Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche des Hauses aus dem Herrn Kollegen Schlick zu seinem 65. Geburtstag am 15. November
sowie dem Herrn Kollegien Dr. Dr. h. c. Friedensburg zu seinem heutigen 74. Geburtstag.
Ich begrüße ein neues Mitglied des Bundestages, den Herrn Abgeordneten Lautenschlager, in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind die Punkte 7, 17 und 29 von der Tagesordnung abgesetzt. Es tut mir leid; das war im Ältestenrat alles andere als vereinbart, aber offenbar haben sich die Herren Fraktionsgeschäftsführer, einem höheren Zwang folgend, zu diesen Vorschlägen an das Plenum entschließen müssen. Ich mache nur darauf aufmerksam, daß damit die Tagesordnung wesentlich in sich zusammenfällt. Ich bedaure das.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 11. November 1960 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt:Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens
Fünftes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen DienstesGesetz zu dem Abkommen vom 4. September 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über den LuftverkehrGesetz zu dem Abkommen vom 22. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Afghanistan über den LuftverkehrZweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den LadenschlußGesetz zum Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1958 über die Diskriminierung in Beschaftigung und Beruf.In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat zumGesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Notarrechts und zumGesetz über die Statistik der Wirtschaftsrechnungen privater Haushalteverlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Seine Schreiben sind als Drucksachen 2223 und 2224 verteilt.Wir beginnen mit dem ersten Punkt der Tagesordnung:Fragestunde .Darf ich fragen, wo der Vertreter des Auswärtigen Amts ist. — Herr Schönfeld, sorgen Sie bitte dafür, daß der Herr Minister oder der Herr Staatssekretär unverzüglich hier erscheint.Ich rufe dann zunächst ,die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Ist der Herr Abgeordnete Baier im Saal?
— Die Frage zurückstellen? — Das fängt gut an, sowohl von seiten der Abgeordneten wie der Regierung.Ich rufe dann zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Ist der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen anwesend? — Damit ist die Situation gerettet.
— Die Frage ist zurückgestellt?!
— Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die ganz gut angelaufene neue Fragestunde nicht auf diese Weise zu gefährden bzw. zu ruinieren.
Wir kommen dann zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ist der Herr Abgeordnete Dröscher im Saal? — Er ist nicht anwesend; die Frage wird nicht beantwortet.Ich rufe dann die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Ist die Abgeordnete Frau Bennemann im Saal?— Ja, sie ist anwesend. Der Herr Bundesminister?— Der Herr Staatssekretär? — Sie sind nicht da.
— Meine Damen und Herren, das geht haarscharf zu weit.
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7570 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Präsident D. Dr. Gerstenmaier — Ich sehe, daß der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts soeben gekommen ist.Ich rufe damit die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf, zunächst die Frage I/1 — des Abgeordneten Kreitmeyer —:Wie oft hat das Auswärtige Amt mit dem Ministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes vor Unterzeichnung der Zusatzvereinbarungen zum neuen Truppenvertrag am 3. August 1959 und nach diesem Datum über die Frage verhandelt, ob es eine Möglichkeit gibt, den englischkanadischen Truppen anderwärts Land für ihre ständigen Übungen zur Verfügung zu stellen?Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte sehr um Verzeihung, daß ich mich etwas verspätet habe. Ich hatte noch eine Erklärung in einem anderen Kreise abzugeben, der diesem Hause nicht fernsteht.
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer. Die Frage, ob eine Möglichkeit besteht, den britischen und kanadischen Truppen anderwärts Land für solche ständigen Übungen zur Verfügung zu stellen, wie sie nach dem Soltau-Lüneburg-Abkommen vorgesehen sind, wurde vor und während der Verhandlungen über die Zusatzvereinbarungen zum NATO-Truppenstatut in zahlreichen Ressortbesprechungen erörtert. An diesen Ressortbesprechungen, die ich im einzelnen nicht nachzählen konnte, haben nach der Errichtung des Bundesministeriums für wirtschaftlichen Besitz des Bundes auch dessen Vertreter regelmäßig teilgenommen. Ferner haben nach der Unterzeichnung des SoltauLüneburg-Abkommens wiederholt derartige Besprechungen unter Beteiligung des Bundesministeriums für wirtschaftlichen Besitz des Bundes stattgefunden. An einer derartigen Besprechung, die am 21. Juni 1960 stattgefunden hat, haben auch Sie, Herr Abgeordneter, teilgenommen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob dabei auch die Liegenschaften der bundeseigenen Gesellschaften mit berücksichtigt worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit mir bekannt, sind alle Liegenschaften geprüft worden, die im Verfügungsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftlichen Besitz des Bundes stehen.
Keine weitere Zusatzfrage?
Frage I/2 — des Herrn Abgeordneten Altmaier —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich vor einigen Tagen zwei junge amerikanische Soldaten im Garnisonsort Hanau im betrunkenen Zustand eines Panzerwagens bemächtigten, mit diesem Kriegsfahrzeug durch die Straßen der Stadt rasten und ein 16jähriges Mädchen zu Tode fuhren?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, Herr Abgeordneter Altmaier hat drei Fragen gestellt, die sich auf Straftaten und Belästigungen durch amerikanische Soldaten beziehen, die im Lande Hessen stationiert sind. Darf ich um Erlaubnis bitten, die drei Fragen im Zusammenhang zu beantworten?
Bitte sehr, also auch die Fragen I/3 und I/4 — des Abgeordneten Altmaier —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Benehmen junger amerikanischer Soldaten im Kreis Gelnbausen den Unwillen kirchlicher Behörden ei regt und das bisherige gute Einvernehmen mit der deutschen Bevölkerung stört?
Ist die Bundesregierung bereit auch im Interesse der Fortdauer der guten Beziehungen zwischen der deutschen Bevölkerung und den amerikanischen Truppen mit den zuständigen amerikanischen Behörden über geeignete Vorkehrungen zu verhandeln, die dazu dienen, die in den Fragen I/2 und I/3 aufgeführten Zwischenfälle zu vermeiden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur ersten Frage. Der Vorfall im Garnisonsort Hanau am Main ist der Bundesregierung bekannt. Er war bereits Gegenstand einer Besprechung zwischen dem Herrn Minister des Innern des Landes Hessen und den zuständigen amerikanischen Dienststellen. Die Ermittlungen sind abgeschlossen worden. Am 21. November dieses Jahres soll der Fall in Frankfurt am Main vor einem amerikanischen Militärgericht verhandelt werden. Die beiden Soldaten sind wegen Totschlags angeklagt.Zur zweiten Frage. Das Benehmen junger amerikanischer Soldaten im Kreise Gelnhausen, das den Unwillen kirchlicher Behörden erregte, war ebenfalls bereits Gegenstand einer Besprechung zwischen dem Herrn Minister des Innern des Landes Hessen und den zuständigen amerikanischen Behörden. Die zuständigen amerikanischen Dienststellen wurden dabei unter Hinweis auf verschiedene in letzter Zeit begangene Straftaten und erfolgte Belästigungen der Bevölkerung durch amerikanische Soldaten um sofortige Abhilfe gebeten. Die amerikanischen Streitkräfte haben dem Herrn hessischen Minister des Innern am 26. Oktober 1960 schriftlich mitgeteilt, daß von ihnen sofort Maßnahmen zur Unterbindung weiterer Zwischenfälle eingeleitet worden seien. Sie haben zugesichert, daß der Herr Minister des Innern des Landes Hessen laufend über die durchgeführten Maßnahmen unterrichtet würde. Der Herr hessische Innenminister hat auch die zuständigen kirchlichen Stellen über das von ihm Veranlaßte in Kenntnis gesetzt.Und nun zur letzten Frage. Die auf Anfrage des Auswärtigen Amts vom Herrn hessischen Minister des Innern am 15. November 1960 erteilte Auskunft zu den beiden erstgenannten Fragen läßt erkennen, daß bereits die Landesregierung Hessen für eine Abstellung der Ausschreitungen amerikanischer Soldaten sorgt. Es erscheint daher im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erforderlich, daß auch die Bundesregierung bei amerikanischen Stellen Schritte unternimmt.Ich möchte hier aber noch zusammenfassend sagen, daß wir in den Fällen, wo sich solche Unstimmigkeiten und Disziplinlosigkeiten ergeben,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7571
Dr. van Scherpenbergeigentlich stets bei den amerikanischen Militärbehörden das größte Verständnis gefunden und ihren guten Willen zur aktiven Abstellung solcher Mißstände angetroffen haben.
Eine Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Kohut!
Herr Staatssekretär, warum hat man nicht erreicht, daß die amerikanischen Truppen aus dem Raum Hanau-Gelnhausen, die doch schon seit längerer Zeit unangenehm hervortreten und zahlreiche Ausschreitungen begangen haben, durch andere Truppen aus der Heimat abgelöst werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin gern bereit, diese Frage zu prüfen; ich kann sie im Augenblick nicht beantworten.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Frage des Abgeordneten Baier :
Bis wann rechnet die Bundesregierung mit der Vorlage des Gutachtens der „Drei Weisen" zur Baden-Frage?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Dr. Anders.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach einer Mitteilung des Vorsitzenden der Sachverständigenkommission für die Baden-Frage, Herrn Professor Herbert Krüger, Hamburg, ist mit der Vorlage des Gutachtens bis zum Ende des Jahres zu rechnen. Nach Drucklegung des Gutachtens geht allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages ein Exemplar zu.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Frage des Abgeordneten Dröscher:
Trifft es zu, daß im Land Rheinland-Pfalz insgesamt 840 000 DM öffentlicher Mittel aus verfehlten Ansiedlungsvorhaben heimatvertriebener Landwirte wegen Aufgabe der Betriebe nicht zurückgezahlt werden können, während im Land Hessen bei fast der doppelten Anzahl an Siedlerstellen aus dem gleichen Grunde nur 26 000 DM verlorenzugehen drohen?
Herr Bundesernährungsminister Schwarz!
Nach den bisherigen Meldungen der Länder, der Deutschen Siedlungsbank und der Deutschen Landesrentenbank belaufen sich die Forderungen des Bundes, des Landes und des Ausgleichsfonds — also öffentliche Mittel — bei Ansiedlungsvorhaben heimatvertriebener Landwirte, die voraussichtlich uneinbringlich sind, im Lande Rheinland-Pfalz nicht auf 840 000, sondern nur auf 228 000 DM und im Lande Hessen nicht auf 26 000, sondern auf rund 104 000 DM.
Diese möglichen Ausfälle an öffentlichen, für die Siedlung gegebenen Mitteln in den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz gehen nicht auf eine verfehlte Siedlungspolitik zurück. Sie haben die verschiedenartigsten Gründe, die zum Teil weder von dem
Siedler noch von der öffentlichen Hand zu vertreten sind, zum Teil in einem schuldhaften Verhalten des Siedlers liegen. Mit welchen Ausfällen endgültig gerechnet werden muß, läßt sich zur Zeit noch nicht sagen, da sich ein großer Teil der Fälle noch in der Abwicklung befindet.
Eine Zusatzfrage?
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die von mir angegebenen Zahlen einer Veröffentlichung des Bundesverbandes der vertriebenen Bauern entstammen?
Das ist mir nicht bekannt, Herr Abgeordneter. Die von mir wiedergegebenen Zahlen entsprechen aber den Meldungen der verschiedenen Länder.
Eine letzte Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, welche Vorstellungen für eine Bereinigung der Fälle hat die Bundesregierung, wenn sie nicht beabsichtigt, die unschuldigen Opfer einer verfehlten Ansiedlung, die mittlerweile in anderen Berufen unterkommen mußten, lebenslänglich mit Zins- und Tilgungsleistungen belastet zu halten?
Da die den Vertriebenen gewährten Darlehen zinsfrei sind, kann es sich zunächst nur um Tilgungsleistungen handeln. Im übrigen ist erfahrungsgemäß ein erheblicher Teil der Darlehen später gegen die Hauptentschädigung aufzurechnen, so daß auch von dieser Seite her keine zusätzliche Belastung eintritt. Eine derartige Rückzahlungsforderung kann übrigens nur ,dann vollstreckt werden, wenn der Betreffende sich in einer erheblich verbesserten Vermögens- und Einkommenssituation befindet. Aus diesen Gründen glaube ich Ihnen die Antwort geben zu können, daß nichts geschieht, um die Betreffenden in eine unangemessene Notlage zu bringen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rehs?
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, 'daß dann, wenn einwandfrei kein Verschulden der vertriebenen Pächter vorliegt, sie in jedem Falle von dieser Schuld freigestellt werden müssen?
Herr Abgeordneter, diese Zusicherung vermag ich Ihnen nicht zu geben. Es wird in jedem Falle geprüft werden, welche Möglichkeiten bestehen, den betreffenden Siedlern weitestgehend entgegenzukommen.
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7572 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Eine weitere Zusatzfrage?
Sind Sie bereit, hierüber eine eingehende und sämtliche Fälle berücksichtigende schriftliche Darstellung zu geben, damit wir diese Fälle nachprüfen können? Sind Sie insbesondere bereit, diese Frage für alle Länder zu klären und hierüber Bericht zu erstatten?
Es ist mir unmöglich, Ihnen eine derartige Zusage zu geben, Herr Abgeordneter. Ich werde aber prüfen lassen, um wie viele Fälle es sich überhaupt handelt. Ich kann im Augenblick keine Auskunft darüber geben, welchen Umfang eine solche Ermittlung unter Umständen annimmt.
Wir kommen zu ,der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage .der Frau Abgeordneten Bennemann auf:
Ist die Regierung dei Ansicht, daß das noch geltende Gelangenen-Unfallfürsorge-Gesetz aus dem Jahre 1900 den gegenwärtigen Auffassungen über eine moderne Sozialgesetzgebung entspricht?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Arbeit!
Das Gesetz betreffend die Unfallfürsorge für Gefangene vom 30. Juni 1900 lehnt sich in wesentlichen Fragen an das Unfallversicherungsrecht der freien Arbeiter an. Abgesehen von der sozialpolitischen Erwägung, daß erst das Recht der freien Arbeiter und anschließend hieran das der Gefangenen neu geregelt werden sollte, hat es die Bundesregierung auch aus diesen gesetzestechnischen Erwägungen für sinnvoll erachtet, die Verabschiedung des dem Bundestag vorliegenden Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes abzuwarten, um dann den Entwurf eines neuen Gefangenen-Unfallfürsorge-Gesetzes vorzulegen.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, können Sie sagen, wie Lange es dauern wird, bis wir einen solchen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen?
Ich sagte eben: Die Bundesregierung hat es für zweckmäßig angesehen, mit der Vorlage eines solchen Gesetzentwurfs zu warten, bis der diesem Bundestag vorliegende Gesetzentwurf zur Neuregelung der Unfallversicherung für die freien Arbeiter verabschiedet ist.
Eine zweite Zusatzfrage?
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß selbst in Ihrem Ministerium die Einsicht besteht, daß dieses Gesetz schon zum Antiquariat gehören sollte?
Der Bundesregierung steht keine Kritik daran zu, wie und wann das Hohe Haus vorliegende Gesetzentwürfe zu verabschieden gedenkt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Ich rufe auf die Frage VI/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut —:
Glaubt die Bundesregierung, daß es der rechtlichen und moralischen Position des freien Teils Deutschlands in Berlin nützt, wenn der Inspekteur der Bundesmarine, Vizeadmiral Ruge, in einer Pressekonferenz erklärt, das bisher größte Schiff der Bundesmarine, das ursprünglich den Namen Berlin erhalten sollte, könne „aus politischen Gründen" nicht auf diesen Namen getauft werden, der Name Berlin sei „im Augenblick nicht zweckmäßig"?
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Namengebung für Kriegsschiffe der Bundesmarine auch nach gewissen politischen Gesichtspunkten überprüft werden mußte und muß. Deshalb hat Admiral Ruge bei der Pressekonferenz am 5. November 1960 laut „Kieler Nachrichten" vom 7. November 1960 erklärt --- ich zitiere —:
Im Jahre 1957 war von uns eine Liste über die geplanten Neubauten aufgestellt worden. Damals sollte das Schulschiff den Namen „Berlin" bekommen. Inzwischen haben sich die politischen Verhältnisse aber derart verändert, daß der Name „Deutschland" zweckmäßiger erschien. Ich glaube, ich brauche dafür keine besondere Erklärung abzugeben.
Soweit Admiral Ruge.
Der Bundesverteidigungsminister ist der Meinung, daß es durchaus einer Tradition im guten Sinne des Wortes entspricht und daß andererseits keine politischen Bedenken bestehen, wenn das größte Kriegsschiff der Bundesmarine den Namen „Deutschland" trägt. Da dieses Schiff in erster Linie für Ausbildungsaufgaben, insbesondere für die seemännische und waffentechnische Ausbildung der zukünftigen Marineoffiziere bestimmt ist, konnte dieser Name mit gutem Gewissen gewählt werden. Es erscheint der Bundesregierung zweifelhaft, ob die Verleihung des Namens „Berlin" für ein Kriegsschiff der Bundesmarine die rechtliche und moralische Position des freien Deutschlands in Berlin wirklich zu unterstützen geeignet ist. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß gerade im Zusammenhang mit Berlin von seiten der Bundesrepublik jede Anspielung auf militärische Mittel vermieden werden sollte. Diese Auffassung stimmt durchaus mit der Tatsache überein, daß die Bundesrepublik mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln die für die Sicherheit Berlins im besonderen verantwortlichen westlichen Garantiemächte unterstützt.
Frage VI/ 2 — Herr Abgeordneter Folger —:Wann und wo in der sowjetzonalen Presse und in welcher Zeitung der Bundesrepublik ist absolut derselbe Wortlaut eines Inserats gegen die Atomrüstung erschienen, wie von Herrn Staatssekretär Hopf in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 26. Oktober 1960 behauptet wurde?Zur Beantwortung der Herr Bundesverteidigungsminister.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7573
Ich beantworte die Frage folgendermaßen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist richtig, daß ein Angehöriger des Pressereferates des Bundesministeriums den Herrn Redakteur Schilling vom „Allgäuer" telefonisch auf eine am 6. August 1960 in dieser Zeitung veröffentlichte Anzeige des Komitees gegen Atomrüstung hingewiesen und zu bedenken gegeben hat, daß der Wortlaut dieser Anzeige wörtlich mit den Formulierungen der sowjetzonalen Presse übereinstimme, so daß damit der „Allgäuer" sich, wenn auch selbstverständlich unbeabsichtigt, zum Sprachrohr der kommunistischen Presse mache.
Hier ist also nicht von einem wörtlich gleichlautenden Inserat einerseits in der sowjetzonalen Presse und andererseits im „Allgäuer" die Rede.
In der sowjetzonalen Presse bedarf es sicherlich keines Inserats, wenn gegen die Erfüllung der Bündnisverpflichtungen durch die Bundesrepublik und insbesondere gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit modernen Waffen Propaganda betrieben werden soll. In der diktatorisch gelenkten Einheitspresse der sowjetischen Besatzungszone wird die von der kommunistischen Zentrale vorgeschriebene Agitation gegen Aufstellung und Ausrüstung der Bundeswehr ohnehin im gesamten Textteil betrieben.
Um nochmals klarzustellen, was Staatssekretär Hopf in seiner Antwort gesagt hat, darf ich den Text des zitierten Inserates im „Allgäuer" in der Nummer vom 6./7. August 1960 verlesen. Das Inserat hat folgenden Wortlaut:
Heute vor fünfzehn Jahren fiel die erste Atombombe auf Hiroshima und mordete 240 000 unschuldige Menschen. Wo soll die nächste Bombe fallen? Die Atomraketen der Bundeswehr können nur deutschen Boden verwüsten. Wollen Sie mitschuldig werden an diesem Verbrechen? — Nein? Und was tun Sie dagegen? Wir warten auf Ihre Hilfe! Schreiben Sie an Komitee gegen Atomrüstung e. V. Gruppe Kempten, Haubenschloßstraße 28. Hände weg vorn Brudermord!
Ich darf dazu aus der unerschöpflichen Fülle des zur Verfügung stehenden Materials auf folgendes hinweisen. Im „Neuen Deutschland" vorn 20. Juni 1960 steht folgender Artikel. Ich zitiere wörtlich — also eine kommunistische Quelle. Es heißt dort:
500 Sozialdemokraten und DGB-Mitglieder
rufen auf: Aktionen nach japanischem Beispiel!
Es heißt im Textteil aus Leipzig:
Die 500 Sozialdemokraten und Gewerkschaftler aus Nordrhein-Westfalen, die am Wochenende in Leipzig an einem großen gesamtdeutschen Gespräch teilnahmen,
nahmen einmütig — —
— Ich zitiere eine kommunistische Quelle!
- Ich sage ausdrücklich: ich zitiere eine kommunistische Quelle, und wir wissen, was von der Glaubhaftigkeit kommunistischer Quellen zu halten ist.
Meine Damen und Herren! Während der Fragestunde gibt es keine Debatte.
Ich zitiere weiter:
— — nahmen einmütig eine Entschließung an, in der sie erklärten: „Der Deutschlandplan des Volkes weist uns den Weg, den die einheitlich handelnde Arbeiterklasse gehen muß, um den Frieden in Deutschland zu sichern und die Wiedervereinigung zu einem friedliebenden, demokratischen Staat auf dem Wege der Konföderation herbeizuführen. Die Arbeiterschaft ganz Westdeutschlands wäre einheitlich kämpfend in der Lage, den Militarismus, der den Blitzkrieg, Brudermord und Atomtod vorbereitet, zu bändigen und zu vernichten. Wir rufen alle Arbeiter, Gewerkschaftler und Patrioten im Kampf um die Erhaltung des Friedens und für die Bändigung des Militarismus in Westdeutschland auf: Führt nach dem Beispiel des japanischen Volkes große Kampfaktionen in Westdeutschland gegen den Militarismus, erhebt die Forderung in Kampfdemonstrationen und Massenstreiks. Heraus mit Westdeutschland aus der NATO!
Derartige Dokumente sind in unzähliger Fülle seit dem März 1948 in immer gleichen oder ähnlich lautenden Formulierungen in der sowjetzonalen — naturgemäß einheitlich kommunistischen — Presse zu finden. Niemand kann bestreiten, daß die Formulierung des Inserats — nicht hinsichtlich des politischen Hintergrundes — hinsichtlich der sich ausschließlich gegen die Bundeswehr und gegen die Verpflichtungen der Bundesrepublik in der NATO richtenden Tendenz und daß insbesondere der verbale Wortlaut eine ganz fatale Übereinstimmung
mit der kommunistischen Presse aufweisen. Das waren die Ausführungen, die Staatssekretär Hopf gemacht hat.
Eine Zusatzfrage?
Herr Bundesminister, ist Ihnen entgangen, daß Herr Staatssekretär Hopf in seiner Antwort auf meine Zusatzfrage wörtlich gesagt hat, der Angestellte des Bundesverteidigungsministeriums
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7574 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Folgerhabe den Redakteur darauf aufmerksam gemacht, daß in der sowjetzonalen Presse und in einer Zeitung der Bundesrepublik absolut derselbe Wortlaut erscheint, und ist es Ihnen entgangen, daß Ihre Antwort mit meiner Frage gar nichts zu tun hat?
Ich habe den Wortlaut der Frage und den Wortlaut der Antwort, die Staatssekretär Hopf gegeben hat, aus dem Protokoll entnommen. Hier heißt es — ich darf es nochmals sagen —, „daß der Wortlaut dieser Anzeige wörtlich mit den Formulierungen der sowjetzonalen Presse übereinstimme". Ich finde nirgends eine Stelle, an der Staatssekretär Hopf gesagt hat, es seien Bleichlautende Inserate in der bundesrepublikanischen Presse und in der sowjetzonalen Presse erschienen. Eine solche Antwort wäre auch sehr unglaubhaft, denn es bedarf in der sowjetzonalen Presse nicht des Inserats einer Organisation, um eine Propaganda dieser Art zu betreiben.
Eine letzte Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ist Ihnen entgangen, daß Herr Staatssekretär Hopf auf eine entsprechende Zusatzfrage von mir ausdrücklich geantwortet hat, er „habe nicht davon gesprochen, daß sich etwas drüben und hier decke". Das widerspricht aber ganz und gar Ihren jetzigen Ausführungen.
Staatssekretär Hopf hat in einer Antwort auf eine Zusatzfrage, in der er auch über die Zweckmäßigkeit und über die Richtigkeit befragt wurde, erklärt:
Ich halte es für zweckmäßig, daß ein Angestellter des Pressereferats in höflicher und angemessener Weise den Redakteur darauf aufmerksam macht, daß in der sowjetzonalen Presse und in einer Zeitung der Bundesrepublik absolut derselbe Wortlaut erscheint. Das ist für den Redakteur angenehmer, als wenn er von anderer Stelle darauf hingewiesen wird.
Und er hat auf die letzte Zusatzfrage des Kollegen Folger erklärt:
Herr Abgeordneter, ich habe nicht davon gesprochen, daß sich etwas drüben und hier decke. Ich habe vielmehr gesagt, daß im „Allgäuer" der gleiche Text erschienen sei wie in der sowjetzonalen Presse. Darauf einen Redakteur hinzuweisen, ist in meinen Augen keine Ungehörigkeit.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Minister, glauben Sie wirklich, daß die Art Ihrer Ausführungen der Geschäftsordnung des Bundestages, die für die Fragestunde knappe Antworten auf Fragen vorschreibt, entspricht, und glauben Sie nicht, daß diese Geschäftsordnung schärfer gehandhabt werden müßte, um derartige propagandistische Ausführungen zu unterbinden?
Herr Abgeordneter Seuffert, es steht im Ermessen des Präsidenten, Fragen und Antworten zuzulassen.
Es steht dem Präsidenten dieses Hauses aber nicht zu, die Antworten der Regierung zu zensieren.
Aber, meine Damen und Herren, ich bitte dringend, die Fragestunde nicht durch überschärfte Polemik zu gefährden.
Herr Abgeordneter Könen zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, ich habe noch eine Zusatzfrage zu der Frage des Kollegen Folger zu stellen. Ich möchte nur die Frage an Sie richten, Herr Minister: Ist Ihnen bekannt, daß die Behauptung von den 500 Sozialdemokraten in Leipzig ein aufgelegter kommunistischer Schwindel ist?
Ich habe über die Glaubwürdigkeit und Stichhaltigkeit kommunistischer Quellen — wenn ich Ihre Meinung bei mir als bekannt voraussetzen darf — genau dieselbe Meinung wie Sie.
Aber dieser Artikel ist symptomatisch dafür, welche Mittel die Sowjetzonenpropaganda anwendet, um auch gewisse Möglichkeiten, die sich aus der Meinungs- und Pressefreiheit des Westens, der Bundesrepublik, ergeben, für ihre kommunistischen Ziele auszunutzen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Es ging mir nur um die Resonanz in Ihrer Fraktion, Herr Minister.
Das war keine Frage.
Ich rufe auf die Frage VI/ 3 — des Abgeordneten Könen —Ist die Bundeswehr berechtigt, den fließenden Verkehr auf der Autobahn durch Feldjäger oder durch sonstige Soldaten anzuhalten , uni an einer normalen Auffahrt zur Autobahn einer Lkw-Kolonne der Bundeswehr die Vorfahrt zu sichern?Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verteidigung!
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7575
Ich beantworte die Frage des Kollegen Könen folgendermaßen:
Die Bundeswehr ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung befreit, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dringend geboten ist. Werden öffentliche Straßen — z. B. durch massierten Verkehr größerer Fahrzeugkolonnen — mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen, so werden besondere „Straßenvereinbarungen" mit den Behörden des Straßenverkehrs und den Trägern der Straßenbaulast abgeschlossen.
Unter diesen Voraussetzungen kann die Bundeswehr auch das nach § 13 Abs. 5 der Straßenverkehrs-Ordnung nicht gegebene Vorfahrtsrecht an Anschlußstellen der Bundesautobahnen in Anspruch nehmen. Dabei erfordert die gebührende Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung besondere Sorgfalt und rechtzeitige Warnung der übrigen Verkehrsteilnehmer. Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr habe ich in einem Erlaß vom 25. Mai 1959 über das Ausüben der Sonderrechte nach § 48 der StraßenverkehrsOrdnung durch die Bundeswehr darauf ausdrücklich hingewiesen.
Die bei Marschbewegungen notwendige Verkehrssicherung wird durch Feldjäger wahrgenommen. Diesen obliegt auch die rechtzeitige und unmißverständliche Warnung der übrigen Verkehrsteilnehmer, gegebenenfalls unter Verwendung von Kennleuchten für blaues Blinklicht nach § 48 Abs. 4 der Straßenverkehrs-Ordnung.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, genügt es demnach Ihrer Meinung nach nicht, daß in einem solchen Fall — Freigabe der Auffahrt zur Autobahn
— ein auf seiner Maschine sitzender Krad-Melder im Lederzeug durch Handwinken den Verkehr anhält?
Die Feldjäger haben keine polizeilichen Befugnisse — —
— Krad-Melder und Feldjäger 'haben gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern keine polizeilichen Befugnisse. Aber es liegt nur im Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer, daß sie durch solche Zeichen auf die besonderen der Bundeswehr im Straßenverkehr zustehenden Rechte und auf die gegebene Verkehrssituation hingewiesen werden. Wenn nämlich durch Unterbrechen einer längeren Kolonne durch mehrere Einschiebungen eine Verkehrssituation entsteht, die dann zu schwierigen Überholaktionen oder zu Anhaltemanövern führt, um die Kolonne wieder zu schließen, ist die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer in größerem Maße gefährdet, als wenn ein nicht mit polizeilichen Befugnissen ausgestatteter Krad-Melder oder auch Feldjäger die Verkehrsteilnehmer auf die Geschlossenheit einer Kolonne und damit auf die besondere Situation gemäß § 48 der Straßenverkehrs-Ordnung hinweist.
Eine letzte Zusatzfrage!
Herr Minister, stimmt es, daß motorisierte Bundeswehrkolonnen, die auf dem Marsch sind, deshalb keine Feldjäger für die Verkehrssicherung zur Verfügung haben und dadurch auf Soldaten ihrer Einheiten angewiesen sind, weil es — Herr Minister, die Behauptung stammt nicht von mir! — Sonntag ist?
Es ist eine Tatsache, daß wir in der Aufstellung der Feldjägereinheiten noch nicht so weit sind, wie wir es nach der Planung vorhaben. Es ist ferner auch nicht möglich, für jede Marschbewegung eines Bataillons Feldjäger abzustellen.
Danke sehr!
Frage VI/ 4
— des Herrn Abgeordneten Schmidt —. Ist Herr Abgeordneter Schmidt im Saal? — Er ist nicht da, die Frage wird nicht mündlich beantwortet.
Frage VI/ 5 — des Herrn Abgeordneten Dr. Dahlgrün —:
Wieviel ha Land sind in der Bundesrepublik für Truppenübungsplätze, Schießplätze und Standortübungsplätze genutzt?
Herr Abgeordneter Dr. Dahlgrün ist im Saal; zur Beantwortung der Herr Bundesverteidigungsminister.
Ich muß auf diese Frage leider eine in der Sache andere Auskunft geben, als es offensichtlich gewünscht wird. Ich muß nämlich die Meinung vertreten, daß es nicht tragbar ist, die vom Fragesteller gewünschte Auskunft im einzelnen vor dem Plenum zu geben.
Zur Klarstellung in der Sache kann ich sagen, daß in der Bundesrepublik gegenüber den Verhältnissen in der sowjetischen Besatzungszone — in absoluten Zahlen und im Verhältnis zur Zahl der Bevölkerung— nur ein Bruchteil des Landes für militärische Zwecke in Anspruch genommen wird. Dabei hat allerdings das Land Niedersachsen, von dem hier die Rede ist, die bei weitem höchste Quote und das Land Hessen die bei weitem niedrigste Quote in der Bundesrepublik. Der Verteidigungsminister ist bereit, im zuständigen Bundestagsausschuß oder dem Fragesteller in seinem Amte darüber detaillierte Auskunft zu geben.
Metadaten/Kopzeile:
7576 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Herr Minister, soll damit auch die Frage VI/6 — des Herrn Abgeordneten Dahlgrün — beantwortet sein, wieviel Hektar in der Bundesrepublik genutzt sind:
Wie hoch ist der Prozentsatz an militärisch genutzten Übungsflächen in den einzelnen Ländern, bezogen auf den Kopf der Bevölkerung?
Ja.
Die beiden Fragen sind damit erledigt. — Der Fragesteller hat verzichtet.
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, zunächst die Frage VII/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Atzenroth —:
Warum hat das Bundeskabinett eine Erhöhung der Tarife Im Kleingutverkehr auch im gewerblichen Güterfernverkehr vorgenommen, obwohl dieser Wagenladungsverkehr bisher nicht mit einem Defizit abgeschlossen hat?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 15. November 1960 lautet:
Die Frage bezieht sich offenbar auf die Anhebung der Verkehrstarife für Stückgut und Sammelgut im gewerblichen Güterfernverkehr. Die Bundesregierung hat diese Tarife auf Antrag des Güterfernverkehrsgewerbes angehoben, weil die seit der letzten Tariferhöhung am 1. 2. 1958 gestiegenen Kosten eine Anpassung der Beförderungsentgelte notwendig machten.
Ich rufe auf die Frage VII/2 — des Abgeordneten Dr. Atzenroth —:
Befürchtet die Bundesregierung nicht, daß durch eine betriebswirtschaftlich nicht unbedingt notwendige Erhöhung der Tarife im Kleingutverkehr im gewerblichen Güterfernverkehr der Anreiz zu Preissteigerungen in anderen Wirtschaftsbereichen gegeben wird?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 15. November 1960 lautet:
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wegen der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit der Erhöhung der Tarife für Stückgut und Sammelgut im gewerblichen Güterfernverkehr nehme ich auf die Beantwortung der Frage VII, 1 Bezug.
Der Stückgutverkehr beträgt nur 2,3 % und der Sammelgutverkehr nur 3,3 % der Gesamtleistungen des gewerblichen Gilterfernverkehrs auf der Straße. Im übrigen wirken solche Tariferhöhungen im Stückgut- und Sammelgutverkehr im allgemeinen nicht preissteigernd, weil in diesem Bereich der Frachtanteil am Endpreis der Güter verhältnismäßig gering ist.
Ich rufe auf die Frage VII/3 — des Abgeordneten Dr. Schneider —
Ist die Bundesregierung bereit, bei der Deutschen Bundesbahn darauf hinzuwirken, daß angesichts der besonderen Verhältnisse im Saarland nach der wirtschaftlichen Eingliederung die Tariferhöhungen für den Berufsverkehr Im Saarland nicht zur Anwendung kommen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 15. November 1960 lautet:
Gemeinsam mit der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn wurde geprüft, oh es möglich ist, die vom Kabinett beschlossene Anhebung der Zeitkartenpreise des Berufsverkehrs für den Bereich des Saarlandes rückgängig zu machen. Das Ergebnis war leider negativ. Es ist zwar richtig, daß während der Geltungsdauer der französischen Tarife diese Preise wesentlich niedriger lagen. Da, war aber eine Folge des französischen Systems der Subventionen, nach dem die Kosten der allgemeinen Lebenshaltung, darunter auch die Transportkosten, aus Mitteln des Staatshaushaltes planmäßig und in erheblichem Umfang bezuschußt wurden. Die Bundesregierung verfolgt dagegen, wie Ihnen bekannt, auf dem Gebiete des Transportwesens den Grundsatz der Eigenwirtschaftlichkeit aller Verkehrsträger. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, liegen auch die jetzigen Berufsverkehrspreise noch zu niedrig. In dem für den Deutschen Bundestag erstellten Kommissionsgutachten ist das
Defizit dieses Verkehrszweiges — einschließlich des Schülerverkehrs — auf 628 Mill. DM im Jahre beziffert. Angesichts der heutigen Wettbewerbslage ist naturgemäß nicht daran zu denken, daß die Bundesbahn diesen Betrag über die Gütertarife hereinholt. 150 Mill. DM werden aus dem Bundeshaushalt zugeschossen. Weitere 70 Mill. DM soll die vom Kabinett beschlossene Tariferhöhung erbringen. Die verbleibende Lücke ist so groß, daß es in. E. nicht zu verantworten wäre, durch teilweise Aussetzung der Tarifanhöhung den Mehrerlös von 70 Mill. DM zu kürzen. Dabei bitte ich auch zu berücksichtigen, daß die erwähnte Prüfungskommission eine Erhöhung der Zeitkartentarife um 300 Mill. DM im Jahre angeregt hatte und daß der Antrag der Deutschen Bundesbahn eine Anhöhung um 150 Mill. DM gleich 46,5 °/o vorsah.
Der Deutsche Industrie- und Handelstag hatte schon bei früherer Gelegenheit darauf hingewiesen, daß in der Montan-Industrie des Saarlandes die Kosten des Berufsverkehrs weitgehend von den Arbeitgebern übernommen wurden und werden. Hier folgt eine Aufstellung für einige der bedeutendsten Unternehmen:
Betrieb Belegschaftsstärke Fahrtkosten trägt:
Arbeit Arbeit
nehmer gober
Saarbergwerke 15 000 bis 4 km über 4 km
Röchling 6 800 bis 15 km über 15 km
Neunkirchener Eisenwerke, 5 200 bis 14,— DM über 14,— DM
Villeroy & Boch 2 000 bis 18,— DM über 18,— DM bis 37,— DM voll, darüber hinaus 50 •I. bis 25,— DM.
Zur Zeit wird übrigens im Bundesministerium des Innern geprüft, ob und in welchem Umfang auch den Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik, die genötigt sind, zur Fahrt zwischen Wohn- und Arbeitsort öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen, Zuschüsse zu den Fahrtkosten gewährt werden können.
In meinem Hause ist auch untersucht worden, ob etwa abweichende Lohn- und Preisverhältnisse eine Sonderregelung für das Saarland rechtfertigen würden. Das Statistische Landesamt in Saarbrücken hat dazu auf fernmündliche Anfrage erklärt, daß sich die Lebenshaltungskosten im Saarland gegenwärtig von denen des übrigen Bundesgebietes nicht mehr wesentlich unterscheiden. Der Bruttowochenverdienst liegt nach den mir zuteil gewordenen Informationen über demjenigen des übrigen Bundesgebietes. Außerdem werden z. Z. noch die Ihnen bekannten steuerlichen Vergünstigungen gewährt. Eine Ermäßigung der Preise des Berufsverkehrs für das Saarland müßte ohne jeden Zweifel eine Fülle von Berufungen auslösen, insbesondere aus den Teilen des Bundesgebietes, wie dem östlichen Bayern, dem östlichen Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die nur über wenige industrielle Großbetriebe verfügen und in denen einerseits das Lohnniveau relativ niedrig liegt, andererseits von den Arbeitnehmern oft sehr weite Wege bis zum Arbeitsort zurückgelegt werden müssen.
Ich darf hinzufügen, daß das in diesem Schreiben behandelte Problem auch Gegenstand der Interpellation war, die der Herr Ministerpräsident des Saarlandes nach der Tarifanhebung am 28. Oktober 1960 an den Herrn Bundeskanzler gerichtet hat.
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen.
Frage VIII/1 — des Herrn Abgeordneten Reitz —:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, daß endlich die Postomnibusse die Gemeinden Oberkleen, Ebersgöns und Kleeberg im Kreise Wetzlar anfahren, damit die dortigen Bewohner und Berufstätigen unmittelbar in die Kreisstadt Wetzlar gelangen können?
Herr Abgeordneter Reitz ist im Saal; zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Reitz wie folgt: Die drei erwähnten Gemeinden werden seit vielen Jahren von der Butzbach-Licher Eisenbahngesellschaft versorgt, die eine Omnibuslinie mit zahlreichen Fahrtenpaaren von Kleeberg über Oberkleen nach Ebersgens und Niederkleen und von da weiter nach Butzbach betreibt. In Niederkleen hat diese Omnibusverbindung zu den Hauptverkehrszeiten unmittelbar Übergang an eine Kraftpostverbindung Niederkleen—Wetzlar.Einer Erweiterung der Kraftpostlinie von Wetzlar nach Niederkleen zu den erwähnten drei kleinen Gemeinden steht der § 11 der Durchführungsverordnung zum Personenbeförderungsgesetz leider
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7577
Staatssekretär Dr.-Ing. e. h. Herzentgegen. Da die zuständige Genehmigungsbehörde, meines Wissens der Regierungspräsident in Kassel, das Ausgestaltungsrecht dieser Linie für diesen Verkehr seinerzeit bei der Butzbach-Licher Eisenbahngesellschaft belassen hat, gehört es zu den Aufgaben und zu dem Recht dieser Gesellschaft, den Verkehr dieser Gemeinde den öffentlichen Bedürfnissen entsprechend auszugestalten.
Keine Zusatzfrage! — Frage VIII/2 — des Herrn Abgeordneten Seuffert —:
Billigt der Herr Bundespostminister, daß verschiedene Postämter neuerdings die Abfertigung von Sendungen von Wohlfahrtsverbänden, die mit der Bitte um Spenden Werheverschlußmarken enthalten, als Massendrucksache verweigern, sondern das zwei- bis dreimal so hohe Porto für Warenproben verlangen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundespostministerium.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Seuffert wie folgt: Soweit es sich darum handelt, daß in Sendungen der Wohlfahrtsverbände mit einem Werbeschreiben einige Werbeverschlußmarken eingelegt oder aber auf der Rückseite des Briefumschlages solche Werbemarken angebracht werden, so würde es der Herr Bundespostminister nicht billigen, wenn ein Postamt die Annahme solcher Sendungen als Drucksache verweigert. Sollte hingegen der Fall so liegen, daß Druckereien, Verleger oder Organisationen Werbemarken in größerer Stückzahl an einen Empfänger versenden und sie diesem gegen einen Preis zum Kauf anbieten, so handelt es sich um Druckerzeugnisse, die postalisch nicht als Drucksache behandelt werden können.
Die Bestimmungen hierüber sind alt — und nicht etwa neueren Datums. Sowohl nach dem Weltpostvertrag als auch nach der deutschen Postordnung können solche Druckereierzeugnisse wie alle anderen ähnlichen Sendungen nur als „Warenproben" behandelt werden.
Zusatzfrage!
Herr Staassekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß es Ihrer Ansicht nach bei der bisher immer geübten Praxis bleiben soll, daß die Spendenersuchen der Wohlfahrtsverbände nicht den Charakter der Postbestimmung für Massendrucksachen verletzen, wenn ihnen einige Marken zur Bedienung des Empfängers beigelegt sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist immer dann der Fall, wenn es sich nicht um einen Verkauf dieser Marken handelt, sondern um die Beilegung einiger Marken zur beliebigen Verwendung.
Danke schön.
Frage zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau des Herrn Abgeordneten Dr. Schranz:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Bau von geeigneten Wohnungen für Bundesbedienstete zu beschleunigen, damit die mit der langen Trennung verbundenen nachteiligen Folgen für die Familien beseitigt und die Trennungsentschädigungen eingespart werden?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Wohnungsbauministerium.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich beantworte die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schranz wie folgt:
Die Bundesregierung fördert seit ihrem Bestehen durch die Gewährung von Darlehen den Bau von Wohnungen für Bundesbedienstete mit dem Ziel, in erster Linie Trennungsentschädigungsempfänger beschleunigt unterzubringen. Bisher konnten für Bundesbedienstete einschließlich der Bundeswehr rund 100 000 Wohnungen auf diese Weise gefördert werden. Die Bundesregierung wird auch künftig bemüht bleiben, den Zeitraum, in dem Trennungsentschädigungen gezahlt werden müssen, nach Möglichkeit abzukürzen, doch läßt sich dieser Zeitraum nie völlig beseitigen, da er durch unvermeidbare und nicht immer vorherzusehende organisatorische und personelle Maßnahmen bedingt ist.
Eine Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Kreitmeyer.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, wie der augenblickliche Stand der durch Zurverfügungstellung von Wohnungen zu fördernden Trennungsentschädigungsempfänger ist und was Sie getan haben, um schnellere Methoden zur Anwendung zu bringen und das Problem auf dem Wege vorfabrizierter Häuser zu lösen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Zahl der Trennungsentschädigungsempfänger ist mir nicht bekannt, Herr Abgeordneter. Eine Förderung des Wohnungsbaues in größerem Umfange als gegenwärtig wird wohl an den zur Verfügung stehenden Mitteln und an der Kapazität der Bauwirtschaft ihre Grenze finden.
Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Dahlgrün aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes:
Wie verteilen sich die 13 000 ha Land der bundeseigenen Gesellschaften auf die einzelnen Länder?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes.
Von dem Grundbesitz der industriellen Bundesgesellschaften entfallen rund 10 400 ha auf Niedersachsen, rund 2128 ha auf Nordrhein-Westfalen, 706 ha auf Bayern, 279 ha auf Hessen, 106 ha auf Schleswig-Holstein, 60 ha auf Bremen und 10 ha auf Berlin.
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7578 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Eine Zusatzfrage!
Sind Sie, Herr Bundesminister, in der Lage, mir zu sagen, wieviel von den 10 000 ha in Niedersachsen rein forstwirtschaftlich genutzt wird?
Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kreitmeyer.
Herr Bundesminister, darf ich fragen, wie oft Sie vom Bundesverteidigungsministerium und vom Auswärtigen Amt angegangen worden sind, eventuell diese Liegenschaften für Truppenzwecke zur Verfügung zu stellen?
Es schweben selbstverständlich Verhandlungen, gewisse Teile zur Verfügung zu stellen. Aber im einzelnen kann ich Ihnen das hier nicht sagen.
Danke sehr, Herr Minister.
Damit, meine Damen und Herren, sind die Fragen beantwortet. 3) Die Fragestunde ist zu Ende.
Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 26 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache 2211).
Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Neunten Protokoll vom 22. November 1958 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Drucksache 1994) ;
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 2163).
.
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Wir kommen zur zweiten Lesung. Ich rufe auf die Artikel 1, 2 und 3, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Dritte Lesung!
Allgemeine Aussprache!
— Bitte sehr!
Darf ich, bevor ich für die sozialdemokratische Fraktion eine Erklärung abgebe, auf zwei Fehler hinweisen. Im § 15 des vorliegenden Gesetzentwurfes ist das dritte Wort falsch. Es heißt dort: „Macht der Mieter ...". Es muß heißen: „Macht der Vermieter ...".
Einen Augenblick, Frau Abgeordnete. Wir sind bei Tagesordnungspunkt 3 und ratifizieren einen Vertrag, der vom Haus nicht mehr abgeändert werden kann.
Hier kann nur ja oder nein gesagt werden. Ich rufe also noch einmal auf zurdritten Lesung.Keine Wortmeldungen? — Die Aussprache ist geschlossen. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Punkt 4 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2178)
.
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet.Ich rufe in der zweiten Lesung auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Art. 5, — Einleitung und Überschrift. — Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung angenommen.Dritte Lesung!Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Punkt 5 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Huth, Stiller, Dr. Preusker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Geschäfts-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7579
Präsident D. Dr. Gerstenmaierraummietengesetzes (Drucksache 513);Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht (Drucksachen 2198, zu 2198)
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Herr Abgeordneter Dr. Bartels hat als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es würde einen schlechten Eindruck machen, wenn das, was die Frau Kollegin Berger-Heise eben vortragen wollte, nicht auch von dem Berichterstatter entdeckt worden wäre. Deshalb bleibt mir trotz aller Höflichkeit nichts anderes übrig, als das eben auch kurz zu erwähnen. Es handelt sich um Druckfehler.
Der § 15 muß mit den Worten beginnen: „Macht der Vermieter ...". Im übrigen bleibt der Text gleich.
In § 25 ist davon die Rede, daß dieses Gesetz außer Kraft tritt, sobald „für Berlin" das Mieterschutzgesetz außer Kraft tritt. Entsprechend der Übung des Hauses muß es nicht heißen „für Berlin" sondern „für das Land Berlin".
Ich darf Sie bitten, diese beiden Punkte als in die Vorlage eingeschlossen anzusehen.
Das Haus hat von diesen Korrekturen Kenntnis genommen.
Ich rufe die Artikel I bis IV, die Einleitung und die Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Lesung.
Ich eröffne ,die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Hesberg!
— Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion billigt die zur Verabschiedung anstehende Ausschußfassung des Geschäftsraummietengesetzes für Berlin. Sie erblickt darin eine Lösung, welche die im Jahre 1953 durch die Berliner Maßnahmenverordnung eingeleitete Auflockerung des Preisniveaus von Geschäftsräumen in einer Weise weiterführt, die den in Berlin gegebenen Verhältnissen angepaßt ist. Sie begrüßt die weitere, von ihr stets angestrebte Angleichung an das Bundesrecht, indem entsprechend den ab 1952 im Bundesgebiet gehandhabten Methoden die Aufhebung des Preisstopps sowie des Mieterschutzes eingeleitet wird, gleichzeitig aber für eine Übergangsfrist mögliche Härten durch Kündigungswiderruf, Vollstreckungsschutz und Räumungsfristen vermieden werden.
Angesichts dessen, daß die bis zur Aufhebung des Geschäftsraummietengesetzes vorgesehene Regelung im Einvernehmen. mit Berliner Sachverständigen und der Senatsverwaltung erarbeitet worden ist, verspricht sich die CDU/CSU-Fraktion von diesem Überleitungsgesetz einen reibungslosen Übergang in die soziale Marktwirtschaft. Die CDU/CSU- Fraktion würde es begrüßen, wenn sich die beteiligten Kreise der Wirtschaft und der Vermieter ähnlich wie im Bundesgebiet bemühen würden, in weitestem Umfange zu gütlichen Vereinbarungen zu gelangen, um prozessuale Auseinandersetzungen tunlichst zu vermeiden.
Meine Freunde werden daher den Anträgen des federführenden Ausschusses, die auch der mitberatende Wirtschaftspolitische Ausschuß gebilligt hat, zustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Jetzt habe ich für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei folgende Erklärung abzugeben:
Der Einführung des Geschäftsraummietengesetzes auch im Lande Berlin wurde von der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei in diesem Hause widersprochen und der Zeitpunkt als verfrüht bezeichnet, als Mitglieder der CDU/CSU und der Deutschen Partei im Juli 1958 den Antrag hier vorlegten. Jetzt, nach zweieinhalb Jahren, ist im Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht ein Kompromiß über den Termin der Einführung des Gesetzes, des Auslaufens der Preisbindungen und des Kündigungs- und Räumungsschutzes gefunden worden. Während der Beratungen — Herr Dr. Hesberg wies soeben darauf hin — wurden u. a. Berliner Sachverständige der Industrie- und Handelskammer und des Verbandes Berliner Einzelhändler gehört. Auch der Berliner Senat wurde zu den Beratungen hinzugezogen. Sollten sich trotzdem bei Einführung dieses Gesetzes im Lande Berlin negative Auswirkungen von erheblicher Bedeutung auf das Berliner Wirtschaftsleben zeigen, so wird meine Fraktion eine Überprüfung des Sach- und Rechtsverhalts für notwendig ansehen; sie behält sich alle dafür geeigneten Schritte vor.
Keine weiteren Wortmeldungen! Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in ,der vorliegenden Form in ,dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Punkt 6 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes über die Anpassung der Renten ,aus den gesetzlichen Rentenversiche-
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7580 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Präsident D. Dr. Gerstenmaierrungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1960 (Drucksache 2190).Schriftlicher Bericht 'des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksachen 2219, zu 2219).
.
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht.
— Der Herr Berichterstatter verzichtet und verweist auf den Schriftlichen Bericht. Ich bedanke mich.Wir kommen zur zweiten Lesung. Ich rufe auf den § 1. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 721 vor. Zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 721 Ziffer 1 Frau Abgeordnete Korspeter!
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Meine Fraktion legt dem Hause mit Umdruck 721 Ziffer 1 einen Antrag vor, nach dem die bisher mit einjähriger Verzögerung erfolgte Rentenanpassung bei den Altrentnern nachgeholt werden soll, 'das heißt, daß die Rentenanpassung nicht erst vom 1. Januar 1961, sondern bereits vom 1. Januar 1960 an erfolgen soll.Wir wollen 'damit erreichen, daß die Altrentner nicht weiterhin — wie es leider bisher geschehenist — gegenüber den Neurentnern schlechter behandelt werden, und wir wollen die Kluft zwischen den Altrentnern und den Neurentnern, die durch die je-wells einjährige Verzögerung der Anpassung entstanden ist, beseitigen. Wir halten die in den beiden früheren Rentenanpassungsgesetzen vollzogene Regelung nach wie vor für eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Altrentner.Wir alle wissen, daß die damalige Kritik — wie sich inzwischen herausgestellt hat: die völlig unberechtigte Kritik — an der dynamischen Rente bei der Regelung der Anpassung der laufenden Rente auf die Gesetzgebung einen weitgehenden Einfluß genommen hat. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß die unterschiedliche Regelung zwischen den Neurenten, die ,automatisch der Lohn- und Gehaltsentwicklung angepaßt werden, und den Altrenten, deren Anpassung erschwert erfolgt, den Grundsatz der gleichen Rentenberechnung bei gleicher Beitragszahlung verletzt, einmal durch die Tatsache, daß bei der Anpassung der Altrenten noch einer Reihe von volkswirtschaftlichen Voraussetzungen Rechnung getragen werden muß und daß sie nur durch Gesetz angepaßt werden können, zum anderen .aber auch durch die Tatsache, daß die Anpassung der Altrenten immer nur mit einer einjährigen Verzögerung vorgenommen wurde und auch heute wieder vorgenommen werden soll. Diese letzte Frage, die einjährige Verzögerung für die Altrentner, steht heute hier mit unserem Antrag zur Debatte.Bevor ich darauf näher eingehe, möchte ich auf einen anderen Tatbestand hinweisen. Zu welch gefährlichen Konsequenzen die im Gesetz gegen unseren Willen festgelegte Sonderregelung — und zwar Benachteiligung — für die Altrentner führen kann, zeigt folgende Tatsache. Herr Minister Erhard, unser Vizekanzler, Ihr Kronprinz — zwar 'etwas umstritten, aber immer noch Ihr Kronprinz —, hat, wie aus kompetentem Munde zu erfahren war, sich im Kabinett — man höre und staune — gegen die 5,4% ige Erhöhung der Altrenten gewandt, die die Neurentner ja bereits im Jahre 1960 bekommen haben.
Er hat im Kabinett die Auffassung vertreten, daß für die Altrentner eine Erhöhung um 4 % ausreichend sei.
Welche Erwägungen den Herrn Wirtschaftsminister dabei geleitet haben, das ist uns im einzelnen nicht bekannt.
— Da wissen wir halt mehr, Herr Ruf, als Sie. Es passiert auch einmal, daß die Opposition mehr erfährt als die Fraktion der Bundesregierung.Sollte also der Herr Wirtschaftsminister etwa geglaubt haben — diese Annahme liegt sehr nahe —, man müsse die laufenden Renten niedrig halten, um der Konjunkturüberhitzung zu steuern, so möchte ich im Namen meiner Fraktion sehr deutlich sagen, ,daß wir 'es niemals zulassen würden, die Rentner etwa zu Prügelknaben zu machen, weil man nicht bereit ist, wirksame Mittel zur Konjunkturdämpfung einzusetzen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, ich brauche dazu nicht mehr zu sagen. Es wird sicher das Stichwort genügen: „Berg contra Erhard", Herr Kollege Horn.
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Jedenfalls halten wir es für eine erstaunliche, ich möchte sogar sagen, für eine besorgniserregende Tatsache, die der Beachtung bedarf und an der auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, nicht vorbeigehen können, daß der Herr Vizekanzler sich für eine schlechtere Regelung für die Altrentner eingesetzt hat. Ich glaube, das sollten wir zur Kenntnis nehmen.
— Das können Sie nachher sagen, Herr Schütz.Zurück zu unserem Antrag. Die einjährige Verzögerung trifft die Rentnerhaushalte in diesem Jahr ganz besonders, weil sie neben der allgemeinen Erhöhung der Lebenshaltungskosten — die Preise auf dem Nahrungsmittelsektor sind gegenüber dem Frühjahr 1959 um rund 5 % gestiegen — auch noch durch die Mieterhöhungen auf Grund des sogenannten Lücke-Gesetzes empfindlich belastet werden. Jedem von uns ist bekannt, daß die Ausgaben für die Wohnung schon vor den Mieterhöhungen die Rentnerhaushalte im hohen Maße belastet haben.Wir bedauern dashalb aufs neue, daß damals, 1958, bei dem Ersten Renten-Anpassungsgesetz, sowohl von der Bundesregierung als auch von der
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7581
Frau KorspeterFraktion der CDU/CSU die Weichen falsch gestellt wurden, daß es damals schon mit der einjährigen Verzögerung begann, obwohl im Neuregelungsgesetz eine solche Regelung nicht zwingend vorgeschrieben war, und daß nunmehr alle unsere Beratungen mit dieser Frage belastet werden. Auch hier haben offenbar gewisse Kreise mit ihren negativen Voraussagen über die finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung ihren Einfluß geltend machen können. Bei dem Ersten Rentenanpassungsgesetz hat die Bundesregierung und haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, den Versuch unternommen, die Ausgaben auf Kosten der Altrentner zu bremsen. Wir wollen das mit unserem Antrag wiedergutmachen. Wir sehen die Berechtigung unseres Antrags ganz besonders darin, daß die Finanzlage der Rentenversicherungen eine gerechte Regelung gestattet.
Auch Ihnen ist bekannt, daß die Bundesregierung den Überschuß für 1960 auf 440 Millionen DM geschätzt hat. Aber tatsächlich, Herr Kollege Ruf, beträgt der Überschuß der Rentenversicherung 1,1 Milliarden DM.
Es steht also fest, daß unser Antrag allein mit diesem Überschuß, den die Bundesregierung nicht einkalkuliert hat, finanziert werden könnte. So ist der Tatbestand.
Wir bitten deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schütz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Diskussion stehen nicht die Protokolle der Kabinettssitzungen, zur Diskussion steht auch nicht, welche Prinzessin auf einen Kronprinzen wartet, zur Diskussion steht nur der Antrag des Ausschusses zum Dritten Rentenanpassungsgesetz und gegenwärtig ein Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion.
Ich möchte nur zu dem Änderungsantrag ein paar Worte sagen. Natürlich: alle Jahre wieder!
Als wir 1957 die Renten-Neuregelungsgesetze verabschiedeten, waren wir, wie so oft, nicht einer Meinung. Hier die absolute und uneingeschränkte Dynamisierung, hier (zur Rechten) die Ablehnung jeder Rentenanpassung, ohne daß der Gesetzgeber tätig wird, dazwischen die CDU/CSU- Fraktion, die aus den beiden Extremen einen Vermittlungsvorschlag erarbeitet und gesagt hat: Demjenigen, der aus dem Arbeitsprozeß ausscheidet und
Rentner wird, soll die Chance gegeben sein, daß er mit seinem Renteneinkommen möglichst nahe an das zuletzt erzielte Arbeitseinkommen herankommt. Die Rente soll unter Berücksichtigung einer ganzen Serie von beachtenswerten Gesichtspunkten von diesem Haus von Fall zu Fall angehoben werden. Um eine solche Anhebung handelt es sich wiederum. Die SPD versucht jedesmal — das ist ihr gutes Recht —, ihre alte Konzeption, die sie bei der Verabschiedung der Rentengesetze nicht durchbringen konnte, auf dem Umweg über die Anpassung durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, dazu ist die CDU/CSU- Fraktion nicht bereit.
Ich möchte aber auch noch ein Wort über das Unrecht" gegenüber den Rentnern dieses letzten Jahrgangs sagen. Die Rentner des Jahrgangs 1960 haben ihre Rente ja nach der Bemessungsgrundlage des Jahres 1960 zuerkannt erhalten,
und die Renten der Rentner, die ihre Renten auf Grund einer weiter zurückliegenden Bemessungsgrundlage erhalten, heben wir jetzt an. Man kann die Renten eines Jahrgangs nicht doppelt anheben. Deshalb bitte ich Sie, den Änderungsantrag der SPD abzulehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Friese-Korn.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich freue mich, daß der Kollege Schütz noch einmal so klar herausgestellt hat, worin die Unterschiede bestanden haben im Hinblick auf das Wort „Alle .Jahre wieder". Wir haben es seinerzeit nicht für möglich gehalten, bei den Neu- und Altrentnern ein für allemal gleichzuziehen, bevor zu diesem Gesetz einmal eine versicherungstechnische Bilanz vorgelegt wird. Sie haben unser Bedenken jedes Jahr wieder gehört. Wir bleiben auch heute dabei und sagen: Hätten Sie sich auf unseren Gesetzentwurf geeinigt, Frau Kollegin! Denn auch wir haben inzwischen eingesehen, daß es nicht gut ist und daß es viel Unruhe unter den Rentnern verbreitet, daß Alt- und Neurentner nicht mehr gleichziehen, sondern die einen mit einem Jahr Unterschied hinter den anderen nachhinken. Darum haben wir uns nicht negativ, sondern positiv entschieden und einen Gesetzentwurf eingebracht, der beides beseitigt hätte, der in diesem Fall Alt- und Neurentner gleichstellt, wobei die Anpassung allerdings durch Gesetz vorgenommen würde. Wir werden uns nachher in der dritten Lesung zu der neuen Anpassung äußern.
Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
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7582 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß wir uns in jedem Jahr mit der Rentenanpassung für die Altrentner beschäftigen müssen,
ergibt sich aus der Konzeption, die Sie mit Mehrheit beschlossen haben. Deshalb ist also der Gebrauch des Sprüchleins „Alle Jahre wieder" wirklich nicht angebracht.Meine Damen und Herren, wenn man den Änderungsantrag, den wir zu § 1 gestellt haben — es ist nämlich unser Anliegen, die Altrentner und die Neurentner in bezug auf die Anpassung gleich zu behandeln ---, erörtert, muß man einige Bemerkungen zur Finanzlage der Rentenversicherung und damit zum Sozialbericht machen. Der Sozialbericht, den wir in diesem Hause nicht einmal in der ersten Lesung behandelt haben und der jetzt mit einem Entschließungsantrag erledigt werden soll, sollte — darüber müssen wir uns klar sein — nach dem Willen der Mehrheit die Grundlage der Rentenanpassung bieten. Wir haben schon im Ausschuß darauf hingewiesen — ich muß es hier vor dem Plenum nochmals betonen —, daß dieser Sozialbericht von Jahr zu Jahr weniger inhaltsreich wird. Ich habe im Ausschuß gesagt und erkläre es hier nochmals, daß sich das schon in dem Umfang des Sozialberichts niederschlägt. Denn von Jahr zu Jahr nimmt sein Umfang um neun Seiten ab. Man kann also errechnen, wenn das so weitergeht, daß er 1963 ganz entschwunden sein wird.
Aber, meine Damen und Herren, das hat Gründe.
Der Grund ist nämlich offenbar der, daß die Regierung über die Finanzlage der Rentenversicherung und vor allen Dingen über die voraussichtliche finanzielle Entwicklung immer bescheidener Auskunft geben will.In dem vorliegenden Sozialbericht für 1960 fehlen wiederum nicht nur die Tabellen über die Vorausschätzung der Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben für den sogenannten ersten Deckungsabschnitt bis zum .Jahre 1966, sondern es fehlt auch sogar die Vorausschätzung der Einnahmen und Ausgaben für das laufende Jahr. Diese Zurückhaltung in der Berichterstattung der Bundesregierung erschwert den unbedingt notwendigen Vergleich zwischen der Vorausschätzung und den tatsächlichen Rechnungsergebnissen. Darauf müssen wir aber besonderes Gewicht legen.Die Bundesregierung hat dem Bundestag bei der Verabschiedung der Gesetze über die Rentenneuregelung eine Finanzübersicht für 1957 zugeleitet, und sie hat dann im Jahre 1958 eine Vorausschau für den ersten Deckungsabschnitt gegeben. Wenn man diese Zahlen jetzt durchsieht, so ist festzustellen, daß die Bundesregierung unter Berücksichtigung des Zahlenmaterials 1957 und 1958 für Ende 1960 mit einem Vermögenszuwachs der Rentenversicherung von 1,6 Milliarden rechnete. Tatsächlich ist aber das Vermögen der Rentenversicherung seitder Rentenreform um 4,6 Milliarden DM gewachsen.
Das Vermögen hat sich seit dem 1. Januar 1957 um50 % erhöht und wird Ende dieses Jahres rund14 Milliarden DM betragen.Nicht nur die Bundesregierung hat sich in dieser Vorausschau im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung geirrt; sie kann sich damit trösten, daß jene Mathematiker, die gegen die Rentenanpassung aufgetreten sind, sich noch viel stärker verkalkuliert haben. Diese Mathematiker haben nämlich, wie wir aus den Berichten sehen, die dem Ausschuß vorgelegt und später auch veröffentlicht wurden, für das Jahr 1960 einen notwendigen Beitragssatz von15 O/o errechnet. Tatsächlich wird für 1960 bei dem 1957 beschlossenen Beitragssatz von 14 % noch ein Vermögenszuwachs von über 1,1 Milliarden erzielt werden.Meine Damen und Herren, diese außerordentlich günstige Finanzentwicklung sollte nach Auffassung der Sozialdemokraten— das hat meine Kollegin Frau Korspeter begründet — Veranlassung geben, die größten Härten und Ungerechtigkeiten der Rentenreform zu beseitigen. Die größte Härte liegt darin. daß die Altrenten hinter den Neurenten zurückbleiben.Frau Kollegin Korspeter hat darauf hingewiesen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nur eine Rentenanpassung von vier Prozent wünschte, und Herr Kollege Schütz ist sehr elegant darüber hinweggegangen.
Aber diese Absicht können wir nicht einfach zur Kenntnis nehmen, weil der Vorschlag des Herrn Bundeswirtschaftsministers, die Anpassung auf nur vier Prozent zu beschränken, offenbar zu einer Konjunkturpolitik zu Lasten der Rentner führen sollte.
— Ja, ich spreche über die Vorlage. Ich will Ihnen gleich aus der Vorlage, nämlich dem Sozialbericht, zitieren, was der Sozialbeirat erklärt hat.Er ist jedoch der Ansicht, daß es nur dann vertretbar wäre, aus konjunkturpolitischen Gründen auf eine Anpassung zu verzichten oder sie auf weniger als 5,4 v. H. zu beschränken, wenn expansive Tendenzen auch auf allen übrigen Gebieten mit gleicher Härte bekämpft werden.
Meine Damen und Herren, diese Ausführungen des Sozialbeirates haben den Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht davon abgehalten, sich gegen eine Anpassung um 5,4 Prozent auszusprechen, er hat vielmehr lediglich eine Anpassung von vier Prozent gewünscht.Wenn wir diese Auseinandersetzung über die Gleichbehandlung der Altrentner und der Neurent-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7583
Dr. Schellenbergner führen, müssen wir uns auch daran erinnern, daß Sie mit Ihrer Mehrheit im Jahre 1957 die Gleichbehandlung von Alt- und Neurentnern unter anderem deshalb abgelehnt haben, weil, wie Sie behaupteten, der Wirtschaft nicht das notwendige Kapital für Investitionen durch eine volle Rentenanpassung entzogen werden dürfe.Meine Damen und Herren, diese konjunkturpolitischen Argumente gelten offensichtlich heute nicht mehr; denn man ist jetzt, was kein Geheimnis geblieben ist, bestrebt, das Vermögen der Rentenversicherung — inzwischen auf 14 Milliarden DM angewachsen —, möglichst vom Kapitalmarkt fernzuhalten. Wir sind deshalb der Auffassung, daß es sich auch wirtschaftspolitisch vertreten läßt, die Altrenten nunmehr hinsichtlich der Anpassung nicht hinter den Neurenten zurückbleiben zu lassen.Noch ein letztes Argument! Bei der Beschlußfassung über die Rentenreform wurde erklärt, daß die in Finanzfragen gebotene Vorsicht leider die unterschiedliche Behandlung von Alt- und Neurentnern erforderlich mache. Nachdem sich aber jetzt erwiesen hat, daß die finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung weitaus günstiger war, als angenommen wurde, ist es auch unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung für die finanzielle Zukunft der Rentenversicherung, die wir gemeinsam in diesem Hause tragen, zu vertreten, das Unrecht gegenüber den Altrentnern zu beseitigen und sie in bezug auf die Anpassung endlich den Neurentnern gleichzustellen.
Herr Abgeordneter Ruf!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige kurze Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schellenberg. Es sind keineswegs wirtschaftspolitische oder konjunkturpolitische Bedenken, die uns veranlassen, eine rückwirkende Anpassung der Renten ab 1. Januar 1960 abzulehnen. Wir lassen uns vielmehr in der Hauptsache von der Rücksicht auf die künftige Finanzlage der Rentenversicherungen leiten.
Sie haben recht, wenn Sie sagen, daß der Sozialbericht 1960 bezüglich der Finanzlage der Rentenversicherungsträger optimistischer ist als seine Vorgänger. Das stimmt, Wir sind uns aber auch darüber im klaren, daß diese Verbesserung der Finanzlage darauf zurückzuführen ist, daß die Beitragseinnahmen im letzten Jahr höher waren, als angenommen wurde. Sie müssen jedoch bedenken, Herr Kollege Schellenberg, daß diese höheren Beitragseinnahmen, die höheren Beiträge, die im letzten Jahr gezahlt worden sind, in naher Zukunft zwangsläufig auch höhere Rentenausgaben, höhere Rentenleistungen mit sich bringen werden. Sie sind sich hoffentlich auch darüber im klaren, daß sich das Verhältnis der Rentner zu den Erwerbstätigen zuungunsten der Rentner verschieben wird. Wir werden in Zukunft durch eine größere Zahl von Rentnern und durch höhere Rentenausgaben nicht gerade kleine Sorgen mit unserer Rentenversicherung haben.
Wir dürfen ja bei der Rentenanpassung, die wir Jahr für Jahr vornehmen wollen, nicht nur von der gegenwärtigen Finanzlage ausgehen. Wir müssen an die Zukunft denken. Wir wollen dafür sorgen, daß die Renten in der heutigen Höhe auch für alle Zukunft gewährleistet bleiben. Das ist unsere gemeinsame Sorge und Verantwortung. Das sollte, Herr Kollege Schellenberg, auch Ihre Sorge, auch die Sorge der Opposition sein. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Rentner uns dankbar sind, wenn wir durch eine verantwortungsvolle Rentenpolitik dafür sorgen, daß die Renten in dieser Höhe auf die Dauer gezahlt werden können, und zwar ohne daß die Einkommen der Erwerbstätigen über Gebühr noch mehr belastet werden.
Auch das ist ein entscheidender Gesichtspunkt; denn alle Rentenzahlungen müssen ja letzten Endes finanziert werden.
Sie sagen nun, zwischen dem Rentenzugang und dem Rentenbestand, den 7 Millionen Bestandsrenten, die wir haben, bestehe eine Diskrepanz. Das ist eine Diskrepanz, das gebe ich zu. Aber ich will Ihnen sagen: diese Dinge haben wir seinerzeit so gewollt, darüber waren wir uns im klaren, wir nehmen diese Konsequenz auf uns im Interesse gerade unserer Rentner. Dazu braucht man sich eigentlich nicht jedes Jahr von neuem zu unterhalten.
Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
Herr Kollege Ruf, es ist sehr interessant, daß Sie jetzt die wirtschaftspolitischen Argumente, die Sie noch im Jahre 1957 sehr beredt gegen die Anpassung der Renten vorgetragen haben, offenbar nicht mehr aufrechterhalten. Wir freuen uns darüber.Aber nun zu Ihren sonstigen Argumenten. Meine Damen und Herren, es soll durch unseren Antrag bewußt nicht das Prinzip der Rentenanpassung grundsätzlich verändert werden; dann hätten wir einen Antrag zur Änderung der Reichsversicherungsordnung und des Angestelltenversicherungsgesetzes gestellt. Vielmehr soll — ausgehend von dem Tatbestand, den niemand leugnen kann, daß die Vermögenszunahme seit der Rentenreform mit 4,6 Milliarden DM um rund 3 Milliarden DM höher ist, als angenommen wurde — ein Teil des Vermögenszuwachses, nämlich 15 °/o, dazu verwandt werden, die Ungerechtigkeit gegenüber den Altrentnern zu beseitigen.
Das hat nichts mit der gemeinsamen Verantwortung zu tun — ich habe sie ausdrücklich betont —, die wir für die finanzielle Sicherung der Rentenversicherung in der Zukunft tragen. Aber wenn jetzt nach den Erfahrungen der drei Jahre die Ergebnisse so günstig sind — viel, viel günstiger sind, als alle
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Dr. SchellenbergPessimisten und auch manche Optimisten angenommen haben —,
dann kann man nicht mit dem Hinweis auf etwaige Entwicklungen in den nächsten drei Jahrzehnten die Beseitigung eines gegenwärtigen Unrechts verhindern wollen.
Keine weiteren Wortmeldungen.Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 721 — der Fraktion der SPD — Ziffer 1. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.§ 1 in der Fassung des Ausschusses! Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.§ 2! Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 721 Ziffer 2 vor. — Herr Abgeordneter Meyer zur Begründung!Meyer (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Sonderzuschusses ist die unerfreulichste Frage, die wir immer wieder behandeln müssen, wenn wir die Rentenanpassung in diesem Hause beraten. Während Sie — die Mehrheit — noch in den ersten Jahren als Argument anführten, daß es sich bei diesen rund zwei Millionen Menschen um Rentner handele, die an dem Schicksal ihrer niedrigen, kleinen Rente eigentlich selber schuld seien, sind Sie im letzten Jahr und auch im Ausschuß nur noch dem Argument gefolgt, daß die jetzige Rente eine lohnbezogene Rente sei und daß der Teil — der Sonderzuschuß — nicht lohnbezogen sei. Ich glaube, hier liegt ein Irrtum vor. Sicher sind die rund 6,5 Millionen pauschal umgestellte Renten nach den errechneten Tabellenwerten in etwa den früheren Lohnvorstellungen gefolgt. Diese pauschale Umstellung hat aber eine Verzerrung des Rentengefüges gebracht. Ich möchte mich heute bei der Behandlung der Frage des Sonderzuschlages nur auf die rund 600 000 Witwen der Arbeiterrentenversicherung beziehen, um einmal zur Erinnerung des Hauses von den Größenordnungen dieser halben Million Renten der Witwen der Arbeiterrentenversicherung zu sprechen.Sie wissen, daß bis zur Rentenreform diese rund 500 000 Witwen eine Durchschnittsrente von nur 56,50 DM erhalten haben. Das ist eine Witwenrente, die absolut lohnbezogen war. Ich könnte aus meiner näheren Umgebung, selbst aus meinem Elternhaus, darüber berichten: Menschen, die ein ganzes Leben lang gearbeitet haben, aber sehr wenig, sehr niedrig verdient haben, haben diese Durchschnittsrente bekommen. Sollen diese Menschen nun immer zurückbleiben?
— Auf Ihre Zwischenrufe, Herr Kollege Ruf, habe ich schon gewartet. — Es sind also nicht die Renten der „Hausfrauenversicherung", sondern es sind — ich bitte es mir zu glauben — diese rund 2 Millionen Kleinstrenten, die heute wirklich erschrekkend niedrig sind, Renten von Menschen, die ein Leben gearbeitet haben.
In den vielen Zuschriften, die wir immer wieder erhalten — Sie selbst auch —, betonen diese Rentner, daß sie gewissermaßen zu den „unterentwikkelten" Menschen in unserem Lande — das ist ja ein modernes Wort — gehören,
daß wir Milliardensummen als Hilfe für die sogenannten unterentwickelten Gebiete — Entwicklungsländer — geben, daß aber noch eine Million Menschen in unserem Lande — ich möchte dieses Haus darüber unterrichten — heute noch eine Rente haben, die unter 100 DM liegt.
Sie sind nicht bereit, von dem gemeinsam erarbeiteten nationalen Reichtum, wie ich es immer nenne, diesen Menschen die Rente mit doch ganz unbedeutenden Beträgen aufzubessern.Sie müssen uns, wenn Sie die Einbeziehung, diesen kleinen Sonderzuschuß von 14 DM für die Witwe, ablehnen — die Erhöhung würde ganze 75 Pf betragen —, auch die Frage beantworten, warum Sie diese Unruhe in den Kreis der vielen Witwen in unserem Lande hineintragen?
Und dies angesichts einer Lage, die es uns absolut ermöglicht, uns nicht an einen formellen Paragraphen, an eine Theorie zu klammern. Wir sollten nicht sagen, dieser Teil sei nicht lohnbezogen, sondern wir sollten, glaube ich, hier wirklich die Witwen, die Menschen sehen, für die 75 Pf heute immerhin noch fast ein Brot bedeuten.
Ich brauche den Kennern der Materie — ich bitte es mir zu glauben — die wirkliche Notlage, die in diesen Schichten noch herrscht, nicht vor Augen zu führen. Selbst der Ausgleich, der über die Fürsorgeämter usw. eventuell eintritt, erleichtert durchaus nicht die Lage dieser Hunderttausende von Witwen, die heute noch unter 100 DM Sozialrente haben.
Wären wir ein so armes Volk, daß wir mit diesen 75 Pf rechnen müßten, würde man Verständnis dafür haben. Aber man sollte sich doch hier nicht an eine kalte Theorie und einen Paragraphen klammern! Wenn dieser Teil nicht lohnbezogen ist, meine Damen und Herren, warum haben Sie dann 1957 diesen 600 000 Witwen die 14 DM Sonderzulage ge-
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Meyer
währt, wenn Sie später erklären wollten: „Das gehört gar nicht zur Rente, diesen Teil klammern wir aus, das war ein Sondergeschenk; der Sonderzuschuß wird auch bei anderen Gelegenheiten, etwa bei der Umwandlung der Pauschalrente in ein Altersruhegeld, ausgeklammert"? Wir haben sehr viel damit zu tun, den Menschen zu erklären, wie dieser ganze Mechanismus zusammenhängt.Ich glaube, wir sollten nicht — ich bitte um Entschuldigung, wenn idi dieses Wort gebrauche; es ist kein Schlagwort meinerseits — am Ärmsten der Armen sparen,
sondern wir sollten bereit sein, den Witwen in diesem Jahre die 75 Pf Rentenerhöhung zu gewähren. Kein Mensch in unserem Lande versteht es, daß wir ausgerechnet diesen Menschen diese kleine Rentenerhöhung vorenthalten wollen, während wir auf der anderen Seite die höheren Renten gewissermaßen immer höher hinausziehen. Bei diesen Renten schlägt ja wirklich die Rentenerhöhung einigermaßen zu Buch. Wir ersuchen Sie also wirklich, in diesem Jahre endlich auch den Sonderzuschuß, der damals vom gesamten Hause gewährt worden ist, zum Bestandteil der Rente zu erklären und unseren Anträgen zuzustimmen.
Frau Abgeordnete Friese-Korn!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Regelung, die der Kollege Meyer eben angesprochen hat, ist in der Tat höchst unglücklich, und keiner von uns fühlt sich bei dieser Lösung wohl. Nur scheint mir das, was hier vorgeschlagen wird, eine recht kümmerliche Lösung zu sein. Es steht fest, daß das für die Empfänger dieser Kleinstrenten etwa 75 Pf oder 1 DM ausmacht. Darüber können wir hier doch gar nicht so sprechen. Ich muß darum bei dieser Gelegenheit noch einmal auf unseren Vorschlag zurückkommen, den wir bei der Beratung der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze gemacht haben und der zum Ziele hatte, diese Menschen nicht noch zusätzlich zur Fürsorge gehen zu lassen, damit sie sich dort das Geld dazuholen, das ihnen am Fürsorgerichtsatz fehlt. Es bleibt tatsächlich diskriminierend, daß eine Witwe diesen lächerlichen Betrag dazubekommt, aber noch auf die Fürsorge angewiesen bleibt.
Wir haben damals vorgeschlagen, statt dessen eine Zusatzrente zu zahlen, die von vornherein und ein für allemal einen Betrag bis zur Höhe des jeweiligen Fürsorgerichtsatzes ausmachen sollte.
Es handelt sich dabei um auslaufende Renten. Betroffen sind sehr viele Frauen, die damals noch nicht
Wir sind und bleiben der Meinung, daß es, gemessen an der sonstigen Anhebung der Renten in der Angestelltenversicherung, peinlich ist, daß der Satz von 14 und 21 DM sich niemals steigert.
Herr Abgeordneter Schütz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich hat der Kollege Meyer recht, wenn er hier ausführt, daß es einen beachtlichen Teil von Rentenempfängern gibt, deren Renten so niedrig sind, daß sie kaum den Fürsorgerichtsatz erreichen
oder sogar beachtlich darunter liegen.
Meine Damen und Herren, ich glaube aber, dieses ganze Haus hat sich zu einer Rentenversicherung entschlossen, in der die Renten lohnbezogen sind.
Hat eben jemand in seinem Arbeitsleben einen kleinen Verdienst gehabt oder nur kurze Zeit gearbeitet, dann muß natürlich, wenn wir bei dem Grundsatz bleiben, auch die spätere Rente in einem Verhältnis zu dem in einem Arbeitsleben verdienten Lohn stehen, sei es der Zeit oder der Höhe nach.Als wir die Renten 1957 anhoben, hat sich dieses Haus entschlossen, denjenigen, die bei der Anhebung infolge des Prinzips der lohnbezogenen Rente leer oder fast leer ausgingen, zumindest eine Erhöhung von 21 DM — den Versicherten — bzw. von 14 DM — der Witwe — zu gewähren.
-- So weltfremd sind wir auch nicht, daß wir nicht wüßten, daß von 1957 bis 1960 drei Jahre vergangen sind, Frau Kollegin.
Wir haben uns entschlossen, den Teil der Rente anzuheben, der auf dem Versicherungsprinzip beruht,also die lohnbezogene Rente. Wir haben uns entschlossen, die Rente so lange anzuheben, bis ein Betrag von 21 DM oder 14 DM erreicht ist. Der auf21 DM angehobene Betrag wird bei der Anhebungausgespart. Nur der Teil der Rente ohne die 21oder 14 DM wird angehoben. Herr Kollege Meyer,Sie selbst haben gesagt — das stimmt doch? —: Ihrguten Leute, das macht 75 Pf aus. Da haben Sie rechtgehabt. Aber mit einem Betrag von 75 Pf ist es nicht
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Schütz
abgetan, wenn Sie sagen: Ach, gucken wir dochnicht auf Paragraphen, hebt eure Grundsätze auf!
— Herr Kollege Meyer, dann muß sich dieses Haus entschließen, das Versicherungsprinzip aufzugeben und eine allgemeine Volksversorgung, wie wir sie in der Nachbarschaft haben, zu machen.
Meine Damen und Herren, es gibt Leute, deren Einkommen auch aus der redlichen Arbeit unter dem Fürsorgerichtsatz liegt. Das gibt es halt.
— Das ist bedauerlich. Für diesen Personenkreis muß dann eben die Allgemeinheit über den Fürsorgerichtsatz einspringen.
Für den Kreis der Versicherten, deren Rente zu klein ist, sollte aber nicht ein Ausnahmegesetz geschaffen werden. Für diesen Personenkreis, dessen Einkommen, sei es aus seiner Versicherung, d. h. aus seinen Ersparnissen, sei es aus der Arbeit, unter dem Fürsorgerichtsatz liegt, muß die Allgemeinheit in Form der Fürsorge eintreten.Deshalb können wir uns nicht entschließen, von dem Prinzip der lohnbezogenen Rente abzugehen, und müssen den Antrag ablehnen.
Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schütz, Sie haben heute offenbar die Funktion, immer ein bißchen vom Thema abzulenken.
Denn Sie haben hier gesagt, daß unser Antrag praktisch die Staatsbürgerversorgung oder eine Volkspension beinhalte. Ich glaube, das kann man wirklich nicht sagen.
Sie könnten das vielleicht zu dem sagen, was Frau Kollegin Friese-Korn bezüglich einer allgemeinen Mindestrente ausgeführt hat, aber sicher nicht zu unserem Antrag.
Worum geht es uns praktisch? Es geht darum, daß alle Renten, gleichgültig wie sie sich technisch im Jahre 1957 errechnet haben, um den gleichen Satz der Anpassung, nämlich 5,4 %, erhöht werden und daß nicht die Bezieher der kleinsten Renten praktisch nur eine Erhöhung von etwa 4 % erhalten. Das ist das Anliegen unseres Antrages. Frau Kollegin Friese-Korn, Sie haben recht, wenn Sie sagen, der Antrag sei in der Auswirkung sehr bescheiden. Aber man sollte zumindest jetzt, da wir keine Reform der
Rentenreform durchführen, etwas tun und für alle Rentner die gleiche Anpassung beschließen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen über den Antrag der SPD auf Umdruck 721 Ziffer 2. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer dem § 2 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Anzahl von Enthaltungen angenommen.
§ 3. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? -- Angenommen.
§ 4 in der Ausschußfassung. Keine Änderungsanträge. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Hier ist noch ein Änderungsantrag.
Dann ist Umdruck 721 erledigt, Herr Kollege Meyer?
-- Ist erledigt.
Es geht weiter: §§ 5, 6, 7, 8, 9 — —
— Zu § 5? Dann muß ich § 5 allein aufrufen. § 5! Hierzu hat das Wort Herr Professor Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden uns bei der Abstimmung über den § 5 — wir bitten, darüber gesondert abzustimmen — der Stimme enthalten. Ich verweise dazu auf unseren Entschließungsantrag, der später noch begründet wird.
Ich lasse also über den § 5 gesondert abstimmen. Wer dem § 5 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Ich rufe auf die §§ 6, — 7, — 8, — 9, — die Einleitung und die Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Dritte Lesung.Allgemeine Aussprache. Wird Idas Wort gewünscht?— Frau Abgeordnete Friese-Korn.
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Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Zur dritten Beratung des Dritten Rentenanpassungsgesetzes habe ich die Ehre, im Namen der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten folgende Erklärung abzugeben.
Obwohl sich auf Grund der Konjunkturlage, der Ausschöpfung des Arbeitsmarktes und der daraus erwachsenden Lohnsteigerungen sowie des Anwachsens des Beitragsaufkommens in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten in diesem Jahre das Abschnittsdeckungskapital nicht weiter verringert hat, sondern beide Versicherungsanstalten Überschüsse erzielt haben, hat der Sozialbeirat erneut seine Bedenken gegen die zu erwartende Entwicklung der Vermögenslage aufrechterhalten.
Der Sozialbericht der Bundesregierung hat sich in diesem Jahre darauf beschränkt, die Ergebnisse der Berechnung der vergangenen zwei Jahre nur zu ergänzen, weil die Vorausberechnung aus den genannten Gründen überrundet worden war. Es war zu erwarten, daß bei dieser Situation im letzten Jahre vor der Wahl der einmal beschrittene Weg fortgesetzt wird, indem die Anhebung der Bestandsrenten 'um den gleichen Prozentsatz vorgenommen wird, der für die Neurenten festgesetzt wurde, nämlich 5,4 % Es bleibt aber dabei, daß die Anhebung der Bestandsrenten mit einem Jahr Verspätung erfolgt. Darum bleibt trotz des Wagnisses für die Zukunft Unzufriedenheit und Unruhe bei den Rentnern bestehen.
Die FDP hat sich im letzten Jahr nicht in negativer Kritik erschöpft, sondern durch einen eigenen Gesetzentwurf den Weg gewiesen, auf dem das Abschnittsdeckungskapital auch bei Konjunkturschwankungen gesichert und die Gleichstellung der Bestands- und Neurentner erreicht werden könnte. Der Entwurf der FDP liegt noch unerledigt im Sozialpolitischen Ausschuß. Unter Hinweis auf den damit gewiesenen Ausweg aus der Rentenschere und die gleichzeitige Absicherung gegen untragbare Beitragserhöhungen, die auf die Versicherten zukommen, wenn der weitere Anstieg der Beschäftigtenzahl oder der Löhne einmal nachläßt, die Zahl .der Rentenberechtigten aber zunimmt, werden wir in diesem Jahr ¡der Anhebung der Bestandsrenten zustimmen.
Die Bundestagsfraktion der FDP gibt nochmals ihrer Erwartung Ausdruck, daß dem Hohen Hause die versicherungstechnische Bilanz so 'schnell wie möglich vorgelegt wind, damit wir endlich Gewißheit darüber bekommen, wie sich die Finanzlage der Rentenversicherungsträger auf lange Sicht entwickeln wird.
Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten, die wir immer für die Rentenanpassung eingetreten sind, freuen uns, daß jetzt auch die letzte Fraktion der Anpassung zustimmt.
Keine weiteren Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache! Die Aussprache ist geschlossen.
Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung ist das Gesetz in dritter Lesung angenommen.
Nun kommt der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 722. Zur Begründung Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung des Entschließungsantrages, den die Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen gestellt hat, darf ich folgendes sagen.Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU- Fraktion, haben heute und hier Gelegenheit, ein Wort des Kanzlers in die Tat umzusetzen, das er vier Tage vor den Bundestagswahlen 1957 in einem Brief an Ihren Fraktionsvorsitzenden niedergelegt hat. Was wollen wir mit unserem Entschließungsantrag erreichen? Wir wollen erreichen, daß die Bundesregierung endlich dem Bundestag Gesetzentwürfe zur Beseitigung der Härten vorlegt, die sich bei der Anrechnung der durch die Rentenanpassung erhöhten Rentenzahlbeträge auf andere Sozial- und Entschädigungsleistungen ergeben. Dabei wird erforderlich sein, das Bundesversorgungsgesetz, das Bundesentschädigungsgesetz und das Lastenausgleichsgesetz in der Weise zu ändern, daß künftig Erhöhungen von Renteneinkommen und anderen Einkommen nicht mehr Leistungsminderungen bewirken. Wenn ich hier an ein Wort des Herrn Kollegen Schütz anknüpfen darf, so glaube ich, daß das auch durch seine Darlegungen insofern begründet ist, als er so nachdrücklich von der lohnbezogenen Rente gesprochen hat. Daß dann, wenn die Renten wegen gleichzeitigen Bezuges anderer Leistungen gekürzt werden, von einer echten Lohnbezogenheit nicht mehr gesprochen werden kann, liegt wohl auf der Hand.Ich darf vielleicht mit Genehmigung des Herrn Präsidenten hier zitieren, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat:Es wird im nächsten Bundestag eine unserer dringendsten Aufgaben sein, sämtliche noch vorhandenen Unstimmigkeiten auf diesem Geblet zu beseitigen, damit die Rentner auch wirklich in ,den Genuß der Rentenerhöhung kommen.
— Ich sage es Ihnen gleich noch genau, Herr Kollege Stingl. —Es muß unter allen Umständen vermieden werden, daß die vorgesehenen Verbesserungen durch eingehende Anrechnungsbestimmungen in vielen Fällen kaum zur Auswirkung gelangen.
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7588 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
BüttnerIn der Tat ist es doch auch heute noch so, daß die Empfänger von Sozialleistungen nur für eine begrenzte Zeit in den Genuß der Rentenerhöhung auf Grund der Rentenanpassungsgesetze gelangen. Die Rechte nimmt dann, was die Linke vorher gegeben hat. Ich glaube nicht, daß Sie der Meinung sind, dieser ungerechte und unsoziale Zustand sollte noch weiter bestehen bleiben. Gerade diese Sozialbedürftigen haben Anspruch auf eine Gleichstellung für alle Zeiten, sollten also in den Genuß der Rentenanpassung in voller Höhe für die gesamte Bezugszeit einer Rente kommen.Mit der Annahme des Entschließungsantrages, den wir eingebracht haben, beschließen Sie heute noch keine materielle Leistung. Wir geben der Bundesregierung nur einen Auftrag, Gesetzentwürfe zur Beseitigung bestehender unsozialer Regelungen vorzulegen.Wir kommen mit unserem Entschließungsantrag auch dem Anliegen des Herrn Kollegen Schütz entgegen, der damals bei der Rentenanpassung gesagt hat, daß man mit der Rentenanpassung andere Gesetze nicht ändern kann. Aber diese Gesetze müssen hinsichtlich der Freibeträge einmal geändert werden.
Deshalb glaube ich, Herr Kollege Schütz — es stehtin unserem Entschließungsantrag genau darin, in welcher Höhe unserer Auffassung nach Freibeträge in den Gesetzen enthalten sein müssen —, wir könnten in diesem Hause einer Meinung sein, und Sie könnten unserem Entschließungsantrag zustimmen, damit wir in der Sache weiterkommen und endlich einmal die Gesetzentwürfe erhalten, in denen diese Ungerechtigkeiten beseitigt werden.Ich will auf all das, was in den vorherigen Lesungen zu den Rentenanpassungsgesetzen gesagt worden ist, nicht näher eingehen, ich will es nicht wiederholen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß wir uns bereits in der 11. Sitzung dieser Legislaturperiode am 13. Februar 1958 mit der Großen Anfrage meiner Fraktion befaßt haben, daß wir das gleiche Anliegen in der 54. Sitzung am 12. Dezember 1958 vorgetragen haben. Wir haben in einer Kleinen Anfrage die Regierung um Auskunft gebeten. Wir haben uns in der 91. Sitzung damit befaßt. Ich glaube, damit nehme ich dem Herrn Kollegen Schütz einen Einwand, daß er auch dazu sagt: „Alle Jahre wieder". Wir bedauern ganz außerordentlich, daß wir das alle Jahre wieder tun müssen. Wir glauben aber, daß Sie sich unserem Entschließungsantrag nicht widersetzen sollten, sondern ihm zustimmen sollten, damit wir in der Sache, zur Beseitigung bestehender Ungerechtigkeiten, weiterkommen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Becker .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD einige Worte sagen. Die Frage der Anrechnungsfreiheit von Erhöhungsbeträgen war schon immer umstritten, hat schon immer in der Diskussion gestanden. Ich darf auch sagen, daß sie bei der Diskussion des Gesetzentwurfs im Ausschuß eingehend beraten worden ist. Ich möchte die Auffassung der CDU- Fraktion hier klarstellen.
Die Anrechnungsfreiheit von Mehrbeträgen kann bei diesem Gesetz gar nicht beschlossen werden, weil die Rentenversicherung Mehrbeträge überhaupt nicht anrechnet. Die Zuschläge werden ja voll ausgezahlt. Lediglich in anderen Gesetzen, die oft auf anderen Voraussetzungen beruhen und wo oft die Leistungen nur dann gewährt werden, wenn überhaupt kein oder nur ein geringes anderweitiges Einkommen vorhanden ist, wird auch auf das Einkommen aus der Rentenversicherung Bezug genommen. So ist es beim Lastenausgleichsgesetz, so ist es beim Bundesentschädigungsgesetz und bei verschiedenen anderen Gesetzen. Ich sage noch einmal: die Leistungen aus diesem Gesetz beruhen auf ganz anderen Voraussetzungen; hier werden — ich wiederhole — die Mehrbeträge voll ausgezahlt. Deshalb können wir bei diesem Gesetz die Anrechnungsfreiheit nicht gesetzlich verankern. Wir können nicht einmal den Gesetzgeber hier für das Lastenausgleichsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz oder das Bundesentschädigungsgesetz festlegen.
Wir sind bereit, die Frage noch einmal im Ausschuß zu diskutieren, und beantragen, den Entschließungsantrag der SPD dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
Das Wort hat Herr Professor Schellenberg.
Herr Kollege Becker, der größte Teil ihrer Ausführungen ging an der Sache vorbei;
denn wir haben nicht beantragt; in dieser Hinsicht das Dritte Rentenanpassungsgesetz zu ändern. Es geht vielmehr bei der Entschließung darum, die Bundesregierung zu beauftragen, jene anderen Gesetze zu ändern,
damit — und das ist das Anliegen — in Zukunft nicht die auf Grund der Anpassung gezahlten Mehrbeträge durch andere Gesetze wieder gekürzt werden.
Es ist beantragt, den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 722 dem Ausschuß für Sozialpolitik zu
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7589
Vizepräsident Dr. Dehlerüberweisen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen.Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag des Ausschusses Drucksache 2219. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Bildung von Rückstellungen in der Umstellungsrechnung der Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen und in der Altbankenrechnung der Berliner Altbanken ;Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache 2210 [neu]);
.
Der Schriftliche Bericht des Wirtschaftsausschusses wird zu Protokoll gegeben.') Wünscht der Herr Berichterstatter seinen Bericht zu ergänzen? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur zweiten Beratung. -- Ich rufe auf die §§ 1, 2, 3, 4 und 5 sowie Einleitung und Überschrift. Wünscht jemand dazu das Wort? — Das ist nicht der Fall.3) Wir kommen zur Abstimmung. Wer den. aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! -- Enthaltungen? -- Einstimmig angenommen.Dann kommen wir zurdritten Beratung.Allgemeine Aussprache wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? --- Einstimmige Annahme.Ferner liegt ein Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2210 vor. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 9 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Artikels 10 Absatz 2 des in Rom am 25. März 1957 unterzeichneten Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft .Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — und an den Außenhandelsausschuß — mitberatend —*) Siehe Anlage 2 vorgesehen. Besteht Einstimmigkeit? — Dann ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 10:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zolltarifgesetzes und des Deutschen Zolltarifs 1961 ;b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1961 und 1962 .Aussprache wird nicht gewünscht. Wortmeldungen liegen nicht vor.Der erste Entwurf soll an den Außenhandelsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung Landwirtschaft und Forsten mitberatend — überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Die zweite Vorlage soll an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und an den Außenhandelsausschuß — mitberatend — überwiesen werden. — Auch das ist beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes (Drucksache 2184) .Aussprache ist nicht vorgesehen. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie den Wirtschaftsausschuß — mitberatend —. Auch hier besteht Übereinstimmung; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 12:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zollgesetzes .Auch hierüber soll heute keine Aussprache stattfinden. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — und an den Außenhandelsausschuß — mitberatend —. -- Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 13:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der zoll- und steuerrechtlichen Bestimmungen des in London am 19. Juni 1951 unterzeichneten Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen und des in Bonn am 3. August 1959 unterzeichneten Zusatzabkommens hierzu hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen (Drucksache 2183).Auch hierüber soll eine Aussprache nicht stattfinden. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Finanzausschuß. — Es ist so beschlossen.
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7590 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Vizepräsident Dr. DehlerIch rufe den Punkt 14 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung grundsteuerlicher Vorschriften .Ebenfalls keine Aussprache. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Finanzausschuß — federführend und an den Ausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge — mitberatend —. — Es ist so beschlossen.Punkt 15 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung (Drucksache 2185).Diese Vorlage soll —. ebenfalls ohne Aussprache — überwiesen werden an den Finanzausschuß — federführend — und an den Rechtsausschuß — mitberatend — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 16:Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes .Dieser Entwurf soll ohne Aussprache überwiesen werden an den Finanzausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — mitberatend —, ferner an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung. — Es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 18:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die weitere Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes zur Erleichterung der Annahme an Kindes Statt .Dieser Gesetzentwurf soll an den Rechtsausschuß überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.Ich rufe dann auf Punkt 19 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche .Vorgesehen ist Überweisung an den Rechtsausschuß. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 20:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten D-Markbilanzergänzungsgesetzes .Vorgesehen ist Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — und an den Wirtschaftsausschuß — mitberatend —. Auch hier kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 21:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes .Diese Vorlage soll überwiesen werden an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — federführend — und an den Ausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge — mitberatend —. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 22:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Allgemeine Statistik in der Industrie und im Bauhauptgewerbe .Vorgesehen ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht — mitberatend —. — Somit ist antragsgemäß beschlossen.Dann rufe ich auf Punkt 23 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen (Drucksache 2218).Hier ist die Abgabe von Erklärungen vorgesehen. Das Wort hat zunächst der Herr Bundesminister des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Begründung dieser Regierungsvorlage ist für den zuständigen Minister, der sich ja leider überwiegend mit vielen unangenehmen Dingen beschäftigen muß, eine einwandfrei erfreuliche Aufgabe. Ich verzichte darauf, eine längere Übersicht über die Entwicklung der Beamtengehälter in den letzten 30 oder 35 Jahren zu geben. Ich darf vor Ihren Augen nur noch einmal das Besoldungsgesetz von 1927 und die sieh anschließende Entwicklung aufleuchten lassen. Wenn ich darauf verzichte, diese Entwicklung im einzelnen darzustellen, bedeutet das gleichzeitig einen Verzicht auf die Gegenüberstellung der Entwicklung des Beamtengehalts und der Entwicklung der Bezüge in der freien Wirtschaft im allgemeinen, insbesondere der Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten im nichtöffentlichen Dienst. Statt dessen, meine Damen und Herren, möchte ich die sechs Gesichtspunkte hervorheben, die die Bundesregierung bei der Vorlage des Gesetzentwurfs geleitet haben.Erstens. Die Beamtenschaft kann und darf nicht aus der allgemeinen Entwicklung der Lohn- und Gehaltsverhältnisse ausgeklammert bleiben. Das bedeutet praktisch: Bei allem notwendigen Verständnis der Beamtenschaft dafür, daß unter Umständen für eine gewisse Zeit der öffentliche Dienst aus zwingenden Gründen einmal zurückstehen muß, muß die grundsätzliche Forderung erhoben werden, daß keine Disparitäten zu Lasten der Beamtenschaft
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7591
Bundesinnenminister Dr. Schröderentstehen dürfen. Dafür zu sorgen ist eine wichtige Aufgabe der Bundesregierung.Zweitens. Ich bin überzeugt, daß die ganze Bevölkerung dafür Verständnis haben muß und haben wird, daß die Beamtenschaft sozusagen der Arbeitnehmer der Allgemeinheit ist, einer Allgemeinheit in dem Sinne betrachtet, daß diese repräsentiert wird durch die Regierung, oder sage ich besser: durch Parlament und Regierung gemeinsam.Drittens. Wenn wir, meine Damen und Herren, in dieser Eigenschaft gute, zuverlässige, leistungsbereite und sogar opferwillige Mitarbeiter haben und gewinnen wollen, müssen diese unter allen Umständen das Gefühl haben, daß ihre materiellen Interessen nicht geringer veranschlagt werden als die der Arbeitnehmer im allgemeinen. Alles dies gilt unter Berücksichtigung der besonderen Situation des öffentlichen Dienstes, der nicht in jeder Beziehung und schlechthin mit der sogenannten freien Wirtschaft verglichen werden kann. Wie die Dinge sich heute darbieten, kann man aber nicht mehr davon sprechen, daß Sicherheit und Risiko der Berufs-und Lebensführung sich im Verhältnis schwarz-weiß zwischen Beamtenschaft und Arbeitnehmern der freien Wirtschaft verteilen. Diesen Gedanken brauche ich angesichts der Entwicklung der letzten Jahrzehnte nicht weiter auszuführen. Bei uns haben sich die Dinge vor allem in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Es ist nicht zuletzt das Verdienst der Politik der Bundesregierung, daß die Lebens- und Existenzsicherheit für breite Schichten außerhalb des öffentlichen Dienstes in diesen Jahren ganz nachhaltig verbessert worden ist.Viertens. Die Bundesregierung hat mit dieser Vorlage im jetzigen Zeitpunkt erreichen wollen, daß die Beamtengehälter sich in Bund und Ländern nicht weiter auseinanderentwickeln. Das erfordert eine klare Initiative der Bundesregierung, eine Initiative, die, wenn sie in den Dimensionen richtig gegriffen ist, eine gute Wirkung auf die anderen Bereiche des öffentlichen Lebens haben wird. Es ist nicht wünschenswert, daß die Frage der Beamtengehälter zum politischen Streitobjekt wird, und noch viel weniger, daß etwa freie Wirtschaft und Beamtenschaft in einen Gegensatz zueinander geraten. Dem muß, meine Damen und Herren, aus staatspolitischen Gründen unbedingt vorgebeugt werden.Fünftens. Die Bundesregierung stellt mit Befriedigung fest, daß die von ihr ergriffene Initiative in den weitesten Kreisen der Beamtenschaft eine äußerst positive Resonanz gefunden hat. Diese positive Resonanz gilt vielleicht weniger dem Prozentsatz der Gehaltserhöhung als der Art und Weise, in der diese Initiative ergriffen worden ist. Die Beamtenschaft kann das Gefühl haben und sie soll das Gefühl haben, daß sie, die aus dem öffentlichen Haushalt besoldet wird, innerhalb dieses Haushalts nicht den letzten Faktor darstellt, sondern dabei ebenso eingeschätzt werden muß, wie das für alle Mitarbeiter im Bereich der privaten Wirtschaft als selbstverständlich gilt.Sechstens. Ich bin der Überzeugung, meine Damen und Herren, daß das Hohe Haus mit dieser Haltung der Bundesregierung im wesentlichen übereinstimmt. Ich freue mich, feststellen zu können, daß das Echo aus dem Bundesrat und aus den Regierungen der Länder positiv ist. Wir sehen in diesem Gesetzentwurf die Verwirklichung eines Stückes echter Fürsorge für die Beamten. Diese Fürsorge ist nicht nur menschlich geboten, sondern aus staatspolitischen Gründen absolut angezeigt. Ich bin der Überzeugung und hoffe zuversichtlich, daß die Beamtenschaft diese Haltung der Bundesregierung richtig verstehen und würdigen wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sir mir, bevor ich die Erklärung zur ersten Lesung des Zweiten Besoldungserhöhungsgesetzes abgebe, noch eine Vorbemerkung.Ich bin von meiner Fraktion darüber informiert, daß im Ältestenrat vereinbart wurde, daß keine Begründung durch die Bundesregierung erfolgen soll, sondern — auf Wunsch unserer Fraktion — nur Erklärungen abgegeben werden sollen. Dem haben sich die anderen Fraktionen angeschlossen. Deshalb möchte ich eingangs bemerken, daß wir uns vorbehalten, nach Abgabe der Erklärung in die Debatte einzutreten, weil die Bundesregierung nun doch eine Begründung gegeben hat.Gestatten Sir mir jetzt, eine Erklärung meiner Fraktion zur ersten Lesung des Zweiten Besoldungserhöhungsgesetzes abzugeben. Die SPD-Fraktion sieht in der schnellen Vorlage des Zweiten Besoldungserhöhungsgesetzes eine Bestätigung ihrer Haltung anläßlich der ersten Besoldungserhöhung. Damals sind die begründeten Anträge der SPD-Fraktion mit dem Hinweis auf die schwierige Lage der Staatsfinanzen abgelehnt worden. Um es einfach zu sagen: Damals standen wir einem Defizit nahe, jetzt stehen wir kurz vor der Wahl.
Offensichtlich hat {der herankommende Wahltermin die Bundesregierung veranlaßt, in eine schnelle und gründliche Prüfung der Besoldungslage der Beamten einzutreten. Wir begrüßen das. Wir sind, wie die gesamte Offentlichkeit, davon überzeugt, daß alle Gehaltsempfänger, ob Beamte, Angestellte oder Arbeiter, lieber {auf alle Gehalts- und Lohnerhöhungen zum Ausgleich von Kaufkraftverlusten verzichten würden, wenn die Bundesregierung eine aktive Konjunkturpolitik mit sinkenden oder wenigstens stabilen Preisen oder mit einer festen Währung betriebe.
Im Hinblick auf die Mehrheitsverhältnisse sieht die sozialdemokratische Fraktion keine Möglichkeiten für weitergehende Anträge.
Aus zeitlichen Gründen wird es auch nicht möglichsein, bestimmte strukturelle Verbesserungen und
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7592 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
MatznerÄnderungen wie z. B. für Techniker und andere Sparten anläßlich der Beratung dieses Gesetzes durchzusetzen. In jedem Falle aber wird die SPD- Fraktion bei den Beratungen zu erreichen versuchen, daß bestimmte Beamtengruppen neben der linearen Erhöhung eine zusätzliche Erhöhung ihrer Bezüge erhalten, ähnlich wie dies bei dem ersten Gesetz im Interesse ,der Masse der Beamten mit kleineren und mittleren Gehältern ermöglicht worden ist.
Außerdem wird die Fraktion der SPD den Antrag stellen, auch den Beamten des Bundes eine Weihnachtszuwendung zu zahlen, wie sie die Angestellten und Arbeiter ,des öffentlichen Dienstes erhalten und wie das auch bereits in mehreren Bundesländern, in Berlin, Hamburg und Bremen, geschieht. Schließlich wünscht die SPD-Fraktion, daß die Bundesregierung unverzüglich Tarifverträge für alle Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes abschließt, um auch diese rechtzeitig an der Lohn- und Gehaltsverbesserung zu beteiligen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kühlthau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die CDU/CSU-Fraktion zu dem vorliegenden Gesetzentwurf ebenfalls einige Bemerkungen machen. Ich möchte voranschicken, ,daß wir ,die Initiative der Bundesregierung
3 freudig begrüßt haben und daß wir der Gesamtüberlegung, ,die ,diesem Gesetz zugrunde liegt, in vollem Umfang zustimmen. Ich brauche über die Höhe der vorgesehenen Verbesserungen nichts zu sagen. Sie sind durch die Presse weitgehend verbreitet worden.
Ich glaube aber, daß ich ein Wort zu der Erklärung sagen muß, die Herr Kollege Matzner soeben abgegeben hat, und zwar zu einigen Punkten, die in dieser Erklärung angeschnitten worden sind. Wenn von bevorstehenden Wahlen gesprochen wurde, so darf ich darauf hinweisen, daß ich bei der Verabschiedung des Besoldungsänderungsgesetzes Anfang Mai dieses Jahres und vorher schon bei der ersten Lesung des entsprechenden Gesetzentwurfes hier erklärt habe, wir seien der Auffassung, daß aus dem unbefriedigenden Ablauf der damaligen Besoldungsdiskussion für die Zukunft einige Konsequenzen zu ziehen seien. Ich habe als wesentliche Grundsätze drei Gedanken herausgestellt, die vorhin auch Herr Bundesminister Schröder in seiner Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs erwähnt hat.
Es kam uns zunächst darauf an, daß sich der Dienstherr aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bediensteten heraus beizeiten um die wirtschaftlichen Sorgen und Nöte seiner Bediensteten kümmern muß. Dem hat die Bundesregierung mit der Vorlage des jetzigen Gesetzentwurfs von sich aus entsprochen. Sie hat sich nicht wieder in eine Entwicklung drängen lassen, die dazu zwingen mußte, Maßnahmen besoldungspolitischer Art zu treffen. Daß sie dabei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 mit herangezogen hat, begrüßen wir besonders.
Das Zweite war unsere Sorge um das Auseinanderlaufen der Besoldung in Bund und Ländern. Auch dazu sind von mir seinerzeit gelegentlich der dritten Lesung des Gesetzes Ausführungen gemacht worden. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß uns das Auseinanderlaufen der Besoldung in Bund und Ländern erhebliche Sorge mache. In dieser Beziehung ist nun ebenfalls durch das rechtzeitige Vorgehen der Bundesregierung für die Zukunft verhindert, daß die Besoldung der Bundesbediensteten und der Landesbediensteten erneut auseinanderklafft.
Das Dritte ist die Frage, ob der bevorstehende Wahlkampf die Einbringung des Gesetzentwurfs beeinflußt hat. Ich darf daran erinnern, daß ich seinerzeit hier erklärt habe, nach unserer Auffassung müsse sichergestellt werden, daß das Ausmaß der Gesamtbesoldung im öffentlichen Dienst, also auch der Angestelltengehälter und der Arbeiterlöhne, durch das Ausmaß der" Besoldung unserer Beamten maßgeblich bestimmt sein müsse und daß sich die Besoldung unserer Beamten nicht wie bisher im Zuge der Tarifverhandlungen entwickeln dürfe. Dieser Grundsatz scheint uns sehr wesentlich zu sein. Sie wissen, daß die im Augenblick geltenden Tarifverträge für den öffentlichen Dienst zum 31. März 1961 kündbar sind und nunmehr auch gekündigt werden.
Ich glaube, man ist gezwungen, in der Offentlichkeit ein Wort dazu zu sagen, weil hin und wieder. die Vermutung aufgekommen ist, daß die Gewerkschaften zur Kündigung der öffentlichen Tarifverträge veranlaßt worden seien durch den Beschluß der Bundesregierung über die Anhebung der Beamtenbesoldung. Meine Damen und Herren, die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst laufen zum 31. März 1961 aus, und es bestand kein Zweifel — es war vorher bereits angekündigt —, daß die Gewerkschaften von dem ihnen zustehenden Kündigungsrecht zu diesem Termin Gebrauch machen würden. Das war ein wesentlicher Grund dafür, daß die Bundesregierung ihre Beschlüsse getroffen hat und versuchen wollte, durch die Festlegung der Beamtengehälter beizeiten das Niveau der Gesamtbesoldung zu umreißen.
Ich darf wiederholen, daß wir in diesen drei Grundgedanken, die die Bundesregierung mit zu ihrer Entscheidung bestimmt haben, einen wesentlichen Fortschritt sehen und daß hierin der entscheidende Wert der beschlossenen Maßnahmen liegt. Diese Gedanken allein werden dem Wesen, dem Charakter und der Bedeutung des Berufsbeamtentums gerecht. Wir glauben, daß die deutsche Beamtenschaft das sehr wohl verstanden hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenz .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der FDP habe ich folgende Erklärung abzugeben:
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7593
Lenz
Die FDP-Fraktion begrüßt und unterstützt die Absicht der Bundesregierung, durch ein Zweites Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen eine Anpassung der Beamtengehälter an das allgemeine Einkommensniveau durchzuführen. In einer Zeit, in welcher alle Dienstleistungen außerhalb der öffentlichen Verwaltung infolge eines allgemeinen Personalmangels sehr hoch bezahlt werden, geht es nicht an, der Beamtenschaft als dem typischen Dienstleistungsberuf einen Lebensstandard zu verweigern, der sich aus der allgemeinen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung ergibt.Daher wird von seiten der FDP-Fraktion insbesondere die Begründung des Regierungsentwurfs begrüßt, die sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 bezieht. In dem Urteil ist festgestellt, daß den Beamten — ich darf zitieren —nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessener Lebensunterhalt zu gewähren ist.Wir sind der Meinung, daß die letzte Besoldungsanpassung vom Juni dieses Jahres nur eine bis dahin eingetretene Preisentwicklung in etwa berücksichtigt hat und nunmehr die weitere Heranführung an die allgemeine Einkommensentwicklung notwendig ist. Wir bedauern allerdings, daß die Frage der Beamtenbesoldung erst zu unerfreulichen Auseinandersetzungen zwischen den Beamtenverbänden und der Bundesregierung in den letzten Monaten führen mußte. Es drängt sich die Frage auf, warum die Bundesregierung und mit ihr die Mehrheitsfraktion dieses Hohen Hauses erst heute und nicht schon im Frühjahr dieses Jahres der Auffassung gewesen sind, daß man die Beamtenschaft nicht nur mit einer Teuerungszulage abspeisen kann. Wir hätten es aus staatspolitischer Sicht begrüßt, wenn die Besoldung der Beamtenschaft durch Initiative der Bundesregierung rechtzeitig und nicht erst auf Druck der Beamtenschaft, so wie dies jetzt geschieht, verbessert worden wäre.Die FDP-Fraktion ist sich klar darüber, daß auch bei dieser Regelung manche Wünsche der Beamtenschaft offenbleiben. Diese können jedoch in dem zuständigen Ausschuß zur Sprache kommen. Die FDP-Fraktion legt aber Wert darauf, von dieser Stelle aus festzustellen, daß der Deutsche Beamtenbund sich nicht hat verleiten lassen, seine Forderungen über das vertretbare Maß hinaus zu steigern.Die Freien Demokraten werden dem Gesetzentwurf der Bundesregierung grundsätzlich ihre Zustimmung geben, da er auch in seinen finanziellen Auswirkungen tragbar ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat heute gute Worte über die Stellung und die wirtschaftliche Lage der Beamten im Staat gefunden. Es wäre noch besser gewesen, er hätte das bereits früher mit Taten zum Ausdruck gebracht.
Denn, meine Damen und Herren, im Lichte der heutigen Darlegungen des Herrn Ministers ist es mir völlig unverständlich, wie die Bundesregierung im Frühjahr dieses Jahres mit einer Vorlage kommen konnte, die eine Gehaltserhöhung von 4 % vorsah.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 war ,doch dem Herrn Bundesinnenminister auch im Frühjahr schon bekannt, und es wäre eine Kleinigkeit gewesen, es bei der damaligen Vorlage zu berücksichtigen.
Noch ein Weiteres! Auch im Haushaltsvoranschlag für das Jahr 1961 hatte die Bundesregierung keine Besoldungserhöhung für die Beamten vorgesehen, und es bedurfte erst der Debatte in der ersten Lesung, die hier von dem Kollegen Schoettle eröffnet worden ist, um die Bundesregierung dazu zu bringen, so schnell wie möglich hier klarzulegen, was sie zu tun gedenke, um die wirtschaftliche Lage der Beamten zu verbessern.
Der Herr Kollege Kühlthau hat, wenn auch verschämt, zugegeben, daß hier Versäumnisse vorgekommen sind. Wir hoffen, daß wir im Ausschuß die Möglichkeit haben, aus unserer Sicht noch einiges zusätzlich zu tun,
wo es notwendig ist. Im übrigen hoffen wir, daß
die Vorlage recht bald verabschiedet werden kann.
Ich schließe die Beratung. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend —. Keine weiteren Anträge. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 24 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Wehrdisziplinarordnung .Aussprache ist nicht vorgesehen. Angeregt ist Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung — federführend — und an den Ausschuß für Inneres — mitberatend —. Es ist so beschlossen.Ich rufe auf den Punkt 25 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu
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7594 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Vizepräsident Dr. Dehler diesem Abkommen (Drucksache 2146).Eine Begründung durch die Bundesregierung ist nicht vorgesehen. Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Werner gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen regelt die Rechtsstellung der Truppen eines jeden NATO- Partners, der sich im Interesse der gemeinsamen Verteidigung im Hoheitsgebiet eines anderen Partners aufhält. Es enthält Rahmenvorschriften, die in bestimmten Fällen durch Zusatzvereinbarungen ergänzt werden müssen. Das ganze Werk ist wie alle solche Verträge eine Kompromißlösung, die allerseits Wünsche offenläßt und Opfer erfordert.Es enthält eine ganze Anzahl erheblicher Vorteile gegenüber früheren Verfahrensweisen. Sie sind allerdings erkauft mit der Hypothek des Soltau-Lüneburg-Abkommens, das einen Anhang des Vertrages darstellt. Dieses Abkommen regelt Rechte und Pflichten der übenden britisch-kanadischen Truppen in diesem Gebiet und stellt es ihnen gleichzeitig auch für die dauernde Benutzung — im Gegensatz zum sonstigen Manöverbrauch — zur Verfügung. Es handelt sich um ein vollbewohntes Gebiet von etwa 34 000 ha, in dem etwa 10 000 Menschen wohnen. Den einzigen wesentlichen Vorteil, den ich in diesem Abkommen im Vergleich zu den früheren etwas rauhen Usancen des Art. 19 des Truppenvertrages sehe, ist die Tatsache, daß durch diesen Vertrag endlich verhältnismäßig klare Rechtsverhältnisse für die übende Truppe, aber auch für die dortige Bevölkerung entstehen. Sonst herrscht in diesem Gebiet eine Art milder Kriegszustand ohne scharfen Schuß.Die Bevölkerung, die durch diese Übungen, die in den letzten zehn Jahren dort ununterbrochen stattgefunden haben, schwer geprüft ist, hat tatsächlich ein erhebliches Maß an Geduld aufgebracht, das ihr Auferlegte zu ertragen. Der hier besonders betroffene niedersächsische Bauer hat mit dem angelsächsischen Farmer in der Weise viel gemein, daß ihm der Begriff des „trespassing", des unbefugten Betretens seines eigenen Grundstückes, ebenso zuwider ist wie seinem angelsächsischen Kollegen. Es kommt nicht von ungefähr, daß die Geschichte von Hermann Billung gerade in der Lüneburger Heide spielt. Ich bringe diesen Gedanken ausdrücklich, um den augenblicklichen Benutzern dieses Übungsgeländes in Ruhe zu erklären, wie eng die Mentalität der Grundbesitzer in diesem Gebiet mit der ihrer eigenen Farmer verwandt ist, und daß freiwillige Rücksichtnahme Wunder wirken würde.Dieser Rücksichtnahme wird allerdings dadurch mit sanfter Gewalt nachgeholfen, daß mit dem Truppenstatut auch eine 75prozentige Selbstbeteiligung der Entsendestaaten an allen Schäden am Privateigentum eintritt. Dies wird sicherlich dazu beitragen, etwas zu forsche Einheitsführer davon abzuhalten, leichtsinnig mit den Steuereinnahmen ihres Vaterlandes umzugehen.Weitere Verbesserungen, die das Soltau-Abkommen bringt, sind die Beschränkung des gesamten Übungsraumes von 48 000 ;auf 34 000 ha und 'die Beschränkung ides ständigen Übungsgebietes auf 4600 ha. Dieses ständige Übungsgebiet dient taktischen Übungen im Gelände für Panzerverbände bis zur Zugstärke.Nun, von diesen 4600 ha liegen 1900 ha im Naturschutzgebiet der Lüneburger Heide. Hierüber ist viel geschrielben und viel gesagt worden. Meine Damen und Herren, für jedes Naturschutzgebiet können wir im Interesse der Gesundheit aller Menschen, die daraus Nutzen ziehen können, nur dankbar sein und seinen guten Zweck anerkennen. Wenn es aber darum geht, daß einer unserer Partner innerhalb unserer Verteidigungsanstrengungen von uns verlangt, ihm Übungsraum zur Verfügung zu stellen, ein Partner, ,dem wir dankbar dafür sind, daß er hier bei uns Truppen unterhält, nicht zuletzt auch zu unserem eigenen Schutz, dann ist es mir allerdings lieber, diese Übungen finden in diesem Ausnahmefall in Teilen des Naturschutzgebietes statt, anstatt in einem Gebiet, das von Bauern und Gewerbetreibenden bewohnt wird, ,die tagtäglich an ihrer Arbeitsstätte Belastungen dieser Übungen ausgesetzt sind.Leute, die man sonst für vernünftig hält, lassen sich hier manchmal von einer Art Gefühl einfangen, als ob wir selbst alle in einem Naturschutzpark lebten und nicht in der Nähe der geographischen Grenze und zugleich in der Mitte einer weltweiten Auseinandersetzung. Unser Gegner in dieser Auseinandersetzung wird sich seinen eigenen Vers auf solche Überlegungen machen. Unsere Partner werden reserviertes Verständnis zeigen, ;die Menschen allerdings, die in diesem Gebiet selbst wohnen, kaum. Sie sind sich über ;den Ernst der Lage klarer als mancher andere. Ich zitiere — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — aus einem Leserbrief, geschrieben von einem betroffenen Landwirt mitten im Manövergebiet am H. März 1960 an die „BöhmeZeitung", eines der örtlichen Presseorgane. Es heißt darin in der Mitte:Deshalb war es sehr zu begrüßen, daß der Bundesverteidigungsminister im Februar 1958 vor dem Bundestag klar und deutlich erklärte, 'daß die Übungsplätze zu kleingeworden seien und Übungsraum außerhalb dieser Plätze gebraucht werde. Uns Beteiligten war diese Antwort zwar nicht angenehm, wer sich aber eingehend mit diesem Problem befaßt hatte, der wußte längst, daß sie nicht anders lauten konnte. Entweder Deutschland ... entscheidet sich für ein Bündnis mit den übrigen Staaten ;des Abendlandes, dann muß es mit allen Konsequenzen dazu stehen, oder wir ziehen es vor, in der Mitte Europas politisches und militärisches Vakuum zu bleiben. Die Folgen der zweiten Lösung dürften jeden von uns etwas härter treffen als die schlimmste Panzerübung. Zumindest ist aus idem Raum Soltau-Lüneburg noch kein einziger Bauer bei
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7595
WernerNacht und Nebel von seinem Hof geflohen, und auch kein Gastwirt hat seinen Besitz im Stich gelassen, um seine Freiheit zu retten. Es entstanden schwere Schäden, das steht fest — auch viele vermeidbare Schäden. Es wäre aber sinnlos und unwürdig, ein Schwarzes-Peter-Spiel zu betreiben derart, daß ein Kreis versucht, die Last dem anderen aufzubürden.Soweit das Zitat. Man braucht ihm nicht viel hinzuzufügen.Das Schwarze-Peter-Spiel wurde dann auch gespielt. Die niedersächsische Landesregierung, die durch verschiedene Hinweise und persönliche Briefe des Herrn Bundeskanzlers über die Lage orientiert und zur Mitarbeit aufgefordert wurde, hat anscheinend .den Standpunkt vertreten, daß, wenn sie sich an diesen Verhandlungen beteilige, sie äußerlich dem Vertrag zustimme, und diesen Eindruck wolle sie nicht erwecken. Auf diese Weise hat die betroffene Bevölkerung die daraus entstehenden Konsequenzen auch noch auf ihren Rücken nehmen müssen, und mögliche Erleichterungen sind unterblieben. Die niedersächsische Landesregierung muß aber in irgendeiner Form doch sehr aktiv an den Verhandlungen teilgenommen haben. Denn seltsamerweise liegt innerhalb ,der Flächen, die für die ständigen Übungen vorgesehen sind, nur ein ganz kleines Gebiet — hier war esabsolut nicht vermeidbar — von 25 ha, das dem Lande Niedersachsen gehört. Man könnte nun sagen, daß das vielleicht eine Enklave sei, die hier zufällig liege. Das ist aber nicht so. Das ganze dortige Gebiet weist nämlich eine ,große Anzahl Flächen von Kloster- und Staatsforsten auf. Hier muß sich also die niedersächsische Landesregierung erheblich bemüht haben, daß ihr Besitz möglichst nicht in die Gebiete fiel, die von ständigen Übungen betroffen sind. Hier müssen Beamte energisch tätig gewesen sein, um für das Land Niedersachsen zu einem Erfolg zu kommen, der sich dann auch offensichtlich wenn man sich ,die Karte ansieht — eingestellt hat.Im Niedersächsischen Landtag ist in der 63. Sitzung am 13. Mai 1958 eine Anfrage gestellt worden, die sich mit den Übungen befaßte, die hier stattfinden. In dem Protokoll ist eine Antwort auf die Frage enthalten, ob das Land Niedersachsen unter Umständen Ersatzland zur Verfügung stellen könnte. Der Minister des Innern Kopf sagte nach dem Protokoll:Ersatzland kann aber die Landesregierung wegen der damit verbundenen großen Schäden in landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht anbieten.Man mag darüber streiten, ob es sinnvoll ist, bereits völlig zerfahrene Flächen aufzugeben, um wiederum andere landwirtschaftlich genutzte Flächen zerfahren zu lassen. Die Antwort aber, die von der niedersächsischen Landesregierung gegeben worden ist, konnte von jedem einzelnen betroffenen Bauern, der sein Land zur Verfügung stellen muß, mit demselben Recht auch gegeben werden.Ich habe mich daher entschlossen, einen landwirtschaftlichen Sachverständigen zu beauftragen, mirVorschläge zu machen, wo sich in der dortigen Gegend Flächen befinden, die für diese Übungen geeignet wären, ohne daß 12 000 Menschen — soviel wohnen in dem jetzigen Gebiet — täglich durch die abgehaltenen Übungen gestört werden. Das Gutachten werde ich nach Fertigstellung dem Innenausschuß zuleiten. Vielleicht könnte man dann später, falls man solche Flächen finden sollte, durch einen Stufenplan die Belastung für die dortige Bevölkerung im Laufe der Zeit langsam abbauen, ohne daß die Übungen der britischen Truppen geschmälert werden.Auch die Tatsache, daß die englischen Truppeh lebensnah üben wollen, das heißt Ortsdurchfahrten und ähnliches suchen, sollte dabei keine Rolle spielen, denn man kann künstliche Dörfer für weniger Geld aufbauen, als die Schäden kosten, die tagtäglich in den richtigen Dörfern angerichtet werden; von den menschlichen Belästigungen will ich hier gar nicht sprechen.Maßnahmen zur Erleichterung wären bereits früher möglich gewesen. Ich habe Mitte Mai 1960 mit der Chief Joint Services Liaison Organisation der britischen Rhein-Armee — mit dem General Lipscomb — über solche Möglichkeiten verhandelt. Es kam dabei folgendes heraus. Der General sagte mir Möglichkeiten in der Frage der Umgehung der Ortschaften zu. Genannt wurden damals Beringen, Bispingen, Hützel und Södersdorf. Nicht ausgeschlossen sollte sein, daß andere Orte bei entsprechenden Vorschlägen ebenfalls berücksichtigt würden. Ferner sprach der General mit mir über einen Austausch der Flächen um Schwindebeck. Hier sollte die Gemeinde in Verbindung mit dem Kreis Harburg entsprechende Vorschläge machen. Die Übungsflächen sollten, soweit notwendig, rote Markierungen erhalten, damit die übende Truppe die Grenzen dieser Flächen nicht außer acht läßt. Schriftlich abgefaßte Anordnungen sollten an jedes Mitglied der Truppe gegeben werden, in denen Hinweise für das Verhalten im Übungsraum enthalten sind. Der General fügte hier allerdings hinzu, daß, obwohl das schon öfters gemacht worden sei und die Anordnungen auf sehr hartes Papier gedruckt worden seien, sie nicht immer gelesen worden seien. Alle Einheiten sollten durch einen höheren Offizier über die latente Waldbrandgefahr belehrt werden. General Lipscomb erklärte sich am Ende von sich aus bereit, persönlich eine Aussprache mit den betreffenden Kreistagen herbeizuführen, falls das gewünscht würde. Er erklärte weiter seine jederzeitige Bereitschaft, mit mir zu verhandeln, falls andere Schwierigkeiten entständen. Eine mögliche Ausdehnung der Feiertagsruhe, die ich anregte, konnte nicht ausdiskutiert werden.Es gibt also Möglichkeiten, und es wäre unsere Aufgabe, sich mit ihnen ernstlich zu beschäftigen. Man sollte nur nicht der Bevölkerung durch einfache Behauptungen Illusionen machen, nur um sie dann um so schneller enttäuschen zu müssen — eine Enttäuschung, die vor allem dann Platz greift, wenn man den Eindruck erweckt, ,daß man Experte sei. Der Experte gilt manchmal in Deutschland mehr als anderswo. Bei vielen Bemerkungen, die zu dem Ver-
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Wernertrag von anderer Seite gemacht wurden, konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, daß hinter diesen Methoden Nebenüberlegungen standen, die mit dem wahren Problem der schweren Bürde für die Bevölkerung wenig zu tun hatten.Warum z. B. sagte der Abgeordnete Kreitmeyer nach einer Aussprache am 1. April, zu der ich alle Abgeordneten, ganz gleich, welcher Partei sie angehörten, eingeladen hatte, weil ich der Meinung war, daß es sich hier um ein Problem handelt, das über den Parteien steht: Die vorhandenen Truppenübungsplätze im Raum Soltau—Celle seien nicht ausgenutzt; man solle die ganze Manövergeschichte dorthin verlegen. Dasselbe hörten wir später auch im Bundestag. Im September, als der Leser der Böhme-Zeitung von dem weltbewegenden Ereignis der Beendigung der Reserveübung des Oberst Kreitmeyer unterrichtet wird, hält der Kollege Kreitmeyer in dieser Meldung gleichzeitig fest, daß die Übungsplätze keineswegs ausreichten, im Gegenteil die Ausbildung unter zu kleinen Plätzen leide. Und am Ende erscheint dann in der Münchener und Bunten Illustrierten vom 23. September 1960 auf Seite 54:Reinhold Kreitmeyer wandte sich gegen die steigenden Forderungen der Bauern im Grünen Plan. Als Beweis für deren Wohlstand führte Kreitmeyer die geringen Erbsorgen der ländlichen Bevölkerung an: „Der erste Sohn erbt den Hof, der zweite die Hagelversicherung und der dritte die Manöverschäden."
Ich meine, je größer die Last ist, die eine bestimmte Gruppe im Kreise des Ganzen zu tragen hat, mit je mehr Anstand sollte diese Gruppe behandelt werden. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß dem betroffenen Raum nur energisch geholfen werden kann, wenn mit exakter Hilfe und nicht mit Versprechungen, die nicht gehalten werden können, gearbeitet wird.Meine Damen und Herren, wenn Sie in einem solchen betroffenen Ort wohnten, könnte es Ihnen passieren, daß die Panzer so gegen 11 oder 12 Uhr, wenn Sie gerade eine Stunde eingeschlafen sind, durch die Ortschaft fahren und daß sie um 3 oder 4 Uhr, wenn Sie noch eine Stunde oder zwei Stunden schlafen wollen, zurückkommen. Der Heidekrug, in dem Sie absteigen — und von dem die Zeitungen behaupten, er sei dieses Jahr genauso voll gewesen wie das Jahr vorher, ohne daß die Leute wissen, daß jemand, der einmal dort gewesen ist, nicht wiederkommt, es müssen also immer andere sein —, ist in einem trockenen Sommer außen und innen völlig verstaubt, Sie übrigens auch, und in einem nassen Sommer wird Ihnen das Spazierengehen schwer verleidet, weil die Wege dann grundlos sind. Die Wege werden bei weitem nicht in der Geschwindigkeit repariert, wie das notwendig wäre, und bei weitem nicht so repariert, wie das qualitativ erforderlich wäre. Diese schlechten Wegeverhältnisse ziehen nun wiederum eine Unzahl von indirekten Schäden nach sich, deren Aufklärung immer schwierig und deren Bezahlung nicht ausreichend ist. Nachdem dasnun zehn Jahre so geht, wird die Bevölkerung müde, wenn ihr nicht wirklich aktiv geholfen wird.Eine Stellungnahme zu dem ganzen Zusatzabkommen kann sich aber nicht darin erschöpfen, ob man dazu ja oder nein sagt. Die Antwort nein oder ja reicht hier nicht aus. Wenn man nämlich nein sagt, dann kommen nicht etwa keine Truppen dorthin, denn sie sind ja schon da. Wenn man dagegen ja sagt, ist man verpflichtet, alles zu tun, um die Verhältnisse so zu erleichtern, wie das überhaupt nur geht. Wenn ich ja sage, meine Damen und Herren, dann tue ich das nicht etwa deshalb, weil mit dem Zusatzabkommen des NATO-Truppenstatut steht und fällt, sondern nur deshalb, weil überhaupt nur auf dieser rechtlichen Grundlage des Zusatzabkommens eine Verbesserung für die Bevölkerung möglich ist.
— Ich würde es meiner Fraktion nicht übelnehmen, wenn es ihre Meinung wäre.
An Maßnahmen, ,die hier, wenn der Vertrag in die Ausschüsse geht, besonders mit berücksichtigt werden müssen, möchte ich einige aufführen.Es sollte alles getan werden, für eine Umgehung der fraglichen Ortschaften zu sorgen, und zwar in großzügiger Weise und nicht so teeng, daß die Schäden nach wie vor auftreten.Die Biwakplätze sollten als Dauerplätze festgelegt werden. Die Truppen suchen jetzt bei ihren Übungen nicht — wie der Vertrag vorsieht — Biwakplätze innerhalb der für den dauernden Gebrauch vorgesehenen Plätze auf, sondern meistens werden Biwakplätze am Rande von Dörfern besucht und in einem desolaten Zustand verlassen.Weiter sollten alle Nebenschäden, wie Erosionserscheinungen und Bodenverdichtungen, mit ausreichenden Mitteln bekämpft werden.Für eine Verbesserung der Feuerschutzeinrichtungen sollte in großzügiger Weise gesorgt werden.Bei der Festsetzung der Pachten sollte ebenso schnell und großzügig verfahren werden.Eigentlich müßte der Lex Soltau eine Entschädigung-Lex-Soltau hinzugefügt werden, die es ermöglichte, schnell zu verfahren, und die es verhinderte, daß der Fiskus die möglichen guten Absichten des Parlaments durch die bekannt langwierige Arbeit zunichte macht. Ich muß zu meinem Bedauern hier sagen, daß es in der Gegend Landwirte gibt, die fünf Jahre lang auf Entschädigungen warten mußten, die ihnen rechtlich zustanden.
Wenn der Vertrag so in den Ausschüssen behandelt wird, wenn die vorgesehenen Pachten schnell und sorgfältig festgelegt werden, wenn der Haushalts- und Finanzausschuß den Ernst der dortigen
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7597
WernerLage erkennt und danach handelt, bleibt die Last für die betroffene Bevölkerung noch immer groß. Gewisse Erleichterungen wären dann aber möglich, und das, was jetzt kaum ertäglich ist, könnte vielleicht halbwegs erträglich gemacht werden.Ich kann mich daher auch mit der etwas lapidaren Antwort der Bundesregierung, sie habe die Entschließung des Bundesrates, die die Bundesregierung auffordert, alle notwendigen Schritte zur Milderung der aus dem Soltau-Lüneburg-Abkommen entstehenden Konsequenzen zu unternehmen, zur Kenntnis genommen, nicht begnügen, und ich hoffe, daß sich die Bundesregierung redlich bemüht, hier aber auch alle Verbesserungen zu schaffen, die möglich sind, ohne Rücksicht auf den notwendigen Aufwand. Schließlich geht es hier erst in zweiter Linie um Geld, in erster Linie um die Menschen, die dort wohnen.Ich beantrage am Ende — abweichend von der Verabredung — Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß zur Federführung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Harm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte die Absicht, Ihnen eine ganz klare, juristisch begründete Rede zu halten. Diese Rede hat allerdings etwas mit zerfahrenem Gebiet zu tun. Nach dem Vorspiel soeben bin ich etwas irregeworden, ob ich das, was ich mir zu sagen vorgenommen habe, auch klar darstellen kann. Es ist natürlich eine schwierige Aufgabe für einen Vertreter der Regierung, eine schlechte Sache mit guten oder schlechten Worten zu verteidigen. Nichtsdestoweniger will ich auf den Kern der Dinge eingehen. Ich habe das Wort ausschließlich um der betroffenen Menschen willen ergriffen, nicht wegen irgendwelcher außenpolitischer Gesichtspunkte, die naheliegend wären.Formell handelt es sich um einen Vertrag zwischen ,dem Bund und der NATO, den der Bund zwar schon abgeschlossen hat, der aber noch der Ratifizierung bedarf. Die Betroffenen sind jedoch die armen zehntausend Leute, von denen Herr Kollege Werner soeben gesprochen hat. Es ist von den angeblichen erheblichen Vorteilen gesprochen worden, die dieses Vertragswerk enthalten soll. In den Gebieten der Lüneburger Heide, die ich ebenso wie mein Kollege Werner wiederholt besucht habe, sieht es ganz anders aus. Es ist meine Aufgabe, Ihnen darzulegen, daß der Gesetzentwurf keine Verbesserung darstellt. Die Gebiete dort werden weiter von den britischen Truppen verwüstet, Wälder werden zerstört und Straßen werden umgepflügt, ganz zu schweigen von all den anderen Unbilden. Das alles geschieht, obwohl sich Herr Kollege Werner, wie er soeben gesagt hat, bei höchsten militärischen Stellen um eine Besserung der Zustände bemüht hat.Ich betone nochmals: es geht mir nicht um den außenpolitischen Gehalt, sondern um die Betroffenen. Ich muß mein Befremden darüber zum Ausdruck bringen, daß Herr Kollege Werner hier wie derholt versucht hat, einen Schuldigen zu suchen. Es gibt keinen Schuldigen, ausgenommen denjeni- gen, der die Verwüstungen dort anrichtet. Der Schuldige ist nicht die Landesregierung, und der zufällige Umstand, daß die Partei meines Kollegen Werner, zur Zeit jedenfalls, nicht in der niedersächsischen Regierung vertreten ist, sollte Sie schon aus gutem Taktgefühl davon abhalten, den schuldigen Teil in der derzeitigen Landesregierung zu suchen; denn das alles liegt weit zurück, fällt auch in die Ara, als die Partei meines sehr geehrten Herrn Kollegen selbst dort maßgeblich beteiligt war.
— Lieber Freund, Sie sind falsch unterrichtet. Im übrigen hat der Regierungspräsident mit der Sache gar nichts zu tun; er ist nur der ausführende Arm.
— Sie sind im übrigen falsch unterrichtet.Nun, meine Damen und Herren, die Leidtragenden bleiben in jedem Fall die Bewohner dieses Gebiets, und die Bundesregierung täte wirklich besser daran, uns hier etwas auf den Tisch zu legen, was wenigstens deutschem Recht entspricht. Ist es notwendig, hier darauf hinzuweisen, daß § 68 des Bundesleistungsgesetzes klipp und klar verbietet, Naturschutzgebiete für solche Zwecke in Anspruch zu nehmen? Dieses deutsche Recht soll durch die Verträge, die der Herr Staatssekretär mit seinem Namen unterzeichnet hat, für unabsehbare Zeit außer Kurs gesetzt werden. Es geht nicht darum, hier an den guten Willen zu appellieren, freiwillig Rücksicht zu nehmen, sondern die Bevölkerung verlangt von Ihnen, Herr Kollege Werner, genauso wie von uns allen, daß wir uns zu dem Rechtsstaat bekennen, der jedem einzelnen Bürger dieses Landes die Rechte garantiert, die das deutsche Recht ihm gibt.Was will denn eigentlich der vorliegende Gesetzentwurf? Er will einen Teil der Bevölkerung und einen Teil des Gebietes außerhalb des Gesetzes stellen. Dagegen protestieren wir, und nach dem Rechtsempfinden der Bevölkerung mit Recht. Es ist nicht Rechtens, daß eine Bundesregierung über unseren Kopf hinweg Derartiges beschließt. Die Landesregierung, die von meinem geschätzten Herrn Vorredner soeben angeführt wurde, hat sich mit gutem Recht aus der Sache herausgehalten, weil nicht sie die Verträge gemacht hat, sondern das Auswärtige Amt, und zwar ohne in den entscheidenden Stadien überhaupt die Landesregierung zu beteiligen. Ich habe, meine Damen und Herren, die Korrespondenzen und die Akten im niedersächsischen Ministerium eingesehen. Ich kenne sie genau. Wohlweislich hat deswegen Herr Kollege Werner es auch so formuliert: es müsse wohl, und es solle wohl; es waren Vermutungen, nichts anderes. Und wenn mein Kollege gar so weit geht, zu sagen, es könnten oder müßten wohl bestimmte Beamte von
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7598 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Dr. HarmEinfluß gewesen sein, um niedersächsisches Staatsgebiet oder Klostergebiet auszulassen, so ist das eine Unterstellung, die mit dem guten Ton unter Kollegen und der Regierungen untereinander nicht vereinbar ist. Da muß ich die niedersächsische Landesregierung in Schutz nehmen; das verträgt dieses Werk hier nicht.Nun ist aber wiederholt davon die Rede gewesen, daß man auf der einen Seite den Truppenvertrag mit dem Zusatzabkommen habe und auf der anderen Seite das Sonderabkommen Soltau/ Lüneburg, und manche von den Herren Abgeordneten, die in diesen Gebieten zu Hause sind, haben den Standpunkt vertreten, es genüge, wenn man nur dem SoltauLüneburg-Abkommen zu Leibe gehe. Meine Damen und Herren, das ist rechtlich eine falsche These, weil nämlich fast dieselbe Bestimmung auch im Hauptabkommen enthalten ist. Es sind nur Nuancen der Formulierung, in denen sich die beiden unterscheiden. Wir müssen also davon ausgehen, daß das Ganze ein juristisch einheitliches Werk ist, das nicht besser und nicht schlechter wird, wenn man einen Teil herausbricht. Die zuständigen Ausschüsse werden das Gesamtwerk beurteilen müssen, und sie werden dann sehen: es genügt nicht, den Hebel an einer Stelle anzusetzen.Im Augenblick ist es so, daß das Privateigentum verwüstet und zerstört wird. Die Panzerfahrzeuge nehmen keine Rücksicht ,auf Nachtzeit und Tageszeit. Alles hüllen sie in ihre Staubwolke. Die Schießübungen vollziehen sich zum Teil über die Dörfer hinweg. Menschen und Tiere sind gleicherweise gefährdet. Und was vollends das Naturschutzgebiet betrifft, so ist ja in dem Vertragswerk die inkriminierte Bestimmung enthalten, daß das Naturschutzgebiet ohne Rücksicht auf den Willen der zuständigen Eigentümer aus dem ganzen Rechtszustand herausgenommen wird. Meine Damen und Herren, ich wies schon darauf hin: das verstößt fundamental gegen den § 68 des Bundesleistungsgesetzes, der diesen Fall ausschließt.Die Bevölkerung erwartet also, daß das Gesamtwerk, das uns hier vorliegt, überholt wird. Ich will Ihnen hier nur einige der ganz wunden Stellen zitieren. Nach Art. 48 könnte z. B. jede Truppe ihre Ausbildung nach ihrem Ermessen, nach dem Ermessen der militärischen Leitung, stets auch außerhalb der ständigen Gebiete und Liegenschaften vollziehen. Mit anderen Worten: selbst wenn dieses Vertragswerk sanktioniert würde, würde die militärische Kompetenz davon nicht betroffen. Der Ausschuß für Inneres hat bei seiner Besichtigungsfahrt im September dieses Jahres ganz traurige Zustände vorgefunden und wird sich deswegen eingehend mit diesen Fragen zu befassen haben.Nach Art. 45 Abs. 2 Buchstabe b kann z. B. die Truppe bei erheblichen Schäden ein Grundstück innerhalb von drei Monaten nicht wiederholt befahren. Das heißt aber auf gut deutsch: wenn die Schäden beseitigt sind, kann der Tanz von vorn beginnen. Meine Damen und Herren, damit dienen wir der Bevölkerung nicht.In Art. 45 Abs. 2 heißt es, daß die Vorschriften des deutschen Rechts für bestimmte Fälle keineAnwendung finden. Können Sie sich im Ernst vorstellen, daß man in England oder in Frankreich oder sonst bei einem der NATO-Partner ein Gesetz machen würde, in dem es heißt: Die Vorschriften der Landesgesetzgebung bleiben insoweit außer Betracht? Ich glaube das nicht, und ich bin fest überzeugt, daß unsere Soldaten eine andere Auffassung von diesen Dingen haben.Ich bemerke übrigens nebenbei, daß es hier speziell um die britischen Truppen geht, denn wir haben keine gleichen Beschwerden aus den Gebieten mit französischen, amerikanischen und sonstigen Truppen. Es ist kein Zufall, vielleicht letztlich eine psychologische oder eine charakterliche Frage, daß gerade aus dem Gebiet Soltau-Lüneburg solche Beschwerden kommen. Es muß also letztlich wohl auf der persönlichen Seite liegen, und da ist es um so stärker erforderlich, klare Grenzen gesetzlich abzustecken, um zu sagen: Bis hierher, und so weit geht das Recht.Deswegen halte ich es für eine ziemlich billige Methode, zu sagen: Lex Soltau hier und Lex Entschädigung dort. Die Bevölkerung will nicht Entschädigung, die Bevölkerung will ihre Souveränität, ihre Partnerschaft und ihre Gleichberechtigung, sie will den gesetzlichen Vertragszustand und nichts anderes.Indem Herr Kollege Werner namens der CDU, wie er sagt, zum Ausdruck bringt, daß er diese Alternative Lex Soltau — Lex Entschädigung stellt, hat er nach meiner Meinung a priori anerkannt, daß er sich mit diesem Vertragswerk, mit diesem Gesetzentwurf im Grunde für sich und seine Partei bereits abgefunden hat.Die Sache wird noch viel schwieriger dadurch, daß z. B. in Kap. 7 des Gesetzentwurfs eine Bestimmung enthalten ist, die mit einem Salto die Bundesregierung in das ganze Gebiet vorzeitig einweisen will. Das würde eine vollendete Tatsache schaffen, so daß die Bundesregierung mit dem Gelände ohne Rücksicht auf Landesrecht und ohne Rücksicht auf Privatrecht tun könnte, was sie will. Dabei ist juristisch ganz übersehen, daß ja bereits Ergänzungen zum Landbeschaffungsgesetz in Vorbereitung sind, mit denen etwaige Gesetzeslücken ausgefüllt werden sollen.Die Hauptforderung meiner Fraktion geht dahin, diesen unerfreulichen gesetzlosen Zustand zu beenden. Wir wollen nicht etwas sanktionieren, was dem Recht nicht entspricht. Wir wollen aus Kriegsrecht, aus Besatzungsrecht oder Willkür — wie Sie wollen — hinein in klare vertragliche Verhältnisse auf dem Boden der Gleichberechtigung, Souveränität und Partnerschaft, wie sich das unter Bündnispartnern gehört. Denn andernfalls würde das eintreten, was ja selbst in der Begründung dieses Gesetzes unterstellt wird: daß es nämlich im Grunde eine innerstaatliche Rechtsgrundlage für den derzeitigen Zustand gar nicht gebe. Dann heißt es zweitens in der Begründung dieses Gesetzentwurfs, diese Regelung sei erforderlich, um den „unerfreulichen Zustand" des mangelnden Besitzrechts der Streitkräfte zu beseitigen. Ja, meine Damen und Herren, das kann nicht die Aufgabe dieses Hohen
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7599
Dr. HarmHauses sein, einen „unerfreulichen Zustand" auf der einen Seite, weil die Besatzungsmächte kein Besitzrecht haben, dadurch abzulösen, daß wir einen unerfreulichen Zustand auf der andern Seite schaffen, durch den der rechtmäßige Eigentümer seines Eigentums beraubt wird.Alles das wird nach meiner Meinung im Innenausschuß und im Rechtsausschuß --- mitberatend —, soweit vor allen Dingen die Bestimmungen des Verfahrensrechts und des Strafrechts in Betracht kommen, zu klären sein. Dann werden wir im übrigen zur Kenntnis nehmen, daß das, was Herr Kollege Werner uns soeben vorgehalten hat, keinesfalls in dieser Form Gesetz werden darf. Mit diesen Argumenten, die soeben mein Herr Vorredner vertreten hat, würde er nicht vor seine Wähler treten. Es war mir übrigens interessant, daß sich Herr Werner im Augenblick zu der Einladung vom 1. April bekannt hat. Als ich damals die Frage stellte, wer der Einlader hierzu ist, wurde das negiert und die klare Autorenschaft bestritten.
Herr Abgeordneter Dr. Harm, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Huys?
Da Sie gerade von den Wählern dieses Wahlkreises sprechen: Sie haben dort auch kandidiert. — Vorher haben Sie abgestritten, daran beteiligt gewesen zu sein. Ein Bericht vom 3. Januar 1947 besagt demgegenüber folgendes — was sagen Sie dazu? —:
Dr. Harm hatte die Militärregierung in Lüneburg gebeten, von diesem Plan Abstand zu nehmen und statt dessen Gelände im bodenmäßig schlechteren Kreis Soltau in Anspruch zu nehmen und dort die Übung abzuhalten, denn, wie Oberregierungsrat Düsterberg wörtlich die Ausführungen des Regierungsdirektors Dr. Harm wiedergab: „Die Ablieferung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse von Soltau seien ohnehin nicht von Bedeutung."
Herr Kollege Huys, es ist mir seit langem bekannt, daß dieses Pamphlet — so muß ich sagen — in gewissen Kreisen Ihrer Partei oder der DP — ich weiß es nicht genau — existiert. Ich darf Ihnen erklären, daß das nicht stimmt, was da steht. Ich darf Sie bitten, zu sagen, wo die Quelle ist, aus der das Zitat stammt.
— Lieber Herr Kollege Huys, dazu muß ich Ihnen folgendes sagen. Zu der Zeit hatten Sie als Landwirtschaftsminister den inzwischen landflüchtig gewordenen Herrn Gereke. Oder war es Herr Minister Block?
— Wer war es denn zu der Zeit? Ich habe jedenfalls an diesen Dingen nicht teilgenommen. Wenn das eine Mitteilung der Kreisbauernschaft oder des Landvolks ist, so wissen wir damit genau, welche Autorenschaft es hat; denn diese Organisation stand natürlich in absolutem Affront gegenüber dem Regierungspräsidenten. Das ist ein ganz klarer Fall. Das wird nun hier nach der Methode aliquid semper haeret produziert. Ich habe schon einmal versucht, den Mann zu finden, der das fabriziert hat, um ihn vor den Kadi zu bringen. Ich bin es nicht gewesen. Ich glaube, das genügt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Werner?
Würden Sie mir sagen, ob Sie die Anmerkung von Herrn Kollegen Huys für wahr halten oder nicht?
Die halte ich für unwahr, das habe ich doch klipp und klar gesagt. Vor längerer Zeit ist mir von einem Freund gesagt worden, daß ein solches Schriftstück bestehe und daß irgendwer es gebracht habe. Da habe ich gesagt: Bringen Sie mir den Mann, damit ich einen Zeugen habe! Ich hätte keinen Tag gezögert, mein Recht zu verteidigen. Ich weiß davon. Aber das ist elende Brunnenvergiftung, nichts anderes!
— Dann wundere ich mich, daß Sie ein so billiges Pamphlet nehmen.
Ich beantrage, Herr Präsident, die Sache an den Innenausschuß und, soweit Straf- und Verfahrensbestimmungen in Betracht kommen, an den Rechtsausschuß zur Mitberatung zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kreitmeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist anderwärts Sitte, daß, wenn einer seine Jungfernrede gehalten hat, der nächste Abgeordnete ihm dazu gratuliert, ihm die Freude zum Ausdruck bringt, daß er eine vorzügliche Rede gehalten hat, daß er sich seiner Aufgabe gut entledigt hat — Herr Präsident, Sie entschuldigen diese persönlichen Worte, aber ich war ja angesprochen —, und die Hoffnung ausspricht, daß er wiederum sehr bald eine so erleuchtende, das ganze Haus erleuchtende Rede halten wird. Dem möchte ich mich meinem Kollegen Werner gegenüber anschließen. Es war seine Jungfernrede, ich bin der nächste Redner.
— Jetzt bin ich ganz ehrlich, Herr Kollege Pflaumbaum, weil ich jetzt das sage, was ich ihm sagenmußte: Lieber Kollege, wenn man schon einen an-
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7600 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Kreitmeyerderen Kollegen zitiert, dann soll man rückfragen und sich vergewissern, ob das, was man in der Zeitung gelesen hat, auch der Wahrheit entspricht und ob der Kollege, wenn etwas Falsches in der Zeitung stand, Gelegenheit hatte, es zu korrigieren. Das Zitat, insbesondere aus der „Bunten Illustrierten", ist nach dem damals mutmaßlichen niedersächsischen Wahltermin hundertprozentig richtiggestellt worden, weil es eben hundertprozentig falsch und aus dem Zusammenhang gerissen war.Zu meinen Äußerungen vom 1. April, meinen Äußerungen vor meiner Reserveübung und meinen Äußerungen nach meiner Reserveübung möchte ich Ihnen eine sicher nicht uninteressante Erklärung geben, und ich hoffe, daß insbesondere der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts gespannt zuhören wird.Meine Damen und Herren, ich darf zunächst einmal im Namen der Freien Demokraten erklären, daß wir es gewesen sind, die darauf bestanden haben, diese erste Lesung nicht geräuschlos vorübergehen zu lassen, sondern doch zu einer sehr intensiven Aussprache zu kommen. Der Grund dafür ist sehr einfach. Dieses Gesetz, das wir demnächst verabschieden sollen, regelt für lange, lange Zeit die Beziehungen von Freunden untereinander. Wir wünschen, daß diese Regelungen von vornherein so getroffen werden, daß sie nicht zum Anstoß oder zur Grundlage dauernden Streites und Unfriedens werden. Aus diesem Geist heraus bringen wir jetzt unsere Bedenken vor.Es ist bereits die Überweisung an den Ausschuß beantragt. Das kann doch nur in der Hoffnung geschehen sein, daß dann, wenn die Regierung — wie wir aus dem Verlauf der Debatte erfahren haben —nicht in der Lage ist, die Dinge zu ändern, vielleicht doch noch der Wille und die Einsicht der Mitglieder dieses Hauses, die alle mit den von mir vorher gemachten Bemerkungen übereinstimmen, in der Lage sein werden, Milderungen herbeizuführen. Ich richte also einen Appell an alle Damen und Herren und komme nun zu einigen Grundsätzen.Es ist verwunderlich, daß man uns erst 15 Monate nach der Ratifikation 'diese Begründung vorlegt, die einige ganz erhebliche Widersprüche ,aufweist. Wir werden dabei ,das unangenehme Gefühl nicht los, daß man es von vornherein nicht fertiggebracht hat, die innerstaatlichen Rechtsgrundlagen dem Bundesgenossen unmißverständlich klarzumachen, so daß sogar er im Laufe der Verhandlungen das Vorhandensein einer dünnen Stelle spürte, und daß die Regierung nachträglich eine Begründung für etwas sucht, was man von vornherein abändern konnte. Es ist ein gutes Zeichen dieses Vertragswerkes, daß man sich in einigen Punkten nach angelsächsischer Sitte bemüht hat, vorher zu definieren, was unter einem bestimmten Ausdruck gemeint ist, und hier, Herr Staatssekretär, richtet sich mein erster Appell an Sie. Wenn dieses Vertragswerk, wie es in der Begründung heißt, nunmehr auf rechtsstaatlicher 'Grundlage aufgebaut sein soll und die Beziehungen der Zivilbevölkerung zu den übenden Truppen geregelt sein sollen, dann müssen Sie auch dafür sorgen, daß einwandfrei und übereinstimmend definiert wird, was eine ständige Übung ist, was ein Manöver ist und was eine andere Übung ist; denn wenn diese Begriffe nicht klar sind, werden wir keine Ruhe und keine zufriedenstellende Regelung erhalten.Dann wurde hier die niedersächsische Landesregierung angesprochen. Wenn an ihr Kritik geübt worden ist, daß sie nicht richtig mitgearbeitet habe, so ist diese Kritik von sämtlichen in Niedersachsen vertretenen Parteien in zwei Punkten lange Zeit vor der Ratifizierung unmißverständlich zum Ausdruck gebracht worden. Bei ,diesen Punkten geht es uns um die Aufrechterhaltung des zweiten Absatzes des § 66 ,des Bundesleistungsgesetzes, daß nämlich Manöver oder andere Übungen die Dauer von 30 Tagen nicht überschreiten dürfen und daß dasselbe Gelände für mehrtägige Übungen innerhalb dreier Monate nicht wieder benutzt werden soll. Diese Klausel ist in dem Vertrag nicht mehr enthalten.Weiter müssen wir unseren 'zivilen Behörden die einschränkende — nicht die völlig verhindernde —Befugnis einräumen, einschränkende Maßnahmen festzulegen. Diese Bestimmung ist in dem Vertragswerk ebenfalls nicht vorhanden.Die Begründung ist an einer Stelle etwas fragwürdig, um nicht zu sagen: kurios. Man sagt, wir erlaubten im Naturschutzpark Wilsede die Benutzung, um zu verhindern, daß in anderen Parks ebenfalls geübt werde. Und man fügt sofort hinzu: Es ist aber erst ein Antrag gestellt worden. Das heißt auf deutsch: der eine Antrag, der gestellt worden ist, im Naturschutzpark Wilsede zu üben, wird sofort prompt genehmigt. Wir sind gespannt, wann die Anträge für die anderen Naturschutzparks folgen werden. Wir dürfen gewiß sein, daß wir wiederum vor der Formel kapitulieren: Die militärischen Notwendigkeiten erheischen es. Das ist eine Formel, mit der man alles machen kann. Diese Formel ist sicherlich mit ein Grund, weshalb man in Zukunft zu keiner Regelung kommen wird, die beide Seiten befriedigen würde; denn über Umfang, Inhalt und Ausmaß dieser Formel kann ein Zivilist nicht entscheiden. Ich gebe allerdings zu, daß nicht unbedingt Berufskenntnisse erforderlich sind, um ein Experte zu werden — denn das ist hier schon mehrfach bewiesen worden —; es genügt auch intensives Beschäftigen mit der Materie. Vielleicht gelingt es auf diesem Gebiet doch noch, eine befriedigende Regelung zu finden.Nun noch ein Wort im Hinblick auf die Menschen. Sicher werden die Schäden besser und schneller als früher bezahlt werden. Da der, der den Schaden verursacht, selber zu drei Vierteln mit herangezogen wird, wird er sich bemühen, Schäden soweit als möglich zu vermeiden. Aber etwas ist hier nicht deutlich genug angesprochen worden. Für gestörte Nachtruhe gibt es keinen Schadensersatz. Es ist vielleicht manchem — und deshalb meine Frage neulich in der Fragestunde — nicht ganz klar und es könnte auch mit der Schwarz-Weiß-Skizze sehr deutlich gemacht werden, wie Ianggestreckt die Ortschaften und Siedlungen sich an den Straßen ausdehnen, die für den ständigen Panzerverkehr —
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7601
Kreitmeyernunmehr mit unserer Unterschrift — eingeräumt worden sind.Es ist bereits erwähnt worden — ich brauche es deshalb nicht näher auszuführen —, daß nicht nur das Lüneburg-Soltau-Abkommen außerordentlich kautschukartige Bedingungen enthält. Auch das Hauptabkommen — der Art. 45 — ist ebenfalls nicht geeignet, unter Freunden eine gute Regelung zu treffen. Deshalb wäre es auch hier unbedingt notwendig, eine Änderung mit Hilfe des Ausschusses und mit Hilfe des eindeutigen Willens dieses Hauses, aber auch der breiteren Öffentlichkeit, herbeizuführen. Gerade weil es sich um angelsächsische Partner handelt, habe ich den Eindruck, daß es von unserer Seite aus mit dem Werben um die öffentliche Meinung drüben nicht sehr gut bestellt gewesen ist. Sehr schön war der Vergleich, Herr Kollege Werner, mit dem Sie deutlich zum Ausdruck brachten, wie man über Besitz und über unbefugtes Eingreifen in das Eigentum denkt. Aber genauso sollten wir das drüben klarmachen, — wenn man mit der öffentlichen Meinung zu arbeiten weiß!Was wollen eigentlich unsere Bundesgenossen von uns? Ich möchte es Ihnen einmal mit einigen anderen Worten klarmachen. Da sie an ihren jetzigen Garnisonen und Standorten keine brauchbaren Standortübungsplätze haben, treten sie eine 200 oder noch mehr Kilometer weite Reise auf der Eisenbahn an, laden aus, und damit sich die Reise überhaupt lohnt, bleibt man drei bis vier Wochen an Ort und Stelle und holt jetzt — rein militärisch absolut richtig — die kleinen Einzelausbildungsübungen von der Gruppe bis zum Zug nach. Es ist dem militärischen Einheitsführer auch nicht zu verdenken, daß er sagt: Wenn ich schon da bin, will ich auch noch eine andere Übung einschalten.Nun kommt noch eine Raffinesse dieses Vertrages. Während die Übung eines Bataillons und eines Brigadeverbandes meldepflichtig ist, ist das, was dazwischenliegt, von der Kompanie bis zum Bataillon, nicht meldepflichtig. Hier liegt mit ein Grund der dauernden Verärgerung, weil man damit alle Handhaben hat — auf seiten der Soldaten im besten Bestreben, etwas Gutes zu leisten, um einen Erfolg zu erzielen —, überall zu üben. Wir müssen bedauern, daß bereits 4800 ha Kulturland praktisch aufgegeben worden sind.Ich konnte aus der Antwort des Herrn Bundesschatzministers heute entnehmen, daß er — er hat ja den reichen Schatz von 13 000 ha Land bundeseigener Gesellschaften — durchaus bereit ist, zu verhandeln, wenn man ihm nur einmal die Flächen und die Räume angäbe. Hier darf ich noch einmal sagen: Man braucht nur in der Nähe der Standorte der jetzigen Garnisonen um 600 oder 800 ha Land bemüht zu sein; dann ist das ganze Soltau-Lüneburg-Problem schon zu 90 % gelöst. — Bitte, lieber Kollege!
Glauben Sie, Herr Kollege Kreitmeyer, daß, selbst wenn solches Land in der Nähe des Gebietes gefunden würde, dadurch etwas gewonnen wäre? Dadurch wäre nichts gewonnen. Es wäre nur das Manövergebiet vergrößert. Außerdem stehen die Regierung in Luneburg und das Land Niedersachsen auf dem Standpunkt, daß es solch ein Gebiet nicht gibt.
Hierzu möchte ich Ihnen sagen, daß 80 0/0 aller Übungen nicht mehr im Raum Soltau-Lüneburg durchgeführt werden. Vielmehr können die Truppen ihre Einzelausbildung von der Gruppe bis zum Zug an Ort und Stelle vornehmen. Zweitens müssen wir ein Gefühl dafür haben, daß das Soltau-Lüneburg-Gebiet ein Recht auf gleiche Behandlung hat. Sie haben heute erst gehört, daß Niedersachsen mit der Belastung pro Hektar an der Spitze aller Länder steht. Glücklicherweise steht auch der bundeseigene Gesellschaftsbesitz in Niedersachsen mit 10 000 ha an der Spitze. Das, was ich kritisiere, Herr Kollege Huys, ist, daß hier — jedenfalls habe ich diesen Eindruck — nicht wirklich das letzte Mittel erschöpft worden ist, um der Bevölkerung tatsächlich zu helfen. Diesen Zweifel muß ich nach wie vor aufrechterhalten.Dazu noch eine Frage. Kann ich den Menschen dort jetzt sofort helfen? Ich bin überzeugt, daß diese Verhandlungen noch lange Zeit dauern. Ich verstehe nicht, Herr Staatssekretär, daß, nachdem wir uns zweimal in einem geschlossenen Kreis der interessierten Abgeordneten unterhalten haben, nicht einmal ein Minimum an Wünschen erfüllt worden ist. Dieses Minimum hätte Sie nicht einmal in textliche Schwierigkeiten gebracht. Das Minimum hätte darin bestanden, den gesamten Panzerverkehr, den Sie — auf zwei Wegeskizzen und in zwei Artikeln festgelegt — auf ein und derselben Fahrbahn mit dem Zivilverkehr abwickeln, auf einer nicht befestigten Panzerstraße aus den Ortschaften heraus zu den freigegebenen Übungsplätzen hinzuleiten. Diese Sofortmaßnahme hätte der Nachtruhe, dem Schlaf der Kinder und der gesamten übrigen Bevölkerung gedient und wäre eine entscheidende Milderung in dem Sinne gewesen, wie es der Bundesrat empfohlen hatte.
Zum Schluß aber meine ich, es eilt nicht, Herr Staatssekretär. Wir dürfen an den Geist des Grundsatzvertrages von 1951 appellieren, in dem sich die Partner verpflichtet haben, das Recht des Aufnahmestaates zu achten und jede damit nicht zu vereinbarende Tätigkeit zu unterlassen. Ich glaube, wir sollten nichts unversucht lassen, in gemeinsamer Arbeit diesem Vertrag eine andere Textierung zu geben.Und schließlich noch eine Bemerkung. Wir haben vor wenigen Wochen mit den Italienern auf der Grundlage desselben Rahmenabkommens bereits einen zweiseitigen Vertrag geschlossen. Für mich ist es logisch noch nicht einleuchtend, weshalb man, wenn man mit dem einen einen solchen Vertrag vorweg abschließen kann, nicht einige Wochen später denselben Vertrag auch mit dem anderen abschließen kann. Aber wir haben dann die Möglichkeit, es tatsächlich besser zu machen — das muß ich deutlich sagen —, als es die Regierung uns hier zumutet.
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7602 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dahlgrün.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet, weil ich eine Bemerkung von Herrn Kollegen Harm nicht für richtig halte. Mich interessiert im Augenblick nur das Soltau-Lüneburg-Abkommen. Ich stimme den Kritikern des Truppenvertrages und des großen Zusatzabkommens darin zu, daß eine große Zahl von Vorschriften widersprüchlich sind, vielleicht besser formuliert werden könnten usw. Damit mögen sich die von Herrn Werner zitierten Experten in den zuständigen Ausschüssen beschäftigen.
Herr Kollege Harm, ich wollte mich gegen Ihre These wenden, daß das Ganze ein einheitliches Werk sei. Denselben Standpunkt hat Herr Kollege Werner mit der Behauptung vertreten, das ganze NATO-Truppenstatut stehe und falle mit dem Soltau-Lüneburg-Abkommen. Ich muß Ihnen sagen, daß ich in den letzten Monaten versucht habe, dafür von den beteiligten Behörden eine Begründung zu erhalten. Das ist mir nicht gelungen. Ich kann wirklich nicht einsehen, daß das zwischen dem Vereinigten Königreich, Kanada und der Bundesrepublik abgeschlossene Soltau-Lüneburg-Abkommen steht oder fällt mit dem zwischen den Partnern des Nordatlantikvertrages vereinbarten Truppenstatut; ich weiß im Moment nicht, wie viele Partner das sind, jedenfalls stehen unter den anderen Verträgen die Unterschriften einer ganzen Reihe von Staaten. Ich
kann nicht einsehen, daß die anderen Partner des Nordatlantikvertrages ausgerechnet ein Interesse daran haben sollten, daß die Engländer und Kanadier bevorzugt behandelt werden und ein zusätzliches Übungsgelände von 34 000 ha erhalten. Das kann ich wirklich nicht einsehen.
Ehe ich mich vor die Bevölkerung in der Heide, woher ich komme, stelle und diesen Vertrag vertrete, muß ich die feste Überzeugung gewonnen haben, daß es wirklich gar keine andere Möglichkeit gibt, daß es unausweichlich ist, die Menschen in diesem Gebiet weiterhin Belästigungen in der Form auszusetzen, wie es heute geschieht. Wer sich dort nicht längere Zeit aufgehalten hat, kann nicht ermessen, worum es geht. Denken Sie bitte einmal daran, daß die Kinder in diesem Gebiet nachts nicht zum Schlafe kommen, daß der Unterricht in der Schule durch vorbeifahrende Panzer laufend gestört wird. Herr Kollege Werner, es ist ja nicht so, daß die Panzer nachts um 11 Uhr kommen und dann am anderen Morgen um 3 Uhr noch einmal, sondern sie fahren die ganze Nacht — immer dieselben natürlich — durch die Straßen. So ist es! Das ist eine unglaubliche Belastung!
Wie gesagt, ich bin bereit, für unsere Freiheit und Sicherheit einzutreten. Aber ich muß leider dem Herrn Staatssekretär sagen, daß mir bis zum Augenblick noch nicht das Material geliefert ist, mit dem ich der Bevölkerung gegenübertreten könnte.
Ich bin also der Meinung, daß man in den Ausschüssen den Truppenvertrag und das große Zusatzabkommen behandeln sollte, selbstverständlich mit allen Möglichkeiten. Man sollte wirklich erst einmal versuchen, das Soltau-Lüneburg-Zusatzabkommen, durch das 12 000 Menschen unter Ausnahmerecht gestellt werden — daran gibt es doch gar keinen Zweifel —, herauszunehmen, und sollte versuchen, mit den Engländern und Kanadiern zu einer anderen Lösung zu kommen. Ich begreife nicht, daß das nicht möglich sein sollte.
Herr Dr. Dahlgrün, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Harm?
Bitte schön.
Herr Kollege Dahlgrün, haben Sie nicht beachtet, daß Art. 45 Abs. 3 des Hauptabkommens fast wörtlich mit Art. 2 des SoltauLüneburg-Abkommens übereinstimmt? Deswegen meine These, daß es nicht genüge usw. Wörtliche Übereinstimmung!
Herr Kollege Harm, ich habe mich vielleicht falsch oder mißverständlich ausgedrückt. Sie haben völlig recht. Aber ich beschäftige mich im Moment, weil ich ihn kenne, mit dem Raum Soltau-Lüneburg und nicht mit dem Truppenvertrag. Das Zusatzabkommen behandelt militärische und außenpolitische Dinge, mit denen ich nicht befaßt bin. Ich möchte mich also nicht in diese Dinge hineinmischen. Sie haben recht, die Vorschriften entsprechen einander, und selbstverständlich muß auch am Truppenvertrag und am Zusatzabkommen, wenn sich diese Bedenken als begründet erweisen, etwas getan werden. Aber mir geht es um diesen Vertrag Soltau-Lüneburg.Meine Herren, ich kann mir nicht vorstellen, daß es nicht möglich sein sollte, im Sinne der Ausführungen von Herrn Kreitmeyer ein bestimmtes kleines Gebiet zu finden, in dem diese Übungen stattfinden können. Sehen Sie sich doch bitte einmal die diesem Vertrag beigefügte Karte an! Das sind sechs oder, wenn Sie wollen, sieben kleine Flächen, die in der Originalkarte rot ausgelegt sind. Auf diesen kleinen Flächen finden Übungen statt, und kilometerweit dazwischen liegt Bauernland und liegen Forsten. In diesem Land fahren die Panzer hin und her. Dabei kann doch außer Fahren nichts gewonnen werden. Denn die wirklichen Übungen finden nach dem Vertrag nur auf den roten Flächen statt. Warum liegen diese roten Flächen so weit auseinander?
— Herr Kollege Huys, das ist ja wieder nicht richtig. Das behaupten die anderen, daß sie das dürften, und nach den verwaschenen Bestimmungen können sie das auch, wenn militärische Notwendigkeiten es erfordern. Meiner Ansicht nach muß man mir beweisen, daß die militärischen Notwendigkeiten es erfordern. Wo kommen wir denn hin, wenn zwei Partner plötzlich diese Sonderrechte bei uns haben wollen! Wenn nun die anderen 10, 12 oder 17 auch
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Dr. Dahlgründamit kommen, dann ist das doch überhaupt nicht mehr zu ertragen.
Wenn ich in der Begründung lese, meine Damen und Herren, daß die Schutzvorschriften des Leistungsgesetzes im Hinblick auf Naturschutzparks außer Kraft gesetzt werden sollen, weil wir sonst unter Umständen zu große Gebiete zu Naturschutzparks erklären könnten — das steht in der Begründung der Vorlage —, dann muß ich Ihnen sagen, daß dies wirklich eine Begründung ist, bei der mir schleierhaft ist, wie man so etwas in Druck geben kann.
Es gibt auch andere Dinge, die ich eben nicht verstehe und wo es nicht möglich war, von den Behörden eine wirklich erschöpfende Auskunft zu bekommen. Bitte, auf alten Munitionslagerflächen, sogenannten Munis, — sie sind inzwischen aufgeforstet worden; schade um die Aufforstungen — können, so ist mir gesagt worden, die Panzer nicht üben. Es fehlen Panzerausladerampen auf den kleinen Bahnhöfen. Meine Damen und Herren, dann müssen solche Ausladerampen eben gebaut werden! Das scheint mir — ich weiß nicht, was diese Rampen kosten — billiger als die Schäden zu sein, die laufend in diesem dicht besiedelten und bewirtschafteten Gebiet entstehen. Das ist doch keine Auskunft!Ich bin auf diesem Gebiet ein Laie. Aber wenn eine solche Drucksache dem Parlament vorgelegt I) wird, dann kann die Tätigkeit des Parlaments nicht darin bestehen, den Vertrag einfach zu schlucken und ja zu sagen, sondern es muß schließlich die Möglichkeit gegeben sein, etwas zu ändern. Was hätte sonst das Verfahren für einen Sinn? Wenn wir ohne weiteres ja sagen müßten, dann stellte es nur einen Zeitverlust dar. Das ist hier so dargestellt worden: Dies müßt ihr fressen; Änderungen sind unmöglich, das wollen die anderen nicht! Da bin ich anderer Meinung. Das hat eben auch Herr Harms oder Herr Kreitmeyer zum Ausdruck gebracht. Gerade mit England, der „Mutter der Parlamente", müßte man über solche Dinge verhandeln können. Die Ressorts müßten den Engländern sagen: Unser Parlament, der Bundestag, macht bei dem Abkommen Soltau-Lüneburg nicht mit! — Ich bin der festen Überzeugung, daß wir mit Kanada und dem Vereinigten Königreich dann zu einer besseren Lösung kämen, als sie jetzt in dem Zusatzvertrag festgelegt ist.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist sich der außerordentlichen Tragweite, aber auch der sehr großen Kompliziertheit dieses Vertragswerkes, das Ihnen hier vorgelegt wird, durchaus bewußt. Sie wird daher bemüht sein, in den Ausschußberatungen in weitestgehendem Maße alles, was hier vielleicht noch unklar oder schwierig ist, zu erläutern. Sie wird in jeder Hinsicht bemüht sein, den Wünschen des Hohen Hauses entgegenzukommen. Ich möchte mich daher jetzt auf einige ganz kurze Bemerkungen mehr grundsätzlicher Art beschränken.Ich darf vielleicht daran erinnern, daß dieses Vertragswerk dadurch erforderlich wurde, daß am 5. Mai 1955 durch die Pariser Verträge zwar die Souveränität der Bundesrepublik wieder hergestellt und das Besatzungsregime beendet wurde, daß es damals jedoch noch nicht möglich war, bestimmte konkrete Verträge — nämlich den Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik sowie den dazugehörigen Finanzvertrag — dem neuen Zustand anzupassen. Das war mit guten Gründen nicht möglich. Es handelte sich wirklich um sehr schwierige Fragen. Es lag aber im Interesse der Bundesrepublik, daß die Anpassung dieser Verträge — im Sinne der Durchführung des allgemeinen, für sämtliche Verbündeten geltenden NATO-Truppenstatuts — sobald wie möglich erfolgte. Wie es bei der besonderen Lage der Bundesrepublik nicht verwunderlich war, konnte das NATO-Truppenstatut nicht einfach unverändert übernommen werden. Zur Regelung ganz bestimmter örtlich bedingter Fragen bedurfte es einer Anzahl von Zusatzabkommen.Daß es sich die Bundesregierung bei diesen Verhandlungen nicht leicht gemacht hat, können Sie aus der Verhandlungsdauer ersehen. Die Verhandlungen haben im Oktober 1955 angefangen und sind — wie Ihnen bekannt ist — erst im August 1959 — also nach nahezu vierjähriger Dauer — abgeschlossen worden.Das Ergebnis der Verhandlungen war, wie nicht anders zu erwarten und wie der Herr Abgeordnete Werner sehr klar dargelegt hat, eine Kompromißlösung zwischen den Interessen der sieben an diesem Vertragswerk interessierten Staaten. Zu dieser Kompromißlösung möchte ich aber doch folgendes sagen. Wo die Kompromisse geschlossen wurden, liegen sie zwischen dem früheren Zustand und dem von uns als Optimum angesteuerten Ziel. Sie liegen also in allen denkbaren Fällen praktisch über dem früheren Zustand und stellen eine Verbesserung dieses früheren Zustandes dar.Der Herr Abgeordnete Harm hat in Frage gestellt, ob wir es hier überhaupt noch mit rechtsstaatlich vertretbaren Regelungen zu tun haben. Ich glaube, dazu kann man immerhin folgendes sagen: Gewiß sehen einzelne Vertragsbestimmungen gewisse Änderungen bestehenden Rechts vor; aber deswegen werden ja gerade ,die Verträge diesem Hohen Hause vorgelegt, damit auf diesem Wege ein rechtlich voll befriedigender Zustand hergestellt wird. Jedenfalls sollte man nicht übersehen, daß selbst der jetzige, zweifellos sachlich höchst unbefriedigende Zustand in rechtlicher Beziehung nicht im Widerspruch zu unseren Gesetzen steht, weil eben das derzeitige Regime noch ein Rest einer Rechtsordnung ist, an
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Staatssekretär Dr. van Scherpenberg') deren Schaffung wir nur in sehr beschränktem Maße mitwirken konnten.
— Ich hoffe, wir verhalten uns zweiseitig rechtsstaatlich.
— Ich sage ja, ich hoffe, wir verhalten uns zweiseitig, mehrseitig, allseitig rechtsstaatlich.
— Wir können doch Bestimmungen treffen, die wir diesem Hohen Hause zur Billigung vorlegen.Es ist hier so viel über das Soltau-LüneburgAbkommen gesprochen worden, daß ich auch hierzu noch ein paar kurze Bemerkungen machen darf.Wir alle sind uns klar darüber, ,daß diese Regelung im Gebiet Soltau-Lüneburg eine gewisse Belastung und ein gewisses Opfer für die Bevölkerung mit sich bringt.
Jahrelang ist immer wieder versucht worden, Lösungen zu finden, die besser wären als das, wasjetzt erreicht worden ist. Es hat sich aber erwiesen,daß das ,aus militärischen, aber auch aus sehr einfachen faktischen Gründen nicht möglich war. Es ist hier gesagt worden, es sei unvorstellbar, daß kein anderes Gelände gefunden worden sei. Meine Damen und Herren, glauben Sie wirklich, daß wir nicht auch diesen Gedanken gehabt haben, es müßte doch eigentlich etwas anderes zu finden sein? Wir haben es immer wieder versucht, es ist alles unternommen worden, und es hat sich immer wieder gezeigt, daß in ,allen Lösungen, die vielfach als Ersatzlösungen hoch angepriesen wurden, irgendein Wurm war. Einmal lag das Gelände unmittelbar an der Zonengrenze, einmal war es noch nicht von Giftgas gereinigt, einmal war es wirklich nur eine Lösung, die nach 'dem alten System erdacht war: Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andere an. So ist wirklich nichts unversucht geblieben.Wenn wir nun heute ,das Abkommen vor uns sehen, so sollten wir doch nicht außer acht lassen, daß es in vieler Hinsicht eine sehr große Verbesserung gegenüber der bisherigen Regelung darstellt. All die Klagen, die jetzt immer noch zu hören sind, beruhen ja auf dem jetzigen Zustand und nicht auf dem Zustand, wie er durch das Abkommen herbeigeführt werden soll. Ich glaube, man sollte gerade die Häufigkeit der jetzigen Klagen als einen Anreiz betrachten, das Abkommen nun so schnell wie möglich unter Dach und Fach zu bringen.Man sollte 'aber diese Klagen andererseits auch nicht übertreiben. Es ist hier darüber geklagt worden, ,daß ,die Arbeiter ,auf dem Felde und die Hausfrauen in ,der Küche es erdulden müßten, daß Tag und Nacht die Geschosse über ihre Häupter hinweg-fliegen. Meine Damen und Herren, in diesem ganzen Gebiet wird nicht geschossen und darf nicht geschossen werden. Ich meine, man sollte die Klagen doch einigermaßen auf dem Boden der Realität halten.Es ist hier mit Recht die Frage gestellt worden, ob man etwa das Soltau-Lüneburg-Abkommen von dem allgemeinen Truppenvertrags-Abkommen trennen könnte, und es ist die Frage aufgeworfen worden, warum das nicht möglich sei. Meine Damen und Herren, das ist aus einem sehr einfachen Grunde nicht möglich. Auf dem allgemeinen Truppenvertrags-Zusatzabkommen müssen sieben Unterschriften stehen, sonst tritt es nicht in Kraft; wenn ein Partner seine Unterschrift verweigert, kommt das Abkommen eben nicht zustande. Ich glaube, diese Lösung ist vielleicht überraschend einfach; aber sie gehört nun einmal zur politischen Realität.Es sind sehr viele Einzelfragen gestellt worden, zum Teil sehr interessante Einzelfragen. Ich würde an sich gern darauf eingehen, glaube aber, es würde in diesem Stadium der Beratungen zu weit führen. Es sind doch nur etwas willkürlich herausgegriffene Fragen gewesen, und ich glaube Sie bitten zu dürfen, daß diese Fragen in ihrer Gesamtheit in den Ausschußberatungen erörtert werden.
Ich möchte daher abschließend mir jetzt nur noch eine Bemerkung erlauben, und das ist folgende.Es ist — darauf wurde auch schon im Bundesrat hingewiesen — naturgemäß der Wunsch aller Beteiligten, daß Härten ausgeglichen werden, daß möglichst Verbesserungen erreicht werden. Ich kann Ihnen versichern, daß die Bundesregierung von dem Augenblick an, wo dieses Abkommen in Kraft getreten ist, bemüht sein wird, mit allem Nachdruck dafür Sorge zu tragen, daß seine Vorschriften zum Schutze der Beteiligten rigoros eingehalten werden. Sie wird darüber hinaus zweifellos auch bemüht sein, dort, wo Härten bestehen, Milderungen herbeizuführen, und sie wird nicht weniger bemüht sein, auf die Dauer eine Verbesserung der Lage herbeizuführen.Sie hat dazu eine Handhabe in den im Vertrag enthaltenen Revisionsvorschriften, insbesondere in Artikel 81 des Vertrages, wodurch ihr die Möglichkeit gegeben ist, gewisse Revisionsverhandlungen in die Wege zu leiten, und wodurch sichergestellt ist, daß wir nicht auf unabsehbare Zeit an solche Bestimmungen der Zusatzvereinbarung gebunden sind, die sich als besonders belastend oder unzumutbar herausstellen sollten. Ich habe keinerlei Bedenken, Ihnen zu erklären, daß die Bundesregierung von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen wird. Aber dazu muß allerdings erst einmal das Abkommen in Kraft sein, und dazu muß man dann allerdings sehen, wie sich nun wirklich in der Praxis dieses Abkommen auswirkt.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Dahlgrün?
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß die von Ihnen angeführte Revisionsklausel illusorisch ist in bezug auf Schäden, von denen Sie heute bei der Unterschrift unter die Revisionsklausel schon Kenntnis haben? Ich meine — wenn ich es kurz verdeutlichen darf —, daß es nicht ganz fair ist, einen Vertrag mit einer Revisionsklausel zu unterschreiben, wenn man heute schon genau weiß, daß alles das, was in der Revisionsklausel steht, nämlich wesentliche Beeinträchtigung der Bevölkerung, beträchtliche Schäden usw., täglich in diesem Gebiet passiert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir erst einmal abwarten müssen, welche Schäden sich herausstellen und ob sich überhaupt Schäden herausstellen. Jedes Manöver bringt Unbequemlichkeiten für die Bevölkerung mit sich. Jeder Truppenübungsplatz bringt Härten für diejenigen mit sich, die infolge seiner Errichtung irgendwie umgesiedelt werden müssen. Wir kennen doch die Fälle. Wir haben ja Übungsplätze, wo wir Hunderte von Menschen, die sich im Vertrauen darauf, daß es nie wieder Soldaten geben würde, angesiedelt hatten, wieder herunterbringen mußten. Gewisse Nachteile nehmen wir also in Kauf und müssen wir in Kauf nehmen. Es ist aber nicht so — das möchte ich ausdrücklich betonen —, daß wir nun von vornherein der Meinung sind, dieses Abkommen sei ein schlechtes Abkommen. Wir meinen, daß in dem Abkommen Vorteile und Nachteile sehr sorgfältig gegeneinander abgewogen sind.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Huys?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte.
Sind denn nicht jetzt schon Verhandlungen im Gange, um die Belästigungen der Bevölkerung zu mildern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Solche Verhandlungen sind ständig im Gange. Sie sind aber im Rahmen der bestehenden Abmachungen möglich. Dazu braucht es keiner Vertragsänderung.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Harm?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte.
Herr Staatssekretär, welche Position ist nach Ihrer Meinung als Jurist für die Gegenseite günstiger: wenn man auf einen Vertrag
fußen kann oder wenn man in Freundesland einen vertraglosen Zustand hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich verstehe Ihre Frage nicht; denn es gibt keinen vertraglosen Zustand, wenn wir diesen Vertrag nicht schließen, sondern es gibt einen ganz klaren Rechtszustand, der für uns außerordentlich unangenehm ist.
Als die Fragen gestellt wurden, war ich bereits am Ende. Ich brauche meinen Ausführungen nichts mehr hinzuzufügen.
Das Wort hat der Abgeordnete Könen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu wissen, was Sie jetzt denken,
aber ich werde es kurz machen.Es ist eine gewisse Vermessenheit von mir, mich in die Auseinandersetzungen der Landsmannschaft Niedersachsen einzumischen; ich bin schließlich geborener Rheinländer. Ich habe trotzdem das Wort ergriffen, um zu versuchen — das soll keine Abwertung dessen darstellen, was Sie hier gesagt haben --, noch einen 'anderen Gesichtspunkt bei der Betrachtung des Vertrages und der Verhältnisse in der Lüneburger Heide in die Debatte hineinzubringen.Herr Kollege Werner hat seine Jungfernrede gehalten. Ich habe das nicht gewußt und muß ihn deshalb um Nachsicht bitten; ich hätte ihn sonst nicht mit meinem Zwischenruf erschreckt.Dennoch muß ich etwas an. dieser Jungfernrede bemängeln, nämlich die so halb verächtliche nebenbei erfolgte Feststellung, man könne nicht mit Gefühl und diesem oder jenem kommen. Ich möchte Ihnen dazu sagen: Im Zeitalter der Manager und Roboter brauchen wir Erholungsgebiete. Davon ist hier noch gar nicht die Rede gewesen. Ich gehöre zu den sogenannten Snobs, die in die Lüneburger Heide fahren, wenn Sie Ferien haben. Man hat mir gesagt: Das tun nur Snobs. Nebenbei bemerkt: Dort ist allerhand los, und man muß schon vorher bestellen, um Quartier zu finden. Ich kenne also die Lüneburger Heide, obwohl ich in Düsseldorf wohne. Dieses Erholungsgebiet ist infolge der Panzerschäden und all der anderen Schäden, die mit den Übungen zusammenhängen, insbesondere in der Osterheide und bis nach Niederhaverbeck herauf, in einen Zustand versetzt worden, den man geradezu als haarsträubend bezeichnen muß. Als ich einmal einen Panzerfahrer fotografiert habe, ist der Mann mit erhobenen Fäusten von seinem Panzer heruntergehupft, weil er das nicht gern gesehen hat.Schon vor Jahren — Herr Staatssekretär Dr. Rust war damals noch im Amt — habe ich in der Frage-
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7606 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Könen
stunde nach diesen Zuständen gefragt. Damals wußte ich sehr genau, daß die Engländer erklärt hatten: Wir sind nicht interessiert; die deutschen Behörden geben uns keine Ausweichmöglichkeit. Da war irgend so eine Ausrede, etwa daß da noch Gasgranaten oder so etwas vergraben sein sollten.Vergessen Sie bitte bei den Auseinandersetzungen darüber — Rechtsstaat hin und Rechtsstaat her —, ob der Vertrag einen echten Partnerschaftscharakter hat, nicht den Menschen, der es nötig hat, sich einmal in einem solchen Gebiet zu erholen und seine Nerven, die er hier und anderswo strapazieren muß, zu beruhigen! Vergessen Sie im Augenblick auch, daß ich Bundestagsabgeordneter und Sozialdemokrat bin! Legen Sie hier ein Wort für unsere Erholungssuchenden ein, damit der nächste Wahlkampf nicht mit der Parole geführt werden muß: Regierungen kommen, Regierungen gehen, die Panzerschäden bleiben bestehen!
Herr Abgeordneter Kreitmeyer!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß Sie noch einmal um Ihre Geduld und Nachsicht bitten. Herr Staatssekretär, Ihre Ausführungen konnten hoffnungsvoll sein, wenn Sie an die Ausschußüberweisung auch den festen Willen angeschlossen hätten, daß Sie bereit sind, neu zu verhandeln. Denn alles andere ist doch nur Makulatur, und wir machen uns irgend etwas vor, wenn Sie entschlossen sind, nicht neu zu verhandeln. Dann brauchen wir gar keine Ausschußüberweisung zu beantragen.
Zweitens kann ich es Ihnen nicht abnehmen, wenn Sie sagen, zwischen ,dem früheren und dem von deutscher Seite angestrebten optimalen Zustand, der nicht zu erreichen ist, ist eine Kompromißlösung gefunden, und diese Kompromißlösung ist in allen Fällen besser als das, was vorher war. Das stimmt nicht. Es ist Ihnen von jeder niedersächsischen Landesregierung mehrfach schriftlich versichert worden, daß Art. 19 des Truppenvertrages, auf dessen Rechtsgrundlage jetzt geübt wird, keine Grundlage für das innerdeutsche Recht darstellt und wir es immer als einen schweren Eingriff in unser Recht empfunden haben. Heute müssen wir doch sagen: dieses Verhalten ist nicht mehr mit dem Geist dieses Vertrages in Einklang zu bringen.
Nun will ich Ihnen ein Dokument nicht vorenthalten. Es ist ein Schriftverkehr zwischen dem Regierungspräsidenten in Lüneburg — vom 30. Juni 1960 — und dem, sagen wir einmal, zuständigen Verbindungsoffizier der Briten und Kanadier, der dafür sorgen soll, daß die Truppen eingehend belehrt werden und daß nichts Unrechtes passiert. Dieser Schriftverkehr bringt ganz deutlich zum Ausdruck, so schreibt der Regierungspräsident — gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich das verlese —, daß „Sie" — der Oberst White der Briten — „der Auffassung" sind,
die Art und Weise, in der seit Anfang Juli 1960 im Raume Soltau-Lüneburg geübt wird, sei zwar nach dem Soltau-Abkommen angesichts der darin enthaltenen Beschränkungen verboten, nach Artikel 19 des Truppenvertrages, der zur Zeit gelte, aber noch gerechtfertigt. Dieser Auffassung
— so schreibt der Regierungspräsident —
kann ich mich nicht anschließen. Bei Verhandlungen über bisherige Zwischenfälle dieses Jahres ist wiederholt von der dem Abkommen beigefügten Karte wegen der zu benutzenden Straßen und Wege sowie der sogenannten „roten Flächen" gesprochen worden. Die britische Seite hat also erkennen lassen, daß sie in Erwartung des Soltau-Abkommens schon jetzt sich so verhalten wolle, wie es in diesem Abkommen vorgesehen sei.
Nun, ich wollte Einzelheiten nicht bringen. Aber Herr Staatssekretär, Sie können in Art. 4 nicht im Vordersatz sagen, daß es verboten ist, außerhalb bestimmter Straßennetze die Wege und Straßen zu benutzen, wenn Sie im nächsten Satz sagen, daß die Truppe außerhalb dieses Straßennetzes Straßen und Wege mit solchen Fahrzeugen benutzen darf, soweit es im Rahmen von Übungen zur Erreichung des Übungszweckes erforderlich ist. Das ist doch genau das Gegenteil.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Unmittelbar vor und während der Ernte darf die Truppe auf noch nicht abgeernteten, mit Getreide bestellten Grundstücken nicht üben. Das heißt nämlich: Fangen wir gleich bei der Aussaat an zu üben, denn da dürfen wir üben, und dann wird es auch keine Ernte geben, dann ist der ganze Übungsraum für uns frei. Einem einfachen Menschen kann man doch nicht glauben machen, daß ihm tatsächlich mit diesem neuen Abkommen etwas Besseres beschert werden soll. Ihre Argumentation, Herr Staatssekretär, bezüglich der gleichzeitigen Ratifizierung ist eine Argumentation, die man schlechterdings in der deutschen öffentlichen Meinung und auch bei unseren Partnern unter keinen Umständen hinnehmen darf, eben gerade, weil schon ein Partner unter Diskriminierung aller anderen NATO-Partner eine Ausnahmebestimmung für sich unbedingt erzwingen will, aus gewissen Relikten einer vergangenen Zeit heraus.
Da sollen wir nachgeben? Keineswegs! Dieser eine Partner verhindert nämlich durch seine Unnachgiebigkeit, daß wir alle zusammen unter einen Hut kommen. Denn die anderen haben keine Privilegien. Die anderen gehen genauso nach BergenHohne schießen und haben nicht die Möglichkeiten, ständige Übungen ihrer Truppen, die sie sehr wohl nötig hätten, durchzuführen.Und dann bitte ich Sie, doch noch eine Frage etwas näher zu untersuchen, die ich vorhin schon anschneiden wollte. Ich lege sie Ihnen aber jetzt vor; sie betrifft vielleicht den Herrn Staatssekre-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7607
Kreitmeyertär des Verteidigungsministeriums noch mehr. Wir haben eine wunderbare Naturschutzfläche in dem sogenannten Übungsplatz Munster-Süd. Wenn Sie jemals zur Heideblütezeit auf diesem Übungsplatz sein könnten und da durchgingen —, da ist wirklich die Natur völlig unberührt vorhanden. Für diesen Übungsplatz ist eine merkwürdige Bestimmung erlassen: Darauf dürfen keine Panzerfahrzeuge fahren, und er wird auch nur zu bestimmten Zeiten und nur zu bestimmten Zwecken benutzt. Nicht einmal die eigenen Panzerverbände derer, die ihn verwalten, dürfen ihn benutzen, geschweige denn die Partner. Das ist auch eine etwas merkwürdige Bestimung. Und noch etwas: der Truppenübungsplatz Munster-Nord — meine Bemerkung bezog sich darauf — hat viel zuviel Wald und viel zuwenig Übungsfläche. Ich glaube, im nächsten Jahr hat er wesentlich weniger Wald und reichlich mehr Übungsfläche.
Der Herr Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf nur einen Punkt, Herr Abgeordneter Kreitmeyer, klarstellen. Munster-Süd ist ein Schießplatz, und auf dem Schießplatz wird ständig geschossen. Wenn wir auf dem Schießplatz noch Panzer herumfahren ließen — das wäre wirklich nicht möglich —, hätten wir die Schwierigkeit, einen neuen Schießplatz zu suchen, worauf der Circulus vitiosus von vorn losginge.
Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Kreitmeyer?
Der Platz Bergen-Hohne ist ein NATO-Schießplatz; auf dem wird den ganzen Tag geschossen. Aber sonnabends, wenn die NATO nicht mehr schießt, machen nur die Deutschen von Sonnabend bis Montagfrüh Truppenübungen. Das könnte auf Munster-Süd genauso sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ist Ihnen nicht bekannt, daß die leitenden deutschen Offiziere es fertigbringen, die Übungen so rechtzeitig vor den Bunkern der Scheibenzuganlagen anzuhalten, daß die Zuganlagen nicht zerstört werden? Könnten das die anderen nicht auch einmal lernen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Schwierigkeit besteht darin: Wenn wir die Möglichkeit haben, auch zum Wochenende zu schießen, nutzen wir sie natürlich aus, denn es reichen ja auch unsere Schießplätze nicht.
Herr Abgeordneter Schultz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Diskussion über SoltauLüneburg nicht noch weiter vertiefen, nicht weil ich auch nicht aus dem Raum stamme, sondern weil ich glaube, daß dieses Vertragswerk auch noch andere Punkte enthält, zu denen man in der ersten Lesung etwas sagen sollte. Es gibt noch einen Personenkreis mit mehr als 12 000 Menschen, den dieses Vertragswerk berührt. Das sind die Deutschen, die bei alliierten Streitkräften als Arbeiter oder Angestellte Dienst tun. Es ist ein Personenkreis von etwa 180 000 Beschäftigten insgesamt. Wenn Sie die Familienmitglieder dazurechnen, sind es noch ein paar mehr. Diese Menschen hatten erwartet, daß aus den fünfjährigen Verhandlungen über den Truppenvertrag etwas Besseres herauskäme als das, was nun in Art. 56 zu lesen steht. Ich glaube, man kann hier nicht von Verbesserungen sprechen. Die Dinge haben sich vielmehr im wesentlichen überhaupt nicht geändert. Das für die Betroffenen unangenehme Dreiecks-Verhältnis zwischen Bundesregierung und alliierten Truppen, wobei die Leute als zivile Arbeitnehmer dazwischenstehen, hat sich weiter fortgepflanzt; das ist nicht geändert worden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt?
Herr Kollege, ist Ihnen nicht bekannt, daß wir interfraktionell verabredet haben, ausschließlich über die Frage der Naturschutzgebiete zu debattieren und nicht über andere Punkte? Ich bitte, zu überlegen, ob das fair ist, wenn Sie jetzt andere Punkte anschneiden.
Das war mir allerdings nicht bekannt. Aber wenn das interfraktionell vereinbart ist, will ich selbstverständlich nicht dagegen sprechen. Ich verzichte und werde dann in der zweiten Beratung das sagen, was ich zu sagen habe.
Herr Abgeordneter Dr. Kliesing als letzter Redner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Schultz nicht gerade wenigstens kurz auf die Frage des Art. 56 aufmerksam gemacht hätte, könnte die Vereinbarung im Ältestenrat, der ich hier gar nicht entgegentreten möchte, doch eine für den Außenstehenden jedenfalls sehr merkwürdige Folge gehabt haben. Denn wer sich diese Drucksache nicht angesehen hat und wer der Diskussion heute hier gefolgt ist, der muß zu der Überzeugung gekommen sein, es handle sich bei diesem dicken Wälzer, den wir erhalten haben, lediglich um ein Abkommen über die Benutzung des Übungsplatzes Soltau-Lüneburg. Ich möchte deshalb, ohne die Diskussion irgendwie erweitern zu wollen, doch darauf aufmerksam machen, daß ,es sich hier um die Frage des Beitritts ,der Bundesrepublik zum NATO-Truppenstatut und um insgesamt zehn Zusatzvereinbarungen handelt — wohlgemerkt, bei dem Text, den wir vor uns liegen haben — und daß es sich bei der
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7608 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Dr. Kliesing
Diskussion lediglich um ein Zusatzabkommen gehandelt hat. Dieses Soltau-Lüneburg-Abkommen ist zweifellos — daran läßt sich nicht herummäkeln — der schwache Punkt in der gesamten Konzeption des Abkommens.Man muß die Dinge aber auch im richtigen Maß sehen. Nach der einen Seite wäre es zweifellos falsch, die Argumente mit dem Zitat des heiligen Florian vom Tisch wischen zu wollen. So ist es nicht. Wir alle haben zwar Erfahrung darin, daß man überall oder jedenfalls zumeist heutzutage dem Anschluß der Bundesrepublik an die freie Welt zustimmt, ,daß man ,aber dann, wenn es sich darum handelt, an Ort und Stelle etwas dafür zu zahlen, nach der Losung handelt: Hannemann, geh du voran!
— Nein, daran denke ich nicht. Es handelt sich hier nicht um Stationierungskosten, sondern dieses Problem, Herr Erler, taucht überall da auf, wo Infrastrukturmaßnahmen zu verwirklichen sind, d. h. wo Land und Boden für Zwecke der Verteidigung beansprucht werden. So einfach läßt sich das LüneburgSoltau-Abkommen zweifellos nicht sehen. Da haben alle Redner, die hier gesprochen haben, recht. Auch der Bundesrat hat betont, daß das schon etwas über den Durchschnitt dessen hinausgegangen ist, und, zur Zeit jedenfalls noch, geht, was uns in verschiedenen Teilen ¡der Bundesrepublik zugemutet worden ist.Aber auf der anderen Seite sollte man auch nicht so tun, als ob es sich hier um etwas Einmaliges handelte. Meine Damen und Herren, ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es auch andere Gegenden in der Bundesrepublik gibt, wo von den Einwohnern Opfer verlangt worden sind, die zumindest die Größe des Opfers erreichen, das von Lüneburg-Soltau gebracht worden ist. Sie brauchen gar nicht weit zu gehen. Gehen Sie in die Eifel, in den Kreis Schleiden, etwa nach Dreiborn, und Sie werden das finden. Gehen Sie doch nach Rheinland-Pfalz, und Sie können mit einer ganzen Menge Beispiele aufwarten.
Herr Dr. Kliesing, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kreitmeyer?
Bitte sehr!
Herr Kollege Kliesing, warum sind denn diese Gebiete nicht mit in den Truppenvertrag übernommen worden? Warum benötigen die Leute keinen besonderen Rechtsschutz? Warum ist ihr Eigentum in dieser Richtung nicht gefährdet? Ist es nicht doch so, daß das Lüneburg-Soltau-Gebiet durch dieses Statut einmalig Truppenübungsplatz mit Wohnbevölkerung werden soll?
Herr Kreitmeyer, es ist eben ein größer Irrtum, wenn Siemeinen, alle diese anderen Gebiete seien durch das Truppenstatut nicht berührt.
Sehen Sie, Herr Kreitmeyer, in dieser Drucksache stehen so viele Dinge drin, die weit über die Bedeutung von Soltau-Lüneburg hinausgehen. Deshalb, meine ich, sollten wir die Dinge in den richtigen Grenzen und in den richtigen Maßstäben sehen. Es war nicht gut, daß hier schon Einzelheiten vorgetragen worden sind, die an sich in die Ausschußberatungen hineingehören. Dort werden wir die Dinge gründlich zu prüfen haben. Wir haben ja gesehen, was dabei herauskommt, wenn man bereits in der ersten Lesung in eine solche dezidierte Betrachtung eintritt. Dann kommt es zu solchen Äußerungen, Herr Kollege Kreitmeyer, wie Sie sie getan haben — ich muß mein Bedauern darüber aussprechen —, als Sie sagten, man solle diesem Druck nicht nachgeben usw., und von Diskriminierungen sprachen. Hier haben Sie, glaube ich, an Ressentiments gerührt, an die man besser in diesem Hohen Hause, zumal in diesem Zusammenhang, nicht rühren sollte.
Ich möchte also meinen, wir sollten den Gang der Dinge den Ausschußberatungen überlassen. Ich darf Ihnen auch sagen, Herr Kreitmeyer, Sie können nicht im gleichen Atemzug bemängeln, daß der Staatssekretär nicht neue Verhandlungen in Aussicht gestellt habe, und gleichzeitig in einer Art und Weise von der gefühlsmäßigen Seite her sprechen, die der Bundesregierung den Weg zu neuen Verhandlungen gewissermaßen verbarrikadiert.
In den Ausschußberatungen werden wir über verschiedene Dinge sehr genau zu sprechen haben. Wir werden unter anderem auch sehr genau die Vorgeschichte dieses Zusatzabkommens zu besprechen haben, und wir werden in den Ausschüssen Auskunft darüber verlangen, wie die Verhandlungen nicht nur zwischen Bund und NATO-Verbündeten, sondern auch zwischen dem Bund und der Landesregierung Niedersachsen verlaufen sind.
So einfach sollten die Dinge hier nicht vom Tisch gewischt werden; das ist jedenfalls nach meinen Informationen nicht möglich.Lassen Sie mich bitte zum Schluß noch eines sagen. Wir wollen über das Lüneburg-Soltau-Abkommen nicht vergessen, daß es sich hier um die Frage des Beitritts der Bundesregierung zum NATO-Truppenstatut von 1951, d. h. um den endlichen Beitritt der Bundesregierung zu einem Statut handelt, das die Beziehungen der anderen Mitglieder der NATO untereinander in den Fragen der Stationierung ihrer Streitkräfte auf dem Boden anderer NATO-Staaten längst regelt. Das ist eine Forderung, die von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses bereits vor fünf Jahren erhoben worden ist, weil mit Recht darauf hingewiesen wurde, daß der bisherige und zur Zeit noch gültige Zustand eine Diskriminierung der Bun-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960 7609
Dr. Kliesing
desrepublik gegenüber der Rechtsstellung der anderen NATO-Mitgliedstaaten bedeutet. Ich begrüße es im Namen meiner Freunde sehr, daß wir endlich die Gelegenheit haben, eine Vorlage zu beraten, die in ihren Grundzügen und in ihren wesentlichen Bestandteilen einer langjährigen Forderung dieses Hohen Hauses entspricht.
Ich glaube, Herr Kollege Dr. Kliesing hat recht, wenn er sagt, daß unsere Aussprache der Geschäftsordnung nicht entsprochen hat. Die erste Lesung soll sich auf die grundsätzliche Vorlage beschränken. Ich wollte nun dem ersten Redner, dem Herrn Kollegen Werner, nicht die Freude seiner Jungfernrede etwas verkümmern und habe deshalb meine Absicht einzugreifen nicht verwirklicht. Die Folge war, daß die gesamte Diskussion über die vorgeschriebene Form hinausgegangen ist.
Ich schließe die erste Beratung.
Hinsichtlich der Überweisung an die Ausschüsse sind widersprechende Anträge gestellt. Herr Kollege Werner hat den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten als federführend gewünscht, der Herr Kollege Dr. Harm den Ausschuß für Inneres. Ich meine, von der Sache her wäre doch der Ausschuß für Verteidigung der gegebene.
— Bitte, Herr Dr. Kliesing, zur Geschäftsordnung!
Dr. Kliesing CDU/CSU) : Meine Damen' und Herren, ich möchte doch vorschlagen, als federführenden Ausschuß den Auswärtigen Ausschuß zu bestimmen, weil das Auswärtige Amt die gesamte Angelegenheit geprüft hat und weil es auch dem Wesen der NATO entspricht, denn im NATO-Rat haben die Außenminister und nicht die Verteidigungsminister das Wort. Deshalb glaube ich, daß es zweckmäßig ist, den Ausschuß für Verteidigung als mitberatenden Ausschuß einzuschalten.
Herr Abgeordneter Erler!
Ich möchte mich dem aus einem zusätzlichen Grund anschließen, der dafür spricht, dem Auswärtigen Ausschuß die Federführung zu übertragen. Es handelt sich um ein Vertragswerk, das einen anderen Vertrag ablöst. Der damalige Vertrag ist in diesem Hause federführend im Auswärtigen Ausschuß beraten worden. Daß eine Reihe anderer Ausschüsse bei der Kompliziertheit der Materie beteiligt werden müssen, scheint mir allerdings außer Frage zu stehen.
Darf ich feststellen, daß Übereinstimmung darüber besteht, daß der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten federführend und der Ausschuß für Verteidigung und der Ausschuß für Inneres mitberatend sein sollen. Eine
Überweisung an den Rechtsausschuß, die Herr Dr. Harm noch angeregt hat, ist dann nach der Geschäftsordnung nicht mehr möglich; wir beschränken uns grundsätzlich auf drei Ausschüsse.
---- Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat war eine Lösung besprochen worden, die der Herr Bundestagspräsident Gerstenmaier als eine elegante bezeichnete, wenn ich mich recht erinnere, nämlich: daß dem Auswärtigen Ausschuß die Auflage gemacht wird, zu den Strafvorschriften und Strafprozeßvorschriften den Rechtsausschuß zu hören. Ich glaube, das wird doch mit der Geschäftsordnung vereinbar sein.
Auch ich bin dieser Meinung. Wir beschließen so. — Einverständnis!Dann rufe ich Punkt 26 unserer Tagesordnung auf:Erste Beratung des von ,der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Dezember 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran über die Liguidation des früheren deutschiranischen Verrechnungsverkehrs .Der Gesetzentwurf soll ohne Aussprache an den Finanzausschuß 'überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 27:Erste Beratung des von ,der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes izu dem Abkommen vom 28. Januar 1960 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland betreffend die Behandlung von Versicherungsverträgen sowie Spezialrückversicherungs- und Generalrückversicherungsverträgen .Vorgesehen ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß. — Ohne Widerspruch so beschlossen.Punkt 28:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Soziale Sicherheit .Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik. — Ebenfalls kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
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7610 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. November 1960
Vizepräsident Dr. DehlerIch rufe Punkt 30 der Tagesordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks in Köln, Sachsenring 69, an die Firma Farbwerke Hoechst AG in Frankfurt (Main)- Hoechst (Drucksachen 2064, 2170).Es liegt ein Schriftlicher Bericht des Herrn Abgeordneten Windelen vor. Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Ich stelle den Antrag des Ausschusses zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Letzter Tagesordnungspunkt, Punkt 31:Beratung der Übersicht 16 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 2215).Der Antrag des Ausschusses geht dahin, von einer Äußerung des Bundestages abzusehen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ebenfalls einstimmige Billigung.Wir sind am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 7. Dezember, 9 Uhr.Ich schließe die Sitzung.