Protokoll:
3124

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 124

  • date_rangeDatum: 28. September 1960

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:03 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:06 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 124. Sitzung Bonn, den 28. September 1960 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Dr. Becker, Jahn und Rasch 7159 A Die Abg. Rodiek, Freiherr von Kühlmann-Stumm und Altvater treten in den Bundestag ein 7159 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. von Haniel-Niethammer, Brand, Frau Welter, Heye, Dr. Steinmetz, Felder, Dr. Königswarter, Dr. Burgbacher, Keller und Dr. Atzenroth . . . . . . . . 7160 A Begrüßung einer Delegation des Irischen Parlaments 7173 B Übertritt der Abg. Frau Kalinke, Dr. von Merkatz, Dr. Preiß, Dr. Preusker, Probst (Freiburg), Dr. Ripken, Dr.-Ing. Seebohm, Dr. Schild und Dr. Steinmetz von der Fraktion der Deutschen Partei zur Fraktion der CDU/CSU 7173 C Konstituierung der Gruppe Deutsche Partei 7173 C Wahl des Abg. Dr. Dehler zum Vizepräsidenten Dr. Mende (FDP) . . . . . . . 7174 A Begrüßung einer Delegation des Parlaments von Ghana . . . . . . . . . . . 7180 A Fragestunde (Drucksachen 2077, zu 2077) Frage des Abg. Dr. Arndt: Unterbringung des Bundesverfassungsgerichts Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . 7162 B Frage des Abg. Ritzel: Steuerverpflichtungen deutscher Benzingesellschaften Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 7162 D, 7163 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . . 7163 A, B Frage des Abg. Dr. Fritz (Ludwigshafen) : Zollbescheide für Mineralöl Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 7163 B Frage des Abg. Dr. Fritz (Ludwigshafen) : Beförderungsmöglichkeiten im mittleren Dienst der Zollverwaltung Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 7163 C, 7164 A, B Brück (CDU/CSU) . . . . . . . 7164 A Lulay (CDU/CSU) . . . . . . . 7164 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Zahl der Beamten und Angestellten der Arbeitsämter Blank, Bundesminister 7164 C, D, 7165 A Dr. Kohut (FDP) . . . . 7164 D, 7165 A Frage des Abg Dr. Arndt: Rechtsansprüche der Witwe des Generalmajors Hellmuth Stieff Blank, Bundesminister . . . . 7165 B Dr. Arndt (SPD) 7165 B Frage des Abg. Kalbitzer: Geldbuße wegen Herausschmuggelung eines Fremdenlegionärs Dr. Seiermann, Staatssekretär . 7165 C, D, 7166 A Kalbitzer (SPD) . . . . 7165 D, 7166 A Frage des Abg. Hackethal: Bundesbahnstrecken in den Zonenrandgebieten Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 7166 B, C Ritzel (SPD) 7166 C Frage des Abg. Baur (Augsburg) : Auflösung einer Schiffswerft am Bodensee Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 7166 C Frage des Abg. Kreitmeyer: Verwendung von vorfabrizierten Häusern im Wohnungsbau für Bundesbedienstete Lücke, Bundesminister 7166 D, 7167 B, C Kreitmeyer (FDP) . . . . . . 7167 A, B Frage des Abg Dr. Brecht: Rechtsverordnung über die Berechnung der Mietbeihilfen Lücke, Bundesminister . . . . 7167 C, D, 7168 A, B, C Dr. Brecht (SPD). . 7167 D, 7168 A Wittrock (SPD) . . . . . . . 7168 B, C Frage des Abg. Dr. Brecht: Kosten der „Wohnfibeln" Lücke, Bundesminister . . . . 7168 C, D, 3169 A, B, C, D, 7170 A Dr. Brecht (SPD) . . . . . . . . 7168 D Baier (Mosbach) (CDU/CSU) . . . 7169 A Seuffert (SPD) . . . . . . . . 7169 B Wittrock (SPD) . . . . . . . . 7169 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 7169 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 7169 D Neumann (SPD) . . . . 7169 D, 7170 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 7170 A Frage des Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg: Unterbringung der Deutschen Botschaft in Wien 7170 A Fragen des Abg. Seuffert: Gaskammer im KZ Dachau Dr. Carstens, Staatssekretär 7170 B, C, D, 7171 A, B, C, D Seuffert (SPD) . . . . 7170 D, 7171 A Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 7171 A von Lindeiner-Wildau (CDU/CSU) . 7171 B Graf Adelmann (CDU/CSU) . . . . 7171 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 7171 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Amtspflichtverletzungen von Notaren Schäffer, Bundesminister . . . . 7171 D Frage des Abg. Müller-Hermann: Reform des Verkehrsstrafrechts Schäffer, Bundesminister . . . . . 7172 A Frage des Abg. Neumann: Strafverfahren gegen Staatssekretär Klopfer Schäffer, Bundesminister . . 7172 B, C, D Neumann (SPD) 7172 B, C Jahn (Marburg) (SPD) 7172 C Frage des Abg Jahn (Marburg) : Doppelte Akten bei Untersuchungshaft Schäffer, Bundesminister . 7172 D, 7173 B Jahn (Marburg) (SPD) 7173 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 7173 B Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache 1800) — Erste Beratung —; in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1960 III Entwurf eines Notdienstgesetzes (Drucksache 1806) — Erste Beratung — und Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesleistungsgesetzes (Drucksache 2045) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . . 7174 D, 7185B, 7215 C Dr. Schäfer (SPD) . . . 7180 A, 7223 B Dr. Kanka (CDU/CSU) . . 7185 D, 7224 A Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 7190 D Dr. Arndt (SPD) . . . . 7194 A, 7222 B Dr, Werber (CDU/CSU) 7198 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 7203 B Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . 7209 B Frau Schanzenbach (SPD) . . . 7210 D Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU) 7212 B Jahn (Marburg) (SPD) 7224 B Rasner (CDU/CSU) 7225 A Erler (SPD) 7225 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) 7226 D Entwurf eines Gesetzes zur Einfügung eines Artikels über die Luftverkehrsverwaltung in das Grundgesetz (Drucksache 1534) ; Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 1961) — Zweite und dritte Beratung — Wittrock (SPD) 7214 C Entwurf eines Gesetzes über die Entschwefelung flüssiger und gasförmiger Brennstoffe (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Margulies, Dr. Schild, Geiger [München] u. Gen.) (Drucksache 1980) — Erste Beratung — 7227 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes (Drucksache 1910) — Erste Beratung — . . . . . 7227 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und des Gerichtskostengesetzes (Drucksache 1892) — Erste Beratung — 7228 A Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesvertriebenengesetzes (SPD) (Drucksache 1974) — Erste Beratung — . . . . . . . . 7228 B Entwurf eines Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten bei Menschen (Bundes-Seuchengesetz) (Drucksache 1888) — Erste Beratung — 7228 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Abg. Dr. Jaeger, Merten, Lenze [Attendorn], Matzner u. Gen.) (Drucksache 1990) — Erste Beratung — 7228 B Entwurf eines Gesetzes zu der Erklärung vom 29. Mai 1959 über den vorläufigen Beitritt Israels zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Drucksache 1993) — Erste Beratung — 7228 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Neunten Protokoll vom 22. November 1958 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Finnland) (Drucksache 1994) — Erste Beratung — 7228 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Drittes Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksache 2044) — Erste Beratung — 7228 D Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts (Drucksache 2052) — Erste Beratung — . . . . . 7228 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. März 1960 mit der Französischen Republik über den Schutz von Herkunftsangaben usw. (Drucksache 2061) — Erste Beratung — . . . . . . . . . . . 7228 D Entwurf eines Gesetzes über Zuständigkeiten in der Luftverkehrsverwaltung (Drucksache 1535) ; Berichte des Haushaltsausschusses und des Verkehrsausschusses (Drucksachen 2075, 2002) — Zweite und dritte Beratung - . . . . . . . 7229 A Antrag betr. Rüdesheimer Verkehrsproblem (Abg. Arndgen, Mischnick, Wittrock, Schmitt-Vockenhausen, Müller-Hermann, Dr. Willeke u. Gen.) (Drucksache 1985) 7229 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1958 (Drucksache 1922) . 7229 C Entwurf einer Vierundzwanzigsten Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Wälzlagerstahl usw.) (Drucksache 2025) 7229 D IV Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1960 Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines bundeseigenen Teilgrundstücks des ehemaligen Heeresverpflegungsamtes in Frankfurt (Main) (Drucksache 2013) 7229 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft der ehem. Walterwerke, Ahrensburg in Holstein (Drucksache 2033) 7229 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des ehem. Luftwaffenübungsplatzes Ahrbrück (Drucksache 2036) 7230 A Nächste Sitzung 7230 C Anlagen........... 7231 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1960 7159 124. Sitzung Bonn, den 28. September 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 28. 9. Altmaier * 30. 9. Dr. Atzenroth 28. 9. Balkenhol 30. 9. Bauer (Würzburg) * 30. 9. Frau Bennemann 30. 9. Berger 28. 9. Berkhan 30. 9. Birkelbach 30. 9. Fürst von Bismarck * 30. 9. Blachstein * 30. 9. Corterier * 30. 9. Dr. Dahlgrün 30. 9. Dr. Dollinger 28. 9. Dowidat 30. 9. Enk 30. 9. Dr. Friedensburg 30. 9. Dr. Furler * 30. 9. Gerns,* 30. 9. Dr. Gossel 28. 9. Haage 30. 9. Hackethal 28. 9. Hahn 30. 9. Dr. Harm * 30. 9. Dr. Hesberg 30. 9. Höfler * 30. 9. Frau Dr. Hubert * 30. 9. Hübner 28. 9. Jacobs * 30. 9. Keller 30. 9. Dr. Kliesing (Honnef) * 30. 9. Kriedemann 28. 9. Kühn (Bonn) 28. 9. Kühn (Köln) * 30. 9. Lücker (München) 30. 9. Maier (Freiburg) 30. 9. Maucher 28. 9. Frau Dr. Maxsein * 30. 9. Dr. Mende * 30. 9. Dr. Meyer (Frankfurt) * 30. 9. Paul * 30. 9. Peters 30. 9. Frau Pitz-Savelsberg 30. 9. Dr. Preusker 30. 9. Frau Dr. Rehling * 30. 9. Frau Renger * 30. 9. Rimmelspacher 28. 9. Ruhnke 30. 9. Schröder (Osterode) 30. 9. Schultz 30. 9. Schütz (München) * 30. 9. Seidl (Dorfen) * 30. 9. Dr. Serres * 30. 9. Dr. Toussaint 28. 9. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Wacher 28. 9. Wagner 30. 9. Dr. Wahl * 30. 9. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) * 30. 9. Wehner 28. 9. Werner 28. 9. Wilhelm 28. 9. Dr. Zimmer * 30. 9. Zoglmann 30. 9. Zühlke 30. 9. b) Urlaubsanträge Bals 15. 10. Bauer (Wasserburg) 29. 10. Dr. Böhm 22. 10. Frau Brauksiepe 9. 10. Demmelmeier 7. 10. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 9. 10. Draeger 9. 10. Dr. Gradl 9. 10. Frau Herklotz 9. 10. Heye 9. 10. Höcherl 9. 10. Jürgensen 31. 10. Dr. Kempfler 9. 10. Dr. Kopf 9. 10. Krammig 31. 10. Lermer 15. 10. Majonica 9. 10. Dr. Menzel 22. 10. Merten 9. 10. Pohle 31. 10. Reitzner 9. 10. Dr. Schmid (Frankfurt) 15. 10. Schmidt (Hamburg) 9. 10. Schneider (Bremerhaven) 9. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 4. 10. Struve 9. 10. Wienand 9. 10. Frau Wolff 10. 10. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn a. Rh., 1. Juli 1960 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 221. Sitzung am 1. Juli 1960 beschlossen * für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates. 7232 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1960 hat, hinsichtlich des vom Deutschen Bundestag am 24. Juni 1960 verabschiedeten Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1960 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1960) einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung gefaßt: „Der Verzicht des Bundesrates auf eine Antragstellung gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes beinhaltet keine Anerkennung der Richtigkeit des Ausweises der Rücklage der Kreditanstalt für Wiederaufbau ,aus Mitteln des ERP-Sondervermögens', wie sie in der als Anlage beigefügten Zusammenstellung der Vermögenswerte und Verpflichtungen des ERP-Sondervermögens per 31. März 1959 (Aktiva C ,Sonstige Forderungen', Ziffer 4, ,gegen die Kreditanstalt für Wiederaufbau — Sondereinlage —) enthalten ist." Dr. Röder Bonn, den 1. Juli 1960 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 24. Juni 1960 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers des Innern auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pusch, betreffend Rückgabe der in Westdeutschland lagernden Bücher der ehemals Preußischen Staatsbibliothek an Berlin (Fragestunde der 121. Sitzung vom 29. Juni 1960, Drucksache 1957) : Auf den Zeitpunkt der Rückführung der zur Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" gehörigen Kulturgüter nach Berlin hat die Bundesregierung keinen Einfluß. Die Entscheidung trifft der Stiftungsrat. Ich habe in der letzten Fragestunde über den Stand der Bund-Länder-Verhandlungen über das Inkrafttreten der Satzung für die Stiftung berichtet. In Vertretung: Dr. Anders Anlage 4 Schriftliche Begründung der Abgeordneten Frau Korspeter zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesvertriebenengesetzes (Drucksache 1974). Meine Fraktion legt dem Hause den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Regelung des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes vor, in dem die Bestimmungen über die Anerkennung der aus der SBZ geflüchteten Deutschen als Sowjetzonenflüchtlinge festgelegt sind. Während im Bundesvertriebenengesetz allen Vertriebenen ein eindeutiger Status gegeben wurde, nach dem jeder, der die Vertreibungsgebiete verlassen muß, auch als Vertriebener anerkannt wird und Rechte und Vergünstigungen als Vertriebener in Anspruch nehmen kann, ging man bei den Deutschen, die aus der Zone in die Bundesrepublik flüchteten, im Gegensatz zu dem allgemeinen Vertriebenen-Schicksal vom Einzel-Schicksal aus. Diese Betrachtungsweise führte dazu, daß die Fluchtgründe für die Anerkennung als SBZ-Flüchtling maßgeblich wurden und daß diese Fluchtgründe einer Bewertung unterzogen wurden. Im § 3 des Bundesvertriebenengesetzes wird daher bestimmt, daß nur solche Deutschen als SBZ-Flüchtlinge anzuerkennen sind, die aus der Zone flüchten mußten, „um sich einer von ihnen nicht zu vertretenden und durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage zu entziehen", mit der Ergänzung durch die Novelle zum Bundesvertriebenengesetz vom 18. 8. 1957, daß „eine besondere Zwangslage auch bei einem schweren Gewissenskonflikt gegeben ist." Nach dieser Begriffsbestimmung gelten nur die Deutschen aus der Zone als SBZ-Flüchtlinge in eigentlichen Sinne, die die Anerkennung nach § 3 des Bundesvertriebenengesetzes erhalten, und nur sie können Rechte und Vergünstigungen aus der Flüchtlingsgesetzgebung in Anspruch nehmen. Dabei war die Absicht unverkennbar, nur einen relativ eng begrenzten Personenkreis als SBZ-Flüchtlinge im engeren Sinne anzuerkennen und ihnen die Vergünstigungen, die sich aus der Flüchtlingsgesetzgebung ergeben, zuzugestehen. Jedenfalls sind von den rund 4 Millionen Deutschen, davon 21/2 Millionen seit 1950, die aus der Zone in die Bundesrepublik gekommen sind, nur rund 560 000 anerkannte SBZ-Flüchtlinge. Schon bei den Beratungen des Bundesvertriebenengesetzes waren diese Bestimmungen umstritten und konnten nicht befriedigen. Sehr bald nach Erlaß des Bundesvertriebenengesetzes zeigte sich, daß man mit diesen gesetzlichen Regelungen den tatsächlichen Gegebenheiten der seit Kriegsende ununterbrochenen Flucht aus der SBZ in keiner Weise Rechnung tragen konnte. Darüber hinaus hat die Fassung der gesetzlichen Bestimmungen, die eine Anzahl unbestimmter Rechtsbegriffe enthält — wie die Begriffe „nicht zu vertreten", „durch die politischen Verhältnisse bedingt", „besondere Zwangslage" —, dazu geführt, daß die über die Anerkennung als Sowjetzonenflüchtlinge entscheidenden Verwaltungsbehörden vielfach überfordert wurden und demzufolge Entscheidungen treffen mußten, die häufig weder der Entwicklung der Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1960 7233 politischen Verhältnisse in der SBZ noch den persönlichen Schicksalen des einzelnen ausreichend gerecht werden. Auch die Rechtsprechung zum § 3 ist in den vergangenen Jahren einen Weg gegangen, der dieser Entwicklung nicht immer Rechnung trug und der häufig mit der Absicht des Gesetzgebers kaum noch im Einklang zu sein scheint. Einige Auszüge aus neueren und neuesten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts machen es deutlich. Dort heißt es z. B.: „Der Sowjetzonenflüchtling hat in der Regel die besondere Zwangslage zu vertreten, die für ihn durch einen bewußten Verstoß gegen wirtschaftslenkende Vorschriften entstanden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Vorschriften etwa wegen der Art ihres Zustandekommens oder ihrer Anwendung oder ihrer wirtschaftspolitischen Zielsetzung rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht entsprechen." „Für die Entscheidung der Frage, ob die Folgen eines solchen Verstoßes zu vertreten sind, ist es unerheblich, ob die Strafe, die durch die Vorschriften angedroht wird oder die durch den Verstoß im Einzelfall erwartet werden muß oder die bereits verhängt worden ist und verhältnismäßig hoch oder aus sonstigen Gründen mit rechtsstaatlichen Begriffen nicht vereinbar ist." „Das Bundesvertriebenengesetz mutet es also der mitteldeutschen Bevölkerung zu, diese Verhältnisse in Kauf zu nehmen und ihrer ungeachtet in der sowjetischen Besatzungszone zu bleiben." „Dem Gesetzgeber war die politische, wirtschaftliche und soziale Bedrängnis bekannt, die auf ihnen (den Bewohnern der SBZ) lastet; gleichwohl hat er durch die Fassung des § 3 BVFG der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die Bevölkerung die Opfer und Einschränkungen, ,die mit dieser allgemeinen Bedrängnis verbunden sind, auf sich nimmt und am bisherigen Wohnsitz ausharrt." „Eine solche Tat mag ihr (der Klägerin) in menschlicher Hinsicht zur Ehre gereichen; dennoch hat sie deren Folgen zu vertreten. Da, wie gesagt, dem Bundesvertriebenengesetz der Gedanke zugrunde liegt, daß die Bewohner der sowjetischen Besatzungszone grundsätzlich in ihrer Heimat bleiben sollen, widerspricht seinen Zielen auch ein — oder unter Strafandrohung verbotenes — Verhalten, .das 'zwar nach rechtsstaatlichen Maßstäben rechtmäßig und vielleicht sogar menschlich erfreulich ist, bei dem aber der angestrebte und erreichbare Erfolg in offenbarem Mißverhältnis zu dem Umstande steht, daß der Täter wegen dieses Verhaltens mit großer Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen zu erwarten hat, die ihn zur Flucht nötigen werden." Es mag dahingestellt bleiben, ob und inwieweit man der Verwaltung oder der Rechtsprechung einen Vorwurf ,dahingehend machen kann, daß sie den Willen des Gesetzgebers nicht ausreichend berücksichtigt habe. Zweifellos, das muß mit allen Nachdruck gesagt werden, ist diese Entwicklung nicht zuletzt auf die Problematik der Bestimmun gen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes selbst zurückzuführen. Es kann unseres Erachtens keinem Zweifel unterliegen, daß die derzeitigen Bestimmungen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes nicht mehr dier Entwicklung der politischen Verhältnisse zwischen den beiden Teilen Deutschlands entspricht. Insbesondere erscheint es uns heute weder menschlich, noch sozial, noch politisch vertretbar, jene Deutschen, die auf Grund der Entwicklung in der SBZ und der dortigen allgemeinen Zwangslage Zuflucht in der Bundesrepublik suchen, unterschiedlich zu behandeln; das heißt etwa, sie praktisch fast alle über das Notaufnahmeverfahren als „Flüchtlinge" aufzunehmen, aber dann später, wenn sie in der Bundesrepublik Aufnahme gefunden haben, nur eine geringe Zahl von diesen „Flüchtlingen" als Sowjetzonenflüchtlinge anzuerkennen. Dies gilt um so mehr, als die Bundesrepublik grundsätzlich den Standpunkt der Freizügigkeit zwischen beiden Teilen Deutschlands vertritt und den Deutschen aus der SBZ im Grundsatz die gleichen Rechte gewährt, wie 'den in der Bundesrepublik ansässigen Deutschen. Der § 3 des Bundesvertriebenengesetzes sollte deshalb eine Fassung erhalten, die sicherstellt, daß jeder Deutsche aus der SBZ, der in der Bundesrepublik Zuflucht sucht, als Sowjetzonenflüchtling anerkannt wird. Eine solche Fassung würde nicht nur dem Grundsatz der Freizügigkeit zwischen beiden Teilen Deutschlands und der Gleichberechtigung dieser Deutschen entsprechen, sondern gleichzeitig auch eine Gleichstellung mit jenen Vertriebenen herbeiführen, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen als Aussiedler aus den Vertreibungsgebieten in die Bundesrepublik kommen und hier entsprechende Aufnahme finden. Selbstverständlich wird dabei nicht außer Acht gelassen werden dürfen, daß unter den aus der sowjetischen Besatzungszone geflohenen Deutschen sich, wenn auch in verhältnismäßig geringer Zahl, Personen befinden, die dem totalitären Regime in der SBZ in erheblicher oder bedenklicher Weise Vorschub geleistet, oder die in der SBZ gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit verstoßen haben oder aber die SBZ nur verlassen haben, um sich dort den Folgen einer auch nach rechtsstaatlicher Auffassung strafbaren Handlung zu entziehen. Für solche Fälle geht unser Antrag in der Neufassung der Bestimmungen des § 3 davon aus, eine Versagung der Anerkennung als Sowjetzonenflüchtling festzulegen. Eine Neufassung des § 3 mit dem Ziel der Anerkennung der großen Masse aller jener Deutschen ais Sowjetzonenflüchtlinge, die aus achtenswerten Gründen die Zone verlassen haben, wird schließlich auch berücksichtigen müssen, ob und in welchem Umfang allen diesen Deutschen jetzt noch die besonderen materiellen Vergünstigungen gewährt werden können, die für Sowjetzonenflüchtlinge vorgesehen sind. Obwohl diese Vergünstigungen an sich nicht übermäßig umfangreich sind, würde jedoch zum Beispiel die nachträgliche Gewährung etwa der Hausratshilfe aus dem Härtefonds des § 301 7234 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1960 LAG an alle Sowjetzonenflüchtlinge im Sinne der erstrebten Änderung des § 3 BVFG nicht nur einen erheblichen finanziellen Aufwand erfordern, sondern in einer großen Zahl von Einzelfällen auch nicht mehr als berechtigt erscheinen, und zwar in jenen Fällen, in denen diese Sowjetzonenflüchtlinge bereits aus eigener Kraft oder durch andere Hilfen einen erträglichen Lebensstandard erzielt haben. Es ist deshalb vorgesehen, daß derartige Leistungen noch nicht in das wirtschaftliche und soziale Leben in einem nach ihren früheren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zumutbaren Maße im Sinne des § 13 des Bundesvertriebenengesetzes eingegliedart sind. Wir hoffen sehr, daß von keiner Seite in der Richtung argumentiert wird, daß eine solche Änderung des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes unausweichlich eine Sogwirkung zur Folge haben könne. Ich möchte von vornherein bereits darauf hinweisen, daß sich aus Veröffentlichungen des Bundesministeriums eindeutig ergibt, daß sich der Zustrom aus der SBZ nach Wegfall der hohen Ablehnungsquote im Aufnahmeverfahren keineswegs verstärkt hat, und daß eine graphische Darstellung des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte die Flucht aus der SBZ als eine Folge der dortigen politischen und sozialen Verhältnisse dargestellt hat. Damit hat das Ministerium selbst dokumentiert, daß die Fluchtzahlen nicht auf besseren Betreuungsmaßnahmen in der Bundesrepublik beruhen, sondern von Maßnahmen innerhalb der Zone abhängig sind. Wir sollten deshalb in dieser Zeit auf Grund der politischen Entwicklung und der Erfahrungen damit aufhören, von einer Sogwirkung zu sprechen. Die Forderung, eine Änderung der gesetzlichen Grundlage für den Flüchtling anzustreben, wird in immer stärkerem Maße von vielen Seiten seit langer Zeit gefordert. Wir bedauern, daß dem Hause von Seiten des zuständigen Ministeriums bislang noch keine Reformvorschläge vorgelegt wurden. Mit Verwaltungsmaßnahmen, mit Verordnungen, mit Richtlinien und Anweisungen können wir dieses Problem nicht entscheidend beeinflussen, können wir auch den Menschen aus der Zone, die auf Grund ,der politischen Entwicklung — und ich möchte noch einmal sagen, auf Grund der politischen Zwangslage, in der sich alle Menschen in der Zone befinden — nicht mehr gerecht werden. Wir sollten endlich damit aufhören, die unnatürliche Aufteilung in die große Masse der nicht Anerkannten und die kleine Gruppe der Anerkannten fortzusetzen, weil sie nicht nur als unbefriedigend angesehen werden muß, sondern weil sie von den Betroffenen als ungerecht empfunden und weil sie auch der politischen Situation nicht gerecht wird. Die Situation zwingt deshalb zu neuen grundsätzlichen Überlegungen des Problems und zwingt uns zu einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen des bestehenden Flüchtlingsrechtes. Frau Korspeter
Gesamtes Protokol
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312400000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich heiße Sie nach den Parlamentsferien zu Beginn des letzten Jahres dieser Legislaturperiode willkommen.
Während der Parlamentsferien sind drei Kollegen aus unserer Mitte gerissen worden.

(Die Abgeordneten erheben sich.)

Am 29. Juli verstarb nach schwerer Krankheit der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Dr. Max Becker.
Max Becker wurde am 25. Mai 1888 in Kassel geboren. Seit 1909 nahm er am öffentlichen Leben Deutschlands teil. Er arbeitete zunächst in der jungliberalen Bewegung; später trat er der Deutschen Volkspartei bei. Max Becker ließ sich in Bad Hersfeld als Rechtsanwalt und Notar nieder. Von 1919 bis 1921 war er Mitglied seines Kreistages. Von 1922 bis 1933 war er Mitglied des Kurhessischen Kommunallandtages und des Provinziallandtages Hessen-Nassau.
Nach 1945 nahm Max Becker als Mitglied der Freien Demokratischen Partei seine politische Arbeit wieder auf. Seit 1946 war er Mitglied des Magistrats Hersfeld und des Kreistages sowie des Hessischen Landtages. Er war Mitglied des Parlamentarischen Rats und Vorsitzender seines Wahlrechtsausschusses.
Dem Bundestag gehörte unser Kollege Max Becker seit 1949 an. Er war Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten sowie des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung. Sein Herz schlug — das ist nicht zuviel gesagt — besonders für die Einigung Europas. Seit 1950 war er Mitglied des Europarats, später war er auch Mitglied der Versammlung der Westeuropäischen Union. Am 4. Juli 1956 und am 15. Oktober 1957 wurde Dr. Max Becker zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Max Becker hat diesem Haus ehrenvoll gedient. Der Deutsche Bundestag hat ihn mit einem Staatsbegräbnis geehrt.
Am 10. Juli verstarb nach langer schwerer Krankheit unser Kollege Hans Jahn.
Hans Jahn wurde am 19. August 1885 in Hartha in Sachsen geboren. Seit 1903 gehörte er der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an. Im gleichen Jahr trat er der Gewerkschaftsbewegung bei. Im Jahre 1920 wurde er Sekretär der Betriebsräteabteilung des Deutschen Eisenbahnerverbandes. Von 1927 bis 1933 war er Vorstandsmitglied des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands und des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes.
Das Jahr 1933 setzte auch seiner politischen Arbeit ein Ende. Nach dreimaliger Verhaftung floh er ins Ausland.
Nach dem Krieg kehrte er, ohne zu zaudern, in die zerstörte Heimat zurück. Als Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes war er maßgeblich am Wiederaufbau der deutschen Gewerkschaften beteiligt. Er war Vorsitzender der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, Erster Vizepräsident des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn sowie Präsident der Internationalen Transportarbeiterföderation.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Hans Jahn ebenfalls seit 1949 an. Er vertrat den Wahlkreis Hannover-Land und war Mitglied des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen.
Am 15. September verstarb einer unserer jungen Kollegen, Hugo Rasch, an den Folgen eines Schlaganfalls. Hugo Rasch wurde am 24. Februar 1913 in Bottrop in Westfalen geboren. Er wurde Bauhandwerker und schloß sich früh den sozialistischen und gewerkschaftlichen Jugendverbänden an. Der Staat Hitlers brachte auch Hugo Rasch vieles und schweres Ungemach. Von 1939 bis 1945 war er Soldat. Im Jahre 1944 wurde er schwer verwundet.
Nach 1945 widmete sich Hugo Rasch besonders der Sozialarbeit im Reichsbund der Kriegs- und Zivilbeschädigten, Sozialrentner und Hinterbliebenen. Er war Vorsitzender des Landesverbands Nordrhein-Westfalen und Zweiter Bundesvorsitzender des Reichsbundes. Er war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und gehörte dem Deutschen Bundestag seit 1953 an. Er war Mitglied des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen.
Ich spreche den Hinterbliebenen unserer Kollegen Dr. Max Becker, Jahn und Rasch und den Fraktionen der Freien Demokratischen Partei Deutschlands und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands die herzliche Anteilnahme des Hauses aus.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu Ehren unserer Kollegen erhoben. Ich danke Ihnen.
Als Nachfolger für die verstorbenen Abgeordneten Dr. Becker, Jahn und Rasch sind mit Wirkung

Präsident D. Dr. Gerstenmaier
vom 15. Juli der Abgeordnete Rodiek, mit Wirkung vom 8. August der Abgeordnete Freiherr von Kühlmann-Stumm und mit Wirkung vom 22. August der Abgeordnete Altvater in den Bundestag eingetreten. Ich heiße die neuen Kollegen in unserer Mitte herzlich willkommen.

(Beifall.)

Glückwünsche zu Geburtstagen: Am 20. Juli hat Herr Abgeordneter Dr. von Haniel-Niethammer den 65. Geburtstag gefeiert,

(Beifall)

am 3. August der Herr Abgeordnete Brand den 60. Geburtstag.

(Beifall.)

Am 7. August hat die Frau Abgeordnete Welter Geburtstag gefeiert,

(Beifall)

am 9. August der Herr Abgeordnete Heye den 65. Geburtstag,

(Beifall)

am 20. August der Herr Abgeordnete Dr. Steinmetz den 60. Geburtstag,

(Beifall)

am 24. August der Herr Abgeordnete Felder den 60. Geburtstag,

(Beifall)

am 30. August der Herr Abgeordnete Dr. Königswarter den 70. Geburtstag,

(Beifall)

am 1. September der Herr Abgeordnete Dr. Burgbacher den 60. Geburtstag,

(Beifall)

am 11. September der Herr Abgeordnete Keller den 60. Geburtstag,

(Beifall)

schließlich am 22. September der Herr Abgeordnete Dr. Atzenroth den 65. Geburtstag.

(Beifall.)

Damit ist die Liste der Geburtstage einstweilen abgeschlossen. Ich gratuliere den Damen und Herren namens des ganzen Hauses herzlich.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 1. Juli 1960 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes (Bundespolizeibeamtengesetz -BPolBG)

Gesetz zur Änderung des Paßgesetzes, des Rehdis- und Staatsangehörigkeitsgesetzes und zur Aufhebung des Gesetzes über die Meldepflicht der deutschen Staatsangehörigen im Ausland
Gesetz über das Apothekenwesen
Gesetz zu dem Abkommen vom 26. Januar 1960 über die Internationale Entwicklungs-Organisation
Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand
Gesetz über das Abkommen vom 17. April 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Italien, in ihren gegenseitigen Beziehungen das am 19. Juni 1951 in London unterzeichnete Abkommen zwischen den Nordatlantikvertragsstaaten über den Status ihrer Streitkräfte anzuwenden
Gesetz über eine Schlachtgewichtsstatistik
Gesetz über Rechtsverordnungen im Bereich der Gerichtsbarkeit
Gesetz über eine Fischereistatistik
Gesetz über die Durchführung laufender Statistiken im Handwerk sowie Im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (HwGaStatG)

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Einführung des deutschen Rechts auf dem Gebiete der Steuern, Zölle und Finanzmonopole im Saarland
Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz)

Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1960 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1960).
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat zum
Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen (WStrRG) Einspruch eingelegt. Sein Schreiben ist als Drucksache 1988 verteilt.
Zum ERP-Wirtschaftsplangesetz 1960 hat der Bundesrat eine Entschließung gefaßt, die dem Sitzungsbericht als Anlage 2 beigefügt ist.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Juli 1960 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs, 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zur vorläufigen Änderung des Gaststättengesetzes
Gesetz zur Einführung von Vorschriften des Lastenausgleichsrechts im Saarland (LA-EG-Saar)

Gesetz über eine Rentenversicherung der Handwerker (Handwerkerversicherungsgesetz - HVG)

Gesetz zu dem Abkommen vom 1. August 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über Arbeitslosenversicherung
Gesetz über die Vereinbarung vom 30. Juni 1958 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs der Niederlande über Gastarbeitnehmer
Gesetz über die Vereinbarung vom 4. Dezember 1957 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über den Austausch von Gastarbeitnehmern
Gesetz zu dem Vertrag vom 11. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg
Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes und des
Wohnungsbau-Prämiengesetzes (Steueränderungsgesetz 1960)

Gesetz zu dem Abkommen vom 30. Mai 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Einrichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutsch-niederländischen Grenze
Gesetz über die Zuständigkeit auf dem Gebiet des Rechts des öffentlichen Dienstes
Gesetz zu dem Internationalen Weizen-Übereinkommen 1959 Zweites Gesetz zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes
Gesetz über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit (BauStatG)

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften und des Kapitalverkehrsteuergesetzes.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat zum Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes Gesetz über den Rundfunk
verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Seine Schreiben sind als Drucksachen 2014 und 2015 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr hat unter dem 5. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. finanzielle Auswirkungen der Moselkanalisierung auf Anliegergemeinden (Drucksache 1930) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1995 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern hat unter dem 4. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schneider (Hamburg), Goldhagen und Genossen betr. Gesetz zu Artikel 131 GG (Drucksache 1934) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1998 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 7. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Deutsche Lufthansa (Drucksache 1971) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1999 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 5. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josten, Dr. Kliesing (Honnef), Dr. Weber (Koblenz), Rösing und Genossen betr. Bau einer neuen Rheinbrücke im Raume Bonn-Andernach (Drucksache 1962) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2000 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 7. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Höck (Salzgitter) und Genossen betr. Fertigstellung von Bundesautobahn, Auto-

Präsident D. Dr. Gerstenmaier
bahnzubringer und Bundesstraße 6 (Drucksache 1936) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2001 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 7. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Unterrichtung über das IV. Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949 (Artikel 144 des Abkommens - BGBl. 1954 II S. 917 ff.) (Drucksache 1874) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2003 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 12. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Pressemitteilung des Bundesarbeitsministeriums vom 24. Juni 1960 (Drucksache 1964) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2004 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 12. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Propagierung des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Drucksache 1979) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2005 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 14. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Förderung der Eigentumsbildung von Arbeitnehmern (Drucksache 1867) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2009 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 12. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Meis, Kühlthau, Kramel, Berger und Genossen betr. Reisekosten- und Umzugskostengesetz (Drucksache 1977) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2010 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 13. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jacobi, Kraft, Dr. Schmidt (Wuppertal), Kühn (Bonn), Dr. Schild und Genossen betr. Fischsterben in der Mosel (Drucksache 1981) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2011 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft hat unter dem 16. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ausfuhr von Möbeln nach Frankreich (Drucksache 1991) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2016 verteilt.
Der Herr Bundesminister des' Innern hat unter dem 18. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katzer, Arndgen, Brück und Genossen betr. Einführung der Sommerzeit (Drucksache 1989) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2017 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 21. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Zuschüsse zur Förderung der Schafhaltung (Drucksache 1932) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2019 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 26. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fiktion der SPD betr. Memorandum der Deutschen Olympischen Gesellschaft für Gesundheit, Spiel und Erholung („Goldener Plan") (Drucksache 1992) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2021 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 28. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Pressemitteilungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 24. Juni 1960 und Antwort - Drucksache 2004 - auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD - Drucksache 1964 - (Drucksache 2006) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2022 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft hat unter dem 26. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Durchführungsvorschriften zum Vierten Bundesgesetz zur Änderung der Gewerbeordnung hier: Reisegewerbekarte (Drucksache 2008) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2023 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 28. Juli 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Anerkennung des Deutschen Roten Kreuzes als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Drucksache 1997) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2024 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Justiz hat unter dem 1. August 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Auslieferung des ehemaligen Arztes Dr. Josef Mengele durch Argentinien (Drucksache 1972) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2026 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Auswärtigen hat unter dem 1. August 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Deutsches „Feind"-Vermögen in USA (Drucksache 1996) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2027 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 5. August 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Aufhebung des Beförderungsschnitts (§ 110 BBG) (Drucksache 2020) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2035 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dem 15. August 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abwanderung von Arbeitskräften aus dem Dienst der Deutschen Bundespost (Drucksache 1973) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2038 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat unter dem 12. August 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Eingliederung der geflüchteten Bauern (Drucksache 1970) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2039 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 23. August 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Ausgleichsabgabe für Braumalz (Drucksache 2029) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2043 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 25. August 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Flughafen Rio de Janeiro (Drucksache 2034) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2049 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem
22. August 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Drucksache 2030) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2051 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 5. September 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Auftreten des Tabakschimmelpilzes „Blauschimmel" (peronospora tabacina) in Tabakanbaugebieten (Drucksache 2032) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2054 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 5. September 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Neuregelung der gesetzlichen Krankenversicherung (Drucksache 2040) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2055 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 31. August 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Meyer (Oppertshofen), Bauknecht, Struve und Genossen betr. Lage in der Mühlenwirtschaft (Drucksache 1969) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2056 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 7. September 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Ausführung des Bundestagsbeschlusses über landwirtschaftliche Mindestpreise (Drucksache 2041) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2058 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 5. September 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rechtsverordnung zum Vierten Bundesgesetz zur Änderung der Gewerbeordnung (Drucksache 2007) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2059 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 15. September 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Frühkartoffelpreise (Drucksache 2047) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2063 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 14. September 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Nesselfieberepidemie in Holland (Drucksache 2057) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2065 verteilt.
Der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz hat unter dem 20. September 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand (Drucksache 1931) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2068 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 21. September 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Ernteschäden durch Nässeeinwirkung (Drucksache 2060) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2070 verteilt.
Der Heir Präsident des Bundesrates hat unter dem 1. Juli 1960 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner 221. Sitzung am 1. Juli 1960 beschlossen hat, gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates vom 31. Juli 1953 den Sonderausschuß Rundfunkgesetz einzusetzen. Zum Vorsitzenden des Sonderausschusses wurde Ministerpräsident Dr. Altmeier, Rheinland-Pfalz, gewählt.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 27. April 1960 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit des Luftfahrt-Bundesamtes übersandt, das im Archiv zur Kenntnisnahme ausliegt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 5. Juli 1960 eine Veröffentlichung über die Winterarbeitslosigkeit in den Arbeitsamtsbezirken der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) zur Kenntnisnahme übersandt, das an die Mitglieder des Hauses verteilt ist.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 20. Juli 1960 auf Grund des Beschlusses des Bundestages in seiner 62. Sitzung am 19. Februar 1959 über die Behandlung von privaten Alters- und Hinterbliebenenversicherungen auf dem Gebiete des Erbschaftsteuerrechts berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2018 verteilt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem
24. Juli 1960 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1957 und den Genehmigungserlaß des Herrn Bundesministers für Verkehr hierzu vom 2. Mai 1960 mit der Bitte um Kenntnis übersandt. Er liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 21. Juli 1960 gemäß § 1 Abs. 3 der Reichsschuldenordnung die Anleihedenkschrift 1959 übersandt, die im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Das Auswärtige Amt hat unter dem 19. August 1960 die Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Auslieferung flüchtiger Verbrecher gemäß § 46 Abs. 2 des Deutschen Auslieferungsgesetzes vom
23. Dezember 1929 zur Kenntnis übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dem 6. August 1960 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1959 zur Kenntnis vorgelegt. Er ist mit Drucksache 2031 verteilt.



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Der Leiter des Bundesrechnungshofes hat unter dem 22. Juli 1960 gemäß § 9 Abs. 2 des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 8. April 1922 den Bericht über die Prüfung der Bilanzen und des Geschäftsbetriebes der Verwertungsstelle der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin für die Geschäftsjahre 1954,55 bis 1957,58 übersandt, der als Drucksache 2028 verteilt ist.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 13. Juli 1960 unter Bezug auf den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Januar 1960 einen Bericht über die Lage der Mittelschichten übersandt, der als Drucksache 2012 verteilt ist. Der Bericht ist gemäß § 76 Abs. 2 GO dein Ausschuß für Mittelstandsfragen — federführend — und dem Wirtschaftsausschuß — mitberatend — überwiesen worden.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 9. September 1960 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vorn 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan und den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1960 zur Kenntnis übersandt. Er liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dein 16. September 1960 unter Bezug auf den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 1958 über die Erstattungsansprüche der Rentenversicherungsträger gegen den Bund nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2066 verteilt.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes hat unter dem 12. September 1960 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft erstattet, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zu unserer Tagesordnung, zunächst zu der
Fragestunde (Drucksachen 2077, zu 2077).
Wir sind übereingekommen, heute mit der neuen Ordnung der Fragestunde zu beginnen. Ich nehme an, daß das Merkblatt in Ihrer Hand ist und daß Sie auch einen Blick darauf geworfen haben. Nur auf zweierlei mache ich aufmerksam. Es gibt zwei Zusatzfragen, zu den gestellten Fragen können also hier am Mikrophon vom Fragesteller je zwei Zusatzfragen gestellt werden, so daß jeder drei Fragen hat. Außerdem gibt es jetzt noch die Zusatzfragen aus der Mitte des Hauses. Es heißt zwar in unserer Übereinkunft, daß sie vorher dem Bundestagspräsidenten angekündigt werden sollen. Das ist ein schwieriges Unternehmen; denn es könnte den Betreffenden erst, wenn die Fragen gestellt und beantwortet werden, einfallen, ihrerseits nun Fragen zu stellen. Davon gehe ich aus und werde deshalb einstweilen über diese Bestimmung, die nicht eine unerläßliche Vorschrift ist, hinwegsehen. Aber ich bitte doch festzuhalten, daß Fragen aus dem Hause im Rahmen der Fragestunde nicht von einem Kollegen an den anderen gestellt werden können, sondern immer nur aus dem Hause an die Regierung. Alles andere ist der Diskussion vorbehalten, die wir aber in der Fragestunde nicht haben wollen.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu den Fragen und rufe zunächst den Herrn Abgeordneten Dr. Arndt mit der Frage Nr. I auf:
Besteht ein Plan, das Bundesverfassungsgericht würdig in einem bundeseigenen Gebäude unterzubringen, das sowohl genügend Raum bietet als auch einen angemessenen Sitzungssaal hat?
Bietet ein Umbau und Wiederaufbau des Schlosses in Karlsruhe dazu die Möglichkeit?
Zur Beantwortung hat in Vertretung des Herrn Bundesministers für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes der Herr Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft das Wort.

Dr. Siegfried Balke (CSU):
Rede ID: ID0312400100
Herr Präsident, in Vertretung des Bundesministers für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes beantworte ich die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt wie folgt: Es ist der Bundesregierung bekannt, daß das Bundesverfassungsgericht zur Zeit nicht ausreichend untergebracht ist. Eine anderweitige Unterbringung des Gerichts ist erforderlich. Im Benehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen sind die notwendigen Vorarbeiten für eine ausreichende und würdige Unterbringung des Gerichts — eventuell in einem bundeseigenen Gebäude — eingeleitet worden.
Da ein für die Errichtung eines Neubaues geeignetes bundeseigenes Grundstück in Karlsruhe nicht vorhanden ist und die Beschaffung eines anderen geeigneten Grundstücks auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, wurde auch ein entsprechender Um- und Wiederaufbau des Karlsruher Schlosses in Betracht gezogen. Ob dieser Plan verwirklicht werden kann, hängt ab vom Ergebnis der bereits laufenden Prüfung der technischen, finanziellen und sonstigen Voraussetzungen im einzelnen, insbesondere aber von der Bereitschaft des Landes Baden-Württemberg, das Schloß für diese Zwecke dem Bunde zur Verfügung zu stellen. Eine deshalb kürzlich an das Land gerichtete Anfrage ist noch nicht beantwortet worden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312400200
Frage II/1 — des Herrn Abgeordneten Ritzel —:
Ich frage den Herrn Bundesfinanzminister, ob die in der ausländischen Presse erschienenen Berichte den Tatsachen entsprechen, wonach deutsche Benzin-Gesellschaften eine Verbindung mit ihren ausländischen Muttergesellschaften dazu benutzen, um sich durch einen manipulierten, überhöhten Einkaufspreis und den damit möglichen Nachweis einer Unterbilanz vor den Steuerverpflichtungen gegenüber dem Bund zu drücken?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312400300
Ich beantworte die Anfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel nach der Möglichkeit von Gewinnmanipulationen bei inländischen Mineralölgesellschaften, die Töchter ausländischer Unternehmen sind: Hat ein ausländisches Unternehmen im Inland eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft, so besteht immer die Möglichkeit einer Gewinnverlagerung. Das kann z. B. dadurch geschehen, daß die inländische Tochtergesellschaft für Leistungen oder Lieferungen des ausländischen Mutterunternehmens mehr bezahlt, als dies ein unabhängiger Dritter tun würde. Umgekehrt kann die inländische Tochtergesellschaft für ihre Leistungen an die ausländische Mutter auch weniger erhalten, als sie von einem fremden Dritten erhalten würde. Diese Möglichkeit besteht auch in den Fällen, in denen inländische Mineralölgesellschaften als Tochtergesellschaften ausländischer Mineralölkonzerne tätig werden.
Derartige Gestaltungen beeinflussen in erster Linie den Gewinn der Handelsbilanz des inländischen Unternehmens. Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns ist die Finanzverwaltung nicht an die Zahlen der Handelsbilanz gebunden. Soweit die Finanzverwaltung Gewinnverlagerungen der genannten Art, z. B. überhöhte Einkaufspreise für die ausländische Muttergesellschaft, feststellt, werden sie dem ausgewiesenen Gewinn der Handelsbilanz als verdeckte Gewinnausschüttung hinzu-



Staatssekretär Dr. Hettlage
gerechnet. Die Finanzverwaltungen der Länder, die für die Ermittlung des steuerlichen Gewinns zuständig sind, prüfen derartige Manipulationen bei den Betriebsprüfungen. Solche Betriebsprüfungen laufen augenblicklich bei vier großen Tochterunternehmen ausländischer Mineralölkonzerne. Bei diesen Betriebsprüfungen wird Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, nach etwaigen Gewinnverschiebungen naturgemäß nachgegangen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312400400
Erste Zusatzfrage.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0312400500
Darf ich in diesem Zusammenhang fragen, Herr Staatssekretär, ob der Bundesregierung und den beteiligten Länderregierungen bekannt ist, daß eine deutsche Mineralölgesellschaft im Jahre 1959 bei einer Steigerung des Umsatzes von 20,5 % und bei einer Steigerung der verkauften Mengen von 42,3 % einen Verlust von nahezu 5 Millionen DM buchte, während zur gleichen Zeit Investitionen im Werte von 112 Millionen DM unter Hinweis auf teilweise Finanzierung der Investitionsaufwendungen aus Betriebseinnahmen erfolgten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312400600
Herr Abgeordneter, diese Zahlen sind der Bundesregierung bekannt. Sie betreffen ein Unternehmen, dessen Bilanz in der Presse mehrfach unter diesen Gesichtspunkten erörtert worden ist: die Shell-Aktiengesellschaft. Auch bei dieser Gesellschaft findet eine Betriebsprüfung statt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312400700
Letzte Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0312400800
Darf ich weiter fragen, ob der Bundesregierung bekannt ist, daß eine andere Gesellschaft bei einer Erhöhung des Umsatzes von 24 % und bei einer wertmäßigen Steigerung des Umsatzes von 16 % ebenfalls keinen Gewinn, sondern einen Verlust von 33,7 Millionen DM buchte, wobei während des Geschäftsjahres ebenfalls erhebliche Beträge für Investitionen aufgewandt wurden? Den Namen kann ich Ihnen nennen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312400900
Auch diese Zahlen sind bekannt, Herr Abgeordneter.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0312401000
Ich danke Ihnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312401100
Ich rufe auf die Frage II/2 — des Abgeordneten Dr. Fritz (Ludwigshafen) —:
Weshalb wird bei Erteilung von Zollbescheiden für Mineralöl in den Fällen nicht vorweg abgeholfen, in denen ein Billigkeitserlaß selbstverständlich ist, z. B. bei Geschäftsübertragung bei einem Mineralölhändler im Zollsicherungsverkehr?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312401200
Ich darf die Frage des Herrn
Abgeordneten Dr. Fritz wie folgt beantworten. Die Oberfinanzdirektionen und die Hauptzollämter sind in den meisten Fällen befugt, in eigener Zuständigkeit über Anträge auf Erlaß von Abgaben aus Billigkeitsgründen zu entscheiden. In diesen Fällen brauchen sie schon seit dem 1. April 1957 die Abgaben nicht erst vorher festzusetzen und anzufordern, um sie später im Billigkeitswege zu erlassen.
Bei einer Geschäftsübertragung besteht diese Befugnis allerdings nicht. Es ist für die Finanzverwaltung wichtig, von einer Geschäftsübertragung rechtzeitig zu erfahren; denn sie muß wissen, wer als Händler über große Mengen unversteuerter und stark mißbrauchgefährdeter Mineralöle verfügt. Deshalb ist gerade dieser Fall für eine allzu großzügige Handhabung nicht geeignet.
Fälle dieser Art sind verhältnismäßig selten; ihre Abwicklung verursacht im allgemeinen keine nennenswerte Mehrarbeit.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312401300
Keine Zusatzfragen.
Frage Nr. II/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Fritz (Ludwigshafen) —:
Ist es zutreffend, daß di Beförderungsmöglichkeiten im mittleren Dienst der Zollverwaltung schlechter sind als bei vielen anderen Behörden, und wenn dies zutrifft, welche Möglichkeit besteht, Abhilfe zu schaffen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312401400
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Fritz nach den Beförderungsverhältnissen in der Zollverwaltung wie folgt beantworten.
Die Altersschichtung im mittleren Zolldienst ist durch die Verluste in den beiden Weltkriegen und sonstige Kriegsfolgen sehr ungleichmäßig. Nach dem Zusammenbruch mußten viele Beamte aus der Reichszollverwaltung auf dem weit kleineren Bundesgebiet mit verkürzten Grenzen untergebracht werden. Es sind deshalb starke Jahrgänge von älteren Beamten des mittleren Zolldienstes in der Zollverwaltung vorhanden, die zwar in der Zwischenzeit noch überwiegend zu Zollsekretären befördert werden konnten, die nunmehr aber infolge der auf Jahre hinaus schwachen Abgänge der älteren Jahrgänge die weitere Beförderung zum Zollobersekretär oder Zollhauptsekretär nur mit erheblicher Verzögerung oder überhaupt nicht mehr erreichen. Da die von diesen Beamten besetzten Zollsekretärstellen nicht durch Beförderung frei werden, stockt auch die Beförderung der nachgeordneten jüngeren Zollassistenten zu Zollsekretären.
Das hat zu einer erheblichen Heraufschiebung des Durchschnittsalters bei Beförderungen geführt. Dieses Durchschnittsalter bei der Beförderung zum Zollsekretär liegt im Grenzaufsichtsdienst bei 37 Jahren, im Innendienst bei 43 Jahren, bei der Beförderung zum Zollobersekretär bei 55 Jahren und bei der Beförderung zum Zollhauptsekretär bei 58 Jahren.
Neben dieser Altersschichtung beeinflußt in erster Linie der Stellenkegel, d. h. das Verhältnis der Eingangsstellen zu den Beförderungsstellen die Beför-



Staatssekretär Dr. Hettlage
derungsaussichten der Beamten. Der Stellenkegel des mittleren Zolldienstes ist teils etwas günstiger, teils etwas ungünstiger als der Stellenkegel vergleichbarer anderer Verwaltungen. Ein Vergleich kann jedoch nicht allein auf die Verhältniszahlen gestützt werden, da die Struktur der Verwaltung und ihre Aufgaben recht verschieden sind. Der Stellenkegel hängt .deshalb von der Dienstpostenbewertung ab. Er kann bei einzelnen Verwaltungen durchaus verschieden sein.
Der vermehrte Arbeitsanfall und die größere Arbeitsergiebigkeit in der Zollverwaltung rechtfertigt heute an vielen Stellen eine bessere Dienstpostenbewertung und damit auch gewisse Stellenhebungen, die für den Haushalt 1961 vorgeschlagen werden. Diese Stellenhebungen werden die Beförderungsmöglichkeiten im mittleren Zolldienst, wie wir hoffen, wesentlich verbessern.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312401500
Zusatzfrage? Zusatzfragen aus dem Hause? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0312401600
Herr Staatssekretär, darf ich Sie in dem Zusammenhang einmal fragen, ob Sie bereit sind, grundsätzlich bei allen Bundesverwaltungen die Beförderungsverhältnisse im mittleren Dienst überprüfen zu lassen, damit die Abwanderung, die gerade in letzter Zeit bei jungen Beamten festzustellen ist, in der Zukunft aufhört?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312401700
Herr Abgeordneter, wir haben vor einigen Monaten eine umfassende Feststellung über die Beförderungsaussichten innerhalb des gesamten Bundesdienstes veranlaßt. Die Vorschläge, von denen ich vorhin sprach, werden dem Bundestag nicht bloß für die Finanzverwaltung, sondern auch für die übrigen Teile der zivilen Bundesverwaltung unterbreitet werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312401800
Weitere Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Lulay.

Wilhelm Adam Lulay (CDU):
Rede ID: ID0312401900
Darf ich den Finanzminister fragen, ob er überhaupt beabsichtigt, den Vorschlägen der Organisationen der Beamten folgend, beim Zoll eine neue Dienstpostenbewertung durchzuführen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312402000
Die Dienstpostenbewertung ist die Grundlage für einen verbesserten Stellenkegel mit verbesserten Aufstiegsmöglichkeiten. Dabei werden wir selbstverständlich die Anregungen und Vorschläge der Verbände berücksichtigen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312402100
Die nächste Frage ist die des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung:
Aus welchem Grund ist die Zahl der Beamten und Angestellten der Arbeitsämter nicht den immer geringer werdenden Aufgaben dieser Behörden angepaßt worden; sind hierfür organisatorische Gründe oder beamten- und arbeitsrechtliche Gründe maßgebend?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.

Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0312402200
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut wie folgt beantworten: Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ist seit Jahren bemüht, den Personalstand der jeweiligen Arbeitsbelastung anzupassen. Während die Zahl der Stellen für Plankräfte nach Errichtung der Bundesanstalt im Haushaltsjahr 1952 noch 33 675 betrug, wies der Haushalt 1960 27 242 Stellen für Plankräfte aus. Es ist demnach eine Verminderung um 6433 Stellen = 19 v. H. eingetreten. In Anpassung an die veränderte Wirtschaftslage und den damit verbundenen Wandel im Arbeitsanfall hat die Bundesanstalt eine Umorganisation und Straffung bei ihren Dienststellen durchgeführt. Im Zuge dieser Maßnahmen werden weitere 3100 Stellen überzählig. Diese Stellen sollen so schnell wie möglich abgebaut werden, soweit nicht beamten- oder arbeitsrechtliche Gründe dem unverzüglichen Abbau entgegenstehen. Nach Durchführung dieser Maßnahmen wird die Zahl der Stellen im Vergleich zum Haushaltsjahr 1952 um mehr als 9500 oder rund 28 % niedriger sein.
Darüber hinaus ist die Bundesanstalt bestrebt, durch weitere Rationalisierungsmaßnahmen, insbesondere durch Neuabgrenzung von Landesarbeitsamts- und Arbeitsamtsbezirken, durch die Auflösung von Nebenstellen und durch die Zusammenlegung von kleinen Versicherungsabteilungen, Kassen- und Rechnungsprüfstellen, weitere Personaleinsparungen zu erreichen.

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0312402300
Herr Minister, war es nicht möglich, beizeiten Personal an andere Behörden, z. B. an Wehrbereichsverwaltungen oder Bundespost, zu überführen oder auszuleihen?

Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0312402400
Ich habe eben dargelegt, wie sich das Personal verminderte; es war aber zwingend notwendig, es in dem jetzigen Umfang bestehen zu lassen. Eine weitere Verringerung war nicht möglich. Ich darf, Herr Kollege, vielleicht darauf hinweisen, daß die in der letzten Zeit so häufig laut werdende Kritik an der Personalpolitik der Bundesanstalt offensichtlich noch vielfach von den Vorstellungen der Arbeitsämter aus dem Jahre 1930 ausgeht. Inzwischen hat aber die Arbeitsverwaltung neben der Arbeitsvermittlung andere Aufgaben wie Berufsberatung, Lehrstellenvermittlung, Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme, Förderung des Winterbaues usw. durchzuführen. Ich möchte Ihnen drei Zahlen nennen, die einigen Aufschluß über den Umfang der bei den Arbeitsämtern anfallenden Arbeiten geben:
Im Jahre 1959 wurden durch die Arbeitsämter über 4 Millionen Arbeitsvermittlungen durchgeführt, rund 800 000 Personen erhielten Rat und Hilfe durch die Berufsberatung der Arbeitsämter; die Zahl der zur Zeit in der Bundesrepublik beschäftigten rund 276 000 ausländischen Arbeitskräfte bedingt ebenfalls einen erheblichen Arbeitsanfall bei den Arbeitsämtern.
Ich darf zusammenfassen: Die Bundesanstalt ist, soweit ich das beobachte, ernsthaft bemüht, ihre



Bundesarbeitsminister Blank
Arbeit und damit auch den Personalstand der Entwicklung anzupassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312402500
Letzte Zusatzfrage:

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0312402600
Ist im Zuge dieses von Ihnen geschilderten enormen Arbeitszuwachses der Neu-und Erweiterungsbau der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Frankfurt am Main, Barckhausstraße 9, der mit riesigen Kosten erstellt wird, notwendig geworden?

Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0312402700
Ja, wir sind der Auffassung, daß das notwendig geworden ist. Die Selbstverwaltungsorgane der Bundesanstalt haben auch diesbezügliche Beschlüsse gefaßt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312402800
Ich rufe auf die Frage III,2 — des Abgeordneten Dr. Arndt —:
Tragen Bundesbeamte die Verantwortung dafür — bzw. hatte die Bundesregierung ein Aufsichts- und Weisungsrecht gegenüber den zuständigen Verwaltungsbehörden —, daß die Witwe des Generalmajors Hellmuth Stieff 9 Jahre lang, während der Ankläger Lautz lange Zeit hindurch eine hohe Pension bezog, um ihre Rechtsansprüche prozessieren mußte, die ihr aus der Hinrichtung ihres Mannes erwachsen sind?
Wird die Bundesregierung, wenn Bundesbeamte in diesem Falle verantwortlich waren, diese Beamten dienstrechtlich zur Rechenschaft ziehen, und welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um in entsprechenden Fällen eine Wiederholung solcher Vorkommnisse zu verhindern?
Zur Beantwortung der Herr Bundesarbeitsminister!

Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0312402900
Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Arndt wie folgt beantworten: Bei der im Falle der Witwe des Generalmajors Stieff zu treffenden Entscheidung hat es sich um eine Frage der Anwendung und Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes gehandelt. Da hierfür auf Grund des Art. 83 des Grundgesetzes die Länder zuständig sind, hat die Bundesregierung gegenüber den Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung kein Aufsichts- oder Weisungsrecht. Bundesbeamte tragen daher für das Verfahren im Falle Stieff keine Verantwortung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312403000
Zusatzfrage?

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0312403100
Herr Minister, können Sie mir sagen, welches Land dann die Verantwortung trägt?

Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0312403200
Soweit ich sehe, das Land Bayern.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0312403300
Danke schön.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312403400
Die Frage III/3 — des Abgeordneten Dr. Menzel — ist zurückgestellt, weil er im Ausland ist.
Frage IV/1 — des Abgeordneten Kalbitzer —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß ein deutscher Seemann, der auf dem Hamburger Frachter Duisburg" einen deutschen Fremdenlegionär aus Oran herausschmuggelte, dafür vom Deutschen Seeamt mit einer Buße belegt wurde?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312403500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorfall ist der Bundesregierung bekannt. Ein Besatzungsmitglied des MS „Duisburg" der Oldenburg-Portugiesischen DampfschiffsReederei Kusen, Heitmann & Cie. in Hamburg hat in Oran einen deutschen Fremdenlegionär an Bord gebracht und 10 Tage in seiner Kammer verborgen gehalten. Dadurch hat dieses Besatzungsmitglied gegen das Verbot des § 111 Abs. 1 des Seemannsgesetzes verstoßen, der ausdrücklich das eigenmächtige Anbordbringen fremder Personen verbietet. Dieser Verstoß gegen die Ordnung an Bord kann nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 128 Abs. 1 des Seemannsgesetzes als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 1000 DM geahndet werden.
Das Seemannsamt Hamburg ist eine Landesbehörde, auf deren Verwaltungstätigkeit die Bundesregierung ohne unmittelbaren Einfluß ist. Es hat auf Grund der Strafanzeige des Kapitäns am 8. Juli 1960 gegen den Seemann eine Geldbuße von 80 DM ausgesprochen. Der Bescheid ist rechtskräftig, das Bußgeld gezahlt.
Das Seemannsamt hat bei seiner Entscheidung besonders berücksichtigt, daß der Seemann nicht aus verwerflichen Motiven handelte. Es hat aber auch festgestellt, daß im Zeitpunkt des Anbordbringens des Legionärs keine akute Gefahr für dessen Leib und Leben bestand. Außerdem hat es sich auf seine Erfahrungen gestützt, daß Schiffsleitung und Schiffsbesatzung in ähnlich gelagerten Fällen erhebliche Nachteile drohen, wie Zurückhalten des Schiffes, Verbot des Anlaufens von Häfen, hohe Geldstrafen und Landgangverbot.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312403600
Zusatzfrage?

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0312403700
Das Interessante an diesem Vorgang ist die politische Tatsache, daß die Bundesregierung und die gesamte deutsche Öffentlichkeit bisher gegen die Fremdenlegion eingestellt war. Meine Zusatzfrage geht dahin, ob, wenn die Bundesregierung diese negative Einstellung auch heute noch hat, sie etwas zu unternehmen gedenkt, damit ein Deutscher, der durch die Fremdenlegion begangenes Unrecht wiedergutzumachen versucht, indem er einen anderen aus der Fremdenlegion befreit, für eine solche gute Tat wenigstens ein gutes Wort erhält, und ob es nicht falsch wäre, sich auf formale Strafmöglichkeiten zurückzuziehen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312403800
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß der Beschlußrahmen des Gesetzes diese Möglichkeit in sich schließt. Hier ist ja auch vom Seemannsamt dem Seemann ausdrücklich bestätigt worden, daß er nicht aus verwerflichen Motiven gehandelt hat.

(Zurufe und Lachen von der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312403900
Letzte Zusatzfrage!




Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0312404000
Ist die Bundesregierung, anstatt es negativ auszudrücken, bereit, zu erklären, daß dieser Seemann aus positiven, aus guten Gründen gehandelt hat? Wie stellt sich die Bundesregierung zu dem Verhalten der Reederei, die sich in dieser Frage ebenfalls kleinlich verhalten hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312404100
Ich glaube nicht, daß das Sache der Bundesregierung ist, sondern das ist Sache des beschließenden Seemannsamtes, das den Einzelfall und die Motive prüfen muß und auf Grund dieser Sachprüfung den Beschluß zu fassen hat. Ich glaube nicht, daß die Bundesregierung hier ein Recht hat, in die Zuständigkeit des nach dem Gesetz berufenen Seemannsamtes einzugreifen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312404200
Keine weitere Zusatzfrage!
Ich rufe auf die Frage IV/2. Der Herr Abgeordnete Hackethal wird vertreten durch den Herrn Abgeordneten Dr. Höck:
Sind in den jährlichen finanziellen Leistungen an die Deutsche Bundesbahn auch hinreichende Mittel enthalten und, wenn ja, in welcher Höhe, die es der Deutschen Bundesbahn ermöglichen, in den Zonenrandgebieten die ihr wie an anderen Stellen des Bundesgebiets notwendig erscheinenden Rationalisierungsmaßnahmen auf die spezifischen Umstände dieser Strecken abzustellen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312404300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Bundesbahn ist bei der Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen stets bemüht, den besonderen Verhältnissen im Zonenrandgebiet Rechnung zu tragen. Die bisherigen Einschränkungen und Stillegungen wurden auf die Fälle beschränkt, in denen diese Maßnahmen infolge einer Veränderung der Verkehrsstruktur auch bei voller Berücksichtigung der Verhältnisse des Zonenrandgebietes nicht zu umgehen waren.
Mittel, die es der Deutschen Bundesbahn ermöglichen würden, derartige verlustmindernde Maßnahmen zu unterlassen, sind in den finanziellen Leistungen des Bundes an die Bundesbahn nicht enthalten. Auch aus Mitteln des regionalen Förderungsprogramms, das ausschließlich strukturverbessernden Förderungsmaßnahmen auf dem gewerblichen oder kommunalen Sektor dient, erhält die Deutsche Bundesbahn keine Zuschüsse. Für Rationalisierungszwecke im Bundesbahnbereich stehen zwar bis 1964 jährlich 145 Millionen DM aus Abschnitt V des Verkehrsfinanzgesetzes von 1955 zur Verfügung. Dieser Betrag reicht aber bei weitem nicht aus, um die notwendigen Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen. Im übrigen muß die Bundesbahn die erforderlichen Mittel zur Rationalisierung ihrer Betriebe selbst aufbringen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312404400
Eine Zusatzfrage.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0312404500
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bereit ist, angesichts der großen Millionenaufwendungen des Bundes zugunsten des Ausgleichs des Haushalts der Bundesbahn dafür zu sorgen, daß die Rationalisierungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn nicht ausgerechnet den Berufsverkehr, den Pendlerverkehr, die Kleinbahnen und damit im ganzen die Masse unseres Volkes belasten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312404600
Herr Abgeordneter Ritzel, die Überlegungen, die Sie soeben angestellt und der Bundesregierung empfohlen haben, werden, wie ich persönlich genau weiß, bei jeder Entscheidung, die in Rationalisierungssachen der Deutschen Bundesbahn zu treffen ist, bei der Bundesbahn, vor allem aber, soweit der Verkehrsminister an der Entscheidung zu beteiligen ist oder sie zu treffen hat, berücksichtigt. Das wird auch in Zukunft geschehen.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0312404700
Ich danke Ihnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312404800
Frage IV/3 — des Abgeordneten Baur (Augsburg) — betreffend Auflösung einer der drei Schiffswerften am Bodensee:
Warum hat die Hauptverwaltung der Deutschen Bundeshahn eine Vorentscheidung über die Auflösung einer der drei Schiffswerften am Bodensee getroffen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312404900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Baur darf ich dahin beantworten, daß über die Auflösung einer der drei Schiffswerften am Bodensee noch keine Entscheidung, auch keine Vorentscheidung getroffen worden ist. Obwohl die Auflösung einer Dienststelle von der Größenordnung einer Schiffswerft am Bodensee gemäß Bundesbahngesetz nicht der Genehmigung des Bundesministers für Verkehr bedarf, hatte sich der Herr Bundesverkehrsminister auf Grund Ihres Schreibens vom November vorigen Jahres nach dem Sachstand erkundigt und Ihnen das Ergebnis mitgeteilt. Ich bin gerne bereit, Sie auch über die weitere Entwicklung der Frage unterrichtet zu halten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312405000
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau. Frage V/1 — des Abgeordneten Kreitmeyer —:
Ist die Bundesregierung bereit, die Bereitstellung von Wohnraum für Bundesbedienstete, insbesondere für Angehörige der Bundeswehr, dadurch zu beschleunigen, daß sie vorfabrizierte Häuser, z. B. Schwedenhäuser, in das Wohnungsbauprogramm aufnimmt, um schnell und sparsam in bezug auf Arbeitskräfte den Mangel an Wohnungen auf diesem Sektor zu beheben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312405100
Die Bundesregierung hat im Rahmen der Wohnungsfürsorge schon bisher entsprechende Angebote der Bauherren, die Häuser in vorgefertigter Bauweise erstellten und für Bundesbedienstete sowie Angehörige der Bundeswehr zur Verfügung stellen wollten, berücksichtigt. Voraussetzung dafür: nur dann, wenn diese Häuser in Qualität und Preis in etwa



Bundesminister Lücke
den in traditioneller Bauweise erstellten Häusern entsprechen. Es werden z. B. zur Zeit Bauvorhaben in Bückeburg, die für Angehörige der Bundeswehr bestimmt sind, in vorgefertigter Großplattenbauart erstellt und von mir mit Darlehen gefördert. Ein größeres Bauvorhaben in Wunstorf wird sich anschließen. Kleinere Bauvorhaben und Einzelanträge von Bediensteten, die ein Eigenheim in vorgefertigter und behördlich zugelassener Bauart erstellen wollen, wurden mit Darlehen gefördert.
Der Anteil der vorgefertigten Bauarten — im Vergleich zu den traditionellen Bauarten — ist im Wohnungsbau für Bundesbedienstete — dies gilt auch für den Wohnungsbau im allgemeinen — noch nicht sehr erheblich. Die Ursachen dafür:
Erstens. Für Massivbauten gibt es in Deutschland nur wenige Herstellungswerke. Diese Werke benötigen zur Einrichtung sehr hohe Investitionen. Sie werden nur wirtschaftlich bei Fertigung in größeren Serien. Die Serienfertigung bedarf wiederum eines kontinuierlich bleibenden Absatzes in einem auf etwa 50 km begrenzten Umkreis zur Fertigungsstätte. Die Bauvorhaben für die Angehörigen der Bundeswehr liegen meist außerhalb dieses Bereichs. Daher kann der Anteil dieser Bauart nur sehr gering sein.
Zweitens. In der Gemischt- und Holzbauart besteht zwar eine höhere Herstellungskapazität — es sind etwa 20 000 Wohnungen im Jahr ohne das Angebot aus dem Ausland, aber diese Bauten können nur im Flachbau Anwendung finden; das liegt in der Natur der Sache. Nach Art der zur Verfügung stehenden Bauplätze und der zur Unterbringung vorgesehenen Familien kann deshalb auch hier der Anteil dieser Bauweise nur relativ gering sein.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312405200
Eine Zusatzfrage?

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0312405300
Darf ich, wenn ich richtig v erstanden habe, erstens Ihren Worten entnehmen, daß bereits Erfahrungen in Ihrem Hause vorliegen? Zweitens: Sind Sie bereit, unter den gegenwärtigen Umständen, insbesondere der Konjunkturdämpfung, diese Frage der Fertighäuser besonders zu unterstützen, ist Ihnen bekannt, daß man z. B. selbst in Berlin für französische Besatzungsstreitkräfte in letzter Zeit Fertighäuser aus Beton hergestellt hat, und würden Sie in dieser Richtung besonders vorstellig werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312405400
Ich teile die so häufig geübte Zurückhaltung nicht und würde es im Hinblick auf die höhere Bauleistung begrüßen, wenn wir in dieser Richtung fortfahren könnten. Die Grenzen sind dort gesetzt, wo Bauqualität, baupolizeiliche Bestimmungen usw. den Voraussetzungen entsprechen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312405500
Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Kreitmeyer!

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0312405600
Darf ich noch einmal fragen, Herr Minister: Vom finanziellen Sektor, von der finanziellen Unterstützung her werden diese Bauten ebenso behandelt wie alle anderen zu fördernden Bauten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312405700
Wenn die Qualität den Bedingungen entspricht, ja!

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0312405800
Danke sehr!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312405900
Wird eine Zusatzfrage aus dem Hause gestellt? Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Brecht:
Wer ist dafür verantwortlich, daß die in dem Gesetz über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen vorgesehene Rechtsverordnung des Bundes, die wesentliche Bestimmungen über die Berechnung der Mietbeihilfen treffen soll, bis heute — vier Monate nach Beschlußfassung über das Gesetz im Bundestag — noch nicht verkündet ist?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312406000
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht wie folgt beantworten: Das Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft ist am 1. Juli in Kraft getreten. Die in diesem Gesetz vorgesehene Verordnung über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen kann nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen erst nach Inkrafttreten des Gesetzes erlassen werden. Sie bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Der Bundesrat hat seine letzte Sitzung vor den Parlamentsferien am 15. Juli gehabt; danach ging auch der Bundesrat in die Sommerferien. So war es nicht möglich, noch vor den Ferien die Beschlußfassung des Bundesrates herbeizuführen und die Verordnung zum Abschluß zu bringen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312406100
Eine Zusatzfrage?

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0312406200
Nachdem Sie, Herr Minister, wie ich annehme, die gesamten Erlasse und Formulare der Länder zu den Mietbeihilfen inzwischen gelesen haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht zornig oder schamrot geworden sind, wenn Sie dabei festgestellt haben, was aus diesem so sehr proklamierten Instrument der Mietbeihilfe gemacht wurde und was alles an neuen Apparaturen, Formularen und an Verwaltungsarbeit durch die Erlasse entstanden ist, — und das alles nur darauf zurückzuführen, daß die grundlegenden Bestimmungen in der Rechtsverordnung noch fehlen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312406300
Ich habe bereits gesagt, warum diese Verordnung nicht erlassen werden konnte. Ich habe es nicht in der Hand, einen Sommerferienplan zu ändern. Ich habe aber den Ländern gleich nach Erlaß des Gesetzes geschrieben, man möge auf Landesebene Miet- und Lastenbeihilfen zur Auszahlung bringen. Das haben die Länder getan — und ich bin den Ländern dafür dankbar —, so daß jetzt schon in allen Ländern Miet- und Lastenbeihilfen gezahlt werden können. Ich hoffe, daß die endgültige Rechtsverordnung nun-



Bundesminister Lacke
mehr rasch erlassen werden kann. Ich bedauere die Zersplitterung, die in der Übergangszeit entstanden ist. Sie war offenbar unvermeidlich. Jedenfalls ist das Ziel erreicht worden, das mir vorschwebte, daß niemand dadurch unter die Räder kommt, daß etwa infolge der von den Mietern ja nicht verursachten Entwicklung in der Übergangszeit Mietbeihilfen nicht gezahlt werden können. Sie können, wie gesagt, gezahlt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312406400
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht!

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0312406500
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß in der Mieterschaft tatsächlich immer noch eine gewaltige Unklarheit über die Möglichkeiten der endgültigen Gewährung von Mietbeihilfen besteht, weil eben trotz der Erlasse der Länder maßgebliche Teile noch nicht bekannt sind und die Menschen es deshalb noch nicht wagen, Anträge auf solche Mietbeihilfen zu stellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312406600
Das ist mir bekannt. Ich darf nur hoffen und wünschen, daß sich alle im Wohnungswesen tätigen Verbände für die Aufklärung über dieses wichtige Gesetz einsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich hoffe, daß die nunmehr zur Verabschiedung gelangende Rechtsverordnung dazu beitragen wird, die entstandene Unruhe zu beseitigen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312406700
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wittrock!

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0312406800
Herr Bundesminister, es ist zwar richtig, daß das Gesetz zum 1. Juli 1960 in Kraft getreten ist. Aber sind Sie nicht der Meinung, daß es im Hinblick auf die Bedeutung dieser Regelung — Sie haben sie ja als bedeutsam herausgestellt — über die Mietbeihilfen zu den Pflichten Ihres Hauses gehört hätte, rechtzeitig, und zwar schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, die Vorbereitungsarbeiten für diese Rechtsverordnung durchzuführen, um auf diese Weise die Beschlußfassung des Bundesrates zum 15. Juli 1960 zu ermöglichen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312406900
Herr Kollege Wittrock, Sie waren bei den Beratungen nicht dabei und können deshalb nicht wissen, daß das Schicksal des Gesetzes bis zur Zustimmung im Bundesrat ungewiß war. Noch in der letzten Sitzung des Ausschusses ist z. B. beschlossen worden, daß die Regelung bezüglich des Einkommens nicht —wie ich es vorgesehen hatte — im Gesetz getroffen werden soll; wegen der Problematik dieser Frage ist vielmehr auf die Rechtsverordnung verwiesen worden. Dadurch konnte das Wohnungsbauministerium erst ab 10. Juni, also erst nach der Verabschiedung des Gesetzes im Bundesrat, an die Erstellung der Rechtsverordnung herangehen. Sie werden mir zugeben, daß das schon rein technisch nicht in 14 Tagen bewältigt werden kann. Wir bedurften zudem aber der Zustimmung des Bundesrates, der dann nicht mehr getagt hat.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312407000
Eine Zusatzfrage?

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0312407100
Trifft es zu, Herr Bundesminister, daß bereits seit dem 24. Mai die Umrisse und der Inhalt der gesetzlichen Regelung über die Mietbeihilfen zu erkennen waren?

(Zurufe von der Mitte: Nein!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312407200
Ich habe ausgeführt, Herr Kollege, daß sie erst am Schluß der Beratungen zu erkennen waren.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312407300
Frage V/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht —:
Was hat die Herstellung und Verteilung der „Wohnfibeln" insgesamt gekostet, und wieviel Exemplare sind ausgegeben worden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312407400
Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht darf ich wie folgt beantworten: Die Kosten für die Herstellung und Verteilung der „Wohnfibel" belaufen sich auf insgesamt 1 083 991,37 DM. Es wurden 16 047 694 Exemplare an unsere Familien im Bundesgebiet verteilt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312407500
Eine Zusatzfrage?

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0312407600
Halten Sie die Unterrichtung und die Aufklärung der Mieter auf Grund der herausgegebenen „Wohnfibel" für völlig ausreichend und sind Sie der Meinung, daß die Mieter nun in genügender Weise wissen, was es mit den Mietbeihilfen und den Mieterhöhungen auf sich hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312407700
Nein! Ich werde bemüht bleiben, Rahmen einer weiteren umfangreichen Aufklärungsaktion dafür zu sorgen, daß ,die noch bestehenden Unklarheiten beseitigt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312407800
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Brecht!

(Unruhe.)

— Meine Damen und Herren, dieses Verfahren funktioniert nur, wenn nicht alle durcheinander reden. Ich muß aufpassen. Jetzt hat zu einer letzten Zusatzfrage der Herr Abgeordneter Dr. Brecht das Wort. Dann kommt der Kollege Baier und dann der Kollege Seuffert.

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0312407900
Beabsichtigen Sie, Herr Minister, da Sie die Aufklärungen der Mieter durch Ihre „Wohnfibel" nicht für vollkommen und ausreichend ansehen, eine neue, zweite Unterrichtungsaktion durch nochmalige Herausgabe einer „Wohnfibel"?

(Abg. Wittrock: Das machen die Kommentatoren!)





Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312408000
Herr Abgeordneter Dr. Brecht, das beabsichtige ich nicht. Allerdings zwingt die Verwirrung, die durch eine falsche Aufklärung der Öffentlichkeit nach Erlaß der „Wohnfibel" entstanden ist, die Bundesregierung, die Bevölkerung weiter über den sachlichen Inhalt aufzuklären.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312408100
Herr Abgeordneter Baier, zu einer Zusatzfrage!

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0312408200
Herr Minister, darf ich, nachdem an der Herausgabe der „Wohnfibel" von der Opposition so viel Kritik geübt worden ist, folgendes fragen: Ist es anderweitig auch üblich, daß seitens ,der öffentlichen Hand in bestimmten Fällen in der Öffentlichkeit Aufklärungs- und Informationsarbeit geleistet wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312408300
Ich kann ,die Frage nur mit Ja beantworten. Ich blicke etwas neiderfüllt auf den „Hessen-Spiegel", der in dieser bekannten Aufmachung erschienen ist und etwas umfangreichere Aufklärungsarbeit leisten konnte, als ich es mit der „Wohnfibel" vermocht habe.

(Lachen bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312408400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seuffert!

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0312408500
Haben Sie, Herr Minister, bemerkt, daß Ihre kostspielige Wohnfibel fehlerhafte Berechnungen und Darstellungen enthält, zum Beispiel in den Beispielen über die Höchstgrenze der Mieterhöhung, wenn Nebenräume zu berücksichtigen sind usw.?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312408600
Herr Kollege Seuffert, das betrifft nur einen Teil der Auflage. Ich habe das bemerkt und sofort richtiggestellt. Sie werden verstehen, daß es technisch nicht leicht war, innerhalb von wenigen Tagen eine Auflage von 16 Millionen drucken zu lassen. So ist dieser Fehler passiert. Aber er ist sofort berichtigt worden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312408700
Herr Abgeordneter Wittrock, wollen Sie auch noch fragen? Sie dürfen fragen. Sie reden jetzt zu einer anderen Sache als vorher. Deshalb gebe ich Ihnen das Wort.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wittrock!

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0312408800
Herr Bundeswohnungsbauminister, sind die offensichtlichen und der Öffentlichkeit nicht verborgen gebliebenen Mängel dieser sogenannten Wohnfibel darauf zurückzuführen, daß die zuständigen Herren Ihres Hauses mit großer Intensität an die Ausarbeitung der Gesetzeskommentare zu diesem Gesetz herangehen mußten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312408900
Ich kann die Frage mit Nein beantworten, weil die Anfertigung von Kommentaren außerhalb der Dienstzeit erfolgt

(Lachen bei der SPD)

und jeder Beamte das Recht hat, solche Kommentare zu schreiben, die, so hoffe ich, zur Aufklärung der Öffentlichkeit beitragen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312409000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0312409100
Herr Bundeswohnungsbauminister, wenn das nicht der Grund für die Verwirrung war, was war dann der Grund für die Verwirrung?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312409200
Eine Fernsehsendung, die, so glaube ich, die Situation verantwortungslos und einseitig dargestellt hat. Der „Wert" der Fernsehsendung wurde dadurch unterstrichen, daß sie mit geringfügigen Kürzungen einige Tage später im ostzonalen Gebiet ausgestrahlt worden ist.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312409300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt (Wuppertal)!

Dr. Otto Schmidt (CDU):
Rede ID: ID0312409400
Herr Bundeswohnungsbauminister, haben Sie den Eindruck, daß die Interessenverbände der Wohnungswirtschaft ihrerseits alles getan haben, um zu einer positiven Aufklärung der Bevölkerung im Sinne des Gesetzes beizutragen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312409500
Nicht alle Interessenverbände haben das getan. Vor allem hat der Deutsche Mieterbund sich bemüht, die Verwirrung zu vergrößern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312409600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Neumann!

Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0312409700
Herr Bundesminister, wie erklären Sie sich die Tatsache, daß Ihre Herren genügend Zeit hatten, Privatkommentare herauszugeben, während Sie vorhin erklärten, daß es aus zeitlichen Gründen nicht möglich war, zeitig genug von Amts wegen die Mieter zu unterrichten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312409800
Ich habe erklärt, daß die Kommentare nach Feierabend geschrieben worden sind,

(Zurufe von der SPD) und dazu sind die Beamten berechtigt.


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312409900
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Neumann!




Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0312410000
Dann darf ich also sagen, daß Ihr soziales Empfinden — Verhinderung der Überarbeitung von Beamten — es nicht ermöglichte, daß von Amts wegen rechtzeitig die Unterrichtung der Mieter erfolgte?

(Heiterkeit bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312410100
Auf diese Frage erwarten Sie ja keine Antwort.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312410200
Herr Abgeordneter Dr. Czaja!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0312410300
Herr Minister, haben Sie irgendeine rechtliche Möglichkeit, das Schreiben von Kommentaren seitens der Beamten zu verhindern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312410400
Nein!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312410500
Jetzt gehen wir weiter, meine Damen und Herren.
Ich rufe auf die Frage VI/1 — des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg — aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung für eine würdige und zweckmäßige räumliche Unterbringung der Deutschen Botschaft in Wien getroffen angesichts der Tatsache, daß die derzeitige Lösung weder im Vergleich mit den Botschaften Englands, Frankreichs und der Sowjetunion noch im Hinblick auf die gefühlsmäßigen und praktischen Beziehungen zwischen Osterreich und der Bundesrepublik als angemessen angesehen werden kann?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr. von Brentano vom 23. September 1960 lautet:
Das ehemalige Botschaftsgebäude in der Metternichgasse in Wien ist durch Bombeneinwirkung zerstört worden. Für den Wiederaufbau der Botschaft ist ein Wettbewerb veranstaltet worden, an dem sich 7 namhafte Architekten beteiligt haben. Leider brachte der Wettbewerb nicht die voll befriedigende Lösung. Das Preisgericht kam daher zu dem Schluß, es sollten die Gedanken der drei preisgekrönten Entwürfe weiterentwickelt werden. Mi' dieser Aufgabe wurde ein Architekt beauftragt, dessen Ruf und bisherige Leistungen einen Entwurf erwarten lassen, der — unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bundesrepublik in der heutigen Zeit — einen Vergleich mit den älteren Botschaftsgebäuden Englands, Frankreichs und der Sowjetunion aushält, aber auch der hohen politischen und kulturellen Verpflichtung der Bundesrepublik in Osterreich gerecht werden wird.
Sobald der Entwurf vorliegt, wird das Auswärtige Amt im Zusammenwirken mit den anderen beteiligten Stellen die nötigen Schritte unternehmen, urn das Bauvorhaben Wien in jeder geeigneten Weise zu fördern. Der Eingang des Entwurfs wird in Kürze erwartet.
Ich rufe auf die Frage VI/2 - des Abgeordneten Seuffert—:
In einem Artikel von Lord Russel of Liverpool im Daily Telegraph vom 26./27. Juli 1960 wird berichtet, daß ein ehemaliger deutscher General, der jetzt auf dem Militärgelände der Amerikaner in Dachau tätig sei, bei einer Besichtigungsfahrt im ehemaligen KZ Dachau Lord Russel gegenüber die Behauptung aufgestellt habe, eine Gaskammer im KZ Dachau habe nicht existiert; die Gasöfen seien von deutschen Gefangenen nach dem Kriege erbaut worden.
Falls der Bericht zutrifft:
Besteht eine Verantwortlichkeit deutscher Stellen für die Beschäftigung der fraglichen Person, oder können die amerikanischen Stellen auf die Bedenken aufmerksam gemacht werden, die der Beschäftigung solcher Personen entgegenstehen?
Zur Beantwortung der Staatssekretär des Auswärtigen Amts!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312410600
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Seuffert hat drei Fragen gestellt, die sich auf denselben
Vorfall beziehen und in einem inneren Zusammenhang zueinander stehen. Darf ich um Erlaubnis bitten, die drei Fragen im Zusammenhang zu beantworten?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312410700
Sie können zusammen beantwortet werden.
Dann rufe ich also noch die Fragen VI/3 und VI/4 — des Abgeordneten Seuffert — auf:
in einem Artikel von Lord Russel of Liverpool im Daily Telegraph vom 26./27. Juli 1960 wird berichtet, daß ein ehemaliger deutscher General, der jetzt auf dem Militärgelände der Amerikaner in Dachau tätig sei, bei einer Besichtigungsfahrt im ehemaligen KZ Dachau Lord Russel gegenüber die Behauptung aufgestellt habe, eine Gaskammer im KZ Dachau habe nicht existiert; die Gasöfen seien von deutschen Gefangenen nach dem Kriege erbaut worden.
Welche Möglichkeiten gibt das deutsche Strafrecht, gegen solche Behauptungen vorzugehen?
In einem Artikel von Lord Russel of Liverpool im Daily Telegraph vom 26./27. Juli 1960 wird berichtet, daß ein ehemaliger deutscher General, der jetzt auf dem Militärgelände der Amerikaner in Dachau tätig sei, bei einer Besichtigungsfahrt im ehemaligen KZ Dachau Lord Russel gegenüber die Behauptung aufgestellt habe, eine Gaskammer im KZ Dachau habe nicht existiert; die Gasöfen seien von deutschen Gefangenen nach dem Kriege erbaut worden.
Falls der Bericht zutrifft:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um dem von Lord Russel wiedergegebenen Eindruck entgegenzutreten, es gäbe viele Deutsche, die solche Ansichten vertreten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312410800
Deutsche Stellen sind für die Beschäftigung ziviler Arbeitnehmer bei den amerikanischen Streitkräften nicht verantwortlich. Ungeachtet dessen hat die Bundesregierung sofort Erhebungen über den von Lord Russel berichteten Vorfall eingeleitet. Sollten diese Erhebungen die von Lord Russel gegebene Darstellung bestätigen, so wird die Bundesregierung alsbald in Benehmen mit den amerikanischen Dienststellen prüfen, welche Maßnahmen gegen den Betroffenen ergriffen werden können. Die strafrechtliche Würdigung des Sachverhalts hängt im einzelnen von dem Ergebnis der eingeleiteten Erhebungen ab. In Betracht kommen Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, möglicherweise auch Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik sind bestrebt, die Öffentlichkeit des Auslandes laufend im Rahmen ihrer politischen Öffentlichkeitsarbeit über alle deutschen Fragen zu unterrichten. Auch die deutsche Presse sorgt in erheblichem Umfang dafür, daß im Ausland ein richtiger Eindruck über die wahre Einstellung des deutschen Volkes entsteht.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312410900
Eine Zusatzfrage?

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0312411000
Herr Staatssekretär, nachdem dieser Artikel am 26. oder 27. Juli erschienen ist, nachdem Sie inzwischen den Namen des Betreffenden, eines gewissen Unrein, in der Wochenschrift „Die Zeit" längst nachlesen konnten —, halten Sie es für eine angemessene Behandlung dieser Sache, daß Sie heute erklären, Erhebungen in dieser relativ einfachen Angelegenheit seien noch nicht zu einem Ergebnis gelangt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312411100
Die Bundesregierung hat alles getan, um die



Staatssekretär Dr. Carstens
Erhebungen mit der notwendigen Beschleunigung anzustellen. Aber diese Erhebungen haben aus den Gründen, die ich vorhin dargelegt habe, da es sich um einen Angestellten handelt, der nicht im Bundesdienst steht, noch nicht zu einem Abschluß geführt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312411200
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0312411300
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, hier festzustellen, daß die Gaskammern in Dachau zwar vor Kriegsende nicht benutzt, aber von den Nationalsozialisten hergestellt worden sind, und daß keine Rede davon ist, daß sie nach dem Krieg erst gebaut worden seien?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312411400
Ich bin bereit, diese Feststellung zu treffen, Herr Abgeordneter.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312411500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Könen.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0312411600
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, ob dieser Zivilangestellte der Amerikaner als ehemaliger General von der Bundesrepublik Deutschland eine Pension bezieht?
Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen ) Amts: Das ist mir nicht bekannt, Herr Abgeordneter.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0312411700
Würden Sie so freundlich sein, das feststellen zu lassen!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312411800
Das ist keine Frage. — Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lindeiner.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312411900
Herr Staatssekretär, falls es schon einmal einen vergleichbaren Fall gegeben haben sollte, — können Sie darüber Auskunft geben, auf welche Weise er von den zuständigen Stellen behandelt worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312412000
Vor einiger Zeit hat es einen vergleichbaren Fall gegeben, und zwar handelt es sich um den Fall des Elektrikers Martin Fiedler, der vom Amtsgericht Dachau wegen ähnlicher und noch weiter gehender Äußerungen als die, über die Lord Russel berichtet, zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten verurteilt worden ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312412100
Eine Zusatzfrage, Graf Adelmann.

Graf Raban Adelmann (CDU):
Rede ID: ID0312412200
Herr Staatssekretär, vermitteln die beiden Artikel Lord Russels den Eindruck einer grundsätzlich negativen Einstellung gegenüber der Bundesrepublik?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312412300
Es ist bekannt, Herr Abgeordneter, daß Lord Russel in der Vergangenheit gegenüber Deutschland sehr kritisch eingestellt war. Aber ich habe den Eindruck, ,daß gerade die beiden Artikel, um die es sich hier handelt, doch eine Änderung in der Einstellung Lord Russels erkennen lassen. Er führt zwar aus, daß die Äußerungen, die ihm gegenüber in Dachau gemacht worden sind, auch von anderen Personen gemacht worden seien; aber er gibt der Auffassung Ausdruck, daß es sich hier um eine verhältnismäßig kleine Gruppe handele, die keinen entscheidenden Einfluß ausübe. Er führt weiter aus, daß die Jugend eine andere Haltung einnehme. Ich habe den Eindruck, daß gerade hier die Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Auslandsmissionen nicht ohne Wirkung geblieben ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312412400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0312412500
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung — etwa im Benehmen mit der bayerischen Regierung — veranlaßt, daß die Äußerungen des früheren Generals im Wege eines Strafverfahrens durch entsprechende Maßnahmen der zuständigen Staatsanwaltschaft einer Aufklärung entgegengeführt werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312412600
Herr Abgeordneter, die Entscheidung über etwaige strafrechtliche Maßnahmen wird getroffen werden, sobald die Erhebungen, von denen ich gesprochen habe, zum Abschluß gekommen sind.

(Abg. Ritzel: Danke!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312412700
Ich gehe weiter: VII. Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Frage VII/1 — des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:
Ist der Herr Bundesjustizminister bereit, den Zeitungsbericht in der Stadtausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 175 vom 29. Juli 1960 über den Treuemißbrauch eines Notars zum Anlaß einer Prüfung zu machen, ob und inwieweit durch eine Regelung bei Amtspflichtverletzungen von Notaren der Staatsbürger vor Schäden gesichert wird?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312412800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen beantworte ich wie folgt.

(die Frage geprüft werden, ob eine Änderung dieses Rechtszustandes im Interesse ides Geschädigtenerforderlich und möglich ist. Vielen Dank! Ich rufe die Frage VII/2 — des Herrn Abgeordneten MüllerHermann — auf: Kann der Herr Bundesjustizminister eine Zusage machen, daß die seit langem angekündigte und dringend nötige Reform des Verkehrsstrafrechts so weit abgeschlossen ist, daß sie als Gesetzesvorlage dem Bundestag zugeleitet werden kann, gegebenenfalls vor einer allgemeinen Reform des Strafrechts? Zur Beantwortung ider Herr Bundesminister der Justiz ! Die Frage darf ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr wie folgt beantworten. Ich beabsichtige, der Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Verkehrsstrafrechts so rechtzeitig vorzulegen, daß Aussichten bestehen, ihn noch in dieser Wahlperiode im Bundestag zu verabschieden. Ich bin der Meinung, daß die Reform des Verkehrsstrafrechts nicht bis zur Reform des allgemeinen Strafrechts, also auf lange Zeit, zurückgestellt werden kann. Ich rufe die Frage VII/3 — des Herrn Abgeordneten Neumann -auf: Ist der Bundesregierung bekannt, ob gegen den Vertreter des im Nürnberger Prozeß in Abwesenheit zum Tode verurteilten „Reichsleiter" Martin Bormann, Staatssekretär Klopfer, ein Strafverfahren vor einem deutschen Gericht durchgeführt wurde? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz. Auf die Frage darf ich antworten, daß der Bundesregierung von einem Strafverfahren gegen den ehemaligen Staatssekretär Klopfer bisher nichtsbekannt ist. Dabei darf ich darauf 'hinweisen, daß die Strafverfolgung, von wenigen, hier vermutlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, zur Zuständigkeit der Länder gehört. Eine Zusatzfrage! Darf ich den Herrn Justizminister fragen, ob ihm bekannt ist, daß der damalige Ministerialdirektor Klopfer an der berüchtigten Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942, die der Endlösung der Judenfrage gedient hat, teilgenommen hat und daß er u. a. aus diesem Grunde von alliierten Justizbehörden längere Zeit festgehalten worden ist? Ich darf feststellen: Selbstverständlich hat sich das Bundesjustizministerium erkundigt, wer der Herr Klopfer ist und was über ihn bekannt ist. Er scheint sich hier um einen gewissen Gerhard Klopfer zu handeln, der früher, bis zum Jahre 1934 lediglich, im Staatsdienst gewesen ist. Eine Rückfrage bei einem anderen Ministerium hat ergeben, daß auch dort kein Verfahren gegen ihn bekannt ist. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen hat mitgeteilt, daß Klopfer sich im Rahmen einer Meldeaktion der unter das 131 er-Gesetz fallenden Personen gemeldet hat, jedoch die Mitteilung erhalten hat, daß er als einer der NSDAP-Bediensteten nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört. Weiteres ist mir über Herrn Klopfer nicht bekannt. Letzte Zusatzfrage! Ist Ihnen nicht bekannt, daß in der NSDAP keine Staatssekretäre beschäftigt waren, sondern daß es sich um Amtsfunktionen handelte? Darf ich Sie in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß die gesamten Akten über Herrn Staatssekretär Klopfer bei der Verkürzung der Nürnberger Verfahren an die deutschen Justizbehörden übergeben worden sind? Erstens habe ich nicht behauptet, daß er Staatssekretär der NSDAP gewesen sei. Zweitens ist mir nicht bekannt, daß diese Akten etwa an das Bundesjustizministerium abgegeben worden seien. Das ist nie geschehen. Sie sind bei anderen Stellen im Inund Ausland. Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jahn! Herr Minister, sind Sie bereit, darauf hinzuwirken, daß alle Möglichkeiten geprüft werden, diese Akten, die angeblich den deutschen Behörden übergeben worden sind und die Grundlage eines Strafverfahrens sein könnten, wieder ausfindig zu machen und zur Grundlage eines Strafverfahrens machen zu lassen? Herr Kollege, das ist doch so selbstverständlich, daß eine Anfrage eigentlich überflüssig ist. Ich rufe die Frage VII/4 — des Abgeordneten Jahn Wie beurteilt der Herr Bundesjustizminister den Vorschlag, in allen Fällen der Untersuchungshaft doppelte Akten zu führen, um dadurch den Gang des Haftbeschwerdebzw. Haftprüfungsverfahrens auf der einen und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auf der anderen Seite zu beschleunigen? Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister der Justiz. Der Herr Kollege schlägt vor, das Ermittlungsverfahren in Haftsachen zu beschleunigen. Auch die Bundesregierung hält es für notwendig, nach Wegen zu suchen, die zur Abkürzung der Untersuchungshaft führen. Der dem Bundestag inzwischen zugeleitete Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes sieht daher eine Neugestaltung des Haftprüfungsverfahrens vor. Ich verspreche mir davon nicht nur eine Abkürzung der Untersuchungshaft, sondern darüber hinaus eine allgemeine Beschleunigung der Strafverfahren. Bundesminister Schäffer Bei den Beratungen dieses Entwurfs mit den Landesjustizverwaltungen ist auch die von Ihnen angeschnittene Frage erörtert worden. Dabei hat sich ergeben, daß nur ein Land die doppelte Führung von Ermittlungsakten in Haftsachen bereits angeordnet hat und über zufriedenstellende Erfahrungen berichten konnte. Die übrigen Länder haben überwiegend gegen die allgemeine Anordnung der doppelten Aktenführung in Haftsachen Bedenken geäußert. Zunächst bestehen erhebliche technische Schwierigkeiten. Vor allem aber bereitet Sorge, wie die vollständige Übereinstimmung zwischen den Originalund den Doppelakten jederzeit sichergestellt werden kann. Nur wenn diese gewährleistet ist, kann eine wirkliche Beschleunigung der Haftsachen erreicht werden. Andernfalls bringt die doppelte Aktenführung nur neue Schwierigkeiten; sie führt zu Unklarheiten und Rückfragen. Auch der Generalbundesanwalt hat auf diese Bedenken hingewiesen, obwohl er in seinem Zuständigkeitsbereich in geeigneten Fällen mit der doppelten Aktenführung gute Erfahrungen gemacht hat. Gerade weil mir die Beschleunigung der Strafverfahren, vor allem in Haftsachen, besonders am Herzen liegt, werde ich die Landesjustizverwaltungen demnächst erneut bitten, dieser Frage ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Eine Zusatzfrage? Wie ist die Stellung Ihres Hauses selbst, Herr Minister? Wie ich eben erklärt habe: Wir würden es sehr begrüßen, aber wir können es gegen den Willen der Landesjustizverwaltungen nicht durchführen. Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schmidt Herr Bundesjustizminister, halten Sie nicht das in der Wirtschaft ganz allgemein übliche Ablichtungsverfahren für geeignet, all die technischen Bedenken, die Sie soeben aufgeführt haben, zu beheben? Ich muß das mit den Landesjustizministern im einzelnen. besprechen. In allen Fällen wird es nicht genügen, weil die Ablichtung nur für den Zustand von heute zutrifft. Es müssen aber auch die Änderungen berücksichtigt werden. Keine weiteren Zusatzfragen. Ich breche die Fragestunde für heute ab. Wir fahren morgen in der Fragestunde fort. Ehe ich den Punkt 2 der Tagesordnung aufrufe, heiße ich zunächst den Präsidenten und drei Abgeordnete des Irischen Parlaments in unserer Mitte' willkommen. Herr Präsident, der Deutsche Bundestag dankt Ihnen für die Ehre, die Sie uns mit Ihrem Besuch gegeben haben. Sodann hole ich eine Mitteilung nach. Die Abgeordneten Frau Kalinke, Dr. v. Merkatz, Dr. Preiß, Dr. Preusker, Probst Der Abgeordnete Schneider — meine Damen und Herren, was jetzt kommt, ist noch nicht ganz bekannt —, daß die sechs Abgeordneten der Deutschen Partei sich mit Wirkung vom 2. Juli 1960 als Gruppe im Sinne des § 10 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages konstituiert haben. Der Vorsitzende der Gruppe ist der Herr Abgeordnete Schneider Bedenken sollten nicht erhoben werden, denn es sind mehr als fünf Abgeordnete. Wir sollten als Mindeststärke einer Gruppe, so wie wir es früher getan haben, an einer Zahl von fünf Abgeordneten festhalten. Das ist jedenfalls auch die Empfehlung des Ältestenrates. Ich nehme an, daß das Haus keine Bedenken dagegen hat und daß damit diese Gruppe „Deutsche Partei" als Gruppe anerkannt worden ist. — Kein Widerspruch; Weiter ist im Ältestenrat Einvernehmen darüber erzielt worden, daß die Mitglieder der Gruppe Deutsche Partei, ohne daß damit ein Präjudiz geschaffen wird — das ist wichtig; wir können den Beschlüssen des nächsten Bundestages oder künftiger Bundestage nicht vorgreifen —, ohne daß damit also ein Präjudiz geschaffen wird, an den Beratungen der Ausschüsse, denen diese sechs Abgeordneten bislang angehört haben, für den Rest dieser Legislaturperiode mit beratender Stimme weiter teilnehmen. In den Ältestenrat und in den Vorstand kann die Gruppe Deutsche Partei je ein Mitglied entsenden. Es hat im Vorstand ebenfalls nur beratende Stimme. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Das Haus nimmt davon Kenntnis und ist damit einverstanden. Nun, meine Damen und Herren, rufe ich auf den Punkt 2 der Tagesordnung: Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten. Wir haben den Tod des Herrn Abgeordneten Dr. Becker, unseres Bundestagsvizepräsidenten beklagt. Ich frage die Fraktion, der das Vorschlagsrecht nach der Ordnung des Hauses zukommt, ob sie einen Vorschlag zu machen wünscht. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dehler. Verzeihen Sie, eine Sekunde. Herr Abgeordneter Dr. Mende, ich muß mich wirklich entschuldigen, aber der Lapsus linguae lag ja nahe. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesfraktion der Freien Demokratischen Partei schlage ich zur Wahl des Vizepräsidenten Dr. Thomas Dehler vor, das einzige Mitglied des Parlamentarischen Rates aus den Reihen der FDP, das heute noch der FDP-Fraktion angehört. Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. In § 2 unserer Geschäftsordnung heißt es, daß der Bundestag mit verdeckten Stimmzetteln in besonderen Wahlhandlungen den Präsidenten und seine Stellvertreter für die Dauer der Wahlperiode des Bundestages wählt. Nun hat sich der Bundestag in diesem Punkt immer Marscherleichterung gewährt, jedenfalls für die Wahl der Vizepräsidenten. Er hat sie immer durch Akklamation gewählt. Ich schlage vor, daß wir das auch in diesem Fall so halten und erbitte dazu die Zustimmung des Hauses, die nach § 127 der Geschäftsordnung erteilt werden kann, wonach im Einzelfall das Haus auch von seiner Geschäftsordnung abweichen kann. Kein Widerspruch? — Es ist so beschlossen. Wer dem Vorschlag des Herrn Abgeordneten Dr. Mende zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Eine Gegenstimme. Enthaltungen? — Einige Enthaltungen. Nun frage ich den Herrn Abgeordneten Dr. Dehler, ob er diese Wahl anzunehmen gesonnen ist. Ja. Der Herr Abgeordnete Dr. Dehler ist bereit, die Wahl anzunehmen. Herr Bundestagsvizepräsident, ich gratuliere Ihnen zu der Wahl und spreche Ihnen die Glückwünsche des Hauses für eine gute Zusammenarbeit aus. Wir haben damit einen neuen Bundestagsvizepräsidenten. Meine Damen und Herren, Punkt 3 der Tagesordnung wird erst am 30. September aufgerufen. Ich rufe deshalb die Punkte 4, 5 und 6 auf. Hier ist eine verbundene Debatte verabredet. Ich mache vorher darauf aufmerksam, daß wir für den Punkt 20 a unserer Tagesordnung eine Abstimmung über eine Grundgesetzänderung vornehmen müssen, die heute gemäß unserer Übereinkunft urn 17 Uhr stattfinden soll. Ich mache das Haus besonders darauf aufmerksam, daß um 17 Uhr diese Abstimmung zur Grundgesetzänderung stattfindet. Wir brauchen dazu eine Zweidrittelmehrheit des Hauses. Ich bitte Sie, sich darauf einzurichten. Nun die Punkte 4, 5 und 6 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Notdienstgesetzes Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesleistungsgesetzes Ich frage, ob das Wort zur Einbringung gewünscht wird. — Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser 28. September wird auf jeden Fall in ,der deutschen Parlamentsund Verfassungsgeschichte ein Datum von größter Bedeutung sein. Das gilt nach dem Gewicht des Themas; das gilt nach dem Zeitpunkt, in dem dieses Thema behandelt wird, und das gilt im Blick auf die Gesamtsituation. Hier steht eine der wichtigsten Entscheidungen des Bundestages im Sicherheitsund Verteidigungskomplex bevor. Die Bundesregierung legt heute dem Hohen Hause drei Gesetzentwürfe vor: den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes betreffend das Notstandsrecht, wie die etwas umständliche Bezeichnung lautet, ferner den Entwurf eines Notdienstgesetzes und schließlich den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesleistungsgesetzes. Mit allen drei Entwürfen hat sich der Bundesrat bereits vor Monaten beschäftigt, mit dem Notstandsgesetz schon im Februar dieses Jahres. Meine Damen und Herren, das Hohe Haus und die Öffentlichkeit wissen, daß diesen Entwürfen jahrelange Vorarbeiten, lange Beratungen, Erwägungen verschiedener Art und mancherlei Diskussionen vorausgegangen sind. Das Thema, das hier behandelt wird, läßt sich kurz und volkstümlich etwa in die Frage zusammenfassen: Wie meistern wir außergewöhnliche Situationen, wie meistern wir einen Ausnahmezustand? Erlauben Sie, daß ich zu Beginn meiner Ausführungen — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — Ihnen dazu ein Zitat aus einem Aufsatz vorlese, den ein sehr bekannter Staatsrechtler in diesen Wochen in einer nicht gerade fachjuristischen, Bundesinnenminister Dr. Schröder sondern etwas allgemeiner gehaltenen Zeitschrift veröffentlicht hat. Dort heißt es folgendermaßen: Die Verfassung der Bundesrepublik enthält keine Vorschriften über die Bestandssicherung im Falle einer ernsthaften Verfassungsgefährdung ... Insoweit sind keine Einwendungen zu er heben. Deshalb läßt sich eine Notstandsgesetzgebung, wie sie vorbereitet wird, dem — von dem Verfasser — gezeichneten Bilde der Bundesrepublik als Staat nicht ohne weiteres einfügen. Denn die Bundesrepublik in ihrer gegenwärtigen Struktur beruht auf besonderen, angebbaren Prämissen. Dazu gehört: die Wahrnehmung der Bestandssicherung nach außen durch andere Mächte, woran sich auch mit der Aufstellung einer militärischen Streitmacht nichts geändert hat, das Fehlen sonstiger Belastungsproben durch außenpolitische Entscheindungen von politischem Gewicht, die Fortsetzung der Wohlstandsentwicklung, also steigendes Sozialprodukt. Solange diese Prämissen bestehen, funktioniert das geschilderte soziale Gefüge, ohne daß es einer Notstandsregelung bedürfte. Fallen sie jedoch fort, dann ist auch mit einer Notstandsregelung nicht geholfen, weil dann eine Lage eintritt, zu deren Bewältigung es umfangreicher und im vorhinein nicht übersehbarer Maßnahmen bedarf. Und schließlich ein letzter Gedanke aus diesem Aufsatz: Stellt man die Fortschritte der modernen Ökonometrie und Nationalökonomie in Rechnung und würdigt man sie im Zusammenhang mit der bewiesenen Fähigkeit zur Selbstdisziplinierung der modernen Gesellschaft und ihrer organisierten Kräfte, so ist die Annahme nicht mehr utopisch, daß es heute möglich ist, Krisen gefährlichen Ausmaßes So zu lesen im Septemberheft des „Merkur". Meine Damen und Herren, dies ist ein sehr schönes und einprägsames Beispiel für manche merkwürdigen Betrachtungen, wie sie sich in unserer Zeit breitmachen, und ein sehr interessantes Beispiel für die Einschätzung des Grundgesetzes und der derzeitigen Situation. Ich brauche kaum zu sagen, daß die Bundesregierung diese Auffassung nicht teilt. Die Auffassung des Verfassers hinsichtlich des Wohlstandstaates ist zu optimistisch, und die Auffassung des Verfassers hinsichtlich der Möglichkeit der Meisterung des Ernstfalles einer Krise ist zu pessimistisch, wenn sie nicht gar defaitistisch ist. Aber, meine Damen und Herren, so viel ist richtig, daß das Grundgesetz die Frage der äußeren Verteidigung und die Frage der Sicherung nach innen, wenn überhaupt, dann höchst unzulänglich behandelt. Dies sage ich ohne jeden Vorwurf an die Väter des Grundgesetzes; denn bei einer rückwirkenden Wertung müssen wir heute gerechterweise mindestens zwei, wenn nicht drei Faktoren hervorheben, die für Entscheidungen im Jahre 1948/49 eine wesentliche Bedeutung hatten. Der eine Faktor war, daß der Rückschlag auf den totalen Staat mit seinen überwältigenden Machtbefugnissen zwangsläufig zu gewissen Verzerrungen der Auffassung führen mußte, und der zweite Faktor, daß zum damaligen Zeitpunkt die entscheidende Verantwortung absolut bei den Besatzungsmächten lag. Man wird deswegen ohne alle Übertreibung sagen können und sagen müssen, daß die Sicherheitsvorstellungen des Parlamentarischen Rates sich einerseits sozusagen unter einer Sicherheitsglocke der Aliierten bildeten und daß sie im übrigen eine Zeit ohne diese Sicherheitsglocke der Alliierten nicht mit genügender Deutlichkeit ins Auge gefaßt haben. Nun aber, spätestens seit der Wiedergewinnung der Souveränität, also seit 1955, weiß jeder, daß sich gerade diese Alliierten besondere Befugnisse für den Ausnahmezustand bis zum dem Zeitpunkt vorbehalten haben, an dem einer deutschen Regierung, an dem der Bundesregierung entsprechende gesetzliche Handhaben zur Verfügung stehen. Das steht klipp und klar, von diesem Hohen Hause besiegelt, zu lesen. Nun ist der Streit darüber, wie Art. 5 des Deutschlandvertrages auszulegen sei, ziemlich müßig. Ob sich das ganz auf den äußeren und inneren oder gar nur auf den äußeren Notstand bezieht, ist nicht der entscheidende Punkt. Fest steht, daß die vorbehaltenen Befugnisse der Alliierten einstweilen noch nicht abgelöst sind und nach unserer Meinung der Ablösung bedürfen. Niemand aber soll nun etwa glauben, die Bundesregierung handele nur unter dem Gesichtspunkt, daß ein alliiertes Vorbehaltsrecht abgelöst werden müsse, und sie mache, etwa nur deswegen ihren Gesetzesvorschlag. Die Bundesregierung hat diese Vorlagen, über die ich hier spreche, aus der Überzeugung gemacht, daß sie notwendig sind, insbesondere — im Blick auf das soeben Gesagte — die Vorlage zur Ergänzung des Grundgesetzes. Sie hat es also nicht etwa getan — ich möchte das deutlich wiederholen und klarstellen —, weil die Alliierten besondere Wünsche an uns hätten, sondern weil dies unsere Auffassung von dem Notwendigen ist. Deswegen die Ihnen vorliegenden Gesetzentwürfe. Es stellt sich nun die Frage nach dem Wie 'der Meisterung des Ausnahmezustandes. Ich 'denke, wir können uns sehr leicht darüber einig werden, daß das neue Instrument, das zu schaffen wir uns anschicken, für ,den Ausnahmefall brauchbar sein muß. Es geht nicht darum, daß wir etwa ein noch so schönes Stück neuer Verfassungstheorie einführen, sondern ,das, was wir brauchen, sind realistische, prakBundesminister Dr. Schröder tische Handhaben zur Meisterung des Ausnahmezustandes. Nun ist eine Einschränkung eigentlich ganz selbstverständlich, und deswegen will ich sie von vornherein gleich machen, damit diese Frage außerhalb des Streites bleiben kann: Das zu schaffende Instrument muß die freiheitlichen und bundesstaatlichen Grundlagen der Bundesrepublik erhalten. Es soll nicht etwa diese Grundlagen gefährden oder sie gar in seiner Wirkung zerstören. Aber der leitende, maßgebende, entscheidende und, wie ich meine, lebenswichtige Gesichtspunkt ist dieser: Die zu schaffenden Bestimmungen müssen ein schnelles und wirksames Handeln in einer Ausnahmesituation ermöglichen. Meine Damen und Herren, man wird nun nur schwer eine Meinung über den behandelten Gegenstand haben können, wenn man nicht doch einen ganz kurzen Blick in die Vergangenheit wirft. Das will ich so kurz wie nur möglich machen und einfach aussagen, daß sowohl die Bismarcksche Reichsverfassung als auch die Weimarer Verfassung brauchbare Bestimmungen hatten. Der Artikel 48 der Weimarer Verfassung ist in den vergangenen Jahren, wie ich glaube, zu Unrecht viel geschmäht worden. Man muß immer wieder daran erinnern — und das muß man hinsichtlich so etwas landläufig werdender Geschichtslegenden tun —, daß es ein sozialdemokratischer Reichspräsident, der erste Reichspräsident, Ebert, gewesen ist, der nur mit dem Art. 48 die ersten schweren Jahre des neuen Staates überhaupt hat durchhalten können. Der entscheidende Einsatz der Reichswehr auf Grund des Art. 48 in den verschiedenen Krisensituationen ist von einem sozialdemokratischen Reichspräsidenten angeordnet worden. Meine Damen und Herren, ich erwähne die Tatsache, daß ein sozialdemokratischer Reichspräsident diese Anordnung traf, nicht aus irgendeiner polemischen Absicht, sondern nur um ganz klarzumachen, daß etwa eine falsche Darstellung oder ein falsches Bild von der gerade genannten Tatsache doch von vornherein korrigiert werden sollte. Wenn Sie einmal die langen Listen gerade des Einsatzes der Reichswehr — um nur davon zu sprechen — durchsehen, so werden Sie finden, daß es so ist, wie ich sage: nur mit Hilfe ides Art. 48, nur mit Hilfe dieser Befugnisse hat 'der damalige Reichspräsident die ersten schweren Jahre von Weimar überhaupt überstehen können. (Abg. Ritzel: Wollen Sie das mit heute vergleichen?)




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0312412900
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312413000
Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312413100
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312413200
Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312413300
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312413400
Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0312413500
Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312413600
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312413700
Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0312413800
Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312413900
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312414000
Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0312414100
Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312414200
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312414300
Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312414400



Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312414500
Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0312414600
Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312414700
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312414800
Dr. Otto Schmidt (CDU):
Rede ID: ID0312414900
Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312415000
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312415100

(Lebhafter Beifall.)


(Zurufe von der SPD: Herzlichen Glückwunsch!)


(Zurufe von der SPD)


(Zurufe: Nein!)


(Abg. Wittrock: Die „Schneider-Gilde!") es ist so beschlossen.





(Heiterkeit.)


(Heiterkeit.)

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0312415200

(Beifall bei der FDP.)

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312415300
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312415400
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312415500

(Lebhafter Beifall.)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312415600







(Zustimmung bei der CDU/CSU.)


(Hört! Hört! in der Mitte.)


(Erneut Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)


(Unruhe bei der SPD)

— Herr Kollege Ritzel, über Weimar und heute ist manches zu sagen. Wir sprechen hier von brauchbaren Instrumenten für bestimmte Situationen. Ich befinde mich jetzt gerade bei dem ganz kurzen geschichtlichen Rückblick.
Art. 48 als Gesetzgebungsersatz, wenn ich mich einmal so ausdrücken soll, ist nur deswegen überhaupt möglich geworden, weil die politische Kraft des Reichstags zu zersplittert war, um seinem Gesetzgebungsauftrag noch genügen zu können.
Und schließlich: Der oft besprochene Mißbrauch des Art. 48 besonders im Februar 1933 — ich sage wohlgemerkt: im Februar 1933 — kann hier völlig außer Betracht bleiben; denn die nationalsozialistische „Machtergreifung" — um diesen Terminus zu gebrauchen — ist ohne den Art. 48 erfolgt, nicht etwa mit dem Art. 48. Ich glaube, diese Dinge muß man doch etwas gerecht im Bewußtsein wägen, wenn man nicht Legenden verfallen will.
Nun komme ich zu unseren heutigen Vorschlägen, und ich denke, ich bin nun bei dem Einwand des Herrn Kollegen Ritzel. Verglichen mit Idem Art. 48 wird ,das von uns vorgeschlagene Inkraftsetzen des Ausnahmezustandes an wesentlich schärfere Voraussetzungen geknüpft. Bei Art. 48 wurde nur eine erhebliche Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlangt. Bei uns heißt es: „eine drohende Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche Grundordnung ,des Bundes oder eines Landes", und zwar eine Gefahr, die über das hinausgeht, was mit den Mitteln des Art. 91 des Grundgesetzes bewältigt werden kann. Wohlgemerkt haben wir auch hier bereits dieselbe Formel gewählt, die der Parlamentarische Rat selbst für den von ihm ins Auge gefaßten begrenzteren schwierigen Zustand gewählt hat.
Nun komme ich zu dem Kern der Sache. Den Kern dieser Sache wird man dann verstehen, wenn man sich klarmacht, wo nun eigentlich, abgesehen von den Voraussetzungen, der Unterschied in der Anwendung des Art. 48 und der von uns vorgeschlagenen Bestimmungen liegt. Beim Art. 48 der Weimarer Verfassung ist der Reichspräsident Herr des Verfahrens, Herr des Verfahrens so weit, daß er unter Umständen während der Anwendung des Art. 48 gerade mit diesem Art. 48 das Parlament auflöst und nach Hause schickt. Hier ist es ganz anders. Nach unseren Vorschlägen wird der Bundestag der Herr des Verfahrens, erst in zweiter Linie subsidiär der Bundespräsident. Es ist ganz klar, daß der Bundestag hier als Herr des Verfahrens gewählt ist, und damit wird, glaube ich, ein ganz großer Unterschied zu jener früheren Situation markiert.
Was heißt das nun: der Bundestag als Herr des Verfahrens? Das heißt, der Bundestag beschließt einmal über die Verkündung des Ausnahmezustandes, und er ist darüber hinaus jederzeit in der Lage, den Ausnahmezustand und/oder die während dieser Zeit getroffenen Maßnahmen wiederaufzuheben. Das Entscheidende, was man im Auge behalten muß, ist, daß am Anfang und am Ende, sicherlich am Ende dieses Verfahrens tatsächlich der Bundestag steht. Das hält von vornherein die Dinge in einem Rahmen, der alle Bedenklichkeiten, die frühere Bestimmungen ausgelöst haben mögen, auf ein wesentlich geringeres Maß zurückzuführen geeignet ist.
Die Bundesregierung soll im Ausnahmezustand das Recht erhalten, gesetzesvertretende Verordnun-



Bundesminister Dr. Schröder
gen zu erlassen oder — ich kann statt dessen einen
anderen Terminus wählen und mit dem Bundesrat
sagen: Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen.
Das notwendige Ziel all dieser Bestimmungen ist, die Gesetzgebung im Notstandsfall zu vereinfachen und zu beschleunigen. Für die Dauer des Ausnahmezustandes besteht die Möglichkeit, einzelne Grundrechte einzuschränken, im Notfall auch die Streitkräfte einzusetzen.
Ist die Bundesregierung selbst am Handeln gehindert oder sind die Verbindungen von den Ländern her zu ihr unterbrochen, so treten an ihre Stelle in einem bestimmten Umfang die Ministerpräsidenten oder nach ihnen die Regierungspräsidenten, die leitenden Beamten der Landkreise und der kreisfreien Städte. Auf diese Weise ist ein geschlossenes System erdacht, das tatsächlich den verschiedensten Möglichkeiten Rechnung zu tragen geeignet ist.
Das ist der Kern der vorgesehenen Regelung.
Ich möchte nun gleich, da ich zur Frage der Mehrheitsverhältnisse komme, darauf hinweisen, daß sich die vergleichbare Regelung, durch dieses Haus beschlossen, in dem neuen Art. 59 a bei der Feststellung des Verteidigungsfalls findet.
Ich deutete schon die Frage nach den Mehrheitsverhältnissen oder richtiger: nach dem Mehrheitserfordernis für den Beschluß über den Ausnahmezustand an. Dabei ist in der Diskussion — wie sollte es anders sein; immer wenn von Mehrheiten gesprochen wird, wird das so sein — die Frage aufgetaucht, ob man nicht eine größere Mehrheit des Bundestages, etwa eine Zweidrittelmehrheit, wählen müsse.
Die Auffassung der Bundesregierung ist in diesem Fall verneinend. Auf den Art 59 a habe ich bereits hingewiesen. Der entscheidende Grund ist folgender. Nach unserer Meinung müssen sowohl die Verkündung als auch die Aufhebung an das gleiche Mehrheitserfordernis gebunden werden. Es besteht nun gerade ein Interesse daran, die Aufhebung des Notstandes, also die Aufhebung sowohl des ganzen Ausnahmezustandes als auch einzelner Maßnahmen, nur an das Erfordernis einer einfachen Mehrheit zu binden. Ich glaube, wenn man die Sache einmal von daher beleuchtet, wird man gewiß andere Gedanken haben als den, daß eine Zweidrittelmehrheit am Anfang etwa ein geeignetes Instrument sein könnte.
Soll nun — das ist die nächste Frage — die Beschlußfassung über den Ausnahmezustand nur gemeinsam vom Bundestag und Bundesrat erfolgen können? Wie Sie wissen, ist das ein Wunsch des Bundesrates.
Die Antwort muß auch hier verneinend lauten, Auf den Art. 59 a habe ich bereits hingewiesen. Aber die Beteiligung von 11 Landesregierungen via Bundesrat im Ernstfall für die Feststellung des Ausnahmezustandes erscheint praktisch schlechthin ausgeschlossen, wenn das Instrument wirksam sein soll.
Nun ist ein anderer Gedanke aufgekommen, und zwar der, nicht den Bundestag und auch nicht den
Bundesrat, sondern in einem Ersatzfalle überhaupt nur einen neu zu schaffenden Ausschuß zu nehmen, der aus 11 Mitgliedern des Bundestages und 11 Mitgliedern des Bundesrates bestehen sollte. Meine Damen und Herren, so schön und einfach sich eine solche Sache vielleicht auf dem Papier lesen mag, so unbrauchbar ist sie für die Praxis, und wir können deswegen einer solchen Regelung nicht zustimmen.
Die Ausnahmesituation ist die Stunde der Exekutive, weil in diesem Augenblick gehandelt werden muß und in diesem Augenblick nicht mehr die Möglichkeit besteht, etwa — wie dieser Wunsch vorgetragen worden ist — das ganze Verordnungswerk, das unter Umständen binnen weniger Stunden erlassen werden muß, erst komplizierten Beratungen in wenn auch noch so verkleinerten Ausschüssen zu unterbreiten.
Da ich aber ganz sicher bin, daß gerade dieser Punkt eine gewisse Rolle spielen wird — mindestens in den Ausschußberatungen —, möchte ich folgendes sagen: Die Nachprüfung und Aufhebung aller Bestimmungen, sowohl eines verkündeten Ausnahmezustandes als auch aller einzelnen Maßnahmen, ist sowieso Sache des Bundestages. Wenn nun statt des Bundestages ein Ausschuß etwa vorbereitend tätig wird, mag das durchaus möglich sein und ins Auge gefaßt werden können. Jedenfalls ist soviel sicher, daß selbstverständlich die Bundesregierung gerade auch im Ausnahmefall auf engen Kontakt mit dem Bundestag und selbstverständlich auch dem Bundesrat bedacht sein wird.
Ich möchte in diesem Zusammenhang einen zweiten wesentlichen Hinweis geben. Das ist der, daß nach unseren Vorstellungen die Verfassungsgerichtsbarkeit während des Ausnahmezustandes nicht etwa eingeschränkt oder gar aufgehoben, sondern absolut in Kraft bleiben soll, so daß das normale System unserer rechtsstaatlichen Garantien nach wie vor funktionieren soll.
Meine Damen und Herren! Wenn ich nun die Einwände, die ich wenigstens kurz angedeutet habe, zusammenfassend würdige, so komme ich zu dem Ergebnis, daß der Grundriß des Instruments, wie er in unserer Vorlage enthalten ist, uns als unverzichtbar erscheint, wobei wir keineswegs ausschließen wollen, daß gewisse, hier jetzt nicht weiter zu erörternde, Nuancen anders gesetzt werden mögen. Das hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu den Vorschlägen des Bundesrates bereits angedeutet. Aber, meine Damen und Herren — und das ist ein Punkt, über den wir keinen Zweifel aufkommen lassen dürfen —, die Bundesregierung kann nicht zustimmen, daß weiter zum Teil in der Diskussion oder gar in der Praxis so getan wird, als ob... Die Philosophie des Als-Ob, meine Damen und Herren, ist zwar ein deutscher Beitrag zur Geistesgeschichte gewesen. Das Prinzip des Als-Ob eignet sich jedoch nicht, um brauchbare rechtliche Handhaben zu schaffen. Um es in einem Bilde auszudrücken: Eine akute Lungenentzündung — und nur von diesem möglichen Vergleich sprechen wir in erster Linie — wird nicht dadurch bekämpft, daß ein Ärztekongreß nach längeren Vorbereitungen einberufen wird, sondern dadurch, daß der nächst-



Bundesminister Dr. Schröder
erreichbare Arzt, möglichst der Hausarzt, Penicillin verordnet, und zwar sofort.

(Zuruf des Abg. Könen [Düsseldorf].)

— Herr Kollege Könen, es besteht kein Anlaß, Penicillin jetzt gerade in diesem Augenblick zur Anwendung zu bringen. Aber Sie werden mit mir darin übereinstimmen, daß, wenn Sie sich selbst in die Lage des verehrten Kranken versetzen, Ihnen an dem Ärztekongreß, der demnächst, möglichst noch in Düsseldorf, tagen soll, nicht so viel liegen wird wie an dem griffbereiten Hausarzt mit der Penicillinspritze. Denn der wird Ihr Leben retten, und der Ärztekongreß spricht vielleicht nur noch über die Ursachen Ihrer heftigen Erkrankung.
Meine Damen und Herren! Sicher wird in diesem Hause die Frage nach einer qualifizierten Mehrheit für die Verabschiedung der Vorlage sehr schnell in den Vordergrund gerückt werden. Ich spreche darüber ohne jede Polemik, ohne jede Unterstellung und ohne jeden Angriff gegen irgend jemand; ich schildere nur, wie wir die Lage sehen.
Die Bundesregierung hat die von ihr entwickelten Vorschläge niemals einseitig gesehen, sie hat sie niemals als eine Handhabe gerade für diese Regierung gesehen, sondern sie hat sich nur — und das tut sie pflichtgemäß — in die Lage jeder denkbaren künftigen Regierung versetzt, und deshalb sind ihre Vorschläge nicht etwa speziell für die heutige, sondern für jede künftige Regierung geeignet. Deswegen stammt diese Vorlage aus einem wahrhaft überparteilichen Geist, und ich habe die Hoffnung, daß sie in demselben Geist aufgenommen werden wird.

(Zuruf des Abg. Jahn [Marburg].)

— Herr Kollege Jahn, wenn Sie sich bisher noch nicht davon überzeugt haben, dann glaube ich sicher, daß ein vertieftes Studium und eine hinreichende Aussprache darüber — es wird dazu Gelegenheit sein — Sie von diesem wahrhaft überparteilichen Geist überzeugen wird. Leider sind — das muß ich sagen, und Sie selbst geben gerade ein Beispiel dafür — die bisherigen Äußerungen der Opposition enttäuschend. Trotzdem habe ich die Hoffnung, daß die weitere öffentliche Diskussion. des Projekts und die Beratungen in den Ausschüssen uns hier weiterführen und zu diesem überparteilichen Geist bei der Behandlung der Sache kommen lassen werden.
Meine Damen und Herren! Ich habe früher oft genug hervorgehoben, daß die Schaffung von Ergänzungen des Grundgesetzes immer für die Parlamente in ihrer laufenden praktischen Arbeit eine ungeheure Anforderung darstellt. Das ist mir völlig klar; denn es ist eine völlig andere Atmosphäre, die bei dem Verfassungsgesetzgeber herrscht, der sozusagen mehr den idealen Umriß schafft, auf dem sich das Verfassungsleben entwickeln soll, als die, die bei einem Parlament herrscht, das in zahlreichen praktischen Fragen, manchmal von geringerer Bedeutung, in seinen Meinungen notgedrungen geschieden ist. Sich einerseits um ganz konkrete Interessenpunkte streiten zu müssen und dann sozusagen gleichzeitig, im selben Augenblick oder kurz danach, die Höhenlage des Verfassungsgesetzgebers zu besteigen, ist für ein Parlament eine schwierige Aufgabe. Jeder, der sich in diese Situation hineindenkt, wird das zugeben müssen. Trotzdem, meine Damen und Herren, bleibt uns keine andere Wahl, als diese schwierige Aufgabe zu lösen, uns sowohl miteinander auseinanderzusetzen als auch einen Verfassungsgesetzgeber von etwas gehobener Struktur — im Sinne von etwas distanzierter Struktur — darzustellen.
Auf jeden Fall aber — und damit möchte ich meine Betrachtung über diesen Punkt abschließen — hält es die Bundesregierung für ihre Pflicht, ihr Programm für die Bewältigung der Krise vorzulegen und dem deutschen Volk klar zu sagen, welche Handhabe sie braucht, um eine Krise meistern zu können.
Nun einige wenige Bemerkungen zu den beiden anderen Gesetzentwürfen! Beide sind — das hebe ich hervor — einfache Notstandsgesetze. Sie stoßen also nicht auf die gerade zuletzt erörterten Schwierigkeiten. Beide Gesetze dienen ausschließlich den Zwecken der Verteidigung. Sie sollen Vorbereitungen ermöglichen, die im Ernstfall nicht mehr getroffen werden könnten, für die es im Ernstfall einfach zu spät wäre.
Ich darf mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß das Ausland uns hier weit voraus ist. Die meisten Länder der freien Welt haben eine umfassende nationale Gesetzgebung, die den zivilen Verwaltungen die erforderlichen Verteidigungsmaßnahmen erlauben.
Das Notdienstgesetz will für einen möglichen Verteidigungsfall die nichtmilitärischen Dienstleistungen so organisieren, daß Leben und Gesundheit eines möglichst großen Teiles des Volkes gerettet werden können. Das Notdienstgesetz und auf seiner Basis die Helfer werden gebraucht, um vor allem unsere Frauen und Kinder vor den Gefahren moderner Vernichtungswaffen retten zu können.
Der Personalbedarf auf den hier in Betracht kommenden Gebieten ist groß, vor allen Dingen der Bedarf an Ärzten und Pflegepersonal für Krankenhäuser, an Hilfskräften für Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke und zur Aufrechterhaltung des Personen- und Güterverkehrs sowie zur notwendigen Verstärkung des Luftschutzhilfsdienstes.
Man muß sich darüber klar sein, daß selbst die kleineren Länder eine Notdienstpflicht kennen, so Schweden, Norwegen, Finnland, die Niederlande, Portugal, Griechenland und die Türkei, um nur diese zu nennen.

(Zuruf von der SPD: Und die anderen?)

— Ich stelle hier das dar, was mir, verehrte Frau Kollegin, in diesem Zusammenhang vergleichbar und beachtlich erscheint. Deswegen habe ich gerade auf die kleineren Länder verwiesen. Nicht zuletzt habe ich Schweden an die Spitze gesetzt, weil Schweden sich gerade bei Ihnen — möglicherweise bei uns allen — einer ganz besonderen Wertschätzung erfreut; ich dachte, damit vielleicht leichter ein offenes Ohr zu finden.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 124. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 28. September 1960 7179
Bundesminister Dr. Schröder
In erster Linie appellieren wir natürlich an die Freiwilligen. Aber die Zahl der Freiwilligen reicht unter gar keinen Umständen aus — ich könnte darüber nur sehr betrübliche Erfahrungen mitteilen —, und die Freiwilligkeit muß daher durch gesetzliche Möglichkeiten ergänzt werden. Das hat zum Beispiel auch die gute Folge, daß die förmliche Heranziehung von Freiwilligen diesen einen besseren, gesicherten rechtlichen Status gibt. Es wird hier so sein — das zeigen die Erfahrungen, die auf anderen vergleichbaren Gebieten gesammelt werden konnten —, daß in demselben Moment, in dem es eine Dienstpflicht gibt, ein sehr gesunder und nützlicher Stimulus auf die Freiwilligkeit ausgelöst wird. Dafür gibt es andere Beispiele. Ich glaube also, daß das etwas ist, was den praktischen Erfahrungen entspricht.
In diesem Zusammenhang will ich ganz kurz eine sicher etwas empfindliche Frage anschneiden: das ist das Problem der Frauen bei dem Notdienstgesetz. Wir sind uns darüber klar, daß viele der in Betracht kommenden Aufgaben nur von Frauen gelöst werden können. Das gilt ganz besonders auf dem Gebiet der Krankenpflege.
Der Entwurf ist sich dessen vollkommen bewußt, daß es zugunsten der Frauen, vor allen Dingen derjenigen, die Familie und Kinder zu betreuen haben, einer Reihe von Privilegien bedarf. Der Bundesrat hat in einigen Punkten eine Erweiterung vorgeschlagen; darüber wird in den Ausschüssen zu sprechen sein. Ich glaube nicht, daß das entscheidende Schwierigkeiten machen dürfte.
Eine Sache muß man ganz klar unterscheiden. Wir müssen zwischen der Ausbildung von Frauen für die ¡genannten Aufgaben und der Heranziehung von Frauen im Ernstfalle unterscheiden. Da für die Ausbildung natürlich nur ein relativ geringer Teil der Frauen in Betracht kommt, besteht die Möglichkeit weitestgehender Berücksichtigung der Familienverhältnisse und die Möglichkeit einer Rücksichtnahme auf diese. Das Problem der Beanspruchung der Frauen stellt sich also in der Vorbereitungszeit ganz anders als im Ernstfall. Daß für die Ausbildung jüngere unverheiratete Kräfte den Vorrang vor älteren haben, liegt ¡auf der Hand. Ich möchte aber noch einmal hervorheben, daß es sich bei dieser zivilen Dienstpflicht nur um Dienstleistungen nichtmilitärischer Art handelt. Für die Frauen werden hier nach dem Willen der Bundesregierung nur solche Dienstleistungen in Frage kommen, die sich mit idem Wesen und der Würde der Frau vereinbaren lassen.
Lassen Sie mich zu dem Notdienstgesetz zusammenfassend folgendes sagen. Der Kern des Gesetzes in Friedenszeiten sind die Bereithaltungsbescheide und die Heranziehung zu Ausbildungsveranstaltungen. Der Bereithaltungsbescheid erlaubt eine vernünftige Planung. In Friedenszeiten begründet er nichts weiter als die Verpflichtung, einen Wohnsitzwechsel anzuzeigen. Die Heranziehung zu Ausbildungsveranstaltungen beschränkt sich auf 100 Stun. den oder 14 Tage im Jahr. Die genauen Aufgabengebiete werden später durch Rechtsverordnung festgelegt werden.
Meine Damen und Herren, einige ganz wenige Worte zur Änderung des Bundesleistungsgesetzes. Diese Änderung hat das Ziel, den Sachbedarf der öffentlichen Hand im Verteidigungsfalle oder beim drohenden Verteidigungsfall rechtzeitig decken zu können. Auch hier sind uns die verbündeten Staaten mit ihren gesetzgeberischen Maßnahmen zum Teil weit voraus. Das Bundesleistungsgesetz trug bisher dem Umstand, daß Maßnahmen bereits in Friedenszeiten getroffen oder vorbereitet werden müssen, nicht genügend Rechnung.
Als wesentliche Neuerung wird der Bereitstellungsbescheid eingeführt mit dem Ziel, es den öffentlichen Bedarfsträgern zu ermöglichen, ihren Sachbedarf für den Spannungs- und Verteildigungsfall schon in Friedenszeiten sicherzustellen. Dazu sind eine Reihe von Verfahrensänderungen gegenüber dem bisherigen Gesetz nötig, die hier einstweilen unerörtert bleiben können.
Beide Gesetze sind, wie gesagt, einfache Gesetze und stoßen also nicht auf die Schwierigkeiten, die ich bei dem ersten Punkt behandelt habe. Bei diesen beiden genannten Gesetzen unterstützt der Bundesrat die Auffassung der Bundesregierung in allen wesentlichen Punkten. Die Länder wissen, daß sie die notwendigen Vorbereitungsarbeiten für die zivile Verteidigung nur treffen können, wenn die jetzt vorgeschlagenen Bestimmungen tatsächlich Gesetz werden.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir nur ganz wenige kurze Schlußbemerkungen. Diese Vorlagen werden in einem Augenblick größter politischer Spannung behandelt. Wir brauchen keine Gefahren an die Wand zu malen, sondern die Gefahren liegen für jedermann offen. Der Blick auf Berlin in diesem Zusammenhang ist geradezu symbolisch.
Von vielen Seiten sind über die Verteidigung der Freiheit starke, kräftige Erklärungen abgegeben worden. Das gilt ganz besonders auch für die Bedrohung der Freiheit Berlins als des exponiertesten Vorpostens der freien Welt. Viele Erklärungen haben wir darüber gehört, manche sind von unserer Seite abgegeben worden, wie entschlossen und tatkräftig man zur Verteidigung Berlins handeln will oder andere handeln sollten.
Ich habe dabei immer wieder die besorgte Frage gestellt — und jeder verantwortliche Politiker wird es tun müssen —, ob alle diese Erklärungen Schecks mit voller Deckung sind. Was unsere alliierten Freunde angeht, so vertrauen wir auf die Deckung ihrer Schecks und auf ihre Bündniszusage. Darüber will ich kein weiteres Wort in diesem Zusammenhang verlieren.
Was uns aber angeht, so haben wir selbst die Deckung für unsere Schecks beizubringen. Das ist eine ernste, sehr ernste Sache. In diesem Sinne bitte ich das Hohe Haus, an diese Gesetzentwürfe heranzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312415700
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort zur allgemeinen Aussprache erster Lesung erteile, heiße ich eine Delegation des Parlaments von Ghana willkommen, die in diesem Augenblick unser Haus betritt.

(Anhaltender Beifall.)

Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag heißt Sie herzlich willkommen in seinem Haus und freut sich über den Besuch, den uns das ghanaeische Parlament hiermit erweist. Wir danken Ihnen für die Ehre dieses Besuches.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur allgemeinen Aussprache der ersten Lesung. Ich gebe das Wort zunächst dem Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0312415800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens der sozialdemokratischen Fraktion zu dem Gesetzentwurf über die Ergänzung des Grundgesetzes Stellung nehmen. Die Sozialdemokratische Partei und die sozialdemokratische Fraktion haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß die Fragen der Ergänzung des Grundgesetzes Fragen der gesamtpolitischen Verantwortung dieses Hauses sind. Der Bundestag steht heute hier stellvertretend für eine Verfassunggebende Versammlung und muß unter diesem Gesichtspunkt dieses außerordentlich wichtige Gebiet betrachten und behandeln.
Aus dieser allgemeinen Verantwortung heraus entsteht für alle politisch Verantwortlichen die Verpflichtung, die angeschnittenen Fragen ernsthaft zu prüfen, zu prüfen, ob das Grundgesetz, ob die Landesverfassungen, ob die anderen Gesetze ausreichen, um im Falle eines Notstandes mit den notwendigen Mitteln und der notwendigen Schnelligkeit die erforderlichen Abwehrmaßnahmen zu treffen. Diese Verantwortung trifft uns alle gleichermaßen.
Aus dieser Verantwortung heraus betrachten wir auch das Angebot der CDU/CSU-Fraktion Ende des letzten Jahres, mit uns in Gespräche einzutreten, um so, wie es richtig ist, aus dem Parlament heraus zu prüfen, wie man eventuellen Notständen schon von vornherein begegnen könne. Das heißt also, daß sich alle Kräfte dieses Parlaments von vornherein zusammensetzen, um die Fragen zu prüfen, und dann den Mut und den Willen haben, auch die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen.
Wir haben es begrüßt, daß die CDU/CSU-Fraktion offensichtlich gleichen Geistes auf uns zugekommen ist in dem Bewußtsein der Verantwortung des Gesamtparlaments. Störend empfanden wir, daß unmittelbar nach Beginn der Gespräche das Kabinett seinen Gesetzentwurf verabschiedete und daß der Herr Bundesinnenminister offensichtlich meinte, es sei richtig, daß sein Gesetzentwurf sozusagen schon die Unterlage für diese Gespräche bilde. Ich meine, daß eine solche wesentliche Grundgesetzänderung eigentlich nur auf Grund eines Initiativantrags aus diesem Hause zustande kommen darf. Das heißt, wir können das Initiativrecht der Regierung zwar nicht beschränken, wir können es ihr nicht absprechen, aber hier ist es nicht recht am Platze. Die Regierung müßte etwas ganz anderes tun und hätte das in der Vergangenheit schon tun müssen. Daß sie es nicht getan hat, ist ein echtes Versäumnis. Sie hätte die Fraktionen mit Material ausstatten müssen, mit Material — ich nehme doch an, daß im Ministerium eine ganze Sammlung von Fällen vorhanden ist – , aus idem sich nach Meinung des Ministeriums und des Kabinetts der Anlaß zu einer etwaigen Grundgesetzänderung ergebe. Nichts davon ist erfolgt. Bei den recht vorsichtigen Besprechungen mit den Vertretern des Ministeriums hat man uns nicht einmal ein Schriftstück in die Hand gegeben; man hat uns nicht einmal den Gesetzentwurf in die Hand gegeben, so streng geheim hat man ihn behandelt. Man verhandelt mit uns, gibt uns aber keine Schriftstücke in die Hand, geschweige denn die eigentlichen echten Unterlagen, die allein es ermöglichen, die Einzelverhältnisse zu prüfen, die jeden Vernünftigen dazu zwingen müssen zu sagen: Hier muß etwas geschehen. Deshalb hätte man als erstes die eventuellen Tatbestände sammeln und sie den Fraktionen zuleiten müssen.
Aber ich darf gleich unseren Antrag ankündigen, den ich nachher noch im einzelnen begründen werde. Wir sind der Auffassung — ich deutete es schon an —, daß die Initiative zu einer eventuell notwendigen Änderung des Grundgesetzes aus diesem Hause kommen muß und daß die Ausschüsse dafür nicht die geeigneten Plätze sind.
Kommen wir zu der Feststellung, daß es Situationen gibt, denen nicht ,ernsthaft und nicht schnell genug begegnet werden kann, dann müssen wir, unserem Prinzip der geschriebenen Verfassung und dem rechtsstaatlichen Prinzip gemäß, auch den Mut haben, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, um — ich spreche von der Verfassungsänderung, nicht von der gegenwärtigen Regierung —, keine Regierung in die Situation zu vernetzen, daß sie aus sogenanntem übergesetzlichem Notstand, geradezu aus Pflichtbewußtsein heraus Rechte für sich in Anspruch nehmen muß, um den Bestand der Bundesrepublik zu sichern. Das sind wir willens zu tun, wenn wir bei ,der Prüfung der Verhältnisse zu der Feststellung kommen, daß eis Tatbestände gibt, die eine Änderung des Grundgesetzes notwendig machen.
Der Herr Bundesinnenminister hat in seiner Begründung noch einmal auf dien Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages verwiesen. Ich bin etwas überrascht, daß es das getan hat. Aber ich freue mich, daß ich da ganz einig mit ihm bin. Der Art. 5 Abs. 2 ist vielleicht ein Anlaß, .die Dinge zu prüfen, aber er dürfte nicht der entscheidende Anlaß sein. Vielmehr müssen wir ,es tun — mit oder ohne den Art. 5 —, wenn wir zu der Feststellung kommen, daß es notwendig ist.
Noch eine Bemerkung zu diesem Art. 5. Darüber sollte kein Zweifel bestehen, daß sich die Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 nur auf den sogenannten äußeren Notstand, ja sogar nur auf den Verteidigungsfall beschränkt. Unser hochverehrter Herr Kollege Dr. Furler hat damals Ausführungen dazu gemacht und festgestellt:



Dr. Schäfer
Es wird aber von den drei Mächten nur verlangt, diese Vollmacht für Fälle zu geben, in denen die öffentliche Ordnung und Sicherheit und ,damit die Sicherheit der ausländischen Streitkräfte auf Grund eines Angriffs oder einer äußeren Bedrohung der Bundesrepublik gefährdet ist.
Der Herr Bundeskanzler selbst hat in der 61. Sitzung des 2, Bundestages dazu ausgeführt:
Um allen Mißverständnissen zu begegnen, stellt die Bundesregierung ausdrücklich fest, daß sie nicht die Einführung einer fast unbeschränkten Gewalt nach dem Muster des Art. 48 der Weimarer Verfassung beabsichtigt.
Er fährt nachher fort:
Es handelt sich demgemäß in erster Linie um Vollmachten für den Fall einer Bedrohung der Bundesrepublik von außen oder eines Angriffs auf die Bundesrepublik.
Das zur Klarstellung darüber, daß der Art. 5 nur insoweit eine Verpflichtung enthält, ,die Fragen des äußeren Notstands zu regeln.
Wenn man an die Neufassung einer Verfassungsbestimmung herangeht, hat der Verfassungsgesetzgeber selbstverständlich nicht nur die Pflicht, zu prüfen, was für Vollmachten gegeben werden müssen, sondern er hat auch die Pflicht, zu prüfen, was für Mißbrauch damit getrieben werden kann. Wir würden viele Bestimmungen nicht brauchen, wenn wir bei der Aufstellung der Verfassung von vornherein davon ausgingen: Na ja, die Behörden werden es schon recht machen. Nein, es handelt sich um Verfassungsgarantien, und nur mit dem entsprechenden Mißtrauen darf und muß man an diese Dinge herangehen.
Den Anschauungsunterricht in dieser Hinsicht gibt die Bundesregierung, die von Zeit zu Zeit Dinge tut — jetzt zum Beispiel beim Fernsehstreit

(Beifall bei der SPD)

unter Führung des Bundeskanzlers und, man muß schon sagen, unter Mittäterschaft des Herrn Justizministers sowie unter Assistenz des Verfassungsministers —, die man nicht billigen kann.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP. — Zuruf von der CDU/CSU: Die Sie nicht billigen!)

Es geht hier um die Verteidigung des demokratischen Staates, es geht um die Verteidigung der demokratischen Grundordnung. Da sind wir der Auffassung, daß man nicht in Erwägung ziehen darf, Mittel zu wählen, die mit der Verfassung nicht im Einklang stehen. Man kann die Verfassung und die Freiheit nicht dadurch verteidigen, daß man die Freiheit unterjocht. Man kann sie nicht dadurch verteidigen, daß man Mittel wählt, die mit der Verfassung nicht vereinbar sind.

(Zustimmung bei der SPD.)

Wir meinen also, daß die Regelung, wenn wir zu
der Feststellung kommen, daß eine solche notwendig
ist, innerhalb des Rahmens gesucht werden muß,
den unser Grundgesetz uns als rechtsstaatliche Grundordnung gesetzt hat.
Man muß, auch wenn man den Entwurf als indiskutabel ablehnt, doch auf einige grundsätzliche Überlegungen eingehen, die in dem Entwurf ihren Niederschlag gefunden haben. Da ist zunächst gesagt — ich darf es zusammenfassen —: Wenn die Polizeikräfte nicht ausreichen, um die demokratische Grundordnung zu garantieren, kann der Bundestag den Ausnahmezustand beschließen. Eine etwas gewagte und gefährliche Argumentation, denn das heißt nichts anderes, als: Wenn die Exekutive nicht in der Lage ist, die Grundordnung zu garantieren, dann muß die Bundesregierung soviel Rechte bekommen, wie sie nachher für sich global in Anspruch nimmt. Dieser Argumentation können wir nicht folgen.
Die Bundesregierung nimmt hier Rechte für sich in Anspruch — ich brauche sie nicht im einzelnen aufzuzählen —, die weit über die Rechte des Art. 48 hinausgehen. Der Herr Bundesinnenminister hat einige Ausführungen zum Art. 48 gemacht. Ich glaube, diese Ausführungen sind ergänzungsbedürftig.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Man muß immer darauf hinweisen, daß auf Grund des Art. 48 der Staatsstreich vom Juli 1932 durchgeführt wurde und daß auf Grund des Art. 48 die berüchtigte Notverordnung vom 28. Februar 1933 möglich war, die zur Einrichtung der Konzentrationslager und zu all den Freiheitsbeschränkungen über die ganze Zeit hinweg geführt hat.

(Beifall bei der SPD.)

Aber der Art. 48 hat auch — und das müssen wir uns als Parlament sagen — eine ganz gefährliche andere Wirkung gehabt, und deshalb hat man seine Regelung im Parlamentarischen Rat bewußt nicht übernommen. Man wollte nicht dem Parlament einen Fluchtweg offenlassen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Das Parlament hat sich zu seiner Verpflichtung zu bekennen, das Parlament darf vor seiner Verpflichtung nicht ausweichen. Es darf sich nicht in die Anonymität flüchten und sagen: Die Regierung, der Herr Reichspräsident, der Herr Bundespräsident, sie werden es schon machen, und nachher sehen wir dann weiter. — Nein, das wollte man bewußt nicht! In Art. 111 des Herrenchiemseer Entwurfs war eine solche Regelung vorgesehen. Der Parlamentarische Rat hat diese Notstandsregelung einstimmig, also mit ,den Stimmen der CDU-Abgeordneten, gestrichen, ausgehend von dem dominierenden Gesichtspunkt, daß das Parlament sich zu seiner Aufgabe zu bekennen hat, da ,die schlechten Erfahrungen mit dem Art. 48 schrecken.
Deshalb darf es keinen neuen Art. 48 geben. Der Herr Bundeskanzler hat ja — ich habe es vorhin zitiert — die gleiche Auffassung vertreten: er wolle nicht einen neuen Art. 48. Ich nehme deshalb an, daß die Bundesregierung und die CDU bereit sind, uns auf diesem Wege zu folgen.

(Abg. Dr. Kanka: Wir sind Ihnen schon vorangegangen!)




Dr. Schäfer
Man spricht vorn inneren Notstand und vom äußeren Notstand. Ein paar Worte zum inneren Notstand! Die Situation 1920 und in den folgenden Jahren und die Situation heute sind vollkommen verschieden. Nach 1920 hatten wir ein Volk, das sehr viele Waffen im Besitz hatte. Wir hatten paramilitärische Verbände, wir hatten eine latente Bürgerkriegssituation. Das haben wir heute nicht. Ja, dieses Parlament hat auch Vorsorge getroffen, daß man Staatsfeinden rechtzeitig entgegentreten kann. Man hat vor nahezu 10 Jahren die dritte Strafrechtsnovelle geschaffen, ein sehr beachtliches Instrument, das die Grenze der Strafbarkeit sehr weit, beinahe bis an die Grenze des Verantwortlichen, vorverlagert. Man hat Verfassungsschutzämter geschaffen. Ich glaube, es ist hier auch einmal der Platz, dem Herrn Generalbundesanwalt in Karlsruhe, den ihm nachgeordneten Organen und all denjenigen, die sich mit dem Schutz unserer Grundordnung befassen, Dank und Anerkennung zu sagen für die sehr tüchtige und gute Arbeit, die sie geleistet haben.

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

Sicher, es gibt da und dort im Verfassungsschutz und anderenorts Auswüchse, Erscheinungen, die uns nicht gefallen. Aber ich ,darf Ihnen sagen: Die Beamten, die in diesen Institutionen beschäftigt sind, freuen sich über eine sehr strenge Wachsamkeit des Parlaments, weil sie sich damit selber in der Wichtigkeit ihrer Aufgabe und der Richtigkeit der Durchführung bestätigt fühlen.

(Beifall bei der SPD.)

Der hier vorliegende Entwurf geht davon aus, daß die Polizei eventuell zu schwach wäre. Der Herr Bundesinnenminister hat seinerseits wiederholt festgestellt, daß die Polizei zu schwach ist. Wir haben es auch festgestellt. Nur haben wir daraus die Folgerungen gezogen, und wir stellten von diesem Platz aus den Antrag, den Bundesinnenminister in die Lage zu versetzen, die entsprechende Verstärkung der Polizei auf dem möglichen Wege zu erreichen. Der Herr Bundesinnenminister hat von diesem Platz aus dagegen gesprochen. Das stimmt doch einigermaßen verdächtig, nicht wahr? Da wird man doch hellhörig! Wir wollen ihm das Instrument geben, um einer möglichen Gefahr entgegenzuwirken, und er will nicht. Da muß man sich schon fragen: Warum will man denn nicht? Geht es doch vielleicht nicht um eine allgemeine Regelung? Geht es doch vielleicht nicht um die Behebung möglicher Notstände?
Ich muß hier eine Begebenheit aus dem Innenausschuß erzählen. Der Herr Innenminister wurde gefragt, was er denn unter ,,innerem Notstand" verstehe. Er wußte nur eines anzuführen. Er sagte — ungefähr — wörtlich: Dann lesen Sie doch einmal die Rede, die der Vorsitzende der IG-Metall vor einigen Tagen gehalten hat. Dann wissen Sie, was wir darunter verstehen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Herr Bundesinnenminister und meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie werden mit mir einig sein, daß Sie nie das Einverständnis der Sozialdemokratie auf einem solchen Weg, zu einer solchen Regelung finden werden.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Man muß hier ein Wort zu den Gewerkschaften sagen. Es gehört zu dem Wesen eines demokratischen Staates, daß die politischen und geistigen Kräfte in ständiger Auseinandersetzung begriffen sind. Das ist das Wesen eines demokratischen Staates. Es gehört genauso dazu, daß die freien Sozialpartner — wir legen Wert darauf, daß es freie Sozialpartner sind — sich in ständigen Auseinandersetzungen um den entsprechenden Anteil am Sozialprodukt befinden. Im zitierten Falle hat der Vorsitzende einer Gewerkschaft in seiner Rede den höheren Anteil gefordert. Er hat seine Bereitschaft erklärt, dafür auch mit den zulässigen Mitteln des Arbeitskampfes zu streiten. Er nimmt damit ein Recht für sich in Anspruch, das ihm die Verfassung garantiert. Daraus kann kein Notstand konstruiert werden.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, sprechen wir von den Gewerkschaften im ganzen. Nennen Sie uns doch einmal einen Fall aus den letzten 40 Jahren, wo die Gewerkschaften irgendwo auch nur den Verdacht hätten aufkommen lassen, daß sie nicht willens seien, unsere demokratische Grundordnung zu stützen und mit zu verteidigen. Sie sind doch eines der stärksten Bollwerke, das wir überhaupt haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Wer wäre denn in der Lage, unblutig einen eventuellen Putsch niederzuschlagen? Doch nur die Gewerkschaften und sonst gar niemand.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Deshalb, Herr Innenminister, darf man sie doch nicht zum selbstverständlichen, zum möglichen Gegner einer Notstandsregelung stempeln, sondern man muß sie umgekehrt geradezu als die Bollwerke, als die Mitverantwortlichen für diese Grundordnung behandeln.

(Beifall bei der SPD.)

Die Gewerkschaften haben dem auch Rechnung getragen. Sie haben in ihren Bestimmungen über Arbeitskämpfe ausdrücklich in den §§ 6 und 7 von jeher die Bestimmung aufgenommen, ehe diese Fragen hier zur Debatte standen, daß angeordnete Notstandsmaßnahmen ohne Rücksicht auf den Streit durchgeführt werden müssen. Meine Damen und Herren, da schiene es mir schon richtiger, mit den Gewerkschaften über diese Dinge zu sprechen und in ihnen nicht von vornherein die Hauptgegner in einem inneren Notstand zu sehen.
Ich habe aber den Eindruck, daß der Herr Innenminister, der sich um einen überparteilichen Geist bemüht — ich will anerkennen, daß er sich darum bemüht —, hier doch wieder zurückverfällt und seiner alten Einstellung getreu alle diejenigen, die nicht ganz genau so in seinem Trott und nach seinem Konzept marschieren, als Gegner, ja beinahe schon von vornherein als Staatsfreinde betrachtet.

(Sehr richtig! bei der SPD.)




Dr. Schäfer
Man muß hier auch ein Wort zum Bundesverfassungsgericht sagen. Der Herr Bundesinnenminister hat dazu angeführt, was er für nötig hielte. Aber das reicht meines Erachtens nicht. Das Bundesverfassungsgericht müßte in einer eventuellen Regelung nicht nur als Gericht, sondern in seiner Funktionsfähigkeit garantiert sein. Das bedeutet, daß die Gesetze, die Antragstellung und Verfahren regeln, auf jeden Fall garantiert werden müssen. Auch die personelle Besetzung muß garantiert werden. Wir haben da z. B. im italienischen Recht Vorgänge; von dort könnte man sich wirklich einige Beispiele holen.
Der Entwurf verstößt gegen Grundsätze unseres Grundgesetzes, ausgerechnet gegen solche, die nach Art. 79 Abs. 3 unabänderlich sind; Art. 79 Abs. 3 besagt:
Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.
In Art. 20 ist der Grundsatz der Gewaltenteilung festgelegt. Es ist eine sonderbare Argumentation, zu sagen: Das wollen wir ja auch gar nicht berühren, aber um es zu garantieren, müssen wir es außer Kraft setzen. Dieser wirklich sonderbaren Argumentation können wir nicht folgen.
Es ist doch sehr beachtlich, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daß im Rechts- und im Innenausschuß des Bundesrates auch Ihre Länderminister der gleichen Auffassung waren, wie wir sie vertreten. Ich darf aus dem Bericht des Berichterstatters wörtlich zitieren:
Die verfassungsrechtlichen, aber auch die verfassungspolitischen Bedenken gegen die Gesamtkonzeption wie gegen die Einzelbestimmungen des Entwurfs erschienen der Mehrheit des Rechtsausschusses
— auch der des Innenausschusses —
als so schwerwiegend, daß sie glaubte, den Regierungsentwurf als Ganzes ablehnen zu müssen.
Wir meinen dasselbe und gehen mit dem Bundesrat den gleichen Weg. Dieser Entwurf ist nicht einmal eine Diskussionsgrundlage, die dazu dienen könnte, in den Ausschüssen darüber zu diskutieren und zu Gegenvorschlägen zu kommen. Er ist in seinem ganzen Aufbau falsch. Er ist falsch, weil er der Exekutive das Recht der Gesetzgebung geben will.
Der Herr Bundesinnenminister sagte vorhin: Die Ausnahmesituation ist die Stunde der Exekutive. Meine Damen und Herren, das ist in dieser allgemeinen Formulierung nicht richtig. Die Ausnahmesituation ist ganz genauso die Stunde dieses Parlaments; es hat sie vorherzusehen und muß den Mut haben, das Entsprechende zu beschließen.

(Beifall bei der SPD und FDP.)

Ich habe den Eindruck, da kommt bei dem Herrn Bundesinnenminister wieder die grundsätzliche Einstellung zum Vorschein. Er lebt geistig in der Zeit, in der er geboren wurde, nähmlich im Jahre 1910:

(Heiterkeit)

im Zweifel ist immer der Monarch zuständig.

(Beifall bei der SPD und Heiterkeit.)

Herr Bundesinnenminister: Nur sind an die Stelle des Monarchen der Herr Bundeskanzler und Sie getreten.

(Erneute Heiterkeit bei der SPD.)

So ist es offensichtlich nach Ihrer Gesamtkonzeption. Denn im Zweifel sind Sie zuständig. Sie selber sagen, der Bundestag solle Herr sein. — Auf dem Papier, aber doch nicht de facto nach Ihrem Entwurf! Im Endergebnis meinen Sie, daß in einer solchen Situation der Souverän entscheidet, nämlich Sie, so wie Sie es sich vorstellen. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt. Sie sind befangen in den Vorstellungen des Gottesgnadentums, daß Sie sich als die letztlich verantwortliche und zuständige Instanz fühlen. In einer echten Demokratie ist das Parlament die letzte verantwortliche Instanz und muß sich dazu bekennen.

(Beifall bei der SPD.)

Nach dem Aufbau unserer Bundesrepublik sind die Länder gleichermaßen zu beteiligen. Wir meinen, dem könnte man — das stünde im Einklang mit der Verfassung —, wenn man zu einer Notstandsregelung kommt, dadurch Rechnung tragen, daß man etwa ein Notparlament in der Größe des Vermittlungsausschusses schafft. Die Länder wären beteiligt — Sie kennen diese Gedankengänge —, es wäre ein Gremium von ungefähr 22 Leuten mit einem Reservoir von 500 Leuten. Oder meinen Sie vielleicht, man bekomme die 22 Leute nicht zusammen? Die bekommt man so sicher zusammen wie ein Kabinett.
Wir meinen nun sehr ernsthaft: Wenn eine solche Stunde kommt, darf auch nach außen hin nicht irgendwie der Eindruck entstehen, es sei Sache einer zufälligen Mehrheit in diesem Hause, diese Bundesrepublik zu verteidigen. Das ist vielmehr die Sache aller. Deshalb glauben wir, daß man eine Zweidrittelmehrheit braucht. Man braucht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Zweidrittelmehrheit; denn man kann doch nicht mit einfacher Mehrheit einer Regierung mehr Rechte geben, als dieses Parlament auf Grund der Verfassung für sich selber in Anspruch nehmen darf. Man kann der Regierung doch nicht mit einfacher Mehrheit das Recht geben, später Grundrechte außer Kraft zu setzen. Das bedarf nach der Verfassung einfach der Zweidrittelmehrheit. Die Regelung ist in der Konstruktion falsch.
Zu den Grundrechten eine sehr ernste Bemerkung. So geht es nicht, meine Damen und Herren, daß man wesentliche rechtsstaatliche Garantien aufhebt, sie mit einer Scheindeklarierung versieht, so nebenbei den Art. 104 Abs. 2 und 3 aufhebt und dann allerdings sagt, eine richterliche Überprüfung müsse erfolgen. Das Wesen der rechtsstaatlichen Garantie bei der Freiheitsentziehung besteht doch darin, daß eine Freiheitsentziehung über den nächstfolgenden



Dr. Schäfer
Tag hinaus überhaupt nicht ohne richterliche Entscheidung erfolgen darf. Ob in zwei oder drei Monaten eine Nachprüfung erfolgt, ist nicht das Entscheidende; das Entscheidende ist, ob der Betreffende überhaupt über die nächstfolgende Nacht hinweg der Freiheit beraubt werden darf. Solche Dinge stimmen uns sehr ernst und machen uns bedenklich. Sie sagten vorhin, Herr Bundesinnenminister, der Bundestag sei der Herr — ja, Sie sagten „der Herr"; das liegt Ihnen offensichtlich — des Verfahrens. Ich darf auf Abs. 2 hinweisen. Dort heißt es:
Stehen der Beschlußfassung des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegen, so kann bei Gefahr in Verzug der Bundespräsident mit Gegenzeichnung des Bundeskanzlers den Ausnahmezustand anordnen und verkünden.
Ich darf auf Ausführungen des Herrn Hessischen Ministerpräsidenten hinweisen, die er im Bundesrat gemacht hat. Der Herr Bundesinnenminister hat dem nicht widersprochen. Es steht im Entwurf nicht: „Stehen dem Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegen", so wie in Art. 59a, sondern es heißt hier: „stehen der Beschlußfassung ...". Das heißt, auch wenn dieser Bundestag nicht beschließen will, ja sogar, wenn er ablehnt — der Herr Bundesinnenminister hat dem nicht widersprochen! —, kann die Regierung unter Mitzeichnung des Bundespräsidenten den Ausnahmezustand verkünden.
Will man denn dem Bundespräsidenten so viel Widerstandskraft zumuten und so viel Widerstandsfähigkeit gegen eine Regierung, die entschlossen ist, einen scheinlegalen Staatsstreich zu machen? Nein, da ist der Bundespräsident überfordert, das ist nicht seines Amtes, das schafft er nicht. Das wäre gar nichts anderes, als sich mit einer Scheinlegalität, die nur mit dem berüchtigten Ermächtigungsgesetz vom März 1933 zu vergleichen ist,

(Sehr wahr! bei der SPD)

Vollmachten geben zu lassen, mit denen man dann so wirtschaftet, wie man es in der Einzelsituation gerade für richtig hält. Damit können wir uns nie einverstanden erklären.
Zudem, meine Damen und Herren, sind hier ganz allgemeine Vollmachten vorgesehen. Es ist nicht einmal umrissen, welche Vollmachten. Wenn man eine solche Entscheidung trifft, muß doch in den Vollmachten von vornherein das Ziel genannt sein. Sogar die sehr autoritäre Verfassung des Herrn Präsidenten de Gaulle von 1958 sieht in ihrem Art. 16 eine Zweckbindung vor. Dort heißt es:
Diese Maßnahmen müssen von dem Willen durchdrungen sein, den verfassungsmäßigen öffentlichen Gewalten in kürzester Frist die Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu verschaffen. Dabei ist der Verfassungsrat anzuhören.
Und vorher heißt es, daß nicht der Präsident, nicht die Regierung ermächtigt sind, sondern daß der Verfassungsrat — also in der Art, wie ich es vorhin zu erwägen gab —, ein neues Gremium diese Maßnahmen eventuell beschließt, die ,die Regierung
ausführt, und nicht umgekehrt. Während der ganzen Zeit —auch das muß klargestellt werden —sind die Rechte dieses Hauses unbegrenzt zu erhalten. Es ist festzuhalten, daß der Bundestag und der Bundesrat mit dem erstmöglichen Termin wiederum zusammentreten müssen.
Die Maßnahmen dürfen auch nicht Dauercharakter haben. Hier ist vorgesehen, daß der Bundestag sie aufheben kann. Nein, sie müssen zweckgebunden, zielgebunden ,auf die Wiederherstellung des Normalzustands gerichtet sein und dürfen nur weitergelten, wenn dieser Bundestag sie bestätigt. Andernfalls müssen sie automatisch außer Kraft treten.
Wir meinen also, daß dieser Entwurf keine Diskussionsgrundlage gibt. Ich glaube, daß ich einige Punkte angeführt habe, die geeignet wären, uns in 'der Untersuchung und Prüfung dieser Materie weiterzuführen.
Ich will noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, der mit der Notstandsgesetzgebung in unmittelbarem Zusammenhang steht, die Frage der Regelung der Spannungszeit. In einigen anderen Gesetzen taucht dieser Begriff nunmehr auf und gibt, wenn die Spannungszeit festgestellt wird, der Regierung mehr Macht, dem betroffenen Bürger mehr Verpflichtungen. Spannungszeit festzustellen ist eine hochpolitische Angelegenheit, die nur mit Mobilmachung der früheren Zeit und der ganzen Gefahr der Kettenreaktion, die damit verbunden ist, zu vergleichen ist.
Wir meinen also, die Regierung ist nicht die richtige Stelle, das Eintreten der Spannungszeit festzustellen; denn — ich sage das ohne jeden Schuldvorwurf; es ist ja niemand konkret damit angesprochen — wenn die Bemühungen einer Regierung nicht dazu geführt haben, eine Entspannung zu erreichen — ,das ist doch das Ziel; keine Regierung will doch die Spannung, keine Regierung will doch den Verteidigungsfall —, sie also selbst nicht erfolgreich war, dann ist es von ihr zuviel verlangt, daß sie selber in sich die eventuelle Schuld sucht. Dann ist es am besten, wenn sich ein anderes Gremium, das nicht mit den seitherigen Maßnahmen belastet ist, noch einmal dazwischenschiebt. Wir meinen also, daß man idas mit in Betracht ziehen muß, daß bei einer zukünftig eventuell notwendig werdenden Notstandsregelung auch diese Frage mit geregelt werden muß.
Weiter: der Entwurf geht so schön theoretisch davon aus, daß die Zentrale, die Bundesregierung aktionsfähig ist. Natürlich, sie sieht auch vor, daß vielleicht die Nachrichtenübermittlung gestört ist.
Ich glaube, das ist sehr optimistisch gesehen. Vielleicht muß man erwägen — ich sage nur erwägen —,. alle diese Maßnahmen umgekehrt aufzubauen, auf den Ländern aufzubauen, ja vielleicht auf den unteren Verwaltungsbehörden; denn die bleiben in der Großzahl am ehesten aktionsfähig, und sie alle auszuschalten ist doch viel schwerer, als eine Zentrale auszuschalten. Wir halten es für unzweckmäßig, nur der Zentrale, solange sie aktionsfähig ist, die gesamte Kompetenz zu

Dr. Schäfer
geben. Aber man darf dann Jauch nicht, wie der Entwurf idas tut, den Ministerpräsidenten schlechthin eine Generalvollmacht in Aussicht stellen; denn auch für sie gilt die gleiche Begrenzung, die ich vorhin schon angeführt habe.
Unter diesen Gesichtspunkten stellen wir folgenden Antrag:
Gemäß § 30 Abs. 2 der Geschäftsordnung wind die erste Lesung des Gesetzentwurfs zur Ergänzung des Grundgesetzes — Drucksache 1800 — unterbrochen und vertagt, damit die interfraktionellen Gespräche wieder aufgenommen und alsbald durchgeführt werden können, um eine gemeinsame Grundlage für eine Verfassungsgesetzgebung zu suchen.
Vor wenigen Tagen las ich in der „Welt", daß der CDU-Bundesvorstand beschlossen hat, wieder Gespräche mit uns aufzunehmen. Wir haben uns aufrichtig darüber gefreut, auch wenn wir noch kein offizielles Angebot darüber haben. Wir haben den Eindruck, daß Sie offensichtlich die Dinge genauso beurteilen. Dieses Haus hier ist der zuständige Platz. Die Fraktionen, die politischen Kräfte sind die zuständige und richtige Stelle, um die Fragen zu prüfen und dann im Wege einer Initiative das Haus wieder damit zu befassen. Meine Damen und Herren, es liegt an Ihnen, ja zu sagen zu einer echten, gedeihlichen Arbeit und zur Prüfung dieser Fragen. Ich darf Sie darum bitten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312415900
Ich nehme an, daß dieser Antrag nicht sofort zur Abstimmung gestellt werden soll, sondern erst nach Schluß der Beratung? — Einverständnis!
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312416000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, die kommenden Diskussionsredner in ihrer Entfaltungsmöglichkeit zu behindern. Ich möchte nur zwei Dinge sagen, die, wie mir scheint, schon in diesem Augenblick gesagt werden sollten.
Ich meine, daß wir uns noch nicht im Ausnahmezustand befinden und daß es deswegen richtig ist, daß diese Gesetzgebungsvolage den im Grundgesetz vorgeschriebenen Verlauf nimmt.
Der Herr Kollege hat zu meiner großen Überraschung, ich sage: zu meiner großen Überraschung mit großer Zustimmung den Staatspräsidenten General de Gaulle und die von ihm, wie soll ich sagen, mit geschaffene Verfassung vom September 1958 zitiert. Er hat höchst unvollständig vorgelesen. Ich werde den ganzen Artikel vorlesen und knüpfe daran die Frage, ob die Fraktion der Sozialdemokraten bereit ist, einem solchen Artikel wie dem Artikel 16 zuzustimmen.

(Zurufe von der SPD.)

— Bitte, lesen Sie nach, was der Herr Kollege gesagt hat! — Die Bundesregierung hat sich mit dieser
Frage noch nicht beschäftigt. Ich darf für meinen
Teil sagen, daß es in dieser Bestimmung Ausgezeichnetes gibt. Ich werde sie Ihnen jetzt vorlesen:
Artikel 16
Wenn die Einrichtungen der Republik, die Unabhängigkeit der Nation, die Integrität ihres Staatsgebietes oder die Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen schwer und unmittelbar bedroht sind und die ordentliche Ausübung der öffentlichen Gewalt unterbrochen ist, ergreift der Präsident der Republik nach förmlicher Beratung mit dem Premierminister und den Präsidenten der Versammlungen sowie des Verfassungsrates die diesen Umständen nach erforderlichen Maßnahmen. Er gibt sie der Nation in einer Botschaft bekannt. Diese Maßnahmen müssen von dem Willen bestimmt sein, der öffentlichen Gewalt in kürzester Frist die Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu verschaffen. Dabei ist der Verfassungsrat anzuhören. Das Parlament tritt rechtmäßig zusammen. Die Nationalversammlung kann während der Ausübung der außerordentlichen Vollmachen nicht aufgelöst werden.
Meine Damen und Herren, über die Einführung solcher Bestimmungen läßt sich sprechen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312416100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kanka.

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0312416200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem in diesen Tagen erschienenen Buch, in dem deutsche Schriftsteller ihre Meinung über unsere Bundesrepublik niedergelegt haben, steht der Satz: „Ein Notstandsgesetz mit allen Schrecklichkeiten der Diktatur wird erwogen", und dann kommt ,die Frage: „Für welchen Notstand?"
Ich zitiere diese Sätze, weil sie, wie übrigens sehr viele andere Sätze in diesem Buch, besonders klar erkennen lassen, wie ahnungslos so mancher ist, der zur geistigen Elite unserer Nation gezählt wird, und wie leicht er trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Ahnungslosigkeit Aussagen über Probleme macht, von deren guter Lösung 'die Existenz unseres Volkes, mindestens aber auf lange Zeit unsere Freiheit abhängen kann. Leicht machen sich solche Herren die Arbeit, und sie fügen so der Ahnungslosigkeit noch die Verantwortungslosigkeit hinzu. W i r dürfen es uns nicht so leicht machen, und ich meine, wir sollten in dieser Aussprache nicht nur jener politisch unbehausten Elite, sondern vor allem unserem Volke, den Männern und Frauen, die friedlich in ihren Wohnungen leben, klar und deutlich sagen. worum es geht.
Dabei können wir sogar die Hoffnung hegen, daß unsere normalen - im guten Sinne des Wortes normalen - Staatsbürger mehr Verständnis für das Anliegen, um das es geht, haben als so mancher aus der gar nicht so normalen Elite. In diesem Zusammenhang möchte ich sogar einem Satz beipflichten, den Herr Professor Forsthoff in seine von dem Herrn Bundesinnenminister zitierten und in erschreckender Weise bedenklichen Ausführungen aufgenommen hat, den Satz: „Vielleicht ist die An-



Dr. Kanka
nahme erlaubt, daß sich der Staatsbürger der Bundesrepublik in höherem Maße logisch und systemrichtig verhält, als man ihm allgemein zutraut."
Fünf Thesen möchte ich meinen Ausführungen voranstellen, um sie dann in der Folge zum Teil näher zu begründen.
Erstens: Unser Grundgesetz enthält, was mögliche Notstände angeht, eine empfindliche Lücke.

(Abg. Jahn [Marburg] : Wird gar nicht bestritten!)

Da sind wir ganz anderer Meinung als der Herr Schäfer.
Zweitens: Es ist gerade ein rechtsstaatliches Anliegen, daß diese Lücke schleunigst geschlossen wird.
Drittens: Die Stunde für diese Arbeit ist günstig. Es ist aber auch an der Zeit — höchste Zeit —, mit ihr zu beginnen.
Viertens: Die Arbeit ist nicht leicht, weil wir uns von den Tatbeständen, die mit Hilfe der im Entwurf vorgelegten Gesetze bewältigt werden sollen, nur mehr oder weniger undeutliche Vorstellungen machen können.
Bei dem, was wir vorhaben, dürfen wir uns vom Vergangenen nicht abschrecken lassen; wir müssen uns vielmehr von dem Vergangenen belehren lassen; und wenn wir das tun, dann wird ein Vergleich zwischen dem Artikel 48 Absatz 2 der Reichsverfassung von 1919 und dem Artikel 115 a der Vorlage uns diesen Artikel 115 a als eine wohlabgewogene gesetzliche Bestimmung erscheinen lassen.
Fünftens: Wir müssen all unser Nachdenken über das Thema des möglichen Notstandes und seiner Bewältigung unter die Einsicht stellen, daß eine noch so gute gesetzliche Regelung, so wünschenswert sie ist, immer nur einen Auftrag enthalten kann, daß dessen Gelingen aber von den Menschen abhängt, die ,das Gesetz anzuwenden haben werden.
Im Blick darauf müssen wir den goldenen Mittelweg suchen zwischen allzu großem Vertrauen und allzu großem Mißtrauen. Denn ohne gesundes Mißtrauen, das mit wohldosiertem Vertrauen gepaart ist, kommt man im Leben und gerade im politischen Leben einer freiheitlichen Demokratie einfach nicht aus.
Die erste These von der Lückenhaftigkeit des Grundgesetzes, was das Not- oder Ausnahmezustandsrecht angeht, wird nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch von der Mehrheit des Bundesrates vertreten. Außerdem pflichten ihr zahlreiche Theoretiker und Praktiker unseres Verfassungsrechts bei. von denen ich nur den Mainzer Professor Schneider und den Stellvertretenden Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Dr. Katz, nennen will. Wir kommen aber auch selbst dahinter, wenn wir uns einmal vorzustellen versuchen, welche Notstände über unser Volk kommen könnten, und wenn wir danach ins Grundgesetz hineinschauen. Dazu brauchen wir kein Material aus dem Bundesinnenministerium; dazu brauchen wir nur in unsere spannungsgeladene Zeit mit den
Möglichkeiten, die im Schoß der Zukunft liegen, hineinzuschauen.
Stellen Sie sich, meine Damen und Herren, nur vor, den Herren im Kreml gelänge es, in den nächsten Jahren unsere Verbündeten für eine Regelung zu gewinnen, nach der Deutschland aus dem System der westlichen Bündnisse und des sowjetrussischen Satellitentums entlassen würde, es bliebe aber bei dem illegitimen Zwangsregime, das sie in ihrer Besatzungszone eingerichtet haben, und stellen Sie sich weiter vor, im Raume unserer Bundesrepublik würde der wirtschaftliche Aufstieg abgelöst durch eine Zeit schwerster wirtschaftlicher Krisen: Bedarf es da noch großer Phantasie, um sich vorzustellen, was da alles im Raum unserer freiheitlichen Ordnung geschehen könnte, wie diese Ordnung unterminiert würde, wie Fünfte Kolonnen das Volk aufwiegelten, wie sie seine Ordnung mit politischen Generalstreiks gegen die allgemeinen Versorgungsbetriebe und anderes mehr untergrüben und wie sie dann auch mit bewaffneter Macht, offen oder getarnt, eingriffen, um auch bei uns an die Macht zu kommen? Für solche Fälle gibt es auch die in den Seminaren übliche Unterscheidung zwischen äußeren und inneren Notständen nicht mehr.
Oder stellen Sie sich vor, daß es die Herren im Kreml — in der Meinung, ihn lokalisieren zu können — mit einem heißen Krieg versuchen, den sie vielleicht auch nur von ihren durch ihre Marschälle und Kommissare beratenen Statthaltern von der Art des Herrn Ulbricht führen lassen! Stellen Sie sich vor, daß dann der amtierende Bundestag gemäß Art. 59 a des Grundgesetzes feststellt, der Verteidigungsfall sei eingetreten, daß es aber den gegen unsere Freiheit eingesetzten Streitkräften gelänge, den Krieg in unser Land zu tragen! Da kämen Situationen auf die dann im Amt befindliche Bundesregierung zu, die sie mit Mitteln des Grundgesetzes, und zwar des Art. 91, wahrlich nicht mehr bewältigen könnte.
Denken Sie an solche Gefahren, dann klingt es fast wie ein Hohn, was Art. 91 zu ihrer Abwehr vorsieht. Art. 91 lautet:

(1) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land die Polizeikräfte anderer Länder anfordern.


(2) Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage,

— Niedersachsen, Schleswig-Holstein —
so kann die Bundesregierung die Polizei in diesem Lande und die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen.
Meine Damen und Herren, gegenüber dem großen Notstand ist das überhaupt nichts.
Daß der Schöpfer des Grundgesetzes, der Parlamentarische Rat, sich damit begnügt hat, diese Vorschrift und einige andere Vorschriften, z. B. über den Gesetzgebungsnotstand, in das Grundgesetz aufzunehmen, obwohl der Herrenchiemseer



Dr. Kanka
Entwurf eines Grundgesetzes einen wesentlich weitergehenden Art. 111 vorsah, findet seine einfache Erklärung in dem unvollkommenen Zustand, in dem sich unser damals noch werdendes, noch im statu nascendi befindliches Staatsgebilde zu jener Zeit befand.
An dieser Stelle möchte ich mit einigen Zitaten aus Darlegungen des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Dr. Katz beginnen, die er am 21. November 1959 im nahen Bad Godesberg im Anschluß an den Vortrag von Professor Schneider aus Mainz gemacht hat. Herr Dr. Katz hat dort gesagt, nach seiner Erfahrung sei die Streichung des Art. 111 des Herrenchiemseer Entwurfs aus bestimmten Motiven erfolgt. Herr Dr. Katz sagte dann wörtlich:
Wir müssen daran zurückdenken, daß wir uns damals, als der Parlamentarische Rat das Grundgesetz verabchiedete, noch im Zustand der vollkommenen Unterwerfung unter die Besatzung der Siegermächte befanden. Damals wurde angestrebt, diesen Zustand der „occupatio bellica" in einen rechtlich wenigstens halbwegs geregelten Zustand, nämlich den Status des Besatzungstatuts, zu überführen. Damals, 1948 und 1949, war zunächst dieses erste Ziel zu erreichen. Damals sollte also das Geltungsgebiet des Grundgesetzes zunächst einmal vom vollkommenen Unterworfensein unter den Willen 'der Sieger zu dem legitimierten Status des „Freigelassenen" — im altrömischen Sinne — gelangen. Darum war es damals noch nicht aktuell, das Staatsnotstandsrecht überhaupt zu behandeln. Das ist dann erst langsam, über mehrere Stadien hinaus, anders geworden. Faktisch ist aus dem FreigelassenenStatus unter dem Besatzungsstatut die Souveränität erwachsen; aber das erst im Jahre 1955. Heute, 1959, haben wir also erst seit vier Jahren Veranlassung, uns ernsthaft mit dem Problem des Staatsnotstandsrechtes zu befassen. Wenn ich also mit dem Referenten darin einig bin, daß das Grundgesetz diese Lücke enthält, so möchte ich als meine persönliche Ansicht betonen, daß diese Lücke nicht nur als beängstigend, sondern geradezu als bedrohlich erscheint.
Hier ist vielleicht auch der Ort und die Gelegenheit, eines über den Charakter unseres Staatswesens, so, wie es sich herausgeibildet hat, zu sagen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen unid müssen es denen, die es noch nicht wissen, immer wieder sagen — wie müssen es aber auch mit Leben erfüllen —, daß unsere Bundesrepublik Deutschland der , der einzige deutsche Staat nach dem zweiten Weltkrieg ist. Man hat sie als ein Provisorium, man hat sie als ein Transitorium bezeichnet. Ich will über die Berechtigung dieser Bezeichnungen mit denen, die sie gebraucht haben, nicht streiten; ihre Motive waren und sind ehrenhaft. Sie haben an unsere in der Unfreiheit lebenden Landsleute in der Zone gedacht; und wir allesamt wollen diese Gedanken nie müde werden lassen.
Aber was den deutschen Staat angeht: ihn gibt es nur in der Gestalt, die er jetzt in der Bundesrepublik angenommen hat. Sie ist das einzige legitime Gefäß für den Willen des deutschen Volkes zur Staatlichkeit, genauso, wie das Deutsche Reich Bismarckscher Prägung und wie das Deutsche Reich der Verfassung von 1910 dieses Gefäß gewesen ist.
Was in der Zone errichtet wurde, ist kein deutscher Staat; es ist eine sowjetische Zwangsordnung mit Statthaltern, deren Muttersprache zwar deutsch ist, die aber allen Anlaß haben, sich nicht um ihre Legitimation durch freie Wahlen zu bemühen.
Provisorisch und transitorisch ist alles Geschichtliche, und das sind auch die Gefäße des staatlichen Lebens der Völker. Auch die Bundesrepublik ist in diesem Sinne provisorisch und transitorisch; aber sie allein ist der deutsche Staat unserer Gegenwart. Wir sollten ohne jeden Vorbehalt ja zu ihr sagen und sollten sie aus diesem klaren und vorbehaltlosen Ja heraus auch mit allem ausstatten, was ein Staat braucht, der die freiheitliche demokratische Ordnung zu seiner Regel gemacht hat.
Damit komme ich zur zweiten These: daß es ein rechtsstaatliches Anliegen ist, um das es bei der vorgeschlagenen Ergänzung des Grundgesetzes geht. Wir haben eine geschriebene Verfassung. Daneben erkennen wir auch jenseits des positiven Rechts, über ihm, stehende Grundsätze an, darunter auch den Grundsatz eines übergesetzlichen Notstands.
Wir sollten der Berufung auf ihn jedoch möglichst keinen Raum lassen und daher auch das Recht des großen Notstands — und um den geht es hier —, dem mit den Mitteln des Art. 91 nicht mehr begegnet werden kann, gesetzlich regeln.
Dr. Katz hat in seinem Vortrag vom 21. November 1959 dazu gesagt:
Meiner Meinung nach besteht also ein ungeheures öffentliches Interesse daran, daß Bundestag und Bundesrat sich jetzt, solange die Schönwetterperiode dauert, zusammenfinden, um diesen notwendigen Zusatzartikel, diesen Notstandsartikel, für das Grundgesetz zu formulieren und zu verabschieden. Daran sollten im Interesse des Rechtsstaats alle interessiert sein. Daran sollte in erster Linie die Opposition interessiert sein, die Opposition, die sich vielleicht nicht völlig darüber klar ist, daß bei dem jetzigen Zustand eine Regierung im Notstandsfall unbeschränkte, also uferlose Vollmachten à la Weimar für sich in Anspruch nehmen wird. Dagegen wird doch, wenn dieser Art. 111 eingefügt wird, dann jedenfalls eine klare rechtliche Begrenzung bestehen. Dann wird jeweils klar übersehbar sein, wieweit es überhaupt verfassungsrechtlich erlaubt ist, mit Hilfe von Notverordnungen zeitweilig zu regieren.

(Abg. Dr. Schäfer: Herr Kollege, dann müssen Sie sich auch zu seinem diesbezüglichen Zeitungsartikel äußern!)


Dr. Kanka
— Sie haben zuerst gesagt, Sie seien dazu bereit, und haben diese Bereitschaft nachher ganz glatt widerrufen.

(Abg. Dr. Schäfer: Das ist mir aber neu!)

— Ich werde es Ihnen nachher noch weiter sagen.
In diesem Zitat ist auch bereits die dritte These angeklungen, nämlich die These, daß die Stunde günstig ist, daß wir aber auch nicht mehr länger warten sollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Arndt.)

— Sie haben ja jetzt die Vorlage. Nehmen Sie sie zur Grundlage ernsthafter Beratungen und unterbrechen Sie die Beratungen nicht!
Gegen den Notstand als Möglichkeit müssen wir jetzt allmählich Vorsorge treffen. Wir brauchen es aber nicht in der Panik, die der bereits herannahende oder schon eingetretene Notstand hervorzurufen pflegt, zu tun. Noch ist die Schönwetterperiode da. Wir hoffen zuversichtlich, daß sie auch noch lange anhält. Aber wir haben die Aufgabe, diese Zeit nun zu nützen.
Wie es mit den Maßnahmen der Verteidigung ist, so ist es auch mit den Notstandsmaßnahmen. Sie haben nicht nur den Zweck, im Verteidigungs- oder im Notstandsfall angewandt zu werden; sie dienen vor allem dem Zweck, eine Situation zu schaffen, die so ist, daß sie überhaupt nicht angewandt zu werden brauchen. Darin vereinigen sich doch alle unsere Hoffnungen. Bereit sein ist, wenn nicht alles, so doch schon sehr viel; es ist mindestens notwendig.
Wir müssen es genau so machen, wie die anderen freiheitlichen Demokratien es gehalten haben, sogar freiheitliche Demokratien, die, wie Schweden und die Schweiz, das Glück hatten, weder in den ersten noch in den zweiten Weltkrieg unseres glorreichen Jahrhunderts verwickelt zu sein; denn sie haben für diese Fälle des großen Notstands auch ihre sachgerechten Mittel bereit.
Ob und wann der vorgeschlagene Art. 115 a über den Ausnahmezustand einmal zur Anwendung kommt — wir hoffen, daß er nie zur Anwendung zu kommen braucht — und wie die Bundesregierung und der Bundestag dann zusammengesetzt sind, ist höchst ungewiß, ein Umstand, von dem man eigentlich annehmen sollte, daß er die Verhandlungen aus dem Felde gegenwärtiger Parteiengegensätzlichkeit und der Wahlkampfparolen herausheben und sie zum Gegenstand eines „staatspolitischen Seminars" machen könnte. Auch hier möchte ich den Herrn Dr. Katz zitieren. Er hat am 21. November 1959 in Bad Godesberg gesagt:
Ich befürchte, — wir sprechen ja hier über ein Faktum der Political Science —, daß ein Umstand bei diesen Beratungen sehr hinderlich sein wird, nämlich eine merkwürdige Auffassung, die wir heute überall finden. Ich meine die allgemeine Auffassung, als ob es ewig nur diese Bundesregierung in dieser politischen Zusammensetzung und ewig nur diese Opposition geben wird. Es ist sehr merkwürdig, daß diese Überzeugung, die doch aller historischen Erfahrung widerspricht, irgendwie im
heutigen Deutschland weit verbreitet zu sein scheint. Sicherlich, man kann drei Wahlen hintereinander gewinnen: England, auch Deutschland. Man kann auch vier Wahlen hintereinander gewinnen,
— und wir haben durchaus die Absicht, es zu tun; das füge ich jetzt hinzu —
man kann auch fünf Wahlen gewinnen — Roosevelt, Truman, die Demokratische Partei in den Vereinigten Staaten —, aber daß man mehr als fünf Wahlen hintereinander gewinnt, kommt, wenn ich die Geschichte der Demokratie in Europa und in den Vereinigten Staaten ansehe, ungeheuer selten vor. Es ist daher
— davon müßte man doch auch hier ausgehen, und das sollte es Ihnen etwas leichter machen, zu einem sachlichen Gespräch zu kommen —
für den Fall des Eintritts des Notstandes in keiner Weise sicher, wer dann Regierung und wer Opposition sein wird. Darum sollten alle in ein gemeinsames gleiches Interesse an einer möglichst baldigen Regelung, d. h. an dieser notwendigen zusätzlichen Legalitätsreserve haben. Denn wenn diese nicht da ist, stößt, wie ich schon vorhin sagte, Notstandsrecht auf Widerstandsrecht, Staatsstreich usw., und die Angelegenheit wird unlösbar.

(Abg. Dr. Schäfer: Das ist aber an Ihre Adresse gerichtet!)

— Nein, das ist an Ihre Adresse gerichtet. Aber wenn gute Ermahnungen an Ihre Ohren kommen, dann verschließen Sie sie und hören nicht mehr zu.
Noch ein anderes: Auch denjenigen, die daran Anstoß nehmen, ,daß nach der Regierungsvorlage im Falle des Ausnahmezustandes unter Umständen auch das Streikrecht eingeschränkt werden soll, könnte ich mit einem Zitat aus der Rede des Herrn Dr. Katz dienen; ich will es aber nicht tun. Ich will statt dessen sagen: Die Ermächtigung, für die Dauer des Ausnahmezustandes auch das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes einzuschränken, wird sich gegen eine Gewerkschaftsführung erst dann richten, wenn sie heillos kommunistisch unterwandert ist und sich so in einem Zustand befindet, von dem wir hoffen, daß er nie eintritt, von dem wir aber nicht die Gewißheit haben, daß er nicht irgendwann einmal in der Situation des großen Notstandes eintreten könnte.

(Abg. Dr. Schäfer: Eher ist die CDU unterwandert!)

Im übrigen, meine Damen und Herren, ist es — und damit komme ich zur vierten These — kein Art. 48 Abs. 2, der mit dem Art. 115 a wiederkehren würden, und alles, was der Herr Kollege Schäfer in seinem Plädoyer gegen Notstandsparagraphen vorgebracht hat, richtet sich gegen den Art. 48 Abs. 2. Aber es hat sich nicht gerichtet und kann sich nicht richten gegen den Art. 115 a der Regierungsvorlage.
Der Art. 48 Abs. 2 ist allerdings sehr weit gegangen. Er hat dem Reichspräsidenten, wenn im Deutschen Reich die öffentliche Sicherheit und Ord-



Dr. Kanka
nung erheblich gestört oder gefährdet wurde, das Recht gegeben, daß er die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen traf, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht, und er hat ihm auch das Recht gegeben, zu diesem Zweck vorübergehend gewisse Grundrechte — der persönlichen Freiheit, der Unverletzlichkeit der Wohnung, des Postgeheimnisses, der Meinungsäußerung, des Versammlungsrechts, des Vereinigungsrechts und auch des Rechts des Eigentums — einzuschränken. Dieses Recht hat den Reichspräsidenten so stark gemacht, weil er daneben auch noch die Möglichkeit hatte, den Reichstag aufzulösen und heimzuschicken.
Das ist — insoweit haben unsere Verfassungsgesetzgeber aus der Vergangenheit gut gelernt — in unserer Grundrechtsordnung aber ganz anders. Wenn Sie nun den Art. 115a richtig lesen, dann werden Sie darin viel von dem finden, was der Herr Kollege Schäfer in ihm vermißt hat. Da handelt es sich darum — der Herr Bundesinnenminister hat es schon hervorgehoben —, daß an erster Stelle, soweit es möglich ist, nicht der Bundespräsident, nicht die Bundesregierung, sondern grundsätzlich der Bundestag den Ausnahmezustand zu verkünden hat. Erst das Parlament gibt der Exekutive die Möglichkeit, von den Vollmachen, die in dem Art. 115 a niedergelegt sind, Gebrauch zu machen. Das ist schon ein ganz wesentlicher Unterschied zu Art. 48 Abs. 2 der Weimarer Verfassung.
Man kann sich sogar — das ist eine private ketzerische Meinung von mir — Gedanken darüber machen, ob es wirklich immer richtig ist, solche Entscheidungen einem Parlament zu überlassen. Meine Herren, dieses Parlament hat eine sehr gute, eine positive Mehrheit; es hat aber schon Parlamente gegeben — und wir haben keine Garantie dafür, daß es sie nie mehr gibt —, die keine gute, positive Mehrheit, sondern eine sehr destruktive Mehrheit hatten. In dem Deutschen Reichstag, der am 31. Juli 1932 gewählt wurde, haben von den 608 Abgeordneten 319 der NSDAP und der KPD angehört. Das ist zu überlegen, wenn man daran denkt, von dem, was hier in der Regierungsvorlage vorgesehen ist und was eben der Ausdruck eines wohldosierten Vertrauens auch in die künftigen Bundestage ist, abzugehen und statt der einfachen Mehrheit eine qualifizierte Mehrheit zu fordern.
In solch aufgeregten Zeiten kann es unter Umständen sein, daß die freiheitlich-demokratische Ordnung bei einer Minderheit in besseren Händen ist als bei einer aufgewiegelten nihilistischen Mehrheit.

(Abg. Dr. Arndt: Das nennen Sie dann Demokratie!)

— Ja, so ist es. Sie hat auch ihre Gefahren, die Demokratie; und wir wollen diesen Gefahren durch dieses Gesetz vorbeugen: oh ne einen neuen Art. 48 Abs. 2!
Aber auch sonst enthält der § 115 a — —

(Abg. Dr. Arndt: Herr Kanka, „Gesetz zur Vorbeugung gegen Demokratie" wäre der richtige Titel!)

— Nein, nein, lieber Herr Arndt. Das ist vielleicht eine geistvolle Formulierung, aber es ist auch ein Zeugnis dafür, daß Sie das, worum es geht, einfach nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen.

(Lachen und Zurufe von der SPD.)

Wenn sich der Herr Kollege Schäfer den Art. 115 a der Regierungsvorlage genau angesehen und bis zu Ende gelesen hätte, dann hätte er sich auch die Ausführungen darüber ersparen können, daß die Bundesregierung, nachdem der Bundestag den Ausnahmezustand verkündet hat, mit zuviel Macht ausgestattet werde, die sie vielleicht gar nicht ausüben könne, weil der zentrale Befehlsstand bereits lahmgelegt sei. In Abs. 6 steht klar und deutlich zu lesen, daß Vollmachten, die für diesen großen Notstand notwendig sind, auch in den mittleren und unteren Instanzen angewandt werden können.
Allzu feine Feinmechanik treiben bei einem Notstandsartikel, noch feinere Feinmechanik treiben, als sie bereits bei dem Art. 115 a der Regierungsvorlage getrieben worden ist, das scheint mir den Notstandsartikel zu einem stumpfen, ja sogar zu einem der Klinge entbehrenden Messer zu machen. Ich möchte da wieder auf Herrn D r. Katz verweisen, der am 21. November 1959 folgendes gesagt hat.

(Zuruf von der SPD: Wenn er das nun nicht gesagt hätte, wo wären Sie dann geblieben?)

— Dann hätte ich es Ihnen von mir aus gesagt. Aber es ist mir lieb, wenn ich Ihnen sagen kann, was ein auf dem Gebiet des Staatsrechts und der Staatsrechtsgeschichte viel erfahrenerer Mann gesagt hat. Also Herr Dr. Katz hat dazu gesagt:
Zum Wie der Ausgestaltung des Notstandsrechts ist im Augenblick sehr schwer etwas zu sagen.
Das hat er im November 1959 gesagt; und für heute gilt, was nun kommt:
Meiner Meinung nach kein ausführlicher Notstandsartikel, sondern ein einziger Artikel mit einigen wenigen allgemeinen Feststellungen und Folgerungen.
Etwas ausführlicher hat sich zu diesem Thema Professor Schneider, im Anschluß an dessen Referat Herr Dr. Katz seine Ausführungen gemacht hat, geäußert. Er hat über den Inhalt der verfassungsmäßigen Notstandsregelung gesagt:
Die Frage nach der rechtsstaatlichen Bedenklichkeit bzw. Unbedenklichkeit
— und das ist doch die Frage, die uns bewegt, um die wir uns abmühen —
kronkreter Notrechtsausgestaltung läßt sich selbstverständlich nicht generell, sondern nur von der konkreten Verfassungsstruktur und Verfassungstradition aus beantworten. Immerhin dürften drei Extrempositionen als rechtsstaatlich bedenklich angesprochen werden: einmal der totale Verzicht auf jegliche Regelung, zum anderen eine allzu detaillierte Regelung und schließlich die bedingungslose Ermächti-



Dr. Kanka
gung der Exekutive, das Notwendige zu veranlassen.
Wenn man dieses Rezept auf den Entwurf eines Notstandsartikels anwendet, dann kommt man genau zu dem, was die Bundesregierung uns mit dem Art. 115 a vorgeschlagen hat.
Nun zur letzten These, zur These vom wohldosierten Vertrauen und Mißtrauen, das uns bei all den Beratungen über den Regierungsentwurf leiten sollte! Diese These sollten wir, die wir gemeinsam im Boot der freiheitlichen Demokratie sitzen, uns allesamt immer wieder vor Augen halten. Wir kommen ohne diese Kombination wohldosierten Vertrauens und wohldosierten Mißtrauens nicht aus.
Wir Deutschen sind in einer besonderen Situation, unter anderem an einem besonderen Gefahrenpunkt unserer spannunggeladenen Welt. Trotzdem wird von uns gar nichts Besonderes verlangt, mit keiner der drei Regierungsvorlagen. Was wir im Notstandsartikel vor uns haben, haben — mit gewissen Abwandlungen — alle anderen freiheitlichen Demokratien auch. Vor allem haben auch unsere NATO-Partner solche Vorschriften. Wenn wir allesamt zur NATO ja sagen wollen, nun, meine Damen und Herren von der Opposition, dann sagen Sie doch auch ja zu einem Notstandsrecht, das der Sache nach gerecht ist und das den Art. 5 Abs. 2 des Generalvertrages gegenstandslos macht.
Das gleiche, daß wir uns nämlich gar nichts Besonderes zumuten, gilt auch von den Notdienst- und Sachleistungsbestimmungen der übrigen Vorlagen, mit denen wir uns heute befassen. Zu ihnen kann vom Grundsätzlichen her, das ja eigentlich allein in der ersten Lesung erörtert werden soll, nur gesagt werden: Auch sie sind notwendig, auch sie sollten im Interesse der Sicherung unserer freiheitlichen Demokratie gebilligt werden.
Meine Damen und Herren, vorgestern habe ich einen Brief aus London bekommen. Weil man die Post sehr genau lesen muß, habe ich mir also sogar den Stempel angeguckt. Auf dem steht „Civil defence is common sense", „Ziviler Schutz zu jedermanns Nutz", frei übersetzt. Der Herr Bundespostminister könnte diesen Text vielleicht auch auf einen Stempel setzen lassen.

(Heiterkeit.)

Es geht darum, daß wir das Bewußtsein von der Notwendigkeit dieser Maßnahmen, sowohl was die Grundgesetzänderung als auch was die Opfer angeht, die das Notdienstgesetz und das Bundesleistungsgesetz verlangen, bei unserem Volke — zusammen, Sie mit uns! — lebendig machen.

(Zuruf von der SPD: Jetzt auf einmal!)

— Sie sind dazu eingeladen, darüber mit uns zu sprechen.
Es ist auch ein .durchaus legitimer Vorgang, daß man über eine Vorlage, die von der Bundesregierung in Ausübung ihrer Gesetzesinitiative eingebracht worden ist, sachlich hier im Hohen Hause, im Plenum und in den Ausschüssen debattiert.
In einer der heute erschienenen Zeitungen, die sich mit dem Notstandsrecht befaßt haben, steht der Satz:
Bei der heutigen Bundestagsdebatte entscheidet sich, ob der Bundestag gewillt ist, dem Volk die Sicherheit gegen Angriffe jeder Art zu geben, die unsere demokratische Grundordnung gefährden.

(Abg. Dr. Schäfer: Genau das habe ich gesagt!)

Meine Damen und Herren, das geht vor allem an Ihre Adresse. Jetzt wird nicht mehr außerhalb des Parlaments verhandelt und das, was jetzt hier ins Gespräch gekommen ist, hier unterbrochen — —

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.)

— Nein, verhandeln wollen wir in den Ausschüssen.

(Abg. Jahn [Marburg]: Stimmt ja gar nicht!)

Aber, meine Damen und Herren von der Opposition: Hic Rhodus, hic salta!

(Abg. Dr. Schäfer: Genau das!)

Arbeiten Sie mit an dem, was wir für unser Volk zu leisten haben!

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312416300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0312416400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Notwendigkeit einer Notstandsgesetzgebung wird von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei bejaht. Wir möchten sogar, wenn wir von der Tatsache der Einbringung eines Notstandsgesetzes hören, ausrufen: endlich! Wir haben schon anläßlich der Beratung des Wehrpflichtgesetzes darauf hingewiesen, daß es heutzutage einer umfassenden Verteidigungspflicht bedarf und daß zu den dazu notwendigen Gesetzen auch ein Notstandsgesetz gehört.
Um so mehr bedauern wir einmal die Art und Weise, in der dieses Gesetz eingebracht worden ist, und dann auch einige Einzelheiten, die es enthält. Der Herr Bundesminister des Innern hat zu Beginn seiner Einbringungsrede von einem historischen Tag gesprochen. Er hat am Schluß seiner Ausführungen die Situation in Berlin in einer Weise bemüht, die ich für nicht ganz passend halte. In Zusammenhang mit diesem Gesetz hat er von Schecks gesprochen, die eingelöst werden müßten, aber nicht genau gesagt, wer diese Schecks ausgestellt hat.
Um so mehr wundert man sich dann, daß sich die Bundesregierung bei einer als so historisch bedeutsam bezeichneten Sache nicht bemüht, mit der Opposition Fühlung zu nehmen, bevor das Gesetz eingebracht wird. Der Verdacht liegt nahe, daß hier einmal wieder ein schwarzer Peter zugeschoben werden soll, daß nämlich gesagt wird: Wenn ihr von der oder jener Seite des Hauses dieses Gesetz ablehnt, etwa deshalb, weil ihr erklärt: „Grundsätzlich ja, aber nicht so" —, dann wird in der Öffentlichkeit



Dr. Bucher
eben der Eindruck erweckt: Aha, die sind wieder einmal dagegen!
Ich habe deshalb zu Beginn meiner Ausführungen ausdrücklich betont, daß wir grundsätzlich die Notwendigkeit einer Notstandsgesetzgebung bejahen. Eine solche Gesetzgebung ist in jedem demokratischen Staat erforderlich und nur in einem demokratischen Staat; denn der totalitäre Staat lebt ja im Zustand permanenten Notstandes. Wir kennen aus der Geschichte das populärste Beispiel einer Notstandsgesetzgebung, die funktioniert hat: in der Römischen Republik, wo es die Einrichtung des Diktators auf Zeit gab, der in Notfällen gerufen werden konnte. Es gab jenen bekannten Mann namens Cincinnatus, der vom Pflug weggeholt wurde, und das sogar zweimal.
Es lohnt sich, wenn wir uns mit der Ausgestaltung eines Notstandsrechts befassen, auf die grundsätzliche Frage einzugehen, weshalb eigentlich ein Notstandsgesetz erforderlich ist. Nun, sicher nicht nur wegen des Art. 5 des Deutschlandsvertrages. Ich messe dem Artikel nicht die große Bedeutung bei, die ihm, zwar nicht in diesem Hause, aber in der öffentlichen Diskussion, beigemessen wurde. Man sprach davon, es sei ein „kategorischer Imperativ nationaler Ehre", die Kontrollmöglichkeiten, die in Art. 5 enthalten sind, durch ein eigenes, deutsches Notstandsgesetz zu beseitigen. Es herrschte auch ziemliche Unklarheit darüber, was der Art. 5 verlangt. Ich darf nur in Ihre Erinnerung zurückrufen, was der Vertreter der Bundesregierung im Ausschuß, Herr Professor Grewe, und der Berichterstatter hier im Hause, Herr Kollege Furler, damals sagten: Art. 5 beziehe sich nur auf den äußeren Notstand. — Aber das kann, wie gesagt, heute dahingestellt bleiben.
Ich bin außerdem auch nicht der Ansicht, daß die Notstandsbefugnisse, die der Exekutive zugeteilt werden sollen, aus der Stellung der Exekutive als einer Art Obrigkeit abzuleiten seien. Herr Kollege Schäfer hat davon gesprochen, daß hier noch Vorstellungen vom Gottesgnadentum spukten. Ich werde Vorstellung auch nicht ganz los, schon wenn ich höre, wie der Herr Bundesinnenminister erklärt: Der Notstandsfiall ist die Stunde der Exekutive. Na ja, gut; daran ist vieles richtig, aber der Ton macht die Musik. Und ich sage ganz offen: wir haben diesen Ton nicht gern.
Die Notwendigkeit einer Notstandsregelung liegt ganz einfach darin, daß man sonst den Wettlauf mit der Zeit nicht aushält. Genauso wie im Strafrecht idem einzelnen ein Notwehrrecht in den Fällen gegeben ist, in denen er nicht mehr die Zeit hat, die Gerichte 'in Bewegung zusetzen, um sich gegen ein Unrecht zu verteidigen, genauso muß dem Staat ,die Möglichkeit gegeben werden, nicht in Zeitdruck zu kommen, wenn Gefahr ist. Das ist der ganz schlichte, simple Grund für jede Notstandslösung. Dabei stellen stich zwei Hauptprobleme. Das erste möchte ich das Problem der Identität nennen. Das ist die Frage: Ist derjenige, der den Notstand in Anspruch nimmt, der also den Ausnahmezustand verhängt, wirklich der Staat, oder maßt er sich diese Rolle nur an, ist er ein Usurpator?
Das zweite Problem liegt darin, daß im Gegensatz zur Notwehr des einzelnen im Notstand auch Maßnahmen ergehen können und müssen, die sich nicht nur gegen unrechte Handlungen wenden, sondern auch gegen rechtmäßige Handlungen, also Einschränkung von Grundrechten usw. Aus diesen beiden Hauptfragen ergibt sich die Aufgabe, eine Regelung zwischen ,der Szylla des Überhaupt-nichts-
Tuns und der Charybdis zu großer Vollmachten für die Exekutive zu treffen.
Wir haben hier das heute schon mehrfach zitierte mahnende Beispiel des Art. 48 der Weimarer Verfassung vor Augen, des Art. 48, der zunächst, in den Jahren 1921 und 1922, durchaus korrekt und sinngemäß angewandt wurde, der aber später als bequemer Weg zur Aushilfsgesetzgebung mißbraucht wurde, mit dessen Hilfe ja sogar, glaube ich, Reblausbekämpfung betrieben wurde und Steuerermäßigungen verordnet wurden und der schließlich noch schlimmer mißbraucht wurde, nämlich um die Türe für die Gewaltherrschaft zu öffnen. Man kann nun freilich sagen und sagt es sicher mit Recht: Nicht der Art. 48 hat das Hitlerregime ermöglicht, Hitler wäre trotzdem gekommen. Wir dürfen aber licht übersehen — und das sage ich gegenüber all denen, die es als kleinlich bezeichnen, wenn man möglichst viele Schranken der Rechtssicherheit auch in ein Notstandsrecht einbauen will —, daß eine Gewaltherrschaft, bei der die Regierung — und wenn auch nur unter dem Schein der legalen Benutzung bestehenden Rechts — an die Macht kommt, natürlich dauernd damit operieren kann. Es hat also zumindest bedeutende psychologische Fernwirkungen, wenn man von vornherein zu große Vollmachten festlegt, die die Möglichkeit geben, auf legale Weise oder, sagen wir, scheinbar legitime Weise ein Gewaltregime zu errichten.
Denken wir doch daran, daß zum Beispiel jenes unselige Ermächtigungsgesetz noch in der Diskussion um die Männer des 20. Juli eine Rolle gespielt hat, indem die Gegenseite sagt: Ja bitte, wir können doch darauf hinweisen, daß dieses System, dem wir geschworen haben, seinerzeit völlig legal an die Macht gekommen ist. Es liegt mir dabei natürlich — das möchte ich betonen — völlig fern, Kritik an den Männern zu üben, die seinerzeit jenem Gesetz zugestimmt haben. Ich sehe mich dazu nicht in der Lage; denn hintennach ist es für uns natürlich viel leichter, über eine Situation zu urteilen, die damals völlig neu und einmalig war und bei der diese Männer vor einer sehr schweren Entscheidung standen. Aber objektiv betrachtet sollte uns gerade dieser Vorgang eine Warnung sein, zu weitgehende Vollmachten zu geben. Ich glaube, Sie ersehen aus diesen Ausführungen — Herr Kollege Kanka, Sie haben so viel vom Mißtrauen gesprochen —, daß ich mich keineswegs von einem Mißtrauen etwa gegenüber der derzeitigen Bundesregierung oder Bundestagsmehrheit leiten lasse, sondern an ganz andere mögliche Entwicklungen denke.
Das Grundgesetz hat diesen Weg des Art. 48 vermeiden wollen, und ich anerkenne ohne weiteres,



Dr. Bucher
daß der vorliegende Entwurf ihn in der Generalklausel, die er vorsieht, auch vermeidet. Diese Generalklausel spricht ja davon, daß die Maßnahmen, die hier verlangt werden, „zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche Grundordnung des Bundes oder der Länder" notwendig sein müssen. Es ist auch ohne weiteres zuzugeben, daß die bestehenden Bestimmungen nicht ausreichen, insbesondere nicht der Art. 91 des Grundgesetzes, wo der Polizeinotstand vorgesehen ist, der für wirkliche Notfälle nicht genügt. Hier stimme ich mit Herrn Kollegen Kanka überein. Auch die Art. 59 a und 65 a genügen nicht; denn sie regeln nicht, wie oft behauptet wird, den äußeren Notstand. Sie schaffen nur für den äußeren Notstand klare Befehlsverhältnisse für die Bundeswehr, nicht aber für den ganzen übrigen Teil des Volkes. Nur der Oberbefehl ist ja hier geregelt, und infolge des Oberbefehls und der davon abhängenden Disziplinarhierarchie weiß die Bundeswehr, was sie zu tun hat, nicht aber die Zivilbevölkerung.
Wenn wir nun den vorliegenden Entwurf im einzelnen ansehen — und zwar an Hand der beiden Hauptprobleme, die ich vorhin erwähnt habe: erstens, wer den Notstand feststellt, und zweitens, wie die Notstandsbefugnisse im einzelnen ausgestaltet werden —, so ergibt sich folgendes: Prinzipiell ist nach diesem Entwurf der Bundestag zuständig zur Feststellung des Notstandes. Das ist richtig so. — Es mag wohl sein, daß diese prinzipielle Zuständigkeit weithin Theorie bleibt in einer Zeit, wo Atomkriege möglich sind, in einer Zeit, wo Kriegserklärungen nach biederem altem Muster längst nicht mehr ausgetauscht werden, sondern wo man sich einfach gegenseitig überfällt. In einer solchen Zeit mag es vielleicht allzu theoretisch erscheinen, in erster Linie ein so umfangreiches Organ wie ein Bundesparlament hier als zuständig zu bestimmen. Trotzdem ist an dieser grundsätzlichen Zuständigkeit festzuhalten; denn wir können ja gar nicht voraussehen, welche Fälle eintreten. Es kann auch ganz anders kommen, als man sich dies für den schlimmsten Fall vorstellt. Es ist vor allem wohl kaum möglich, eine klare Abgrenzung zwischen innerem und äußerem Notstand zu finden. Ein Fall, der für uns sehr wohl denkbar ist, wird etwa der Kombinationsfall von innerem und äußerem Notstand sein, d. h. also ein innerer Notstand, der durch subversive oder auch offene Einwirkung von außen hervorgerufen ist.
Bei dieser Feststellung durch den Bundestag begnügt sich der Entwurf der Bundesregierung mit einfacher Mehrheit. Ich möchte trotz aller Bedenken doch zu erwägen geben, ob eine Zweidrittelmehrheit, eine wirklich qualifizierte Mehrheit hier nicht zweckmäßiger wäre. Finnland z. B. sieht eine qualifizierte Mehrheit vor. Die einfache Mehrheit bedeutet praktisch die Regierungsmehrheit, ob es nun diese oder jene Partei ist. Dies bedeutet die Gefahr einer voreiligen und nicht sachbedingten Feststellung des Notstandsfalles.
Nun kann man natürlich sagen, bei qualifizierter Mehrheit bestehe die Gefahr einer Sabotage durch eine verantwortungslose Minderheit. Aber in beiden Fällen müssen wir in irgend jemand unser Vertrauen setzen, im ersten Fall in das Verantwortungsbewußtsein der Mehrheit, im zweiten Fall in das der Minderheit. Ich meine, es wird doch weniger die Gefahr bestehen, daß sich eine Parlamentsminderheit im Falle eines wirklichen Notstandes der sich daraus ergebenden Verantwortung entzieht, als die Gefahr, daß eine eventuell sehr kleine Parlamentsmehrheit eine Situation, die in Wirklichkeit kein Notstand ist, dazu ausnutzt, um einen Notstand zu ,deklarieren.

(Beifall bei der FDP und SPD.) Vertrauen müssen wir also so oder so haben.

Ich glaube, auch das Argument stimmt nicht, das der Herr Bundesinnenminister heute angeführt hat: wenn man die Zweidrittelmehrheit für die Einführung des Notstandes bestimme, dann müsse man sie auch für die Aufhebung vorsehen. — Das ist ein logischer Fehlschluß. Logisch könnte man sagen: Wenn für die Einführung des Notstandes zwei Drittel notwendig sind, dann sind auch für die Fortdauer des Notstandes zwei Drittel notwendig, also gerade umgekehrt: Für die Aufhebung des Notstandes würde dann eine Stimme mehr als ein Drittel genügen. Das wäre ein logisch möglicher Gedankengang, natürlich kein praktisch zweckmäßiger. Man könnte also die Aufhebung gut mit einfacher Stimmenmehrheit vorsehen. Ich darf zu dieser Frage Ausführungen des bereits mehrfach erwähnten Professors Schneider auf dem internationalen Juristentag zitieren. Er sagt:
Wenn die verfassungsmäßigen Parteien im eigentlichen Notstand nicht zueinanderfinden, ist das Ende des Rechtsstaates da.
Das untermauert, was ich vorhin sagte. Man kann doch davon ausgehen, daß im eigentlichen Notstand keine Minderheit so böswillig ist, sich der Erkenntnis der notwendigen Schritte zu entziehen. Er sagt weiter:
Aber wenn sich eine Gruppe voreilig auf Kosten anderer des Notstandsrechts zu bemächtigen vermag ,so ist es auch da,
— nämlich das Ende des Rechtsstaates — und zwar schneller als im andern Fall.
Wie gesagt, man muß über diese Frage noch diskutieren.
Nun zur Frage der Ersatzlösung, also zur Anordnung des Ausnahmezustandes, falls das Parlament nicht dazu imstande ist. Auch für diese Ersatzlösung sollte, so meinen wir, ein Minimum an Gewaltenteilung erhalten bleiben. Sehr wesentlich ist zunächst einmal der Anknüpfungspunkt: in welchem Fall tritt die Ersatzlösung ein? Herr Kollege Schäfer hat bereits auf die merkwürdige Abweichung gegenüber dem Art. 59 a — beim Verteidigungsfall — hingewiesen. Hier ist nämlich plötzlich nicht davon die Rede, daß dem Zusammentritt des Bundestages Hindernisse entgegenstehen, sondern der Beschlußfassung. In ihrer Begründung begnügt sich die Bundesregierung mit der ominösen Floskel, das gelte mit der Maßgabe, daß auf die Möglichkeit der



Dr. Bucher
Beschlußfassung des Bundestages, nicht seines Zusammentritts abgestellt sei. Eine wirklich stichhaltige Begründung, warum diese Abweichung notwendig ist, ist uns bis heute noch nicht gegeben worden, und wir warten mit einigem Interesse darauf.
Ich will nicht so weit gehen wie Herr Schäfer, der ein Zitat von Herrn Ministerpräsident Zinn gebracht hat: es könnte so aufgefaßt werden, als ob dann Hindernisse der Beschlußfassung des Bundestages entgegenstehen, wenn der Bundestag nun eben nicht wolle. Jedenfalls können wir eine Aufklärung erwarten, was der Sinn dieser doch auffallenden Abweichung sein soll.
Auch ich halte es für möglich, daß, bevor man nun sofort dem Bundespräsidenten das Recht zur Verkündung des Ausnahmezustandes gibt, vorher noch ein kleines Gremium sozusagen dazwischengeschaltet wird. Das brauchen gar nicht die erwähnten zweimal elf Persönlichkeiten aus Bundestag und Bundesrat zu sein. Es können auch etwas weniger sein, meinetwegen ein Siebzehner-Ausschuß. Das wäre immerhin ein Mann weniger als die Bundesregierung Mitglieder zählt.

(Zustimmung bei der SPD.)

Ich sehe nicht ein, warum im Falle eines Notstandes ein solcher Ausschuß sich nicht ebenso schnell sollte in Bonn oder sonst irgendwo versammeln können wie die Bundesregierung. Wenn ein Notstand wirklich aus heiterem Himmel herunterbricht, ist es für beide gleich schwierig. Wenn man aber die Sache vorher riecht, wären die Mitglieder des Ausschusses, die wissen, daß sie im Falle des Falles diese Aufgabe haben, doch sicher so verantwortungsbewußt, nicht etwa ihren Urlaub in Ländern über dem Meere zuzubringen, genauso wie es die Mitglieder der Bundesregierung auch nicht täten. Ein solcher Ausschuß wäre also durchaus praktikabel, und das ist eben das, was ich mir unter dem Prinzip vorstelle, ein Minimum an Gewaltenteilung zu erreichen.
Ob der Bundesrat dabei eingeschaltet werden kann wie er wünscht, ist mir sehr fraglich; denn hier ,ist die Sache insofern komplizierter, als die Mitglieder des Bundesrates erst Weisungen ihrer Kabinette einholen müssen. Ich glaube, man muß auch bedenken: die Aufgabe des Bundesrates ist ja in erster Linie die Wahrung der föderalistischen Gliederung des Bundes, und ,diese Aufgabe tritt natürlich — bei allem Respekt, den wir vor ihr haben — im Falle eines Notstandes erheblich zurück. Demgegenüber ist die Aufgabe des Bundestages die Wahrung der Grundrechte, und diese bleibt auch während des Notstandes bestehen.
Nun zu der zweiten Frage, welche Grundrechte eingeschränkt werden müssen, also wie weit der Ausnahmezustand gehen soll. Selbstverständlich soll hier das Prinzip gelten, daß die Macht des Staates möglichst wenig weit ausgedehnt werden soll und daß die Grundrechte möglichst unangetastet bleiben sollen. Natürlich kann man sich nicht der Erkenntnis entziehen, daß hier erhebliche Einschränkungen notwendig sind. Jedenfalls erscheint uns zu diesem Punkt der Vorschlag, den der Bundesrat gemacht hat, besser als der der Bundesregierung. Er geht ins einzelne, ist detaillierter und substantiierter. Man kann auch an einen Vorschlag, den Professor Eschenburg gemacht hat, denken, der einen Negativkatalog einfügen will, in dem z. B. steht, daß das Wahlgesetz oder das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht nicht angetastet werden darf. Ich halte es nicht für notwendig, eigene Bestimmungen über die Verfassungsgerichtsbarkeit in ein Notstandsgesetz hineinzusetzen. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle ergibt sich ja aus den bestehenden Gesetzen. Aber es wäre, glaube ich, den Bedenken von Herrn Schäfer auch Rechnung getragen, wenn in Form einer solchen Negativliste bestimmt würde, daß etwa das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht im Notstandsfalle nicht angetastet werden darf.
Ich fasse zusammen. Dem Gesetz so, wie es jetzt vorliegt, könnte meine Fraktion nicht zustimmen. Wir beanstanden sehr ernsthaft die merkwürdige Bestimmung über Hindernisse für die Beschlußfassung — statt Hindernisse für das Zusammentreten — als Auslösungsgrund für die Ersatzzuständigkeit des Bundespräsidenten, und wir geben zu bedenken, ob nicht in folgenden Punkten eine Änderung getroffen werden sollte:
Erstens: Qualifizierte Mehrheit für Verhängung des Ausnahmezustandes.
Zweitens: Einschaltung eines eigenen parlamentarischen Gremiums, etwa nach Art des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung, eines kleinen Notstandsparlaments.
Drittens: Präzisere Formulierung der möglichen Einschränkung der Grundrechte.
Viertens und fünftens — zwei Punkte, die ich nicht eigens erwähnt habe, nur in der Zusammenfassung noch erwähnen will —:
Viertens: Man muß auch an die Möglichkeit denken, einen sachlich und örtlich beschränkten Ausnahmezustand zuzulassen, der dann allerdings nur mit qualifizierter Mehrheit durch den Bundestag beschlossen werden könnte; denn hier handelt es sich ja offensichtlich nicht um einen totalen Ausnahmezustand, und hier wären erhöhte Rechtsgarantien erforderlich.
Fünftens: Es ist auch an den Fall zu denken — der, glaube ich, auch heute schon erwähnt wurde —, daß die Zentrale nicht aktionsfähig ist, dagegen die untergeordneten Verwaltungs- und Regierungsgliederungen in Gemeinden und Ländern, ohne daß der Ausnahmezustand bereits verkündet ist. Auch dieser Fall sollte im Gesetz geregelt werden.
Nun, trotz all dieser Beanstandungen, die es uns, wie gesagt, unmöglich machen würden, dieser Formulierung des Gesetzes zuzustimmen, möchten wir aber doch nicht so weit gehen, wie es der Geschäftsordnungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion will, daß nämlich dieser Gesetzentwurf überhaupt von der Tagesordnung abgesetzt wird. Denn wir halten wie gesagt, die baldige Verabschiedung eines Notstandsgesetzes für erforderlich. Und wenn man betrachtet, wie der Bundesrat mit dem Gesetz ver-



Dr. Bucher
fahren ist, so sieht man ja: er hat das Gesetz nicht gerade freundlich behandelt, sondern praktisch einen eigenen Entwurf danebengestellt, und er hat dies — und das veranlaßt mich auch zu unserem Vorschlag — auch mit Stimmen von Ländern getan, die von der CDU regiert werden. Das veranlaßt mich doch zu der Hoffnung, daß wir, wenn auch die Regierung einen nicht geeigneten Entwurf vorgelegt hat, in der Zusammenarbeit in diesem Hause auch mit der Fraktion der CDU/CSU zu einer Lösung kommen werden, die wirklich die für die Verfassungsänderung erforderliche Mehrheit findet.
Aus diesem Grunde stimmen wir also der Ausschußüberweisung des Entwurfs zu.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312416500
Meine Damen und Herren, vereinbarungsgemäß wird die Sitzung jetzt unterbrochen bis 14.45 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.40 bis bis 14.49 Uhr.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312416600
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0312416700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede meines Fraktionskollegen Friedrich Schäfer ließ keinen Zweifel daran, daß die deutsche Sozialdemokratie das Problem einer Notstandsregelung als eine ernste, tiefernste Frage, als eine Lebensfrage der Nation ansieht. Es geht sogar um mehr als um die Notstandsregelung im einzelnen; es geht um die Probe und den Beweis, ob das Parlament, ja ob die Demokratie es fertig bringt, sich in einer solchen Frage rechtzeitig und in einer geeigneten Weise zu einigen und zu zeigen, daß sie fähig ist, mit solchen Grundproblemen unseres Volkes und Staates von sich aus fertig zu werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich kann nicht verstehen, daß der Herr Kollege Kanka heute von der Schönwetterperiode gesprochen hat. Wenn Sie sich umsehen, Herr Kollege Kanka , dann scheint mir — und ich glaube, das sollte unser aller Auffassung sein — der Horizont der Politik in allen Himmelsrichtungen verdüstert und voller Gefahren. Ich meine, daß im gegenwärtigen Augenblick nicht fast alle Staatsmänner der Welt zu den Vereinten Nationen nach New York gefahren wären, wenn sie nicht eine Bedrohung der Weltexistenz gegenwärtig für möglich hielten. Das sollten auch wir uns bei diesen Verhandlungen und diesen Auseinandersetzungen vor Augen halten.
Ich kann mich des beklemmenden Eindrucks nicht erwehren, als ob manches in Ihrer Rede, Herr Kollege Kanka, und auch manches in dem, was der Herr Bundesminister des Innern heute vormittag gesagt hat, dieser Lage und dieser Aufgabe nicht ganz gerecht werde. Ich denke da beispielsweise an die schnippische Bemerkung des Herrn Bundesinnenministers, ob wir uns schon im Ausnahmezustand befänden. Ich denke auch bei Ihnen, Herr Kollege Kanka, an die Belehrungen — die wir gar nicht nötig haben — darüber, daß in einer Demokratie Minderheit und Mehrheit zu wechseln pflegen. Uns liegt es gänzlich fern, uns als ewige Minderheit und Opposition zu empfinden. Ich glaube, die Anzeichen der Nervosität sind bei Ihrem Parteivorsitzenden — denken Sie an die Rede von gestern und an die letzten Tage! — größer als bei uns.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Rösing: Voller Optimismus!)

Wenn ich meine, daß nicht alles, was hier heute vormittag gesagt worden ist — gewiß, man kann nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen —, diesem tiefen und bitteren Ernst der Frage, die vor uns steht, gerecht geworden ist, so denke ich dabei auch daran, daß Sie, Herr Kollege Kanka, glaubten, Ihre Ausführungen einleiten zu müssen mit dem Gespenst des Beispiels, wie es denn sein würde, wenn bei uns ein vom Kreml angezettelter politischer Generalstreik stattfände. Nun, ich will nicht untersuchen, ob dann, wenn es zu diesem Äußersten je kommen sollte — was der Himmel verhüten möge —, noch irgendeine Notstandsregelung, die auf dem Papier steht, etwas helfen würde. Das ist es nicht, was mich daran zu stutzig und bedenklich macht. Aber sind Sie sich klar gewesen, Herr Kollege Kanka, daß Sie, da ja ein politischer Generalstreik nicht ohne die Mehrheit der Arbeiterschaft oder der Angestelltenschaft geführt werden kann, damit der deutschen Arbeiterschaft und der deutschen Angestelltenschaft unterstellt haben, überhaupt in dieser Richtung anfällig zu sein?

(Beifall bei der SPD.)

Ich empfinde das, was Sie da gesagt hab en, ausgesprochen als eine Beleidigung der Menschen, von denen Sie geredet haben.

(Beifall bei ,der SPD.)

Mit solchen Beispielen kann man die Dinge nicht meistern. Das erweckt höchstens peinliche geschichtliche Erinnerungen. Denn ich kann mich, wie Herr Kollege Schäfer schon ,gesagt hat, aus den letzten 40 Jahren deutscher Arbeiterbewegung und Gewerkschaftsbewegung nicht erinnern, daß jemals die Demokratie von jener Seite her in Gefahr gewesen ist. Ich erinnere aber mich noch sehr deutlich daran, daß es vor 1933 ausgesprochen politische Aussperrungen gegeben hat, zum Beispiel bei der Meidericher Hütte in Duisburg-Meiderich, um die Arbeitslosigkeit zu verschärfen, weil gewisse Leute auf die Versprechungen spekulierten, daß, wie man ihnen gesagt hat, dann hundert Jahre lang keine Wahlen mehr in Deutschland stattfinden würden.

(Beifall bei der SPD.)

Herr Kollege Kanka, Sie haben etwas hochfahrend gemeint, ich hätte es dann eben nicht verstanden. Ich befürchte, ich habe eine Bemerkung oder das, was so bei ihr mitschwang, leider zu gut verstanden. Denn das, was Sie da ausführten, kam doch auf die Vorstellung heraus, daß eine Minderheit der Guten durch ,das Notstandsrecht befähigt werden sollte, eine Art Diktatur über die Mehrheit



Dr. Arndt
der Bösen auszuüben, und ich warne Sie vor solchen Gedanken.

(Beifall bei der SPD.)

Gewiß, ich gebe Ihnen das eine zu, und das haben wir ja in der Weimarer Zeit erlebt:

(Abg. Dr. Kanka: Na also!)

Eine Demokratie ohne Demokraten kann nicht
existieren. Aber das ist kein Fehler der Demokratie;
das ist ein Fehler derer, die nicht Demokraten sind,

(Zustimmung bei der SPD)

und ohne Demokraten können Sie keine Demokratie machen. Sie können nicht sagen: Ja, die Demokratie ist gefährlich; dia können sich negative und antidemokratische Mehrheiten bilden. Davor schützt uns ja schon oder sollte uns schützen der aktive und Gott sei Dank militante Artikel im Grundgesetz, der es ermöglicht, verfassungswidrige und verfassungsfeindliche Parteien rechtzeitig zu verbieten, damit eis gar nicht erst zu der Situation einer negativen und antidemokratischen Mehrheit im Parlament kommt.
Ich will mich nicht auf das einzelne der Regierungsvorlage einlassen, denn ich glaube, dazu hat mein Fraktionskollege Schäfer als Sprecher meiner Fraktion heute morgen schon das Hinreichende gesagt. Ich will mich jetzt dieser etwas schnippischen Frage des Herrn Bundesinnenministers zuwenden, ob wir uns den schon im Ausnahmezustand befänden, d. h. wie er es ausdrückte, ob wir vom Wege abwichen, den das Grundgesetz für den Verlauf solcher Beratungen vorgeschrieben habe oder nicht. Nun, das Grundgesetz sagt im Gegensatz zur Weimarer Verfassung eins ausdrücklich, nämlich, daß dieser unser Staat eine Demokratie ist — das Wort fehlt erstaunlicherweise in der Weimarer Verfassung —, und es sagt weiterhin, daß die politischen Parteien berufen sind, den politischen Willen des deutschen Volkes mitzuformen. Daraus ergibt sich, und zwar ganz legitim nach dem Sinn und Geist der Verfassung, daß aus dem Wesen der Aufgabe heraus folgt, wie man solche Aufgaben anzufassen hat, nämlich daß man hier nicht von „Instrumenten" reden sollte, wie das der Herr Bundesinnenminister getan hat, und auch nicht auf idem unbestritten bestehenden, aber formalen Recht der Gesetzesinitiative beharrt, sondern daß man sich doch dem Wesen der Aufgabe nach klarmachen muß, wie denn eine Verfassungsschöpfung zustande kommt.
Auch auf die Gefahr hin, allzu trocken zu sein und Sie zu langweilen, darf ich daran erinnern, daß nicht nur bei dieser Gelegenheit heute, sondern mehrfach schon oder vielfach im Namen meiner Fraktion dazu Ausführungen gemacht worden sind. Ich habe darüber in der 97./98. Sitzung des 3. Bundestages am 27. Januar dieses Jahres gesprochen. Ich habe insbesondere darüber in der 118. Sitzung dieses Bundestages am 22. Juni 1960 gesprochen, und ich darf mit der freundlichen Erlaubnis des Herrn Präsidenten wörtlich ins Gedächtnis rufen, was ich bei einer ganz anderen Gelegenheit ausgeführt habe, weil es sich dabei um etwas Prinzipielles und Fundamentales und für jeden gleichen Fall dieser .Art Gültiges handelt. Ich habe damals gesagt:
. . . darf ich über die Prinzipien einer Verfassungsänderung folgendes bemerken. In den zehn Jahren, seit das Bonner Grundgesetz gilt, haben wir, wenn ich mich nicht irre, bisher erst ein einziges Mal eine Änderung im Grundrechtsteil der Verfassung vorgenommen, zu dem der Art. 15
— darum ging es damals --
als eine Grundsatznorm gehört. Wie sind wir damals, im Jahre 1956, verfahren? Damals hat man erst politisch — interfraktionell — eine Mehrheit gebildet, die in der Lage war, als — sagen wir kurz — Einheit im Bundestag und im Bundesrat eine grundsätzliche Erneuerung der Verfassung zu tragen.
Damals ging es darum, daß wir alle gemeinsam der Überzeugung waren, daß das Entstehen einer Bundeswehr eine Anpassung des Grundgesetzes, auch des Grundrechtsteils, an diese neue Erscheinung im deutschen Rechtsleben erfordere. Diese politische Mehrheit haben wir gebildet und haben dann einmütig die notwendigen Abänderungen im Grundrechtsteil vorgenommen. Das ist meines Wissens das einzige Mal gewesen, abgesehen von den Ausbesserungen an den organisatorischen Vorschriften, die ja aus verschiedenen Gründen hier und da erfolgen müssen, die aber niemals Grundwertentscheidungen des Bonner Grundgesetzes berührt haben. In der Regel wird ein solches Verfahren, wie wir es 1956 angewandt haben, das allein demokratische sein.
Ich bedauere deshalb, daß Herr Kollege Dr. Dehler
- das habe ich damals gesagt —
— ich möchte Ihnen damit keineswegs persönlich irgendwie zu nahe treten -, sagen zu müssen, daß es kein guter demokratischer Stil ist, unter Mißbrauch einer formalen Initiativbefugnis hier seitens einer Fraktion eine Grundsatzvorschrift im Grundrechtsteil des Bonner Grundgesetzes in Frage zu stellen. . . . — Das nenne ich Mißbrauch, wenn Sie sich nicht vorher bemühen, ob sich hier eine politische Basis findet, um an Grundwertentscheidungen des Bonner Grundgesetzes heranzugehen. Solange Sie das nicht tun, solange Sie auf Grund einer formalen Befugnis hier einen solchen Antrag vorlegen, muß ich dem zustimmen, was Herr Kollege Burgbacher
— von der CDU/CSU, wie Sie wissen —gesagt hat: daß dieser Antrag nichts anderes ist als ein Propaganda- und Agitationsantrag.
Es ist bemerkenswert, daß das amtliche Protokoll verzeichnet: „Beifall bei . . . Abgeordneten der CDU/CSU."
Das gilt eben für jede grundsätzliche Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes, daß man sich



Dr. Arndt
zunächst einmal darum bemühen muß, eine politische Mehrheit zu bilden, und in den elf Jahren der drei Bundestage sind wir bisher auch stets so verfahren. Ich erinnere an das Bundesverfassungsgericht, ich erinnere an das politische Strafrecht, und ich erinnere an die Wehrverfassung 1956. Die politischen Grundsatzentscheidungen sind stets in interfraktionellen Verhandlungen vorausgegangen, weil sich das nämlich aus dem Wesen der Sache ergibt.

(Zuruf des Abg. Dr. Weber [Koblenz].)

— Nein, Herr Kollege Weber, Sie irren sich; bei der Wehrverfassung 1956 sind die Fraktionen und Parteien initiativ geworden, und zwar die Sozialdemokratie zuerst, ehe wir nachher in den Ausschuß gegangen sind.

(Abg. Erler: Es gab ja gar keine Regierungsvorlage!)

Ich bin der letzte, der die Bedeutung der Ausschußarbeit unterschätzt.
Wir werden diese Dinge selbstverständlich eines Tages im Rechtsausschuß rechtspolitisch und rechtstechnisch behandeln müssen. Aber denken Sie doch einmal, welch ein Widerspruch: Die Regierung entwickelt ihre Vorlage einseitig, monatelang als strengste Geheimsache, so geheim, daß nicht einmal Ihre Fraktion als die die Regierung tragende Fraktion diese Vorlage gekannt hat, bevor sie veröffentlicht wurde.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das ist doch geradezu eine Herabsetzung des Bundestages und auch eine Geringschätzung der Minderheit im Bundestag. Der Bundestag soll dann an eine hochpolitische Frage, über die man erst einmal politisch miteinander verhandeln muß, im Wege einer Ausschußberatung herangehen. Erst wird eine Generalaussprache abgehalten und dann der § 1 aufgerufen. Jedes Wort wird stenographiert und wird unter Umständen auch mit Recht in der gegenseitigen Agitation ausgenutzt. Das ist etwas, was aus dem Wesen der Sache heraus nicht geht; denn was hier am Anfang stehen muß, das sind politische Verhandlungen.
Ich glaube, daß ich nicht zu weit gehe und daß ich nicht indiskret bin, wenn ich eines von den angelaufenen, aber versackten Verhandlungen, auf die ich noch in anderem Zusammenhang zu sprechen kommen werde, sage, daß wir uns nämlich — es ist eine bare Selbstverständlichkeit — ausdrücklich einig waren, daß kein Wort aus diesen Gesprächen je in der Öffentlichkeit von einer Seite gegen die andere Seite oder von der anderen Seite gegen die eine Seite verwendet werden dürfe. Denn man muß Gespräche, hochpolitische Verhandlungen, in offenem Vertrauen miteinander führen können. Das ist nicht Sache des Ausschusses und ist auch in elf Jahren Bundestag noch nie Sache des Ausschusses gewesen.
Es fällt mir noch etwas ein, was ich dazwischenflicken muß. Herr Kollege Kanka, Sie haben die Rede des Herrn Präsidenten Dr. Katz weidlich ausgeschlachtet. Ich darf dazu eines sagen — ich bedaure es, das vor der Öffentlichkeit tun zu müssen, aber Sie zwingen mich dazu —: Nach meiner Ansicht sollte ein Mann in der Position des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts nicht unvorbereitet „aus dem Stegreif" Reden über eine hochpolitische Frage halten.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Aber was nicht fair von Ihnen war, Herr Kollege Kanka: Sie haben verschwiegen, daß Herr Präsident Katz nachträglich einen besser überlegten Aufsatz veröffentlicht hat, worin er sich nachdrücklich gegen den Mißbrauch verwahrt, den man mit seiner Stegreifrede getrieben hat. Diesen Mißbrauch haben auch Sie getrieben. So können wir nicht miteinander reden. Es geht einem einmal das Temperament durch, und das muß man auch bei Herrn Präsident Katz anerkennen. Er war in dieser Versammlung, und da hat er das gesagt, was ihm im Augenblick gerade einfiel. Man sollte, da selbst Homer zuweilen geschlafen haben soll, das auch einem hohen Richter nachsehen und aus dem, was er gesagt hat, nachher nicht eine Art Bibel machen: daß der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts schon — Roma locuta — alles Notwendige über das Notstandsrecht gesagt habe.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Er hat es uns ja nachträglich persönlich zugeschickt!)

— Nein, das ist von anderer Stelle versandt worden.

(Abg. Dr, Kanka: Doch, er hat es uns mit seiner eigenhändigen Unterschrift gewidmet!)

— Gut, das mag auch noch ein Einfall gewesen sein, dier nicht glücklich war.

(Heiterkeit.)

Ich halte es für notwendig, daß man über eine Sache wie diese zunächst einmal politische Grundlagenverhandlungen führt. Meine Partei und Fraktion ist — darauf muß ich wegen gewisser Gerüchte, die immer so ausgestreut werden, hinweisen — seit jeher dazu bereit gewesen. Als der Herr Bundesinnenminister vor etwa zwei Jahren seine auch wenig glückliche Rede zu dieser Frage vor Polizeibeamten hielt, kam natürlich an die deutsche Sozialdemokratie die Frage heran, wie sie sich dazu stellt. Ich habe damals in dem offiziösen Organ meiner Partei, dem „Vorwärts" —den Sie ja sonst sehr genau lesen, auch auf Leserzuschriften hin, wobei von den Lesern oft nicht einmal sicher ist, ob sie überhaupt meiner Partei angehören —, einen Artikel veröffentlicht, den Sie ruhig als einen offiziösen betrachten können und der es auch ist; denn er ist nach Rücksprache mit dem engeren Kreis meiner dafür zuständigen Freunde verfaßt worden. Ich darf Ihnen aus dem zwei Jahre zurückliegenden Artikel, wiederum mit der freundlichen Erlaubnis des Herrn Präsidenten, einiges ins Gedächtnis zurückrufen oder, falls Sie ihn damals nicht gelesen haben, mitteilen. Ich habe unter der Überschrift „Zur Frage der Notstandsrechte" unter anderem ausgeführt:



Dr. Arndt
Die zweite Frage, die sich erhebt, ist die, ob unabhängig von den Vorbehaltsrechten der Alliierten eine aus deutscher Sicht vorzunehmende Überprüfung des im Jahre 1949 beschlossenen Grundgesetzes es in unserem eigenen Interesse angezeigt erscheinen läßt, die Notstandsbefugnisse aus der Verfassung zu erweitern, um die Sicherheit des freiheitlich-demokratischen Staatswesens im Falle einer Gefahr zu gewährleisten. Alle Demokraten haben ein gemeinsames Lebensinteresse daran, den Bestand des freiheitlichen Staates zu sichern. Eine vorausschauende und verantwortliche Verfassungspolitik wird darauf Bedacht nehmen müssen, sowohl daß die Befugnisse der Verfassungsorgane sich im Notfall nicht als unzulänglich erweisen, als auch daß keine übermäßige Spannung zwischen dem Verfassungsrecht und der Verfassungswirklichkeit entsteht.
Unter diesem Gesichtspunkt heißt es dann ausdrücklich:
Die Sozialdemokratie kann sich der Aufgabe nicht verschließen, diese schwierige und weittragende Problematik immer von neuem verantwortungsbewußt zu durchdenken und zu ernsthaften Gesprächen darüber bereit zu sein.
Nun, das war eigentlich deutlich genug. Es heißt an anderer Stelle noch einmal:
Das gemeinsame Interesse daran, die Überaus bedenklichen Vorbehaltsrechte der Alliierten zum Erlöschen zu bringen, wird hierbei jedoch nicht außer acht gelassen werden dürfen. Allein die Möglichkeit, daß andere Staaten noch derartige Befugnisse in der Bundesrepublik Deutschland beanspruchen, ist nicht nur eine ständige Beeinträchtigung unserer politischen Entscheidungsfreiheit, sondern könnte sich sogar zu einer Gefährdung unserer Sicherheit auswachsen, falls die Alliierten zur falschen Zeit oder in falscher Weise von diesen Sonderrechten, die unsere Verfassungsordnung überlagern, Gebrauch machen.
Dann kommt der sehr wichtige Satz — mehr will ich nicht zitieren —:
Eine gemeinsame Aufgabe läßt sich auch nur gemeinsam anfangen. Der Anfang beginnt bereits bei der Fragestellung. Weil nur der Verfassunggeber an eine solche Aufgabe herangehen, sie prüfen und erforderlichenfalls lösen kann, müßten sich vorweg alle politischen Kräfte untereinander verständigen, ,die in der Lage sind, sich nach Maßgabe des Grundgesetzes als verfassungsändernde Gewalt zu konstituieren.
Nun, das liegt zwei Jahre zurück. Ich könnte aus meiner Mappe eine Fülle von Erklärungen vor dem Rundfunk holen und auch noch vorlesen, die mein Kollege Menzel abgegeben hat, die Erler abgegeben hat, die ich abgegeben habe, wo immer wieder die Bereitschaft zu Gesprächen vor Millionen und aber Millionen von Hörern erklärt worden ist. Wir haben nach meinem Artikel vom 21. November 1958 einen Monat gewartet, zwei Monate, drei Monate, sechs Monate, zwölf Monate, dreizehn Monate. Ich glaube, dreizehn Monate beträgt die Trächtigkeitszeit eines Elefanten.

(Heiterkeit.)

Dann ist, was wir sehr begrüßt haben, im dreizehnten Monat der Herr Kollege Hoogen im Namen Ihrer Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion, an uns herangetreten, ob wir in der Weise, wie ich sie vorhin nannte, Gespräche miteinander führen wollten. Das ist durch einen einstimmigen Beschluß des Parteivorstandes und einen einstimmigen Beschluß des Fraktionsvorstandes der Sozialdemokratie in positivem Sinne begrüßt worden. Wir haben zu diesen Gesprächen bereitgestanden, Tag für Tag. Aber wer bis auf dreimal, wo Herr Kollege Hoogen kam — der andere Herr, den Sie benannt haben, Herr Winter, ist überhaupt niemals gekommen —, nicht gekommen ist, das waren Sie! Deshalb, Herr Kollege Kanka, finde ich es nicht richtig, wenn Sie hier Ihre Rede mit dem Ausruf schließen „Arbeiten Sie mit". Wer ist denn im Verzuge? Wer hat denn die Gespräche nicht fortgeführt?

(Beifall bei der SPD.)

Wir oder Ihre Fraktion? Wer hat es bisher an dem Willen oder der Bereitschaft zur Zusammenarbeit fehlen lassen? Sie oder wir? Das mögen Sie einmal ganz genau überlegen. Deshalb verbitte ich mir solche Aufforderungen „Arbeiten Sie mit", wenn Sie uns dauernd warten lassen, wenn Sie zwei Jahre lang auf unsere Bereitschaft zu Gesprächen überhaupt nicht reagieren. Und dann stellen Sie sich hier noch hin und sagen „Arbeiten Sie mit".

(Beifall bei der SPD.)

Wie sieht es aber mit dieser Mitarbeit aus? Ich habe heute morgen ein Wort des Herrn Bundesinnenministers gehört, das hat mich weiß Gott tief erschreckt. Da hat nämlich der Herr Bundesinnenminister gesagt — ich habe Anlaß zu glauben, daß er gewisse Vorstellungen der Sozialdemokratie ziemlich genau kennt —, diese Regierungsvorlage sei in ihren Prinzipien unverzichtbar, über Nuancen könne man reden. Das ist geradezu ultimativ! Das erweckt geradezu den Argwohn — dazu sollten Sie sich erklären, Herr Bundesinnenminister, deshalb frage ich Sie das; denn ich kann es nicht glauben, ich will es nicht glauben —, daß Sie diese Vorlage nur in der Erwartung machen, daß sie nicht zum Ziele führt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich muß diese Frage stellen, weil eine immerhin Ihrer Regierung doch ganz freundlich gesonnene Zeitung wie die „Frankfurter Allgemeine" vor ein paar Tagen dazu ausgeführt hat, daß sich schon heute, falls das Notstandsgesetz am Nein der Sozialdemokraten scheitern würde, voraussagen ließe, daß dies die Regierungspartei im Wahlkampf weidlich ausnutzen würde.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Ich frage Sie: Geht es hier darum, daß wir eine
gemeinsame Aufgabe der deutschen Demokratie gemeinsam anfangen und durch politische Verhand-



Dr. Arndt
lungen die Grundlagen legen, oder geht es um Giftgas für den Wahlkampf? Das möchte ich wissen.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe.)

— Dieser Frage werden Sie (zum Bundesinnenminister) nicht ausweichen können, und Sie von der CDU/CSU auch nicht! Denn es kann nicht so sein, daß man uns die Vorlage macht und sagt: „Sie ist in den Grundsätzen unverzichtbar!", obwohl Sie wissen, daß nicht einmal der Bundesrat dafür zu gewinnen wäre, und obgleich Sie ich will mich da gar nicht auf die verschiedenen Pressemeldungen stützen — Ihre eigene Fraktion vor vollendete Tatsachen gestellt haben, die sich wahrscheinlich auch noch gar keinen politischen Willen im Grundsätzlichen gebildet hat.
Das ist der Grund, warum wir den Antrag stellen, man solle alsbald mit den unterbrochenen politischen Verhandlungen beginnen. Das ist nicht irgendwie eine Geringschätzung oder Herabsetzung des Rechtsausschusses. Wer mit der Geschäftslage im Rechtsausschuß nicht vertraut ist, mag sich einmal dessen Terminkalender ansehen und feststellen, welche Vorlagen in dem Ausschuß bereits anstehen, dann weiß er, daß das gar kein geeignetes Gremium ist, von allem Übrigen abgesehen, um zu versuchen, das politisch Prinzipielle, um das politisch Fundamentale, wie es für meine Fraktion mein Freund Schäfer entwickelt hat, zunächst einmal im offenen Gespräch miteinander festzulegen.
Das, worum es geht, ist, daß man das alsbald miteinander beredet, und zwar in vertraulicher Weise, wobei man sich nicht zu scheuen braucht, das, was wir vielleicht und hoffentlich gemeinsam beschließen könnten, auch vor der Öffentlichkeit voll zu vertreten. Wenn Sie das in den Ausschuß verweisen, wissen Sie ganz genau, daß Monate darüber hingehen; und dann kommen Sie in die Nähe des Wahlkampfes. Ich weiß nicht, ob Sie das beabsichtigen. Dazu sollten Sie sich klar erklären.
Was wir hier vorschlagen, ist also keine Verzögerung; ,das ist das Gegenteil davon. Bitte, benennen Sie Ihre wirklich bevollmächtigte Verhandlungsdelegation — bei uns ist die Sache klar —, dann werden wir die politischen Prinzipien miteinander bereden können.
Dabei will ich aber keinen Zweifel lassen — das hat Herr Kollege Bucher und das hat mein Parteifreund Friedrich Schäfer schon getan —, daß wir uns auf die Basis, die Ausnahmesituation sei die Stunde der Exekutive, nicht einlassen können. Wenn es auch eine Wiederholung ist, so will ich es doch nochmals sagen, daß die Ausnahmesituation nicht nur die Stunde des Parlaments ist, sondern — ich gehe weiter als mein Freund Schäfer — es ist die Stunde der Gemeinsamkeit aller demokratischen Kräfte und ihrer Repräsentation durch das Parlament.

(Beifall bei der SPD und FDP.)

Wenn wir eine Frage zu prüfen haben, so ist es die, ob und wie es gelingen könnte, gerade das Parlament als Ausdruck aller politischen Kräfte für die Stunde der Gefahren aktionsfähig zu machen.
Soweit es aber — das müssen wir auch sehen — eine Stunde der Exekutive sein könnte — und sicher wird die Exekutive an einer Bewältigung des Notstandes sehr beteiligt sein —, ist die Ausnahmesituation — das muß ich als ein weiteres hinzufügen — eine Stunde der Überparteilichkeit der Exekutive.

(Beifall bei der SPD.)

Der von Ihnen heraufbeschworene überparteiliche Geist, Herr Bundesinnenminister, muß sich auch im Institutionellen äußern, nämlich darin, daß dann für die Ausnahmelage die Exekutive nicht angelegt ist auf einseitige Parteiherrschaft und auch nicht, Herr Kanka, angelegt ist auf die Diktatur der vermeintlich Guten als Minderheit über die Mehrheit der Bösen, sondern daß die Institutionen, die man braucht, angelegt sein müssen auf eine Exekutive, die überparteilich das Ganze repräsentiert.

(Beifall bei der SPD.)

Es wird also an Ihnen sein, sich darüber zu äußern und glaubhaft zu machen, daß es sich hier nicht um Wahlparolen handelt, wobei Sie sich übrigens darauf verlassen können, daß, wenn es — was ich nicht hoffe — hier um Wahlparolen ginge, wir diesmal sehr aggressiv darauf zu antworten in der Lage sind, sondern daß es wirklich um die gemeinsame Aufgabe geht. Da muß man aber objektiv miteinander reden, mit der Regierung und die Parteien untereinander; da geht es nicht um Einzelheiten, da geht es um die Fundamente und Prinzipien, und da muß man das gemeinsam tun. Da handelt es sich um die Frage: welche Lösung kann man finden, damit alle demokratischen Gruppen in diesem Volke zustimmen? Hier ist unser Angebot vor dem Plenum des Bundestages und angesichts der Öffentlichkeit, und dazu mögen Sie sich erklären.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312416800
Das Wort hat der Abgeordnete Werber.

Dr. Friedrich Werber (CDU):
Rede ID: ID0312416900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Leidenschaft gehört zur Politik. Die Leidenschaft ist in der Politik zu Hause, und die Leidenschaft braucht kein schlechtes Stück in der Politik zu sein. Sie kann entzweien, das ist richtig. Aber sie kann auch klären, und diese Leidenschaft wird nach meiner Meinung sogar ein edles Gefühl, wenn sie sich zu einer Leidenschaft des Gewissens entwickelt. Die Vorlagen, die heute dem Hohen Hause durch die Bundesregierung unterbreitet worden sind, sind nach meiner Meinung sehr geeignet, Gefühle der Leidenschaft des Gewissens zu erwecken. Ich darf vielleicht aus meiner Beobachtung der heutigen Debatte einmal sagen, daß ich es keinem der Redner, keinem, absprechen möchte, daß er aus diesem edlen Gefühl der Leidenschaft des Gewissens gesprochen hat. Ich bin dafür sehr dankbar. In dieser Stunde - ich meine, es wäre vorhin das Wort „denkwürdig" gefallen; sei es, wie es sei — ist es notwendig, aus dieser Leidenschaft des Gewissens zu einer Lösung zu kommen.



Dr. Werber
Wir nehmen die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schäfer, in denen er gesagt hat er nehme mir das nicht übel, daß ich das sage —, daß die Regierungsvorlage keine Diskussionsgrundlage für die SPD sei, nicht ganz ernst. Wir möchten sie vielmehr noch mit den Ausführungen, die jetzt der Herr Kollege Arndt gemacht hat, verbunden haben, und wir möchten annehmen, daß es doch noch eine Basis gibt, auf der wir über die für unser Volk so wichtige Frage miteinander sprechen können. Wenn ich daran Kritik übe, geschieht das nicht nur aus dem Willen zur Polemik. Aber, Herr Kollege Arndt und Herr Kollege Schäfer, es wäre mir in der Schwierigkeit der Situation, in der wir uns auch zeitpunktmäßig befinden, natürlich noch lieber gewesen, wenn noch mehr zur Sache, als lediglich zur Prozedur, gesprochen worden wäre.

(Abg. Jahn [Marburg] : Nach Dr. Kanka haben wir doch Schönwetter!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312417000
Herr Abgeordneter Dr. Werber, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?

Dr. Friedrich Werber (CDU):
Rede ID: ID0312417100
Ja.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312417200
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0312417300
Herr Kollege Werber, es kann Ihnen doch nicht entgangen sein, daß ich ausführte, der von der Regierung vorgelegte Entwurf sei keine Diskussionsgrundlage. Zur Materie selbst haben mein Freund Arndt und ich uns recht deutlich und unmißverständlich geäußert. Das kann Ihnen wirklich nicht entgangen sein.

Dr. Friedrich Werber (CDU):
Rede ID: ID0312417400
Herr Kollege Schäfer, es ist nicht notwendig, daß Sie mir das so leidenschaftlich sagen. Ich habe es gar nicht anders aufgefaßt. Ich bin selbstverständlich der Auffassung, daß wir heute über die Vorlage der Regierung diskutieren; aber ich bin der Meinung, — und ich habe es eigentlich positiv gemeint , daß auch nach Ihren Ausführungen und den Ergänzungen des Herrn Kollegen Arndt doch immer noch so ein kleiner Silberstreifen der Hoffnung bleibt, daß man miteinander reden kann.

(Abg. Dr. Schäfer: Das liegt an Ihnen!)

Ich benutze diese Gelegenheit, wenigstens für meine Person dem Herrn Kollegen Bucher zu danken. Ich bin der Auffassung, daß die Form, in der er hier über diese ernste Frage gesprochen hat, es uns ermöglichen wird, im Ausschuß sehr eingehend mit ihm zu diskutieren. Nach den Ausführungen der Redner der SPD hätte man meinen können, daß wir sozusagen Schritt gefaßt hätten hinter der Vorlage der Bundesregierung. Das Problem ist aber so schwierig und so ernst — auch aus unseren eigenen Reihen liegen Änderungsvorschläge vor —, daß ich eine fruchtbare Basis für die Ausschußberatungen, die nicht verzögert werden dürfen, erkennen möchte.
Zunächst etwas allgemein zur Regierungsvorlage! Der Herr Bundesinnenminister hat vom Zeitpunkt gesprochen, und der Herr Kollege Kanka hat gemeint, es wäre eine Schönwetterlage, in der diese Vorlage zur Behandlung kommt. Möge er in allem recht haben! Es ist kein Zweifel, daß diese Vorlage in ruhigen Zeiten ohne jene Panikstimmung hier beraten werden kann, daß sich aber gleichzeitig doch viele Wolken am internationalen Horizont zeigen, die uns schon zu der Frage veranlassen, ob es nicht gut gewesen wäre, die Vorlage noch früher in das Hohe Haus zu bringen. Die Regierung kann mit Recht darauf hinweisen, daß viele Arbeiten in der Vergangenheit so dringend waren und daß es infolgedessen nicht möglich war, die Vorlage früher einzubringen. Es kommt jetzt darauf an — da gebe ich dem Kollegen Arndt recht, wenn auch nicht in der Prozedur —, die Dinge gründlich und rasch zu beraten und den Versuch zu machen, auf einer gemeinsamen Ebene zu einem Abschluß zu kommen.
Auch ist die Frage wichtig, in welche Zeit — strukturell ,gemeint und 'allgemein gesagt — eigentlich diese wichtige und doch sehr einschneidende Gesetzgebung fällt. Ich gehöre zu den Mitgliedern des Hohen Hauses — und das wenden wohl die meisten sein —, die in die Lage gesetzt werden, unfreiwillige Empfänger ostzonaler Zeitungen, der wahrscheinlich von uns allen verabscheuten Ulbricht-Presse, zu se in. Aber es ist nicht uninteressant, diese Presse zu lesen, und Sie werden feststellen, daß gerade diese Gesetzgebung in den letzten Monaten ein Gegenstand besonderer häßlicher Angriffe gewesen ist. Man hat erklärt, daß die Gesetzgebung, die die Bundesregierung auf diesem Gebiet vorgelegt hat, nichts anderes sei als eine Unterstützung des „revanchelustigen Diktatursystems von Konrad Adenauer".
Ich bin sehr froh, daß man es auch in den Andeutungen der Opposition von vornherein abgelehnt hat, sich auf eine solche Basis zu begeben. Es besteht aber kein Zweifel daran und muß hier zum Ausdruck gebracht werden, daß die Dinge von drüben in einer solchen Verzerrung gesehen werden, so daß wir uns schützend vor die Bundesregierung stellen müssen, die nichts anderes tut als das Allernotwendigste, was gegeben sein muß, um die Sicherheit der Bundesrepublik unid die demokratische Ordnung zu gewährleisten.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Eine andere Frage, die in diesem Zusammenhang auftaucht, ist natürlich das Problem, in welche strukturelle allgemeine Lage diese Gesetzgebung hineinkommt. Man kann die Frage aufwerfen — wenn man in die Bevölkerung geht —, ob ein Notstandsgesetz im Augenblick in der Bevölkerung auf das notwendige Verständnis stößt. Unsere Wirtschaft kann man ohne Übertreibung als blühend bezeichnen. Die Konjunktur ist sehr hoch, und man kann sogar sagen, sie überschlägt sich in einzelnen Branchen. Der Stand der einschlägigen sozialen Gesetzgebung ist ,durchaus zufriedenstellend, wenn wir auch noch weiter an der Verbesserung für die breiten Schichten der Bevölke-



Dr. Werber
rung arbeiten müssen. Der Wohnungsbau hat in den letzten Jahren stolze Erfolge erzielt. Unsere Städte sehen prachtvoll wiederaufgebaut aus, wenn auch noch Lücken da sind. Ich erinnere an die Großstädte, ich erinnere an die Sportstätten, die errichtet worden sind, an die Schwimmbäder, an die Theater. Wir gehen in der Bundesrepublik dazu über zu versuchen, das neunte und zehnte Schuljahr zu realisieren, um auch unserer Jugend ein besseres Fundament zu geben. Unsere Menschen verbringen die notwendige Erholungszeit darüber sind wir froh, schon wegen ides weiten Blickes, den sie dadurch bekommen — nicht nur im Inland, sondern Lauch im Ausland. Wir befinden uns an den Gestaden der Nordsee, wir befinden uns im Süden. Der Personenkraftverkehr, der Lastkraftverkehr vermehrt sich.

(Lachen bei der SPD.)

— Man mag über die Dinge denken, wie man will; aber es ist sicher, daß auch unser Verkehrswesen große Fortschritte gemacht hat.
Bei dieser Gesamtlage könnte ich mir vorstellen, daß die Bevölkerung sagt: Wo ist die Not? Aus welchem Grund eine Notgesetzgebung? Und doch muß man die Bevölkerung auf den Ernst der Gesamtlage aufmerksam machen.
Die Opposition hat in ihren Ausführungen bei der Besprechung der Notstandsgesetze auf die Vorgänge der Weimarer Republik hingewiesen. Ich halte ets nicht für unrichtig, und ich möchte es nicht ablehnen, daß in diesem Haus auch die Parallelen gezogen werden zu den Vorgängen, die sich in den Jahren bis 1933 auf der Basis des Art. 48 der Weimarer Verfassung abgespielt haben. Es ist schon so, daß der Art. 48 der Weimarer Verfassung mißbraucht worden ist und daß er mit dazu beigetragen hat, das nationalsozialistische System zu konsolidieren und auszubauen.
Meine Damen und Herren, ich wende mich jetzt an die Opposition zur Linken. Wenn wir die Dinge geschichtlich richtig betrachten und uns jener Zeit, sofern es nach dem Lebensalter möglich ist, zurückerinnern, müssen wir feststellen, daß die Dinge, die zur mißbräuchlichen Anwendung des Art. 48 geführt haben, nicht so ganz von ungefähr gekommen sind. Es hat einmal einen Mai des Jahres 1930 gegeben. In diesem Mai des Jahres 1930 war Ihr damaliger Parteifreund Müller (Franken) Reichskanzler. Im Mai 1930 ist seine Koalition geplatzt, weil man sich nicht über ein halbes Prozent Beitrag zur Arbeitslosenversicherung einigen konnte. Ich will das nicht verkleinern, denn in jener Zeit gab es Millionen von Arbeitslosen. Aber aus jener Entscheidung kam dann die Anwendung des Art. 48 der Weimarer Verfassung mit den Notverordnungen. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn man das Rad der Geschichte noch einmal zurückdrehen könnte, würden auch Ihre Freunde die Entschlüsse nicht mehr fassen, die damals gefaßt worden sind und über die Müller (Franken) später gestorben ist, nachdem er die Entwicklung sah, die diese Entschlüsse hervorgerufen haben.
Warum sage ich das? Nicht um irgendwelche bitteren Gefühle zu erwecken! Wir sind allzumal Sünder. Ich weiß sehr wohl, was das Ermächtigungsgesetz war. Ich weiß sehr wohl, daß viele, die damals dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt haben, es nachher bitter bereut und die Folgen am eigenen Leibe gespürt haben. Aber wenn wir diese Gesamtsituation erkennen, dann dürfte es uns doch nicht so sehr schwer sein, eine Basis zu finden, auf der wir eine Lösung erarbeiten, mit der wir vor der Zukunft, mag sie bringen was sie will, bestehen können.
Nun, meine Damen und Herren, darf ich folgendes dazu sagen. Ich gehöre zu denjenigen, die regelmäßig die „Wochenzeitung der Juden" lesen, die von dem von mir sehr geschätzten Verleger Marx in Düsseldorf herausgegeben wird. Ich habe in dieser Zeitschrift immer mit Interesse die Entwicklung des jungen Staates Israel verfolgt — ich selbst habe nicht die Ehre gehabt, im Staate Israel zu sein; aber man kann sich ja auch aus Literatur und aus Zeitungen ein Bild machen —, und ich muß eigentlich sagen: ich bewundere dieses junge Land, wie es seine Kräfte und seine Menschen zusammenfaßt. Es befindet sich ja auch in schwieriger Lage, und es hat mehr Gegner um sich herum, als ihm lieb ist, und zwar Gegner, die nicht immer vornehm in der Wahl ihrer Mittel sind. Wie in diesem jungen Land — das wird mir doch gerade von jenen bestätigt werden, die aus dem deutschen Volke die Ehre gehabt haben, schon drüben zu sein — die Kräfte zusammengefaßt werden, wie der Notdienst der Frauen eingerichtet wird, wie alle Kräfte zusammengefaßt werden auch gegen eventuelle Schwierigkeiten, die sich gegen diesen Staat von außen und innen ergeben, das ist doch ein rühmenswertes Bild, und ich benutze diese Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen, daß das auch für uns ein Vorbild sein sollte, in diesen großen Fragen, die alle angehen und von denen auch Herr Arndt gesprochen hat, uns zu finden.
Nun etwas zur Praxis dieser Gesetzgebung, so wie sie von der Bundesregierung vorgelegt ist. Wir sind weit davon entfernt — und möchten das hier zum Ausdruck bringen —, daß wir etwa alle Artikel und alle Paragraphen, die in diesem Notrecht enthalten sind, sozusagen unbesehen zu unserem eigenen Denken machen würden. Aber wir danken der Bundesregierung und wir danken ihrem Minister, daß er trotz der Bundestagswahl in einem Jahr und der daraus resultierenden Schwierigkeiten den Mut gefunden hat, mit dieser schwierigen und einschneidenden Gesetzgebung vor dieses Hohe Haus zu treten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Bundesrat hat eine Reihe von Änderungsvorschlägen gemacht. Einer dieser Vorschläge bezieht sich auf den Notstandsausschuß. Ich möchte hier ausdrücklich sagen: Es ist uns sehr wohl bekannt, daß Ministerpräsidenten oder Innenminister der CDU an diesen Anträgen mitgearbeitet haben, und wir sehen darin auch ein Beispiel eines Entgegenkommens und einer Mitarbeit positiver Art, die Sie honorieren sollten, Herr Arndt.



Dr. Werber
Ich bin auch nicht derjenige, der von vornherein etwa sagen würde: „Dieser Notstandsausschuß, wie ihn der Bundesrat vorgeschlagen hat, ist für uns unannehmbar", obwohl ich der Meinung bin, daß, wenn elf Mitglieder dieses Notstandsausschusses frei gewählte Abgeordnete sind, der Bundesrat natürlich nicht erwarten kann, daß elf andere Mitglieder dieses Ausschusses etwa Beamte sind. Das ist eine Basis, die für uns nicht annehmbar ist.

(Abg. Jahn [Marburg] : Vermittlungsausschuß!)

— Ich danke Ihnen für den Zwischenruf. Der Vermittlungsausschuß ist deswegen nicht ohne weiteres mit dem „Notstandsausschuß" vergleichbar, Herr Kollege Jahn, weil der Vermittlungsausschuß nicht endgültig beschließt — Bundestag und Bundesrat beschließen —, während der Vorschlag des Bundesrates eigentlich will, daß der Notstandsausschuß beschließt. Das ist doch ein wesentlicher Unterschied.
Nun möchte ich ein heißes Eisen berühren und auf ein Thema eingehen, das Sie, Herr Kollege Arndt — von Ihrem Standpunkt aus selbstverständlich mit Begründung — hier vorgetragen haben. Das ist die Bestimmung in dem Entwurf der Grundgesetzänderung, die den Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes und damit die Gewerkschaften tangiert.
Dazu eine ganz klare Stellungnahme! Ich für meine Person halte den Änderungsantrag, den der Bundesrat zu dieser Frage gestellt hat, durchaus für eine Grundlage, über die man diskutieren kann und stehe auf dem Standpunkt, daß diese Notgesetzgebung in keiner Weise an die Freiheit der Sozialpartner rütteln darf. Wenn ich aber diese Erklärung hier abgebe — und bei der Arbeit im Ausschuß werden Sie erkennen, daß wir in diesen Dingen sehr aufgeschlossen mit Ihnen sprechen werden —, dann darf ich doch auch einer anderen Sorge Ausdruck geben. Ich will nicht die berühmte Frage der „Unterwanderung" hier vorbringen. Ich bin mir völlig klar darüber, daß jenes Regime, das wir aile verurteilen, nach allen Seiten zu unterwandern sucht. Es wäre eine einseitige Betrachtung, etwa anzunehmen, daß der Kreml nur nach einer Seite unterwandert. Diese Unterwanderung mit den Tausenden von Agenten ist leider eine Erscheinung, die für unseren Verfassungsschutz eine schwere Aufgabe der Gegenwart und der Zukunft bildet. Ich muß etwas ganz anderes sagen: Wir sind von Schmerz erfüllt, Herr Kollege Arndt, wenn wir gewisse Entwicklungen im DGB sehen. Wir haben in diesem Hohen Hause — wie ich sehe, sind die Herren sogar im Saal — zwei Abgeordnete der CDU, alte Gewerkschaftler, Männer, die auch hauptberuflich in der Gewerkschaft tätig sind, Männer, die ein ganzes Leben auf dem Gebiet der Arbeiterwohlfahrt oder der Gewerkschaft gearbeitet haben, die es angeht. Diese Männer haben in Anwendung des Grundgesetzes, das ihnen die absolute Gewissensfreiheit garantiert, bei Abstimmungen im Bundestag über eine bestimmte Gesetzgebung, auf die ich jetzt nicht näher eingehen will, dieselbe Haltung eingenommen wie ihre Fraktion. Die Fraktion hatte sie nicht in irgendeiner Weise darauf festgelegt, sondern es war ihre eigene Entscheidung. Was ist geschehen? In den entsprechenden Delegiertenversammlungen im Deutschen Gewerkschaftsbund wurde Antrag auf Ausschluß dieser Männer gestellt, weil sie im Bundestag eine bestimmte Entscheidung mitgefällt hatten.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, es gibt Pannen, und ich denke ,gar nicht daran, die SPD-Fraktion dafür verantwortlich zu machen. Aber Sie müssen doch Verständnis dafür haben, wenn wir uns sagen, da müssen doch radikale Strömungen sein,

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

daß man in einer Gewerkschaftsdelegiertenversammlung Männer deswegen ausschließen will, weil sie hier im Bundestag von ihrem verfassungsmäßig garantierten Recht Gebrauch gemacht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD. — Abg. Erler meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312417500
Herr Abgeordneter Dr. Werber, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erler? — Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0312417600
Herr Abgeordneter Werber, sind Sie der Meinung, daß .es ähnlich radikale Strömungen gewesen sind, die seinerzeit den Kollegen Dr. Dresbach wegen seiner Stellungnahme zu gewissen Steuerfragen in die Lage gebracht haben, durch Intervention einflußreicher Industriekräfte aus einer Stellung verdrängt zu werden?

Dr. Friedrich Werber (CDU):
Rede ID: ID0312417700
Ich denke, daß Herr Dr. Dresbach darauf gern antworten wird. Ich verteidige jedenfalls nichts, von welcher Seite es auch kommen mag.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Es handelte sich bei diesen Männern nicht nur um eine Mitgliedschaft beim DGB, sondern darum, daß man ihnen ans Brotgehen wollte; so weit ist man gegangen. Die Männer arbeiten nämlich in der Gewerkschaft hauptberuflich.

(Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Arndt meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312417800
Herr Abgeordneter Dr. Werber, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Friedrich Werber (CDU):
Rede ID: ID0312417900
Nein, nachher am Schluß!

(Lachen und Zurufe bei der SPD.)

Ich möchte erst meinen Gedankengang zu Ende führen.

(Zuruf von der SPD: Was hat das damit zu tun?)

— Das hat sehr viel mit der Sache zu tun. Ich will, daß Sie nicht etwa sagen: Auf diesem Umweg will er also den Notstandparagraphen für die Gewerkschaften begründen. Ich habe Ihnen ganz deutlich erklärt, daß sich meine Freunde mit der Abänderung, die der Bundesrat vorgenommen hat, sehr



Dr. Werber
genau beschäftigen werden. Wir werden im Ausschuß darüber Erklärungen abgeben. Wir sind in dieser Sache 'aufgeschlossen; denn wir hüten die Freiheit, auch die Freiheit der Sozialpartner. Sie dürfen uns aber nicht übelnehmen, daß wir, wenn sich solche Vorgänge unter den Augen der Öffentlichkeit und der Presse abgespielt haben, die Gelegenheit benutzen, das hier vor dem Hohen Hause einmal zu sagen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312418000
Herr Abgeordneter Werber, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt?

Dr. Friedrich Werber (CDU):
Rede ID: ID0312418100
Ja.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0312418200
Herr Kollege Werber, können Sie sich nicht vorstellen, daß ein Abgeordneter, der durchaus als Demokrat handelt und seinem Gewissen folgt und der Ihrer Fraktion angehört, sich durch sein Verhalten und seine Abstimmung im Bundestag außerhalb der Grundsätze der CDU/CSU stellt, auch wenn er bei Ihnen hauptamtlich tätig ist? Können Sie sich nicht vorstellen, daß ein Sozialdemokrat, der hier Abgeordneter ist, auch wenn er seinem Gewissen folgt, auch wenn er demokratisch handelt, sich außerhalb der Grundsätze der Sozialdemokratie stellt? Und können Sie sich nicht vorstellen, daß ein Gewerkschaftler, der zugleich Abgeordneter ist, durch seine, seinem Gewissen folgende freie Abstimmung sich in einen solchen Widerspruch zu fundamentalen Sätzen der Gewerkschaft bringt, daß er als Gewerkschaftler nicht mehr tragbar ist? Ist das alles unvorstellbar?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Friedrich Werber (CDU):
Rede ID: ID0312418300
Man kann alles erklären und für alles Argumente finden.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Aber ich bin der Meinung, Herr Kollege Arndt, daß Sie in Ihrem innersten Herzen — es wäre besser gewesen, Sie hätten jetzt nicht dazu gesprochen — auch der Auffassung sind, daß das ein großer Mißgriff jener Delegierten des DGB gewesen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Schäfer hat auch von der Polizei gesprochen. In einem Artikel — wir haben journalistisch die Klingen gekreuzt — hat er von der Verstärkung der Polizei der Länder und von der Länderpolitik gesprochen. Ich darf sagen, daß auch wir uns darüber freuen würden, wenn die Polizei der Länder verstärkt würde, denn die Aufgaben sind groß, und es ist im Moment sehr schwer, überhaupt Polizeibeamte zu bekommen. Wir sind auch der Meinung, daß die Finanzen der Länder sich in der letzten Zeit glücklicherweise so entwickelt haben, daß hier keine unüberwindlichen Hindernisse mehr da sind. Ich darf Ihnen aber sagen, Herr Kollege Schäfer, daß uns das nicht davon entbindet, zu erkennen, daß in einer schwierigen Stunde der Not, in der die Entscheidung sofort fallen muß, eine zentrale Leitung notwendig ist. Ich habe die Ehre gehabt, sieben Jahre einer Landesregierung anzugehören, und habe mit Ihren Kollegen gut zusammengearbeitet; es waren ausgezeichnete Kollegen. Ich erinnere mich, daß in jener Zeit bei den Vorlagen der Bundesregierung Befürchtungen bei diesen Kollegen aufgetaucht sind, sie würden vielleicht von ihren eigenen Leuten nicht richtig verstanden werden; die Befürchtungen bezogen sich weniger auf die Vorlagen der Bundesregierung.
Noch eine Bemerkung zur Notdienstpflicht. Hier ist durch die Bundesregierung bzw. durch den mit der Vorlage betrauten Bundesinnenminister ein neuer Begriff eingeführt worden: der Begriff des „drohenden Verteidigungsfalles". Er ist sowohl in die Gesetzesvorlage für die Notdienstpflicht als auch in das Ergänzungsgesetz zum Leistungsgesetz aufgenommen worden.
Ich gehe hier noch einen Schritt weiter als Sie, Herr Kollege Schäfer, und sage folgendes: Wenn der Bundestag nach der Gesetzesvorlage das Recht hat, den Ausnahmezustand wieder aufzuheben, möchte ich auch für das Recht des Bundestages plädieren, den sogenannten „drohenden Verteidigungsfall" wieder aufheben zu können. Dieser drohende Verteidigungsfall hat nämlich ganz außerordentliche und einschneidende Wirkungen.

(Abg. Dr. Schäfer: Und das Recht, ihn grundsätzlich zu beschließen!)

- Ja, soweit der Bundestag eben noch in der Lage ist, diesen Beschluß zu fassen. Sie sehen, Herr Kollege Schäfer, daß es durchaus Brücken gibt, über die man gehen kann; aber es wäre doch unverantwortlich, bei dieser Gesamtlage wegen einer Schwierigkeit bei der Prozedur — ob Ausschuß oder interfraktionelle Beratung — nicht zur Sache zu kommen.
Meine Damen und Herren, über die Frauendienstpflicht wird vielleicht noch eine Kollegin von mir sprechen. Aber ich bin der Ansicht, daß das letzte Wort, was das Alter der Frauen, die herangezogen werden, anbelangt, nicht gesprochen ist. Auch hier werden wir uns im Ausschuß aufgeschlossen zeigen und werden den Versuch machen, zu einer guten Entscheidung zu kommen. Aber sicher steht fest, daß im Falle einer Not notwendig ist, daß Tausende von Frauen ausgebildet sind. Das ist unerläßlich und ist eine Voraussetzung dafür, dieses ganze Gesetzgebungswerk wirksam zu machen.
Wir sind auch nicht ohne weiteres bereit, in der Frage des Ergänzungsgesetzes zum Leistungsgesetz zu allem nur ja zu sagen. Man kann die Frage aufwerfen, ob der dort vorgesehene Bereitstellungsschein unter allen Umständen notwendig ist oder ob es nicht noch andere Wege gibt, um zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen .
Das Entscheidende bei all diesen Fragen ist jedoch, daß jetzt gehandelt wird. Wir möchten der Sozialdemokratie sagen: Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es durchaus möglich ist, diese Dinge sowohl im Rechtsausschuß als auch im Innenausschuß ausführlich und ohne Hast zu besprechen. Sie werden in uns aufgeschlossene Partner finden. Aber die Lage ist so, daß das ganze Problem sehr dringend ist. Sie haben andeutungsweise darauf hingewiesen,



Dr. Werber
meine Damen und Herren von der SPD, daß Sie, was natürlich zutrifft, die Sperrminorität haben. Diese Sperrminorität ist für Sie nicht nur eine politische Möglichkeit, sondern in ihr liegt auch eine große politische Verantwortung. Denn wir stehen letzten Endes alle einmal unter dem Urteil der Geschichte, und die Geschichte wird uns nicht danach beurteilen, wie wir als Partei in einer einzelnen Frage gestimmt haben, sondern danach, ob wir den Mut gefunden haben, gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. Es ist also nicht unsere Absicht, etwa aus einer gewissen Starrköpfigkeit heraus auf der Überweisung an den Ausschuß zu bestehen, sondern wir sehen darin eine praktische Möglichkeit, zur Arbeit an diesen Gesetzen zu kommen. Es wird sich dann herausstellen, daß viele Schwierigkeiten, die Sie sehen, gar nicht gegeben sind.
Im deutschen Volk wird sehr viel von der Freiheit gesprochen. Es wird von der Freiheit und der Verteidigung der Demokratie gesprochen, es wird von der Freiheit in Berlin gesprochen. Das sind schöne und edle Worte. Aber es ist notwendig, einmal eine Untersuchung anzustellen, wieviel tatsächlich dahinter steht. Wir müssen diese Freiheit auch unterbauen, und zwar durch Taten, die sich sehen lassen können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Chruschtschow, der heute in New York ,ist und dort das große Wort führt, gibt nichts auf Worte; wenn dagegen Taten vom Deutschen Bundestag erfolgen und hier eine Einmütigkeit erzielt wird, dann hört man das nicht nur in Ostberlin, das hört man auch in Moskau, und man sagt: Es steckt hinter dem Wort von der Freiheit und der Verteidigung auch etwas Fundiertes. Dahinter steht die Absicht, wirklich auch Opfer zu bringen, die wir der Bevölkerung im Interesse der Freiheit und der Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung auferlegen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312418400
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0312418500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein weiter, wenn auch zeitlich nur kurzer Weg von dem selbstverantwortlichen Staatsbürger, wie ihn unser Grundgesetz vorsieht, zu dem zum Notdienst kommandierten Untertanen nach dem Gesetzentwurf des Herrn Innenministers. Meine Damen und Herren, wenn Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung die Grundlagen einer freiheitlichen Ordnung sind, dann ist der vorliegende Gesetzentwurf genau das Gegenteil der Ordnung, die das Grundgesetz will und die wir in diesem Hause vertreten und von der der Herr Kollege Dr. Werber soeben in beredten Worten gesprochen hat. Meine Damen und Herren, man erhält die Freiheit nicht dadurch, daß man die Freiheit abschafft.

(Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

Ein Gesetz, das dem Schutz der Heimat, der Selbsterhaltung eines Volkes dienen soll, muß vom Vertrauen der Bevölkerung getragen werden. Der
Appell an die freiwillige Mitarbeit, eine sorgfältige Planung und Beratung, bei der Länder, Parteien und Verbände mitwirken müssen, wären der erste Schritt zu diesem Ziel gewesen.
Leider ist die Bundesregierung in ihrem Verhalten diesem Ziel nicht gerecht geworden. Ja, wir müssen es heute mit Bedauern sagen, daß die Ablehnung, auf die die Bundesregierung mit ihren Vorschlägen mancherorts gestoßen ist, schließlich dazu geführt hat, daß z. B. die Frauenverbände und viele andere Verbände ,den Entwurf des Notdienstgesetzes erst dann zu sehen bekamen, als er dem Bundesrat vorgelegt wurde.
Dieser Entwurf soll nach seiner Begründung dem Personalbedarf „zur Erfüllung der Lebens- und verteidigungswichtigen Aufgaben" dienen. Nun, in cien meisten Ländern, in Europa und auch in den demokratischen Ländern in Übersee, besteht eine klare Trennung zwischen der Verteidigung, schließlich der zivilen Verteidigung und dann jenem Sektor, der mit der Wirtschaft und ihren Aufgaben zusammenhängt. Der Entwurf, auf den ich im einzelnen noch zu sprechen komme, vermeidet leider diese Dreiteilung; er versucht vielmehr, die zivile Verteidigung und die Arbeitsmarktlenkung in einem Gesetz zusammenzufassen. Damit trägt er einem entscheidenden Grundsatz für alle Maßnahmen der Lenkung und Planung nicht Rechnung, indem nämlich die Frage, was im einzelnen erreicht werden soll und mit welchen Mitteln es durch die geringstmöglichen Aufwendungen erreicht werden kann, nicht als Grundfrage gestellt worden ist. Es wird vielmehr der Versuch unternommen, durch ein Pauschalgesetz eine totale Erfassung vorzunehmen. Ich glaube, das kann und wird nicht gutgehen. Denn die Fragen der zivilen Verteidigung und die Fragen der Wirtschaft und der Arbeitsmarktlenkung sind so grundverschieden und auch in der Verfassung so verschieden geregelt, daß jeder Versuch, sie in eine gemeinsame Zwangsjacke zu pressen, von den tatsächlichen Verhältnissen überholt sein wird.
Gestatten Sie mir aber, noch etwas auf das Schicksal des Entwurfs selbst einzugehen. Seit Jahren wird in den Ministerien daran gearbeitet, und man kann wohl nicht sagen, daß der Entwurf an Güte durch die Länge der Zeit gewonnen hat.

(Abg. Frau Dr. Schwarzhaupt: Also mußten Sie ihn doch vorher offenbar gekannt haben!)

Na, inzwischen ist ja einiges über die Entwürfe in den verschiedenen Stadien bekanntgeworden, Frau Kollegin Schwarzhaupt; das dürfte ja auch Ihnen, die Sie zu diesen Fragen selbst Stellung genommen haben, nicht unbekannt geblieben sein.
Ein so wichtiges Gesetz, das ebenso wie das Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht für den einzelnen Staatsbürger so große Bedeutung hat, ist leider in dem erforderlichen Umfang weder mit den Verbänden und Organisationen noch mit den Ländern vorberaten worden, und der Bundesrat hatte nichtgenügend Zeit, dieses Gesetz zu prüfen. Sie wissen, daß sich der Bundesrat in der 216. Sitzung am 18. März 1960 in sehr scharfen Worten gegen
7204 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 124. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 28. September 1960
Schmitt-Vockenhausen
dieses Verfahren gewandt hat. Der Herr Bundesjustizminister hat mit sehr dürren Worten versucht, für den Herrn Innenminister die Eilbedürftigkeit des Gesetzes zu begründen, ohne jedoch wirklich durchschlagende Gründe vorbringen zu können.
Ich glaube, daß der Entwurf so, wie er hier vorliegt, ,dieses Haus nicht verlassen kann. Wenn ich mich jetzt einer Einzelkritik zuwende, so will ich nicht ganz die Elle benutzen, die der Herr Bundesinnenminister sonst gebraucht, um gelegentlich unsere Entwürfe zu messen. Aber Feststellungen wie Superperfektionismus, Superdirigismus wären das wenigste, Herr Minister, was Sie einem ähnlichen Entwurf von unserer Seite zusprechen würden. Sie wollen nicht mehr und nicht weniger, als in diesem Gesetz den notdienstpflichtigen Burger kraft Geburt kreieren. Dubai haben Sie leider auch nicht den klaren und sauberen Weg einer Verfassungsergänzung gewählt. Ich glaube, auch nicht fehlzugehen in der Annahme, ,daß jenes Gespräch, das bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen im Hawse nun einmal notwendig ist, von Ihnen in der Vergangenheit über diese Fragen nicht gern geführt worden ist, und wohl auch deshalb nicht — wenn ich Sie heute richtig verstanden habe, wie der Herr Kollege Arndt vorhin noch einmal ausgeführt hat —, weil Sie ,der Meinung sind, Ihre Vorlage sei in ihren Prinzipien unveränderbar, und man könne nur noch über Nuancen sprechen.
Ich muß deshalb zunächst einmal feststellen, daß sich der Entwurf nicht in allen Punkten im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 des Grundgesetzes hält. Wir begrüßen jede Regelung für den Schutz der Zivilbevölkerung, und wir werden auch alles tun, um im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes alle Kräfte zur Hilfeleistung für den Ernstfall heranzuziehen. Ich muß aber feststellen, daß eine Rechtsgrundlage, soweit Sie eine solche für Arbeitsdienstleistungspflichten schaffen wollen, im Grundgesetz nicht gegeben ist und auch in den gesamten Verhandlungen bei der Grundgesetzänderung im Jahre 1956 keine Stütze findet. Ich darf ausdrücklich auf die Fragen der Herren der Bundesregierung im Rechtsausschuß hinweisen. Damals ist Herr Kollege Dr. Arndt gefragt worden: „Müßte das Grundgesetz für die Luftschutzdienstpflicht nicht geändert oder ergänzt werden?" Darauf hieß es in etwa: „Ja, wenn es sich um eine Luftschutzpflicht handelt, die in allen Staaten anerkannt ist, bedarf diese Pflicht keiner Ergänzung." Ich glaube daher, daß alles, was dazu über diesen Rahmen hinausgeht, zweifellos keine verfassungsmäßige Untermauerung hat.
Nun, meine Damen und Herren, in diesem Gesetzentwurf ist leider — ich habe das schon gesagt — nichts zu spüren von jenem Appell von Parlament und Regierung, von Regierungsparteien und Opposition an das Volk, einer guten Sache vor allem freiwillig zu dienen, sondern hier haben wackere Bürokraten einen Apparat vorgesehen, der, wie sich jeder denken kann, in der Praxis niemals funktionieren kann.
Meine Damen und Herren, glauben Sie denn wirklich, daß man in der Lage ist, eine Beschäftigtenkartei von fast 35 Millionen Menschen in Ordnung zu halten, laufend zu vervollständigen und auch noch die entsprechenden Heranziehungsbescheide auszustellen? Ich habe das Gefühl, dem Herrn Innenminister ist diese Kartei in ihrer derzeitigen Fassung gar nicht so bekannt; sonst hätte er sich nicht so auf sie spezialisert. Spaßvögel haben gemeint, der Herr Bundesinnenminister habe eine Art Arbeitsbeschaffungsgesetz für die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung schaffen wollen. Diese Kartei ist eine Folge des Gesetzes über die Einführung eines Arbeitsbuchs vom 26. Februar 1935 gewesen. Sie wurde unter der Bezeichnung „Arbeitsbuchkartei" geführt und enthielt als Gegenstück zu den einzelnen Arbeitsbüchern die Arbeitsbuchkarten sämtlicher Arbeitnehmer. Sie diente im Zeichen der Rüstungspolitik eindeutig der totalen Erfassung der Arbeitskräfte und hatte in dem genannten Gesetz von 1935 ihre Rechtsgrundlage.
Durch die im Kontrollratsbefehl Nr. 3 statuierte Registrierungspflicht war die Fortführung der Arbeitsbuchkartei notwendig, zumal das Arbeitsbuch in Form des Arbeitspasses beibehalten wurde. Das Gesetz zur Einführung des Arbeitsbuchs ist durch die Aufhebung des Besatzungsstatuts und durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes beseitigt worden, und damit ist auch der Arbeitsbuchkartei die Rechtsgrundlage entzogen.
Nun wird diese Kartei nach wie vor weitergeführt, auch wenn die Organe der Bundesanstalt ihre Stilllegung unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit bereits 1957 — man höre und staune — beschlossen haben. Der Personalbedarf nur für die Fortführung der Beschäftigtenkartei wird im Augenblick auf 3500 Angestellte geschätzt. Die finanzielle Belastung beläuft sich auf jährlich 25 bis 30 Millionen DM. Meine Damen und Herren, wenn die Kartei in eine Form gebracht würde, in der sie wirklich praktikabel wäre, müßte mit 35- bis 40 000 Beamten und Angestellten mit dem entsprechenden finanziellen Aufwand gerechnet werden, ohne daß damit die Kosten für die eigentliche Aufgabe der Heranziehung nach diesem Gesetz gedeckt wären.
Ich will nun die technischen Einzelheiten — wir werden im Ausschuß darauf zurückkommen — hier nicht vortragen; ich will damit die erste Lesung nicht belasten. Aber, ich glaube, wir werden Sie mühelos überzeugen, daß hier ein Weg beschritten worden ist, der außerordentlich fragwürdig und ungeheuer kostspielig ist.
Die Unzulänglichkeit der Beschäftigtenkartei ist in diesem Hause im Ausschuß für Arbeit im Juli 1956 festgestellt worden. Der Ausschuß hat damals schon gesagt, daß die Führung einer Kartei, die sowieso nicht viel taugt, am besten eingestellt werden sollte. Ich kann Ihnen nur sagen, daß die Richtigkeit dieser Kartei je nach den einzelnen Arbeitsamtsbezirken sehr begrenzt ist. Was will man mit einem solchen Instrument machen, und hätte man sich das nicht besser überlegen sollen?



Schmitt-Vockenhausen
Leider ist das nicht alles, was zu dieser Frage zu sagen ist. Allein dieser Hinweis zeigt jedoch, daß die Regierung keinen guten Weg beschritten hat. Es wird die erste Aufgabe des Ausschusses sein, sich einen Überblick zu verschaffen, wie andere demokratische Länder die zivile Verteidigung und darüber hinaus die Sicherstellung der Arbeit der gewerblichen Wirtschaft vornehmen. Ich habe mich im übrigen vergeblich gefragt, wo eigentlich die Handschriften des Herrn Bundeswirtschaftsministers und des Herrn Bundesarbeitsministers in dieser Vorlage zu finden sind. Herr Innenminister, die Vereinigten Staaten haben in der gigantischsten Anstrengung der freien Welt im 2. Weltkrieg in verhältnismäßig kurzer Zeit ihre Friedenswirtschaft auf die größte Kriegsproduktion der Erde umgestellt, ohne zu Mitteln zu greifen, die auch nur entfernt Ihren Vorschlägen in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht entsprechen. Stillegung, Lohnzuschläge, Rohstofflenkung usw. als marktkonforme Mittel haben ausgereicht, um einen Wirtschaftsprozeß durchzuführen, der in der Wirtschaftsgeschichte ohne Beispiel ist. Sie meinen, Sie müßten Monsterbehörden und Monsterkarteien schaffen, um die gestellte Aufgabe zu erfüllen!
Diese Fragen bedürfen einer sorgfältigen Prüfung. Wir hoffen, daß es möglich ist, hier im Bundestag Vorschläge zu erarbeiten, die brauchbarer sind als diese Gesetzesmacherei aus dem Schoß der Bundesregierung. Wir sollten bei der Behandlung dieses Entwurfs ganz klar davon ausgehen, daß alle wirtschaftlichen Fragen, zu denen auch die des Arbeitsmarktes gehört, nicht in diesem Gesetz zu regeln sind. Eine Rechtfertigung der im Gesetz vorgesehenen Ausbildung ist doch nur möglich, wenn es sich um eine Ausbildung zum Schutze der Zivilbevölkerung und im Rahmen der zivilen Verteidigung handelt, aber nicht für Arbeitsleistungen von Arbeitnehmern. Ich glaube, da stimmen wir völlig überein.
Dem Herrn Bundesinnenminister ist auch offensichtlich nicht bekannt, wie in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern der freien Welt im 2. Weltkrieg und auch bei den Vorbereitungen für andere Auseinandersetzungen diese Dinge gehandhabt worden sind. Herr Minister, zu einer Zeit, als die amerikanischen Zeitungen Tag für Tag von den Riesenziffern der an der atlantischen Küste durch U-Boote versenkten Tonnage berichteten, gab es in Amerika Bergarbeiterstreiks, gab es eine Aufkündigung des No Strike Pledge durch den Automobilarbeiterverband. Da hat man sich in aller Freiheit über diese Fragen unterhalten, ohne ein solches Monstergesetz. An Arbeitsverpflichtungen hat niemand gedacht.
Wir müssen uns bei der Behandlung eines solchen Gesetzes natürlich auch sagen, daß es unerträglich ist, wenn Arbeitnehmer einen öffentlich-rechtlichen Status erhalten und nicht die Rechte eines Arbeitnehmers nach dem üblichen Arbeitsrecht haben sollen. Das gilt vor allem auch für die Arbeitsschutzgesetzgebung z. B. im § 10. Mit Recht hat nach unserer Auffassung die deutsche Öffentlichkeit auf all jene pauschalen Einschränkungen der Vorschriften des Grundgesetzes über die Freiheit der Arbeitsplatzwahl kritisch reagiert. Wir sind überzeugt, daß es möglich ist, im Benehmen mit den Gewerkschaften für den Fall kriegerischer Verwicklungen Bestimmungen vorzusehen, die den Bedürfnissen des Landes und seiner Bürger im Ernstfall gerecht werden.
Es kommt noch hinzu — das hat der Herr Minister völlig übersehen, und ich bin überrascht, ,daß sich die Begründung der Regierungsvorlage darüber völlig ausschweigt —, daß die als soziale Einrichtungen geschaffenen Organe der Selbstverwaltung ,als Heranziehungsbehörden tätig werden sollen. Im „Dritten Reich" sind unter der nazistischen Gewaltherrschaft die Arbeitsämter für Arbeitszwangsmaßnahmen mißbraucht worden. Dieser idem Wesen und dem Auftrag der Arbeitsämter entgegengesetzte Mißbrauch ist unter der Bevölkerung, insbesondere unter der Arbeitnehmerschaft, auf schärfste Ablehnung gestoßen und hat eine Ablehnung hervorgerufen, die nach Einführung des Grundgesetzes nur langsam abgebaut werden konnte. Die Erfolgsaussichten für die Bemühungen der Selbstverwaltungsorgane der Bundesanstalt, die Arbeitsämter zu sozialen Einrichtungen auszubauen und die Nachwirkungen des Arbeitseinsatzes der Vergangenheit zu beseitigen, würden durch diese Bestimmungen zunichte ,gemacht werden. Bei einer bestehenden Vollbeschäftigung ist darüber hinaus — ich will das jetzt nicht weiter ausführen — sogar die volle Einschaltung der Dienststelle der Bundesanstalt erschwert. Wir werden uns aber im Ausschuß über diese Fragen unterhalten.
Ich möchte nur ergänzend dazu sagen, daß der Bericht der von dem Europäischen Wirtschaftsrat, der OEEC, bestellten Berater zur Begutachtung der Arbeitsverwaltung der Mitgliedsstaaten vom 26. Februar 1953 lin Ziffer 37 erklärt, daß die Erzwingung zwangsmäßiger Arbeitslenkung in Notstandszeiten dort, wo sie unerläßlich erscheint, nur in äußerst geringem Maße in die Hände der Arbeitsvermittlung gelegt werden sollte, weil der Zwang die freiwilligen Beziehungen zwischen Behörde und Arbeitnehmer schwäche. Das Aufgabengebiet der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beschränkt sich nach Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes auf Idle Erledigung der Angelegenheiten aus Art. 74 Nr. 12 ides Grundgesetzes, nämlich ,auf die Arbeitsvermittlung einschließlich ,der Arbeitslosenversicherung. Entsprechend der vom Bundesrat ständig vertretenen Rechtsauffassung — ich darf hier noch auf das zweite Änderungsgesetz zum AVAVG vom 7. Dezember 1959 Bezug nehmen — ist oder Aufgabenbereich der Bundesanstalt in § 1 ,des Errichtungsgesetzes enumerativ festgelegt. Aus dieser Interpretation folgt nach unserer Auffassung zwingend, daß iets mit idem Grundgesetz nicht vereinbar ist, der Bundesanstalt auf dem Umwege über andere Gesetze weitere mit ihren Aufgaben nicht zusammenhängende Tätigkeiten zuzuweisen. Es wird Sie interessieren, daß auch eine Reihe internationaler Abkommen, denen die Bundesrepublik beigetreten ist, das Ziel haben, die Behörden der Arbeitsvermittlung aus allen Zwangsmaßnahmen herauszuhalten. Meine Damen und Herren, ich vermisse jede Stellungnahme hier-



Schmitt-Vockenhausen
zu. Ich glaube, wir werden gerade diese Fragen im Ausschuß besonders eingehend prüfen müssen. Wir glauben, daß die innere Verwaltung für den zivilen Schutz und Notdienst zuständig sein sollte, damit hier nicht eine Institution geschwächt wird, an deren Funktionieren uns alles liegt.
Leider hat der Entwurf auch noch einige andere Schwächen — ich nehme an, daß auch Frau Kollegin Schwarzhaupt noch darauf eingehen wird —; denn er berücksichtigt nicht genügend die individuelle Lage des Staatsbürgers. Frau Kollegin Weber von der CDU/CSU hat wohl recht, wenn sie den Entwurf ein „typisch männliches Gesetz ohne Sinn und Einsicht für die besonderen Verhältnisse der Frau" nennt. Frau Kollegin Lüders hat sich in ihrer temperamentvollen und klugen Art am 7. April hier schon kritisch zu den Vorschriften dieses Gesetzes geäußert. Ich glaube, daß alle jene Paragraphen, die bestimmen, ob und wann eine Mutter von ihren Kindern wegverpflichtet werden kann an einen Arbeitsplatz, den sie nach einer Katastrophe nicht verlassen darf — der Entwurf enthält vorsorglich auch noch eine Strafvorschrift —, in dieser Form nicht Gesetz werden können. Eine Bestimmung über die Betreuung der Kinder zeigt die Lebensblindheit des Entwurfs besonders deutlich. Die Arbeitsämter sollen nämlich entscheiden, ob die Kinder genügend versorgt sind, wenn die Mutter zum Dienst abgeholt werden soll.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wie, meine Damen und Herren, soll jemals eine Behörde die Familienverhältnisse individuell überblikken können?! Glauben Sie denn wirklich, daß Mütter, die ihre Kinder in Gefahr wissen, durch Strafandrohungen zu umsichtigem und ruhigem Verhalten veranlaßt werden könnten?!
Bei der Behandlung der Schwerbeschädigten in § 12 dieses Gesetzes scheint mir das schwere Schicksal dieser Menschen ebenfalls nicht genügend berücksichtigt. Ich hoffe, daß wir auch hier in der Lage sein werden, im Ausschuß bessere Bestimmungen für den zivilen Dienst zu finden.
Alle diese Bestimmungen sind Ausfluß eines überorganisierten Denkens und sollten von uns im Ausschuß kritisch geprüft werden. Ich glaube, es ist schon sehr viel gewonnen, wenn wir zunächst einmal dieses Gesetz auf den Schutz und die Hilfe der Zivilbevölkerung, die Zivilverteidigung, beschränken und, wie in anderen Ländern, die Freiwilligkeit voranstellen.
Der Herr Bundesinnenminister hat auch heute wieder beklagt, es meldeten sich nicht genug Freiwillige. Die Freiwilligkeit wird nicht zuletzt entscheidend davon abhängen, ob die Bevölkerung spürt und sieht, daß die Regierung auch wirklich jenen Willen zum Schutz und zur Hilfe der Zivilbevölkerung hat, der notwendig ist, und diesen Willen auch durch die entsprechenden Maßnahmen auf dem Gebiete des zivilen Bevölkerungsschutzes in die Tat umsetzt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Reine Phrasen!) — Moment, ich sage Ihnen gleich noch etwas dazu; das wird gerade für Sie vom Haushaltsausschuß von Interesse sein.

Der Innenausschuß hat vor wenigen Tagen die Einrichtungen für ,die Zivilverteidigung in Schweden besichtigt. Wir haben einen kleinen Eindruck davon bekommen, was es psychologisch für die Menschen bedeutet, wenn sie wissen, daß auch für diesen Sektor Mittel bereitstehen, organisierte Vorarbeiten geleistet und Maßnahmen getroffen werden, die die Bereitschaft der Regierung zeigen, im Ernstfall alles zu tun, um den Menschen zu helfen und dazu beizutragen, daß möglichst viele überleben.
Der Herr Bundesinnenminister sollte sich wirklich einmal fragen, ob die Bilanz seines siebenjährigen Wirkens auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes dem entspricht. Ich brauche nur, was die Versorgung der Menschen betrifft, die sich freiwillig zur Verfügung stellen, an den Versicherungsschutz der Freiwilligen Feuerwehren und an die Kontroversen darüber mit Ihrem Hause, Herr Minister, zu erinnern. Leider ist bisher noch nicht einmal alles Mögliche und Vertretbare getan worden, um denjenigen zu helfen, die sich freiwillig zur Verfügung gestellt haben.
Ich kann es mir auch nicht versagen, in diesem Zusammenhang an das traurige Schicksal unserer jahrelangen Bemühungen um die Verbesserung des zivilen Bevölkerungsschutzes in diesem Hause zu erinnern. Vor sechs Jahren hatten wir bei der Haushaltsberatung 1954 zum erstenmal die Bereitstellung von einer Milliarde für den zivilen Bevölkerungsschutz beantragt, und zwar sollte dieser Betrag aus dem Verteidigungshaushalt abgezweigt werden. Sie, meine Damen und Herren, als die Mehrheit haben es damals mit der Begründung abgelehnt, am militärischen Verteidigungsaufwand dürfe nicht gerührt werden. Das war noch zu einer Zeit, in der Sie — das waren die Pläne von Herrn Blank — eine 500 000-Mann-Armee aufbauen wollten, für die Sie den Betrag von 9 Milliarden DM jährlich ansetzten. Was aus diesem Geld wirklich geworden ist, brauche ich hier nicht zu erwähnen. Es ist nur allzu bekannt, daß daraus der „Juliusturm" gebaut worden ist.
So haben wir Jahr für Jahr hier eine Ablehnung unserer Anträge erlebt. Immer wieder ist der Schutz der Zivilbevölkerung hinter die angeblichen militärischen Erfordernisse gestellt worden. Dadurch sind wir in die Situation gekommen, der Bevölkerung sagen zu müssen, daß für den unmittelbaren Schutz bisher so gut wie nichts getan worden ist.
Gehen Sie doch einmal im Lande herum und fragen Sie, wer von den Bürgern eigentlich weiß, wie er sich verhalten und wohin er sich begeben soll, wenn einmal, wie es in der Verwaltungsanordnung des Bundesinnenministers vorgesehen ist, die Sirenen heulen, was jetzt probeweise geschehen soll. Sie werden bei der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung auf völlige Ahnungslosigkeit stoßen. Ich bin sicher, daß selbst Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, nicht wüßten, wohin Sie gehen sollten, wenn die Sirenen heulen würden. Das gesamte Gebiet des Bevölkerungsschutzes haben Sie jahrelang sträflich vernachlässigt; uns



Schmitt-Vockenhausen
aber versuchen Sie landauf, landab in Ihren Versammlungen anzuhängen, daß wir es seien, die nur mit Worten die Bevölkerung schützen wollten, praktisch aber zu nichts bereit seien.
Wir sind bereit, alles zu tun, um in den Ausschußberatungen darauf zu drängen, daß zunächst die Unterlagen über die Regelung in den anderen Ländern zusammengestellt werden. Wir werden versuchen, alle Elemente des Entwurfs auszuscheiden, die über das eigentliche Anliegen der Zivilverteidigung hinausgehen. Wir wollen dafür sorgen, daß der Entwurf der Verfassungslage gerecht wird und daß die Menschen, die nach diesem Gesetz herangezogen werden, selbstverantwortliche Bürger im freien Staat und nicht kommandierte Untertanen sind.
Meine Damen und Herren, Ich bitte Sie, mir freundlicherweise noch einige Bemerkungen zu der Novelle zum Bundesleistungsgesetz zu genehmigen. Der Herr Bundesinnenminister war der optimistischen Meinung, daß der Bundesrat im wesentlichen seine Auffassung geteilt habe. Ich habe das Gefühl, daß er die Änderungsvorschläge des Bundesrats in ihrer Substanz nicht so genau übersehen hat; sonst wäre mir diese Bemerkung nicht ganz verständlich.
Der Entwurf ist leider kein Meisterstück gesetzgeberischer Arbeit geworden. Wie ich am 5. Juli 1956 in der 158. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages ausführen durfte, hat die SPD-Fraktion die Unterstützung aller Fraktionen des Hauses bei ihren Bemühungen in den Ausschußberatungen, den Entwurf des Bundesleistungsgesetzes in eine rechtsstaatlich vertretbare und brauchbare Form zu bringen, dankbar anerkannt. Wenn ich Herrn Kollegen Werber hier richtig verstanden habe, werden wir in demselben Geist wie im 2. Deutschen Bundestag auch dieses Gesetz beraten, und wir hoffen, gemeinsam zu guten Lösungen zu kommen.
Bei dem neuen Entwurf, der hier vorgelegt worden ist, läßt sich aus zahlreichen vorgeschlagenen Bestimmungen unschwer die Handschrift derjenigen erkennen, die damals im Hohen Hause bei der Beratung des Bundesleistungsgesetzes mit ihren Wünschen nicht durchgedrungen sind und die glauben, daß nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, derartige Wünsche zu verwirklichen.
Ich glaube, daß es gut ist, im Rahmen der ersten Lesung noch einmal die Grundsätze herauszuarbeiten, die für alle Gesetze gelten müssen, die in die Rechtssphäre des Staatsbürgers eingreifen:
Erstens. Die Eingriffe auf Grund dieses und ähnlicher Gesetze müssen nach dem Grundsatz der Subsidiarität erfolgen und auf das geringstmögliche Maß beschränkt bleiben.
Zweitens. Alle Eingriffe nach diesem Gesetz unterliegen der Rechtskontrolle.
Drittens. Alle Vorschriften dieses Gesetzes müssen befristet werden, und es muß ausdrücklich klargestellt sein, daß bestimmte Vereinfachungsvorschriften tatsächlich nur im Kriegsfalle gelten.
Viertens. Maßnahmen, die nach Art, Umfang und Inhalt zum Bereich anderer gesetzlicher Vorschriften gehören, müssen in den jeweiligen Spezialgesetzen getroffen werden, damit vor allem auch die betroffenen Staatsbürger nicht die Ubersicht verlieren.
Fünftens. Alle Grundsatzbestimmungen über die möglichen Fälle eines Notstandes und die Zuständigkeit für Aufgaben und Vollmachten können sich nur aus der allgemeinen verfassungsrechtlichen Lage ergeben und dürfen nicht Gegenstand dines einfachen Gesetzes sein.
So sind wir mit dem Bundesrat der Auffassung, daß die besonderen Befugnisse für den drohenden Verteidigungsfall nicht einfach dadurch in Kraft gesetzt werden, daß die Bundesregierung diesen Fall feststellt. Der Bundesrat hat schon einen beachtlichen Ergänzungsvorschlag gemacht. Es ist hier im Rahmen der Debatte über das Notstandsgesetz schon darüber gesprochen worden, wie eine endgültige Regelung gefunden werden kann, die die Einschaltung des kontrollierenden Verfassungsorgans ermöglicht, bzw. wie diese Aufgaben an das Parlament übertragen werden können.
Gestatten Sie nun, daß ich noch zu einigen Punkten der Vorlage selbst Stellung nehme. Die Bundesregierung hat leider in ihren Vorschlägen die bisherige Befristung aller Maßnahmen nach dem Bundesleistungsgesetz nicht mehr vorgesehen. Die Befristung der Leistungen ist im Bundesleistungsgesetz vorgesehen. Es besteht nach unserer Auffassung keine Veranlassung, diese für den Staatsbürger klare Verhältnisse schaffende Einrichtung außerhalb des Verteidigungsfalles aufzugeben. Besonders unangenehm berührt hat uns der Vorschlag, die allgemeine Interessenabwägung bei der Inanspruchnahme entfallen zu lassen. Was die Bundesregierung zur Begründung ihres Streichungsvorschlages vorgetragen hat, wonach bei Anforderungen „der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft" — wie es im Gesetz heißt — „sowie dem wesentlichen innerdeutschen und Ausfuhrbedarf der Bundesrepublik Rechnung zu tragen ist", ist zumindest außerordentlich merkwürdig. Und es ist schon einmal ganz reizvoll zu lesen, was die Bundesregierung im besten Amtsdeutsch zu der Begründung für die Streichung dieses wichtigen Satzes, der in den Beratungen der zweiten Legislaturperiode eine große Rolle gespielt hat, vorgetragen hat. Es heißt hier:
Entscheidend für die Streichung war die Tatsache, daß die dort aufgeführten Kriterien im Verteidigungsfalle und auch schon im drohenden Verteidigungsfall nicht mehr anzuwenden sind, weil dann der innerdeutsche Wirtschaftsbedarf und vor allem der Ausfuhrbedarf gegenüber den Erfordernissen der Verteidigung zurückzutreten hat und die Entscheidung über die Frage der Vereinbarkeit von Anforderungen für Verteidigungszwecke mit den Belangen der deutschen Wirtschaft auf höherer Ebene generell entschieden wird und nicht mehr zum Kriterium von einzelnen Anforderungen gemacht werden kann.
Meine Damen und Herren, ich glaube, über diese Begründung und über diesen Vorschlag werden wir doch sehr ernsthaft reden müssen. Er ist, gelinde gesagt, unmöglich. Man kann nur den Kopf schütteln



Schmitt-Vockenhausen
und sich fragen: Was haben denn die Herren, die solche Begründungen entwerfen und die, die sie dann beschließen, eigentlich für Vorstellungen?
Es hätte überrascht, wenn der Herr Bundesinnenminister nicht auch bei dieser Gelegenheit sein Interesse und seine Vorliebe für die Einrichtungen der Meinungsbildung bekundet hätte. Die von ihm vorgesehene Regelung der Inanspruchnahme von Räumen, Studios, Sende- und sonstigen technischen Einrichtungen und Anlagen von Rundfunk und Fernsehen geht entscheidend und erheblich über das geltende Leistungsrecht hinaus. Sie gibt insbesondere die Möglichkeit, den Betrieb von Rundfunkanstalten vollständig stillzulegen. Hiergegen bestehen im Hinblick auf Art. 5 des Grundgesetzes verfassungsrechtliche Bedenken. Art. 5 gewährleistet ausdrücklich die Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk. Wenn auch dieses Recht nach Art. 5 Abs. 2 in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze seine Schranken findet, so darf jedoch die Berichterstattung nicht völlig unterbunden werden.
Die Beschränkung der Möglichkeiten zu Eingriffen in den Betrieb von Rundfunkanstalten ist daher nicht nur aus verfassungsrechtlichen, sondern auch aus verfassungspolitischen Erwägungen dringend geboten; denn rechtliche oder tatsächliche Behinderung der Berichterstattung durch den Rundfunk muß zu allerernsten Bedenken Anlaß geben. Der Vorschlag der Bundesregierung spricht nicht dafür, daß sie in dieser Frage Geist und Inhalt des Grundgesetzes gerecht geworden ist.
Meine Damen und Herren, natürlich wird uns auch die Frage gestellt, ob und inwieweit im Rahmen des Leistungsgesetzes sichergestellt werden muß, daß die Presse in ihrer Pressefreiheit nicht durch die Beschlagnahme von Druckmaschinen usw. allzu stark eingeengt wird. Ich könnte mir vorstellen, daß sonst nach den Vorstellungen mancher Leute „Der Spiegel" und andere der Regierung mißliebige Organe bei Anwendung des Gesetzes nicht mehr erscheinen würden, und wir sollten doch dafür sorgen, daß das verhindert wird.

(Zuruf von der Mitte.)

— Ja, die Pressefreiheit ist schon ein sehr wichtiges Problem, und wir sollten uns schon sehr darüber unterhalten, wie wir sie erhalten.
Eine wichtige Frage ist die Regelung der Zuständigkeit für die Anforderung von Leistungen. Bundestag und Bundesrat hatten bei der Verabschiedung des Bundesleistungsgesetzes entscheidenden Wert darauf gelegt, zwischen Anforderungsbehörden und Bedarfsträgern zu unterscheiden. Eine Behörde, die im Ernstfall fremdes Eigentum benutzen will, soll nicht berechtigt sein, auch selbst den Requisitionsbescheid auszustellen. Bedarfsträger können Behörden verschiedenster Art sein, und es war schon wohlüberlegt, daß nur Behörden der zivilen Verwaltung die Leistungsbescheide ausstellen sollten.
Der Vorschlag der Bundesregierung will leider diese Überprüfung der Beschlagnahmewünsche abschaffen. Für die Deckung des militärischen Bedarfs, für die Beschaffung von Kraftfahrzeugen, Geräten, Werkzeugen, Betriebs- und Brennstoffen sowie Baustoffen sollen die Wehrbereichsverwaltungen sowie die Kreiswehrersatzämter, also die Bedarfsträger selbst, Anforderungsbehörden werden. Der Bundesrat hat sich nach unserer Auffassung zu Recht gegen diesen Vorschlag gewandt und will die allgemeine Zuständigkeit der inneren Verwaltung gewahrt wissen. Dem Anliegen der Regierungsvorlage soll dadurch Rechnung getragen werden, daß zivile Bundesbehörden als Anforderungsbehörden nicht mehr den Beschränkungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 unterliegen. Darüber hinaus bestehen aber auch gegen die vorgeschlagene Regelung erhebliche Bedenken, weil § 5 a einen Eingriff in das geltende Kommunalverfassungsrecht darstellt. Ich darf hier an die Ausschußberatungen im 2. Deutschen Bundestag erinnern, wo wir gerade Lösungen in dieser Frage gefunden haben, die nach unserer Meinung den Sacherfordernissen gerecht geworden sind, die andererseits aber auch das bestehende Kommunalverfassungsrecht gewährleistet haben.
Ich habe schon bei meiner einleitenden Bemerkung darauf hingewiesen, daß die Rechtsstaatlichkeit und der Rechtsweg den Leistungspflichtigen erhalten bleiben müssen; um so unverständlicher ist mir, daß im § 39 auch im Frieden die sofortige Vollziehung auf Antrag des Bedarfsträgers angeordnet werden soll. Der Bundesrat bemerkt dazu mit Recht, daß ein so weitgehender Eingriff in die Rechtsstellung des Leistungspflichtigen im Frieden nicht erforderlich ist. Sie wissen, daß ja unabhängig davon die Möglichkeit besteht, diese Vollziehung zu erreichen.
Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen die Vorschläge der Bundesregierung für die Manöver. Die Bundesregierung will die wohlüberlegten Schutzvorschläge für besonders schutzwürdiges Gelände wie für Erholungsgebiete vor einer wiederholten Inanspruchnahme für Manöver und andere Übungen abbauen. Völlig unverständlich ist es mir, warum die Bestimmung gestrichen werden soll, die die Truppen zur Vermeidung von Manöverschäden verpflichtet. Diese kann doch niemandem schädlich sein! Auch hier muß man sich wirklich fragen, was sich die Herren im Bundesinnenministerium eigentlich vorstellen. Wir werden uns im Zusammenhang mit der Neuregelung des Truppenvertrags gerade mit diesem Fragenkomplex — insbesondere nach dem Besuch des Ausschusses in der Lüneburger Heide, im Übungsgebiet von Soltau — sehr eingehend damit zu beschäftigen haben. Meine Damen und Herren, was der Ausschuß dort gesehen hat, gibt wirklich allen Anlaß, die Änderung dieser Bestimmungen kritisch und mit großer Sorgfalt zu prüfen.
Während beim Bundesleistungsgesetz klare Regelungen für die Anmeldung von Übungen und Manövern vorgesehen waren, sollen auch hier zu Lasten der Grundeigentümer Änderungen vorgenommen werden. Dies kann zu erheblichen Schäden vor allem in der Forstwirtschaft führen. Gerade bei der Forstwirtschaft sind langfristige Planungen und der Einsatz von Lohnunternehmungen üblich. Bei kurz-

Schmitt-Vockenhausen
fristigen Inanspruchnahmen müßten diese Leistungen zu Lasten des Eigentümers unterbrochen werden. Schließlich sollen auch diejenigen, die durch das Gesetz geschützt werden sollen, ausreichend Zeit haben, um von den rechtsstaatlichen Möglichkeiten gegen die mehrmalige Inanspruchnahme ihres Eigentums Gebrauch zu machen.
Auch der § 70 über die Benutzung öffentlicher Verkehrswege stellt einen derartigen Vorrang der Übungs- und Manövertruppen vor dem öffentlichen Verkehr dar, so daß ernste Zweifel gegen die Zweckmäßigkeit dieser Bestimmung angemeldet werden müssen.
Mit Recht weist der Bundesrat darauf hin, daß die Truppen bei Manövern oder anderen Übungen die öffentlichen Verkehrswege in einer Weise beanspruchen können, die sowohl aus verkehrsmäßigen Gründen als auch aus straßenbautechnischen Gründen die Interessen der Öffentlichkeit nicht genügend berücksichtigt. Für den Ernstfall ist ja durch den § 80 a Vorsorge getroffen, daß die Operationsfreiheit der Truppen gewährleistet ist, wobei zu dem Begriff „drohender Verteidigungsfall" heute morgen hier von meinem Kollegen Dr. Schäfer schon das Notwendige gesagt worden ist.
Meine Damen und Herren! Was ich hier die Ehre hatte auszuführen, hat gezeigt, daß die Feststellung des Herrn Bundesinnenministers hinsichtlich der einfachen Notstandsgesetze mit im Ernstfall brauchbaren Instrumenten sicher in dieser lapidaren Kürze nicht zutrifft. Wir wollen uns wie im zweiten Bundestag bemühen, im Ausschuß aus diesen Gesetzentwürfen brauchbare Vorlagen für das Plenum zu machen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312418600
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.

Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0312418700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits bei der früheren Beratung dieses Gegenstandes im April dieses Jahres ziemlich eingehende Ausführungen gemacht. Ich beabsichtige nicht etwa, diese Dinge hier zu wiederholen, sondern ich will nur ganz kurz einiges hinzufügen bzw. aus früheren Erfahrungen einiges anführen.
Ich möchte gleich im vorhinein feststellen, daß das Schicksal der Nation zu jeder Stunde auch mit in den Händen der Frauen ruht. Darüber sind sich die Frauen vollkommen klar, und das haben sie in beiden Weltkriegen auf das eindringlichste bewiesen.
Im ersten Weltkrieg haben die Frauen in dem „Nationalen Frauendienst" auf freiwilliger Grundlage ihren Beitrag geleistet. Die Aufgaben des Nationalen Frauendienstes bestanden auch in der Werbung und Schulung freiwilliger Helferinnen zum Dienste am Volk. Wir geben gern zu, daß es mit der Ausweitung der Aufgaben und mit der ständigen Zunahme der Zahl hilfsbedürftiger Personen um so wichtiger ist, die sachliche und persönliche Eignung der Helferinnen feststellen zu können oder sie wenigstens einigermaßen vorzubereiten. Vor allem ist die gewissenhafte und sachverständige Prüfung der Lage jedes einzelnen von Bedeutung. Die Bevölkerung ist nämlich kein Versuchskaninchen, weder für Organisationen noch für einzelne begeisterte Frauen noch für die Verwaltung. Die Aufgabe ist, die sich Meldenden zu sichten, sie nach Möglichkeit freiwillig festzuhalten, sie in der Arbeit zu erproben und durch Kurse, Vorträge und Übungen in ihren Arbeitsmöglichkeiten zu fördern. Dafür sind neben den Frauenorganisationen auch heute die großen karitativen Organisationen geeignet, und sie stehen zweifellos ohne jeden Zwang für diese Arbeit zur Verfügung.
Wir sind uns darüber klar, daß die Absteckung fester Grenzen auch für die Freiwilligen unerläßlich ist. Aber die alte Forderung nach einem allgemeinen Dienstjahr mit Arbeitsordnung und Disziplin auch für die Mädchen ist etwas ganz anderes als das heute vorliegende Gesetz.
Herr Minister Schröder bezweifelt, wie ich aus persönlichen Besprechungen glaube annehmen zu können, daß die Zahl der freiwillig bereiten Frauen auch nur annähernd ausreichen würde. Ich weiß nicht, woraus der Herr Minister das schließt. Der Mangel an Ersatzkräften im Krankenpflegebereich und im Bereich der Hauswirtschaft hat ganz andere Gründe; sie liegen in der Verfassung dieser Berufe, in der bis heute noch fast völligen Aussichtslosigkeit, in dem Beruf aufzusteigen. Man muß diese Berufe reformieren. Damit hat aber die Zahl der Freiwilligen für die nach diesem Gesetz benötigten Arbeiten nichts zu tun.
Der Entwurf sagt gar nichts .darüber, was die Frauen eigentlich tun sollen. Ich glaube, er kann auch gar nichts dazu sagen. Klar ist nur — und dafür sind wir sehr dankbar -, ,daß in diesem Gesetzentwurf nicht an Waffendienst gedacht ist, den wir ja seinerzeit beim Wehrpflichtgesetz ausdrücklich und mit Erfolg ausgenommen haben.
Aber was sind denn die Aufgaben der „Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft"? Welches sind .die Möglichkeiten, die der Erfüllung dieser Aufgabe dienen sollen? Dabei sollen die Pflichtigen sich begreiflicherweise auch Gefahren aussetzen. Aus den früheren Kriegen wissen wir, daß typisch für die Verwendung bei den Versuchen, Verteidigungsbereitschaft durchzuführen, die Tätigkeit von Frauen in Munitionsanstalten, ihre Verwendung beim Munitionstransport und ihre Verwendung in der freiwilligen Flak gewesen sind.
Vor allem ist wohl aus dem Entwurf zu entnehmen — und dafür sind wir dankbar —, daß in erster Linie an Luftschutzaufgaben, an Aufräumarbeiten nach Luftangriffen, an das Feuerlöschen und an den Sanitätsdienst gedacht ist. Niemand von uns wird etwas dagegen haben, daß Frauen soweit wie nur irgend möglich im Sanitätsdienst tätig sind. Ich bin mir aber gar nicht sicher, Herr Minister, welches die Reaktionen beim Roten Kreuz sein werden, wenn diese Aufgabe auf sehr viele Personen — Dilettanten — ausgeweitet wird und dafür auch die Mitglieder des Roten Kreuzes dann noch be-



Frau Dr. Dr. h. c. Lüders
sonders herangezogen werden. Ich habe aus den Kreisen des Roten Kreuzes gehört, daß man in diesem Zusammenhang ,eine Zersplitterung der Aufgaben des Roten Kreuzes und seiner Organisation befürchtet.
Ich glaube, die Frauen haben freiwillig alles das getan — und werden es auch weiter tun —, was zur Verteidigung der Bevölkerung notwendig gewesen ist. Oder zweifelt die Regierung ,an dem guten Willen der weiblichen Bevölkerung? Ich glaube, sie hat keinen Anlaß dazu, und ich würde es sehr bedauern, wenn man ,aus diesem Entwurf einen solchen Zweifel sollte entnehmen können.
Allerdings, dieser Eindruck Ides Zweifels an unserer Bereitschaft, das Notwendige zu tun, wird verstärkt durch die mir höchst unsympathischen Strafandrohungen den Frauen gegenüber in diesem Gesetz. Es geht auch ohne Freiheitsstrafen, Herr Minister. Ich glaube, wenn wir uns das besser überlegen, werden wir zu idem Schluß kommen, daß diese Freiheitsstrafen zwar eine gewisse Angst erzeugen —das kann sein —, daß sie aber ,die innere Bereitschaft und ,den Erfolg der Arbeit aus innerer Bereitschaft zweifellos nicht erhöhen werden.
Dieser Wille, wie er für die Erhaltung und die Verteidigung der Nation absolut notwendig ist, war und ist auch heute offensichtlich. Deshalb bin ich persönlich jedenfalls gegen jede zwangsweise vorsorgliche Rekrutierung von Frauen. Wir sehen ja in anderen Ländern, daß es auch ohne solche Zwangsmaßnahmen und Strafandrohungen geht. In den Vereinigten Staaten, in England, Frankreich, Italien, der Schweiz, Dänemark, Holland, Belgien, Luxemburg, in allen diesen Ländern beruht die Arbeit der Frauen zur Verteidigung des Landes im gegebenen Falle auf der Freiwilligkeit.
Nun redet man bei uns so viel von einem „echten" Notstand. Man sollte doch einmal das „echt" herauslassen. Ich habe immer das Gefühl, von „echt" redet einer dann, wenn er keine rechte Vorstellung von der Sache hat. Und man redet so viel von einer „akuten Gefahr durch internationale Spannungen". Ja, wo liegen sie denn? Will man das Kuba des Fidel Castro, will man die merkwürdigen Vorgänge bei den Kongolesen dafür anführen, akute internationale Spannungen und Gefahrenzonen als Grundlage oder als Voraussetzung für dieses Gesetz anzusehen? Ich glaube, was in jenen Ländern vorgeht, kann man, Herr Minister, mehr unter das Wort subsumieren: bald lag er oben, bald lag ich unten. Nach den dortigen Vorgängen können wir allgemeine internationale Spannungen kaum beurteilen. Ich glaube auch, selbst das, was Herr Chruschtschow in höchst unangenehmer Weise immer wieder betont, ist keine Grundlage für den Inhalt dieses Gesetzes.
Zur Verteidigung des Pflichtdienstes der Frauen wird dann auch immer wieder auf die „Gleichberechtigung" hingewiesen. Ich glaube, die Gleichberechtigungsfrage hat damit absolut nichts zu tun. Im Gegenteil, die Gleichberechtigung setzt die unbedingte Anerkennung der besonderen biologischen Tatsachen auf seiten der Frauen voraus; ohne diese
Anerkennung ist die Gleichberechtigung einfach durch den Zwang der Natur zerstört. Mir scheint, daß unsere liebe Kollegin Weber, die hoffentlich bald gesund wiederkommen wird, sehr recht hatte, als sie sagte: „Es ist ein typisch männliches Gesetz, ohne Sinn für die besonderen Verhältnisse der Frau und ohne Rücksicht auf sie."
Das zeigt sich, glaube ich, am deutlichsten bei den Vorschriften für Mütter mit Kindern. Die Verletzung der Pflicht, den Arbeitsplatz nicht zu verlassen, ist für jeden mit harten Strafen bedroht. Aber von dem System eines Abkehrscheins, den wir im ersten Weltkrieg — ich erinnere mich nicht mehr, ob auch im zweiten — gehabt haben, ist im Entwurf nichts zu lesen. Man müßte jedoch sehr genau wissen, unter welchen Bedingungen man unter Umständen seinen Arbeitsplatz doch verlassen kann.
Große Bedenken habe ich dagegen, daß die Arbeitsämter über die individuellen Familienverhältnisse entscheiden sollen, und zwar mit Loslösung der Verpflichteten aus der Familie auch durch Gesamtunterkunft, Gesamtverpflegung usw. Ich glaube, daß hier, jedenfalls bei der Gesamtunterkunft, alles fehlt, was zur reibungslosen Durchführung einer solchen Vorschrift notwendig wäre. Und wer prüft, Herr Minister, die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2? Und schließlich: wie weit geht das Recht des Berechtigten, über den Verpflichteten ohne Rücksicht auf allgemeingültige Rechte zu verfügen, also Tarifrecht, Arbeitsplatzsicherung, Arbeitszeitbestimmungen, Lohnhöhe usw.? Der § 27 Abs. 1 läßt alles auf seiten des Arbeitgebers und nichts auf seiten des Arbeitnehmers zu. Weiter: was heißt in diesem Zusammenhang „zumutbar" für den Verpflichteten? Über die Zumutbarkeit wird einzig und allein der Verpflichtungsberechtigte entscheiden. Ich habe auf Grund der Erfahrung in jeder nationalen Notlage genügend Vertrauen zu den Frauen, und ich möchte das hier erneut unterstreichen.
Natürlich weiß ich auch, daß man die notwendige Ordnung nicht erst auf dem Marsch herstellen kann; ich bin aber auf Grund der Erfahrungen vollkommen sicher, daß die Frauen sich jeder sachdienlichen und menschlich möglichen Ordnung ohne Zwang und ohne Strafen unterwerfen werden, gegen die ich in diesem Zusammenhang ganz besonders skeptisch bin.
Ich möchte hierzu heute keine weiteren Ausführungen machen. Wir werden im Ausschuß genug Gelegenheit haben, die Einzelheiten sehr sorgsam zu prüfen und darüber zu entscheiden. Ich glaube, der Ausschuß ist der Platz, in dem das alles durchberaten werden muß.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312418800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.

Marta Schanzenbach (SPD):
Rede ID: ID0312418900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Notdienstgesetz soll ein Gesetz sein, das die Verteidigungsbereitschaft ergänzt. Durch diese Vorlage sollen Frauen — zum



Frau Schanzenbach
ersten Mal seit dem Bestehen des Grundgesetzes — zu Notdienstleistungen gezwungen werden, obwohl das Grundgesetz in Art. 12 Abs. 2 bestimmt, daß niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden darf außer im Rahmen einer herkömmlichen, allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. In seinem Abs. 3 legt der Art. 12 weiter fest:
Frauen dürfen nicht zu einer Dienstleistung im Verband der Streitkräfte durch Gesetz verpflichtet werden. Zu einem Dienst mit der Waffe dürfen sie in keinem Falle verwendet werden.
Die in § 1 Abs. 2 des Notdienstgesetzes vorgesehenen Dienstleistungen nichtmilitärischer Art können insbesondere bei Frauen nicht als eine allgemeine, herkömmliche, für alle gleiche öffentliche Dienstleistungspflicht angesehen werden. Deshalb wird in weiten Kreisen der von diesem Gesetz betroffenen Frauen der Gesetzentwurf als verfassungswidrig und oberflächlich bezeichnet.
Das Notdienstgesetz soll die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, daß in einem Verteidigungsfall eine zivile Hilfstruppe zur Verfügung steht. Sofern der Gesetzentwurf in der vorgelegten Form angenommen wird, wird diese Hilfstruppe überwiegend aus Frauen bestehen. Die zivile Hilfstruppe soll möglichst bald ausgebildet werden, und zwar in Kursen von jährlich 100 Stunden oder in Kursen, die volle 14 Tage umfassen.
Der Gesetzentwurf sagt nicht, zu welchen Arbeiten die durch Gesetz verpflichteten Frauen herangezogen werden. Da niemand von uns weiß, wie ein künftiger Krieg, der mit modernen Waffen geführt wird, aussehen wird, zeigt der Entwurf nur gewisse Abgrenzungen auf. So sagt er z. B., daß Frauen keinen Waffendienst leisten sollen, sondern nur Dienstleistungen nichtmilitärischer Art zu verrichten haben. Sie können aber Aufgaben übertragen erhalten, die der Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft dienen.
Nach § 27 sollen den Frauen sogar Gefahren zugemutet werden, von denen man nicht weiß, in welchem Ausmaß sie entstehen könnten. Der Phantasie, wozu Frauen nach diesem Gesetzentwurf zwangsweise herangezogen werden können, sind keine Grenzen gesetzt. Das reicht z. B. von der Arbeit in einer Munitionsfabrik bis zur Versorgung der Obdachlosen und Verwundeten.
Unter den Frauen in der Bundesrepublik herrscht große Unruhe und Besorgnis über dieses Notdienstgesetz, und zwar nicht deshalb, weil sie diesem Gesetz die Anerkennung versagen wollen, sondern weil durch dieses Gesetz Grundrechte so eingeschränkt werden, wie das in keinem anderen Land der freien Welt zur Zeit der Fall ist. Die Frauen unseres Vaterlandes haben in zwei furchtbaren Weltkriegen den Beweis erbracht, daß sie helfen, Gefahren abzuwenden, und bereit sind, überall dort Hilfen zu leisten, wo Menschen in Gefahr sind. Gerade weil die Erinnerungen an den letzten Krieg noch sehr lebendig sind, sind die Frauen empört, daß die Regierung sich nicht, wie das in anderen Ländern der Fall ist, um die freiwillige Mitarbeit der Frau im zivilen Notdienst bemüht, sondern einfach eine umfassende vorsorgliche Zwangseinberufung durch ein Gesetz erreichen will.
Der Herr Minister sprach vorhin vom Wesen und der Würde der Frau. Aber durch diesen Gesetzentwurf zeigt er im Grunde genommen, wie wenig Achtung er vor der großen Leistung, der Hilfs- und Opferbereitschaft der Frauen in den letzten Weltkriegen hat. Vielleicht ist die Regierung der Meinung, daß sie zur staatsbürgerlichen Erziehung der Frau in den vergangenen zehn Jahren viel zu wenig beigetragen hat, um die Frauen über ihre Rechte und Pflichten im Staat aufzuklären, und daß ihr deshalb aus ihrer Unkenntnis der in dem Notdienst vorgesehene Eingriff in die persönliche Freiheit gar nicht auffällt.
Die vielen Zuschriften von Frauen und Frauenverbänden, die uns Abgeordneten zugegangen sind, zeigen jedoch, daß die Frauen nicht bereit sind, die ihnen von der Regierung in dieser Form zugedachte Verpflichtung zu übernehmen. Wahrscheinlich werden die Frauen Verständnis dafür haben, in einem Notfall Hilfsdienste zu leisten. Aus ihrer Erfahrung wissen sie ja ganz genau, daß ihnen im Notfalle gar nichts anderes übrigbleibt, als zu helfen, als Katastrophen abzuwenden zu versuchen und zu mildern. Aber dieser Notdienst, den die Frauen bereit sind zu leisten, soll auf dem Boden der Freiwilligkeit vorbereitet und durchgeführt werden.
In England, Italien, Frankreich, in den USA, in der Schweiz, in Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien und Luxemburg besteht für Frauen die Freiwilligkeit zum zivilen Hilfsdienst. Der Herr Minister hat zwar heute morgen gesagt, daß in Norwegen und Holland die zwangsweise Einberufung besteht. Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, lauten anders. Man hat mir gesagt, daß in Norwegen zum Beispiel 10 Prozent der örtlichen Zivilschutzmannschaft Frauen sein können, daß bisher aber nur Freiwillige einberufen worden sind.

(Abg. Frau Dr. Schwarzhaupt: Bisher!)

In Holland nehmen Frauen bisher nur an freiwilligen Ausbildungskursen teil.

(Abg. Frau Dr. Schwarzhaupt: Bisher!)

Von einer zwangsweisen Einziehung kann da gar keine Rede sein.
Hat denn die Regierung so wenig Vertrauen zu den Bürgerinnen dieser Bundesrepublik, daß sie zwangsweise gegen sie vorzugehen beabsichtigt, ohne ersten den Versuch über den Weg der Freiwilligkeit beim Notdienst gewagt zu haben? Ist das Bequemlichkeit oder Respektlosigkeit vor der Freiheit der anderen? Woher will der Herr Bundesminister wissen, daß die Zahl der Freiwilligen unter Umständen nicht ausreichen würde?
Frau Lüders hat vorhin einen Satz von Frau Weber angeführt. Ich glaube, man sollte ihn noch einmal erwähnen, weil er treffend ist: daß nämlich dieses Gesetz ein typisch männliches Gesetz ist ohne Sinn und ohne Einsicht in die besonderen Verhältnisse der Frau. Das Notdienstgesetz nimmt auf die



Frau Schanzenbach
Familie und auf die Kinder viel zu wenig Rücksicht. Es ist eine merkwürdige Auffassung — mein Kollege Schmitt-Vockenhausen hat das schon ausgeführt —, daß eine Behörde, nämlich das Arbeitsamt, darüber entscheiden soll, ob die Kinder während des Noteinsatzes der Mutter ausreichend versorgt sind. Man muß fragen: Wo blieb bei den Vorbereitungen zu diesem Gesetzentwurf der Einspruch des Herrn Familienministers? Wie kann denn einer Frau zugemutet werden, ihre Kinder während einer Gefahrensituation zu verlassen? Von den Frauen meiner Generation — meine Damen und Herren, Sie wissen das sehr genau - hat ein Hitler das verlangt. Wir aber werden alles tun, um in unserer Demokratie den nachfolgenden Müttern diese Grausamkeit nicht zumuten zu müssen.
Sofern diese Vorlage im Ausschuß als Arbeitsgrundlage dienen sollte, muß der § 13 völlig neu gefaßt werden. Auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Altersgrenze von 3 Jahren für die Kinder reicht bei weitem nicht aus. In dieser Forderung befinden wir uns in Übereinstimmung mit allen Frauenverbänden. Da diese Vorlage auf die einzelne Familie und die Kinder zuwenig Rücksicht nimmt und neben der Notstandspflicht für Männer und Frauen den Notstandsschutz für die Familie und die Kinder nicht ausreichend berücksichtigt, sind, sofern sich der Bundestag in seiner Mehrheit nicht für den freiwilligen Notdienst entscheiden kann, aus der besonderen Situation der Frau heraus große Bedenken anzumelden gegen § 1 Abs. 2, gegen § 7 Abs. 1, wo die Altersgrenzen aufgeführt sind, gegen § 13 Abs. 1, der die Zurückstellung von Müttern mit Kindern behandelt, gegen § 27, der verlangt, daß die Frauen auch Gefahren auf sich zu nehmen haben; außerdem werden von den Frauen die §§ 31 und 42 noch ganz besonders unter die Lupe genommen werden müssen.
Meine Damen und Herren, ein Notdienstgesetz, das nicht vom Vertrauen der gesamten Bevölkerung getragen ist, wird unwirksam bleiben. Die Regierung hat einen schweren Fehler begangen, weil sie es nicht für notwendig erachtet hat, die Meinung der Frauen zu diesem Gesetz zu erkunden und eine Vorlage zu erarbeiten, die den Frauen und ihren Familien in unserer Zeit und in einer besonderen Notsituation gerecht werden wird. Ich bin überzeugt, daß wir im Einverständnis mit der Mehrzahl der Frauen in der Bundesrepublik handeln, wenn wir diese Gesetzesvorlage ablehnen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312419000
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Schwarzhaupt.

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0312419100
Herr Präsiden! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß es Frauen und Frauenverbände gibt, die es ablehnen, daß Frauen zu dem für die Allgemeinheit notwendigen Notdienst durch staatlichen Zwang herangezogen werden. Diese Frage ist noch in der Diskussion zwischen den Frauen und überhaupt in der Öffentlichkeit. Es ist aber nicht richtig, wenn Frau
Schanzenbach so ganz allgemein sagt: Die Frauen lehnen diesen Dienst ab. In den Verbänden ist nur eine Minderzahl von Frauen organisiert. Auch haben keineswegs alle Frauenverbände in dieser Weise Stellung genommen, und es ist gut, daß noch eine lebhafte und offene Diskussion in unserem Volk über diese Fragen im Gange ist.
Wenn ich die beiden Vorrednerinnen richtig verstanden habe, lehnen sie einen Notdienst der Frauen an sich nicht grundsätzlich ab; es handelt sich um das Wie. Es handelt sich erstens um die grundsätzliche Frage, ob eine zwangsweise Heranziehung auf Grund eines Gesetzes möglich sein soll. Es handelt sich zweitens um eine Reihe von Einzelfragen. Darüber sollen die Frauen und die Frauenorganisationen, wenn dieser Entwurf durch die erste Lesung gegangen ist, in offener und lebendiger Weise diskutieren. Und dabei ist vieles zu sagen.
Es ist sicher richtig, daß für Frauen der Gedanke an Krieg noch in anderer Weise schrecklich ist als für Männer, wenn auch für jeden Deutschen das erste Ziel jeder Politik die Vermeidung des Krieges sein muß. Es ist aber kurzschlüssig, aus dieser Sorge um den Frieden, um die Familie und aus der Erinnerung an die Schrecken des Krieges heute zivile Maßnahmen zum Schutz des Volkes für einen Fall des Krieges abzulehnen, zivile Maßnahmen, die notwendig sind.
Es ist vor allem kurzschlüssig, wenn man die Anwendung von Atombomben und deshalb auch Maßnahmen ablehnt, die dem Volk insbesondere helfen können, einen konventionellen Krieg auszuhalten. Gerade wegen dieser Ablehnung könnten wir schließlich in die Lage kommen, unsere einzige Rettung in den Atombomben der Vereinigten Staaten zu sehen.
Es ist richtig, daß Frauen schwerer organisierbar sind als Männer. Es ist richtig, daß sie den Zwang des Staates oft leidenschaftlicher ablehnen. Die meisten von ihnen haben ihre Aufgaben und ihr Leben in der Gemeinschaft der Familie, die persönlicher und elastischer organisiert ist, als es die anonymeren und ,starreren Organisationen des öffentlichen Lebens sein müssen. Es ist aber kurzschlüssig, daraus zu folgern, daß sich Frauen für den Fall äußerster Not, gerade wenn es um den Schutz dieser ihrer familiären Gemeinschaft geht, nicht in einen organisierten öffentlichen Dienst einfügen ließen, auch nicht in einen Dienst, der gesetzlich geregelt ist und sie zwingt. Die Erfahrung in Deutschland und in anderen Ländern beweist das Gegenteil.
Es ist richtig, daß die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung leider dahin geführt hat, daß gerade unter den Frauen mit Kindern, den Witwen, aber auch den Verheirateten, viele sind, deren Kräfte so überbeansprucht sind, daß ihnen der Gedanke an jede zusätzliche Aufgabe, an jeden öffentlichen Dienst untragbar erscheint. Trotzdem ist es kurzschlüssig, daraus zu folgern, daß für alle Frauen eine gesetzlich geregelte Notdienstpflicht ausgeschlossen sein sollte, wenn sie zum Schutz der Gemeinschaft und gerade auch zum Schutz der Familie notwendig ist. Und sie ist notwendig.



Frau Dr. Schwarzhaupt
Die Erfahrung in der Bundesrepublik und in vielen anderen Ländern hat gezeigt, daß ein freiwilliger Hilfsdienst wie im ersten Weltkrieg nicht mehr ausreicht. Zu vieles hat sich geändert. Wenn man den schönen Lebensbericht von Dorothee von Velsen liest, fragt man sich: Wo sind heute .die Frauen, die so unabhängig über Geld und Zeit verfügen können wie damals Frau Lüders und Frau von Velsen, die im ersten Weltkrieg den nationalen Hilfsdienst der Frauen freiwillig aufgebaut haben? Man fragt sich auch, wo der erste Schwung der Frauenbewegung geblieben ist, der diese Frauen damals bewegte. Aber ich frage dies ohne Vorwurf; denn die Welt und die Gesellschaft sind anders geworden, das Leben der Frauen ist anders geworden, und die Frauenbewegung ist in ein anderes Stadium eingetreten. Es ist unsere Aufgabe, in diesem neuen Stadium die Frauenbewegung in ein richtiges Geleise zu führen, in ein Geleise, wie es heute Frauen wie Gertrud Bäumer und, Helene Lange beschritten hätten. Sie hätten sich bestimmt gegen viele emotionale Reden über den Frieden, gegen „Frauenfriedensbewegungen" und gegen Versuche gewehrt, den Friedenswillen der Frauen für demagogische Gefühlspolitik zu mißbrauchen und sie aus der Gemeinschaft ihres Volkes herauszunehmen in Fragen, deren Lösung durch dringendste Not geboten ist.
Anders sind auch die Aufgaben dieses Frauenhilfsdienstes geworden. Die Krankenschwester muß heute mehr wissen als 1914, und die Luftschutzhelferin braucht mehr Kenntnisse als 1939. Ein funktionierender ziviler Luftschutzdienst braucht eine straffere Organisation als früher, und die freiwilligen Organisationen sind heute aus den verschiedensten sozialen Gründen schwächer als früher; es hat sich gezeigt, daß sie nun einmal nicht das leisten können, was notwendig ist.
Es ist ja nicht so, daß man erst mit diesem Gesetz anlangen will. Man hat bisher schon mit den freiwilligen Organisationen versucht, Krankenpflegerinnen für den Notfall auszubilden. Man hat versucht, einen Dienst aufzustellen. Die Bemühungen haben nicht zu dem nötigen Erfolg geführt.
Allein für den Gesundheitsdienst müßten im Verteidigungsfall etwa 130 000 zusätzliche Krankenpflegerinnen zur Verfügung stehen. Die bisherigen Bemühungen um eine Ausbildung dieser Pflegerinnen durch die freiwilligen Organisationen, vor allem auch durch das Rote Kreuz, haben im Laufe von Jahren zur Ausbildung von 10 000 Frauen geführt. Jährlich kann man zur Zeit nicht mehr als 900 freiwillige Meldungen erlangen. Sie können sich ausrechnen, wie lange es auf dem bisherigen Weg dauern würde, bis wir auch nur annähernd die Zahl von Pflegerinnen haben, die wir brauchen. Nicht viel anders sieht es auf dem Gebiet des zivilen Luftschutzes aus.
Frau Schanzenbach hat vorhin von Holland und der Schweiz gesprochen und gesagt, dort habe man bisher Frauen nur freiwillig herangezogen. Man darf aber nicht verschweigen, daß die meisten Länder auch Gesetze haben, die dem Staat für den Fall
des Notstands das Recht zur zwangsweisen Heranziehung geben. Daß in Ländern mit einer ungebrochenen Tradition, in diesen Ländern mit ganz anderen Vermögensverhältnissen in der Familie, in Ländern, die den Krieg nicht so erlebt haben wie wir - insbesondere die Schweiz —, leichter ein freiwilliger Hilfsdienst fortgeführt werden kann als bei uns, liegt auf der Hand. Das Gesetz sagt ja auch nicht, daß man sich nur und allein auf die zwangsweise Heranziehung der Frauen verlassen kann. Im Gegenteil, es eröffnet durchaus die Möglichkeit, die Bemühungen um freiwillige Ausbildung zu verstärken. Es erleichtert sie insofern, als es die arbeitsrechtlichen Verhältnisse von Frauen, die sich freiwillig zur Verfügung stellen und dann herangezogen werden, regelt, als es über Vergütungen etwas sagt.

(Anhaltende Unruhe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312419200
Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit für die Rednerin bitten.

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0312419300
Ich bin fest davon überzeugt, daß wir unausweichliche politische Pflichten versäumen würden, wenn wir es auf diesem Gebiet bei dem bisherigen Zustand ließen.
Es bleibt aber die Frage, wie das Gesetz im einzelnen auszusehen hat. Ich bin auch der Meinung, daß die besondere gesellschaftliche und seelische Situation der Frau Berücksichtigung erfordert. Dies muß vor allem in der Durchführung des Gesetzes zum Ausdruck kommen. Heute gibt der § 11 dafür Spielraum und Weisung. Bei dem Gebrauch dieses Ermessensspielraumes sollten vor allem Frauen, auch in leitenden Stellen, nicht nur bei den Heranziehungsbehörden, sondern auch bei dem Aufbau des Frauennotdienstes, maßgebend sein.
Es gibt aber auch noch einige andere Punkte, mit denen sich die Frauen beschäftigen müssen:
1. Die Heranziehung von Frauen im Bereich der Streitkräfte bedarf im Hinblick auf Art. 12 Abs. 3 des Grundgesetzes einer weiteren Klärung. Bei der Ergänzung des Grundgesetzes ging man davon aus, daß im Verband der Streitkräfte Frauen nur freiwillig tätig sein dürfen. Daß der Dienst mit der Waffe ausgeschlossen bleibt, steht auch nach dem Regierungsentwurf außer Frage.
2. Einer Klärung bedarf die Heranziehung und Verpflichtung von Frauen mit Kindern. Ich meine auch, daß Frauen mit mehreren Kindern, Kindern unter zwölf oder vierzehn Jahren, auch wenn deren Betreuung durch eine Großmutter oder Verwandte gesichert ist, nicht zu einem ganztägigen Dienst oder zum Dienst an einem anderen Ort oder in einem entfernten Stadtteil herangezogen werden sollten.
Ich bin überzeugt, daß bei der praktischen Durchführung auch diese Bestimmung durch die nach § 11 des Gesetzes gebotene Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Heranzuziehenden weitgehend eingeschränkt wird. Ich meine aber, daß man auch Mütter mit Kindern nach Möglichkeit jetzt



Frau Dr. Schwarzhaupt
schon zu kurzfristigen Kursen zur Ausbildung in Krankenpflege und Luftschutz heranziehen sollte, gerade wegen ihrer Kinder, und daß man sie deshalb nicht ganz aus dem Gesetz ausschließen darf. Man sollte sie aber im Gefahrenfalle nicht ganztägig von der Familie trennen. Wenn man schon eine so ausführliche Regelung wie die des § 13 Abs. 2 trifft, sollte man dies auch klarstellen.
3. Diese Klarstellung würde mir wichtiger erscheinen als etwa die Herabsetzung der Altersgrenze für die Heranziehung von Frauen überhaupt. Gegen diese Herabsetzung der Altersgrenze von 55 Jahre auf 50 Jahre habe ich sogar Bedenken zu erheben. Es kann nämlich sein, daß sie sich zugunsten von Frauen auswirkt, die durchaus für bestimmte Dienste noch gut arbeitsfähig sind, und daß sie sich zu Lasten der jüngeren Frauen auswirkt, die Kinder haben. Deshalb scheint es mir viel sinnvoller, die älteren Frauen, die im allgemeinen freier sind von Sorge für kleine und schutzbedürftige Kinder, da heranzuziehen, wo sie körperlich und ausbildungsmäßig geeignet sind. Gerade wenn wir wünschen, daß Frauen nicht nur als Ausführende, sondern auch in leitenden Stellen bei diesen Aufgaben mitwirken sollen, müssen wir unbedingt auch die älteren, berufserfahreneren Frauen mit heranziehen können. Auch hier ist abzuwägen, sobald die Stellungnahme aus Frauenkreisen vollständiger vorliegt als jetzt.
4. Einem Wunsch, den fast alle Frauen und Frauenverbände ausgesprochen haben, schließe ich mich an, daß nämlich an der Durchführung des Gesetzes, soweit es Frauen betrifft, an leitenden Stellen auch Frauen beteiligt sein sollten. Das ist für die Arbeitsämter als Heranziehungsbehörde zwar bereits jetzt nach § 50 AVAVG geltendes Recht. Es muß aber auch für die anderen Aufgaben und Ämter gelten, die hier zu vergeben sind und die zu entscheiden haben und die gerade in bezug auf die persönliche Situation der Frauen einen Ermessensspielraum haben.
Es ist vorhin von Herrn Schmitt-Vockenhausen und Frau Lüders sehr viel von der Freiheit und Freiwilligkeit gesprochen worden. Ich glaube, es ist eine Gefahr unserer Zeit, die Freiheit am falschen Ort zu verteidigen. Das 18. und das 19. Jahrhundert sind vorbei, auch ihre Formen, die Freiheit zu bedrohen und zu verteidigen. Auch das ,,Tausendjährige Reich" ist vorbei. Wir sollten uns nicht in mit den Bedrohungen der Freiheit in der Vergangenheit verzehren. Die Spannungen im inneren Gefüge unserer Gesellschaft, die Übermacht bestimmter Verbände und die äußeren Spannungen zwischen den Völkern bedrohen heute die Freiheit. Die Schwäche der Staatsgewalt kann hier eine größere Gefährdung bedeuten als alles andere. Ein gefestigter Staat und ein sicheres Staatsbewußtsein der Bürger kann die Freiheit schützen. Dazu gehört auch die Bereitschaft zusammenzustehen, und dazu gehört die Bereitschaft, auf Freiwilligkeit zu verzichten, wo es zur Bewahrung der Freiheit unseres Landes notwendig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312419400
Meine Damen und Herren! Ich unterbreche die Verhandlung zu diesem Punkt der Tagesordnung.

(Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312419500
Wir kommen zu Punkt 20 a der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfügung eines Artikels über die Luftverkehrsverwaltung in das Grundgesetz (Drucksache 1534);
Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) (Drucksache 1961).

(Erste Beratung 97. Sitzung)

Ich habe heute vormittag angekündigt, daß die Abstimmung etwa um 17 Uhr stattfinden wird.
Herr Berichterstatter, wünschen Sie das Wort?

(Abg. Wittrock: Ich glaube, das Haus legt Wert darauf, Herr Präsident!)

— Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wittrock als Berichterstatter.

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0312419600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur die Tatsache, daß wir es hier mit einer Grundgesetzergänzung zu tun haben, gibt Anlaß dazu — eben wegen der Bedeutung eines solchen Gesetzes —, einen kurzen mündlichen Bericht zu erstatten, zumal ein Schriftlicher Bericht dem Hause nicht vorliegt.
Es handelt sich um eine Grundgesetzergänzung, durch die festgelegt werden soll, daß die Luftverkehrsverwaltung in bundeseigener Verwaltung zu führen ist. Im übrigen soll der Bundesgesetzgeber mit Zustimmung des Bundesrates die Möglichkeit haben, einzelne Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern als Auftragsverwaltung zu übertragen.
In den bisherigen Erörterungen bestand zwischen Bundesrat und Bundestag Übereinstimmung darüber, daß es einer grundgesetzlichen Regelung über die Luftverkehrsverwaltung bedarf. Es ist einmal erwogen worden, im Wege einer gesetzlichen Ermächtigung die Bundesregierung in die Lage zu versetzen, die Verwaltungszuständigkeit im Verordnungswege zu regeln. Beide Häuser haben aber übereinstimmend die Auffassung vertreten, daß dieser Weg, der einmal bei Gelegenheit der Beratung einer Novelle zum Luftverkehrsgesetz erörtert wurde, nicht begehbar sei. Wir stehen also vor der Tatsache, daß über das Ob einer Grundgesetzergänzung Übereinstimmung besteht.
Ich muß aber darauf hinweisen, daß es zwischen Bundestag und Bundesrat — jedenfalls nach den bisherigen Äußerungen des Bundesrats — offensichtlich Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, wie die Grundgesetzergänzung im einzelnen ausgestaltet werden soll.
Der Bundesrat hat im ersten Durchgang dieses Gesetzentwurfs in seiner Stellungnahme die Auf-



Wittrock
fassung vertreten, daß man von der Landeszuständigkeit ausgehen und für einzelne Bereiche durch Gesetz die Verwaltungszuständigkeit des Bundes festlegen solle. Der Bundestag ist aber in Übereinstimmung mit dem Entwurf der Bundesregierung der Meinung, daß der hier zu regelnde Bereich, nämlich der Luftverkehr, seiner Natur nach überregional ist. Wir haben im Grundgesetz ein ähnliches Beispiel: überregionale Verkehrswege, nämlich die Autobahnen, werden in bundeseigener Verwaltung geführt.
Der Rechtsausschuß war deshalb der Auffassung, daß es dem Strukturprinzip des Grundgesetzes entspricht, wenn man bei dem seiner Natur nach überregionalen Luftverkehr ebenfalls grundsätzlich die Verwaltungszuständigkeit des Bundes festlegt. Aus dieser Erwägung hat der Rechtsausschuß beschlossen, Ihnen den aus der Drucksache 1961 ersichtlichen Vorschlag zu unterbreiten.
Ich möchte abschließend noch darauf hinweisen, daß bei dieser Grundgesetzergänzung erstmalig eine Numerierung erfolgt. In Zukunft werden Verfassungsergänzungen fortlaufend numeriert. Wir haben es hier mit der 11. Änderung des Grundgesetzes zu tun.
Ich darf Sie namens des Rechtsausschusses darum bitten, der Ergänzung des Grundgesetzes — Antrag Drucksache 1961 — die Zustimmung zu geben. Ich glaube, ich überschreite nicht meine Befugnisse als Berichterstatter, wenn ich gleich namentliche Abstimmung vorschlage.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312419700
Sie schlagen namentliche Abstimmung vor? — Es muß ausgezählt werden; das ist klar.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht.
Ich eröffne die Aussprache in der zweiten Lesung. Wird das Wort gewünscht? — Ich rufe auf § 1, —§ 2, — Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es handelt sich um eine Grundgesetzänderung. Ich mache darauf aufmerksam, daß Art. 79 Abs. 2 'des Grundgesetzes für ein verfassungsänderndes Gesetz die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages vorschreibt. Die Berliner Abgeordneten sind nicht stimmberechtigt. Zur Erlangung der Zweidrittelmehrheit müssen 332 Mitglieder des Hauses der Vorlage zustimmen.
Ich bitte, den Saal — wie bei der Abstimmung im Hammelsprung — zu räumen. Wir werden auszählen. —
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 368 Mitglieder des Hauses. Es ist keine Gegenstimme abgegeben worden. Eine
Stimmenthaltung. Damit haben 369 Mitglieder des Hauses an der Abstimmung teilgenommen. Die Grundgesetzänderung ist von diesem Haus mit einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern beschlossen worden.
Wir kehren zurück zu den Punkten 4 bis 6 der Tagesordnung. Ich gebe das Wort dem Herrn Bundesinnenminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312419800
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß der Debatte wenigstens zu einigen Gesichtspunkten noch Stellung nehmen, die sich mir als wesentlich aufdrängen. Dabei muß ich leider in eine Menge Papier hineingreifen, die bei mir in diesen Stunden seit heute morgen entstanden ist. Ich bitte etwas um Nachsicht, wenn das gewisse Schwierigkeiten macht. Ich möchte, um die Übersicht zu erleichtern, zu den einzelnen Rednern etwa in der Reihenfolge Stellung nehmen, in der die Damen und Herren gesprochen haben. Ich beginne also mit den Bemerkungen des Kollegen Dr. Schäfer.
Herr Kollege Dr. Schäfer hat die Sache so dargestellt, als ob der Entwurf der Bundesregierung in wundervoll aussichtsreiche Besprechungen hereingeplatzt sei, die man vorgeschlagen oder sogar schon begonnen habe. Das stimmt mit den Tatsachen nicht überein. Die Vorlage der Bundesregierung ist wesentlich früher fertig gewesen und wesentlich früher mit zahlreichen Stellen auch Ihrer eigenen Freunde erörtert worden, als Sie es jetzt in Erinnerung haben. Die Arbeiten an diesem Entwurf gehen, wie Sie wissen, sehr weit zurück. Wir haben schon in einem ziemlich frühen Stadium vertraulich Einsicht in die Grundzüge und die Grundgedanken gegeben.
Das ist ein Punkt, den ich klarstellen möchte, weil es sonst so wirken könnte, als ob die Bundesregierung irgendeine Art Störungsaktion unternommen hätte. Davon kann selbstverständlich überhaupt keine Rede sein, ganz unbeschadet ihrer verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312419900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Bundesminister?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312420000
Bitte sehr!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0312420100
Herr Minister, war es nicht so, daß im Dezember letzten Jahres die CDU/CSU- Fraktion um Aufnahme der Gespräche gebeten hat und Sie dann im Januar durch Kabinettsbeschluß Ihre seitherige Vorlage zur Gesetzesvorlage gemacht haben? Davon ist die Rede. Selbstverständlich — und hoffentlich — haben Sie seit Jahren Vorarbeiten getroffen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312420200
Herr Kollege Dr. Schäfer, das trifft, wie ich gerade sagte, nicht den Kern der Sache. Die Arbeiten waren wesentlich früher abgeschlossen. Die Entwürfe mußten



Bundesinnenminister Dr. Schröder
tatsächlich einmal wirklich in Lauf kommen, und ich komme auf die Haltung der Opposition in diesem Zusammenhang gleich noch eingehender zurück.
Das ist das eine.
Der zweite Punkt ist eine Sache, die ich mehr deshalb behandle, damit sich die Behauptung nicht etwa fortfrißt. Die Zeitung „Die Welt" ist einer falschen Information zum Opfer gefallen, als sie gemeldet hat — ich habe das gelesen wie Sie —, der Bundesvorstand der CDU habe Gespräche mit der Sozialdemokratische Partei oder Fraktion beschlossen. Davon ist überhaupt in dem Zusammenhang nicht gesprochen worden. Wenn ich einmal berichten darf, was dort besprochen worden ist, so ist es dies: alle diese Vorlagen mit größter Beschleunigung im Gesetzgebungsgang zu behandeln. Das sind die wirklichen Beschlüsse, die dort gefaßt worden sind.

(Abg. Jahn [Marburg] : Also keine Gespräche!)

— Auf das Thema der Gespräche, erlauben Sie min, werde ich gleich schön gerundet noch einmal zurückkommen. Es wäre schade, wenn ich mir das entgehen ließe.
Herr Kollege Schäfer hat bemängelt, daß die Bundesregierung kein Material über mögliche Krisen und krisenhafte Entwicklungen zur Verfügung gestellt habe. Meine Damen und Herren, was ich jetzt sage, sage ich auch schon vorgreifend zu einigen Betrachtungen, die die verehrte Frau Kollegin Dr. Lüders angestellt hat. Sie hat gefragt: „Ist Kuba der Punkt der Spannungen, von dem wir hier sprechen? Ist der Kongo der Bereich der Spannungen?" Meine Damen und Herren, ich bin eigentlich etwas verwundert darüber, daß wir hier nicht sehr viel dichter dabei ganz gefährliche Spannungen und die Möglichkeit ganz gefährlicher Entwicklungen sehen, ohne daß ich diesen Punkt im Augenblick vertiefen möchte.
Ich muß dann eine Legende zerstören — eine Legende, die von dem Kollegen Dr. Schäfer wie ein Lieblingskind gehegt wird, nämlich die Legende, die Bundesregierung habe keine Verstärkung der Polizei der Länder gewollt, denn wir hätten uns bei den Haushaltsberatungen hier nicht einverstanden erklärt, 25 Millionen DM dorthin zu disponieren. Meine Damen und Herren, ich bin es gewesen — schon seit Jahren —, der die Länder händeringend gebeten hat, ihre Polizeikräfte zu verstärken; und es kann doch niemand bezweifeln, daß die Länder in der Lage sein werden, einige tausend Polizisten mehr zu bezahlen. Das wird doch im Ernst niemand bestreiten wollen. Es bedarf deswegen nicht des Rückgriffs auf Bundesmittel, die für andere Zwecke disponiert sind, um die Länderpolizei aufbauen zu können. Die Länder würden es sich wahrscheinlich eher verbitten, wenn wir auf diesem Umweg, auch noch durch bare Dotationen, in ihren personellen Bestand eingreifen wollten. Hier gilt aber ganz unverändert, was ich schon mehrfach gesagt habe: Jede Verstärkung der Bereitschaftspolizei der Länder hat unsere volle herzliche Unterstützung insoweit, als die bisherigen Abkommen in Frage kommen, daß also der Bund bereitwillig die Ausstattung mit Waffen und Gerät übernehmen wird. Deswegen bitte ich, nicht mehr auf diesen Punkt zurückzukommen, als könnten unsere angeblichen schlechten Absichten, unsere angeblichen dunklen Machinationen daraus belegt werden, daß wir ja eine Verstärkung der Polizei der Länder verhinderten, — als ob wir sie überhaupt verhindern könnten, auch wenn wir es wollten. Ich sage Ihnen zum wiederholten Male: Wir begrüßen es herzlich, wenn die Länder so bald wie möglich ihre Bereitschaftspolizei verstärken, und wir würden es auch sehr begrüßen, wenn es in Berlin möglich wäre, die Bereitschaftspolizei wenigstens auf die vorgesehene Stärke zu bringen. Die Gründe liegen I doch offensichtlich auf der Hand.
Ich muß eine zweite Legende zerstören, die mir beinahe gefährlicher erscheint als die erste. Diese zweite Legende — sie ist hier vor Damen und Herren vorgetragen worden, die natürlich den Hintergrund einer solchen Ausschußsitzung überhaupt nicht beurteilen können — geht dem Sinne nach etwa dahin, eine bestimmte Rede des Vorsitzenden der IG Metall, Brenner, dessen Reden ich sehr sorgfältig lese, weil es interessante und wesentliche Reden sind, könnte etwa einen Notstandsfall begründen. Ich habe in der Tat — ich habe die Rede jetzt nicht hier, man kann ja nicht immer alles Papier gleich präsent haben — damals eine Rede von Herrn Brenner zitiert, die zu allergrößten Bedenken Anlaß gab. Ich habe diese Rede überhaupt nur erwähnt in dem Bereich von spannungsvollen Auseinandersetzungen, wie sie darin angeschnitten waren. Daß aber der Kollege Brenner keinen Notstandsfall darstellt, brauche ich hier wohl nicht im einzelnen auszuführen.

(Abg. Dr. Schäfer: Da ist eine erfreuliche Wandlung bei Ihnen festzustellen!)

Einen einzigen Mann hier etwa als einen Notstandsfall hinzustellen, das geht nun doch über das
hinaus, wozu ich mich jemals bereitfinden würde.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schäfer: Das habe ich auch nicht behauptet!)

— Ich wollte eis nur einmal ausräumen. Es war nicht sehr hübsch, meine Rede zu zitieren, ohne Zusammenhang zu erwähnen.
Ich komme aber zur Frage der Gewerkschaften. Mir ist ganz klar, daß eine der treibenden Kräfte hinter Ihrer in dieser Frage — ich sage es jetzt ungenierter als heute vormittag — negativen Haltung die Besorgnisse der Gewerkschaften sind. Das ist einwandfrei klar und ist ja dokumentarisch belegt. Ich kenne auch die Erklärungen, die einzelne von Ihnen immer wieder in Gewerkschaftsversammlungen abgegeben haben. Man kennt sie bereits als sorgfältiger Zeitungsleser, wenn man sich darum bemüht. Ich habe aber x-mal gesagt, daß der normale Arbeits- und Lohnkampf für uns überhaupt nicht unter der Perspektive des Notstandes und eines Ausnahmezustandes gewertet werden kann. Ich habe vielmehr immer gesagt — um einmal eine Formel zu finden, wie sie dem etwas materiellen Denken un-



Bundesinnenminister Dr. Schröder
serer Zeit am besten entspricht —: alle Dinge, die mit Geld erledigt werden können, sind in unseren Augen als ein Notstandsfall beinahe nicht vorstellbar. Deswegen hat kein Mensch die Absicht, die Gewerkschaften in ihren Arbeits- und Lohnkämpfen zu behindern. Dafür gibt es auch nicht den Schatten einer Andeutung.
Ich werde auch noch Gelegenheit nehmen, die falschen Vorstellungen, die sich offenbar in den Köpfen einiger führender Männer der Gewerkschaften auf diesem Gebiet breitgemacht haben, durch persönliche Unterhaltung auszuräumen, wenn die Betreffenden bereit sind, auf solche persönliche Argumentation etwas zu geben. Aber die Auffassung, daß sozusagen die eigentlichen Garanten der Verfassung, die stärksten Säulen des freiheitlichen, sozialen, demokratischen Rechtsstaats die Gewerkschaften seien — und eine solche Unterhaltung habe ich mit anderen wesentlichen Politikern in Deutschland schon gelegentlich einmal gehabt —, ist in dieser starken Betonung eine These, die ich unter gar keinen Umständen als richtig annehmen kann. Uns sind alle Leute, gleich in welchen Organisationen, willkommen, die mit uns auf dem Boden des Grundgesetzes für dieselben Ziele arbeiten. Aber irgendeiner Organisation in einer Zeit wie der unseren sozusagen einen Blankoscheck, einen Vertrauensscheck auszustellen, ist schlechthin ausgeschlossen. Gewerkschaften und Gewerkschaften sind noch lange nicht dasselbe. Ob das zutrifft, was ich sage, brauchen Sie nur in Unterhaltungen mit führenden Gewerkschaftlern festzustellen. Die Gewerkschaften
3 haben manche große und, wie ich glaube, berechtigte Sorge in den eigenen Reihen und um viele ihrer Angehörigen. Daran ist doch gar kein Zweifel möglich. Ich muß dem Kollegen Dr. Kanka zustimmen: es ist keineswegs ausgeschlossen, daß im Laufe der Zeit sich an Organisationen — mögen sie sein, was sie wollen, und mögen sie stehen, wo sie wollen — Veränderungen und Prozesse ergeben. Wir sprechen hier nicht in wunderbar befriedeten Landschaften und harmlosen Bereichen, sondern wir sind das Volk der Welt, das an einer der allergefährlichsten Stellen, Tür an Tür mit dem Kommunismus lebt; das trifft für kein Volk in der Weise zu wie für uns. Wenn man sich einmal die ungeheuren Anstrengungen ansieht, die der Kommunismus über und unter der Erde macht, um hier Boden zu gewinnen, wenn man sich einmal klarmacht, daß wir der lockendste Preis sind, den der Kommunismus sich derzeit überhaupt vorzustellen vermag, dann muß man feststellen, daß alle Sorgen auf diesem Gebiet nicht übertrieben, sondern pflichtgemäß und berechtigt sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Man verweist nun darauf, daß die Gewerkschaften sozusagen den Notstand selber in ihre starken Hände nehmen würden, wie das in Ziffer 6 und 7 ihres Statuts als Voraussetzung für Notstandsarbeiten vorgesehen sei. Das kann man ganz schön sagen; natürlich! Aber Sie glauben doch nicht, daß eine verantwortungsbewußte Regierung sich auf etwas verlassen kann, was im Statut einer privaten Vereinigung steht. Es ist immer die Frage: was kann ich halten, wofür kann ich einstehen und was geschieht mit mir in einer bestimmten Entwicklung? Diesen Hinweis auf das Statut höre ich ständig gegenüber dem Technischen Hilfswerk und bei den verschiedensten Sachen. Dieser Hinweis entbindet aber keine Regierung in Deutschland — sei es die Bundesregierung oder seien es die Regierungen der Länder, und seien diese geführt, von wem sie wollen — von der Verpflichtung, für den Ernstfall Vorkehrungen zu treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun zur Frage des Bundesverfassungsgerichts; ich unterstreiche diesen Punkt noch einmal ganz besonders. Zunächst erlauben Sie mir eine mehr scherzhafte Bemerkung. Ich würde mir nie im Leben erlaubt haben, die — im übrigen vorbereiteten, wenn auch im Rahmen einer Diskussion vorgetragenen — Äußerungen des Herrn Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts so darzustellen, wie das der Herr Kollege Dr. Arndt getan hat. Aber der Herr Kollege Dr. Arndt bekommt dafür vielleicht leichter Absolution, als ich sie bekommen könnte. Diese Bemerkung möchte ich jedoch nur im Scherz machen.
Im Ernst: Ich habe ganz klar hervorgehoben -
das ist der Ausdruck unserer Haltung, der Ausdruck der Rechtslage und der Ausdruck unserer Absichten —, daß wir das Bundesverfassungsgericht als ein wesentliches Element in unserer rechtsstaatlich ausgewogenen Ordnung auch im Ausnahmezustand intakt erhalten sehen wollen. Wir haben gelegentlich einmal diskutiert — ich weiß nicht, ob es hier oder an anderer Stelle gewesen ist —, ob man nicht sogar zur Sicherung seines Funktionierens dann vereinfachte Formen finden könnte, also vielleicht einen vereinfachten Senat usw. Jedenfalls haben wir nie eine andere Absicht ausgedrückt, als daß wir das Bundesverfassungsgericht unter allen Umständen intakt halten wollen. Gelegentlich ist der etwas ulkige Gedanke aufgekommen, wir könnten sozusagen mit Dienstverpflichtungen in den Bestand der Richter hineingreifen. Er gehört in ein Witzbuch und nicht in eine ernste politische Betrachtung. Dabei möchte ich nicht sagen, Herr Kollege Dr. Schäfer, daß Sie diesen Gedanken aufgebracht haben.
Sie haben nun die Frage gestellt — sie ist später von anderen wiederholt worden —, was die Bestimmung bedeuten soll, die besagt: „Stehen der Beschlußfassung des Bundestages Hindernisse entgegen . . .". Sie fragten, ob man nicht sagen könne: „Stehen dem Zusammentritt ...". Ich meine, die Bedenken dagegen, das ganz ähnlich wie im Art. 59 a zu machen, sind nicht so furchtbar durchschlagend, und dies ist keine Bestimmung, für die ich etwa, wie es heute so schön heißt, auf die Barrikaden gehen würde; das ist die Bestimmung nicht wert.
Der Gedanke ist nur der, daß zwar die Wirklichkeit unter Umständen ein mehr oder weniger komplettes Versammeln vielleicht zuließe, daß aber vielleicht in Verhandlungen, Besprechungen usw. usw. sich effektive Schwierigkeiten und Verzögerungen für eine Beschlußfassung ergeben könnten, die es nicht erlaubten, wirklich einer Krisensitua-



Bundesinnenminister Dr. Schröder
tion, einer plötzlichen, schnellen Krisensituation gerecht werden zu können. Ich sage noch einmal: Diese Bestimmung, die also nicht irgendeinen düsteren Hintergrund hat, ist mindestens keine große Befürchtung wert. Wenn wir um den Preis der Abänderung dieser Bestimmung Ihre Zustimmung bekommen könnten, meine Damen und Herren, —

(Abg. Dr. Schäfer: So billig geht das nicht!)

diese Erklärung würde ich noch heute abend abzugeben bereit sein. Sie sehen ja, daß ich mir eine gewaltige Mühe gebe, Ihre Zustimmung zu bekommen. Wie groß meine Hoffnungen darauf sind, das bleibt auf einem anderen Blatt.
Sie tun übrigens der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schrecklich Unrecht, wenn Sie ihren Bericht von gestern auf eine unmittelbare Unterhaltung mit mir von vorgestern zurückführen wollten. Hier ist einiges wiedergegeben, was ich vor Wochen und Monaten in Unterhaltungen gelegentlich gesagt habe. Aber der Bericht der FAZ geht nicht auf irgendwelche aktuellen Hinweise zurück, ganz sicher aber nicht auf einen Hinweis, hier braue sich ein ganz erstklassiges Wahlmaterial zusammen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Das hat aber Herr Rapp vor einem Jahr schon einmal geschrieben!)

— Meine Damen und Herren, das erstklassige Wahlmaterial gegen Sie — Sie entschuldigen den Ausdruck „Wahlmaterial gegen Sie" — liegt doch zu Haufen bereit. Dazu brauchen wir nicht Ihre Unwilligkeit in dieser Frage hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schäfer: Deshalb Ihre geringen Aussichten!)

- Ich spreche ungern über die Aussichten von Wahlen. Ich gehöre zu den Leuten, meine Damen und Herren, die nicht eher „Hering" schreien —das hängt etwas mit meiner norddeutschen Abstammung zusammen —, als dieses Tier gefangen ist. Ich gehe sogar weiter als meine vorsichtige Großmutter. Ich sage nicht nur: als das Tier gefangen ist, sondern auch: entgrätet auf dem Teller legt. Dann ist es Zeit, „Hering" zu sagen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.) Sie werden dieses Bild verstehen.

Dem Kollegen Dr. Schäfer möchte ich dann noch eins sagen. Die Sache mit de Gaulle ist doch wirklich mächtig danebengelungen. Sie haben uns den französischen Staatspräsidenten als Muster vorhalten wollen, weil er durch diesen Ausschuß wunderbar Vorsorge treffe für die möglichst schnelle Zurückführung in die anderen, ordentlichen und normalen Bahnen.
Ich erspare dem Hohen Hause die nochmalige Vorlesung des Art. 16. Ich tue es nur unter großer innerer Überwindung. Der Art. 16 - dieser Art. 16; ich spreche nicht von anderen Bestimmungen --, ist in der Tat ein ganz bemerkenswertes Stück moderner realistischer Verfassungsgeschichte und möglicherweise Verfassungspraxis.

(Abg. Dr. Schäfer: Er weicht von Ihrem Entwurf auch wesentlich ab!)

— Aber, Herr Kollege Dr. Schäfer, ein neues Angebot an Sie — ich habe es vorhin schon gemacht — auf der Basis dieses Artikels! Wenn wir bei Ihnen auch nur Anzeichen erkennen könnten, daß Sie ihn annehmen werden, — übermorgen können wir die Debatte darüber beenden. Ich bin ganz sicher, daß Sie den Abs. 3 darin — gegen den wir auch gar nichts einzuwenden haben — bei uns vielleicht einführen möchten, aber die übrigen Absätze dieses Art. 16 denken Sie doch nicht im Traum anzunehmen. Sollte ich mich täuschen, — niemand würde glücklicher sein als ich, eine entsprechende positive Erklärung von Ihnen zu bekommen.
Dem Kollegen Dr. Kanka gegenüber kann ich mich nur darauf beschränken, ihm herzlich zu danken, daß er eine so entschlossene Rede gehalten hat und daß er aus seiner Perspektive eine so wertvolle Beleuchtung des Gesamtgegenstandes vorgenommen hat. Es ist keine Phrase, wenn ich das sage. Ich bin ihm dafür aufrichtig dankbar.
Wenn ich gerade gelegentlich „Opposition" gesagt habe, hätte ich richtigerweise sagen sollen „sozialdemokratische Opposition" oder „der sozialdemokratische Teil der Opposition" ; das ist vielleicht ein besserer Terminus. Mein verehrter Kollege Dr. Bucher, wir gebrauchen den Terminus deswegen so wenig, nicht weil wir vielleicht blind wären, sondern wir gebrauchen den Ausdruck so wenig, weil er so schrecklich umständlich auszusprechen ist. Es ist ein Abkürzungsdrang, der uns dabei leitet.
Ich möchte aber ausdrücklich feststellen, daß ich den Erklärungen, die Sie abgegeben haben — ich will das jetzt nicht im einzelnen nachzeichnen —, wesentlich positiver gegenüberstehe als dem, was der Kollege Dr. Schäfer gesagt hat. Ich brauche nicht im einzelnen zu beschreiben, worin unsere Meinungen auseinandergehen. Aber das ist die einzige Stimme auf seiten der Gesamtopposition gewesen, die wenigstens den Schattenriß, wenigstens den Umriß einer konkreten Regelung gezeichnet hat, ohne sich nur in der Negation und der Kritik zu erschöpfen.

(Abg. Dr. Schäfer: Sie haben nicht recht zugehört!)

— Es tut mir leid. Ich habe hier eine Menge auf dem Papier und bin vielleicht ein zu sorgfältiger Zuhörer, Herr Kollege Dr. Schäfer. Aber dagegen kann man nicht an.
Ich darf einige Anmerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Dr. Arndt gesagt hat. Er fand, ich hätte eine schnippische Bemerkung gemacht, wir befänden uns nicht im Ausnahmezustand. Ja, meine Damen und Herren, scherzhafte Anmerkungen zu Prozeduren, die für dieses Haus Ausnahmeprozeduren wären, werden sicherlich immer erlaubt sein. Aber das ist nicht der Kern der Sache. Der Kern dessen, was Herr Kollege Arndt sagt, liegt in folgendem. Ich gebe das nun nicht in seinen Worten wieder, sondern in meinen Worten. Der Kern liegt darin, daß er sagt: Bevor eigentlich überhaupt die Bundesregierung, die schließlich diejenige arme Stelle ist, die in Deutschland in den Augen der gesamten Bevölkerung für alles und jedes einstehen



Bundesinnenminister Dr. Schröder
muß, bevor diese arme Bundesregierung sich erlauben darf, einen Vorschlag zu machen für die ihr wesentlich und notwendig scheinenden Gesetze und Ergänzungen anderer Gesetze einschließlich des Grundgesetzes, muß erst der Versuch gemacht werden, eine Mehrheit — doch, doch, das ist gesagt, in diesem Sinne ist das gesagt worden —, eine Mehrheit für die Lösung des Problems aufzubauen. Meine Damen und Herren, ich würde darauf verzichten, einer Bundesregierung anzugehören, die in ihrer Verantwortung vor dem deutschen Volk nicht klipp und klar öffentlich und laut ausspräche, welche Handhaben sie für erforderlich hält, um die ihr gestellten Aufgaben im Interesse des ganzen Volkes lösen zu können.

(Beifall in der Mitte.)

Wenn das so ist, was ja niemand an Hand der Grundgesetzes ernsthaft bestreiten kann, dann ist folgendes sicher möglich. Es ist ganz sicher möglich, daß irgendeine andere Gruppe oder mehrere Gruppen ihrerseits initiativ werden. Parlament und parlamentarische Demokratie sind doch kein Dunkelkammerbetrieb, sondern Parlament und parlamentarische Demokratie bedeutet unentwegte öffentliche Auseinandersetzung hier in diesem Hause und draußen; das ist parlamentarische Demokratie. Und, meine Damen und Herren, es bestehen doch weiß Gott nicht die geringsten Bedenken dagegen, daß Sie so freundlich sind, wenigstens die Umrisse einer Lösung aufleuchten zu lassen, von der Sie glauben, daß Sie auf deren Boden treten können.
Uns vorzuwerfen, wir seien im Verzug mit Besprechungen, und zu sagen, wenn Deutschland eines Tages ohne Notstandsrecht dastehen sollte, dann sei das die Schuld der CDU, meine Damen und Herren, gegen diesen Versuch, einen Schwarzen Peter der Bundestagsfraktion der CDU/CSU zuzuspielen, wehre ich mich ganz entschieden sowohl als Angehöriger dieser Fraktion wie als Angehöriger der Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. •Erler: Es stimmt aber, daß die Besprechungen von Ihnen nicht fortgesetzt wurden? Das können Sie doch nicht weginterpretieren!)

— Ich habe dazu alles gesagt, was dazu zu sagen ist.

(Lachen bei der SPD und Zuruf: Aber das war zu wenig!)

Ich komme zu einem weiteren Punkt, den der Herr Kollege Dr. Arndt angeführt hat. Er hat leider natürlich ohne vollständig zu zitieren — mich dafür getadelt oder gerügt oder moniert oder was soll ich sagen, daß ich unseren Grundriß in bestimmten Teilen als unverzichtbar erklärt hätte. Es ist vielleicht doch ganz gut, wenn ich aus dem ankorrigierten Stenogramm, das hier vor mir liegt, Ihnen vorlese, was ich gesagt habe; dann werden Sie finden, daß ich dazu voll berechtigt bin. Ich habe gesagt:
Wenn ich nun die Einwände, die ich wenigstens kurz angedeutet habe, zusammenfassend würdige, so komme ich zu dem Ergebnis, daß der Grundriß des Instruments, wie ihn unsere Vorlage macht, uns als unverzichtbar erscheint, wobei wir keineswegs ausschließen wollen, daß gewisse, hier jetzt nicht weiter zu erörternde Nuancen anders gesetzt werden mögen. Das hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu den Vorschlägen des Bundesrates bereits angedeutet. Aber, meine Damen und Herren -und das ist ein Punkt, über den wir keinen Zweifel aufkommen lassen dürfen —, die Bundesregierung kann nicht zustimmen, daß weiter zum Teil in der Diskussion oder gar in der Praxis so getan wird als ob. Die Philosophie des Als-Ob, meine Damen und Herren, ist zwar ein deutscher Beitrag zur Geistesgeschichte gewesen. Das Prinzip des Als-Ob eignet sich jedoch nicht, um brauchbare rechtliche Handhaben zu schaffen.
Ich bin dann fortgefahren mit dem Bild von dem Lungenkranken, dem Ärztekongreß und dem Penicillin.
Damit habe ich nichts anderes gesagt als das, was etwas anders formuliert in der Drucksache der Bundesregierung und ihrer Stellungnahme zu den Äußerungen des Bundesrates steht. Meine Damen und Herren, ich sage mit aller Deutlichkeit: wir würden uns eines schweren Vergehens gegenüber dem deutschen Volk schuldig machen, wenn wir unsere Hand dazu reichten, daß angebliche Notstandsregelungen geschaffen werden, die schlechter sind als der derzeitige Rechtszustand, wie er sich in den sonst nicht sonderlich erfreulichen alliierten Vorbehalten usw. usw. zeigt. Seien Sie sicher, dazu werden wir unsere Hand nicht geben. Wir werden nur einer Lösung zustimmen, von der wir in vollem Bewußtsein unserer Verantwortung glauben dem deutschen Volk die Sicherheit geben zu können, daß damit der derzeitige Rechtszustand verbessert wird. Nichts anderes ist es, was wir anstreben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dem Kollegen Dr. Werber darf ich dasselbe sagen, was ich an die Adresse des Kollegen Dr. Kanka gesagt habe. Ich bin ihm .für seine Ausführungen aufrichtig dankbar. Es ist über die Zahl der Frauen in der Notstunde gesprochen worden. Das ist eh]. Punkt, den er erwähnt hat. Ich werde im Zusammenhang mit den Antworten an andere Redner, die besonders das Frauenproblem behandelt haben, darauf noch einmal zurückkommen.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat im wesentlichen zum Notdienstgesetz und zum Bundesleistungsgesetz gesprochen. Meine Damen und Herren, es fällt ja schwer, manchmal nicht doch in eine gewisse Heiterkeit zu verfallen, und zwar aus folgendem Anlaß. Damals hat der Bundesrat, wenn ich mich recht erinnere — ich glaube, das ist die Szene, die er dargestellt hat —, Klage darüber geführt, es habe nicht genug Zeit zur Verfügung gestanden, zu der Vorlage eines Notdienstgesetzentwurfs Stellung zu nehmen. Ein sorgfältiger Leser des Grundgesetzes und Kenner der Möglichkeiten des Bundesrats in dem sogenannten ersten Durchgang weiß, daß der Bundesrat in diesem Durchgang zu nichts verpflichtet ist. Er kann Stellung nehmen, er kann es lassen. Der Bundesrat hat viele, viele



Bundesinnenminister Dr. Schröder
Möglichkeiten, außerhalb der Dreiwochenfrist zu Gesetzesvorlagen Stellung zu nehmen, jeden Tag von neuem. Solange Gesetze nicht definitiv zum zweiten Durchgang an ihn zurückgekehrt sind, wird sein Wort, sei es darußen, sei es drinnen und an beiden Stellen, gehört werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich gern eines sagen. Der erste Durchgang beim Bundesrat hat, wie wir alle wissen, gewisse Schwierigkeiten, deren Opfer eigentlich, meine Damen und Herren, leicht dieses Hohe Haus wird. Wenn man schon über Reformen spricht — und es wird über Fristveränderungen und dergleichen gesprochen —, wäre es wahrscheinlich viel besser, eine zusätzliche Frist für eine Beratung nach der des Bundestages ins Auge zu fassen; denn jetzt hat sich die Möglichkeit einer ersten Stellungnahme zu einem sehr komplizierten Verfahrensprozeß entwickelt, der tatsächlich manchmal zu Reibungen führt, die wegfielen, wenn man die Dinge etwas anders gestaltete.
Meine Damen und Herren, das Hauptmotiv der oppositionellen Sprecher — so muß ich jetzt wohl sagen — gegenüber dem Notdienstgesetz speziell in bezug auf Frauen — ich bin nicht ganz sicher, ob der Kollege Schmitt-Vockenhausen es nur in bezug auf Frauen gesagt hat -- ist, daß man das Ganze von vornherein nur auf Freiwilligkeit stützen sollte. Nun glauben Sie doch ja nicht, meine Damen und Herren, daß sich die Bundesregierung in diesen großen Aufwand stürzen würde, wenn sie auch nur eine annähernde Gewähr dafür hätte, daß alles, was hier notwendig ist, im Wege der Freiwilligkeit ,geleistet werden könnte!
Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt hat einige Zahlen genannt. Ich will Ihnen die Zahlen noch etwas konkreter nennen, als sie es nach meiner Erinnerung getan hat. Für den Ernstfall würden wir an weiblichen Hilfskräften benötigen: Im zivilen Sektor an Schwestern für zivile Krankenhäuser 6600 — unter uns gesagt, halte ich diese Schätzung für zu niedrig —, Schwesternhelferinnen für zivile Krankenhäuser 60 000, Schwesternhelferinnen für Luftschutzrettungsstellen in Städten 6000, Helferinnen für Luftschutzhilfsdienst, Sanitätsbetreuungsdienst usw. 59 000, zusammen beinahe 132 000 Kräfte. Im militärischen Sektor — ich bitte mich nicht auf diesen Ausdruck festzunageln — werden rund 45 000 Kräfte gebraucht. Es ergibt sich ein Gesamtbedarf von etwa 175-, 176-, 177 000 Kräften. Man rechnet vernünftigerweise damit, daß etwa die doppelte Zahl, oder sagen wir ruhig für den Zweck unserer Unterhaltung, wesentlich mehr ausgebildet werden müssen.
Vielleicht ist man jetzt draußen mancherorts unnötig besorgt. Die Leute lesen nicht alles, hören mal was Falsches, hören nicht alles richtig, meist mehr falsch als richtig, bestenfalls die Hälfte richtig. Man muß sich aber eines klar machen: es ist genau zu unterscheiden zwischen dem Stadium, in dem Kräfte ausgebildet werden müssen — begrenzte Zahlen —, und dem Ernstfall, in dem durch Verpflichtungsbescheide usw. alle Kräfte herangezogen werden, die man wirklich braucht. Glauben Sie, irgendjemand von uns würde ein solcher Narr sein, zu Ausbildungsveranstaltungen — einhundert Stunden im Jahr oder vierzehn Tage — ausgerechnet solche Frauen heranzuziehen, die in Lebensverhältnissen stehen, in denen das tatsächlich ein kräftiger Eingriff in ihre persönliche Sphäre wäre?! Niemand wird so töricht sein. Denn auch wenn wir diese Dinge nur mit einem gesetzlichen Gebot dahinter machen können, so müssen wir im Grunde doch immer wieder an die Bereitwilligkeit der Menschen appellieren, für eine vaterländische Aufgabe mitzuarbeiten. Das versteht sich doch ganz von selbst.

(Zuruf rechts: Sie kennen Ihre Bürokraten nicht!)

- In der Welt gibt es sicherlich viele Bürokraten,
aber es gibt auch Gegenmittel gegen Bürokraten, und dieses Haus ist doch ein geborenes Gegenmittel gegen Bürokraten. Das wissen wir doch alle aus der Erfahrung.

(Abg. Schoettle: Das müßte noch bewiesen werden, Herr Minister!)

— Herr Kollege Schoettle, wir beide — Sie haben vielleicht eine noch freundlichere Auffassung vom Leben als ich — sind wahrscheinlich nicht überoptimistisch. Aber daß permanente Kritik an gewissen Erscheinungen der Bürokratie ihren Niederschlag findet, das kann man ernsthaft nicht bezweifeln. Ich könnte Ihnen aus meiner eigenen, zwar begrenzten, aber immerhin gegebenen Erfahrung einiges darüber sagen. Sie glauben nicht, wie sehr man ganz pflichtmäßig in großen Teilen des Apparates bemüht ist, nur ja Kritik aus parlamentarischen Kreisen sofort und unter Tempo zu berücksichtigen und Abhilfe zu schaffen. Herr Kollege Schoettle, ich würde an Ihrer Stelle meinen Einfluß nicht unterschätzen. Der Einfluß ist außerordentlich groß, gerade auch im Kampf gegen die Bürokratie. Dabei habe ich Sie jetzt nicht in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Haushaltsausschusses angesprochen. In dieser Eigenschaft geht Ihr Einfluß allerdings sehr viel weiter, als ich es hier beschreiben könnte.
Der Kollege Schmitt-Vockenhausen hat uns ein Bild an die Wand gemalt von 35 Millionen Karteikarten, durch 30- bis 35 000 Menschen, 2 bis 3 Divisionen neuer Kräfte betreut. Bei diesem Bild wurde mir angst und bange.

(Zuruf des Abg. Schmitt-Vockenhausen.)


(anfallenden Aufgaben nach seiner Meinung ohne irgendeine sonderliche Schwierigkeit gemeistert werden könnten, also nicht jenen Legionen neuer Kräfte 'anvertraut werden müßten. (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Die Äußerungen ,des Herrn Claussen zu dieser Frage sind für uns keine Beruhigung!)




Bundesinnenminister Dr. Schröder
— Warum ,der Herr Staatssekretär Claussen Sie nicht zu beruhigen vermag, weiß ich nicht, aber vielleicht vermögen seine Argumente Sie zu beruhigen. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, wie ich Sie kenne, werden Sie nicht darauf verzichten, im Ausschuß eine ausführliche Debatte über diesenGegenstand herbeizuführen. Dann mögen Sie dort beruhigt werden von jenen, die genauere Kenner des Arbeitswesens sind, als ich es sein kann. Ich kann nur das erklären, was uns von fachkundiger Stelle dazu versichert wird.
Ich habe den Kollegen Schmitt-Vockenhausen wegen des Einsatzes der Frauen schon einmal angesprochen. In meinen Ausführungen habe ich eingehend dargelegt, daß wir, soweit es sich um die Anregung des Bundesrates handelt, bei der Heranziehung der Frauen durchaus geneigt .sind, gewisse Elastizitätsgrenzen zu verändern. Sie haben aber gerade z. B. von der verehrten Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt gehört, daß sie manche Bedenken dagegen hat. Ich finde die Bedenken, die sie vorgetragen hat, sehr wesentlich. Sie sagt: Gehen wir von 55 auf 50 Jahre herunter, dann drücken wir mehr Last, einmal ganz im groben gesehen, auf wesentlich jüngere Frauen, die in der Familie mehr zu tun haben, während es in dem höheren Lebensalter vielleicht sehr geeignete Kräfte gibt, die im übrigen auch zu allen Zeiten immer ein gewisses Maß von Freiwilligkeit gezeigt haben. Ob wir allerdings, Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt, so weit gehen können, etwa mit der Möglichkeit, daß Frauen in führenden Stellungen eingesetzt werden, eine positive Propaganda zu machen, ist etwas zweifelhaft. Aber ich glaube, daß der Hinweis, den Sie gegeben haben, ganz berechtigt ist. Zum mindesten zeigt er die Problematik auf.
Meine Damen und Herren, ich bitte doch alle diejenigen, die glauben, wir seien darauf aus, mit einem neu zu schaffenden Gesetz durch die Lande zu ziehen und die Menschen — wie sagte Herr Schmitt-Vockenhausen so schön — von der Wiege an als notdienstpflichtig zu registrieren und zu erfassen, doch einmal zu lesen, was in § 11 steht. Die unter diese Bestimmung fallenden Personen sollen zum Notdienst erst dann herangezogen werden, wenn der Bedarf an Arbeitskräften auf diese Weise nicht oder nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln gedeckt werden kann. Soweit der Notdienst nicht zu einem bestehenden Diens-
oder Arbeitsverhältnis gefordert wird, sollen zunächst geeignete Personen herangezogen werden, die sich freiwillig zur Verfügung stellen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Aber Sie wollen doch erfassen!)

Was heißt das, meine Damen und Herren? Das heißt, daß manche Leute an den Plätzen, an denen sie bereits heute arbeiten, die Mitteilung bekommen: Lieber Freund, an dieser Stelle bis du wichtig, auch wenn es einmal ernst wird; bleibe bitte dort. Das ist deine Pflicht. — Das ist das einzige, was für eine große Zahl von Menschen gelten wird. Es ist weiß Gott für den durchschnittlichen Staatsbürger keine übermäßige Zumutung, wenn er — die meisten
Leute ziehen ja auch nicht permanent um — einen Wohnungswechsel mitteilen soll. Das als Preis für den Frieden! Es wäre wirklich eine schöne Vorstellung, wenn sich jemand auf diese Weise den Frieden erkaufen könnte. Im übrigen gilt, daß, wenn weitere Positionen zu besetzen sind, erst auf Freiwillige zurückgegriffen werden soll.
Was bedeutet das eigentlich, „das Prinzip der Freiwilligkeit ergänzen durch gesetzliche Vorkehrungen", die daraus auch notfalls einen Zwang werden lassen? Die Erfahrung überall lehrt — es gibt eine lange Erfahrung gerade z. B. auf dem Gebiete der allgemeinen Wehrpflicht, nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern —, daß in demselben Augenblick, in dem Sie die Möglichkeit sozusagen einer Rückendeckung durch gesetzliche Bestimmungen haben, die Freiwilligkeit ganz beträchtlich zunimmt, weil dann nämlich die Betreffenden mehr oder weniger selbst in der Lage sind, nach Maßgabe ihrer Neigung und Möglichkeiten einen wesentlichen Einfluß auf die Art von Dienst zu nehmen, die sie im Ernstfall zu leisten bereit sein werden.
Ich kenne zahlreiche Stimmen — sie sind mir gerade in diesen Tagen von sehr sachkundiger Seite wieder mitgeteilt worden, wobei es sich z. B. um jüngere Frauen handelt —, aus denen zu erkennen ist, daß diese Frauen durchaus bereit wären, gewisse Ausbildungslehrgänge mitzumachen, wie sie hier vorgesehen sind, wenn für ihre Dienstherren feststeht, daß sie dazu herangezogen werden. Erstens hat es, wie ich bereits heute morgen ausgeführt habe, den Vorteil eines besseren, rechtlich gesicherten Status, und zweitens ist es auch gegenüber dem Dienstherrn ein ganz anderer Ausweis als die mehr oder weniger richtig eingeschätzte Neigung, sich an irgendeinem Kursus zu beteiligen. Man sollte die Dinge einmal von dieser Seite sehen.
Wenn Sie diese Tatsachen und das Bild eines 52-
Millionen-Volkes nehmen — ich erwähne nun die Zahl der Frauen nicht besonders; ich habe die benötigten Kräfte ja gerade genannt —, dann erscheint es möglich, eine solche Aufgabe in der Kombination, wie ich sie dargestellt habe, zu lösen, ohne daß dabei irgendwelche Härten vorzukommen brauchen. Wenn irgendwo unnötige Härten eintreten, gibt es in unserem Vaterlande Leute genug, die sich zugunsten derjenigen einsetzen, denen irgendwelche Härten zugemutet werden.
Frau Kollegin Dr. Lüders hat sich ausführlich über den Gedanken der Freiwilligkeit verbreitet. Dazu gilt die Kombination, möchte ich sagen, wie ich sie gerade vorgetragen habe.
Ich möchte noch auf einen Punkt näher eingehen. Frau Kollegin Dr. Lüders hat das Rote Kreuz erwähnt. Ich möchte dazu folgendes sagen. Das Rote Kreuz weiß am besten, Frau Kollegin Dr. Lüders — und es steht Ihnen ja eine Unterhaltung mit den dort maßgebenden Damen und Herren frei —, daß seine Aufgaben bei dem derzeitigen Stand der Dinge nicht durch Freiwillige restlos wahrgenommen werden können. Das wird Ihnen das Rote Kreuz sicherlich bestätigen.



Bundesinnenminister Dr. Schröder
Frau Kollegin Schanzenbach hat über denselben Gegenstand gesprochen. Ihr möchte ich ,das, was ich über das Subsidiaritätsprinzip, diesen gerade vorgelesenen § 11, ausgeführt habe, besonders nahelegen.
Meine Damen und Herren, nun komme ich noch einmal zu der Frage zurück: Welches sind die besten Prozeduren, ein Unternehmen wie dieses zustande zu bringen? Dazu gehört, daß alle Beteiligten in großer Aufrichtigkeit, wie ich meine, die Vorstellungen darlegen sollten, unter denen sie bereit sind, die von uns erstrebte rechtliche Verbesserung vorzunehmen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Bundesregierung hat diese Gesetzesvorlage eingebracht. Andere Initiativvorlagen gibt es nicht. Vielleicht kommen sie. Die Vorlage der Bundesregierung wird in aller Kürze im Ausschuß erörtert werden. Es gibt im Ausschuß und um den Ausschuß herum genügend Möglichkeiten zu jeder Art von sachlicher Berührung und Aussprache, wenn ihnen auf beiden Seiten das Ziel zugrunde liegt, dies nicht etwa als eine Frage anzusehen, in der irgend jemand anderes, nur nicht man selbst, vor dem deutschen Volk verantwortlich sein dürfe, sondern als eine Sache anzusehen, an die alle in dem Willen herangehen müssen, ihren Vorschlag — ihren verantwortlichen Vorschlag, ihren diskutierbaren Vorschlag — für die richtige Lösung auf den Tisch des Hauses zu legen. Das ist im Bundesrat geschehen, sowohl von den einen Ländern wie von den anderen Ländern mit dieser oder jener Nuance. Dazu hat die Bundesregierung Stellung genommen. Die Bundesregierung würde zu jedem Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion in derselben Weise Stellung nehmen.
Meine Damen und Herren, es tut mir sehr leid — ich habe lange gezögert, heute früh gewisse Töne anzuschlagen, die der Aufmerksame eigentlich nicht überhören konnte —, daß heute offenbar viele hier gesprochen haben, die mindestens nicht erkennen ließen, daß sie wirklich sehen, wie ernst die Situation ist. Ich gebrauche noch einmal einen Ausdruck, den ich heute morgen gebraucht habe: Wir werden uns nicht daran beteiligen, Schecks ohne Deckung auszustellen. Meine Damen und Herren, es ist später, als viele glauben.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312420300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0312420400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meinerseits nur wenige Worte, soweit sich der Herr Bundesminister des Innern mit meinen Ausführungen befaßt hat. Nun, hinsichtlich des Bundesverfassungsgerichts habe ich gern gehört, daß „wir", wie der Herr Bundesinnenminister sagte, nicht daran ,denken, es irgendwie anzutasten. Aber, Herr Bundesminister, diese Vorlage wäre ja, wenn sie Gesetz würde, nicht nur ein Gesetz zugunsten der Regierung, ,der Sie angehören, sondern zugunsten jeder Regierung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zugunsten des Volkes!)

Sie selber haben ja die Verpflichtung, zu untersuchen, was irgendeine Regierung damit gegenüber dem Bundesverfassungsgericht anfangen könnte, was zulässig wäre. Dem können Sie mit dem Pluralis majestatis, daß „wir" das nicht beabsichtigen, nicht begegnen; denn merkwürdigerweise ist in Ihren Augen alles möglicherweise verdächtig, möglicherweise anfällig; aber auf den Gedanken, daß einmal eine Bundesregierung die ihr anvertraute Vollmacht mißbrauchen könnte, kommen Sie offenbar nicht, obgleich doch leider, sehr leider, die deutsche Geschichte bis 1945 gerade dafür die bedenklichsten Beispiele bietet.

(Sehr wahr! bei der der SPD.)

Sie haben sich dann etwas darüber erregt, daß hier, wie Sie meinen, der Bundesregierung nach meiner Auffassung etwas verboten werden solle, und haben die Androhung gemacht, die für mich kein Übel ist, daß Sie dann aus der Regierung ausscheiden würden.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Es geht nicht darum, daß der Bundesregierung etwas verboten sei; es geht darum, was in einer Demokratie aus den Grundsätzen der Legitimität heraus, die es nämlich neben der formalen Legalität auch noch gibt, jedem geboten ist, der an eine Änderung der Verfassung herangeht. Denn die demokratische Verfassung dokumentiert die Einheit der Nation, und wer hier etwas ändern will, muß sich um eine Einheit der Nation bemühen. Das ist der innere Sinn der Vorschrift über das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit. Die soll nicht, wie man leider Gottes immer so töricht sagt, eine Sperrminorität irgendwie privilegieren; sie soll überhaupt kein mathematisches Exempel sein, sondern sie ist die Ausdrucksweise dafür: darüber müßt ihr euch einigen, denn hier sind Fragen, die unabstimmbar sind und wo nur eine Einheit der Nation das schaffen kann, was notwendig ist. Es geht nicht darum, daß Ihnen etwas verboten werden soll, sondern darum, daß Sie sich bisher in gar keiner Weise um diese politische Einigung bemüht haben.
Und ausgerechnet Sie sagten — da ging es etwas schief bei Ihnen —, die parlamentarische Regierung, das parlamentarische Regime sei doch kein Dunkelkammerregime, kein Dunkelkammerbetrieb. Wer hat denn die Dinge als Verschluß-Sache und als geheim behandelt? Sie doch, nicht wahr.

(Abg. Rasner: Hier liegen sie doch!)

— Na ja, jetzt wird es uns vor die Füße gelegt,

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

anstatt daß man erst einmal politisch darüber redet. Es ist sogar so: Sie haben Ihren Beamten untersagt, mit Abgeordneten der Opposition über die Dinge zu reden. Sie haben es den Ministerpräsidenten mit der Maßgabe gegeben, daß sie es ihren Landesregierungen nicht vorlegen dürfen. Da ist doch der ganze Dunkelkammerbetrieb, der sich hier abgespielt hat, anstatt daß man über eine solche Sache rechtzeitig miteinander redet.
Nicht einmal mit Ihrer eigenen Fraktion haben Sie gesprochen. Denn als uns in einem sehr späten



Dr. Arndt
Zeitpunkt zwei Beamte Ihres Ministeriums an Hand eines damaligen Entwurfs mündlich vortrugen, was darin stehe, und als wir — es war ein anderer Entwurf, wenige Wochen erst, bevor Sie die Regierungsvorlage hier gemacht haben — sagten, wir müßten doch idas Schriftstück in die Hand bekommen, denn so könne man darüber nicht reden, war die Situation — die Beamten waren sehr höflich. — ähnlich wie damals, als Ribbentrop dem polnischen Botschafter die Vorschläge vorlas, die er auch nicht in die Hand bekommen konnte.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Als wir baten, uns die Vorlage zu übergeben, wurde uns gesagt: Die hat nicht einmal die CDU/CSU, die CDU/CSU kann sie auch nicht bekommen, und deshalb können wir sie Ihnen auch nicht geben. — Also das ist das, was sich hier an „Dunkelkammerbetrieb" abgespielt hat.
Und dann zum Schluß: Sie brauchen sich nicht zu empören, wo denn hier die Umrisse einer Lösung sind. Ich glaube, daß von meinem Freunde Fritz Schäfer da einiges sehr Präzises gesagt worden ist. Ich weiß, und ich glaube Sie wissen es auch, daß in 'den drei Gesprächen, die geführt worden sind, einiges sehr Präzises gesagt worden ist. Nicht wir haben die Gespräche abgebrochen oder versanden lassen, sondern Sie schulden uns die Antwort auf das, was dort erörtert worden ist.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312420500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0312420600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Herr Innenminister der einzige Teilnehmer dieser Diskussion ist, der heute morgen offensichtlich nicht begriffen hat oder nicht begreifen wollte, was der Inhalt meiner Rede und der Inhalt der Rede meines Freundes Adolf Arndt war. Ich glaube, ich habe mit aller Deutlichkeit die Gesamtverantwortung dieses Parlaments aufgezeigt, und der Herr Innenminister nimmt davon keine Kenntnis. Ich habe mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß aus diesem Parlament heraus, möglichst mit einer Parlamentsinitiative, diese außerordentlich schweren Fragen geprüft und geregelt werden müssen. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn Sie sich von Ihrer Regierung in einer so wichtigen Frage, die Sache des Parlaments ist, so ans Gängelband legen lassen wollen, dann können Sie bald einen „Artikel 48" beschließen und können dann der Regierung Ihre Vollmachten übertragen, wenn Sie jemals wieder die Mehrheit bekommen würden. Aber was damit geschehen würde, wissen wir auch, auch nach dieser Erwiderung.
Nein, Herr Innenminister, so geht's nicht, und Sie sollten nicht am Kern der Sache in dieser Aussprache vorübergehen, sondern sollten das von uns gemachte Angebot annehmen. Wenn Sie sagen, Sie seien bereit, über einen Artikel 16 der französischen Verfassung zu sprechen, dann sagen Sie damit, daß Sie bereit sind, einen Schritt entgegenzukommen, weil in Ihrer Lösung noch weniger drinsteht. Das habe ich ja heute morgen ausgeführt, und Ihr Zitat hat es nachher bestätigt. Ich sagte, sogar eine so autoritäre Verfassung wie die französische von 1958 sähe idie und die Sicherungen vor. Jetzt sagen Sie: „Ja, dazu wäre ich bereit." Damit geben Sie selber zu, daß Ihre Lösung noch autoritärer ist; das ist ja gerade idas, was wir diesem Entwurf vorwerfen.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, sich dieser Fragen gewissenhaft und selbständig annehmen, wenn Sie das Recht deis Parlaments wahrnehmen und nicht nur ein Lippenbekenntnis ablegen,

(Abg. Rasner: Dann müssen wir es in den Ausschuß schicken!)

dann müssen Sie mit uns zusammen — nicht weil Sie unsere Zustimmung brauchen, sondern weil es eine Angelegenheit aller politischen Kräfte ist, Herr Rasner — darüber sprechen.

(Abg. Rasner: Im Ausschuß! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

Ich habe mit großer Enttäuschung das Dementi des Herrn Innenministers gehört. Ich hatte mich gefreut, als ich in der „Welt" las, der CDU-Bundesvorstand habe so viel politisches Verständnis und wisse, daß hier Gesamtgespräche notwendig sind. Es ist bedauerlich, daß das offenbar nicht der Fall ist, und es ist bedauerlich, daß der Herr Innenminister das hier mit einer gewissen, ich möchte beinahe sagen, Schadenfreude mitteilt.
Damit ist die Frage meines Freundes Adolf Arndt von heute morgen, die Sie nicht beantwortet haben, Herr Minister, noch einmal berechtigt: Was wollen Sie denn? Wollen Sie diese Notstandsgesetzgebung, oder wollen Sie einen Wahlschlager? Glauben Sie denn, daß Sie diesem Parlament einen guten Dienst erweisen, wenn Sie möglicherweise die Erörterung und die Beschlußfassung nicht fördern, sondern von Ihrer Seite aus Schwierigkeiten in den Weg legen?
— Sie haben die Frage nicht beantwortet. Sie überlassen es also uns, unsere eigene Antwort darauf zu finden.
Meine Damen und Herren! Der von uns vorgeschlagene Weg ist nicht der Weg eines „Dunkelkammerbetriebes". Den Ausdruck muß man zurückweisen.

(Zuruf des Abg. Rasner.)

— Herr Kollege Rasner, Sie wissen besser als ich, wie diese Dinge vorbereitet werden müssen und wie sie besprochen werden können. Die Entscheidung liegt bei Ihnen, meine Herren! Das Tor wird bei uns immer offen sein.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312420700
Herr Abgeordneter Dr. Kanka!




Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0312420800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Arndt, Sie haben geglaubt, meinen Ausführungen von heute vormittag gewisse Vorhaltungen entgegensetzen zu können. Ich will auf diese Vorhaltungen nicht eingehen
— nicht, weil ich sie für berechtigt hielte, sondern weil ich glaube, daß Auseinandersetzungen darüber der Sache, auf die allein es ankommt, nicht dienen. Daß es allein auf die Sache ankommt, führt uns dazu, es zu bedauern, daß Sie, Herr Kollege Arndt, geglaubt haben, am Schluß dieser Aussprache von einem „Dunkelkammerbetrieb" sprechen zu können.

(Abg. Dr. Schäfer: Wer hat das Wort benutzt? — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Sie haben das gesagt!

(Abg. Dr. Schäfer: das Wort hat der Minister gebraucht!)

— Sie haben von der „Dunkelkammer" gesprochen. Sie haben davon gesprochen, daß das alles irgendwie heimlich gemacht worden sei. Mindestens der Sache nach haben Sie das Wort gebraucht. — Die Drucksachen, um die es hier geht, liegen seit dem 20. April und dem 26. April dem Hohen Hause vor. Da sollte man, wenn wir ernsthaft über die Sache sprechen wollen, nicht solche Reden führen.
Auch das, was Sie, Herr Schäfer, zum Schluß gesagt haben, hat dem, worum es uns geht, nämlich der Sache, nicht dienen können. Damit wir endlich zur Sache kommen, beantragen wir, daß Ihr Antrag, die Verhandlung förmlich abzubrechen, abgelehnt wird. Die drei Vorlagen mögen den Ausschüssen überwiesen werden. Dort in den Ausschüssen mag gesprochen werden. Daneben können wir auch interfraktionell über Dinge sprechen. Aber wir wollen endlich einmal zur Sache kommen und wollen nicht von „Wahlschlagern" und dergleichen reden, sondern von der Sorge für die Zukunft unseres Volkes.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312420900
Herr Abgeordneter Jahn!

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0312421000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Bitte an Herrn Kollegen Dr. Kanka! Wenn Sie schon meinen, hier Vorwürfe wegen des bösen Wortes von der „Dunkelkammer" erheben zu sollen, dann möchte ich Sie doch herzlich bitten, sich einmal an den Herrn Innenminister zu halten, denn er hat es in die Debatte eingeführt.

(Abg. Dr. Kanka: Der Sache nach hat es Herr Dr. Arndt vorgetragen!)

— Mein Freund Dr. Arndt hat hier in aller Deutlichkeit gerade diese merkwürdigen Unterstellungen des Herrn Ministers zurückgewiesen. Darum ging es allein. Er hat darzutun gehabt, daß es nicht unsere Sache ist und daß nicht wir es zu verantworten haben, in welcher Weise die Dinge hier behandelt worden sind.
Sie haben den Appell an uns gerichtet, wir sollten endlich zur Sache kommen. Genau darum geht es uns mit unserem Antrag. Um es Ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Wir waren bereit — das ist heute morgen von meinem Freund Schäfer in aller Ausführlichkeit auch in der Sache noch einmal dargelegt worden — und sind nach wie vor bereit, zur Sache zu sprechen.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Dazu haben Sie hier Gelegenheit! Nutzen Sie die Gelegenheit!)

Aber wir sind nicht bereit, auf einer solchen Grundlage mit Ihnen zu diskutieren, wie sie uns mit der Drucksache 1800 dargeboten wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Freund Schäfer hat hier heute morgen — entgegen der Behauptung des Herrn Innenministers — in sehr ausführlicher und gründlicher Weise dargelegt, wie weit entfernt diese Drucksache 1800 mit ihrem gesamten Inhalt von den Grundvorstellungen unseres Grundgesetzes über die Organisation der Bundesrepublik ist. Wenn Sie mit uns ernsthafte Gespräche über die Notstandsgesetzgebung führen wollen, dann bitte auf einer Grundlage, die sich wenigstens gelegentlich daran erinnert, daß es ein Grundgesetz gibt, und die nicht einer Regierung Vollmachten gibt, die völlig neben und außerhalb des Grundgesetzes liegen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Frechheit!)

Es gibt die Möglichkeit — gerade darüber hat mein Freund Schäfer heute morgen einiges gesagt —, gewisse Grundkonstruktionen des Grundgesetzes zu bewahren und sie so auszugestalten, daß sie nicht einfach beiseitegeschoben werden.
Da das in dieser Drucksache nicht darinsteht, sehen wir uns nicht in der Lage, auf dieser Grundlage mit Ihnen eine Diskussion zu führen.
Deshalb haben wir den Antrag eingebracht — Herr Kollege Dr. Kanka, hören Sie jetzt bitte zu, Sie haben nämlich vorhin schon wieder etwas weiteres Falsches gesagt —, diese Beratungen, die im Moment im Gange sind, zu unterbrechen. Nicht abzubrechen! Ich will es Ihnen noch einmal vorlesen:
Gemäß § 30 Abs. 2 der Geschäftsordnung wird die erste Lesung des Gesetzentwurfes zur Ergänzung des Grundgesetzes — Drucksache 1800 — unterbrochen und vertagt, damit die interfraktionellen Gespräche wieder aufgenommen und alsbald durchgeführt werden können, um eine gemeinsame Grundlage für eine Verfassungsgesetzgebung zu suchen.
Es geht uns mit diesem Antrag darum, meine Damen und Herren, eine gemeinsame Grundlage zu finden. Es ist an Ihnen, die Antwort zu geben, ob Sie diese gemeinsame Grundlage wollen oder nicht.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312421100
Herr Abgeordneter Rasner!




Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0312421200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, daß diese Diskussion so weit geführt worden ist. Im Ältestenrat war vereinbart worden, daß die Vorlagen an die Ausschüsse — die Ausschüsse waren namentlich aufgeführt worden — überwiesen werden sollten. Offensichtlich hat sich Ihre Fraktion gestern nachmittag eines anderen besonnen. Das ist ihr gutes Recht.
Herr Kollege Dr. Jahn hat soeben auch ganz deutlich gesagt, was er meint. Ich zitiere wörtlich: „Wir sind nicht bereit, auf Grund der Drucksache 1800 hier zu diskutieren." Wenn Sie dazu nicht bereit sind, dann seien Sie doch bitte konsequent und verweigern Sie gleich die Ausschußüberweisung.

(Zuruf von der SPD.)

— Verweigern Sie gleich die Ausschußüberweisung und arbeiten Sie nicht mit der Methode, hier jetzt vor dem Hintergrund einer Unterbrechung der ersten Lesung zu verschleiern, was Sie offensichtlich nicht sagen wollen.
Wir werden, wie im Ältestenrat besprochen, diese Vorlagen an den Ausschuß überweisen. Wir diskutieren mit Ihnen in aller Offenheit im Ausschuß darüber. Wir sind bereit, mit Ihnen in aller Offenheit auch interfraktionelle Gespräche darüber zu führen.

(Zuruf von der SPD: Wann?)

— Wann? Wann Sie wollen!

(Zuruf von der SPD: Sofort!)

Meine Herren, Sie tun hier gelegentlich gern so, als seien Sie der Schildhüter der Wahrung der Belange des Hauses. Der Ort, an dem dieses Haus über Gesetzesvorlagen diskutiert, sind die Ausschüsse dieses Hauses, Institutionen des Deutschen Bundestages.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich will wahrlich nichts gegen interfraktionelle Besprechungen sagen; aber den Institutionen dieses Hauses sind die Gesetze zu überweisen und nicht etwa vorweg interfraktionellen Besprechungen. Das ist vielleicht das, was hier gelegentlich mit dem Wort „Dunkelkammer" angeklungen ist.
Schließlich noch eins, meine Damen und Herren: Es war bisher in diesem Hause Praxis, Vorlagen, die auf die Tagesordnung gesetzt sind, den Ausschüssen zu überweisen. Davon gibt es in diesem Bundestag eine einzige Ausnahme: das ist ein Gesetzesvorschlag der SPD, den auch der Präsident für verfassungswidrig gehalten hat. Sonst ist grundsätzlich überwiesen worden. Die Motivation dafür, warum Sie diese bedeutsame Regierungsvorlage nicht im Ausschuß diskutieren wollen, unter Zusage, daß daneben auch weiter interfraktionelle Gespräche geführt werden sollen, sind Sie schuldig geblieben, wenn nicht doch letztlich das der Weisheit allerletzter Schluß ist, was Sie soeben sagten, Herr Kollege Jahn: „Wir sind nicht bereit, auf Grund der Regierungsvorlage zu diskutieren". Wenn Sie das nicht sind, dann seien Sie konsequent und dann demonstrieren Sie das, was Sie so deutlich, anscheinend mit Blickrichtung auf 1961, hier nicht sagen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312421300
Das Wort hat l der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0312421400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesrat — und zwar auch die von der Christlich-Demokratischen Union geführten Landesregierungen — hat sich genauso wenig imstande gesehen wie die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, die von der Bundesregierung vorgelegte Vorlage als eine geeignete Diskussionsgrundlage zu betrachten. So fängt es also erst einmal an.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

— Beruhigen Sie sich, wir haben doch bisher ganz vernünftig miteinander diskutiert, und warum soll es nicht dabei bleiben? Wenn Sie ,also die Tatsache, daß wir diesen Entwurf nicht für diskussionsfähig halten, uns allein anlasten, dann tun Sie uns damit Unrecht, dann müssen Sie sich damit auch an die Länderchefs wenden, die aus den Reihen Ihrer, Partei gestellt werden und die zu dem gleichen Ergebnis gekommen sind wie wir.

(Beifall bei 'der SPD.)

Zum zweiten: Es ist heute hier dargetan worden
— und zu diesem Einwand ist nach meinem sorgfältigen Mithören nur sehr unzulänglich Stellung genommen worden —, daß die Vorlage in einigen wesentlichen Punkten gegen jenen Satz des Grundgesetzes verstößt, wonach bestimmte Prinzipien auch nicht durch ein verfassungsänderndes Gesetz geändert werden können.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir halten — das ist unser Recht; Sie können anderer Meinung sein — diese Vorlage für verfassungswidrig, genauso, wie Sie einmal in einer Zeit, als Sie die Überweisung einer Vorlage an den Ausschuß verweigerten, Ihrerseits — gewiß, mit dem Präsidenten des Hauses, aber er gehört ja auch Ihrer Partei an — eine andere Vorlage für verfassungswidrig hielten.

(Abg. Rasner: Karlsruhe war dann derselben Meinung!)

— Über diese Frage ist in Karlsruhe bekanntlich gar nicht entschieden worden. Es war ein ganz anderes Verfahren, das dort zur Entscheidung anstand. — Ich wollte also nur sagen, daß die Entscheidung einer einzelnen Partei über eine Ausschußüberweisung durchaus nur davon hergeleitet zu werden braucht, wieweit die Partei der Meinung ist, daß die zur Erörterung stehende Vorlage mit dem Grundgesetz, auch hinsichtlich der Abänderbarkeit ides Grundgesetzes, in Übereinstimmung gebracht werden kann oder nicht. Das und nichts anderes war unser Maßstab.
Nun zu den Besprechungen, die hier eine solche Rolle gespielt haben! Nach der Meinung des Kollegen Rasner entwürdigt es das Parlament und die Ausschüsse des Hohen Hawses, wenn Fragen von dieser verfassungspolitischen Bedeutung vorab unter denjenigen Kräften, die nach dem Grund-



Erler
gesetz berufen sind, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, erörtert werden.

(Abg. Rasner: Das habe ich nicht gesagt!)

Ja, wenn ,das so ist — diese Besprechungen sind ja von Ihnen ausdrücklich erbeten und von uns entsprechend gewährt worden und haben dann angefangen, ohne daß irgend jemand daraus den Vorwurf herleiten könnte, daß eine Verkürzung der Rechte des Bundestages wäre.

(Abg. Rasner: Das war aber vor der ersten Lesung!)

Heute kommt nun der Herr Bundesinnenminister und sagt: Es ist eigentlich schon eine Minute nach zwölf; ,er meint, es sei alles schrecklich spät.
Die letzte dieser Besprechungen war, wenn ich recht unterrichtet bin, im Monat März; das heißt, wir haben bei diesem wichtigen Gesetzentwurf ein halbes Jahr verloren, weil die CDU nicht zu den Besprechungen erschienen ist, die sie selber vorher angeregt hat. Uns trifft ¡also hier nicht der Vorwurf der Verzögerung.

(Beifall bei der SPD.)

Nun zu der Frage der Vorlage von praktisch brauchbaren Texten. Die Bundesregierung hat in einem Verfahren, das der Kollege Arndt vorhin kritisiert hat, ohne diejenigen Kräfte beratend einzuschalten, die man zum Finden einer breiten Grundlage braucht, zunächst einmal versucht, die Gleise allein nach ihren Vorstellungen so zu legen, daß der Zug davon nach menschlichem Ermessen nicht wieder runterkommt. Bisher sind wir bei sehr wesentlichen Grundfragen der Verfassungspolitik anders verfahren. Da ich an einem entscheidenden Beispiel damals mitgewirkt habe, möchte ich darauf zurückkommen, denn es bietet gewisse Parallelen zu dem, worum es heute geht: ich meine die Grundgesetzergänzungen des Jahres 1956. Damals haben wir uns in verantwortungsvoller Arbeit darum bemüht, der entstehenden Bundeswehr jenen verfassungspolitischen Rahmen zu geben, der mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Wir waren uns alle darüber im klaren, daß — nicht nur, weil es sich um eine formelle Forderung des Grundgesetzes auf Zweidrittelmehrheit handelte, sondern einfach, weil das Leben der Nation auf dem Spiele steht und das entstehende Instrument „Bundeswehr" von allen Seiten mitgetragen werden sollte — eine Grundgesetzergänzung erarbeitet werden sollte, die schon von der ersten Vorlage an die Sicherheit bot, daß es darüber nicht zur Entzweiung im Bundestag kommen würde. Einen allerdings hat es damals gegeben, der das mit scheelen Augen ansah: das war ein sehr gewichtiges Mitglied der Bundesregierung, das glaubte, überhaupt ohne Grundgesetzergänzung auskommen zu können. Erfreulicherweise haben wir uns diesem Standpunkt nicht angeschlossen, sondern haben in gemeinsamer Arbeit erst einmal die Voraussetzungen geschaffen, die eine geeignete Grundlage für die Beratung bilden konnten. Man hat vorher nicht eine Vorlage für den Streit, sondern eine Vorlage für die gemeinsame Willensbildung hingelegt; so sollten Verfassungsänderungen entstehen, und darum bemühen wir uns jetzt.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312421500
Eine Zwischenfrage!

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0312421600
Herr Kollege Erler, war das nach der ersten Lesung und nach der Ausschußüberweisung der Regierungsvorlage oder vorher?

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0312421700
Damals gab es überhaupt keine Regierungsvorlage für die Verfassungsänderung. Die Regierung hat das gar nicht vorgelegt, sondern wir haben das selber erarbeitet. Die Verfassungsänderung ist an ein ganz anderes Gesetz angehängt worden. Wir haben auch nicht im Ausschuß darüber beraten, verehrter Herr Kollege Dr. Jaeger, sondern wir haben eine interfraktionelle Besprechung gemacht. Wenn Sie es ganz genau wissen wollen: damit wir nicht durch ungute Einflüsse aus manchen Regierungsbehörden bei dem für unser Volk erfreulicherweise guten Abschluß unnötig durch die Hintertür bedrängt werden konnten, haben wir, weil es eine interfraktionelle Verhandlung war, einige Herren gebeten, uns bei dieser Arbeit einmal allein zu lassen; wir wollten verhindern, daß wir von dieser Seite her — aus dem Palais Schaumburg oder von anderwärts her — erst noch unnötig gestört würden.
Gerade ich erinnere an dieses gute Stück Arbeit, für das der Bundestag gelobt worden ist und für das so sehr verschiedenartige Parteien und Persönlichkeiten, die dort gemeinsam gearbeitet haben, in der Öffentlichkeit Kredit zugebilligt bekommen haben. Per Saldo ist es auch der Bundeswehr gut bekommen, daß wir uns damals an die Arbeit gemacht haben. Gerade in Erinnerung an diese Vorgänge möchte ich Sie bitten: machen Sie zur Grundlage der Beratungen nicht das, was Streit schafft, sondern machen Sie zur Grundlage der Beratungen zunächst etwas, was imstande ist, Einigkeit zu schaffen! Das ist der Sinn unseres Antrages und nichts anderes.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312421800
Meine Damen und Herren, wünscht noch jemand das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Jaeger!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0312421900
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Erler hat die Erinnerung an eine der fruchtbarsten Arbeiten dieses Hohen Hauses beschworen: an die gemeinsam von allen politischen Parteien verabschiedete Ergänzung des Grundgesetzes auf dem Gebiete des Wehrwesens. Ich stimme Ihnen darin zu, daß die Arbeit, wie sie damals vollführt wurde, auch für die hier notwendige Ergänzung auf dem Gebiet des Notstandsrechts ein Vorbild sein kann und vielleicht auch sein soll.
Es ist auch richtig, daß damals interfraktionelle Besprechungen stattgefunden haben, und es ist richtig, daß man sich ohne Einflußnahme der Regierung, wenn Sie so wollen — sie hat aber einen solchen



Dr. Jaeger
Einfluß auch gar nicht ausüben wollen —, über die Parteien hin in dem gemeinsamen Bekenntnis zur Notwendigkeit der Eingliederung der Bundeswehr in unser demokratisches Verfassungsleben geeinigt hat, so wie wir uns heute darin einig sein sollten, das Notstandsrecht in unser demokratisches Verfassungsleben einzubauen.
Aber, Herr Kollege Erler, diese interfraktionellen Besprechungen, die sich in der Person der Herren Kollegen Ollenhauer, Erler und Arndt auf der einen Seite, Krone, Hoogen und mir auf der anderen Seite, also auf der Ebene der beiden Fraktionsvorsitzenden und ihrer jeweiligen Sachbearbeiter, abspielten, haben erst stattgefunden, nachdem wir bereits im Ausschuß an der Arbeit waren. Ich möchte Sie daran erinnern, daß zwar über die Verankerung der Armee in demokratischen Staaten wenig materielle Vorschläge von der Regierung vorlagen und daß Sie unter diesem Gesichtspunkt die damalige Regierungsvorlage durchaus als dürftig bezeichnen durften dagegen sage ich gar
nichts , aber wir haben dort auf der formellen
Grundlage einer Regierungsvorlage verhandelt. Diese Regierungsvorlage, die ganz am Anfang der zweiten Wahlperiode eingebracht worden war, wurde im Ausschuß zuerst in einem ersten Bericht, der gegen Ihre Stimmen angenommen wurde und der nur die Einführung der Wehrpflicht vorsah, angenommen. Darauf wurde ein zweiter Bericht gemacht. In den zweiten Bericht wurde sehr viel hineingeschrieben, was in der Regierungsvorlage überhaupt nicht enthalten war.
Ich könnte Ihnen nur empfehlen, jetzt denselben Weg zu gehen. Vielleicht finden Sie für gute Anregungen auch jetzt wieder Zustimmung. Wahrscheinlich kommen aus unserer Mitte wie von den CDU-Ministerpräsidenten eine Fülle von Anregungen. Dann machen wir eben auf der Grundlage einer Regierungsvorlage, die uns etwas mehr und Ihnen etwas weniger zusagt, gemeinsam ein neues, ein besseres Gesetz dort, wo verfassungs- und geschäftsordnungsmäßig die Zuständigkeit liegt: im zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0312422000
Keine weiteren Wortmeldungen.
Meine Damen und Herren! Damit ist die erste Beratung beinahe geschlossen. Ich schließe sie noch nicht, weil dem Antragsteller Dr. Schäfer ein kleines Malheur passiert ist und weil das Präsidium dies offenbar übersehen hat. Der Antrag Dr. Schäfer hätte heute vormittag sofort zur Abstimmung gestellt werden müssen; denn der Antrag zielt natürlich auf Unterbrechung und Vertragung. Es heißt ausdrücklich: Abbrechung der Debatte.
Am Schluß der ersten Beratung steht nun nichts anderes als die Entscheidung darüber, ob der Entwurf an den Ausschuß überwiesen werden soll oder nicht.

(Unruhe.)

— Aber regen Sie sich nicht auf! Ich bin fest entschlossen, von den Vollmachten des § 128 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen und zunächst
einmal den Antrag Dr. Schäfer, der mit 30 Abgeordneten ausreichend unterstützt ist, als ersten jetzt zur Abstimmung zu stellen. Ich mache das Haus aber darauf aufmerksam, vor allem die Herren Fraktionsgeschäftsführer. Dann wird das nächste Mal vielleicht besser in dieser Sache aufgepaßt.
Jetzt wird also abgestimmt über den Antrag Dr. Schäfer, der nach meiner Auslegung der Geschäftsordnung schon heute vormittag unverzüglich hätte zur Abstimmung gestellt werden sollen. Nun wird das nachgeholt. Wer dem Antrag Dr. Schäfer, der ausreichend unterstützt ist, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun bleibt mir nichts, als die erste Beratung für beendigt zu erklären. Es steht also jetzt zur Debatte die Überweisung an den Ausschuß. Drucksache 1800 geht an den Rechtsausschuß — federführend -, an den Ausschuß für Inneres und den Ausschuß für Verteidigung — mitberatend —. Wer dem zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Überweisung ist beschlossen.
Drucksache 1806 geht an den Ausschuß für Inneres — federführend —, an den Ausschuß für Verteidigung und den Ausschuß für Arbeit — mitberatend —. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen eine Stimme ist diese Überweisung beschlossen.
Drucksache 2045 geht an den Ausschuß für Inneres — federführend —, an den Ausschuß für Verteidigung und an den Rechtsausschuß — mitberatend -. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig.
Damit, meine Damen und Herren, sind die Punkte 4 his 6 der Tagesordnung erledigt.
Am 29. September wird Punkt 7 der Tagesordnung aufgerufen. Auch Punkt 8 der Tagesordnung wird heute nicht behandelt.
Ich komme deshalb zu Punkt 9:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Margulies, Dr. Schild, Geiger (München) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschwefelung flüssiger und gasförmiger Brennstoffe (Drucksache 1980).
Ich frage, ob zur Einbringung das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht. Vorgeschlagen wird Überweisung an den Ausschuß für Gesundheitswesen — federführend — und den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 10 der Tageordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes (Drucksache 1910).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht,

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)




Präsident D. Dr. Gerstenmaier
— Ich muß ja die Arbeit erledigen, meine Herren. Nehmen Sie ein bißchen daran Anteil; ich kann es schließlich nicht allein machen. Ich gebe zu, es ist keine Spannung darin, aber es ist nun einmal notwendig.
Auf das Wort zur Einbringung wird verzichtet. Allgemeine Aussprache? — Keine Wortmeldungen. Vorgeschlagen wird Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung — federführend —, den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen und den Haushaltsausschuß zur Mitberatung. — Das Haus ist einverstanden. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und des Gerichtskostengesetzes (Drucksache 1892).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wird das Wort zur ersten Lesung gewünscht? Keine Wortmeldungen. Überweisung an den Rechtsausschuß ist vorgeschlagen. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesvertriebenengesetzes (Drucksache 1974).
Hier wird mir die schriftliche Begründung der Frau Abgeordneten Korspeter zu Protokoll zugeleitet*. Auf mündliche Begründung wird verzichtet. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Heimatvertriebene — federführend — und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und den Ausschuß für Lastenausgleich zur Mitberatung. Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 13 der Tagesordnung:

(Bundes-Seuchengesetz Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Allgemeine Aussprache. Keine Wortmeldungen. Vorgeschlagen wird Überweisung an den Ausschuß für Gesundheitswesen — federführend — und an den Ausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge zur Mitberatung. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Punkt 14 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jaeger, Merten, Lenze ')

Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres — federführend — und an den Ausschuß für Verteidigung zur Mitberatung. — Es ist so beschlossen.
Punkt 15 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Erklärung vom 29. Mai 1959 über den vorläufigen Beitritt Israels zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Drucksache 1993) .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldung. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Außenhandelsausschuß. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 16 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Neunten Protokoll vom 22. November 1958 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Finnland) (Drucksache 1994).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Überweisung an den Außenhandelsausschuß? — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 17:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Drittes Änderungsgesetz zum AVAVG) (Drucksache 2044).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Keine Wortmeldungen in der allgemeinen Aussprache. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß 'für Arbeit. Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 18:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts (Drucksache 2052).
Das Wort zur Einbringung wird nichtgewünscht. Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Finanzausschuß zur Mitberatung. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 19:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. März 1960 zwischen

Präsident D. Dr. Gerstenmaier
der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen (Drucksache 2061).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Keine Wortmeldungen in der allgemeinen Aussprache. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Rechtsausschuß. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Nun komme ich zu dem Punkt 20 b — Punkt 20 a ist durch die Grundgesetzänderung ,erledigt

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312422100

aa) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 2075),
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) (Drucksache 2002),

(Erste Beratung 97. Sitzung).

Berichterstatter zu aa ist Herr Abgeordneter Ritzel. Ich frage, ob er das Wort wünscht.

(Abg, Ritzel: Ich verweise auf den Schriftlichen Bericht!)

- Ich bedanke mich bei dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Lesung angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich muß über den Antrag des 23. Ausschusses abstimmen lassen. Er steht auf Seite 2 der Drucksache 2002. Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung. Ich brauche den Antrag nicht zu verlesen. Wer dem Antrag deis Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des 23. Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf zur dritten Lesung.

(Zurufe: Schon erledigt!)

— Habe ich die dritte auch schon aufgerufen? Der Mensch ist doch keine Schnellzuglokomotive!

(Abg. Rösing: Ist ja auch Luftverkehr!)

— Mit dem geht es auch nicht schneller! (Heiterkeit.)

Jedenfalls, nichts ist schwieriger, als am Abend eines heißen Tages vom Hause noch die Aufmerksamkeit für die Erledigung der Regularien zu verlangen. Aber ich muß es trotzdem tun. Ich bitte also um Nachsicht. Die dritte Lesung war bereits erledigt.
Ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Arndgen, Mischnick, Wittrock, Schmitt-Vokkenhausen, Müller-Hermann, Dr. Willeke und Genossen betreffend Rüdesheimer Verkehrsproblem (Drucksache 1985).
Wünschen die Herren Antragsteller das Wort? Keiner der Herren Antragsteller wünscht das Wort dazu. Wird sonst das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Es ist vorgeschlagen Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — federführend und zur Mitberatung an den Ausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Überweisung ist beschlossen.
Punkt 22:
Beratung des Antrags des Bundesministers
der Finanzen betr. Bundeshaushaltsrechnung
für das Rechnungsjahr 1958 (Drucksache 1922).
Wird das Wort hierzu gewünscht?- Das ist nicht
der Fall. Vorgeschlagen ist die Überweisung an 'den Haushaltsausschuß. Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 23:
Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Vierundzwanzigsten Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Wälzlagerstahl usw.) (Drucksache 2025).
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Außenhandelsausschuß. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 24:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines bundeseigenen Teilgrundstücks des ehem. Heeresverpflegungsamtes in Frankfurt (Main), Flinschstraße, an die Firma Rütgerswerke AG in Frankfurt (Main) (Drucksache 2013).
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Haushaltsausschuß. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 25:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft der ehem. Walterwerke Ahrensburg in Holstein an die Firma British



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
American Tobacco Co. (C. E.) GmbH in Hamburg-Bahrenfeld (Drucksache 2033).
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Haushaltsausschuß. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Schließlich Punkt 26:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des ehem. Luftwaffenübungsplatzes Ahrbrück an das Land Rheinland-Pfalz (Drucksache 2036).
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den
Haushaltsausschuß. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir für heute fertig.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 29. September 1960, 15 Uhr. Wir beginnen mit der Fortführung der Fragestunde und fahren dann fort mit der Beratung der Punkte 7 a und b.
Die Sitzung ist geschlossen.