Protokoll:
4107

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 4

  • date_rangeSitzungsnummer: 107

  • date_rangeDatum: 22. Januar 1964

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:51 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 107. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1964 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Besold 4915 A Abg. Gräfin vom Hagen tritt in den Bundestag ein 4915 A Überweisungen an Ausschüsse . . . . 4915 A, B Fragestunde (Drucksachen IV/1842, IV/ 1845) Frage des Abg. Dr. Mommer: Konsultierung betr. Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Frankreich und China Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4916 A Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 4916 A, B Frage des Abg. Seither: Brüsseler Beschlüsse in der Agrarpolitik Schwarz, Bundesminister 4916 C, 4917 A, B Frehsee (SPD) . . . 4916D, 4917 A Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 4917 B Frage des Abg. Seither: Vorschlag der EWG-Kommission über Richtpreiskriterien Schwarz, Bundesminister 4917 C, D Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 4917 D Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Berücksichtigung des Art. 110 des EWG-Vertrages in Marktordnungen Schwarz, Bundesminister . . 4918 A, B, C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 4918 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Gemeinsames Stützungsniveau für Agrarerzeugnisse Schwarz, Bundesminister 4918 C, D Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 4918 D Frage des Abg. Schmidt (Würgendorf) : Finanzielle Leistungen für agrarpolitische Maßnahmen Schwarz, Bundesminister 4919 A, B, C, D, 4920 A Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . . 4919 B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 4919 C Dröscher (SPD) . . . . . . . . 4919 D Marquardt (SPD) . . . . . . . 4920 A Frage des Abg. Schmidt (Würgendorf) : Trinkmilch/Werkmilchausgleich Schwarz, Bundesminister . 4920 B, C, D Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . 4920 B, C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 4920 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1964 Frage des Abg. Ritzel: „Qualitätswein" nach der Verordnung der EWG-Kommission Schwarz, Bundesminister 4920 D, 4921 A Ritzel (SPD) . . 4921 A Fragen des Abg. Dr. Rinderspacher: Französisches Mais-Saatgut für südbadische Futtergetreideanbauer Schwarz, Bundesminister . . . 4921 B, D, 4922 A, B, C Dr. Rinderspacher (SPD) 4921 C Reichmann (FDP) 4922 A Bading (SPD) . . . . . . . . 4922 B, C Frage des Abg. Buchstaller: Fahrschulausbildung der Bundeswehr in Koblenz Hopf, Staatssekretär . 4922 D, 4923 B, C Buchstaller (SPD) 4923 A, B Dröscher (SPD) . . . . . . . 4923 C Frage des Abg. Buchstaller: Soldatenheim in Koblenz Hopf, Staatssekretär 4923 C Fragen des Abg. Reichmann: Ablösung der marokkanischen Soldaten in Donaueschingen 4923 D Fragen der Abg. Wehner, Strohmayr und Erler: Vortrag des Herrn von Papen in Madrid Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4924 A, B, C, D, 4925 A, B, C, D, 4926 A Wehner (SPD) . . . . . . . . 4924 C Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 4924 D Erler (SPD) 4925 A Strohmayr (SPD) 4925 B Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 4925 C, D Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 4925 D Fragen des Abg. Rollmann: Direkte Wahlen zum Europäischen Parlament Dr. Schröder, Bundesminister . . 4926 A, B Rollmann (CDU/CSU) 4926 B Frage des Abg. Böhme (Hildesheim) : Budgetrecht für das Europäische Parlament Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4926 C Böhme (Hildesheim) (CDU/CSU) . . 4926 C Frage des Abg. Böhme (Hildesheim) : Mitwirkungsrecht des Europäischen Parlaments bei der Bestellung der Exekutive Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4926 C, 4927 A, B, C, D, 4928 A Dr. Mommer (SPD) . . . 4926 D, 4927 A Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 4927 A, B Dr. Schäfer (SPD) 4927 C Ritzel (SPD) 4927 D Rollmann (CDU/CSU) 4928 A Frage des Abg. Lemmrich: Direkte Wahlen zum Europäischen Parlament in der Bundesrepublik Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4928 B Frage des Abg. Haase (Kassel) : Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4928 B Frage des Abg. Holkenbrink: Verstärkte Mitwirkung des Europäischen Parlaments bei der Gesetzgebung Dr. Schröder, Bundesminister . . 4928 C, D, 4929 A Holkenbrink (CDU/CSU) . . . 4928 C, D Dr. Zimmer (CDU/CSU) 4928 D Frage des Abg. Dr. Mommer: Note in Sachen Argoud Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4929 A, B, C, D Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 4929 A, B Wehner (SPD) . . . . . . . 4929 C, D Sammelübersicht 25 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/1826) 4929 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1964 III Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser vom 5. August 1963 (Drucksache IV/1682) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . . 4930 A, 4949 D, 4968 A Erler (SPD) . . 4931 C Majonica (CDU/CSU) . . . . . . 4936 D Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 4940 D Vogt (CDU/CSU) . . . . . . . 4945 A Wehner (SPD) . . . . 4948 B, 4964 B Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 4951 B Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 4956 A Schultz (FDP) . . . . . . . . . 4962 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. Dezember 1956 über die Gleichwertigkeit der Studienzeit an den Universitäten (Drucksache IV/1807) — Erste Beratung — Dr. Kopf (CDU/CSU) . . 4969 B, 4973 D Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 4970 D Dr. Hellige (FDP) . . . . . . . 4973 A Wahlen zum Europäischen Parlament . . 4974 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Zweites Neuordnungsgesetz —2. NOG —) (Drucksachen IV/1030, IV/1033, IV/1148, IV/1305); Berichte des Haushalts- und des Kriegsopferausschusses (Drucksachen IV/1838, IV/1831) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Götz (CDU/CSU) 4975 A Seidel (Fürth) (SPD) 4976 D Dr. Vogel (CDU/CSU) 4977 D Dr. Rutschke (FDP) 4978 C Ritzel (SPD) 4979 B Frau Dr. Probst (CDU/CSU) . . 4980 B Bazille (SPD) 4981 C Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 4986 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung (SPD) (Drucksache IV/1697) — Erste Beratung — Dr. Reischl (SPD) . . . . . . . 4987 A Dr. Bucher, Bundesminister . . . 4988 C Busse (FDP) 4989 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kriegsgräbergesetzes (SPD) (Drucksache IV/1805) — Erste Beratung — Anders (SPD) 4989 C Höcherl, Bundesminister 4990 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes (Abg. Dr. Serres, van Delden, Unertl, Dr. Schmidt [Wuppertal], Burckardt, Dr. Dörinkel u. Gen.) (Drucksache IV/1658) — Erste Beratung — . . 4991 A Entwurf eines Architektengesetzes (Abg. Dorn, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Wieninger, Lemmrich, Strohmayr, Schwabe u. Gen.) (Drucksache IV/1706) — Erste Beratung — Dorn (FDP). . . . . 4991 A, 4993 B Leber (SPD) 4992 B Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen (Abg. Lemmrich, Krug, Wagner, Porzner, Dr. Reischl, Dr. Supf, Schmidt [Kempten] u. Gen.) (Drucksache IV/1722) — Erste Beratung — . . . . 4994 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Margulies u. Gen.) (Drucksache IV/1769) — Erste Beratung — 4994 A Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftskasse (Drucks ache IV/1792) — Erste Beratung — . . . . . . . 4994 B Entwurf eines Gesetzes über eine Statistik der Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft (Drucksache IV/1794) — Erste Beratung — 4994 B Entwurf eines Gesetzes über Bodennutzungs- und Ernteerhebung (Drucksache IV/1795) — Erste Beratung — . . . . 4994 C Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen (Drucksachen IV/1649, IV/1495); Berichte des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Inneres (Drucksachen IV/1843, IV/1765) — Zweite und dritte Beratung — 4994 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. August 1962 mit der Republik Kolumbien über deutsche Vermögenswerte in Kolumbien (Drucksache IV/1653) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/1783) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 4995 A IV Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1964 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Offshore-Steuergesetzes (Drucksache IV/1589); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/1784) Zweite und dritte Beratung — . . . . 4995 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 9. Dezember 1960 über die Zollbehandlung von Paletten (Drucksache IV/1585); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/1785) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 4995 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes (Drucksache IV/1587); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/1786) — Zweite und dritte Beratung — . . . 4995 D Entwurf eines Gesetzes über den Übergang des zur Bundeswasserstraße Elbe gehörigen Nebenarms „Alte Süderelbe" auf die Freie und Hansestadt Hamburg (Drucksache IV/1593); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes (Drucksache IV/1813) — Zweite und dritte Beratung . . . . 4996 A Mündlicher Bericht des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der Graf-Goltz-Kaserne in Hamburg-Rahlstedt (Drucksachen IV/1579, IV/1767) 4996 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines Teils der ehemaligen Artillerie-Kaserne in GöttingenWeende (Drucksache IV/1773) . . . . 4996 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der bundeseigenen Grundstücke in Köln, Bonner Wall 108-120 und Vorgebirgstraße 49 (Drucksache IV/1830) . . . . . . . . . . 4996 C Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. verfassungsrechtliche Prüfung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) in der vom 1. April bis 31. August 1957 geltenden Fassung (Drucksache IV/1825) . . . . . . . 4996 C Ubersicht 19 über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/ 1841) . 4996 D Siebenunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Zeitungsdruckpapier) (Drucksache IV/1796); in Verbindung mit der Achtunddreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Kolophonium (Drucksache IV/1798); der Neununddreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingente 1964 — gewerbliche Waren) (Drucksache IV/1799); der Vierzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Verschnittrotwein) (Drucksache IV/1791); der Einundvierzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Naturkork) (Drucksache IV/1793); der Zweiundvierzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Eisen- und Stahlpulver) (Drucksache IV/1800); der Vierundvierzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollaussetzungen 1964) (Drucksache IV/1809) 4997 A Bericht des Außenhandelsausschusses über die Achtundzwanzigste und Einunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1781, IV/1782, IV/1835) 4997 B Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnungen Nr. 20, 21 und 22 des Rats hinsichtlich der Erstattungen bei der Ausfuhr nach Mitgliedstaaten (Drucksachen IV/1777, IV/1834) 4997 C Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats betr. handelspolitischer Schutz der EWG gegenüber anomalen Praktiken von Drittländern (Drucksachen IV/1739, IV/1836) 4997 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1964 V Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag der Abg. Müller-Hermann, Holkenbrink, Lemmrich u. Gen. und der Fraktion der CDU/CSU betr. Gewichte und Abmessungen der zum Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zugelassenen Nutzkraftfahrzeuge (Drucksachen IV/805, IV/1819) . . . . 4997 D Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag der Abg. Eisenmann, Dr. Löbe, Rademacher, Ramms u. Gen. betr. Verlängerung der Auslauffristen für Kraftfahrzeuge und Anhänger (Drucksachen IV/762, IV/1818) . . . . 4998 A Antrag betr. Verordnung über die Höhe des Tage- und Übernachtungsgeldes und des Beschäftigungstagegeldes der Beamten (SPD) (Drucksache IV/ 1802) . . . 4998 C Nächste Sitzung 4998 C Anlagen 4999 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1964 4915 107. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 106. Sitzung Seite 4849 D Zeile 13 statt „deutschfranzösischen": deutsch-amerikanischen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Adorno 31. 1. Dr. Aigner * 25. 1. Arendt (Wattenscheid) * 25. 1. Dr. Aschoff 24. 1. Dr. Atzenroth 24. 1. Bergmann * 25. 1. Dr. Bieringer 7. 2. Birkelbach * 25. 1. Fürst von Bismarck 24. 1. Dr. von Brentano 21. 3. Burckhardt 22. 1. Dr. Burgbacher 24. 1. Corterier 22. 1. Dr. Deist * 25. 1. Deringer * 25. 1. Dr. Dichgans * 25. 1. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 23. 1. Dr. Effertz 22. 1. Frau Dr. Elsner * 25. 1. Faller * 25. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 25. 1. Dr. Furler * 25. 1. Hahn (Bielefeld) * 25. 1. Dr. Harm (Hamburg) 31. 1. Hörauf 4. 2. Hörmann (Freiburg) 24. 1. Illerhaus * 25. 1. Dr. Jaeger 25. 1. Junghans 22. 1. Kalbitzer * 25. 1. Klein (Saarbrücken) 24. 1. Klinker * 25. 1. Dr. Kreyssig * 25. 1. Kriedemann * 25. 1. Krug 22. 1. Dr. Kübler 24. 1. Lenz (Bremerhaven) 15. 2. Lenz (Brühl) * 25. 1. Dr. Lohmar 26. 1. Dr. Löhr * 24. 1. Lücker (München) * 25. 1. Margulies * 25. 1. Marx 24. 1. Mauk * 25. 1. Metzger * 25. 1. Michels 24. 1. Dr. Müller-Hermann * 25. 1. Neumann (Allensbach) 22. 1. Nieberg 24. 1. Dr.-Ing. Philipp * 25. 1. Frau Dr. Probst * 25. 1. Rademacher 25. 1. Frau Dr. Rehling 24. 1. Richarts * 25. 1. Ruland 26. 2 Sander 22. 1. Schmidt (Kempten) 23. 1. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Schneider (Hamburg) 24. 1. Seifriz * 25. 1. Soetebier 23. 1. Dr. Starke * 25. 1. Storch * 25. 1. Frau Strobel * 25. 1. Urban 22. 1. Weinkamm * 25. 1. Wilhelm 24. 1. Wischnewski * 25. 1. Wullenhaupt 24. 1. Frau Zimmermann (Brackwede) 22. 1. b) Urlaubsanträge Frau Albertz 8. 2. Hauffe 31. 1. Höhne 30. 1. Frau Kettig 8. 2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15. 3. Dr. Süsterhenn 10. 2. Theis 29. 2. Wegener 8. 2. Werner 14. 2. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Gscheidle zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen (Drucksachen IV/1649, IV/1495). Meine politischen Freunde und ich halten es für angebracht, vor der Dritten Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Weihnachtzuwendungen neben zwei sachlichen Hinweisen auch eine politische Bemerkung zu machen. Wie den Damen und Herren dieses Hauses sicher erinnerlich ist, hat die SPD-Bundestagsfraktion schon vor Jahren beantragt, allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine Weihnachtszuwendung zu gewähren. Gegen diese Anträge hatten sich in der Vergangenheit sowohl die Bundesregierung als auch die sie tragenden Parteien gestellt. Der ablehnende Standpunkt wurde vorwiegend mit verfassungsrechtlichen und beamtenpolitischen Bedenken begründet. Nachdem nunmehr schon seit langem für Angestellte und Arbeiter des Bundes Weihnachtszuwendung gezahlt und in allen Ländern den dort beschäftigten Beamten solche Zulagen gewährt werden, konnten diese Argumente nicht mehr aufrechterhalten werden. Unsere letzten Initiativen als SPD-Bundestagsfraktion wurden deshalb mit Hinweis auf die Haushaltslage abgelehnt. Erst der nunmehr zu verabschiedende Gesetzent- 5000 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1964 wurf fand die einhellige Zustimmung sowohl des Ausschusses für Inneres als auch des Haushaltsausschusses. Wir halten also fest, die früheren Gegenargumente der Bundesregierung waren nicht stichhaltig. Sie sollten nur die fiskalischen Gründe, die im Hintergrund standen, verschleiern. Sie wurden in dem Augenblick überwunden, als es die Bundesregierung für richtig hielt, den vorliegenden Gesetzentwurf selbst einzubringen. Bei dieser Sachlage mußten Zeitungsmeldungen überraschen, wonach der Herr Bundesminister des Innern vor kurzem in der Öffentlichkeit erklärt hat, daß mit diesem Gesetz die Bundesregierung wiederum ihre fortschrittliche und beamtenfreundliche Haltung unter Beweis gestellt habe. Ein solcher Vorgang ist nicht einmalig. Man könnte einen ganzen Katalog ähnlicher Begebenheiten aufzählen, bei denen die Bundesregierung gezwungenermaßen sozialpolitisch tätig wurde, aber dann den gesamten ihr zur Verfügung stehenden Apparat benutzte, um gegenüber der Öffentlichkeit ihre aufgeschlossene Haltung zu dokumentieren, die vorher langjährige Initiative der Opposition zu verschweigen und ihr bisheriges Verhalten vergessen zu machen. Sachlich ist zu dem vorliegenden Entwurf, dem die SPD-Bundestagsfraktion ihre Zustimmung geben wird, zu bemerken: 1. daß besoldungsrechtlich nicht geklärt werden konnte, daß die Weihnachtszuwendungen als Besoldungsbestandteil gelten, 2. daß abweichend von der Regelung des Zweiten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften, wonach die Auszahlung des Ortszuschlages an beide im öffentlichen Dienst stehenden Ehegatten voll erfolgt, bei der Bewilligung der Weihnachtszuwendung eine ungünstigere Regelung erfolgt. Die SPD-Bundestagsfraktion hofft, daß auf Grund der vom Ausschuß erbetenen Stellungnahme der Bundesregierung in beiden Punkten eine günstigere Regelung für die Zahlung aus Anlaß des Weihnachtsfestes 1964 getroffen werden kann.
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich dem Kollegen Dr. Besold zu seinem 60. Geburtstag die Glückwünsche des Hauses auszusprechen.

(Beifall.)

Für den verstorbenen Abgeordneten Goldhagen tritt mit Wirkung vom 20. Januar 1964 die Abgeordnete Gräfin vom Hagen in den Bundestag ein. Ich begrüße sie in unserem Kreis und wünsche ihr eine gute Zusammenarbeit mit uns allen.

(Beifall.)

In der 106. Sitzung des Bundestages am 9. Januar
dieses Jahres ist der Entwurf des Haushaltsgesetzes 1964 — Drucksache IV/1700 — dem Haushaltsausschuß überwiesen worden. Die Vorlage muß wegen des Einzelplans 02 gleichzeitig an den Vorstand des Bundestages überwiesen werden. Ist das Haus einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
In der 106. Sitzung des Bundestages vom 9. Januar 1964 ist der Entwurf eines Siebenten Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache IV/1817 — dem Rechtsausschuß überwiesen worden. Der Rechtsausschuß hat vorgeschlagen, diesen Gesetzentwurf statt ihm dem Sonderausschuß „Strafrecht" zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 20. Dezember 1963 gemäß § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung die Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im Betrag von 10 000 DM und darüber für das dritte Vierteljahr des Rechnungsjahres 1963 übersandt. Sie ist nach einer interfraktionellen Vereinbarung dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 9. Januar 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Dr. Artzinger, Wieninger, Zoglmann, Dr. Imle, Frau
Funcke (Hagen) und Genossen betr. Entwicklung der Rauchtabakindustrie — Drucksache IV/1750 — beantwortet. Sein Schreiber' ist als Drucksache IV/1820 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 9, Januar 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gewandt und Genossen betr. Import von Milchpulver in die Bundesrepublik Deutschland — Drucksache IV/1657 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1824 verteilt.
Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr hat unter dem 16. Januar 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Besold, Drachsler, Brück, Strauß und Genossen betr. Verhütung von Verkehrsunfällen, die ihren Grund in mangelnder körperlicher Eignung der Fahrzeuglenker haben — Drucksache IV/1763 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/1846 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft hat unter dem 16. Januar 1964 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die Verordnung Nr. 7/63/Euratom des Rates über die Geschäftsordnung des in Artikel 18 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vorgesehenen Schiedsausschusses (Amtsbl. 180/63) keine Bedenken erhebe.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 20. Januar 1964 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die Verordnung des Rates Nr. 129/63/EWG vom 12. Dezember 1963 über einzelne Bestimmungen für Bruteier von Hausgeflügel und lebendes Hausgeflügel mit einem Gewicht von höchstens 185 Gramm (Amtsbl. 185/63) keine Bedenken erhebe.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates Nr. 133/63/EWG vom 23. Dezember 1963 über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine sowie Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse für Einfuhren, die vom i. Januar bis zum 31. März 1964 getätigt werden (Amtsbl. 191/63)

an den Außenhandelsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Berichterstattung, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Vierte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung — Drucksache IV/1827 —
an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des . Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 11. März 1964,
Elfte Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Drucksache IV/1828 —
an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 11. März 1964.
Wir treten in die Tagesordnung ein und beginnen mit Punkt 1:
Fragestunde — Drucksachen IV/1845, IV/1842, IV/1844 —.
Wir beginnen mit der Dringlichkeitsfrage — des Abgeordneten Dr. Mommer — auf Drucksache IV/ 1845:
Hat in der Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Frankreich und der Volksrepublik China eine Konsultation mit der Bundesregierung stattgefunden, um, wie es im Abschnitt II Nr. 1 des deutschfranzösischen Vertrages heißt, „so weit wie möglich zu einer gleichgerichteten Haltung zu gelangen"?
Herr Außenminister.




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410700100
Herr Präsident, die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Wie ein Sprecher der Bundesregierung bereits vor einigen Tagen bekanntgegeben hat, hat in dieser Frage keine Konsultation stattgefunden.
Ich möchte folgendes hinzufügen. Es wird immer schwierig sein, über die internen Vorgänge zwischen zwei Regierungen allzu sehr ins einzelne gehend öffentlich zu berichten. Deswegen würde ich es vorziehen — wenn ich das offen sagen darf —, Fragen wie diese im Auswärtigen Ausschuß zu behandeln.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410700200
Eine Zusatzfrage.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0410700300
Darf ich trotzdem fragen, Herr Minister, wie Sie den deutsch-französischen Vertrag auslegen: Handelt es sich um eine Konsultationsmöglichkeit oder um eine Konsultationspflicht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410700400
Vielleicht darf ich einmal den Text wiedergeben. Im Text heißt es folgendermaßen:
Die beiden Regierungen konsultieren sich vor jeder Entscheidung in allen wichtigen Fragen der Außenpolitik und in erster Linie in den Fragen von gemeinsamem Interesse, um so weit wie möglich zu einer gleichgerichteten Haltung zu gelangen. Diese Konsultation betrifft unter anderem folgende Gegenstände:
— Fragen der Europäischen Gemeinschaften
und der europäischen politischen Zusammenarbeit;
— Ost-West-Beziehungen sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich;
— Angelegenheiten, die in der Nordatlantikvertragsorganisation und in den verschiedenen internationalen Organisationen behandelt werden und an denen die beiden Regierungen interessiert sind, insbesondere im Europarat, in der Westeuropäischen Union, in der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen.
Das ist die Bestimmung. Der entscheidende Satz ist: „Die beiden Regierungen konsultieren sich". Das bedeutet, daß sich beide vorgenommen haben, einander zu konsultieren. Ich würde davon absehen, das als eine Verpflichtung darzustellen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410700500
Eine Zusatzfrage?

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0410700600
Herr Präsident, darf ich dankbar entgegennehmen, daß der Herr Minister auf den Auswärtigen Ausschuß verwiesen hat, und meinerseits darauf verweisen, daß wir nach der Fragestunde eine Debatte über die auswärtige Politik haben werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410700700
Ist diese Frage erledigt? — Ja.
Wir fahren fort mit den Fragen unter VIII auf Drucksache IV/1842, Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Der Herr Landwirtschaftsminister ist ab morgen durch die „Grüne Woche" behindert, darum ziehen wir seinen Geschäftsbereich vor.
Frage VIII/1 — des Herrn Abgeordneten Seither —:
Teilt die Bundesregierung die in der Weihnachtsansprache des Bundesernährungsministers zum Ausdruck gekommene Auffassung, daß die Brüsseler Beschlüsse vom Dezember 1963 ohne nennenswerte Auswirkungen auf die Konzeption der Agrarpolitik der Bundesregierung sind?

(Abg. Frehsee: Ich übernehme die Frage!)

— Die Frage wird übernommen. — Bitte, Herr Minister!

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410700800
Ich darf diese Frage wie folgt beantworten.
Ihre Frage, Herr Kollege, bezieht sich vermutlich auf meine Ausführungen im „Agrarbrief — Informationsdienst der CDU/CSU", Nr. 15/16; der Aufsatz ist am 16. Dezember 1963 unter dem Thema „Agrarpolitischer Rückblick auf das Jahr 1963" erschienen. Er befaßt sich mit den Auswirkungen der im Januar 1962 verabschiedeten und am 30. Juli 1962 in Kraft getretenen Verordnung für Getreide, Schweinefleisch, Geflügel und Eier. Der Aufsatz konnte schon wegen des Zeitpunktes seines Erscheinens über die Beschlüsse der Marathonsitzung, die erst am 23. Dezember vergangenen Jahres abgeschlossen wurde, nichts aussagen.
Sollte sich Ihre Frage indessen auf die Ergebnisse der am 23. Dezember 1963 vom Ministerrat getroffenen Vereinbarungen beziehen, so möchte ich dazu folgendes festhalten. Bei den vom Ministerrat gefaßten Beschlüssen handelt es sich um Grundsatzentscheidungen, die mit der agrarpolitischen Konzeption der Bundesregierung im Einklang stehen. Die Verhandlungen wurden auf höchster Ebene unter Ausklammerung aller technischen Details geführt. Die Abfassung der auf diesen Grundsatzbeschlüssen beruhenden Verordnungen bleibt den zuständigen Ausschüssen vorbehalten.
Von besonderer Bedeutung für die deutsche Landwirtschaft werden die noch zu verabschiedenden Verordnungen für Rindfleisch und Milch sein. Tatsache ist, daß die gemeinsamen Marktordnungen für Rindfleisch und Milch eng an die bestehenden deutschen Marktordnungen anknüpfen. Es besteht deshalb keine Veranlassung, von der derzeitigen agrarpolitischen Grundkonzeption der Bundesregierung abzuweichen.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0410700900
Eine Zusatzfrage bitte, Herr Präsident!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410701000
Eine Zusatzfrage.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0410701100
Steht es dann, Herr Minister, im Einklang mit der bisherigen Konzeption der Bundesregierung, daß in Brüssel der Umwandlung der Milchprämien in produktenneutrale Beihilfen zuge-



Frehsee
stimmt worden ist? Ist es nicht eine entschiedene Änderung der bisherigen agrarpolitischen Konzeption der Bundesregierung, daß mit der Zustimmung zum Mandat für die Kennedy-Runde in Zukunft der Preis in der EWG und damit auch in der Bundesrepublik zum Steuerungselement für die Importe aus Drittländern gemacht wird?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410701200
Herr Kollege, zu der ersteren Frage darf ich sagen, daß die Umwandlung der bestehenden Subventionen in produktenneutrale Hilfen in keiner Form zur Diskussion stand und hier keine Konzessionen gemacht wurden, es sei denn, Sie meinen den Zeitpunkt nach 1970.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0410701300
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Minister!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410701400
Bitte!

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0410701500
Meinen Sie nicht, daß in Anbetracht der verstärkten Konkurrenz auf den Agrarmärkten eine andere Konzeption hinsichtlich der Vermarktung notwendig wäre?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410701600
Herr Kollege, ich bin durchaus der Meinung, daß wir hier Wege beschreiten müssen, die wir zwar schon eingeschlagen haben, die aber noch einer weiteren Vervollständigung bedürfen. Aber diese Ihre Frage knüpft nicht an die ursprüngliche Frage an, wie ich mir zu bemerken gestatte, ob nämlich durch die Beschlüsse die Konzeption als solche geändert werden müsse. In der Konzeption hat die deutsche Bundesregierung seit eh und je den Standpunkt vertreten, daß die Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, die Ware in einer qualitativ möglichst guten Form auf möglichst direktem Weg an den Verbraucher zu bringen. Diesen Weg, den wir in der Vergangenheit beschritten haben, gedenken wir weiter auszubauen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410701700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt (Gellersen).

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410701800
Herr Minister, in den anderen Ländern werden für die landwirtschaftliche Bevölkerung hohe Sozialleistungen erbracht. Halten Sie nicht auch die notwendige Angleichung für eine Änderung der Konzeption der Bundesregierung?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410701900
Herr Kollege Dr. Schmidt, auf Grund der Ergebnisse der Beratungen dieses Hauses und des Ernährungsausschusses glaube ich sagen zu dürfen, daß wir jene Maßnahmen bereits ergriffen haben, die zunächst einmal notwendig erschienen, um auch auf dem sozialen Sektor Fortschritte zu erzielen. Daß diese Fortschritte weiter ausgebaut werden, unterliegt keinem Zweifel. Allerdings möchte ich hier persönlich ein sehr großes Fragezeichen dranhängen, ob es zweckmäßig ist, die Höhe der Subventionierung auf dem sozialen Gebiet nach französischem Muster bei uns einzuführen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410702000
Die Frage ist beantwortet.
Ehe ich die nächste Frage aufrufe, habe ich mitzuteilen, daß einer interfraktionellen Vereinbarung gemäß die Ausschußsitzungen für morgen nachmittag ausfallen, weil die Fraktion der CDU/CSU Fraktionssitzung hat.
Ich rufe Frage VIII/2 — des Abgeordneten Seither auf :
Wird die Bundesregierung darauf bestehen, daß, bevor Preise in der EWG far Agrarprodukte festgesetzt werden, der Verordnungsvorschlag der EWG-Kommission über Preiskriterien behandelt und verabschiedet wird?
Sie wird übernommen vom Abgeordneten Frehsee.

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410702100
Gegen die von der EWG-Kommission vorgeschlagenen Richtpreiskriterien bestehen bei fast allen Mitgliedstaaten noch Bedenken. Sie beruhen u. a. auf den unterschiedlichen preispolitischen Erwartungen und auf den verschiedenartigen agrarstrukturellen und handelspolitischen Ausgangspositionen der Mitgliedstaaten. Bei der Behandlung der Richtpreiskriterien im Ministerrat wird die Bundesregierung für die Belange der landwirtschaftlichen Erzeuger und Verbraucher eintreten sowie die Entwicklung der Gesamtwirtschaft einschließlich des Außenhandels berücksichtigen. Das gilt auch für den Fall, daß die termingebundene Festsetzung von Agrarpreisen es nicht zulassen sollte, die Richtpreiskriterien vorher zu verabschieden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410702200
Die Frage ist beantwortet.
Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Schmidt (Gellersen)!

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410702300
Herr Minister, wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß die Preiskriterien so ausgestaltet werden, daß sie einen vollwertigen Ersatz für § 1 des Landwirtschaftsgesetzes darstellen, nachdem die in diesem § 1 genannten Mittel der Handels- und Preispolitik bei allen EWG-Marktordnungen und -Erzeugnissen nicht mehr der deutschen Zuständigkeit unterliegen und das Landwirtschaftsgesetz insoweit außer Kraft gesetzt ist?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410702400
Herr Kollege Dr. Schmidt, es besteht kein Zweifel, daß die Bundesregierung das Äußerste tun wird, um sich in der von Ihnen erwähnten Richtung einzusetzen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410702500
Die Frage ist beantwortet.



Vizepräsident Dr. Schmid
Frage VIII/3 — des Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) —:
Welche Auswirkungen im Hinblick auf die Produktion und den Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse erwartet die Bundesregierung von dem auf besonderes Drängen der deutschen Delegation gefaßten Ministerratsbeschluß, in alle bestehenden und neuen Marktordnungen eine Bestimmung einzufügen, wonach nicht nur der Artikel 39, sondern auch Artikel 110 des EWG-Vertrages Berücksichtigung finden muß?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410702600
Die Bundesregierung hat sich im Ministerrat für diese Ergänzung der alten und neuen EWG-Agrarmarktverordnungen eingesetzt, damit alle Mitgliedstaaten bei der Anwendung dieser Verordnungen an die Verpflichtung erinnert werden, den agrarpolitischen und handelspolitischen Belangen in gleicher Weise Rechnung zu tragen. Mit der Aufnahme dieser Bestimmung in die Verordnungen wird insbesondere das Ziel verfolgt, eine Summierung wettbewerbsverzerrender Präferenzelemente zu verhindern. Eine solche Summierung von Präferenzen hat in der zurückliegenden Zeit verschiedentlich, so z. B. bei Schlachtgeflügel, zu ungerechtfertigten Absatzvorteilen einzelner Mitgliedstaaten auf dem deutschen Markt geführt, wodurch sowohl die Absatzmöglichkeiten der deutschen Produktion als auch die Drittlandeinfuhren benachteiligt wurden.
Die vorgesehene Ergänzung der Verordnungen dürfte also einerseits der Produktion und dem Absatz deutscher Erzeugnisse zugute kommen, andererseits aber zu einer Verbesserung der Einfuhrmöglichkeiten von Drittländern führen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410702700
Herr Abgeordneter Dr. Schmidt (Gellersen) zu einer Zusatzfrage!

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410702800
Herr Minister, glauben Sie wirklich, daß mit dieser Neuregelung die handelspolitischen Schwierigkeiten gegenüber Drittländern behoben oder gemildert werden?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410702900
Herr Kollege Dr. Schmidt, bei der Divergenz der Interessen ist niemals davon auszugehen, daß etwas total behoben oder erledigt werden kann. Es wird immer auf einen möglichst günstigen Kompromiß hinauslaufen. Wir waren bestrebt, die Interessen der verschiedensten Teile unserer Berufsstände zu berücksichtigen und insonderheit Sorge zu tragen, daß der arbeitende Teil unserer Bevölkerung auch in der Zukunft Arbeit hat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410703000
Eine letzte Zusatzfrage!

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410703100
Herr Minister, teilen Sie die Auffassung der EWG-Kommission, daß sich die Bundesregierung mit ihrem Eintreten für diese Bestimmung und mit ihrer Zustimmung zum Mandat für die GATT-Verhandlungen praktisch damit einverstanden erklärt hat, das Preisniveau im Gemeinsamen Markt so zu gestalten, daß ausreichende Absatzmöglichkeiten für die Drittländer verbleiben?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410703200
Nein, Herr Abgeordneter.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410703300
Die Frage ist beantwortet.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) gestellte Frage VIII/4 auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung zur Festlegung des gemeinsamen Stützungsniveaus für die Agrarerzeugnisse, bei denen bis zum Beginn der GATT-Verhandlungen noch kein gemeinsamer Preis festgelegt werden wird (Beschluß des Ministerrats vom 20./23. Dezember 1963)?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410703400
Über die Festlegung des gemeinsamen Stützungsniveaus bei Erzeugnissen, deren Preise bis zum Beginn der GATT-Verhandlungen noch nicht harmonisiert sind, wurde im Ministerrat bislang keine Entscheidung getroffen. Der Rat hat jedoch die Kommission aufgefordert, alsbald Vorschläge vorzulegen, wie bei diesen Erzeugnissen im GATT verfahren werden soll. Mit der Vorlage der Kommissionsvorschläge ist auf einer der nächsten Sitzungen des Ministerrats zu rechnen.
Die Bundesregierung vertritt ihrerseits die Auffassung, daß eis unseren Partnern im GATT im wesentlichen um die Aufrechterhaltung ihrer bisherigen Exporte in die Gemeinschaft geht. Das derzeitige Preisniveau der Mitgliedsländer gibt keinen Anlaß zur Schmälerung dieser Importe. Die EWG-Kommission hat im Gegenteil festgestellt, daß der Bedarf der Bundesrepublik von Jahr zu Jahr wächst. Die Bundesregierung ist deshalb der Ansicht, daß sich der Stützungsbetrag am derzeitigen nationalen Preisniveau orientieren sollte. Darüber hinaus ist die Bundesregierung bereit, alles zu tun, um die bisherigen Importe aus den dritten Ländern so weit wie möglich aufrechtzuerhalten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410703500
Herr Abgeordneter Dr. Schmidt (Gellersen) zu einer Zusatzfrage!

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410703600
Herr Minister, teilt die Bundesregierung die Auffassung der EWG-Kommission, daß zur Ausfüllung des vom Ministerrat erteilten Mandats die Festsetzung eines gemeinsamen Getreidepreises unumgänglich ist, selbst wenn es sich dabei zunächst nur um einen fiktiven Preis handelt, der später angewandt wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410703700
Herr Kollege, die Bundesregierung hält das nicht für unbedingt notwendig. Sie sieht auch andere Möglichkeiten, um den Schwierigkeiten zu begegnen, die im GATT auftreten.

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410703800
Herr Minister, können Sie sagen, welche Möglichkeiten Sie dabei sehen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410703900
Ich habe sie soeben angedeutet, indem ich erklärt habe, daß es sich im wesentlichen mit um ein Mengenproblem handelt und



Bundesminister Schwarz
daß wir jederzeit bereit sind, über diese Mengen
auch in Form einer zukünftigen Garantie zu reden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410704000
Die Frage ist beantwortet.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Schmidt (Würgendorf) gestellte Frage VIII/5 auf:
Wie hoch sind nach Ansicht der Bundesregierung die finanziellen Anforderungen an die Bundesrepublik für agrarpolitische Maßnahmen, welche in der gemeinsamen Verantwortung der sechs EWG-Partner liegen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410704100
Die finanziellen Anforderungen an die Bundesrepublik für gemeinsame agrarpolitische Maßnahmen dürften sich zur Zeit auf etwa 260 Millionen DM belaufen. Davon entfallen 220 Millionen DM auf Ausgaben im nationalen Bereich, die im Einzelplan 10 bei Titel 1003/620 bis 625 für Interventionen, zur Verbilligung von Getreide, für Ausfuhrerstattungen und für die Getreidefrachthilfe veranschlagt sind, und 40 Millionen DM auf Beiträge der Bundesrepublik an den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für Ausgaben des Fonds. Über die Beiträge zum Agrarfonds hat sich die Bundesregierung bereits in der 102. Sitzung am 12. Dezember 1963 auf die Frage des Herrn Abgeordneten Peters geäußert. Ich darf insoweit auf den Stenographischen Bericht Seite 4760 verweisen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410704200
Eine Zusatzfrage!

Hermann Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410704300
Herr Minister, kann die Bundesregierung abschätzen, welche Mittel aus dem Fonds an die Bundesrepublik zurückfließen werden?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410704400
Herr Kollege, wir können hier noch keine klare Antwort geben. Es handelt sich hierbei um zwei Fragen. Wir rechnen für das kommende Jahr mit Leistungen des Agrarfonds an die Bundesrepublik in Höhe von 5 Millionen. Bezüglich des Ausrichtungs- und Garantiefonds könen wir noch nichts Näheres sagen, weil im Augenblick noch keine Richtlinien für die Verwendung vorliegen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410704500
Eine weitere Zusatzfrage!

Hermann Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410704600
Herr Minister, teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß das Verhältnis der Aufwendungen zu den Rückflüssen laufend ungünstiger wird, weil die Bundesrepublik kein Netto-Exportland ist und keine nennenswerten Interventionskosten geltend machen kann, und was gedenkt sie zu tun, um eine gerechtere Lastenverteilung zu erreichen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410704700
Herr Kollege, diese Frage hätte in erster Linie mein Ministerkollege Dr. Dahlgrün zu beantworten, denn es handelt sich dabei um
ein rein finanzielles Problem. Ich darf dazu sagen, daß anzunehmen ist, daß die Lasten größer werden. Es steht aber auch fest, daß wir derzeit in sehr harten Verhandlungen um den Schlüssel stehen, nach dem diese Lasten zu verteilen sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410704800
Eine weitere Zusatzfrage!

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410704900
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung bereit, bis zur Einführung eines Kontrollrechts des Europäischen Parlaments dem Bundestag den Haushalt des Ausrichtungs- und Garantiefonds vorzulegen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410705000
Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, dem Deutschen Bundestag und dem zuständigen Ausschuß alles vorzulegen, was zur Kenntnisnahme und, soweit es möglich ist, auch zu einer vorherigen Beurteilung notwendig ist.

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410705100
Ich meine den Haushalt des Ausrichtungs- und Garantiefonds!

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410705200
Hier wird zunächst einmal die Frage zu prüfen sein, ob der Haushalt von seiten der Kommission den einzelnen Mitgliedstaaten so zeitig zugänglich gemacht wird, daß der von Ihnen erwünschte Erfolg eintreten kann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410705300
Eine Zusatzfrage!

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0410705400
Herr Bundesminister, trifft die von dem holländischen Abgeordneten Vredeling im Europäischen Parlament wiedergegebene Schätzung zu, daß sich der Gesamtbetrag der Aufwendungen für die gemeinsame Agrarpolitik und damit der Haushalt des Ausrichtungs- und Garantiefonds am Ende der Übergangszeit in einer Größenordnung von etwa 4 Milliarden DM bewegen wird?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410705500
Darüber kann nichts Endgültiges gesagt werden. Ich kenne Zahlen, die von seiten der Kommission geäußert wurden und die sich auf der Hälfte dessen bewegen, was Sie soeben genannt haben. Ich kenne eine Zahl, die der Herr Bundesfinanzminister genannt hat, die wiederum die Hälfte dessen beträgt, was die Kommission angegeben hat. Es handelt sich also um einen Betrag, der zwischen 11/2 Milliarden und 41/2 Milliarden liegt. Wir sind aber der Auffassung, daß der Betrag von 41/2 Milliarden keinesfalls erreicht werden kann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410705600
Letzte Zusatzfrage!

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0410705700
Herr Bundesminister, würden Sie mit mir der Meinung sein, daß angesichts dieser Größenordnung — ob es sich um 11/2 Milliarden oder 41/2 Milliarden handelt — ein ganz erhebliches Interesse des Deutschen Bundestages an der dauernden Kontrolle dieses Haushalts besteht?




Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410705800
Ich teile Ihre Aufassung vollkommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410705900
Die Frage ist beantwortet. — Oder haben Sie noch eine Zusatzfage?

(Abg. Marquardt: Ja!)

— Bitte!

Werner Marquardt (SPD):
Rede ID: ID0410706000
Herr Minister, hält die Bundesregierung weiter an der im Rat gegebenen Protokollerklärung fest, wonach sie nicht bereit ist, den deutschen Anteil nach 1964/65 auf über 31 °/o der Gesamtaufwendungen des Fonds hinaus zu erhöhen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410706100
Die Bundesregierung ist gewillt, an diesem bisherigen Vorhaben festzuhalten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410706200
Eine letzte Zusatzfrage!

Werner Marquardt (SPD):
Rede ID: ID0410706300
Herr Minister, bedeutet das nicht eine Änderung der Verordnung? Und weiter: Wie sind die Chancen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410706400
Die Beurteilung dieser Frage möchte ich meinem Kollegen Dr. Dahlgrün überlassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410706500
Die Frage ist beantwortet.
Frage VIII/6 — des Abgeordneten Schmidt (Würgendorf) —:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung im Ministerrat der EWG auf die Beibehaltung des innerdeutschen Trinkmilch/ Werkmilchausgleichs verzichtet, obwohl dieser Teil der bestehenden Milchmarktordnung den Handelsverkehr innerhalb der Gemeinschaft nicht berührt und für die Partner nicht diskriminierend ist?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410706600
Die deutsche Bundesregierung hat auf die Beibehaltung des innerdeutschen Trinkmilch/Werkmilchausgleichs nicht verzichtet. Das deutsche Ausgleichsystem kann gemäß Art. 18 Abs 4 der vorgesehenen EWG-Marktordnung für Milcherzeugnisse als allgemeine Werkmilchstützung weiter angewendet werden. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer gemeinsamen Regelung der Trinkmilchmärkte, die bis zum 1. Juli 1965 vom Rat getroffen werden soll, wird der Trinkmilch/Werkmilchausgleich erörtert werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410706700
Eine Zusatzfrage!

Hermann Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410706800
Herr Minister, ist der Bundesregierung bekannt, daß EWG-Vizepräsident Dr. Mansholt auch die Ausgleichsmittel als abzubauende Beihilfen bezeichnet hat und daß die Vertreter Italiens und Frankreichs im EWG-Ministerrat erklärt haben, sie seien zur Trennung ihrer Märkte weder bereit noch in der Lage?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410706900
Herr Kollege, wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, dreht es sich immer wieder um die Beseitigung der Trinkmilch- undWerkmilchabgabe. Hierüber wird erst gesprochen werden, wenn wir zur Trinkmilchverordnung kommen werden. In der Zwischenzeit ist unsererseits in gar keiner Form eine Möglichkeit angeboten oder gewährt worden, von den bei uns praktizierten Methoden abzuweichen. Ich darf auch darauf hinweisen, daß diese deutsche Methode von der Kommission als gut beurteilt wird und lediglich andere Partnerstaaten, die eine solche Ordnung glauben nicht durchführen zu können, hier Einwendungen machen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410707000
Eine weitere Zusatzfrage!

Hermann Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410707100
Herr Minister, bedeutet der Beschluß des EWG-Ministerrats nicht doch zum mindesten eine Umgestaltung der derzeitigen Ausgleichsregelung?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410707200
Im Augenblick liegt nichts vor, Herr Kollege, was zu einer solchen Annahme berechtigen würde.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410707300
Abgeordneter Dr. Schmidt (Gellersen) zu einer Zusatzfrage!


Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0410707400
Herr Bundesminister, darf man aus Ihrer Antwort darauf schließen, daß auch die sogenannte Kesselmilchstützung in der bisherigen Höhe weitergezahlt werden kann, und wenn ja, wie lange noch?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410707500
Nein, Herr Kollege Dr. Schmidt, das kann man daraus nicht entnehmen. Die Kesselmilchstützung ist nicht in den Fragenkomplex einbezogen, den wir soeben behandelt haben. Die Kesselmilchstützung muß fallen, und zwar einmal auf Grund der Vereinbarungen, die wir im Dezember 1963 in Brüssel getroffen haben, und zum anderen auf Grund unserer eigenen Ordnung, die ebenfalls vorsieht, daß diese Kesselmilchstützung abgebaut wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410707600
Die Frage ist beantwortet. Die Fragen VIII/7 und VIII/8 sind zurückgestellt. Frage VIII/9 — des Abgeordneten Rit-
zel —:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu dem Entwurf einer Verordnung der EWG-Kommission ein, die den Begriff „Qualitätswein" nur für bestimmte Anbaugebiete in den EWG-Ländern gelten lassen will, ohne die deutschen Interessen genügend zu berücksichtigen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410707700
Nach Bekanntwerden des Verordnungsentwurfs der Kommission über Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete vom 21. Oktober 1963 haben die zuständigen Bundesressorts



Bundesminister Schwarz
unter Beteiligung von Sachverständigen der hauptsächlichen weinbautreibenden Länder und der beteiligten Wirtschaftskreise in einem Memorandum zum wiederholten Male die deutsche Auffassung zu einer Qualitätsweinregelung präzisiert. In einem dem Memorandum beigefügten deutschen Verordnungsentwurf sind die Möglichkeiten einer Lösung des schwierigen Problems dargelegt worden. Das Memorandum ist über die ständige deutsche Vertretung in Brüssel allen beteiligten Stellen der Kommission zugeleitet und in diesen Tagen der deutschen Fach- und Tagespresse zur Veröffentlichung übergeben worden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410707800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0410707900
Herr Minister, aus den bis jetzt vorliegenden Veröffentlichungen ist die Befürchtung zu entnehmen, daß eine Regelung geplant ist, die tatsächlich den Begriff „Qualitätswein", der hier maßgebend sein soll, beinahe ausschließlich auf französische Produkte beschränken soll. Frage: Was hat die Bundesregierung getan, um dieser so drohenden Entwicklung entgegenzutreten?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410708000
Die Befürchtung ist zweifellos unberechtigt. Hier hat das eben erwähnte Memorandum der Bundesregierung seinen Ausgangspunkt. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß ) jeweils zu Beginn von Verhandlungen verschiedene Meinungen vorhanden sind. Es wird sich nunmehr darum handeln, daß wir in diesen Verhandlungen die deutschen Vorstellungen von dem Begriff „Qualitätswein" soweit durchdrücken, daß unserem deutschen Weinbau kein Schaden entsteht. Der Unterschied liegt grundsätzlich darin, daß bei den großen Flächen in Frankreich diese Bestimmung sehr viel einfacher durchzuführen ist als bei unseren in kleinen Parzellen gelagerten Weinbaustücken. Wir streben an, gewisse Gegenden mit einem besonderen Charakteristikum zusammenzufassen, um den französischen Vorstellungen entgegenzukommen, aber niemals so weit, um die französischen Vorstellungen in toto zu akzeptieren.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410708100
Ich rufe auf die Fragen VIII/10, VIII/11 und VIII/12 — des Abgeordneten Dr. Rinderspacher —:
Ist es zutreffend, daß die südbadischen Futtergetreideanbauer nicht in ausreichendem Maße französisches Mais-Saatgut einführen können, weil der Import angeblich von deutschen Stellen behindert bzw. kontingentiert wird?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß zumindest ein Teil der südbadischen Futtergetreideanbauer sich das französische Saatgut außerhalb der offiziellen Importe in Frankreich beschaffte?
Sieht das Bundesernährungsministerium Möglichkeiten, den in Fragen VIII/10, 11 geschilderten Zustand zu verbessern, namentlich auch im Hinblick auf den anstehenden verschärften Wettbewerb des Futtergetreideanbaues in der EWG?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410708200
Ich erlaube mir, die drei Fragen des Herrn Kollegen Dr. Rinderspacher zusammenzufassen und wie folgt zu beantworten: Die Einfuhr von Saatmais regelt sich nach der Verordnung Nr. 19 — Getreide — des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften. Das bedeutet, daß die Einfuhren mengen- und wertmäßig unbegrenzt sind. Im Interesse der Landeskultur werden Qualitätsauflagen insoweit gemacht, als nur Saatgut solcher Sorten eingeführt werden darf, die vom Bundessortenamt mehrjährig mit Erfolg geprüft sind. Darüber hinaus muß das Saatgut den gesetzlichen Mindestanforderungen hinsichtlich Reinheit und Keimfähigkeit entsprechen:
Der Bundesregierung ist bekannt, daß in einigen Fällen kleinere Saatgutmengen, die den vorerwähnten Bedingungen nicht entsprechen, eingeführt werden sollten und vermutlich auch eingeführt wurden. Dies hat zu Beanstandungen durch die Zollbehörden geführt. Um die Bedarfsdeckung zu sichern, waren derartige Einfuhren nicht erforderlich, da stets genügend Saatgut von mit Erfolg geprüfen Sorten zur Verfügung stand. In diesem Falle dürfte es sich um Saatgut einer ausländischen Sorte gehandelt haben, die seit längerer Zeit in den Prüfungen des Bundessortenamtes steht. Falls die Prüfung der Sorte mit Erfolg abgeschlossen wird, kann künftig auch Saatgut dieser Sorte eingeführt werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410708300
Zusatzfrage.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0410708400
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Maissorten, die in deutschen Versuchsgütern bisher gezüchtet worden sind, den Anforderungen der modernen Futtermittelanbauer und der Maiszüchter in keiner Weise entsprechen und daß die französischen Sorten, etwa Inra 258, und auch die amerikanische Sorte Jansques wesentlich höhere und sichere Erträge bringen, speziell in südbadischen Klimaverhältnissen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410708500
Der Bundesregierung ist das nicht bekannt. Die Bundesregierung hat volles Vertrauen zum Bundessortenamt, das sich mit der Klärung dieser Frage befaßt. Es ist auf der einen Seite bestrebt, alle guten Sorten der deutschen Landwirtschaft zuzuführen, andererseits aber bestrebt, jegliche Einfuhren nicht geeigneter Sorten zu verhindern, um Schaden von der Landwirtschaft fernzuhalten. Ich bin also der Auffassung, daß wir hier das tun, was im Rahmen des Möglichen liegt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410708600
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0410708700
Ist die Bundesregierung bereit, die Klagen der Maisanbauergemeinschaft zu prüfen und bei Feststellung der Berechtigung der Klagen für entsprechende Abhilfe zu sorgen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410708800
Die Bundesregierung ist gerne dazu bereit, Herr Kollege.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410708900
Eine Zusatzfrage.




Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0410709000
Herr Minister, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Versuchsergebnisse gerade im Hauptanbaugebiet in Südbaden im Vergleich ergaben, daß die Hybrid-Maissorten bezüglich des Ertrags, der Standfestigkeit und des Kolbensitzes einen erheblich höheren Ertrag bringen als die deutschen Züchtungen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410709100
Die Bundesregierung ist nicht darüber im Bilde, wie sich einzelne Sorten, in diesem Falle Mais — es gibt aber 500 oder 1000 andere Sorten — in den Vergleichsanbauten bewährt haben. Aber wir sind gern bereit, irgendwelche an uns gerichtete schriftliche Fragen so zu beantworten, daß völlige Klarheit besteht. In einer Fragestunde ist es nicht möglich, auf Einzelheiten dieser Art einzugehen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410709200
Eine Zusatzfrage!

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0410709300
Herr Minister, darf ich fragen: Wenn die Maisanbauer gezwungen sind, durch den Anbau der zugelassenen Sorten gewisse Ertragsausfälle hinzunehmen, besteht nicht die Möglichkeit, daß in begrenztem Umfang Importgenehmigungen erteilt werden, insbesondere für das südbadische Anbaugebiet, wo man jetzt illegal auf Grund dieses Tatbestandes französischen Saatmais importiert oder über die Grenze bringt?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410709400
Für Sonderregelungen besteht meines Wissens keine gesetzliche Grundlage und damit auch keine Möglichkeit, solche Sorten einzuführen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410709500
Herr Abgeordneter Bading.

Harri Bading (SPD):
Rede ID: ID0410709600
Herr Minister, finden Sie es nicht eigentlich ganz erfreulich, daß die deutschen Landwirte so fix sind im Erkennen von vorteilhaftem ausländischem Saatgut? Und finden Sie es nicht eigentlich bedauerlich, daß die Behörde, also das Saatenprüfamt, diesem raschen Erkennen der praktischen Landwirte in ungenügender Weise erst nachkommen kann? Sollte es nicht Ihre Verpflichtung geradezu sein, der Landwirtschaft in der Beziehung dann zu helfen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410709700
Herr Kollege, der Herr Inspektor Bräsig war auch sehr fix, aber er war nicht so gründlich und richtig wie Herr Havermann. In diesem Falle möchte ich unser Bundessortenamt mit Herrn Havermann vergleichen und sagen, daß wir bestrebt sein sollten, zunächst eine solide Grundlage in die Prüfung hineinzubringen und dann die Konsequenzen zu ziehen. Im übrigen freue ich mich natürlich über jede Art von Regsamkeit in unserer Landwirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410709800
Eine weitere Zusatzfrage.

Harri Bading (SPD):
Rede ID: ID0410709900
Herr Minister, sind Sie wirklich der Ansicht, daß der Vergleich mit Bräsig und Ha-vermann, der schon einige Zeit in der Praxis zurückliegt, noch auf die heutige Zeit in vollem Umfang anwendbar ist?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0410710000
Ja, Herr Kollege, das bin ich wirklich.

(Heiterkeit. — Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Bading: Dann gratuliere ich Ihnen!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410710100
Diese Auffrischung der Reminiszenz der deutschen Literaturgeschichte in dieser Debatte finde ich besonders erfreulich.
Meine Damen und Herren, wir blättern nun zurück in der Drucksache IV/1842 und fahren in der Fragestunde in der Reihenfolge dieser Drucksache fort. Die Fragen I/1 und I/2 des Abgeordneten Porten sind zurückgestellt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, Frage II/1 — des Abgeordneten Buchstaller :
Welche konkreten Maßnahmen hat das Bundesverteidigungsministerium vorgesehen, um den Wünschen der Stadt Koblenz nach einer Verlegung des verkehrsgefährdenden Fahrschulbetriebes der Bundeswehr Rechnung tragen zu können?
Hopi, Staatsekretär im Bundesministerium der Verteidigung: Die Fahrschulausbildung der Bundeswehr ist an die Richtlinien des Verkehrsministers vom 20. Juni 1963 angelehnt. Eine sorgfältige und intensive Schulung der zukünftigen Bundeswehrfahrer in allen Verkehrslagen ist besonders notwendig, weil die Bundeswehr zum Teil größere Fahrzeuge benutzt. Der Fahrschulbetrieb des zivilen und auch des militärischen Sektors ist in den letzten Jahren sprunghaft gewachsen. Dabei ist allerdings nicht zu verkennen, daß die größeren und besonders erkennbaren Fahrzeuge der Bundeswehr mehr in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten als die meist kleineren und meist nicht so sehr erkennbaren Fahrzeuge des zivilen Fahrschulbetriebes. Außerdem muß man berücksichtigen, daß die Bundeswehr alle 18 Monate neue Soldaten ausbilden muß, die nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr zivile Kraftfahrer bleiben.
Um den Fahrschulbetrieb des Standorts Koblenz mit 15 000 Soldaten auf den öffentlichen Verkehr abzustimmen, ist folgende Regelung getroffen worden.
Der militärische Fahrschulbetrieb und die militärische Straßenbenutzung, also nicht nur der Fahrschulbetrieb, wurden vor einem Jahr auf Grund einer Absprache mit dem Polizeipräsidenten und Mitgliedern des Verkehrsausschusses der Stadt neu geregelt.
Sperrgebiete für Fahrschulen, die große Teile der Koblenzer Innenstadt betreffen, wurden festgelegt. Außerdem wurde ein Verkehrsstab unter Mitwir-



Staatssekretär Hopf
kung der Polizei gebildet, um bei Alarm und größeren Übungen einen flüssigen Verkehr durch die Stadt ohne Gefährdung der zivilen Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Ferner sind mit der Stadt, mit der Energieversorgung Mittelrhein und mit der Polizei die Straßen festgelegt worden, die von Panzern befahren oder nicht befahren werden dürfen. Dieser Abmachung hat auch die Industrie- und Handelskammer zugestimmt.
Trotz dieser Regelung hat die Stadt Koblenz am 1. Juli 1963 — was ich durchaus verstehe — an das Polizeipräsidium die Bitte gerichtet, die Sperrzonen für die Fahrschulausbildung der Bundeswehr über die bestehende Regelung hinaus zu erweitern. Die Bundeswehr muß aber ihre Kraftfahrer — gerade wegen der zum Teil größeren Fahrzeuge — sorgfältig ausbilden, damit sie nach Erlangung des Führerscheins die Bundeswehrfahrzeuge sicher durch die Stadt und auch außerhalb der Stadt und ohne Gefahr für den Verkehr und für die Insassen führen können. Daher mußte leider der Antrag abgelehnt werden.
Ich glaube, daß eine Besserung der Verhältnisse im Raum Koblenz erst möglich sein wird, wenn dieser Standort — etwa 1965 oder 1966 — aufgelockert sein wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410710200
Eine Zusatzfrage!

Werner Buchstaller (SPD):
Rede ID: ID0410710300
Herr Staatsekretär, ist Ihnen bekannt, das der Herr Oberbürgermeister von Koblenz bei einem Gespräch mit dem Herrn Minister im letzten Jahr die Zusicherung erhalten hat, daß noch einmal eingehend überprüft würde, ob nicht der Fahrschulbetrieb aus dem linksrheinischen Teil der Innenstadt völlig herausgezogen werden kann, und zu welchem Ergebnis der Überprüfung sind Sie gekommen?
Hopi, Staatsekretär im Bundesministerium der Verteidigung: Herr Abgeordneter, diese Frage haben wir laufend überprüft. Es ist aber nicht möglich, den vollen Fahrschulbetrieb aus dem linksrheinischen Teil der Stadt herauszunehmen, weil zu einer modernen Fahrschulausbildung auch gehört, daß i n n e r halb einer Stadt gefahren wird; denn sonst müssen die späteren Kraftfahrer, ohne genügend in einer Stadt geschult zu sein, in Städten fahren, und dann passieren die schweren Unfälle. Hinzu kommt, daß ein Teil der Kasernen nicht so liegt, daß dem Wunsch entsprochen werden kann. Wir bedauern selbst diese Situation; aber Koblenz als größte Garnison der Bundesrepublik hat Vorteile und Nachteile. Wir bemühen uns, die Vorteile zu vergrößern und die Nachteile zu verringern. Das ist Ihnen ja aus den vielen Verhandlungen mit der Stadt bekannt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410710400
Eine Zusatzfrage!

Werner Buchstaller (SPD):
Rede ID: ID0410710500
Herr Staatssekretär, wären Sie, wenn die Stadtverwaltung Koblenz Ihnen noch einmal einen sehr konkreten Plan zur Behebung oder Linderung der Schwierigkeiten unterbreiten sollte, bereit, diesen eingehend zu prüfen?

Hopf, Staatsekretär im Bundesministerium der Verteidigung: Sicher, Herr Abgeordneter!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410710600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher!

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0410710700
Herr Staatssekretär, als recht oft Mitleidendem des Koblenzer Verkehrs werden Sie mir die Frage gestatten, ob es nicht möglich ist, wenigstens zwei Drittel der Grundausbildung in der Fahrschule in ein spezielles Übungsgelände zu verlegen. Es müßte doch möglich sein, daß nur die Endphase der Ausbildung in den Straßen der Stadt erfolgt.
Hopi, Staatsekretär im Bundesministerium der Verteidigung: Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter, für diese Anregung. Wir werden das sofort prüfen. Es wird davon abhängen, ob wir ein geeignetes Gelände besitzen oder bekommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410710800
Ich rufe auf die Frage II/2 — des Abgeordneten Buchstaller —:
Ist in der Planung für 1964 zur Errichtung von Soldatenheimen auch die Garnisonstadt Koblenz enthalten, die bislang noch über keine Betreuungs- und Begegnungsstätte verfügt?
Hopf, Staatsekretär im Bundesministerium der Verteidigung: Der Bedarf an Soldatenheimen wird zur Zeit in erster Linie durch Mietung oder Ankauf geeigneter Gebäude gedeckt und nur in Ausnahmefällen durch Neubauten. In die Etats werden als Einzelplanungen grundsätzlich nur diejenigen beabsichtigten Neubauten eingestellt, die in abgelegenen oder kleineren Standorten errichtet werden müssen, da in diesen Standorten geeignete Gebäude zum Anmieten oder Ankaufen meist nicht vorhanden sind. Zwischen allen beteiligten Stellen besteht Einvernehmen darüber, daß in Koblenz ein Soldatenheim errichtet werden soll. Die Verhandlungen über die Anmietung oder über den Ankauf mehrerer in Betracht kommender Objekte führten leider bisher zu keinem befriedigenden Abschluß. Nunmehr besteht allerdings die Aussicht, daß ein von den französischen Streitkräften als Soldatenheim benutztes Gebäude für die Bundeswehr verfügbar werden kann. Daneben versuchen wir weiter, geeignete Liegenschaften ausfindig zu machen, um noch ein weiteres Soldatenheim einzurichten. Dies erscheint — wie sich z. B. auch aus Ihrer vorherigen Frage ergibt — notwendig, um möglichst auf beiden Seiten des Rheins Soldatenheime zu haben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410710900
Die Frage ist beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts.
Ich rufe auf die Fragen III/1 und III/2 — des Abgeordneten Reichmann —:
Sind Vermutungen zutreffend, daß die marokkanischen Soldaten der französischen NATO-Garnison in Donaueschingen durch französische Soldaten abgelöst werden und dadurch einer langjährigen Forderung der Bevölkerung entsprochen wird?
Ist bekannt, his zu welchem Zeitpunkt der in Frage III/ erwähnte Austausch erfolgt bzw. wann er beendet sein wird?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Carstens vom 20. Januar 1964 lautet:



Vizepräsident Dr. Schmid
Die Zahl der in Donaueschingen stationierten französischen Truppenteile afrikanischer Herkunft vermindert sich ständig durch Beendigung der Dienstverpflichtungen. Neueinstellungen werden nicht mehr vorgenommen. Die ausscheidenden afrikanischen Truppenangehörigen der französischen Streitkräfte in Deutschland werden durch Soldaten französischer Herkunft ersetzt.
Nadi Mitteilung des Oberbefehlhabers der französischen Streitkräfte in Deutschland werden die letzten Dienstverpflichtungen französischer Soldaten afrikanischer Herkunft der im Regierungsbezirk Südbaden stationierten Truppenteile in etwa drei Jahren ablaufen.
Unabhängig hiervon wird die Bundesregierung ihre bisherigen Bemühungen fortsetzen und darauf hinwirken, daß die Stationierung der genannten französischen Truppenteile afrikanischer Herkunft so bald wie möglich beendet wird.
Ich rufe auf Frage III/3 — des Herrn Abgeordneten Wehner —:
Hatte der deutsche Botschafter in Madrid, Allardt, Weisung vom Auswärtigen Amt, Mitte Dezember an einem Vortrag Herrn von Papens in Madrid teilzunehmen, dessen Ausführung, wie aus Pressemeldungen hervorgeht, dem Ansehen der Bundesrepublik abträglich war?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410711000
Herr Präsident, ich bitte mir zu erlauben, die Fragen 3, 4, 5, 6 und 7, die denselben Gegenstand behandeln, in einer Antwort zusammenzufassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410711100
Ich rufe weiterhin auf Frage III/4 — des Abgeordneten Strohmayr —:
Was hat den Botschafter der Bundesrepublik in Spanien veranlaßt, offiziell eine Veranstaltung im Madrider Athenaeum zu besuchen, auf der der Reichskanzler a. D. Franz von Papen gesprochen hat?
Frage III/5 — des Abgeordneten Strohmayr —:
In welchem Sinne hat der Botschafter der Bundesrepublik in Madrid über die Papen-Veranstaltung nach Bonn berichtet?
Frage III/6 — des Abgeordneten Erler —:
Ist der Bundesregierung der Vortrag bekennt, den Herr von Papen im Madrider Athenaeum im Dezember 1963 über das Thema „Europa zwischen den USA und Rußland" gehalten hat?
Frage III/7 — des Abgeordneten Erler —:
Hält die Bundesregierung die Teilnahme eines Botschafters der Bundesrepublik Deutschland an einer Veranstaltung für richtig, auf der im Ausland von einen autoritären Regierungsformen anhängenden deutschen Staatsbürger Angriffe gegen die parlamentarische Regierungsform und gegen die in der Bundesrepublik Deutschland geltende Unabhängigkeit des Rundfunks, des Fernsehens und anderer Informationsmedien von staatlicher Bevormundung gerichtet wurden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410711200
Der deutsche Botschafter in Madrid hatte keine Weisung, an dem Vortrag des ehemaligen Reichskanzlers Franz von Papen teilzunehmen. Der Vortrag ist dem Auswärtigen Amt aus der Presse sowie aus der Berichterstattung des Botschafters bekannt. Botschafter Allardt hat ferner berichtet, daß Herr von Papen sich als Gast der spanischen Regierung auf Einladung des Informationsministers Fraga Ibarne in Spanien aufgehalten hat und unter anderem auch vom Staatschef empfangen worden ist. Unter den zahlreichen Einladungen, die dem Botschafter bei diesem Anlaß von spanischer Seite zugegangen sind, hat er die zu der Veranstaltung im Athenaeum als einzige angenommen, weil er befürchtete, durch eine Ablehnung die spanischen Gastgeber zu brüskieren.
Die Bundesregierung hält die Auffassung des Botschafters, von der sie erst nachträglich Kenntnis erhalten hat, für falsch.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410711300
Zusatzfrage? —Herr Abgeordneter Wehner!

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410711400
Herr Minister, ist es im auswärtigen Dienst üblich, daß Botschafter im Falle von Veranstaltungen solcher Persönlichkeiten sich so verhalten wie der Herr Botschafter in Madrid?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410711500
Sie fragen nach einer Üblichkeit, Herr Kollege Wehner. Dies ist ein Einzelfall. Solche Situationen ergeben sich nicht regelmäßig.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410711600
Zweite Zusatzfrage!

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410711700
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, oder hat sie sie bereits wahrgenommen, sich von den uns hier durch die Presse bekanntgewordenen Äußerungen des seinerzeitigen Herrenreiters — der in immerhin gereiftem Alter geglaubt hatte, zu reiten, aber geritten wurde —, sich von dessen unverschämten Äußerungen über den Geist der Zersetzung, der in der Bundesrepublik herrsche, abzusetzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410711800
Herr Kollege Wehner, ich würde es nicht für richtig halten, wenn wir die Ausführungen des Herrn von Papen in irgendeiner Weise zensieren wollten. Wir würden sie dadurch nur unnötig aufwerten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410711900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Friedensburg.

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0410712000
Herr Bundesminister, hat keine Möglichkeit bestanden, und sehen Sie es nicht als eine der Aufgaben einer deutschen Auslandsvertretung an, den Vortrag eines Mannes zu verhindern, der in der deutschen Politik eine so verhängnisvolle Rolle gespielt hat und auf den ein gut Teil der Verantwortung für das Unglück, das uns alle trifft, nun einmal fällt?

(Beifall.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410712100
Herr Kollege Friedensburg, die Einladung, die hier ergangen ist, ist, wie Sie sehen, von hoher spanischer Stelle ergangen, und die Tatsache des Empfangs durch den spanischen Staatschef unterstreicht das. Hier gab es keine — wie von Ihnen vermutet oder angedeutet — Einwirkungsmöglichkeit des deutschen Botschafters.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410712200
Zusatzfrage!

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0410712300
Ist es nicht die Aufgabe des Botschafters, der ja davon rechtzeitig Kenntnis gehabt haben muß, die spanische Regierung rechtzeitig darauf aufmerksam zu machen, welchen Eindruck es bei dem Volke, das ja in erster Linie betroffen ist, erwecken muß, wenn ein solcher Herr auftritt?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410712400
Sie unterstellen, daß der deutsche Botschafter rechtzeitig davon Kenntnis gehabt hat. Wenn ich die Vorgänge richtig beurteile, ist dies ein rein spanisches Arrangement ohne seine Kenntnis gewesen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410712500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410712600
Habe ich vorhin richtig verstanden, daß der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Madrid vor seiner Teilnahme an der genannten Veranstaltung die Meinung des Auswärtigen Amts in Bonn nicht eingeholt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410712700
Das trifft zu. Mit ihm ist in diesem Zusammenhang über einen anderen Punkt gesprochen worden, nicht über die Frage der Teilnahme an diesem halböffentlichen Vortrag.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410712800
Eine weitere Zusatzfrage!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410712900
Hält es die Bundesregierung dann nicht für angezeigt, wenigstens die spanische Regierung, die durch die Teilnahme des Botschafters an der Veranstaltung von Papens vielleicht einen falschen Eindruck von der Auffassung der Bundesregierung zu den darin angeschnittenen Problemen gewonnen haben könnte, davon zu unterrichten, daß die Bundesregierung andere Auffassungen vertritt als Herr von Papen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410713000
Die spanische Regierung weiß, daß der deutsche Botschafter sich in dieser Sache sehr zurückhaltend verhalten hat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410713100
Herr Abgeordneter Strohmayr zu einer Zusatzfrage.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0410713200
Hat der deutsche Botschafter in Madrid der Bundesregierung Kenntnis davon gegeben, daß diese angebliche Situation in Presse, Rundfunk und Fernsehen eine Folge der demokratischen Erziehung durch die Besatzungsmächte ist und als sehr ernst betrachtet werden muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410713300
Das ist der Inhalt des Vortrags. Über den Inhalt des Vortrags ist anschließend berichtet worden. Wir haben uns inzwischen sogar den vollständigen Text des Vortrags beschafft. Aber der Botschafter konnte nicht vor dem Vortrag etwa über den Vortrag berichten.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0410713400
Ist die Bundesregierung der gleichen Meinung oder deckt sie die Auffassung, die Herr von Papen geäußert hat, nämlich daß sich Rundfunk, Fernsehen und andere Informationsmedien in den Händen der Sozialisten und Linksliberalen befinden, die von diesen uneinnehmbaren Bastionen die Massen beherrschen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410713500
Herr Kollege, ich habe gerade auf eine Frage des Herrn Kollegen Wehner gesagt, daß es mir falsch erscheinen würde, zu den Ausführungen des Herrn von Papen Stellung zu nehmen. Jede Stellungnahme würde sie nur unnötig aufwerten.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410713600
Herr Abgeordneter Kohut, eine Zusatzfrage!

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0410713700
Herr Minister, Sie sagten soeben, daß Herr von Papen in einer anderen Frage im Auswärtigen Amt vorgesprochen hatte. Darf ich fragen, ob er für besondere Missionen in Spanien eingesetzt wird?

(Heiterkeit.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410713800
Ich habe den ersten Teil Ihrer Frage nicht verstanden. Ich bin aber sicher, daß Herr von Papen nicht von irgendeiner mir bekannten Stelle für Sondermissionen eingesetzt wird.

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0410713900
Aber Sie sagten doch, Herr Minister, daß er im Auswärtigen Amt in einer anderen Angelegenheit vorgesprochen hat?!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410714000
Nein, das ist ein Mißverständnis. Ich habe gesagt, der deutsche Botschafter habe in einem anderen Bezug mit dem Amt Fühlung genommen. Das bezog sich aber nicht auf die Frage der Teilnahme an diesem Vortrag.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410714100
Eine Zusatzfrage!

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0410714200
Herr Minister, kommt Ihnen die unterschiedliche Behandlung zweier Deutscher in Spanien, nämlich des Herrn Ahlers und des Herrn von Papen, nicht sehr spanisch vor?

(Große Heiterkeit. — Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410714300
Herr Kollege Kohut, in dieser Frage würde ich erst dann eine Meinung äußern, wenn der von Ihnen erwähnte „Fall Ahlers" — erlauben Sie mir einmal, das in Anführungszeichen zu sagen — abgeschlossen ist.

(Abg. Wehner: Einen Fall Papen gibt es nicht?)

— Ich wußte, daß das kam. Deswegen erlaubte ich mir schon, das in Anführungszeichen zu sagen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410714400
Herr Abgeordneter Mommer zu einer Zusatzfrage.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0410714500
Herr Minister, was werden Sie tun, um zu verhindern, daß Ihnen in Zukunft nicht weitere „Botschaftskinder" in Brunnen dieser Art fallen?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410714600
Ich habe soeben schon gesagt, Herr Kollege Mommer: man muß immer ein bißchen nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit gehen.

(Lachen bei der SPD.)

— Ja, natürlich, das ist doch ein bewährter Grundsatz und eine Lebensregel.
Deswegen glaube ich, daß sich Fälle wie dieser kaum wiederholen können. Ich werde Gelegenheit nehmen, selbst noch einmal mit dem deutschen Botschafter über diese Sache zu sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410714700
Keine Zusatzfragen mehr.
Ich rufe auf die Frage III/8 — des Herrn Abgeordneten Rollmann —:
Wie steht die Bundesregierung zu der Idee direkter Wahlen zum Europäischen Parlament?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410714800
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Die Bundesregierung sieht in direkten Wahlen zum Europäischen Parlament ein besonders wirksames Mittel zur Stärkung dieses Parlaments und eine wesentliche Voraussetzung für eine echte parlamentarische Kontrolle der Europäischen Gemeinschaft. Entscheidend aber für diese erweiterte Rolle des Europäischen Parlaments ist eben der Zeitpunkt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410714900
Ich rufe auf die Frage III/9 — des Herrn Abgeordneten Rollmann —:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den im Mai 1960 vom Europäischen Parlament verabschiedeten Abkommensentwurf über direkte Wahlen zum Europäischen Parlament in die Tat umzusetzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410715000
Die Antwort auf diese Frage lautet: Die Bundesregierung hat zu dem Abkommensentwurf des Europäischen Parlaments über direkte Wahlen eine positive Haltung eingenommen. Zu einer Beschlußfassung über den Entwurf ist es bisher jedoch noch nicht gekommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410715100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0410715200
Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, für diesen Abkommensentwurf noch etwas mehr zu tun, als eine nur positive Haltung einzunehmen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410715300
Herr Kollege, vorläufig nicht, würde ich sagen. Wir glauben aber, daß die weitere Entwicklung der Gemeinschaften für alle Beteiligten die Notwendigkeit einer wirksamen Kontrolle ergeben wird. Sie wissen, daß sich in einer Aussprache des Rates mit einer Delegation des Europäischen Parlaments ergeben hat, daß vorläufig noch nicht alle Regierungen der Mitgliedstaaten bereit sind, in die Prüfung der Einzelheiten des Abkommensentwurfs einzutreten. Die
Frage ist seitdem nicht weiter behandelt worden, würde auch im Augenblick mit keinem besseren Ergebnis behandelt werden können.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410715400
Ich rufe auf die Frage III/10 — des Herrn Abgeordneten Böhme (Hildesheim) —:
Ist die Bundesregierung bereit, eine Revision der europäischen Verträge dahin gehend anzustreben, daß das Europäische Parlament das Budgetrecht erhält?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410715500
Die Bundesregierung ist zur Zeit mit der Frage befaßt, wie die Mitwirkung des Europäischen Parlaments an der Kontrolle des Haushalts verstärkt werden kann. Sie ist der Auffassung, daß ein Beschlußrecht des Europäischen Parlaments über den Haushalt die Erschließung direkter Finanzquellen der Gemeinschaft voraussetzt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410715600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhme!

Georg Böhme (CDU):
Rede ID: ID0410715700
Herr Minister, daraus ergibt sich gleich eine Zusatzfrage. Wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, daß die EWG echte eigene Einnahmen erhält und damit einem Begehren des Europäischen Parlaments eine reale Grundlage gegeben wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410715800
Zu dieser Frage, die Sie angeschnitten haben, stehen wir grundsätzlich positiv.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410715900
Ich rufe auf die Frage III/11 — des Herrn Abgeordneten Böhme (Hildesheim) :
Ist die Bundesregierung bereit, eine Revision der europäischen Verträge dahin gehend anzustreben, daß das Europäische Parlament ein Mitwirkungsrecht bei der Bestellung der Exekutive erhält?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410716000
Nach Auffassung der Bundesregierung sollte eine Änderung der Gemeinschaftsverträge mit dem Ziel einer Mitwirkung des Europäischen Parlaments bei der Bestellung der Exekutiven erst dann geprüft werden, wenn das Europäische Parlament durch direkte Wahl seiner Mitglieder die unmittelbare parlamentarische Verantwortung gegenüber den Völkern der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften übernommen hat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410716100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0410716200
Herr Minister, wenn die direkte Wahl des Parlaments vorausgehen soll, setzt sich die Bundesregierung dann für diese direkte Wahl ein und auf welche Weise?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410716300
Ich habe, glaube ich, zu Anfang die Frage beantwortet, indem ich gesagt habe, einstweilen gibt es keine Möglichkeit der Übereinstimmung in dieser



Bundesminister Dr. Schröder
Frage im Ministerrat, wie ja bekannt ist. Wir sind der Meinung, daß zwar die direkten Wahlen wünschenswert sind, daß aber bis zu ihrer Durchführbarkeit noch ein gut Stück Weges nötig sein wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410716400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0410716500
Herr Minister, sind Sie noch der Auffassung, die Sie vor längerer Zeit hier einmal ausgedrückt haben, daß der entsprechende Artikel des Vertrages eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten und für den Ministerrat enthält, eine Verordnung über die direkte Wahl zu verabschieden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410716600
Ich weiß nicht, ob ich das so pointiert gesagt habe. Aber sicherlich halte ich an meiner früheren Auffassung fest.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410716700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Friedensburg!

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0410716800
Eine Zusatzfrage, Herr Minister, zu den vorhergehenden Fragen. Sieht die Bundesregierung nicht in einer Erweiterung der Befugnisse des Parlaments eine entscheidende Möglichkeit, der Stagnation in der europäischen Entwicklung entgegenzutreten und damit auch den europäischen Völkern die Hoffnung zu 1 geben, daß aus dem, was bis jetzt doch nur ein Anfang oder ein Torso ist, einmal eine Wirklichkeit werden kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410716900
Herr Kollege Friedensburg, dies Ganze ist ein sehr kompliziertes und noch sehr diffiziles Gebilde. Wir werden große Mühe haben, die Fortschritte in den einzelnen Sektoren richtig aufeinander abzustimmen. Nach meiner Meinung und Sie wissen, daß sich das aus dem deutschen Aktionsprogramm ergibt — wird man zunächst einmal auf der parlamentarischen Seite die Budgetkontrolle einführen und verstärken können. Das wird bereits eine wesentliche Verstärkung der Möglichkeit des Parlaments darstellen. Alle anderen Schritte müssen in einer sorgfältigen Abstimmung zwischen den Fortschritten, die der Ministerrat erzielen kann, und weiteren Befugnissen des Parlaments bestehen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410717000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Friedensburg!

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0410717100
Meinen Sie nicht, Herr Bundesminister, daß eine etwas schärfere, etwas mehr Profil zeigende Stellung der Bundesregierung in der Tat geeignet wäre, die Entwicklung, die wir alle wollen, vorwärtszutreiben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410717200
Ich glaube, daß die Bundesregierung in dieser Sache im vergangenen Jahr bemerkenswert viel Profil
entwickelt hat. Die Bundesregierung nimmt für sich in Anspruch, daß gewisse Fortschritte des letzten Jahres nicht zuletzt auf unsere Initiative zurückzuführen sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410717300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0410717400
Herr Minister, sind Sie bereit, im Ministerrat darauf hinzuwirken, daß der Ministerrat das Budget nicht verabschiedet, ehe nicht das Parlament zugestimmt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410717500
Das entspricht derzeit nicht der Rechtslage. Das ist als eine zukünftige Entwicklung durchaus wünschenswert. Wir sind durchaus der Meinung, daß hier auf weitem Feld, auch bezüglich der Behandlung von Verordnungen, noch eine bessere Abstimmung zwischen Ministerrat und Europäischem Parlament möglich sein wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410717600
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0410717700
Wäre es aber nicht zweckmäßig, unter Hintanstellung der Überlegung, ob es der Rechtslage entspricht, die zukünftige Praxis auf diese Weise vorzubereiten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410717800
Wir können schwerlich eine Praxis einführen, wenn wir nicht vorher die Bestimmungen entsprechend gestaltet haben. Aber ich verweise noch einmal darauf, daß sich aus der deutschen Initiative hinsichtlich der Erweiterung der Befugnisse des Parlaments möglicherweise auch das ergeben wird, was Ihnen vorschwebt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410717900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0410718000
Herr Minister, in welcher Weise erfolgt die Kontrolle über die Verwendung der verfügbaren Mittel?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410718100
Zuständig dafür ist der Ministerrat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410718200
Eine weitere Zusatzfrage.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0410718300
Sehen Sie nicht bereits hier einen zwingenden Anlaß, für eine Änderung einzutreten? Denn dann kontrolliert sich ja der Verfügungsberechtigte selbst.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410718400
Dies sind, wie ich annehmen möchte, Herr Kollege Ritzel, in der Tat Übergangs- und Aufbauschwierigkeiten. Ich sagte schon gerade in einer Antwort auf eine Zwischenfrage, daß der Aufbau dieses Gebildes wesentlich komplizierter ist als der Aufbau und



Bundesminister Dr. Schröder
das Aufeinander-Abstimmen nationaler Institutionen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410718500
Herr Abgeordneter Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0410718600
Herr Minister, welche Konsequenzen wird denn die Bundesregierung aus der Erklärung des Bundeskanzlers in der Bundestagssitzung von neulich ziehen, in der er kritisiert hat, daß sich in Brüssel eine europäische Exekutive mit einer großen Bürokratie aufbaut, ohne daß die notwendige Kontrolle dieses Exekutive durch ein gewähltes Parlament gegeben ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410718700
Herr Kollege Rollmann, aus dem, was der Herr Bundeskanzler hier ausgeführt hat, ergibt sich die Problemstellung. Ich habe, glaube ich, angedeutet, wie man sich der Lösung dieses Problems nähern kann: nach meiner Meinung im. Sinne des deutschen Aktionsprogramms, auf das ich mehrfach Bezug genommen habe.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410718800
Keine Zusatzfrage mehr? — Frage III/12 — des Herrn Abgeordneten Lemmrich —:
Ist der verschiedentlich gemachte Vorschlag realisierbar, in der Bundesrepublik Deutschland direkte Wahlen zum Europäischen Parlament auch dann durchzuführen, wenn andere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften sich an solchen direkten Wahlen nicht beteiligen sollten?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410718900
Die Antwort auf Frage III/12 lautet folgendermaßen. Nach den geltenden Bestimmungen der Gemeinschaftsverträge werden die Mitglieder des Europäischen Parlaments nach einem von jedem Mitgliedstaat zu bestimmenden Verfahren von den nationalen Parlamenten aus ihrer Mitte ernannt. Der Übergang zum Verfahren direkter Wahlen ist nur bei einstimmiger Zustimmung aller Mitgliedstaaten zu verwirklichen. Die Durchführung direkter Wahlen nur in der Bundesrepublik Deutschland oder in mehreren, aber nicht allen Mitgliedstaaten ist also nicht möglich, da die Mitgliedstaaten nach den Verträgen zu gemeinsamem Handeln verpflichtet sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410719000
Frage III/13 — des Herrn Abgeordneten Haase (Kassel) —:
Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge, die Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments zu erhöhen, um die Arbeit der europäischen Parlamentarier zu erleichtern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410719100
Die Antwort auf Frage III/13 lautet: Die Prüfung dieser Frage in der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410719200
Frage III/14 — des Herrn Abgeordneten Holkenbrink —:
Wie stellt sich die Bundesregierung eine verstärkte Mitwirkung des Europäischen Parlaments bei der europäischen Gesetzgebung der Ministerräte und der Exekutive der Europäischen Gemeinschaften vor?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410719300
Die Antwort lautet: Die Bundesregierung erwägt, in Ergänzung ihrer dem Ministerrat am 2. Dezember 1963 zugeleiteten Vorschläge anzuregen, bei besonders wichtigen Verordnungen und Richtlinien nach der Anhörung des Europäischen Parlaments diese nach Beschlußfassung durch den Rat dem Europäischen Parlament erneut zur Stellungnahme zuzuleiten. Folgt der Ministerrat Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments nicht, muß er erneut beschließen und das Europäische Parlament über die Gründe unterrichten, aus denen er von den Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments abweicht. — Das ist der Sinn unserer Vorschläge.

Heinrich Holkenbrink (CDU):
Rede ID: ID0410719400
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß zu dem Zeitpunkt, da eine Straffung der europäischen Exekutiven durch Fusion erfolgt, gleichzeitig auch eine Kompetenzerweiterung des Parlaments angestrebt werden muß, wenn nicht eine Überlastigkeit der Bürokratie noch weiter Platz greifen soll, als das bisher bereits der Fall ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410719500
Ich glaube, daß wir im Zuge dieser Fragen und Antworten auf diese Frage schon ein-, zweimal gekommen sind. In der Tat glaube ich, daß die Befugnisse des Parlaments ausgeweitet werden sollten, daß aber die beste und gerade gegenüber der mehrfach erwähnten Bürokratie eindrucksvollste Ansatzstelle die Budgetkontrolle ist. Das ist — vom Parlament her gesehen — gegenüber der Bürokratie zunächst einmal die wirksamste Kontrollmöglichkeit.

Heinrich Holkenbrink (CDU):
Rede ID: ID0410719600
Herr Minister, darf ich aus dem Frage- und Antwortspiel hier entnehmen, daß die Bundesregierung der Meinung ist, daß, wenn sich direkte Wahlen augenblicklich nicht erreichen lassen, die Diskussion über direkte Wahlen nicht verhindern sollte, daß dann vorrangig eine Kompetenzausweitung des Europäischen Parlaments jetzt diskutiert wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410719700
Das sind zwei völlig getrennte Themen. Das Europäische Parlament kommt derzeit so zustande, wie es bekannt ist. Das ändert nichts daran — und wir haben das ja in Brüssel vorgeschlagen —, daß die Ausweitung seiner Befugnisse erfolgen soll.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410719800
Eine weitere Zusatzfrage!

Dr. Alois Zimmer (CDU):
Rede ID: ID0410719900
Herr Minister, darf ich nach dem Standpunkt der deutschen Bundesregierung zu den aufgeworfenen Fragen der Verstärkung der Befugnisse des Parlaments, Verstärkung des Budgetrechts des Parlaments, Verstärkung der Kontrolle, Mitwirkung bei der Bestellung der Exekutive und allen diesen Dingen fragen. Erfolgt die Prüfung und Beantwortung dieser Fragen durch die deutsche Bundesregierung auch unter dem Gesichtspunkt des künftig in jedem Falle zu erstrebenden Beitritts Großbritanniens, d. h. trägt die Beantwortung der



Dr. Zimmer
Frage dem künftigen Beitritt Großbritanniens in der einen oder anderen Weise Rechnung?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410720000
Herr Kollege Zimmer, hier möchte ich auf zahlreiche Erklärungen dieser und im übrigen auch der voraufgegangenen Regierung verweisen, daß die Einbeziehung Großbritanniens in die europäische Gemeinschaft ein Ziel der Bundesregierung ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410720100
Frage III/15 — Herr Abgeordneter Dr. Mommer —:
Ist bis zum Tage der Beantwortung dieser Frage eine Antwort der franzöischen Regierung auf die letzte deutsche Note in Sachen Argoud eingegangen?
Bitte, Herr Minister!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410720200
Die Antwort lautet: Nein.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410720300
Eine Zusatzfrage?

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0410720400
Herr Minister, ergeben sich Folgerungen aus der Tatsache der Nichtbeantwortung unserer Note für Zeitpunkt und Ablauf des Besuchs, der von seiten des Herrn Bundeskanzlers in Paris für Mitte Februar geplant ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410720500
Ich möchte dazu zweierlei sagen, Herr Kollege Mommer. Zunächst einmal: Sie kennen den Inhalt
unserer Note aus dem Auswärtigen Ausschuß. Die Bundesregierung ist und bleibt im Sinne dieser Note weiter tätig.
Zu der von Ihnen aufgeworfenen weiteren Frage möchte ich in diesem Augenblick nicht Stellung nehmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410720600
Noch eine Zusatzrage.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0410720700
Herr Minister, halten Sie es für gut, wenn die Bundesregierung der Öffentlichkeit den Eindruck vermittelt, daß die Handlungsweise der französischen Regierung in der Frage Argoud und in hochrangigen politischen Fragen — wie im vorigen Jahr der Ausschluß Großbritanniens, jetzt die Anerkennung des Regimes in Peking — die deutsch-französische Freundschaft und den Wert des deutsch-französischen Vertrages nicht berühre?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410720800
Herr Kollege Mommer, dazu sind zwei Dinge zu sagen. Das eine ist, daß dieses Haus in der Zustimmung zu dem deutsch-französischen Vertrag über Konsultation und Zusammenarbeit einig war, ich glaube, jedenfalls praktisch einig und positiv war, und daß es im übrigen in seiner Präambel die Grundlinien der deutschen Politik ausgedrückt hat. Das ist durchaus unverändert.
Ich halte es aber für nicht besonders günstig für die Zusammenarbeit, wenn wir allzu viele Details aus der Zusammenarbeit der öffentlichen Diskussion
unterwerfen. Ich habe heute morgen schon in meiner Beantwortung der ersten Frage gesagt, daß ich es vorziehe, diese Dinge im Auswärtigen Ausschuß zu behandeln und von uns aus in keiner Weise irgendeine Erschwerung der derzeitigen Situation vorzunehmen. Dazu gehört sehr viel Takt und Zurückhaltung nach draußen, und dazu gehört .sehr viel Klarheit und Entschiedenheit in der inneren Beziehung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410720900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner!

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410721000
Herr Minister, würde die Bundesregierung erwägen, die derzeitige starke Betonung der Gemeinsamkeit des Strebens nach Souveränität bei unserem französischen Partner einerseits und bei der Pekinger Regierung andererseits einmal unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob diese Souveränitätsfrage nicht mit Bezug auf die Souveränitätsverletzung, die französischerseits in unserem Lande vorgekommen ist, nun in Frankreich auf einen etwas günstigeren Boden fällt, und darf ich vielleicht schließen, daß der Herr Sonderminister Krone, der sich zur Zeit dort befindet, in dieser Sache schon den Boden vorbereitet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410721100
Herr Kollege Wehner, Sie kennen aus dem Auswärtigen Ausschuß den Inhalt unserer beiden Noten, und Sie wissen, daß wir es an der Deutlichkeit der Betonung unserer Souveränität und ihrer Verletzung nicht haben fehlen lassen.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410721200
Die Erwägung in bezug auf den Herrn Sonderminister Krone ist völlig abwegig?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410721300
Herr Kollege Wehner, ich würde sagen, alle Mitglieder der Bundesregierung nehmen drinnen und draußen einen einheitlichen Standpunkt ein.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Mommer: Sollten!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410721400
Keine Zusatzfrage mehr. Die Fragestunde ist beendet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 25 des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache IV/1826).
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen,
die in der nachfolgenden Sammelübersicht enthaltenen Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen anzunehmen.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
4930 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode •— 107. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1964
Vizepräsident Dr. Schmid
Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einen Gesetzes zu dem Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser vom 5. August 1963 (Drucksache IV/1682).
Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410721500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geschichte des Ihnen heute vorgelegten Vertrages über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser vom 5. August 1963 ist die Geschichte des Atomzeitalters. Sie beginnt mit dem Ende des 2. Weltkrieges, mit der ersten Atomexplosion am 26. Juli 1945 in Alamogordo in Neu-Mexiko, der bald die Bombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki folgten.
Es können hier nicht alle Bemühungen aufgezählt werden, die Kernwaffen unter Kontrolle zu bringen und die schädlichen Wirkungen der Versuche für die lebende und zukünftige Menschheit einzuschränken. Seit Oktober 1958 fanden mit Unterbrechungen Verhandlungen zwischen den drei Atommächten statt. Ihr Ziel war es, ein endgültiges, kontrolliertes Versuchsverbot zu erreichen. Das Abkommen vom 5. August 1963 ist ein erstes Ergebnis und zugleich der erste konkrete Schritt, dem nuklearen Wettrüsten Einhalt zu gebieten. Die Bundesregierung hofft, daß dieser Vertrag einen Schritt in Richtung auf die allgemeine und vollständige Abrüstung darstellt.
Wir begrüßen den Vertrag vor allem aus humanitären Gründen, weil er den weiteren radioaktiven Niederschlag verhindern soll. Bis zum Sommer 1963 haben in der Welt 441 Kernwaffenversuche stattgefunden. Sie hatten eine Sprengkraft, die 27 000 Bomben des Hiroshima-Typs entspricht. Die sowjetische Superbombe vom Herbst 1962 allein hatte eine Sprengkraft von etwa 60 Megatonnen. Das entspricht dem Detonationswert von rund 3000 Hiroshima-Bomb en.
Der Niederschlag dieser gewaltigen Menge radioaktiven Staubes gab Hunderten von Millionen Menschen in aller Welt Anlaß zu steigender Besorgnis. Die Tatsache, daß nunmehr keine Erneuerung des Niederschlages zu erwarten ist, ist in unseren Augen das wichtigste Ergebnis des Abkommens vom 5. August 1963.
Der Vertrag verbietet nur Versuche, die verhältnismäßig einfach überwacht werden können. Dafür genügen die Kontrollmittel, die sich auch außerhalb des Territoriums eines die Versuche durchführenden Staates befinden. Die Versuche unter der Erde müßten wegen der Verwechslungsmöglichkeiten mit Erdbeben noch an Ort und Stelle überwacht werden. Sie sind dann noch zugelassen, wenn keine radioaktiven Niederschläge auf fremdes Staatsgebiet gelangen können. Sie sind aber verboten, wenn die Gefahr der radioaktiven Verseuchung über die Grenzen hinweg droht.
Die Unterzeichnerstaaten haben sich verpflichtet, eine Einigung auch über das Verbot von unterirdischen Versuchen anzustreben. Bisher behauptet die Sowjetunion, daß nationale Kontrollmittel auch für die Identifizierung der unterirdischen Versuche genügten und daß Inspektionen an Ort und Stelle nur der Spionage dienten. Ein sowjetisches Angebot von drei Ortsinspektionen jährlich haben die Westmächte als unzureichend zurückgewiesen. Die Sowjetunion hat das Teilangebot im übrigen inzwischen zurückgezogen.
Der Teststoppvertrag hat auf der ganzen Welt ein breites Echo und eine große Anteilnahme gefunden. Die Weltöffentlichkeit hat ihn begrüßt. Auch die Aufnahme in der deutschen Öffentlichkeit war positiv.
Wir verkennen allerdings ebensowenig wie die ursprünglichen Unterzeichnerstaaten die begrenzte Bedeutung des Vertrages:
Er stellt keine Abrüstungsmaßnahme dar; er spricht nur ein begrenztes Verbot aus, denn die unterirdischen Versuche gehen weiter; er sieht keine Kontrollen oder Inspektionen vor; er ist leicht aufkündbar; er beendet nicht die Kernwaffenproduktion und vermindert nicht die bestehenden Arsenale; er kann die Gefahr eines Atomkrieges nicht beseitigen; er verbietet nicht die Anwendung von Kernwaffen im Kriege; er ist zwar ein wichtiger Schritt zur Nichtverbreitung von Kernwaffen, kann aber allein die weitere Ausbreitung nicht verhindern. Der Vertrag darf daher nicht dazu führen, in der Verteidigungsbereitschaft nachzulassen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits 1954 auf die Herstellung von Kernwaffen auf ihrem Territorium und damit auch auf Kernwaffenversuche verzichtet. Praktisch geht daher der Moskauer Vertrag nicht über unsere bisherigen Verpflichtungen hinaus. Der Unterschied liegt darin, daß die neuen Bindungen völkerrechtlich gegenüber allen Vertragsstaaten eingegangen werden.
Für uns hat, wie Sie alle wissen, der Vertrag besondere Probleme dadurch aufgeworfen, daß er es der sowjetischen Besatzungszone ermöglichte, die in dem Vertrag enthaltenen Verpflichtungen ebenfalls zu übernehmen. Dabei hatten wir es mit einem völkerrechtlichen Novum zu tun. Der Vertrag sieht nämlich drei Depositarmächte gegenüber sonst nur einer Depositarmacht vor. Das eröffnete der sowjetischen Besatzungszone die Möglichkeit zur Unterzeichnung in Moskau.
Es ist dem Hohen Hause bekannt, daß wir sehr sorgfältig alle rechtlichen Aspekte, die mit der Unterzeichnung durch die SBZ in Moskau zusammenhängen, geprüft und mit unseren Verbündeten beraten haben. Ich darf hierzu auf die Ihnen vorliegende Denkschrift verweisen, in der diese Fragen eingehend behandelt sind. Nachdem unsere Bedenken ausgeräumt waren, haben wir am 19. August 1963 in London, Moskau und Washington unterzeichnet. Wir haben ferner allen Regierungen, zu denen wir diplomatische Beziehungen unterhalten, unseren Standpunkt dargelegt und darum gebeten, alles zu unterlassen, was zu einer Anerkennung und

Bundesminister Dr. Schröder
zu einer Aufwertung der Zone führen könnte. Diese diplomatische Aktion hat ein sehr erfreuliches Ergebnis gehabt.
Hervorzuheben ist dabei, daß fast alle Staaten bei den drei oder doch zumindest bei zwei Depositarmächten unterzeichnet haben. Nur die SBZ, die Ukraine und die Weißrussische Sowjetrepublik haben allein in Moskau unterzeichnet. Das unterstreicht den Satellitencharakter der Zone besonders deutlich.
Außer der Bundesrepublik haben zwischen dem 5. August und dem 10. Oktober 1963, dem Tag des Inkrafttretens, 107 Staaten den Vertrag mitunterzeichnet. Ein Land ist ihm nachträglich beigetreten. Bis heute haben 16 Staaten Ratifizierungsurkunden hinterlegt, und auch die Behörden der SBZ haben ein solches Dokument in Moskau deponiert. Die wichtigsten Staaten, die den Vertrag nicht unterzeichnet haben, sind Frankreich und die Volksrepublik China.
Die Bundesregierung hat von Anfang an den Standpunkt vertreten, daß sich auch der Geltungsbereich des Teststopp-Vertrages auf das Land Berlin erstrecken soll. Einer vorbehaltslosen Einbeziehung des Landes Berlin stehen allerdings Rechte und Pflichten der Alliierten entgegen, die in der Erklärung der alliierten Kommandantur Berlin vom 5. Mai 1955 niedergelegt sind. Sie sind bei der Abfassung des Art. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 5. August nach Abstimmung mit den Alliierten berücksichtigt worden.
Wenn die Bundesregierung nun um die Zustimmung des Hohen Hauses bittet, so möchte sie daran erinnern, welche Hoffnungen und Erwartungen an diesen Vertrag — über seinen humanitären Charakter hinaus — geknüpft sind. Wir wissen alle, wie sehr Präsident Kennedy sich den Abschluß dieses Vertrages zum Ziel gesetzt hatte. Er betrachtete ihn von Beginn seiner Präsidentschaft an als einen wichtigen Test für die Möglichkeit einer Annäherung zwischen West und Ost. Auch die Bundesregierung hofft und wünscht aufrichtig, daß der Teststopp-Vertrag in der Tat die Bereitwilligkeit zur Beseitigung der Ursachen der politischen Spannungen in der Welt schaffen oder verstärken möge.
An erster Stelle steht hier die Teilung Deutschlands. Wir wünschen dringlich, daß auch die Sowjetunion diesen unnatürlichen Zustand im Herzen Europas eines Tages anders sehen möge als nur mit der Absicht, einen unnatürlichen Status quo gegen den Willen der Deutschen zu zementieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wieviele Probleme, die zwischen West und Ost stehen und die heute unlösbar erscheinen, fänden ihre leichte und natürliche Lösung, wenn auch dem Teil des deutschen Volkes endlich die Selbstbestimmung zugestanden würde, dem sie noch immer verweigert wird. Das würde in die europäische und die Weltpolitik ein Element der Sicherheit bringen, welches anders auf noch so kunstvollem Wege nicht erreicht werden kann. Damit würde auch das große Ziel der allgemeinen und vollständigen Abrüstung greifbar näher rücken.
In diesen Tagen nimmt die Abrüstungskonferenz in Genf ihre Arbeit wieder auf. Im Rahmen dieser Konferenz haben auch die langjährigen TeststoppVerhandlungen stattgefunden, die dem Abschluß des Vertrages voraufgegangen sind. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, der Konferenz zu versichern, daß wir ihre Arbeiten mit Anteilnahme verfolgen und ihr Erfolg wünschen.
Die Bundesregierung hofft, daß weitere Fortschritte auf dem eingeschlagenen Wege möglich werden. Das wird aber nur gelingen, wenn die zentralen Probleme nicht aus den Augen gelassen werden. Wir sind mit unseren Verbündeten einig in dem Bestreben, alles zu versuchen, was die WestOst-Beziehungen verbessern kann. Wir werden daran aufrichtig und energisch mitarbeiten. Dabei gibt es für uns nur einen kategorischen Imperativ: alles zu verhindern, was die Lösung der deutschen Probleme erschweren würde, aber alles zu fördern, was der gerechten Lösung der deutschen Frage dienen kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410721600
Ich eröffne die Aussprache in der ersten Beratung und erteile das Wort dem Abgeordneten Fritz Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410721700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, daß bei der Beratung des Teststopp-Vertrages im Deutschen Bundestag sicher auch einige Fragen behandelt werden müssen, die in einem mittelbaren Zusammenhang mit dem Vertrag selber stehen. Unter diesen Umständen empfinde ich die Leere der Regierungsbank als der Bedeutung des Gegenstandes nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD.)

Der Herr Außenminister hat zutreffend dargelegt, was der Vertrag bedeutet, und auch, was nicht in ihm steht. Es handelt sich um ein Verbot atomarer Versuchsexplosionen auf ganz bestimmten Gebieten. Ausgenommen sind unterirdische Explosionen, wenn der radioaktive Ausfall auf das eigene Staatsgebiet beschränkt bleibt. Der Vertrag verbietet weiterhin die Unterstützung von Versuchen anderer. Vom humanitären Standpunkte aus ist das sehr viel. Es wird damit der weiteren Verseuchung der Erdoberfläche mit all den möglichen Folgen für die Gesundheit der lebenden Generation und der künftigen Generationen eine gewisse Grenze gesetzt. Es handelt sich um einen bescheidenen Schritt auf dem richtigen Wege, das Wettrüsten wenigstens an einer Stelle zu bremsen. Mit diesem Vertrag verbindet sich die Hoffnung, daß es gelingen wird, weitere Schritte auf diesem Wege zu vollbringen und vor allem die allgemeine Ausbreitung von Kernwaffen in immer mehr Hände zu verhindern.
Der Vertrag sollte weiter dem Ziele dienen, die Beziehungen zwischen den Weltmächten zu verbessern. Nach der Vereinbarung über die kontrollierte Entmilitarisierung der Antarktis, nach der Vereinbarung über die Schaffung des Heißen Drahtes zwischen Washington und Moskau, um eventuelle Fehl-



Erler
einschätzungen und daraus resultierende Kriegsgefahren
zu vermindern, ist hier ein neuer Schritt getan worden. Man versucht, von der Peripherie her an schwieriger zu lösende weltpolitische Fragen heranzukommen. Zu diesen schwieriger zu lösenden weltpolitischen Fragen gehört eindeutig unser Hauptproblem, die Wiederherstellung der deutschen Einheit und die Gewährung des Selbstbestimmungsrechtes in gesicherter Freiheit an alle Deutschen. Aber wohlgemerkt, das ist nur eine Hoffnung, daß durch das Herangehen von der Peripherie her diese Fragen wieder neu in einem besseren Klima angesprochen werden könnten. Bisher hat sich diese Hoffnung noch nicht erfüllt.
Wir sollten auch ganz nüchtern — auch darauf hat der Herr Minister schon hingewiesen — feststellen, was nicht in dem Vertrage steht. Er ist zwar ein Schritt zum Abbremsen weiteren Wettrüstens; aber er enthält noch keine Maßnahme tatsächlicher Abrüstung. Die Entwicklung der Waffensysteme geht weiter. Die unterirdischen Explosionen bis zu einem recht beachtlichen Sprengkraftbereich — weit über die Bombe von Hiroshima hinaus — können fortgesetzt werden. Die Produktion einmal getesteter Sprengköpfe wird nicht beeinträchtigt. Die Arsenale können weiterhin gefüllt werden. Der Vertrag sagt darüber nichts, auch wenn wir wissen, daß inzwischen eine der Weltmächte auch der Füllung der Arsenale auf diesem Gebiet freiwillig und ohne internationale Verpflichtung für die Zukunft eine gewisse Bremse angelegt hat. Auch die Vorräte an militärisch verwendbaren atomaren Sprengkörpern bleiben unangetastet. Der Gebrauch von Kernwaffen in einem Kriege wird nicht berührt. Auch die Ausbreitung der Verfügungsgewalt über Kernwaffen und der Herstellungsmöglichkeit von Kernwaffen auf andere Staaten ist nicht völlig ausgeschlossen. Frankreich und China — um nur die beiden wichtigsten zu nennen — sind hier nach wie vor Anwärter. Beide haben sich ausdrücklich diesem Vertragswerk nicht angeschlossen.
Sehen wir somit einerseits den Schritt auf einem zweifellos wichtigen Wege und andererseits das, was noch zu tun bleibt, dann wird klar, daß wir uns vor falschen Wertungen dieses Vertragswerkes hüten müssen. Der Vertrag bringt nicht etwa eine völlige Wende in der Weltpolitik. Davon kann keine Rede sein. Aber wir sollten uns auch nicht so ausdrücken, wie es leider in unserem Lande schon geschehen ist: daß der Vertrag etwa der Sowjetunion alles gebe und sie nichts dafür habe leisten müssen, während die Vereinigten Staaten nichts erhalten, aber alles gegeben hätten. So ist es eindeutig auch nicht. Beide Seiten haben gleichwertige Leistungen erbracht. Der Vertrag bringt keine militärischen Nachteile für den Westen. Die Kündigungsklausel ist eine Notbremse, die man gerade auch auf Wunsch amerikanischer militärischer Sachverständiger eingezogen hat. Sie sichert, daß man zunächst Erfahrungen sammeln kann. Ohne eine solche Kündigungsklausel wäre der Vertrag überhaupt nicht zustande gekommen, weil man den Sprung ins Ungewisse ohne Korrekturmöglichkeit nicht unternommen hätte.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410721800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410721900
Herr Kollege Erler, Sie sprachen von einer Kündigungsklausel in diesem Vertrag. Nach meiner Kenntnis ist in diesem Vertrag keine Kündigungsklausel, sondern ein Rücktrittsrecht enthalten, und das ist etwas anderes.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410722000
Mit drei Monaten Vorwarnung kommt das praktisch auf eine Kündigungsklausel hinaus. Drei Monate Frist sind eingeräumt. Das ist eine Kündigungsklausel. Wie Sie es benennen wollen, hat hierbei rechtlich gar keine Bedeutung.
Aber ich wiederhole: Diese Klausel ist aufgenommen worden als Ergebnis auch gerade der Vorstellungen amerikanischer Sachverständiger auf militärischem Gebiet, wie sie sich in den Beratungen des amerikanischen Senats niedergeschlagen haben.
Auch ein anderes: Keine Änderungen des Vertragstextes sind möglich gegen einen der Erstunterzeichner, die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und die Sowjetunion, um eine Veto-Möglichkeit dagegen zu haben, daß etwa ungewisse Mehrheiten in Zukunft den Vertrag in einem völlig unerwünschten Sinne ändern könnten.
Der Vertrag ist in der Bundesrepublik Deutschland heftig umstritten gewesen, vor allem in der größten Fraktion dieses Hauses, in der CDU/CSU. Die letztere hat den Vertrag damals sogar völlig abgelehnt.
Beschäftigen wir uns einmal mit den Argumenten, die in unserem Lande vorgebracht worden sind. Das eine lautete etwa dahin: Der deutsche Beitritt sei überflüssig, da wir im Jahre 1954 auf die Produktion von Atomwaffen verzichtet hätten. Ich halte dies für ein gefährliches Argument, ein Argument, das völlig unnötigerweise Mißtrauen in die Absichten der deutschen Politik säen kann. Unser Produktionsverzicht erstreckt sich nur auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind vertraglich nicht daran gehindert, etwa an der atomaren Entwicklung anderer mitzuwirken. Die Bundesrepublik Deutschland hat ausdrücklich bisher von sich aus erklärt, daß sie das nicht tut. Aber es gibt keine Verpflichtung auf diesem Gebiet. Das Mißtrauen anderer flammt in der Umwelt auf, weil dieses Argument eben oft von denen gebraucht wird, die die französische Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen. Ich möchte daher sagen: Bei der Beratung dieses Vertragswerks darf es keine Zweifel geben. Die Bundesrepublik Deutschland hat weder atomaren noch anderen Weltmachtehrgeiz, und sie tut alles, um die Geschlossenheit der westlichen Gemeinschaft in Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu sichern.

(Beifall bei der SPD.)

Das zweite vorgebrachte Argument war dies: Könnte nicht durch die Unterzeichnung des Vertragswerkes durch die Bundesrepublik Deutschland das Ulbricht-Regime völkerrechtlich aufgewertet werden? Das ist eine ernsthafte Frage. Diese ernsthafte



Erler
Frage ist sehr ernsthaft und klar im deutschen Sinne beantwortet worden. Der Vertrag und die Modalitäten seiner Unterzeichnung enthalten keine Anerkennung des Sowjetzonenregimes. Die Zone gewinnt keine Rechte aus dem Vertrag, wohl aber ist sie durch ihn gebunden. Ich möchte dem Bundestag in Erinnerung rufen, was der amerikanische Außenminister Rusk zu diesem Thema am 12. August 1963 ausgeführt hat. Ich zitiere:
Es wurde die Ansicht geäußert, ein Regime könne möglicherweise durch den Akt der Unterzeichnung des Vertrages
— besser: dadurch, daß es den Vertrag übernimmt, „subscribe" heißt es im Text —
die Anerkennung durch Vertragsparteien, die es jetzt nicht anerkennen, erlangen. Eine derartige Wirkung kann nicht eintreten. Im Völkerrecht ist bestimmendes Kriterium der Anerkennung die Absicht. Als einen Staat oder als ein Gebilde, das nationale Souveränität besitzt, erkennen wir die sowjetische Besatzungszone Ostdeutschland nicht an und beabsichtigen nicht, sie anzuerkennen oder die örtlichen Behörden als Regierung anzuerkennen.
Durch den Akt der Unterzeichnung des Versuchsstoppvertrages können die genannten Behörden diese Tatsache nicht ändern. Der Präsident hat dies in seiner Pressekonferenz vom 2. August klargestellt. Das Außenministerium hat am 3. August eine förmliche Erklärung im gleichen Sinne herausgegeben. ...
Alles dieses ergäbe sich als notwendige Folge aus der allgemeinen Regel des Völkerrechts, daß die Teilnahme an einer mehrseitigen Übereinkunft den Anerkennungsstatus einer Behörde oder eines Regimes nicht berührt.
Der vorliegende Vertrag enthält aber zusätzliche Sicherungen. Völkerrechtliche Verträge sehen normalerweise einen einzigen Verwahrer vor. In Art. III ist jedoch bestimmt, daß jede der drei ursprünglichen Vertragsparteien Verwahrmacht des Vertrages ist. Keine Verwahrmacht braucht eine Unterschrift oder eine Beitrittsurkunde von Behörden eines Gebiets, das von ihr als Staat nicht anerkannt wird, anzunehmen.
Die ostdeutschen Behörden werden den Vertrag in Moskau unterzeichnen. Die Sowjetunion wird uns möglicherweise diesen Akt notifizieren. Für uns besteht keinerlei Verpflichtung, diese Notifikation anzunehmen, und wir haben nicht die Absicht, dies zu tun. Aber das ostdeutsche Regime hätte sich verpflichtet, die Bestimmungen des Vertrages zu befolgen.
Durch diese Regelung stellen wir nicht nur sicher, daß sich kein Rückschluß auf eine Anerkennung ergeben kann, sondern wir halten uns unser Recht offen, Einspruch zu erheben, wenn das ostdeutsche Regime späterhin versuchen sollte, auf Grund des Vertrages Vorrechte wie z. B. das Stimmrecht oder die Teilnahme an einer nach Art. II einberufenen Konferenz geltend zu machen.
Soweit das Zitat des amerikanischen Außenministers Rusk.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410722100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410722200
Bitte!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410722300
Herr Kollege Erler, Sie haben sicherlich zu Recht eben Ausführungen darüber gemacht, daß mit diesem Vertrag keine Anerkennung der Zone verbunden ist. Sie haben vorher aber etwas gesagt, was weiterging, nämlich es sei mit diesem Vertrag der Zone kein Recht gegeben worden, hingegen seien ihr Pflichten auferlegt worden. Darf ich an Sie in diesem Zusammenhang folgende Frage richten: Halten Sie es nicht für ein Recht, wenn in Art. II Abs. 1 gesagt wird, jede Vertragspartei kann Änderungen zu diesem Vertrag vorschlagen, und danach berufen die Verwahrregierungen auf Antrag von mindestens einem Drittel dor Vertragsparteien eine Konferenz ein etc.?
Ich möchte glauben, daß dieses Recht wohl allen Vertragsparteien zusteht und ,daß die Zone durch ihre Unterschrift in Moskau, mindestens nach dem Text des Vertrages, sich als Vertragspartei ansehen wird.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410722400
Ich halte es nicht für in unserem Interesse liegend, die Rechte der Zone weiter zu interpretieren als der Außenminister des Staates, der den Vertrag selbst ausgehandelt hat.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP.)

Die sowjetische Besatzungszone wird durch Einfügung in Verpflichtungen eines derartigen Abkommens weder mehr noch weniger. Das Gerede von Anerkennung zeugt von mangelndem Selbstbewußtsein. Es liegt nicht im deutschen Interesse, wenn Ulbrichts Wunschvorstellungen und Ziele auf unserer Seite als Tatsache hingestellt werden;

(Beifall bei der SPD)

ich nenne als Beispiel etwa die im vergangenen Jahr leider zu lesende Behauptung, im Vertrage selbst sei Ulbricht die staatliche Souveränität verbrieft worden.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Wäre das übrigens anders, wenn die Bundesrepublik Ulbricht allein hätte beitreten lassen? Solches Verhalten wertet den Herrn nur auf und sät Mißtrauen unter den westlichen Verbündeten. Um es ganz hart zu sagen: Dieses Abkommen ist nicht „München" und verträgt keine Parallele mit dem Münchener Vertrag.

(Beifall bei der SPD.)

Teile der CDU/CSU haben noch kein richtiges Verhältnis zu dem Versuch gefunden, gemeinsam mit unseren Verbündeten Schritt für Schritt das weltpolitische Gelände aufzulockern, um an die deutsche Frage heranzukommen.



Erler
Ich habe in einem ■interessanten Dokument zwei Sätze gelesen, die ich voll unterstütze:
Wir müssen daher auf der Suche nach Frieden ausdauernd bleiben in der Hoffnung, daß konstruktive Änderungen innerhalb des kommunistischen Blocks Lösungen in Reichweite bringen können, die heute noch unerreichbar scheinen. Wir müssen unsere Politik so betreiben, daß es schließlich das eigene Interesse der Kommunisten wird, einem echten Frieden zuzustimmen.

(Abg. Wehner: Sehr gut gesagt!)

In der Regierungserklärung vom 29. November 1961 wurden nur weltweite Albrüstungsmaßnahmen bejaht, alle anderen denkbaren Schritte zur Abrüstung hin dagegen ausdrücklich abgelehnt, alle! Diese Haltung ist zu eng, und zwar auch im Lichte der Erörterungen der Weltmächte in Genf, die gestern wieder begonnen haben.
Natürlich müssen wir uns einschalten, um eine Gefährdung unserer Interessen zu vermeiden. Deswegen werden wir wohl bald Aufschluß darüber erwarten können, wie weit die Vorschläge der Bundesregierung im Botschafterlenkungsausschuß über die unfruchtbare Haltung ,der Regierungserklärung vom November 1961 hinausgehen.

(Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

Was eine Katastrophe weniger wahrscheinlich macht, ohne 'die Zukunft Deutschlands und die Freiheit zu gefährden, ist ein Fortschritt.

(Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

„Alles oder nichts" ist auf diesem Gebiet keine gute Politik. Wer glaubt, durch Aushungern den Kommunismus in der Sowjetunion stürzen zu können, geht an den weltpolitischen Möglichkeiten von heute etwas vorbei.

(Beifall bei der SPD.)

Allerdings ist es legitim, sowjetische Interessen politisch für den Westen zu nützen. Das ist eine wichtige Aufgabe.

(Abg. Dr. Barzel: Aha!)

Entscheidend sind dabei aber wirkliche Schritte und nicht nur Posen.

(in Moskau allein hinterlegen müssen, da dort verhandelt worden ist. Es ist gelungen — hier im Bundestag können wir darüber entscheiden —, auch auf diesem Gebiet die außenpolitische Vertretungsmacht der Bundesregierung für Berlin unter Wahrung der Rechte der Alliierten durchzusetzen. Wir wissen allerdings, daß in der letzten Phase der Verhandlungen vor der Vertragsunterzeichnung die Konsultation nicht lückenlos und schnell genug funktioniert hat. Daraus gilt es Lehren für die Zukunft zu ziehen, sowohl bei den Alliierten, die das angeht, als allerdings auch bei uns, wenn wir uns etwa an die Besetzung der Botschaften in der Urlaubszeit erinnern, gerade zu einer Zeit, wenn derartig wichtige Dinge laufen. Wichtig ist nun, wie es weitergeht. — Ja bitte! Nur eine technische Frage, Herr Kollege Erler! Ist Ihnen nicht bekannt, daß wir während der strittigen Zeit der Aushandlung dieses Abkommens in Moskau extra den Gesandten dort gelassen haben, der in sowjetische Affären eingearbeitet war, obwohl er schon abberufen war, um die notwendige Besetzung der deutschen Botschaft in Moskau sicherzustellen, und können Sie dann die Behauptung, die Sie gerade aufgestellt haben, aufrechterhalten? Ich erinnere mich, daß damals beide Botschafter, sowohl der in Moskau als auch der in Washington, auf Urlaub waren. .Und wie war es denn mit Washington? Das war doch immerhin auch ein beteiligter Staat. Wenn man mit der amerikanischen Regierung zu tun hat, hat man doch nicht nur mit ihrem Botschafter in Moskau zu tun. Wichtig ist, wie es nun nach diesem Vertrage weitergehen soll. Erwünscht ist selbstverständlich, daß alle Versuche in allen Ländern verboten werden, auch die unterirdischen, und daß man zu diesem Zweck angemessene Kontrollen schafft. Erwünscht ist, daß man zu wirklichen Abrüstungsmaßnahmen vorstößt, d. h. gleichzeitig Maßnahmen, die einer Verringerung der Rüstungslasten dienen können, aber unter Wahrung des militärischen Gleichgewichts zwischen West und Ost und unter Einbau jener notwendigen Kontrollen, die erforderlich sind, damit nicht derjenige, der den Vertrag heimlich umgeht, Vorteile gewinnt gegenüber demjenigen, der den Vertrag loyal erfüllt. An dieser Stelle müssen wir uns mit dem Zusammenhang zwischen der Abrüstung, möglicher Entspannung und der deutschen Frage beschäftigen. Blinde Fortsetzung des Wettrüstens führt eines Tages entweder zu einer gewaltsamen Entladung oder zementiert günstigstenfalls den Statuts quo, der ja gerade uns in Deutschland nicht gefällt. Wir wissen aber, daß auch die Abrüstung die deutsche Frage nicht automatisch löst. Deshalb enthält die Abrüstungspolitik gleichermaßen Gefahren und Chancen. Dr. Adenauer hat früher einmal gesagt, nur auf dem Wege über die Abrüstung sei die deutsche Frage lösbar. Damit hat er recht. Bei weltpolitischer Versteifung ist die deutsche Frage nicht ins Gespräch zu bringen, Erler nur bei einer Auflockerung des Vorfeldes. Da setzt nun unsere Verpflichtung, die Verpflichtung der Politik der Bundesrepublik Deutschland ein. Wir müssen jeden Schritt so beeinflussen, daß zunächst die Lösung der deutschen Frage auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts auch durch Abrüstungsvereinbarungen nicht erschwert wird, daß die militärische Sicherheit nicht gefährdet wird, daß die Position Berlins dabei nicht angetastet wird und daß, soweit nur irgend möglich, auf diesen drei Gebieten sogar Verbesserungen herausgeholt werden. Das erfordert natürlich sorgfältige Überlegung. Da muß man die Entwicklungen und Diskussionen auf einer Reihe sehr eng ineinander verwobener Gebiete gründlich beobachten. Strategie und Abrüstungspolitik hängen sehr eng miteinander zusammen. Die Entwicklung der modernen Waffentechnik stellt beinahe täglich neue Probleme. Die Wirtschaft wird sowohl von den Rüstungen wie auch von denkbaren Begrenzungen in der einen oder anderen Weise betroffen. Politische, auch außenpolitische Auswirkungen sind unvermeidlich. Ich habe diesen gesamten Fragenkreis hier aufgezeigt, um klarzumachen, daß er sich einer engen Behandlung durch reines Spezialistentum entzieht. Wir brauchen — ich wiederhole eine Anregung, die wir mehrfach in diesem Hause vorgetragen haben -im Bereiche der Bundesregierung eine Stelle, die sich mehr mit dem gesamten Problemkreis im Zusammenhang beschäftigen kann, als dies das Sonderreferat „Abrüstung" im Auswärtigen Amt zur Zeit zu tun vermag. Mit einem Wort: für uns ist die Schaffung eines Abrüstungsamtes im Bereiche der Bundesregierung noch wichtiger als für viele andere Staaten, die nicht eine Frage politischer Ordnung wie die deutsche Frage zu lösen haben. Das kann helfen, deutsche Beiträge vorzubereiten und beizusteuern und auch mögliche gefährliche Fehlentwicklungen beizeiten abzuwehren. Deshalb greife ich ausdrücklich diese unsere Forderung zu den Regierungserklärungen von 1961 und 1963 in dieser Stunde erneut auf. Das deutsche Volk ist an einem Gelingen einer Politik der Entspannung interessiert, aber es nimmt nicht das bloße Wort für den Inhalt. Entspannung muß dann auch sichtbar werden an der Mauer in Berlin und dem Los unserer Landsleute in der Zone. Um das zu erzielen, muß man sich in die Bemühungen der Weltmächte durch Beratung unseres wichtigsten Verbündeten einschalten. Wer hingegen die Entspanung etwa glaubte verhindern zu können, der würde damit eine Koalition aller gegen das deutsche Volk schaffen; er würde uns in die Rolle des Störenfriedes versetzen. Das darf nicht geschehen. Daher müssen wir den Gang der Dinge beeinflussen, positiv auf ihn einwirken. Das geht nicht in einer Atmosphäre gegenseitigen Mißtrauens unter den Verbündeten. Das geht auch nicht durch einen Alleingang der deutschen Politik, sondern nur in engster Solidarität mit unseren Verbündeten. (Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Das geht auch nicht durch ästhetische Bemerkungen, daß man das Gerede nicht mehr hören könnte! — Abg. Lemmer: Was verstehen Sie unter „Alleingang"?)

Ernst Majonica (CDU):
Rede ID: ID0410722500
Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410722600

(Abg. Majonica: Er war krank!)


(Abg. Majonica: Da wurde aber gehandelt!)


(Abg. Wehner: Sehr wahr!)





(Abg. Wehner: Sehr wahr!)


(Beifall bei der SPD.)


(Sehr richtig! bei der SPD.)

— Es gibt gelegentlich manche Stimmen in unserem Lande, die einen Alleingang nach Moskau in Gang setzen wollen, und es gibt manche Stimmen bei einigen unserer Freunde, die einen Alleingang nach China unternehmen.

(Beifall bei der SPD.)

Damit möchte ich mich mit diesem Thema beschäftigen. Die Entscheidung unserer französischen Freunde über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu China hat die Solidarität des Westens erneut beeinträchtigt. Es ist eine seltsame Ironie — oder vielleicht auch mehr, und deshalb muß man das im Zusammenhang mit diesem Vertrag hier sehen —, daß es sich dabei eben gerade um jene beiden Staaten handelt, die das Atomversuchsverbot nicht unterzeichnet haben.

(Abg. Wehner: Albanien fehlt!)

Ich bedauere, daß Frankreich in Genf bei den Abrüstungsverhandlungen nicht mit am Tisch sitzt.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Unsere gesamte Position wäre stärker, wenn sein Rat dort nicht fehlte.

(Erneute Zustimmung bei der SPD.)

Wir wissen auch, daß es keine wirksame Rüstungsbegrenzung ohne die Einbeziehung Chinas gibt, und ich gestehe ganz offen, daß es über die Art der Beziehungen zu China in der westlichen Welt sehr nuancierte Ansichten gegeben hat. Wir sind z. B. — und darin unterscheiden wir uns etwas von manchen wichtigen Auffassungen in den Vereinigten Staaten — nicht für eine Isolierung Chinas eingetreten. Wir sind der Meinung, die Vereinten Nationen sollten durchaus universal sein, damit sie allen ihren Mitgliedern Pflichten auferlegen können. Aber es ist doch wohl so, daß bisher in Frankreich manche Stimmen der Begründung für das französische Kernwaffenpotential zu hören waren mit dem Hinweis auf China, und daß man in China gesagt hat, solange es nicht möglich sei, Frankreich zur Einstellung seiner Bemühungen zu veranlassen, müsse China die seinen fortsetzen. Wenn nun diese beiden Staaten in ein neues Verhältnis zueinander treten, wäre es natürlich ein gewaltiger Erfolg, falls sie beide gegenseitig dieses Argument fallen ließen. Das würde der Sache der Abrüstung außerordentlichen Auftrieb geben

(Abg. Wehner: Wird im deutsch-französischen Vertrag geregelt!)

und uns allen eine Sorge vom Herzen nehmen.
Aber wenn wir die Dinge nüchtern betrachten, kommen wir doch wohl zu dem Ergebnis, daß



Erler
Frankreich China sicher nicht gerade auf dem Gebiet der Abrüstung zum Einlenken bewegen will.

(Abg. Wehner: Leider wahr!)

Ich fürchte, daß hier ein Stück gemeinsamen Ehrgeizes dieser sonst so ungleichen Staaten vorliegt. Ich fürchte auch, daß es nicht die Absicht unserer französischen Freunde ist, etwa das Verhältnis zu den Vereinten Nationen besser zu gestalten; denn auch das Verhältnis zu den Vereinten Nationen war ja in den letzten Jahren auf französischer Seite nicht ganz ungetrübt. Heute ist sicher hier nicht Ort und Stunde, die Weisheit der verschiedenen Haltungen zu China zu erörtern.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr richtig!)

Worauf es ankommt, ist vor allem, daß man im Westen das, was man praktisch vorhat, miteinander bespricht,

(Abg. Wehner: Konsultiert!)

daß man freundschaftlich erörtert, wie man vorgehen kann, mit welchen Motiven man an bestimmte Dinge herangehen kann, wie man die Politik aufeinander abstimmen kann. Hier geht es vor allem um die Methode. Verletzende Alleingänge schwächen die Gemeinschaft.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

Wir müssen das auch sagen, weil wir heute früh vom Herrn Außenminister gehört haben, daß die Bundesregierung vor dieser wichtigen Entscheidung nicht konsultiert worden ist. Ich halte das mit dem Geist und vor allem dem Wortlaut des deutsch-französischen Vertrages nicht für vereinbar. Der Vertrag sieht die Konsultierung — ich meine sogar als Pflicht; denn es ist im Indikativ gesagt — ausdrücklich, insbesondere auch für die Fragen der OstWest-Beziehungen vor. Es kann doch wohl niemand leugnen, daß die französische Linie zu China ein wichtiger Punkt der Gestaltung der Ost-WestBeziehungen ist. Ich meine auch, daß diese Frage vor den NATO-Rat gehört hätte.

(Abg. Wehner: Ja, sehr wahr!)

Sie scheint mir weltpolitisch noch wichtiger zu sein als Kredite oder Weizenlieferungen im Osthandel, wozu ja die Bundesregierung ausdrücklich vorgeschlagen hat, sie zum Gegenstand der Beratungen im NATO-Rat zu machen, und zwar zu Recht.

(Beifall bei der SPD.)

Auch manche von unseren Freunden in Frankreich gegebene Begründung stimmt mich etwas bedenklich, etwa die Begründung, beide Länder seien durch den Kampf gegen Monopolmächte verbunden,

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

oder die indirekte Darstellung der westlichen Gemeinschaft als eine Art neuen Kolonialsystems. Was bedeutet es auch, wenn es heißt, man gehe von den Realitäten aus,

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

und wenn man damit zu einer Art Zwei-China-Politik kommt? Welche Konsequenzen kann dies für
die künftige Haltung zur deutschen Frage haben,
nicht nur für die Haltung unseres französischen Nachbarn, sondern anderer Länder in den Vereinten Nationen, auf deren Stimme wir bisher haben rechnen und zählen können, etwa afrikanischer oder lateinamerikanischer Länder?

(Abg. Wehner: Herr Süsterhenn erkundet das in Formosa und Herr Krone in Paris! — Heiterkeit bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, um mögliche Mißverständnisse bei unseren Bündnispartnern auszuschalten, sollte die Bundesregierung klarstellen: Das enge deutsch-französische Verhältnis bedeutet keine Mitverantwortung für eigenwillige Schritte unseres Nachbarn, und zwar erst recht dann nicht, wenn die Bundesregierung vor einer solchen Entscheidung nicht einmal konsultiert worden ist.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Der Inhalt des heute zu behandelnden Vertragswerks, sein Zustandekommen, die Fortsetzung der Besprechungen in Genf, die von mir eben behandelte Entscheidung der französischen Regierung zu China, das alles wirft viele offene Fragen auf. Wir sollten möglichst bald ausführlich in den Ausschüssen unseres Hauses auch über die notwendigen Einzelheiten, die sich einer öffentlichen Erörterung entziehen, sprechen. Die Weltpolitik ist in Bewegung geraten. Ohne die Bedeutung der Bundesrepublik Deutschland zu überschätzen, müssen wir uns doch unserer Mitverantwortung für den Gang der Dinge bewußt sein.
Wir sagen ja zur Minderung von Explosionsgefahren. Wir sagen ja zu einer Politik des Westens, die Kraft und Wachsamkeit mit politischer Zähigkeit und der Bereitschaft zum Gespräch verbindet. Wir sagen ja zur Solidarität der Gemeinschaft freier Völker, ohne die unsere deutsche Sache nicht gefördert werden kann. Aus diesen drei Ja ergibt sich, daß wir wünschen, daß das Vertragswerk möglichst bald in diesem Hause abschließend beraten werden kann.

(Anhaltender Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410722700
Das Wort hat der Abgeordnete Majonica.

Ernst Majonica (CDU):
Rede ID: ID0410722800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wahrscheinlich war es gut, daß zwischen der Unterzeichnung dieses Abkommens, das wir heute in der ersten Lesung zu behandeln haben, und der heutigen Ratifikationsdebatte eine gewisse Zeit verstrichen ist, daß wir uns nicht sofort in dem ersten Für und Wider, in der ersten Diskussion mit diesem Abkommen zu beschäftigen haben. Denn ein wenig von dieser Erregung, die damals nach diesem Abkommen in der deutschen Öffentlichkeit und in den Parteien aufkam, zitterte auch noch durch die Erklärungen und die Ausführungen, die der Kollege Erler hier gemacht hat. Leider war das Zittern nicht stark genug, um auch die Auseinandersetzungen in der eigenen Partei zu erreichen. Ich möchte hier nicht weiter gehen, weil das sonst als eine Kritik am amtierenden Präsidenten aufgefaßt werden könnte. Ich möchte an die damaligen



Majonica
kritischen Ausführungen erinnern, die auch in Ihren eigenen Reihen zu dieser Frage gemacht worden sind. Herr Kollege Erler, wenn Sie jetzt Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion in diesem Hause werden, werden Sie vielleicht mehr Sorge um die Einheit auf außenpolitischem Gebiet in den eigenen Reihen als um die in den Reihen der CDU/ CSU haben müssen.

(Lachen bei der SPD.)

— Ja, gut, wenn Sie lachen, dann darf ich darauf hinweisen, daß wir keinen Landesverband in der CDU/CSU haben, in dem durch einen Maulkorb die Fraktionsbildung der Linken verhindert werden mußte.

(Lachen bei der SPD.)

Wir haben auch keinen Fraktionsvorsitzenden in einem Landesparlament, der erklärt hat, die Außenpolitik der Partei sei nur Taktik und dazu noch falsche Taktik, weil sie es gar nicht nötig gehabt habe, sich auf die Außenpolitik der CDU einzustellen; denn ihre eigene Außenpolitik — er meinte wohl den Deutschland-Plan — habe sich als richtig erwiesen.

(Abg. Wehner: Welches Marktschreierniveau haben Sie jetzt hier eingeschlagen!)

— Ich habe im Augenblick nur Ihren Fraktionsvorsitzenden im hessischen Landtag zitiert,

(Abg. Wehner: Wann kommen Sie denn endlich zur Sache? Zerbrechen Sie sich doch nicht unseren Kopf!)

) und wenn Sie darüber dieses Urteil fällen, fällen Sie praktisch das Urteil über Ihren eigenen Fraktionsvorsitzenden.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Das ist ja der „billige Jakob"!)

Aber ich glaube, wir können dieses Gebiet, das Herr Kollege Erler, nicht ich, angeschnitten hat, verlassen.
Heute, nach dem Ablauf einer gewissen Zeit, ist es leichter, festzustellen, welche Folgen, Rückschritte und Fortschritte seit diesem Vertragsschluß eingetreten sind. Wir können heute besser prüfen, welche Hoffnungen sich erfüllt haben, welche Illusionen zerstört worden sind, welcher Pessimismus berechtigt war und welcher nicht.
Zunächst darf ich unterstreichen, was auch der Herr Außenminister mit großen Nachdruck vorgetragen hat, daß die CDU/CSU den hohen humanitären Wert dieses Abkommens betont. Es gab doch die lauernde Furcht, die Vergiftung unserer Atmosphäre würde zu einer Vernichtung des zukünftigen gesunden Lebens auf dieser Welt führen. Sicherlich werden diese Auswirkungen der Atombombenversuche unter den Fachleuten verschieden beurteilt. Aber allein diese Furcht war schon ein Faktum, und sicherlich hat auch diese Furcht vor der Vergiftung unserer Atmosphäre dazu geführt, daß so viele Staaten so schnell diesen Vertrag unterschrieben haben. Dieser hohe humanitäre Wert des Abkommens ist von der CDU/CSU-Fraktion niemals bestritten worden.

(Abg. Dr. Roesch: Auch von uns nicht!)

Diesem Zweck des Abkommens haben wir alle unterschiedslos unsere Zustimmung gegeben. Wir konnten das um so mehr — auch darauf ist schon hingewiesen worden —, als wir uns in dem Abkommen von 1955 materiell schon zu den Verpflichtungen des jetzt ausgehandelten Vertrages bekannt haben mit der einen Ausnahme, daß darüber hinaus auch Hilfen für die Atombombenversuche anderer nach diesem Vertrag nicht statthaft sind; darin geht dieser Vertrag weiter.
Die militärischen Auswirkungen dieses Vertrages sind unter den Fachleuten umstritten. Man weiß, daß hier Streitfragen waren, ob sich die Vor- und Nachteile dieses Vertrages für die Verteidigung der westlichen Welt aufheben. Vielleicht wäre es deshalb gut, wenn wir bei den Ausschußberatungen auch einmal die Hearings im amerikanischen Senat prüften.
Die wesentliche Diskussion aber, die bei uns in der Bundesrepublik um diesen Vertrag geführt wurde, ging um die Auswirkungen auf die deutsche Frage. Das scheint mir eine sehr legitime Fragestellung zu sein. Der Vertrag spricht von Staaten. Er sieht Verfahrensvorschriften darüber vor, wie die Unterzeichner im Rahmen dieses Vertrages tätig werden können. Es ergab sich also ganz deutlich das Problem, ob dadurch nicht eine Aufwertung, ja, Anerkennung der Zone vorgenommen worden sei. Dabei war sicherlich von vornherein klar, daß Ulbricht nur an einer Stelle, nämlich in Moskau, unterzeichnen konnte.
Wir von der CDU/CSU-Fraktion möchten der Bundesregierung dafür danken, daß sie durch intensive Bemühungen bei den beiden Unterzeichnerstaaten Amerika und England erreicht hat, daß sie deutlich gemacht haben, daß damit keine Aufwertung und vor allen Dingen keine Anerkennung der Zone ausgesprochen worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte auf die entsprechenden Erklärungen hinweisen, die diesem Vertragswerk in der Anlage beigefügt worden sind. Das berechtigte Alleinvertretungsrecht der Bundesrepublik für ganz Deutschland ist eindeutig herausgestellt worden. Damit ist der Status der Zone erneut vor der Weltöffentlichkeit klargemacht worden, auch klargemacht worden, daß die Zone diesen Vertrag nicht dazu mißbrauchen kann, eine Aufwertung durch die Hintertür zu erreichen.
Mir scheint, daß — entgegen der damals von Ihnen geübten Kritik — diese Klarstellung auch angesichts der Vorgeschichte des Vertrages notwendig war. Das Zusammenwirken der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der Bundesrepublik hat bisher verhindert, daß Konsequenzen gezogen wurden, die den Status der sowjetisch besetzten Zone verändert haben. Ja, ich bin der Meinung, daß durch die Notifizierung, die die USA und Großbritannien durch ihre diplomatischen Missionen in der ganzen Welt vorgenommen haben, das Alleinvertretungsrecht der Bundesrepublik auch in ihrer Sicht erneut bestätigt und damit bei den Neutralen gefestigt worden ist. Es ist selbstverständlich, daß von uns aus nichts ge-



Majonica
schehen darf, was dieses Alleinvertretungsrecht gefährdet. Dieser Anspruch und dieses Recht sind eine unveränderliche Konstante der deutschen Politik, die im Grundgesetz verankert ist.
Gemäß der Präambel des Vertrages ist der Vertrag das Teilstück 'einer allgemeinen vollständigen Abrüstung unter strenger internationaler Kontrolle. Damit ist das Vertragswerk Teil der sogenannten allgemeinen Entspannungspolitik der vom Präsidenten Kennedy eingeleiteten Friedensstrategie des Westens. Aber schon hier möchte ich ganz deutlich der Auffassung entgegentreten, daß Entspannung allein durch Abrüstung erreichbar sei. Die CDU/CSU hat es nicht notwendig, zu betonen, daß sie jede wirksame, d. h. kontrollierte Abrüstung begrüßt und aktiv unterstützen wird. Aber die Rüstung ist die Folge der politischen Gegensätze und nicht umgekehrt. Wer Entspannung will, muß selbstverständlich die Spannungstatbestände beseitigen. Nur so wird auch eine allgemeine vollständige Abrüstung möglich sein. Im Zeichen von Mißtrauen und Spannungen wird es kaum Hoffnung auf eine derartige Abrüstung geben. Das heißt nicht, daß man nicht mit Randproblemen beginnen kann, um sich auf die wesentlichen Probleme langsam vorzutasten, um das Gelände zu sondieren und das Klima zu verbessern.
Das Ergebnis der Besuche von Bundeskanzler Erhard und Bundesaußenminister Schröder in Paris, in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien hat eindeutig unter Beweis gestellt, daß die Bundesrepublik die Entspannungspolitik unterstützt. Der Versuch muß einfach unternommen werden, den Teufelskreis der atomaren Bedrohung der Menschheit zu durchbrechen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir wollen einen Frieden der Gerechtigkeit erreichen. Aber wir stimmen vor allen Dingen auch darin mit unseren Verbündeten überein, daß dieser Versuch zur Entspannung — gleich wie optimistisch oder pessimistisch oder besser realistisch man ihn beurteilt — nur dann durchführbar ist, wenn neben Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft die Stärke des Westens und seine Geschlossenheit gesichert sind. Jede Schwäche bei uns, jede Auflösungserscheinung schwächt die Position des westlichen Gesprächspartners in den Augen der Sowjets, mindert seine Bedeutung und verringert sofort das Interesse Moskaus an einer Entspannung. Das gilt vor allen Dingen für die NATO. Es wäre falsch, wenn Partner dieses Bündnisses die Entspannungspolitik dazu mißbrauchten, ihre militärischen Anstrengungen zu vermindern oder zugesagte Beiträge nicht voll zu leisten. Vor allen Dingen — darin stimme ich mit dem Kollegen Erler überein — muß die Konsultation in der NATO verbessert werden. Eine gemeinsame Verteidigung setzt die Anstrengung für ein Höchstmaß an gemeinsamer Außenpolitik voraus, und das kann eben nur durch ständige Konsultationen erreicht werden.

(Zuruf von der Mitte: Sehr wahr!)

In diesem Zusammenhang hat der Herr Kollege Erler das Problem der Anerkennung Rotchinas durch
Paris angeschnitten. Nun, wir werden uns darüber einig sein, daß diese Frage Ausstrahlungen in vielerlei Bereiche hat, daß es sich hier um ein wirklich diffiziles Problem handelt, das viele Gebiete der Welt und viele Probleme in dieser Welt berührt. Deshalb würde ich es begrüßen, wenn wir diese Frage einmal zum Gegenstand einer intensiven Beratung im Ausschuß machten und sie vor allen Dingen auch im Zusammenhang mit der Frage einer deutschen Ostasien-Politik sähen, die, glaube ich, hier gestellt ist und von uns beantwortet werden muß.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410722900
Herr Abgeordneter von Merkatz möchte eine Zwischenfrage stellen.

Ernst Majonica (CDU):
Rede ID: ID0410723000
Ja, bitte!

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0410723100
Kerr Kollege, können Sie mir erklären, warum die britische Anerkennung der Volksrepublik China nicht diese Auswirkungen gehabt hat und warum nun die französische Anerkennung bzw. die Aufnahme diplomatischer Beziehungen — oder wie man es nennen mag — zu einem Anlaß einer Aufregung besonderer Art geworden ist?

Ernst Majonica (CDU):
Rede ID: ID0410723200
Herr Kollege von Merkatz, ich möchte dazu sagen, daß der Zeitpunkt der britischen und der französischen Anerkennung Rotchinas ein verschiedener gewesen ist. Aber das gehört ja alles zu den Problemen, die wir dann im Auswärtigen Ausschuß miteinander behandeln wollen, um — ich darf es noch einmal sagen an diesem Vorgang auch die Möglichkeiten einer positiven und aktiven deutschen Ostasien-Politik zu prüfen.

(Abg. Wehner: Sehr gut!)

— Ja, ich glaube, Herr Kollege Wehner, daß wir die Frage mal im Auswärtigen Ausschuß — —

(Abg. Wehner: Sie dürfen mir auch einmal glauben, wenn ich etwas sage!)

— Danke schön! Ich habe immer eine gewisse Skepsis, wenn Sie „sehr gut" sagen. Wenn Sie nur „gut" sagten, würde ich es abnehmen; aber wenn Sie „sehr gut" sagen, habe ich immer eine gewisse Skepsis.

(Heiterkeit.)

Aber wenn wir in dieser Frage einig sind, würde ich mich darüber freuen.
Ich glaube, daß wir diese Gebiete bei unserer Arbeit und bei unserer Betrachtung bisher vernachlässigt haben und daß wir ein sehr sorgfältiges Studium auch der Probleme in diesem Teil der Welt gerade auch im Hinblick auf die deutsche Frage und die Probleme, die uns hier berühren, vornehmen sollten. Ich meine, daß hier der Westen gerade in der gegenwärtigen Phase der Entspannungspolitik wird beweisen müssen, daß er auch ohne akuten Druck und ohne akute Bedrohung von außen seine Einheit und Stärke wahren kann. Gelingt ihm das nicht, so ist er als Gemeinschaft der Sowjetunion gegenüber handlungsunfähig, und das wäre gleich-



Majonica
zeitig das Ende jeder Möglichkeit der Entspannung und erfolgreicher Versuche auf dem Gebiete der Entspannungspolitik.

(immer geartete Kombination kann erreichen, daß hier von gleich zu gleich mit der Sowjetunion verhandelt wird, wenn die Vereinigten Staaten mit ihrer politischen und militärischen Präsenz in Europa nicht mehr vorhanden sind. Unter diesem Gesichtspunkt sind meines Erachtens alle jene Schritte zu sehen, die die Bindung der USA an Europa und Europas an die USA stärken. Wir begrüßen es, daß die multilaterale Atommacht jetzt aus dem Stadium der Gespräche in das der praktischen Erprobung übergeführt worden ist, Unter diesem Gesichtspunkt der Bindung der Vereinigten Staaten an Europa und umgekehrt sehen wir auch die Kennedy-Runde, und unter diesem Gesichtspunkt der Einheit und Stärke des Westens begrüßen wir auch das Ergebnis von Brüssel Ende 1963. Eine Krise, eine aktuelle Krise in Brüssel hätte das Gewicht des Westens in der gegenwärtigen Auseinandersetzung und in den gegenwärtigen Gesprächen schwer vermindert. Ausgehend von den Ergebnissen in Brüssel, ist der Gedanke des Herrn )


(Beifall in der Mitte)

Wir sind uns darüber im klaren, daß in diesem Zusammenhang die Grundlage für jede europäische Politik die deutsch-französische Freundschaft sein muß.
Unter dem Gesichtspunkt der militärischen Einheit und Geschlossenheit des Westens, der Stärke, um diese Entspannungspolitik positiv durchstehen zu können, halte ich es für den ungeeignetsten Zeitpunkt, den man sich vorstellen kann, jetzt neue Disengagement-Pläne in Europa zu erörtern.

(Beifall in der Mitte.)

Wir haben gleich zwei, einen vom Westen, einen vom Osten, eine von Herrn Wilson, einen von Herrn Gomulka, wobei beide sich sehr stark ähneln, was ja von polnischer Seite sehr hervorgehoben worden ist.
Kernstück der neuen Disengament-Pläne ist das Einfrieren der atomaren Bewaffnung auf eng begrenztem Raum in Mitteleuropa. Dieser Vorschlag macht das NATO-Konzept von einer Verteidigung am Eisernen Vorhang hinfällig. Er würde der Bundesrepublik die Fähigkeit zum Schutz ihres eigenen Gebietes nehmen. Ich bin deshalb der Meinung, daß diese Pläne lebensgefährlich für die NATO und damit auch lebensgefährlich für jede Art von Entspannungsversuchen sind.

(Beifall in der Mitte.)

Die Zukunft wird lehren, ob die Sowjetunion wirklich Entspannung will oder ob sie nur eine Pause einlegt auf Grund der eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Gegensätze im eigenen Lager, Gegensätze im eigenen Lager, die am deutlichsten geworden sind am chinesisch-sowjetischen Konflikt, ein Konflikt, der heute ein gemeinsames Handeln beider kommunistischer Mächte, Rotchinas und der Sowjetunion, schon unmöglich macht, — außerhalb des Falles einer akuten Bedrohung beider Mächte von außen; hier ist gleichzeitig auch die Grenze dieses Konfliktes aufgezeigt.
Der Test, ob die Sowjetunion wirklich Entspannung will, ist die Berliner und die deutsche Frage. Schon aus geographischen Gründen sind wir, ist die Bundesrepublik das erste Ziel sowjetischer Politik. Die Lösung der deutschen Frage im sowjetischen Sinne würde den Zerfall des westlichen Bündnisses herbeiführen und damit eine erheblich bessere Ausgangslage für die weiteren sowjetischen Aggressionsabsichten schaffen, würde also nicht etwa zu einer endgültigen Befriedung in Europa führen. Aber auch dann, wenn die Sowjetunion dieses sehr weit gesteckte Ziel nicht erreichte, würde doch die Aufrechterhaltung und Vertiefung der Spaltung unseres Vaterlandes eine Verstärkung einer der wesentlichsten Spannungsursachen in dieser Welt bedeuten. Daraus erhellt, daß endgültige Entspannung identisch sein muß mit der Überwindung des Status quo in Mitteleuropa. Deshalb ist es legitim, bei allen Entspannungsschritten zu prüfen, ob sie irgendwelche Auswirkungen auf die deutsche Frage haben. Das ist nicht nur ein nationales Anliegen; sondern da die deutsche Frage Testfrage ist, liegt das auch im Sinne des gesamten Westens, wie das ja dankenswerterweise im jüngsten deutsch-englischen Kommuniqué eindeutig herausgestellt worden ist. Enthalten Entspannungsschritte Elemente der Zementierung der deutschen Spaltung, dann kann von einer Entspannung keine Rede sein, sondern nur von einer Vertiefung der Ursachen, die diese Spannung hervorrufen.

(Beifall in der Mitte.)

Diese Beachtung der deutschen und der westlichen Interessen ist vor allem bei dem im Gespräch befindlichen Projekt eines Nichtangriffsvertrages zwischen Nordatlantikpakt und Warschauer Pakt geboten. Abgesehen von dem Problem, daß die Zone hier dann wieder als einer der Unterzeichnerstaaten auftreten würde, würde das auch die Festigung sowjetischer Eroberungen auf deutschem Gebiet bedeuten, und es ergäbe sich dann die große Gefahr, daß jede von uns auf Wiedervereinigung hin betriebene Politik von den Sowjets als gegen den Geist dieses Vertrags bezeichnet würde, daß sie ein laufendes Interventionsrecht in innere deutsche Angelegenheiten hätte und jede deutsche Wiedervereinigungspolitik paralysieren könnte.

(Beifall in der Mitte.)




Majonica
Das müssen wir in diesem Zusammenhang sehen, zumal die Tendenzen dieses Vertrags in der Neujahrsnote sehr deutlich unterstrichen werden, die Chruschtschow an eine Reihe westlicher Staatsmänner gerichtet hat. Dieser Tendenz der sowjetischen Note und dieses Vorschlags tritt dankenswerterweise der amerikanische Präsident Johnson in seinem Antwortschreiben vom 20. Januar dieses Jahres entgegen. Er weist auf die Verpflichtungen der Vereinigten Staaten hin, Deutschland friedlich zu vereinigen, und stellt einen Zusammenhang her zwischen der Abrüstung und der Lösung der politischen Probleme, und er fordert vor allen Dingen auch die Sowjets zu einem Verzicht auf Gewaltanwendung hinsichtlich der Zufahrtswege nach Berlin auf.
Auch hinsichtlich der Kontrollposten zum Schutze vor Überraschungsangriffen muß das berechtigte Anliegen aller Beteiligten berücksichtigt werden. Das Chruschtschowsche Junktim, das er in diesem Zusammenhang aufgestellt hat, ist aus Sicherheitsgründen und aus politischen Gründen einfach unannehmbar, da es die Lösung der Bundesrepublik aus dem westlichen Bündnis zum Inhalt hat. Der Vorschlag der Errichtung von Kontrollposten ist nur vertretbar, wenn er räumlich weit genug gefaßt ist.
Wir setzen — der Herr Außenminister hat schon darauf hingewiesen — vorsichtige Hoffnungen auf den Beginn der Abrüstungskonferenz in Genf. Eine Reihe westlicher Vorschläge liegen auf dem Tisch, und es liegt jetzt an den Sowjets, sich zu diesen westlichen Vorschlägen zu äußern. Wenn in Genf Fortschritte gemacht worden sind, wenn man hier zu einem neuen positiven Start gekommen sein sollte, dann scheint mir der geeignetste Zeitpunkt gekommen zu sein, die deutsche Frage positiv ins westöstliche Gespräch einzuführen.
Wir können diese deutsche Frage aber nur dann positiv einführen, wenn alles unterlassen wird, wenn allem entgegengetreten wird, was nach einer Anerkennung der Dreiteilung unseres Vaterlandes aussieht.

(Beifall in der Mitte.)

Das Gespräch über Deutschland muß vom Westen
mit Moskau geführt werden. Jeder Versuch, dieses
Gespräch zu unterlaufen, wird es scheitern lassen.
Wir wissen, daß Vorbereitungen in der Botschafterlenkungsgruppe in Washington für Initiativen in der deutschen Frage getroffen werden. Welche Rolle die vier Mächte, die Bundesrepublik und die Zone dabei zu übernehmen hätten, ist durch Beschluß dieses Hohen Hauses und die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Erhard umgrenzt worden. Ich bin der Meinung, daß diese Pläne und Spekulationen über diese Pläne nicht schon jetzt auf offenem Markte zerredet werden sollten.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Die Sowjets haben ein sehr großes Geschick, dabei älteste politische Ladenhüter so aufzuputzen, daß sie wie die letzte Neuheit aussehen.

(Erneute Zustimmung in der Mitte.)

Wir haben oft das gleiche Geschick, neue Initiativen von uns vorher so zu zerreden, daß sie dann als alte Ladenhüter am Konferenztisch erscheinen und bar jeder Wirkung sind. Ich meine, daß wir allen Grund dazu hätten, nichts zu unternehmen, was es den Sowjets erlaubt, ihre Taktik schon vorher auf derartige neue Pläne einzurichten.
Die Geschichte wird zeigen, ob die Hoffnungen, die mit diesem Abkommen, dessen Ratifikationsgesetz wir heute in erster Lesung beraten, begannen, berechtigt sind oder nicht. Noch stehen entscheidende Fortschritte auf dem Gebiete der Entspannungspolitik aus. Es wird sich erweisen müssen, ob die Sowjets die Lehre von Kuba, wo auch sie schaudernd am Rande des atomaren Abgrundes gestanden haben, behalten haben oder nicht. Die Sowjets werden den Gegensatz zwischen ihrer Mitverantwortung für den Frieden und ihrer weltrevolutionären Ideologie austragen müssen. Niemand kann ungestraft an dieser weltrevolutionären kommunistischen Komponente sowjetischer Außenpolitik vorbeigehen. Sie zu übersehen, hieße blind die Entspannung verfehlen und einfach auf sowjetische Täuschungen hereinfallen.
Trotz all dieser grundsätzlichen Bemerkungen muß der Versuch zum gerechten Frieden gemacht werden. Wir von der CDU/CSU sind bereit, mit großem Realismus diesen Versuch der Entspannung zu unterstützen. Wir stimmen daher der Überweisung dieser Vorlage an den Auswärtigen Ausschuß zu.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410723300
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Flitz.

Dr. Hedi Flitz (FDP):
Rede ID: ID0410723400
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei darf ich zu dem uns vorliegenden Vertrag wie folgt Stellung nehmen.
Am 5. August 1963 wurde in Moskau der Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser zwischen den Regierungen der Sowjetunion, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika geschlossen. Die Bundesregierung hat das Abkommen am 19. August 1963 in London, Washington und Moskau unterzeichnet und hat dabei die uns vorliegende Erklärung abgegeben.
Dem Abkommen sind viereinhalb Jahre Verhandlungen in Genf vorausgegangen. Es unterscheidet sich allerdings stark von den Vorschlägen, die dort lange die Verhandlungsgrundlage gebildet haben. Das gilt besonders für die aus dem Vertrag herausgelassenen unterirdischen Versuche. Eine Einbeziehung war nicht zu erreichen, da man sich bisher noch nicht über die dafür notwendigen Kontrollorgane, besonders über Art und Zahl der Inspektionen in den jeweiligen Staatsgebieten der Partnerstaaten, einigen konnte. Das Abkommen verbietet auch nicht die Anwendung der Atombombe im Kriege.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Mittwoch, dein 22. Januar 1964 4941
Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven)

Es war eine freundliche Geste, daß der Generalsekretär der Vereinten Nationen, U Thant, zu der Unterzeichnung des Abkommens von den Regierungen der drei Depositärstaaten nach Moskau eingeladen worden war, womit die bedeutende Rolle der Vereinten Nationen für das Zustandekommen dokumentiert werden sollte. Seit Nehru im Jahre 1954 zum ersten Male die Einstellung der Kernwaffenversuche verlangt hatte, war diese Frage nicht wieder aus der Diskussion innerhalb und außerhalb der Vereinten Nationen verschwunden. Es hatte ja auch bereits ein inoffizielles Moratorium von 1958 bis zum September 1961 bestanden. Der jetzige Vertrag setzt internationales Recht.
Aus den Erklärungen der Sowjetunion vom 20. August 1963 wissen wir, daß die Sowjetunion nicht früher auf Kernwaffenversuche verzichten konnte, weil sie den Vorsprung der USA bei den Kernwaffen zum mindesten aufholen, noch lieber überbieten wollte. Nach der Kuba-Krise, die die Welt an den Rand eines Atomkrieges gebracht hatte, waren beide Weltmächte zu einem gewissen politischen Interessenausgleich bereit.
Der Abschluß des Vertrages entsprach der Friedensstrategie des amerikanischen Präsidenten Kennedy, einer Entspannungspolitik, die mit dem Heißen Draht zwischen Moskau und Washington bereits eingeleitet war. Kennedy lag immer an der Begrenzung des nuklearen Kernwaffenklubs, um, wie er sagte, den bösen Geist der Weiterverbreitung der Kernwaffen an viele andere Staaten in seine Flasche zurückzubannen. Unbestritten gehörte für Kennedy politischer und moralischer Mut zu den Verhandlungen und zu ihrem Abschluß, die in seinem eigenen Lande ja zunächst zu starken Kontroversen geführt haben. Albert Schweitzer beglückwünschte und dankte Kennedy dafür, daß er den Weitblick und den Mut besaß, eine Politik zum Weltfrieden einzuleiten.
Die Sowjetunion ihrerseits brauchte Erfolg, einerseits wegen der chinesisch-sowjetischen Spannung, andererseits wegen der schwierigen wirtschaftlichen, besonders agrarwirtschaftlichen Lage. Im übrigen hatte man genügend Erfahrungen durch Versuche jedenfalls für die größten Atomwaffen in den Jahren 1961/62 sammeln können.
Beiden Staaten gleichzeitig kamen zustatten die Hoffnung auf Vermeidung eines nuklearen Krieges, die Verminderung weiterer Waffenherstellung und damit Einsparungen im Verteidigungshaushalt —denn ein unbeschränktes Programm wäre immer kostspieliger geworden —, schließlich die Erhaltung des Monopols auf dem Gebiet der Atomwaffen und die Vermeidung weiterer radioaktiver Verseuchung.
Der Vertrag besteht aus einer Präambel und fünf Artikeln und bekundet als Hauptziel eine möglichst baldige, vollständige, international kontrollierte Abrüstung.
Art. I umschreibt die drei Bereiche für das Verbot. In Abs. 2 b werden auch Versuche in jedem anderen Bereich untersagt, also auch im unterirdischen Bereich, wenn eine solche Explosion das Vorhandensein radioaktiven Ausfalls außerhalb der Hoheitsgrenzen des Staates verursacht, unter dessen Hoheitsgewalt und Kontrolle die Explosion durchgeführt wird.
Hier wird eine Frage angeschnitten, die in den bisherigen Diskussionen eine sehr untergeordnete Rolle gespielt hat. Die Versuchsexplosionen gingen im Grunde nämlich nicht nur die Länder an, die Atomwaffen herstellen. Woher nahmen diese eigentlich das Recht, in Friedenszeiten Erprobungen von Waffen vorzunehmen, die sämtliche Länder der Welt in ernster Weise zu schädigen vermögen?

(Beifall bei der FDP.)

Wie verträgt sich diese Tatsache mit dem in der Charta der Vereinten Nationen festgelegten Völkerrecht?
Von weittragendster politischer Bedeutung erscheint mir Art. III, der lautet:
Dieser Vertrag liegt für alle Staaten zur Unterzeichnung auf.
Hieraus ergeben sich gewisse völkerrechtliche Schwierigkeiten, weil manche Staaten von nur dem einen oder dem anderen Staat anerkannt werden. Das gilt z. B. für Nord- und Südkorea und für Nord- und Süd-Vietnam, es gilt für Israel und natürlich auch für die sowjetisch besetzte Zone.
Die Freien Demokraten haben von Anfang an das Zustandekommen des Vertrages begrüßt als den Ausdruck einer in Bewegung gekommenen Weltpolitik, und sie haben den Beitritt der Bundesregierung zum Abkommen befürwortet. Der Parteivorsitzende Dr. Mende erklärte:
Das Abkommen ist die bedeutendste vertragliche Vereinbarung, die zwischen den Vereinigten Staaten, Großbritannien und der Sowjetunion seit dem Potsdamer Abkommen 1945 geschlossen worden ist. Mit ihm ist eine realistische Möglichkeit für eine schrittweise Entspannung zwischen West und Ost geschaffen worden, in die in der ganzen Welt große Hoffnung gesetzt wird.
Die Bundesregierung hatte zunächst Vorbehalte angemeldet, die sich im wesentlichen auf die Befürchtung der Anerkennung der sowjetisch besetzten Zone stützten, und verlangte Garantieerklärungen von Washington und London, daß die Unterzeichnung durch die sowjetisch besetzte Zone keine völkerrechtliche Anerkennung dieses Regimes bedeute. Sowohl die USA wie Großbritannien legten diesen Standpunkt allen Staaten dar, mit denen sie diplomatische Beziehungen unterhalten. Beide haben sich dabei ausdrücklich das Recht vorbehalten, Einwände zu erheben, falls das ostdeutsche Regime später versuchen sollte, Ansprüche aus dem Vertrag wie z. B. ein Stimmrecht oder eine Teilnahme an einer Konferenz nach Art. II geltend zu machen. Art. II bestimmt, daß ein Drittel der Vertragspartner eine Konferenz zur Erörterung von Vertragsänderungen einberufen kann. Außerdem ließen die USA und Großbritannien die Unterzeichnung ihrer Orignaldokumente durch die sowjetisch besetzte Zone nicht zu, während die Sowjetunion die Unterzeichnung der DDR in Moskau vollziehen ließ.



Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven)

Alle Fraktionen des Hauses sind sich darüber einig, daß das vom Volkswillen nicht getragene Ulbricht-Regime für die deutsche Nation nicht existiert und deshalb nicht aufwertbar ist. Die Anerkennung eines Staates ist ein Akt des Willens. Unser Wille der Nichtanerkennung ist unveränderbar. Die in erster Linie von der CSU und ihrem Vorsitzenden Strauß damals geäußerten Bedenken wegen einer möglichen Anerkennung der DreiStaaten-Theorie — warum spielt man diese Theorie von uns aus eigentlich immer wieder künstlich hoch?, sie ist ja geradezu zu einer Neurose geworden — haben sich übrigens ins Gegenteil verkehrt. Chruschtschow mußte von Peking den Vorwurf einstecken, daß die sowjetisch besetzte Zone durch die allein mögliche Unterzeichnung in Moskau abgewertet worden sei.

(Beifall bei der FDP.)

Der Vertrag ist bisher von mehr als hundert Staaten unterzeichnet worden. Zu den Nichtunterzeichnern gehören neben u. a. Albanien und Kuba die beiden großen Staaten Frankreich und Rotchina mit seinen Satelliten. Frankreich und Rotchina streben eigene Atomwaffen an und sehen in dem Vertrag die Monopolisierung der Atomwaffen in den Händen der drei Depositärmächte und gleichzeitig eine Diskriminierung ihrer Staaten. Zur Haltung Frankreichs erklärte der Gaullist Beaumel in der Sitzung der Westeuropäischen Union im Dezember 1963:
Die vielen Völker, die unterzeichnet haben, hatten nichts dabei zu verlieren. Dies liegt anders bei Frankreich. Frankreich wäre das einzige Land gewesen, für das die Unterzeichnung mehr gewesen wäre als eine symbolische Handlung. Für Frankreich genügen nicht, um nicht laufend Großbritannien und den Vereinigten Staaten qualitativ und quantitativ unterlegen zu sein, die schwierigen und kostspieligeren unterirdischen Versuchsmöglichkeiten.
Art. III Abs. 6 sieht die Registrierung des Abkommens bei den Vereinten Nationen vor entsprechend Art. 102 der Charta der Vereinten Nationen, die besagt, daß sich Partner nur solcher Verträge die bei den Vereinten Nationen registriert sind. gegebenenfalls wegen Differenzen, die im Zusammenhang mit dem Vertrag stehen, an ein Organ der Vereinten Nationen wenden können. Die Registrierung ist am 15. Oktober 1963 von den Verwahrregierungen vorgenommen worden.
Das Gesetz soll auch im Lande Berlin gelten, sofern dieses Land die Anwendung des Gesetzes feststellt, wobei allerdings klargestellt wird, daß die alliierten Vorbehaltsrechte unberührt bleiben.
Neben der politischen und verteidigungspolitischen Seite hat der Vertrag auch eine große hier schon mehrfach erwähnte humanitäre Bedeutung. In der Präambel des Abkommens wird als Anlaß für die Vereinbarungen ausdrücklich auch der Wunsch erklärt, der Verseuchung der Umwelt des Menschen durch radioaktive Stoffe ein Ende zu bereiten. Auch von den Staaten, die sich aus politi-
schen Gründen nicht zur Unterzeichnung entschließen konnten, ist die humanitäre Bedeutung uneingeschränkt begrüßt worden.
Es darf als ein eigenartiges Spiel der Geschichte gewertet werden, daß etwa zu der gleichen Stunde, in der in Moskau, London und Washington mit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden der Vertrag über das teilweise Verbot der Kernwaffenversuche in Kraft trat, das norwegische Nobelpreiskomitee den Friedenspreis für das Jahr 1962 dem Professor für Chemie an der Technischen Hochschule in Kalifornien Linus Pauling zusprach als eindrucksvolle Anerkennung seines jahrelangen Kampfes gegen die Bedrohung der Menschheit durch steigenden radioaktiven Niederschlag infolge der Atomteste. Professor Linus Pauling ist übrigens bisher der einzige, dem ein voller zweiter Nobelpreis verliehen wurde.
Mit der Nachricht über den Abschluß des Teststoppabkommens ging ein Aufatmen durch die Welt, die seit 18 Jahren im Schatten der drohenden Bombe lebt, und die spontane Unterzeichnung des Vertrages durch bisher schon über 100 Staaten kann doch wohl kaum als etwas anderes gewertet werden, als daß die Regierungen den heißen Wunsch ihrer Völker vollzogen. Aber es ist doch nicht wegzuleugnen, daß zunächst über 400 Atombomben versuchsweise in die Luft gesprengt werden mußten, auch wenn man uns einzureden versuchte, daß sie immer „sauberer" geworden wären. Was heißt schon „sauberer" bei einer unkontrollierbaren Massenvernichtungswaffe, die alles andere ist als das, als was sie einmal in diesem Hause bezeichnet worden ist, nämlich „die Weiterentwicklung der Artillerie"? Unverständlicherweise scheint man sich die Erinnerung an die Wirkung der Bomben auf die japanischen Städte aus dem Gedächtnis gewischt zu haben, denn in der Zwischenzeit ist deren Furchtbarkeit längst von Wasserstoffbomben im Megatonnenbereich überboten worden. Die Bombe von Hiroshima hatte eine Größe von 20 Kilotonnen. Wie der Herr Außenminister vorhin schon sagte, entsprachen die in den Jahren 1960/62 gestarteten Versuchsbomben der Sowjetunion mit 60 Megatonnen etwa 3000 Hiroshima-Bomben. Wir wissen alle, daß im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung heute die Übergänge und Grenzen zwischen einem konventionellen und einem atomaren Krieg fließend sein würden und daß die sogenannte Atomspirale, das Heraufschaukeln von der atomaren Kleinbombe zu den Superkernwaffen im Ernstfall fast unvermeidbar wäre.
Aber schlimmer als die Vernichtungskraft der Atombombe ist ja die durch die Versuche ausgelöste gesundheitliche Bedrohung der Menschheit, der lebenden und der zukünftigen. Die Wolken radioaktiven Staubs, die seit einigen Jahren als Abfallprodukte der Wasserstoffbomben um den Erdball kreisen und heute hier und morgen dort Luft, Erde und Trinkwasser und damit die Nahrung von Mensch und Tier verpesten, haben bereits bedrohliche Anreicherungen mit Radioaktivität erfahren. Die Toleranzgrenze von Trinkwasser von 10 Picocurie pro Liter war in den USA teilweise schon



Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven)

überschritten oder ist zumindest laufend angenähert erreicht. Wegen dieser Feststellung hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen bereits die Forderung nach einem weltweiten Warnsystem erhoben, und die Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Bundesländer hat deshalb auch Ende 1961 einen ständigen Ausschuß gebildet, der in Verbindung mit dem Bundesministerium für Gesundheitswesen Vorschläge für Maßnahmen zur Sicherstellung einwandfreier Lebensmittel in Zeiten erhöhter Radioaktivität erarbeitet. Berichte müssen den zuständigen Ausschüssen des Bundestages in gewissen Zeitabständen vorgelegt werden.
Als vordringliche Maßnahme wurde eine Milchbevorratung sichergestellt; denn die Verseuchung dieses Volksnahrungsmittels ist am bedrohlichsten. Wir wissen, daß besonders gefährdet sind die Neugeborenen und die Kleinstkinder, auch die Ungeborenen, weil radioaktive Strahlen unkontrollierbare genetische Schäden durch Änderung des Erbgefüges, sogenannte Mutationen, verursachen können. Die Wissenschaft spricht von Schäden bis in das 30. Glied.
Ich zitiere Prof. Dr, Nachtsheim, Berlin, der auf dem 13. Wissenschaftlichen Kongreß des Bundes der deutschen Medizinalbeamten in Goslar im Juni 1963 sagte:
Aus zahlreichen Tierversuchen kennen wir die mutagene Wirkung ionisierender Strahlen. Es steht fest, daß das Erbgut des Säugers besonders strahlenempfindlich ist. Wie groß jedoch die Gefahr und der beim Menschen durch Strahlen am Genotypus bereits angerichtete Schaden sind, wissen wir noch nicht; er wird sich den Menschen erst in einigen Generationen offenbaren.
Dr. Pribilla vom Institut für Gerichtliche und Sozialmedizin in Kiel schreibt 1963 in der Münchner Medizinischen Wochenschrift:
Seit 1958 hat sich der Gehalt von radioaktivem Strontium 90 im Knochensystem bei Erwachsenen und Kindern ständig erhöht und ist in den fünf Jahren auf das Doppelte der damaligen Werte angestiegen.
Bei Neugeborenen, die das strahlende Strontium aus dem Organismus der Mutter aufgenommen hatten, und bei Kleinkindern wurde schon 1958 ein ungewöhnlich hoher Gehalt des Knochensystems an Strontium festgestellt.
In den folgenden vier Jahren waren diese Werte dann erheblich geringer, bis im Anschluß an die Explosionen der sowjetischen Megatonnenbomben auch bei Neugeborenen und Kleinkindern wieder erheblich höhere Strontium-mengen gefunden wurden.
Auch in dem Gewebe, durch das der Embryo
im Mutterleib seine Nahrung erhält, war der
Strontiumgehalt auf das Doppelte angestiegen.
Das ist um so bedenklicher, schreibt er weiter —
das Strontium in den Knochen ebenso wie der Kalk sehr lange verweilt.
Das Unheimliche dabei ist ja, daß der Mensch, dessen Erbgut geschädigt wird, in seiner Gesundheit gar nicht spürbar beeinträchtigt zu werden braucht.
Wenn man die vielen in Kulturstaaten erlassenen gewerbepolizeilichen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer, besonders auch der werdenden Mütter, bedenkt, ist es unverständlich, daß Regierungen mit einer derartigen unverantwortlichen Großzügigkeit über solche mit einem Atomtest verbundenen Gefahrenquellen hinweggehen. Wir alle kennen die unermüdlichen Warner und Mahner gegen die Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch die Atombombenversuche. Ich erinnere an den eingangs genannten Professor Linus Pauling; ich erinnere an die Vorträge von Albert Schweitzer über Radio Oslo im Jahre 1958; ich erinnere an das Manifest der 18 Göttinger Professoren, deren Mahnungen in diesem Hause leider nicht ernst genug genommen wurden. Wenn es niemand anders täte, wäre es Pflicht der Frauen, ihre Stimme zu erheben, die schon vor vielen Jahren in ihren internationalen Organisationen die Vernichtung aller Atomwaffenvorräte verlangt haben.
Viele von Ihnen werden sich erinnern, daß die in diesem Hause hochangesehene langjährige Alterspräsidentin und das Mitglied der freien demokratischen Fraktion, Frau Dr. Lüders, im Jahre 1958 einen von den weiblichen Mitgliedern — leider nur der FDP und SPD — unterzeichneten Antrag an die Bundesregierung veranlaßte, auf die Einstellung der Atombombenversuche in der ganzen Welt hinzuwirken. Kurz vorher hatte Frau Dr. Lüders über „Deutsches Fernsehen" einen Friedensappell an die Welt veröffentlicht und ihn in einem Handschreiben allen bedeutenden Politikerinnen auf beiden Hemisphären zugestellt.
„Wer schweigt, — sagt sie —
stimmt zu zu dem gotteslästerlichen Mißbrauch menschlichen Geistes, zum Verderben aller. Seid das lebendige Gewissen der Welt!"
Wie viele Jahre haben seit diesen Mahnungen ins Land gehen müssen bis zu diesem vor uns liegenden Teststoppabkommen!
Gestatten Sie mir aber, daß ich das Problem der Atombomben auch noch kurz von einer ganz anderen Seite beleuchte. Es wird so viel über sie geredet. Soldaten, Wissenschaftler, Politiker ergehen sich in Betrachtungen über die Wirkungsmöglichkeiten und die Überlebenschancen. Aber wer hat schon einmal die Frage gestellt: wie soll eigentlich der Mensch, der als Bombenflieger oder Raketenschütze das Massenverderben befehlsgemäß entfesselt, mit seinem Gewissen fertig werden?
Ich möchte denjenigen, die es noch nicht kennen, die Lektüre des 1962 erschienenen Buches „Off Limits für das Gewissen" empfehlen, das einen Briefwechsel aus den Jahren 1959 bis 1961 wiedergibt zwischen dem Wiener Schriftsteller Günther Anders



Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven)

und dem ehemaligen Luftwaffenmajor Claude Eatherly, in dessen Händen das Kommando für den Bombenabwurf in Hiroshima lag. Er, der nach dem Kriege in seinem Lande abwechselnd als „verrückt" oder als „kommunistischer Agent" angesehen wurde und den man heute in eine Heilanstalt und morgen in ein Gefängnis brachte, schreibt:
Mein einziger Wunsch ist, einen Beitrag zum Frieden zu leisten, für das Ende der Atomrüstung zu arbeiten, um die Rechte aller Menschen, gleich welcher Rasse, welcher Hautfarbe oder welchem Glauben diese zugehören, zu sichern.
Und in einem Brief nach Hiroshima zum Gedenktag
des Bombenabwurfs am 6. August 1959 heißt es:
Ich wußte damals
— er war 25 Jahre alt —
nicht, was ich tat; nun aber weiß ich es, und ich weiß, daß derartiges nicht wieder geschehen darf und daß kein Mensch einem anderen zumuten darf, derartiges zu tun.
Das atomare Zeitalter, in das wir mehr oder weniger bewußt eingetreten sind, konfrontiert unsere Generation mit völlig neuen Problemen. Unvorstellbare technische Möglichkeiten sind entwickelt, die in unserer Hand Segen oder Fluch für die Menschheit bringen können. Der Gedanke, daß eine totale Zerstörung der Menschheit durch sich selbst möglich geworden ist, stellt uns vor Fragen, denen wir in der ersten Begegnung noch nicht gewachsen sind. Selbst wenn das letzte Atombombenlager vernichtet
sein sollte, bedeutet doch das Wissen um die Herstellungsmöglichkeit der Bombe für uns, mit der Bombe leben zu müssen. Die Furcht vor dieser potentiellen Bedrohung kann der Menschheit nicht wieder genommen werden.
Professor Weizsäcker gesteht ein, daß den Wissenschaftlern in den beiden letzten Jahrzehnten der Frieden in einer vorher nicht gekannten Weise zu einem unausweichlichen Problem geworden ist, und er sagt:
Der Weltfrieden fordert von uns eine außerordentliche moralische Anstrengung. Wir müssen Kräfte in uns entwickeln, die uns befähigen, das Unheil zu bändigen, das durch die Atomkraft möglich geworden ist. So könnte im Grunde genommen die Atombombe sogar zu einer neuen Verinnerlichung führen.
Lassen Sie mich zusammenfassend folgendes sagen Der vor uns liegende Vertrag hat seine Grenzen. Auch die noch gestatteten unterirdischen Testversuche sind für die Menschheit vielleicht nicht ungefährlich; denn wir kennen noch nicht die Auswirkung der Erschütterungen auf die Erdrinde. Der Vertrag bringt, wie schon gesagt wurde, auch keine Verringerung der Atomwaffen. Er verbietet auch nicht die Anwendung der Atomwaffen im Kriege. Es sind nicht erfaßt der weitere Besitz von Atomwaffen auch für Nationen, die sie bisher noch nicht haben. Ebenso ist die weitere Herstellung der Waffen wie die Entwicklung und Vervollkommnung — soweit man dieses Wort im Zusammenhang von Waffen
überhaupt verwenden darf — nicht erschwert. Der Vertrag gibt die Möglichkeit eines Rücktritts nach dreimonatiger Kündigungsfrist.
Präsident Kennedy hat am 26. Juli 1963 gesagt: Der Vertrag ist kein Allheilmittel für die Übel der Welt. Er wird nicht das allgemeine Wettrüsten beenden noch die Gefahren eines nuklearen Krieges beseitigen. Doch jetzt zum ersten Male seit vielen Jahren könnte der Weg zum Frieden offenstehen.
Das Erreichte ist trotz seiner Schwächen ein Erfolg, der in der Weltöffentlichkeit begrüßt wurde, wenn auch mit vorsichtigem Optimismus. Noch aber ist viel zu tun. Der Weg zu einer vollkommen kontrollierten Abrüstung ist ein langer Prozeß. Aber der erste Schritt ist immer schwieriger als der zweite oder dritte. Der moralische Druck der Weltöffentlichkeit, ständige Proteste von Persönlichkeiten und Organisationen und Forderungen der Wissenschaftler müssen die weiteren Schritte beschleunigen. Der jetzt von Präsident Johnson an die Genfer Abrüstungskonferenz gemachte Vorschlag, weitere gewisse strategische Trägerwaffen einfrieren zu lassen, geht in diese Richtung.
Durch weitere Abrüstungen und eine einheitliche Westpolitik mit sorgfältiger Vorbereitung und mit Konsultationen können weitere Etappen in der Entspannungspolitik erreicht werden; denn Abrüstung allein löst noch nicht die bestehenden Konflikte. Entspannung hat nur einen Sinn, wenn sie eine Verminderung der Ursachen der Spannung bringt, und das ist die Aufrechterhaltung des Rechts gegenüber dem Unrecht, gegenüber dem Unrecht, Völkern ihr Recht vorzuenthalten, nach ihren politischen Vorstellungen leben zu dürfen, was kleinen Völkern in anderen Erdteilen selbstverständlich zugestanden wird.
Solche Feststellungen sind auch in den europäischen Gremien getroffen worden. In einer Entschließung der Septembersitzung des Europarates wurde an alle beteiligten europäischen Regierungen appelliert, den Vertrag von Moskau über die Einstellung der Kernwaffenversuche zu begrüßen und jede Gelegenheit wahrzunehmen, den Abschluß weiterer Abkommen mit der Sowjetunion anzustreben, ohne die Wiederherstellung der deutschen Einheit zu benachteiligen. In der Sitzung der Westeuropäischen Union im Dezember 1963 erklärte der Präsident der Politischen Kommission, M. Molter, daß Abrüstungsmaßnahmen nicht ausreichend sind, die nicht gleichzeitig die Lage der Bevölkerungen ändern, die nicht das Selbstbestimmungsrecht genießen, im besonderen der Bevölkerung von Ostberlin, deren Wille sich laufend durch die gefahrvollen Fluchtversuche dokumentiert.
Der Fraktionsführer der Freien Demokratischen Partei, Herr Kollege von Kühlmann-Stumm, hat am 9. Januar an dieser Stelle gesagt, daß die Öffnung der Berliner Mauer und der Besucherstrom in den Weihnachtsfeiertagen eine Entwicklung eingeleitet hat, die in ihrer Eigengesetzlichkeit von niemandem in Deutschland und der Welt geleugnet werden kann. Die Freie Demokratische Partei wiederholt



Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven)

deshalb auch heute ihre Forderung nach einer ständigen Deutschland-Konferenz mit gesamtdeutschen technischen Kommissionen zur Lösung der deutschen Frage. Denn fast 20 Jahre nach Abschluß der Feindseligkeiten hat das deutsche Volk einen Anspruch auf einen gerechten Frieden auch mit dem Osten.

(Beifall bei der FDP.)

Politik, auch Friedenspolitik, heißt das Notwendige möglich machen. An uns, die Politiker, die die Zeit nicht nur erleben, sondern auch verantwortlich mitgestalten sollen, richte ich die Frage, die Professor Weizsäcker stellte, als ihm der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in Frankfurt überreicht wurde: Hat jemand von uns genug für den Frieden getan?
Im Namen der Fraktion der FDP bitte ich das Hohe Haus, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410723500
Das Wort hat der Abgeordnete Vogt.

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0410723600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wogen einer gewissen Hochstimmung anläßlich der Paraphierung des Atomteststoppvertrages haben sich inzwischen geglättet. Ich stimme mit dem überein, was mein Kollege Majonica hier vorhin gesagt hat, daß es gut gewesen ist für die Behandlung in diesem Hause, daß eine gewisse Zeit vorübergegangen ist und in der deutschen Öffentlichkeit und auch in der Weltöffentlichkeit wahrscheinlich eine gewisse Besinnung eingekehrt ist, die vorher durch gewisse Artikel in gewissen Publikationsorganen hat beeinflußt werden sollen. Die Verfasser hatten es darauf abgestellt, die Situation so zu schildern, wie denn nun, geradezu mit einem Paukenschlag, eine neue Phase einer neuen Politik und die große Entspannung in der weltweiten Auseinandersetzung eingetreten wäre.
Diese Wogen haben sich geglättet, und die Zeit hat einer ruhigeren Betrachtungsweise Platz gemacht. Einer solch ruhigen Betrachtungsweise unterziehen wir uns heute hier und sicherlich bei den Beratungen im zuständigen Ausschuß und später noch einmal hier in der zweiten und dritten Lesung. Das ist gut so.
Es hat von vornherein sowohl in den Reihen meiner Fraktion als auch in den Reihen Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der Opposition, Befürworter und Kritiker dieses Vertrages gegeben. Das ist also nicht nur beispielsweise auf die Christlich-Soziale Union beschränkt, bei der allein es angeblich Kritiker gegeben habe, sondern diese kritischen Stimmen sind auch in Ihrem Lager zu finden gewesen. Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, daß bei ,den Freien Demokraten von vornherein ein solches Maß an Zustimmung vorhanden und zu finden gewesen ist, daß sich keine kritische Stimme erhoben hat. Es wäre falsch, wenn man denen, die kritisch ihre Stimme erhoben haben, um vor gewissen Gefahren zu warnen, die zunächst noch in diesem Vertragswerk offenkundig zu finden gewesen sind, etwa unterschieben wollte, daß sie den Kalten Krieg neu anheizen wollten, oder wenn man sie etwa in die Kategorie der restlichen Kalten Krieger eingruppieren wollte.
Fernab von emotionalen Ausbrüchen untersuchen wir diesen Vertrag nach zwei Richtungen. Wir, die wir das deutsche Volk in seiner Gesamtheit vertreten, untersuchen, ob wir richtig handeln im Interesse unseres deutschen Volkes und unseres deutschen Vaterlandes, wenn wir zustimmen. Wir untersuchen zweitens, ob und welchen Beitrag wir, das deutsche Parlament, zum Nutzen aller Völker und aller Staaten leisten, wenn wir zustimmen.
Zum zweiten ist es außerordentlich beeindruckend und eindrucksvoll, daß das humanitäre Anliegen in diesem Vertrag so offensichtlich und offenkundig ist, daß durch den Abschluß, durch die Ratifizierung dieses Vertrages dieses Hohe Haus dazu beiträgt, daß eine weitere Verseuchung der Luft, des Wassers und des Weltraums nicht mehr stattfinden kann, auf jeden Fall insoweit nicht, als sich die vertragschließenden Parteien durch Ratifizierung in ihren Parlamenten diesem Vertrag angeschlossen haben.
Wer von uns oder wer überhaupt in der Welt könnte es verantworten, sich diesem humanitären Anliegen zu verschließen? Kein Mensch! Auch ich muß hier bekennen, daß es an uns ist, zu demonstrieren, daß wir dieses humanitäre Anliegen aus vollem Herzen bejahen, daß endlich Schluß gemacht wird mit einer solchen gesundheitsschädigenden Verseuchung von Luft, Wasser und Atmosphäre durch Versuchsexplosionen, die unternommen worden sind oder, wenn der Vertrag nicht zustande käme, unternommen werden könnten. Wir handeln ja nicht nur für uns, nicht nur für diese und die nachfolgende Generation, sondern wir handeln für alle nach uns folgenden Generationen, denen wir ein Leben in Gesundheit und in Ruhe gewährleisten müssen.
Es bleiben jedoch — und das muß auch gesagt werden — noch nicht zu übersehende Auswirkungen der auch nach Abschluß dieses Vertrages erlaubten unterirdischen Versuche von Explosionen weiterhin zu untersuchen. Es muß das Bemühen sein, eines Tages zu einer Regelung zu kommen, die auch diese Versuche nicht zuläßt.
Untersuchen wir noch einmal, wie es überhaupt zum Abschluß dieses Vertrages gekommen ist. Das ist von einigen meiner Vorredner schon dargestellt worden. Der Ausgangspunkt der Verhandlungen war eigentlich nicht das Bemühen, nur zu einem solchen Teststoppabkommen zu kommen. Das Bemühen ging doch vielmehr dahin, bei den Abrüstungsgesprächen zu einer weltweiten Abrüstung, und zwar zu einer kontrollierten Abrüstung, zu gelangen, die auch ein Höchstmaß an Sicherheit für alle Staaten mit sich bringt, nicht nur für die Sowjetunion, sondern natürlich auch für die freien Nationen.
Nun, dieses Petitum ist noch nicht zum Tragen gekommen. Es ist noch nicht gelungen, eine solche weltweite Abrüstung zum Gegenstand eines Vertrages zu machen. Das bedauern wir. Wir stellen aber auch fest, daß solche Verhandlungen nur Teil

Vogt
einer Phase der Entspannung sein könnten. Ich möchte nicht wiederholen, was hier zur Entspannung allgemein gesagt worden ist und welche Komponenten dazu notwendig sind.
Ich stehe selbstverständlich nicht auf dem Standpunkt: „alles oder nichts", genauso wie Sie, Herr Kollege Erler. Ich freue mich darüber, daß wenigstens etwas erreicht worden ist. „Alles oder nichts" ist kein Motto. Man muß mit den Realitäten in der Politik rechnen, und man muß zum Kompromiß bereit sein. Ich erkenne auch an, daß das Abkommen der Versuch ist, eine Grundlage zu schaffen, auf der künftighin bei weiteren Gesprächen über die Abrüstung und über die Entspannung in verschiedenen Sektoren aufgebaut werden muß. Ich muß aber dazu sagen, daß der verstorbene amerikanische Präsident, der dieses Bemühen ebenfalls in entsprechender Weise interpretiert hat, dabei sehr vorsichtig zum Ausdruck gebracht hat, daß es vielleicht ein gelungener Versuch sei, auf dem aufgebaut werden könnte, aufgebaut natürlich nur mit den für die Erhaltung der Freiheit notwendigen Sicherungen und natürlich nur mit einer umfassenden Kontrolle, die leider Gottes von der Sowjetunion trotz jahrelanger ehrlicher Bemühungen der Westmächte nicht in dem Umfang zugestanden wird, daß auch ein entsprechendes Abkommen geschlossen werden könnte.
Die Sowjets und natürlich die Satelliten, insbesondere auch die Sowjetzone Deutschlands, haben den Vertragsabschluß als einen Sieg des sogenannten sozialistischen Lagers gefeiert. Es wäre zweifellos ein Sieg des sogenannten sozialistischen Lagers geworden, wenn die geäußerten deutschen Bedenken a) wegen des Ausbleibens von Konsultationen mit unseren Verbündeten und b) wegen der Gefahr der Anerkennung der sowjetisch besetzten Zone nicht zu ganz klaren Stellungnahmen und Erklärungen unserer Verbündeten geführt hätten. Insoweit hat die aus den Reihen meiner Fraktion, aus den Reihen der CDU/CSU, an diesem Vertrag unmittelbar nach seiner Paraphierung geäußerte Kritik im letzten dazu beigetragen, daß diese klaren Stellungnahmen und Erklärungen unserer Verbündeten abgegeben worden sind,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

die uns heute in die Lage versetzen, diesem Vertragswerk insoweit die Zustimmung zu geben, als wir gewillt sind, es in den Ausschuß zu überweisen und dort über weitere Dinge zu sprechen. Das war doch das Gute, was die kritischen Stellungnahmen ausgelöst haben, daß sich die Alliierten zu ganz klaren und definitiven Stellungnahmen und Erklärungen zur Deutschland-Frage und zu der Anerkennung bzw. Nichtanerkennung der sowjetischen Besatzungszone bereit erklärt haben.
Wenn ich von Kritik spreche — ich darf das wiederholen —, meine ich nicht nur Kritik innerhalb meiner Partei, sondern auch einen sehr prominenten Kritiker in Ihren Reihen, meine Damen und Herren von der Opposition, Herrn Professor Carlo Schmid, der in der Beratenden Versammlung des Europarats unmißverständlich das deutsche Petitum zum Ausdruck gebracht und dort auch die Gefahren aufgezeigt hat.
In diesem Zusammenhang stehe ich nicht an, unseren Verbündeten dafür zu danken, daß sie einsichtig genug waren, unsere Anliegen zu verstehen und aufzunehmen und sich zu diesen Erklärungen und Stellungnahmen bereit zu finden, die nicht nur für sie, sondern auch für die Sowjetunion und für die Zone verbindlich sind. Es ist notwendig, daß wir diesen Dank aussprechen, um auszuräumen, Herr Kollege Erler, daß wir etwa vorhätten, Zwietracht zwischen uns und die Alliierten zu säen, oder daß wir nicht das genügende Vertrauen zu den Verbündeten hätten. Es ist notwendig, hier zu sagen, daß wir dieses Vertrauen haben, insbesondere deshalb, weil inzwischen im Zusammenhang mit der Paraphierung und Ratifizierung des Vertrages diese Stellungnahmen und Erklärungen der Verbündeten abgegeben worden sind.
Das Ausbleiben der Konsultation mit uns, die eigentlich vor der Paraphierung des Vertrages durch die Vereinigten Staaten und Großbritannien einerseits und die Sowjetunion andererseits erforderlich gewesen wäre, hat zu Kritik Anlaß gegeben. Diese Kritik hat bewirkt, daß die Alliierten sich dazu bereit erklärt haben, in Zukunft diese Konsultationen — die sich nicht in Informationen erschöpfen, sondern echte Konsultationen in einem echten Miteinander sind — zu pflegen; das ist doch auch etwas Gutes. Deshalb bin ich der Meinung, daß wir diejenigen, die Kritik geübt haben, nicht verdammen sollten. Sie haben dazu beigetragen, daß es so gekommen ist, wie es dann kam.
Dann darf ich das vortragen, was ich unter b behandelt habe: die Gefahr einer Anerkennung der sowjetisch besetzten Zone dadurch, daß sie unter Umständen als Unterzeichnerstaat auftreten könnte. Sie hat natürlich den Gewaltmachthaber in der sowjetischen Besatzungszone — und zwar ihn, so wollen Sie es bitte verstehen, als den Erfüllungsgehilfen des Herrn Chruschtschow — zunächst zu einer gewissen Euphorie hingerissen. Die vermeintliche Aufwertung seines Regimes und seiner selbst glaubte er genießen zu müssen, und daher meinte er vor der sogenannten Volkskammer der sowjetisch besetzten Zone gleich im Anschluß an die Vertragsparaphierung weiterhin entsprechende Forderungen stellen zu müssen, um in der Phase der Entspannung, wie er sie meinte nach den Auffassungen der Satellitenländer oder der östlichen Hemisphäre —, weiter voranzukommen. Wie gefährlich diese Thesen sind, die der Gewaltmachthaber der sowjetisch besetzten Zone im Auftrage vorgetragen hat, geht daraus hervor, daß sie aus dem gesamten Ostblock betont und immer wieder erhoben worden sind, bis die Westmächte zu erkennen gegeben haben, daß auf einer solchen Grundlage ganz einfach nicht weiter verhandelt werden könne.
Da war die Forderung nach einem feierlichen Verzicht beider deutscher Staaten auf atomare Rüstung, da war ein gemeinsamer Einsatz der Bundesrepublik Deutschland und der sowjetisch besetzten Zone gegen Lagerung und Stationierung atomarer



Vogt
Waffen auf deutschem Boden, da war die Forderung nach einem Nichtangriffspakt zwischen dem NATO-Bündnis und dem Bündnis des Warschauer Pakts, da war die Forderung nach einem Friedensvertrag — ich bediene mich jetzt der Terminologie, die dort gebraucht worden ist — mit der „Beseitigung der Reste des Zweiten Weltkrieges". Es sind ganz klare Forderungen, die unmißverständlich und permanent und penetrant bei allen Verhandlungen von der Sowjetunion immer wieder auf den Tisch gelegt worden sind. Insoweit konnte ich mir erlauben, zu sagen, daß der Gewaltmachthaber aus der sowjetisch besetzten Zone lediglich im Auftrag des Herrn Chruschtschow gehandelt hat.
Zuletzt gibt es jenen Brief, der an diesen Gewaltmachthaber, der keine Legitimation hat, zu rückgegangen ist und der das Anerbieten eines Vertragsentwurfs mitbrachte, eine atomwaffenfreie Zone in Deutschland zu errichten. Sie kennen ja das alte Lied. Das sind Anklänge oder Ansätze des uns allen längst bekannten Rapacki-Plans. Es ist aber auch der Ausdruck dessen, daß sich nach der Paraphierung bzw. Ratifizierung durch bestimmte Parlamente, nach dem Abschluß dieses Vertrages in der allgemeinen Situation nichts gewandelt hat. Stereotyp beharren die Sowjetunion und ihre SatellitenStaaten auf den Forderungen, die sie gestellt haben, und sie bringen sie immer wieder aufs neue, ohne etwas Neues zu sagen, zum Vortrag.
Der Gewaltmachthaber in der sowjetischen Besatzungszone glaubte in bezug auf die Anerkennung eine Morgendämmerung zu sehen, insbesondere deshalb — und da gebrauche ich gern das, was Herr Kollege Professor Dr. Schmid vor der Beratenden Versammlung des Europarates gesagt hat —, weil sein Name neben denen von Lord Home und Dean Rusk steht. Sicherlich glaubte er auch an die Aufwertung, weil es der sowjetisch besetzten Zone dadurch möglich wäre, Konferenzteilnehmer im Rahmen der Möglichkeiten des Vertrages zu sein.
Diese Vorstellungen sind durch die eindeutigen Erklärungen Großbritanniens und Amerikas widerlegt worden, und der Gewaltmachthaber in der sowjetisch besetzten Zone ist in seine Schranken zurückgewiesen worden. Ich stehe nicht an, hier zu erklären, daß wir diesen Versicherungen und diesen Erklärungen unserer Verbündeten festes Vertrauen entgegenbringen und daß wir im Hinblick auf dieses Vertrauen bereit sind, diesen Vertrag dem Ausschuß zu überweisen und auch die Bereitschaft zu erklären, ihn mit zu ratifizieren.
Es erhebt sich die Frage — und sie muß sondiert, muß wahrscheinlich in den Ausschußberatungen besprochen werden —: Werden nicht auch andere Ostblockländer als Teilnehmer an diesem Vertrag, werden sie nicht als Erfüllungsgehilfen der sowjetisch besetzten Zone benutzt werden, um Forderungen der sowjetisch besetzten Zone bei möglichen Abänderungen des Vertrages vorzubringen? Wird Moskau nicht versuchen, sich gar da einzuschalten, wird Moskau nicht versuchen, weiter zu bohren auf dieser Ebene, die ihm gegeben ist? Wir werden auf der Hut sein müssen, wir werden genau beobachten müssen, wie sich die Dinge entwickeln, und wir werden insbesondere deshalb genau beobachten müssen, weil wir ja Erfahrungen in jüngster Zeit gesammelt haben, Erfahrungen aus dem Passierschein-abkommen, das abgeschlossen worden ist. Dies ist ein Abkommen, das wir aus humanitären Gründen auf das äußerste begrüßen. Wir alle sind erfreut gewesen, daß es Hundertausenden von Berlinern möglich gewesen ist, in den Weihnachtstagen und in den Neujahrstagen ihre Verwandten und Angehörigen zu besuchen, und wir sind erfreut darüber, daß es einen solchen psychologischen Effekt gegeben hat, der, so hoffen wir, in Zukunft seine politische Wirkung haben wird, eine positive politische Wirkung für die deutsche Frage. Ich glaube, wir haben aus den Erfahrungen bei den Verhandlungen und auch beim Abschluß dieses Passierscheinabkommens die Lehre gezogen, weiterhin sehr auf der Hut sein zu müssen; denn das, was da geschehen ist — das darf ich hier wiederholen —, ist das äußerste dessen, wozu wir uns haben bereit erklären können, und zwar aus humanitären Gründen haben bereit erklären können.

(Abg. Wehner: Wem gegenüber denn?)

— Wem gegenüber?

(Abg. Wehner: Wem gegenüber waren Sie denn so humanitär und haben das „äußerste" geleistet? Was ist das für eine Sprache in einer solchen Sache?)

— Ja, Herr Kollege Wehner, darüber haben wir uns doch im Ausschuß unterhalten.

(Abg. Wehner: Dann fangen Sie doch hier nicht neu an; dann sagen Sie doch, was Sie wollen.)

— Es ist doch so, Herr Kollege Wehner, daß es uns darum ging, Erleichterungen für die Menschen, die in der Knechtschaft, in der Sklaverei zu leben gezwungen sind, zu schaffen, damit sie wenigstens in der Lage sind, ihre Angehörigen zu sehen. Das meine ich damit, wenn ich sage, es sei ein humanitäres Anliegen gewesen, was wir durchaus begrüßen. Nun, wir werden ,auf der Hut sein müssen, damit unser aktives Eintreten für die Humanität keine negativen Folgen für Deutschland, Europa und die Welt hat.
Zur abschließenden Beurteilung dieses Vertrages darf ich mir erlauben, ein Zitat des verstorbenen Präsidenten der Vereinigten Staaten aus seiner Rede unmittelbar nach der Paraphierung dieses Vertrages vorzutragen — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —, das erhellt, welche Bedeutung der Präsident der Vereinigten Staaten diesem Vertragswerk beimaß, aber auch, ,daß er uns aufgerufen hat, nicht nachzulassen in unserer Aufmerksamkeit und in unserem Auf-der-Hut-Sein. Er sagte:
Der alte Wettstreit zwischen Freiheit und Zwang, die bekannten Stätten der Gefahr und des Konflikts sind immer noch vorhanden: in Kuba, in Südostasien, in Berlin und überall ,auf der Erde. Sie erfordern auch weiterhin alle Stärke und Wachsamkeit, die wir aufbringen können. Nichts könnte unserer Sache mehr schaden, als wenn wir und unsere Verbündeten glauben



Vogt
würden, daß der Friede bereits gesichert sei und daß es unserer Stärke und Einigkeit nicht mehr länger bedürfe.
Diesen eindeutigen Formulierungen braucht nichts hinzugefügt zu werden. Es besteht wohl lim gesamten Hause, bei allen Fraktionen Einhelligkeit darüber, daß es sich so verhält. Diese Formulierungen treffen heute zu wie seit eh und je, und der Krisenherde, die der verstorbene Präsident der Vereinigten Staaten genannt hat, sind ja mittlerweile nicht weniger, sondern mehr geworden.
Ob der Vertrag, den wir uns anschicken zu ratifizieren, die politischen Wirkungen haben wird, die man sich allgemein von ihm erhofft: daß er ein Meilenstein auf dem Wege zur Entspannung, zu Erleichterungen in der Welt sein soll, bleibt der Zukunft überlassen. Es sieht zur Zeit noch nicht so aus, als wenn ihm ein umfassender weiterer Erfolg beschieden sein würde. Aber es hieße den Verhandlungen vorgreifen, wenn man jetzt prophetisch etwas sagen wollte; das liegt auch gar nicht in meiner Absicht.
Wir werden uns bei den Beratungen des Vertrages von der Erkenntnis leiten lassen, daß wir einen Beitrag zur Verhütung der Verseuchung der Atmosphäre und des Wassers zu demonstrieren bereit sein müssen, wohl wissend, daß wir, die Bundesrepublik Deutschland, längst den Verzicht auf die Herstellung von Abc-Waffen verbindlich erklärt haben. Wir werden uns bei den Beratungen des Vertrages als Vertreter und Wahrer der Rechte des deutschen Volkes aber vornehmlich auch von der Verantwortung für unser Volk, für seine Einheit und für die Einheit unseres Vaterlandes, das Deutschland heißt, leiten lassen müssen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410723700
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410723800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich wäre es unziemlich, jetzt sozusagen noch einmal alles das aufrühren zu wollen, was im Zusammenhang mit diesem Abkommen einmal bewegend gewesen ist, — von dem wir jetzt eben gehört haben, man schaue darauf ruhiger zurück, weil die Wogen sich geglättet haben. Wenn die Wogen das von sich selber sagen, ist das immer sehr beruhigend,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

und dann hat man zunächst nichts anderes dazu zu bemerken.
Der Herr Kollege, dessen Name mit „Sch" anfängt und der hier so strapazierend apostrophiert worden ist: ich meine, man hat trefflich auf ihn geschlagen. Ich habe den Eindruck, ein anderer, dessen Name mit demselben „Sch" anfängt, war eigentlich gemeint in bezug auf das, was unter den Wogen — —

(Zuruf des Abg. Rasner.)

— Na, Sie wissen doch, Herr Rasner: Schmid und
Schröder; das liegt doch so auf der Hand! Sie wis-
sen doch, wie man mit verdeckten Karten polemisiert, wenn ich das als Nicht-Kartenspieler sagen darf.

(Beifall bei der SPD.)

Wir waren nie so ehrgeizig, eine Einheitspartei sein zu wollen; wir werden es auch nicht sein. Wir würden das auch nicht schaffen — das könnte man nicht —, weil die Konstruktion „Einheitspartei" falsch ist. Es kommt selten vor, daß ein Sozialdemokrat für das, was er im Europarat gesagt hat, dann hier von einem „wogenden" Sprecher der CDU — dieser dynamischsten Stelle des Gebäudes und Gebildes CDU/CSU; Sie sitzen ja gerade so dynamisch beisammen —

(Heiterkeit)

noch gerühmt wird. Das ist geschehen.
In einem Punkte unterscheiden wir uns jedenfalls sehr. Was es bei uns auch an Vorbehalten gegeben hat hinsichtlich der Überlegungen über das, was alles aus dem Abkommen sozusagen automatisch, ursächlich, kommen würde: nie gab es bei uns den Verdacht, daß die Verbündeten uns ein „München" aufzwingen wollten.

(Beifall bei der SPD.)

Nachdem die Wogen sich geglättet haben und die „Woge" selber davon nicht mehr zu reden beliebte und sich inzwischen anderen Themen zugewendet hat, möchte ich nur in Erinnerung bringen, was mein Freund Erler zu der Frage „München" gesagt hat: Das .war eine schlimme Sache damals, und es soll gut sein, wenn sie ausgeräumt worden ist; dann muß sie aber auch ausgeräumt sein und darf nicht nur zugedeckt sein, um bei einer anderen Gelegenheit wieder hochzukommen.

(Beifall bei der SPD.)

Daß dieses Abkommen, das einen Wert an sich darstellt, wie er auch in dieser Diskussion nicht bestritten, sondern gefeiert worden ist, wegen der Verminderung der radioaktiven Gefahren seine besondere Bedeutung hat, ist hier von Berufeneren gesagt worden. Ich möchte nur sagen: Wenn es auch keine Wende in den Beziehungen zwischen West und Ost ist, aber es war eine Sache, von der wir vor Anfang wissen mußten: Als Deutsche, als Bundesrepublik Deutschland, konnten wir dazu nicht nein oder „jein" sagen. Das gehört zu den Dingen, die sich von selber verstehen, weil sie zu den Bemühungen um eine Entspannung gehören, zu denen wir ja zu sagen haben, auch wenn sie im Einzelfall noch nicht die uns schmerzlichst bewegende Frage, die deutsche Frage, lösen helfen; sie könnten es ja indirekt. Es gibt ein einziges Kriterium bei uns: daß sie die deutsche Frage nicht erschweren, daß sie die deutsche Frage nicht weiter komplizieren, daß sie in der deutschen Frage nicht neue Hindernisse und Zement aufschütten.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Aber eines können Sie in keinem Falle. Ich will hier feststellen: alle haben darauf verzichtet, den Verlockungen zu folgen, die mein Freund Erler



Wehner
hier in seiner Rede dargeboten hat; keiner ist ihm auf den Leim gegangen.

(Heiterkeit.)

Sie waren alle sehr gesammelt und geglättet. Nur: Von der Gegenseite, ich meine jetzt der wirklichen großen Gegenseite, mit der wir es bei der großen Auseinandersetzung Ost-West und West-Ost zu tun haben, können Sie in keinem Falle erwarten — das möchte ich nur als Beitrag zum weiteren Nachdenken mitgeben; Sie haben ja gesagt: in den Ausschüssen werden wir das tun —, daß sie sozusagen auch verbal eines Tages westlich zu argumentieren beginnen wird. Oder glaubt jemand, daß es dann erst interessant wird? Um Himmels willen! Was sie auch sagen, wie sie es auch ausdeuten, was sie sich selber davon hermachen und wie sie sich anderen zeigen werden: uns kommt es auf die Tatsachen an, die gesetzt werden, muß es auf die Tatsachen ankommen und nicht auf das, was darüber verbal zu sagen möglich ist. Wir müssen mit Tatsachen rechnen und nicht mit Vorwänden, in jeder Beziehung, in jeder Politik, in jeder Himmelsrichtung.
Und nun muß ich Ihnen, Herr Minister, etwas sagen; ich kann mir das nicht verkneifen: ich habe nur mit einer Art innerer Bewegung — bei Ihnen möchte ich lieber, weil Sie so vorsichtig sind, sagen: nicht ohne innere Bewegung, nicht ohne einen Anflug innerer Bewegung —

(Heiterkeit)

dieser Bekundung — diesem Geleittrauerzug — der Unlust an der Politik der Bewegung als ein Zuhörer, als ein Mitteilnehmer, folgen können; das muß ich Ihnen sagen, und dafür muß ich Ihnen mein Beileid aussprechen. Es mag ein Trost für Sie sein, daß Sie immerhin wissen können, in Ihrem eigenen Bereich scheint man so sehr mit der Orientierung beschäftigt zu sein, daß man zur Zeit nicht imstande ist, Salut zu schießen, sondern sehen muß, wie weit es mit dem eigenen Pulver ist.

(Heiterkeit.)

Wohin sind die Zeiten — sagt man manchmal —, da die Meinungen hier aufeinanderplatzten. Ich gehöre nicht zu denen, die dem nachtrauern. Ich möchte nur sagen: Wohin sind die Zeiten, da jeder von den Koalitionsparteien hier voller Energie, voller Spannkraft — wir alle waren ja damals auch jünger — hinaufging auf diese Tribüne, aus jeder Zehenspitze Energie ausstrahlend. Jetzt ist das alles ganz geglättet.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD.)

Nun, Herr Minister des Auswärtigen, Sie schweben jetzt sozusagen in der Luft. Aber während das in einer bestimmten Zeit vorher artistisch wirkte, wirkt es jetzt fast schon gespenstisch.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Das habe ich aus dieser Debatte gesehen. Das war doch politisch gesehen — nicht physisch — beinahe eine Art Vorstufe zu dem, was man im Berliner Volksmund ein Begräbnis fünfter Klasse nennt.
Dazu haben Sie ja so interessante Äußerungen —zwar nicht gerade heute hier, aber in der Vorgeschichte zu dieser ersten Lesung — beigetragen. Ich denke an das Gespräch, das Sie mit Senator Keefauver gehabt haben, das dann auch bei uns im Hörfunk ausgestrahlt wurde, über das, was wir in diesen Entspannungsfragen tun müssen und tun können. Das alles ist sozusagen zunächst einmal. liegengeblieben. Es scheint also doch eine Art Unbehagen an sich selbst auf Ihrer Seite — nicht auf Ihrer persönlichen Seite, aber um sie herum — zu sein. Das ist angesichts eines Abkommens, das, wenn ich mich nicht irre, die größte Zahl von Beitritten und Unterstützungen erfahren hat, eigentlich ein etwas bescheidener Beitrag — auch ich, gebe ich zu, leiste nur einen so bescheidenen Beitrag —, den dieser unser Bundestag zu diesem Ereignis geleistet hat. Psychologisch, glaube ich, — das Wort wird ja so gern gebraucht — war das nicht klug, und die Herren und Damen waren nicht gut beraten, die der Welt gezeigt haben, wie gelähmt wir hier zur Zeit bei dieser Regierung sind, die sonst vor Kraft strotzt, die sich zur Zeit bemüht, Pakete aufzuschnüren oder zuzuhalten, das Sozialpaket, —

(Heiterkeit)

wie diese Regierung es in den Fragen, die uns alle so viel angehen, in Wirklichkeit schwer hat. Herzliches Beileid.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410723900
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410724000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was der Herr Kollege Wehner gesagt hat, veranlaßt mich, doch noch ein paar Bemerkungen zu machen.
Herr Kollege Wehner, ich darf hier vielleicht einmal ganz offen sprechen und sagen: Wenn nicht die Geschäftsordnung der Bundesregierung einen merkwürdigen Mechanismus enthielte, der so aussieht, daß eine Vorlage, wenn sie den Bundesrat ohne Beanstandung passiert hat, dann ohne neue Kabinettsbeschlußfassung sozusagen — Sie nehmen mir den Ausdruck nicht übel — an den Bundestag weiterrollt, hätten wir heute diese Debatte nicht gehabt. Meine Absicht in dieser Sache war ganz anders. Ich will Ihnen auch sagen, wann nach meiner Meinung diese Debatte etwa stattfinden sollte. Sie sollte nach meiner Meinung etwa im März/April stattfinden. Den ganz Scharfsinnigen unter Ihnen werde ich nicht zu sagen brauchen, warum. Trotzdem will ich dazu wenigstens eine Anmerkung machen. Wir sind international gesehen gerade in einem sehr schwierigen Vorbereitungsstadium. Wir hatten gerade eine Art Zirkularnote der Sowjetunion. Auf diese Zirkularnote hat der amerikanische Präsident für die Vereinigten Staaten soeben eine Antwort gegeben. Wir kennen den Entwurf der britischen Regierung — er wird in diesen Tagen bekannt werden —, und wir sind selbst dabei, auf diese Zirkularnote eine Antwort zu verfassen. Das wird vielleicht noch ein, zwei Wochen dauern. In der Zwischenzeit



Bundesminister Dr. Schröder
wird die Genfer Szene hergerichtet, wie Sie sehen, und die Noten nehmen darauf zum Teil Bezug. Auf diese Szenerie wird nun zunächst alles projiziert werden, was an Hoffnungen und Forderungen in der West-Ost-Auseinandersetzung vorhanden ist. Deswegen hätte es sehr viel besser gepaßt, wenn eine Besinnung auf den möglichen deutschen Beitrag, auf die möglichen deutschen Initiativen in einem etwas reiferen Zeitpunkt gekommen wäre als diesem. Ich glaube, ohne hier ein großer Prophet sein zu wollen, daß dieser reifere Zeitpunkt etwas später liegt. Sie werden mir darin bei einem Nachdenken über diese Zusammenhänge möglicherweise zustimmen. Deswegen will ich in dieser Debatte auch keine Zensuren verteilen.
Das, was durch meinen Mund die Bundesregierung hier gesagt hat, können Sie Zeile für Zeile wenden und abklopfen, es enthält die Politik, für die wir stehen.

(Abg. Wehner: Sehr vorsichtig gesagt!)

— Das ist gar nicht vorsichtig gesagt, das ist ganz offen gesagt. Auch die vorausgegangene Bundesregierung stand für diese Politik, vielleicht nicht immer ganz klar, vielleicht nicht immer für alle ganz erkennbar, aber sie stand für dieselbe Politik. Lesen Sie ihre Erklärungen nach, zuletzt die Regierungserklärung vom Herbst 1961! Und wenn Sie jetzt die Erklärung dieser neuen Bundesregierung von 1963 nachlesen, werden Sie sehen, daß wir für bestimmte ganz unverzichtbare Dinge einerseits, daß wir aber auch für bestimmte unbedingt notwendige Anstrengungen andererseits stehen. Es dauert manchmal ein bißchen, bis das in Form und Ausdrucksweise nach allen Seiten gleichmäßig überzeugend klingt. Das sieht niemand mit größerer Sorge als ich. Aber ich sehe es auch mit großem Verständnis; denn ich glaube, daß die Lage ,in der wir uns befinden, in der Tat eine neue Besinnung notwendig macht. Sie können nicht erwarten, daß jene, wie Sie meinten, kraftvolle Entschlossenheit

(Abg. Wehner: „federnde"!) nun alle Formen sprengt.

Verehrter Herr Kollege Wehner, es ist natürlich leichter, in die Häuser anderer solche Sätze zu bringen wie das Begräbnis fünfter Klasse und dergleichen. Aber denken Sie ein Stückchen weiter zurück! Denken Sie an die Position, die Sie selbst eingenommen haben! Herr Kollege Wehner, ich erwähne das nicht, weil ich irgendwelches Kapital sozusagen oppositionell daraus machen möchte.

(Abg. Wehner: Wenn Sie in die Opposition gehen, müssen Sie auch nach vorwärts gehen, Herr Schröder, nicht zurück! Gucken Sie nicht soviel zurück!)

— Ich gucke gar nicht zurück, nicht einen Augenblick. Aber Sie legen mir doch nahe, wenigstens etwas zurückzusehen. Sie haben zu unserer großen Freude — das sage ich Ihnen ganz offen und nicht etwa aus jener lächerlichen Furcht, das könnte Stimmen auf diese oder jene Seite bringen; weit unter dem Niveau eines national empfindenden Menschen! — Abschied genommen von gewissen
bedenklichen und gefährlichen Gedanken. Ich will sie heute nicht neu aufzählen. Wir freuen uns, daß es gelungen ist, vielleicht weniger aus Anstrengung als durch Entwicklung, eine weithin gemeinsame Linie und Haltung in der Vertretung der deutschen Lebensinteressen nicht nur verbal, sondern auch praktisch zu finden. Das scheint mir ein zu kostbares Gut zu sein, als daß es etwa jetzt in neuer Polemik erstickt werden dürfte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410724100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410724200
Bitte sehr!

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410724300
Herr Minister, darf ich, um mich zu vergewissern, Sie fragen: „Neue Polemik" heißt doch jetzt: mit verkehrten Fronten?

(Heiterkeit bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410724400
Herr Kollege Wehner, ich spreche von folgendem: Daß Sie jetzt diese stolzgeschwellte Brust haben —

(Abg. Wehner: Ich?)

— Ich meine Sie und Ihre politischen Freunde. Mit Ihrer eigenen Brust würde ich mich nicht so intim auseinandersetzen. Ich spreche von der Brust Ihrer Partei und Ihrer Fraktion.

(Abg. Wehner: Ist auch weiblich! — Heiterkeit.)

Das ist eine breite Brust. Gut! Wenn Sie also stolz darauf sind, daß Sie dort eine ganz einheitliche Meinung herbeigeführt haben, dann sollte das nicht dahin ausarten, daß nun sozusagen untersucht wird, ob alle diejenigen, deren Meinung Sie sich dabei weitgehend angenähert haben, genauso den stolzen und entschlossenen Eindruck machen. Das dient nicht der Sache, für die Sie sich dann gerade entschlossen haben, sondern dieser Sache muß man weiter dienen, und ich will Ihnen sagen, wie man ihr am besten dienen kann.
Man dient ihr durch eine möglichst rücksichtsvolle Behandlung, die alles unnötig Polemische dabei herausläßt und die z. B. — wie wir das, glaube ich, im Auswärtigen Ausschuß ja auch tun — den Versuch macht, erstens einmal die Fakten so zu sehen, wie sie sind, und nicht so, wie sie sich gelegentlich in der öffentlichen Darstellung ausnehmen, und dann zu sehen, daß diesen ungeheuer schwierigen Bemühungen — im Grunde geht diese ganze Sache doch nun allmählich 19 Jahre — eben jede denkbare Unterstützung gegeben werden muß. Dazu gehört auch, daß bestimmte Bemühungen nicht unnötig an die Öffentlichkeit gezogen werden, daß man uns nicht allzu sehr preßt, darzustellen, was wir nun in der Botschaftergruppe zur Beratung stellen usw. Es gibt dabei keinen Punkt, über den im Auswärtigen Ausschuß offen zu sprechen ich nicht bereit gewesen bin und bereit bin. Aber ich habe an Sie die herzliche Bitte, jede unnötige Polemik zu vermeiden und



Bundesminister Dr. Schröder
es nicht so darzustellen, als ob die Regierung bei diesem Abkommen etwa ein Begräbnis fünfter Klasse — fünfter Klasse sagten Sie, sonst geht man meistens nur bis zur dritten —

(Heiterkeit)

vornehmen möchte. Wir werden in der Lage sein, über diese Dinge, wie ich hoffe, in absehbarer Zeit sehr viel nachdrücklicher zu sprechen.
Und, Herr Kollege Wehner, nun noch eine weitere Bemerkung. Daß nach vielen Jahren bestimmter Erwartungen gewisse neue Elemente in die weltpolitische Situation gekommen sind, hat mehrere Folgen. Das hat einmal die Folge, daß es etwas dauert, bis es alle realisieren, und es macht dann notwendig, eine Situation zu überprüfen. Es ist manchmal schwer, sie zu überprüfen. Es ist ganz sicher so, daß es in Deutschland augenblicklich eine ganze Menge Leute gibt, die die Dinge bisher im Grunde einfacher gesehen haben, aus gutem Willen, nicht aus Bosheit, und daß sie nun dazu kommen müssen, sie so differenziert und so schwierig zu sehen, wie sie wirklich sind. Das erfordert einen Umstellungsprozeß. In diesem Umstellungsprozeß sind wir,

(Abg. Wehner: Bereits ein goldenes Wort habe ich aus Ihnen herausgelockt!)

und wenn Sie glauben, bereits ein gutes Stück weiter zu sein, Herr Kollege Wehner, dann sollten Sie also nicht ätzende Kritik auf diese Debatte gießen, sondern lieber gemeinsam mit uns ein Stück nach vorne sehen.

(Beifall in der Mitte.)

Ich verspreche Ihnen, daß Sie von mir keine Aufstellung über in der Vergangenheit begangene Fehler bekommen, und ich schlage Ihnen vor, daß wir darunter in der Tat einen Schlußstrich ziehen, aber für das, was die Verteidigung der Lebensinteressen unseres Volkes und die Wiederherstellung seiner Unversehrtheit angeht, auch diese Debatte als einen Beitrag benutzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410724500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Birrenbach.

Dr. Kurt Birrenbach (CDU):
Rede ID: ID0410724600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich den Gang der Debatte vergegenwärtigt, so ist man eigentlich erstaunt. In diesem Fragenbereich ergaben sich zwei Probleme. Einem davon hat man, abgesehen von den humanitären Ausführungen unserer Kollegin von der FDP, verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Frage, inwieweit dieser Vertragsabschluß den Status der sogenannten DDR beeinträchtigen würde, ist sicherlich von kapitaler Bedeutung. Aber, meine Damen und Herren, der Vertrag als solcher mit seinen Konsequenzen und den Gründen, aus denen heraus er zustande gekommen ist, ist ebenfalls ein Problem von außerordentlicher Bedeutung.
Bedenken Sie, daß sich der amerikanische Senat in seinen Hearings, die in einem Band von über 1000 Seiten zusammengefaßt sind, mit diesem Vertrag befaßt und mit der Frage auseinandergesetzt hat, warum die Sowjetunion nach mehr als sechsjährigen Verhandlungen dazu gekommen ist, einem solchen Vertrag zuzustimmen; welches sind die Motive der Sowjetunion gewesen. Das interessiert uns natürlich, wenn wir einen solchen Vertrag zu beurteilen haben.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Oder eine zweite Frage! Wir sind in einer besonderen Situation: Wir sind kein nuklearer Partner. Welches sind denn die entscheidenden Gründe der Vereinigten Staaten gewesen, dieses Vertragswerk zum Abschluß zu bringen? Meine Damen und Herren, was ist eigentlich die Bilanz, die die Schutzmacht der westlichen Welt, die Vereinigten Staaten bei der Beurteilung der Konsequenzen dieses Vertrags für die Verteidigungskraft der Vereinigten Staaten und der gesamten westlichen Welt gezogen haben?
Über all dieses ist nahezu kein einziges Wort gefallen. Ich sage ganz offen, daß es meines Erachtens wichtig wäre, das Problem auch einmal von dieser Seite her zu beleuchten.
Wenn man eine Rechnung aufstellt, muß man die Summe ziehen. Was ist denn der Saldo dieser Rechnung, soweit wir ihn heute übersehen können? Ich glaube, Herr Kollege Majonica hat recht gehabt, als er erklärt hat, daß aus der zeitlichen Distanz die Dinge in manchem anders aussehen als damals. In mancher Beziehung haben wir einen klareren Blick und sehen wir die Proportionen besser, als manche sie vor einem halben Jahr gesehen haben.
Nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, zu den hier aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, von denen ich glaube, doll sie für die Beurteilung des Vertrages, um den es hier geht, sehr wichtig sind.
Wie Sie wissen, ist der Vorschlag, der zu dem Vertrag vom Juli vorigen Jahres in Moskau geführt hat, der fünfte Versuch der Vereinigten Staaten gewesen, die Sowjetunion zu einem Abkommen dieser Art zu bringen. Der erste Versuch war auf der Londoner Konferenz des Jahres 1957 gemacht und von der Sowjetunion abgelehnt worden, und zwar im wesentlichen deshalb, weil er die Forderung nach der Inspektion enthalten hatte. Im Jahre 1959 haben sich die Alliierten entschlossen, einen Vorschlag über Tests in der Atmosphäre ohne Inspektion vorzulegen, weil sie der Meinung waren, auf diese Weise vielleicht den Widerstand der Sowjetunion brechen zu können, zumal es der Wissenschaft in der Zwischenzeit gelungen war, Detektormethoden zu finden, die Tests in der Atmosphäre auch ohne Inspektion festzustellen. Wenn dies also der fünfte Versuch seit 1957 war, dann, meine Damen und Herren, müssen wir uns fragen, warum der Gegner, die Sowjetunion, plötzlich bereit ist, einen solchen Vertrag abzuschließen.
Die Gründe, die die Sowjetunion dazu veranlaßt haben, sind aller Wahrscheinlichkeit nach etwa folgende :



Dr. Birrenbach
Zunächst einmal — um jede Illusion zu vermeiden — ist die Sowjetunion ganz sicher auf Grund der massiven Testreihen der Jahre 1961 und 1962 zu dem Ergebnis gekommen, zu glauben — mit Recht oder Unrecht, das ist eine Frage, die die Vereinigten Staaten mit großer Sorgfalt geprüft haben —, daß sie den amerikanischen Vorsprung, der bis dahin undiskutierbar war, eingeholt habe. Wenn dann die Tests eingestellt worden wären, wäre das von eminenter Bedeutung nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch für uns; denn die Verteidigungskraft der Vereinigten Staaten ist schließlich die entscheidende Basis der Verteidigung der Bundesrepublik und der ganzen westlichen Welt. Es ist also offenbar die Auffassung der Sowjetunion gewesen, daß diese Testreihen ihr mindestens den Anschluß an die amerikanische Entwicklung gebracht haben.
Welches ist das zweite Motiv gewesen? Ich glaube, das zweite Motiv, das die Sowjetunion veranlaßt hat, diesen Vertrag abzuschließen, ist für uns befriedigender als das erste. Der zweite Grund liegt zweifelsohne in der Erfahrung aus der Konfrontation der Sowjetunion mit der Macht der Vereinigten Staaten in der Oktoberkrise in Kuba. Wie Rusk einmal gesagt hat, haben sich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion hier in einer entscheidenden Frage Auge in Auge gesehen. Rusk fährt dann fort: Es ist die Sowjetunion gewesen, die geblinzelt hat. Die Sowjetunion ist also angesichts dieser Konfrontation vor dem letzten Risiko zurückgewichen. Es ist ihr erstmals klar geworden, daß die Vereinigten Staaten bereit waren, zur Verteidigung eines vitalen Interesses letztlich auch zu nuklearen Waffen zu greifen. Ich glaube, daß das Ergebnis dieser Konfrontation ein Wendepunkt werden kann und sicherlich eines der entscheidenden Motive dafür gewesen ist, daß die Sowjetunion dieses Abkommen abgeschlossen hat.
Der dritte Grund — und das zeitliche Zusammenfallen spricht für eine gewisse Kausalität — ist folgender: Diese Monate waren der Höhepunkt der sowjetisch-chinesischen Spannung. Es zeigte sich, daß das Schisma nicht nur ein ideologisches Schisma war, sondern unmittelbar und vital die Beziehungen dieser Staaten, der Sowjetunion und Chinas, mit beeinflußte. Wir wissen heute, daß die Sowjetunion schon im Jahre 1959 China die Hilfe beim Aufbau einer eigenen atomaren Macht versagt hat. Das ist keine ideologische Frage, sondern hier liegt ein Konflikt vor zwischen zwei Machtpotenzen erster Ordnung, der auch für uns von großer Bedeutung ist.
Ein weiterer Grund für den Abschluß des Abkommens ist folgender: Wenn es sich nicht nur um einen rein ideologischen, sondern auch um einen machtpolitischen Konflikt zwischen diesen beiden Mächten handelt, mußte das Interesse der Sowjetunion dahin gehen, dieser konkurrierenden Macht in Ostasien den Weg zum Aufbau eines atomaren Potentials, wenn möglich, abzuschneiden. In der gesamten Motivation der Sowjetunion ist das nur ein Faktor, aber ich glaube, er ist befriedigender als der erste, den ich genannt habe.
Ein weiterer ganz entscheidender Punkt kommt hinzu, nämlich der Wille, die Entstehung neuer atomarer Mächte zu verhindern, und insoweit besteht wohl ein Konsens zwischen unserer westlichen Schutzmacht, den Vereinigten Staaten, und der Sowjetunion. Wer die amerikanische Strategie kennt, wer weiß, daß sich die Vereinigten Staaten bemühen, nach Möglichkeit die Verwendung des atomaren Potentials nicht nur in der Krise, sondern auch im Kriege rational zu gestalten, auch im gefährlichsten Moment wenn irgend möglich nicht die Kontrolle dieses zerstörenden Elements aus der Hand zu verlieren, für den ist es klar, daß ein Interesse daran bestehen muß, nach Möglichkeit die Zahl derjenigen zu begrenzen, die in der Lage sind, auf diese Entscheidung Einfluß zu nehmen.
Aber seit einigen Monaten wissen wir — und wir sehen es heute klarer —, daß noch ein weiterer Grund für die Sowjetunion bestanden hat, zu dem Abkommen zu gelangen: Wir haben gesehen, bis zu welchem Grade die Krise der russischen Landwirtschaft geführt hat, nämlich zu einem Ausfall der Getreideernte von über 20 %. Das ist schon eine vitale Frage für die Sowjetunion; das ist nicht nur der Ausfall der Ernte eines Jahres, sondern vielmehr das Ergebnis einer strukturellen Entwicklung von über 20 Jahren.

(Zustimmung in der Mitte.)

Wenn man sich das vor Augen hält, wenn man weiß, was es bedeutet, in einem so großen Stile chemische Industrien aufzubauen, Düngemittelindustrien in diesem gewaltigen Umfang zu entwickeln, dann sieht man, daß auch die Sowjets schließlich rechnen müssen; auch für sie ist zwei plus zwei nicht fünf. Und wenn man weiß, wie ungewöhnlich kostspielig die atomaren Tests, insbesondere in der Luft und im Weltraum sind, dann ist einem klar, daß auch die Sowjetunion dieses Problem der Kosten sehen muß. Sie werden auch bemerkt haben, daß die Sowjetunion erstmals seit Jahren ihr Verteidigungsbudget substantiell vermindert hat und daß zum anderen erstmals in der sowjetischen Geschichte der Versuch gemacht worden ist — jedenfalls nach außen —, nicht den militärischen Interessen, sondern den Konsumwünschen des Landes in der Produktionsplanung Priorität zu geben. Ob das haltbar ist, ist eine andere Frage. Aber immerhin ist das ein Symptom dafür, daß auch die Sowjetunion nicht in der Lage ist, einen Rüstungswettlauf mit unbegrenzten Mitteln mitzumachen. Nichts zeigt das besser als der Bericht, den die Central Intelligence Agency (CIA) der Vereinigten Staaten im Dezember veröffentlicht hat. Daraus ergibt sich nämlich, daß die Wachstumsrate der Sowjetunion nicht etwa bei 10 oder 8 % liegt, wie das jahrelang behauptet worden ist, sondern daß sie in den letzten Jahren auf 2 bis 21/2% gefallen ist, also auf ein Niveau, das weit unter dem der Staaten der EWG liegt. Auch das ist bezeichnend. Auch die Sowjetunion ist daran interessiert, ihre Ausgaben nach Möglichkeit in einem höheren Grade als bisher produktiv zu gestalten, um die ungeheuer komplex gewordene sowjetische Wirtschaft, die nicht mehr mit



Dr. Birrenbach
der Wirtschaftskraft vor 10 Jahren zu vergleichen ist, überhaupt in Gang zu halten.
Das sind bedeutende Gründe, die aber alle insgesamt eines nicht ausschließen. Die Blockierung der Konvois auf den Autobahnen, die Note der Sowjetunion vom 3. Dezember und schließlich die neuen Abrüstungsvorschläge zeigen Ihnen, daß die Sowjetunion, soweit sie frei ist, soweit sie die Kraft dazu hat, an ihren alten Zielen wie bisher festhält. Auch das müssen wir wissen; denn wenn wir das Plus und das Minus dieser Einstellung sehen, ist es für uns leichter, die Haltung der Sowjetunion in dieser Frage zu verstehen.
Welches sind nun die amerikanischen Gründe gewesen? Der erste Grund der Amerikaner war zweifellos der humanitäre. Er hat hier das Hohe Haus wohl in erster Linie beeinflußt. Wenn man sich die Zahl vor Augen hält, die der Bundesaußenminister vorhin genannt hat, nämlich daß die 60-MegatonnenBombe, die über Nowaja Semlja zur Explosion gebracht worden ist, die dreitausendfache Explosivkraft der Hiroshima-Bombe besaß, dann gibt es wohl keinen Zweifel mehr, daß hier, was die Verseuchung der Welt mit Atomstaub anlangt, ein echtes Anliegen gegeben ist. Keiner mehr als die Vereinigten Staaten, die führende Macht der westlichen Welt, hatte zu versuchen, hier ein Halt einzubauen, soweit das nur mit ihren Verteidigungsrechten und -pflichten vereinbar war. Soweit der erste Grund.
Der zweite Grund ist wohl der: Auch für die Vereinigten Staaten — das sehen Sie an der Entwicklung des amerikanischen Etats der letzten Jahre — besteht ein dringender Zwang, die Rüstungskosten irgendwo unter Kontrolle zu bringen, damit es möglich wird, die Gefahr inflationärer und defizitärer Entwicklungen zu beseitigen oder die Prioritäten in einer Weise zu ändern, damit es nicht nach innen zu Schwierigkeiten führt.
Der dritte amerikanische Grund ist von mir bereits im Zusammenhang mit der Problematik der Sowjetunion genannt worden, nämlich der Versuch, nach Möglichkeit die Entstehung neuer atomarer Mächte und damit die Gefahr eines Krieges durch Zufall oder durch Fehleinschätzung zu vermeiden.
Der nächste Grund war der: Wenn man fünf Jahre, und eigentlich seit dem Baruch-Plan des Jahres 1946 praktisch beinahe zwei Jahrzehnte versucht hat, die Sowjetunion zu veranlassen, die atomare Entwicklung unter Kontrolle zu bringen, so ist es wohl selbstverständlich, daß man — wenn man an diesem Versuch weiter arbeitet und sich in den Verhandlungen zeigt, daß eine Chance gegeben ist, die eventuell entwickelbar ist — im Sinne der Friedensstrategie des verstorbenen amerikanischen Präsidenten zugreift: Nämlich auf der einen Seite die Stärkung der amerikanischen, der westlichen Macht voranzutreiben und auf der anderen Seite nach Randzonen einer Entspannung zu suchen, um den Teufelskreis, wie er hier genannt worden ist, einer atomaren Kriegsdrohung im nuklearen Zeitalter an irgendeiner Stelle zu durchbrechen.
Aber eines muß man sagen, und das ist eine Pflicht der Wahrheit: Es ist einfach nicht wahr, daß
in den Vereinigten Staaten eine euphorische Stimmung bestanden hätte, die zu wissen glaubte, der Garten Eden stände vor der Tür. Nichts ist davon wahr!

(Abg. Wehner: Sehr richtig! Beifall bei der SPD.)

Ich kann unseren Kollegen nur raten, sich den Dokumentenband des amerikanischen Senats durchzusehen, diesen mehr als tausendseitigen Band, in dem jede Seite und jeder Winkel dieses Problems mit einer Sorgfalt, mit einer Einsicht, mit einem tiefen Ernst behandelt worden ist. Ich glaube, das ist beispielhaft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)

Wenn man das sieht und erkennt, dann braucht man keine Sorge zu haben, daß sich die Vereinigten Staaten aus einer Euphorie oder aus einer Illusion heraus der eigenen Waffen begäbe; denn es handelt sich ja nicht nur um die Verteidigung Europas, sondern auch um die Verteidigung der Vereinigten Staaten selbst im nuklearen Zeitalter, die schließlich, wie man oft vergißt, in der ersten Schußlinie stehen.
Soweit die Motive der beiden großen Mächte, die ja praktisch, wenn ich von England absehe, dieses Abkommen geschlossen haben. Was ist aber nun die militärische Bilanz? Wie sieht es denn nun eigentlich damit aus? Wird nun die militärische Verteidigungskraft der westlichen Welt gefördert oder wird sie eingeschränkt? Was ist nun das Ergebnis? Auch da empfiehlt sich ein Blick in die Hearings des amerikanischen Senats. Ich möchte nur zwei Erklärungen 1 aus der Fülle der Aussagen herausgreifen, die dort zu den Akten genommen worden sind, einmal die Äußerung des amerikanischen Verteidigungsministers und dann am Rande einige Kritiken der wenigen Persönlichkeiten, die sich gegen das Abkommen geäußert haben.
Der amerikanische Verteidigungsminister McNamara beginnt seine Ausführungen innerhalb der Hearings mit einer sehr klaren Analyse dessen, was in den letzten Jahren vorher geschehen war. Er sagt: In den letzten zwei Jahren haben wir unsere Verteidigungskraft zwecks Vorbereitung auf eine gezügelte Entspannungspolitik außerordentlich gestärkt. Wir haben die Zahl unserer nuklearen Gefechtsköpfe um 100 % gesteigert, um 60 % die Einlagerung taktisch-nuklearer Waffen auf dem europäischen Kontinent. — Von einer Desatomisierung des europäischen Kontinents kann hier wohl in Parenthese gesagt, keine Rede sein. — Wir haben die Mega-Tonnage unserer Bomben in den letzten zwei Jahren mehr als verdoppelt, und — so erklärte er — wir sind gewillt, die Überlegenheit, die wir gegenüber der Sowjetunion auf dem atomaren Gebiet haben, zu behalten, mit dem Vertrag und nach Vertragsabschluß. — Ich glaube, das ist für uns alle hier eine wichtige und beruhigende Feststellung.
Aber wie steht es nun mit der Bilanz? Der amerikanische Verteidigungsminister erklärt völlig nüchtern und mit absoluter Objektivität, daß in bezug auf die nuklearen Sprengköpfe insoweit eine Über-



Dr. Birrenbach
legenheit der USA bestehe, es sei denn, daß es sich um Gefechtsköpfe von mehr als 30 oder 40 Megatonnen handele. Nur in diesen Regionen sieht er eine sowjetische Überlegenheit. In dem Gesamtspektrum der nuklearen Gefechtsköpfe sieht er eine eindeutige Überlegenheit der Vereinigten Staaten, die auch beibehalten werden kann. Zum zweiten sieht er eine Überlegenheit der Vereinigten Staaten in der Vielgestaltigkeit des Trägersystems, von den Gefechtswaffen bis zu den interkontinentalen Raketen und den auf U-Booten montierten Polariswaffen. Eine gewisse Überlegenheit hat die Sowjetunion bei den landbasierten Mittelstreckenraketen gehalten, so sagt er. — Das Bekenntnis ist klar und eindeutig. Wir kennen es. Die westliche Welt, die Vereinigten Staaten und wir haben uns auf dieses Problem einzustellen. Aber es besteht kein Zweifel, daß insgesamt die amerikanische Verteidigung der russischen in atomarer Beziehung heute weit überlegen ist.
Dann untersucht er die Frage: Welches ist die Konsequenz für unsere Entwicklung von morgen, wenn wir nun unsere Untersuchungen unter Wasser, in der Atmosphäre und in der Luft einstellen müssen? Wir bleiben ja stehen; was bedeutet das nun morgen? Die einzige Möglichkeit, die wir haben, sind unterirdische Untersuchungen. Er untersucht dann vier Punkte: erstens die Bedeutung der Geschosse mit großer Sprengkraft, also über 40 oder 50 Megatonnen, dann die Überlebensfähigkeit der unterirdischen Abschußrampen — denn die entscheidende Position der Vereinigten Staaten sind die Minuteman-Raketen, die in zementierte Basen unter der Erde oder in Silos eingelassen sind —, drittens — ein ungewöhnlich wichtiger Punkt; ich bin verwundert, daß diese Frage in der jetzigen Debatte überhaupt nicht aufgetaucht ist — die Frage der Entwicklung eines Raketenabwehrsystems; wenn es gelänge, eine effektive Raketenabwehr durchzuführen, so würde das einen technischen Durchbruch bedeuten, der uns von heute auf morgen nahezu waffenlos ließe; daß das eine fundamentale und unerhört wichtige Frage ist, sehen Sie sicher ein; und viertens die Frage der Durchschlagskraft der amerikanischen Raketen gegenüber der jetzigen sowjetischen Verteidigung.
Zu welchen Schlußfolgerungen kommt McNamara? In bezug auf die großen Megatonnen-Geschosse der Sowjetunion kommt er zu der Schlußfolgerung, daß sie aus mehreren Gründen weniger praktisch sind als die von den Vereinigten Staaten entwickelten Abwehrvorrichtungen. Denn einmal ist es nicht möglich, Geschoßrampen dieser gewaltigen Größe entsprechend zu tarnen, zu sichern und mobil zu gestalten. Das ist einleuchtend. Zum anderen erklärt er, daß es ungewöhnlich viel leichter sei, eine Verteidigung mit Reihensalven zu saturieren als mit dem Einsatz einer gewaltigen Megatonnen-Bombe, für die die Russen interessanterweise bis heute noch nicht die entsprechenden Träger besitzen.
Zu Punkt 2, der Überlebensfähigkeit, räumt er ein: Sicher, da wir heute keine atmosphärischen Tests mehr machen können, können wir die Widerstandsfähigkeit unserer Silos nicht mehr so überprüfen. Hier liegt ein Nachteil vor, den er freimütig zum Ausdruck bringt.
Das wichtigste Problem in diesem Zusammenhang überhaupt, das er beleuchtet, ist die Frage: Haben die Russen in ihren letzten Versuchsserien eine AntiRaketen-Waffe entwickelt? Ist es ihnen gelungen, durch einen black-out oder in irgendeiner anderen Form, etwa mit einer höher entwickelten Trägerrakete als der amerikanischen Zeus, Nike oder einer anderen eventuell anfliegende amerikanische Raketen praktisch im Anflug zur Explosion zu bringen und unschädlich zu machen? Wenn also ein solcher Gürtel vor der Sowjetunion aufgebaut wäre, dann würden die amerikanischen Geschosse die sowjetische Verteidigung nicht durchdringen. Von heute auf morgen wäre das gesamte militärische Gleichgewicht der Welt fundamental verändert, denn die Sowjetunion wäre auch auf atomarem Gebiet überlegen, wie sie es auf konventionellem Gebiet ist. Daß das eine Frage von ganz entscheidender Bedeutung ist, die bei den amerikanischen Senatoren Gegenstand eingehender Beratung gewesen ist, ist klar. Sie sollte auch uns interessieren.
Welches sind nun die Schlußfolgerungen, zu denen Herr McNamara kommt? Die Schlußfolgerungen sind folgende. Die Amerikaner versuchen seit über 10 Jahren, ein solches System aufzubauen. Sie haben eine Reihe von Erfolgen gehabt. Ich babe eine dieser Raketenentwicklungen soeben zitiert. Sie sind aber sicherlich nicht zufrieden. Sie sind zu der Überzeugung gekommen, daß es unmöglich ist, ein hundertprozentig wirksames System dieser Art aufzubauen, das im übrigen derart kostspielig wäre, daß es nahezu die Kräfte der Vereinigten Staaten selber überstiege. Aus diesen technischen, finanziellen und wissenschaftlichen Erwägungen sind die Vereinigten Staaten zu der Überzeugung gekommen, daß es zweifelhaft wäre, daß den Russen ein solcher Durchbruch gelingen wird.
Im übrigen erklärt er aber, daß die Vereinigten Staaten alles täten, die unterirdischen Versuche auch auf diesem Gebiet weiterzuführen, um ihre Zeus-Nike-Entwicklung weiter zu fördern bis zu einem Punkt, der ihnen eine Waffe an die Hand gäbe, die in entsprechender Form verwandt werden könne.
Beim letzten Punkt bezüglich der Durchschlagskraft haben sie gar keine Sorge, sondern sie sagen: Die Durchschlagskraft der amerikanischen Raketen ist derart, daß wir keine Sorge zu haben brauchen.
Was sagen denn nun die Kritiker? Was sagt ein Mann wie der Vater der Atombombe, Teller, oder Dr. Braun oder Admiral Strauss? Diese haben bei den Hearings als einzige gegen das Abkommen gestimmt. Herr Teller erklärt, er habe keinen Anhaltspunkt, zu beweisen, daß die Russen überlegen seien. Er komme vielmehr zu der Auffassung, daß immerhin die Möglichkeit dazu bestehe, und wenn das der Fall sein werde, habe das so katastrophale Konsequenzen, daß sich die Vereinigten Staaten das nicht leisten könnten. Aber, so räumt er zum Schluß ein, was immer auch von russischer Seite auf Grund dieser Testserien entwickelt werde, sicher sei er,



Dr. Birrenbach
daß den Russen keine Entwicklung gelinge, die den Vereinigten Staaten ihre sogenannte Second-StrikeWaffe aus der Hand schlage. Ich glaube, da das die entscheidenden Waffen der Vereinigten Staaten in ihrer atomaren Konzeption sind, ist das doch auch eine beruhigende Erklärung.
Zum Schluß in diesem Zusammenhang noch einige wenige Bemerkungen zu der Frage, oh es den Russen eventuell gelingen könne, insgeheim weiterzutesten und dann neue Entwicklungen in Gang zu bringen. Herr McNamara erklärt: Nein, die Möglichkeit von Tests für alle durch dieses Abkommen erfaßten drei Regionen ist so weit entwickelt, daß keine Sorge besteht, daß diese nicht entdeckt werden. Im übrigen: wenn solche Experimente entdeckt würden, würden die Vereinigten Staaten ohne Kündigung sofort und unmittelbar, auf Grund einer Clausula rebus sic stantibus, von dem Vertrag zurücktreten. Für diesen Zweck haben sie alle Versuchsstationen für atmosphärische und ähnliche Versuche in Gang gehalten. Sie können von heute auf morgen wieder in Gang gesetzt werden. Außerdem werden die unterirdischen Tests weitergeführt — wenige Tage nach dem Abkommen begann der erste —, so daß klar ist, daß die Vereinigten Staaten alles tun werden, um ihre Überlegenheit zu bewahren.
Zum Schluß gestatten Sie mir, die Summe zu ziehen. Was ist denn nun die Bilanz dieses Abkommens voraussichtlich? Zunächst einmal ist eines klar — Punkt 1 —: es ist gelungen, jedenfalls im Augenblick die radioaktive Ausstrahlung einzuschränken und damit die Gefahr größerer Radioaktivität zu bannen.
Zweitens. Zwar ist es nicht gelungen, einen neuen Akt der Abrüstung in Gang zu bringen, wohl aber ist es möglich, auf Grund der Einstellung dieser Tests zu einer Bremsung des Rüstungswettlaufs zu kommen, was ja auch schon ein Wert an sich ist.

(Beifall bei der SPD.)

Drittens. Obwohl eine quantitative Einschränkung der Rüstungsanstrengungen möglich ist, bleibt in qualitativer Hinsicht der Wettbewerb zwischen Angriffs- und Verteidigungswaffen, zwischen der Verwendung offensiver und defensiver Elektronen- und Thermonuklear-Technik weiter bestehen. Das ist die unverrückbare Tatsache des nuklearen Zeitalters, der wir leider alle ins Auge sehen müssen.
Viertens. Angesichts dieser Unsicherheit, wie ich sie gekennzeichnet habe, und angesichts der Möglichkeit, daß theoretisch wenigstens ein technischer Durchbruch denkbar wäre, der zu einer völligen Änderung der Gleichgewichtslage in der Welt führen könnte, bleiben wir in der Spannung, in der wir uns befinden, und wir kommen auf das deutsche Argument zurück, daß die Spannung in der Welt eben nur lösbar ist, wenn man die wahren Ursachen dieser Spannung beseitigt, und nicht, wenn man nur peripher vorgeht, obwohl ich zugebe, daß auch die Rüstung von einem bestimmten Punkt an ein originärer Spannungsfaktor an sich ist.
Fünftens. Wenn man zu einem Arrangement kommen will, muß irgendwo der Anfang gemacht werden. Das ist der erste Anfang, ein bescheidener Anfang; aber immerhin, es ist der erste Anfang.
Sechstens, und das gehört ganz eindeutig zu der Bilanz: Jeder Versuch der militärischen Stabilisierung bringt das Risiko der Verhärtung des Status quo mit sich. Das ist die furchtbare Konsequenz des nuklearen Zeitalters. Darum muß das Bemühen unserer Verbündeten und das unserer Bundesregierung immer wieder dahin gehen, den Versuch zu machen, in die Abkommen, die zum Zwecke der Abrüstung, zum Zwecke der Förderung und Verbreiterung der militärischen Stabilität abgeschlossen werden, die Deutschland-Frage in konditionaler oder ähnlicher Form einzubetten. Das ergibt sich nur, wenn man jedes einzelne Abkommen nach seinem spezifischen Wert beurteilt. Sicherlich ist aber ein regionales Abkommen in Europa mit allen seinen bisherigen Konsequenzen nicht möglich, ohne daß in ganz entscheidender Weise diesen vitalen Spannungsursachen in Europa Rechnung getragen wird.
Nun ein letzter Punkt! Wenn das so ist, wenn also die Konsequenz des nuklearen Zeitalters die Gefahr einer Verhärtung des Status quo ist — und der Status quo ist ja in Wahrheit das entscheidende Ferment der Spannung, der entscheidende Grund für die Konflikte unter den Nationen —, dann ist es um so wichtiger, daß alles vermieden wird, was eine weitere Verhärtung des Status quo fördern könnte. Und darum ist ein Punkt wichtig: die Essenz der Zusammenarbeit liegt in der Konsultation, die Konsultation ist entscheidend für die Kohäsion des Bündnisses. Wir sind glücklich, von unseren amerikanischen Freunden immer wieder zu hören, daß wir nun, nachdem im vergangenen Sommer das einmal übersehen ist, vor jeder Paraphierung eines entscheidenden Vertrages, der auch unsere vitalen Interessen unmittelbar oder mittelbar berührt, auf jeden Fall konsultiert werden.
Darum hätten wir uns keine Sorgen zu machen brauchen, wenn es gelungen wäre, die europäische Einheit zu einem Ende zu bringen. Denn dann wären wir in jeder Verhandlung, ob sie nukleare Fragen betrifft oder ob es sich um Ost-West-Verhandlungen irgendwelcher Art handelt, als integrierender Partner Europas innerhalb der großen europäisch-amerikanischen Partnerschaft immer präsent. Daß dieser Versuch im vergangenen Jahr einstweilen gescheitert ist, ist eine der tragischen Erfahrungen der letzten Jahre. Alle unsere Bemühungen sollten sich darauf richten, dieses konstruktive Ziel, konzipiert durch Jean Monnet und zur amerikanischen Politik gemacht durch den verstorbenen Präsidenten der Vereinigten Staaten, zu fördern. Da liegt die Lösung des Konflikts, der heute an die Kohäsion unserer Allianz rührt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410724700
Die Sitzung wird bis 15 Uhr unterbrochen. Als nächster Redner ist vorgesehen Freiherr zu Guttenberg.



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.15 bis 15.01 Uhr.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410724800
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freiherr zu Guttenberg.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410724900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte am Anfang dessen, was ich zu sagen habe, erklären, daß auch ich mich zu denen bekenne, die dem Vertrag, der Gegenstand unserer heutigen Diskussion ist, kritisch gegenüberstanden und die — auch das sage ich — teilweise noch immer Kritik an ihm zu üben haben. In diesem Zusammenhang möchte ich gleich ein Wort an Herrn Kollegen Wehner richten, der leider nicht da ist. Ich halte diese Sache für zu ernst, um lediglich mit Sarkasmus, mit Spott und Ironie gegenüber jenen zu antworten, die kritisch sind.

(Beifall in der Mitte.)

Vielmehr meine ich, daß wir alle .in diesem Hause uns gegenseitig zugestehen sollten, daß wir aus Sorge reden. Was mich angeht, so sage ich, daß ich in dieser Sache, die ich für wichtig ansehe, von der ich glaube, daß sie außerordentlich wichtig ist, Sorgen habe. Bei dieser Sache geht es im Grunde um die Frage, wie es in der gegenwärtigen Etappe des Ost-West-Konfliktes um unsere deutschen Dinge steht.
Zu dem Vertrag selber ist heute schon vieles gesagt worden, und ich möchte die Reihe derer, die in erster Lesung im Detail über ,diesen Vertrag reden, nicht verlängern; ich glaube, daß wir hierzu im Auswärtigen Ausschuß und in anderen, beteiligten Ausschüssen Zeit genug haben. Vielmehr halte ich eis für angezeigt, über den Rahmen etwas zu sagen, in welchem wir diesen Vertrag sehen müssen. Denn dieser Vertrag kann nicht isoliert betrachtet werden. Es ist doch nicht richtig, daß wir hier nur diese eine Sache zu sehen haben; wir müssen uns vielmehr damit auseinandersetzen, welches die Umgebung dieses Vertrages ist, aus welcher Politik insgesamt dieser Vertrag entstanden ist,
Von vielen Seiten ist gesagt worden, daß dieser Vertrag ein Teil, vielleicht sogar ein Beginn einer bestimmten Politik sein solle, einer Politik, die von manchen Entspannungspolitik genannt wird. Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, in allem Freimut sagen, daß ich gegenüber manchem Aspekt dieser Politik zur Vorsicht, zur Zurückhaltung raten möchte, ja vielleicht sogar Widerspruch anzumelden habe. Ich sehe nicht ein, warum man in dieser Sache, wenn es nötig sein sollte, Widerspruch und Kritik verschweigen sollte. Ich sehe nicht ein, daß man die Freundschaft und Solidarität mit unseren westlichen Partnern dadurch belastet, daß man bestehende Kritik ausspricht. Ich bin viel eher der Meinung, daß es unsere Freundschaft und Solidarität belasten würde, wenn man solche Kritik verschweigen würde.

(Beifall in der Mitte.)

Daher erlaube ich mir, Ihnen einige Worte zu sagen, die nach meiner Auffassung über den Begriff und über den Inhalt dieses Wortes „Entspannung", also über den Inhalt einer solchen Entspannungspolitik an dieser Stelle gesagt werden sollen.
Ich habe manchmal den Eindruck, daß der Wunsch nach Entspannung auch schon die Hoffnung zeugt, daß solche Entspannung möglich sein müsse. Lassen Sie mich also ganz nüchtern untersuchen, was eigentlich Entspannung im Ost-West-Konflikt heißt. Lassen Sie mich auch in gleicher Weise untersuchen: Wie ist Entspannung wirklich möglich, und wer kann Entspannung tatsächlich und dauerhaft bewirken? Und, meine Damen und Herren, tun wir das doch in einer Atmosphäre, in der wir vor allem unseren Verstand walten lassen,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

und hören wir doch einmal mit derartigen — einmal
ausgesprochenen, einmal angedeuteten — Unterstellungen auf, als ob es jemand gäbe, der gegen Entspannung sei! Hören wir mit solchen törichten Unterscheidungen auf und sagen wir einmal ganz deutlich, daß alle in diesem Hause für Entspannung, für Frieden, für Ruhe sind und daß es keinen in diesem Hause gibt, der sich etwa wünschte, daß der kalte Krieg weiterginge, wenn er einzugrenzen, wenn er vielleicht sogar zu beenden wäre!
Aber, meine Damen und Herren, weil dies meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit ist, weil man also sagen muß, daß sich alle — nicht nur wir in diesem Hause, sondern alle in unserem Volke —Entspannung, Frieden und Ruhe wünschen, müssen wir nicht hinzusetzen, daß deshalb besondere Vorsicht am Platze sein muß, daß wir um so stärker vor möglichen Irrwegen warnen müssen, die unter der Flagge der Entspannung betreten werden könnten? Denn wenn man einmal auf einem solchen Irrwege wäre, dann könnte die Umkehr eines Tages plötzlich nicht mehr möglich sein; denn dann könnten vielleicht eines Tages die Wünsche an die Stelle der Wirklichkeit getreten sein.
Und ein weiteres! Niemand kann bestreiten, daß der Osten seit Jahr und Tag versucht, das Friedensbedürfnis der Menschen zum Instrument seiner Politik zu machen. Das ist nichts Neues. Wir haben das schon einige Male erlebt. Es ist doch in früherer Zeit ich darf Sie daran erinnern — vom Geist von Genf, vom Geist von Camp David geredet worden. Und am Ende dieser Perioden standen dann jene Fernsehbilder, die uns gezeigt haben, wie Herr Chruschtschow mit drohenden Fäusten redete, haben wir doch alle jene Berichte gelesen, die davon erzählten, wie Herr Chruschtschow mit seinen Schuhen auf das Pult seines UNO-Sitzes hämmerte.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu der Frage: wer kann Entspannung bewirken? dies sagen: Ich meine, daß letztlich doch nur der Entspannung bewirken kann, der die Spannung erzeugt hat. Entspannen heißt doch, die Spannung wegnehmen, die auf uns liegt. Und niemand wird doch behaupten können, daß wir diese Spannung erzeugt hätten. Niemand wird also vom Bedrohten etwa erwarten können, daß er die Drohung von sich nimmt,



Freiherr zu Guttenberg
die ein anderer auf ihn gelegt hat. Entspannen ist also ein Appell an die andere Seite, wenn damit wirklich etwas gesagt sein soll.
Wenn also Entspannen darin besteht, daß man die Spannung wegnimmt, dann müssen wir doch fragen: wer bewirkt diese Spannung? Doch nicht wir, doch nicht der Westen, doch nicht die Demokratien. Wer ist die Ursache des kalten Krieges? Wer ist die Ursache dafür, daß wir in den letzten Jahren in zunehmenden Maße für unsere eigene, für die westliche Rüstung zahlen mußten und Opfer auf uns zu nehmen hatten, um in diesem Konflikt zu bestehen?
Wir brauchen doch nur einen Moment zurückzudenken an die Geschichte der NATO, zurückzudenken an jene Tage, in denen über Osteuropa die Katastrophe hereinbrach, an jene Tage, in welchen die NATO als eine Reaktion auf eine Aktion des Ostens gegründet wurde. Das Faktum also, so meine ich, ist dieses: Die Ursache der Spannung ist der sowjetische, kommunistische Imperialismus, der sowjetische Welteroberungsdrang. Wenn das so ist, dann scheint mir der nächste Satz ganz einfach logisch und richtig zu sein, der da heißt: Entspannung bedeutet einen Wandel der kommunistischen Politik Moskaus.
Lassen Sie mich an diesen Satz nun zwei Fragen anschließen: Gibt es einen solchen Wandel? Ist er möglich? Und zweitens: Können wir, kann der Westen solchen Wandel fördern?
I) Zur ersten Frage, ob es einen solchen Wandel gibt, ob er möglich ist: Nach meiner Meinung ist solcher Wandel der kommunistischen Politik möglich. Ja, ich möchte weitergehen und sagen, daß dieser Wandel sogar erwartet werden kann, deshalb nämlich, weil der Zusammenstoß ideologischer Illusionen — und nichts anderes ist der Kommunismus — mit der Wirklichkeit dazu führen muß, daß diese Illusionen sich abschleifen, daß sie sich an der Wirklichkeit reiben und daß hieraus eines Tages ein Nachlassen der militanten und aggressiven Elemente des Kommunismus erwartet werden kann.
Aber, meine Damen und Herren, ich sage: erwartet werden kann, und ich setze hinzu, wir sollten alle miteinander die Geduld aufbringen, diesen Prozeß abzuwarten, und wir sollten uns hüten, heute die Hoffnung an die Stelle der Wirklichkeit zu setzen. Denn es handelt sich auch um ein Generationenproblem im Ostblock. Jene, die dort heute in der Sowjetunion die Macht in ihren Händen haben, gehören zu einer Generation, von der wir aus ureigensten Erfahrungen wissen, daß sie vom Glauben an ihre Sache lebt.
Trotzdem bin ich bereit zu sagen, daß dieser Prozeß des Wandels in Gang gekommen ist. Es gibt ein Nachlassen des Terrors in der Sowjetunion. So seltsam dies klingt: die Tatsache, daß der Tod im kommunistischen Raum keine Parteistrafe mehr ist, ist ein Fortschritt; jawohl, das ist einer! Es gibt weiter dort drüben heute mehr Spielraum für das Individuum, — sowohl in der Sowjetunion für die Menschen, als auch mehr Spielraum für die
staatlichen Individuen im ganzen sowjetischen Lager.
Aber, meine Damen und Herren, hüten wir uns vor Wunschvorstellungen! Nach meiner Meinung müssen wir leider sagen, daß gleichzeitig mit dem Beginn dieses eben genannten Prozesses ,die Führer des Kommunismus in der Sowjetunion mehr denn je fest im Sattel sitzen. Der Polyzentrismus — der soviel beschworene, vielberufene, vielgerühmte —im Sowjetlager hat auch eine andere Seite, jene nämlich, daß offenbar gewisse innenpolitische, nennen wir es Beweglichkeiten, die mancherorts in diesem Raum eingeräumt wurden — die Zunge würde sich mir sträuben, hier von Freiheit zu reden —, nicht ohne Preis erreicht werden konnten. Der Preis, den man dort gezahlt hat, ist eine um so klarere Linientreue in außenpolitischen Fragen.
In der Sowjetunion hat dieser Prozeß nach meiner Meinung noch eine andere Reaktion herbeigeführt: es gibt dort heute mehr Zustimmung der Regierten zu denen, die regieren. Und dies heißt, daß die Regierung in der Sowjetunion eine größere Bewegungsfreiheit gewonnen hat. Das ist nicht nur eine theoretische Vermutung. Wir haben doch alle die letzten Jahre erlebt, in denen es uns klarwerden mußte, daß im selben Ausmaß, in dem Chruschtschow gewisse Konzessionen in der Sowjetunion und im Sowjetlager machte, seine Politik gegenüber dem Westen — gegenüber Berlin vor allem — aggressiver und militanter geworden ist. Ultimaten, meine Damen und Herren, hat es in der Sowjetpolitik erst in dieser Zeit gegeben. Ich frage also — und das scheint mir eine wesentliche Frage, vielleicht die wesentliche Frage in diesem Zusammenhang zu sein —: können wir heute mit wirklicher Entspannung rechnen? Können wir glauben, daß der Grund zu den Spannungen weggefallen sei? Können wir glauben, daß er auch nur eingeschränkt sei? Ich fürchte, meine Damen und Herren, daß wir keinen Anlaß haben, dies zu glauben.
Lassen Sie mich nun zu der zweiten Frage kommen, die ich gestellt habe, zu der Frage, ob wir, der Westen, einen solchen Prozeß des Wandels innerhalb des kommunistischen Raumes etwa fördern könnten. Ich möchte diese Frage eindeutig mit ja beantworten. Ich halte dafür, daß der Westen einen solchen Prozeß fördern kann. Ja, ich glaube, daß dies geradezu unsere erste Aufgabe sein muß, wenn wir Entspannung erreichen wollen. Aber, meine Damen und Herren, die Frage ist doch: mit welchem Mittel, welches ist der rechte Weg zu dieser Entspannung? Und da ist nun meine Auffassung — und gewiß nicht nur die meine —, daß diese Entspannung im Grunde nur erreicht werden kann durch eine feste und unnachgiebige Haltung des Westens, verbunden mit einem erfolgreichen Aus- und Aufbau unserer eigenen, unserer freiheitlichen westlichen Welt.
Denn was ist denn der Motor der kommunistischen Aggressivität? Der Motor der kommunistischen Aggressivität ist doch nichts als der Glaube der Kommunisten an sich selbst, als der Glaube der Kommunisten dort drüben an den Sieg ihrer eigenen Sache, als der Glaube daran, daß die Geschichte ihnen recht geben werde, als der Glaube dieser Leute daran,



Freiherr zu Guttenberg
daß mit gesetzmäßiger Sicherheit am Ende dieser Welt eine kommunistische Welt stehen werde. Und wenn dieser Glaube also der Motor der kommunistischen Aggressivität ist, dann frage ich mich, ob es nicht eigentlich nur einen einzigen relativ sicheren Weg für die westliche Politik geben kann, um solche Änderungen drüben jenseits des Eisernen Vorhangs zu erreichen: nämlich alles zu tun, um durch Schaffung von Tatsachen den Kommunisten diesen ihren Glauben an den Sieg ihrer Sache zu nehmen, alles zu tun, um den Kommunisten zu zeigen, daß die Geschichte mit uns ist und nicht mit ihnen.
Ich frage, wie dies geschehen kann. Doch vor allem durch ein bedingungsloses Festhalten an dem, was unsere Rechte sind, durch das beharrliche Stellen der Forderungen, die wir zu erheben haben, jener Forderungen auf Wiederherstellung der Freiheiten und Rechte dort, wo die kommunistische Welt diese Freiheiten und Rechte unterdrückt hat,

(Beifall bei der CDU/CSU)

durch die beharrliche Forderung also, daß auf den Tagesordnungen der Gespräche, der Verhandlungen zwischen Ost und West diese Rechte und Freiheiten nicht untergehen dürfen, daß sie an erster Stelle dieser Tagesordnungen stehen müssen. Dies ist das eine. Das andere ist doch gewiß dies, daß wir den Aufbau einer mächtigen westlichen Welt, den Aufbau politischer, wirtschaftlicher, selbstverständlich auch militärischer Stärke weiterführen müssen. In einem Wort, in einem Bild gesagt: Wenn es einen Weg gibt, die andere Seite zu beeindrucken, zum Wandel zu gewinnen, dann scheint mir dieser Weg darin zu bestehen, dieser anderen Seite das Bild eines Westens zu zeigen, der stark, einig und unerschütterlich ist.
Nun, meine Damen und Herren, ich könnte mir denken — hier kommt schon der Zwischenruf „Frankreich!" —, daß man nun sofort wieder auf das hinweisen wird, was bereits heute früh von Ihrer Seite in die Diskussion geworfen wurde, auf das Neueste, was man gegenüber unserem französischen Partner einzuwenden hat: Kritik an dem Schritt, den die französische Politik gegenüber China offenbar beabsichtigt. Herr Kollege Erler, Sie haben hier in diesem Zusammenhang von einer Belastung des Bündnisses gesprochen. Sie sind noch weitergegangen und haben in einer wenig freundlichen Weise diese offenbar in Paris bestehende Absicht als ein Stück gemeinsamen Ehrgeizes bezeichnet, den man nach Ihrer Meinung in Paris und in Peking habe. Meine Damen und Herren, wer so redet, der verwendet nach meiner Meinung zweierlei Maß im Bündnis. Es gibt drei NATO-Länder, die seit Jahr und Tag mit Peking diplomatische Beziehungen haben. Hat einer von uns gegenüber diesen protestiert? Haben Sie, Herr Kollege Erler, gegenüber Großbritannien von den gleichen Dingen gesprochen, von denen Sie heute sprachen? Sie haben nämlich heute gesagt — sofort, Herr Kollege Erler! —, daß mit dieser französischen China-Politik eine Zwei-China-Politik in der Allianz beginnen könnte und daß am Ende vielleicht eine Auswirkung auf unsere deutsche Frage stehen könnte. Dies, meine
Damen und Herren, ist ganz gewiß keine Sache, die man erst heute — falls sie stimmen würde — begriffen haben kann; man hätte sie schon sagen müssen, als andere diesen Schritt taten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410725000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410725100
Bitte!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410725200
Hat es im Jahre 1949 bereits die NATO gegeben, und war die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 bereits Mitglied der NATO, und hat China bereits im Jahre 1949 dieselbe Politik wie heute betrieben?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410725300
Ich glaube, Herr Kollege Erler, daß Sie mit Recht darauf hinweisen, daß sich einiges geändert hat.

(Heiterkeit und Händeklatschen bei der SPD.)

Das Prinzip aber, um das es hier geht — warten Sie mit Ihrem Klatschen; ich werde Ihnen gleich noch weitere Gelegenheit geben sich zu äußern —, ist doch einfach dieses: es gibt innerhalb des westlichen Bündnisses einige Staaten, die vor Jahr und Tag — nicht erst gestern — begonnen haben und weiterführen, was Sie heute ein Heraustreten der Franzosen aus dem Raum des Bündnisses nennen. Sie haben davon geredet, daß die Franzosen hier aus der Reihe tanzen. Ich frage mich, ob Sie nicht anderen gegenüber hier vielleicht von Flexibilität reden würden. Wenn Herr de Gaulle hier in einer Sache flexibel ist — was er tut, ist doch gewiß auch unter diesem Begriff zu sehen —,

(Oh-Rufe bei der SPD)

ist man offenbar anderer Meinung, während man bei vielen anderen Leuten die Flexibilität geradezu fordert.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410725400
Eine Zwischenfrage? Bitte, Herr Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410725500
Ist Ihnen entgangen, daß es bei meinen Ausführungen heute vormittag gar nicht so sehr um den Inhalt der China-Politik als vielmehr um die Frage ging, ob man sich vor einem solchen Schritt nicht mit den Verbündeten abzusprechen und den deutsch-französischen Konsultationsvertrag zu respektieren habe?

(Beifall bei der SPD.)


Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410725600
Herr Kollege Erler, Sie haben zwar auch und sicherlich in extenso über die Frage der Konsultationen gesprochen, aber Sie haben — Sie werden das nicht bestreiten können -- auch materiell über diese Dinge geredet.
Lassen Sie mich dies sagen: Großbritannien hat regionale und nationale Interessen in jenem fernen Raum, und niemand — auch ich nicht — hat etwas dagegen, daß Großbritannien seit langer Zeit im

Freiherr zu Guttenberg
gesamtwestlichen Interesse versucht, seine dort bestehenden nationalen Interessen und Möglichkeiten zu nutzen. Niemand kann bestreiten, daß eben dies auch für Frankreich gelten könnte. Sie brauchen nur nach Indochina und vor allem nach Kambodscha zu sehen. Sie werden feststellen, daß die westliche Welt sogar sehr froh darüber sein kann, daß die Franzosen dort die Möglichkeiten nutzten, die sie hatten, als die Möglichkeiten unserer amerikanischen Freunde am Ende waren. Dies ist sicherlich mindestens ein, nach meiner Meinung sogar ein äußerst wesentlicher Hintergrund für diese französische Politik.
Nun, meine Damen und Herren, ich sagte Ihnen, ich sei der Meinung, daß es für die Möglichkeit, bei der anderen Seite einen Wandel zu erreichen, nur einen Weg gebe, nämlich das Bild eines einigen, eines ständig in seiner Stärke und Einigkeit wachsenden Westens zu erzeugen. Ich sage dies auf dem Hintergrund mancher anderen modernen Überlegungen, sage dies, weil ich glaube, daß die einzige konsequente und kontinuierliche Entspannungspolitik des Westens darin besteht, die begonnene Politik der eigenen Stärkung konsequent weiterzuführen. Jene modernen Überlegungen, von denen ich rede, kennen Sie alle unter den Überschriften: „Wandel durch Annäherung", „Wandel durch Kontakte", Wandel durch westliche „Beweise guten Willens", oder wie alle diese sicherlich gutgemeinten Worte und Schlagworte heißen. Ich fürchte allerdings, daß die Rezepte, die man unter diesen Schlagworten vertritt, am Wesen des Kalten Krieges vorbeigehen,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

vielleicht sogar, meine Damen und Herren, das Gegenteil dessen bewirken könnten, was die Verfechter dieser Worte von ihrer Anwendung erwarten; denn es könnte nur allzu leicht geschehen, daß die andere Seite, daß die östliche Welt aus Verwendung und Anwendung dieser Worte den Schluß zöge, der Westen sei eben doch krank, mürbe, morsch und altersschwach, man müsse diesem Westen gegenüber nur die Sowjetforderungen aufrechterhalten und er werde noch näher heranrücken, er werde eventuell noch mehr bereit sein, „Beweise guten Willens" zu geben. Ich glaube also, daß in diesen Rezepten Gefahren stecken.
Lassen Sie mich nun zu einem zweiten Problem kommen, das, wie ich glaube, gleichfalls mit dem Wort „Entspannungspolitik" mehr als nur am Rande zu tun hat. Ich meine die Frage des Zusammenhangs der deutschen Probleme mit dieser Entspannungspolitik. Meine Damen und Herren, ich gestehe, daß mich manchmal Unbehagen beschleicht, wenn da und dort formuliert wird, es dürfe keine Schritte der Entspannung geben, die die deutsche Frage blockieren könnten. Ich gestehe, daß ich diese Formulierung nicht billigen kann; denn in dieser Formulierung steckt doch eigentlich die unausgesprochene Überlegung, daß überall Entspannung richtig und möglich sei, nur nicht auf deutschem Boden. Solche Argumentation kann leicht zu vordergründigen und wenig durchdachten Reaktionen führen. Ich denke dabei an jenen berühmten Wissenschaftler,
der erst vor einigen Wochen vom „deutschen Provinzialismus" geredet hat, der ein Hindernis für die Entspannung sein könne.
Nach meiner Meinung heißt die Wahrheit, die Wirklichkeit anders, nämlich: entweder ist die westliche Politik insgesamt richtig, dann ist auch ihre Anwendung auf die deutsche Frage richtig, oder aber die gesamte westliche Politik geht insgesamt falsche Wege, dann werden wir dies am ehesten an der deutschen Frage sehen. Dazu möchte ich noch einen weiteren Satz sagen: ich glaube, daß die deutsche Frage, daß unsere deutschen Probleme sozusagen die Funktion eines Lackmuspapieres haben. An unseren Problemen zeigt sich am ersten, ob die ganze Politik gegenüber dem Osten richtig ist.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wenn man vom Wandel durch Annäherung spricht und wenn man dieses Rezept der Verhaltensweise gegenüber der kommunistischen Welt auf deutsche Kommunisten anwenden sollte, dann, meine ich, hätte man den ersten Schritt getan auf dem Wege, auf welchem am Ende die Konföderation zwar nicht stehen müßte, aber stehen könnte und sich vielleicht präsentieren würde im Gewande der Humanität.
Ich meine, wir sollten uns nicht einbilden, daß es unserer deutschen Geschicklichkeit gelingen könnte, sozusagen als einzige gegen den Strom zu schwimmen aus Gründen nationaler, spezieller Sorgen, die nur uns angingen. Vielmehr meine ich, daß wir Einfluß zu nehmen versuchen sollten auf unsere Partner im Westen mit solchen Argumenten, die alle angehen und die aus dem Wesen des Konflikts herrühren und nicht aus den Konsequenzen dieses Konflikts auf deutschem Boden.
Nun eine dritte Sache. Meine Damen und Herren, es ist sicher richtig, daß sich die Sowjetpolitik augenblicklich in einer — nennen wir es einmal — milden Phase befindet. Wir haben angesichts dieser Sache die Frage zu stellen, welche Gründe es für diese augenblickliche Sowjetpolitik gibt. Wir haben die Frage zu stellen: handelt es sich etwa darum, daß die Sowjetpolitik ihre Ziele geändert habe? Ich sehe keine Beweise, die eine solche Vermutung rechtfertigen könnten. Wohl aber sehe ich Beweise des Gegenteils, etwa die Zwischenfälle auf der Autobahn und die gewiß unveränderte sowjetische Deutschlandpolitik.
Mir scheint, daß die augenblickliche Phase der Sowjetpolitik einen anderen Grund hat, jenen nämlich, daß die Sowjetunion gegenwärtig offenbar in Schwierigkeiten ist, daß man in der Sowjetunion anscheinend eine solche Pause eben gerade braucht, vorwiegend wohl aus wirtschaftlichen Gründen. Ich glaube nicht, daß der Streit mit China die wesentliche Ursache hierfür ist; denn ich kann nicht sehen, daß eine wirkliche Gefahr für die Weltmacht Sowjetunion aus diesem Streit entstehen könnte. Vielmehr meine ich, daß aus den Weizenkäufen der Sowjetunion, aus den offenen Eingeständnissen Chruschtschows und aus den Fakten, die der Kollege Birrenbach heute mit Zitaten aus den Erklärungen der amerikanischen CIA hier berichtet hat, eindeutig hervorgeht, um was es sich handelt. Es handelt sich



Freiherr zu Guttenberg
um eine unzureichende Versorgungssituation in der Sowjetunion, und es handelt sich darum, daß Herr Chruschtschow offenbar westliche Hilfe zum Aufbau seiner Landwirtschaft, zum Aufbau der Kunstdüngerfabriken in seinem Lande haben will. Mindestens hat er dies sehr deutlich gesagt.
Lassen Sie mich einige Zahlen nennen. Die Sowjetunion beabsichtigt, von 1963 bis 1970 die Produktion an Kunstdünger von 20 Millionen auf etwa 80 Millionen Tonnen zu steigern, also eine Vervierfachung. Sie beabsichtigt, im Rahmen eines Investitionsprogramms im gleichen Zeitraum 160 Milliarden DM — etwa 40 Milliarden Rubel — für ihre chemische Industrie zu investieren. Nun, irgendwo muß ja die Sowjetunion diese gigantischen Investitionsmittel hernehmen, vielleicht durch Einschränkung der Konsumgüterindustrie, vielleicht auch der Rüstungsindustrie oder aber aus anderen Haushaltstiteln des Moskauer Budgets — das ist sicherlich möglich —, vor allem aber doch — ich wiederhole: Chruschtschow hat dies deutlich gesagt —durch langfristige westliche Kredite.
Mir scheint, daß sich die Sowjetunion übernommen hat. Vielleicht ist die Lage die, daß die Sowjetunion im Rüstungswettlauf, dm Wettlauf der Entwicklungspolitik, im Wettlauf um den Ausbau des eigenen Lagers zurückgefallen ist. Ich weiß nicht, wie weit sie zurückgefallen ist. Aber wer von Ihnen könnte sicher sagen, daß es sich hier nicht um ein entscheidendes Zurückfallen handelt? Wer von Ihnen könnte wagen, sicher auszuschließen, daß die jetzige Zeit nicht vielleicht doch die erste wahrhafte Chance für ein ernstes Gespräch mit der Sowjetunion gebracht hat, für ein Gespräch, das allerdings nicht damit beginnen sollte, daß man Konzessionen macht? Wie sollte man denn einen Gegner behandeln, der in Schwierigkeiten geraten ist?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Soll man ihm heraushelfen und nachher auf Dankbarkeit hoffen? Soll man eigene Konzessionen machen, die — ich variiere ein Wort von Ihnen, Herr Kollege Erler — der drohende Chruschtschow nicht bekam, sondern erst dann bekommt, wenn er lächelt?
Ich will Ihnen meine Meinung deutlich machen: ich sage zu einer solchen Politik nein. Ich glaube, daß wir alle eher begreifen sollten, daß möglicherweise all die Anstrengungen, die der Westen, die wir im freien Deutschland auf uns genommen haben, um während einer langen Zeit im Ost-West-Konflikt bestehen zu können, erstmals eine Situation gezeitigt haben, in welcher es möglich sein könnte, Erfolge zu nutzen, nicht aber zu verschleudern.
Dies heißt, wir sollten darauf bestehen, daß jetzt in dieser Phase den wahren Ursachen der Spannung behutsam, aber beharrlich zu Leibe gerückt wird. Ich sage dies im Widerspruch zu dem, was Herr Kollege Erler hier gesagt hat, der uns angeraten hat, wir sollten uns damit begnügen, an der Peripherie nach möglichen Übereinstimmungen zu suchen. Meine Damen und Herren, wenn die Lage so ist, wie ich versucht habe, sie zu schildern, dann, meine ich, sollte man den eigentlichen Spannungsursachen zu Leibe gehen. — Bitte Herr Kollege Wehner!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410725700
Eine Zwischenfrage!

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410725800
Herr Kollege, ist das nicht ein Mißverständnis? Stand die Frage nicht so, daß, auch wenn man von der Peripherie aus auf den Kern der Spannungen zu müsse, man das nicht versäumen sollte?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410725900
Ich glaube nicht, Herr Kollege Wehner, daß es sich um ein Mißverständnis handelt. Allerdings handelt es sich um zwei verschiedene Methoden, die hier vertreten werden.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410726000
Nur haben Sie — entschuldigen Sie diese Bemerkung — jetzt unterstellt, meinem Freund Erler gehe es darum, an der Peripherie zu bleiben. Es ging ihm jedoch darum, wenn nicht anders, auch von der Peripherie auf den Kern zu stoßen.

(Zuruf von der SPD: Genau das!)


Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410726100
Herr Kollege Wehner, ich habe dem Herrn Kollegen Erler nichts unterstellt. Ich habe sehr gut zugehört, und ich weiß genau, was er sagen wollte. Er meinte, daß diese Zeit dazu angetan sei, an der Peripherie nach möglichen Übereinstimmungen zu suchen, um von da aus die Vorbereitungen zu schaffen, eines späteren Tages den eigentlichen Spannungsursachen zu Leibe rücken zu können. Was mich angeht, so bin ich der Auffassung, daß eben diese Phase nicht dazu angetan ist, sich damit zu begnügen, zunächst und heute nur dies zu tun. Ich glaube — und ich wiederhole —, daß in einer Phase, in der der Gegner in Schwierigkeiten geraten ist — und wer wollte bestreiten, daß das Sowjetlager noch immer unser Gegner ist? —, der Versuch unternommen werden sollte, entscheidendere Schritte zu tun, als nur an der Peripherie zu bleiben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Aber leider — und ich sage das mit aller Deutlichkeit —, scheint der Westen in seiner Mehrheit sich solchen Überlegungen nicht recht zu öffnen.
Lassen- Sie mich in diesem Zusammenhang eine wichtige Zeitung im Westen zitieren, die „New York Times", die vor einigen Wochen geschrieben hat, daß das Wort „Wiedervereinigung" längere Zeit aus dem Wortschatz der Diplomaten verschwunden sei. Ich halte das nicht für richtig. Ich glaube, daß die „New York Times" hier etwas Falsches gesagt hat. Ich möchte mit aller Dankbarkeit feststellen, daß erst letzthin wieder in dem Kommuniqué aus der Ranch in Texas deutlichgemacht wurde, daß Amerika und die Bundesrepublik in diesem Punkte beharrlich bleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Freiherr zu Guttenberg
L) Aber, ich glaube, daß etwas anderes droht.

(Abg. Erler meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Einen Moment, Herr Kollege Erler! — Ich glaube nämlich, wenn wir den Weg des Herrn Kollegen Erler gingen, dann würde allerdings das Thema „Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit" von der Tagesordnung der Gespräche und Verhandlungen, mindestens für gewisse Zeit, verschwinden.

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410726200
Zu einer Zwischenfrage Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410726300
Nicht zu der letzten Unterstellung, sondern zu den vorigen Fragen: Herr Kollege Guttenberg, ist Ihnen noch in Erinnerung, wer versucht hat, in diesem Lande uns und anderen beizubringen, daß man die Vokabel „Wiedervereinigung" nicht so häufig gebrauchen, sondern statt dessen nur noch von der Freiheit für die Zone sprechen solle? Wissen Sie noch, wer das gewesen ist?

(Beifall bei der SPD.)


Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410726400
Herr Kollege Erler, ich glaube nicht, daß das ein Gegenstand ist, den man hier zu polemischen Hin-und-herRedereien verwenden sollte.

(Gelächter bei der SPD.)

— Einen Moment! Ich gehöre zu jenen, die immerzu — auch von dieser Stelle — erklärt haben, daß der Freiheit Priorität vor der Einheit zukomme. Ich denke, Herr Kollege Erler, auch Sie sollten sich daran erinnern, daß wir durch eine lange Periode Ihrer Politik auf dieser Seite des Hauses Anlaß hatten, davor zu warnen, daß man etwa das Einheitsanliegen über das Freiheitsanliegen stellen könne.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Dann muß ich leider eine weitere Zwischenfrage stellen!)

Wenn Sie den Versuch unternehmen, uns auf diese Periode von damals heute wieder anzusprechen, dann müssen Sie sich gefallen lassen, daß wir aus dem Walde herausrufen, wie es in diesen Wald schallt. Ich halte nichts davon. Wir können dabei nichts verdienen. Ich bin der Meinung, daß wir uns heute darüber unterhalten sollten, welche Methode für die westliche Politik heute die richtige ist, die von Ihnen vertretene, ich nenne es einmal periphere Methode, oder die von mir heute hier vertretene Methode, in einer Phase der Schwierigkeiten des Gegners den eigentlichen Spannungen — um es noch einmal zu sagen — auf den Leib zu rücken.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410726500
Eine Zwischenfrage. — Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0410726600
Ich möchte nur noch einmal klar von Ihnen hören, ob es auch in den damaligen Auseinandersetzungen hier im Bundestag von meiner Partei nicht hinreichend klargemacht worden ist, daß
es immer um Wiedervereinigung in gesicherter Freiheit und nicht um Wiedervereinigung im kommunistischen Zuchthaus für uns gegangen ist und weiterhin gehen wird?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410726700
Herr Kollege Erler, ich halte diese Frage nicht für am rechten Platz gestellt.

(Lachen und Widerspruch bei der SPD.)

Ich habe Ihnen meine Antwort gesagt. Wenn Sie wollen, daß wir uns erneut in eine Diskussion der Interpretation Ihrer früheren Politik begeben, bin ich gern bereit, das zu tun. Ich habe auch damals nicht über Ihren schlechten Willen geredet, sondern nur darüber, was nach meiner Meinung damals aus Ihrer Politik, wahrscheinlich gegen Ihren Willen, gefolgt wäre.

(Abg. Zoglmann meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte, Herr Zoglmann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410726800
Eine Zwischenfrage.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0410726900
Herr Kollege Guttenberg, Sie haben eben gesagt, Sie hätten damals in Ihrer These die Freiheit vor die Wiedervereinigung gestellt. Darf ich an Sie konkret die Frage richten, ob Sie ernsthaft annehmen, daß man in der Zone Freiheit geben kann, ohne zwangsläufig die Wiedervereinigung zur Folge zu haben?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410727000
Herr Kollege Zoglmann, ich bin sehr dankbar, aus Ihrem Munde zu entnehmen, daß Sie genau das begriffen haben, was ich sagen wollte; vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mommer meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte, Herr Kollege Mommer.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410727100
Herr Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0410727200
Herr Kollege, Sie setzten eine von Ihnen, ich glaube, nicht richtig interpretierte Methode Erler Ihrer Methode entgegen. Wir haben heute morgen den Eindruck gehabt, daß wir mit dem Herrn Außenminister dieselbe Methode vertreten. Ist Ihnen das entgangen oder muß ich Ihre Polemik als eine Polemik gegen den Herrn Außenminister verstehen?

(Beifall bei der SPD.)


Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410727300
Herr Kollege Mommer, ich wende mich erstens gegen den Ausdruck „Polemik". Ich habe hier versucht, Ihnen mit Argumenten deutlich zu machen, welchen Weg ich für richtig halte, nämlich den — um es noch einmal zu sagen —, sich in der jetzigen Phase nicht



Freiherr zu Guttenberg
damit zu begnügen, periphere Übereinstimmungen zu suchen.

(Zuruf von der SPD: Was wollen Sie denn?)

— Hören Sie mich doch erst einmal an; ich bin dann gerne bereit, Ihnen zu antworten.
Herr Kollege Mommer, wenn Sie glauben, hier eine Verschiedenheit der Meinungen in unserer Fraktion oder gar zwischen dem Außenminister und mir sehen zu können, so kann ich darauf nur antworten: Selbst wenn es derartig nuancierte Verschiedenheiten gäbe, — warum in aller Welt soll für die CDU/CSU das nicht gelten, was Herr Wehner für Sie heute früh gesagt hat?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Warum in aller Welt soll für uns nicht auch gelten, daß wir keine monolithisch einheitliche Partei sind? Warum in aller Welt soll uns verboten werden, uns eigene Gedanken zu machen? Sie tun es ja auch.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Erler: Wir wollten ja nur wissen, wen Sie eigentlich meinen! Jetzt wissen wir das wenigstens!)

— Herr Kollege Erler, ich will Ihnen sehr deutlich sagen, was ich meine. Ich meine nicht irgend jemand, ich meine eine Sache. Ich meine nämlich die Politik für unser freies Deutschland, und das nehmen Sie mir bitte jetzt ab. Ich bin der Auffassung, daß wir hier darüber reden sollten, welche Politik für uns die richtige ist. Wir sollten nicht immer Politik mit Personen identifizieren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Was Sie für sich in Anspruch nehmen, das haben wir bei uns schon längst in Anspruch genommen.

(Lachen bei der SPD.)

Sie glauben heute, mit großer Freude feststellen zu können, daß es bei uns Nuancen gebe. Meine Damen und Herren, ich erinnere mich noch genau der Zeit, in der Sie gesagt haben, in der CDU stehe man monolithisch hinter einem großen Mann. Ihre Argumente sind in diesem Punkt auch nicht gerade sehr erfindungsreich, das muß ich Ihnen sagen.
Nun, meine Damen und Herren, zurück zur Sache. Ich habe gesagt, ich glaubte, daß man eben diesen Weg der peripheren Übereinstimmungen im Augenblick nicht versuchen sollte; ich glaubte, daß man an den Kern der Sache vordringen sollte. Erlauben Sie mir, zu sagen, daß ich demgegenüber mancherlei westliche Überlegungen sehe, die den Status quo — des geteilten Deutschlands nämlich — verfestigen könnten. Ich sage: „könnten", ich sage nicht: „müßten". Sie wissen doch so gut wie wir — und ich brauche Sie, Herr Professor Carlo Schmid, nicht noch einmal zu zitieren —, daß natürlich in dem Moskauer Vertrag Gefahren dieser Art steckten. Natürlich stecken Gefahren dieser Art etwa in den Nichtangriffsvereinbarungen, die man da möglicherweise vor hat. Natürlich stecken Gefahren dieser Art auch in den Maßnahmen gegen Überraschungsangriffe. Niemand kann doch sagen, daß es diese Gefahren etwa nicht gebe. All das also, was man an peripheren Übereinstimmungen auf diesen Gebieten finden könnte, führt sofort an den Kern der
Sache, nämlich an die deutsche Frage. Ich sage Ihnen doch nichts Neues, wenn ich erkläre, daß es auch manchen im Westen gibt, der bereit ist — nicht aus bösem Willen, sondern weil er glaubt, dies sei gute Politik —, unter zeitweiliger Hinnahme der Fakten, nämlich des Status quo, die Entspannung zu erreichen, um dann von dieser so geschaffenen Entspannung aus weiter vordringen zu können.
Über eine Sache kann weiß Gott kein Zweifel bestehen, nämlich darüber, daß die Sowjetunion alle diese Worte „Nichtangriffsvereinbarungen", „Maßnahmen gegen Überraschungsangriffe" etc. so versteht, daß sie hiermit ein Mittel in der Hand haben könnte zum Ziele des Vorwärtstreibens ihrer eigenen Deutschlandpolitik, ihrer Dreistaatentheorie. Diese sollte man sehen und sollte man sagen, um frühzeitig auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die in diesen Vorschlägen stecken könnten.
Lassen Sie mich zum Ende kommen und zusammenfassen. Ich bin selbstverständlich — ich rede hier ganz gewiß nicht nur für meine Fraktion, sondern für das ganze Haus — auch für die Entspannung, auch für den wahren Frieden und für das Ende des Kalten Krieges. Aber eben deshalb scheint mir die Kardinalfrage darin zu bestehen: ist jetzt die Zeit dafür, daß wir zeitweilig unsere Ziele zurückstellen zum Zwecke der Entspannung? Besteht dann nicht die Gefahr, daß hier irgendeiner sogar der Kapitulation vor vermeintlicher Ausweglosigkeit verfallen könnte? Wenn ich mir die öffentliche Diskussion im Lande anhöre — etwa Herrn Haffner — dann muß ich sagen, daß solche Gefahren sehr deutlich geworden sind.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Mir scheint, daß eher das Gegenteil solcher Politik angezeigt ist. Mir scheint, daß dies die Zeit für ein verstärktes Betonen unserer Forderungen nach Durchsetzung von Recht und Freiheit dort ist, wo Recht und Freiheit gegenwärtig verschwunden sind. Oder lassen Sie es mich anders sagen: nach meiner Meinung spricht nichts, aber auch gar nichts für einen Wechsel der Prinzipien unserer Politik. Ich bin für die unveränderte Geltung der Prinzipien unserer alten bewährten Deutschland- und Außenpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410727400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz.

Fritz-Rudolf Schultz (FDP):
Rede ID: ID0410727500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich den Ausführungen meiner vorzüglichen Vorredner in aller Bescheidenheit noch einige Worte anfüge, ohne Sie länger als unbedingt notwendig aufhalten zu wollen. Aber ich glaube, daß zu dem, was von meinen Vorrednern gesagt worden ist, aus der Sicht der FDP vielleicht noch das eine oder andere beizutragen wäre.
Herr Kollege Vogt hat darauf hingewiesen, daß die Freie Demokratische Partei uneingeschränkt — so sagte er, glaube ich — dem Vertrag zugestimmt habe. Das ist ohne Zweifel richtig, daß wir die



Schultz
I Freude aller darüber teilten, daß auf dem mühsamen Weg der Beseitigung der Spannungen zwischen Ost und West ein kleiner Schritt voran gemacht worden ist. Wir fanden uns da in sehr enger Übereinstimmung mit dem Außenminister der Bundesrepublik. Ich darf auf das verweisen, was unser Kollege Achenbach seinerzeit über diese Frage schrieb; denn das kennzeichnet die Situation, die wir heute haben, immer noch richtig. Er schrieb, nachdem er die Befriedigung über den Abschluß des Vertrages zum Ausdruck gebracht hatte:
Ebenso sicher ist aber auch, daß die Bundesrepublik, die keine atomaren Waffen besitzt und auch keine atomaren Waffen besitzen will, nicht übersehen kann, daß das Moskauer Abkommen keinerlei Verpflichtungen zur Begrenzung des Rüstungswettlaufs auf dem atomaren Gebiet enthält und schon gar nichts aussagt darüber, daß die vorhandenen atomaren Waffenarsenale abgebaut werden sollen. Die Bundesrepublik kann nur den Wunsch haben, daß die von dem Moskauer Abkommen ausgehende psychologische Entspannungswirkung und die Atmosphäre für umfassende atomare Abrüstungsmaßnahmen verbessert werden, die für die Zukunft unerläßlich sind.
Nun haben wir heute gehört, daß Kollege Wehner eine gewisse Schläfrigkeit der Bundesregierung sowie des Hauses in dieser Frage, die die Deutschen betrifft, feststellen zu können glaubte. Ich glaube, dazu ist noch zu sagen, daß eine Pression auf die Aktionsfähigkeit in der Deutschlandpolitik doch in erster Linie von der Oppositionspartei ausgehen sollte, und diese ist ja früher auch sehr aktiv gewesen. Ich habe den Eindruck, daß die Aktivität etwas von der linken Seite des Hauses zur rechten übergewechselt ist.

(Beifall bei der FDP.)

Nun sprach auch Kollege Erler davon, daß wir die Wiedervereinigung durch Selbstbestimmung in gesicherter Freiheit erreichen wollen. Lassen Sie mich sagen, daß ich ein bißchen das Gefühl habe, daß auch dieses Wort zu einer Formel ,geworden ist. Es wagt kein Mensch mehr, von der Wiedervereinigung zu sprechen, ohne „Selbstbestimmung in ,gesicherter Freiheit" hinten anzuschließen, weil er das Gefühl haben muß, daß er sofort falsch interpretiert werden kann, wenn er nur von „Wiedervereinigung" spricht. Das heißt, daß das Problem, das uns auf den Nägeln brennt, sowohl in diesem Hause wie auch außerhalb in Watte verpackt und mit Zucker bestreut serviert werden muß. Sollten wir uns nicht allmählich angewöhnen, daran zu glauben, daß wir, wenn wir über die Wiedervereinigung sprechen, alle wissen und auch bei anderen voraussetzen, ,daß wir die Wiedervereinigung nur in Freiheit meinen. Deswegen finde ich es auch schlecht, sowohl im Hause wie außerhalb davon zu sprechen und die Vokabel „kalter Krieger" zu benutzen. Das ist eine Vokabel, die von der sowjetischen bzw. von der Ostzonenpropaganda geprägt worden ist. Wollen wir uns diese Vokabel hier zu eigen machen und sie in unseren eigenen Reihen verwenden? Ich muß da dem Kollegen Guttenberg zustimmen, der ,sich dagegen wendet. Denn dann stehen fast alle auf der anderen Seite, die unter Beachtung der von mir vorher genannten Thesen eine gewisse Beweglichkeit an den Tag legen und deswegen vielleicht als „Drei-Staaten-Politiker" oder — wie man in der Weimarer Zeit sagte — „Verzicht-Politiker" apostrophiert werden; und das scheint mir genauso schlecht zu sein.
Lassen Sie mich nun fragen: Ist durch diesen Vertrag tatsächlich die westliche Stärke und Sicherheit angetastet worden? Ich bin nicht der Auffassung und beziehe mich hier auf die Begründung, die dem Gesetzentwurf, den wir ratifizieren sollen, angefügt ist. In dieser Begründung heißt es, daß gewisse militärische Bedenken gegen den Vertrag von einzelnen amerikanischen Persönlichkeiten vorgebracht worden seien, daß geltend gemacht worden sei, daß die nukleare Raketenabwehr in Amerika sich in einem vorgerückten Entwicklungsstadium befinde und daß durch das Aufhören von Versuchen in der Atmosphäre diese Entwicklung nicht mehr weitergetrieben werden könne. Aber man sagte gleichzeitig, dies sei nicht entscheidend, da die Sowjetunion auf diesem Gebiet nicht weiter sei als die USA. Man glaubt auch, daß der Vorsprung, den die USA auf dem Gebiet der taktischen Nuklearwaffen besitzen, groß genug ist, um einem solchen Vertrag beitreten zu können.
Ich glaube, daß diese hier gegebenen Begründungen richtig sind und daß wir nicht die Befürchtung haben müssen, daß der Beitritt zu diesem Vertrag den Aufbau der westlichen Stärke, den auch wir für unerläßlich halten, irgendwie beeinträchtigt.
Nun hat Herr von Guttenberg gemeint, man solle sich den Problemen, mit denen auch die deutsche Wiedervereinigung verknüpft sei, nicht von der Peripherie her nähern, sondern man müsse in den Kern greifen. Da muß ich ja nun fragen: Was ist denn der Kern, in den hier gegriffen werden soll? Der Kern wäre doch wohl die Forderung, daß ein Friedensvertrag für Deutschland abgeschlossen wird, und man muß dann fordern, daß die entsprechenden Schritte eingeleitet werden, um solches zu erreichen. Ich weiß nicht, ob Kollege von Guttenberg das gemeint hat, als er sagte, man solle an den Kern vorstoßen.
Es ist die Frage, ob wir das Gefühl haben, daß unsere Demokratie so gefestigt ist und daß wir so fest in der liberalen, freien Tradition stehen, daß wir uns eine beweglichere Politik leisten können, oder nicht. Ich weiß nicht, wie man die Verminderung der Spannungen, das Wegbringen der Spannungsursachen erreichen kann, wenn man nicht mit dem, der die Spannung erzeugt hat, in Verhandlungen eintritt. Wenn man das nicht tun will, dann bleibt nur das Mittel der Gewalt übrig, und ich glaube kaum — da bin ich sicher, mit Ihnen übereinzustimmen —, daß das für uns je in Frage kommen würde.
Deswegen erlauben Sie mir noch eine Bemerkung dazu, wie die Passierscheinfrage bei uns in der Bundesrepublik diskutiert worden ist. Es war der Ausspruch zu lesen, man könne nicht mit Passierscheinen



Schultz
gegen Panzer kämpfen. Das ist sicher kein glücklicher Vergleich. Denn gerade die Regelungen, die wir aus humanitären Gründen zu Weihnachten abgeschlossen haben, sind im Kampf, in der Offensivität gegenüber dem Kommunismus von außerordentlicher Bedeutung gewesen. Wir können den Kampf mit unserem Gegner überhaupt nur aufnehmen, wenn wir den Bazillus der westlichen Lebensauffassung durch den Eisernen Vorhang hindurch hinüberschicken.
Selbstverständlich wünschen wir Freien Demokraten genau wie Sie, daß alle Überlegungen, die im Rahmen der Entspannung, im Rahmen einer beweglichen Politik, im Rahmen der Wiedervereinigungsfrage angestellt werden, in engem Benehmen mit unseren Verbündeten erörtert und eingeleitet werden. Auch das ist eine Selbstverständlichkeit, die wir uns nicht immer wieder gegenseitig bescheinigen sollten.
Lassen Sie mich zum Schluß noch meiner Freude Ausdruck geben, nun gehört zu haben, daß sowohl die SPD wie die CDU/CSU keine monolithischen Parteien sind, sondern daß dort Raum für eigene Meinungen und Überlegungen ist. Meine Bitte ist nur, das auch der liberalen Partei, die sicherlich keine monolithische, aber eine geschlossene Partei ist, zugestehen zu wollen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410727600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410727700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas enttäuscht, daß der Sprecher der liberalen Partei um ein Zugeständnis in dieser Richtung bittet. Das versteht sich doch wohl von selber, daß Sie so sein müssen.

(Heiterkeit. — Beifall bei der FDP.)

Was das Gesetz betrifft, mit dem wir es zu tun haben, sind — ich bin an sich nicht der Summierer — eigentlich alle für die Ratifikation eingetreten. Es ist also niemand mehr hier, der ausdrücklich erklärt hat, daß dieses Abkommen und damit natürlich auch das Ratifikationsgesetz eine Art Münchener Abkommen sei. Wenn das weg ist, gibt es zwar noch eine ganze Menge unterschiedlicher und darunter auch erheblicher Begleitgedanken zu all dem. Es gibt die sehr ausgeprägten Vorbehalte des Herrn Baron zu Guttenberg mit dem Trick — den verüble ich ihm —, denen, die für dieses Gesetz sind, faktisch zuzuschieben, sie wollten an der Peripherie der Sache bleiben, während er auf den Kern zureitet. Ich habe schon manchen Don Quichotte gesehen, der auch gedacht hat, wenn er auf die Windmühle zugeht, das sei der Kern.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410727800
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten zu Guttenberg!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410727900
Herr Kollege Wehner, würden Sie mir recht geben können,
wenn ich sage, daß das, was Sie soeben gemacht haben, ein Trick war?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410728000
Natürlich, aber ein anderer, in einer anderen Klasse!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)


Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410728100
Um nämlich den Versuch zu unternehmen, eine von mir vertretene Methode, die ich einer Methode, die Herr Erler vertreten hat, gegenübergestellt habe, zu einer Sache umzumünzen, die im Kern anders ist?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410728200
Münzen kann ich gar nicht, das ist meine schwache Seite. Aber worum es mir geht, ist in allem Ernst folgendes. Sie irren bei dem, was Sie von denjenigen annehmen, die sagen: Natürlich mußte und muß man zu diesem Abkommen ja sagen. Das geschieht nicht, weil man meint, das sei das Äußerste, was überhaupt denkbar sei. Das ist ja der Fehler der Politik, daß sie sich nicht nach dem richtet, was besonders genial und intellektuell denkbar ist, sondern daß sie mit dem so weit wie möglich kommen muß, was man vor sich hat. Das ist eben Ihr Irrtum — was ich als Trick bezeichne —, Ihre Art, von den anderen, die der Meinung sind: „Machen muß man das, wir müssen aufpassen, daß es weitergeht, und es darf dabei die deutsche Frage nicht nur nicht blockiert werden, sondern sie muß allmählich immer wieder und immer mehr und immer günstiger in die international richtigen Verhandlungskanäle hineinkommen", zu sagen, die wollten an der Peripherie bleiben. Da haben jene meiner Freunde recht, die zwischengefragt haben, gegen wen Sie das eigentlich sagen. Ich bin ja nicht dazu da, für den Außenminister zu sprechen; das Wort peripher ist ja von ihm gekommen. Sie müssen sich untereinander klar werden, wer eigentlich uns gegenüber Ihre Politik vertritt. Wir sind ja die parlamentarische Opposition; da muß man wissen, wer Koch und Kellner ist. Ich will Sie nicht tatsächlich zum Koch und Kellner machen; das war nur bildlich gesprochen. Aber das muß man wissen. Das ist unser Recht, und darauf werden wir beharren.
Sie haben völlig recht, Herr Kollege, daß die Frage die ist und daß es darum geht, darüber zu reden, welche Politik für Deutschland richtig ist. Meine Freunde jedenfalls meinen, daß in der Zustimmung zu diesem Ratifikationsgesetz nichts ist, was falsch wäre in bezug auf die Politik für Deutschland. Sie haben manches Wenn und Aber dazu gesagt. Aber bis zu „München" sind Sie immerhin nicht gegangen. Das ist also noch ein, wenn nicht Graben, so Gräbchen, das Sie von jenem Mann, der damals „München" sehr stark fanfarisierend hinausgestoßen hat, in dieser Frage zu trennen scheint.
Ich bin froh, daß Sie selber darauf hinaus wollen, es möge festgestellt werden, hier in diesem Hause sei niemand gegen Entspannung. Niemand wird lieber zustimmen, daß alle — auch diejenigen, die Ihre Bedenken haben, die vielleicht sogar mehr als Bedenken haben, so wie ich sie bei Ihnen hervorleuchten zu sehen glaube — nicht als gegen Entspannung



Wehner
Wirkende gesehen werden wollen. Es ist gut, das genau voneinander zu wissen. Auch ich bin der Meinung, wie mein Vorredner es eben gesagt hat, wir sollten das, was wir miteinander auszutragen haben — das kann zeitweise ganz erheblich sein, sogar wenn man in derselben Fraktion oder in derselben Landesgruppe ist, wie Sie eben angedeutet haben —, so austragen, daß die Sache nicht vergiftet wird durch die Übernahme solcher Begriffe, wie sie geflissentlich in die Diskussion hineingebracht werden, als seien die einen Revanchisten und die anderen Nichtrevanchisten. Wir sollten uns in Zucht nehmen und sollten dieser Versuchung nicht unterliegen. Das könnte sogar für den Gebrauch des Schlagwortes von den kalten Kriegern gelten. Ich persönlich möchte mich da auch in Zucht halten und es nicht verwenden. Aber in der Sache, glaube ich, gibt es ganz -erhebliche Differenzen auszutragen.
Ob Sie sich in Zucht halten werden, Herr Kollege, und nicht mit dieser Art: „die wollen ja an der Peripherie bleiben", in Wirklichkeit darauf hinauswollen, als ob sich jene, die für die Ratifikation dieses Gesetzes sind, gewissermaßen mit dem Zustand abfänden, — da habe ich doch noch meine Zweifel. Aber jeder kann ja in der Zwischenzeit zeigen, was er unter dem versteht, was Sie gesagt haben.
Ich bin froh, möchte es jedenfalls besonders hervorzerren, daß Sie, Herr Kollege, hier den Geist von Camp David als etwas genommen haben, das trügerisch war. Ich nehme an, wir haben uns dabei richtig verstanden; Sie wollten damit auch gesagt ) haben: Wenn Sie sich gegen andere Äußerungen, Überlegungen oder Tendenzen, die in der amerikanischen Politik eine Rolle spielen könnten, wenden, so hat das nichts mit Parteien zu tun. Denn Camp David, das war ja die frühere Administration, das waren ja jene Herren, die im Abendsonnenschein häufig als die eigentlichen Recken auch in der deutschen Frage erschienen, obwohl damals am Ende der Geist von Camp David und die Agententheorie und einiges andere standen. Aber das ist denen sozusagen verziehen worden. Nein, Sie fühlen sich mit Recht unbeschwert, Sie wollten sich ja davon lossagen. Das ist eine Ihnen zu simpel erscheinende Methode der Auseinandersetzung. Ich begrüße das. So simpel wollen wir nicht miteinander verkehren. Es handelt sich also nicht darum, daß Sie die einen Amerikaner nicht mögen, weil sie mehr links stehen — wie es nach den Himmelsrichtungen heißt —, und die anderen mögen, weil sie mehr rechts stehen, sondern hier geht es um gewisse Sachen, die auch dort offensichtlich durch die Parteien hindurchgehen. Das kann uns also auch schon ein Stück weiterhelfen.
Auch das andere: es solle die Hoffnung nicht an die Stelle der Möglichkeit gesetzt werden, möchte ich dick unterstreichen — und auch auf Sie beziehen, nämlich auch nicht die Hoffnung auf die Umkehrung des Kommunismus. Das wäre eine törichte, eine vergebliche, eine eitle Hoffnung. Hier geht es darum, Politik zu machen. Und der Satz, der hier gesprochen worden ist — ich weiß nicht, von welchem der Redner; das ist auch ganz gleichgültig —, daß man eine Lage schaffen helfen muß, die es schließlich
auch den Kommunisten — nicht den Kommunisten nach der Zahl, sondern der Gruppe der Macht, die den Teil der Welt, der unter ihrer Herrschaft steht, regiert — geraten erscheinen ließe, einen echten Frieden zu schließen: das ist es, worum es geht. Um nichts anderes, um nicht mehr und nicht weniger kann es gehen, also um keine Hoffnung. Hoffnungen, daß sie es einmal billiger machen werden, Hoffnungen, daß sie sich einmal völlig ändern werden oder, wie ich es heute in einem kurzen Diskussionseinwurf gesagt habe, daß sie vielleicht sogar verbal unser Wort übernehmen: solche Hoffnungen sollten wir — darin stimmen wir wohl überein — nirgendwo hegen lassen.
Und sonst haben wir nichts zu fürchten. Sie haben es sehr scharfsinnig, wie Sie ja sind, auseinandergesetzt, wie der Polyzentrismus — ich muß nachsehen, ob ich es genau mitgeschrieben habe; das ist das Fachwort — auch seine andere Seite hat, nämlich gewisse innenpolitische Beweglichkeiten um den Preis einer, wie Sie sagten, um so klareren Linientreue in außenpolitischen Fragen. Kommt Zeit, kommt Rat, das ist eine jetzige Erscheinung, keiner weiß, wie lange das so dauern wird, für jetzt und für die absehbare Zeit ist das ganz richtig gesehen: Das ist auch mit die Rechnung derer gewesen, die dort Politik machen, Taktik machen und Strategie machen. Wenn Sie dann aber sagen, der Motor dessen, was Sie kommunistische Aktivität nennen, das sei der Glaube, daß am Ende schließlich deren Sieg stünde: ich hoffe, wir kommen da zu einer Übereinstimmung, wenn nicht heute, dann irgendwann; das haben wir nicht zu fürchten, nämlich dann nicht, wenn wir sie hindern, durch Gewalt Expansion zu treiben, und wenn wir zugleich den sozialen und kulturellen Wettbewerb in unseren Teilen mit der Offenheit, die möglich ist, führen. Dann brauchen wir keine Angst zu haben, dann werden wir diejenigen sein, die obsiegen. Und da möchte ich dann einmal wissen, ob sie die Größe des aus dem Leben gerissenen Mannes haben, der es in der Kuba-Frage fertiggebracht hat, eine lebensgefährliche Situation auf eine Weise zu lösen, die ihm ewig unvergessen sein wird — ebenso wie dem ganzen Volke, das ihn in dieser kritischen Situation gestützt hat —, und der die Größe aufgebracht hat, dem Gegner, der in diesem Falle ein wirklich lebensgefährliches Spiel trieb, am Schlusse dieses Kapitels nicht den Fuß auf den Nacken zu setzen. Er verzichtete also auf die Pose; ihm kam es darauf an, die Verhältnisse in einer Weise machtpolitisch entscheidend beeinflußt zu haben, daß der andere nicht zu seinem Ziel kommen konnte, nämlich zu der mit nuklearen Mitteln gewollten diplomatischen politischen Erpressung. Seit der Zeit weiß man für eine ganze Zeit: Mit der Politik der Erpressung gegen die Vereinigten Staaten von Amerika geht es nicht. Wenn es so ist, wenn es in der Beziehung keine andere Einschätzung gibt, wäre das ein wesentlicher Schritt.

(Beifall bei der SPD.)

Sie haben gesagt: Warum hat niemand von euch protestiert zu einer Zeit, als drei NATO-Länder, sagen Sie, diplomatische Beziehungen zu Peking



Wehner
aufnahmen? Mein Kollege Erler hat hier schon gesagt: Die Frage, wie man mit diesem inzwischen zu einem der Zentren der kommunistisch beherrschten Welt gewordenen Peking umzugehen hat, läßt einen gewissen Spielraum. Die Internationale der sozialdemokratischen Parteien hat z. B. wiederholt gesagt: Wenn man Bedingungen schaffen könnte, China in die UNO aufzunehmen und dort vor das Brett zu bringen, wäre das besser, als wenn es draußen herumgeistert und nicht nur geistert, wie man weiß.
Aber nun zu den Ländern! Hier geht es doch um die Unterschiedlichkeit des Zeitpunktes. Als die Engländer damals ihren Geschäftsträger dort hinschickten und die Beziehungen aufnahmen, haben sie eben mit einem Geschäftsträger angefangen. So sind die Engländer — das sage ich, ohne herabsetzend zu sein —, das ist ihre Art, zunächst einmal selber da zu sein, um zu sehen, wie es weitergeht, was man da machen kann, und wenn man nicht sehr viel machen kann, dann investiert man nicht sehr viel dort.
Aber das, was sich jetzt abspielt, ist doch von einer ganz anderen Größenordnung. Ich habe im November einen Schreck gehabt, als ich las, wie beide Seiten, die Pekinger und die Pariser, die damalige Fühlungnahme beschrieben und umschrieben. Da gab es sogar ein, ich möchte sagen: perverses Wort von einer Gemeinsamkeit beider, die angefangen habe, weil sie beide für die Souveränität kämpften. Das, fand ich, war schon ein dicker Hund, und unter dem Gesichtspunkt, daß der Westen, soweit wir das können, zusammen agieren soll, war das natürlich genau in entgegengesetzter Richtung gemeint gewesen. Ich will das nicht vertiefen. Ich möchte nur sagen: In den vergangenen Jahren hat Chruschtschow am meisten die Tatsache geholfen, Herr zu Guttenberg, daß die Entwicklung der Vereinigung Europas und jenes großzügige, umfassende Partnerschaftsangebot der Vereinigten Staaten von Amerika mit einem in Einigung befindlichen Europa dadurch ins Stocken gekommen ist, daß dieser Prozeß nicht hat fortgeführt werden können,

(Beifall bei der SPD)

bei allen Bemühungen, wir geben zu: auch Bemühungen unserer Regierung, des Außenministers, des Bundeskanzlers — des gegenwärtigen Bundeskanzlers! —

(Abg. Dr. Mommer: Einschränkend!)

— Ich will das einfach nur feststellen, weder einschränkend noch ausdehnend; das liegt mir nicht. Ungeachtet dessen war dies also das Schlimmste.
Denn im Herbst 1962 hatte wir eine Lage, in der Chruschtschow sinngemäß sagte, daß man sich mit der Realität Europäische Wirtschaftsgemeinschaft befassen, daß man zu ihr in Beziehung treten und mit ihr konkurrieren müsse. Das ist vorbei. Wer hat ihn aus diesem Druck gelöst? Ihr bewundeter europäischer Staatsmann, der Frankreich gleichzeitig innenpolitisch zu einer Wüste gemacht hat. Zugegeben, er wäre nicht in dieser Situation — —

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

— Man kann das doch wohl sagen. Hier sind wir da, um unsere Meinung zu sagen. Das beleidigt den Mann nicht, der groß genug war, im Kriege eine hervorragende und von mir bewunderte Haltung einzunehmen. Aber was er in diesen letzten Jahren in Frankreich zuläßt und nicht nur zuläßt, das ist Erosion der demokratischen Wirklichkeit, das ist eine innere Wüstenei Frankreich. Das hat dazu geführt: Die einen reisen nach Moskau, die anderen reisen nach Peking aus Paris. Er bringt sein eigenes Land in die Zerreißprobe, selbst wenn er das ganz anders meint. Wir werden bei passender Gelegenheit einmal darüber reden. Da liegt der eigentliche Grund für diese innere Lähmung der Kraft westlicher Solidarität, die ihren Ausdruck in dieser umfassenden und umfassender werdenden Partnerschaft zwischen den USA und dem in Vereinigung befindlichen Europa finden müßte und nicht einem Europa, das mit soundsoviel Zungen spricht, wie es in Wirklichkeit heute der Fall ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410728300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Baron zu Guttenberg!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0410728400
Glauben Sie wirklich, Herr Kollege Wehner, daß wir alle schon genügend Abstand von den Ereignissen Anfang vergangenen Jahres haben, um heute in dieser Schärfe allein Frankreich die Schuld dafür aufzubürden, daß es zugegebenermaßen in der europäischen Politik zu einer Stockung gekommen ist?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0410728500
Ich sage Ihnen meine Meinung unumwunden. Ich habe mir nie angemaßt, die Meinung anderer ausdeuten zu wollen. Meine ist so, und ich glaube, die vieler anderer auch, die sich damit befassen, womit ich den anderen keinen Vorwurf zu machen habe, die es noch anders sehen, die dann noch Nuancen sehen.
Zu der Frage Konförderation, damit wir uns da ganz klar verstehen: So wie ich es für gut halten würde, daß man sich hier nicht bei allen Unterschieden und Gegensätzen darüber zerfleischt, bildlich gesprochen, ob die einen nur für Entspannung an der Peripherie und die anderen für Entspannung am Kern seien und welche Motive man dem unterstellt, — in unserer Fraktion ist man nicht für die Konförderation. Dieser Begriff ist allzu deutlich als ein Vehikel gemeint, mit dem Elemente kommunistischer Dynamismus hineingebracht werden, die sonst auf eine normale Weise oder im demokratischen Kräftemessen nie hineingebracht werden können. Hier soll also jemand vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Das ist die Wirklichkeit. Wer es studieren will, lese Lenin: „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution", über die Erfahrungen aus den Jahren 1903 bis 1905. Dann wird er finden, daß das jetzt in Ulbrichts Übersetzung so lautet, wie es mit dieser „Konföderation" gemeint ist. Wenn Sie das also mal genau überlegen wollten, könnten Sie manches daraus lernen.
Das Wort Konföderation selber ist weder an sich gut noch an sich schlecht, und wir sollten es uns



Wehner
auch nicht für alle Zeiten und in jedem Zusammenhang nehmen lassen. Das würde voraussetzen die Gewährleistung der gleichen Menschen- und Bürgerrechte in jenen Teilen, die zeitweise konföderieren, einschließlich, würde ich sagen, des Rechtsgefüges, diese gleichen Menschen- und Bürgerrechte zu sichern und zu schützen. Dann müßte alles andere ein solcher Prozeß des Sich-Durchsetzens der Rechte sein. Sonst ist „Konföderation" undiskutabel. Man sieht, das ist also heute für alle Teile des Hauses undiskutabel. Der Begriff selbst ist für uns erst unter diesen Umständen interessant. Mögen sich die anderen, die ihn heute zu ganz anderen Zwecken gebrauchen, den Kopf zerbrechen, wie sie ihn säubern. Sie haben ja versucht, den Begriff der Koexistenz auch zu säubern. Das hat zu großen Konflikten geführt, wie Sie wissen. Nicht das allein war zwar die Ursache des Konflikts Peking — Moskau. Aber warum soll der Streit um die Konföderation nicht auch ein Streit werden können? Er kann es nur werden, wenn bei uns niemand für eine „Konföderation" ist, die es vielleicht etwas billiger machen möchte, aber sonst in der Linie läge, wie Ulbricht sie sich vorstellt.
Ich habe mal gelesen, daß ein früherer Bundesminister den Gedanken der Konföderation gar nicht für schlecht befunden hat. Ihm war das wahrscheinlich in der ganzen Tragweite gar nicht dargelegt worden. Er hat den Begriff genommen, wie er einmal war, als einen wertfreien Begriff. Das geht aber nicht in der Praxis; das geht nicht in der Politik. Über Konföderation zu reden wäre überhaupt erst möglich, wenn dort, wo konföderiert werden soll, die gleichen Menschen- und Bürgerrechte gewährleistet werden und das Rechtsgefüge mit all dem, was dazu gehört, besteht, durch das sie gesichert und geschützt werden können. Dann möchte ich mal sehen, wie die Gegenseite sich abstrampelt, um zu zeigen, daß das auch noch revanchistisch oder was alles sonst ist. Ich glaube, das ist keine schlechte Position.
Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zu den interessanten unterschiedlichen Darlegungen, die uns hier die Kollegen Birrenbach und zu Guttenberg gegeben haben, mit zum Teil gleichen Unterlagen, aber mit ganz unterschiedlichen Bewertungen. Der eine, um zu zeigen, daß die inneren Notwendigkeiten auch in dem heute kommunistisch beherrschten Teil der Welt — Sowjetunion —, Ergebnisse in Richtung Abrüstung vielleicht als greifbarer erhoffen lassen. Der andere — Freiherr zu Guttenberg — will aus der Tatsache, daß die Sowjetunion sich übernommen hat und zurückgefallen ist, nun die Chance genutzt sehen, keine „Konzession" zu machen. Er ist zwar nicht so weit gegangen wie ein anderer bedeutender Staatsmann, daß man sie aushungern sollte, wie man im Mittelalter eine Festung ausgehungert hat. Nun, das war von dem Staatsmann sicher nur bildlich gemeint. Herr von Guttenberg hat es sicher nicht so gemeint.
Wenn Sie eine Kardinalfrage daraus machen wollen, ob jetzt die Zeit sei, Ziele zurückzustellen und statt dessen Entspannung zu suchen — nun, ganz ernst: Wir sind als ein Volk in einem gespaltenen
und immer noch geteilt gehaltenen Land darauf angewiesen, daß man uns in der Welt richtig versteht. Wir müssen das so übereinstimmend wie möglich zu vertreten suchen, daß man in der Welt nicht denen glaubt, die uns als Revanchisten, als Kriegstreiber, als Leute darstellt, die alles auf eine Karte setzen, um eben am Schluß doch das, was wir nicht haben, mit Gewalt zu nehmen. Diese Leute müssen wir zu widerlegen suchen durch unsere Art, uns politisch und in sonstiger Weise zu geben, miteinander uns zu zeigen.
Ich empfand es als guten Anfang — bald ist wieder Jahrestag —, jenes Memorandum nämlich, das im Februar 1962 aus dem Auswärtigen Amt kam. Es ist eine gute Vorarbeit für die Deutschland-Politik. Sicher ist es nicht in jedem Punkte der Weisheit letzter Schluß; sicherlich enthält es aber schon eine ganze Menge von Steinen zu dem Mosaik, an dem weitergearbeitet werden sollte. Mein Schmerz und mein Vorwurf sind nur, daß das in der Wirklichkeit nicht geschieht. Vielleicht ganz geheim in der Küche dieses Amtes. Aber das wäre wohl wieder eine Sache, in der man uns einen „Wink" geben müßte. Wir wollen kein Ziel zurückstecken; wir wollen nur, daß man uns in der Welt so sieht: Wenn ihr anderen der Meinung seid, das oder das tun zu sollen, um eine Entspannung zwischen Ost und West herbeizuführen, unterstützen wir das auch. Wir möchten uns aber die Freiheit bewahren, allen anderen immer zu sagen: Glaubt nicht, ihr würdet eine wirkliche Entspannung im Ost-West-, im WestOst-Konflikt — wie immer ihr es sehen wollt — bekommen, wenn ihr versucht, sie um die deutsche Frage herum zu erreichen, wenn ihr versucht, sie durch Einmauerung der deutschen Frage zu erlangen. Das würde euer eigenes Unglück sein. Ihr würdet euch täuschen, es zu spät sehen und Schaden daran nehmen.
Da hat auch, so glaube ich, jene Übergangsregelung vom 17. Dezember mit dem Ergebnis, das sie gezeitigt hat, einiges getan. Man sollte an die Einzelheiten nun nicht zu sehr mit der Lupe herangehen und darüber streiten. Die Tatsache, daß sich hier vier bis fünf Millionen Menschen im kommunistisch besetzten Sektor Berlins, hinter der Mauer, getroffen haben und daß das weit hinein in die Bevölkerung, in die Familien der sowjetisch kontrollierten, kommunistisch besetzten Zone gewirkt und die Hoffnung bestärkt hat, daß Menschlichkeit und Menschenrecht doch stärker sind als Mauer, Schießbefehl, Stacheldraht und Minenfelder, ist eine große Sache, und wir sollten so an sie herangehen.
Wenn wir in dem einen oder anderen Falle etwas in dieser Richtung erzielen können, dann erwecken wir berechtigte Hoffnungen und stärken die Gewißheit auch bei denjenigen unserer Landsleute, die heute in der Unterdrückung leben müssen. Indem wir uns Gedanken machen und wenn wir — auch ohne daß wir dauernd auf die Pauke hauen — etwas erreichen, erkennen sie, daß sich die Zeiten ändern, daß nach der Ebbe auch wieder die Flut kommt. Ich denke, daß das richtig ist, und so sollte man die Debatte um dieses Gesetz, um dieses Abkommen,



Wehner
) dem offensichtlich nun alle zustimmen werden — auch wenn es heute nicht endgültig geschehen kann; heute wird es nur überwiesen und nicht verabschiedet —, führen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410728600
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0410728700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diese Debatte, die heute morgen noch etwas anders aus. sah, sind inzwischen sehr viel leidenschaftlichere Töne gekommen. Ich bedaure — bei allem Verständnis dafür —, daß an einer Stelle doch wohl über das hinausgegangen worden ist, was hier gesagt werden sollte. Ich möchte keine Zensuren verteilen — bitte, verstehen Sie das richtig! —, aber ich meine, hier sollte nicht unwidersprochen gesagt werden, daß der französische Staatspräsident aus Frankreich innenpolitisch eine Wüste gemacht habe.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich würde eis begrüßen, wenn diesem Wort doch etwas die Schärfe genommen werden könnte.
Nun, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, daß ich die Debatte vom Standpunkt der Bundesregierung aus beurteile. Dazu ist folgendes zu sagen. Wir wissen jetzt — vielleicht noch mit einer Ausnahme; das ist mir noch nicht so ganz sicher — genauer als vor ein paar Monaten, daß wir offenbar mit der Zustimmung des ganzen Hauses zu der Gesetzesvorlage rechnen können, die ich eingebracht habe. Das sehe ich als einen großen Erfolg, als einen großen Fortschritt an, und dafür bin ich ausgespochen dankbar.
Hier ist manches gesagt worden, was ein Beitrag sein wird zu einer sehr notwendigen Reinigungskrise, die die Politik von Zeit zu Zeit immer wieder einmal braucht. Dabei werden noch manche welken Blätter fallen, und der Sturm, das sage ich Ihnen voraus, meine Damen und Herren, wird in der nächsten Zeit mit Macht durch das deutsche Haus fegen. Es ist sehr gut, daß wir uns darauf etwas einstellen. Ich hoffe, es gelingt uns dabei, jenes Minimum an nationaler Übereinstimmung zu finden, welches — das sage ich zu diesem Hause in seiner vollen Breite — ein Volk braucht, das stärker als irgendein anderes in der Welt derzeit um die Wiederherstellung seiner nationalen Existenz kämpft.
Ich habe hier einen dicken Band mitgebracht, und vielleicht hat mancher sich gefragt, was darin stehen mag. Es ist manchmal ganz gut, wenn man im Rückblick auf das, was hier in der Bewertung der Politik, die getrieben worden ist, alles schon gesagt worden ist, einmal in etwas ältere Erklärungen hineinsieht. Ich möchte aus dieser Erklärung ein kleines Stück vorlesen, weil sie von der ersten Regierung vorgetragen worden ist, der anzugehören ich die Ehre gehabt habe. Der Schluß der Regierungserklärung, die damals Bundeskanzler Adenauer vorgetragen hat, lautet wie folgt:
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Die Außenpolitik der Bundesregierung ist in allen ihren Bestrebungen ausschließlich darauf gerichtet, für die vielen Probleme, die uns Gegenwart und Zukunft stellen, Lösungen zu suchen, die dem friedlichen Ausgleich dienen. Meines Erachtens gibt es kein Problem, und sei es noch so kompliziert und ;schwer, für das nicht mit den Mitteln der Verhandlung eine weitaus 'dauerhaftere Regelung erreicht werden könnte als mit den Mitteln der Gewalt, aus der, wie uns die Vergangenheit lehrt, nur immer neue Konflikte geboren werden. Dies gilt in erster Linie für den großen Ost-West-Konflikt. Deutschland wird alles in seinen Kräften stehende tun, um zusammen mit allen denen, die guten Willens sind, an einer Entspannung und friedlichen Bereinigung mitzuwirken.
An einer Entspannung und friedlichen Bereinigung! Meines Wissens taucht das Wort damals zum erstenmal auf.
Denn meine Damen und Herren, ich glaube, ich kann sagen, wir alle sind fest davon überzeugt, daß die Menschen dieser Erde, seien es nun Deutsche, Amerikaner, Engländer, Franzosen oder Russen, nichts heißer ersehnen als einen dauerhaften Frieden

(Anhaltender starker Beifall bei den Regienungsparteien — Abg. Erler: Jetzt wissen wir wenigstens, wo das Entspannungsgerede herkommt!)

— Herr Kollege Erler, ich trage das nicht deswegen vor, sondern ich trage es vor, um etwas zu zeigen und um keine falschen Perspektiven aufkommen zu lassen. Ich möchte damit klar machen, daß wir in der Tat mit jedem Satz, den wir heute sagen, das fortsetzen, was wir vor zehn Jahren gesagt haben. Die Tatsache, daß wir heute diese Sätze wiederholen, zeigt erstens, daß wir sie immer noch für richtig halten, und zeigt zweitens, wie ungeheuer schwer es ist, weiterzukommen. Deswegen werden wir uns eben weiter bemühen müssen, vielleicht in manchem noch etwas ideenreicher, als das diesem und jenem heute richtig erscheinen mag.
Nun ein Wort an den Kollegen zu Guttenberg. Leider, leider hat er den Aufsatz aus der „New York Times" nicht richtig zitiert. Ich habe die „New York Times" nicht da, weiß aber genau, was die Essenz dieses Artikels war. Die Essenz dieses Artikels war nicht, daß das Wort „Wiedervereinigung" aus dem Sprachschatz von heute geschwunden sei, sondern daß es viele Jahre lang aus dem diplomatischen Wortschatz verschwunden gewesen und durch gewisse andere Vokabeln ersetzt worden sei.
Ich habe es in diesem Hause noch nicht erzählt, aber lassen Sie es mich bei dieser Gelegenheit tun: Als ich im September vergangenen Jahres in den Vereinigten Staaten war, habe ich sowohl in Washington wie anschließend in New York mit meinem amerikanischen Kollegen Rusk und dann zusammen mit unserem damaligen Kollegen Lord Home über diese Frage, genau über dieses Thema gesprochen. Dabei hat der amerikanische Außenminister gesagt: Wenn wir nun heute mehr als in



Bundesminister Dr. Schröder
den voraufgegangenen vier bis fünf Jahren von „Wiedervereinigung" sprechen, dann ergeben sich daraus diese und jene Konsequenzen. — Ich will sie hier nicht weiter schildern. Ich bin darauf sehr stolz gewesen, und ich sehe das als Erfolg der Politik an, die wir gerade in den letzten zwei Jahren betrieben haben. Es ist uns gelungen, „Wiedervereinigung" aus dem falschen Rang einer Vokabel zu etwas zu erheben, was wirklich eine überall anerkannte, überall geglaubte, vor allem auch draußen geglaubte deutsche Lebensforderung ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410728800
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache in erster Lesung ist beendet. Es ist Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — federführend — und an den Ausschuß für Verteidigung — mitberatend — vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. Dezember 1956 über die Gleichwertigkeit der Studienzeit an den Universitäten (Drucksache IV/1807).
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht, Herr Außenminister?

(Bundesaußenminister Dr. Schröder: Ich verzichte!)

— Sehr freundlich, ich danke vielmals.
Ich eröffne die Aussprache in erster Lesung. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Kopf!

Dr. Hermann Kopf (CDU):
Rede ID: ID0410728900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In zunehmendem Maße hat die Bundesrepublik im Verlauf der letzten Jahre sich an internationalen Verträgen beteiligt, die sich auf den Bereich der kulturellen Beziehungen mit europäischen und nichteuropäischen Staaten beziehen. In all diesen Fällen war es notwendig, daß die Bundesrepublik, die einen föderalen Charakter besitzt, als eine Einheit den anderen Staaten, die gleichfalls staatliche Einheiten darstellen, gegenübertrat. Es mußte eine gemeinsame Repräsentanz des deutschen Volkes in diesem Auftreten der Bundesrepublik gefunden werden.
Die Verträge, die zustande gekommen sind — und dazu zählt auch der Vertrag, der mit Drucksache IV/1807 heute diesem Hohen Hause vorgelegt worden ist, über die Gleichwertigkeit der Studienzeit an den Universitäten — berührten und berühren nun vielfach Gegenstände, die nach innerdeutschem Staatsrecht zur Gesetzgebungskompetenz der Länder gehören. Hier erhebt sich eine schwierige Problematik: Wie ist es der Bundesrepublik, die die Verhandlungen nach außen führt, die den Bund und das deutsche Volk verpflichtet, möglich, den Inhalt
dieses Vertrages aus dem völkerrechtlichen Geltungsbereich in eine innerstaatliche deutsche Norm zu transferieren? Es besteht kein Zweifel darüber, daß die Bundesrepublik zur Führung der Verhandlungen legitimiert ist. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Art. 32 des Grundgesetzes, wonach die Pflege der ausländischen Angelegenheiten Sache des Bundes ist. Auch der Abschluß kultureller Vereinbarungen gehört zweifellos in das Gebiet der auswärtigen Politik. Es ist auch sicher, daß derartige Verträge, wenn sie einmal ratifiziert sind, auch der Durchführung bedürfen. In vielen Fällen haben diese Verträge Organisationen, Konferenzen oder Veranstaltungen ins Leben gerufen, die sich regelmäßig wiederholen und an denen die Bundesrepublik wiederum als Repräsentant des deutschen Volkes teilzunehmen hat. Ich erwähne nur wenige beispielhafte Fälle, den Fall der UNESCO-Konferenz, den Fall des Rates für europäische Zusammenarbeit, der im Rahmen des Europarats gebildet worden ist, und nicht zuletzt auch die kulturelle Zusammenarbeit, die der deutsch-französische Vertrag vorsieht.
Aber nun stellt sich die Frage: Wie ist es möglich, daß die Bundesrepublik, deren Abschlußkompetenz für derartige internationale Verträge nicht in Zweifel gezogen werden kann, diesen Inhalt der Verträge aus dem Völkerrecht in das innerdeutsche Staatsrecht überträgt, auch dann, wenn es sich um Gegenstände handelt, die zur ausschließlichen Kompetenz der deutschen Länder gehören? Über diese Frage sind seitens des Bundes und der Bundesregierung und seitens der Länder verschiedenartige Meinungen geäußert worden. Es ist seitens des Herrn Professor Erich Kauffmann, des langjährigen Beraters des Auswärtigen Amtes, mit guten Gründen die Auffassung vertreten worden, daß die Abschlußkompetenz der Bundesregierung, die sich aus Art. 32 des Grundgesetzes ergibt, ohne weiteres auch die Transformationsbefugnis in sich schließt, also das Recht, den Inhalt dieser abgeschlossenen Verträge in das deutsche Staatsrecht zu übertragen, wenn die gesetzgebenden Körperschaften, die im Grundgesetz vorgesehen sind, ihre Ratifikation ausgesprochen haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich dieser Auffassung in dem bekannten Urteil zur Konkordatsfrage vom 26. März 1957 nicht zu eigen gemacht. Aber das Bundesverfassungsgericht hat zugleich einen Weg gewiesen, auf dem diese Schwierigkeiten einer guten Regelung zugeführt werden können, indem es — ich zitiere Seite 362 der Entscheidungssammlung, 6. Band — folgendes schrieb:
Es muß dem Einvernehmen von Bund und Ländern auf dem Boden der Gleichordnung überlassen bleiben, im Falle einer Spannungslage zwischen Bundes- und Landesinteressen einen tragbaren Ausgleich zu schaffen.
Dieses Urteil ist am 26. März 1957 ergangen, und es hat noch im selben Jahre gute Früchte getragen durch den Abschluß einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Ländern, die sich mit dem bescheidenen Titel einer sogenannten „Verständigung" begnügt. Diese Verständigung, über die wir das sogenannte „Lindauer Protokoll" besitzen,



Dr. Kopf
sieht — neben anderen Fällen — den Fall vor, daß ein von der Bundesregierung abgeschlossener Vertrag sich auf solche Gegenstände bezieht, die zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder gehören. In diesen Fällen soll das Einverständnis der Länder frühzeitig herbeigeführt werden. Es soll vorliegen, bevor die Verpflichtung völkerrechtlich verbindlich geworden ist. Falls die Bundesregierung dem Bundesrat einen solchen Vertrag zuleitet, wird sie die Länder spätestens zum gleichen Zeitpunkt um die Erteilung des Einverständnisses bitten.
Wir entnehmen aus der Vorlage, daß die Bundesregierung in der Tat das Einverständnis der Länder herbeigeführt hat und daß die Länder dieses Einverständnis erteilt haben. Wir entnehmen weiter daraus, daß die Bundesregierung auch in Zukunft beabsichtigt, wiederum das Einverständnis der Länder herbeizuführen, falls sich weitere Vertragspartner diesem Vertrag anschließen sollten. Wir hätten allerdings den Wunsch gehabt, daß dieses Übereinkommen, das bereits am 15. Dezember 1956 abgeschlossen worden und im vorigen Jahr bereits durch den Beitritt einiger Länder in Kraft getreten ist, schon zu einem früheren Zeitpunkt diesem Hause zur Ratifikation hätte zugeleitet werden können. Die Lindauer Vereinbarung sieht aber weiterhin vor, daß die Länder auch ständig in die Verhandlungen eingeschaltet bleiben, die die Bundesrepublik auf dem Gebiet der Gesetzgebungskompetenz der Ländern mit anderen Staaten führen kann. Es soll ein ständiges Gremium aus Vertretern der Länder gebildet werden. Dieses ständige Gremium ist in der Tat schon damals in der Form einer sogenannten ständigen Vertragskommission der Länder vorgesehen und gebildet worden, und diese Vertragskommission funktioniert.
Darüber hinaus hat sich die Notwendigkeit ergeben, auch bei der Durchführung derartiger Verträge bei den ständigen Konferenzen, die in diesen Verträgen vorgesehen sind, die Länder in angemessener Weise zu beteiligen. Auch hier haben sich pragmatische Lösungen ergeben, die sich bewährt haben. Der Unesco-Delegation der Bundesregierung gehören regelmäßig auch Vertreter der Länder an. Zur Abwicklung des deutsch-französischen Abkommens ist ein Vertreter der Länder von der Bundesregierung bevollmächtigt und beauftragt worden, die Bundesregierung gegenüber den französischen Stellen zu repräsentieren. Es hat sich gezeigt, daß geeignete Formen für die Einschaltung der Länder bei diesen ständigen Konferenzen gefunden werden können.
Ich glaube also nicht, daß die Problematik, die ich Ihnen vorgetragen habe, es notwendig machen würde, für die Zukunft eine Revision des Grundgesetzes in Erwägung zu ziehen. Die Lindauer Übereinkunft lag vielmehr in der Richtung der Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts. In dieser Lin-dauer Übereinkunft haben sich der Bund und die Länder ihre Rechtsstandpunkte vorbehalten. Aber sie haben in pragmatischer Weise mit der Bildung dieser Vertragskommission einen Weg gefunden, um eine Mitbeteiligung der Länder in einem frühen Zeitpunkt zu gewährleisten. Auch die übrigen Versuche, bei der ständigen Durchführung dieser Verträge die Länder mitzubeteiligen bei der Vertretung der Bundesregierung, waren von Erfolg begleitet.
Man sollte aber gewisse Grundsätze für die Zukunft aussprechen, deren Einhaltung im Interesse einer guten Repräsentanz der Bundesrepublik nach außen im kulturellen Bereich als wünschenswert erscheinen muß. Die Bundesrepublik soll wie in der Vergangenheit, so auch in der Zukunft bei internationalen Verträgen, die sich auf kulturelle Fragen beziehen, als eine Einheit auftreten. Die Repräsentanz des deutschen Volkes obliegt dem Bund und nicht den Ländern. Dies gilt sowohl für den Vertragsabschluß als auch für die Vertragsdurchführung. Auf der anderen Seite soll wie bisher sowohl beim Vertragsabschluß als auch bei der Durchführung der Verträge eine angemessene Mitbeteiligung der Länder gewährleistet werden, die den Erfordernissen des innerdeutschen Staatsrechts Rechnung trägt. Auf beiden Seiten, auf seiten des Bundes und auf seiten der Länder, soll die Bereitschaft zu einer guten Zusammenarbeit vorhanden sein. Die Länder sollen bundesfreundlich handeln. Der Bund soll auf die föderale Struktur der Bundesrepublik Rücksicht nehmen. Nur dann kann das deutsche Volk in einem freien geistigen Wettbewerb der Nationen den Platz einnehmen, der ihm auf Grund seiner bereits in die Geschichte de ; menschlichen Geistes eingegangenen schöpferischen Bemühungen von Rechts wegen zukommt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0410729000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Schmid.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0410729100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Abkommen, mit dem wir uns heute zu beschäftigen haben, ist einer der kleinen Schritte, die die europäischen Staaten bisher auf dem langen Weg nach Europa getan haben. Wir sollten uns darüber freuen, daß es abgeschlossen werden konnte, auch wenn wir wissen, daß dieses Abkommen noch nicht das Europa schafft, das wir vor uns sehen; auch wenn wir wissen, daß es die Lösung der großen schwierigen Aufgaben nicht bringen wird, vor denen heute unsere Regierungen stehen.
Das Abkommen nimmt diesen Schwierigkeiten nichts von ihrem Gewicht, aber es schafft auf einem Nebenschauplatz der Europapolitik einige Realitäten, die unseren Völkern etwas von der Hoffnung erhalten könnten, die vor 10 Jahren noch so groß war und die in den letzten Jahren so gekränkt wurde. Europa ist nicht nur eine Sache des Ausgleichs von Interessen — gewiß, das ist es auch —, Europa ist nicht nur das, was man einst, vor 200 Jahren, „La République des savants" genannt hat, die Republik der Gelehrten, der Gebildeten, der guten Europäer, die kein politisches Europa brauchen, um sich als Europäer zu fühlen. Das allein reicht nicht. Aber das Europa des Ausgleichs von Interessen reicht auch nicht.



Dr. Schmid (Frankfurt)

Beide Dinge — Ausgleich von Interessen, Schaffung von Institutionen und Schaffung eines geistigen Fundus, der allen gemeinsam ist liegen im Spiel. Wir müssen neben und zusammen mit den Bemühungen der Regierungen, diesen Interessenausgleich auf materiellem Gebiete zu schaffen, andere Bemühungen unternehmen: wir müssen in den verschiedenen Ländern den Versuch machen, uns so gut wie möglich und so nahe wie möglich kennenzulernen. Wo könnte das besser und wirksamer geschehen als dort, wo junge Leute lernen; wo sie lernen, mit sich und der Welt fertig zu werden, in den Schulen, an den Universitäten und überall, wo Bewußtsein gebildet wird.
Aus dieser Erkenntnis heraus haben vor etwa 12 Jahren einige Mitglieder dieses Hauses in der Beratenden Versammlung des Europarates den Antrag gestellt, man möge doch europäische Kulturkonventionen abschließen, durch die die Gleichbewertung einer Reihe von kulturellen und schulischen Anstalten und Veranstaltungen in den verschiedenen Staaten ausgesprochen werden könnte. So ist es in der Tat zum Abschluß der allgemeinen europäischen Kulturkonvention vom 19. Dezember 1954 gekommen, im Gefolge davon zu einer Konvention vom 9. März 1955 über die Bewertung der Reifezeugnisse und auf der Grundlage dieser allgemeineren Konventionen zu der Konvention, mit der wir uns heute beschäftigen, der Konvention vom 15. Dezember 1956 über die Gleichwertigkeit gewisser Studiengänge.
Die Bundesregierung hat sich mit dem Ratifikationsverfahren Zeit gelassen, wohl Zeit lassen müssen; denn sie hatte Verhandlungen mit den deutschen Ländern zu führen und hat sie geführt. Aber man gestatte mir hier eine Bemerkung: ich finde, diese Beratungen haben zu lange gedauert. Das scheint mir nicht notwendig gewesen zu sein. Man hat — ich nehme das an von seiten der Bundesregierung wohl alles getan. Aber die Länderregierungen hätten sich bei solchen Dingen vielleicht ein bißchen mehr sputen können, als sie das hier getan zu haben scheinen. Sicher mußten die Länder gehört werden, nicht nur wegen des Lindauer Protokolls; schon nach Art. 32 Abs. 2 des Grundgesetzes sind vor dem Abschluß zwischenstaatlicher Verträge, durch die spezifische Landesinteressen betroffen werden, die Länder zu hören.
Nun hat sich hier etwas ergeben, das mir bedenklich erscheint. Der Bundesrat hat in seiner Antwort auf die Regierungsvorlage den merkwürdigen Standpunkt vertreten, daß nach seiner Auffassung eine Gesetzeskompetenz des Bundes für den Gesetzentwurf nicht gegeben sei, da das Übereinkommen, auf das er sich beziehe, nur Gegenstände regele, für die ausschließlich die Länder zuständig seien. Mir scheint das in der Tat eine seltsame Auffassung zu sein. Offenbar glaubt man im Bundesrat, daß die Ratifikationsgesetze in allen Landtagen gesondert zu verabschieden seien, wobei ich mir die Frage erlaube: was soll dann geschehen, wenn ein Landtag der Meinung sein sollte, hier nicht zustimmen zu können?

(Abg. Dr. Hellige: Das ist der Staatenbund!)

Darüber werde ich nachher sprechen.
Mein Vorredner, mein sehr geschätzter Kollege -
im doppelten Sinn Kollege Dr. Kopf, hat vom Lin-dauer Protokoll 1957 gesprochen das infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vereinbart worden ist. Nach diesem Abkommen sollen internationale Verträge über Angelegenheiten, bezüglich derer die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liege, nur mit Zustimmung der Länder abgeschlossen werden können; die Länder sollten also da die eigentlichen Herren der möglichen Bewegungsfreiheit der Bundesregierung sein. Die bayerische Landesregierung hat die Konsequenz aus dieser Auffassung in aller wünschenswerten Deutlichkeit gezogen. Bei der Gelegenheit einer Vorlage an den bayerischen Landtag ein Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen und eine Empfehlung gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen betreffend hat sie sich auf folgenden Standpunkt gestellt: Da die Länderregierungen zugestimmt hätten, könne man dieses Abkommen als Rechtens zustande gekommen betrachten; denn „nach der von der Bayerischen Staatsregierung" — ich zitiere wörtlich, Herr Präsident, wenn es erlaubt ist — „vertretenen Rechtsauffassung wird durch die Erklärung des Einverständnisses der Länder der Bund ermächtigt, den Vertrag insoweit, als er sich auf Gegenstände der Landeskompetenzen bezieht, stellvertretend für die Länder abzuschließen".
Mir erscheint diese Auffassung über die Maßen seltsam. Sie erinnert mich an ein großes zweibändiges Lehrbuch des hervorragenden Staatsrechtslehrers Professor Seidel aus den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts über die Bismarcksche Reichsverfassung. In Band 1 wird die bayerische Staatsverfassung erläutert und in Band 2 die Reichsverfassung, die gelte, weil sie durch ein bayerisches Gesetz in Kraft gesetzt worden sei. So las man es vor Tische, und so scheint man es auch nach Tische mit Abschwächungen auf einigen Gebieten lesen zu sollen.
Nun, wie gesagt, es ist durchaus richtig, aus der Natur der Sache heraus richtig, aus der Natur unserer Bundesrepublik als eines föderalistischen Staatswesens heraus richtig, daß man mit den Ländern spricht, wenn Außenpolitik betrieben werden soll auf Gebieten, bezüglich derer für die innerstaatliche Regelung die Länder ausschließlich kompetent sind. Aber daraus nun eine Art von Genehmigungsrecht der Länder zu machen — die Bundesrepublik dürfe solche Abkommen erst abschließen und in Kraft setzen, wenn die Länder zugestimmt haben — das scheint mir nun doch zu weit zu gehen! Das Lindauer Protokoll konnte nur Rechte der Länder begründen, wenn das Grundgesetz den Ländern diese Kompetenz erteilt hätte. Die Zuständigkeiten der Bundesregierung und die der Länder ergeben sich ausschließlich aus dem Grundgesetz. Durch Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Länderregierungen kann den Ländern kein Recht gegeben werden, das das Grundgesetz ihnen nicht gibt, es kann ihnen auch keines genommen werden. Umgekehrt gilt das auch von der Bundesrepublik und der für sie handelnden Bundesregierung.



Dr. Schmid (Frankfurt)

Was bestimmt nun das Grundgesetz? Es bestimmt, daß die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Sache des Bundes ist: das ist eine ausschließliche Kompetenz des Bundes und der Bundesregierung. In den Händen der Bundesregierung liegt die Führung der Außenpolitik; sie hat die Verträge abzuschließen; und die mit der Gesetzgebung der Bundesrepublik beauftragten Organe haben die Zustimmungsgesetze zu verhandeln und zu verabschieden, nicht nur bei Verträgen, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, sondern darüber hinaus — ich bitte sich das wohl zu merken — bei allen Verträgen, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln. So steht es im Grundgesetz. Diese Konvention regelt politische Beziehungen des Bundes zu anderen Staaten, Beziehungen kultureller Art, aber als Inhalt eines völkerrechtlichen Vertrags sind diese außenpolitischen Beziehungen geworden. Sie sind ein Stück Regelung der außenpolitischen Beziehungen zu fremden Staaten. Damit ist die ausschließliche Kompetenz des Bundes gegeben.
Doch ich wiederhole: nach Art. 32 Abs. 2 muß vor dem Abschluß eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse eines Landes berührt um so mehr, wenn es die Verhältnisse aller Länder sind —, das betroffene Land rechtzeitig gehört werden. Aber dieses Recht auf Anhörung schafft kein Genehmigungsrecht der Länder, sondern nur eine Konsultationspflicht der Bundesregierung; sie hat die Landesregierung zu hören. Nach dieser Konsultation, nach Anhörung der Landesregierungen, die ihren Standpunkt vorzutragen haben, hat die Bundesregierung nach pflichtmäßigem Ermessen die Entscheidung in eigener und alleiniger Verantwortung zu treffen. Daran sollte wohl kein Zweifel bestehen können. Wenn Art. 32 Abs. 3 bestimmt, daß die Länder dort, wo sie für die Gesetzgebung zuständig sind, mit auswärtigen Staaten nur mit Zustimmung der Bundesregierung Verträge abschließen können, dann ergibt sich daraus doch wohl, daß den Ländern eigenständige, autonome außenpolitische Kompetenzen nicht zustehen.
Der föderale Charakter der Bundesrepublik kommt auch bei Dingen der auswärtigen Politik darin zum Ausdruck, daß beim Ratifikationsgesetz nach Art. 77 des Grundgesetzes der Bundesrat mitwirken kann und mitzuwirken hat. Eine eigene Zuständigkeit der Länder ich wiederhole das — gibt es bei dieser ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes — und die auswärtige Politik des Bundes liegt in der ausschließlichen Kompetenz des Bundes — weder nach außen noch nach innen. Damit hat der Bund, haben wir und der Bundesrat, die ausschließliche Zuständigkeit bezüglich all der Rechtsakte, durch die diese Konvention für uns rechtsverbindlich werden soll.
Was die Transformation der materiellen Vereinbarungen, die in der Konvention enthalten sind, in Landesrecht anlangt, so haben da natürlich die Landtage der Länder ihr Wort zu sagen. Aber hier möchte ich doch eines sagen — ich weiß, daß viele damit nicht einverstanden sein werden, auch manche der Landesregierungen nicht, die sonst denken
wie ich —, es ist ein Gebot der Bundestreue der Länder, sich nicht quer zu legen, wenn die Bundesregierung eine Verpflichtung ausführt, die sie völkerrechtlich übernommen hat.
Es erhebt sich die Frage, ob es dabei für die Bundesregierung Grenzen gibt, ob sie sich hier bei der Ordnung der außenpolitischen Beziehungen zu anderen Ländern auf bestimmte Gebiete, auf bestimmte Materien beschränken muß und ob es Vorbehaltsrechte der Länder gibt, die es der Bundesregierung unmöglich machen könnten, auf bestimmten Gebieten außenpolitische Vereinbarungen abzuschließen, ohne vorher die Genehmigung der Landesregierungen erhalten zu haben. Alle Sachgebiete kommen für die Pflege auswärtiger Beziehungen zu anderen Staaten in Betracht. Schon begrifflich gibt es keine Beschränkung des Radius der Politik nach außen. Nach innen gibt es die Begrenzung durch Abs. 2 des Art. 32, die Konsultationspflicht. Zur Außenpolitik kann schlechthin alles gehören, was in den Bereich staatlicher Tätigkeit fällt, was für die Regelung der Lebensordnungen innerhalb der Grenzen des Staates notwendig ist. Es liegt im Begriff der auswärtigen Politik, ja der Politik überhaupt, daß kein Sachgebiet von internationalen Regelungen ausgeschlossen werden darf. Der Bund kann alle Lebensverhältnisse innerhalb seiner Grenzen zum Gegenstand seiner Außenpolitik machen, auch zum Gegenstand von Konventionen. Möge der Bundesrat, in dem das Element „Land" in der Bundesverfassung zum Wort und zur Wirksamkeit kommt, seine Stellung beziehen, sein Wort dazu so sagen, wie er glaubt es sagen zu sollen.
Auswärtige Kulturpolitik ist Außenpolitik; darüber sollten wir alle einig sein. Verträge darüber sind außenpolitische Verträge und nicht Verträge über Angelegenheiten der Kulturpolitik der Länder und der Möglichkeiten der Länder, Kulturpolitik zu betreiben. Die Länder haben die Verpflichtung zur Bundestreue auf den Gebieten, wo im Rahmen der Außenpolitik der Regierung geschlossene Verträge der Transformation des Inhalts dieser Verträge in Landesrecht bedürfen. Es kann keine Rede davon sein, daß es Sache der Länder sei, die Konvention zu ratifizieren, und Sache der Landtage, die Genehmigungsgesetze zu beschließen.
Wenn wir uns auf den Standpunkt stellen sollten, daß bei der Zustimmung zur Ratifikation das letzte Wort die Länder haben sollten, dann werden wir nicht sehr viel Glück bei unseren Versuchen haben, Verträge über kulturelle Materien abzuschließen. Dann werden wir Gefahr laufen, daß man uns sagt: Wissen wir denn überhaupt, ob euer Wort honoriert werden wird? Wir müssen das bezweifeln, und darum lassen wir lieber die Finger von diesen Dingen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)

Wenn man sich die Stellungnahme des Bundesrates zu eigen machte, würde man auf dem Gebiet einer Außenpolitik auf Grund oder mit Hilfe kultureller Institutionen unseren Bundesstaat in einen Staatenbund zurückverwandeln. Das kann doch niemandes Absicht sein! Ich bin überzeugt, daß der Bundesrat mit seiner Erklärung das nicht sagen



Dr. Schmid (Frankfurt)

wollte; aber letztlich ist das die Konsequenz seiner Stellungnahme.
Über die Einzelheiten des Inhalts der Konvention werden wir uns heute nicht unterhalten können. Wir werden es zunächst im Ausschuß tun. Meine Fraktion wird der Überweisung zustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410729200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellige.

Dr. Walther Hellige (CDU):
Rede ID: ID0410729300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt wohl niemanden in diesem Hause, der sich nicht freuen wird, wenn wir auf dem Weg zur europäischen Einigung einen, wenn auch bescheidenen Schritt vorwärtskommen. Aber es ist wohl auch jeder betrübt, wenn ein Ratifikationsgesetz erst im achten Jahre dieses Hohe Haus zur ersten Lesung erreicht. Acht Jahre sind eine lange Zeit. Das wurde mir sinnfällig klar, als ich versuchte, Material für die heutige Debatte zu beschaffen. Im Europarat — das mußte ich in Straßburg feststellen — gab es keinerlei Umdrucke mehr; sie sind — außer nicht ausleihbaren Aktenexemplaren — längst vernichtet. Auch die wissenschaftliche Abteilung dieses Hauses bewahrt nichts mehr auf. Für die Archive gehört die Konvention offensichtlich schon in den Bereich der Prähistorie; hoffentlich gerät aber die Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes nicht in die Zeiten der Eschatologie.
Warum hat es denn so lange gedauert? Die Lindauer Vereinbarung, die 1957 wegen der Konvention getroffen wurde, gab die auswärtigen Kulturfragen in die Zuständigkeit der Ministerpräsidenten. Dann begannen die üblichen zeitraubenden Verhandlungen zwischen den Staatskanzleien, den Kultusministerien und den Finanzministerien, die der Herr Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz im Sommer des vergangenen Jahres einer berechtigten Kritik unterzogen hat. Einige Länder hielten sogar eine Zustimmung ihrer Parlamente zur Ratifikation für nötig. 1958 hat die Ständige Vertragskommission, die der Kollege Kopf schon vorgestellt hat, die Annahme empfohlen. Drei Jahre später, im Jahre 1961, hatten alle Länder außer Hessen zugestimmt, freilich nicht ohne Vorbehalte. Inzwischen hat auch Hessen ja gesagt. Heute, im achten Jahr nach dem Abschluß der Konvention, nach gut sechsjährigen Verhandlungen mit den Ländern liegt das Gesetz zur ersten Lesung auf dem Tisch des Hauses, nachdem die deutsche Delegation beim Europarat mehrmals durch Anfragen nachgeholfen hat.
War dieser lange Verzug nötig? Herr Kollege Kopf hat die Verfassungsproblematik dargestellt. Herr Kollege Schmid hat sie ausführlich und, wie ich glaube, sehr zutreffend geschildert, und ich habe keineswegs den Wunsch, als schlichter Museumsdirektor hier mit dem Professor der Rechte in Konkurrenz zu treten. Ich stimme ihm völlig zu; denn nach Art. 73 Abs. 1 liegt die ausschließliche Kompetenz für die auswärtigen Beziehungen und damit sicher auch für die auswärtige Kulturpolitik beim Bund. Wir wissen, daß die Länder das bestreiten. Wir glauben
aber, daß damit dem Bunde der Verfassungsauftrag gegeben worden ist, die Ratifikation zu erteilen. Selbstverständlich muß die Ständige Konferenz der Kultusminister auf das engste bei der Ausarbeitung beteiligt werden, und das ist ja auch geschehen.
Die Durchführung, meine Damen und Herren, liegt bei den Ländern. Das ist unbestritten. Aber darf ich Ihnen die Frage stellen: Was ist denn noch durchzuführen? Die Wissenschaft, die sehr viel schneller arbeitet als unsere durch einen überspitzten Föderalismus gehemmten Staatsorgane hat in ihren akademischen Prüfungsordnungen die Anrechnung der Auslandssemester längst im Sinne der Konvention geregelt, und auch die Prüfungsordnungen der Länder für die Staatsexamina dürften wohl durchgehend entsprechende Regelungen enthalten. Warum, meine Damen und Herren, sollten wir Schwierigkeiten in der Theorie suchen, wo die Praxis schon längst die richtigen Wege gefunden hat?
Sollte man nicht dem Bundesrat empfehlen, gegebenenfalls staatsrechtliche Probleme auszuklammern und schnell der Konvention zuzustimmen? Denn aus guten Gründen ist eine baldige Ratifikation sehr wünschenswert. Wir wollen unsere Jugend in Europa möglichst eng aneinanderbringen. Wir wollen vor allen Dingen die akademische Jugend, die einmal die führende Stellung in den Staaten haben wird, miteinander in Kontakt bringen. Kennenlernen ist die Voraussetzung für Verstehen, und Verstehen ist die Voraussetzung für Freundschaft. Die Bundesrepublik hat sich stets rückhaltslos für die Integration Europas eingesetzt. Sie sollte auch bei der Ratifikation der erarbeiteten Konvention nicht zurückstehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410729400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.

Dr. Hermann Kopf (CDU):
Rede ID: ID0410729500
Meine Damen und Herren! Auslandskulturpolitik ist ein Teil der auswärtigen Politik.

(Zustimmung.)

— Ich bin froh darüber, daß diese Auffassung, wenn ich recht sehe, eine gemeinsame Überzeugung dieses Hohen Hauses ist. Ich möchte daher auch Herrn Kollegen Schmid nicht widersprechen, der darauf hingewiesen hat, daß die Pflege der auswärtigen Beziehungen im Bereich der auswärtigen Politik zu den Aufgaben des Bundes gehört, wie sie in Art. 32 des Grundgesetzes definiert sind, und daß sie darüber hinaus einen politischen Charakter hat, wie er in Art. 59 des Grundgesetzes definiert ist. Das ist der Standpunkt, der von der Bundesregierung, der vom Auswärtigen Amt und der auch von Professor Kaufmann als langjährigem Rechtsberater des Auswärtigen Amts vertreten worden ist.
Es war allerdings notwendig, darauf hinzuweisen, daß das sogenannte Konkordatsurteil, das Herr Kollege Schmid und auch ich zitiert haben, eine Auffassung dargelegt hat, die sich zwar auf den konkordatären Bereich beschränkt, die aber nicht in vollem



Dr. Kopf
Umfang mit dieser stets von der Bundesregierung vertretenen Auffasung übereinstimmt.
Es ist ebenso richtig, daß seitens der Länder andere Auffassungen vertreten worden sind. Dies war der Grund dafür, daß wenige Monate nach dem Erlaß des Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Konkordatsstreit der Bund und die Länder zusammengetreten sind und diese Vereinbarung getroffen haben, die sich als sogenannte Lindauer Verständigung bezeichnet. Die Einleitung dieser Vereinbarung beginnt allerdings mit einem Rechtsvorbehalt: Der Bund und die Länder halten an ihren bekannten Rechtsauffassungen über die Abschluß- und Transformationskompetenz bei völkerrechtlichen Verträgen, die ausschließlich die Kompetenzen der Länder berühren, fest. Auch der Bund hält daran fest, und der Bund hält auch daran fest, daß Auslandskulturpolitik einen Teil der auswärtigen Politik darstellt. Die Regelung, die im Lindauer Abkommen getroffen worden ist, ist eine pragmatische Regelung, eine Regelung, die ohne Aufgabe der Rechtsgrundsätze der Bundesregierung, insbesondere des Auswärtigen Amts, und des Bundestages zustande gekommen ist.
Der Bundesrat hat in der von Herrn Kollegen Schmid zitierten Stellungnahme im letzten Absatz darauf hingewiesen, daß das Übereinkommen erst ratifiziert werden kann, wenn sämtliche Länder ihr Einverständnis gemäß Nr. 3 der Lindauer Vereinbarung erklärt haben. Nicht zur Billigung, wohl aber zum Verständnis dieser Bemerkung ist ein Zweifaches zu bemerken:
I) Die Auffassung der Länder findet ihren Niederschlag in dem bekannten Kommentar von DürigMaunz. Hier ist bei den Erläuterungen zu Art. 59 die Rede von der Übertragung von Vertragsschlußkompetenzen seitens der Länder auf den Bund. Das ist eine Auffassung, die in diesem Kommentar sehr eingehend dargelegt worden ist, die aber im Widerspruch zu der eben von mir dargelegten Auffassung der Bundesregierung und des Bundes steht, wonach der Bund nach Art. 32 und 59 zum Vertragsabschluß kompetent ist, und nach Auffassung der Bundesregierung schließt dieser Vertragsabschluß die Transformationsbefugnis in sich.
Ein Zweites ist zu sagen: Herr Professor Schmid ging davon aus — und Herr Kollege Hellige ist ihm darin gefolgt --, daß seitens bestimmter Kreise — ich weiß nicht genau, welche Kreise damit gemeint sind — daran gedacht gewesen sei, für derartige Verträge auch eine Zustimmung der Landtage zu verlangen. Eine solche Zustimmung der Landtage ist im Lindauer Abkommen in keiner Weise vorgesehen, und ich habe bisher auch nicht gehört, daß daran gedacht worden ist. Ich erblicke vielmehr im Lindauer Abkommen eine pragmatische Verständigung, die den Zweck erfüllen soll, daß von einer derartigen Mitwirkung der Landtage abgesehen wird und lediglich eine Einschaltung der Landesregierungen durch ihre Befragung zu erfolgen hat. Ich habe bisher nirgends gelesen, daß das Lindauer Abkommen in dem Sinne verstanden werden könnte oder sollte, daß die Befragung oder Beteiligung der Länder in der Weise zu erfolgen hat,
daß die Landtage in den gesetzgeberischen Akt eingeschaltet werden sollen.
Ich möchte mich der Würdigung des Abkommens anschließen, die Herr Professor Schmid abgegeben hat. Es enthält einen Baustein für das Zusammenleben der Nationen Europas, für ihre enge kulturelle Verflechtung und Zusammenarbeit. Wenn es auch ein relativ kleiner Baustein ist, der sich nur auf ein beschränktes Sachgebiet bezieht, nämlich auf die Gleichwertigkeit der Studienzeiten für Studierende lebender Sprachen, so möchten wir doch dieses Abkommen sehen im Gesamtzusammenhang der Bemühungen des Europarats um die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Kulturstandards, um die Erhaltung einer gemeinsamen europäischen Kulturtradition.
Ich möchte beantragen, daß dieser Gesetzentwurf an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — überwiesen wird, aber im Hinblick auf die staatsrechtliche Problematik zur Mitberatung auch an den Rechtsausschuß und den Kulturausschuß.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410729600
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die erste Beratung.
Es ist vorgeschlagen Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — federführend —, an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik und den Rechtsausschuß als mitberatende Ausschüsse. Das Haus ist einverstanden. Es ist so beschlossen.
Die Tagesordnung soll ergänzt werden durch eine
Wahl zum Europäischen Parlament.
Ich darf das Einverständnis des Hauses annehmen.
Es liegt vor ein Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands:
Die Abgeordneten Hellmut Kalbitzer und Willi Michels scheiden aus dem Europäischen Parlament aus. Wir bitten, für sie die Abgeordneten Alwin Kulawig und Helmut Rohde durch den Bundestag wählen zu lassen.
Ist das Haus einverstanden? -- Das ist der Fall. Die beiden Abgeordneten Kulawig und Rohde sind damit als Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Zweites Neuordnungsgesetz — 2. NOG —) (Drucksachen IV/1030, IV/1033, IV/1148, IV/1305)
a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache IV/1838);

(22. Ausschuß Vizepräsident Dr. Dehler Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Götz zur Ergänzung seines Berichts. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor, ein Bericht, der nach Form und Inhalt ein Novum darstellt; denn er weicht in beiden Punkten von der bisherigen Übung ab. Ich meine, es ist daher wohl richtig und zweckmäßig und kann für die weitere Verhandlung und die Beschlußfassung des Hohen Hauses nur dienlich sein, wenn ich diesem gedruckten Bericht noch einige mündliche Ergänzungen hinzufüge. Ich möchte zunächst zu der Zuständigkeit des Haushaltsausschusses etwas sagen, denn über diese Frage — konkret über die Anwendbarkeit des § 96 der Geschäftsordnung — gab es und gibt es im Haushaltsausschuß unterschiedliche Meinungen. Das gilt auch für die Formulierung des Ihnen vorliegenden Berichts. Eine Minderheit des Ausschusses vertrat die Auffassung, daß in dem Bericht gemäß § 96 der Geschäftsordnung, so wie es bisher üblich war, lediglich erklärt werden sollte, daß die für den Gesetzentwurf erforderliche Deckung im Bundeshaushalt 1964 gefunden werden könne. Diesen nur allgemeinen Hinweis als Stellungnahme des Haushaltsausschusses aber hielt die Mehrheit des Ausschusses nicht für ausreichend. Ihre Auffassung über Form und Inhalt des Berichts fand ihren Niederschlag in der Ihnen vorliegenden Fassung des Ausschußberichts. Zu seiner Erläuterung darf ich aus 3 dem Verlauf der Ausschußberatungen dem Hohen Hause folgendes berichten. Die Gesetzentwürfe zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts, die im Schriftlichen Bericht im einzelnen aufgeführt sind, wurden dem Haushaltsausschuß nach ihrer ersten Lesung hier im Plenum zunächst nur zur Mitberatung überwiesen. Später wurde dann vom Ältestenrat, nach Abschluß der Beratung dieser Gesetzentwürfe im Ausschuß für Kriegsopferund Heimkehrerfragen, der Entwurf in der Fassung des erwähnten Ausschusses dem Haushaltsausschuß noch gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen. In der 102. Sitzung des Haushaltsausschusses am 4. Dezember und in der 107. Sitzung am 16. Januar sowie insbesondere in der auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Bundestagspräsidenten zur Klärung gerade dieser Frage einberufenen Sitzung am 6. Dezember wurde die Frage der Anwendbarkeit des § 96 sehr eingehend erörtert, wobei es — worauf ich schon hingewiesen habe — unterschiedliche Meinungen über die Auslegung dieser Geschäftsordnungsbestimmung gab. Ich darf mir hier eine Zwischenbemerkung erlauben: Eine Überprüfung des § 96 der Geschäftsordnung mit dem Ziel, Zweifelsfälle für die Zukunft möglichst auszuschalten, wäre wünschenswert. Während eine Minderheit des Ausschusses die Meinung vertrat, daß sich die Anwendung des § 96 der Geschäftsordnung bei Inkrafttreten des Gesetzentwurfs am 1. Oktober 1963 nur auf das Haushaltsjahr 1963 erstrecken könne, da nur für diesen Zeitraum ein bereits verabschiedetes Haushaltsgesetz vorliege, war die Mehrheit des Ausschusses der Auffassung, daß sich gemäß § 96 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung die Prüfung einer Finanzvorlage nicht nur auf ihre Vereinbarkeit mit dem Haushaltsplan, sondern auch auf ihre Vereinbarkeit mit der Haushaltslage erstrecken müsse, in diesem Fall also auf die Haushaltslage des Rechnungsjahres 1964. Ein bereits verabschiedeter Haushaltsplan liegt dem Hohen Hause noch nicht vor; er befindet sich zur Zeit in der Beratung des Haushaltsausschusses. Demnach war eine Prüfung der Vereinbarkeit dieser Finanzvorlage mit dem Haushaltsplan nicht möglich. Sie konnte sich also nur auf die Vereinbarkeit mit der Haushaltslage erstrecken. Meine Damen und Herren, die Mehrheit des Ausschusses glaubte, der Bestimmung des § 96 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung entsprechend einen Deckungsvorschlag vorlegen zu müssen, und zwar vor allem deswegen, weil im Haushaltsausschuß schon bei Beginn der Beratung dieses Gesetzentwurfs im Dezember einmütig festgestellt wurde, daß die Deckung des über den Haushaltsansatz in Höhe von rund 650 Millionen DM hinausgehenden Mehrbedarfs nur im Rahmen der Begrenzung des Haushalts auf 60,3 Milliarden DM durch entsprechende Kürzungen an anderen Stellen gefunden werden müsse. Andere Deckungsvorschläge wie z. B. die Erhöhung des Betrages der Schuldverschreibungen an die Rentenversicherungsträger hielt die Mehrheit des Ausschusses nicht für annehmbar. Sie hat deshalb einen konkreten Deckungsvorschlag, der sich auf den Haushaltsentwurf 1964 stützt, in der Sitzung am 16. Januar vorgelegt, der bei Stimmenthaltung einer Minderheit angenommen wurde. Bevor ich auf den nunmehr vorliegenden Dekkungsvorschlag eingehe, muß ich noch zu zwei Punkten eine kurze Bemerkung machen. Zunächst ein Wort zur Höhe des durch die Beschlüsse des Ausschusses für Kriegsopferund Heimkehrerfragen verursachten Mehrbedarfs und dann ein Wort zur Frage des Termins des Inkrafttretens dieses Gesetzes. Meine Damen und Herren, im Haushaltsausschuß waren die materiellen Leistungsverbesserungen, die der Kriegsopferausschuß beschlossen hat, unstreitig. Ihre Realisierung aber erfordert nach den Berechnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für ein volles Haushaltsjahr einen Finanzbedarf in Höhe von 1243 Millionen DM. Ich glaube, es muß darauf hingewiesen werden, daß die Errechnung dieses Gesamtbetrages von der für den 1. Juli 1964 geschätzten Zahl von Anspruchsberechtigten ausgeht, d. h. daß mit Minderausgaben auf Grund des Rückgangs der Zahl der Versorgungsberechtigten für dieses Jahr nicht mehr gerechnet werden kann. Erst im Jahre 1965 wird sich der Jahresdeckungsbedarf aus diesem Grunde vermindern. Gegenüber der Regierungsvorlage ergab sich somit ein rechnerischer Mehrbedarf in Höhe von rund 575 Millionen DM. Die kassenmäßige Belastung aber sieht anders aus. Sie wird für das Haushaltsjahr 1964 niedriger sein, weil nicht alle Leistungen, und zwar infolge Dr. Götz der durch die Rentenumstellung bedingten zeitlichen Verzögerung, sofort und im vollen Umfang wirksam werden. Über die Höhe der dadurch bedingten Minderausgaben gingen die Meinungen auseinander — nicht im Ausschuß, wohl aber außerhalb dieses Gremiums, in der Öffentlichkeit. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung schätzt diese voraussichtlichen Minderausgaben auf etwa 212 Millionen DM, und es befindet sich dabei weitgehend in Übereinstimmung mit den Berechnungen, die die Versorgungsverwaltungen der Länder angestellt haben. Nach Abzug dieser Minderausgaben verbleibt also für das Haushaltsjahr 1964 ein zu deckender Finanzbedarf von rund 1031 Millionen DM oder von rund 381 Millionen DM Mehrbedarf gegenüber der Regierungsvorlage. Für einen Mehraufwand in dieser Höhe — darauf möchte ich das Haus ausdrücklich aufmerksam machen — muß eine Deckung gefunden werden. In diesem Zusammenhang muß wohl auch darauf hingewiesen werden, daß die sich in diesem Jahr ergebenden Minderausgaben natürlich bereits das Haushaltsjahr 1965 belasten. Nun ein Wort zur Terminfrage. Im Zusammenhang mit der Deckungsfrage wurde im Haushaltsausschuß natürlich auch zu der Frage des Zeitpunkts des Inkrafttretens dieser Novelle Stellung genommen. Nach dem ersten Beschluß des federführenden Ausschusses sollte das Gesetz rückwirkend zum 1. Oktober 1963 in Kraft treten. Meine Damen und Herren! Dies hätte einen weiteren Mehraufwand von etwa 260 Millionen DM zur Folge gehabt, also einen tatsächlichen Gesamtbedarf für 1964 in Höhe von 1292 Millionen DM. Eine Minderheit sprach sich im Haushaltsausschuß auch für eine Verabschiedung der Gesetzentwürfe mit Rückwirkung ab 1. Oktober 1963 aus. Die Mehrheit aber hielt diesen Termin für nicht vereinbar mit der Haushaltslage und lehnte ihn wegen der fehlenden Deckung für den dann notwendigen Mehrbedarf ab. Sie glaubte bei ihrer Entscheidung außerdem die Tatsache berücksichtigen zu müssen, daß die durch die Verbesserung der Kriegsopferversorgung aufgeworfene Deckungsfrage nicht das einzige schwierige Finanzproblem des Haushaltsjahres 1964 darstellt. Nun, meine Damen und Herren, darf ich zum Abschluß noch einige erläuternde Bemerkungen zu dem in der Stellungnahme des Haushaltsausschusses vorgelegten Deckungsvorschlag machen. Die Mitglieder der Koalitionsfraktionen haben, nachdem sie bereits im Dezember im Haushaltsausschuß angekündigt hatten, daß sie die notwendige Deckung suchen und Vorschläge vorlegen würden, um alle Leistungsverbesserungen in einem Zug gemeinsam zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirksam werden zu lassen, nach Wiederaufnahme der Beratungen des Haushaltsausschusses am 16. Januar zur Deckung der durch die Novelle nun eintretenden zusätzlichen Haushaltsbelastung Kürzungsvorschläge bei rund 90 Titeln des Haushaltsplans gemacht. Sie brachten dabei zum Ausdruck, daß diese fast alle Ressorts betreffenden Einsparungen in einigen Fällen zu Recht als Harte empfunden werden könnten und daß jenen, die von den in Aussicht genommenen Kürzungen betroffen würden, ein Opfer zugemutet würde. Beides aber glaubten sie wegen der Vorrangigkeit und Dringlichkeit der Kriegsopferversorgung vertreten zu können. Es wurden Bedenken laut hinsichtlich der haushaltsrechtlichen Auswirkungen dieses erstmals angewandten Verfahrens, und es wurde die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit durch die Vorschläge der Haushaltsausschuß bei seinen Entscheidungen während der Beratung des Haushalts oder das Plenum bei der zweiten und dritten Lesung des Haushalts schon jetzt festgelegt werde. Die Koalitionsfraktionen aber haben im Ausschuß ausdrücklich erklärt, daß mit der Vorlage dieser Kürzungsvorschläge und ihrer Kenntnisnahme durch das Plenum selbstverständlich keine haushaltsrechtliche Bindung — nicht für den Haushaltsausschuß und erst recht nicht für das Plenum — eintrete. Das wäre auch gar nicht möglich. Selbstverständlich können bei der Einzelberatung die hier im Bericht aufgeführten Titel noch erörtert, die vorgesehenen Kürzungen in ihrem Ausmaß verändert oder andere Vorschläge gemacht werden. Daher heißt es ja im Bericht, der Ihnen vorliegt: „vorbehaltlich der Beratung der Einzelpläne". Die Koalitionsfraktionen wollen nach ihren Ausführungen im Haushaltsausschuß mit diesem Vorschlag dem Plenum und der Öffentlichkeit deutlich machen, daß eine Deckung für Mehrausgaben im Hinblick auf die Haushaltslage eben nur durch echte Einsparungen im Etat gefunden werden kann. Für sie bedeutet dieser Vorschlag eine, wenn Sie so wollen, innere oder politische Bindung. Der sachlichen Entscheidung wird dadurch — so die Auffassung der Koalitionsfraktionen — in keiner Weise vorgegriffen. Sie fällt natürlich in der zweiten und dritten Lesung des Haushalts. Die Kenntnisnahme dieses Deckungsvorschlags durch das Plenum soll nach Auffasung der Mehrheit des Ausschusses lediglich sicherstellen, daß bei den kommenden Beratungen des Haushaltsausschusses die Deckung für den durch die Novelle verursachten Mehraufwand in dieser Richtung zu suchen ist, falls andere Deckungsvorschläge nicht annehmbar sind. Der Haushaltsausschuß wird bei Vorliegen mehrerer Deckungsvorschläge prüfen müssen, welchem Vorschlag er unter Berücksichtigung der politischen Erfordernisse den Vorrang geben will. In diesem Sinne bitte ich das Hohe Haus, von diesem Deckungsvorschlag und dem Bericht des Haushaltsausschusses Kenntnis zu nehmen. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich nehme an, daß die Berichterstatter des Ausschusses für Kriegsopferund Heimkehrerfragen keine Ergänzung ihres vorliegenden Schriftlichen Berichts wünschen. — Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Seidel Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der SPD darf ich Seidel zur Finanzierung der Neuregelung des Kriegsopferrechts folgende Erklärung abgeben. Die Fraktion der SPD hat sich in ihrer Gesamtheit während der Verhandlungen über die Neuordnung der Kriegsopferversorgung konstant für den einstimmigen Beschluß des federführenden Ausschusses für Kriegsopferund Heimkehrerfragen eingesetzt, der eine stufenlose Neuregelung ab 1. Oktober 1963 vorsah. Das unwürdige Spiel mit dem Hinweis auf Deckungsschwierigkeiten, wodurch die Verabschiedung der gesetzlichen Neuregelung um Monate verzögert wurde, wäre vermieden worden, wenn die Koalition sich von Anfang an einsichtiger verhalten hätte. Die jetzige Haltung der Koalitionsparteien bestätigt die Auffassung der SPD, wonach Deckungsmöglichkeiten im Haushalt vorhanden sind. Nach der Entscheidung der Koalitionsparteien im Haushaltsausschuß und entgegen der Auffassung der SPD-Fraktion soll das Zweite Neuregelungsgesetz nicht vom 1. Oktober 1963, sondern erst vom 1. Januar 1964 an in Kraft treten. Für das Rechnungsjahr 1964 werden daher höchstens 380 Millionen DM zusätzlich erforderlich sein, für welche die Koalitionsparteien eine Finanzierungsliste ausgearbeitet haben, die dem Hause in Gestalt des Berichts des Haushaltsausschusses nach § 96 der Geschäftsordnung, Drucksache IV/1838, vorliegt. Wir haben eine En-bloc-Entscheidung über diese Liste im Haushaltsausschuß abgelehnt, weil wir eine solche Methode für untragbar halten, die einer gründlichen Etatberatung unter Hinzuziehung der Regierungsvertreter widerspricht. Wir halten auch das Verfahren der Koalitionsmehrheit, den § 96 der Geschäftsordnung zu bemühen, für falsch. Wir stellen aber fest, daß die Koalition endlich zu der Einsicht gelangte, daß eine Finanzierung der Kriegsopferversorgung ohne Stufenplan vom 1. Januar 1964 an möglich ist. Es besteht also volles Einverständnis, daß das Neuordnungsgesetz wenigstens ab 1. Januar 1964 in Kraft treten kann und daß in der erforderlichen Höhe die Deckungsmittel zu finden sind. Über die Einzelheiten der Kürzungsliste wollen wir jetzt nicht verhandeln, da die Entscheidung über die vorgeschlagenen Kürzungen erst im Verlauf der ordentlichen Etatberatungen erfolgen kann. Wir betrachten die Kürzungsliste nur als Arbeitsunterlage, die unsere Auffassung von der möglichen Deckung in der erforderlichen Endsumme bestätigt. Die Kürzungsliste enthält übrigens Vorschläge, die zum Teil einer Ausarbeitung der Finanzreferenten der Länder zum Bundeshaushaltsplanentwurf 1964 entnommen sind oder die zum Teil das Ergebnis der Vorbesprechungen zwischen den Berichterstattern des Haushaltsausschusses für die Einzelpläne und den Ministerien sind. Nur einige Positionen entstammen eigenen Vorstellungen der Koalitionspartner. Aber gerade diesen wird die SPD nur zum Teil zustimmen können. Abzulehnen sind die vorgeschlagenen Kürzungen bei der Wissenschaftsförderung; abzulehnen sind die Kürzungen bei den Mitteln für kulturelle Auslandsbeziehungen, und abzulehnen sind die Kürzungen hei den Mitteln für Berlin. Wir werden solche untauglichen Vorschläge im Verlauf der Etatberatungen im Haushaltsausschuß durch eigene Vorschläge ersetzen und ergänzen. Heute gilt es, meine Damen und Herren, endlich die politische Frage zu entscheiden, daß der Neuregelung des Kriegsopferrechts freie Fahrt gegeben wird. Es genügt die Feststellung, zu der der Bundesrat beim ersten Durchgang des Bundeshaushaltsplanentwurfs 1964 am 20. Dezember 1963 gekommen ist und die lautet: Der Bundesrat hält es für möglich, ohne Überschreitung des Haushaltsvolumens von 60,3 Milliarden DM die Verbesserung der Kriegsopferversorgung durchzuführen. Die Durchsicht der Einzelpläne läßt erkennen, daß durch Ausgabekürzungen und Umschichtungen die noch erforderlichen Mittel gewonnen werden können. Er verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Einzelpläne 11, 32 und 60. Dieser Feststellung des Bundesrates schließen wir uns an. Auf jeden Fall steht fest: die Deckung der Mehraufwendungen für die Neuregelung der Kriegsopferversorgung ist, was wir von Anfang an betont haben und was die Vertreter der Regierungsparteien im Haushaltsausschuß jetzt bestätigen, ohne Steuererhöhung im Rahmen der Gesamtsumme des Bundeshaushalts 1964 möglich. Nur Bundeskanzler Erhard sah diese Möglichkeit nicht. Sein Rezept war bei Ausweitung der Regierungsvorlage die eventuelle Anwendung des Art. 113 des Grundgesetzes. Das heute hier zur Abstimmung anstehende sachliche und finanzielle Gesamtergebnis ist erreicht worden, weil die SPD-Bundestagsfraktion keinen Zweifel aufkommen ließ: Die zweite Neuregelung des Kriegsopferrechts muß sozial gerechter und umfassender gestaltet werden, als es die Bundesregierung mit ihrer Vorlage beabsichtigt hatte. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU möchte ich folgende Erklärung abgeben. Wir weisen aufs entschiedenste Vorwürfe wie „unwürdiges Spiel" und wie den, wir hätten uns nicht „einsichtig" verhalten, zurück. Wir weisen genauso die Vorwürfe zurück, die auch von dem Geschäftsführer der sozialdemokratischen Fraktion, Herrn Dr. Mommer, im Monat Dezember an dieser Stelle gegen die Mehrheit im Haushaltsausschuß gefallen sind. Ich glaube, das Hohe Haus sollte sich in einer Sache absolut einig sein: An einem Auto müssen nicht nur der Motor laufen und die Reifen gut, sondern auch die Bremsen in Ordnung sein. Dieses Dr. Vogel Hohe Haus sollte ein gemeinsames Interesse daran haben, die Institution des Hauses, die leider gezwungen ist, manchmal diese Bremsfunktion auszuüben, nicht in ihrer Funktion lahmzulegen, sondern sie zu erhalten. (Zuruf von der SPD: Aber an der richtigen Stelle bremsen, Herr Kollege!)


(Erste Beratung: 78. Sitzung.)




Dr. Hermann Götz (CDU):
Rede ID: ID0410729700




(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410729800
Max Seidel (SPD):
Rede ID: ID0410729900

(Beifall bei der SPD.)

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410730000
Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0410730100

(Beifall bei der CDU/CSU.)




— Das ist eine Frage der Verkehrsordnung auf der einen Seite und des Verhaltens auf der anderen Seite.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Ich möchte auf die einzelnen Vorwürfe, die hier erhoben worden sind, namens meiner Freunde folgendes erwidern. Es stellte schlechthin eine Unmöglichkeit für den Haushaltsausschuß dar, dem Hohen Hause Kürzungsvorschläge oder irgendwelche Dekkungsvorschläge für einen Haushalt vorzulegen, der diesem Hause im Monat Dezember noch gar nicht vorgelegen hatte. Dieser Haushaltsplan ist erst am 7. Januar hier eingebracht worden. Alle Vorwürfe, die auch wieder in dem „unwürdigen Spiel" etc. aufklingen, sind also von vornherein falsch. Der Haushaltsausschuß konnte sich nicht mit dieser Materie befassen, bevor ihm dieser Haushaltsplan als Gesetzentwurf vorgelegt wurde, und er hat sich daran gehalten.
Wir haben uns, wie auch aus den Darlegungen des Herrn Berichterstatters Dr. Götz hervorging, im Haushaltsausschuß von seiten der Mehrheit die Mühe gemacht, diesen Haushalt im einzelnen daraufhin durchzukämmen, wo Einsparungen vorgenommen werden könnten. Daß das keine kleine Arbeit war, daß das zu Opfern aller beteiligten Ressorts auch angesichts nur zu berechtigter Wünsche einzelner in diesem Hause und der Ressorts führen mußte, war allen Beteiligten von vornherein klar. Aber aus dieser Arbeit, der sich die Mehrheit des Haushaltsausschusses unterzogen hat, ging auch das ernste Bemühen hervor, den Kriegsopfern gemäß dem Versprechen beider Fraktionen das zu geben, was ihnen nach unserer Überzeugung gehört.
Wir lehnen es ab, uns mit den Vorschlägen identifizieren zu lassen, die von seiten des Bundesrates gemacht worden sind. Das Hohe Haus muß wissen, dach ungeachtet der ihm hier vorgelegten Kürzungsvorschläge, über die es erst in der zweiten und dritten Lesung entscheiden kann, noch der Betrag von 791 Millionen DM an Minderausgaben zu decken sein wird — d. h. daß das Doppelte der hier vorgeschlagenen Kürzungen noch aussteht, um den Haushaltsvoranschlag 1964 überhaupt verfassungsmäßig auszubalancieren — und daß darüber hinaus ein voraussichtliches Defizit von mindestens 500 Millionen — es werden aber unter Umständen 700 Millionen sein können — nach Möglichkeit 1964 auch noch gedeckt werden muß und daß zum dritten das von den Ländern dem Hohen Hause verweigerte 1 %, rund 400 Millionen DM, auch noch in die Dekkungsvorschläge einbezogen werden muß in Gestalt der Schaffung von Mehreinnahmen.
Wer diese Gesamtbelastung des Hohen Hauses überblickt, der kann nicht von einem „unwürdigen Spiel" sprechen, das von seiten der Mehrheit im
Haushaltsausschuß veranstaltet worden sei. Wir haben nichts weiter getan als unsere Pflicht, indem wir für einen brauchbaren Deckungsvorschlag gesorgt haben. Es wird Sache dieses Hohen Hauses sein, über diesen Deckungsvorschlag in der zweiten und dritten Lesung zu entscheiden und damit definitiv den Haushalt einschließlich der darin vorgesehenen Ausgaben für die Kriegsopfer zu verabschieden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410730200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0410730300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird niemand bestreiten, daß die Opposition in einer besseren Situation ist, wenn es darum geht, Gelder aus dem Bundeshaushalt für bestimmte Vorhaben zur Verfügung zu stellen, daß sie natürlich immer etwas mehr anbieten kann als die Koalitionsparteien. Diese sind verpflichtet, den Haushalt in aller Schärfe zu prüfen und jeden berechtigten Wunsch, der irgendeinmal in der Gesetzgebung auftaucht, mit zu berücksichtigen. Sie tragen mit der Regierung die Verantwortung.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich muß Ihnen sagen: jetzt verstehe ich Ihr Verhalten nicht mehr. Eben hat Herr Kollege Seidel beanstandet, daß die Kürzungen, die uns Mühe gemacht haben, die den guten Willen bewiesen haben, da wir für die Kriegsopfer etwas tun wollen, auch nicht richtig gewesen seien.

(Abg. Matzner: An anderer Stelle!)

In dieser Form kann man nun wirklich nicht Politik treiben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich darf Sie darauf hinweisen, daß Sie nicht mehr glaubhaft bleiben, wenn Sie in dieser Form Kritik daran üben, daß die Koalitionsparteien sich durch ganz erhebliche Streichungen bemüht haben, die berechtigten Forderungen der Kriegsopfer zu honorieren.
Sie führen an, Herr Kollege Seidel, daß der Bundesrat eine andere Vorstellung gehabt hat. Sicherlich. Ich wäre aber auch dankbar gewesen, wenn der Bundesrat dann nicht nur 39 % beschlossen hätte, sondern uns die Möglichkeit gegeben hätte, im Rahmen des Ausgleichs zwischen Bund und Ländern bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer mehr Mittel zur Verfügung zu stellen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

damit wir die Möglichkeit gehabt hätten, die Kriegsopfer vielleicht noch besser zu bedienen, als wir es nur konnten.

(Zuruf von der SPD: Graue Theorie!)

Sie haben sich auf den Standpunkt des Bundesrats
gestellt, und Sie werden unglaubwürdig, wenn Sie
in dieser Form den Kriegsopfern sagen, Sie wollten



Dr. Rutschke
ihnen helfen, aber dort, wo das Geld beschafft werden. soll, nicht mitmachen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410730400
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0410730500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um gleich eine Antwort auf das zu geben, was Herr Kollege Dr. Rutschke hier sagte: Wir haben uns auf den Standpunkt des Bundesrates insoweit gestellt, als wir in dessen Gedanken und Vorschlägen ebenfalls brauchbare Diskussionsgrundlagen erkennen,

(Zurufe von der CDU/CSU)

über die wir uns im Haushaltsausschuß unterhalten
werden. Das und nichts anderes ist erklärt worden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410730600
Kollege Ritzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leicht?

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0410730700
Bitte!

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0410730800
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Kollege Ritzel, daß Sie sagen wollten, daß Sie genauso wenig Vorschläge zur Deckung gemacht haben wie der Bundesrat?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. Unruhe bei der SPD.)


Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0410730900
Herr Kollege Leicht, ich habe für Taschenspielerkunststücke kein Verständnis.

(Lachen und Zurufe von der Mitte. — Anhaltende Unruhe bei der SPD.)

Was wir Ihnen zu sagen hatten, haben wir Ihnen — das darf ich Herrn Dr. Vogel sagen bereits im Dezember gesagt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was denn? — Weitere Zurufe.)

— Was wir noch mehr zu sagen haben, werden Sie hören. Es ist einfach nicht war, daß wir erst jetzt, nach der Etatrede des Herrn Bundesfinanzministers, in den Besitz der Unterlagen gekommen seien, die uns ein Urteil erlaubt hätten. Wahr ist, daß der Bundesrat, nachdem wir bereits in die Weihnachtsferien gegangen waren, seine Gedanken entwickelt h at.

(Lachen in der Mitte.)

Wahr ist, daß wir vor dem 14. Dezember im Haushaltsausschuß Gelegenheit zum Meinungsaustausch über den Inhalt des Bundeshaushalts hatten, der den einzelnen Mitglieder des Haushaltsausschusses -wie üblich — von dem Herrn Bundesfinanzminister sogar mit besonderem Brief vorher mitgeteilt worden ist —, eine Unterrichtung, die sich nun einmal so gehört. Es ist in keiner Weise richtig, Herr Kollege Dr. Vogel, daß das Verhalten der Sozialdemokraten etwa darauf ausgegangen wäre, die Funktionen des Haushaltsausschusses lahmzulegen. Sie werden nicht in der Lage sein, auch nur mit einer
Silbe den Nachweis für diese Behauptung hier zu führen.

(Abg. Dr. Vogel: Herr Dr. Mommer hat die entsprechenden Worte gefunden; vergessen Sie die bitte nicht!)

— Sie sind von der Behauptung ausgegangen, es sei eine Lahmlegung der Funktionen des Haushaltsausschusses angestrebt worden. Das genaue Gegenteil ist protokollarisch beweisbar.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Und dann, meine Damen und Herren, das ernste Bemühen der Koalition! Ich habe es nicht in Zweifel gezogen. Es geht dabei, wenn man etwas Gescheites sucht, ähnlich zu wie bei einem Potpourri: Greif hier ein bißchen hin, greif da ein bißchen hin, gib eine eigene Melodie dazu!

(Zuruf von der Mitte: Aus anderer Leute Taschen!)

— Aus anderer Leute Taschen? — Meine Damen
und Herren, ich habe nicht gewußt, daß man im Haushaltsausschuß in die Lage kommen könnte, aus anderer Leute Taschen zu verfügen.

(Abg. Leicht: Nur!)

Bis jetzt nahm ich an, es kommt alles aus dem Bundeshaushalt. Außerdem möchte ich Ihnen einen guten Rat geben. Ich glaube, die Sache der Kriegsopfer ist viel zu ernst, um derart lächerlich behandelt zu werden, wie es Ihnen beliebt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Vogel: Und Wahlpropaganda zu machen!)

Wir haben in der Erklärung darauf hingewiesen, daß die Notwendigkeit besteht, sich über Deckungsmöglichkeiten und Deckungsnotwendigkeiten besser zu unterhalten, als es bei Ihnen bis jetzt möglich war. Sie haben im Haushaltsausschuß mehr und mehr eine Politik des Fallbeils entwickelt. Ihre Demokratie besteht darin, im Haushaltsausschuß den Willen der Koalition durchzusetzen und den Willen der Minderheit zu mißachten. Das ist Ihre politische Auffassung.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ CSU: Sie wollen die Inflation! — Weitere Zurufe von der Mitte. — Abg. Leicht meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte, Herr Leicht!

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410731000
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0410731100
Herr Kollege Ritzel, soll das heißen, daß Sie uns Deckungsvorschläge zu bieten haben, über die wir uns dann auch unterhalten könnten?

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0410731200
Jawohl, das soll es heißen und wird es weiterhin heißen. Sie werden Gelegenheit



Ritzel
haben, sich mit unseren ernstgemeinten Deckungsvorschlägen auseinanderzusetzen.

(Abg. Leicht: Wir haben sie doch noch nicht!)

— Herr Kollege Leicht, wir haben es uns halt so leicht nicht gemacht. Wir haben nicht ein bißchen hierhin gegriffen und ein bißchen dahin gegriffen und uns auf Goethes Standpunkt gestellt, daß alles schon einmal gedacht worden sei und man nur versuchen müsse, es noch einmal zu denken. Seien Sie überzeugt: Uns geht es entscheidend darum, den Kriegsopfern endlich nach den vielen Verzögerungen, die nicht wir verursacht haben, zu ihrem Recht zu verhelfen.

(Beifall bei der SPD.)

Deswegen wünschen wir, daß die Vorlage endlich einmal passiert.
Über die Vorschläge, die Sie zu machen haben, werden wir uns im Haushaltsausschuß im einzelnen sehr gründlich auseinandersetzen, wie Sie es mit unseren Vorschlägen tun werden.

(Beifall bei der SPD.) Vizepräsident Dr. Dehler: Ich schließe die Aussprache der zweiten Beratung.

Wir treten in die Abstimmung ein. Ich rufe auf Art. I, — II, — III, — IV, — V, — VI, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0410731300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen der CDU/CSU-Fraktion zur dritten Beratung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts eine Erklärung nach § 85 der Geschäftsordnung abzugeben.
Mit der soeben vollzogenen einstimmigen Annahme des 2. NOG in zweiter Lesung gemäß der in materiell-rechtlicher Hinsicht ebenfalls einstimmig verabschiedeten Vorlage Drucksache IV/1831 des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen ist das Hohe Haus sich selber treu gewesen. Die Vorlage baut konsequent auf der Rechtsgrundlage auf, die durch das 1. NOG ein für allemal gelegt worden ist. Die Konzeption des 1. NOG, der die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat einstimmig zugestimmt haben, ist auf die Persönlichkeitswerte des Grundgesetzes gegründet. Ich erinnere daran, daß das Hohe Haus anerkannt hat, daß der Staat, wenn er gezwungen ist, von dem einzelnen Staatsbürger im Interesse der Allgemeinheit das Opfer seiner Gesundheit und damit der Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit zu fordern, die Pflicht hat, für die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit in allen den Fällen zu sorgen, in denen die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt ist.
Das Zweite Neuordnungsgesetz bekräftigt die rolle Unterhaltsverpflichtung des Staates in den Fällen der Erwerbsunfähigkeit der Beschädigten und ebenso gegenüber den vaterlosen Familien und den Eltern, die die letzten, einzigen und alle Kinder verloren haben. Das Hohe Haus hat erneut anerkannt, daß die Verpflichtung gegenüber den Opfern des Krieges zugleich einen Rechtsanspruch auf Entschädigungsleistungen begründet, die unabhängig von jedem sonstigen Einkommen zu gewähren sind. Dieser Rechtsanspruch ist höchstrichterlich anerkannt.
Die Grundrente ist sowohl ein integrierender Bestandteil der Rehabilitation wie Ausdruck des Rechtsanspruches der Kriegsopfer auf eine angemessene und würdige Entschädigung. Ich darf im Namen meiner Fraktion der Freude darüber Ausdruck geben, daß die Grundrenten durch die Verbesserungen des Zweiten Neuordnungsgesetzes in ihrer Funktionsfähigkeit gestärkt und der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt worden sind. Ihre Erhöhung war angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ein Gebot der Stunde. Es war ein besonderes Anliegen von Abgeordneten der CDU/CSU, die innere Relation der Grundrenten der verschiedenen Erwerbsminderungsgrade gerecht, unter Bereinigung derzeitiger Verzerrungen zu ordnen. Die Vorlage stellt die Relation wieder her, die die Bundesregierung selber bei der Schaffung des Bundesversorgungsgesetzes vorgeschlagen hat.
Ich habe die Freude, festzustellen, daß die Ausschußvorlage in bezug auf die Gestaltung der Grundrenten sowohl für die Beschädigten wie für die Hinterbliebenen einen positiven Beitrag zu einer organischen Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts darstellt.
Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt es, daß sich alle Fraktionen und die Bundesregierung zu der Auffassung bekannt haben, daß die Ausgleichsrente nach wie vor bestimmte Funktionen zu erfüllen hat, auf die nicht verzichtet werden kann. Die CDU/CSU-Fraktion legt besonderen Wert auf die Ausweitung des Freibetrages für die sogenannten übrigen Einkünfte, zu denen insbesondere die Sozialrenten und Pensionen zählen. Durch das Zweite Neuordnungsgesetz wird den Kriegsopfern ihr Anteil an den Erhöhungsbeträgen der Rentenanpassungsgesetze gewährt. Arbeitslose und arbeitsunfähige Beschädigte werden in ihrem Einkommen bessergestellt durch Anerkennung der Leistungen, die das Arbeitseinkommen ersetzen sollen, als Arbeitseinkommen.
Die CDU/CSU hat bei den Ausschußberatungen besonderes Gewicht auf den Vorrang der Rehabilitationsmaßnahmen und der Höherstufung des Erwerbsminderungsgrades bei besonderem beruflichem Betroffensein gelegt. Die CDU/CSU hat einen besonderen Anteil an der Höhe des in der Vorlage enthaltenen Berufsschadensausgleichs. Sie hat insbesondere die Anerkennung der Tätigkeit der Hausfrau beim Berufsschadensausgleich mit Erfolg vertreten. Sie stimmt der Erhöhung der Pflegezulagestufen und ihrer Anpassung an die zwischenzeitlich eingetretenen Lohnerhöhungen mit voller Überzeugung zu. Ebenso legt sie Wert auf die Verbesserung und differenzierte Ausweitung der Schwerstbeschä-



Frau Dr. Probst
digtenzulage. Ganz besonders am Herzen liegt der CDU/CSU die wesentliche Verbesserung und individuellere Gestaltung der Versorgung von Witwen und Waisen. Dabei ist insbesondere die Versorgung der Kriegerwitwe, die allein auf die Rente angewiesen ist, durch die Verdoppelung des Zuschlags zur Ausgleichsrente und die Erhöhung von Grund- und Ausgleichsrente selber wesentlich verbessert worden.
Die Erweiterung des Freibetrages für die übrigen Einkommen, die Ausgestaltung des wirtschaftlichen Schadensausgleichs, dessen individuellere Anpassung an das Einzelschicksal und seine Loslösung von der Ausgleichsrente bedeuten einen wesentlichen Schritt in Richtung auf eine volle Unterhaltssicherung der Hinterbliebenen. Der Fortfall der Ernährereigenschaft sowie die Erhöhung der Elternrente selber, insbesondere der Zuschläge in den Fällen des Verlustes mehrerer Kinder sowie des einzigen Kindes oder aller Kinder, und die Einführung eines prozentualen Freibetrages für das über die bisherigen festen Freibeträge hinausgehende Einkommen führt zu einer Verbesserung der Gesamtbezüge und zu einer Erweiterung des Personenkreises der Berechtigten.
Die CDU/CSU-Fraktion war auf das intensivste bemüht, die Realisierung der Beschlüsse des Kriegsopferausschusses, die einen Gesamtaufwand von fast 11/4 Milliarden DM erfordern, zu ermöglichen. Getragen von der Verantwortung, den Haushalt auszugleichen und seine Ausweitung gegenüber dem Vorjahr in dem Rahmen des Zuwachses des Bruttosozialproduktes unter allen Umständen zu halten, hat sie durch Kürzungen bei rund 90 anderen Positionen die Verabschiedung des Zweiten Neuordnungsgesetzes als Ganzes ungeteilt und ungekürzt ab 1. Januar 1964 ermöglicht. Dadurch ist die Priorität der Kriegsopferversorgung eindrucksvoll erneut bestätigt worden. Die CDU/CSU hat damit ihren Willen unter Beweis gestellt, zum Wohl des Ganzen Gerechtigkeit gegen jedermann walten zu lassen, auch wenn es Opfer kostet.
Ich danke im Namen der CDU/CSU-Fraktion den Kollegen des Haushaltsausschusses.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich tue dies mit um so größerem Nachdruck, als die Opposition nicht fähig war, bis heute realisierbare Vorschläge vorzulegen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Die Kriegsopfer selber werden all denen Dank wissen, die bereit waren, zur Realisierung des gerechten Anspruchs der deutschen Kriegsopfer durch Verzicht und Opfer ihrerseits beizutragen.
Ich bitte das Hohe Haus, der Vorlage Drucksache IV/1831 unverändert seine Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410731400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bazille.

Helmut Bazille (SPD):
Rede ID: ID0410731500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das erbitterte Ringen um die Reform der Kriegsopferversorgung nähert sich in dieser Stunde seinem Ende. Es hat dazu geführt, daß für die Kriegsopfer im Bereich ihres Versorgungsrechtes ein durchaus beachtlicher Erfolg erzielt werden konnte. Die Begleitumstände jedoch lassen einen Stachel zurück, der nicht so leicht und nicht so schnell verschmerzt werden kann. Dazu ist auf dem Wege, der schließlich zu diesem Ergebnis geführt hat, zu vieles zerstört worden.
Da wurde zunächst das Vertrauen der Kriegsopfer zu Parlament und Regierung auf das schwerste erschüttert. Wenige Tage vor Weihnachten zog durch die Straßen dieser Stadt als ein unübersehbares Zeichen des Ausmaßes der Verbitterung ein Heer von 35 000 Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen, stellvertretend für mehr als zwei Millionen Schicksalsgefährten, die sich aus freien Stücken in den großen Selbsthilfeorganisationen der Kriegsopfer zusammengeschlossen haben. Was weder Radikale von rechts noch Radikale von links in den achtzehn Jahren seit Kriegsende geschafft hatten, das vollbrachte der neue Kanzler in wenigen Wochen,

(Oho-Rufe von der CDU/CSU)

nämlich die Kriegsopfer in einen Zustand der Staatsverdrossenheit förmlich hineinzutreiben.

(Widerspruch und Zurufe von der CDU/CSU Abg. Dr. Vogel: Und Sie haben dabei kräftig mitgewirkt!)

Menschen, die um ihres Volkes und ihres Vaterlandes willen — ebenso wenig für den alten Kaiser Wilhelm wie für den einstigen böhmischen Gefreiten — das Beste, was sie hatten, Leben und Gesundheit, opfern mußten, worunter sie noch heute im Wortsinne zu leiden haben, mußten es sich gefallen lassen, als Interessenten im diskriminierenden Sinne dieses Wortes behandelt zu werden. Ausgerechnet ihnen sagte man nach, ohne Rücksicht auf das Gemeinwohl zu handeln, und man hat es nicht begriffen und begreift es offenbar jetzt noch nicht, daß damit dem gebrachten Opfer seine Würde genommen wurde. Der Einsatz keines Mittels der Regierungsmacht wurde gescheut, um die Berechtigung der Kriegsopferforderungen gegenüber Volk und Staat in Zweifel zu ziehen und abzuwerten, vom „noblen" Verzicht des Regierungschefs auf Rente als selbst Kriegsbeschädigter über die Drohung der Anwendung des Art. 113 des Grundgesetzes gegen das Parlament bis hin zu der politischen Provokation, daß die Demonstrationen, die in der Verfassung rechtlich fundiert sind und nichts anderes als Abwehrmaßnahmen der permanent Herausgeforderten und Beleidigten waren, den Machthabern der Zone Wasser auf die Mühlen leiten würden.
Kein Mittel wurde für untauglich erachtet, um die Öffentlichkeit gegen die Kriegsopfer aufzuwiegeln. Man scheute nicht davor zurück, die würdevolle Schweigedemonstration der Kriegsopfer mit dem der Mottenkiste der Vergangenheit entliehenen Begriff der „Straße" zu belegen. Ich wiederhole deshalb, was ich an anderer Stelle gesagt habe, auch in diesem Hause: Die Kriegsopfer haben die Regierung



Bazille
nicht unter Druck gesetzt, aber sie haben sie beschämt.

(Beifall bei der SPD.)

Der freie Bürger in einem freien Staat hat nicht nur dann das Recht, sich der Straße zu bedienen, wenn es gilt, den Regierenden zuzujubeln. Er darf sie auch in Anspruch nehmen, um seiner Regierung unmißverständlich sein Mißfallen zu bekunden.

(Beifall bei der SPD.)

Nur Diktaturen sperren die Straße für Willenskundgebungen ihrer Bürger, und wenn diese doch marschieren, dann nur unter Druck und Befehl von oben.

(Zurufe von der CDU/CSU: Wer hat denn die Straße gesperrt?)

- Warten Sie ab! Ich habe Ihnen noch einiges zu
diesem Thema zu sagen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Zur Sache!)

— Sobald Sie sich beruhigt haben, spreche ich
weiter.

(Abg. Ruf: Herr Bazille, Sie sprechen im Bundestag und nicht beim VdK!)

Den Kriegsopfern hat niemand befohlen, an diesem eiskalten Wintertag nach Bonn zu kommen. Es hat ihnen niemand befehlen können, sondern sie sind aus freien Stücken diesen Weg gegangen, um gegen die Behandlung zu demonstrieren, die ihnen durch die Bundesregierung zuteil geworden ist.

(Zuruf von der SPD: Sogar auf eigene Kosten! — Zuruf von der CDU/CSU: Dann haben Sie die Aufforderung der Verbände nicht gelesen!)

Meine Damen und Herren, angesichts Ihren Verhaltens sowohl gegenüber den Kriegsopfern als auch hier und heute braucht man sich nicht zu wundern, —

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

daß von Ihrer Seite aus dann auch die SPD verdächtigt wurde, aus diesem Trauermarsch politisches Kapital schlagen zu wollen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Die Wahrheit! — Abg. Stingl: Ihre Rede ist der Beweis dafür, daß es stimmt!)

— Herr Kollege Stingl, wir sind zu diesen Menschen gegangen — —

(Abg. Ruf: Mitmarschiert sind Sie! — Gegenrufe von der SPD: Natürlich!)


(Zurufe von der CDU/CSU: Wir auch! — Abg. Matzner: Mit dem Stufenplan! — Weitere Zurufe.)

— In diesem Hause, meine Damen und Herren, gehört die Kunst des Zuhörens auch zu den Notwendigkeiten parlamentarischer Verhandlung.

(Abg. Rasner: Die Kunst des Redens auch!)

— Das ist unbestritten, Herr Kollege Rasner. Aber ich wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn mir Ihre Freunde überhaupt Gelegenheit gäben zu reden.

(Zurufe von der CDU/CSU: Nicht hetzen!)

Wir sind zu diesen Menschen gegangen, um im Rahmen dessen, was uns möglich war, ihr Gefühl der grenzenlosen Verbitterung zu mildern,

(Zuruf von der CDU/CSU: Anzuheizen!)

jenes Gefühl, von der eigenen Regierung und schließlich auch vom Parlament wie lästige Bittsteller von der Tür gewiesen zu werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Ihre eigene Erfindung!)

Es muß deshalb einmal ganz deutlich gesagt werden, daß die Kriegsopfer es nicht selbst erfunden haben, man solle ihre Renten im Jahre 1963 erhöhen. Das hatte dieses Haus 1962 als einen unmißverständlichen Auftrag an die Bundesregierung einstimmig beschlossen, ohne jeden Druck seitens der Verbände oder, wie man später sagte, von der Straße her. Die Sprecher aller Fraktionen hatten zugesichert, daß noch im Jahre 1963 die Versorgungsreform in Kraft treten werde, trotz des Ernstes der Haushaltslage, auch wenn es Opfer koste. Schließlich war der Kriegsopferausschuß im Spätsommer 1963 mit dem erklärten Ziel an seine Arbeit gegangen, noch 1963 und für 1963 das Neuordnungsgesetz zu schaffen. Und zudem war es Frau Kollegin Dr. Probst, die in München vor Tausenden von Kriegsopfern unter tosendem Beifall erklärte: Ich garantiere Ihnen, daß Sie dieses Gesetz mit Wirkung vom 1. 10. 1963 bekommen!

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wenn dieselbe Bundesregierung, die in beschwörendem Ernst vor dem deutschen Volk auf die Gefährdung der Währung hinwies und sogar gegebenenfalls auf die Notwendigkeit, Art. 113 des Grundgesetzes anzuwenden, an der Stelle, an der allein im parlamentarischen Rechtsstaat die Sachentscheidungen vorbereitet werden, nämlich im zuständigen Fachausschuß des Bundestages, nicht ein einziges Mal durch den zuständigen Minister oder wenigstens seinen Staatssekretär vertreten war,

(Hört! Hört! bei der SPD)

dann ist das eine permanente Mißachtung der Volksvertretung, und ich habe eine Zeit lang ernste Überlegungen angestellt, ob ich meine Fraktion nicht bitten müsse, mich von dem Vorsitz in diesem Ausschuß zu entbinden.
Aber nicht nur die Kriegsopfer wurden vor den Kopf gestoßen, sondern auch das Verhältnis der Koalition zur eigenen Regierung und zur Opposition war schwersten Belastungen ausgesetzt.

(Abg. Dr. Vogel: Das lassen Sie unsere Sorge sein!)

Auf der einen Seite versprach man uns in der Opposition das Gesetz mit Wirkung vom 1. Oktober 1963, auf der anderen Seite verhandelte man mit der Regierung über Stufenpläne, die sich weit in das Jahr 1964 erstrecken sollten. Diese Art zu taktieren mö-



Bazille
gen einige als Ausdruck besonderer politischer Geschicklichkeit empfinden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Verantwortungsbewußtsein!)

Ich bedaure, daß es mir die im Parlament übliche Umgangssprache verbietet, dieses Verhalten entsprechend zu qualifizieren. Auf einen einfachen Nenner gebracht, war es so, daß man hier so und dort anders geredet hat, um für sich selber den politischen Tagesvorteil zu erhaschen, und das ohne jede Rücksicht auf den Schwund an Ansehen und Vertrauen, die diese Methode notwendigerweise auslösen mußte.
Als man dann vor lauter Taktik schließlich nicht mehr aus und ein wußte, hat man unter Mißbrauch der Geschäftsordnung den politisch Andersdenkenden in diesem Hause, das ja nicht nur ein Haus der Volksvertretung, sondern auch ein Parlament im Wortsinne ist, ganz einfach eine Aussprache über diese Dinge unmöglich gemacht.

(Abg. Rasner: „Mißbrauch der Geschäftsordnung" ist ein tolles Stück!)

— Herr Kollege Rasner, die Geschäftsordnung ist dazu da,

(Abg. Rasner: um gebraucht zu werden!)

um den Funktionsablauf dieses Hauses in geregelter Ordnung sicherzustellen.

(Zurufe von der Mitte: Genau das!)

Sie ist aber nicht dazu da, um zu einem Zeitpunkt, an dem es der Mehrheit im Hause unerwünscht ist, denjenigen, die anders denken, nämlich der Minderheit, die Möglichkeit der Aussprache zu beschneiden und diese auf die wenigen Minuten einer Geschäftsordnungsdebatte abzudrängen.

(Abg. Rasner: Nehmen Sie einen Elementarkursus bei Herrn Mommer! — Abg. Ruf: Was Sie damals anbringen wollten, werden Sie heute los! — Zuruf von der CDU/CSU: Die Minderheit terrorisiert die Mehrheit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Sie haben doch unbestrittenerweise in der Zeit, in der es möglich gewesen wäre, sich ernsthaft über die Realisierbarkeit dessen zu unterhalten, was Sie vorher selber beschlossen hatten, unsere Darlegungen dadurch beschnitten, daß Sie einer Aussprache darüber im Plenum des Bundestages von vornherein ausgewichen sind,

(Sehr wahr! bei der SPD)

und heute stellen Sie sich hin und erklären, die SPD hätte keine Vorschläge gemacht.

(Zurufe von der CDU/CSU: Bis jetzt nicht! — Bis heute nicht!)

Sie haben dieser SPD ja überhaupt jede Möglichkeit entzogen, von dieser Stelle aus die Vorschläge zu machen, wie man diese Dinge hätte realisieren können.

(Lachen und lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410731600
Herr Abgeordneter Bazille, zur Beruhigung des Hauses möchte Herr Abgeordneter Dürr eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie?

(Abg. Bazille: Ja, bitte!)

Herr Abgeordneter Dürr hat das Wort.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0410731700
Herr Kollege Bazille, sind Sie mit mir darüber einig, daß eine erste Lesung des von Ihnen eingebrachten Entwurfs uns der endgültigen Regelung der Kriegsopferfrage nicht um einen Millimeter nähergebracht hätte, weil nach der ersten Lesung dieser Entwurf ebenfalls zwangsweise dem Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung hätte überwiesen werden müssen?

(Abg. Rasner Elementarunterricht!)


Helmut Bazille (SPD):
Rede ID: ID0410731800
Herr Kollege, ich gehe deshalb mit dieser Ihrer Auffassung nicht einig, weil man im Haushaltsausschuß, und zwar nach Anhörung des Herrn Regierungsvertreters, der Meinung war, daß § 96 der Geschäftsordnung deshalb nicht in Frage gekommen wäre, weil Belastungen aus diesem Gesetz für das Haushaltsjahr 1963 nicht mehr hätten entstehen können, nachdem die Versorgungsverwaltung nicht in der Lage gewesen wäre, noch im Jahre 1963 Rentenbescheide zu erteilen.

(Abg. Dr. Vogel: Ihre Auffassung!)

Wohl aber bin ich der Auffassung, Herr Kollege — das sage ich auch noch in Beantwortung Ihrer Frage —, daß das letzte Recht der Budgetgestaltung nicht beim Haushaltsausschuß, sondern bei diesem Hause liegt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Vorschläge!)

Dieses Haus wäre sehr wohl in der Lage gewesen, noch im Jahre 1963 eine Entscheidung darüber zu treffen, ob es gesonnen war, seine Versprechen gegenüber den Kriegsopfern im Jahre 1963 zu realisieren.

(Abg. Dr. Vogel: Wo waren denn Ihre Vorschläge, Herr Bazille?)

Diese Auffassung ist ja einige Tage später nach den Haushaltsberatungen im Bundesrat von diesem mit Ihren Ministerpräsidenten ausdrücklich gebilligt worden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Echte Irreführung!)

— Ja, das, was Sie betreiben, ist eine echte Irreführung. — Mich würde interessieren, welche Antwort die Bundesregierung auf das Telegramm des Herrn Ministerpräsidenten Kiesinger gegeben hat, dieses Gesetz noch mit Wirkung von 1963 in Lauf zu setzen.
Sie beschweren sich über unsere Verbitterung, nachdem Sie uns vorher selbst während der ganzen Beratungswochen erklärt hatten, Ihr Ziel sei, dieses Gesetz im Jahre 1963 wirksam zu machen. Als es dann so weit war, haben Sie uns auch nur die Möglichkeit, noch darüber zu sprechen, in diesem Hause einfach beschnitten.

(Zurufe von der CDU/CSU: Propaganda!)




Bazille
k) Täuschen Sie sich nicht, meine Damen und Herren! Diesen Tiefschlag, den Sie uns versetzt haben, haben Sie im letzten gegen das Parlament selbst geführt.

(Zuruf von der Mitte: Wem, der SPD-Fraktion? — Abg. Haase [Kassel]: Auf die Soldaten haben Ihre Freunde 10 Jahre lang tiefgeschlagen! — Anhaltende Zurufe.)

— Auf Zwischenrufe dieser Art, Herr Kollege, gehe ich gar nicht ein.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410731900
Ich glaube, es würde der Sache dienen, wenn wir uns beiderseits etwas mehr Ruhe nehmen würden. Wir sind doch zu einem erfreulichen Punkt der Entwicklung in der Sache gekommen und wollen uns das Leben nicht so schwer machen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Helmut Bazille (SPD):
Rede ID: ID0410732000
Wenn Sie solch großen Wert darauf legen, Herr Kollege, daß ich Ihnen diese Frage beantworte, bin ich um eine Antwort gar nicht verlegen. Ich kann Ihnen folgendes sagen. Ich bin nicht als Sozialdemokrat auf die Welt gekommen.

(Heiterkeit und Zuruf von der CDU/CSU: Das wissen wir!)

— Das wissen Sie, und ich bin insoweit auch nicht von meiner Herkunft her „vorbelastet".

(Zurufe von der CDU/CSU: „Vorbelastet" ist gut! — Abg. Bauer [Wasserburg] : Ist das eine Belastung, Sozialdemokrat zu sein?)

B) Aber ich bescheinige meinen politischen Freunden, daß sie in der Zeit, in der über das Schicksal dieser Generation, der ich angehöre, im deutschen Parlamentarismus entschieden wurde, unter Einsatz ihres Lebens darum gekämpft haben, daß dieser Generation dieser Opfergang erspart bleibe.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Haase [Kassel] : Was hat das mit der Diffamierung der Soldaten zu tun?)

Deshalb weise ich diese unerhörte Diffamierung, die SPD habe den Soldaten gegenüber gesinnungsmäßig zu irgendeinem Zeitpunkt versagt, mit letzter Leidenschaft zurück.

(Oho-Rufe bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Vorsicht, Vorsicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Wenn die Mehrheit des Deutschen Reichstages

(Abg. Bauer [Wasserburg] : Allmählich Schluß machen!)

im Jahre 1933 den politischen Vorstellungen der Sozialdemokratie gefolgt wäre, brauchten wir uns heute nicht über die Versorgung von drei Millionen Kriegsopfer zu unterhalten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Anhaltende Unruhe.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410732100
Darf ich meine Bitte um Ruhe Wiederholen.
Bitte, Herr Kollege Bazille!

Helmut Bazille (SPD):
Rede ID: ID0410732200
Meine Damen und Herren, Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn Sie auf Ihre Unterstellungen harte Antworten bekommen.

(Zuruf: Das waren keine Antworten; die sind Sie uns schuldig geblieben!)

Der Anteil, den die Sozialdemokratie nach 1950 an der Gestaltung des Kriegsopferrechts genommen hat, können Sie nicht wegdiskutieren. Dafür zeugen die Namen unserer Freunde Bruno Leddin, Kurt Pohle, Kurt Rasch und anderer, die sich vor mir in diesem Hause und an dieser Stelle mit besten Kräften für eine gerechte Versorgung der Kriegsopfer eingesetzt haben.

(Abg. Haase [Kassel] : Herr Kollege, darum geht es nicht! Es geht um die Tiefschläge, von denen Sie sprachen! — Abg. Rasner: Pohle hätte das nicht gemacht!)

— Ich weiß, daß Ihnen das weh tut.

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU.)

Aber das bringt Sie über den Tatbestand nicht hinweg,

(Zuruf: Daß Sie die Gesetze gemacht haben, jawohl!)

Herr Kollege, daß Ihr Verhalten im Jahre 1963 die Kriegsopfer um ihren berechtigten Anspruch ohne Not gebracht hat.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn Sie sich ernstlich in der gleichen Weise, wie man es im Kriegsopferausschuß getan hat,

(Abg. Ruf: Wenn es nach der Regierung gegangen wäre, hätten die Kriegsopfer etwas bekommen, und hätten früher etwas bekommen!)

darum bemüht hätten, hätte bereits für 1963 die Lösung gefunden werden können, die heute mit Wirkung vom 1. Januar 1964 Gesetz werden wird.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Dann hätte das Defizit gedeckt werden müssen! Leere Behauptungen ohne Substanz!)

Ich kann mich nur wundern, meine Damen und Herren, wie Sie glauben können, daß die Öffentlichkeit dadurch, daß Sie heute zustimmen, den leidenschaftlichen Kampf vergessen könnte, den Ihre Regierung gegen diese Vorlage geführt hat.

(Abg. Bauer [Wasserburg] : Das ist unerhört! Diese Regierung hat doch das erste Geld bereitgestellt, als Sie noch marschiert sind, Herr Bazille!)

Meine Damen und Herren, Ihre Regierung hat der deutschen Öffentlichkeit gesagt,

(Zuruf: Unsere Regierung, denke ich!)

daß erstens die Stabilität der Währung gefährdet sei, wenn man den Forderungen der Kriegsopfer nachgibt,

(Abg. Rasner: Fragen Sie einmal Herrn Möller!)

und daß es zweitens unnötig, unvertretbar, ja im
Kern sogar ungerecht sei, die Grundrenten derer zu



Bazille
erhöhen, die aus den Erträgen ihrer Arbeit für sich selber sorgen können und deren Anspruch gegen die Allgemeinheit bis an die Grenze des Unmoralischen hin in Zweifel gezogen worden ist. Ihre Lautstärke

(Zurufe: Ihre Lautstärke!)

kann mich auch darüber nicht hinwegtäuschen, daß berechtigte Zweifel erlaubt sind, ob diese Argumente, mit denen man monatelang gegen uns gekämpft hat, dem höheren Rang besserer Einsicht und besseren Wissens gewichen sind, wie es uns das Grundgesetz in Art. 8 befiehlt, oder ob das nur Ausfluß eines taktischen Verhaltens ist und ob wir nicht in allzuferner Zeit mit neuen Versuchen rechnen müssen, die Kriegsopferversorgung vom Recht weg auf die Fürsorge hin zu entwickeln.

(Abg. Dr. Vogel: Das ist wieder eine infame Unterstellung Ihrerseits, mit der Sie jetzt anfangen!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410732300
Herr Abgeordneter Dr. Vogel, ich bitte, die Schärfe der Ausdrücke zu unterlassen. Sie können dem Kollegen Bazille nicht Infamie vorwerfen. Ich will davon absehen, Sie zur Ordnung zu rufen, aber ich finde: die Art, in der die Angelegenheit hier behandelt wird, ist nicht der Sache gemäß.

(Unruhe in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Die Wahrheit tut immer weh!)


Helmut Bazille (SPD):
Rede ID: ID0410732400
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wollen Sie ernsthaft die deutsche Öffentlichkeit glauben machen, daß der Kampf der letzten Monate allein von Bundeskanzler Erhard geführt worden ist und daß er der alleinige Erfinder der Stufenpläne war, nachdem Bundeskanzler Erhard selbst vor dem Fernsehen erklärt hat: Ich habe die Stufenpläne nicht erfunden?

(Abg. Rasner: Er hat sie auch nicht erfunden; das war ein anderer! — Abg. Dr. Schäfer: Das war Rasner, der es erfunden hat! Herr Rasner und Herr Strauß haben es erfunden! — Gegenruf von der CDU/CSU: Welche Ehre! — Anhaltende Zurufe und Gegenrufe.)

Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, auch wenn Ihnen das unbequem ist: mir wäre es lieber, wenn die Vertreter jener Fürsorgethesen in der Versorgung sich hier nicht im Nebel einer scheinbaren Gemeinsamkeit des ganzen Hauses verstecken würden, sondern den Mut hätten, ihre Argumente zu vertreten. Ich halte es mit meinem Kollegen und Freund Herbert Wehner: Man sollte zu seiner Auffassung stehen, damit man weiß, wo man einander zu suchen hat.

(Zurufe von der Mitte.)

Heute durfte wieder einmal Frau Dr. Probst für die ganze CDU/CSU sprechen.

(Abg. Rasner: Die fragt nie um Erlaubnis! — Lachen in der Mitte.)

Aber es ist noch nicht lange her, da war die Sprache auf diesem Gebiet eine ganz andere. Welche Haltung hier eingenommen wurde, das ergibt sich aus der Unterschriftenliste des Antrags, den Frau Dr. Probst eingebracht hat. Die Wahrheit, die Ihnen so bitter und unbequem ist, ist doch die: wenn nicht Herr Zoglmann von den Freien Demokraten Ihnen gesagt hätte: Wir werden am 1. Januar 1964 dieses Gesetz in der vom Kriegsopferausschuß beschlossenen Fassung verabschieden, und zwar gleichgültig mit welchen Mehrheiten, dann hätten Sie versucht — —

(Abg. Rasner: Das hat er gar nicht gesagt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Das haben Sie glatt erfunden! Von dem zweiten habe ich nichts gehört, Herr Bazille!)

— Herr Kollege Rasner, da ich zufällig Zeuge dieses Gesprächs zwischen Herrn Kollegen Zoglmann und Frau Dr. Probst war, dürfen Sie mir glauben, daß er es genau so gesagt hat, wie ich es hier wiedergebe.

(Zuruf rechts: Wir haben ja auch Wort gehalten, Herr Kollege Bazille!)

— Ja, und deswegen — —

(Abg. Zoglmann: Sie haben gesagt, wir würden umfallen! — Große Heiterkeit!)

— Herr Kollege Zoglmann, ich bin zwar bereit, Ihnen in bezug auf politisches Umfallen einen großen Kredit einzuräumen,

(Heiterkeit bei der SPD)

aber ich wage keine Voraussage darüber, in welchem Umfang Sie davon Gebrauch machen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß.

(Zurufe von der CDU/CSU: Gott sei Dank! — Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410732500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke?

Helmut Bazille (SPD):
Rede ID: ID0410732600
Bitte schön!

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0410732700
Herr Kollege Bazille, meinen Sie, daß es die richtige Art ist, wenn man gegen jemanden Beschuldigungen erhebt und nachher feststellen muß, daß man sich geirrt hat, so zu reagieren, wie Sie es eben getan haben?

Helmut Bazille (SPD):
Rede ID: ID0410732800
Ich verstehe Ihre Frage nicht, Herr Dr. Rutschke. Gegen wen habe ich Beschuldigungen erhoben?

(Zuruf des Abg. Dr. Rutschke. — Zuruf von der SPD: Weiter!)

— Es tut mir leid, ich habe die Frage nicht verstanden.

(Abg. Maucher: Ihre ganze Rede ist eine Beschuldigung!)





Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410732900
Der Fragesteller besteht nicht auf der Beantwortung. — Bitte, Herr Kollege Bazille!

Helmut Bazille (SPD):
Rede ID: ID0410733000
Herr Kollege Maucher, jetzt beginne ich Sie zu verstehen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

— Ja, ja, jetzt beginne ich, Sie zu verstehen. Sie meinen, daß meine Rede der Wahrheit Gewalt antut. Ich lade jeden Kollegen ein, bei mir im Büro

(Abg. Ruf: So groß ist das gar nicht!)

erhebliche Pfunde von Zeitungsausschnitten aller westdeutschen Zeitungen darüber einzusehen, die von den verschiedensten Seiten her geschrieben sind,

(Abg. Maucher: Durch Ihre Rede kommt noch ein Pfund dazu!)

die die Richtigkeit dessen bestätigen, was ich heute hier gesagt habe, daß nämlich die Bundesregierung, was Sie offenbar vergessen zu haben scheinen, monatelang gegen die vom Kriegsopferausschuß des Bundestages erarbeitete Vorlage unter Einsatz all ihrer Machtmittel bis hin zur Drohung mit Art. 113 des Grundgesetzes einen Kampf geführt hat, der seither ohne Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland gewesen ist. Und Sie, die Sie die Verantwortung für diese Bundesregierung tragen — sie ist doch von Ihnen gebildet, von Ihnen politisch etabliert —, glauben, daß wir heute mit Ihnen in einer großen Umarmungsszene dieses Gesetz beraten, das unter so schweren Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit erkämpt werden mußte, unter Auseinandersetzungen, die so bitter waren wie nie zuvor. Sie tun so, als ob die Bundesregierung, die sich heute hier nicht zu Wort meldet, die heute ihre Argumente nicht vertritt, überhaupt nicht existiert hätte; als ob es allein eine Auseinandersetzung gäbe zwischen dem, was Ihre Sprecher hier, und dem, was wir Sozialdemokraten auf der anderen Seite dazu zu sagen haben. In Wahrheit müßte die Auseinandersetzung mit der Bundesregierung, die draußen vor den Fernsehgeräten und in der Presse geführt worden ist, hier in diesem Raume geführt werden, und die Bundesregierung hätte sich heute und hier der Entscheidung dieses Hauses stellen müssen. Das wäre der Sache, um deren Entscheidung es hier geht, und dem Ansehen der Bundesregierung besser bekommen als dieses Flüchten in das Schweigen und das Sotun, als ob sich das ganze Haus von Anfang an einig gewesen wäre.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410733100
Das Wort hat der Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.

Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm (FDP):
Rede ID: ID0410733200
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es ist eigentlich sehr schade, daß wir so kurz vor dem Ziel noch so harte Worte gehört haben. Ich glaube, daß wir mit dieser Art der Polemik, die uns jetzt vorexerziert worden ist, der guten Sache der Kriegsopfer keinen Dienst erwiesen haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich möchte jetzt eine Erklärung im Namen meiner Fraktion abgeben, und zwar wirklich eine Erklärung.
Wir begrüßen, daß mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine wirksame Verbesserung der Kriegsopferversorgung erreicht worden ist. Wir verdanken dieses Ergebnis der guten Zusammenarbeit der Mitglieder des Haushalts- und der Mitglieder des Kriegsopferausschusses. Sie haben mit Geduld und Fleiß die zahllosen Schwierigkeiten überwunden, die der angestrebten Verbesserung der Kriegsopferversorgung so lange Zeit im Wege standen.
Ursprünglich waren Leistungsverbesserungen von rund 650 Millionen DM pro Jahr vorgesehen. Diese Summe ist nun — und zwar zu unserer großen Freude — per 1. Januar 1964, wie es Herr Zoglmann damals unter sehr wenig wohlwollenden Zwischenrufen hier verkündet hat, auf über 1 Milliarde DM erhöht worden. Diese Erhöhung ist gelungen, ohne daß die Flucht in eine Ausweitung des Haushalts angetreten worden ist, was in früheren Zeiten leider sehr oft der Fall gewesen ist. Insofern darf das hier gegebene Beispiel als außerordentlicher Vorgang `gekennzeichnet werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Viele der im Haushalt vorgesehenen zusätzlichen Kürzungen sind den Regierungsparteien nicht leicht gefallen. Dieser Kürzungen wegen mußten dringend notwendige Maßnahmen und Verbesserungen auf allen Gebieten zurückgestellt werden. Aber es ist unsere Pflicht, zuerst und vor allem denen zu helfen, die für die Gemeinschaft Not und Leid auf sich genommen haben.

(Beifall bei der FDP.)

Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei stellt mit Genugtuung fest, daß ihrer immer Wieder erhobenen Forderung nach einer vordringlichen Neuregelung der Kriegsopferversorgung mit der Verabschiedung dieses Gesetzes entsprochen wird.
Das zweite Neuordnungsgesetz bringt neben allgemeinen Erhöhungen eine konzentrierte Leistungsverbesserung für alle diejenigen Kriegsopfer, deren soziale Stellung ,durch eine Einkommensminderung beeinträchtigt worden ist. Wir begrüßen es vor allem, daß die Notwendigkeit eines Beruisschadensausgleichs in diesem Gesetzentwurf berücksichtigt worden ist, wie es die Freie Demokratische Partei seit langem angestrebt hat. Damit ist nach unserer Auffassung ein wichtiger Schritt zum Prinzip der Entschädigung getan worden, nachdem aus bekannten Gründen auch in der Kriegsopferversorgung zunächst die fürsorgerischen Maßnahmen vorherrschen mußten. Es ist zu hoffen, daß der jetzt beschrittene Weg fortgesetzt und ein wirkliches Maximum an gerechter Entschädigung und Existenzsicherung erreicht werden kann.
Wir sehen in dem Zweiten Neuordnungsgesetz im Rahmen des im Interesse der Betroffenen Vertretbaren und finanziell Möglichen einen wesentlichen Fortschritt im Vergleich zum geltenden Recht.
Ich darf das Hohe Haus bitten, diesem Gesetz seine Zustimmung zu erteilen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)





Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410733300
Ich schließe die Aussprache und komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmt, erhebe sich! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir haben noch abzustimmen über den Entschließungsantrag des Ausschusses unter Nr. 2. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ebenfalls einstimmige Annahme.
Der Antrag unter Ziffer 3 der Drucksache IV/1831, die einschlägigen Petitionen für erledigt zu erklären, ist damit ebenfalls angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung (Drucksache IV/1697).
Wird die Vorlage begründet? — Bitte, Herr Kollege Reischl.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0410733400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf meiner Fraktion, den zu begründen ich die Ehre habe, befaßt sich mit der Aufhebung einer Vorschrift der Zivilprozeßordnung, deren Inhalt ich wohl, da er kaum allgemein bekannt sein dürfte, kurz angeben darf.

(Anhaltende Unruhe.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410733500
Ich bitte um Ruhe für den Redner.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0410733600
Nach § 102 der Zivilprozeßordnung können Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, gesetzliche Vertreter, Rechtsanwälte und andere Bevollmächtigte sowie Gerichtsvollzieher zur Tragung der Kosten verurteilt werden, die sie durch grobes Verschulden verursacht haben. Es handelt sich also bei dieser Vorschrift um die Möglichkeit der Auferlegung einer Prozeßstrafe. Die Kommentare sind sich nicht ganz einig, ob diese Vorschrift in erster Linie den Schutz der Parteien oder eventuell auch dem Schutz der Gerichte vor unzulässigen Anträgen dienen soll. Es scheint sehr fraglich zu sein, ob diese Bestimmung, vor allem soweit sie die Rechtsanwälte betrifft, mit der Stellung des Rechtsanwalts als eines Organs der Rechtspflege vereinbar ist.
Wenn die Bestimmung noch so angewandt worden wäre wie viele Jahrzehnte seit ihrer Schaffung im Jahre 1878, könnte man sie wahrscheinlich einfach so stehenlassen. Das ist aber leider nicht der Fall. Die Aufhebung dieser Vorschrift ist vielmehr dringlich geworden wegen eines ganz offensichtlichen — ich muß das harte Wort hier gebrauchen — Mißbrauchs dieser Vorschrift durch den Vierten Zivilsenat des Bundesgerichtshofes,

(Abg. Jahn: Sehr wahr!) den Wiedergutmachungssenat.

Ich möchte gleich an dieser Stelle eine Bemerkung einfügen, da ich mich kritisch mit einer Entscheidung — eigentlich mit einer ganzen Anzahl von Entscheidungen — eines unserer oberen Bundesgerichte auseinandersetzen muß. Hin und wieder wird die Behauptung aufgestellt, man dürfe sich mit solchen Entscheidungen in der Öffentlichkeit oder gar hier vor dem Parlament nicht auseinandersetzen. Hierzu glaube ich gerade aus meinem eigenen Beruf, da ich selbst jahrelang als Richter tätig war, folgendes sagen zu können. Eine gerichtliche Entscheidung ist ein Staatsakt, der sich in der Öffentlichkeit abspielt. Der Richter übernimmt mit seiner Unterschrift unter die Entscheidung — mit dem Fällen der Entscheidung, die ihm eine ganze Menge Macht einräumt — auch die Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Es ist also meines Erachtens vollkommen in Ordnung, daß Entscheidungen in der Öffentlichkeit auch sachlich kritisiert werden können.
Ganz besonders aber muß das Parlament, der Gesetzgeber, der letzten Endes für die Rechtsordnung des ganzen Staates verantwortlich ist, berechtigt sein, Kritik an Entscheidungen zu üben, die seiner Auffassung nach von dem Grundgedanken des Gesetzes — so wie er ihn sieht — abweichen. Das wollte ich nur gesagt haben, um etwaigen Angriffen von vornherein zu begegnen — die kommen könnten —, es sei hier eine unangemessene Kritik an gerichtlichen Entscheidungen geübt worden. Im übrigen möchte ich eines dazu sagen: mimosenhafte Empfindlichkeit ist eine Eigenschaft, die ein Richter zuallerletzt haben sollte.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ganz kurz darf ich noch auf diese Entscheidungen eingehen. Der Bundesgerichtshof — und zwar nur der Vierte Zivilsenat, das möchte ich ausdrücklich betonen — verurteilt nach § 102 der Zivilprozeßordnung regelmäßig den prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt in die Kosten einer Nichtzulassungsbeschwerde, wenn sie nach Meinung des Senats wegen des Fehlens einer Grundsatzfrage zurückzuweisen ist. Der Senat hat dabei den bemerkenswerten Satz geprägt: „Ein Rechtsanwalt, der ein offensichtlich unbegründetes Rechtsmittel einlegt, handelt grob schuldhaft, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände dazu führen, sein Verschulden weniger schwer zu beurteilen." Hier begeht der Vierte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zwei ganz entscheidende Denkfehler. Erstens einmal wirft er die Frage nach dem Verschulden auf, ehe er geprüft hat, ob die Handlung überhaupt rechtswidrig ist. Es kann ja eine Strafe — um das handelt es sich ja letzten Endes, wenn es auch eine Strafe mit zivilprozessualen Mitteln ist, nämlich eine strafweise Auferlegung der Kosten — nur dann verhängt werden, wenn ein Verschulden vorliegt, und das Gesetz spricht ja auch nur vom „groben Verschulden". Dieses Verschulden kann aber nur vorliegen, wenn die Tat als solche rechtswidrig ist. Es ist aber nicht recht ersichtlich, wieso die Einlegung eines Rechtsmittels, das wohlgemerkt — und darüber besteht Einigkeit — gar nicht begründet zu werden braucht, an sich rechtswidrig sein soll, wenn nach näherer Prüfung durch den Senat sich herausstellt, daß dieses Rechtsmittel nun nach Auffassung des Senats unbegründet ist.



Dr. Reischl
Vor allem aber macht der Bundesgerichtshof — und das ist der zweite Denkfehler — die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von der Begründetheit abhängig, und das ist eine völlig unmögliche Auffassung; denn das Rechtsmittel ist entweder zulässig — dann braucht es noch lange nicht begründet zu sein — oder es ist zulässig und begründet oder es ist von vornherein unzulässig. Aber man kann nicht sagen, ein Rechtsmittel, das unbegründet ist, ist deswegen auch unzulässig.

(Abg. Jahn: Ob es unbegründet ist, darüber muß ja erst gestritten werden!)

— Das muß sich nachher erst herausstellen.
Schließlich aber sagt der Bundesgerichtshof in diesen Entscheidungen noch, der Rechtsanwalt müsse als Organ der Rechtspflege unzulässige und aussichtslose Rechtsmittel von den Gerichten fernhalten und seine Partei vor unnötigen Kosten bewahren. Da verkennt der Vierte Zivilsenat denn doch die Selbständigkeit des Anwaltsstandes als eines Organs der Rechtspflege auch gegenüber dem Gericht. Das Gericht ist nämlich nur befugt, zwischen den Parteien zu entscheiden. Das Gericht ist aber eigentlich nicht dazu da, über die Handlungen des Rechtsanwalts zu entscheiden, es sei denn, er begeht eine strafbare Handlung oder so etwas.
Nun hat Adolf Arndt diese Entscheidungen sehr eingehend kritisiert, und ich möchte deshalb hier nicht alles das wiederholen, was gegen die Entscheidungen noch vorzubringen wäre. Der Vierte Zivil) senat ist aber trotz dieser ausführlich begründeten Kritik bei seiner Entscheidung geblieben. Er räumt zwar jetzt ein, daß die offenbare Unbegründetheit für sich allein noch nicht ausreiche. Er sagt aber andererseits nicht, welche Voraussetzungen nun vorliegen müßten. Vielmehr scheint er es jetzt einfach für ein grobes Verschulden zu halten, wenn der Rechtsanwalt etwas tut, was er gar nicht tun muß, wenn er über das hinausgeht, was er nach dem Gesetz tun muß, nämlich eine Begründung schreibt, bei der der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis kommt, sie sei unrichtig. Dann wird der Rechtsanwalt dafür, daß er eine nach Auffassung des Gerichts unrichtige Begründung gegeben hat, noch in die Kosten verurteilt. Hier zeigt sich also doch, daß auf diese Weise — ich möchte das Wort ruhig noch einmal gebrauchen — der § 102 der Zivilprozeßordnung mißbräuchlich angewendet wird; denn der Bundesgerichtshof hat bis heute noch nicht gesagt, worin er denn eigentlich die Rechtswidrigkeit der von ihm so gerügten und dann mit der Verurteilung in die Kosten bestraften Handlungsweise sieht.
Ich glaube also, daß der Gesetzgeber nicht nur berechtigt, sondern in diesem Fall sogar verpflichtet ist, diesem Übelstand abzuhelfen. Denn es ist mit dem Ansehen des Anwaltsstandes wirklich nicht vereinbar, wenn er auf die Dauer mit solchen Entscheidungen rechnen muß, ganz abgesehen davon, daß wir ja vielleicht in den kommenden Debatten über die Frage der Revision noch ähnliche Beschwerden wie die Zulassungsbeschwerde bekommen werden. Stellen Sie sich einmal vor, diese Entscheidungen würden dann Schule machen.
Wir sollten hier rechtzeitig eingreifen, und ich darf Sie alle bitten, zusammen mit unserer Fraktion dabei zu helfen, daß diese Vorschrift, die antiquiert ist und die mit der heutigen Stellung des Rechtsanwaltes in keiner Weise mehr vereinbar ist, beseitigt wird.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0410733700
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0410733800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist von der Berechtigung des Antrages der SPD nicht völlig überzeugt. Es mag sein, daß die Rechtfertigung des 4. Senats des Bundesgerichtshofs zu Kritik Anlaß gibt, und ich will auch gar nicht das Recht bestreiten, hier im Parlament eine solche Kritik vorzutragen. Nur möchte ich den Senat doch dagegen in Schutz nehmen, daß ihm eine mißbräuchliche Rechtsprechung vorgeworfen wird.

(Abg. Jahn: Bei dieser Bestimmung ja!)

Es dürfte auch nicht zutreffen, daß regelmäßig Anwälte in die Kosten verurteilt werden, wenn sie ein unzulässiges Rechtsmittel einlegen. Eine Entscheidung des Senats spricht es ja selber aus — ich glaube, Herr Kollege Reischl hat sie vorhin selber zitiert —, die Entscheidung vom 26. September 1962, NJW 1963 Seite 348. Es heißt darin:
... die Rechtsprechung des Senats (ergibt), daß die offensichtliche Unbegründetheit der Zulassungsbeschwerde für sich allein noch kein Grund ist, den Rechtsanwalt in die Kosten des Verfahrens zu verurteilen. Hinzu kommen muß ... vielmehr, ob ... den Rechtsanwalt ein grobes Verschulden trifft.
Ich halte es deshalb für keine gute Sache, wenn man anläßlich der Rechtsprechung eines Senats nun gleich eine solche Streichung eines Paragraphen vornehmen will, obwohl ich zugebe, daß man manchmal froh sein muß, wenn wieder einmal ein Paragraph gestrichen wird.

(Abg. Jahn: Aber es ist auch eine sehr dickköpfige Rechtsprechung!)

— Eine dickköpfige Rechtsprechung? Vielleicht gibt uns die Debatte Anlaß, die Rechtsprechung etwas zu überprüfen.
Ich will hier davon absehen, Einzelbeispiele zu zitieren, in denen nach meiner Auffassung — übrigens nicht nur in Entschädigungssachen — der § 102 mit Recht angewandt worden ist. Ich möchte mir vorbehalten, solche Einzelheiten im Rechtsausschuß vorzutragen.
Aber ich möchte doch darauf hinweisen, daß sich diese Regelung ähnlich auch in allen neueren Verfahrensgesetzen findet, also in Gesetzen, die dieses Haus geschaffen hat, von denen man nicht sagen kann, sie seien antiquiert. Sie findet sich in § 157 der Verwaltungsgerichtsordnung, in § 192 des Sozialgerichtsgesetzes, und die Regelung ist auch ent-



Bundesminister Dr. Bucher
halten in § 129 der Regierungsvorlage einer Finanzgerichtsordnung.

(Abg. Jahn: Das sind Anregungen zu weiteren Streichungen!)

— Nein, nicht weitere Streichungen, sondern ich möchte im Gegenteil darauf hinweisen, daß auch der moderne Gesetzgeber die Bestimmung noch für erforderlich gehalten hat. Ich darf auch darauf aufmerksam machen, daß es im ausländischen Recht entsprechende Bestimmungen gibt. Soweit mein Haus bis jetzt übersehen konnte — es handelt sich also nicht um eine vollständige Aufzählung —, gibt es eine solche Regelung in Frankreich, Belgien, Luxemburg, Italien, Osterreich, der Schweiz und in Schweden, also z. B. in allen EWG-Staaten. Diese Bestimmungen gehen sogar noch weiter. Frankreich bestimmt, daß Anwälte, welche die Grenzen ihres Amtes überschreiten, in die Kosten verurteilt werden. Italien formuliert: Aus ernstlichen Gründen kann die Verurteilung erfolgen. Osterreich formuliert wie wir. Die beste Formulierung hat — wie meist — die Schweiz, wo es schlicht und lapidar heißt: „Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht." Ich muß sagen: glücklich das Land, das sich solche Gesetzesbestimmungen leisten kann und sie praktiziert. Und vielleicht wäre der Stein des Anstoßes bei uns beseitigt, wenn wir keine Aufzählung von Einzelgruppen hätten, gegen die eine solche als diskriminierend empfundene Maßnahme gerichtet werden kann, sondern wenn auch wir eine allgemeinere Formulierung fänden.
So mag der Antrag der SPD andererseits das Gute haben, daß wir, wenn der Paragraph auch vielleicht nicht gestrichen werden sollte, doch zu einer besseren Formulierung als der bisher geltenden kommen und dazu beitragen, daß die Rechtsprechung hier den richtigen Weg findet.

(Vorsitz: Vizepräsident Schoettle.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0410733900
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0410734000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte namens der FDP-Fraktion zum Ausdruck bringen, daß wir dem Grundanliegen des Antrags der SPD-Fraktion zustimmen, nicht nur aus dem Grunde, Herr Kollege Reischl, den Sie anführen, daß hier Anwälte betroffen sind und daß das, was der Paragraph nennt, mit der Stellung des Anwalts als Organ der Rechtspflege nicht in Einklang zu bringen ist. Nein, ich habe nicht nur das Gefühl, daß diese Aufzählung, ich möchte fast sagen, willkürlich herausgegriffener Personengruppen — Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, gesetzliche Vertreter, Rechtsanwälte und andere Bevollmächtigte sowie Gerichtsvollzieher — eine Formulierung ist, die in ein modernes Prozeßrecht einfach nicht hineingehört. Ich darf deshalb die Anregung des Herrn Kollegen Bucher, daß wir versuchen sollten, neue Formulierungen zu finden, dahin verstehen, daß wir da, wo es wirklich notwendig ist, gewisse Kostenfolgen regeln sollten,
daß wir es aber bei dieser nun reichlich antiquierten Bestimmung nicht belassen sollten.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Jahn: Und uns gegen Mißbrauch wehren!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0410734100
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Rechtsausschuß überwiesen werden. Ich nehme an, daß das Haus einverstanden ist. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kriegsgräbergesetzes (Drucksache IV/1805).
Soll der Entwurf begründet werden? — Das Wort hat der Abgeordnete Anders.

Artur Anders (SPD):
Rede ID: ID0410734200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ihren Unterlagen haben Sie die Drucksache IV/1805. Sie enthält einen Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zur Änderung des Kriegsgräbergesetzes.
Das Hohe Haus hat im Jahre 1952 gegenüber den Kriegsgefallenen und Kriegsopfern eine Ehrenpflicht dadurch erfüllt, daß es ihre Gräber in den dauernden Schutz und die dauernde Obhut des Bundes bzw. der Länder nahm. Die Kriegsgräber sind restlos gesichert und werden durch das Gesetz für dauernd erhalten.
Anders steht es mit den in dem Gesetz den Kriegsgräbern gleichgestellten Gräbern der Opfer des Nationalsozialismus. Diese Gräber sind ebenfalls zu unterhalten. Aber sie sind nach dem Gesetz von 1952 nicht für dauernd gesichert. Nach den Friedhofsordnungen der Friedhöfe, auf denen sich diese Gräber befinden, laufen die Ruhensvorschriften aus, und die Gräber können eingeebnet und beseitigt werden.
Über diese Frage hat es schon mehrfach Debatten gegeben. Im Jahre 1953, kaum ein Jahr nach Inkrafttreten des Kriegsgräbergesetzes, wurde in einem Artikel des Bulletins des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung die Zahl der Toten des Zweiten Weltkrieges mit 55 Millionen angegeben. In diesem Artikel wurde ausdrücklich bestätigt, daß die KZ-Toten ebenfalls als Opfer des totalen Krieges gelten. Im Jahre 1953 war also die Frage der KZ-Toten einwandfrei geklärt.
Im Jahre 1962 hat die Sozialdemokratische Partei, weil zu der Zeit die Ruhensvorschriften noch liefen, an die Bundesregierung eine Kleine Anfrage gerichtet, die in der Drucksache IV/333 enthalten
ist. Diese Anfrage befaßte sich mit der Novelle zum Kriegsgräbergesetz, und in ihr wurde auf diese Fragen hingewiesen. Zehn Jahre, nachdem die Klarstellung hinsichtlich der KZ-Gräber vorgenommen worden war, tauchte nun in der Antwort der Bundesregierung auf diese Kleine Anfrage der Zweifel auf, ob es möglich sei, die KZ-Gräber den Kriegsgräbern im Sinne des Art. 74 des Grund-



Anders
gesetzes gleichzustellen. Wie man zu dieser Auffassung kam, bleibt uns rätselhaft.
Auf jeden Fall war diese Mitteilung der Bundesregierung ohne Zweifel die Ursache dafür, daß sich die Länder ebenfalls mit dieser Frage beschäftigten; sie haben das sowohl im Jahre 1962 als auch 1963 getan. Die Konferenz der Länderinnenminister hat vor einiger Zeit einen Entwurf zur Kriegsgräberfrage, insbesondere zur Frage der KZ-Gräber, erstellt.
Diesen Entwurf haben wir zu einem nicht unerheblichen Teil, ich möchte sagen, inhaltlich fast ganz, übernommen. Wir möchten der Innenministerkonferenz für die Arbeit, die sie sich gemacht hat, recht herzlich danken. Wir haben diesen Antrag eingebracht, weil wir eine solche Regelung für die KZ-Opfer für notwendig halten; sie ist auch wegen des Ansehens Deutschlands im Ausland erforderlich. Wir bitten, unserem Antrag stattzugeben und ihn an den zuständigen Ausschuß zu überweisen, damit der Entwurf recht bald Gesetz wird und dadurch auch die KZ-Opfer eine dauernde Ruhestätte haben.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0410734300
Der Gesetzentwurf ist begründet. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0410734400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann keinen Zweifel geben, daß die Materie, die Herr Kollege Anders hier vorgetragen hat und auf die sich der Gesetzentwurf bezieht, unter den strengen Gesetzen der Pietät und der Ehre steht. Darüber gibt es keinen Streit, weder hier im Hause noch sonstwo. Aber ich bin doch etwas überrascht darüber, daß die Opposition den Entwurf der Innenminister der Länder aufgenommen und hier dem Hohen Hause vorgelegt hat. Die Bundesregierung steht — das darf ich sagen — unmittelbar vor der Verabschiedung eines eigenen Entwurfs in dieser Frage, und zwar eines Entwurfs, der in einer sehr zweckmäßigen, verfassungsrechtlich korrekten und erschöpfenden Weise die anstehenden Fragen löst.

(Abg. Dr. Schäfer: Wo ist er denn?)

— Er liegt bereits beim Kabinett und dürfte in der nächsten Kabinettssitzung am kommenden Freitag verabschiedet werden.

(Abg. Dr. Schäfer: Dann haben wir ja erreicht, was wir wollten!)

— Nein, die Bundesregierung bedurfte gar keines Anstoßes. Wir stehen in dieser schwierigen Frage fortgesetzt in Beratungen mit den Ländern und mit den Beteiligten. Vor allem ist sichergestellt worden, daß die Betreuung dieser Gräber, soweit sie nicht unter das Kriegsgräbergesetz fallen können, ebenfalls gesichert ist, und zwar bis zum heutigen Tage und weiter bis zur Neuregelung dieser Materie.
Der Entwurf der Länder, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, den Sie sich angeeignet und den Sie hier vorgetragen haben,
enthält eine Lösung, die ausschließlich auf Kosten des Bundes geht. Und hier handelt ein Bundesorgan, der Bundestag, der, glaube ich, bei aller Freundschaft und bei aller Bejahung des föderalistischen Aufbaues die Interessen des Bundes in dieser Beziehung zu wahren hat. Unser Entwurf wird einmal eine gerechte und angemessene Kostenregelung treffen.
Mit ihrem Entwurf können Sie aber eins nicht erreichen: Sie können mit ihm die Absicht, die materielle Seite neu zu regeln, nicht verwirklichen, und zwar deswegen nicht, weil der Art. 74 Ziffer 10 des Grundgesetzes eine ausdrückliche Beschränkung der Gesetzgebungskompetenz vorsieht. Solange diese Gesetzgebungskompetenz nicht erweitert und ausgedehnt ist, ist die materielle Regelung nicht zu erreichen. Deswegen wird der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Verfassungsänderung und -ergänzung vorsehen, die unter dem Vorbehaltsrecht der Opposition steht. Ich habe keinen Zweifel, da sich die materiellen Auffassungen decken, daß Sie dieser Verfassungsänderung zustimmen und helfen werden, eine korrekte und ordnungsmäßige Lösung herbeizuführen.
Es gibt für die konkurrierende Initiativgesetzgebung aus dem Parlament heraus gewisse ungeschriebene Gesetze. Normalerweise ist ein Gegenentwurf, also eine verschiedene, entgegengesetzte Auffassung in der Sache, Anlaß zu einer solchen Initiative. Hier sehe ich aber keine konkurrierende materielle Auffassung.

(Abg. Dr. Schäfer: Daß nichts geschehen ist!)

— Daß nichts geschehen ist, wenn der Entwurf schon beim Kabinett ist? Da ist doch wahrscheinlich schon sehr viel geschehen.

(Abg. Dr. Schäfer: Aber nicht vor zwei und drei Jahren!)

— Aber jetzt! Wir haben abgewartet und haben vor allem dafür gesorgt, daß materiell nichts passiert und daß die Ruhestätten gesichert und so in Ehren gehalten werden, wie sie das der Sache nach verdienen.
Aber noch einmal: Ich bin überrascht und darf Ihnen hier mitteilen, der bessere Gesetzentwurf wird in wenigen Wochen dieses Haus erreichen.

(Zuruf von der SPD: Wir möchten ihn erst einmal sehen!)

— Das ist verfassungsrechtlich gar nicht zulässig. Schon deswegen ist es besser — —

(Abg. Dr. Schäfer: Wir sind interessiert!)

— Freut mich sehr. Ich nehme an, daß wir uns auf unseren Entwurf einigen werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0410734500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Ausschuß für Inneres überwiesen werden. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.



Vizepräsident Schoettle
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Serres, van Delden, Unertl, Dr. Schmidt (Wuppertal), Burckardt, Dr. Dörinkel und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes (Drucksache IV/1658).
Eine Begründung wird nicht gewünscht.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an den Außenhandelsausschuß überwiesen werden. — Das Haus ist mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dorn, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Wieninger, Lemmrich, Strohmayr, Schwabe und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Architektengesetzes (Drucksache IV/1706).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0410734600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit will ich mich auf wenige Worte der Begründung beschränken. Ich darf vielleicht die Sorgen einiger Kollegen dieses Hauses, die mir vorgetragen worden sind, schon vorab mit einigen Worten zerstreuen.
Einige Kollegen haben gemeint, wir wollten ein berufsständisches Ordnungsgesetz auf Bundesebene in Szene setzen, obwohl dazu der Bund gar nicht berechtigt ist. Darum, meine Damen und Herren, geht es mit diesem Gesetz absolut nicht.
Andere Damen und Herren haben gemeint, wenn wir dieses Gesetz in der vorgelegten Art beschließen, könnten vielleicht durch die Einfügung der Bestimmung über die Gebührenordnung für Architekten die Architektengebühren um ein Vielfaches steigen und die Baukosten sich damit erheblich vergrößern. Auch darum, meine Damen und Herren, geht es in diesem Gesetz nicht. Ich sage das, damit diese Dinge schon einmal vorab klar sind.

(Abg. Dr. Mommer: Vorläufig nicht!)

— Nein, darum geht es in diesem Gesetz überhaupt nicht, Herr Kollege Mommer.
Lassen Sie mich also jetzt etwas dazu sagen, was das Anliegen der Antragsteller aus den Fraktionen ist. Wir haben — das darf ich auch zu Punkt 1 meiner Bemerkungen sagen — die Frage der Länderkompetenzen hier besprochen. Wir haben dabei zu berücksichtigen, daß wir bereits jetzt Architektengesetze in vier verschiedenen Bundesländern haben, in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und im Saargebiet, und daß sich in einer Reihe weiterer Länder des Bundesgebiets bereits die Landesparlamente und die Regierungen mit Initiativgesetzen über die Ausführungsbestimmungen der Architektengesetze in den Ländern befassen.
Dieses Ihnen vorliegende Gesetz, meine Damen und Herren, wird ausdrücklich begründet mit Art. 74 Ziffer 11, nämlich mit der Gesetzgebungszuständigkeit für das Recht der Wirtschaft; das ist das einzige Recht, aus dem wir überhaupt eine Begründung eines solchen Gesetzes auf Bundesebene schöpfen können.
Sie werden also fragen: Warum wollt ihr nun eine solche Regelung durchführen? Lassen Sie mich sagen: Hierzu besteht ein konkreter Anlaß. Bei den Beratungen in Brüssel über das Niederlassungsrecht im EWG-Raum, bei den Beratungen über die Eingliederung — nächste Phase — in die EWG steht zur Zeit in der Beraterkommission und anschließend im Ministerrat die Frage des Niederlassungsrechts auch der deutschen Architekten zur Diskussion. Wir wissen, daß sich in der Behandlung dieser Fragen Entscheidungen anbahnen, die wir aus wirtschaftlichen Gründen und auch aus Gründen der Vertretung der deutschen Architektenschaft so nicht akzeptieren können. Ich darf hier an die Behandlung von beamtenrechtlichen Entscheidungen erinnern, die in Brüssel getroffen wurden. Wir wurden im Innenausschuß dieses Hauses immer wieder in die schwierige Lage gebracht, daß wir entweder die uns gar nicht zusagenden Entscheidungen von Brüssel insgesamt akzeptieren oder die ganze Vorlage ablehnen mußten, weil wir keine Einzelbestimmungen ändern konnten. Wir haben im Innenausschuß dieses Hauses mehrmals erhebliche Klage darüber geführt, daß nicht von vornherein die Vorstellungen des nationalen Parlaments — hier des Parlaments der Bundesrepublik Deutschland — bei den Beratungen in der Beraterkommission und auch im Ministerrat berücksichtigt worden sind. Es sind dort Weichen gestellt worden, die nachher von uns nicht mehr geändert werden konnten.
Wir wissen darüber hinaus, daß wir — der Bundeskanzler hat in seiner letzten Rede vor diesem Hause dazu Ausführungen gemacht — eine Reihe von Kompetenzen abgeben, ohne daß eine parlamentarische Kontrolle auf der nächsten Ebene, die unsere Kompetenzen übernimmt, bestehen wird.
Daher meinen wir, daß es dringend erforderlich ist, die Beratungsergebnisse, die sich zur Zeit in Brüssel anbahnen, jetzt schon mit einer richtigen Weichenstellung auf das richtige Gleis zu schieben. Wir wissen, daß die Vertreter Frankreichs und Italiens bei den vorbereitenden Besprechungen bereits sehr klare Ergebnisse und Entwicklungen vorgetragen haben, die wir aus unserer Sicht absolut nicht akzeptieren können.
Es ist davon gesprochen worden, daß von deutscher Seite das Niederlassungsrecht nur für die Absolventen der Universitäten und der Technischen Hochschulen in Deutschland gegeben werden könne, während die Absolventen der Ingenieurschulen vom Niederlassungsrecht ausgeschlossen werden sollten. Auf der anderen Seite soll aber z. B. das Niederlassungsrecht für die Absolventen der Ingenieurschule in Straßburg und in anderen Orten in Frankreich und Italien nunmehr in diesen Katalog aufge-



Dorn
nommen werden und das Niederlassungsrecht mit Zustimmung der deutschen Stellen dann eventuell für die Absolventen der Ingenieurschulen anderer Länder akzeptiert werden.
Wir sind der Meinung, daß hier von vornherein klargemacht werden muß, daß die Entscheidung über die Zulassung der Absolventen der Ingenieurschulen nicht gebunden sein kann, wie es die Franzosen und die Italiener in Brüssel vorschlagen, an die Abiturvoraussetzung zum Besuch der Ingenieurschulen in diesen Ländern, sondern daß für uns einzig und allein eine Begründung maßgebend ist, nämlich die Qualifikation der Ingenieurschulabsolventen beim Verlassen der Schule. Es steht eindeutig fest, daß nach den Lehrplänen, die wir von den Ingenieurschulen der anderen Länder vorliegen haben, in diesen Schulen keine anderen beruflichen Qualifikationen und Voraussetzungen erfüllt werden als bei den deutschen Ingenieurschulen. Deswegen meine ich, daß wir hier sehr schnell zu dem Ergebnis kommen sollten, das unser Antrag vorsieht.
Die materiell-rechtliche Lösung der Frage der Architekten-Berufsbezeichnung und die damit verbundenen Dinge können nur in den Landesparlamenten auf Grund der Kulturhoheit der Länder entschieden werden. Hier müssen wir aber dafür sorgen, daß die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Absolventen der deutschen Ingenieurschulen, die dann in einem viel größeren Ausmaß an diesen Dingen partizipieren könnten, geschaffen werden.
Wir wissen, daß man im Ausschuß über die eine oder andere Formulierung in diesem Gesetz noch reden muß. Wir sollten aber durch die Ausschußüberweisung und die Sachdiskussion im Ausschuß dafür sorgen, daß im Sinne dieses Antrags eine Lösung gefunden wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0410734700
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort hat der Abgeordnete Leber.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0410734800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit zu so später Stunde nicht allzu lange strapazieren. Aber nach den Ausführungen, die Herr Kollege Dorn eben zur Einbringung des Gesetzes gemacht hat, kann ich mir einige Bemerkungen nicht verkneifen. Ich erlebe das jetzt in meiner Tätigkeit innerhalb dieses Hohen Hauses seit ungefähr 12 bis 15 Jahren, daß in allen Stadien der Entwicklung unseres Landes von Architekten Versuche gemacht worden sind, besondere Architektengesetze einzubringen. Das fing 1946/47 an mit der Behauptung: wenn wir nicht ein Architektengesetz bekommen, in dem wir besonders geschützt werden, wird dieses Land nicht aufgebaut werden können. Dann ging es in den verschiedensten Stadien so weiter. Ich möchte das hier nicht alles wiederholen, sondern möchte nur sagen: Deutschland ist aufgebaut worden ohne Architektengesetz, und ich meine, es ist gar nicht schlecht geworden. Wenn es irgendwo zu Fehlschaltungen und Fehlplanungen gekommen ist, dann nicht nur, weil Architekten am Werk waren, die es vielleicht nicht so ,gründlich gelernt haben, wie manche das behaupten, sondern ich glaube, es ist genauso da geschehen, wo Architekten am Werk waren, die alle Diplome mitbrachten, die hier im einzelnen gefordert werden. Das wird auch in Europa so sein; auch Europa wird gebaut und weitergebaut werden können, ohne daß es einen geschützten Titel „Architekt" gibt. Es wird zwar bestritten und gesagt, es gehe in der Hauptsache nicht um den Titel. In Wirklichkeit geht es doch darum; denn in § 1 des Entwurfs wird der Titel besonders erwähnt, und nach § 5 des Entwurfs soll bestraft werden, wer den Titel führt, ohne nach § 1 dieses Gesetzes dazu berechtigt zu sein.

(Zuruf rechts: Nach den Länderbestimmungen berechtigt!)

— Das wird hier ausdrücklich zum Gegenstand eines Bundesgesetzes gemacht. Hier steht also dieser Entwurf nach meiner Auffassung schon in einem entscheidenden Widerspruch zu Art. 12 des Grundgesetzes; denn dort heißt es, Berufswahl und Berufsausübung sind frei. Das kann nur durch ein Gesetz nach Art. 19 des Grundgesetzes geändert werden, und da müssen höhere Rechtsgüter zu schützen sein. Nun möchte ich gerne einmal von den Herren Architekten, die sich so sehr dafür einsetzen, wissen, um welche höheren Rechtsgüter es dabei geht. Hier wird ja schließlich auch etwas aufs Spiel gesetzt.
Dazu kommt die Behauptung, man brauche ein solches Gesetz, weil es ,um die allgemeinen Belange der Bevölkerung und um die Sicherheit gehe. Meine Damen und Herren, für die Sicherheit ist der Architekt nie verantwortlich; er ist höchstens für die Planung und für die Kosten verantwortlich. Hinsichtlich des zweiten halte ich ihn schon nicht mehr für ganz so zuverlässig, weil die Planung bei ihm im Vordergrund steht. Er ist gewiß nicht für die Sicherheit verantwortlich; denn dort ist der Ingenieur, da ist der Statiker zuständig. Hierüber gibt es unter Fachleuten überhaupt keinen Streit. Wenn Sie ein Architektengesetz fordern, dann müssen Sie fairerweise auch für denjenigen, der für die Sicherheit verantwortlich ist, ein Gesetz fordern. Dann muß man den Betreffenden auch mit „Herr Statiker" anreden. So gut, wie der Planer ein Architektengesetz verlangen kann, kann der Ingenieur ein Statikergesetz verlangen.
Dann noch etwas! Ich habe als Schulbub schon immer gehört, die Architektur sei die Königin der bildenden Künste und demnach seien die Architekten die Könige unter den bildenden Künstlern. Nun, kann ,da nicht mit gleichem Recht nach Art. 12 des Grundgesetzes, wonach alle gleich behandelt werden müssen, weil es sich ja in gleicher Weise um bildende Künstler handelt, auch der andere verlangen, geschützt zu werden, daß wir ihn mit „Herr Maler", „Herr Kunstmaler", den anderen mit „Herr Bildhauer" und wieder einen anderen mit „Herr Komponist" oder vielleicht noch mit „Herr Dichter" anreden? Wo gibt es denn da die Unterschiede? Wie wollen Sie das begründen? Sie können auch schließlich nicht behaupten — wie das im letzten Absatz des § 1 des Entwurfs geschieht —, die Schönheit der Planung und wer weiß was alles sei davon abhängig.



Leber
Es gibt Beispiele in der ganzen Welt, gerade in Europa, Herr Kollege Dorn! Le Corbusier hat nie eine Schule besucht. Nach Ihren Vorstellungen würde er — wäre er es nicht schon, hätte er seinen Namen nicht schon —, so wie die Dinge sich im Wandel der Zeitläufte entwickelt haben, nie Architekt werden können oder sich nie „Architekt" nennen dürfen. Er ist es natürlich schon; ihn können Sie nicht wegschicken; aber es zu werden, wäre ihm wahrscheinlich nicht möglich.
Ich kenne so viele Architekten, die darüber eine, andere Meinung haben; wir haben ja viele Verbindungen miteinander. Es entspricht auch gar nicht der Freiheit, der Würde und dem Ansehen dieses Berufsstandes, sich hier durch einen Titel in einem Ghetto schützen zu lassen.
Meine Damen und Herren, mit dem Begriff „Architekt" ist doch etwas Freiheitliches verbunden, und ich weiß nicht, ob es gerade der Gesinnung, die Ihre Partei so groß auf ihre Fahnen schreibt, gemäß ist, hier ein Titelschutzgesetz zu fordern. Ein Architekt sollte sich seinen Rang und damit seinen Namen durch die Leistungen und durch das, was er draußen tut, erwerben; denn das ist ja lange sichtbar. Die Kulturen eines Volkes lassen sich an den Leistungen ihrer Architekten noch Generationen später ablesen. Für mich kommt es gar nicht darauf an, ob der Mann vor 2000 Jahren den Titel „Architekt" gehabt hat. Man kann heute noch beurteilen, ob etwas gut oder schlecht gewesen ist. Ich glaube, das sollte auch das Motto für die Architekten sein.
Im übrigen ist auch meine Fraktion dafür, daß die Architekten so behandelt werden, wie es den geordneten Verhältnissen eines Berufsstandes entspricht. Wir werden dafür im Ausschuß dann auch entsprechende Vorschläge zu machen haben. Dieser Entwurf ist mit dem, was er aussagt, allerdings keine geeignete Beratungsgrundlage.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0410734900
Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0410735000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Leber, daß Architekten in der großen Mehrheit freiheitlich eingestellte Menschen sind, darüber gibt es keinen Zweifel. Aber wir wollen diese Architekten hier auch nicht in ein Korsett pressen, das ihrer freiheitlichen Gesinnung nicht entsprechen würde. Ich glaube wirklich, Sie haben das, was wir mit diesem Gesetz wollen, nicht richtig erfaßt.
Ich darf Ihnen dazu sagen, daß Ihre Fraktionskollegen in vier Landesparlamenten — —

(Abg. Leber: Das sind alles Architekten!)

– Entschuldigung, das sind eben nicht alles Architekten. Ich hoffe, daß Ihre Fraktion auch noch andere Mitglieder außerhalb des Architektenberufs hat; denn so sehr ich die Architekten schätze und vertrete, weiß ich, daß sie nicht allein für viele Fragen zuständig sind. Dort haben Ihre Freunde diesen Architektengesetzen zugestimmt, die Sie hier kritisiert haben. Ihre Kritik richtet sich gegen etwas, was dieser Gesetzentwurf gar nicht zum Inhalt hat. Ihre
Kritik, Herr Kollege Leber — bei allem Wohlwollen —, ist wirklich an der Sache etwas vorbeigegangen.

(Abg. Leber: Wir sind ja im Bundestag; wir müssen es ein bißchen besser wissen als die Landtage!)

Wissen Sie, Herr Kollege Leber, vor 12 und 15 Jahren gab es noch keine EWG, und damals konnte niemand voraussehen, daß in allen anderen Ländern Architektengesetze vorhanden sein würden. Wir sind das einzige Land, in dem es keines gibt.

(Zuruf des Abg. Leber.)

— Hier geht es doch um bestimmte Dinge, die, aus dem Recht der Wirtschaft begründet, eine Position für unsere Architekten im Neugliederungsraum der EWG garantieren müssen, deren wir sonst verlustig gehen. Dann können eben viele nicht mehr die von ihnen geforderten Leistungen erbringen, weil sie in 'den Ländern des EWG-Raumes wegen des Fehlens eines solchen Gesetzes einfach kein Niederlassungsrecht haben und ihre Pläne dort nicht durchführen können.

(Abg. Leber: Das ist doch ein schwarzer Mann, den Sie da an die Wand malen!)

— Das hat nichts mit schwarzem Mann zu tun, das ist eine faktische gesetzliche Regelung; ob Ihnen und mir das paßt oder nicht, steht nicht zur Diskussion. Fragen Sie Ihren Kollegen Schmitt-Vockenhausen, in wievielen Sonderfällen wir uns schon über das, was in Brüssel geschehen ist, geärgert haben und versucht haben, es zu ändern. Aber wir konnten es einfach nicht ändern. Jetzt wollen wir von vornherein vermeiden, daß dieser Zustand erneut eintritt.
Die andere Frage, ob der Architekt für die Sicherheit zuständig ist, brauchen wir, Herr Kollege Leber, in diesem Hause gar nicht zu diskutieren. Diese Frage ist — allerdings in einem völlig anderen Sinne, als Sie es vorgetragen haben — in den Landesgesetzen nunmehr beantwortet. Denken Sie an die Bestimmungen über den verantwortlichen Bauleiter und all die Maßnahmen, die sich daraus ergeben.
Ich meine wirklich, wir können die Diskussion erst einmal zu Ende führen. Wir sollten uns im Ausschuß darüber unterhalten, aber wirklich mit der Zielsetzung, die dieses Gesetz hat, und wir sollten nicht Dinge hineingeheimnissen, die wirklich nicht gewollt sind.

(Beifall.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0410735100
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll überwiesen werden an den Wirtschaftsausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Mittelstandsfragen und an den Rechtsausschuß — mitberatend —. — Das Haus ist mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie eine Bemerkung des Präsidenten. Ich habe in der gerade abgeschlossenen Debatte zweimal die Bemerkung gehört, die Zeit sei vorgeschritten. Ich muß offen
4994 Deutscher Bundestag 4. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1964
Vizepräsident Schoettle
sagen: die Gewohnheiten dieses Hauses scheinen sich doch sehr zu wandeln, was die Vorstellungen von der für die Beratung notwendigen Zeit angeht. Die Besetzung des Hauses spricht für diese Wandlung, die ich allerdings nicht für besonders wünschenswert halte.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Lemmrich, Krug, Wagner, Porzner, Dr. Reischl, Dr. Supf, Schmidt (Kempten) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen (Drucksache IV/1722).
Eine Begründung wird nicht gewünscht. — Eine Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht. Die Vorlage soll nur an den Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen überwiesen werden. — Das Haus ist mit diesem Überweisungsvorschlag einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Margulies und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (Drucksache IV/1769).
Eine Begründung wird nicht gewünscht. Die Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht. Die Vorlage soll überwiesen werden an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft — federführend —, an den Ausschuß für Wirtschaft und den Ausschuß für Verkehr. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? — Das ist der Fall; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftskasse (Drucksache IV/1792).
Auch hier wird auf eine Begründung verzichtet. Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht. Das Gesetz soll überwiesen werden an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. — Das Haus ist mit diesen Vorschlägen einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Statistik der Arbeitskräfte in der Land-und Forstwirtschaft (Drucksache IV/1794).
Begründung wird nicht gewünscht. Eine Aussprache findet nicht statt. Die Vorlage soll überwiesen werden an den Ausschuß für Inneres — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Haushaltsausschuß. — Das Haus ist mit diesen Vorschlägen einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 14:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Bodennutzungs- und Ernteerhebung (Drucksache IV/1795).
Auf eine Begründung wird verzichtet. Keine Aussprache. Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Inneres — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Das Haus ist mit den Überweisungsvorschlägen einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen (Drucksachen IV/ 1649, IV/1495)

a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache IV/1843)
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (6. Ausschuß) (Drucksache IV/ 1765)

(Erste Beratung 100. und 85. Sitzung).

Ich eröffne die zweite Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den §§ 1, 2, 3, 4, 5 und 6 sowie der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Es liegt eine Erklärung des Herrn Abgeordneten Gscheidle im Namen der sozialdemokratischen Fraktion vor, die zu Protokoll genommen wird i). Das Wort wird sonst nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig verabschiedet.
Wir haben noch über den Antrag unter Ziffer 2 — Drucksache IV/1765 — abzustimmen, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Bundesbeamtengesetzes — Drucksache IV/1495 — im Hinblick auf den Beschluß zu 1. für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte "ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
*) Siehe Anlage 2



Vizepräsident Schoettle
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. August 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kolumbien über deutsche Vermögenswerte in Kolumbien (Drucksache IV/1653);
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusess (14. Ausschuß) (Drucksache IV/1783);

(Erste Beratung 98. Sitzung).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Beuster. Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort nicht.
Ich eröffne die Aussprache in zweiter Lesung. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe die einzelnen Artikel auf: Art. 1, — 2, —
3, — 4. — Wer diesen Artikeln zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung beschlossen. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen erfolgen nicht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu
3) erheben. — Danke! Die Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Das Gesetz ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 17:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Offshore-Steuergesetzes (Drucksache IV/1589);
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses

(14. Ausschuß) (Drucksache IV/1784);


(Erste Beratung: 96. Sitzung).

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Beuster. Der Berichterstatter verzichtet auf mündliche Ergänzung seines Berichts. Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe auf die Artikel 1, —2, — 3, —
4, — 5, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Das Gestz ist in der zweiten Beratung einstimmig verabschiedet.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in der Schlußabstimmung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke! Die
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 18:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 9. Dezember 1960 über die Zollbehandlung von Paletten, die im internationalen Verkehr verwendet werden (Drucksache IV/1585);
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (14. Ausschuß) (Drucksache IV/1785)

(Erste Beratung: 94. Sitzung).

Der Ausdruck Paletten braucht dem Hause vermutlich nicht näher definiert zu werden. Es handelt sich nicht um Malerpaletten. — Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Beuster. Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort nicht.
Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Ich rufe die Artikel des Gesetzes auf: 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Das Gesetz ist in zweiter Beratung verabschiedet.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen ist das Gesetz beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 19:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes (Drucksache IV/1587);
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (14. Ausschuß) (Drucksache IV/ 1786)

(Erste Beratung 96. Sitzung).

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schlick. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? —

(Abg. Schlick: Nein!)

— Das ist nicht der Fall. Die Aussprache in zweiter Beratung ist eröffnet. Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Ich rufe auf die Artikel 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen, ohne Enthaltungen ist das Gesetz in der zweiten Beratung verabschiedet.



Vizepräsident Schoettle Ich eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Danke, Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen ist das Gesetz einstimmig verabschiedet.
Wir kommen zum Punkt 20 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Übergang des zur Bundeswasserstraße Elbe gehörigen Nebenarms „Alte Süderelbe" auf die Freie und Hansestadt Hamburg (Drucksache IV/1593);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes (28. Ausschuß) (Drucksache IV/1813)

(Erste Beratung 96. Sitzung).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Busch. Der Herr Berichterstatter verzichtet auf die Ergänzung seines Berichts.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Ich rufe auf Art 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift des Gesetzes. — Wer diesen aufgerufenen Artikeln zu- stimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig in zweiter Beratung verabschiedet.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Danke. Gegenprobe! — Das Gesetz ist einstimmig verabschiedet.
Ich rufe auf den Punkt 21 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes (28. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der Graf-Goltz-Kaserne in Hamburg-Rahistedt an die Firmen Geyer-Werke GmbH und Deutsche Wochenschau GmbH (Drucksachen IV/1579, IV/1767).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Mälzig. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Zur Abstimmung steht der Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/1767: Der Bundestag wolle beschließen, dem Antrag gemäß § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung usw. zuzustimmen. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Beschluß des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 22:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines Teils der ehemaligen Artillerie-Kaserne in Göttingen-Weende an das Land Niedersachsen (Drucksache IV/1773).
Der Antrag soll überwiesen werden an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes. Das Haus ist mit der Überweisung an diesen Ausschuß einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Punkt 23:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der bundeseigenen Grundstücke in Köln, Bonner Wall 108-120 und Vorgebirgstraße 49, an die Erwerbsgemeinschaft „Bonner Wall" (Drucksache IV/1830).
Diese Vorlage soll ebenfalls an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes überwiesen werden. — Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 24:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. verfassungsrechtliche Prüfung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) in der vom 1. April bis 31. August 1957 geltenden Fassung, soweit es keine Vorschrift enthält, mit der die auf deutschen Seeschiffen beschäftigten und über die Jahresarbeitsverdienstgrenze der Angestelltenversicherung hinaus verdienenden Angestellten von der Arbeitslosenversicherung ausgenommen werden (Drucksache sache IV/1825).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Benda. Herr Abgeordneter Benda verzichtet auf die Ergänzung seines Berichts.
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen, in dieser Streitsache von einer Äußerung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 25:
Beratung der Übersicht 19 des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/1841).
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen, von einer Äußerung zu den nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dem



Vizepräsident Schoettle
Bundesverfassungsgericht. abzusehen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 26 auf:
a) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Siebenunddreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Zeitungsdruckpapier) (Drucksache IV/1796)
b) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Achtunddreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Kolophonium) (Drucksache IV/ 1798)
c) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Neununddreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingente 1964 — gewerbliche Waren) (Drucksache IV/1799)
d) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Vierzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Verschnittrotwein) (Drucksache IV/1791)
e) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Einundvierzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Naturkork) (Drucksache IV/ 1793)
f) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Zweiundvierzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Eisen- und Stahlpulver) (Drucksache IV/1800)
g) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Vierundvierzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollaussetzungen 1964) (Drucksache IV/1809).
Die Vorlagen sollen alle an den Außenhandelsausschuß überwiesen werden. Das Haus ist mit diesen Vorschlägen einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 27 auf:
Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Achtundzwanzigste und Einunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1781, IV/1782, IV/1835).
Das Haus wird gebeten, von dem Bericht des Außenhandelsausschusses Kenntnis zu nehmen.

(Zustimmung.)

— Das Haus nimmt Kenntnis.
Zu Punkt 28 a der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung Nr..... des
Rats über die Finanzierung der Ausgaben für Interventionen auf dem Binnenmarkt für Getreide (Drucksachen IV/1768, IV/1833).
Ich bin unterrichtet worden, daß der mitberatende Wirtschaftsausschuß noch nicht in der Lage war, über diesen Punkt Beschluß zu fassen, und er bitte, die Beschlußfassung auszusetzen und erst in der nächsten Plenarsitzung vorzunehmen. Das würde bedeuten, daß wir in der Sitzung am Freitag — nicht in der morgigen Sitzung, weil der Wirtschaftsausschuß erst morgen Stellung nehmen kann — außer der Fragestunde noch diesen Punkt der Tagesordnung zu behandeln hätten. Ist das Haus damit einverstanden?

(Zustimmung.)

— Das ist der Fall. Dann wird so verfahren. Punkt 28b :
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnungen Nr. 20, 21 und 22 des Rats hinsichtlich der Erstattungen bei der Ausfuhr nach Mitgliedstaaten (Drucksachen IV/1777, IV/1834).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Krug. Der Herr Berichterstatter wünscht nicht das Wort. Eine Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht. Der Antrag des Ausschusses lautet, den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis zu nehmen. Das Haus ist bereit, diesem Wunsche zu folgen? — Es nimmt Kenntnis.
Punkt 28 c:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats, in der gemeinsame Grundsätze und ein gemeinschaftliches Verfahren für den handelspolitischen Schutz der EWG gegenüber anomalen Praktiken von Drittländern festgelegt werden (Drucksachen IV/1739, IV/1836).
Der Antrag des Ausschusses lautet, den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis zu nehmen. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich frage das Haus, ob es Kenntnis zu nehmen bereit ist. — Das scheint der Fall zu sein. Dann ist in diesem Sinne beschlossen.
Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Müller-Hermann, Holkenbrink, Lemmrich und Genossen und Fraktion der CDU/CSU
betr. Gewichte und Abmessungen der zum
Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten der



Vizepräsident Schoettle
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zugelassenen Nutzkraftfahrzeuge (Drucksachen IV/805, IV/1819).
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Schmidt, wünscht das Wort nicht.

(Abg. Schmidt [Braunschweig] : Nein!)

Wer dem Antrag des Ausschusses — auf der Rückseite der Drucksache IV/1819 — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe Punkt 30 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Eisenmann, Dr. Löbe, Rademacher, Ramms und Genossen
betr. Verlängerung der Auslauffristen für Kraftfahrzeuge und Anhänger (Drucksachen TV/762, IV/1818).
Der Abgeordnete Schmidt (Braunschweig) als Berichterstatter wünscht das Wort nicht. Der Antrag des Ausschusses lautet, den Antrag Drucksache IV/262 durch die inzwischen erfolgten Maßnahmen der Bundesregierung für erledigt zu erklären. Wer stimmt diesem Antrag des Ausschusses zu? — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Punkt 31:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Verordnung über die Höhe des Tage- und Übernachtungsgeldes und des Beschäftigungstagegeldes der Beamten (Drucksache IV/1802).
Das Wort wird nicht gewünscht. Der Antrag soll an den Ausschuß für Inneres — federführend — und an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. — Das Haus ist mit diesem Überweisungsvorschlag einverstanden; es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 23. Januar, 12. Uhr.
Ich schließe die Sitzung.