Rede:
ID0506200800

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
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    5. Abgeordnete: 1
    6. Professor: 1
    7. Schellenberg.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 62. Sitzung Bonn, den 7. Oktober 1966 Inhalt: Abg. Vogel (Warendorf) legt sein Mandat nieder 3011 A Erweiterung der Tagesordnung 3011 B Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses über die Vorschläge der Kommission der EWG für Richtlinien des Rats zur Änderung der Richtlinien des Rats vom 26. Juni 1964 zur Regelung 1) viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen, 2) gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch (Drucksachen V/806, V/968) . . 3011 C Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Zweiundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/928, V/969) 3011 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache V/810) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (Drucksache V/941) —Zweite und dritte Beratung — . . . . 3012 A Mündlicher Bericht des Innenausschusses über ,den Antrag der Abg. Rawe, Vogel (Warendorf), Dr. Klepsch, Prinz von Bayern u. Gen. betr. Olympiagroschen (Drucksachen V/794, V/944) 3012 B Ubersicht 7 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache V/942) 3012 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes Blexen bei Nordenham (Drucksache V/917) 3012 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Kaserne Ruhleben in Berlin-Spandau (Drucksache V/939) 3012 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks der sogen. Flötenteichschule in Oldenburg (Oldb), Flötenstraße/Hochheider Weg 169 (Drucksache V/953) . . 3012 D Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen (Drucksache V/955) . 3012 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Oktober 1966 Fünfundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksache V/924) . . . . . . . . 3012 D Achtundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksache V/925) . . . . . . . . 3012 D Schriftliche Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Zweiundfünfzigste und Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/825, V/950, V/833, V/952) 3013 A Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Zweiundvierzigste, Dreiundvierzigste, Vierundvierzigste, Vierundfünfzigste, Fünfundvierzigste, Einundvierzigste, Achtundvierzigste, Sechsundvierzigste und Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/798, 945, 799, 797, 863, 800, 946, 809, 947, 819, 948, 824, 949, 829, 951) 3013 B Antrag der Fraktion der SPD betr. Sozialenquete (Drucksache V/858) Katzer, Bundesminister 3014 A Dr. Schellenberg (SPD) 3014 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Deckungsverfahrens in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten (Drittes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) (Drucksache V/896) — Erste Beratung — Katzer, Bundesminister 3015 A, 3026 C, 3040 C Stingl (CDU/CSU) . . . . . . . 3018 D Dr. Schellenberg (SPD) 3022 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . 3028 A, 3039 B Springorum (CDU/CSU) 3030 C Killat (SPD) 3032 C Geldner (FDP) . . . . . . . 3036 C Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . 3037 A Rohde (SPD) 3038 B, 3042 C Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . . 3040 A Behrendt (SPD) . . . . . . . . 3040 B Rohde (SPD) . . . . . . . . . 3042 C Dr. Dehler, Vizepräsident . . . 3042 C Nächste Sitzung 3042 D Anlage 3043 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Oktober 1966 3011 62. Sitzung Bonn, den 7. Oktober 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach *) 13. 10. Dr. Adenauer 8. 10. Dr. Aigner *) 7. 10. Frau Albertz 7. 10. Dr. Apel *) 7. 10. Dr. Arndt (Berlin) 7. 10. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 7. 10. Dr. Artzinger 5) 7. 10. Bading *) 7. 10. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 7. 10. Bauer (Wasserburg) 11. 10. Bäuerle 31. 10. Prinz von Bayern 7. 10. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 7. 10. Frau Berger-Heise 7. 10. Bergmann *) 7. 10. Berlin 20. 10. Beuster 7. 10. Dr. Birrenbach 19. 10. Blachstein 10. 10. Blöcker 7. 10. Brand 15. 10. Burgemeister 31. 10. Corterier 11. 10. van Delden 7. 10. Deringer *) 7. 10. Dichgans *) 7. 10. Dr. Dittrich*) 7. 10. Dr. Eckhardt 7. 10. Eisenmann 7. 10. Frau Dr. Elsner *) 7. 10. Dr. Eppler 7. 10. Erler 31. 10. Folger 7. 10. Dr. Franz 7. 10. Frieler 8. 10. Frau Funcke 7. 10. Dr. Furler *) 7. 10. Frau Geisendörfer 7. 10. Dr. Giulini 7. 10. Freiherr von und zu Guttenberg 7. 10. Haage (München) 7. 10. Haar (Stuttgart) 7. 10. Hahn (Bielefeld) *) 7. 10. Dr. Dr. Heinemann 7. 10. Herold 7. 10. *) Für die Teilnahme an Fraktions- bzw. Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Hubert 8. 10. Illerhaus *) 7. 10. Kiep 7. 10. Klinker *) 7. 10. Dr. Koch 7. 10. Köppler 21. 10. Kriedemann *) 7. 10. Frau Dr. Kuchtner 7. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 7. 10. Kulawig *) 7. 10. Frau Kurlbaum-Beyer 8. 10. Lenders 7. 10. Lenz (Brühl) *) 7. 10. Lenz (Trossingen) 31. 10. Logemann 7. 10. Lücker (München) *) 7. 10. Mauk 7. 10. Frau Meermann 8. 10. Memmel *) 7. 10. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 7. 10. Metzger *) 7.10. Michels 7. 10. Missbach 14. 10. Müller (Aachen-Land) *) 14. 10. Müller (Worms) 7. 10. Frau Pitz-Savelsberg 7. 10. Dr. Pohle 7. 10. Frau Dr. Probst 7. 10. Prochazka 7. 10. Reichmann 7. 10. Dr. Reinhard 7. 10. Frau Renger 14. 10. Richarts 14. 10. Riedel (Frankfurt) *) 7. 10. Saam 7. 10. Dr. Schmidt (Gellersen) 7. 10. Schmidt (Würgendorf) 7. 10. Seifriz 7. 10. Seuffert *) 7. 10. Springorum *) 7. 10. Dr. Starke (Franken) 7. 10. Stein (Honrath) 7. 10. Strauß 7. 10. Frau Strobel *) 12. 10. Dr. Süsterhenn 8. 10. Teriete 20. 10. Dr. Verbeek 31. 10. Wächter 8. 10. Wagner 7. 10. Weimer 7. 10. Wieninger 7. 10. Baron von Wrangel 15. 10. Zerbe 7. 10. Dr. Zimmermann 7. 10.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Josef Stingl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Anfang meiner Bemerkungen zu



    Stingl
    dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte ich den Dank an den Herrn Minister dafür zum Ausdruck bringen, daß er uns eben in seiner Einbringungsrede auch noch einmal verdeutlicht hat, um welch wichtige Materie es heute geht.
    Das veranlaßt mich zugleich, mit ein wenig Betrübnis festzustellen, daß das Interesse der Offentlichkeit an den Beratungen des Bundestages, das bei einer sehr wichtigen Materie, nämlich bei der außenpolitischen Debatte, sehr groß war, heute nicht so sehr groß ist. Dabei kann ich mir in diesem Zusammenhang die Bemerkung nicht versagen: Die Alterssicherung für unser Volk sollte des Interesses der Öffentlichkeit auch so gewiß sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich wäre dankbar, wenn das in der Berichterstattung entsprechend zum Ausdruck kommt.
    Herr Minister Katzer hat einen Gesetzentwurf begründet, der für die Alterssicherung unseres Volkes in der Zukunft von enorm großer Bedeutung ist. Meine Fraktion, die Fraktion der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union, stimmt diesem Gesetzentwurf zu. Die Zustimmung fällt ihr um so leichter, als dieser Gesetzentwurf auch in der Debatte, die um die Alterssicherung in unserem Volke überhaupt geführt wird — nämlich sowohl auf Grund des Berichts des Sozialbeirats als auch auf Grund des Berichts der Sozialenquetekommission —, seine volle Rechtfertigung erfährt.
    Lassen Sie mich in dem Zusammenhang sagen, daß wir sowohl den Sozialbeirat wie auch den Mitgliedern der Sozialenquetekommission außerordentlich dankbar für die Mühe und die. Sorge sind, die sie in ihren wissenschaftlichen Untersuchungen und in ihren Darlegungen aufwenden, um den Politikern die Entscheidung in der Frage der Alterssicherung unseres Volkes zu erleichtern.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Minister hat eben, wie wir mit besonderer Genugtuung gehört haben, darauf hingewiesen, daß es der Sinn der Rentenreform von 1957 und der darauffolgenden Rentenanpassungsgesetze war, den Rentner, der aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden ist und während seiner Tätigkeit die Grundlage dafür gelegt hat, daß wir, die wir heute im Arbeitsprozeß stehen, eine vernünftige Basis für unsere Arbeit finden, von der Nähe des Fürsorgeempfängers zur Nähe des Lohnempfängers zu bringen.
    Wir verhehlen in diesem Zusammenhang gar nicht — und sind auch bereit, das in der heutigen Debatte zuzugestehen —, daß wir das, was wir 1957 erstrebt haben, daß das Renteneinkommen nämlich etwa 60 °/o des letzten Arbeitseinkommens betragen solle, nicht erreicht haben. Das hat verschiedene Gründe. Einen hat der Minister besonders genannt: daß wir, um unseren Beitrag zur Konjunkturpolitik zu leisten, eine Rentenanpassung nicht durchgeführt haben. Das hängt andererseits aber auch damit zusammen, daß die allgemeine Bemessungsgrundlage eben eine verzögerte Anpassung bewirkt und daß das sehr schnelle Wachstum sowohl unserer Volkswirtschaft wie insbesondere der Löhne und Gehälter die Distanz zwischen den Renten und den aktuellen Löhnen vergrößert hat.
    Ich möchte nicht sehr viel von dem wiederholen, was der Herr Minister hier in seiner Rede gesagt hat. Ich möchte aber, meine Damen und Herren, noch einmal darauf hinweisen, daß wir zur Rentenversicherung heute einfach deshalb ein anderes Verhältnis gewinnen müssen, weil wir in dieser Versicherungseinrichtung, als sie begründet wurde, nur 15 % der Bevölkerung gesichert hatten, während es heute rund 85 % der Bevölkerung sind. Das bedingt natürlich auch eine höhere politische Verantwortung, aber auch eine höhere wirtschaftspolitische Verantwortung und eine größere Bedeutung für die Stabilität unserer Währung.
    Wir haben bei der öffentlichen Diskussion festgestellt, daß die Rentenreform in ihren Grundzügen heute nicht mehr umstritten ist. Ich sagte vorhin, daß der Sozialbeirat in seiner Stellungnahme im Sozialbericht dieses Jahres und auch die Sozialenquetekommission diesem Gesetzentwurf praktisch die Bahn ebnen. Damit wollte ich zugleich sagen, daß sie die Grundsätze der Reform von damals völlig bejaht haben. Niemand in unserem Volke — ich glaube, auch niemand im Hohen Haus — will noch eine allgemeine Volksversorgung anstreben oder nur eine Grundsicherung. Vielmehr sind die Prinzipien der Rentenreform, nach denen eine individuelle Rente entsprechend dem persönlichen Lebensschicksal gezahlt werden soll, unumstritten.
    Nun haben wir uns heute dennoch mit den Rentenversicherungsgesetzen zu beschäftigen. Wir haben uns mit ihnen erstens von Gesetzes wegen zu beschäftigen. Der erste zehnjährige Deckungsabschnitt ist vorbei. Der Gesetzgeber von damals hat verfügt, daß nach diesen zehn Jahren neu überdacht werden muß, was denn hinterher passiert. Wir, die wir damals schon dem Hohen Hause angehörten, haben gemeint, daß wir immer in einem zehnjährigen Deckungsabschnitt die Rentenversicherungen überprüfen und die Beiträge danach festsetzen sollten. Das war in der damaligen Zeit richtig, und es zeugte von dem Verantwortungsbewußtsein des Bundestages, daß er einen solchen Deckungsabschnitt als Übergang vom Kapitaldeckungsverfahren zu einem Abschnittsdeckungsverfahren gewählt hat.
    Diese zehn Jahre aber haben uns ja einige Erfahrungen beschert, und am Ende dieses zehnjährigen Deckungsabschnittes können wir sagen, daß ein zehnjähriger Deckungsabschnitt für die Zukunft nicht gerechtfertigt ist. Er ist nicht gerechtfertigt — das hat der Herr Bundesminister schon angeführt —, weil die weitere Beibehaltung eines zehnjährigen Deckungsabschnittes insgesamt, insbesondere aber in den jetzt kommenden zehn Jahren, in denen wir den sogenannten Rentenberg -haben werden, zur Folge hätte, daß wir in den ersten Jahren dieses Deckungsabschnittes ein allzu hohes Ansammeln von Kapitalien bei den Rentenversicherungsträgern bewirken würden und im zweiten Teil dieses Dekkungsabschnittes die angesammelten Gelder wieder liquide machen müßten. Wir hätten hier von der



    Stingl
    Rentenversicherung her einen recht ungünstigen Einfluß auf die Konjunkturentwicklung. Wir hätten zudem die Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber jetzt mit einer Beitragsbelastung versehen, die volkswirtschaftlich nicht nötig und für ihren eigenen Lebensstandard vielleicht doch etwas zu hoch wäre.
    Wir müssen uns zweitens aber auch deshalb noch einmal mit diesen Deckungsabschnitten beschäftigen, weil wir uns ja nicht aus der Verantwortung entlassen können, die wir dafür haben, daß die Rentenversprechen, die wir heute abgeben, morgen gehalten werden.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Wir müssen uns bei der Frage, wie wir denn die Renten sichern können, die wir heute versprechen, auch mit den Problemen der finanziellen Deckung auseinandersetzen.
    Drittens haben wir die volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten zu überprüfen; denn das scheint mir besonders nachhaltig betont werden zu müssen: Die beste Sozialpolitik kann nicht bestehen, wenn ihr nicht eine stabile Volkswirtschaft die Gewähr dafür bietet, daß sie die Leistungsversprechungen auch halten kann.

    (Beifall in der Mitte.)

    Unsere Rentenversicherung, meine Damen und Herren, ist ein Ausdruck der Solidarität der heute schaffenden Generation mit der Generation, die die Grundlage für dieses Schaffen gelegt hat. Wir haben also dabei zu beachten, daß wie bisher die aus dem Arbeitsprozeß ausgeschiedenen Menschen nicht nur einmal eine bestimmte Rente festgesetzt bekommen, sondern wir müssen darauf achten, daß diejenigen, die schon aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden sind, an der Fortentwicklung der Volkswirtschaft, an der Vergrößerung des Sozialprodukts oder — anders ausgedrückt — an der Anhebung des Lebensstandards Anteil haben können. Auch dies müssen wir bei unseren Überlegungen über die Deckung berücksichtigen.
    Wir bejahen also aus diesen Überlegungen heraus die Darlegungen des Ministers und die Vorschriften des Gesetzes, daß wir die Rücklage in der sozialen Rentenversicherung anders gestalten müssen als bisher. Wir haben 1957 gesagt, daß am Ende eines Deckungsabschnittes, also nach zehn Jahren, eine Jahresausgabe vorhanden sein müsse, um etwaige Fährnisse zu überwinden. Heute sind wir zu der Erkenntnis gekommen, daß eine so hohe Rücklage nicht nötig ist. Diese hohe Rücklage würde ja z: B. nach dem nächsten zehnjährigen Deckungsabschnitt 50 Milliarden DM umfassen müssen. Eine solche Größenordnung wäre volkswirtschaftlich kaum vertretbar, und sozialpolitisch ist sie nicht nötig. Deshalb sind wir der Auffassung, daß die Rücklagevorschriften im Sinne dieses Gesetzes geändert werden können. Wir sind auch der Meinung, daß ein Entsparungsprozeß nicht stattfinden sollte. Wir sind also der Auffassung, daß die jetzt angesammelte Rücklage stabil gehalten werden soll; ob es dann wegen der Rückflüsse und sonst einiger Nuancierungen geringe Verschiebungen gibt, ist nicht so bedeutungsvoll. Prinzipiell jedenfalls wollen wir vermeiden, daß ein Anwachsen der Rücklage erfolgt. Wir sind uns aber auch bewußt, daß wir Verantwortung dafür tragen, daß nicht ein Entsparungsprozeß bei dieser Rücklage erfolgt und dann durch diesen Entsparungsprozeß volkswirtschaftlich unerwünschte Ergebnisse zustande kommen. Hier müssen wir allerdings auch bemerken, daß die Verhinderung eines Entsparungsprozesses gleichzeitig gesehen werden muß unter dem Gesichtspunkt — wir haben diese Überlegung an einer ganz anderen Stelle, nämlich anläßlich des Stabilitätsgesetzes, angestellt —, ob denn das Verhindern eines Entsparungsprozesses in Übereinstimmung mit den anderen Bestimmungen steht, gewisse liquide Mittel der Versicherungsträger bei der Bundesbank in Mobilisierungs- und Liquiditätspapieren festzulegen. Wir werden gerade anläßlich dieses Gesetzes die Frage des Zusammenhangs mit der Verantwortung für die Stabilität noch einmal prüfen. Denn die Begründung für den Vorschlag des Sozialbeirats, schon am 1. Januar 1967 den Rentenversicherungsbeitrag um 1/2 O/o zu erhöhen,

    (Zuruf der Abg. Frau Kalinke)

    spricht ja nicht davon, Frau Kalinke, daß ein Entsparungsprozeß verhindert werden soll, sondern auch für die Zukunft soll das Rücklage-Soll erhöht werden. Das scheint mir aber ein wenig in Widerspruch zu den Auskünften zu stehen, die wir vorgestern im Sozialpolitischen Ausschuß bekommen haben. Danach wird es nämlich nicht eintreten, daß sich die Rücklage durch die Erhöhung des Beitrags um 1/2 % erhöht. Vielmehr haben die Sachverständigen dargetan, daß eine Erhöhung des Beitrags nötig ist, um den Entsparungsprozeß schon 1967 auszuschließen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich habe Ihnen das dargelegt, weil ich für meine Fraktion erklären will, daß wir als Sozialpolitiker uns absolut der Verantwortung bewußt sind, die wir für die Stabilität der Währung und für die Volkswirtschaft haben. Wir würden uns aber zugleich gegen die Absicht wehren, allein durch eine Anhebung .des Beitragssatzes und einen Konsumentzug nur bei den Arbeitnehmern dieses Ziel zu erreichen. Wir müssen beides, Stabilität und Beitragsbelastung, nebeneinander sehen und werden unsere Entscheidung von beidem beeinflussen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Lassen Sie mich noch ein Wort zu denjenigen sagen, die heute, wenn sie die soziale Rentenversicherung betrachten, noch immer nicht von Überlegungen loskommen, die eigentlich aus dem Kapitaldeckungsverfahren stammen. Häufig wird noch davon gesprochen, daß der eigene Beitrag sich in Rente umsetze. Nach den Rentengesetzen ist der eigene Beitrag ein Maßstab für das individuelle Arbeitsschicksal und damit ein Maßstab für die Höhe der Rente. Wenn wir in einer gesetzlichen Rentenversicherung, in der wir immer Beitragszahler kraft Gesetzes haben — was in einer privaten Altersrentenversicherung oder Lebensversicherung nicht der Fall sein kann —, das Kapitaldeckungsverfahren durchführten, würde das bedeuten, daß wir



    Stingl
    eine Rücklage von 500 Milliarden DM haben müßten. 500 Milliarden DM sind, wie Sie wissen, mehr als unser gesamtes Sozialprodukt in einem Jahr. Im übrigen würden diese 500 Milliarden DM zwar monetär die Ansprüche sichern, die die Rentner haben, sie würden sie aber nicht sichern im Sinne des Anteils am Sozialprodukt, den wir den Rentnern versprochen haben.
    Der Gesetzentwurf bedeutet eine Verkürzung des Beitragsabschnitts auf ein Jahr. Nun wird man einräumen müssen, daß die Festlegung des Beitragssatzes von Jahr zu Jahr die Dispositionsmöglichkeit der Betriebe einschränken würde. Deshalb begrüßen wir auch den Vorschlag der Regierung, die Beiträge zwar in Einjahresabschnitten fest zu bestimmen, aber jeweils vier Jahre vorher festzulegen. Ferner schlägt die Regierung vor, daß die versicherungstechnische Bilanz nicht mehr wie bisher alle zwei Jahre, sondern alle vier Jahre vorgelegt wird. Dadurch wird den gesetzgebenden Körperschaften die Entscheidung darüber, wie die Beitragssätze gestuft sein müssen, erleichtert.
    Es wird den gesetzgebenden Körperschaften zudem erleichtert, darauf Rücksicht zu nehmen, daß nicht Beitragssprünge entstehen, so wie wir sie 1957 eigentlich noch erwarten mußten. Hier decken sich also die Überlegungen meiner Fraktion auch mit denen des Sozialbeirats und der Sozialenquetekommission, daß man eine Beitragsanhebung möglichst so durchführt, daß nicht Sprünge im Beitragsgefüge von Zeit zu Zeit nötig sind, sondern daß eine kontinuierliche Entwicklung bewirkt wird.
    Wir müssen bei der Höhe des Beitrags feststellen, daß wir der Bundesregierung sehr dankbar dafür sind, daß anläßlich dieses Gesetzes die Debatte über den Zuschuß des Bundes zu den Rentenversicherungen geführt wurde und eindeutig entschieden wurde. Die Bundesregierung hat mit der Vorlage dieses Gesetzes, wie wir aus den Mitteilungen darüber wissen, sich klar dazu bekannt, daß das Finanzierungssystem der Rentenversicherung beibehalten werden soll, wie es in der Vergangenheit war, nämlich daß eine Säule dieser Sicherung der Altersrenten durch einen Zuschuß aus den Mitteln des Bundes gewährleistet ist. Wir sind der Bundesregierung für dieses Bekenntnis besonders dankbar, nicht nur aus den Überlegungen, die der Herr Minister vorgetragen hat, daß wir Kriegsfolgelasten in den Rentenversicherungen zu tragen haben. Die größte Kriegsfolgelast liegt darin, daß wir Geburtenausfälle durch die beiden Weltkriege hatten, wodurch das ungünstige Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern wesentlich hervorgerufen ist, und weniger darin, daß wir eine größere Anzahl von Sterbefällen gehabt hätten. Ein weiterer Grund für dieses im Sinne der Rentenversicherung ungünstige Verhältnis ist auch die erfreuliche Tatsache, daß das Lebensalter zugenommen hat, daß die Menschen heute älter werden. Deshalb dürfen wir natürlich auch die außerhalb dieses Hauses angestellten Erwägungen nicht unbeachtet lassen, ob es denn bei dieser Entwicklung noch gerechtfertigt sei, daß eine starre Altersgrenze für immer bestehenbleibt. Der Gesetzgeber wird sich dem nicht entziehen können, auch über solche Erwägungen nachzudenken. Allerdings glaube ich nicht, daß wir es anläßlich dieses Gesetzes tun sollten, sondern das wird wohl in der breiten Diskussion über die Forschungsergebnisse der Wissenschaft und die Sozialenquete eine Rolle spielen.
    Wir müssen auch sagen, daß wir durch die Beitragsfestsetzung auf die Struktur des Kapitalmarktes einwirken. Meine Damen und Herren, die Rentenversicherungsträger haben sich — das wurde ihnen von sehr vielen Seiten immer wieder bescheinigt — in der Vergangenheit zumindest so konjunkturgerecht verhalten, wie es sonstige Kapitalsammelstellen taten. Ja, wir haben die Aussage von vorgestern noch im Ohr, mit der den Rentenversicherungsträgern bescheinigt wurde, daß sie sich außerordentlich jeweils nach den Erfordernissen des Kapitalmarkts und der Konjunkturpolitik gerichtet haben. Das führt uns dazu, auch an dieser Stelle für dieses Verhalten der Verantwortlichen in den Rentenversicherungsträgern, den Selbstverwaltungsorganen nämlich, zu danken.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie haben damit bewiesen, daß in einer gesetzlichen Versicherung, die auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift eine ganze Fülle von Beiträgen erhält, sie als demokratisch legitimierte Organe durchaus nicht übersehen haben, daß sie dieses Geld nicht nur nach ihrem Belieben zu verwalten haben, sondern daß sie eine Verantwortung für die gesamte Volkswirtschaft tragen. Wir meinen, das spricht dafür, daß wir dieses Vertrauen auch in die Zukunft haben können. Daß wir dennoch beim Stabilitätsgesetz auch Vorschriften für die Anlage bereit sind mitzubeschließen, hängt damit zusammen, daß wir auch anderen demokratischen Organen, beispielsweise den Ländern und den Gemeinden, gewisse Auflagen im Sinne der Konjunkturpolitik machen wollen.
    Wir haben also festzustellen — ich wiederhole das —, daß die Rentenversicherungsträger sich bisher konjunkturgerecht verhalten haben. Der Bundesgesetzgeber, der Deutsche Bundestag, hat festzustellen, daß die Entgegennahme von Schuldbuchforderungen diesem Bundestag den Ausgleich des Haushalts schon mehrfach erheblich erleichtert hat. Am Anfang, als die Schuldbuchforderungen zum erstenmal ausgestellt wurden, haben wir gesagt, das solle nur für ein Jahr sein; dann waren es zwei Jahre; es blieb aber insoweit für ein Jahr, als die Bedingungen für die Schuldbuchforderungen auferlegt wurden. Seit diese Bedingungen mit den Rentenversicherungsträgern ausgehandelt werden, ist es unserer Meinung nach gerechtfertigt, diese Schuldbuchforderungen an sie auszugeben, weil damit nämlich eine marktgerechte Verzinsung für die Rentenversicherungsträger gesichert ist und die Verfügungsmöglichkeit über die Mittel gewährleistet ist.
    Die Auseinandersetzung um die Rentenversicherung kann jeweils auch nicht daran vorbeigehen, daß die günstige Entwicklung von 1957 bis heute u. a. auch darauf zurückzuführen ist, daß wir eine große Zahl von Gastarbeitern in Deutschland haben.



    Stingl
    Es ist sicherlich nicht verkehrt, wenn vor diesem Hohen Hause auch einmal festgestellt wird, daß das Beitragsaufkommen der Gastarbeiter 1,3 Milliarden, die heutige Belastung durch Renten jedoch nur 150 Millionen im Jahr beträgt. Selbstverständlich kann jemand, der die Rentenversicherung kennt, Ihnen nicht vorreden, daß dieses Verhältnis für alle Zukunft so bleibt. Selbstverständlich entstehen aus diesen 1,3 Milliarden, die wir jetzt an Beiträgen einnehmen, später auch Belastungen. Aber wenn im Jahre 1975 auf 1000 Beitragszahler 480 Rentenempfänger kommen, müssen wir überlegen, wie die deutsche Volkswirtschaft dieses Verhältnis verändern kann. Es verändert sich nämlich dann, wenn eine höhere Zahl von Arbeitsplätzen da ist. In diesem Zusammenhang ist gar nicht wichtig, ob der Altersaufbau unseres Volkes ungünstig ist, sondern allein maßgebend für die Überlegungen in der Rentenversicherung ist das Verhältnis der Beitragszahler zu den Rentenempfängern, und zwar — das möchte ich dazu sagen — natürlich völlig ohne Rücksicht darauf, welche Staatsangehörigkeit sowohl die Rentenempfänger wie die Beitragszahler besitzen. Wir haben das auch bei unseren Überlegungen mit zu berücksichtigen und haben Folgerungen daran zu knüpfen. In der öffentlichen Diskussion sagen wir immer wieder — Minister Katzer hat es gesagt, ich habe es an mehreren Stellen auch schon gesagt —, daß wir bei dieser in die Zukunft gerichteten Schau auch für die Grundlegung unserer Rentenversicherung eine weitschauende Familienpolitik und eine weitschauende Mobilitätspolitik für die Arbeitnehmer brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn wir können den Rentenberg nicht bewältigen, wenn wir nicht durch eine höhere Ausbildung und Bildung unserer Bevölkerung und der in Großfamilien heranwachsenden Kinder dafür sorgen, daß wir mit weniger Arbeitskräften durch die Handhabung mehr technisierter Arbeitsmittel ein höheres Sozialprodukt herstellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    So ist es also das Bestreben meiner Fraktion, im AVAVG eine Änderung zu erreichen, um die Mobilität der Arbeitskräfte zu sichern oder mit der Automation fertig zu werden. Daneben steht das Bestreben, auch in der Familienpolitik mehr dafür zu tun, daß die Kinder aus großen Familien in höhere Ausbildungszweige kommen. So ist es, von daher gesehen, ein Erfordernis der Solidarität der Generationen, untereinander die Grundlage dafür heute zu geben und damit also in diesem Sinne eine Sozialinvestition von höchster Bedeutung heute schon zu leisten.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich damit zum Schluß kommen. Wir haben hier ein wichtiges Gesetz vor uns liegen. Dieses Gesetz besagt, daß wir 1957 mit der Einführung der Rentenreform und der Deutlichmachung der Solidarität der Generationen ein gutes Gesetz geschaffen haben. Wir wissen, daß dieses Gesetz, das sich in zehn Jahren bewährt hat, heute aus den von mir angeführten Gründen geändert werden muß. Die CDU/CSU-Fraktion wird sich von niemandem darin übertreffen lassen, alles dafür zu tun, daß die Rentenversprechen von heute morgen erfüllt werden. Sie wird dabei nicht außer acht lassen, daß dazu eine gesunde Volkswirtschaft, stabiles Geld und soziales Rechtsempfinden gehören.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat bei seiner allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfs eine Reihe von zutreffenden Worten gesagt, beispielsweise über die Entwicklung der Rentenversicherung, über die Beteiligung der Rentner am wirtschaftlichen Wachstum, über die Rentenversicherung als Rückgrat der sozialen Sicherung, über die gesellschaftspolitische Bedeutung der Rentenversicherung. Herr Kollege Stingl hat das unterstrichen und noch erweitert durch den Gesichtspunkt einer Solidarität der Generationen. Für uns sind das Selbstverständlichkeiten.
    Unsere besondere Verbundenheit mit den Grundlagen einer dynamischen Rentenversicherung haben wir stets unter Beweis gestellt, angefangen mit unserem ersten Entwurf für ein Rentenversicherungs-
    Neuregelungsgesetz, das bekanntlich den Anstoß zur Rentenreform des Jahres 1957 gegeben hat

    (Beifall bei der SPD)

    bis zu unseren .ständigen Bemühungen, Härten und
    Ungerechtigkeiten der Rentenreform zu beseitigen.

    (Abg. Dr. Rutschke: Ihr seid die Größten! — Heiterkeit redits.)

    Deshalb war der allgemeine Teil der Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers wohl vorwiegend an Kollegen seiner Fraktion und an seinen Koalitionspartner gerichtet,

    (Beifall bei der SPD)

    denn dort sitzen die Abgeordneten, die 1957 gegen die Rentenreform gestimmt haben

    (Abg. Dr. Rutschke: Hört! Hört!)

    und die sogar später zum Teil auch die Rentenanpassungen abgelehnt haben.
    Der Gesetzentwurf soll, wie der Herr Bundesarbeitsminister richtig dargelegt hat, die finanziellen Grundlagen für die Rentenversicherung in der Zukunft sicherstellen. In diesen finanziellen Fragen der Rentenversicherung war das Urteil der sozialdemokratischen Fraktion während der letzten zehn Jahre wesentlich realistischer als das der Bundesregierung und der Regierungsparteien. Die Sozialdemokraten haben allen Unkenrufen zum Trotz stets erklärt, daß die dynamisierte Rentenversicherung wohlfundiert ist und daß der Beitrag für die ersten zehn Jahre ausreichen würde, auch die gesetzlich vorgeschriebenen Deckungsmittel anzusammeln.



    Dr. Schellenberg
    Nun, zu den eigentlichen finanzpolitischen Zusammenhängen. Hierzu haben sich leider der Herr Bundesarbeitsminister und auch Herr Kollege Stingl nicht geäußert. Sie sind diesen Problemen aus dem Wege gegangen. Politisch wichtig ist heute, daß es sich bei diesem Gesetzentwurf keineswegs um die einzige Vorlage handelt, die sich auf die Finanzen unserer Rentenversicherung auswirkt. Der Gesetzentwurf ist finanzpolitisch nur ein Teil des bedenklichen Finanzpakets, mit dem die Bundesregierung unter Beanspruchung der Sozialversicherung mehr schlecht als recht versucht, der Schwierigkeiten im Bundeshaushalt Herr zu werden.
    Während der Herr Bundesarbeitsminister viele gute und schöne Reden über die Sozialpolitik im allgemeinen und die Sozialversicherung im besonderen hält, scheut sich die Bundesregierung nicht, Grundlagen dieser Sozialversicherung anzutasten. So will sie z. B. Sozialversicherungsbeiträge, die für klar umrissene Aufgaben erhoben werden, zu einer Form von Sondersteuer machen. Beispielsweise sollen Beitragsteile der Arbeitslosenversicherung mit staatlichen Verpflichtungen für die Mutterschaftshilfe gekoppelt werden.

    (Abg. Ruf: Sind doch nicht mehr im Haushalt!)

    Beiträge der gewerblichen Wirtschaft zur Unfallversicherung sollen Bundessubventionen für die Landwirtschaft ersetzen.

    (Zuruf des Abg. Ruf.)

    — Auch die Rentenversicherung, Herr Kollege Ruf, soll nicht verschont bleiben.
    1. So soll die Erstattung der Sonderzuschüsse in Höhe von 110 Millionen DM gestrichen werden. Das ist das Doppelte dessen, was in der Härtenovelle für die Einführung der unbedingten Witwenrente von 60 % angesetzt ist. Die Streichung dieses Teiles des Bundeszuschusses steht in striktem Gegensatz zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister über die Erhaltung der Bundeszuschüsse gesagt hat, und zu dem, was der Minister immer wieder erklärt hat: er würde die Bundeszuschüsse vor jedem Eingriff schützen.

    (Abg. Ruf: Sonderzuschuß ist etwas anderes als Bundeszuschuß! Das wissen Sie doch genau!)

    — Jetzt teilen Sie auf in allgemeinen Bundeszuschuß und besonderen Bundeszuschuß und kürzen den besonderen Bundeszuschuß. Wehret den Anfängen!

    (Abg. Ruf: Das hat Herr Katzer mit Erfolg getan!)

    2. Die Schuldbuchforderungen, die der Bund der Rentenversicherung auferlegt, sollen im Jahre 1967 die Rekordhöhe von 1,2 Milliarden DM erreichen. Dann machen die Schuldbuchforderungen der Rentenversicherung insgesamt 5,6 Milliarden DM aus. Damit machen sie den größten Anlageposten der Rentenversicherung aus. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn die Rentenversicherung ihr Vermögen auch bei der öffentlichen Hand anlegt, um dieser die Durchführung von Sozialinvestitionen zu erleichtern. Herr Kollege Stingl hat die Schuldbuchforderungen vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Verzinsung betrachtet. Das ist auch ein Gesichtspunkt, aber er wird dem Kern der Sache nicht gerecht. Die Schuldbuchforderungen werden nämlich vom Bund keineswegs vermögenswirksam eingesetzt, sondern sie fließen in den allgemeinen Bundeshaushalt. Diese Milliardenbeträge werden nicht nur der freien Verfügung der Rentenversicherung, sondern auch dem Kapitalmarkt entzogen. Das ist weder sozialpolitisch noch finanzpolitisch noch konjunkturpolitisch sinnvoll.

    (Beifall bei der SPD.)

    3. Herr Kollege Stingl hat — und deshalb möchte ich darauf eingehen — von den Verhandlungen im Ausschuß für Sozialpolitik gesprochen. Auf Veranlassung der Bundesregierung hat der Herr Bundesarbeitsminister die Rentenversicherungen gebeten, 750 Millionen DM Mobilisierungspapiere zu übernehmen. Ohne der weiteren allgemeinen Diskussion über die Offenmarktpolitik, zu der sich mein Kollege Schiller für unsere Fraktion grundsätzlich bekannt hat, vorgreifen zu wollen, möchte ich doch zur sozialpolitischen Seite der Angelegenheit einige Bemerkungen machen. Wir stimmen mit Ihnen überein, daß gerade die Rentenversicherung an der Stabilität der Wirtschaft das größte Interesse hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!) — Jawohl! Selbstverständlich!


    (Abg. Frau Kalinke: Welche Einsicht!)

    — Sie waren nicht 'bei der Beratung im Sozialpolitischen Ausschuß. Deshalb muß ich Ihnen dazu noch etwas anderes sagen.

    (Zurufe von der FDP.)

    Im Ausschuß für Sozialpolitik hat gestern ein Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank erklärt,

    (Abg. Ruf: In nichtöffentlicher Sitzung, Herr Schellenberg!)

    daß die Aufforderung des Bundesarbeitsministers an die Rentenversicherungsträger, Mobilitätspapiere im Werte von 750 Millionen DM zu übernehmen, nicht auf Wunsch der Deutschen Bundesbank erfolgt ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Im Gegenteil. Der Vertreter der Deutschen Bundesbank hat ausdrücklich betont, daß die Bundesbank zwar besonderen Wert auf ein zusätzliches währungspolitisches Instrument legt. Aber er hat hinzugefügt, daß die Bundesbank es als ausgesprochen unerfreulich ansieht, wenn diese währungspolitischen Bemühungen in Verbindung mit aktuellen Finanzbedürfnissen der Bundesregierung gebracht werden. Das war der Kernpunkt der Darlegungen des Vertreters der Deutschen Bundesbank.
    In diesem Zusammenhang läßt folgendes aufhorchen: In der Fragestunde am 1. Juli 1966 bestätigte der Herr Bundesverteidigungsminister Überlegungen der Bundesregierung, bei der Bundesbank einen Devisenkredit von 1 Milliarde DM aufzunehmen, um damit den Devisenausgleich zur Anschaffung



    Dr. Schellenberg
    militärischer Ausrüstungsgegenstände in den USA vorzufinanzieren. Der Bundesverteidigungsminister erklärte ferner, die Bundesbank wolle diese Transaktion nur durchführen, wenn sie in gleicher Höhe Geldmarktpapiere placieren könne. Einen Tag später schrieb die Stuttgarter Zeitung — ich zitiere —:
    Es besteht die Absicht, diese Milliarde entweder am Geldmarkt oder bei den Sozialversicherungsträgern oder bei beiden aufzunehmen.

    (Abg. Büttner: Wie gehabt!)

    Das Schwergewicht dieser Transaktion soll sich, wie die Presse weiter berichtet, inzwischen zu Lasten der Sozialversicherung verschoben haben. Ich zitiere die Süddeutsche Zeitung vom 14. September:
    Wieder einmal sollen die Sozialversicherungsträger in die Bresche springen. Ihre Möglichkeiten sind aber recht begrenzt, nachdem der Bund sie laufend mit Schuldbuchforderungen füttert. Überdies ist es nicht ihre Sache, die Stationierungskosten ausländischer Streitkräfte zu finanzieren.
    Es handelt sich offenbar um eine sozialpolitische Nuance der Frage der Stationierungskosten, über die wir hier vorgestern gesprochen haben.
    Zur finanzpolitischen Seite der Angelegenheit hat mein Kollege Möller sich geäußert. Ich fordere heute den Herrn Bundesarbeitsminister auf, unter sozialpolitischen Gesichtspunkten diesen Sachverhalt klarzustellen.
    4. Nach Verwirklichung der Pläne der Bundesregierung wird der Rentenversicherung die Verfügung über Vermögensanteile in Höhe von über 6 Milliarden DM entzogen sein. Diese Mittel werden für Zwecke verwandt, die nichts mit der sozialen Sicherung zu tun haben. Angesichts dieses Tatbestands ist Nr. 1 b des Gesetzentwurfs bemerkenswert. Er lautet: „Anlagen für soziale Zwecke sollen mit Vorrang berücksichtigt werden." Zur Begründung heißt es im Gesetzentwurf: „Hierbei ist in erster Linie an Gemeinschaftsaufgaben im sozialen Bereich, wie z. B. die Finanzierung von Krankenhäusern und Altersheimen, gedacht."
    Meine Damen und Herren, das ist offenbar ein Restbestand von Erhards Deutschem Gemeinschaftswerk. Bisher hat unbestritten die soziale Selbstverwaltung aus freiem Entschluß in vielfältiger Weise soziale Gemeinschaftsaufgaben finanziert. Jetzt, da außer den Überschüssen sogar die Vermögensrückflüsse vom Bund für alles andere als für Sozialaufgaben in Beschlag genommen werden, wird durch eine solche Anlagevorschrift die soziale Selbstverwaltung doch praktisch verhöhnt. Dieser Teil der Regierungsvorlage muß bei den Versicherungsträgern, deren Mittel man voll abschöpft, doch Bitternis hervorrufen und bei den Krankenhäusern und Altersheimen falsche Hoffnungen erwecken.
    Nun lassen Sie mich zum Altersaufbau kommen! Der Herr Bundesarbeitsminister hat den Gesetzentwurf zu Recht mit dem ungünstigen Altersaufbau begründet. In der Tat ist die Frage — da stimme ich Herrn Stingl völlig zu —, wie der Rentenberg bewältigt werden soll, ein gesellschaftspolitisches Problem von weittragender Bedeutung. Ich kann unterstreichen, was der Herr Kollege Stingl gesagt hat, daß es auch zwischen Rentenberg und Verbesserung der Berufsausbildung von morgen weitgehende Zusammenhänge gibt. Bisher vermissen wir allerdings, Herr Kollege Stingl, einen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion dazu. Wir vermissen weiter, daß die Bundesregierung dem Auftrag dieses Hauses, einen Gesetzentwurf zur Regelung dieser Materie vorzulegen, seit vielen Jahren nicht nachgekommen ist.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Aber nun im einzelnen zur Frage der Bewältigung des Altersberges! Die Bundesregierung gibt zur Lösung dieses Problems eine Reihe von Beispielen, die ich als nicht gut bezeichnen muß.
    Erstens. In dem gleichen Zeitpunkt, in dem der Bundesarbeitsminister hier von der zunehmenden Belastung der Rentenversicherung durch den Altersaufbau spricht, schwächt die Bundesregierung die Finanzkraft der Rentenversicherung. Angesichts des Rentenberges sorgt die Bundesregierung aber nicht für einen Abbau der Bundesschulden bei der Rentenversicherung, sondern sie vergrößert diese Verschuldung noch weiter. Da die 5,6 Milliarden DM Schulbuchforderungen eine mittlere Laufzeit von 15 bis 23 Jahren haben, beeinträchtigt dadurch die Bundesregierung die Liquidität der Rentenversicherung in ihrer schwersten Zeit. Der Bund wird nämlich in den Jahren, in denen die Rentenversicherung durch den Altersaufbau so stark wie niemals belastet ist, Schulden in Milliardenhöhe bei der Rentenversicherung haben. Das zeigt, wie es in Wirklichkeit um die Voraussicht und um das Verantwortungsbewußtsein der Bundesregierung gegenüber dieser Alterslast unseres Volkes bestellt ist.
    Zweitens. Die Bundesregierung legt sich in diesem Gesetzentwurf einseitig auf eine Finanzierungsart fest, ohne alle Möglichkeiten zu nützen. Das Rezept der Bundesregierung sind Beitragserhöhungen. Die Beiträge sollen zum 1. Januar 1968 auf 15 % und zum 1. Januar 1970 auf 16 % erhöht werden. Das führt — im Entwurf steht das nicht; der Herr Bundesarbeitsminister hat es hier nebenbei erwähnt — bereits im ersten Jahr zu Mehrbelastungen für die Versicherten und ihre Arbeitgeber von 2 Milliarden DM und von 1970 an von über 4 Milliarden DM jährlich. In Anbetracht dieser Größenordnungen ist der Finanzteil der Begründung völlig unzureichend. Er umfaßt kaum eine Spalte. Es fehlt darin jede Vorausberechnung der Beitragseinnahmen, der Bundeszuschüsse, der Zinserträge, der Ausgaben für die Renten, für die Rentnerkrankenversicherung, für Heilverfahren usw. Das fehlt einfach!

    (Abg. Ruf: Wir haben doch Bilanzen, Herr Schellenberg!)

    — Darauf komme ich zu sprechen, Herr Kollege Ruf.
    Der Stichtag der letzten uns vorgelegten Bilanzen ist der 1. Januar 1963.

    (Abg. Ruf: Das weiß ich!)




    Dr. Schellenberg
    Mit solchen veralteten Unterlagen können sachgerechte Entscheidungen über Beitragserhöhungen für 1968 und 1970 nicht getroffen werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist eine Zumutung an das Parlament, daß die Bundesregierung die Beschlußfassung über Beitragserhöhung in Milliardenhöhe fordert, ohne daß genaues Material über die Auswirkungen dieser Beitragserhöhung und über die voraussichtliche Finanzentwicklung vorliegt. Das Wort „genaues" unterstreiche ich.
    Es werden in der öffentlichen Diskussion — Herr Kollege Stingl ist darauf eingegangen — auch diese und jene andere Zahlen genannt; aber widerspruchsvolle Zahlen. Es ist kein Geheimnis, daß der Herr Bundesarbeitsminister, der es eigentlich auf Grund der Unterlagen seines Hauses genauer wissen müßte, in der Kabinettsvorlage erst für eine Beitragserhöhung zum späteren Zeitpunkt eingetreten ist. Entscheidend ist, daß aktuelle, exakte und detaillierte Zahlenunterlagen fehlen. Jedenfalls haben wir sie noch nicht gesehen,

    (Abg. Ruf: Aber die Regierung hat sie!)

    — Das ist wundervoll, wenn die Regierung die Unterlagen im Schreibtisch hat. Das Parlament muß sie erhalten, wenn ein solcher Gesetzenwurf mit Beitragserhöhungen in Milliardenhöhe vorgelegt wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb ersuchen wir die Bundesregierung, dem Hause unverzüglich eingehende versicherungsmathematische Berechnungen unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Änderungen des Deckungsverfahrens und der vorgeschlagenen Erhöhung der Beitragssätze vorzulegen. Ohne derartige Unterlagen sind Beschlüsse über Finanzfragen der Rentenversicherung nach unserer Auffassung nicht zu verantworten. Ich hoffe, Herr Kollege Ruf, Sie stimmen uns wenigstens in diesem Punkte zu.

    (Abg. Ruf: Wir werden die Unterlagen genau prüfen! — Zuruf der Abg. Frau Kalinke.)

    Im übrigen, Herr Kollege Stingl, geht Ihr Einfluß doch wohl so weit, daß sie bereits in statu nascendi dieses Gesetzentwurfs der Bundesregierung hätten raten können: „Bringt den Entwurf mit eingehender, exakter und aktueller finanzieller Begründung!"
    Um jeder falschen Deutung zu begegnen, wiederhole ich mit Nachdruck die Erklärung, die meine Fraktion bereits bei früheren Erörterungen von Finanzfragen der Rentenversicherung abgegeben hat. Wir lassen uns in der Verantwortung für die finanzielle Sicherheit unserer Rentenversicherung von niemandem übertreffen. Herr Stingl, Sie haben heute für ihre Fraktion diese Formulierung wiederholt. Wir Sozialdemokraten sind bereit, die politische Verantwortung auch für Beitragserhöhungen zu übernehmen, wenn und soweit diese wegen des Altersaufbaues oder infolge von Leistungsverbesserungen notwendig werden.

    (Abg. Stingl: Genau wie wir!)

    Auf das entschiedenste lehnen wir aber — und das ist der Gegensatz zu Ihnen — Beitragserhöhungen ab, die es der Bundesregierung weiter ermöglichen würden, Mittel der Rentenversicherung für Zwecke zu verwenden, die mit der sozialen Sicherung wenig zu tun haben.

    (Abg. Ruf: Das kommt doch nicht in Frage!)

    Drittens. Wer die politische Verantwortung für die soziale Sicherung bei zunehmender Alterslast zu tragen hat, muß in seine Entscheidung alle Formen der Finanzierung von Renten, also auch die Bundeszuschüsse, einbeziehen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat zwar von den Bundeszuschüssen gesprochen. Er hat aber mit dem, was er hier dargelegt hat, doch im wesentlichen die Auseinandersetzungen innerhalb des Kabinetts und vielleicht auch innerhalb der Regierungsparteien zur Frage der Bundeszuschüsse wiedergegeben.
    Ich muß, um den Zusammenhang zwischen zunehmender Alterslast und Bundeszuschuß — und auf ihn kommt es jetzt an — deutlich zu machen, zu diesem Thema noch einige Bemerkungen machen; denn auch das, was Sie, Herr Kollege Stingl, dankenswerterweise dazu ausgeführt haben, reicht nicht aus. Es ist unbestritten, daß der Staat seit Bestehen der Rentenversicherung aus guten Gründen Zuschüsse zur Rentenversicherung gibt. Sie haben im Durchschnitt seit 1891 30 % der Ausgaben betragen. Die Bundeszuschüsse sind in den letzten Jahren zwar in absoluter Höhe gestiegen, aber gemessen an den Ausgaben gesunken, und zwar auf gegenwärtig 21 %. Bleibt es beim geltenden Recht, so werden — und das ist entscheidend — die Bundeszuschüsse bis zum Jahre 1981 auf 16,9 % der Ausgaben zurückgehen. Die Bundeszuschüsse werden dann im Vergleich zu den Staatszuschüssen der vergangenen 75 Jahre, gemessen an der Höhe der Rentenausgaben, fast nur noch die Hälfte des bisherigen Anteils betragen.
    Bei einer Diskussion über die Bundeszuschüsse, um die wir nicht herumkommen, muß beachtet werden — Herr Kollege Stingl, Sie haben es angedeutet, aber es muß nachdrücklich klargestellt werden —, daß der sich verschlechternde Altersaufbau eine Folge beider Weltkriege ist. Das Statistische Bundesamt hat festgestellt, daß der Rentenversicherung infolge beider Kriege 3 Millionen Beiragszahler fehlen. Gleichzeitig hat sich durch die Wirkung der Kriege die Zahl der Rentner um Millionen vergrößert. Nach geltendem Recht sinkt jedoch — und das ist politisch entscheidend — praktisch der Anteil der Bundeszuschüsse um so stärker, je mehr ,die Alterslast zunimmt. Dieser gravierenden Entwicklung schenkt die Bundesregierung bei dem Vorlegen eines Gesetzentwurfs, der der langfristigen Finanzierung der Rentenversicherung dienen soll, keine ausreichende Beachtung. Unseres Erachtens zeugt es von mangelnder Verantwortung, den Widerspruch zwischen steigender Alterslast und sinkendem Anteil des Bundeszuschusses politisch nicht zu beachten. Auch die gegenwärtigen Probleme des Haushalts sind hierfür keine ausreichende Entschuldigung.



    Dr. Schellenberg
    Viertens. Der Gesetzentwurf ist auch in einem anderen Punkt lückenhaft. Die gesetzliche Rentenversicherung kann auf die Dauer nur lebensfähig bleiben, wenn die Stabilität des Kreises der Versicherten gewährleistet ist. War dieser Grundsatz schon für das Abschnittsdeckungsverfahren wichtig, so ist er für ein Umlageverfahren, das jetzt praktisch eingeführt werden soll, lebensnotwendig. Deshalb zeugt es unseres Erachtens von wenig Verantwortung der Bundesregierung, wenn sie es verabsäumt, in diesem Gesetzentwurf gleichzeitig für einen möglichst stabilen Versichertenkreis der Rentenversicherung zu sorgen.
    Der Gesetzentwurf beläßt es in der Angestelltenversicherung bei der starren Versicherungsgrenze. Das muß in einer dynamischen Wirtschaft zwangsläufig dazu führen, daß der Kreis der Versicherungspflichtigen und -berechtigten relativ abnimmt. Das ist im Hinblick auf die demographische Entwicklung ein unmöglicher Zustand.
    Meine Damen und Herren, es ist bekannt, daß wir Sozialdemokraten aus gesellschaftspolitischer Überzeugung die mit diesen Finanzfragen nichts zu tun hat — für die Einbeziehung auch aller Angestellten in die Rentenversicherung sind. Aber auch derjenige, der unsere politischen Auffassungen nicht teilt, kommt auf die Dauer in einer Rentenversicherung mit dynamischen Leistungen nicht um eine dynamische Versicherungspflichtgrenze herum. — Herr Kollege Stingl, Sie stimmen mir zu. Aber als wir im letzten Jahr hier über die Dynamisierung der Versicherungspflichtgrenzen abstimmten, da konnten Sie sich in der Koalition nicht durchsetzen.
    In diesem Zusammenhang ist ein Vorgang aus den letzten Tagen außerordentlich widerspruchsvoll. Im Zusammenhang mit dem Finanzpaket will die Bundesregierung alle Angestellten in die Arbeitslosenversicherung einbeziehen. Aber für die Rentenversicherung, also für die soziale Sicherung für das Alter, hält die gleiche Bundesregierung an der Begrenzung des Versichertenkreises fest.
    Der Bundesarbeitsminister hat davon gesprochen, der Gesetzentwurf solle Stabilität und Solidität der Rentenversicherung sichern. Daß es aber in diesem Gesetzentwurf an Vorschriften über die Gewährleistung eines stabilen Versichertenkreises fehlt, ist ein schweres Versäumnis.
    Zusammenfassend erkläre ich für die sozialdemokratische Fraktion: Die versicherungs- und finanztechnische Seite des Gesetzentwurfs überlassen wir den Ausschußberatungen. Politisch ist entscheidend, daß dieser Gesetzentwurf den Aufgaben, die sich für unser Volk aus der Alterslast ergeben, nicht gerecht wird. Solange Mittel der Rentenversicherung zweckentfremdet abgeschöpft werden, sind Beitragserhöhungen nicht gerechtfertigt, und so lange werden wir uns dieser Sondersteuer für Sozialversicherte energisch widersetzen.

    (Beifall bei der SPD.)