Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Frau Wolff aus
und zum heutigen 71. Geburtstag Herrn Abgeordneten Holla.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 19. Juni 1959 gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten in der Fassung vom 10. Dezember 1952 die Verordnung über die zeitweilige Aussetzung der Pflicht zur Beimischung von Inländischem Rüböl im Jahre 1959 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Die Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Präsident des 'Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 8. Mai 1959 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit des Bundesministeriums für Familien- und Jugendfragen übersandt, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt,
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 auf, und zwar zunächst Buchstabe a) :
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Bundesrecht im Saarland ;
Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 1184).
Berichterstatter: Abgeordneter Schlee
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir hier eine allgemeine Aussprache ausnahmsweise in der zweiten Lesung führen. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Herr Abgeordneter Mommer hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute auf unserer Tagesordnung ein ganzes Paket von Saargesetzen, durch die die Rückgliederung des Saargebietes auch auf dem wirtschaftlichen, sozialen und allgemeinen Rechtsgebiet vollendet werden soll. Als diese selbenGesetze hier in erster Beratung auf der Tagesordnung standen, haben wir keine Zeit gehabt, einige notwendige Worte über die allgemeine Bedeutung dieser Gesetze und der Probleme, die sich dabei stellen, zu sprechen. Wir haben die Gesetze ohne Aussprache in die Ausschüsse geschickt, die inzwischen beträchtliche Arbeit geleistet haben. Heute müssen wir uns entscheiden.Es handelt sich hier nicht um Gesetze, wie wir sie vielfach gleich dutzendweise auf der Tagesordnung haben, durch die auf diesem oder jenem Rechtsgebiet oder in den internationalen Beziehungen etwas mehr oder weniger wesentlich geändert wird. Es handelt sich um Gesetze von besonderer Bedeutung. Es ist schon ein Vorgang, wenn ein deutsches Land, das lange Zeit ganz von uns getrennt war und seit dem 1. Januar 1957 politisch wieder zu uns gehört, nunmehr erneut ganz in unser Rechtsgebiet, in unseren Staat einbezogen wird. Ich glaube, es ist nötig, daß wir bei einer solchen Gelegenheit auch ein paar kritische und besinnliche Worte sprechen.Die Gesetze bedeuten den Schlußpunkt hinter der einzigen Aktion im gesamtdeutscher Politik, die wir nach der Zerschlagung unseres Landes 1945 erfolgreich haben abschließen können. Die Saarländer sind schon zweieinhalb Jahre politische Bürger der Bundesrepublik, und jetzt sollen sie auch, wenn ich so sagen darf, Währungs-, Wirtschafts- und Rechtsbürger der Bundesrepublik werden. Ich möchte auf eine Erscheinung aufmerksam machen: daß in unserem politischen Bewußtsein hier in der Bundesrepublik unsere saardeutschen Brüder schon lange heimgekehrt sind. Sie sind am 1. Januar 1957 wieder Deutsche so wie wir geworden. Vom gesamtdeutschen Gesichtspunkt erscheint das, was seitdem geschehen ist und was heute gesetzlich weiter geregelt werden soll, als eine zwangsläufige Abwicklung von abgeschlossenen Verträgen. Ich glaube, daß es für die Saarländer selber etwas anders ist. Für die Saarländer selber ist die Übergangszeit notwendigerweise eine Zeit der Unsicherheit und der Erwartung von Ereignissen, die insbesondere für ihr materielles Dasein einschneidende Veränderungen mit sich bringen können und werden.Hier möchte ich die politische Bemerkung machen, daß es, vom gesamtdeutschen Interesse aus gesehen, nicht die mangelnde Währungs-, Wirtschafts- und Rechtseinheit ist, die von uns als Hauptbelastung des deutschen politischen Bewußtseins empfunden wird. Hauptbelastung in Fragen der Teilung Deutschlands ist für uns der Mangel an Freiheit, der Mangel
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4248 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Dr. Mommeran Selbstbestimmung und der Mangel an politischer Einheit unter den verschiedenen Teilen Deutschlands.Heute wollen wir mit diesen Gesetzen die Eingliederung des früher abgeteilten Saarlandes vollenden. Obschon man sagen muß, daß es sich politisch um die Abwicklung von Verträgen handelt, ist es keineswegs eine einfach abzuwickelnde Angelegenheit. Wenn man diese Gesetze auch nur flüchtig durchblättert, dann sieht man, daß es sich um Dinge von unglaublicher Kompliziertheit handelt, einer Kompliziertheit, die eben immer mit der Umstellung von einem Wirtschafts-, Währungs- und Sozialsystem auf ein anderes verbunden sein muß.Aber wie wir sehen, ist es eine mögliche Leistung, die man vollbringen kann, wenn erst die sehr viel schwierigere Sache der politischen Eingliederung möglich geworden ist. Wenn der Tag einmal kommt — und ich bin sicher, daß er kommen wird —, da die Bundesrepublik und die sowjetische Besatzungszone durch Gesetze eines gesamtdeutschen Parlaments zu einer föderalistischen Einheit zusammengebracht werden, dann werden wir angesichts der viel tiefergehenden Teilung und Auseinanderentwicklung zwischen den beiden Teilen Deutschlands vor noch schwierigere Probleme gestellt sein. Entsprechend wird der Prozeß des Wiederzusammenwachsens zu einer Einheit auch sehr viel langwieriger sein müssen, als es jetzt bei der Saar der Fall gewesen ist bzw. noch sein wird. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte, wir hätten diese Sorgen schon, die uns das Wiederzusammenwachsen der getrennten Teile Deutschlands verursachen wird. Es ist auch im Falle der Wiedervereinigung so viel schwieriger, die Freiheit wiederzuerlangen, das Recht auf Selbstbestimmung und politische Einheit zu erkämpfen. Wenn wir das einmal errungen haben werden, wird auch die noch so schwierige Frage des Wiederzusammenwachsens aus einanderentwickelter Teile eine doch zu bewältigende Aufgabe sein.Ich muß hier darauf aufmerksam machen, daß die Saareingliederung und die Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands .politisch sehr verschiedene Vorgänge sind. Die Saareingliederung ist die Eingliederung eines Gebietes in die Bundesrepublik; sie erfolgte und erfolgt auf Grund des Art. 23 des Grundgesetzes, dessen letzter Satz lautet:In anderen Teilen Deutschlands ist es — das Grundgesetz —nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.Auch die Wiedervereinigung ist im Grundgesetz vorgesehen. Der Art. 146 gibt die grundsätzliche Antwort auf die Frage, wie diese Wiedervereinigung verfassungsrechtlich zu sehen ist. Er lautet:Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.Das sind sehr verschiedene Dinge: Eingliederung und Zusammenwachsen auf Grund von Entscheidungen einer freigewählten Nationalversammlung.Wenn ich hier gewisse Vergleiche zwischen der Saarrückgliederung und dem so viel schwierigeren und größeren Problem der Wiedervereinigung anstelle, so sehe ich sehr wohl, daß es entscheidende politische Unterschiede nicht nur in unserem Verfassungsrecht gibt. Da sind leider Gottes die politischen Unterschiede, die vor allem darin bestehen, daß wir es an der Saar mit Frankreich zu tun haben und in Mitteldeutschland mit der kommunistischen Sojwetunion. Frankreich ist eine Macht, die gelegentlich imperialistisch und expansionistisch sein kann, die aber, wenn sie es einmal ist, dabei von einem schlechten Gewissen geplagt wird, einem schlechten Gewissen, das bei den Bemühungen um die Rückgliederung des Saarlandes unser Verbündeter gewesen ist. Bei der Sowjetunion liegt das ganz anders. Wenn sie Völker unterdrückt und ausbeutet, glaubt sie vielleicht selber oder will den anderen glauben machen, daß das, was da geschehe, gut für die Menschen sei. Sie sollen gegen ihren Willen zu einem verhaßten Glück gezwungen werden. Das ist ein gewaltiger Unterschied, und darum ist leider die Aufgabe der Wiedervereinigung in dem Ringen mit der Sowjetunion auch so ungleich schwieriger als die Aufgabe, die wir mit gutem Ausgang für alle Beteiligten an der Rückgliederung der Saar. zu Ende geführt haben.Obwohl ein vielfacher Unterschied zwischen der Rückgliederung des Saargebiets und der Aufgabe der Wiedervereinigung besteht, bleibt die Saarrückgliederung jetzt und in Zukunft ein Studienobjekt für alle diejenigen, die sich mit Problemen der Wiedervereinigung konkret auseinandersetzen wollen.Die Gesetze, über die wir heute zu beschließen haben, werden von uns Sozialdemokraten unter dem Leitmotiv der Wiedervereinigung gewogen und gewertet. Sie werden weiter auch gewertet nach einem Prinzip, das immer in der Politik eine ganz wichtige Rolle spielt, nämlich das der Einhaltung eines gegebenen Wortes.
Zu dem ersten möchte ich bemerken, daß, wie dunkel auch die Zukunft für die Wiedervereinigung in diesem Augenblick erscheinen mag, entscheidend ist, daß der Funke des Freiheits- und des Einheitswillens in unserem Volke immer weiter glüht. Solange das der Fall ist, werden alle Pläne der Sowjetrussen und ihrer Quislinge in Deutschland auf Sand gegründet sein. Aber was haben wir hier gesagt, als wir uns Ende 1956 mit dem Rückgliederungsgesetz befaßten? Dieser Funke des Freiheitsund Einheitswillens in einer Nation lebt nicht im luftleeren Raum; er ist eingebettet in die Gesamtheit unseres sozialen und politischen Daseins. Die Menschen haben ihre materiellen Interessen, und es ist schlimm bestellt um die Einheit der Nation, einer geteilten Nation, wenn etwa materielle Interessen der Menschen ihrem natürlichen Streben nach Freiheit und Einheit entgegenstehen sollten.Als damals vor der großen Saarschlacht um die Seele der Saarländer gerungen wurde, haben die Oppositionsparteien in diesem Hause einen Antrag Drucksache 1781 unter dem Datum 12. Oktober 1955 eingebracht, in dem etwas Wichtiges über
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Dr. Mommerdieses Problem des Zusammenstrebens der materiellen Interessen und des nationalen Interesses an Freiheit und Einheit gesagt wurde. In diesem Antrag zur Rückgliederung des Saargebietes hieß es damals, daß Empfänger von Sozialleistungen im Saargebiet bei der tatsächlichen Wiedervereinigung keinerlei Einbußen erleiden sollten, soweit solche Leistungen im Saargebiet bisher höher sein sollten als sonst innerhalb Deutschlands. Es hieß weiter:Empfänger von Sozialleistungen, deren Ansprüche im Zeitpunkt der tatsächlichen Wiedervereinigung geringer sind, kommen sofort durch die Wiedervereinigung in den Genuß der höheren Leistungen, wie sie sonst innerhalb Deutschlands gewährt werden.Dieser Passus in dem Antrag hat in der weiteren Auseinandersetzung eine große Rolle gespielt; er spielt auch heute bei unseren Beratungen eine hervorragende Rolle. Was damals in diesem Antrag der Oppositionsparteien vor der entscheidenden Volksabstimmung an der Saar gesagt worden ist, wurde dem Inhalt nach vom ganzen Bundestag und auch vom Bundesrat übernommen. Beide Gremien haben damals gesagt:Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Eingliederung des Saarlandes dafür zu sorgen, daß bei den Beamten, Angestellten und Arbeitern und bei den Empfängern von Sozialleistungen im Saarland, soweit sie am 1. Januar 1957 Einwohner des Saarlandes waren, der Besitzstand gewahrt bleibt.Dieser Text wurde in diesem Hause und im Bundesrat einstimmig angenommen. Auch der Herr Bundeskanzler hat sich später den Grundsatz der Wahrung des Besitzstandes zu eigen gemacht und in einer Unterredung mit dem saarländischen Ministerpräsidenten gesagt: Es ist selbstverständlich, daß kein Saarländer infolge der wirtschaftlichen Rückgliederung der Saar in die Bundesrepublik irgendwie Schaden erleidet. Auch zwischen dem Bundesarbeitsminister Storch und dem saarländischen Arbeitsminister Conrad wurden am 3. Dezember 1956 Abmachungen getroffen, die auf dasselbe hinausliefen: Wahrung des Besitzstandes auf allen Gebieten.Im Abstimmungskampf an der Saar hat dieser Punkt eine hervorragende Rolle gespielt. Die Gegner der Rückgliederung des Saargebietes operierten mit den auf einzelnen Gebieten höheren sozialen Leistungen an der Saar, um die Menschen davon abzuhalten, sich für ihr Vaterland zu entscheiden. Die deutschen Parteien an der Saar, die sich im Heimatbund zusammengeschlossen hatten, erklärten am 3. Oktober 1955: Das Nein am 23. Oktober bedeutet also nicht geringere soziale Leistungen, sondern mindestens gleichbleibende Renten und darüber hinaus die Aussicht auf Einführung der Rentenleistungen, die in der Bundesrepublik höher sind als an der Saar. Die Saarabstimmung, die doch die Durchbruchsschlacht für die Heimkehr der Saar in die Bundesrepublik war, hat unter dem Motto stattgefunden: Wahrung des Besitzstandes und Verluste für keinen einzigen Deutschen an der Saar.Meine Damen und Herren, das ist für uns eine Verpflichtung, die wir hier wiederholt bestätigt haben, die die Bundesregierung und der Bundeskanzler bestätigt haben und an die wir gebunden sind. In den Vorlagen, so wie sie heute auf dem Tisch des Hauses liegen, wurden sie aber nicht in allen Punkten berücksichtigt. Das ist unsere Kritik an den Gesetzentwürfen, über die wir zu beschließen haben. Wir Sozialdemokraten können den meisten der Gesetze zustimmen. Aber wir können nicht immer zustimmen, weil wichtigste Grundsätze über Bord geworfen worden sind. Das gegebene Wort ist in diesen Vorlagen nicht gehalten worden.
Wir müssen wieder feststellen, was wir schon früher feststellen mußten: daß die Bundesregierung und ihre Mehrheit in diesem Hause die Bedeutung des Sozialen in unseren nationalpolitischen Problemen nicht erkennen. Sie bekennen sich zur Wahrung des Besitzstandes zwar im Grundsatz. Wenn es aber an die Praxis geht, lassen sie gerade an den wichtigsten Stellen den Grundsatz Grundsatz sein und schieben andere Gesichtspunkte in den Vordergrund.Es ist nicht meine Aufgabe, aus der Fülle des Stoffes jetzt alle Beispiele herauszuholen und Ihnen darzulegen. Das wird gleich noch durch meine Fraktionskollegen in Einzeldebatten geschehen.Ich möchte nur zwei der eklatantesten Beispiele dafür zitieren, daß der Grundsatz der Wahrung des sozialen Besitzstandes in den Vorlagen verletzt wird. Das gilt zunächst einmal für die Kriegsopfer. Gestern haben hier in Bonn 2000 Kriegsversehrte aus dem Saargebiet für ihre Interessen demonstriert und von uns, vom Gesetzgeber, verlangt, den Vorlagen nicht zu folgen, uns vielmehr so zu verhalten, daß sie, wenn die Gesetze verabschiedet werden, nicht schlechter gestellt werden, als sie jetzt sind. Dieses Beispiel der Versorgungsberechtigten ist der eine eklatante Fall.Das zweite Beispiel liegt auf dem Gebiet des Familienlastenausgleichs. Im Saargebiet hatte man eines der besten Kindergeldgesetze in Westeuropa; nach diesen Vorlagen soll es ersetzt werden durch das schlechteste Kindergeldgesetz in Westeuropa.
Ich kann mich bei diesem harten Urteil auf jemand berufen, der bei Ihnen Autorität ist. Niemand anders als der Herr Familienminister Wuermeling hat dazu am 2. Januar 1958 im Deutschland-UnionDienst gesagt:Aus politischen wie aus sozialen Gründen können die höheren Kindergeldzahlungen im Saarland nicht abgebaut werden, zumal alle Länder der Montanunion und des Gemeinsamen Marktes längst ähnliche Regelungen haben. Unsere bundesgesetzliche Regelung steht in weitem Abstand hinter allen unseren Nachbarländern zurück.
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Dr. MommerNur so viel, nur dieses aus den vielen Zitaten des Herrn Wuermeling, die ich Ihnen hier bringen könnte.
— Ich hoffe, daß sich der Herr Familienminister dazu bereit finden wird, und wir werden ihn auch in sanfter Weise auffordern, zu seinen Erklärungen zu stehen. Sie werden im Laufe dieser Beratungen über einen Änderungsantrag meiner Fraktion abzustimmen haben. Wir werden namentliche Abstimmung darüber verlangen und sind sehr gespannt, ob der Herr Familienminister zu seinen so schönen Erklärungen auch stehen wird.Gegen die Forderung, auf allen Gebieten den Besitzstand zu wahren, wird vielfach ins Treffen geführt, daß sich für die Saarländer aus der Rückgliederung insgesamt durchaus Vorteile ergäben. Ich bin überzeugt davon, ,daß das richtig ist, schon aus allgemeinen Uberlegungen. Wenn ein Gebietsteil eines Landes im fremden Interesse vom Mutterland abgetrennt und seiner Freiheit beraubt wird, kann man sicher sein, daß das nicht zu seinem Vorteil ist. Das ist zu seinem Nachteil! Und mit dem Vaterland wiedervereint werden, das ist sicher im ganzen und auf Sicht sehr viel nützlicher. Aber trotzdem, wenn man vor großen und schwierigen nationalen Problemen steht wie wir, wenn man Kämpfe um die Wiedervereinigung auszufechten hat, dann sollte man sich doch so verhalten, daß durch Rückgliederung, durch Vereinigung möglichst kein einziger Bürger — aber auch wirklich kein einziger — von sich behaupten kann, daß die nationale Einheit ihm zum Nachteil gereiche.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz-
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Dr. Schneider
gebungswerk, das wir heute hier verabschieden und das wir in der allgemeinen Aussprache in einem größeren Überblick zunächst einmal vorweg betrachten, soll den Abschluß der Entscheidung bringen, die am 23. Oktober 1955 an der Saar von 66,7 0/o der Saarbevölkerung gefällt worden ist.Ich möchte vorweg betonen: wir von der Saar sind nicht der Meinung, daß heute die Verabschiedung der 11 Gesetze schon den Schlußstein der zweiten Phase, der wirtschaftlichen Eingliederung, die der politischen folgt, bilden kann. Wir glauben vielmehr, daß diese zweite Phase einen längeren Zeitraum erfordern wird; denn es ist nicht möglich, ein Land von der Wirtschaftsstruktur des Saarlandes aus einem völlig fremden, dirigistisch geleiteten Wirtschaftsraum herauszunehmen und nun plötzlich, abrupt in den des bundesdeutschen Wirtschaftssystems einer weitgehend freien Marktwirtschaft hineinzustellen. Daraus ergeben sich viele Probleme, auch politische Probleme. Der Herr Kollege Mommer hat sie schon umrissen; auch ich möchte darauf eingehen. Das Hohe Haus wird nicht darum herumkommen, auch die Erwartungen des Saarlandes und seiner Bevölkerung zu berücksichtigen.Ich darf zunächst feststellen, daß bei allen Wünschen, die wir hier vertreten, das Saarland in allen seinen Parteien, ohne Rücksicht darauf, ob sie, wie meine Partei, in der Opposition stehen oder in der Regierung sitzen, einig ist, daß Sie hier also nicht etwa Agitationswünsche irgendeiner Partei hören, die im Bundesgebiet oder an der Saar in der Opposition steht. Wir sprechen für die Bevölkerung an der Saar. Die Bevölkerung an der Saar ist — das muß ich auch einmal ganz deutlich aussprechen —, selbst wenn ich die Nervosität vor dem berühmten Tage X berücksichtige, unruhig und enttäuscht. Es war für mich in meiner politischen Praxis die größte Erschütterung, daß ich mich gestern nachmittag in der Bonner Kundgebung der saarländischen Kriegsopfer vor die 3000 Männer und Frauen, die von der Saar gekommen waren, hinstellen und auf einen Zwischenruf, der von dem Jubel der Menge begleitet war: „Wir fordern einen neuen Volksentscheid!" dort noch einmal unsere Entscheidung von 1955 verteidigen und erklären mußte, wenn es noch einmal so wäre, würden wir noch einmal genau so abstimmen. Meine Damen und Herren, das war keine organisierte Kundgebung. Wenn Sie das annehmen, müßte ich Ihnen antworten: Der Vorsitzende der saarländischen Vereinigung, der auch dort deutlich sprach, ist Mitglied der CDU. Das war ein Symptom der Stimmung, die heute an der Saar herrscht. Deshalb ist es auch wichtig, darauf einzugehen. Die Saar und ihre Bevölkerung gehen bei der Beurteilung der Eingliederungsgesetze von ganz konkreten Versprechungen und Zusagen aus. Der Herr Kollege Mommer hat sie erwähnt; ich werde mir vorbehalten, sie im Einzelfall noch durch Tatsachen der Vergangenheit zu ergänzen und zu vertiefen.Es scheint mir wichtig zu sein, daß wir die Leitsätze an den Anfang unserer Betrachtung stellen, die der Herr Bundeskanzler an einem sehr denkwürdigen Tag gegeben hat. Ich bedaure, daß er nicht hier ist. Er könnte uns dann vielleicht selbst einiges sagen, um zu seinem Wort zu stehen. Er gab diese Leitsätze an dem denkwürdigen Tag des 27. Oktober 1956, jenem Tage, an dem der zweite Saarvertrag unterzeichnet wurde. An diesem Abend sprach der Herr Bundeskanzler über den Saarländischen Rundfunk zur Saarbevölkerung. Er nannte diese Stunde eine für ihn beglückende. Er meinte gegenüber der Saarbevölkerung — ich darf jetzt wörtlich zitieren, Herr Präsident, Sie gestatten das —:Als die Saarbevölkerung in einer bewunderungswürdigen Haltung ihrer Heimattreue Ausdruck verliehen hatte, hat Frankreich in einer großzügigen Weise dem Weg der Rückkehr der Saar nach Deutschland zugestimmt.Diese Anerkennung der bewunderungswürdigen Heimattreue der Saarländer hat in den folgenden Worten der Ansprache des Herrn Bundeskanzlers zu sehr konkreten Feststellungen geführt. Ich möchte dem Hohen Hause, das nachher über die gesamten Gesetze abzustimmen hat, diese Leitsätze des Herrn Bundeskanzlers an die Saarbevölkerung zur Kenntnis bringen. Herr Präsident, Sie gestatten mir, nach dem Tonband zu zitieren, das beim Saarländischen Rundfunk existiert und dort am 27. Oktober 1956 verbreitet wurde. Der Herr Bundeskanzler erklärte:Wir werden aber diese Opfer, die der Bund für die Saar übernimmt— gegenüber Frankreich —,nicht der Saarbevölkerung anrechnen. Sie wird während der wirtschaftlichen Übergangszeit und nach der völligen Rückkehr der Hilfe von Bund und Ländern, aber auch der Hilfe der deutschen Wirtschaft bedürfen, um, eingebettet in die Bundesrepublik, eine besondere Brücke für die wirtschaftlichen Probleme beider Staaten zu werden.Weiter heißt es:Die wirtschaftliche Übergangszeit, die vielfach von unberufenem Munde kritisiert worden war, wird gerade für die Saarwirtschaft nötig sein. Wer die Rückkehr der Saar 1935 miterlebt hat, der weiß, wie das rücksichtslose Umschalten von einer Volkswirtschaft in die andere der Saar schwere Schäden zugefügt hat. Das wollen wir vermeiden. Es wird in dieser Zeit darauf ankommen, die wirtschaftlichen Maßnahmen mit Behutsamkeit durchzuführen, damit auch auf sozialem Gebiet keine Schwierigkeiten entstehen. Der allgemeine Grundsatz, daß niemandem Vorteile, aber auch niemandem Nachteile erwachsen dürfen, wird hinsichtlich der sozial Schwächeren als oberstes Gesetz gelten müssen. Die Bundesregierung wird im Zusammenwirken mit der Saarregierung alles tun, um diesen Ausgleich zu erreichen.Nun wird die Frage zu stellen sein, ob dieser Programmatik in den Gesetzentwürfen Rechnung getragen wird, über die wir zu entscheiden haben. Wir, die von der Saar als Fachleute — ich darf so unbescheiden sein — monatelang daran mitgear-
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Dr. Schneider
beitet haben, können nicht der Überzeugung Ausdruck verleihen, daß das Gesetzgebungswerk in einer Form geplant und durchgeführt worden ist, wie es nach unserer Meinung erforderlich gewesen wäre. Daher zunächst einmal eine allgemeine Kritik, die auch die Situation an der Saar mit einbezieht.Wir haben es seit Sommer vorigen Jahres erlebt, daß das Saarland, ausgehend von Wünschen — ich drücke mich einmal vorsichtig aus — bundesdeutscher Parteipolitik, in Auseinandersetzungen innerpolitischer Art getrieben worden ist, die mit einem großen Krach in der Regierung und einem Rücktritt des Kabinetts endeten, den der leider allzu früh verstorbene Ministerpräsident Reinert selbst erklärte. Auf diese Weise wurde die Regierung in den entscheidenden Monaten bis zum März dieses Jahres mit parteipolitischen Fragen beschäftigt. Dabei ging es darum, ob es zu einiger Einigung zwischen CVP und CDU kommen könne, wie diese Einigung aussehen könne und wer aus der Regierung heraus müsse.Diese Auseinandersetzungen haben der Regierung die Zeit genommen, die sie benötigt hätte, um sich intensiv mit den Problemen befassen zu können, die hier heute anstehen. Ich darf für mich in Anspruch nehmen, daß ich schon im September vorigen Jahres einen hier im Hohen Hause anwesenden maßgebenden Beamten eines Ministeriums auf diese grausame Entwicklung aufmerksam gemacht habe. Ich habe diesen Herrn angefleht, alles zu tun, um uns im Interesse der wirtschaftlichen Eingliederung und der mit ihr verbundenen Aufgaben zusammenzuhalten. Die Antwort dieses der stärksten Partei des Hauses angehörenden hohen Beamten war: Ja, ich weiß, daß wir dort unten kaum einen Blumentopf gewinnen können und daß wir nur versuchen müssen, über die Runden zu kommen.Das war im September vorigen Jahres. Die sogenannte christliche Einheit, meine Damen und Herren, war wichtiger als die Aufgaben, die sich aus dem Gesetzgebungswerk für uns an der Saar ergaben. Ich darf so unbescheiden sein, zu erwähnen, daß die erdrückende Belastung der Jahre mich selbst aufs Krankenbett geworfen und in jenen Monaten ins Sanatorium gebracht hat.
Wir beklagen diese Entwicklung. In dieser Zeit wurde die Arbeit den Referenten überlassen. Der Bundestag wurde dann ebenso wie das Saarland überraschend mit den Gesetzentwürfen befaßt, und diese Entwürfe wurden in einem derartigen Tempo durchgepaukt, daß eine eingehende und gründliche Bearbeitung nach unserer Auffassung nicht möglich war. Es hätte nicht vorkommen dürfen, daß die von allen Mitgliedern des saarländischen Landtages einstimmig angenommenen Entschließungen zu den hier zu verabschiedenden Gesetzen in allen Ausschüssen des Hohen Hauses nicht mehr berücksichtigt werden konnten, weil die Zeit dafür nicht ausreichte. Das war bedauerlich und schadet der Arbeit. Wir werden deshalb schon jetzt die Notwendigkeit von Korrekturen im Laufe der auf die Eingliederung folgenden Monate anmelden müssen.Ich darf nur ein einziges Beispiel anführen. Die Landwirtschaft des Saarlandes hat uns in allerletzterMinute Vorschläge unterbreitet, deren Realisierung in ihrem Interesse unerläßlich sei. Wir hatten jedoch gar nicht mehr die Möglichkeit, diese Vorschläge zu Änderungsanträgen zu verarbeiten.Einer der wesentlichen Mängel des gesamten Verfahrens ist die Geheimhaltung des Tages X. Ich will nicht wiederholen, was in der Fragestunde der letzten Woche gesagt worden ist. Der Herr Bundeskanzler hat selbst erklärt, daß man 1935 die Rückgliederung rücksichtslos vorgenommen habe und daß man diesen Fehler jetzt vermeiden müsse. Man kann die Rückgliederung jetzt nicht erfolgreich durchführen, wenn der Termin am Samstag bekanntgegeben wird und die Eingliederung am Sonntag stattfinden soll.Wir werden noch die Nachteile erleben, die sich ,aus den mangelnden Dispositionsmöglichkeiten für die Wirtschaft im Saarland, für die Behörden im Saarland und für die Behörden im Bundesgebiet ergeben. Wir verstehen es nicht, daß die Bundesregierung es gegenüber dem französischen Partner nicht durchsetzen konnte, daß der Tag X, wenigstens auf ungefähr zwei oder drei Wochen fixiert, rechtzeitig bekanntgegeben wird. Das verstehen wir um so mehr, als Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard uns wiederholt die Notwendigkeit dieser Erledigung zugesagt hat.Wir verstehen auch nicht, daß bei diesem Bündel von Gesetzen die Frage der Verordnung über die Währungsumstellung nicht mitdiskutiert wird und daß wir heute noch im unklaren sind, wie beispielsweise vertragliche Leistungen, die über den X-Tag hinauswirken, die aber vor dem X-Tag vereinbart sind, umgestellt werden, eine Unsicherheit, die natürlich die gesamte Wirtschaft im Saarland betrifft. Auch dazu hätte man rechtzeitig etwas sagen müssen.Entscheidend ist die Frage des Lohn- und Preisgefüges nach dem X-Tag. Es ist von uns in der Planung immer wieder erklärt worden: Am X-Tag müssen an der Saar auf allen Gebieten deutsche Preise gelten, die sich um nichts von denen in Zweibrücken, Trier oder Kaiserslautern unterscheiden. Wir wissen nicht, mit welchen Maßnahmen man diesen Zustand herbeiführen will. Wir bezweifeln aber, daß das Öffnen der Grenze und daß die Kaufwut nach der angestauten Kaufzurückhaltung dazu beitragen, nach den allgemeinen Gesetzen von Angebot und Nachfrage das Preisgefüge wenigstens in den ersten Wochen in Ordnung zu halten. Wenn wir sehen, daß beispielsweise die Neubaumieten im Saarland mit .117,5 umgestellt werden, während sie auf Baukostenindizes zwischen 120 und 154 für das Jahr 1958 berechnet sind, dann erleben Sie hier schon eine Mietpreisbildung, die weit über dem Niveau des Bundesgebietes liegt. Auch dazu wäre eine Regelung notwendig gewesen.Dasselbe gilt für die Verschuldung der Bauherren, die selbstverständlich entsprechend den hohen Baukostenindizes viel höhere Belastungen in Kauf nehmen mußten und die nun mit der Umrechnung 1 : 117 eine viel zu hohe Belastung mit in die Zukunft nehmen. Auch darüber sagen die Gesetze nichts.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4253
Dr. Schneider
Wenn wir vondeutschen Preisen ausgehen, dann ist es ganz selbstverständlich, daß die Wirtschaft mit deutschen Kosten und damit mit deutschen Belastungen zu rechnen hat. Dieser Grundsatz ist von uns immer vertreten worden und wird auch nicht bestritten. Aber diese Frage hat nichts damit zu tun, ob die Bundesregierung das Versprechen der Erhaltung des sozialen Besitzstandes zusätzlich einlöst und für eine Übergangslösung im Zuge der EWG — ich werde nachher bei dem Gesetz noch darauf zu sprechen kommen — den saarländischen Arbeitern und Angestellten das Saaropfer für eine beschränkte Zeit bringt und ihnen die Gewißheit gibt, daß diese Versprechungen nicht umsonst waren, dergestalt, daß das Kindergeld für das erste und zweite Kind im Saarland für diese Übergangsfrist im Zuge einer später notwendigen Harmonisierung innerhalb der EWG als Bundesopfergegeben wird, ohne daß die saarländische Wirtschaft durch eine Mehrbelastung wettbewerbsunfähig gemacht wird.Deutsche Kostenbedingen deutsche Tarifregelungen. Das Gesetz — Drucksache 1012 — ist darauf aufgebaut, daß nach dem Grundsatz der Tariffreiheit die Vertragspartner auf dem Gebiet der Arbeit sich bis zum X-Tage auf Tarifverträge geeinigt haben. Ich darf feststellen, daß bis zur Stunde im Saarland nicht ein einziger Tarifvertrag abgeschlossen ist und wahrscheinlich auch, wenn der X-Tag in der kommenden Woche sein sollte, nicht abgeschlossen sein wird.Das Gesetz sucht dann eine Kompromißlösung auf dem Umweg über den Umrechnungskurs, obwohl dieser Umrechnungskurs von 117,5 von der Kaufkraftrelation, die bei 127,6 liegt, schon völlig abweicht. Es ist ganz klar, daß sich aus dieser Fehlstrukturierung nach dem X-Tag die kompliziertesten Situationen und große Schwierigkeiten ergeben müssen. Es wird ein Tohuwabohu entstehen, das die Wirtschaft zweifellos in gefährliche Situationen bringt, insbesondere wenn, wie das in einzelnen Bestimmungen vorgesehen ist, die Wirtschaft im Falle von nachträglichen Abmachungen über Tariferhöhungen rückwirkend Nachzahlungen vom X-Tag an leisten soll. Wie kann eine Wirtschaft bestehen, wenn sie nicht weiß, was sie an Löhnen und Gehältern aufzuwenden hat, und wenn sie vor der Aufgabe steht, nach zwei, drei oder gar sechs Monaten noch Nachzahlungen an die Arbeitnehmer leisten zu müssen. Meine Damen und Herren, eine solche Regelung ist für jeden, der mit der Wirtschaft zu tun hat, unverständlich.Wir haben dann das nächste Generalthema nicht so geregelt, wie das den Wünschen und Vorstellungen der saarländischen Wirtschaft und Bevölkerung entsprochen hätte. Das ist das Generalproblem Nr. 1, nämlich, der saarländischen Wirtschaft die Umstellung auf den deutschen Markt möglich zu machen, ohne daß es an der Saar eine Gefährdung der Arbeitsplätze gibt. Die Erhaltung der Arbeitsplätze und damit von Arbeit und Brot für die schaffenden Menschen ist die oberste Aufgabe überhaupt. Wir haben immer in den verflossenen Jahren, in denen wir verhandelt haben, auf dieses zentrale Problem hingewiesen und die Schwierigkeiten dargestellt, die sich durch die Umstellung der Saarwirtschaft von dem Saarmarkt und dem französischen Markt auf den bundesdeutschen Markt zwangsläufig ergeben müssen. Sie müssen mir schon gestatten, hier einige ganz wenige Zahlen zu nennen. Die weiterverarbeitende saarländische Industrie ohne Montangütererzeugung lieferte im Jahre 1958 nur 8 % der gesamten Produktion ins Bundesgebiet; 3,6 % gingen in die übrigen Länder, 53,6 % blieben im Saarland, und etwa 34,6 °/o gingen nach Frankreich. Nun steht absolut fest, daß von den 34,6 %, die nach Frankreich gingen, etwa ein Drittel verlorengeht, weil die Referenzen des Saarvertrages nicht das Jahr 1958, sondern das Jahr 1955 umfassen. Der Absatz, den die Saar nach dem X-Tage nach Frankreich haben wird, bewegt sich also in dem beschränkten Rahmen des Jahres 1955. Das bedeutet eine Verlagerung des Absatzes von etwa 15 % der gesamten Saarproduktion auf bundesdeutsche Gebiete. Aber auch der saarländische Markt wird, darüber machen wir uns keine Illusionen, den saarländischen Erzeugerbetrieben zu einem erheblichen Teil zunächst einmal verlorengehen. Die bundesdeutsche Wirtschaft wartet nur darauf — das ist ihr gutes Recht —, ihre Waren nach Aufgehen des Zollvorhangs in das Saarland hineinströmen zu lassen, und die bundesdeutsche Wirtschaft wehrt sich — auch das ist ihr gutes Recht — ebensosehr, nach dem Gesetz der freien Wirtschaft die saarländische Konkurrenz auf dem bundesdeutschen Markt Fuß fassen zu lassen. Wir haben nichts darüber erfahren, wie die bundesdeutsche Wirtschaft — wie das der Herr Bundeskanzler in seinen vorhin zitierten Ausführungen erwähnte — es durchführen will, auch uns an der Saar die erforderliche Hilfe zu geben, nämlich in der Form, den neuen, saarländischen Wettbewerber die fünfzehnjährige Abtrennung vergessen zu machen. Wir haben errechnet, daß mindestens für 40 % der gesamten saarländischen Gütererzeugung neue Käufer, und zwar im Bundesgebiet, gesucht und gefunden werden müssen. Wir wissen, daß die saarländische Wirtschaft heute längst noch nicht den Ausrüstungsstand hat, wie ihn die bundesdeutsche Wirtschaft in den letzten zehn Jahren erreichen konnte. Demnach ist für den Fachmann klar, daß nur eine gezielte großzügige Hilfe die Ubergangsschwierigkeiten der ersten ein bis zwei Jahre überbrücken kann.
Aus diesen Gründen hat die Saar immer die Forderung aufgestellt, ihr für zwei bis drei Jahre dieselben Vergünstigungen zu gewähren, wie das für West-Berlin in dem bekannten Gesetz geschehen ist.Ich will jetzt nicht auf die Einzelheiten eingehen. Aber es ist ,erschütternd, zu sehen, wie aus dieser zunächst auch anerkannten Generalforderung, die Berlin-Hilfe dem Saarland für zwei bis drei Jahre zu geben, ein Feilschen und ein Kuhhandeln geworden ist, aus dem die Präferenzen der für zwei Jahre ermäßigten Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer — 15 bzw. 10 % — übriggeblieben sind und aus dem die entscheidende Frage der Umsatzsteuervergünstigung herausgeflogen ist, um einer bescheidenen
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4254 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Dr. Schneider
Subvention für Lieferungen von der Saar ins Bundesgebiet noch einen Restplatz einzuräumen. Diese Subvention, sie mag noch so gut gemeint sein, wird nicht den erwarteten Erfolg haben. Wir haben dafür seit zwei Jahren Erfahrungen. Sie betrifft eben nur 8 % unserer Erzeugung, während wir eine echte Absatzförderung für 40 % brauchen.
— Nein, sie kann sie nicht umfassen, Herr Kollege Fritz, weil Sie die Subvention ja nur für jedes über die alte Grenze passierte Gut geben und nicht für den Verlust des Absatzes im Saarland selbst, wo wirklich die erste Hilfe einsetzen muß. Aber darüber werden wir nachher bei unserem zu Art. 84 gestellten Änderungsantrag sprechen.Meine Damen und Herren, es ist auch ein großer Mangel, daß bisher in der Gesamtplanung nichts über die umfangreichen Betriebsmittelkredite und die dazugehörigen Zinszuschüsse geregelt ist. Im Saarland zeigt sich jetzt schon, daß eine Reihe von Betrieben infolge der Kaufzurückhaltung nicht mehr flüssig sind. Dieser Zustand wird nach dem Tage X in verstärktem Maße sichtbar werden. Das Saarland ist nicht in der Lage, diese Betriebsmittelkredite zu verbilligten Zinsen in dem erforderlichen Umfang aus eigener Kraft zur Verfügung zu stellen. Es wäre notwendig, die von uns und. von mir persönlich schon vor einem Jahr bei dem Besuch des Wirtschaftsausschusses im Saarland vertretene Forderung umgehend zu erfüllen.Der nächste Punkt, der uns erheblich beunruhigt, ist die Frage der Einführung des Lastenausgleichs im Saarland. Man hat uns immer versprochen, daß angesichts der Sonderleistungen auf Grund der eigenen saarländischen Regelungen einer Gemeinschaftshilfeabgabe, die bis heute schon zwei Drittel derjenigen Summe erbracht hat, die wir aufbringen müßten, wenn wir den bundesdeutschen Lastenausgleich 1948 erhalten hätten, der bundesdeutsche Lastenausgleich nicht eingeführt wird. Nach den uns zugegangenen Unterlagen sieht es jetzt aber doch so aus, daß wir auf der Leistungsseite eine Lastenausgleichsabgabe bekommen, die weit über das Maß dessen hinausgeht, was das Saarland angesichts seiner bisherigen Leistungen erwarten darf. Wenn Sie nur daran denken, daß bei uns die Vermögenswerte des Jahres 1959, wenn auch in Höhe von 60 %, für diesen Lastenausgleich zugrunde gelegt werden sollen, während bei Ihnen der Vermögensstand von 1947 oder 1948 maßgebend war, dann können Sie ermessen, welche Unruhe in der Saarbevölkerung angesichts dieses Projektes entsteht.Wir müssen dazu die Tatsache einbeziehen, daß sämtliche Steuern jetzt automatisch höher ausfallen werden. Ob das die Vermögenssteuer betrifft oder die Gewerbesteuer oder die Einkommensteuer über die Freibeträge hinaus, überall wird im Saarland eine erhebliche Steuererhöhung eintreten.Wir vermissen in der Gesetzgebung auch den von der saarländischen Landwirtschaft dringend geforderten Plan einer besonderen Hilfe. Denn nach dem Saarvertrag wird bei unserer Landwirtschaft zum 'ersten Male auf europäischem Boden das Experiment eines gemeinsamen Marktes exerziert. Die saarländische Landwirtschaft wird vollkommen frei der französischen Konkurrenz ausgesetzt sein, die zollfrei alle die Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse in das Saarland hereinliefern kann, die 1955 geliefert worden sind. Da die französische Landwirtschaft damals nahezu den entscheidenden Bedarf der Saar gedeckt hat, wird die saarländische Landwirtschaft hier also den Hauptkonkurrenten zu erwarten haben. Auf der anderen Seite ist die saarländische Landwirtschaft vollkommen frei und ungeschützt der bundesdeutschen landwirtschaftlichen Konkurrenz ausgesetzt. Auch das ist ein Zustand, der unbedingt eine Sonderhilfe und eine großzügige Regelung erfordert. Der Herr Bundeslandwirtschaftsminister Lübke ist mein Zeuge, daß ich ihn schon vor eineinhalb Jahren mit diesem Problem befaßt habe. Wir bedauern es nur, daß heute dieser Plan nicht in gesetzlicher Form verankert ist.Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit die Notwendigkeit der gesetzgeberischen Verankerung noch einmal herausstellen. Es nutzt uns an der Saar gar nichts, wenn uns Versprechungen gegeben werden. Wir glauben diesen Versprechungen nicht mehr, entschuldigen Sie. Das ist ein Mißtrauen. Aber dieses Mißtrauen hat sich in den letzten Jahren leider Gottes immer wieder als berechtigt erwiesen.Wir verstehen durchaus, daß man uns entgegenhalten wird: Der Bund hat für das Saarland doch eine Reihe erheblicher Leistungen gebracht. Wir denken beispielsweise an die jährlichen Beträge zur Abstützung und Ausgleichung des saarländischen Haushalts. Es ist gar keine Frage, daß das geschehen ist und daß wir das dankbar anerkennen. Wir erkennen auch dankbar an, daß in dem Gesetz zur Sicherung der Ersparnisse, Drucksache 1010, ein Teil der saarländischen Sparguthaben zu einem besseren Kurs umgestellt wird. Aber wir dürfen in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß diese Ersparnissicherung nicht auf Kosten des bundesdeutschen Steuerzahlers geht, sondern daß die erforderlichen Beträge eingespart werden beim Umtausch derjenigen Frankenbeträge, die die Bundesregierung nötig hat, um gegenüber Frankreich Leistungen aus dem Saarvertrag, zum Teil freiwillige, zum Teil pflichtgemäße Leistungen, erfüllen zu können.
— Jawohl, völlig klar.Weiter kann man uns entgegenhalten, daß der Bund Leistungen an Frankreich erbringen muß. Sicher kostet die Ablösung des Saarlandes aus dem französischen Bereich Geld. Aber ich kann mich erinnern, daß hier in diesem Hause einmal jemand — ich glaube, es war der verstorbene Herr Vizekanzler Blücher — den Vorschlag gemacht hat, überhaupt das Saarland durch eine große Zahlung
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Dr. Schneider
an Frankreich abzulösen, und daß der Herr Bundeskanzler diesen Vorschlag entrüstet zurückgewiesen hat; man könne doch Frankreich kein Geld für die Saar anbieten!Also diese Leistungen sind Selbstverständlichkeiten; ein Volk hat sie zu erbringen, wenn sich ein abgesprengtes Volksglied freiwillig zurückfindet — ich will gar nicht sagen unter welchen Umständen; ich erinnere nur an 1955 -- und zur größeren Gemeinschaft zurückkehrt. Wir könnten glücklich sein, wenn wir die Wiedervereinigung mit der Ostzone oder darüber hinaus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße, auf die Wir nicht verzichten, so billig und preiswert bekämen wie ,die mit der Saar.Wir anerkennen auch, daß uns der Bund ERP-Kredite zur Verfügung gestellt und erklärt hat, daß weitere ERP-Kredite 'gewährt werden würden. Aber Kredite sind keine Geschenke. Sie müssen zurückgezahlt werden, und sie werden auch zurückgezahlt werden.Es wird argumentiert, der Bund habe das und das für ,die Saar getan und werde das und das tun. Wir Saarländer dürfen dem entgegenhalten: Wir kommen nicht mit leeren Händen. Wir bringen eine Million fleißiger schaffender deutscher Menschen mit uns. Wir führen idem Bund wieder ein Industriegebiet zu, das als Teil des Ganzen ein entscheidendes wirtschaftliches Potential darstellt. Wenn Sie daran denken, was in jenem berühmten Wirtschaftsvertrag vom 6. Mai 1955 bestimmt war, der als Anlage zum Saarstatut in Kraft getreten wäre, wenn wir nicht nein gesagt hätten, können Sie erst ermessen, was 'die Saar ,dem Bund zurückbringt. In jenem Vertrag war festgelegt, was 'das Saarland und was der Bund opfern mußten: die Gruben. Ich empfehle jedem, einmal durch die Anlagen der Saarbergwerke zu gehen und sich diese gigantischen Werte zu vergegenwärtigen, die durch die Entscheidung des Saarlandes vom 23. Oktober zu 74 % in die Hand des Bundes zurückgekommen sind. Denken wir an die Hütten, an das Bank- und Geldwesen, an das Versicherungswesen und was sonst noch alles in jenem Teil des Saarwirtschaftsvertrages enthalten war und nach ,diesem Vertrag dem Bund und damit dem 'deutschen Volk auf lange, lange Sicht, wenn nicht für die Dauer, verlorengegangen wäre.Das Argument, daß wir nicht mit leeren Händen kommen, verpflichtet das Hohe Haus, der Saarbevölkerung heute durch eine großzügige Regelung das Vertrauen wiederzugeben, ohne um einige Prozente bei der Umrechnung der Kriegsopferrente zu feilschen oder ohne zu fragen, ob das Saarland auf ein Jahr, auf drei Jahre oder auf vier Jahre, wie wir das wünschen, die Kinderzulagen erhält. Vertrauen gegen Vertrauen!Deshalb möchte ich zum Schluß an das Hohe Haus ,appellieren, sich den Forderungen und Erwartungen von einer Million Menschen nicht zu verschließen, die in der entscheidenden Stunde mit der Zweidrittelmehrheit gewußt haben, daß das Bekenntnis zum Vaterland wichtiger ist als 'die materielle Frage nach der Erhaltung von besseren Rentenleistungen oder Steuersätzen.
Meine Landsleute haben diese Frage bei der Entscheidung vom 23. Oktober nicht gestellt, obwohl die Anhänger des Saarstatuts, die „Ja-Sager", wie man bei uns sagte — ich will den harten Ausdruck, den die Saarländer noch auf der Zunge tragen, hier gar nicht gebrauchen —, ihre gesamte Propaganda darauf abgestellt hatten. Auf den Werbeplakaten hieß es: Wenn ihr Saarländer nein sagt, werden eure Renten gekürzt, werdet ihr euer Kindergeld verlieren und werdet ihr mehr Steuern bezahlen müssen. Der kleine Mann an der Saar hat nicht danach gefragt. Es waren nicht die Geschäftsleute, sondem es war der Arbeiter, der Bauer, der kleine Mann, der hier sein Herz sprechen ließ und der heute erwartet, daß ihn der Bundestag nicht enttäuscht, sondern ihm das gibt, was er mit Recht zu verlangen hat.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
— Das Wort zur Geschäftsordnung erteilt der Päsident nach eigenem Emessen. Die Regierung hat außerdem jederzeit nach der Verfassung und der Geschäftsordnung den Vorrang.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die vom Herrn Abgeordneten Dr. Schneider angeschnittene Frage der rechtlichen Stellung der saarländischen Landwirtschaft angeht, darf ich eine Erklärung wiederholen, die der Bundesernährungsminister vor dem Rechtsausschuß des Bundestags am 18. Juli 1959 hat abgeben lassen. Die Erklärung lautet:
Die Bundesregierung vertritt nach erneuter Prüfung der Rechtslage die Auffassung, daß die in den Marktordnungsgesetzen enthaltenen Lenkungsbestimmungen mit Inhalt und Zweck der Artikel 62 ff. des Saarvertrags vereinbar sind. Die Bundesregierung und ihre nachgeordneten Dienststellen haben nach den Marktordnungsgesetzen insbesondere die Möglichkeit, die bisherigen regionalen Gepflogenheiten zu berücksichtigen und den traditionellen Warenverkehr zwischen dem Saarland und Frankreich aufrechtzuerhalten. Sie werden auch entsprechend handeln.
— Soweit der Wortlaut der Erklärung. Ich darf hinzufügen, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten danach nicht nur rechtlich in der Lage ist, den Saarvertrag zu erfüllen, sondern daß er ihn auch erfüllen wird.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion gemäß § 46 der Geschäftsordnung die Herbeirufung des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundeswirtschaftsministers. Der Herr Bundeskanzler hat zwar manchmal gefehlt, als es um die Heimbringung der Saar ging,
das ist aber kein Grund, daß er heute hier beim Schlußakt fehlt.
Für die Anwesenheit des Herrn Bundeswirtschaftsministers brauche ich wohl keine weiteren Gründe vorzubringen, nachdem es sich um die wirtschaftliche Rückgliederung des Saargebietes handelt.
Außerdem, meine Damen und Herren, wird das Haus sich sehr freuen, wenn die beiden, der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundeswirtschaftsminister, hier nebeneinander sitzen und dem Hause ein Bild von ihrer „vertrauensvollen Zusammenarbeit" geben.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag gehört. Sie haben wohl namens Ihrer Fraktion den Antrag gestellt,
so daß die hinreichende Unterstützung gegeben ist.
Beantragt ist die Herbeirufung des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundeswirtschaftsministers. Nach § 46 der Geschäftsordnung ist der Antrag zulässig. Ich lasse abstimmen.
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? Der Antrag ist angenommen.
Ich werde den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Bundeswirtschaftsminister unverzüglich von dem Beschluß des Hauses in Kenntnis setzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der allgemeinen Aussprache über di eses umfangreiche Gesetzgebungswerk sollte nicht vergessen werden, daß in den Gesetzesvorlagen eine Fülle von Vorarbeiten ihren Niederschlag gefunden hat.
Es gebührt wohl zunächst allen beteiligten Ressorts im interministeriellen Arbeitskreis Saar sowie den Herren Mitgliedern der Saarregierung und ihren Vertretern, die an dieser Arbeit ständig beteiligt waren, ein Wort des Dankes, dem, wie ich hoffe, sich das Hohe Haus anschließen wird. Hier hat sich eine Aufgabe ergeben, die nicht in der herkömmlichen Weise aus der Sicht der Ressorts gesehen werden konnte, sondern die in engster Fühlung mit dem betroffenen Land, mit seiner Regieung und allen anderen Beteiligten erledigt werden mußte. Die Schwierigkeiten der Materie kann man wahrscheinlich erst historisch, in einem später noch zu gebenden Rückblick, voll übersehen. Ich folge insoweit durchaus den Worten des Kollegen Dr. Schneider, der am Anfang gesagt hat: Es ist nur eine Phase des Übergangs, die mit der Verwirklichung dieser Gesetze zu Ende geht. Auch nach diesem Tage wird sich noch eine Übergangssituation mit einer Fülle von Übergangsmaßnahmen, Hilfen usw. ergeben.
Einen Augenblick! Meine Damen und Herren, der Saal ist viel zu unruhig. Ich bitte, sich doch zu setzen. Ich kann niemanden auffordern, in die Wandelgänge zu gehen; das Haus ist sowieso schlecht besetzt.
Bitte, fahren Sie fort!
In den Gesetzesvorlagen ist an verschiedenen Stellen schon zum Ausdruck gebracht, daß bestimmte Hilfsmaßnahmen noch für eine längere Zeit weiterlaufen, so daß eine neue Übergangsphase jetzt ihren Anfang nehmen wind.Im ganzen, glaube ich, wird man sehr lernen müssen. Es ist nicht nur der Übergang von 1935, der hier immer wieder anklingt und mit dem man sich vielleicht auch im Vergleich zu der heutigen Situation noch etwas genauer befassen sollte, sondern wir werden schon jetzt zugeben müssen, daß für alle unberechenbaren Dinge der Entwicklung nach dem Tage X noch keine Antwort — pränumerando gewissermaßen — gegeben werden kann. Wir werden noch mit bestimmten Ermächtigungen, mit bestimmten zusätzlichen Erwägungen arbeiten müssen. Wir müssen also sehr elastisch und vielleicht sehr kurzfristig immer wieder eingreifen.Lassen Sie mich zunächst einige allgemeine Ausführungen machen, ehe ich auf die Bemerkungen der Herren Vorredner besonders eingehe. Wenn man vor allem die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Mommer, aber auch den weitaus größten Teil der Ausführungen des Herrn Dr. Schneider gehört hat, hat man den Eindruck, die Saar seit förmlich ein Notstandsgebiet und es sei eigentlich nichts geschehen. Meine Damen und Herren, man sollte an diesem Tage auch einmal herausstellen, was denn in den Jahren der Übergangszeit zur Vorbereitung der endgültigen wirtschaftlichen Eingliederung geschehen ist. Man sollte vor allem auch daran erinnern, daß die Dinge, die unter der Formel „sozialer Besitzstand", jedenfalls 1955 und 1956 gemeint waren, an der Saar längst eingeführt worden sind und aus diesem Grunde in der heutigen, abschließenden Materie gar nicht mehr in Erscheinung treten.Man kann also nicht polemisieren nur auf Grund der Dinge, die im Augenblick vielleicht in den Vorlagen enthalten sind oder nach der Ansicht des einen oder anderen enthalten sein sollten. Man muß auch offen zugeben, was in den drei Jahren schon alles unter Vorwegnahme des Tages X an der Saar eingeführt worden ist.
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Dr. HellwigZunächst möchte ich eine kurze Beurteilung der Funktion dieser wirtschaftlichen Übergangszeit versuchen. Die Übergangsregelung im Saarvertrag 1956 ging davon aus, daß eine schlagartige Umstellung des Absatzes der Saarindustrie, dessen Schwerpunkt auf dem französischen Markt lag, auf den Markt des Bundesgebietes nicht ohne Gefahren und ohne große Schwierigkeiten möglich sei. Bei dieser Befürchtung hat die Erfahrung von 1935 Pate gestanden. Im Jahre 1935 hat der Völkerbundsrat den beteiligten Regierungen empfohlen, der Absatzorientierung der Saar auf den französischen Markt dadurch zu entsprechen, daß auch nach der politischen Rückgliederung weiterhin ein zollfreier Warenaustausch zwischen der Saar und Frankreich aufrechterhalten wird. Es gab in dem damaligen Zeitalter der bilateralen Handelsverträge und kurzfristigen Zahlungs- und Handelsabkommen nur kurzbefristete, von zwei zu zwei Monaten verlängerte Übergangsabkommen. Insgesamt gelang es nicht einmal für ein ganzes Jahr, überhaupt noch in beschränktem Umfange eine Sonderregelung für den Verkehr mit Frankreich zu sichern. Dann setzte die Aufgabe der vollständigen Umstellung auf den deutschen Markt ein. Diese Problemstellung ist in den vergangenen Jahren beim zweiten Saarvertrag auf beiden Seiten richtig gesehen worden. Sie hat ihren Niederschlag gefunden nicht nur in der Übergangszeit, d. h. einer Phase, in der die Umstellung von dem einen zum anderen Währungs- und Zollgebiet für einen Zeitraum von nahezu drei Jahren vertagt wurde, sondern sie hat ihren Niederschlag gefunden auch in der Sonderregelung für den zollbefreiten saarländisch-französischen Warenverkehr, die ja wohl das Kernstück der kommenden handelspolitischen Situation der Saar darstellt. Vorher, in dieser Übergangszeit, ist die Saar nicht nur ungehindert auf dem französischen Markt geblieben, sondern hat bereits einen begünstigten Zugang zum deutschen Markt auch in weiten Bereichen ihrer Produktion erhalten. Sie hat also.in dieser zweieinhalbjährigen Übergangszeit eine handelspolitisch einmalig günstige Lage gehabt. Ich glaube, das Gesamtbild der wirtschaftlichen Entwicklung der Saar in dieser Zeit bestätigt dies. Es zeigt sich nämlich — wenn man den Steinkohlenbergbau an der Saar, dessen Leistung im Jahre 1958 unter der von 1955 lag, aus dem Gesamtbild herausnimmt —, daß sich die weiterverarbeitende Industrie, die Energiewirtschaft und vor allem das Bauhauptgewerbe an der Saar in diesen drei Jahren stärker entwickelt haben als die vergleichbaren Wirtschaftsbereiche des Bundesgebietes.Dadurch wird deutlich, daß die Saar in dieser Übergangszeit doppelseitiger handelspolitischer Möglichkeiten eine wirtschaftliche Festigung erreichen konnte, die zwar getrübt ist durch die inflationistische Entwicklung, die die französische Währung in dieser Zeit durchgemacht hat. Aber auf der anderen Seite hat die Saar natürlich auch Vorteile aus dieser sogenannten Inflationskonjunktur in den letzten Jahren in Frankreich gehabt. Da dieser günstigen wirtschaftlichen Entwicklung, die sich in den Beschäftigtenziffern, in der allgemeinen Entwicklung der Einkommen usw. ausdrückte, auch bestimmte steuerliche Maßnahmen zur Reservenbildung für den Tag X und für die dann zu erwartenden Investitionsaufgaben entgegenkamen, dürfen wir wohl annehmen, daß die Jahre der Übergangszeit im ganzen zu einer leistungsmäßigen Konsolidierung der Unternehmungen und des Produktionsapparats beigetragen haben.Wir 'sind uns klar darüber, daß der andere Sektor von Maßnahmen in dieser Übergangszeit, nämlich den Saarbetrieben durch Mittel der Kreditpolitik verschiedenster Art die Umstellung auf die neuen Aufgaben zu ,erleichtern, bisher nur zu einem Teilerfolg geführt hat. Das liegt daran, daß natürlich Kredite nur aufgenommen und Investitionen nur vorgenommen werden, wenn man eine einigermaßen klare Beurteilung der Absatzchancen hat, die man später besitzt und für die diese Investitionen bestimmt sind. So nimmt es nicht wunder, daß das Schwergewicht dieser Kredite in dem Bereich geblieben ist, der seine handelspolitische Stellung bereits seit Jahren klar übersehen kann, nämlich in dem Bereich der Montanwirtschaft, die durch den gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl bereits eine auf lange Sicht gültige Orientierung ihrer handelspolitischen Lage zur Verfügung hat, während die Beurteilung der Absatzchancen insbesondere der verarbeitenden Industrie nicht in dieser Eindeutigkieit möglich war.Eines müssen wir von der Übergangszeit sagen. Sie bewirkte — diese Klage ist ja auch von den Herren Vorrednern hier ausgesprochen worden in der Umstellung auf den bundesseitigen Markt nicht das, was man in dieser Zeit erwartete. Aber die Sonderkonjunktur auf der französischen Seite hat eben einen förmlichen Sog auf die Saarerzeugung ausgeübt, und es war so bequemer, es war leichter. Der Konkurrenzkampf in einem Lande mit Inflationskonjunktur hat nicht die Härte des Konkurrenzkampfes, der sich im Bundesgebiet in den letzten Jahren verstärkt hat.Daraus etwa die Schlußfolgerung zu ziehen, daß diese wirtschaftliche Übergangszeit nicht genützt worden sei und nicht funktioniert habe, wäre sicher zu weitgehend; denn bei den Saarverhandlungen 1955/56 hat ja keiner voraussehen können, daß diese Sonderentwicklung in Frankreich eintreten würde.Nun einige Worte zu den finanziellen Hilfen, die bereits in dieser Übergangszeit erfolgt sind. Durch den Bundeshaushalt und durch das ERP-Vermögen sind dem Saarland in den Jahren seit Inkrafttreten des Saarvertrages einschließlich der für das Jahr 1959 vorgesehenen Hilfen insgesamt wohl 1,5 Milliarden DM zur Verfügung gestellt worden, von denen ein Teil echte Zuschüsse zur Abdeckung von Verlusten und Fehlbeträgen in Saarhaushalt sind, ein anderer Teil auf Investitionsvorhaben des Bundes als Miteigentümer der Saarbergwerke entfällt. Weitere Beträge sind allgemein für die öffentlichen Investitionen bestimmt, und 360 Millionen DM stehen als Kredite für die Wirtschaft aus dem ERP-Vermögen zur Verfügung.Man muß dann aber noch sehen, daß auf Grund des Saarvertrages selbst im Augenblick des Tages X noch weitere Leistungen fällig werden, die in dem
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Dr. Hellwigverabschiedeten Bundeshaushalt mit — ich glaube, genau — 683 Millionen DM angesetzt sind.Die wirkliche Größenordnung dieser Beträge sollte man sich einmal dadurch klarmachen, daß man den Vergleich auf das Wirtschaftspotential und die Bevölkerungszahl dieses Gebietes abstellt. Bei im Schnitt insgesamt 2 Milliarden DM, die wohl auch in den folgenden Jahren alles in allem an die Saar fließen werden, würde das, auf das Bundesgebiet mit der Bevölkerung über 50 Millionen Einwohnern übertragen, einen Betrag von mehr als 100 Milliarden DM ausmachen. Setzen Sie einen solchen Betrag in Vergleich zu dem Volumen des Bundeshaushalts pro Jahr, dann werden Sie sehen, welche ungewöhnliche Größenordnung im öffentlichen Haushalt der Saar im Verhältnis zur Bevölkerungszahl, aber auch zur Wirtschaftskapazität hier tatsächlich vor uns steht. Denken Sie daran, daß das gesamte ERP-Vermögen, mit dem seit Jahren bei uns doch eine bemerkenswerte wirtschaftliche Förderung durchgeführt wird, noch nicht die Hälfte des Betrages ausmacht, der sich ergäbe, wenn man die jetzigen ERP-Leistungen für die Saar in gleicher Weise auf das Bundesgebiet übertrüge.Einige Fragen stellen sich allgemein zu der Problematik der nunmehr vorliegenden Eingliederungsgesetze. Ich folge der Feststellung, die der Kollege Dr. Schneider hier getroffen hat, und möchte sie meinerseits unterstreichen. Die wirtschaftliche Eingliederung der Saar wird nicht nur für die Absatzentwicklung, nicht nur für das Volkseinkommen an der Saar, für das Einkommen der Bevölkerung, sondern auch für das Gesamtniveau der sozialen Leistungen an der Saar entscheidend davon abhängen, ob es gelingt — und wir hoffen, daß es gelingt —, die Saarwirtschaft auch unter veränderten Absatzverhältnissen, auch bei der Zugehörigkeit zum deutschen Währungs- und Zollgebiet konkurrenzfähig zu erhalten. Wenn das nicht gelingt, brauchen wir über andere Dinge, wie öffentliche Leistungen, über den Finanzaufwand für soziale Leistungen, nicht mehr zu diskutieren, denn dann wäre die Schlacht um die wirtschaftliche Eingliederung der Saar verloren. Daher ist das nicht sosehr ein Prinzipienstreit — diesen Eindruck könnte man hier nach den Reden meiner Herren Vorredner vielleicht haben — als vielmehr eine Frage der Rangordnung.Womit wird die Wettbewerbsfähigkeit der Saarwirtschaft als die eigentliche Grundlage für die Aufrechterhaltung des Volkseinkommens, der Einkommen der Erwerbstätigen, der sozialen Leistungen gesichert? Diese Frage ist nach der Auffassung meiner politischen Freunde primär. Daher ist das Schwergewicht der Hilfsmaßnahmen, sei es auf dem Gebiete der Kredit-, sei es auf dem Gebiete der Steuerpolitik usw., bewußt in die Richtung gelenkt worden, den Produktionsapparat zu verbessern, ihn leistungsfähig zu erhalten, ihm die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur zu sichern, sondern sie weiter zu entwickeln, damit die wirtschaftliche Basis der sozialen Leistungen nicht beeinträchtigt wird.So ist beispielsweise — von diesem Gesetz hat leider mein Herr Vorredner noch gar nicht gesprochen — die Regelung im D-Markbilanzgesetz für die langfristige Sicherung an der Saar viel wichtiger; denn hier wird die Möglichkeit gegeben, durch Neubewertung in einem bestimmten Rahmen die Ausgangsbasis dafür zu schaffen, nicht nur die durch die Franken-Inflation überholten Wertansätze der Bilanzen endlich zu bereinigen, sondern bei den Betrieben auch wieder echten Abschreibungsspielraum zu schaffen, aus dem heraus dann auch Investitionen finanziert werden können.Ich bin der Meinung, daß man nicht nur das Absatzproblem mit irgendwelchen steuerlichen Vergünstigungen — bei der Umsatzsteuer ist die Frage ja angeschnitten -- sehen sollte, sondern daß man umgekehrt auch sehen sollte, daß die Saarwirtschaft selbst mit ihrem Produktionsapparat einer der wichtigsten, vielleicht sogar der wichtigste Auftraggeber für die Saarwirtschaft sein sollte. Die Stabilisierung der Verhältnisse an der Saar wird wesentlich davon abhängen, daß es der Saarwirtschaft selbst gelingt, durch die jetzt einsetzende Investitionswelle ihre Rolle als zentraler Auftraggeber auch innerhalb des Saarlandes richtig wahrzunehmen.Das gilt auch für die öffentlichen Investitionen. Die Damen und Herren, die sich an den Beratungen im Wirtschaftsausschuß beteiligt haben, werden meine Auffassung kennen; ich halte es aber doch für notwendig, sie hier noch einmal zu erwähnen. Ich habe seit zwei Jahren dafür plädiert, mit den öffentlichen Investitionen auch aus Bundesmitteln kurzzutreten und sie nicht jetzt noch zusätzlich zu dem allgemein guten Beschäftigungsstand an der Saar einzusetzen, sondern ihren Einsatz zu verschieben, soweit das haushaltsrechtlich und -wirtschaftlich möglich ist, um mit einem ganz bestimmten Auftrags- und Finanzierungspolster etwaige Verschiebungen im Beschäftigungsstand nach dem Tage X sofort ausgleichen zu können. Diese Linie ist, soweit ich sehe, soweit sich die rechtlichen und haushaltswirtschaftlichen Möglichkeiten dafür ergeben haben, auch verfolgt worden.Nun zu der Frage, in welcher Richtung die Steuerhilfe an der einen oder anderen Stelle angesetzt werden soll. Herr Kollege Dr. Schneider hat von dem Modell Berlin gesprochen. Meine Damen und Herren, ich bin etwas im Zweifel, ob wir wirklich über die Berliner Situation so unterrichtet sind, daß wir für die Saar das Modell Berlin unter allen Umständen übernehmen können. Ich glaube, daß zahlreiche Berliner, wenn sie heute Gelegenheit hätten, die Saar zu bereisen und die Verhältnisse, Einkommen, Lebensstandard usw. mit ihren eigenen Berliner Verhältnissen zu vergleichen, nicht der Meinung wären, daß hier vergleichbare Verhältnisse bestehen und unter den gleichen Maßstab gestellt werden könnten.Ich habe auch noch einige Bemerkungen zu dem Thema „Saar als Modellfall für die Wiedervereinigung" zu machen. Ich warne etwas davor. Es ist natürlich, politisch gesehen, völlig richtig, daß die Eingliederung der Saar der erste Akt dieser Wiedervereinigung ist. Wir sollten uns aber davor hüten, die wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen
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Dr. HellwigMomente dieses Vorgangs an der Saar gewissermaßen als Modellfall anzusehen.Es ist von dem Studienfeld für das größere Problem der deutschen Wiedervereinigung gesprochen worden. Ich glaube, wir tun dem großen Problem keinen guten Dienst; denn entweder überdimensionieren wir die Probleme an der Saar, wenn wir sie auf diesen Rang erheben, oder wir unterdimensionieren — vielleicht sogar: —, wir bagatellisieren die wirklichen Probleme der großen Wiedervereinigung.
Davor muß gewarnt werden. Was wirtschaftlich und sozial die Entwicklung an der Saar bedeutet hat, ist einfach nicht mit dem vergleichbar, was in der Zone geschehen ist.Es sollte uns sehr stutzig machen, daß eine Formel, die aus der Saardiskussion entwickelt wurde, nämlich die vom „sozialen Besitzstand", längst in den dialektischen Sprachgebrauch der SED und ihrer Funktionäre übergegangen ist. In parteiinternen Erklärungen des Herrn Matern und anderer wird dort davon gesprochen, daß „sozialer Besitzstand" nicht Kindergärten und andere soziale Einrichtungen seien, sondern daß zum Wesentlichen des sozialen Besitzstandes in der Sicht der SED die Aufrechterhaltung der SED-Herrschaft und, wie es hieß, die Freundschaft mit Moskau sei.
— Ich bitte Sie, Herr Professor Schellenberg, sich einmal anzusehen, wie eine solche, zunächst gutgemeinte Formel einen politischen Inhalt ganz anderer Art erhält, wenn sie von dem politischen Gegner der deutschen Wiedervereinigung, von dem Kommunismus und seinen Helfershelfern, mißbraucht wird. Deshalb warne ich davor, diese Analogie hier zu weit zu treiben.Die Frage nach dem sozialen Besitzstand wird uns auf Grund der Änderungsanträge, die gestellt worden sind, noch im einzelnen sehr beschäftigen. Ich möchte hier nur nochmals einen Grundsatz herausstellen. Das ist der Grundsatz, dem auch die Regierungsvorlagen folgten, als davon gesprochen wurde, daß, im ganzen gesehen, der wirtschaftliche Wert der Einkommen, d. h. die reale Kaufkraft der Nettoeinkommen, erhalten werden soll. Wenn dieser Grundsatz Bestand hat, dann sollte man nicht mehr sagen, hier seien Versprechungen nicht gehalten worden.Wir meinen mit der Formel „sozialer Besitzstand" nicht den Besitzstand einzelner Ressorts — das wollen wir einmal ganz deutlich sagen —, sondern wir meinen die Gesamtheit der Beträge, die als Einkommen, und zwar in ihrer realen Kaufkraft netto gesehen, dem einzelnen zugute kommen und weiterhin zufließen werden. Dann ist es völlig sekundär, wie sich diese Einkommen im einzelnen vor dem Tage X und nach dem Tage X zusammengesetzt haben. Man kann doch nicht sagen, daß die Familiengeldregelung oder die Übernahme der deutschen Kindergeldregelung an der Saar einen ganz gewaltigen Rückschlag darstellen würde, wenn man verschweigt, daß aber auch die viel familienfreundlichere deutsche Besteuerung, nämlich die Staffelung im deutschen Einkommensteuertarif, an der Saar mit übernommen wird.
Man darf auch nicht verschweigen, daß die Optik der Kindergeldsätze an der Saar weitgehend durch die sogenannte weitere Lohnzulage korrigiert worden ist, die ja gerade ein negativer Familienausgleich war und die in den sich tatsächlich daraus ergebenden Einkommen die Abstände gegenüber der Kindergeldregelung wieder erheblich korrigiert hat.Wir haben uns bei den Ausschußberatungen bemüht — jedenfalls, soweit ich Einblick in sie hatte —, auch das nötige Material zu erhalten, um wirklich stichhaltige Einkommensvergleiche durchzuführen, und zwar Vergleiche zwischen dem realen Nettoeinkommen im Bundesgebiet in vergleichbaren Tarifgebieten — Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz usw. — und an der Saar.Das Material, das im Wege der Zusammenarbeit der Statistischen Ämter erstellt und uns durch das Bundesarbeitsministerium vorgelegt worden ist, hat im großen und ganzen bestätigt, was wir früher schon immer gesagt haben: daß sich die Saarbevölkerung einkommensmäßig zur Zeit nicht wesentlich besser, in zahlreichen vergleichbaren Bereichen sogar schlechter steht, als sie sich nach den Tarifverträgen in der Bundesrepublik stehen würde.Wir sind uns darüber .klar, daß diese Aussagen vielleicht noch nicht vollständig genug sind, daß Lücken vorhanden sind, daß auf dem einen oder dem anderen Tarifbereich auch kein Vergleich möglich ist. In solchen Fällen muß mit Einzelmaßnahmen sowie mit der einen oder anderen besonderen Übergangshilfe gearbeitet werden. Hier können wir jedoch nicht eine Pauschalregelung an den Anfang des Ganzen setzen, sondern das kann sich erst ergeben, wenn die neuen Tarifverträge zustande gekommen sind und wir wirklich sehen, wie sich die Einkommen vorher und nachher, ungeachtet ihrer. verschiedenen Komponenten, zueinander verhalten.Daß die Tarifverträge noch nicht abgeschlossen sind, ist kein Argument dagegen. Überall dort, wo über Tarifverträge verhandelt wird — und es wird ja laufend verhandelt —, wartet man ab, weil man ja wissen muß, wie die von diesem Hause zu verabschiedenden Gesetze aussehen werden. Denn diese sind die Grundlage, auf der die Tarifverträge abzuschließen sind. Man muß bei Abschluß der Tarifverträge in etwa wissen, wie sich bisherige gesetzlich festgelegte Lohnbestandteile verändern. Solange das nicht in diesem Hause Gesetz geworden ist, wird keiner der Tarifpartner die Unterschrift unter den Tarifvertrag setzen. Auch aus diesem Grunde ist es notwendig, endlich klare Bahn zu schaffen. Nur so können die Tarifpartner wirklich zum Abschluß kommen.
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Dr. HellwigZu Einzelheiten möchte ich im Augenblick noch nicht Stellung nehmen. Das wird geschehen, wenn die einzelnen Anträge bei der Beratung der Vorlagen begründet werden. Aber ich möchte doch eine Schlußbemerkung machen hinsichtlich, nun, sagen wir einmal, der Gefahr des politischen Mißbrauchs dieser Diskussion um bestimmte finanzielle Leistungen, um Einkommensverbesserungen über das Einkommensteuerrecht oder um die Aufrechterhaltung oder die Höherrechnung bestimmter Leistungen aus öffentlichen Mitteln. Kollege Dr. Schneider hat völlig zu Recht gesagt, daß die Aufrechterhaltung zusätzlicher sozialer Leistungen auch zusätzliche Mittel erfordert und daß die Saarwirtschaft das nicht finanzieren kann. Man kann nicht auf der einen Seite die Absatzfähigkeit, die Konkurrenzfähigkeit der Saarwirtschaft mit steuerlichen Maßnahmen verbessern — ausgehend von der Tatsache, daß sie wahrscheinlich einen sehr schweren Konkurrenzstand haben wird — und auf der anderen Seite ihre Konkurrenzfähigkeit zusätzlich dadurch belasten, daß man ihr durch bestimmte Beiträge sozialer oder sonstiger Art höhere Arbeitskosten auferlegt. Wenn man das tut, führt das zu der Konsequenz — die Herr Dr. Schneider zu ziehen hätte; und er hat sie ja auch im Ausschuß und hier nochmals gezogen —, daß diese zusätzlichen sozialen Leistungen, wenn sie im gesamten Schnitt gesehen wirklich zusätzlich sein sollen, praktisch aus Bundesmitteln finanziert werden müssen.Kollege Dr. Mommer, da hat natürlich der Föderalismus, den Sie auf diesem Gebiete gepredigt haben, eine Grenze. Das ist Scheinföderalismus, wenn von der allgemeinen Regelung abweichende zusätzliche soziale Sonderregelungen für ein Landgefordert werden, umgekehrt aber gesagt wird: Diese Sonderregelungen müssen vom Bund refinanziert werden. Diese beiden Dinge sind nicht miteinander zu vereinigen. Insofern besteht ein Widerspruch zwischen ,den Ausführungen Dr. Schneiders einerseits und Dr. Mommersandererseits.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage 'des Abgeordneten Dr. Schneider?
Bitte!
Gestatten Sie in diesem Zusammenhang folgende Frage: Sind Sie der Auffassung, daß die Rückkehr der Saar und ihre sukzessive Eingliederung ins Bundesgebiet eine föderalistische Angelegenheit sind?
Verzeihen Sie, Herr Kollege Dr. Schneider, 'das war nicht meine These, sondern Herr Kollege Dr. Mommer hat gesagt, man sollte doch nicht so zentralistisch auf diesem Gebiete sein, daß man einem Lande wie der Saar nicht auch einmal eine föderalistische Sozialverfassung mit bestimmten Sonderleistungen gestatte. Er hat sogar gesagt, die CDU nenne sich sonst immer eine föderalistische Partei; aber hier, wo sie Föderalismus der Praxis zu beweisen hätte, sei sie für die zentraleRegelung, das heißt praktisch für die Gleichmacherei. Meine Damen und Herren, jede soziale Sonderregelung in einem deutschen Lande wäre 'durchaus zu bejahen, wenn man sie auch aus eigenen Mitteln aufbaut. In 'dem Moment aber, wo man mit irgendwelchen Techniken, mit zusätzlichen Subventionen oder über denhorizontalen Finanzausgleich eine Refinanzierung praktisch doch auf Bundesebene macht, hat natürlich ,das Argument des Föderalismus auf diesem Gebiet seine Grenzen.
Das ist der Grund, weswegen wir der Meinung waren, 'daß hier doch wirklich die Angleichung erfolgen soll.Ich 'darf auch nochmals auf die Gefahr des politischen Mißbrauchs dieser Problematik zurückkommen. Herr Dr. Schneider hat eine Fülle von früheren Erklärungen zitiert; Herr Dr. Mommer hat Erklärungen zitiert. Ich könnte in der gleichen Weise verfahren und könnte Ihnen hier etwa die Kritik vortragen, die noch 1955 an der Belastung des Saarhaushalts mit sozialen Leistungen geübt worden ist, und wo nicht zuletzt einer, der es wirklich wissen mußte, der französische Oberkommissar und spätere Botschafter an der Saar, Grandval, ausdrücklich erklärte, daß er zwar mit Sorgen dieserhöheren Belastung des Saarhaushaltes und der Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit gegenüberstehe, daß er aber zugeben müsse, daß gerade diese Dinge dem gemeinsamen politischen Ziel Frankreichs und seiner Freunde gedient haben.Meine Damen und Herren, man muß sich darüber klar sein, daß in dieser Sonderentwicklung an vielen Stellen zunächst nicht von einem echten sozialen Anliegen ausgegangen worden ist, sondern von der Absicht, eine divergierende Entwicklung gegenüber dem Bundesgebiet, gegenüber der späteren Bundesrepublik einzuleiten, und daß in dieser divergierenden Entwicklung bewußt eine Absicht der Spaltung lag. Bei allem, was nun noch zur Diskussion steht, wird man sehr genau zu prüfen haben, was einem echten sozialen Anliegen entsprang und was einer Tendenz der politischen Separierung Vorschub leisten sollte. Ich bin überzeugt, daß meine Landsleute an der Saar — ich darf auch heute noch von meinen Landsleuten so sprechen —gerade unter dieser Fragestellung mit sehr viel Verständnis und mit sehr großer Ruhe diese Entwicklung sehen werden. Wir haben auch die Zuschriften und die Erklärungen, daß es im Grunde genommen — das ist ja auch von dem Herrn Vorredner gesagt worden — bei der Abstimmung 1955 nicht um diese materiellen Streitfragen ging, sondern daß es eine politische Entscheidung aus ganz anderen Motiven war. Wenn das der Fall ist, dann sollten wir es aber auch nicht nachträglich disqualifizieren,
indem wir so tun, als ob hier nun nachträglich ein Feilschen um die eine oder andere Position da wäre. Ich bin überzeugt — und ich darf das namens meiner politischen Freunde hier nochmals sagen —, daß dem Grundsatz, den Gesamtstand der wirtschaftlichen Kraft der Einkommen zu erhalten und
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4261
Dr. Hellwigauf lange Sicht die wirtschaftliche Lebensfähigkeit, die Arbeitsplätze usw. zu sichern, mit den Vorlagen, wie sie jetzt aus der Regierungs- und aus der Ausschußarbeit hervorgegangen sind, am besten gedient werden wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir diesen Tag, an dem wir in diesem Hause einen Teil der für die wirtschaftliche Eingliederung der Saar wichtigen Gesetze verabschieden, anders vorgestellt. Ich habe einmal geglaubt — damals, als wir vor einigen Jahren drüben im Saarland die Auseinandersetzung um die Zugehörigkeit zu Deutschland führten und sie durchsetzten —, es werde so gehen, wie wohl in jedem anderen Lande eine zurückgekehrte Provinz zu Hause willkommen geheißen würde.
Ich habe, wenn ich den materiellen Inhalt der uns heute vorliegenden Gesetze und die gestellten Anträge untersuche, den Eindruck, daß — wenn man auch in den Ausschüssen Kompromisse gefunden hat — Ihre letzte Argumentation, Herr Dr. Hellwig, man dürfe unsere Entscheidung an der Saar nicht nachträglich durch die Unterhaltung darüber disqualifizieren, ob es einen Pfennig mehr oder einen Pfennig weniger kosten könne, doch wohl auf die) jenigen zurückfällt, die in diesem Hause und auf dieser Regierungsbank mit aller Hartnäckigkeit um jeden einzelnen Pfennig feilschen, nicht nur rechnen.
— Sie haben diese Diskussion hier angeschnitten.
Ich muß sagen, ich bin betrübt über diese Situation.
Ich bin auch nicht erfreut darüber, daß dem Beschluß des Bundestages, die beiden wichtigsten Männer unserer Regierung hierher zu bitten, bisher nicht stattgegeben wurde.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Natürlich ist diesem Beschluß des Hauses unverzüglich gefolgt worden. Aber ich kann niemand herzaubern.
Entschuldigen Sie, Herr Präsident; ich wollte nur sagen, ich hoffe, daß der Beschluß des Bundestages noch erfüllt wird.Ich habe ein besonderes Anliegen, zwar nicht den Herrn Bundeskanzler, aber den Herrn Wirtschaftsminister hier zu sehen, weil ich meine Ausführungen eigentlich mit einem Brief Professor Er har d s beginnen wollte, einem sehr schönen Brief, den er an uns Saarländer geschrieben hat. Wenn Sie, Herr Präsident, gestatten, möchte ich diesen Brief dem Hause vorlesen. Herr Professor Erhard schreibt u. a.:Mein Besuch an der Saar wurde mir selbst zu einem beglückenden Erleben. Denn ich erkannte die Not und die Sorgen des deutschen Saarvolkes nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen.Und am Ende seines Briefes sagt er:Nun machen Sie zuerst einmal die Bundestagswahl.Denn es war ein Brief zur Bundestagswahl am 15. September 1957.
Dann werde ich zu Ihnen ins Saarland kommen — sagt Professor Erhard —und über alle Gruppen und Parteien hinweg mit Ihnen weiter beraten, was an dem glücklichen Tag Ihrer wirtschaftlichen Rückgliederung zur lebendigen Tat werden soll.„An den glücklichen Tag unserer wirtschaftlichen Rückgliederung"! Meine Damen und Herren, ich habe mir tatsächlich diesen Tag als einen glücklichen Tag gedacht. Es wird auch, möchte ich betonen, ein glücklicher Tag sein, soweit es sich um die moralische und sittliche Entscheidung unserer Bevölkerung handelt. Die anderen Dinge allerdings, die heute hier zur Diskussion stehen, sind durchaus nicht dazu angetan, der Bevölkerung der Saar ein Gefühl freudiger Erwartung auf diesen Tag zu geben. Im Gegenteil, an der Saar herrscht heute, wenige Tage vor dem Zeitpunkt der wirtschaftlichen Eingliederung, ein Bedrücktsein, eine Bangnis vor den Dingen, von denen die Menschen nicht wissen, wie sie geregelt sind, weil die Menschen nicht wissen, wie die Zukunft aussehen wird.
Von glücklichen Dingen ist gar keine Rede. — Herr Dr. Fritz, ich muß Ihnen sagen, niemand hat ihnen das eingeredet. Wenn die Saarbevölkerung in persona hier sein könnte, dann würden sie tausendfältig über die ungelösten Probleme reden und Ihnen klarmachen, daß in diesem Hause noch einiges getan werden muß.
Der Arbeiter — ich komme auf ein Argument zurück, das Sie, Herr Dr. Hellwig, vorgetragen haben —, vielleicht ein gering bezahlter angelernter Arbeiter oder ein Arbeiter im einfachen Arbeitsverhältnis, der bisher auf Grund ,anderweitiger Bestimmungen an der Saar erstens einen hohen Grundlohn hatte und zweitens einige gesetzliche Leistungen und dann vielleicht auch noch — um bei diesem Beispiel zu bleiben, das ich konstruiere — das Kindergeld für drei, vier Kinder bekam, würde Ihnen, Herr Dr. Fritz die Frage stellen: „Was geschieht mit mir nach dem Tage X?" Dann könnten Sie ihn nicht damit abspeisen und damit zufriedenstellen, daß Sie sagen: „Sie werden zwar weniger erhalten, Sie bekommen nämlich weniger Kindergeld und weniger Lohn, weil die Basis dier Tarif-
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4262 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Conradvertrage hier weiter unten anfängt. Aber dafür bekommt ein anderer Kollege, der in einem anderen Beruf beschäftigt ist, mehr." Uns geht es darum, das summa summarum dasselbe herauskommt wie das, was vorher gewesen ist.
-- Doch, das weiß man ganz genau. Diesen einzelnen Mann können Sie damit nicht zufriedenstellen. Sie können heute in dieser Stunde nicht sagen, daß es in unserem kleinen Lande im Westen überhaupt Menschengruppen gibt, die diesem Tag ohne Bangnis entgegenschauen.Es handelt sich um drei Probleme, die genannt werden müssen. Zunächst geht es um die Frage, die mit Recht hier in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt wurde: Wird es möglich sein, die an der Saarerzeugten Produkte auch nach dem Tage X zu verkaufen und damit die Arbeitsplätze sowie das heutige Produktionsniveau zu erhalten, oder ist das nicht möglich? Zweifellos wurden in ;den letzten Jahren .auf dem Gebiet der Investitionen eine Menge getan, auch mit Hilfe der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages. Eines aber möchte 'ich hier doch zurückweisen, Herr Dr. Hellwig. Man sollte die Tatsache, daß es nicht gelungen ist, unseren Absatz nach der Bundesrepublik nennenswert zu verstärken, doch nicht damit 'bemänteln, daß man hier erklärt: Die saarländische Wirtschaft hat dafür in Frankreich um so größere Geschäfte gemacht und hat die Gewinne daraus ,dazu benutzen können, ihre Investitionen noch über idas übliche Maß hinaus zu verstärken. Das wird uns am Tage X gar nichts nützen.Hier wurde schon dargelegt, um welche Summen es sich handelt. Es wird darum gehen, eine Milliarde DM saarländischer Produktion auf anderen Märkten unterzubringen, wobei wir an der Saar noch die Hoffnung haben, daß wir den größeren Teil dieser Produktion nach wie vor in Frankreich absetzen können, obwohl dieser Teil nicht zollfrei geliefert werden kann. Denn unsere Wirtschaft und unsere Menschen haben tatsächlich Sorge, wie es, falls es nicht gelingen sollte, unsere Produktion bei uns zu Hause oder in Frankreich abzusetzen, möglich sein soll, für diese eine Milliarde DM Waren bei der jetzigen Konkurrenz im Bundesgebiet Absatz zu finden.Ich persönlich möchte der Bundesregierung und insbesondere dem Wirtschaftsminister wie idem Finanzminister den Vorwurf machen, daß sie demständigen Ansuchen der saarländischen Regierungen, Hilfe zu geben, um den Absatzanteil in der Bundesrepublik zu verstärken, nur dadurch Rechnung getragen haben, daß sie den saarländischen Absatz in der Bundesrepublik mit einer Subvention bedacht haben, die sich letzten Endes nicht ausgezahlt hat. Wir haben immer den Vorschlag gemacht, an Stelle dieser Subvention für den Erzeuger einen Anreiz beim Käufer saarländischer Waren in der Bundesrepublik zu schaffen. Wir hätten dann heute nicht den Zustand, daß, wenn ich die Saarwirtschaft einmal mit einem Tisch vergleichen darf, das saarländische Bein 42 % und das französische 40 % des Absatzes aufnimmt, während das bundesdeutsche mit 8 bis 10 % gewissermaßen ,der Kinderlähmung nahegekommen und nahegeblieben ist. Hier eine stärkere Politik zu machen, das Bein der saarländischen Wirtschaft, das in der Bundesrepublik stehen sollte, zu lernähren und für die richtige Zirkulation zu sorgen, das wäre des Schweißes der Edlen wert gewesen. Das ist versäumt worden.Die Frage des Absatzes, die wir heute zu diskutieren haben, ist deshalb wirklich eine zentrale Frage. Ich bitte auch das Haus und die Bundesregierung, zu erwägen, ob es — abgesehen von Iden Reserven, die den Betrieben in Aussicht gestellt wurden —, nicht möglich ist, der saarländischen Industrie, wenn der Tatbestand des Nicht-Absetzen-Könnens saarländischer Waren auftritt, durch ein Produktionsunterstützungsprogramm zu Hilfe zu kommen, das man vorher erarbeitet haben muß. Dieser Gedanke muß hier diskutiert werden.Das andere große Problem ist das der Umstellung der Arbeitsbedingungen. Wenn auch auf dem Gebiet der Wirtschaft — mit Ausnahme der Frage, die ich zuletzt behandelt habe —eine ganze Menge Vorkehrungen getroffen worden sind und unsere Betriebe mit einigermaßen großem Selbstbewußtsein an diese schwere Aufgabe herangehen können, so ist die Bundesregierung hinsichtlich der Umstellung der Arbeitsbedingungen und der sozialen Verhältnisse einen Weg gegangen, den man nicht scharf genug kritisieren kann.Hier soll nämlich — und da muß ich auch auf Ihre Ausführungen zurückkommen, Herr Dr. Hellwig — die absolute Gleichschaltung am Anfang stehen. Es schreckt mich gar nicht, wenn Sie sagen, daß die SED in der sowjetisch besetzten Zone unsere Forderung nach Erhaltung ,des Besitzstandes in ihrem Jargon für ihre anders verstandenen Ziele ausnutzt. Der Deutsche Bundestag hat hier eine einstimmige Erklärung abgegeben. Die Vorlagen der Bundesregierung gehen aber darauf hinaus, diese Erklärung nicht einzuhalten. Vielmehr ergeht man sich wieder in Spekulationen. Man sagt: Erst einmal werden alle Arbeitsbedingungen, die die Saarländer heute haben — in Gesetzen und in Abkommen, sogar in Tarifvertragsbestimmungen sollen sie nach einem Antrag Ihrer Fraktion beseitigt werden —, weggewischt; wir steilen den saarländischen Arbeitnehmer zunächst einmal in den luftleeren Raum, dann wird er schon mit den Arbeitgebern zu einem Übereinkommen, zu neuen Tarifverträgen kommen, und er wird in wenigen Tagen vor dem Tage X das fertigbringen, was die Gewerkschaften und die Arbeitgeber in der Bundesrepublik seit zehn Jahren nicht fertiggebracht haben, nämlich in den Tarifverträgen alle die Dinge zu regeln, die zu den Arbeitsbedingungen gehören. Uns wird aufgezwungen, das in wenigen Tagen hinter uns zu bringen.Wenn man die wirtschaftliche Eingliederung der Saar, die auch eine soziale sein sollte, von dieser Seite her betrachtet, dann muß man zugeben, daß der Arbeitnehmer an der Saar im Gegensatz zu unserer Wirtschaft sehr benachteiligt worden ist. Man hat ihn in schlechte Startlöcher gesetzt. Man will ihn wahrscheinlich unter dem Druck der Verhältnisse,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4263
Conradwenigstens etwas nach Hause zu bringen, zwingen, Tarifverträge abzuschließen, gleichgültig wie sie aussehen. Zweifellos werden das große Teile unserer Arbeitgeber an der Saar schon gar nicht tun, weil sie wissen, was sie an unseren Menschen in den Betrieben haben, und sie sich auf ihre Leistungsfähigkeit auch künftig berufen wollen. Aber das Verfahren, das hier geübt werden soll, schützt den Arbeitnehmer nicht vor solchen willkürlichen Verhandlungen und dem Hinausschieben von Verhandlungen.Deshalb sollte den in dieser Hinsicht gestellten Anträgen gefolgt werden. Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, daß auch unsere Arbeitnehmer an der Saar mit ruhigem Gewissen dem Tage X ent-gegenschauen können. Sie in der Bundesrepublik haben sich, als die Bundesrepublik gebildet wurde, auch nicht einfallen lassen, alle die gesetzlichen Bestimmungen der damaligen Reichstarifordnungen außer Kraft zu setzen und die Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufzufordern, nun neu zu verhandeln, sondern Sie haben für die Bundesrepublik die Regelung getroffen, daß die gesetzlichen Bestimmungen nur dann außer Kraft treten, wenn sie durch Tarifverträge abgelöst werden. Mehr wollten wir an der Saar auch nicht. Wir wollten auch nur die Normen, die Arbeitsbedingungen, die Mäntel so lange beibehalten, bis neue Tarifverträge abgeschlossen werden konnten. Nun ist die saarländische Arbeitnehmerschaft unter Druck geraten, und das hat diese Regierung mit ihren Vorlagen zu verantworten.Herr Dr. Hellwig, ich möchte Ihnen ein Wort sagen. Sie haben vorhin mit den zweifellos großen Leistungen, die in den drei Jahren für die Saar erbracht wurden, auch die Mittel genannt, die aus dem ERP-Sondervermögen gekommen sind. Ist Ihnen bewußt, Herr Dr. Hellwig, daß dieses ERP-Sondervermögen der Bundesrepublik zu bestimmten Zwecken gegeben worden ist? Ist Ihnen klar, Herr Dr. Hellwig, daß die Saar, wenn sie nicht .abgetrennt gewesen wäre, gleichermaßen wie die übrigen deutschen Gebiete in den Genuß der Gelder gekommen wäre? Wissen Sie, Herr Dr. Hellwig, daß die Teile der amerikanischen Gelder, die nach Frankreich gegeben wurden, nicht in dem Umfang in die Saar hineingeflossen sind, wie es der Produktionskraft der Saar entsprochen hätte? Was Sie hier als besonderes Verdienst aufgezählt haben, ist doch nur eine Selbstverständlichkeit, nämlich ein Teilhaben an dem, was nicht nur der Bundesrepublik im jetzigen Stadium, sondern wohl allen Deutschen für die Entwicklung ihrer Wirtschaft gegeben worden ist. Es handelt sich also um keine besondere Leistung, sondern um Selbstverständlichkeiten.
— Zugegeben: eine Hilfe. Aber ebenso wie Sie den Spätestheimkehrern eine Hilfe geben und sie ihm dann nicht als eine besondere Leistung anrechnen, so möchte ich nicht ein allzu großes Kreuz hinter die ERP-Gelder machen in Anbetracht der Tatsache, daß wir sie in der Vergangenheit vermissen mußten.
— Wir haben uns geholfen. Ich komme da zu einem anderen Thema, Herr Dr. Fritz.Herr Dr. Hellwig hat vorhin gesagt: Sie haben in der Zwischenzeit ja bestimmte soziale Leistungen der Bundesrepublik vorweggenommen, die man deshalb nicht anrechnen dürfe, wenn man das Ganze betrachten wolle. Sie sagen richtig, Herr Dr. Fritz, wir sind nicht verhungert. Über den Ausspruch selbst will ich mich mit Ihnen gar nicht streiten, da wäre wohl einiges zu sagen. Sie würden ihn wahrscheinlich nicht mehr tun, wenn Sie ihn noch einmal zu tun hätten. Wir haben uns tatsächlich geholfen, wir haben gelebt an der Saar und soziale Einrichtungen geschaffen, die Sie nicht haben. Herr Dr. Hellwig, wäre es uns nicht gelungen, den Eingliederungstag der Saar durch unsere Volksabstimmung zu bestimmen, glauben Sie denn, wir wären auf dem Stand von 1955 sitzengeblieben? Glauben Sie, wir hätten geschlafen? Wir hätten den sozialen Stand genauso weiterentwickelt wie in der Vergangenheit. Wer an der Saar lebt und den Saarländer kennt — und Sie kennen ihn ja, Sie sind ein Landsmann von uns —, der weiß, daß dort ein Menschenstamm lebt, ein Bevölkerungsteil des deutschen Volkes, der sich nicht auf seinen Sessel setzt, sondern sich rührt und wühlt von morgens bis abends, der es zu etwas bringen will und auf seinen Leistungen aufbaut.Wenn wir nicht auf die spätere Harmonisierung mit den sozialen Leistungen der Bundesrepublik Rücksicht genommen hätten, wären wir in manchen Fällen andere Wege gegangen als in den Jahren von 1956 bis heute. Wir haben Rücksicht genommen, um nicht allzu weit wegzukommen von dem, was wir in der Bundesrepublik haben, und haben die Leistungen in der Bundesrepublik als Beispiel herausgegriffen, obwohl wir durchaus in der Lage gewesen wären, Eigenes an der Saar zu schaffen auf Grund der Leistungen, die wir und die Bevölkerung dort vollbracht haben. Das noch einmal zur allgemeinen Diskussion gesagt!Da in der Zwischenzeit der Herr Bundeswirtschaftsminister eingetroffen ist,
möchte ich ihn an den Brief erinnern, den er vor der Bundestagswahl den Saarländern geschrieben hat. Sie sagen in diesem Brief, Herr Bundeswirtschaftsminister, man werde die Saar nicht nur mit dem Verstand anschauen, sondern man müsse sie auch mit dem Herzen betrachten. Man müsse die Probleme erfühlen, und Sie würden durch Ihre Tätigkeit dafür sorgen, daß die Saarländer am Tage der wirtschaftlichen Eingliederung ein glückliches Gefühl haben. Herr Bundeswirtschaftsminister, Herr Bundeskanzler, heute abend, an diesem Tage, wird sich herausstellen, ob dieses Haus unsere Probleme auch mit dem Herzen betrachtet hat oder nur mit dem kalten, nüchternen Rechenstift. Sollte sich herausstellen, daß nur gerechnet worden ist, dann werden Sie von dem glücklichen Gefühl, das unsere Bevölkerung eigentlich beseelen könnte und sollte, auf unserer Seite wenig merken.
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4264 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die allgemeine Aussprache ist hiermit geschlossen.
Wir kommen jetzt zur Beratung der einzelnen in Ziffer 1 der Tagesordnung aufgeführten Gesetzesvorlagen. Zunächst die Ziffer 1 a)
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Bundesrecht im Saarland.
Berichterstatter des Rechtsausschusses ist der Herr Abgeordnete Schlee. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das scheint nicht der Fall zu sein.
Dann treten wir in die Einzelberatung ein. Ich bitte, die Drucksache 1184 zur Hand zu nehmen. Dazu liegt vor ein Änderungsantrag auf Umdruck 357, ferner ein Entschließungsantrag auf Umdruck 356, der aber erst in der dritten Lesung verabschiedet werden wird. Ich bitte zu gestatten, daß die Paragraphen, zu denen Abänderungsanträge nicht vorliegen, insgesamt aufgerufen werden. Darf ich das Einverständnis des Hauses annehmen? — Das ist der Fall.
Ich rufe auf die §§ 1 bis einschließlich 34. Wird hierzu das Wort gewünscht? —
Bitte, Herr Abgeordneter Schneider!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vertreter des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat vorhin schon eine Forderung erfüllt, die zu § 2 Abschnitt II des Gesetzes gestellt war. Der Ausschuß und die saarländischen Mitglieder des Ausschusses haben darauf verzichtet, die Gesetze über die Marktordnung, und zwar das Gesetz über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln, das Gesetz über den Verkehr mit Zucker, das Gesetz über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten, schließlich das Gesetz über den Verkehr mit Vieh und Fleisch, auf die Negativliste zu setzen, unter der Voraussetzung, daß die aus Frankreich nach dem Saarvertrag eingeführten und von den Einfuhr- und Vorratsstellen bewirtschafteten Waren so verteilt werden, daß weder die saarländische Landwirtschaft noch die zu erfüllende Abnahmepflicht tangiert werden. Der Herr Vertreter des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat vorhin die Erklärung abgegeben, daß die Bundesregierung diese Gesichtspunkte berücksichtigen wird. Damit ist ein Anliegen des Saarlandes erfüllt.
Im weiteren war ein saarländisches Anliegen die Frage, ob durch die Herausnahme des Bundesversorgungsrechts — § 2 Abschnitt IV Ziffern 5 und 6 — nicht über die Ermächtigung des § 35 die Bundesregierung in die Lage versetzt wird, ohne Rücksicht auf die Anpassung das Gesetz in wenigen Wochen oder Monaten einzuführen.
Nun liegt ein Änderungsantrag der SPD vor — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Den § 35 habe ich noch nicht aufgerufen!
Ich habe das nur im Zusammenhang erwähnt. Es wird gesprochen zu § 2 Abschnitt IV Ziffern 5 und 6, Herr Präsident.
,Im Ausschuß war abgesprochen, daß hierzu ebenfalls eine Erklärung abgegeben werden solle. Diese Erklärung ist bisher von dem Herrn Arbeitsminister nicht abgegeben worden. Man wird sich also überlegen müssen, ob man dann nicht dem Änderungsantrag zustimmt, um eine gesetzliche Verankerung zu finden.
Schließlich ist zu § 21a eine Erklärung erbeten worden, daß die dort vorgesehenen Außenhandelsstellen, die im Saarland die Kontingente verteilen sollen, im Rahmen des Saarvertrages auch im Saarland erhalten bleiben und nicht aus dem Saarland verlegt werden, und zwar so lange erhalten bleiben, wie der Saarvertrag funktioniert. Auch diese Erklärung der Bundesregierung steht noch aus. Ich würde mich freuen, wenn sie abgegeben würde, damit diese Fragen geregelt sind und später keine Zweifel auftauchen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird zu den aufgerufenen §§ 1 bis 34 das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Sind Sie damit einverstanden, daß die gemeinsam beratenen Paragraphen auch gemeinsam zur Abstimmung gestellt werden? — Das ist der Fall. Dann stelle ich die §§ 1 bis einschließlich 34 in der Ausschußfassung zur Abstimmung. Wer diesen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer großen Zahl von Enthaltungen angenommen.
Ich rufe den § 35 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 357 vor. Wird der Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege Conrad!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion schlägt Ihnen vor, in § 35 hinter Abs. 2 folgenden neuen Abs. 3 anzufügen:
Absatz 1 gilt nicht für § 2 IV A Nr. 5. Wir möchten dazu folgendes sagen:
Es handelt sich um den Streit zwischen dem Saarland — ich kann wohl sagen, dem ganzen Saarland — und der Bundesregierung über unsere jetzige Versorgung der Opfer des Krieges. Sie wissen, daß wir an der Saar besonders bei den Grundrenten höhere Leistungen haben, und wir möchten nach den Zusagen des Bundestages, daß diese höheren Leistungen aufrechterhalten bleiben. Unser Antrag soll bewirken, daß — weil ein entsprechendes Gesetz hier nicht vorliegt und die Bundesregierung einem saarländischen Gesetz, das im Landtag in dritter Lesung verabschiedet wurde, ihre Zustimmung noch nicht gegeben hat — in der
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4265
ConradZwischenzeit bis zur Novellierung des Bundesversorgungsgesetzes nicht durch Rechtsverordnung das schlechtere Recht bei uns an der Saar eingeführt wird. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.In diesem Zusammenhang, Herr Präsident, erlaube ich mir, noch einige Sätze zu diesem Gesetz überhaupt und zu der Tatsache zu sagen, daß die SPD-Bundestagsfraktion diesem Gesetz nicht zustimmen kann, sondern sich der Stimme enthält. Auf der Negativliste befinden sich auch die Regelungen, die der Bund für die Mieten getroffen hat. Sie wissen, daß der saarländische Landtag eine eigene Regelung traf, indem er die Mieten mit einem Koeffizienten, früher eine Reichsmark, heute auf 165 Francs setzte, so daß bei der Umstellung mit dem offiziellen Währungskurs — wenn wir annehmen, er betrage 117,5 — an der Saar für Altbauten Mieten herauskommen, die bei 1,40 pro Quadratmeter liegen, während die Mieten in der Bundesrepublik zwischen 1,10 und 1,30 DM variieren. Die Bundesregierung hat diesem Beschluß des saarländischen Landtags Rechnung getragen, indem sie ihr Mietengesetz erst abgeändert, dann überhaupt einverstanden war, es nicht zu verabschieden. Ich möchte dazu sagen, daß es schön wäre, wenn die Bundesregierung auf Beschlüsse des Landtages in Saarbrücken immer solche Rücksicht nehmen würde. Dann könnte sie auch dem Beschluß über die Kriegsopferversorgung und die Familienzulagen in solch einer Rücksichtnahme ihre Zustimmung geben.Ich möchte für meine Fraktion sagen, daß wir erwarten, daß der saarländische Landtag seine in einer Entschließung festgelegte Willensbekundung in die Tat umsetzt und das Gesetz noch einmal überprüft. Falls das nicht geschehen sollte, wird sich meine Fraktion die Möglichkeit vorbehalten, selbst hier ein Initiativgesetz einzubringen.Nun noch einen letzten Satz bezüglich der Prinzipien dieses Gesetzes. Ich möchte gern den Kollegen in diesem Hause kennenlernen, der über die Auswirkungen dieses Gesetzes und über alle einzelnen Bestimmungen Bescheid weiß. In der letzten Sitzung des zuständigen Ausschusses war es jedenfalls so, daß 42 Experten der Regierung anwesend waren und die anwesenden Abgeordneten einfach die Waffen strecken mußten, auch bei der Mitteilung, daß selbst diese 42 Experten nicht in der Lage waren festzustellen, welches Recht heute in der Bundesrepublik gilt, welches Bundesrecht, welches frühere Reichsrecht, welche dazugehörigen Verordnungen. Ich frage Sie: Welcher Richter an der Saar, der mit diesen Dingen bisher nichts zu tun hatte und nun zusätzlich dieses Gesetz aufgebürdet bekommt, und welcher Verwaltungsbeamte und Angestellte in Saarbrücken soll das hier praktizieren?Wir bedauern es sehr, daß man den anderen Weg, den auch die Saarregierung dauernd verfolgt hat, nicht gegangen ist, nämlich in einer Auswahl in Positivlisten die Gesetze zu bezeichnen, die an der Saar eingeführt werden sollen, um sie dann Stück für Stück im Saarland in Kraft treten zu lassen.Ich bitte also noch einmal, dem Änderungsantrag n Umdruck 357 Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Bundesminister Blank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was den von Herrn Abgeordneten Conrad begründeten Antrag — Umdruck 357 — betrifft und was weiter die Frage betrifft, die der Herr Abgeordnete Schneider von der FDP gestellt hat, was die Bundesregierung hier beabsichtige, so glaube ich, daß die beste Antwort die ist, daß es in Art. III § 3 des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Kriegsopferversorgung heißt: „Die Einführung des Bundesversorgungsgesetzes im Saarland erfolgt durch besonderes Gesetz." Sie haben damit die eindeutige Willenserklärung der Bundesregierung, auf welche Weise sie das Bundesversorgungsrecht im Saargebiet einführen will.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Rasch hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort des Herrn Bundesarbeitsministers kann in keiner Weise befriedigen. Ich bin der Meinung, die Frage, welche Versorgung die saarländischen Kriegsopfer haben sollen, hat dieses Haus hier zu entscheiden. Das kann nicht durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geschehen.
Wir haben es heute schon des öfteren gehört: Versprechen helfen hier nicht weiter. Wir kommen mit Versprechungen nicht vorwärts. Es wird auch Ihnen in den letzten Tagen so gegangen sein wie mir, daß Sie eine Fülle von Zuschriften von Schwerbeschädigten und Witwen aus dem Saarland bekommen haben, die in großer Sorge um ihre Existenz sind. Es ist eine besondere Situation, und wir müssen wissen: Die Versorgung für die Kriegsopfer an der Saar ist bedeutend günstiger als hier in der Bundesrepublik. Die großen Auseinandersetzungen, die um eine Neuordnung der Kriegsopferversorgung in der Bundesrepublik geführt werden, sind uns allen ebenfalls bekannt. Es ist auch schon gesagt worden, welche Versprechungen man insbesondere den Kriegsopfern an der Saar gemacht hat.Ich weiß aus der eigenen Erfahrung und will es hier einmal sagen, daß gerade die Kriegsopfer an der Saar am aktivsten darum gekämpft haben, das Saarland wieder nach Deutschland zurückzubringen. Das ist doch wohl eine Tatsache, die man hier nicht leugnen und aus der Welt zu schaffen versuchen sollte.
Wenn Sie unserem Änderungsantrag nicht zustimmen, ist folgendes zu erwarten. Wir kennen zur Zeit an der Saar vierzehn Personengruppen von
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4266 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
RaschKriegsopfern, die dort gesetzlich erfaßt sind, die aber in der Bundesrepublik nicht erfaßt werden und die nach bundesdeutschem Recht keine Versorgung erhalten. Es wäre gut gewesen, Herr Minister — das hätte vielleicht den etwas peinlichen Eindruck gemildert —, wenn Sie uns gesagt hätten, wann denn nun dieses Gesetz für die Saar kommen soll. Ich bin der Meinung, wenn schon ein Gesetz kommen muß, kann es nicht auf Ewigkeit ein eigenes Gesetz für die Saar sein, sondern es muß ein deutsches Bundesgesetz werden, das für alle deutschen Kriegsopfer gilt. Da kann es doch wohl nur so sein, daß Schmälerungen der Leistungen für die Opfer des Krieges an der Saar nicht eintreten. Ich bin mit meinen Freunden der Meinung, daß es besser ist, wenn dieses Haus hier das beschließt, was wir mit unserem Antrag wollen. Dem steht gar nicht im Wege, daß das Bundesarbeitsministerium einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen wird. Ich darf also recht herzlich bitten, im Interesse der saarländischen Kriegsopfer unserem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, hier existiert ein erhebliches Mißverständnis. Ich habe den Herrn Bundesminister für Arbeit so verstanden, daß er erklärt hat: In dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der bundesdeutschen Kriegsopferversorgung ist eine negative Saarklausel vorgesehen, die besagt, daß dieser bundesdeutsche Entwurf, wenn er hier demnächst verabschiedet wird, dann für das Saarland nicht gilt, sondern daß für das Saarland ein besonderes Einführungsgesetz, ein Überleitungsgesetz vom gegenwärtigen Recht an der Saar zum neuen Bundesrecht verabschiedet werden soll. Ich glaube, Herr Minister, so war es. Es ist ganz klar, daß in dieser Formulierung die Zuständigkeit des Bundestages begründet liegt; denn ein solches Einführungsgesetz kann nur vom Bundestag verabschiedet werden.
In der Sache sind wir also völlig einig, die Herren von der SPD, wir von der Saar, auch hier die stärkste Fraktion des Hohen Hauses und der Herr Arbeitsminister.
Ich bin auch der Meinung, angesichts der enormen Beunruhigung, die wir gestern erlebt haben, sollte man diese Einigkeit des ganzen Hauses dadurch dokumentieren, daß wir an die Ermächtigung des § 35, die von dem normalen Gesetzgebungsverfahren völlig abweicht, den Absatz hier anhängen und die Ausnahme festlegen; denn das deckt sich mit dem, was der Herr Arbeitsminister selbst will.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, im Interesse einer Klarstellung und vor allen Dingen auch einer
Beruhigung aller betroffenen Kreise im Saarland diesem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute muß hier eine Entscheidung getroffen werden, und deshalb muß eine Vorschrift im Sinne unseres Antrages in das Gesetz hinein. Wir beantragen dazu namentliche Abstimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort zur Sache noch weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist wohl im Namen der SPD-Fraktion gestellt, also hinreichend unterstützt. Wir stimmen über den Antrag Umdruck 357 in namentlicher Abstimmung ab.
Ich möchte bis zur Feststellung des Abstimmungsergebnisses eine Frage an die Antragsteller richten. Zu diesem Gesetzentwurf liegt auf Umdruck 356 ein Entschließungsantrag vor. Es ist mir mitgeteilt worden, daß zum nächsten Punkt der Tagesordnung — Punkt 1 b — ein dem Sinne und vielleicht auch dem Wortlaut nach gleicher Entschließungsantrag der SPD-Fraktion vorliegt. Ich bitte, zu überlegen, ob dieser Entschließungsantrag nicht auch zu diesem Gesetz schon mit eingebracht werden soll, damit wir, wenn nachher in der dritten Lesung die Entschließungsanträge kommen, die Sache zusammen erledigen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Wir sind mit der Anregung des Herrn Präsidenten einverstanden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt vor. Mit Ja haben gestimmt 180 Mitglieder des Hauses sowie 14 Berliner Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt 215 Mitglieder des Hauses und 5 Berliner Abgeordnete. Enthalten haben sich 2 Mitglieder des Hauses. Demgemäß ist dieser Antrag abgelehnt.JaCDU/CSUBaldaufDr. Bartels Draeger Gottesleben HeyeKrüger MaucherDr. ZimmerSPDFrau Albertz AltmaierDr. Arndt AugeBadingDr. Bärsch Bäumer BalsBauer Baur (Augsburg) BazilleDr. Bechert Behrendt BehrischFrau Bennemann BerkhanBerlinBlachstein Dr. Bleiß
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4267
BörnerDr. BrechtBruseBüttner Conrad CorterierCramer Dewald DiekmannFrau Döhring DröscherFrau Eilers ErlerEschmannFallerFelder Folger Franke Dr. FredeFrehsee FrenzelGeiger GeritzmannHaage HamacherHansing Dr. HarmHauffe Heide HeilandDr. Dr. Heinemann HellenbrockFrau Herklotz HermsdorfHerold Höcker HöhmannHöhne HöraufFrau Dr. Hubert HufnagelIven
Jacobi JacobsJahn JürgensenJunghansFrau KeilhackFrau KettigKeuningKillat Kinat (Spork)Frau Kipp-KauleKönen Koenen (Lippstadt) Frau KorspeterKrausKühn
KurlbaumLange LantermannLudwigLücke LünenstraßMaier
MarxMatzner MeitmannDr. MenzelMerten MetterDr. Meyer Meyer (Wanne-Eickel) Frau Meyer-LauleDr. MommerMüller Müller (Ravensburg) Müller (Worms) MunzingerFrau NadigOllenhauerPaulPetersPöhlerPohlePrennelPriebePützPuschRaschReglingRehsReitzReitzner Frau RengerRitzelRohdeFrau Rudoll RuhnkeDr. SchäferFrau Schanzenbach ScheurenSchmitt SchoettleSchröder Seidel (Fürth)SeitherSeuffertStierleStriebeck TheisWagnerWalpert Wegener WehnerWehrWelkeWelslauWeltner
Frau WesselWienand Wilhelm WischnewskiWittrock ZühlkeBerliner AbgeordneteFrau Berger-HeiseDr. KönigswarterFrau KrappeMattickNeubauer Neumann ScharnowskiDr. SchellenbergSchröter
Schütz
Dr. SeumeFrau Wolff
FDPDr. AchenbachDr. Becker
Dr. Bucher Dr. DahlgrünDr. DehlerFrau Dr. Diemer-Nicolaus Döring
DürrEilers EisenmannFrau Friese-KornKellerDr. Kohut Kreitmeyer Kühn MaukDr. Mende Mischnick MurrDr. RutschkeDr. Schneider SchultzSpitzmüllerStahlDr. StammbergerWalterWeber ZoglmannBerliner AbgeordneteFrau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr, WillNein CDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. AdenauerDr. Aigner Arndgen Baier
Balkenhol Dr. BarzelBauer BauereisenBauschDr. Becker Becker (Pirmasens) BerberichBergerDr. BergmeyerDr. BesoldDr. BirrenbachBlankFrau Dr. BleylerFrau Blohmvon BodelschwinghDr. Böhm BrandFrau BrauksiepeBreseFrau Dr. BrökelschenBrückDr. Bucerius BühlerBurgemeisterCasper ;Cillier.Dr. Conring Dr. Czaja DemmelmeierDiebäckerDiel
Dr. Dittrich Dr. DollingerDr. Dresbach EhrenEichelbaum Dr. ElbrächterFrau EngländerEnkEpléeDr. Dr. h. c. Erhard EtzenbachDr. Even FinckhDr. Franz FranzenDr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)FunkDr. FurlerFrau Dr. Gantenberg GaßmannGedatGehringFrau GeisendörferD. Dr. Gerstenmaier GewandtGibbert GienckeGlüsing
Dr. GörgenDr. Götz GoldhagenGontrum Dr. Gossel GüntherFreiherr zu Guttenberg HackethalHäusslerDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerHeixDr. HellwigHesemannHöcherlDr. Höck
HöflerHollaHoogen HornHuthDr. Huys Dr. JaegerJahn
JostenDr. Kanka KatzerKemmerDr. KempflerKirchhoffFrau KlemmertDr. Kliesing KnoblochDr. Knorr KochDr. Kopf KraftKramelKrammig KrollKrüger
KrugFrau Dr. KuchtnerKunstKuntscher KunzeLang
LeichtLenze LeonhardLermerLeukert Dr. Löhr LulayMaier
Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. MartinMeisMemmel MengelkampMenkeMeyer MuckermannMühlenbergMüserNellenNieberg Niederalt Frau NiggemeyerOetzelFrau Dr. PannhoffPelsterDr. h. c. Pferdmenges
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4268 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Dr. PflaumbaumFrau Pitz-SavelsbergFrau Dr. RehlingDr. ReinhardDr. ReithRiedel
Frau RöschRösing RufRuland ScharnbergScheppmannSchlee SchlickDr. Schmidt Frau Schmitt (Fulda) SchmückerSchüttlerSchütz Schulze-PellengahrSchwarzFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr. SeffrinSeidl
Dr. SerresSiebelDr. SiemerSolkeSpies StauchDr. SteckerStillerDr. StoltenbergDr. Storm
Storm StruveSühler Teriete UnertL VarelmannDr. VogelVogtWacher Dr. WahlFrau Dr. h. c. Weber Dr. Weber (Koblenz)Wehking WeinkammFrau Welter WendelbornDr. Werber Wieninger Dr. Willeke WindelenWinkelheide Dr. Winter WittmannWittmer-Eigenbrodt WormsDr. Wuermeling WullenhauptBerliner AbgeordneteBendaDr. GradlHübnerDr. KroneStinglDPFrau KalinkeLogemannMatthesDr. von Merkatz Dr. PreißProbst Dr. RipkenSchneider Dr. Schneider (Lollar)Dr. SchranzDr. SteinmetzTobabenEnthalten CDU/CSUMickSpies
Wird zu § 35 noch das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann wird die Debatte hierzu geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über den § 35 in der Fassung des Ausschusses. Wer dem § 35 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 35 ist angenommen.Ich rufe nunmehr auf die §§ 36, — 37, — 38, —39, — 40, — 41, — Einleitung und Überschrift. —Ich nehme an, daß das Haus mit der gemeinsamen Beratung und Abstimmung einverstanden ist. — Das ist der Fall. Wird das Wort hierzu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich darf feststellen, daß die Debatte geschlossen ist. Die Entschließungsanträge bitte ich erst in der dritten Lesung zu begründen, da erst dann über sie abgestimmt wird. Wir sind am Schluß der zweiten Lesung. Wer also den zuletzt aufgerufenen Paragraphen bis einschließlich § 41 sowie Einleitung und Uberschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Wir kommen nunmehr zurdritten Beratung.Es wird mir mitgeteilt, daß soeben noch ein Änderungsantrag Umdruck 376 verteilt wird. Das ist eine Wiederholung des Antrags, über den wir eben namentlich abgestimmt haben und der nunmehr zur dritten Lesung gestellt wird,Wird eine allgemeine Aussprache zur dritten Lesung gewünscht? — Das ist nicht der Fall; Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.Ein Änderungsantrag liegt also nur zu § 35 vor, hinter Abs. 2 folgenden neuen Absatz 3 anzufügen: „ Absatz 1 gilt nicht für § 2 IV A Nr. 5." Das ist also wörtlich der gleiche Antrag, den wir soeben in der zweiten Lesung in namentlicher Abstimmung beschieden haben. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Debatte hierzu ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wird zum Abstimmungsmodus ein Antrag gestellt? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Anderungsantrag Umdruck 376 in der dritten Lesung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4269
sich aber bereit erklärt, Herr Kollege Schneider, einem saarländischen Gesetz folgenden Inhalts zuzustimmen: Wer am Tage der Währungsumstellung im Saarland nach dem Re ichsversorgungsgesetz versorgungsberechtigt ist, erhält mit dem Ersten des Monats, der auf den Tag der Währungsumstellung folgt, bis zur Einführung des Bundesversorgungsgesetzes eine Übergangshilfe in Höhe von 10 vom Hundert der ihm nach ,dem Reichsversorgungsgesetz zustehenden Versorgungsgebührnisse.Dieser Beschluß der Bundesregierung hat eine Vorgeschichte. Wir haben mit der saarländischen Regierung, auch mit dem Herrn Ministerpräsidenten, häufiger über diesen Fragenkomplex gesprochen. Es hat keine Einigung darüber erzielt werden können, ob eine 18 %ige oder nur eine 10%ige Übergangshilfe dem — wie man argumentiert — Kaufkraftverlust angemessen wäre. Ich habe noch in der letzten Besprechung, die ich mit dem Herrn saarländischen Ministerpräsidenten hatte, ihm erklärt, daß die Bundesregierung bereit wäre, einem Gesetz zuzustimmen, daß aber durch Experten festgestellt werden müßte, welches die angemessene Höhe sei.Dazu ist es leider nicht gekommen, sondern es ist von seiten des Saarlandes immer nur die Forderung nach 18 % erhoben worden. Die Bundesregierung aber glaubt nach gewissenhafter Prüfung aller Umstände, mit der Gewährung einer 10 %igen Übergangshilfe bis zur endgültigen Einführung eines neuen Versorgungsrechts dem Wunsche, daß die saarländischen Kriegsopfer keinen Kaufkraftverlust haben sollen, im vollen Umfange Rechnung zu tragen.Ich darf vielleicht fragen, Herr Kollege Conrad, da ich das eben in der Eile überhört habe —: Betraf Ihr anderer Entschließungsentwurf die Zustimmung zu dem Gesetz, die Familienzulagen weiter beizubehalten?
Hatten Sie das nicht soeben mit begründet?
— Dann möchte ich mich zunächst auf diese Ausführungen beschränken.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, wir sind überrascht über die Eile der Bundesregierung, hier einen Zustimmungsbeschluß negativer Art bekanntzugeben. Wenn wir an der Saar auf positive Zustimmung gewartet haben, hat es wesentlich länger gedauert.
Ich bin auch überrascht, daß der Herr Bundesminister für Arbeit die Tatsache, daß die Bundesregierung das einstimmig verabschiedete saarländische Gesetz nicht berücksichtigt, damit begründet, der saarländische Ministerpräsident habe die Zahlen nicht geliefert. Wie kann man — wenn das der Fall ist — die Betroffenen im Saarland dafür büßen lassen? Ich habe mit dem Herrn Ministerpräsidenten Röder nicht sprechen können. Es ist bedauerlich, daß er sich nicht selber hier dazu äußern kann. Aber es ist doch unmöglich, den saarländischen Landtag durch dieses fait accompli einfach zu übergehen, indem man sagt: „Es ist mir kein Gegenbeweis erbracht worden."Nun, ich bin in der Lage, einige Zahlen zu geben. Der Streit geht darum, ob bei der Umstellung der Renten für die Kriegsopfer die inflationäre Verschlechterung des Kurses des französischen Franken Berücksichtigung findet oder nicht. Ich darf aus der Ausschußarbeit sagen: es ist außerordentlich schwer, oft unmöglich gewesen, den Kollegen im Bundesgebiet klarzumachen, wie es in einem Lande aussieht, in dem die Währung so inflationistisch sich verschlechtert wie in Frankreich und im Saarland. Wir sind oft gegen die Mauer dieses Nichtverstehens gerannt. Man muß sich einmal in die Situation in einem Lande versetzen, das das Geld 1957 um 20 % und Ende 1958 wieder um 20 % abgewertet hat mid in dem parallel zur Abwertung des offiziellen Kurses automatisch die Preise weggelaufen sind. Ich erinnere mich noch, daß ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister — er wird es mir bestätigen — vor der ersten Frankenabwertung im Jahre 1957 gesagt habe: „Herr Minister, diese Abwertung geht völlig ins Leere; denn die französische Wirtschaft hat vor der Abwertung ihre Preise schon so erhöht und erhöht sie nach der Abwertung so, daß alles sich auflöst und paralysiert." Genauso kam es. Wir waren dann hinterher völlig einig.
— Bei der letzten, Herr Minister, war es nicht ganz so schlimm. Aber auch hier ist eine Kaufkraftverschlechterung seit Januar von mindestens 7 oder 8 Punkten bereits einwandfrei festgestellt. Wir stehen heute bei einer Relation, Herr Minister Erhard, vom offiziellen Kurs bei 117,5 zu einem Index von 127,6. Das sind also schon 10 Punkte mehr.Bei der Kriegsopferversorgung war die saarländische Regierung gezwungen, der Inflation des Franken Rechnung zu tragen, und hat nach der gesetzlichen Regelung zweimal Teuerungszulagen eingeführt. Durch die Regelung des saarländischen Gesetzes 515 vom 9. Juli 1956 war eine Basis für die Renten geschaffen worden, die damals die Grundlage für deren Höhe gab. Man hat den Maßstab 1 : 100 angelegt.
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4270 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Dr. Schneider
Die Kaufkraftparität war in dem Zeitpunkt der Schaffung des saarländischen Gesetzes 107,5. Sie beträgt heute 127,6, Herr Minister für Arbeit, ist also um 20 Punkte schlechter als zu der Zeit, als das Gesetz geschaffen wurde. Der Lebenshaltungskostenindex betrug bei Schaffung des Gesetzes 105,2, er ist heute 134,8, also auch wieder 20 Punkte schlechter. Nun frage ich: Wie kann man hier sagen, es ist kein Nachweis geschaffen, daß bei einer Umrechnung mit dem amtlichen Kurs nach der Währungsumstellungsverordnung nicht ein Verlust von 18 Punkten, sondern nur einer von 10 Punkten eintritt?Ich kann es auch weiter begründen. Wenn Sie die zwei Teuerungszulagen — am 1. September 1957 von 10 % und am 1. Februar 1958 von 10% — nehmen, dann haben Sie wieder denselben Satz, der sich genau mit den Zahlen der Kaufkraftparität bei einem Vergleich der Lebenshaltungskostenindexe deckt.Berücksichtigen Sie die gestrige Stimmung der Betroffenen! Es sind die Ärmsten der Armen. Es waren hier vielleicht tausend Frauen, Kriegerwitwen, die ihre letzten Groschen zusammengekratzt haben, um hierher zu fahren. Es geht bei den Frauen um 10 oder 12 DM im Monat. Es ist mir unverständlich, daß wir angesichts dieser Situation und der Tatsache, daß Sie demnächst das Bundesversorgungsgesetz mit einem Anpassungsgesetz für die Saar neu regeln wollen, hier handeln wie die Krämer.Vorhin ist vom Kollegen Hellwig an den Idealismus appelliert und gesagt worden, daß wir die Rückgliederung aus Idealismus vorgenommen haben. Schön und gut! Aber es ist nicht richtig, wenn sich derjenige, der feilscht und nach Krämergeist handelt, auf den Idealismus der anderen beruft.
Wir sind unseren Kriegsopfern und den Ärmsten an der Saar schuldig, daß das Hohe Haus heute in ganz klarer Form zu dieser Frage — es gibt drei Kulminationsfragen: Kriegsopferrenten, Kinderzulagen und Umsatzsteuerhilfe — Stellung nimmt, auch wenn die Bundesregierung wahrscheinlich in Verkennung dieser Zahlen schon einen anderen Beschluß gefaßt hat. Letzten Endes bin ich als Demokrat der Auffassung, daß die Entscheidungskraft des Parlaments immer noch mehr Gewicht hat als ein Beschluß der Bundesregierung.
Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat als Mitglied des Bundesrates der Herr saarländische Minister Trittelvitz.Trittelvitz, Minister des Saarlandes: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beurteilung der Frage, die heute hier ansteht, kommt es doch wohl wesentlich darauf an, von welchem Stande der Leistungen man bei den Berechnungen auszugehen hat, die für die richtige Umstellung der Kriegsopferrenten anzustellen sind. Hierbei ist entscheidend, daß wir uns ein wenig überlegen, wie es zu den Leistungen des Gesetzes 515 — das ist unser saarländisches Kriegsopfergesetz — gekommen ist.Am 9. Juli 1956 wurden diese Leistungen festgesetzt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem über das Schicksal der Saar bereits entschieden war. Dabei hat man als Vergleichsmaßstab den Kurs von 100 Franken für eine DM gewählt. Das gab angesichts des Umstandes, daß die Leistungen aus der Kriegsopferversorgung zum amtlichen Kurs in D-Mark umgestellt werden sollten, der saarländischen Regierung Veranlassung, im saarländischen Parlament einen Gesetzentwurf einzubringen, der alle die Nachteile ausgleicht, die sich aus einer solchen Umstellung nach dem amtlichen Kurs von 117,5 ergeben. Mit diesem Umstellungskurs haben wir seit dem 23. Dezember zu rechnen und haben uns im übrigen oft gefragt, wie wohl die Umstellung der Kriegsopferrenten erfolgt wäre, wenn Frankreich am 23. Dezember nicht jene Frankenabwertung vorgenommen hätte. Dann hätte dieses Verfahren nämlich nicht funktioniert.Ich darf noch einmal auf die Parität 100 Franken gleich einer D-Mark zurückkommen, die die Grundlage für die Leistungssätze des Gesetzes 515 bildete. Dafür, daß diese Leistungen auf dem Faktor 100 : 1 aufgebaut sind, haben wir eine Reihe von Beispielen. So betragen die Versorgungsleistungen für einen hundertprozentig Beschädigten an der Saar 21 000 Franken Grundrente und 9 000 Franken Ergänzungsrente gleich 30 000 Franken. Diese Beträge entsprechen den Leistungssätzen der Bundesrepublik von 140 DM Grundrente und 160 DM Ausgleichsrente gleich 300 DM. 30 000 französische Franken entsprechen also 300 DM; so war die Situation im Jahr 1956.Ferner verweise ich auf eine Äußerung der Deutschen Bundesbank, die anläßlich der Einführung der Rentenneuregelungsgesetze befragt wurde, wie wohl die D-Mark-Rente in Franken auszudrücken sei. Die Bundesbank antwortete damals, wenn das Ziel erstrebt sei, die saarländischen Empfänger in die Lage zu versetzen, im Saarland etwa dieselbe Menge an Bedarfsgütern des täglichen Lebens zu erwerben, die von hiesigen Empfängern im hiesigen Wirtschaftsgebiet mit den entsprechenden D-Mark erworben werden könnten, so dürfte dieses Ziel durch die Zugrundelegung der Relation 100 Franken gleich einer D-Mark annähernd erreicht werden.Ich glaube, ich darf es mit diesen Beispielen genug sein lassen.Der saarländische Landtag hat in bemerkenswerter Einmütigkeit dieses Gesetz verabschiedet, das die Kaufkraftverluste und auch sonstige sich aus der Entwicklung seit 1956 ergebenden Verluste ausgleicht. Dem saarländischen Landtag ist durch das Eingliederungsgesetz die Kompetenz gegeben worden, Bundesrecht zu setzen. Die Bundesregierung sollte dem Gesetz — das ihrer Zustimmung bedarf — unter den obwaltenden Umständen im Interesse der saarländischen Kriegsopfer ihre Zustimmung erteilen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4271
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sicher damit gerechnet haben, daß wir zu diesem Punkt noch im weiteren Verlauf der Beratung eine Debatte führen würden und nicht schon anläßlich des Entschließungsantrags; denn ich hatte vorhin gesagt, daß die Bundesregierung die Entscheidung, die zu treffen ihr zusteht, getroffen hat. Sie hat sie, Herr Kollege Schneider, nicht mit einer besonders beängstigenden Schnelligkeit getroffen, sondern sie hat sie deshalb getroffen, weil ihr die Saarregierung das Gesetz vor zwei Tagen zugeleitet hat und weil alle Beteiligten doch wohl erwarteten, daß bei der heutigen Auseinandersetzung die Haltung der Bundesregierung klar sei. Entscheidend ist doch, bei der Behandlung der gesamten Gesetzesmaterie zu wissen, wie diese Frage geregelt werden muß. Wir haben uns darum bemüht, die Entscheidung so schnell wie möglich zu treffen.
Ist nun diese Entscheidung sachlich gerechtfertigt? Sie sagten, Herr Schneider, hier sei ein Feilschen wie bei den Krämern im Gange. Vielleicht darf ich Ihnen einiges aus der Vorgeschichte dessen, was Sie Feilschen nennen, sagen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen — und der Beweis ist sehr leicht anzutreten —, daß z. B. die Versorgung der Kriegsopfer aus Grund- und Ausgleichsrente im Bundesgebiet, soweit es sich um diejenigen handelt, die ohne besonderes Einkommen sind, wesentlich höher ist als gegenwärtig an der Saar, selbst dann, wenn man die gewünschten 18 °/o zuschlägt. Ich habe im Verlauf vieler Besprechungen, in denen wir einen Kompromiß suchten — das muß in dieser Stunde die saarländische Bevölkerung erfahren —, mehrfach das Angebot gemacht, das bessere deutsche Bundesrecht für die Schwerbeschädigten ohne besondere Einnahmen jetzt schon an der Saar einzuführen.
Ich bestreite natürlich nicht, daß gewisse Kategorien von Grundrenten an der Saar gegenwärtig höher sind als im Bundesgebiet. Man hat jedoch mein Angebot nicht akzeptiert. Das ist doch außerordentlich erstaunlich. Warum hat man es nicht akzeptiert? Herr Schneider, diejenigen, die gestern mit den Pfennigen hierhergekommen sind, sind ja mit Omnibussen, die eine Organisation stellte, hierhergebracht worden.
So sah es also um die Pfennige aus! Dieser Organisation kam es gar nicht darauf an, unter allen Umständen die Angleichung an das Bundesrecht zu vollziehen, sondern darauf, die Abstandsgrundrente zum Gesamteinkommen zugunsten der Grundrente zu erhalten und weiter zu verstärken.
Ich halte übrigens mein Angebot aufrecht, und ich bin absolut sicher, daß mir die Bundesregierung folgen wird; denn die Bundesregierung würde liebend
gern den Schwerbeschädigten an der Saar, die über kein besonderes Einkommen verfügen, heute schon die wesentlich höhere Rente zukommen lassen.
Statt auf dieses Angebot einzugehen, legt man der Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor, auf den sie dann natürlich so geantwortet hat, wie sie das nach ihrer Auffassung tun mußte. Als Argument wird der Kaufkraftverlust gebracht. Wenn man ihm Rechnung tragen will, dann ist eine Erhöhung um 10 % ausreichend. Das kann ich belegen. Ich will Ihre Geduld nicht über Gebühr in Anspruch nehmen, aber ich habe auch noch eine sehr sorgfältige Ausarbeitung bei mir, wie denn nun, ausgehend von der Festlegung am 9. Juli 1956, wo als Vergleichsmaßstab ein Kaufkraftverhältnis von 100 französischen Franken = 1 DM gewählt wurde, der heutige Kaufkraftverlust aussieht. Meine Damen und Herren, ich erspare es mir zunächst, Ihnen diese Zahlen vorzulegen, es sei denn, es müßte noch weiter darüber diskutiert werden. Aber nach unseren Untersuchungen ist mit den 10 °/o der Kaufkraftverlust ausgeglichen. Ich bedauere im Interesse der schwerbeschädigten Kriegsopfer an der Saar, daß meine weitergehende Bereitschaft, ihnen zu helfen, auf keine Gegenliebe gestoßen ist und ich somit das den Menschen nicht zukommen lassen konnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat uns nicht gesagt, wie die Relation ist zwischen den saarländischen Kriegsopfern, die durch sein so hochherzig klingendes Angebot wesentliche Teile ihrer Bezüge verlieren,
und denjenigen Kriegsopfern, die vielleicht etwas mehr bekommen. Wir haben gestern die Zahlen gehört, es sind einige hundert; aber -zigtausende sind es auf der anderen Seite, die verlieren.Meine Damen und Herren, geht es denn darum? Ich muß an den Herrn Bundesarbeitsminister eine ganz konkrete Frage richten. Ist Ihnen bekannt, Herr Minister Blank, daß am 22. Februar 1956 im Gesamtdeutschen Ausschuß dieses Hohen Hauses als Vertreter der Bundesregierung der damalige Minister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, im Auftrag des Arbeitsministers die Zustimmung zu der berühmten Besitzstandsklausel der Drucksache 1781 gegeben hat? Der Herr Minister Kaiser hat mir selbst gesagt, daß er diese Zustimmung gegeben hat.Ich gehe noch einen Schritt weiter und behaupte, daß die Besitzstandsklausel, die in der berühmten Drucksache 1781 vom 12. Oktober 1955 verankert worden ist, uns, den Politikern an der Saar gegenüber vor der Abstimmung als verbindlich für die Bundesregierung erklärt worden ist, obwohl die
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4272 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Dr. Schneider
Bundesregierung aus Gründen des Saarstatuts, der Nichteinmischung, sich bei der Einbringung nicht beteiligt hat und damals CDU und Deutsche Partei den Antrag nicht mit unterschrieben haben. Aber wir haben vor der Abstimmung die Zusage erhalten, so daß wir im Abstimmungskampf guten Glaubens den Menschen an der Saar versprechen durften, was in der Drucksache 1781 Seite 2 zum sozialen Besitzstand gesagt ist.Nun wieder zu der Formulierung dieser Klausel. Es heißt dort, daß die sozialen Leistungen im Saarland im Falle einer Rückgliederung erhalten bleiben und die besseren im Bund eingeführt werden. Die Drucksache 1781 wurde dann den Ausschüssen für gesamtdeutsche Fragen und für auswärtige Angelegenheiten überwiesen. Die Sitzungen waren geheim. Was aber Herr Minister Kaiser mir dazu gesagt hat, ist in meinem Gedächtnis haften geblieben, und ich stelle Ihnen, Herr Minister, anheim, im Protokoll nachzusehen, ob dort nicht ausdrücklich steht, was Herr Kaiser mir gesagt hat, nämlich, daß er namens des Arbeitsministers dieser Klausel zustimme. Wenn Sie einmal zugestimmt haben, können Sie nicht den saarländischen Kriegsopfern, die nur einen erschreckend kleinen Teil ausmachen, die höhere Rente anbieten und den anderen wegschneiden, was sie haben und als Besitzstand erwarten. Das ist dasselbe, was der Bundestag mit den Stimmen der CDU am 14. Dezember 1956 in diesem Hohen Hause als Entschließung verabschiedet hat, als er einstimmig die Bundesregierung ersuchte, den sozialen Besitzstand zu erhalten. Bei der Wahrung des sozialen Besitzstandes ging es nicht darum, etwas abzuschaffen.
— Ja, wir sehen den neuen Bundeskanzler schon vor uns. Große Ereignisse künden sich frühzeitig an.
— Herr Kollege, ich möchte gerne auf diese Frage eingehen. Die Leute draußen merken es eher als viele hier in diesem Hohen Hause.
Aber noch einmal zurück zu der Auslegung des Begriffes „Besitzstand"; wir können dann nachher eine Debatte sparen. Man kann diesen Begriff nicht so auslegen, daß nach der Klausel vom 12. Oktober 1955 irgendwelche statistische Ämter zu errechnen hätten, daß in der Gesamtheit kein Nachteil eintritt. Herr Kollege Hellwig hat das im Wirtschaftsausschuß sehr schön gesagt, indem er einem Statistiker, der uns diese Argumente brachte, entgegenhielt: Wenn ich mit jemandem Hähnchen essen gehe und ich ein Hähnchen bestelle und es aufesse, kommt nach der Statistik auf uns beide je ein halbes Hähnchen.
Das ist ungefähr das Argument, das man diesen Statistikern entgegenhalten muß.Wenn Sie sich an das gegebene Versprechen halten wollen — bitte, lassen Sie das Protokoll vom 22. Februar 1956 kommen! —, dann müssen Sie Ihre Zustimmung geben, wie auch der saarländische Landtag das Gesetz einmütig verabschiedet hat. Es handelt sich um ein Gesetz aller Parteien, aller Abgeordneten und der saarländischen Regierung. Setzen Sie sich bitte nicht dem Schauspiel aus, daß die Mehrheit dieses Hauses das gesamte Saarland in dieser Form desavouiert!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte nicht, daß die Frage der Eingliederung von dieser Seite her behandelt wird.
Dem Saararbeiter soll das zugute kommen, worauf er billigerweise Anspruch hat. Ich behaupte — und das ist bisher niemals widerlegt worden —, daß die saarländische Arbeitnehmerschaft, wenn das deutsche Arbeits- und Sozialrecht an der Saar eingeführt wird, insonderheit wenn die Tarifvertragspartner ihre Verpflichtungen erfüllen, ihre Tarifverträge aushandeln, insgesamt gesehen, sich in jedem Falle nicht schlechter stehen wird als heute, in vielen Fällen sogar besser.Aber gerade einen Punkt ihrer Forderungen habe ich verwirklichen wollen. Damit Sie, Herr Schneider, sehen, daß ich nicht Krämer bin: Hier habe ich nicht untersucht, wie viele Menschen das betrifft, sondern hier kam es mir darauf an, über Ihr Verlangen hin-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4273
Bundesarbeitsminister Blank,aus, den Schwerstbetroffenen erhebliche Zuwendungen zukommen zu lassen. Man hat das seitens der Saarregierung und seitens des Verbandes — der Verbandsvorsitzende hat ja mit mir verhandelt — abgelehnt. Der Verband hat es gar nicht akzeptiert. Aber das, was man als echten Währungsverlust nachweisen kann — wir haben das gewissenhaft geprüft —, haben wir trotz ihrer Ablehnung mit unserem Beschluß heute morgen zugestanden. Ich sage noch einmal: ich hätte liebend gern auch den Schwerbeschädigten noch mehr gegeben, wenn es die Vertreter nur gewollt hätten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An diesem Streit um die ,Kriegsopferversorgung an der Saar sind zwei Dinge besonders bemerkenswert; erstens die Tatsache, daß der saarländische Landtag und die saarländische Regierung in der Zusammenarbeit mit der französischen Regierung, also mit einer der Siegermächte des zweiten Weltkrieges, für die Kriegsopfer an der Saar eine bessere Versorgung schaffen konnten als in der Zusammenarbeit mit der Regierung des wirtschaftswunderlichen Deutschlands,
zweitens die Argumentation des Herrn Bundesministers für Arbeit, daß er und idie Bundesregierung den Schwerbeschädigten an der Saar liebend gern die höheren Leistungen nach seiner Vorstellung — gegeben hätten, daß dies aber an dier uneinsichtigen Haltung 'der Betroffenen gescheitert sei. Diese Argumentation ist an innerer Unlogik schlechterdings nicht zu überbieten; denn man muß wissen, daß der Kreis, 'den der Herr Bundesminister Blank und die Bundesregierung bedenken wollen, noch nicht einmal 10 °/o der Betroffenen umfaßt
und daß das, was diesen Menschen mehr gegeben werden soll, von den anderen 90 0/o bezahlt werden muß, die dann erheblich weniger bekommen als seither.
Der Herr Bundesarbeitsminister scheint den neuen sozialpolitischen Stil darin zu sehen, daß er seine Thesen auf Glaubenssätzen aufbaut. Ich muß ihn daran erinnern, daß die Menschen in Deutschland, die sich zu seinen Thesen bekennen, nicht zu denen gehören, 'die sich des Rufs besonderen Sachverstands erfreuen.
Die Darstellung, als seien es nur die „bösen" Kriegsopferverbände und ihre Manager, die hier die Tendenz der Regierung ablehnen, geht großzügig darüber hinweg, Herr Bundesminister für Arbeit, daß diese sich in Übereinstimmung befinden mit allen Kriegsopfersachverständigen Deutschlands,
und zwar mit Männern, die sich teilweise ihr ganzes Leben lang auf der Basis eines Hochschulstudiums, eines Studiums der Rechts- und Staatswissenschaften, ausschließlich mit dieser Sachproblematik befaßt haben und die Ihnen klipp und klar nachweisen, daß Ihre These von der Bedürftigkeit als entscheidendem Merkmal der Versorgung einfach mit den Grundsätzen unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen ist.
Sie haben vor diesem Hause einen Eid auf die Verfassung geleistet, und Sie haben in diesem Eid geschworen, die Verfassung zu wahren und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Ich möchte einmal die Bundesregierung fragen, wie sie im Lichte dieses Eides etwa die gleichzeitige Verabschiedung der Neuordnung des deutschen Kriegsopferrechts und des Ministerpensionsgesetzes der deutschen Öffentlichkeit klarzumachen versuchen will.
Für die deutschen Kriegsopfer ist die Abstimmung über die Behandlung der Versorgung an der Saar in diesem Hause ein Präjudiz für die künftige Entwicklung des gesamten Kriegsopferrechts. Täuschen Sie sich nicht! So wie Sie did relativ wenigen Kriegsopfer an der Saar heute und hier behandeln, bekommen Sie vom Millionenheer der deutschen Kriegsopfer eines Tages Ihre Quittung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat das Mitglied des Bundesrats, der Ministerpräsident der Saarregierung, Herr Dr. Röder.Dr. Röder, Ministerpräsident des Saarlandes: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Behauptung des Herrn Bundesarbeitsministers, die saarländische Regierung habe ein für die Kriegsopfer an der Saar günstiges Angebot ausgeschlagen, kann von seiten der saarländischen Regierung nicht unwidersprochen bleiben.Welche Veranlassung, Herr Bundesarbeitsminister, hätte für mich in der Besprechung mit Ihnen bestanden, wenn Sie mir ein Angebot gemacht hätten, das in irgendeiner Form für mich überschaubar und für die Kriegsopfer an der Saar vorteilhafter gewesen wäre als die jetzt erreichte Lösung, dieses Angebot abzulehnen?Ich habe am 11. dieses Monats eine Besprechung mit Ihnen gehabt. Mir war mitgeteilt worden, daß Sie nur bereit seien, die saarländischen Kriegsopferrenten zum offiziellen Kurs ohne Anrechnung der 20 %igen Teuerungszulage umzustellen. Daraufhin habe ich um eine Unterredung gebeten; diese Unterredung hat stattgefunden. In dieser Unterredung haben Sie mir eine Tabelle vorgelegt und gesagt, Sie seien bereit, eine Regelung für die Kriegsopfer zu treffen, die aus dieser Tabelle ersichtlich sei und bei der sich für einen bestimmten Kreis der Kriegsopfer eine wesentliche Besserstellung ergebe.
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4274 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Ministerpräsident Dr. RöderIch habe Ihnen geantwortet, ich sei nicht in der Lage, wenn mir solche Tabellen vorgelegt würden, sie im gleichen Augenblick schon zu beurteilen und eine Entscheidung darüber zu treffen, inwieweit diese Tabelle für unsere Kriegsopfer günstig sei oder nicht.
Ich habe gesagt: Was ich mit Ihnen besprechen kann und was ich verstehe, ist folgendes: die saarländischen Kriegsopfer beziehen zur Zeit einen bestimmten Frankenbetrag als Rente; mich interessiert, wie dieser Frankenbetrag nach dem Tage X in D-Mark umgestellt wird; wenn Sie mir erklären können, wie Sie das vorhaben, dann verstehe ich das auch als Nichtfachmann; die saarländische Regierung und der saarländische Landtag sind der Meinung, daß nur dann eine Erhaltung der Kaufkraft für die saarländischen Kriegsopferrenten gewährleistet ist, wenn entsprechend dem saarländischen Gesetz eine 18 %ige Teuerungszulage zu den Renten gewährt wird. — Wir haben dann das Gespräch auf diese Frage beschränkt und über die Sonderlösung, von der Sie soeben gesprochen haben, nicht mehr weiter diskutiert.Sie haben mir gesagt: Wenn wir davon ausgehen, dann bin ich nach sorgfältiger Prüfung meiner Leute im Hause der Auffassung, daß nur eine Teuerungszulage in Höhe von 10 % gerechtfertigt ist. Ich habe darauf geantwortet, es sei mir nicht möglich, diese Behauptung, daß 10 % genügten, zu entkräften und meine Behauptung, daß 18 % nötig seien, ausführlich zu belegen. Ich bat, diese Frage in einer Besprechung mit Fachleuten zu klären. Wir haben uns korrekterweise darauf geeinigt, daß Sie sowohl wie ich einem Prozentsatz zustimmen würden, der von der Sache her gerechtfertigt ist.Nun haben Sie soeben in meiner Abwesenheit behauptet — ich habe mir das sagen lassen —, die Ressortbesprechung, die ich angekündigt hätte, habe nicht stattgefunden. Ich muß dazu folgendes feststellen: Meine Besprechung bei Ihnen war am 11. dieses Monats, am 15. dieses Monats hat in Ihrem Hause eine Besprechung zwischen Fachleuten aus unserem Arbeitsministerium und Ihren Leuten stattgefunden, über diese Besprechung ist mir ein Protokoll vorgelegt worden. Aus diesem Protokoll ist ersichtlich, daß keine Einigung zustande gekommen ist, weil Ihre Leute auf dem Prozentsatz von 10.4 stehengeblieben sind und meine Leute bzw. die Leute des Herrn Arbeitsministers auf dem Prozentsatz von 18,6.Bei dieser Sachlage blieb mir doch nichts anderes übrig, als zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen, daß hier keine Annäherung der Standpunkte möglich war. Aber man kann doch daraus nicht folger n, daß ich als Chef der saarländischen Regierung mich etwa bereits mit einem Satz von 10 % einverstanden erklärt hätte.
Sie müssen doch dafür Verständnis haben, meine Damen und Herren, daß ich das, wie ich soeben sagte, zunächst nur zur Kenntnis nehmen kann und daß ich es dann im Rahmen des saarländischenLandtages und des saarländischen Kabinetts zur Erörterung stellen muß und daß ich mir vorbehalten muß, in dieser Frage neue Vorschläge und Unterlagen zu liefern.Ich darf an dieser Stelle noch einmal zum Ausdruck bringen, daß die Besprechung zwischen dem Herrn Arbeitsminister und mir für mich insofern erfreulich war, als der Herr Bundesarbeitsminister zu erkennen gegeben hat, daß er zumindest von seiner ursprünglichen Auffassung, die Teuerungszulage von 20 % an der Saar nicht zu berücksichtigen, im Grundsatz abgewichen ist, indem er ein Angebot von 10 % gemacht hat, und als ein grundsätzliches Einverständnis zwischen uns beiden vorlag, daß eine Regelung gefunden werden müsse, die die Kaufkraft der Kriegsopferrenten an der Saar garantiere. Ich kann im Augenblick nichts anderes tun als ah-warten, was in diesen Tagen geschieht, ob das der Fall sein wird oder nicht. Weitere Stellungnahmen muß ich mir vorbehalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich lege großen Wert darauf, daß die Entwicklungsgeschichte genau klargestellt wird.
— Die Mahnung richten Sie an sich selbst!
Es haben mehrfache Besprechungen in dieser Frage stattgefunden. Die erste war, als die Minister Schäfer und Trittelvitz mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler und mir wieder einmal eine Verhandlung über die Eingliederung hatten. Damals ist das Verlangen gestellt worden. Wir haben uns damals nicht ablehnend verhalten, sondern erklärt: Nun, darüber läßt sich sprechen, das muß geprüft werden. Es ist zu dieser Prüfung, so sage ich noch einmal, nicht gekommen; denn es ist mir von der saarländischen Seite erklärt worden, das könne man den saarländischen Kriegsopfern nicht anbieten.Ein zweites Mal habe ich das Angebot gemacht — auch das soll die deutsche Öffentlichkeit wissen , als der Vorsitzende des VdK von der Saar zu einer Unterredung bei mir war; denn ich legte Wert darauf, daß es an der Saar bekannt würde, was-ich anzubieten hatte. Da hat er mir ebenfalls ein Nein gesagt. Ein drittes Mal —
— Sie müssen das ja wohl besser wissen als ich! Ich weiß, daß Ihnen das unangenehm ist! — Ein drittes Mal habe ich das Angebot gemacht, als ich mit dem Herrn Saarländischen Ministerpräsidenten sprach. Ich habe damals gesagt und sage heute: Wenn man— und das allein ist doch gerechtfertigt — vermeiden will, daß die saarländischen Kriegsopfer am Tage X einen Kaufkraftverlust haben, wenn man nur das will, dann können doch nur Experten feststellen, welches denn der wahrscheinliche Kaufkraftverlust ist.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4275
Bundesarbeitsminister BlankMeine Leute haben von eh und je auf dem Standpunkt gestanden, mit 10 % sei das ausgeglichen. Die Saar hat erklärt: 18 %. Ich habe mit dem Herrn Ministerpräsidenten ausgemacht: Die Bundesregierung wird zu einer gesetzlichen Regelung des Saarlandes ja sagen, aber die Höhe des Prozentsatzes muß unter den Experten festgestellt werden. Ich wiederhole, was ich gesagt habe: Diese Besprechungen sind so gelaufen, daß der Vertreter, *den die Saarregierung entsandte, auf 18 % beharrte. Auf mein Angebot ist keine Antwort gekommen. Es hätte doch mindestens bei der Behandlung dieses Gesetzes in der dritten Lesung im saarländischen Landtag auch gesagt werden müssen, was nun eigentlich mit der Bundesregierung besprochen ist. Daß man aber dann der Bundesregierung ein Gesetz vorlegt, in dem einfach und nüchtern diese Erhöhung der Renten um 18 % steht, rechtfertigt doch wohl zu sagen, daß unseren Kompromißvorschlägen nicht entsprochen worden ist. Das hätte im saarländischen Landtag behandelt werden müssen, insbesondere mein weiteres Angebot, das ja doch auch über den VdK vielen Abgeordneten bekannt sein muß. Ich sage noch einmal, ich wehre mich dagegen, daß hier gesagt wird: Ach, das betrifft ja bloß 10 %. Was ist denn das für eine kaltherzige Rechnerei! Hier handelt es sich um die Armsten, um diejenigen, die die größte Not haben; und denen wollte ich eine erhebliche Hilfe zukommen lassen. Da ist es mir gleichgültig, ob es 10 oder 12 % der Bevölkerung sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bleibe dabei, die Bundesregierung — —
— Wenn Sie sich im Zirkus fühlen, kann ich es nicht ändern. Ich bin des Glaubens, daß wir hier im deutschen Parlament sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, ich bitte, den Ausdruck „Frechheit" zu unterlassen. Sonst muß ich Sie zur Ordnung rufen.
Ich stelle die Dinge klar, denn ich weiß, daß das von hier und heute in die ganze deutsche Presse geht und auch im Saarland bekannt wird. Darauf lege ich Wert.
Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie bereit ist, diesem Gedanken Rechnung zu tragen. Sie hat nach ernster fachlicher Prüfung geglaubt — das ist ihr nicht widerlegt worden —, daß mit einer Zulage von 10 % der Kaufkraftverlust Tage X ausgeglichen sei. Sie wäre bereit gewesen, weiter zu gehen, wenn man ihr Angebot angenommen hätte. — Das ist .alles, was ich dazu zu sagen habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck — verübeln Sie es mir nicht, daß ich schon manchmal diesen Gedanken hatte —, daß der Bundesarbeitsminister durch die Unversöhnlichkeit seiner Rede manche Möglichkeiten eines Gesprächs einfach zuschüttet. Auch die Gespräche, die in der Vergangenheit zwischen den Ministern der Saar und dem Bundesminister stattgefunden haben, waren leider meistens von demselben Tonfall getragen.
Ich will gar nicht in eine Untersuchung darüber eintreten, ob ein Satz von 16 oder 18 % genau das trifft, worum es hier geht. Ich kann aus meiner Kenntnis der Sachlage nur folgendes sagen. Als damals, im Jahre 1956, die Grundrenten festgelegt wurden, war das im Hinblick auf die französische Inflation notwendig. Die Grundrenten waren damals schon höher als hier in der Bundesrepublik. Es bestand deshalb kein Anlaß, bei den Grundrenten danach zu fragen, wie das Verhältnis zwischen unseren Grundrenten und dienen im Bundesgebiet ist.
Bei dien Ausgleichsrenten war es anders. Die Ausgleichsrenten waren an der Saar niedriger. Ich habe damals dem saarländischen Landtag einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem vorgeschlagen wurde, obwohl der Kaufkraftvergleich bei 107 lag, die hier dem Schwerstbeschädigten gezahlte Rente in Höhe von 300 DM nicht mit 300 mal 106, sondern nur mit 300 mal 100 festzulegen, um die Diskrepanz zwischen unserem eigenen Versorgungsirecht und dem des Bundes nicht allzu weit aufzureißen. So ist es also zu unserem jetzigen Gesetz gekommen.
Ohne in den Streit bis zum letzten eintreten zu wollen, ob hier nun 16 oder 18,1 % gerechtfertigt sind, möchte ich auch in dieser Frage sagen: Wo bleibt hier die Behandlung mit einigermaßen Verständnis, mit einigermaßen Herz, mit einigermaßen Gefühl?
Habe ich heute mittag, als wir die Diskussion begannen, vielleicht zuviel gesagt, als ich erklärte, daß am Ende dieses Tages wahrscheinlich die kühle Ausrechnung mit dem Rechenstift stehen würde? Sollen wir die Diskussion nun den ganzen Tag in dieser Art fortsetzen, bis auch das letzte Gesetz hier durchgepaukt ist? Das steht bei Ihnen, meine Herren! Ich glaube, bei dem Personenkreis, um den es sich hier handelt, bei den Opfern des Krieges, die auch in den letzten zehn Jahren einiges mitzumachen hatten, sollten Sie sich einmal nicht von der kühlen, klaren Rechnung leiten lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier ist eine Rich-
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4276 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Dr. Schneider
tigstellung notwendig. Ich bin nicht Vertreter oder Mitglied oder irgendwie beteiligt an der Organisation der Kriegsopfer. Es ist auch nicht meine Aufgabe, den Vorsitzenden der saarländischen Kriegsopfer, der ein profiliertes und prominentes Mitglied Ihrer CDU ist, gegen die Feststellungen des Herrn Arbeitsministers zu verteidigen.Aber ich habe bei meinen Akten, die ich im Laufe der Arbeit gesammelt habe, ein Schreiben des Verbandes der Kriegsopfer — das allen Abgeordneten am 2. Juni zugegangen ist — mit einem Protokoll über das Gespräch, das der Herr Bundesarbeitsminister erwähnt hat und von dem gesagt worden ist, in ihm sei den Saarländern und den saarländischen Abgeordneten nicht mitgeteilt worden — und wir im Landtag hätten das nicht gewußt —, daß er ein hochherziges Angebot gemacht habe, das abgelehnt worden sei. Ich darf aus dem Protokoll zitieren. Da heißt es wörtlich:Daraufhin entgegnete der Minister, er sei bereit, Rentenaufbesserungen für das Saarland einzuführen. Er wolle die Ärmsten der Armen mit ihren Renten an die Sätze des BVG heranbringen. Wörtlich sagte er: „Sagen Sie Ihren Kriegsopfern, daß ich bereit bin, die höheren Leistungen des BVG für die Saarländer sofort einzuführen". Dem wurde entgegengehalten, daß die Absicht des Ministers also dahin gehe, zuerst alle Renten um 20 % zu kürzen,
um dann einem Drittel der Versorgungsberechtigten, nämlich den Zusatzrentenempfängern, eine Rentenaufbesserung zu geben. Das sei ein schön verpacktes Bonbon, das sehr teuer bezahlt würde.
So das Protokoll!Herr Minister, wir haben das im Landtag des Saarlandes alles besprochen. Ich bin nicht Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses des Landtages, aber ich war in allen Sitzungen anwesend. Es ist doch ganz klar, daß wir die Frage erörtert haben. Wer von Ihnen will es uns denn zumuten, daß man zunächst zwei Dritteln 20 % wegnimmt, um dann einem Drittel etwas mehr zu geben? Das kann doch niemand! Das ist doch das ganze Problem. Das höhere Angebot ist doch gar kein Angebot,
sondern das ist eine Methode, den hiesigen Rechtszustand auf die Saar zu übertragen. Herr Genninger, der Vorsitzende des Landesverbandes der Kriegsopfer an der Saar und Mitglied Ihrer CDU — ich muß es immer wieder erwähnen —, hat das auch gestern in der Versammlung gesagt, und die Versammlung hat das einmütig abgelehnt.Nun eine andere Frage! Glauben Sie, daß die Saarländer, wenn sie die angebotene Neuregelung wünschten, davor zitterten und bebten, daß sie ihnen auf kaltem Wege über den § 35 des vorhin verabschiedeten Gesetzes im Wege der Rechtsverordnung aufgezwungen werden könnte? Der Antrag, den wir in der namentlichen Abstimmung abgelehnt haben, ging doch nur dahin, auf Wunsch der saarländischen Kriegsopferversorgungsberechtigten zu verhindern, daß das „hochherzige Angebot" ihnen diktiert wird. Und glauben Sie, die ganzen Kriegsopfer würden diesen Standpunkt hier mit aller Energie an alle Abgeordneten herantragen, wenn das ein hochherziges Angebot wäre?Nun noch eine letzte Frage zu diesem Punkt; wir drehen uns ja im Kreise. Ich habe vorhin konkrete Zahlen genannt, und ich wiederhole sie. Bei Inkrafttreten des saarländischen Gesetzes 1956 Kaufkraftparität 107,5; im April 1959 127,6, also 20 Punkte mehr. Lebenshaltungsindex 105,2 bei Einführung des Gesetzes, im Mai 1959 134,8. Zwei Teuerungszulagen in der Zwischenzeit zum Ausgleich der Inflation von 20 %. Der Herr Bundesarbeitsminister hat nur von seinen Tabellen gesprochen, aber er hat uns hier nicht gesagt, daß meine Zahlen falsch sind und warum sie falsch sein sollen. Deshalb vertrete ich auch weiterhin den Standpunkt, daß unsere Zahlen richtig sind und daß der Verlust von 18 % das trifft und nicht 10 °/o.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Was Sie von mir erwarten, läßt mich völlig kalt.
Ich antworte jetzt dem Herrn Schneider.Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schneider, Sie verlesen ein Protokoll, das offensichtlich nur von Herrn Genninger stammen kann und das nicht richtig ist.
— Warten Sie doch bitte! — Wenn er sagt, ich hätte auf die Frage: Wollen Sie die Erhöhung, die Sie den Schwerbeschädigten geben wollen, dadurch einsparen, daß Sie bei zwei Dritteln der anderen zunächst die 20 %ige Einsparung machen? — mich nicht verneinend geäußert, dann stimmt das nicht, Herr Schneider.
— So gebe ich es doch gerade wieder. Ich sage, in dem Protokoll sagt er, ich hätte gesagt, — —
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4277
Bundesarbeitsminister Blank— Herr Schneider, ich weiß ganz genau, worum es sich handelt.
— Vielen herzlichen Dank! Meine Damen und Herren, jetzt ist es doch klar! Ich habe also ein Angebot gemacht und habe an keiner Stelle erklärt, daß ich das Geld irgendwo einsparen wollte, sondern das erklärt Herr Genninger.
Herr Genninger hat offenbar völlig übersehen, daß zwischen uns eine Aufbesserung der Renten im Ausmaß des Kaufkraftverlustes überhaupt nicht strittig war. Wieviel das sind, lassen wir jetzt einmal dahingestellt.Ich möchte also nur noch einmal mein Angebot präzisieren: den Schwerbeschädigten, die Ausgleichsrenten beziehen und die in ihren Gesamtrenteneinkünften wesentlich unter dem liegen, was jetzt in der Bundesrepublik Rechtens ist, habe ich zugesagt, die Bundesregierung würde bereit sein, ihnen sofort die hier geltenden Renten zu zahlen. Das ist ein Angebot. Herr Genninger sagt dann, um sich zu rechtfertigen: Aha, das Geld willst du woanders verdienen! — Mitnichten! Ich habe erklärt — und das hatte der Herr Vizekanzler bei der ersten Besprechung schon einmal erklärt: Jawohl, und eine Änderung der Renten im Ausmaß des Kaufkraftverlustes. Da ist eben eine Diskrepanz zwischen der Auffassung des Herrn Schneider und meiner Auffassung, und es wäre ja Gelegenheit gewesen, diese Diskrepanz aufzuhellen. Dazu ist es leider nicht gekommen.Ich bin 'in der Lage — genau wie Sie — Ihnen mit Zahlen darzutun: der Vergleichsmaßstab war am 9. Juli 1956 ein Kaufkraftverhältnis von 100 französischen Franken zu 1 Mark. Gegenwärtig haben wir den Kurs von 117 und, wie man allgemein behauptet, den Kaufkraftkurs von 128. Es tritt dann bei der Währungsumstellung eben 'ein echter Kaufkraftverlust von 10 % ein. Den auszugleichen, ist die Bundesregierung bereit und wäre sie auch bereit gewesen, wenn sie dazu noch das andere, was sie angeboten hat, hätte tun müssen, und sie hätte sich gefreut, wenn sie es hätte tun können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, wir sollten es des grausamen Spiels allmählich genug sein lassen. Diese Art von Debatte, wie sie hier seit einer Stunde oder länger geführt wird,
entspricht, glaube ich, -nicht der Verantwortung, die wir alle miteinander gemeinsam für die Lösung dieser Fragen tragen.
— Herrn Minister Blank bestätigen wir, daß er mit größtem Verantwortungsbewußtsein die bestmögliche Lösung von sich aus angestrebt hat.
Wir sollten doch hier einsehen, 'daß es sinnlos ist, wenn wir diese Auseinandersetzung noch länger fortsetzen. Was wird uns im Verlaufe der weiteren Debatte noch alles bevorstehen! Wenn jemand auf der Tribüne sagte: „Das macht ja den Eindruck, als wenn die Oppositionsparteien hier und heute schon den nächstjährigen Landtagswahlkampf an der Saar eröffnen wollten!",
dann könnte man einer solchen Auffassung kaum widersprechen.Herr Kollege Conrad, auch Ihnen möchte ich etwas sagen. Wenn Sie sprechen, kommt man immer in einen Zwiespalt darüber: spricht jetzt hier der saarländische Minister, oder spricht der Kollege von der Abgeordnetenbank?
Selbstverständlich haben Sie als Abgeordneter das Recht, hier Ihre Meinung zu sagen. Ich möchte aber glauben, daß Sie sich als Angehöriger der saarländischen Regierung in diesen Zusammenhängen etwas mehr Zurückhaltung auferlegen sollten.
Meine Damen und Herren, wollen wir doch die Dinge auf den tatsächlichen Sachverhalt zurückführen! Wir können über dieses Thema jetzt noch stundenlang reden; wir kommen aber wirklich nicht an folgender Tatsache vorbei: ob die Bundesregierung einem ihr von der saarländischen Regierung unterbreiteten Gesetzentwurf ihre Zustimmung gibt oder nicht, liegt einzig und allein in der Zuständigkeit der Bundesregierung. Da mögen wir hier 'im Hause noch so viele Anträge beschließen: wenn die Bundesregierung glaubt, in ihrer Verantwortung und Zuständigkeit einer solchen Gesetzesvorlage ihre Zustimmung nicht geben zu können, dann vermag dieses Haus an dieser Tatsache nichts zu ändern,
es sei denn, daß aus der Initiative dieses Hauses ein anderer Gesetzentwurf eingebracht,
beraten und beschlossen wird.
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4278 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
HornSie können doch an diesen tatsächlichen Gegebenheiten nichts ändern.lch bin also der Auftassung: Es ist Sache der Bundesregierung, ob. sie im weiteren Verlauf von Gesprächen, Beratungen und Verhandlungen auch mit der Saarregierung eventuell, wenn sie das für gegeben hält, zu einer Änderung ihres heutigen Kabinettsbeschlusses kommt. Aber es liegt nicht in unserer Zuständigkeit, uns da einzumischen.
Sie können darüber lachen oder nicht, Sie schaffen damit die Tatsachen einfach nicht aus der Welt.Wir werden aus den genannten Gründen die beiden Anträge, in denen die Bundesregierung ersucht wind, s o und nicht s o zu verfahren, ablehnen und damit der Zuständigkeit der Bundesregierung Rechnung tragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Conrad.
Herr Kollege Horn, ich nehme Ihre Ermahnung gern entgegen. Ich habe allerdings nicht den Eindruck gehabt, daß ich unsachlich scharf argumentiert habe. Ich nehme das zum Anlaß, noch einmal darzustellen, was bei diesen Renten geschieht.
Nehmen Sie einen Arbeiter, der eine Invalidenrente bezieht. Er bekommt für die 12 000 Franken, die er heute hat, nachher 100 DM. Der Rentner der Kriegsopferversorgung bekommt nach dem Vorschlag des Herrn Bundesarbeitsministers nicht denselben Betrag, sondern 10 0/o weniger. Halten Sie es für gerechtfertigt, daß ein Kriegsopferrentner weniger erhält als ein Rentner der Angestelltenoder Invalidenversicherung oder Unfallversicherung? Wir verlangen hier nur eine gerechte Umstellung, Gerechtigkeit für alle.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, zu der Angelegenheit doch noch ein Wort sagen zu sollen. Es entsteht hier der Eindruck, daß die Fraktion der CDU/CSU, wenn sie dem zustimmt, der Meinung ist, an der Saar soll eine Verschlechterung der jetzigen Situation eintreten. Ich glaube, im Grunde ist sich das ganze Haus absolut darüber einig, daß die Kaufkraft wie bei der übrigen Bevölkerung auch bei den Kriegsopfern erhalten werden soll. Das stelle ich hier der Gerechtigkeit wegen fest.
Nun kommt etwas Weiteres, Sie haben soeben gehört, daß nach dem Gesetz, das wir jetzt verabschieden, einzig und allein die Bundesregierung zuständig ist. Da bin ich persönlich der Meinung, daß es selbstverständlich die Aufgabe der Regierung ist, dafür zu sorgen, daß die Kriegsopfer an der Saar unter keinen Umständen eine Verschlechterung erfahren. Ich meine, daß die' Regierung und der Landtag an der Saar die Dinge sehr wohl aus eigener Schau gründlich überlegt haben und man deshalb auch deren Wort bzw. Wunsch besonders beachten sollte.
Ich fühle mich persönlich an dieser Stelle ebenso verpflichtet, zu sagen: man kann diese Frage nicht leicht damit abtun, daß man sagt, man habe in dieser oder jener Frage ja ein Angebot gemacht. Diese Frage kann man nur dann endgültig beantworten und klären, wenn man das ganze Kriegsopferrecht durchleuchtet. Wir müssen sie — das sage ich in aller Offenheit — auch vom Grundsatz des Rechts aus behandeln. Wir müssen also in dieser Frage versuchen, eine klare und eindeutige Lösung zu finden, die den Kriegsopfern an der Saar, aber auch den Kriegsopfern im gesamten Bundesgebiet gerecht wird.
Ich möchte klipp und klar sagen, dieser Entschließungsantrag entscheidet nicht darüber, ob man mehr oder weniger geben will. Wir können die Regierung in dieser Frage aus rechtlichen Gründen nicht verpflichten. Das sage ich deshalb, um nicht einen falschen Eindruck nach außen entstehen zu lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Schneider, Sie wollten einen Antrag zur Abstimmung stellen?
— Augenblick, wir haben mehrere Abstimmungen vorzunehmen. Sie meinen den Entschließungsantrag Umdruck 356, wenn ich recht verstehe?
Zunächst einmal ist die Debatte geschlossen. Wir stimmen ab, und zwar in der dritten Lesung über das Gesetz als Ganzes. Wer diesem Gesetzentwurf, wie er vorliegt, mit Einleitung und Überschrift und allem in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen mit Mehrheit in dritter Lesung angenommen.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die beiden vorliegenden Entschließungsanträge Umdruck 356 und Umdruck 362. Wenn ich den Gang der Debatte richtig verstanden habe, beinhalten sie das gleiche. Ich darf also wohl die Übereinstimmung des Hauses darin feststellen, daß mit der Verabschiedung des einen Antrages der andere Antrag mit erledigt ist.
Ich gehe nach der zeitlichen Reihenfolge vor und lasse über Umdruck 356 abstimmen. Hier ist namentliche Abstimmung beantragt. Wird der Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützt? — Danke, das genügt. Dann kommen wir zur namentlichen Abstimmung über diesen Entschließungsantrag.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4279
Vizepräsident Dr. BeckerMeine Damen und Herren, um Zeit zu gewinnen, möchte ich Ihnen vorschlagen, daß wir während der Auszählung mit der Beratung fortfahren.Ich rufe auf Punkt 1 b der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln vom Saarland auf den Bund (Drucksache 1006) ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1162).
Berichterstatterin hierzu ist Frau Diemer-Nicolaus. — Wenn ich recht verstanden habe, bezieht sich die Berichterstatterin auf den Schriftlichen Bericht. Wir kommen damit zur Aussprache. Ich nehme an, daßalle Paragraphen, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen, in summa aufgerufen, behandelt und verabschiedet werden können. — Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest und mache ferner darauf aufmerksam, daß zu diesem Punkt zwei Entschließungsanträge, Umdrucke 362 und 371, sowie ein Änderungsantrag auf Umdruck 368 vorliegen.Ich rufe auf in der zweiten Lesung dien § 1. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der § 1 ist angenomm en.Ich rufe § 2 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion Umdruck 368 Ziffern 1 und 2 vor. Wird der Antrag begründet? — Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor.Wir kommen zur Abstimmung über dein Änderungsantrag Umdruck 368 Ziffer 1, der eine Neufassung des § 2 Abs. 1 vorsieht. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, dien bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 368 Ziffer 2, in § 2 leinen Abs. 3 einzufügen, zur Abstimmung auf. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, dein bitte ich um das Handzeichen. = Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.Ich rufe nunmehr den § 2 mit der soeben beschlossenen Änderung und Ergänzung auf. Wer dem § 2 in der jetzt vorliegenden Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der § 2 ist mit den beschlossenen Änderungen auf Grund des Antrags Umdruck 368 angenommen.Ich rufe nunmehr auf § 3 und § 4. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.Wer den §§ 3 und 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die §§ 3 und 4 sind angenommen.Ich rufe auf § 5. Hierzu liegt vor ein Änderungsantrag auf Umdruck 368 Ziffer 3. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Debatte hierzu ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 368 Ziffer 3, einen Satz 2 in Absatz 1 anzufügen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist angenommen.Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den § 5 mit der nun beschlossenen Änderung. Wer dem § 5 mit der beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 5 mit der beschlossenen Änderung ist angenommen.Ich rufe weiter auf die §§ 6, 6a, 7, 8, 9, 10, 11, 12, Einleitung und Überschrift. Wird hierzu das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall; die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den letzthin aufgerufenen Paragraphen einschließlich Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Lesung angenommen.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Wird eine Generalaussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge zur dritten Lesung liegen nicht vor, wohl aber Entschließungsanträge auf Umdruck 362 und 371.
— 362 ist erledigt durch die Abstimmung, also nur noch Entschließungsantrag auf Umdruck 371. Wird dieser Antrag auf Umdruck 371 begründet? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hoffen alle — wenn wir an der Saar auch Befürchtungen haben —, daß bei der wirtschaftlichen Eingliederung, bei der es darum geht, für Waren im Werte von einer Milliarde DM einen anderen Absatzmarkt zu finden, keine größeren Schwierigkeiten entstehen. Für den Fall, daß Schwierigkeiten entstehen, ist in den Gesetzen, die Ihnen vorliegen, Vorsorge getroffen, damit die Betriebe über die Schwierigkeiten hinwegkommen.Der Antrag bezweckt, daß auch die Arbeitnehmer über solche möglichen Schwierigkeiten hinwegkommen. Der saarländische Landtag hat deshalb in einer einmütig gefaßten Entschließung die saarländische Regierung ersucht, in einem Nachtragshaushalt Mittel bereitzustellen, damit den Arbeitnehmern, die durch die wirtschaftliche Eingliederung arbeitslos werden, zusätzlich zur Arbeitslosenunterstützung eine Hilfe gegeben werden kann.Wir bitten Sie, diesem Antrag zuzustimmen mit dem Ersuchen an die Bundesregierung, die eventuell anfallenden Ausgaben gemäß dem Eingliederungsgesetz bzw. dem § 8 des Gesetzentwurfs Drucksache 1006 als deckungsfähig anzusehen, d. h. dem Saarland zu ersetzen.
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4280 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 176 Abgeordnete und 13 Berliner Abgeordnete, mit Nein 205 Abgeordnete und 4 Berliner Abgeordnete; enthalten haben sich 6 Abgeordnete. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.JaCDU/CSUBaldauf Draeger GotteslebenHeyeKrüger MaucherSPDFrau AlbertzAltmaier Dr. Arndt AugeBadingDr. BärschBäumer BalsBauer
Baur
BazilleDr. BechertBehrendt BehrischFrau Bennemann BerkhanBerlinBlachsteinDr. Bleiß BörnerDr. BrechtBruseBüttner Conrad Corterier Cramer Dewald DiekmannFrau Döhring DröscherFrau Eilers ErlerEschmannFallerFelder Folger Franke Dr. Frede Frehsee FrenzelGeiger GeritzmannHaage HamacherHansing Dr, Harm Hauffe HeideDr. Dr. HeinemannFrau Herklotz HermsdorfHerold Höcker Höhmann Hähne HöraufFrau Dr. Hubert HufnagelIven
Jacobi JacobsJahn JürgensenJunghansFrau KeilhackFrau KettigKeuningKillat Kinat (Spork)Frau Kipp-KauleKönen Koenen (Lippstadt) Frau KorspeterKrausKühn
KurlbaumLange LantermannLudwigLücke LünenstraßMaier
MarxMatznerMeitmannDr. MenzelMerten MetterDr. Meyer Meyer (Wanne-Eickel) Frau Meyer-LauleDr. MommerMüller Müller (Ravensburg) Müller (Worms) MunzingerFrau NadigOllenhauerPaulPeters Pöhler Pohle Prennel Priebe PützPusch Rasch Regling RehsReitzReitznerFrau RengerRitzel Rohde Frau RudollRuhnkeDr. SchäferFrau Schanzenbach ScheurenSchmitt SchoettleSchröder Seidel (Fürth)Seither Seuffert Stierle StriebeckTheis Wagner Walpert WegenerWehner WehrWelkeWelslauWeltner
Frau WesselWienand Wilhelm WischnewskiWittrock ZühlkeBerliner AbgeordneteFrau Berger-HeiseDr. KönigswarterFrau KrappeNeubauer Neumann ScharnowskiDr. SchellenbergSchröter
Schütz
Dr. SeumeFrau Wolff
FDPDr. AchenbachDr. Becker
Dr. Bucher Dr. DahlgrünDr. DehlerFrau Dr. Diemer-Nicolaus Döring
DürrEilers EisenmannFrau Friese-KornKellerDr. Kohut Kreitmeyer Kühn
MaukDr. Mende Mischnick MurrDr. RutschkeDr. Schneider SchultzSpitzmüller StahlDr. StammbergerWalterWeber ZoglmannBerliner AbgeordneteFrau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. WillNeinCDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. Aigner Arndgen Baier
Dr. BartelsBauer BauereisenBauschDr. Becker Becker (Pirmasens) BerberichBergerDr. BergmeyerDr. BesoldDr. BirrenbachBlankFrau Dr. BleylerFrau Blohmvon BodelschwinghBrandFrau BrauksiepeBreseFrau Dr. BrökelschenBrückDr. BuceriusBurgemeisterCaspersCillienDr. Conring Dr. Czaja DemmelmeierDiebäckerDiel
Dr. Dittrich Dr. DollingerDrachslerDr. DresbachEichelbaum Dr. ElbrächterFrau EngländerEnkEpléeEtzenbachDr. Even FinckhFranzenDr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)FunkDr. FurlerFrau Dr. Gantenberg GaßmannGedatGehringFrau GeisendörferD. Dr. Gerstenmaier GewandtGibbertGlüsing
Dr. Görgen Dr. Götz Goldhagen Gontrum Dr. Gossel GüntherFreiherr zu Guttenberg HackethalHäusslerDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerHeixDr. Hellwig Hesemann HöcherlDr. Höck
HöflerHollaHoogenHornHuthDr. Huys Dr. Jaeger Jahn
JostenDr. Kanka Kemmer Dr. KempflerKirchhoffFrau KlemmertDr. Kliesing KnoblochDr. Knorr Koch
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4281
Vizenräsident Dr. BeckerDr. KopfKramel KrammigKrollKrüger
KrugFrau Dr. KuchtnerKunst KuntscherKunzeLang
LeichtLenze
LeonhardLermer Leukert Dr. Löhr LulayMaier MajonicaDr. Baron Manteuffel-SzoegE Dr. MartinMeisMemmelMengelkampMenkeMeyer
MickMuckermannMühlenbergMüser Nellen Nieberg NiederaltFrau NiggemeyerOetzelFrau Dr. PannhoffPelsterDr. h. c. PferdmengesDr. PflaumbaumFrau Pitz-SavelsbergFrau Dr. RehlingDr. ReinhardDr. ReithRiedel
Frau RöschRösing RufRuland ScharnbergScheppmannSchlee SchlickDr. Schmidt Frau Schmitt (Fulda) SchmückerSchüttlerSchütz Schulze-PellengahrSchwarzFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr. SeffrinSeidl
Dr. SerresSiebelDr. SiemerZwei Abgeordnete, von denen anzunehmen wäre, daß der eine „hüh" und der andere „hott" abgestimmt hätte, haben noch nachträglich ihre Stimmkarte abgeben wollen. Das Haus wird um Indemnität gebeten. Die beiden Abgeordneten waren mit Besuchergruppen ziemlich weit entfernt. Eine Änderung des Ergebnisses ist damit nicht möglich. Ich darf annehmen, daß den beiden Abgeordneten damit Indemnität erteilt ist. — Ich danke Ihnen.Damit sind die Anträge Umdrucke 362 und 356 eo ipso erledigt. Punkt la der Tagesordnung ist ebenfalls erledigt.Wir sind jetzt bei Punkt lb der Tagesordnung. Der Herr Kollege Conrad hat den Entschließungsantrag Umdruck 371 zur dritten Beratung begründet. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Debatte.Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt lb, Drucksachen 1006 und 1162. Wer dem Gesetzentwurf in derdritten Beratungzuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Umdruck 371. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Ich rufe nunmehr auf Punkt i c der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Einführung des deutschen Rechts auf dem Gebiete der Steuern, Zölle und Finanzmonopole im Saarland ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1168).
Wir treten in die zweite Lesung ein. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? —
— Der Herr Berichterstatter bezieht sich auf seinen Schriftlichen Bericht. Ich danke ihm.Wir kommen zur Aussprache. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß zu diesem Punkt die Anträge auf den Umdrucken 358, 369, 373 und für die dritte Beratung der Entschließungsantrag Umdruck 370 vorliegen. Das Haus ist wohl wie bei früheren Gesetzen damit einverstanden, daß alle die Paragraphen, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen, gemeinsam aufgerufen, beraten und verabschiedet werden. —Ich darf also jetzt aufrufen die §§ 1, — 2, — 3, — 4, —5,—6,—7,—8,—9,—10,—11,—12,—13, — 14, — 15. — Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Debatte hierzu ist geschlossen.Wer den aufgerufenen §§ 1 bis 15 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.Ich rufe § 16 auf. Hierzu liegen vor die Änderungsanträge Umdruck 358 Ziffer 1 und Umdruck 373 Ziffer 1.Wird der erstgenannte Antrag auf Umdruck 358 begründet? — Bitte schön, Herr Kollege Wilhelm!SolkeSpies
Dr. Stecker StillerDr. StoltenbergDr. Storm
Storm
StruveSühlerTerieteUnertlVarelmann Dr. Vogel VogtWacherDr. WahlFrau Dr. h. c. Weber Dr. Weber (Koblenz) WehkingWeinkammFrau Welter Wendelborn WieningerDr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter WittmannWittmer-EigenbrodtWormsDr. WuermelingWullenhauptBerliner AbgeordneteDr. Gradl HübnerDr. Krone StinglDPFrau Kalinke LogemannMatthesDr. PreißProbst
Dr. RipkenSchneider
Dr. Schneider
Dr. SchranzDr. Steinmetz TobabenEnthaltenCDU/CSUBalkenholBühlerSpies StauchDr. WerberDr. Zimmer
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4282 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich den Änderungsantrag Umdruck 358 wie folgt begründen.
Bisher waren im Saarland die Herstellung und der Einzelhandel mit Tabakwaren von der saarländischen Tabakregie als Monopolverwaltung streng konzessioniert. Es konnte folglich nicht jedermann im Rahmen der Gewerbefreiheit Tabakwaren herstellen oder im Einzelhandel verkaufen. Nach der wirtschaftlichen Eingliederung wird die saarländische Tabakregie aufgelöst. Die Herstellungsbetriebe und der Tabakwareneinzelhandel im Saarland werden dann den Wettbewerbsbedingungen unterworfen, die im übrigen Bundesgebiet bestehen. Da man im Zuge dieser Umstellung Schwierigkeiten befürchtet, ist in § 16 des Gesetzentwurfs Drucksache 1007 vorgesehen, den Inhabern von Herstellungsbetrieben auf Antrag eine Umstellungsbeihilfe für den Fall zu gewähren, daß sie ihre Betriebe schließen oder veräußern müssen.
In der gleichen Situation wie die Herstellungsbetriebe, für die diese Umstellungsbeihilfe in § 16 des Gesetzentwurfs vorgesehen ist, befindet sich auch der saarländische Tabakwareneinzelhandel. Beide, Herstellungsbetriebe und Einzelhandel, hatten bisher auf Grund des Tabakwarenmonopols einen gesicherten Absatz. Nach dem Eingliederungstage werden sie einem verstärkten Konkurrenzdruck ausgesetzt sein. Ich darf bemerken, daß sich dieser verstärkte Konkurrenzdruck in bezug auf den Tabakwareneinzelhandel besonders auswirken wird, weil nämlich in Zukunft auch Gastwirtschaften und der Lebensmitteleinzelhandel Tabakwaren aller Art verkaufen können, was es bisher im Saarland auf Grund des Monopols nicht gab.
Nun haben wir zu verzeichnen, daß etwa 350 Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen in den vergangenen Jahren bevorzugt eine Konzession zur Errichtung von Tabakwaren-Einzelhandelsgeschäften gegeben wurde, um sie in die Lage zu versetzen, zu ihren Versorgungsrenten ein zusätzliches Einkommen zu erwerben, was letztlich eine Entlastung des saarländischen Staates bedeutete, indem er diesem Personenkreis keine Ergänzungsrenten zu zahlen brauchte. Viele dieser Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen, denen diese Konzessionen bevorzugt erteilt wurden, haben seinerzeit entweder Abfindungen auf ihre Versorgungsrenten oder Staatsdarlehen bekommen, damit sie überhaupt den Start wagen, ihre Geschäfte einrichten und zunächst auch die entsprechenden Tabakmengen erwerben konnten. Wenn sie nun dem verstärkten Konkurrenzdruck ausgesetzt sein werden, dann steht heute schon mit Sicherheit fest, daß eine gewisse Anzahl der Inhaber von Einzelhandelsgeschäften — und hier sind insbesondere die Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen zu erwähnen — dem Druck der Konkurrenz nicht wird standhalten können. Wir haben dann die Situation, daß diejenigen Kriegsbeschädigten, denen eine Abfindung gegeben wurde, nur noch auf die verringerte Versorgungsrente angewiesen sein werden, und daß zum anderen diejenigen, denen ein Staatsdarlehen gegeben wurde — diese Darlehen sind nur zum Teil getilgt —, nicht mehr in der Lage sein werden, die Restschulden zu tilgen, weil sie in Zukunft nur noch auf ihre geringeren Versorgungsrenten angewiesen sein werden. Das wird zur Folge haben, daß der Staat diesem Personenkreis, der so einen erheblichen Teil seines Einkommens verliert, wieder die Ausgleichsrenten zahlen muß.
Der Landtag des Saarlandes hat in einer Entschließung, die am 2. Juni dieses Jahres einstimmig gebilligt wurde, einen analogen Antrag gestellt, wie Sie ihn in dem Änderungsantrag Umdruck 358 unter Ziffer 1 vorfinden. Unser Änderungsantrag will die Tabakwareneinzelhändler für den Fall, den ich Ihnen darzustellen versucht habe, mit den Herstellungsbetrieben gleichstellen und sie gegebenenfalls auch in den Genuß der Umstellungsbeihilfen kommen lassen. Aus diesen Gründen ist es nur recht und billig, die Tabakwareneinzelhändler zur Abwendung einer plötzlichen Existenznot mit den Herstellungsbetrieben gleichzustellen. Schließlich sind ja die Inhaber von Herstellungsbetrieben sicherlich wirtschaftlich besser fundiert als die Inhaber von Einzelhandelsgeschäften.
Aus all diesen Gründen bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag Umdruck 358 Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich fragen, ob der Antrag Umdruck 373, Ziffer 1 auch begründet wird? —
— Eine Begründung ist also nicht nötig; dann sind die Begründungen jetzt erledigt.
Wir kommen zur Debatte. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker .
Dr. Becker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wilhelm hat gesägt, die Einzelhandelsgeschäfte an der Saar seien in derselben Situation wie die Herstellungsbetriebe. Das stimmt nicht. Die Herstellungsbetriebe für Tabakwaren werden nach dem Tage X in Konkurrenz mit den sehr starken deutschen Herstellungsbetrieben stehen. Wir wissen ganz genau, daß wir in Deutschland vor allem eine außerordentlich starke Zigarettenindustrie haben. Dieser starken Industrie ist der Herstellungsbetrieb im Saarland vermutlich nicht gewachsen. Darum haben wir in § 16 des Gesetzentwurfs für die Herstellungsbetriebe die Umstellungshilfe vorgesehen.
Bei den Einzelhandelsgeschäften ist das anders. Dort gibt es zwei Arten von Geschäften, auf der einen Seite solche, die verhältnismäßig stark sind und für die eine Umstellungshilfe nicht notwendig erscheint, auf der anderen Seite solche von Schwerbeschädigten. Eine Menge Schwerbeschädigter haben solche Geschäfte. Für diese Sonderfälle ist eine Sonderregelung zwischen der Bundesregierung und der Saarregierung im Gespräch.
Dr. Becker
Es ist vorgesehen, hier eine Sondermaßnahme zu treffen. Deshalb möchte ich bitten, diesen generellen Antrag abzulehnen und den Regierungsentwurf anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ehe ich weiter das Wort gebe, darf ich feststellen, daß die beiden vorliegenden Änderungsanträge inhaltlich gleich sind, so daß mit der Erledigung des einen Antrags auch der andere Antrag erledigt ist, - Ich stelle hierzu Übereinstimmung des Hauses fest.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich vermag mich der Argumentation des Herrn Kollegen Becker aus meiner Kenntnis der Materie heraus nicht anzuschließen.
Der Antrag zu § 16, der in den beiden Umdrucken sowohl der SPD wie der FDP enthalten ist, entspricht der wiederum einstimmig gefaßten Entschließung des saarländischen Landtags. Leider konnte diese Angelegenheit wie all die anderen Vorschläge und Wünsche des Saarlandes in den Ausschüssen nicht mehr erörtert werden, weil die Ausschüsse nicht mehr zusammentraten.
Man verkennt das Tabakwarenmonopol, wenn man diesem Antrag nicht die Bedeutung beimißt, die er hat. Im Laufe der Durchführung des Tabakmonopols an der Saar sind Hunderte von kleinen und kleinsten Tabakwarenlädchen errichtet worden, die an Schwerbeschädigte vergeben wurden, ähnlich wie Sie das bei den Tabakverschleißgeschäften in Österreich oder in Italien kennen. Diese Inhaber werden nun mit tödlicher Sicherheit ihre Existenz verlieren; denn mit dem Tage X darf der Lebensmittelhändler, der sein größeres Geschäft der Arbeitsstätte näher hat, genau wie hier Tabakwaren zum amtlichen Preis verkaufen. Der Gastwirt, der bisher seinenTabak in dem kleinen Geschäft kaufen und einen Bedienungszuschlag nehmen mußte, kann in Zukunft auch im Großhandel einkaufen. Daraus ergibt sich, daß diese Existenzen - es sind mehrere hundert Geschäfte - zwangsläufig eingehen werden, wie einzelne Hersteller sich umstellen werden.
Es ist ein löbliches Tun, wenn die Saarregierung sich bemüht zu helfen. Aber wenn wir schon für die Herstellerbetriebe, die großen Betriebe, eine gesetzliche Regelung haben, dann ist es selbstverständlich, daß wir dieselbe gesetzliche Grundlage auch für die kleinen Betriebe schaffen müssen, die von der Auswirkung der Umstellung vom Monopol auf die freie Wirtschaft genauso betroffen sind wie die großen Herstellerbetriebe.
Ich bitte daher das Hohe Haus, aus diesen Gründen der Gleichbehandlung dem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, wird hierzu noch das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Seuffert.
Zur Abstimmung! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge sind zwar inhaltlich gleich, jedoch ist die Fassung des Antrages der FDP vorzuziehen. Wir ziehen deswegen unseren Antrag zugunsten dieses Antrages zurück und bitten, nur über den Antrag der FDP abzustimmen.
Formell wird also nur über den Antrag der FDP auf Umdruck 373 Ziffer 1 abgestimmt. Das Wort wird sonst nicht mehr gewünscht, die Aussprache ist geschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich lasse abstimmen über Umdruck 373 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die Mehrheit, der Antrag Umdruck 373 Ziffer 1 ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über § 16 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit, § 16 ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 17, - 18, - 19, - 20, - 21,
- 22, - 23, - 24, - 25, - 26, - 27, - 28, - 29, -30, - 31, - 32, - 33, - 34, - 35, - 36, - 37, -38, - 39, - 40, - 41, - 42, - 43, - 44, - 45,
- 46, - 47, - 48, - 49, - 50, - 51, - 52, -53, - 54, - 55, - 56, - 57, - 58, - 59, - 60,
- 61, - 62, - 63, - 64. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Also gut, rufen wir bloß bis § 63 auf, also einschließlich § 63. Wer diesen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe bitte! - Diese Paragraphen sind ohne Gegenstimme angenommen.
Dann rufe ich nunmehr § 64 auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Bitte sehr!
- Ich glaube, Sie befinden sich im Irrtum! Das ist § 65!
Darum wollte ich über § 64 mit abstimmen lassen, weil kein Änderungsantrag vorliegt! - Ich darf nun über § 64 abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - § 64 ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf § 65 mit den Umdrucken 358 Ziffer 2 und 373 Ziffer 2 und bitte um Wortmeldungen.
- Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich den Änderungsantrag Umdruck 358 Ziffer 2a und b wie folgt begründen.
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4284 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
WilhelmEs ist wohl unbestritten, daß die wirtschaftliche Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik mit mannigfachen Übergangsschwierigkeiten verbunden sein wird. Davon werden sowohl die saarländische Wirtschaft als auch die Arbeitnehmerschaft betroffen sein. Um diesen Schwierigkeiten vorbeugend begegnen zu können, wurden in einigen heute zur Verabschiedung anstehenden Gesetzentwürfen Hilfsmaßnahmen verschiedener Art zur Verbesserung der Startbedingungen vorgesehen. So ist es beispielsweise im Rahmen des D-Mark-Bilanzgesetzes der Wirtschaft erlaubt, in einem erheblichen Umfang ihr Anlagevermögen aufzustocken, wodurch sie günstige Abschreibungsmöglichkeiten erhält, die sich letztlich wiederum sehr steuervermindernd auswirken. Im übrigen hat die Wirtschaft die Vergünstigung im Gesetz zur Überleitung deutschen Rechts auf dem Gebiete der Steuern, Zölle und Finanzmonopole, eine Vergünstigung in Höhe von 15 % für das Jahr 1960 bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, und für das Jahr 1961 10 % Vergünstigung bei den gleichen Steuerarten.Für die Arbeitnehmerschaft des Saarlandes ist als einzige Erleichterung für ihren Start in die wirtschaftliche Eingliederung eine Steuervergünstigung bei der Lohnsteuer in Höhe von 15 % für das Jahr 1960 und in Höhe von 10 % für das Jahr 1961 vorgesehen.Der Änderungsantrag, den ich die Ehre habe zu begründen, sieht vor, daß die Vergünstigung für die Lohnsteuerpflichtigen für das Jahr 1960 bis zu einem Einkommen von 1250 DM auf 30 % erhöht werden soll, über ein Einkommen von 1250 DM hinaus nur auf 15 %. Für das Jahr 1961 beantragen wir einer Steuerpräferenz von 20 % bis zu einem Höchsteinkommen von 1250 DM und bei Einkommen über 1250 DM eine Präferenz von 10 %.Ein gleicher Antrag ist für die Einkommensteuerpflichtigen gestellt. Die Sätze, die in dem Gesetzentwurf Drucksache 1007 vorgesehen sind, sollen im gleichen Verhältnis erhöht werden wie bei den Lohnsteuerpflichtigen. Diese Vergünstigung käme besonders den kleineren Handwerkern zugute, die im Durchschnitt keine Möglichkeit haben, die Nutzen des D-Mark-Bilanzgesetzes — höhere Abschreibungen, Aufstockung von Anlagevermögen, das bei ihnen in den meisten Fällen nur in geringfügigem Umfang vorhanden ist — auszuwerten. Wie die Arbeitnehmer haben auch sie praktisch als einzige Starthilfe die Präferenzen, die in dem Gesetz Drucksache 1007 vorgesehen sind. Der saarländische Landtag hat sich in einer einstimmig angenommenen Entschließung am 2. Juni 1959 dieses Anliegen ebenfalls zu eigen gemacht.Anläßlich der Beratung der Eingliederungsgesetze in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses wurde anerkannt, daß die Umstellung der Löhne und Gehälter im Saarland teilweise recht schwierig sein wird, was sich unter Umständen für einen großen Personenkreis sehr nachteilig auswirken kann. Aus verschiedenen Gründen ist es durchaus möglich, daß für eine gewisse Zeit nach der wirtschaftlichen Eingliederung im Saarland — das wurde hier von Vorrednern schon erörtert — die Preise im Durchschnitt wesentlich höher liegen als im übrigen Bundesgebiet. Dieser Preisunterschied wird sich natürlich mit der Zeit auspendeln. Das wird aber zunächst eine zusätzliche Belastung für die saarländische Arbeitnehmerschaft bedeuten.Darüber hinaus ist heute auch schon folgendes zum Ausdruck gekommen. Wenn es bei der Umstellung der saarländischen Mieten bleibt, wie sie zur Zeit vorgesehen ist, werden ,die Mieten für Altbauten im Saarland im Durchschnitt zwischen 15 und 25 % höher liegen als die Mieten 'im übrigen Bundesgebiet. Das sind zusätzliche Belastungen in dieser schwierigen Übergangszeit, die die Arbeitnehmerschaft des Saarlandes in materieller Hinsicht vor besondere Probleme stellt. Die auf Umdruck 358 unter Ziffer 2a und b von der sozialdemokratischen Fraktion beantragte Verbesserung der Startbedingungen für die saarländische Arbeitnehmerschaft und die saarländischen Handwerker würde dazu beitragen, manche Schwierigkeiten für die wirtschaftlich Schwächeren rechtzeitig aufzufangen. Sie wäre darüber hinaus im Hinblick ,auf die vorgesehenen Hilfsmaßnahmen für die saarländische Wirtschaft ein Akt der Gerechtigkeit.Aus all diesen Gründen bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag auf Umdruck 358 Ziffer 2a und b Ihre Zustimmung zu geben.
Das war die Begründung des Antrags auf Umdruck 358. Zur Begründung des Antrags auf Umdruck 373 Ziffer 2 hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was hier im § 65 vorgesehen ist, ist der letzte Rest dessen, was wir unseinmal als schönen Luftballon vorgestellthaben, nämlich der Übernahme des Berliner Verfahrens für die Saar. Übriggeblieben sind lediglich die Präferenzen des § 65, man kann sagen, sogewissermaßen als kleines Trostpflästerchen und als Ergebnis des Kuhhandels, ,der wochen- und monatelang in den Ausschüssen und in den gemeinsamen Referentenbesprechungen stattgefunden hat. Sehr betrüblich, denn die Forderung nach Übernahme des Berliner Verfahrens beruht auf ganz realen Zusicherungen.Ich weiß, daß mein Amtsvorgänger im Wirtschaftsministerium an ,der Saar — der wiederum der CDU angehörte und noch angehört — das Berliner Verfahren schon als d i e Hilfe für die Saar im Zuge der Umstellung angesehen hat. Er fuhr eigens nach Berlin, um es zu studieren, und wir haben am 14. Mai vorigen Jahres gemeinsam mit den Mitgliedern des Wirtschaftspolitischen Ausschusses in Saarbrücken ,diese Möglichkeiten erörtert und dabei als ein geschlossenes Ganzes angesehen. Wenn jetzt von dem Berliner Verfahren, das ständig 20 % Ermäßigung für Körperschaft-, Lohn- und Einkommensteuer bietet, für ein Jahr 15 und für ein Jahr 10 % übrigbleiben, werden Sie zugeben, daß das ein kläglicher
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4285
Dr. Schneider
Rest ist, sofern — was nachher noch debattiert wird — die Umsatzsteuerbefreiung, das Kernstück des Berliner Verfahrens, völlig wegfällt.Nun haben wir an der Saar ein Sonderproblem. Der Herr Kollege Wilhelm hat es angedeutet. Im Jahre 1948 hat die französische Regierung, um eine Lohnerhöhung zu vermeiden, eine besondere Kaufkraftzulage eingeführt, die darin bestand, die Lohnsteuer bis zu etwa 90 oder 95 °/o vom Arbeitnehmer weg auf den Arbeitgeber zu verlagern. In all den Jahren von 1948 bis heute hat praktisch der Arbeitgeber die Lohnsteuer gezahlt. Sie war ein Bestandteil des Lohns, ein Bestandteil der Geschäftsunkosten, der sich natürlich auf die Ware ausgewirkt hat.Nun sieht der Gesetzentwurf auf Drucksache 1012, über den wir noch beraten müssen, die Abschaffung dieser Lohnzulage bei der Berechnung der vergleichbaren Einkommen vor. Es ist klar — darüber beschwert sich kein Saarländer —, daß wir diese französische Lohnsteuerabwälzung auf den Arbeitgeber nicht beibehalten können. Aber diejenigen Arbeitnehmer werden empfindlich betroffen, die nicht oder nur noch zu einem Teil unter die Freigrenze des bundesdeutschen Lohnsteuersystems fallen und die in Einkommenslagen bis zu 1250 DM stehen. Um nun diesen Menschen während einer Übergangszeit einen kleinen Ausgleich für den Verlust zu geben — wenn Sie den Antrag annehmen, ist das ein Ausgleich, der etwa 30 oder 40 % des Verlustes der Kaufkraftzulage ausmacht —, haben sich alle Parteien des saarländischen Landtags, auch die CDU, entschlossen, für diese Lohnsteuerempfänger eine Sonderregelung zu schaffen, die darin besteht: im ersten Jahr 30 %, im zweiten Jahr 20 %, es im übrigen bei der Regelung der Bundesregierung zu belassen und diese besondere Vergünstigung auf Einkommen bis zu 1250 DM monatlich zu beschränken. Wir halten diese Regelung zur Bewahrung des sozialen Friedens, aber auch für einen reibungslosen Übergang und zur Erfüllung gegebener Versprechungen für unerläßlich. Wir bitten deshalb das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Becker .
Dr. Becker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schneider, Sie haben von einem Luftballon gesprochen und Sie haben von einem Kuhhandel gesprochen. Die Kuh, um die hier gehandelt wurde, und dieser Luftballon kosten die Bundesregierung 80 Millionen. Also, diese Steuerpräferenz von 10 bzw. 15 % kostet im Jahr 80 Millionen. Das ist, auf zweieinviertel Jahre gerechnet, immerhin ein Betrag von etwa 200 Millionen, also ein erheblicher Betrag, der zunächst einmal aufgebracht werden muß.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Abgeordneter Dr. Schneider zu einer Zwischenfrage!
Herr Kollege Becker, ist Ihnen entgangen, daß sich unser Vorschlag nicht auf die gesamte Steuerpräferenz bezieht, die 80 Millionen kosten möge, sondern nur auf den Teil der Lohnempfänger, die zwischen der Freigrenze und 1250 DM liegen, und daß das nur einen Bruchteil der Summe ausmachen kann, die Sie erwähnt haben?
Dr. Becker (CDU/CSU) : Ich weiß genau, Herr Schneider, daß es sich um eine Abgrenzung handelt. Ich habe eben nur gesagt, daß die gesamte Steuerpräferenz hier 80 Millionen kostet. Das ist ein ganz erheblicher Betrag. Sie wollen jetzt zusätzlich für die Einkommen bis zu 1250 DM eine Sonderregelung haben. Ich möchte dazu sagen, daß wir bekanntlich unser Einkommensteuerrecht noch kürzlich wesentlich geändert haben. Heute sind 45 % aller Einkommensempfänger steuerfrei. Damit ist also eine gewisse soziale Grenze schon erreicht. Außerdem haben wir durch das Splitting eine wesentliche Entlastung der Steuerzahler. Deshalb meine ich, daß man, wenn man da noch einen Abschlag von 15 % im ersten Jahr macht, schon genug tut; das kostet ja, wie ich soeben sagte, eine Menge Geld.
Herr Wilhelm, Sie haben von Gerechtigkeit gesprochen. Ich frage: was ist hier Gerechtigkeit? Es ist natürlich sehr leicht, und wir haben absolut Verständnis dafür, daß Sie an der Saar für Ihre Leute eintreten. Aber schließlich müssen wir ja auch rechnen und müssen verantwortungsvoll darauf sehen, daß wir auch mit den Mitteln auskommen.
Ich möchte nun gerade auf die These mit den Handwerkern kommen. Es wird immer davon gesprochen, daß die Industrie an der Saar nicht mehr konkurrenzfähig sei. Das stimmt in diesem und jenem Falle natürlich, weil Sie jetzt weithin mit den deutschen Betrieben konkurriert. Der Handwerker ist aber regional gebunden. Für ihn kommt es darauf an, daß die Gesamtwirtschaft funktioniert. Ich glaube, daß nach der Eingliederung der Saar auch an der Saar ein blühendes wirtschaftliches Leben sein wird. Wir sollten doch die Dinge nicht zu pessimistisch beurteilen. Ich bin überzeugt, daß die Handwerker — die mit ihrem Geschäft regional gebunden sind — keine wesentliche Einbuße erleiden. Hier wird ohne Zweifel die 15%ige Senkung der Einkommensteuer genügen.
Im übrigen sind die Forderungen, die Sie stellen, wesentlich höher als das, was Berlin eingeräumt worden ist. Sie wissen, daß Berlin eine 20%ige Präferenz hat. Hier verlangen Sie schlicht eine 30%ige Präferenz bei der Einkommensteuer in bestimmten Stufen. Ich glaube, das ist des Guten zu viel.
Auf die Umsatzsteuerfrage werden wir nachher noch zu sprechen kommen.
Ich bitte, den Antrag der FDP und der SPD abzulehnen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe
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4286 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Vizepräsident Dr. Jaegerdie Aussprache zu diesem Punkt. Die beiden Anträge Umdruck 358 und Umdruck 373, jeweils Ziffer 2, sind, soweit ich sehe, gleichlautend. Wir können also über beide Anträge zugleich abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.Ich lasse abstimmen über § 65 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf die §§ 65a, — 65b, — 65c, — 66. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Paragraphen sind angenommen.Ich rufe auf § 67 mit den Änderungsanträgen Umdruck 373 Ziffer 3 und Umdruck 369 Ziffer 1. Wer wünscht zur Begründung das Wort?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf ganz kurz den Änderungsantrag Umdruck 369 begründen. Mit diesem Antrag soll sichergestellt werden, daß die steuerrechtliche Sonderstellung, die die Saarland-Sport-Toto-GmbH bisher hatte, auch über den Tag X hinaus fortgilt, was bedeutet, daß die Sport-Toto-GmbH von der Körperschaft- und von der Gewerbesteuer befreit bleibt. Sie finden das, was die Körperschaftsteuer betrifft, in § 67 und das, was die Gewerbesteuer betrifft, in § 79. Ich darf dazu noch kurz erwähnen, daß die Mehrheit des Kapitals der Saarland-Sport-Toto-GmbH im Besitz des Saarlandes ist und die gemeinnützige Verwendung der Überschüsse dadurch sichergestellt ist, daß die Geschäftsführung durch den Rechnungshof überprüft wird. Ich möchte Sie an diese beiden Fakten erinnern, weil nämlich, ,auf beiden Tatsachen beruhend, entsprechende Regelungen im Lande Berlin, im Lande Hessen und in Baden-Württemberg praktiziert werden, und darf Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag bitten.
Ja, das habe ich schon festgestellt; die Anträge sind offenbar wortgleich. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den beiden gleichlautenden Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Angenommen.
Wer nun dem § 67 mit der soeben beschlossenen Änderung, sonst in der Ausschußfassung, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 68, — 69, — 70, — 71, — 72, — 73, — 74, — 75, — 76, — 77, — 78 in der Ausschußfassung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe § 79 und dazu die Anträge Umdruck 373 Ziffer 4 und Umdruck 369 Ziffer 2 auf. Wird das Wort zur Begründung der Anträge gewünscht? — Herr Abjeordneter Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem zu § 79 Abs. 1 gestellten Änderungsantrag ist zunächst einmal eine weitere Nr. 3 — „die Saarland-Sport-TotoGmbH . . ." — einzufügen. Das, was Sie eben bezüglich der Körperschaftsteuer beschlossen haben, soll auch für die Gewerbesteuer gelten.
Wir haben Ihnen weiter vorgeschlagen, eine Nr. 4 anzufügen, d. h. im Saarland den Zustand bestehen zu lassen, der dort bisher nach dem saarländischen Recht besteht und hier im Bundesgebiet im Zuge einer bevorstehenden Steuerreform erwartet wird, nämlich die Gewerbesteuerfreiheit für die freien Berufe zu erhalten. Es ist die Frage einer Übergangsregelung an der Saar bis zu einer anderweitigen Regelung im Bund. Ich bitte das Hohe Haus, dieser Ergänzung ebenfalls zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Dr. Becker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Schneider hat für die FDP gewünscht, daß die an der Saar bestehende Gewerbesteuerfreiheit der freien Berufe erhalten bleibt. Ich glaube, wir brauchen, wenn das Saargebiet angeschlossen ist, Rechtseinheit auch auf diesem Gebiet. Sonst wäre es ja möglich, daß z. B. ein tüchtiger Wirtschaftsprüfer seinen Sitz ins Saargebiet verlegt und dann steuerlich anders behandelt wird als im Bundesgebiet. Ich möchte also im Interesse der Rechtseinheit bitten, diesen Antrag abzulehnen.
Der Abgeordnete Corterier hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu diesem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 373 nur einige Sätze sagen, und gestatten Sie mir bitte, um unsere Verhandlungen zu beschleunigen, gleichzeitig auch etwas zu Ziffer 7 dieses Änderungsantrags zu bemerken.Es handelt sich hierbei um den Antrag, die Gewerbesteuerfreiheit der freien Berufe im Saarland zu erhalten. An sich brauchte man bei der Überleitung kaum eine neue Regelung, weil ja im Grundsatz auch bei uns. die freien Berufe von der Gewerbesteuer befreit sind. Andererseits haben wir immer die Schwierigkeiten mit der bekannten Vervielfachungstheorie. Ich glaube, aus diesem Grunde ist es nicht schlecht, wenn man die Steuerfreiheit in das Gesetz gleich aufnimmt. Damit wäre eine grundsätzliche Regelung geschaffen.Zum anderen handelt es sich bei der Umsatzsteuer, und zwar noch viel stärker als bei der Gewerbesteuer, um die Erhaltung des Besitzstandes; denn die freien Berufe sind nach geltendem Recht im Saarland bisher von der Umsatzsteuer befreit. Aus diesem Grunde stimmt die sozialdemokratische Fraktion beiden Änderungsanträgen der FDP zu.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4287
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
— Das wollte ich sowieso machen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über die beiden Anträge ab, soweit sie übereinstimmen, zuerst über den Antrag unter Ziffer 3, wonach eine Nummer eingefügt werden soll, die mit den Worten beginnt: „die Saarland-Sport-Toto-GmbH", Nachher stimmen wir über die andere Ziffer ab. Wer diesem Antrag unter Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Ich komme zu dem Antrag unter Ziffer 4. Da handelt es sich nur noch um diesen einen Antrag, der die Angehörigen der freien Berufe betrifft. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt.
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über § 79 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf §§ 80,. — 81, — 82, — 83. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 84 sowie den Antrag Umdruck 358 Ziffer 3. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man ist sich auf allen Seiten darüber einig, daß die saarländische Wirtschaft wegen der Schwierigkeiten, die bei der Umstellung auf sie zukommen werden, eine Unterstützung auf dem Gebiet der Umsatzsteuer bedarf. Sie finden in dem Ihnen vorliegenden Steuergesetz nichts darüber. Es liegen jedoch Erklärungen und, wie man annehmen kann, Zusagen der Bundesregierung vor, innerhalb einer Übergangszeit der saarländischen Wirtschaft gewisse Subventionen auf ihre Umsätze zu geben.
Das ist das, woraus man entnehmen kann, daß über das Prinzip, daß hier eine Hilfe notwendig ist, Einigkeit besteht.Was über die Grundsätze dieser Subvention zu erfahren ist, besteht darin, daß hier nur die Lieferungen aus dem Saargebiet in das heutige Bundesgebiet durch eine Zahlung von 6 % bis herunter zu 4 % der Umsätze unterstützt werden sollen. Nicht unter diese Subvention sollen die Lieferungen von saarländischen Unternehmen innerhalb des Saarlandes fallen.Nun muß aber darauf hingewiesen werden, daß die saarländische Wirtschaft nicht nur bei der Umstellung auf das Absatzgebiet Bundesgebiet wegen der erheblichen Schwierigkeiten, denen sie dabei begegnen wird, einer Hilfe bedarf, sondern daß sie ganz offensichtlich auch einer gewissen Abstützung gegenüber der nunmehr im Saargebiet auftretenden Konkurrenz bundesdeutscher Lieferanten bedarf. Diese werden aus vielen Gründen, die bei den einzelnen Anträgen und in der allgemeinen Aussprache schon dargelegt worden sind, zum Teil in der Tat Angebote machen können, die die saarländische Wirtschaft in eine gewisse Bedrängnis versetzen werden, zumal da man immer damit rechnen muß, daß bei einer solchen Eroberung eines neuen Marktes Wettbewerbsangebote gemacht werden, die den schwächeren Konkurrenten über den Haufen werfen können.Das gemeinsame Ziel des Antrages der Fraktion der FDP und unseres Antrages ist deswegen — und das ist der Unterschied gegenüber den von der Regierungsseite geplanten Maßnahmen —, die Umsatzsteuerhilfe auch auf diejenigen Lieferungen von im Saarland hergestellten Waren auszudehnen, die an Weiterverarbeiter oder Wiederverkäufer gehen. Die Form dieses Antrages schließt es aus, daß unnötigerweise Umsatzsteuervergünstigungen für solche Gewerbe bzw. solche Umsätze gewährt werden, die eine überlokale Konkurrenz in der Tat nicht zu befürchten haben, wie z. B. der Straßenverkauf, der Verkauf im Einzelhandelsgeschäft usw. Das wird dadurch erreicht, daß nicht beim Hersteller eine Umsatzsteuervergünstigung, sondern beim umsatzsteuerpflichtigen Abnehmer eine Umsatzsteuerrückvergütung nach dem Muster der Umsatzsteuerhilfe des Berlin-Förderungsgesetzes gewährt wird.Ich kann mir nicht denken, daß der finanzielle Unterschied zwischen dem, was die Bundesregierung an und für sich zugesagt hat, und dem, was hier beantragt ist, so erheblich sein könnte, daß das sehr gewichtigeAnliegen der Saarwirtschaft, für den Anschluß am Umstellungstag gegenüber der starken bundesdeutschen Konkurrenz und der Markteroberung durch diese einigermaßen geschützt zu sein, deswegen nicht befriedigt werden könnte.Die Anträge der FDP und der SPD sind gleichlautend, was den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1961 und was die Warenlieferungen anlangt. Wir glauben allerdings, daß man die Schutzmaßnahmen in einem herabgesetzten Umfang, nämlich nur 2 % des Umsatzes, noch auf das Jahr 1962 ausdehnen sollte.Die sonstigen Leistungen hat die FDP unmittelbar in ihren Antrag einbezogen. Wir hielten es für besser, die Regierung zum Erlaß einer Rechtsverordnung zur Abgrenzung zu ermächtigen; denn bei den sonstigen Leistungen können teils Verhältnisse vorliegen, wie sie einfachen Einzelhandelsumsätzen gleichzustellen sind, andererseits können, z. B. bei den Leistungen der Bauunternehmen, Verhältnisse vorliegen, bei denen eine überlokale Konkurrenz in gleichem Umfang stattfindet wie bei Warenlieferungen.Aus diesen Gründen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
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4288 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, mir zu gestatten, daß ich gleichzeitig mit der Stellungnahme zum Antrag der SPD den inhaltlich gleichlautenden Antrag der FDP Umdruck 373 Ziffer 6 mit begründe.Ich habe vorhin das Beispiel von dem schönen Luftballon, der uns in dem Berliner Verfahren vorgeschwebt hat, gebraucht. Ich möchte das jetzt zu Ende führen; denn dieser Luftballon, der bestimmungsgemäß Luft haben soll, hat jetzt, wie das bei den Lustballons unserer Kinder geschieht, keine mehr. Es ist ein zusammengeschrumpeltes Etwas übriggeblieben, das von der Decke heruntergefallen ist und nun am Boden liegt.Um das zu verhindern, haben wir unseren Antrag gestellt. Subventionen für Lieferungen von der Saar ins Bundesgebiet oder Umsatzsteuerbefreiungen für Lieferungen von der Saar in das Saarland — mit Ausnahmen, auf die ich noch zu sprechen komme -und Lieferungen von der Saar in das übrige Bundesgebiet — das ist die Frage. Die Bundesregierung will eine Subvention von 6, 5, 4 % gestaffelt an die saarländischen Herstellerbetriebe geben, die Lieferungen aus dem Saarland in das übrige Bundesgebiet tätigen. Damit hat man ein Verfahren etwas erweitert, das wir seit 21/2 Jahren kennen und das die Saar praktiziert hat. Ich darf als der damals zuständige Wirtschaftsminister sagen, daß die Erfahrungen mit dieser Methode nicht geeignet waren, diese Subvention als Anreiz zur Absatzförderung anzusehen. Nur eine Zahl. Der Umsatz der Saarwirtschaft in die Bundesrepublik betrug im Jahre 1957 5,6 %. Im Jahr 1958 ist er auf 8,4 % gestiegen. Insgesamt haben wir also trotz aller Anstrengungen und trotz der Subventionen nur eine Umsatzsteigerung von 2,6 % in zwei Jahren erreichen können. Wenn Sie davon ausgehen, daß wir jetzt etwa 30 bis 40% unserer Erzeugung verlagern müssen — es gibt sogar Leute an der Saar, die von 80 % reden; ich halte das für zuviel — und neue Käufer im Bundesgebiet suchen müssen, dann werden Sie mir zugeben, daß die Erfahrungen mit den Subventionen nicht von einer ernsten Absatzhilfe zeugen.Meine Damen und Herren, die Subvention trifft den Falschen! Sie wird idem saarländischen Herstellerbetrieb gegeben. Die Absatzhilfe soll aber eine Förderung sein, einen Anreiz geben, saarländische Waren zu kaufen. Der deutsche Konkurrent ist aber doch selbst bestrebt — nehmen wir ¡die Wirtschaft so, wie sie ist —, seinen Markt zu erhalten und den Saarmarkt zu erobern. Er weiß genau, daß der saarländische Erzeuger eine Subvention von soundso viel Prozent hat und wird deshalb aus Prestige-, aus Konkurrenzgründen bei allen Angeboten ssaarländischer Firmen ¡das saarländische Angebot unterbieten. Das wußte man auch ganz genau, als man das Berlin-Verfahren einführte, und hat infolgedessen den Anreiz eingebaut, daß der Erwerber Berliner Erzeugnisse die Umsatzsteuer, die er schuldet, um den Betrag kürzen kann, den er durch den Einkauf Berliner Erzeugnisse an Umsatzsteuer verdient. Dieselbe Methode wollen wir mit den Anträgen der SPD und FDP erreichen. Nur dann haben wir einen echten Anreiz, den saarländischen Absatz zu fördern. Subventionen hin oder her, es wird nach unserer Kenntnis der Dinge niemals der Erfolg eintreten, der notwendig ist.Die Beschränkung auf den Absatz von der Saar ins Bundesgebiet bedeutet 'den Ausschluß der Förderung dort, wo sie einsetzen müßte, nämlich dort, wo uns die bundesdeutsche Konkurrenz trifft: an der Saar selbst. Es ist nicht vorstellbar, daß, wie man sagt, in einem oder zwei Jahren die saarländische Wirtschaft den bundesdeutschen Markt wieder, wie es vor 1935 war, erobert hat. Wir wissen, was das heißt, 'wir haben schon einmal eine 15jährige Abtrennung hinter uns gebracht und kennen die schlechten Erfahrungen im Jahre 1935. Auch damals war es der Saarwirtschaft trotz Unterstützung durch das autoritäre System nicht möglich, den reichsdeutschen Markt zu erobern. Die Saarwirtschaft konnte nur gehalten werden, indem die damalige Reichsregierung Staatsaufträge zum kostendeckenden Preis ohne Rücksicht auf die Konkurrenz an die Saar warf. Das allein rettete die Saar 1935. Es wird heute nicht möglich sein, mit der Subvention im Saarland die Arbeitsplätze zu erhalten.Meine 'Damen und Herren! Das ist eines der entscheidenden Fakten, die wir festzustellen haben. Wir sollten die Heimkehr der Saar und ihre Eingliederung in den deutschen Wirtschaftsprozeß wirklich nicht so kleinlich behandeln und sagen, wir geben für den Bruchteil von 8 % der Saarerzeugung eine Subvention, im übrigen möge aber die Saarwirtschaft sehen, wo sie bleibe. Ich bin der Auffassung, daß eine erfolgreiche Hilfe für den Absatz und seine Erhaltung nur über den Weg der Umsatzsteuerbefreiung nach dem Berlin-Verfahren möglich ist. Wir sind ja so bescheiden geworden, wir haben nicht einmal die Übernahme des Berlin-Verfahrens in vollem Umfang verlangt. Berlin gewährt 4 % Umsatzsteuerbefreiung für den Erzeuger und 4 % für 'den Erwerber; wir wünschen nur 4 % für 'den Abnehmer, den Erwerber.
— Jawohl, Herr Kollege, auch für den Absatz im Saarland. Das wird das Entscheidende sein.
— Richtig! Sie haben völlig recht. Aber die Dinge liegen doch insofern anders, als wir mit einem ganz großen Teil unserer Erzeugung von dem französischen Markt verdrängt werden. Diese Möglichkeit ist im Saarvertrag enthalten, der die Referenzzahlen statisch auf 1955 festgelegt hat und nicht den Zuwachs des Absatzes in den Jahren bis heute mit erfaßt. Wir werden auch vom Saarmarkt durch die deutsche Konkurrenz verdrängt werden infolge des Hungers nach deutscher Ware, der nun einmal vorhanden ist. Hier ist also ein ganz anderer Tatbestand gegeben. Man muß aber diesen anderen Sachverhalt berücksichtigen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4289
Dr. Schneider
Wir erkennen an, daß es Wirtschaftszweige geben wird, die in diesem Sinne nicht förderungswürdig sind. Man kann heute nicht sagen, welcher Wirtschaftszweig das ist. Obwohl ich mir bewußt bin, daß ich mir den Zorn der Bäcker und Metzger zuziehe, kann ich heute schon zugestehen, daß deren ortsgebundener Umsatz sich nicht verändert, so daß man ihre Ausschließung greifen kann. Eine ganze Reihe von Fällen werden auftreten, die plötzlich, von einem Tag zum anderen, eine Entscheidung erfordern.Deswegen haben wir in unserem Antrag die Ermächtigung vorgesehen, daß die Bundesregierung im Benehmen mit der Saarregierung Durchführungs- und Ausführungsbestimmungen treffen soll, die einmal Mißbräuche verhindern — wenn es auch immer Mißbräuche, Steuerhinterziehungen geben wird —und durch die die Bundesregierung zum anderen einzelne Wirtschaftszweige ausschließen kann, die jetzt oder in Zukunft von einem bestimmten Zeitpunkt an einer Absatzförderung nicht mehr bedürfen. Eine solche Regelung ist das Mittel gegen den Mißbrauch. Aber die grundsätzliche Einbeziehung des Saarmarktes in die Förderung ist nach meiner Kenntnis der Sache das A und das O für das Funktionieren der Eingliederung, des Einbettens, wie der Herr Bundeskanzler gesagt hat, der Saarwirtschaft in die bundesdeutsche Wirtschaft.Meine Damen und Herren, wir bitten Sie für die Saar inständig, diesem Antrag, der über das Wohl und Wehe aller in den saarländischen Betrieben Beschäftigten entscheidet, zuzustimmen. Es geht nicht, wie das bei den Ausschuß- oder Referentenbesprechungen oft zutage trat, um Prinzipien, um die Frage, ob man das Umsatzsteuerprinzip durchbrechen soll oder nicht, sondern es geht um die Erhaltung der Arbeitsplätze an der Saar. Das ist die letzte Konsequenz dieses Antrages.Ich bitte deshalb nochmals um Zustimmung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Becker .
Dr. Becker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schneider und Herr Seuffert, wir haben die Frage der Befreiung von der Umsatzsteuer im Saargebiet sehr ernst diskutiert. Wir nehmen diese Angelegenheit nicht leicht; das will ich Ihnen sagen. Wir haben im Finanzausschuß lange darüber diskutiert.
Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, daß man diesem Wunsch, für den ich persönlich Verständnis habe, einfach deswegen nicht Rechnung tragen kann, weil das erstens 75 Millionen DM pro Jahr kostet. Das ist schon ein erheblicher Betrag. Zweitens wird es sehr schwer sein, die Dinge noch zu kontrollieren, wenn das Saargebiet wirklich voll angeschlossen und in das deutsche Wirtschaftsgebiet, wie Sie sagten, eingebettet ist. Die Kontrollmöglichkeit ist die große Frage.
Wir haben sie schon bei den Verhandlungen über die Präferenzen für die Zonenrandgebiete überlegt und sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß Unterschleifen Tür und Tor geöffnet sein würden. In Berlin ist das etwas anders. Berlin liegt — Gott sei es geklagt — isoliert in der Zone. Da können Sie die Vorgänge kontrollieren. Im übrigen wird ja in Berlin nicht der Innenumsatz, sondern nur der Außenumsatz gefördert. Diese Regelung macht die Kontrolle und die Abgrenzung wesentlich leichter.
Herr Schneider, sehr interessant ist Ihre Überlegung — das muß ich als Kaufmann sagen —, daß man den Käufer und nicht den Lieferanten bevorzugen sollte. Man könnte in Zukunft vielleicht einmal darüber sprechen, ob man es vom Hersteller auf den Käufer umlegen sollte. Aber das können wir in dieser Stunde nicht mehr tun. Wir haben leider darüber im Finanzausschuß nicht im einzelnen gesprochen. Das würde ja dasselbe kosten. Man könnte sich darüber unterhalten, was wirkungsvoller ist, aber wir können jetzt nicht einfach die ganzen Umsätze im Saargebiet und außerhalb des Saargebiets befreien. Es ist ja ein Teil der Berlin-Regelung eingeführt worden, indem man nämlich die Lieferungen ins Bundesgebiet nicht nur mit einem Satz von 4, sondern jetzt 6 °/o fördert. Das ist, glaube ich, eine erhebliche Hilfe.
Wenn Sie hier immer wieder sagen, Sie rechneten sozusagen mit Sicherheit damit, daß die Menschen an der Saar nicht mehr beschäftigt sein werden, dann möchte ich doch dazu sagen, diese Behauptung ist nicht bewiesen. Sie haben, Herr Schneider, von dem Luftballon gesprochen. Ich meine, der liegt nicht auf der Erde, sondern er ist noch ganz schön gefüllt, nicht so, wie Sie sich ihn vorgestellt haben. So ist das im Leben: Man fordert mehr und bekommt etwas weniger. Aber vielleicht hat dieser Luftballon nur eine andere Farbe, als Sie gedacht haben.
Der Abgeordnete Seuffert hat das Wort
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß dem Herrn Kollegen Dr. Becker mit einigen Worten widersprechen. Erstens hat er gesagt, es bestünden hier mangelhafte Kontrollmöglichkeiten. Herr Kollege Dr. Becker, genauso wie in der einen Hälfte des Berlin-Förderungsgesetzes die Kontrolle für die Umsatzsteuervergütung beim westdeutschen Bezieher funktioniert, so funktioniert sie auch hier. Das sind Buchnachweise, und wie weit Berlin oder Saarbrücken entfernt ist, das spielt dabei wirklich gar keine Rolle.Sie haben zweitens gesagt, Herr Kollege Dr. Becker, daß sich über die Anträge hätte sprechen lassen, wenn sie im Ausschuß vorgelegt worden wären. Dazu muß ich Ihnen sagen, daß die Anträge im Wirtschaftspolitischen Ausschuß, dem mitberatenden Ausschuß, vorgelegt und dort sogar sehr eingehend debattiert worden sind. Auf Wunsch Ihrer Fraktion ist allerdings eine Abstimmung im Wirtschaftspolitischen Ausschuß unterblieben, und
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4290 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Seuffertmeine Anregung, die Dinge im federführenden Finanzausschuß noch einmal zu debattieren, ist von seiten Ihrer Fraktion zu meinem Bedauern abgelehnt worden.
Herr Abgeordneter Seuffert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Becker?
Bitte sehr!
Dr. Becker (CDU/CSU):. Herr Kollege Seuffert, haben Sie nicht gehört, daß ich nur von der Technik dieser Sache gesprochen habe, nicht von der Höhe? Ich habe davon gesprochen, daß man überlegen könnte, ob man nicht die Präferenz bei den Lieferungen ins Bundesgebiet dem Kunden und nicht dem Verkäufer gibt. Das wäre nur eine technische Umstellung. Das ist nicht etwa eine Diskussion darüber, ob man die Innenumsätze im Saargebiet befreien sollte!
Sie schränken also, Herr Kollege, Ihre Bereitwilligkeit, über die Dinge zu diskutieren, nicht ein. — Aber das sind ja nicht die wirklichen Gründe. Der wahre Grund ist der, daß man das Geld nicht hergeben will für das, was so dringend notwendig ist, nämlich die Unterstützung der saarländischen Industrie und der saarländischen Unternehmen und damit die Erhaltung der saarländischen Arbeitsplätze nicht nur auf dem bundesdeutschen Markt, sondern auch auf dem Saarmarkt gegen die bundesdeutsche Konkurrenz.
Herr Kollege Dr. Becker, eines muß noch angefügt werden: Die eine Hälfte der Dinge betrifft die Unternehmen, die in Konkurrenz mit bundesdeutschen Unternehmen in das Bundesgebiet liefern wollen. Das sind in der Regel die potenteren Unternehmen. Die andere Hälfte der Dinge betrifft die Unternehmen und die Arbeitsplätze, die von dem lokalen Markt des Saargebiets abhängen und die eine sehr potente herübergreifende Konkurrenz zu fürchten haben. Ich glaube, daß die andere Hälfte der Dinge, nämlich die, die durch unseren Antrag angesprochen wird, im Grunde in der Breitenwirkung für die Lage im Saargebiet die wichtigere ist. Man sollte nicht aus rein finanziellen Gründen — denn andere gibt es nicht — diese Seite der Sache vernachlässigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Meine Damen und Herren, es sind hier einige Punkte klarzustellen, vor allen Dingen der Einwand, der auch schon im Ausschuß von der Regierungsseite her zur Diskussion stand, daß bei der Umsatzsteuerbefreiung für das Saarland schlechtere Kontrollmöglichkeiten gegeben seien als bei dem Berliner Verfahren.Ja, meine Damen und Herren, da mußte ich und muß ich die Gegenfrage stellen: wie wollen Sie denn, wenn Sie Subventionen geben, kontrollieren? Wenn ein saarländischer Unternehmer, dem Sie Subventionen geben, Sie betrügen will, dann betrügt er Sie. Dann macht er eben falsche Angaben. Das Finanzamt muß also bei Subventionen genauso kontrollieren wie bei einer Umsatzsteuerbefreiung. Da gibt es keinen Unterschied.Daß die Finanzbehörden in Berlin schlechte Erfahrungen gemacht und daß sie die verschiedensten Kontrollmöglichkeiten im Wege der Ergänzung des Gesetzes durch Erlasse eingebaut haben, wissen wir. Deshalb habe ich ja gerade in unseren Antrag den Hinweis auf das Berliner Verfahren zur Vermeidung von Mißbräuchen aufgenommen. Das ist also eine ganz klare Erkenntnis der Dinge.Nun die Frage der Kosten. Meine Damen und Herren, bei der Frage, ob die Saarwirtschaft am Leben bleibt oder nicht, dürfen Kosten in Höhe von 50- oder 75 Millionen DM keine Rolle spielen. Nach meiner Auffassung ist es gar keine Frage, daß dieses Geld aufgewandt werden muß.Ich bin auch überzeugt, im Gegensatz vielleicht zu Ihnen, daß die Ablehnung, die weniger aus Ihrer Partei, als vielmehr von der Bundesfinanzverwaltung kommt, nicht einmal wegen der Mittel erfolgt ist, sondern wegen der Prinzipien. Die Steuerfachleute wollen an ihrem Prinzip festhalten, es soll keine Durchbrechung des Systems erfolgen. Das ist die letzte Ursache.Wir sind der Meinung, daß wir nicht helfen, wenn wir für die Umsätze von der Saar ins Bundesgebiet von 4 auf 6 % gehen; das macht heute 8 % vom Ganzen aus.
— Herr Kollege Fritz, die Maßnahmen sind doch nur ein Anreiz dafür, daß sie absetzen.
— Aber entscheidend! Es dürfen keine Geschenke an einzelne Betriebe werden, die sie gar nicht notwendig haben.
Ich will hier nicht über meine Erfahrungen mit Subventionen sprechen. Wir haben sie ja zwei Jahre gesammelt, und ich könnte Ihnen Zahlen nennen — unter vier Augen werde ich es einmal tun —, die zeigen, was das für ein Erfolg war. Das ist sinnlos. Es hat nur einen Sinn, wenn Sie den Absatz, die Absatzförderung und den Erwerbswillen für saarländische Erzeugnisse bei dem treffen, der darüber zu entscheiden hat, und das ist der Käufer, und zwar der Käufer an der Saar und der Käufer im Bundesgebiet. Dort müssen wir einsetzen.Ich möchte eine Wette eingehen, daß wir auf dieses Problem zurückkommen werden, selbst wenn Sie es heute in der Mehrheit ablehnen. Sie stellen die saarländische Wirtschaft vor eine Anfangssituation, die sie von vornherein in eine verzweifelte Lage bringt. Wenn eine Wirtschaft erst einmal leer-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4291
Dr. Schneider
läuft, ist es nicht möglich, sie so schnell wieder anzukurbeln.Ein Kollege im Ausschuß hat mir gesagt: Warten wir doch, bis die ersten Betriebe Arbeiter entlassen müssen. Bei der heutigen Serienherstellung kann man nicht warten, bis ein Teil der Arbeiter entlassen ist; dann liegt der ganze Betrieb still. Ich könnte Ihnen heute schon Fälle nennen, in denen saarländische Betriebe durch die Kaufzurückhaltung entweder vor dem Konkurs stehen oder ihn angemeldet haben, weil sie bereits jetzt keine Luft mehr haben. Wie wird ihnen die Luft erst ausgehen, wenn der Konkurrenzstrom der an der Grenze liegenden Waren auf sie zukommt? Wir sehen die Dinge mit klaren Augen; denn wir haben sie ja nun jahrelang gehabt. Ich möchte noch einmal sagen, die Bedenken, die der Herr Kollege Becker hier vorgetragen hat, dürfen uns nicht davon abhalten, dieses mit entscheidende Problem in einem guten Sinne zu lösen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Dr. Becker (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schneider, wir haben uns — wie ich zu Anfang meiner letzten Ausführungen sagte — über die Dinge sehr viele Gedanken gemacht und wir 'sind zu dem Entschluß gekommen, einen Entschließungsantrag vorzulegen, der an sich in der dritten Lesung eingebracht wird, den ich aber jetzt schon einmal verlesen möchte. Er hat folgenden Wortlaut:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, für die durch
die wirtschaftliche Angliederung des Saarlandes
- eintretenden Härten, insbesondere solche, die durch einen Umsatzrückgang oder durch eine wesentliche Verschlechterung der Beschäftigungslage verursacht werden, durch Sofortmaßnahmen im Sinne der Bestimmungen des § 131 Abs. 2 und Abs. 5 der Reichsabgabenordnung Abhilfe zu leisten, unbeschadet der Maßnahmen nach § 131 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung.
Das heißt, wenn in den ersten Monaten — das kann sehr schnell geschehen — festgestellt wird, daß bestimmte Betriebe oder bestimmte Branchen Umsatzrückgänge oder Beschäftigungsrückgänge haben — das sind ja Dinge, die man in wenigen Wochen nach dem Tage X feststellen kann, da braucht man keine Bilanzen zu sehen —, könnte man sofort durch Stundungen eingreifen, so daß den bedrohten Branchen, die sich dann erst richtig herausstellen, durch die Maßnahmen, die in dieser Entschließung niedergelegt sind, praktisch geholfen werden kann. Damit hätten wir dann keine generelle Maßnahme, aber wir haben eine gezielte Hilfe für diese Betriebe. Das wird dann auch einiges kosten; aber ich glaube, das wird dann leichter durchführbar sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Becker, auch noch ein Wort an Sie. Was wir mit den fast Bleichlautenden Anträgen vermeiden wollen, ist ja, daß das Sterben anfängt. Sie wollen beim Sterben durch Ihren Antrag Linderungsmittel geben, um den Patienten wieder auf die Beine zu bringen. Ich weiß nicht, ob daß das richtige Verfahren ist.
— Nein, das wäre ja schlimm. Wir wollen nicht, daß eine große Anzahl Patienten werden. Der Antrag, den wir gerade für den inneren Saaranteil gestellt haben — Sie wissen ja, welch großen Anteil unser Markt bedeutet —, könnte das verhindern, während die Entschließung, die Sie vorlegen, eben nur versucht, die Kranken wieder auf die Füße zu bringen. Ich glaube, der Antrag, den die FDP und die SPD gestellt haben, ist besser als der Entschließungsantrag, den Sie vorlegen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. — Das Wort zur Abstimmung!
— Sie beantragen namentliche Abstimmung über den Umdruck 358 Ziffer 3 der SPD-Fraktion. Wird dieser Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützt? — Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist ausreichend unterstützt. Wir stimmen über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion in Umdruck 358 Ziffer 3 in namentlicher Abstimmung ab.Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 358 Ziffer 3 bekannt. Es haben abgestimmt mit Ja 182 uneingeschränkt stimmberechtigte und 14 Berliner Abgeordnete, mit Nein 195 uneingeschränkt stimmberechtigte und 4 Berliner Abgeordnete; enthalten hat sich ein uneingeschränkt stimmberechtigter Abgeordneter. Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.Ja CDU/CSUBaldaufDr. Görgen Gottesleben RulandSPDFrau Albertz AltmaierDr. ArndtAugeBadingDr. BärschBäumer BalsBauer Baur (Augsburg) BazilleDr. BechertBehrendt BehrischFrau Bennemann BerkhanBerlinBlachstein Dr. Bleiß BörnerDr. Brecht BruseBüttnerConradCorterier CramerDewald DiekmannFrau Döhring DröscherFrau Eilers ErlerEschmann FallerFelder
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4292 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Folger Franke Dr. FredeFrehsee FrenzelGeiger GeritzmannHaage HamacherHansing Dr. HarmHauffe HeideDr. Dr. Heinemann Frau Herklotz HermsdorfHerold Höcker HöhmannHöhne HöraufFrau Dr. Hubert HufnagelIven
Jacobi JacobsJahn JürgensenJunghansFrau KeilhackFrau KettigKeuningKillat Kinat (Spork)Frau Kipp-Kaule Könen Koenen (Lippstadt) Frau KorspeterKraus KriedemannKühn KurlbaumLange LantermannLudwigLücke LünenstraßMaier MarxMatznerMeitmannDr. MenzelMerten MetterDr. Meyer Meyer (Wanne-Eickel) Frau Meyer-LauleDr. MommerMüller Müller (Ravensburg) Müller (Worms)Frau NadigOllenhauerPaulPeters Pohle Prennel Priebe PützPusch Rasch Regling RehsReitzReitznerFrau RengerRitzel Rohde Frau RudollRuhnkeDr. SchäferFrau SchanzenbachScheurenDr. Schmid Schmitt (Vockenhausen) SchoettleSchröder
Seidel
SeitherSeuffert StierleStriebeck TheisWagner Walpert Wegener WehrWelkeWelslauWeltner
Frau WesselWienand Wilhelm WischnewskiWittrock ZühlkeBerliner AbgeordneteFrau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau KrappeMattickNeubauerNeumannScharnowskiDr. Schellenberg Schröter Schütz (Berlin) Dr. SeumeFrau Wolff
FDPDr. AchenbachDr. Becker
Dr. BucherDr. DahlgrünFrau Dr. Diemer-Nicolaus Döring
DürrEilers EisenmannFrau Friese-KornKellerDr. KohutKreitmeyerMaukMischnickMurrDr. RutschkeSanderDr. Schneider SchultzSpitzmüllerStahlDr. StammbergerWalterWeber ZoglmannBerliner AbgeordneteFrau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. WillDPFrau KalinkeLogemann Matthes Dr. Preiß Probst
Dr. RipkenSchneider Dr. Schneider (Lollar)Dr. SchranzDr. SteinmetzTobabenNein CDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. Aigner ArndgenBaier BalkenholDr. BartelsBauer BauereisenBauschDr. Becker Becker (Pirmasens) BerberichDr. BergmeyerDr. BesoldDr. BirrenbachBlankFrau Dr. BleylerFrau Blohmvon BodelschwinghDr. Böhm BrandBreseFrau Dr. Brökelschen BrückDr. BuceriusBühlerBurgemeisterCaspers CillienDr. ConringDr. Czaja DemmelmeierDiebäckerDiel
Dr. DittrichDr. DollingerDrachsler DraegerDr. Dresbach EichelbaumDr. ElbrächterFrau EngländerEnkEpléeEtzenbachDr. Even FinckhFranzen Dr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)FunkDr. FurlerFrau Dr. Gantenberg GaßmannGedatGehring Gewandt GibbertGlüsing Dr. GötzGoldhagenGontrum Dr. GosselGüntherFreiherr zu Guttenberg HackethalHäusslerDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerHeixDr. HellwigHesemannHöcherlDr. Höck
HöflerHollaHoogen HornHuthDr. Huys Dr. JaegerJahn
JostenDr. KankaKemmerDr. KempflerKirchhoffFrau KlemmertDr. Kliesing KnoblochDr. Knorr KochDr. Kopf Kramel Krammig KrollKrüger
Krüger
KrugFrau Dr. KuchtnerKunstKuntscherKunzeLang
LeichtLenze
LeonhardLermer Leukert LulayMaier
MajonicaDr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. MartinMaucher MeisMemmel MengelkampMenkeMeyer
MickMuckermannMühlenbergMüser Nieberg NiederaltFrau NiggemeyerOetzelFrau Dr. PannhoffPelsterDr. h. c. PferdmengesDr. PflaumbaumFrau Pitz-SavelsbergFrau Dr. RehlingDr. ReinhardDr. ReithRiedel
Frau RöschRösing RufScharnbergScheppmannSchlee SchlickDr. Schmidt Frau Schmitt (Fulda) SchmückerSchüttlerVizepräsident Dr. JaegerSchütz Schulze-PellengahrSchwarzFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr. SeffrinSeidl
Dr. SerresSiebelDr. SiemerSolkeSpies
Spies StauchDr. SteckerStillerDr. StoltenbergDr. Storm
Storm StruveSühler Teriete Unertl VarelmannDr. VogelVogtWacher Dr. Wahl
Das Wort wird nicht gewünscht? —
— Ist erledigt, um so besser. — Herr Abgeordneter Seuffert!
Erledigt ist der Antrag nicht. Der Antrag ist nicht so weitgehend wie der Antrag, über den vorhin abgestimmt wurde. Über den Antrag muß also auch noch abgestimmt werden.
Herr Abgeordneter Seuffert, wenn der Antragsteller ihn für erledigt erklärt, ist er zurückgezogen. Damit ist die Sache erledigt. Sie müßten den Antrag neu stellen, das wollen Sie offenbar nicht, denn Sie hatten bereits einen Antrag gestellt. Es bleibt also dabei, daß die Sache erledigt ist.
Ich rufe dann auf Umdruck 373 Ziffer 7 betreffend Einfügung eines § 84c. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr, Schneider.
Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um die Frage der Erhaltung der Umsatzsteuerfreiheit für die freien Berufe im Saarland. Die freien Berufe im Saarland hatten bisher nach dem saarländischen Umsatzsteuergesetz schon den Zustand, der hier im Bundesgebiet angestrebt und, wie uns mitgeteilt wird, auch in die Reform einbezogen wird. Ich darf mich auf eine Aussprache beziehen, die der Vorsitzende des Verbandes der freien Berufe im Auftrage der saarländischen Betroffenen mit Herrn Bundesfinanzminister Etzel über die Frage hatte. Ich bin ausdrücklich ermächtigt, zu sagen, daß Herr Minister Etzel erklärt hat, daß er der Erhaltung der Sonderregelung an der Saar für einen Zeitraum keinen Widerstand entgegensetze, wenn der Bundestag aus seiner Initiative dem zustimme. Wir haben von uns aus diese Sonderregelung bewußt auf den Veranlagungszeitraum 1962 beschränkt, weil wir annehmen, daß in dieser Zeit — der Legislaturperiode des Bundestages — die Umsatzsteuerreform durchgeführt und dann das Problem generell geregelt wird. Sollte es nicht gelingen, die Umsatzsteuerfreiheit der freien Berufe im Bund zu regeln, würden die freien Berufe an der Saar nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraumes von 1962 die Umsatzsteuer zu zahlen haben. Ich bitte, auch diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.Dr. Becker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte dem Antrag aus demselben Grunde, den ich Ihnen so-WeinkammFrau Welter WendelbornDr. Werber Wieninger Dr. Willeke Windelen WinkelheideDr. Winter Wittmann WormsDr. WuermelingWullenhauptDr. ZimmerBerliner AbgeordneteDr. Gradl HübnerDr. Krone StinglEnthaltenCDU/CSU Heye
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4294 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Dr. Becker
eben nannte, abzulehnen. Wir brauchen die Rechtsgleichheit gerade auf diesem Gebiete ebenso wie bei der Gewerbesteuer. Es ist nicht möglich, das in einem einheitlichen Bundesgebiet in der richtigen Form abzugrenzen. Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Conrad!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich auch dabei um einen Besitzstand, um etwas, was vorhanden ist. Wir wissen alle, daß die Diskussion über diese Frage im allgemeinen geht, und ich glaube, es wäre wirklich gut, wenn der Bundestag beschlösse, dieser Besitzstandswahrung bis zum Abschluß der Diskussion über die generelle Regelung für den Bund zuzustimmen. Wir bitten also, unseren Antrag anzunehmen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck 373 Ziffer 7 auf Einfügung eines § 84c. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf die §§ 85, — 86, 87, — 88, — 89,
— 90, — 91, — 92, — 93, — 94, — 95, — 96, — 97 entfällt, 98, — 99, — 100, — 101, — 102, — 103, — jeweils in der Ausschußfassung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 104, zugleich mit dem Änderungsantrag Umdruck 373 Ziffer 8. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Schneider .
Meine Damen und Herren! Der Antrag zu § 104 hat kaum eine praktische, dafür aber eine um so größere präjudizielle Bedeutung. In § 104 sind die Möglichkeiten vorgesehen, für das noch laufende Kalenderjahr nach dem Tage X Vorauszahlungen auf eine spätere Lastenausgleichsregelung für das Saarland zu erheben. Das Gesetz über einen saarländischen Lastenausgleich — oder so etwas Ähnliches — ist in Vorbereitung und muß in diesem Jahr noch verabschiedet werden. Wie das Gesetz aussieht, wird sich unter Umständen aus der Höhe der Vorauszahlungen ergeben. Der saarländische Landtag war einstimmig der Meinung, daß man die Vorauszahlungen nicht jetzt schon so hoch festlegen sollte, daß darin ein Präjudiz liegen würde. Der Satz 2 vom Tausend entspricht dem Vierfachen des Betrages, den wir an der Saar bis jetzt an Vermögensteuer und Lastenausgleich aufbringen. Unser Lastenausgleich liegt in einem Zuschlag zur Einkommen-, Körperschaft- und Lohnsteuer; daher seine stärkere Finanzkraft. Wir sind der Meinung, daß es, wenn wir ohnehin schon am Tage X die Vermögensteuer vervierfachen und den Zuschlag zum Lastenausgleich als Vorauszahlung nehmen, unmöglich ist, gleich auf das Vierfache des Ganzen zu gehen. Wir beantragen lediglich, den im Entwurf vorgesehenen Satz von 2 vom Tausend auf 1,25 vom Tausend zu ermäßigen. Jeder Steuerpflichtige weiß, daß er im Endergebnis nachzahlen muß — heraus bekommt er selten etwas —, wenn später in der Endregelung ein Betrag festgelegt wird, der die Vorauszahlungen übersteigt.
Ich glaube, das Hohe Haus kann daher diesem Antrage ohne Bedenken zustimmen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 373 Ziffer 8 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den § 104 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 105, — § 106, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den beiden Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Damit komme ich zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Draeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar kurze Bemerkungen. Mit dem Entschließungsantrag, den Herr Dr. Becker Ihnen schon vorgelesen hat, möchte ich mich in zweiter Linie befassen.Zuerst zu dem Problem, das in der allgemeinen Aussprache sowohl von dem Abgeordneten Schneider als auch von dem Abgeordneten Seuffert angesprochen worden ist. Was hier zunächst die Lieferungen von der Saar in das übrige Bundesgebiet betrifft, so ist ganz klar, daß wir auf die vorgesehenen Förderungsmaßnahmen oder auf die, wenn Sie wollen, Starthilfen nicht verzichten können. Herr Abgeordneter Schneider kennt ja von seiner Tätigkeit als saarländischer Minister sehr wohl die Gründe, weshalb es der saarländisehen Wirtschaft trotz dieser Förderungsmaßnahmen nicht gelungen ist, auf dem deutschen Markt nennenswert Fuß zu fassen. Ich glaube aber, Herr Abgeordneter Schneider wird mit mir der Meinung sein können, daß nach dem Tage X, an dem die Zollgrenze und der Papierkrieg wegfallen und an dem solidere, stabilere wirtschaftliche Verhältnisse auch an der Saar einkehren, damit günstigere Voraussetzungen geschaffen sind, um einen Teil unserer saarländischen Produktion auch auf dem gesättigten deutschen Markt unterbringen zu können.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959 4295
DraegerNun aber zu dem zweiten Problem. Da gestehe ich Ihnen ganz frei, daß ich ebenfalls sehr große Sorgen habe, ob es der saarländischen Wirtschaft gelingen wird, nach dem Tage X bei dem massiven Druck sowohl von französischer als auch von bundesrepublikanischer Seite ihren eigenen innersaarländischen Markt, der bisher 42 % der Produkton aufgenommen hat, zu erhalten und zu sichern.Ich will auf die einzelnen Punkte, die heute abend im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerbefreiung für Lieferungen innerhalb des Saarlandes erwähnt wurden, nur mit ganz wenigen Bemerkungen eingehen. Die interessierten Damen und Herren wissen ja, wie sehr wir uns um dieses Problem im Wirtschaftsausschuß und wie sehr wir uns auch innerhalb unserer eigenen Fraktion im Arbeitskreis gemüht und geplagt haben, dort einen Modus vivendi zu finden. Es ist ganz klar, daß die generelle Umsatzsteuerbefreiung solcher saarländischen Lieferungen innerhalb der Saar eine elegante, glatte, runde Sache wäre. Ich stehe auch nicht an zu erklären, daß niemand an der Saar einer solchen Lösung feindlich gegenüberstehen würde.Aber, meine Damen und Herren, darum geht es doch gar nicht. Die Fragestellung ist von den Vorrednern, wenn ich richtig verstanden habe, so präzisiert worden: Wie kann man der in Not geratenden saarländischen Wirtschaft schnellstens helfen? Da bin ich nicht der Meinung, die der Herr Kollege Seuffert geäußert hat, daß man hier nicht bereit wäre, Geld herzugeben. In unserem Entschließungsantrag gehen wir nämlich von der Tatsache aus, daß nur denen, die wirklich Hilfe brauchen, sofort und schnell und individuell Hilfe gewährt werden soll und gewährt werden wird. Beide Vorredner haben ja schon etwas vorgebracht, was ihnen im Hinblick auf die Umsatzsteuerbefreiung Kummer macht. Keiner der beiden Vorschläge hat doch versucht, sich mit einer Negativliste auseinanderzusetzen, und uns ist das ebenfalls nicht geglückt. Daher glauben wir, daß dieser Entschließungsantrag den echten saarländischen Belangen sehr weitgehend entgegenkommt.Meine Damen und Herren, wir haben auch diesen Entschließungsantrag mit der saarländischen Wirtschaft in Saarbrücken besprochen. Ich darf Ihnen sagen, daß man dort — es waren im übrigen alle maßgebenden Wirtschaftsgruppen vertreten — einmütig der Auffassung war, mit dieser Lösung, wie sie unser Entschließungsantrag enthält, über die ersten Schwierigkeiten hinwegkommen zu können.Ich darf Ihnen zum Schluß unseren Entschließungsantrag im Wortlaut vorlesen:Die Bundesregierung wird ersucht,für die durch die wirtschaftliche Eingliederung des Saarlandes eintretenden Härten, insbesondere solche, die durch einen Umsatzrückgang oder durch eine wesentliche Verschlechterung der Beschäftigungslage verursacht werden, durch Sofortmaßnahmen im Sinne der Bestimmungen des § 131 Abs. 2 und Abs. 5 der Reichsabgabenordnung Abhilfe zu leisten, unbeschadet der Maßnahmen nach § 131 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung.Meine Damen und Herren, wir haben niemals gedacht und uns auch niemals in unseren Uberlegungen von dem Gedanken leiten lassen, daß nun nach Ablehnung der Umsatzsteuerhilfe gar nichts kommen sollte. Wir glauben, daß mit dieser Entschließung für die betroffenen Wirtschaftskreise eine Grundlage geschaffen ist, auf der man tatsächlich unbeschränkt und umgehend Hilfe gewähren kann Denn das ist doch klar: Umsatzrückgang oder Gefährdung von Arbeitsplätzen wird der Kaufmann innerhalb von 14 Tagen oder drei Wochen feststellen können; dazu braucht er nicht eine lange Bilanz aufzustellen. Dann ist der Weg nicht nur zur Stundung, sondern auch zum Antrag auf Befreiung von der Umsatzsteuer gegeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider .
Meine Da men und Herren! Ich möchte zu dem, was mein lieber Kollege Draeger hier ausgeführt hat, mit Goethe aus dem „Faust" sagen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Wer einmal im steuerlichen Leben als Steuerberater und Praktiker gearbeitet hat, der weiß, daß man mit dem § 131 der Abgabenordnung den Konkurs eines Unternehmens allenfalls noch einige Monate hinausschieben kann.Nach Ihrem Antrag ist es schon begrifflich notwendig, daß die saarländischen Betriebe, die von der Vergünstigung einer Stundung oder gar einer Niederschlagung von Steuern Gebrauch machen wollen, schon im Sterben liegen, ehe sie diese Vergünstigungen in Anspruch nehmen können; denn sonst liegt kein Härtefall vor.Was aber hier zur Diskussion steht, ist eine Hilfe im Sinne der Absatzförderung. Welcher Betrieb kann, selbst wenn es ihm nach Monaten oder Jahren irgendwie gelingt, eine Steuerstundung oder -niederschlagung zu bekommen, das vorher in seine Kalkulation der Preise und damit in seine Angebote gegenüber der deutschen Konkurrenz einschließen? Das ist ein völliges Unding. Dieser Antrag hat eine Verlängerung der Sterbezeit für die Betriebe zur Folge, die zum Sterben verurteilt sind. Vorhin wurde hier gesagt, vielleicht erhalte diese Möglichkeit den einen oder anderen noch am Leben. Ich glaube aber, daß das Schwergewicht nicht beim Leben liegt, sondern bei der Verlängerung der Sterbezeit.Außerdem setzt dieser Antrag — das weiß jeder Steuerfachmann — betrieblich voraus, daß in jedem Einzelfall der gesamte Betrieb, die gesamte Betriebsführung analysiert werden. Es muß der Nachweis geführt werden, wieso, warum, weshalb.Damit ist uns also, so gut der Antrag gemeint ist, kaum etwas zu helfen, ganz abgesehen davon, daß die Umsatzsteuer — auch das wissen die Steuerfachleute — diejenige Steuer ist, die in monatlichen Veranlagungszeiträumen abgeführt werden muß und die von allen Steuern am energischsten einge-
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Dr. Schneider
trieben wird. Also Umsatzsteuer und Sozialbeiträge sind das, was die Betriebe zuerst bezahlen. Erst später, nach der Veranlagung, zahlen sie dann Körperschaft- oder Einkommensteuer. Damit ist uns nicht geholfen, selbst wenn der Antrag durchgehen und damit ein schwaches Trostpflästerchen bewilligt werden sollte. Ich will nicht gegen dieses schwache Trostpflästerchen sprechen, aber ich muß doch feststellen, daß von dem schönen Luftballon — jetzt komme ich wieder darauf — des Berliner Verfahrens hier nur die eingeschrumpelte Haut übriggeblieben ist. Auf die Frage, Herr Kollege, wie die Farbe dieser Haut ist, möchte ich sagen: die Farbe von eingeschrumpelten Luftballons pflegt meistens schwärzlich zu sein.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hettlage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Herren Abgeordneten! Eine kurze Bemerkung zu den letzten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schneider. Der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU unterscheidet zwischen den Maßnahmen nach § 131 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung einerseits und den Billigkeitsmaßnahmen im Sinne der Bestimmungen des § 131 Abs. 2 und Abs. 5 der Reichsabgabenordnung.
Zur Veranschaulichung darf ich sagen, daß sich der Abs. 1, dessen Anwendung ausdrücklich vorbehalten ist, auf individuelle Feststellungen und Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall bezieht. Das ist ausdrücklich offengehalten.
Der Schwerpunkt des Antrages und auch der entsprechenden Absichten der Bundesregierung liegt in den Absätzen 2 und 5. Danach können für bestimmte Gruppen von gleichgelagerten Fällen, teils durch Richtlinien des Finanzministers, teils durch selbständige Maßnahmen der Finanzdirektionen und der Finanzämter, allgemeine Billigkeitsmaßnahmen für typische Notstände getroffen werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, um allgemeinen und typischen Notständen, die bei der Einziehung von Steuern im Zuge der wirtschaftlichen Rückgliederung der Saar entstehen können, zu begegnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker .
Dr. Becker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist wichtig, daß der Vertreter der Regierung, Herr Staatssekretär Hettlage, das hier erklärt hat. Wir werden ihn im Interesse des Saarlandes an diese Erklärung erinnern.
Herr Schneider, wir werden uns mit Ihnen — das gilt auch für die anderen Herren aus dem Saargebiet — dafür einsetzen, daß sehr schnell wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen werden.
Noch kurz zu dem „Luftballon". Ich will ein paar Zahlen nennen. Was der Bund für das Saargebiet getan hat, ist keine Lappalie. Der Bund hat für das Saargebiet bisher 2092 Millionen DM eingesetzt.
Die Gesetze, die wir hier beschließen, umfassen eine Summe von 290 Millionen DM. Das kommt noch dazu, und zwar 290 Millionen für das Jahr 1960; in den späteren Jahren wird es durch die Überleitungsmaßnahmen weniger. Ich glaube, das ist ein ganz schöner Luftballon.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir halten, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, den Antrag für bedeutend schlechter als denjenigen, der vorhin zur Abstimmung stand. Ich möchte ihn als einen, wie man bei uns zu sagen pflegt, „faulen Appel" bezeichnen. Wir möchten aber nicht versäumen, jede Möglichkeit zu ergreifen, irgendwelche Schwierigkeiten zu verhindern. Deshalb werden wir diesem Antrag trotzdem zustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf § 65b und dazu den interfraktionellen Änderungsantrag Umdruck 375 Ziffer 1. Wird das Wort gewünscht? —Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Damit ist § 65b in der Neufassung gemäß dem Änderungsantrag Umdruck 375 beschlossen.Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 375 Ziffer 2 zu § 65c. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Wer § 65c mit der soeben beschlossenen Ergänzung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf § 74 und dazu den Änderungsantrag Umdruck 375 Ziffer 3. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Wer § 74 mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf § 98, hierzu den gleichen Umdruck Ziffer 4. Das Wort dazu wird nicht gewünscht.Wer der Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Wer § 98 in der Fassung der zweiten Beratung, jedoch mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren! Damit ist die Einzelberatung beendet. Ich komme zur Schlußabstimmung.
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Vizepräsident Dr. JaegerWer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich komme nunmehr zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 370. Der Antrag wurde bereits begründet.Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren! Ich komme nunmehr zu Ziffer 1d der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines D-Markbilanzgesetzes für das Saarland ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1153).
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Seuffert, hat schriftlich Bericht erstattet. Ich danke ihm dafür. Der Herr Berichterstatter hat gebeten, einige redaktionelle Änderungen vorzunehmen. Ich darf den Herrn Berichterstatter bitten, sie vorzulesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich teilweise um Druckfehlerberichtigungen in der Vorlage des Finanzausschusses.
In § 28 Absatz 1 letzter Halbsatz muß es statt „Gesellschaften" heißen „Gesellschafter".
In § 58b Absatz 4 letzter Halbsatz muß es statt ,, D-Markbilanzergänzungslgesetzes" heißen „D-
Markbilanzgesetzes "
In § 51 der Ausschußvorlage ist in Absatz 4 Satz 3 eine Verordnung zitiert, welche nach der ursprünglichen Annahme ungefähr mit Verabschiedung des Gesetzes hätte erschienen sein können. Das kann aber nicht der Fall sein. Es müssen deshalb die Worteeingefügt werden: „nach der auf Grund des § 18 Absatz 1 Nr. 2 ,des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956 zu erlassenden Verordnung".
Ich darf diese Berichtigungen schriftlich 'dem Herrn Präsidenten zu Protokoll übergeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für die Ergänzung seines Berichts. Ich nehme die Änderungen zu Protokoll.
Ich komme zur Einzelberatung und rufe auf die §§ 1 bis 62einschließlich Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Das Wort dazu wird nicht gewünscht.
Wer den ,aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte 'ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. So 'beschlossen.
Ich komme zur dritten Beratung und eröffne die allgemeine Aussprache. Wird Idas Wort gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren! Punkt le wird auf die morgige Sitzung zurückgestellt.
Wir kommen zu Punkt 1 f:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung von Ersparnissen im Saarland ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 1148, zu 1148, Nachtrag zu 1148).
Der Herr Abgeordnete Katzer hat 'einen Schriftlichen Bericht erstattet. Ich danke 'ihm dafür.
Ich rufe auf 'in der Einzelberatung § 1 zugleich mit dem Umdruck 374. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag der FDP auf Umdruck 374 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Ich bitte um die 'Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über § 1 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf §§ 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7,
— 8, — 8a, — 9, — 10, — 11, — 12, — 13, — 14,
— 14a, — 15, — 16, — 17, — 18, — 19. — 20, —21, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die allgemeine Aussprache wird sich, falls erforderlich, auch auf den Entschließungsantrag Umdruck 361 erstrecken.
Herr Abgeordneter Wilhelm!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich den Entschließungsantrag Umdruck 361 wie folgt begründen. Das in dritter Lesung verabschiedete Gesetz zur Sicherung von Ersparnissen im Saarland ist eine begrüßenswerte Maßnahme, von vielen saarländischen Sparern, die ihre Gelder auf Sparkonten oder in sonstiger, Vom Gesetz im einzelnen bezeichneter Weise angelegt haben, die großen Nachteile der letzten Franken-
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Wilhelmabwertung vom 19. Dezember 1958 durch einen Ausgleich abzuwenden.Die Beratung des Gesetzes im Wirtschaftsausschuß ergab jedoch, daß es aus verschiedenen Gründen nicht möglich war, die Währungsverluste für größere Bevölkerungskreise, .die ihre Gelder in anderer als in der im Gesetz näher festgelegten Weise angelegt haben, ebenfalls im Rahmen des Gesetzes auszugleichen. So wurden beispielsweise die Festgeldkonten, die Kündigungskonten, der Bodensatz bei Lohn-, Gehalts- und Rentenkonten sowie die Kapital- und Wartekonten nicht in das Gesetz einbezogen.Ferner möchte ich darauf hinweisen, daß unzählige Rentennachzahlungen für weit zurückliegende Zeiträume infolge der laufenden erheblichen Entwertung des Franken und des hieraus resultierenden steigenden Preisniveaus in ihrer Kaufkraft erheblich gemindert wurden. Die Arbeitnehmerschaft des Saarlandes ist seit mehr als zehn Jahren von der ständigen Frankenentwertung und dem steigenden Preisniveau in besonderem Maße betroffen. Von Zeit zu Zeit wurden Löhne, Gehälter und Renten erhöht. Jedoch nur selten konnte eine kaufkraftmäßige Angleichung an den höheren Preisindex erzielt werden. In fast allen Fällen hinkten die Einkommenserhöhungen nach, viele Monate nach den Preissteigerungen, so daß jeweils erhebliche Kaufkraftverluste eintraten.Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß das Gesetz zur Sicherung von Ersparnissen im Saarland nur die Währungsverluste eines fest umrissenen Kreises von Sparern ausgleicht, die durch die letzte Frankenabwertung am 19. Dezember 1958 eingetreten sind. Ein Ausgleich für die Nachteile anläßlich der Frankenabwertung im August 1957, als das Saarland politisch bereits ein Teil der Bundesrepublik war, ist nicht vorgesehen.Die vorliegende Entschließung verfolgt den Zweck, einen globalen Ausgleich für die Währungsverluste zu verschiedenen Zeiten für alle hiervon Betroffenen herbeizuführen. Diese begrüßenswerte Maßnahme würde einen Aufwand von rund 60 Millionen DM ergeben. Im übrigen hat der saarländische Landtag in einer einstimmig angenommenen Entschließung am 2. Juni dieses Jahres den gleichen Wunsch geltend gemacht. Die Bevölkerung des Saarlandes würde es dankbar begrüßen, wenn das Hohe Haus mit der Annahme des Entschließungsantrages die Voraussetzungen für eine solche Währungsausgleichsmaßnahme schaffen würde.Aus diesen Gründen bitte ich Sie, meine Damen und Herren, unserem Entschließungsantrag Umdruck 361 Ihre Zustimmung zu geben.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch dieser Antrag hat seine Berechtigung, ohne daß man den Einwand erheben kann, hier würden dem Bund und der Bundesregierung wieder Lasten auferlegt. Zu den großen Zahlen, die wir gehört haben, werde ich morgen noch Stellung nehmen, denn es wird alles in einen Topf geworfen: Darlehen, Kredite, Hilfen und Leistungen an Frankreich. Das wird uns alles angerechnet, obwohl der Herr Bundeskanzler, wie ich heute mittag zitiert habe, erklärt hat, es würde nicht angerechnet. Es könnte also auch hier den Anschein haben, als ob die Forderung der Kopfquote ein neues Opfer des Bundes und der Bundesbürger an die Saar wäre.Meine Damen und Herren! Die Saarbevölkerung hat im Gegensatz zur deutschen Bevölkerung innerhalb zweier Jahre, vom 10. August 1957 bis zum 31. Dezember 1958, 40 % ihres gesamten Geldvermögens eingebüßt, und zwar dank der Maßnahmen der- französischen Regierung, die angeordnet hat, der Umrechnungskurs beträgt soundso viel.Diese Frage der Behandlung der Saarbevölkerung im Zuge der französischen Abwertung hat im Bundestagswahlkampf an der Saar eine außerordentlich große Rolle gespielt. Meine Damen und Herren von der CDU, es war Ihr Zugpferd im Wahlkampf, Herr Minister Erhard, der mit ganz konkreten Versprechungen und Erklärungen im Wahlkampf 1957 Zehntausende Wählerstimmen gewonnen hat, auch mit der Begründung und mit dem Hinweis, daß er, Erhard, für die umgehende Rückkehr der Saar sorgen werde.
— Nun, Herr Kollege Dr. Fritz, wir haben diese Ersparnissicherung nach einem einjährigen Kampf erreicht, nachdem sie von der Bundesregierung bereits abgelehnt worden war.
— Moment, Herr Kollege Dr. Fritz, ich werde Ihnen gleich die Begründung geben: Nachdem die Bundesregierung sie schon einmal abgelehnt hatte, haben wir sie nach einjährigem Kampf durchbekommen. Aber es sind, wie der Kollege Wilhelm ganz richtig sagte, eine Reihe von Menschen ausgeschlossen worden, die mit ihren Geldanlagen den gleichen Sparwillen hatten wie die anderen, die darunterfallen. Es ist ganz klar, daß ein Gesetz zur, Belebung der Wirtschaft durch Sparwillen bzw. durch Geldanlage nicht haarscharf Trennungen schaffen kann.
— Augenblick! Augenblick! Wir haben damals mit unserer zweiten Formulierung zurückstecken müssen, weil die erste Formulierung in dem Memorandum vom 13. November 1957 bereits abgelehnt worden war und wir zwangsläufig in dem zweiten -vom Mai, wieder nach dem Prinzip des Kuhhandels, bescheidener werden mußten. So war es! Wir sinc
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Dr. Schneider
durchaus dankbar, und auch die Betroffenen sind dankbar, daß wir wenigstens das erreicht haben. Das habe ich heute morgen auch erklärt.Aber es handelt sich jetzt darum, ob man denen, die nicht den Vorteil des Gesetzes haben, einen Bonus gibt. Ich bedaure außerordentlich, daß das Hohe Haus den Antrag von mir und meiner Partei abgelehnt hat, auch für den Bodensatz der Gehaltskonten der Sparer des öffentlichen Dienstes, die bekanntermaßen auf ihrem laufenden Gehaltskonto einen Bodensatz als Sparguthaben stehenlassen, einen Bonus zu gewähren. Dort ist eine ganz große Erbitterung, gerade bei den Sparern im öffentlichen Dienst, den Beamten und Angestellten.Der Ausweg, der im saarländischen Landtag gefunden worden ist, war jetzt der, denen, die nichts bekommen haben, die nicht unter das Gesetz fallen, einen Ausgleich durch eine Kopfgeldquote zu geben. Ich verkenne nicht die rechtlichen Schwierigkeiten, ich verkenne nicht das Problem, das im Saarvertrag steckt; aber im Prinzip ist die Forderung der Entschließung begründet. Denn gehen Sie, meine Damen und Herren, doch bitte einmal davon aus, es hätte keine Abwertungen gegeben. Dann hätte die Saarbevölkerung heute beim Umtausch ihre vollen Werte, und die Bundesregierung müßte zur Abfindung der französischen Forderungen aus dem Saarvertrag den vollen D-Mark-Betrag aufwenden, der durch den Ankauf unserer Franken im Saarland realisiert wird. Dieser Betrag war in dem Bericht zum Eingliederungsgesetz 1956 genannt; es waren 980 Millionen DM.I Durch die zweimalige Abwertung ist dieser Betrag entsprechend vermindert worden, und es ist nur ein gerechter Anspruch, wenn die Saarbevölkerung an diesem Währungsgewinn einen Anteil dadurch wünscht, daß ihr die volle Abwertung nicht zuteil wird. Die Abwertung von 1957 — das hat Herr Wilhelm gesagt — müssen wir ja schon allein tragen. Es bleibt jetzt nur noch die Frage dieses Ausgleichs.Das ist kein unzumutbares Opfer, denn die Franken, die wir abliefern, werden der Bundesregierung zur Verfügung gestellt, und die Bundesregierung erfüllt damit die Verpflichtungen aus dem Saarvertrag, die nach unserer Auffassung nur zu einem Teil begründet waren und die zu einem Teil ein Entgegenkommen an Frankreich darstellten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD, durch eine Entschließung die Bundesregierung aufzufordern, bei der Währungsumstellung der Saarbevölkerung eine sogenannte Kopfgeldquote günstiger umzustellen, als es dem amtlichen Wechselkurs entspricht, stößt auf erhebliche Schwierigkeiten.Zunächst zu dem, was das Umstellungsverfahren selbst angeht. Herr Kollege Dr. Schneider hat bereits auf die rechtliche Problematik im Hinblick auf den Saarvertrag und die dort gemachten Feststellungen, daß der amtliche Wechselkurs zugrunde zu legen ist, hingewiesen. Immerhin würde das noch nicht dazu ausreichen, die nachträgliche Korrektur eines solchen Währungsschadens unmöglich zu machen.Ich muß aber hier in aller Offenheit die Frage stellen: wollen Sie diesen Währungsschaden der Saarbevölkerung wirklich wesentlich günstiger behandeln als die Währungsschäden, die der gesamten deutschen Bevölkerung durch die Währungsreform vom Juni 1948 entstanden sind, anders auch als die Behandlung der Währungsschäden und die Entschädigungsregelungen im Lastenausgleich? Das ist doch das, was sofort in Bewegung kommen wird, wenn Sie der Saarbevölkerung eine abweichende Regelung der Währungsschäden geben. Dann werden Sie den Damm nicht mehr halten können, und das gesamte Problem der Währungsschäden im ganzen Bundesgebiet wird noch einmal aufgerollt.
Ich weiß nicht, ob es im Interesse der Saarbevölkerung liegt, diese Diskussion zu vertiefen.
Wir wissen, meine Damen und Herren — das soll nicht im Sinne eines Vorwurfs festgestellt werden, sondern nur, um diese Forderung auf die sachliche Ebene zurückzuführen, auf die sie gehört —, daß die Währungsumstellung für die Reichsmark an der Saar 1947/48 erheblich günstiger war als die für die Reichsmark im späteren Bundesgebiet. Die Saar hat damals für eine Reichsmark 20 französische Franken bekommen. Die Kaufkraft dieser Franken — in einem Mittelwert, aus den verschiedenen Vergleichsrechnungen der Lebenshaltungskosten usw. berechnet — bedeutete, daß von der Reichsmark — in Franken umgestellt — immerhin noch 44 % der Kaufkraft erhalten blieben. Vergleichen Sie das mit der Umstellungsquote von 6,5 % bei der Währungsreform im Bundesgebiet. Wenn Sie die nachfolgenden Altsparerregelungen und -entschädigungen nehmen, selbst bis zur Quote von 20 % für bestimmte Arten von Altsparerguthaben usw., dann bleibt das doch noch erheblich hinter dem zurück, was der Saarbevölkerung bei ihrer Währungsumstellung erhalten blieb.Nun wird zu Recht eingewandt: Ja, aber das damalige Preisniveau ist durch die Verschlechterung der Kaufkraft des französischen Franken erheblich verlorengegangen, und der Kollege Dr. Schneider hat auch zu Recht auf die zweimalige Abwertung in den letzten beiden Jahren hingewiesen. Aber selbst wenn man diese Kaufkraftverschlechterung des französischen Franken noch voll mit anrechnet und einbezieht, ergibt sich — wenn man den Gesamtvorgang von der Reichsmark bis zur D-Mark zusammennimmt — für die Gesamtheit der Saarbevölkerung hinsichtlich ihres Geldvermögens eine bessere Quote, als sie die Bevölkerung im übrigen Bundesgebiet hatte. Das sind nun einmal Dinge, die wir nicht wegdiskutieren können und die wir im Hinblick auf die Problematik der allgemeinen Währungsschäden, die damit sofort angeschnitten wird,
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4300 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1959
Dr. Hellwigdoch nicht einfach übersehen können. Ich glaube daher, daß es berechtigt ist, wenn ich Sie nicht nur aus den Gründen zunächst der formalen Unvereinbarkeit mit dem Vertrag, sondern auch aus grundsätzlichen Überlegungen wegen der Gleichstellung mit den Altsparerregelungen bei uns und wegen der Behandlung von Währungsschäden im Lastenausgleich bitte, den Antrag auf diese Entschließung abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben damit gerechnet, daß das Argument, nach dem Saarvertrag sei so etwas nicht möglich, gebracht wird. Wir haben deshalb schon vorab einen Eventualantrag gefertigt, um diesem Argument zu begegnen. Der Antrag, den wir gestellt haben, soll in zwei Absätze eingeteilt werden; der zweite Absatz soll lauten:
In Verhandlungen mit der französischen Regierung die Zustimmung zu der unter Nr. 1 ausgeführten Regelung zu erwirken.
Das heißt, im vollen Einvernehmen mit dem Partner aus dem Saarvertrag das zu gestalten.
Die übrigen Argumente, Herr Dr. Hellwig, waren auch zu erwarten; sie stimmen teilweise. Bei der Währungsumstellung von Reichsmark über Saarmark in französiche Franken im Verhältnis zur Umstellung Reichsmark in D-Mark hat die Saarbevölkerung etwas besser ,abgeschnitten. Nur das, was sie dann dafür kaufte, vor allen Dingen die Güter der gewerblichen Wirtschaft, die bei uns ebenso fehlten wie in der übrigen Bundesrepublik, war das nicht wert, was dafür bezahlt wurde. Wir bekamen die Ladenhüter aus einem anderen Lande. Sie schütteln den Kopf. Ich will Ihnen deutlich sagen, um was es geht. Sie haben zwar die Inflation von 1957 und die, von 1958 aufgezählt, Sie haben aber vergessen, daß wir im französischen Wirtschaftsraum in der Zwischenzeit Indochina und Korea miterlebt haben und daß allein die Korea-Krise uns ebenfalls eine 70prozentige Inflation gebracht hat. Wenn Sie alle diese Dinge zusammenrechnen, werden Sie nicht mehr die Behauptung aufstellen können, die Bundesbürger seien schlechter gefahren als wir an der Saar. In dieser Überlegung ist unser Antrag gestellt, weil auch viele der Unwägbarkeiten, die man nicht im einzelnen erfassen kann, damit abgegolten werden sollen.
Herr Abgeordneter Conrad, wenn Sie einen Eventualantrag zu stellen wünschen, dann geben Sie ihn mir bitte herauf. — Danke.
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe, — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 361, der be-'gründet und diskutiert wurde. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit. Die eine Stimme in den Reihen der CDU war von einem SPD-Abgeordneten.
Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Eventualantrag der SPD-Fraktion, der Ihnensoeben vorgelesen wurde. Muß er noch ,einmal verlesen werden? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Eventualantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite war ,die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, nach interfraktioneller Vereinbarung werden, da sowieso nur noch eine Viertelstunde zur Verfügung stünde, die restlichen Punkte, die heute noch hätten behandelt werden sollen, morgen behandelt. Es ist jedoch die Anregung an mich herangetragen warden, die morgige Sitzung statt um 15 Uhr, wie der Ältestenrat es vorgeschlagen hatte, schon um 14 Uhr beginnen zu lassen. Das Haus ist souverän und kann darüber befinden, wie es will.
— Also das Haus ist für 14 Uhr. Dann berufe ich die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 25. Juni 1959, 14 Uhr. Die Sitzung beginnt mit der Fragestunde.
Die Sitzung ist geschlossen.