ausschuß darauf zu achten, daß bei allen verwaltungsmäßigen Gesichtspunkten auch die soziale und wirtschaftliche Situation der Versicherten sowohl generell als auch im Hinblick auf einzelne Versichertengruppen entsprechend berücksichtigt wird. Gerade im Hinblick auf eine eigene Altersversorgung der Hausfrauen und der Selbständigen sollte bei den Ausschußberatungen überlegt werden, wie die Verschlechterungen über die allgemeine stärkere Belastung hinaus dadurch vermieden werden können, daß diese Nachentrichtungen nicht nach den erhöhten Beitragssätzen, die in Zukunft auftreten werden, zu erfolgen haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506206000
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.




Friedrich Kühn (CDU):
Rede ID: ID0506206100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will zum Abschluß nur einige ganz wenige Bemerkungen von unserer Seite zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Killat machen.
Herr Kollege Killat hat getadelt, daß der Herr Minister bei der Anhörung der Sachverständigen am vorgestrigen Tage im Ausschuß nicht dabeigewesen sei.

(Abg. Rohde: Weil er den Sachverhalt offensichtlich nicht begriffen hat!)

— Entschuldigen Sie, es war lediglich ein Tadel wegen einer Nichtanwesenheit. Ich kann dazu nur feststellen, daß wir von unserer Seite und, wie ich glaube, auch von seiten des Vorsitzenden des Ausschusses her sagen können, daß wir den Herrn Minister immer, wenn es um wirklich brennende Dinge ging, die ihm noch nicht bekannt waren, im Ausschuß gesehen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das haben wir mit großer Dankbarkeit als Interesse für diese Dinge feststellen können.

(Abg. Killat: Halten Sie das Stabilisierungsgesetz nicht für eine brennende Sache?)

— Verzeihen Sie, bei dem Stabilisierungsgesetz handelt es sich um eine Regierungsvorlage. Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Killat, daß nach der Geschäftsordnung der Regierung hierüber vorher Besprechungen durchgeführt werden, bei denen selbstverständlich auch diejenigen gehört worden sind, die wir im Ausschuß gehört haben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Herr Minister von da her nicht schon gewußt hätte, was in der Ausschußanhörung auch zur Sprache gekommen ist.

(Abg. Killat: Was der Minister weiß, haben wir ja gehört!)

Zum zweiten. Sie haben wiederum auf die erwartete erhöhte Leistung infolge des erwarteten Rentenberges und dabei sicherlich mit Recht auch auf den Bevölkerungsaufbau in der Bundesrepublik hingewiesen. Ich möchte aber noch auf eines hinweisen. Ich glaube, es heißt die Sicht verkürzen, wenn man dieses Problem nur von der Seite des Bevölkerungsaufbaus und nicht gleichzeitig auch von der Seite der mit Sicherheit zu erwartenden Erhöhung der Produktivität ansieht. Es ist nicht nur eine Frage der Zahl, sondern es ist eine Frage der Wirkung, die wir dabei zu berücksichtigen haben.

(Beifall in der Mitte.)

Ich glaube, das muß man auch berücksichtigen, wenn man das ganze Problem anspricht.
Das Dritte: die Schuldbuchverschreibungen und sonstigen Anlagen. Sie sind von Ihnen mit Härte kritisiert worden. Die Frage, die wir hier zu stellen haben, meine Damen und Herren von der Opposition, ist doch: Treten dadurch Schäden für die Rentenversicherung ein?

(Abg. Stingl: Keineswegs!)

An keiner Stelle hat man uns hier nachweisen können — auch nicht bei der Anhörung der Sachverständigen —, daß das tatsächlich der Fall ist; im Gegenteil! Diese Schuldverschreibungen und übrigen Anlagen — und nur das hat uns als Sozialpolitiker im Augenblick zu beschäftigen — werden in hervorragender Weise verzinst. Sie sind sofort, wenn sie vom Rentenversicherungsträger gebraucht werden
— ich erinnere an die vorgestrige Sachverständigenanhörung —, zu aktivieren, d. h. wieder liquide zu 'machen.

(Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Schellenberg: Aber Herr Kollege!)

— Entschuldigen Sie! Sie können doch damit an den Markt gehen; aber selbstverständlich!

(Abg. Dr. Schellenberg: Mit Schuldbuchforderungen?! — Abg. Rohde: Lassen Sie sich einmal sachlich informieren.)

— Wir wollen uns im Ausschuß weiter darüber unterhalten. Mit Sicherheit ist aber die Prognose, die Sie hier gestellt haben, daß dadurch ein Schaden für die Rentenversicherung eintrete, nicht richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Zur Frage der sozialen Demontage. Meine Damen und Herren, Sie haben hier eine Reihe von Fragen angeschnitten, die in die Diskussion über den Haushalt hineingehören und die heute bei dieser Frage irrelevant sind. Natürlich haben Einzelfragen der Ausbildungsförderung und anderes auch ihre Auswirkungen auf die Rentenversicherung. Wo ist das im sozialen Bereich nicht der Fall? Natürlich gibt es hier Zusammenhänge. Das aber primär zu diesem Gesetz und bei dieser Gelegenheit als eine beabsichtigte Sozialdemontage anzuführen, ist eine Irreführung der Bevölkerung.
Zur Frage der Bundeszuschüsse. Dazu möchte ich doch noch ein ganz klares Wort sagen. Herr Kollege Killat, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß die Bundeszuschüsse zur Zeit der Schaffung der sozialen Rentenversicherung mit einem Anteil von 30 % festgesetzt wurden. Sie dürfen aber nicht vergessen, daß das zu einem Zeitpunkt geschah, als nicht nur ein ganz anderes Rentensystem vorlag, sondern auch der Arbeiter in Deutschland einen ganz anderen Stand hatte, als er ihn durch die wirtschaftspolitischen und gesellschaftspolitischen Maßnahmen, die insbesondere von diesem Teil in der Mitte des Hauses zu vertreten sind, heute hat. Wir sind dankbar dafür. Wir erkennen auch dankbar an, daß wir auf diesem Gebiete manche Anregungen und manche Förderungen durch die gewerkschaftliche Arbeit zu verzeichnen haben. Wir können aber feststellen, daß der Arbeiter heute nicht mehr wie der Arbeiter der achtziger und neunziger Jahre darauf angewiesen ist, als protektionsbedürftiger Proletarier von der Bevölkerung einen hohen Zuschuß zu bekommen, sondern daß er und ich glaube, das ist das Wesentliche, was man nach ,der Feststellung des Herrn Ministers hier einmal unterstreichen muß als mitbestimmender Wirtschaftsbürger infolge seines gestiegenen Einkommens und der damit erhöhten Beiträge zur Rentenversicherung in der Lage ist, seine Alterssicherung selber zu decken. Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist ein so



Kühn (Hildesheim)

positiver Erfolg, daß man das zunächst einmal festhalten und herausstellen sollte.
Im übrigen ist die Frage, wie sich der Anteil gestaltet, in der Reichsversicherungsordnung selber festgelegt. Ich glaube, daß bei der von Ihnen kritisierten Entwicklung nicht zuletzt auch zutage tritt, wie sich durch Lohnentwicklung und damit erhöhte Einkommen in der Rentenversicherung selber diese Dinge zu verschieben beginnen. Wir werden uns darüber im Ausschuß unterhalten. Ich muß sagen, daß ich das zunächst nicht als eine negative, sondern als eine positive Auswirkung zu werten geneigt bin.
Schließlich haben Sie davon gesprochen, daß die Rentenversicherung einen hohen Teil der Lasten für die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge zu tragen habe. Vorher ist hier mit Recht darauf hingewiesen worden, daß wir lange Zeit die Leistungen — und natürlich auch die Einnahmen — der Rentenversicherung gerade dadurch haben steigern können, daß wir einen großen Teil der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen zusätzlich in unseren Arbeitsprozeß eingegliedert haben. Nicht zuletzt deren Leistungen und deren Beiträge haben die Rentenversicherung in ihre gute finanzielle Lage gebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das feststellen heißt aber zugleich auch ihnen das Recht geben, von dem, was sie verdient haben, einen entsprechenden Teil für ihre Alterssicherung aufzubringen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. —Zurufe von der SPD: Wer hat denn das bestritten?)

Auf diese wenigen Bemerkungen möchte ich mich beschränken. Wir sind mit Ihnen einig in der Feststellung, daß wir auch diese Vorlage der Regierung in dem Sinne behandeln, wie sie erstellt worden ist, nämlich im Interesse des Fortbestehens der sozialen Stabilität in unserem Lande.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506206200
Das Wort hat der Abgeordnete Rohde.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0506206300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Vorbemerkungen.
Herr Kollege Kühn, hinsichtlich der Schuldbuchtitel möchte ich Ihnen doch empfehlen, sowohl im Haushaltssicherungsgesetz als auch im Finanzbericht der Bundesregierung nachzulesen, daß diese Papiere keine frei verfügbaren Papiere für die Träger der Rentenversicherung sind.

(Beifall bei der SPD.)

Man sollte doch bei diesen, in ihren Auswirkungen für die Rentenversicherung schwerwiegenden Zusammenhängen wenigstens die Sachverhalte gebührend würdigen.
Hinsichtlich der Beurteilung der Teilnahme der Bundesarbeitsminister an den Sitzungen des Sozialpolitischen Ausschusses des Parlaments bin ich mit Ihnen nicht einer Meinung. Ich bin fast 10 Jahre in diesem Ausschuß tätig, und ich muß sagen: nicht viel mehr als zehnmal — ich reiche Ihnen die Zahlen gern nach, wenn Sie das wünschen — haben die beiden Bundesarbeitsminister dieser Jahre in unserem Fachausschuß zu den Fragen, die wir dort zu beraten und zu entscheiden hatten, wirklich Stellung genommen. Es gibt überhaupt keinen zulänglichen Dialog zwischen Regierung und Parlament in dem Ausschuß für Sozialpolitik.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506206400
Der Herr Abgeordnete Behrendt möchte eine Frage an Sie richten. — Bitte!

Walter Behrendt (SPD):
Rede ID: ID0506206500
Herr Kollege Rohde, teilen Sie die Auffassung, daß es außergewöhnlich ist, wenn ein neuer Minister oder ein neuer Staatssekretär sich nach einem Jahr seiner Tätigkeit noch nicht einmal im Ausschuß hat sehen lassen? Das ist bei jeder anderen Gelegenheit, bei Firmen, selbst bei kleinsten Firmen üblich.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0506206600
Herr Kollege, ich weiß, daß Sie damit den Ausschuß für Arbeit meinen. Mit Ihrer Beurteilung, daß es sich dabei um einen außergewöhnlichen Vorgang handelt, stimme ich voll überein.
Ich habe mich zum Wort gemeldet, um zu der, wie ich glaube, entscheidenden Frage Stellung zu nehmen, die diese Debatte heute bewegt. Die Regierung hat hinsichtlich der finanzwirtschaftlichen Entwicklung der Rentenversicherung ein Dreieck deutlich werden lassen. Das gilt auch für die Sprecher der Regierungsparteien. Man kann die Punkte dieses Dreiecks wie folgt bezeichnen: Beitragserhöhung, Offenmarktpapiere und Schuldbuchverschreibungen. Die interessante Frage lautet: Wie wird sich dieses Modell der Regierung unter den konkreten Bedingungen der künftigen Jahre entwickeln?
In den nächsten Jahren werden wir mit Veränderungen der finanzwirtschaftlichen Zusammenhänge in der Rentenversicherung zu rechnen haben. Die Überschußbildung verringert sich. Zugleich geht die Vermögensbildung zurück. Darauf hat der Herr Bundesarbeitsminister hingewiesen, als er die Wirkungen des vorliegenden Gesetzentwurfs erläutert hat. Die laufenden Einnahmen, sowohl die Beiträge als auch der Bundeszuschuß, werden zunehmend bedeutungsvoll — sie sind es heute schon — für die Liquidität der Träger der Rentenversicherung. In einer solchen Entwicklung verändern sich auch der Charakter und die Wirkung der Schuldbuchforderungen. Bisher waren die Schuldbuchforderungen praktisch ein Eingriff des Bundes in die Vermögensanlagepolitik der Rentenversicherung. Aber zukünftig wird die Schuldbuchpolitik immer mehr ein Eingriff in die Liquidität der Rentenversicherung sein. Je mehr sich die Entwicklung, die auch das neue Änderungsgesetz zum Inhalt hat, dem Umlageverfahren nähert, um so deutlicher wird der Wandel des Charakters und der Wirkungen der Schuldbuchforderungen werden. Hinzu kommt auch in diesem Zusammenhang die Auswirkung des Altersaufbaus.
Was ist nun die Konsequenz einer solchen Politik.? Je mehr durch Schuldbuchtitel die Liquidität der



Rohde
Rentenversicherungsträger belastet wird, desto unergiebiger, Herr Minister, muß logischerweise das von der Bundesbank geforderte und von der Regierung in ihr Stabilisierungsgesetz aufgenommene Mittel der Offenmarktpolitik werden. Denn die Offenmarktpolitik geht doch davon aus, daß eine ausreichende Liquidität der Rentenversicherungsträger vorhanden ist, damit dann für eine gewisse Zeit bestimmte Summen bei der Bundesbank eingelagert werden können. Das heißt, die Politik der Schuldbuchtitel führt dazu, die Liquidität zu belasten und damit die Wirkung des konjunkturpolitischen Instruments der Offenmarktpolitik einzugrenzen. Gleichzeitig wirken die Schuldbuchtitel in die Richtung, konsumwirksame Staatsausgaben zu werden und von daher — auf einem zweiten Wege also — die Konjunktur zu beeinflussen.
Daran zeigt sich, daß das Dreieck, das heute vor dem Parlament deutlich wurde, kein funktionsfähiges Modell ist. Hinsichtlich der Schuldbuchforderungen bedeutet das z. B., daß die Schuldbuchtitel aus konjunkturpolitischen Gründen abgelehnt werden müssen, daß sie bei einer weiteren Entwicklung zum Umlageverfahren immer systemwidriger werden und daß sie drittens bei wachsenden Kriegsfolgelasten auch sozialpolitisch mit dem Blick auf die Lage der Rentenversicherung immer unvertretbarer werden. Das wollte ich an dieser Stelle sagen und hinzufügen, daß die Regierung, weil ihr Konzept sowohl finanzwirtschaftlich als auch konjunkturpolitisch nach meiner Meinung nicht durchdacht und sinnvoll angelegt ist, den Ausweg über vorzeitige Beitragserhöhungen in der Rentenversicherung sucht.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506206700
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0506206800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zwei Bemerkungen von Rednern der SPD veranlassen mich, noch einmal das Podium zu betreten, um eines ganz klar herauszustellen.
Herr Kollege Schellenberg hat hier angeführt, daß — sinngemäß — zum Jubiläum des 90jährigen Bestehens der Rentenversicherungsträger der Bundeszuschuß bei 16 % angelangt sei, während er im Jahre 1891 30 % betragen habe. Herr Kollege Killat hat diesen Eindruck einer scheinbaren ständigen ,,sozialen Demontage" vertieft, Das ist ein Argument, das in der Offentlichkeit immer wieder zum Ausdruck gebracht wird: hier erfolge ein Abbau.
Meine Damen und Herren, wir wollen einmal ganz klar sehen, was in der RVO steht: Der Bund leistet zu den Ausgaben der Rentenversicherung der Arbeiter, die nicht Leistungen der Altersversicherung sind, einen Zuschuß.

(Abg. Dr. Schellenberg: Halten Sie diesen Ausschluß der Altersversicherung für gut?)

— Herr Kollege Schellenberg, dieser Paragraph ist
mit Ihrer Zustimmung und der Zustimmung Ihrer
Kollegen beschlossen worden, und ich kann mich
nicht erinnern, daß die SPD bisher einen Antrag gestellt hätte, der einen prozentualen Anteil vorsieht. Wenn Sie wünschen, Herr Kollege Schellenberg, daß diese RVO-Bestimmung geändert wird, dann müssen Sie das beantragen, und zwar in diesem Bundestag beantragen, und dann müssen Sie auch bereit sein, die weitere Aufblähung des Bundeshaushalts und die erforderlichen Steuererhöhungen dafür öffentlich zu propagieren. Dazu müssen Sie dann auch den Mut haben. Sie können hier nicht dauernd sagen, der Bundeszuschuß sei von einst 30 % über 25 % und 22 % auf 16 % gesunken, ohne den Mut zu haben, zu sagen: Wir wollen global 25 % — das steht in Ihrem Programm —, und wir sind bereit — das müssen Sie dann auch sagen —, die Steuererhöhungen und die Aufblähung des Haushalts dafür in Kauf zu nehmen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506206900
Herr Abgeordneter, genehmigen Sie eine Zwischenfrage?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0506207000
Herr Kollege Spitzmüller, wären Sie so freundlich, den Kollegen von der SPD-Fraktion zu sagen, daß das, was sie heute für sich reklamieren — diesen 30%igen Zuschuß —, die Sozialdemokraten 1891 zusammen mit ,der Fortschrittlichen Vereinigung im Reichstag bekämpft haben?

(Gegenruf von der SPD: Waren Sie dabei? — Weitere Zurufe links. Unruhe.)


Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0506207100
Wir wollen nicht unbedingt nur in sozialpolitischer Geschichte machen, Herr Kollege Moersch. Interessant wäre es zweifellos. Wir stehen sowieso in der schwierigen Situation, daß wir uns demnächst, ähnlich wie man sich die Bibelzitate gegenseitig vorhält, durch Ziffernnennung aus der Sozialenquete Seite 100 und X, Ziffer soundsoviel gegenseitig zu schlagen versuchen. Ich meine also, Herr Kollege Moersch, so weit in die Vergangenheit wollen wir nicht steigen. Aber hier in der Gegenwart wollen wir doch klar sagen: wer einen prozentualen Bundeszuschuß wünscht, muß das beantragen und muß bereit sein, die Konsequenzen für Haushalt und Steuererhöhungen zu verantworten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506207200
Herr Kollege Killat!

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0506207300
Herr Kollege Spitzmüller, ist Ihnen nicht klar, daß Beitragserhöhungen für den Betroffenen ebenso ein Eingriff in sein Einkommen sind wie eine Steuererhöhung, nur daß wir bei der Steuererhöhung noch soziale Aspekte — Freibeträge, Familienstand — gelten lassen, während bei dem direkten Beitrag mit der untersten Mark angefangen wird? Halten Sie das für sozial?

(Gegenrufe von der CDU/CSU.)


Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0506207400
Herr Kollege Killat, sagen Sie damit, ,daß unbedingt die Einkommen- und die Körperschaftsteuer erhöht werden müssen, bei denen dann die Länder den Hauptanteil abschöpfen?



Spitzmüller
Das wäre wahrscheinlich eine ganz entsetzliche Steuererhöhung, wenn Sie diese Beirtagserhöhung durch einen höheren Bundeszuschuß verhindern und sagen wollten: Die Mehrmittel kommen aus der Einkommen- und der Körperschaftsteuer. Dann brauchen Sie nämlich fast dreimal so viel, als Sie eigentlich brauchten, weil dann für die Länder noch etwas abfällt. Also können Sie es nur mit indirekter Steuer machen, und dann möchte ich fragen, ob das sozialpolitisch zu verantworten ist, wenn Sie bei der Zucker- oder Salzsteuer anfangen. Das wage ich zu bezweifeln.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506207500
Herr Abgeordneter Müller (Remscheid) will noch kurz etwas sagen.

Adolf Müller (CDU):
Rede ID: ID0506207600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vom Herrn Abgeordneten Behrendt ist hier in einer Zwischenfrage gerügt worden, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in dieser Legislaturperiode noch nicht im Ausschuß für Arbeit gewesen sei. Dazu möchte ich als Vorsitzender dieses Ausschusses folgendes sagen. Der Ausschuß für Arbeit hat in dem ersten Jahr der Legislaturperiode mit Ausnahme des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs einer Novellierung des Jugendarbeitsschutzgesetzes fast alle Vorlagen nur mitberaten oder gutachtlich behandelt. Zwischen dem Herrn Bundesarbeitsminister Katzer und mir haben verschiedentlich Besprechungen darüber stattgefunden, daß der Herr Bundesarbeitsminister an den Sitzungen des Ausschusses teilnehmen wollte. Ich habe ihm geraten, dann in den Ausschuß zu kommen, wenn eine wichtige Vorlage seines Hauses im Ausschuß beraten würde.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506207700
Herr Abgeordneter Behrendt, bitte.

Walter Behrendt (SPD):
Rede ID: ID0506207800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund der Äußerung des Kollegen Müller möchte ich als stellvertretender Ausschußvorsitzender für meine Fraktion folgendes sagen. Von dieser Ansicht des Vorsitzenden waren wir nicht unterrichtet. Zweitens halten wir es für richtig und für selbstverständlich, daß, wenn ein neuer Minister — ich persönlich kenne ihn, aber die meisten unserer Kollegen kennen ihn als Minister noch nicht und vor allen Dingen in diesem Fall auch ein neuer Staatssekretär in diesem Ministerium ist, es für den Minister und seinen Staatssekretär eine Selbstverständlichkeit sein sollte, sich den Kollegen vorzustellen, mit denen er im Ausschuß etwas zu tun hat, unabhängig davon, daß — —

(Unruhe bei der CDU/CSU.)

— Ich sage Ihnen, daß die meisten meiner Kollegen z. B. Herrn Staatssekretär Kattenstroth noch nicht einmal vom Ansehen her kennen. Was also allgemein üblich ist, das sollte auch hier in diesem Hohen Hause und von der Regierung gepflegt werden. Wir
mißbilligen das Verhalten des Ministers und auch des Staatssekretärs, sich den Ausschußmitgliedern nicht vorzustellen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506207900
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

(Zuruf von der SPD: Er stellt sich jetzt vor!)


Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506208000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß wir die Frage der Ausschußbesuche nicht überstrapazieren sollten. Meine sehr verehrten Kollegen, darf ich Ihnen einmal sagen, daß es kaum möglich ist, mittwochs einen Ausschuß zu besuchen, weil mittwochs das Bundeskabinett tagt. Darf ich Ihnen sagen, daß zu meinem Ministerium drei Ausschüsse ressortieren: der Sozialpolitische Ausschuß, der Arbeitsausschuß und der Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden.
— Also, meine Damen und Herren, ich bitte allein aus diesem Tatbestand zu ersehen, daß das rein technisch sehr schwierig ist. Es muß natürlich eine wichtige Materie sein. Außerdem habe ich die korrespondierenden Ausschüsse des Bundesrates, in denen ich mehrmals gewesen bin. Ich bin im Sozialpolitischen Ausschuß auf Bitten des Vorsitzenden, Herrn Professor Schellenberg, zur Beratung von Europafragen gewesen. Wir haben den ganzen Tag verhandelt.
Das ist ganz selbstverständlich, und es wird mir niemand nachsagen können, daß ich mich nicht kooperativ verhielte, wenn der Wunsch geäußert wird, dazusein. Im übrigen habe ich alle Mitglieder der drei Ausschüsse für nächsten Dienstag zu einem Empfang eingeladen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rohde: Herr Minister, Empfänge sind kein Ersatz für Ausschußsitzungen!)

— Aber, Herr Kollege Rohde, lassen Sie mich doch aussprechen! — Sie haben dann Gelegenheit, meinen Staatssekretär kennenzulernen; der wird anwesend sein.

(Abg. Rohde: Das war eine Taktlosigkeit! — Abg. Behrendt: Wir können auf einen solchen Empfang verzichten! — Zuruf von der SPD: Es ist eine Unverschämtheit, daß Staatssekretäre bei Empfängen vorgestellt werden! — Allgemeine Unruhe.)

— Aber, lieber Herr Kollege, ich wollte nur sagen — —

(Zuruf von der SPD: Wir sind doch kein Kaffee-und-Kuchenklub!)

Wenn im Ausschuß für Arbeit eine dringende Sache ansteht, werde ich im Arbeitsausschuß ebenso sein wie im Ausschuß für Sozialpolitik und im Kriegsopferausschuß. Das ist eine klare Selbstverständlichkeit, über die wir gar nicht zu diskutieren brauchen.
Zum zweiten möchte ich auf das eingehen, was die Herren Kollegen Rohde und Killat bezüglich der 700 Millionen DM Mobilisierungspapiere angesprochen haben. Bei den 700 Millionen DM handelt es



Bundesminister Katzer
sich nicht um eine Verordnung, sondern sie werden in Verhandlungen mit den Rentenversichungsträgern zu erreichen versucht. Der finanzpolitische Sinn ist, daß wir diese 700 Millionen DM dem wirtschaftlichen Kreislauf entziehen, also eine Frage der Konjunkturpolitik.

(Abg. Dr. Schellenberg: Ist das bei der Austrocknung des Kapitalmarktes angebracht?)

— Das ist eine wirtschaftspolitische Entscheidung.

(Abg. Dr. Schellenberg: Die Bundesbank hatte nicht darum gebeten!)

— Das ist nicht richtig. Ich habe gehört, daß gestern der Vertreter der Bundesbank im Ausschuß ähnliche Ausführungen gemacht haben soll.

(Abg. Dr. Schellenberg: Und einige Male wiederholt hat!)

— Es ist ein Dissens zwischen dem Präsidenten der Bundesbank und dieser Aussage; das werde ich klären.

(Abg. Dr. Schellenberg: Und einem Mitglied des Direktoriums!)

— Ich habe es gehört. Ich kann nur sagen, daß in den Beratungen, die wir gepflogen haben, der Präsident der Bundesbank sehr nachdrücklich diesen Standpunkt vertreten hat.
Es braucht aber kein Streit unter uns zu sein. Wenn es aus wirtschaftspolitischen Gründen nicht nötig sein sollte, entfällt diese Geschichte. Aber im übrigen, Herr Professor Schellenberg: Mobilisierungspapiere entsprechen nun gerade exakt den Möglichkeiten, die wir in der Rentenversicherung gegeben haben. Sie können jederzeit mobilisiert werden.

(Abg. Rohde: Das hat ja niemand in Frage gestellt!)

— Ich will das nur sagen, damit es klar ist. Was berechtigterweise für die Schuldbuchforderungen gesagt wurde, ist bei Mobilisierungspapieren nicht gegeben.
Ich möchte, Herr Kollege Rohde, zu der von Ihnen aufgeworfenen Frage, ob wir nicht eine Beitragserhöhung zur Unzeit vornähmen, feststellen, daß der Sozialbeirat mit Mehrheit die gleiche Meinung vertreten hat. Ich glaube, daß man den Mitgliedern des Sozialbeirats nicht eine solche Motivation unterstellen kann. Ich möchte des Glaubens sein, daß Sie in diesem Punkte die Sonde etwas zu kritisch angesetzt haben. Aber selbstverständlich
— und das haben wir in unseren langen Beratungen mit den Mitgliedern der Rentenversicherungsträger getan — werden wir Position für Position durchgehen müssen, um zu sehen,

(Abg. Frau Kalinke: Da kann man gar nicht kritisch genug sein!)

was im einzelnen geschehen kann. Wir brauchen doch in diesem Kreise weiß Gott nicht die Augen vor den Tatsachen zu verschließen. Wenn es möglich wäre, Ohne Schuldbuchforderungen auszukommen, würden wir das selbstverständlich alle sehr gern tun. Aber wir tun das doch alles vor dem
Hintergrund einer wirtschafts- und finanzpolitischen Situation, die uns dazu zwingt. Und das ist auch nicht nur in Deutschland so. Wir wissen, daß das in allen europäischen Ländern der Fall ist, und wir wollen die sehr viel härteren Maßnahmen, die in anderen Ländern von anderen Regierungen in just diesem Zeitpunkt ergriffen werden, bei uns durch rechtzeitiges Eingreifen verhindern. Das ist doch unsere Politik zu diesem Punkt.
Lassen Sie mich bitte ein Letztes sagen.

(Abg. Rohde: Geldschöpfung über Beitrag!)

— Nein, nicht nur Geldschöpfung über Beitrag, sondern über die Möglichkeiten, die die Rentenversicherung in diesem Punkte auch hat. Da bin ich eben anderer Meinung als Sie. Der Punkt bleibt zwischen uns strittig. Ich vertrete eine sinnvolle Verzahnung zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Sie sind da offenbar anderer Meinung. Das ist Ihre Position.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506208100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506208200
Nein, im Augenblick nicht. Ich möchte diese Diskussion zu Ende bringen.
Ich möchte aber noch mit einigen Worten auf den SPD-Pressedienst „Volkswirtschaft" eingehen, weil hier versucht worden ist —

(Abg. Dr. Schellenberg: Haben Sie kein anderes Argument als irgendeinen Artikel?)

— Aha! Darf ich daraus entnehmen, daß Sie nicht zu dem stehen, was hier geschrieben worden ist, und das als „irgendeinen Artikel" bezeichnen? Dann verzichte ich darauf, darauf einzugehen. Ich will hier nur eines — —

(Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)

-- Verzeihen Sie, das ist ein wichtiger Punkt, weil in der Öffentlichkeit eben unter diesem Stichwort „soziale Demontage" usw. zu Unrecht eine Stimmung erweckt wird, die ich nicht hinnehmen kann. Das muß klargestellt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Schellenberg, entschuldigen Sie höflich, wenn ich in diesem Punkt erregt bin. Ich bin auch deshalb innerlich erregt, weil es nicht angeht, daß der Pressedienst einer großen Partei hier absolute Unrichtigkeiten schreibt.

(Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)

— Das ist, verzeihen Sie — —

(Abg. Glombig: Dann muß der CDU-Pressedienst verboten werden!)

— Nein, nicht verboten werden! Vielmehr muß das hier klargestellt werden, und deshalb stehe ich hier, um das klarzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hier wird in diesem Zusammenhang u. a. behauptet — ich muß sagen: wider besseres Wissen —:
. . und die Weigerung, die Grundrenten der Kriegsopfer zu erhöhen" . Meine Damen und Herren, das ist doch unmöglich!

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)




Bundesminister Katzer
Ich will hier nicht weiter insistieren, nachdem ich Ihre Stellungnahme gehört habe.

(Abg. Glombig: Das haben Sie aber auch aus dem Zusammenhang herausgerissen zitiert! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Ich kann nicht den ganzen Pressedienst vorlesen.

(Abg. Glombig: Ich kenne ihn sehr gut!)

— Aber entschuldigen Sie, das Ganze steht unter dem Stichwort „soziale Demontage" —

(Zuruf des Abg. Glombig. — Abg. Rohde: Herr Minister, warum stellen Sie sich nicht der Frage, ob Ihr Finanzpaket funktioniert oder nicht? Warum sagen Sie darüber kein Wort? — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Herr Kollege Rohde, ich habe es Ihnen ja dargelegt. Ich bin der Meinung, es funktioniert. Sie sind anderer Meinung. Das ist Ihr gutes Recht. Darüber werden wir miteinander diskutieren können. Das habe ich Herrn Kollegen Killat sehr deutlich gesagt. Er hat das akzeptiert.

(Zuruf von der SPD: Ihr Versprechen lautete: 1. Januar 1966! Jetzt haben wir ein Versprechen zum 1. Januar 1967!)

— Über all das kann man ja diskutieren. Man kann doch nicht behaupten, die Grundrenten würden nicht erhöht, wenn wir sie erhöhen.

(Abg. Glombig: Es wird behauptet, daß ursprünglich die Grundrenten nicht erhöht werden sollten! — Abg. Stingl: Was heißt denn „ursprünglich"? Das ist Bauernfängerei! — Zuruf der Abg. Frau Kalinke. — Zuruf von der CDU/CSU: Haarspalterei! Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Aber Sie können sich doch nicht mit ursprünglich einmal geäußerten Worten auseinandersetzen. Sie müssen sich doch mit dem auseinandersetzen, was die Bundesregierung dem Hohen Hause vorlegt. Das ist es doch, worum es geht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber ich will hier wirklich nicht weiter insistieren. Wir würde dem Artikelschreiber, glaube ich, zu hohe Ehre antun. Ich wäre nur sehr dankbar — das würde unsere sozialpolitische Diskussion sehr erleichtern —, wenn wir in diesem Punkt alle in Offenheit miteinander diskutierten. Ich könnte da noch sehr viel andere Dinge zitieren, wo uns, auch von der Sozialdemokratie, vorgeworfen wird, wir sparten zuwenig. Deshalb bin ich immer traurig — das gilt aber für das ganze Haus —, daß bei den sozialpolitischen Debatten hier immer nur die Sozialpolitiker unter sich sind. Ich meine, hier gehörten die Wirtschaftspolitiker mit in den Saal hinein — das ist nicht allein ein Problem unserer Fraktion —,

(Beifall bei der CDU/CSU)

damit man diese einseitige Betrachtungsweise einmal geraderückt und man eine Betrachtungsweise
unter allen Gesichtspunkten — von der Wirtschafts-,
von der Finanz- und von der Sozialpolitik aus — bekommt. Darum möchte ich Sie herzlich bitten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506208300
Das Wort hat der Abgeordnete Rohde.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wieder mal!)


Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0506208400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier ist eine Bemerkung nötig, die zum Selbstverständnis und auch zur Selbsteinschätzung gehört. Herr Minister, Sie haben, als wir mangelnde Präsenz bei den Debatten der Fachausschüsse kritisierten, erklärt, im übrigen hätten Sie uns als Mitglieder der Fachausschüsse ja für den nächsten Dienstag zum kalten Büfett eingeladen.

(Unruhe bei den Regierungsparteien.)

Herr Minister, das ist eine Taktlosigkeit, und unter einer solchen Voraussetzung werden Sie die sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten nicht zu Ihren Gästen zählen können.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: So etwas Kleinkariertes!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506208500
Herr Abgeordneter Rohde, ich halte den Vorwurf der Taktlosigkeit nicht für begründet.

(Zuruf von der CDU/CSU: Kalter Kaffee!)

Meiner Meinung nach ist er sachlich und in der Form nicht begründet. Wenn irgendeiner, dann kann ich in diesem Hause sagen, was die Pflicht eines Ministers im Verhältnis zu den Ausschüssen ist. Ich war Minister, ich war auch Ausschußvorsitzender. Ich kenne genau die Möglichkeiten, den Zusammenhang zwischen Ministeramt und Ausschuß herzustellen. Ich glaube nicht, daß hier begründete Vorwürfe erhoben werden können.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Wir wollen auf jeden Fall diese Frage nicht zum Gegenstand der Auseinandersetzung hier im Hause machen.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich schließe die erste Beratung des Gesetzentwurfs. Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Es ist nun eine interfraktionelle Vereinbarung zustande gekommen, daß der Tagesordnungspunkt 6, die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über technische Arbeitsmittel — Drucksache V/834 —, heute abgesetzt und möglichst in der nächsten Sitzung behandelt wird. — Das Haus ist einverstanden; es ist damit so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Dienstag, den 11. Oktober 1966, 14.30 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.