Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, ich eröffne die 91. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung teile ich mit, daß die für heute 11 Uhr vorgesehene Sitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten unmittelbar nach der dritten Lesung des Einzelplans 05 beginnt.
— Bin ich nicht zu verstehen? — Dann wiederhole ich das Gesagte: Ich teile mit, daß die für heute 11 Uhr vorgesehene Sitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten unmittelbar nach der dritten Lesung des Einzelplans 05 beginnt.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 22. Juni den
Entwurf einer Verordnung Z Nr. 1/55 über Preise für Zucker
und den
Entwurf einer Verordnung Z Nr. 2/55 über die Durchführung eines Frachtausgleichs für Zucker und Zuckerrüben
übersandt. Die Verordnungsentwürfe liegen im Archiv zur Kenntnisnahme auf.
Auf der Tagesordnung steht die
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 1100, 1500 bis 1530)
in Verbindung mit der
Zweiten Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Angleichung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr ;
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 1532, zu 1532)
Berichterstatter: Abgeordneter Schoettle, ;
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses zum Entwurf einer Ergänzung (gemäß § 11 RWB) zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 1531, 1260)
Berichterstatter: Abgeordneter Schoettle;
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Sturmflutschäden an der Nordseeküste (Drucksachen 1533, 1248)
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Conring.
Die Beschlüsse zweiter Beratung sind zusammengestellt und Ihnen zugeleitet; Sie finden sie auf Drucksache 1534.
Meine Damen und Herren, bei dieser dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1955 verfahren wir, wie bisher verfahren worden ist. Das heißt, der ganze Haushaltsplan wird als Gesetz behandelt; ich werde nur die Einzelpläne aufrufen, zu denen Änderungsanträge gestellt sind. Es handelt sich um folgende Einzelpläne: 03, 06, 07, 08, 09, 10, 11, 24, 25, 26, 28, 29, 30, 33, 35 und um das Gesetz als solches. — Das Haus ist mit dieser Prozedur einverstanden.
Dann rufe ich auf den
Einzelplan 03 Bundesrat
Hierzu liegt der Antrag lauf Umdruck 391 *) vor. Es handelt sich um einen Entschließungsantrag. Über diesen Entschließungsantrag werden wir nach Schluß der dritten Beratung abstimmen.
Ich rufe auf den
Einzelplan 06 für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern
Herr Abgeordneter Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
*) Siehe Anlage 2.
Meine Damen und Herren, es scheint wieder etwas mit der Technik nicht zu stimmen. Ich habe hier sämtliche Mikrophone eingestellt, überall grünes Licht, und trotzdem geht es nicht.
Herr Präsident!
Meine Möglichkeiten sind, was die Technik betrifft, erschöpft. Ich schlage vor, daß wir die Sitzung auf 5 Minuten unterbrechen und nach der Technik sehen lassen.
Ich unterbreche für 5 Minuten.
Die Sitzung wird um 9 Uhr 11 Minuten fortgesetzt.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Beratung fort. Es ist mir mitgeteilt worden, daß das Mikrophon nunmehr funktioniere. Wir werden gleich die Probe aufs Exempel machen können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hieße der politischen Notwendigkeit des Tages nicht gerecht werden, wollte man die Aussprache über den Etat des Ministeriums des Innern vorübergehen lassen, ohne einmal vor aller Öffentlichkeit die Sorgen darzulegen, die bei uns aufkommen, wenn wir die innerpolitische Entwicklung der letzten Jahre beobachten. Es wäre Aufgabe des Herrn Bundesinnenministers gewesen — wir bedauern, daß das nicht geschehen ist—, anläßlich der Haushaltsberatungen in der ersten oder in der zweiten Lesung einmal von sich aus zu sagen, wie die Bundesregierung die Ereignisse beurteilt, auf die ich im einzelnen gleich kommen werde, und wie sie die innenpolitische Lage beurteilt. Denn es wird endlich Zeit, meine Damen und Herren, daß wir nicht nur immer von der Außenpolitik sprechen und glauben, von den Sorgen ablenken zu können, die uns bedrücken, wenn wir die innenpolitische Entwicklung sehen.
— Herr Kollege Stücklen, ich bin der Meinung, daß es in erster Linie Aufgabe des Verfassungs- und Innenministers ist, über die innenpolitische Lage zu berichten.
Wir wissen natürlich, daß es auch im Bereich der Innenpolitik in erster Linie der Herr Bundeskanzler ist, der die Richtlinien der Politik zu bestimmen hat. Aber trotzdem und gerade deshalb wünschten wir, daß der Herr Bundesinnenminister endlich einmal selbst mehr Initiative entwickelte und sich nicht so leicht in das Schlepptau des Kanzlers nehmen ließe. Denn, Herr Bundesinnenminister, wenn einmal in der Innenpolitik etwas schiefgehen sollte, würde Ihnen niemand die Entschuldigung abnehmen, der Kanzler sei stärker gewesen als Sie.
Natürlich kann die Innenpolitik oder, deutlicher gesagt, der Geschäftsbereich des Innenministers nicht isoliert gesehen werden von der allgemeinen Sozial- und Wirtschaftspolitik, ja sogar von der Außenpolitik. Das wurde für die deutsche Öffentlichkeit sehr sichtbar, als der französische Botschafter im Herbst letzten Jahres wegen der Grenzschutzübungen in Süddeutschland formelle Vorstellungen erhob, und es wurde noch sichtbarer bei der Aussprache in diesem Hause anläßlich der Behandlung der Frage der dänischen Minderheiten in Schleswig-Holstein, als der Herr Bundeskanzler den Innenminister zur Beantwortung der Fragen vorschickte.
Der Herr Innenminister entledigte sich dann dieser Aufgabe in einer Art und Weise, von der eine sehr angesehene und dem Kanzler sonst sehr positiv gesinnte Schweizer Zeitung sagte, die Rede des Herrn Innenministers zur Schleswigfrage sei doch ein einziger Affront Dänemarks gewesen.
Wie stark auch sonst die Außenpolitik mißbraucht wird, um in die Innenpolitik einzugreifen, das zeigte sich immer wieder nicht nur bei den Landtagswahlen der letzten Jahre, sondern auch bei den Versuchen des Herrn Bundeskanzlers, Einfluß auf die Bildung der Landesregierungen zu nehmen, damit er im Bundesrat eine Mehrheit für seine Außenpolitik bekomme. Einem überzeugten Föderalisten hätte es eigentlich ein rechtes Greuel sein müssen, zu sehen, wie der Kanzler versuchte, die Länder zum Vorspann seiner Politik zu degradieren: Aber auch hier sah man, wie überall sonst in der deutschen Innenpolitik, daß Grundsätze nur so lange heilig gehalten werden und unantastbar sind, als es einem in den eigenen parteipolitischen Kram paßt.
Diese betrübliche Entwicklung, in die Länderhoheit einzugreifen, geht so weit, daß sich die Bundesregierung nun auch noch in die Kulturpolitik der Länder einmischt. Ich meine die Klage der Bundesregierung gegen das Land Niedersachsen, die sie angestrengt hat mit der Behauptung, das niedersächsische Schulgesetz verstoße gegen das Konkordat von 1933. Wir wollen uns hier, von der politischen Tribüne aus, nicht in das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einmischen. Aber es ist doch geradezu grotesk, daß der jetzige Ministerpräsident von Niedersachsen, Herr Hellwege, als Beklagter diese Klage einige Wochen vorher als Kläger in seiner Eigenschaft als Mitglied der Bundesregierung in Bonn mit beschlossen hat. Kläger und Beklagter werden in einer Person vor dem Gericht in Karlsruhe auftreten. Das ist eine Justizfarce, die sogar Daumiersche Phantasien übertrifft.
Aber, Herr Bundesinnenminister, der Sie verpflichtet sind, für die Wahrung der Verfassung der deutschen Bundesrepublik zu sorgen: Warum klagt die Bundesregierung, wenn Ihnen schon die Klage gegen Niedersachsen unvermeidbar schien, nicht auch wegen des Schulgesetzes in Rheinland-Pfalz? Denn jenes Schulgesetz verbietet, daß Juden oder Staatsbürger, die keiner der beiden Kirchen angehören, Lehrer werden.
Das ist ein Rückschritt, den Preußen sogar 1907 schon überwunden hatte. Im Lande RheinlandPfalz wurde die Schulpolitik um mehr als 50 Jahre zurückgeschraubt.
Anscheinend sind wir in Bonn schon wieder so weit, daß ein von Hitler geschlossener Vertrag mehr beachtet wird als das Grundgesetz, das sich das deutsche Volk 1949 selbst gegeben hat.
Das ist übrigens nicht das einzige Gebiet, auf dem die Verfassungswirklichkeit in zunehmendem Maße mit dem Grundgesetz in Widerspruch gerät. Wenn z. B., Herr Bundesinnenminister, die finanzielle Aushöhlung der Länder und damit zugleich der Gemeinden — denn die Letzten beißen ja immer die Hunde, auch beim Finanzausgleich — weitergeht wie bisher, dann wird der Begriff der Selbstverwaltung bald nur noch eine leere Vokabel und eine arge Selbsttäuschung sein. Als oberster Schirmherr der Selbstverwaltung sollten Sie mehr als bisher auf die Sorgen der Gemeinden achten. Wahrscheinlich ist Ihnen gar nicht klargeworden, welche Gefahren hier liegen. Ich darf Ihnen nur zwei Zahlen nennen. 1913 waren die Gemeinden noch mit 39 % an dem Gesamtaufkommen der Steuern beteiligt, 1950 gerade nur noch mit der Hälfte, d. h. mit 19 %. Wenn diese Aushöhlung der gemeindlichen Finanzkraft so fortschreitet, werden wir eines Tages die Fundamente der Demokratie unterhöhlt haben. Daher bedauern wir es auch, daß unser Antrag, das Grundgesetz dahin zu ändern, daß endlich auch die Gemeinden einen unmittelbaren Anspruch auf die Steuern erhalten, bisher verschleppt worden ist.
Meine Damen und Herren! Seit Monaten wäre eine Erklärung über einige recht unerfreuliche Vorgänge in dem riesigen Beamtenkörper der Bundesrepublik notwendig gewesen. Wenn wir recht unterrichtet sind, schweben bei der Staatsanwaltschaft in Bonn zur Zeit nicht weniger als drei bis vier Dutzend Strafverfahren gegen leitende Beamte der Ministerialbürokratie
wegen Bestechung, Unterschlagung und auch sonstiger nicht gerade erbaulicher Delikte. Sicherlich, meine Damen und Herren, ist kein Behördenchef davor gesichert, daß auch mal ein räudiges Schaf in seiner Beamtenschaft steckt. Das passiert in der Verwaltung ebenso wie in der freien Wirtschaft. Aber das Entscheidende ist doch, wie ein Chef reagiert, wenn er ein solches „räudiges Schaf" entdeckt. Um der übergroßen Zahl der integeren Beamtenschaft willen hätte man viel schneller einen Trennungsstrich ziehen müssen. Das ist leider nur in einigen Fällen geschehen. In vielen Fällen hat man versucht, der Bonner Staatsanwaltschaft Hürde auf Hürde aufzubauen. Man hat versucht, die Unterschleifen zu vertuschen, Aktenvorlagen zu verzögern, Urkunden nicht herauszugeben und andere Schwierigkeiten zu bereiten. Wer Näheres wissen will, frage die Leitung der hiesigen Staatsanwaltschaft, wie ihr überall dort das Leben schwer gemacht wurde, wo es gegen Angehörige der Bundesregierung einzuschreiten gilt. Das geht sogar so weit, daß man dem Staatsanwalt einen Maulkorb umhängte und ihm untersagte, über Einzelfälle zu berichten.
Es wäre weit besser, man kümmerte sich in der Beamtenpolitik mehr als bisher um eine charakterlich zuverlässige Auslese, anstatt immer erst nach dem richtigen Gebetbuch zu fragen.
Meine Damen und Herren! Es gibt noch ein weiteres aktuelles Thema aus der Verwaltung des Herrn Bundesinnenministers. In Verfolg der Pariser Verträge stehen wir vor der Aufstellung einer neuen deutschen Armee. Daher wäre längst eine Feststellung des Herrn Bundesinnenministers notwendig gewesen, die die Frage klärt, was aus dem Bundesgrenzschutz werden soll. Die Grenzbevölkerung ist beunruhigt. Die Beamten sind über ihr künftiges Schicksal besorgt. Die Gewerkschaften und auch der nicht dem DGB angehörende Grenzjägerverband haben den Herrn Bundesinnenminister wiederholt um eine klare Stellungnahme gebeten, ob der Bundesgrenzschutz etwa als Kader der künftigen deutschen Divisionen anzusehen sei. Eine Antwort ist nicht erfolgt.
Eine Klärung dieser Frage wäre innenpolitisch und für die Beamten viel dringlicher gewesen, als der erstaunten Öffentlichkeit im Herbst 1954 durch Grenzschutzmanöver eine Art Indochina- oder Koreakrieg vorzuführen. Der Manöverauftrag lautete dahin: im Raum süddeutscher Industriestädte sei infolge von Streiks der Einsatz von Einheiten des Bundesgrenzschutzes notwendig geworden.
Sah man denn nicht und sieht denn der Herr Bundesinnenminister nicht die Gefahr, die damit verbunden ist? In welche Situation manövrierte er dadurch den Bundesgrenzschutz gegenüber der Arbeiterschaft und gegenüber den Gewerkschaften hinein?
Diese Einstellung des Herrn Bundesinnenministers zum Streik steht ja nicht isoliert. Eine Vereinbarung zwischen den Gewerkschaften und dem Innenminister über die Teilnahme des Bundesgrenzschutzes an dem Technischen Hilfswerk ist seinerzeit bedauerlicherweise daran gescheitert, daß der Herr Bundesinnenminister und die Gewerkschaften sich nicht über die Behandlung etwaiger Streiks durch das Technische Hilfswerk einigen konnten. Hier staatliche Machtmittel anzudrohen, ist der ungeeignetste Schritt, den man sich ausdenken konnte.
Die Männer des Bundesgrenzschutzes selbst waren übrigens wenig erbaut, daß sie so schlecht ausgerüstet in diese Übung gingen und vor militärische Aufgaben gestellt wurden. Hier hätte der Herr Minister um der Beamten willen für eine bessere Kleidung, für besseres Schuhwerk usw. sorgen müssen.
Einen letzten Satz zu diesem Kapitel. Da bisher Presse und auch amtliche Stellen kritische Bemerkungen der Opposition im Bundestag zum Bundesgrenzschutz bisher immer dahin ausgeschlachtet haben, die SPD sei gegen den Grenzschutz überhaupt, darf ich noch einmal sagen: Ohne die Zustimmung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion wäre das Gesetz über den Bundesgrenzschutz nie zustande gekommen, weil eine der großen Regierungsparteien. damals gegen das Gesetz gewesen ist.
Die Zurückhaltung des Herrn Bundesinnenministers, seine Scheu vor einem engeren Kontakt mit
dem Bundestag und seinen Ausschüssen haben dazu geführt, daß wir noch immer nicht wissen, wie sich die Bundesregierung und der Bundesinnenminister die nach der Flucht von John und Schmidt-Wittmack entstandene Lage und die so notwendig gewordenen Reformen des Verfassungsschutzes vorstellen. Damals, als John geflüchtet war, bei der Bundesregierung helle Verzweiflung und Aufregung herrschte, gab es Versprechungen über Versprechungen gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber dem Parlament. Aber keines dieser Versprechen ist gehalten worden. Die Zeugenvernehmungen im John-Ausschuß haben zur Genüge dargelegt, daß in dem Amt zu Köln jeder nach seiner Fasson selig werden konnte. Nachdem inzwischen fast vier Jahre seit Errichtung des Kölner Verfassungsschutzamtes verstrichen sind, gibt es auch heute noch keine klaren Richtlinien über den Aufbau und die Arbeitsmethoden dieser Behörde.
Warum hat das Amt auch noch immer keinen neuen Präsidenten? Es ist doch unerträglich, daß ein so wichtiges Amt, das in der Anonymität arbeiten und so weitgehend in die Rechte des Staatsbürgers eingreifen kann, immer noch keinen ordentlichen Chef hat. ,Der jetzige provisorische Präsident ist zugleich Leiter des Bundeskriminalamts in Wiesbaden. Aber fürchten Sie denn nicht auch, Herr Bundesinnenminister, daß es der Sache abträglich ist, wenn man die politischen Vorgänge, die das Bundesverfassungsschutzamt zu bearbeiten hat, unter kriminalistischen Gesichtspunkten verfolgen läßt, also nach Grundsätzen, die man für Betrüger, Diebe und sonstige Ganoven aufgestellt hat?
Wir fragen die Bundesregierung und den Herrn Bundesinnenminister weiter, welche Vorstellungen bei ihnen über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes bestehen. Wie soll die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften und der Polizei sein? Welche Garantie will die Bundesregierung endlich dem betroffenen Staatsbürger geben, daß er rechtliches Gehör erhält und nicht leichtfertig Opfer irgendeines schmierigen Agenten wird? Wo bleibt die vom Bundesinnenminister zugesagte Unterrichtung der Fraktionen oder ihrer Vorsitzenden über die Einzelarbeiten jenes Amtes und über die Verwendung der so hohen, über 8 Millionen DM betragenden Mittel? — Soviel Sorgen, soviel ungelöste und unbeantwortete Fragen, obwohl uns doch allen diese Probleme nach wie vor auf den Nägel brennen oder doch auf den Nägeln brennen sollten.
Im Zusammenhang mit dem Verfassungsschutz ist seinerzeit hier auch die Vulkan-Affäre debattiert worden. Wir begrüßen es, daß diese leidige Angelegenheit wenigstens teilweise durch eine Ehrenerklärung des Herrn Bundesinnenministers ausgeräumt worden ist. Aber — und darum erwähne ich das — hätte man von Anfang an mehr Sinn für politischen Anstand und Gerechtigkeit gehabt, wir wären doch nie in diese leidige Sache hineingeschlittert.
Aber leider ist es ein Kennzeichen unserer Zeit, daß das Gefühl für Recht immer geringer wird und der Staatsbürger lediglich als Untertan betrachtet wird.
Aber nicht nur bei dem „Vulkanfall" ist das mangelnde Fingerspitzengefühl der Bundesregierung
zu kritisieren. Der Prozeß gegen die KPD in Karlsruhe beweist doch eine hilflose Weltfremdheit der Bundesregierung gegenüber den Kampfmethoden der KPD und den Gefahren, die entstehen, wenn man sie in die Illegalität drängt.
Wer mit seiner politischen Arbeit aus dem Ruhrgebiet kommt, weiß doch, daß eine Partei wie die Kommunistische niemals mit Bajonetten oder Polizeiknüppeln besiegt werden kann. Andererseits rutschte sie doch überall da, wo wir ihr innerhalb der Deutschen Bundesrepublik in völliger Freiheit die Möglichkeit gaben, sich der Wählerschaft und der Meinung der Staatsbürger zu stellen, ins Bodenlose. Nehmen Sie die Landtagswahlen, vor allem in Berlin! Glauben Sie nicht, daß wir den Kommunismus besser durch eine vernünftigere Sozialpolitik und eine gerechtere Wirtschaftspolitik bekämpfen könnten,
dadurch, daß der arbeitende Mensch das Gefühl bekommt, daß die Allgemeinheit, d. h. im wesentlichen der Staat und die Selbstverwaltungskörperschaften ihm immer dann helfen werden, wenn er schuldlos in Arbeitslosigkeit, Siechtum oder sonstige Not gerät? Wer den Kommunismus zum Märtyrer macht, hilft ihm!
Sie jagen einer Illusion nach, wenn Sie glauben, daß die Kumpels, die vor dem Hochofen oder unten vor der Kohle tagtäglich angesichts des Todes zusammenarbeiten, einen anderen Kumpel wegen einer kommunistischen Äußerung der Polizei ausliefern würden.
Nur aus dieser völlig falschen Einschätzung der kommunistischen Kräfte und aus dieser primitivsten Art der Bekämpfung des Bolschewismus ist wohl auch das Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe gegen Angenfort zu verstehen. Angenfort wurde wegen versuchten Hochverrats zu der schärfsten Zuchthausstrafe verurteilt, die das Gesetz überhaupt ermöglicht. Meine Damen und Herren, damit hier keine Unklarheiten aufkommen: Selbstverständlich lehnen auch wir uns genau so wie Sie mit aller Entschiedenheit gegen die Unterminierung der demokratischen Grundordnung dieses Staates auf. Es ist selbstverständlich, daß Angenfort bestraft werden mußte, wenn das Gericht feststellte, daß er sich gegen das Gesetz vergangen hat. Aber entscheidend ist doch — darum schneide ich diese Frage an —, w i e man das Instrument der Justiz und die Bestimmungen über den Hochverrat handhabt.
Ein Staat, der sich gesund und politisch kräftig fühlt, braucht doch nicht zu dem letzten und äußersten Mittel von Zuchthausurteilen zu greifen. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, daß wir uns gegen den Kommunismus und seine Helfer schwach und hilflos fühlen.
Ich sagte, sicherlich mußte Angenfort bestraft werden, wenn er gegen das Strafgesetzbuch verstoßen hat. Aber war dieses Strafmaß notwendig? Ist dieses Strafmaß überhaupt haltbar — und ich bitte den Herrn Bundesjustizminister und den Herrn Bundesinnnenminister, das Urteil nach dieser Seite nachzuprüfen —, wenn man sich aller jener Urteile erinnert, die in Deutschland nach 1945 gegen die Menschenschinder und Kopfjäger der
Hitlersehen KZs verhängt wurden, die man freisprach, weil angeblich die letzte Gewißheit für ihre Missetaten nicht zu erbringen war, oder die man nach einigen Monaten Haft aus dem Gefängnis entließ, weil man sie damit zu entschuldigen glaubte, sie seien das Opfer einer gottlosen Obrigkeit geworden?
Im vorigen Jahr hat der Bundestag eine sehr großzügige Amnestie beschlossen. Auch wir haben ihr damals zugestimmt. Durch diese Amnestie wurden alle jene, die sich vor 1945 an hilflosen und wehrlosen Menschen so mörderisch und viehisch vergangen hatten, begnadigt, wenn nichtmehr als drei Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten waren.
Das ist es, was unser Rechtsgefühl auf das tiefste verletzt: daß Menschen vor dem Richterstuhl so verschieden und nicht gleich behandelt werden.
Aber auch sonst liegt in der Innenpolitik manches im argen. Typisch hierfür war — um nur
einige Fälle aus der Fülle der Ereignisse anzuführen — jene Äußerung des Herrn Reusch, die
Gewerkschaften hätten das Mitbestimmungsrecht
erpreßt. Gewiß, der Kanzler hat später Herrn
Reusch zur Ordnung gerufen und hat diese Äußerung mißbilligt. Aber viel zu spät und erst, als er
unter dem Druck der Öffentlichkeit dazu gezwungen wurde! Wir überschätzen die Person des
Herrn Reusch nicht, und es geht hier auch nicht
um seine Person. Aber seine Äußerungen können
nicht isoliert betrachtet werden; sie sind ja auch
nicht vereinzelt geblieben. Politisch entscheidend
ist, daß seine Verleumdung der Arbeiterschaft und
der Gewerkschaften nur ein Meilenstein auf dem
Wege ist, den die allgemeine Innenpolitik nunmehr seit Jahren geht und weiter zu gehen droht.
Kennzeichnend war auch die Äußerung des Herrn Verkehrsministers Seebohm, die mein Kollege Mellies bei der Behandlung des Kanzleretats aufgegriffen hat und auf die ja dann nicht nur der Kanzler, sondern auch Herr Seebohm mit einigen abmildernden, aber uns nicht überzeugenden Worten geantwortet hat, die Bemerkung, daß man die künftigen deutschen Divisionen auch für etwaige innerpolitische Situationen brauchen könne und müsse. Herr Seebohm befand sich dabei in einer für den Eingeweihten nicht erstaunlichen Übereinstimmung mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Herrn Eisenhower, der die Forderung nach den Truppen in Deutschland u. a. auch damit begründete, sie seien auch gegen staatsfeindliche Elemente in der Bundesrepublik notwendig.
Es war übrigens der gleiche Herr Seebohm, der den Mythos des Sportpalastes wiederauferstehen ließ.
— Ja, Herr Kollege, wenn das ein aufgelegter Schwindel ist,
dann frage ich Sie, und diese Frage wollte ich
ohnehin an den Herrn Kanzler und den Herrn
Bundesinnenminister stellen: Warum ist dann der offene Brief des Zentralrates der Juden in Deutschland über die Sportpalastveranstaltung, in der wieder der Ruf erschallte: Juden raus!, warum ist diese offene Anfrage, was der Herr Kanzler zu diesem Treiben zu sagen habe, bis heute, nach sechs Monaten, noch -nicht beantwortet worden?
Aber nein, man holte sich so eine Art neuen Saalschutz, man holte sich Herrn Seebohm, man holte sich schwarz-weiß-rote Fahnen und eine sehr zackige Marschmusik, die, wie es in dem Bericht hieß, „jedes Herz höher schlagen ließ". Nun, ich sagte schon, der Kanzler schwieg, und er ließ auch die Anfrage der Betroffenen unbeantwortet.
Meine Damen und Herren! .Bei diesem Infiltrieren, bei diesem Eindringen schwarz-weiß-roter restaurativer Elemente bis in die Reihen der Bundesregierung selbst ist es kein Wunder, wenn dann draußen 'im Lande alle jene Verbände wieder auferstehen, die wir längst verschwunden glaubten. Ich brauche nur auf die Stahlhelm-Kundgebungen in Recklinghausen und Goslar hinzuweisen, auf die Stahlhelm-Kundgebung mit 'der unverschämten Erklärung des Herrn Kesselring, der sich in aller Öffentlichkeit rühmte, daß er keine Angst habe, vor der Geschichte einmal zur Rechenschaft gezogen zu werden, daß er zu viele Menschen habe erschießen lassen, sondern daß er eher den Vorwurf fürchte, er habe, um der deutschen Sache unter Hitler zum Siege zu verhelfen, zu wenig Menschen umgebracht.
Der gleiche Kesselring ließ jetzt in Goslar seine Geisterarmeen in grünem Hemd und Reithose, mit militärischer Exaktheit, mit „Frontheil" und „Hurra" 'aufmarschieren. Es war nach den Bildern ein kläglicher Aufmarsch, und man könnte über diesen Klub ewig Gestriger hinweggehen — der Stahlhelm ,gehörte ja auch zu jener Harzburger Front, die die deutsche Einheit mit untergraben hat —, wenn wir nicht von der erstaunlichen Tatsache hören müßten, daß der neue Innenminister von Niedersachsen geglaubt hat, sich den Luxus leisten zu können, nicht etwa eine solche dreiste Demonstration aufzulösen, sondern mit mehr als 1100 Polizeibeamten gegen die aus einem sehr gesunden Abwehrinstinkt heraus handelnde, gegen die Stahlhelm-Kundgebung demonstrierende Menge mit Gummiknüppeln vorzugehen.
Ist es dann ein Wunder, meine Damen und Herren, wenn bei dem Geist, der aus diesen Kundgebungen spricht, Deutschland sich draußen in der Welt auch durch den Fall Schlüter beschämen lassen mußte? Ich will diesen Fall hier nicht wieder aufwärmen; er ist allen zur Genüge bekannt. Ich will Ihnen aber offen eins zugeben: im Grunde bin ich heute recht froh, daß es einen Fall Schlüter gegeben hat; denn was kein Parlament in Deutschland fertiggebracht hätte, das haben die jungen Studenten und die Professoren von Göttingen erreicht!
Dias ist ein gewisser Trost, weil es nämlich beweist,
daß in dieser jungen Generation doch mehr Mut
zum Handeln und nicht nur zum Reden steckt als in der Generation nach 1918.
Ich muß dann noch — es taucht alles wieder auf: wir haben alles schon zweimal in diesem einen Menschenalter erlebt, nicht nur einmal — an die Tagung „vaterländischer" Verbände zum Reichsgründungstag von 1871 im Januar 1955 in Hamburg erinnern. Diese Tagung wurde unter dem Spruchband mit dem Ruf beendet: „Herr, schicke uns einen neuen Helden!"
Weiter darf ich Herrn Strasser zitieren, den jetzigen Herrn Strasser, nicht den damaligen
— ach nein, dafür sorgt schon Ihre Presse, daß er populär wird! —, der erklärt hat, die Juden sollten wieder auswandern, und die Parteien in Bonn seien ein einziger Sauhaufen. Schließlich muß ich auf das Pfingsttreffen der ehemaligen aktiven Nazis in Gadeland hinweisen.
— Eine alte Sache? O nein, das ist ganz frisch; das ist unter dem neuen Innenminister geschehen! Da hat sogar der Innenminister des Landes SchleswigHolstein den traurigen Mut besessen, an dieser Veranstaltung teilzunehmen und sich das Bekenntnis anzuhören, die Nationalsozialisten seien nur deshalb bestraft worden, weil sie in Treue zum deutschen Volke gestanden hätten, und die Bundesrepublik sei alles andere als ein Rechtsstaat.
Wenn all das schon wieder möglich ist, dann sollte selbst eine sonst so restaurative Bundesregierung endlich sehen, daß das Maß nun voll ist.
Meine Damen und Herren, es gäbe noch viele Einzelheiten, weitere Fälle ähnlicher Art aufzuzählen. Wir wollen diese Vorkommnisse nicht dramatisieren und auch gar nicht den Eindruck erwecken, als stünde Deutschland vor der Gefahr eines neuen Faschismus. Nichts wäre falscher als das. Aber diese Hinweise sind — leider — notwendig gewesen als Folge der Tatsache, daß politisch maßgebliche Stellen in der Bundesrepublik, d. h. im Bund und in den Ländern, solchen Vorgängen indirekt durch ihre restaurative Haltung Vorschub leisten und sich in keiner amtlichen Erklärung von diesen Vorgängen distanziert haben.
Zumindest wäre das auch eine der Aufgaben des Innenrninisiters in diesen Tagen gewesen.
All das bekommt eine besondere Bedeutung durch die beabsichtigte Aufstellung einer neuen deutschen Armee. Wir alle wissen doch um die besonderen Gefahren, vor denen wir für und in Deutschland durch die Aufstellung neuer militärischer Organisationen innenpolitisch stehen. Daher warnen wir, erneut einer Verkoppelung von Militär und Restauration, unter der Deutschland in seiner Geschichte so unselig gelitten hat, auch nur die geringste Chance zu geben.
So sollte man auch nicht mit der bisherigen Oberflächlichkeit über die schlechte Stimmung im Volke, insbesondere der Arbeiterschaft, hinweggehen. Wenn dann ein Mann wie der Bundesminister Strauß zu dieser Situation nichts weiter zu sagen hat, als den Gewerkschaften vorzuwerfen, mit ihren Aktionen besorgten sie lediglich die Geschäfte Moskaus, dann darf man sich doch nicht wundern, wenn die Spaltung, die Kluft zwischen den sozialen Schichten , noch tiefer wird.
Wir wollen nicht über jedes Ungemach klagen
— wer in der Politik steht, muß auch Nachteile hinnehmen —; aber insgesamt — und das ist die tiefe Sorge, die uns bewegt — hat sich doch eine innenpolitische Situation entwickelt, die auf die Dauer unerträglich wird. Wir sind doch in Deutschland wieder so weit, daß alle diejenigen, die nicht die Politik des Bundeskanzlers bis ins einzelne und bis ins letzte zu akzeptieren bereit sind, der Helferdienste des Bolschewismus oder gar des Hochverrats bezichtigt werden!
— Ach, sehen Sie sich doch mal Ihre eigenen Erklärungen an!
Herr Dr. Wuermeling ist übrigens ein lebendiges Beispiel dafür, wieweit Unduldsamkeit in der Bundesrepublik gehen kann. Vor einigen Wochen hatte Herr Wuermeling zugesagt, in einer Veranstaltung der Stadt Iserlohn über die Lage der deutschen Familie zu referieren. Einige Stunden vor der Veranstaltung ging ein Telegramm von Herrn Dr. Wuermeling ein, das ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlesen darf:
Zu meinem Bedauern sehe ich mich genötigt, mein Referat für Samstag abzusagen angesichts der empörenden parteiamtlichen Verlautbarungen der SPD. In der höchstes Verantwortungsbewußtsein aller Deutschen erfordernden Saarfrage muß ich es zur Zeit ablehnen, zusammen mit Vertretern derartiger politischer Kampfparolen zu sprechen.
Meine Damen und Herren, das war doch nur ein Vorwand. Dieses Telegramm war doch weiter nichts als der Ausdruck der puren Angst, sich in der Öffentlichkeit einer Aussprache in Iserlohn zu stellen!
Mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit haben Sie in der letzten Zeit in zunehmendem Maße jede Gelegenheit wahrgenommen, die Opposition vor den Kopf zu stoßen. Ich brauche nur an die Vorgänge der letzten beiden Ältestenratssitzungen dieser und der vergangenen Woche zu erinnern,
wo man versucht hat — wie vorher den Bundesrat —, nunmehr auch die Opposition und das gesamte Parlament mit der sofortigen Lesung des Freiwilligengesetzes zu überrumpeln.
Daher werden doch Ihre dauernden Beteuerungen und Beschwörungen, in wichtigen Fragen mit der Opposition eine gemeinsame Linie zu finden, immer unglaubwürdiger.
Mit niesen Methoden, die ich aufgezeigt habe, und diesem innerpolitischen Trend werden doch alle ernsthaften Ansatzpunkte für eine freie und demokratische Entwicklung in unserer Bundesrepublik zerschlagen.
Zu der unseligen geographischen Spaltung in Ost und West wird dann eines Tages — das fürchten wir, und das ist unsere Sorge und Angst — eine ebenso entsetzliche Spaltung innerhalb des deutschen Volkes selbst entstehen.
Sicherlich wird dieser Aufspaltungsprozeß, dieses Auseinanderleben zur Zeit noch dadurch übertüncht, daß bei vielen ein Gefühl der Sättigung entstanden ist, einer Sättigung, die zum Egoismus führt, zu einem Egoismus, der stumpf macht gegen das Elend der anderen und vor allem auch so stumpf macht gegen das Schicksal jener 18 Millionen Deutschen in der sowjetisch besetzten Zone.
— Nein, Herr Kollege Vogel, das ist auch schon
von mancher Kanzel gesagt worden.
Sehen Sie denn nicht die Gefahr, daß durch diese Methoden die Arbeiterschaft — seit Jahrzehnten versucht die Sozialdemokratie, sie an den Staat heranzuführen — dem Staat wieder entfremdet wird? Daß sie herausgedrängt wird aus der Mitverantwortung im Bund, in den Ländern und in Tausenden von Gemeinden, wo sie zwar die Mehrheit hat, wo sich aber die bürgerlichen Fraktionen zusammenschließen in dem negativen Kampf gegen die Sozialdemokratie? In jenen Gemeinden, die die Sozialdemokratie nach 1945 doch fast allein oder weitgehend allein wiederaufgebaut hat,
stehen wir heute vor der bestürzenden Erkenntnis, daß diese Bemühungen der Sozialdemokratie, den arbeitenden Menschen wieder mehr an den Staat heranzuführen, unterhöhlt werden. Aber — das sei Ihnen zum Schluß gesagt — 8 Millionen Wähler der Sozialdemokratischen Partei sind eine Tatsache, an der auf die Dauer auch die Bonner Regierung nicht vorbeigehen kann; denn wer könnte schließlich leugnen — Hand auf's Herz auch bei Ihnen —, daß diese Mauer von 8 Millionen Wählern eine viel größere Stabilität der Bundesrepublik und eine viel größere Garantie für unsere Demokratie im Westen bedeutet als manche der Parteien, die heute formell in Bonn mitzureden haben!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war nicht unsere Absicht, heute eine Generaldebatte über den Haushalt der inneren Verwaltung durchzuführen, nicht nur weil die Arbeitslage uns zu einer gewissen Beschränkung veranlaßt, sondern auch, Kollege Menzel , weil wir einen genügenden sachlichen Anlaß
für eine solche Generaldebatte vor allen Dingen in dem von Ihnen vertretenen Sinne nicht anerkennen können.
Wenn man die Worte angehört hat, die Sie, verehrter Kollege Menzel, hier geäußert haben, so fragt man sich erstaunt: Von welchem Lande haben Sie eigentlich gesprochen?
Ich glaube, es ist von mir bekannt, daß ich mit einigermaßen unabhängigem Urteil und auch mit kritischem Auge zu sehen pflege. Ich kann sagen, daß diese Art der Betrachtung an den Tatsachen wirklich keinen Anhalt findet.
Nun mag es psychologisch verständlich sein: ob man Opposition oder Regierungspartei ist, pflegt ja gelegentlich leider den Blickwinkel ein wenig zu beeinflussen. Aber, Kollege Menzel, ein Mann Ihrer Erfahrung und Ihrer Kenntnis sollte bei der vernünftigen, sachlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit, die wir in den Ausschüssen, die diese Frage behandeln, miteinander gehabt haben, doch wissen, daß das Urteil, das Sie hier ausgesprochen haben, ausdrücklich als ungerecht bezeichnet werden muß.
Ich will nun nicht die ganze Debatte wiederholen. Aber es sind ein paar Gesichtspunkte, bei denen mir und meinen politischen Freunden daran gelegen ist, daß eine Klarstellung und Richtigstellung erfolgt. Sie sind von einem Vorwurf gegen die Bundesregierung ausgegangen, daß sie zu sehr dem Föderalismus huldige.
Ein bißchen, Kollege Menzel — und ich möchte das namentlich meinen Berliner Freunden sagen -
tut es mir in der Seele weh, wenn ich Sie in der Gesellschaft der Föderalisten sehe.
— Ich glaube nicht, daß man unseren Herren in der Bundesregierung eine Nichtachtung der föderalistischen Grundprinzipien nachsagen kann. Wir wissen alle, daß es in jedem anständigen Staat ein vernünftiges Nebeneinander von zentralistischen und föderalistischen Gesichtspunkten geben muß. Daß das nicht immer gleich auf Anhieb richtig gefunden wird, ist klar. Aber wenn sich die Bundesregierung aus einer durchaus pflichtmäßigen Auffassung bemüht, einen Vertrag, der mit dem Papst geschlossen ist, nun auch beachtet zu sehen, so wird man darin unmöglich eine Nichtachtung der föderalistischen Grundprinzipien sehen können.
Meine Damen und Herren, wir sind uns in sehr vielen Dingen einig. Auch wir wünschen, daß die Neuordnung des Verfassungsschutzes möglichst bald erfolgt, und sehen nur die sehr großen Schwierigkeiten — Kollege Menzel, Sie sehen es ja ganz genau so —: Der Verfassungsschutz soll weder die
föderalistischen Prinzipien unseres Staatsaufbaus verletzen, noch soll er irgendwie polizeilicher Natur sein. Was dann übrigbleibt, ist unter Umständen die hohen Ausgaben nicht mehr wert. Daß sich da die Bundesregierung Zeit nimmt und mit großer Sorgfalt, ehe sie nun das erste Provisorium durch eine bessere Regelung ersetzt, sich mit uns und der Öffentlichkeit darüber auseinandersetzt, ich glaube, das wollen wir nicht kritisieren und tadeln, sondern ich glaube, das wollen wir gutheißen. Und daß einstweilen der Präsident des Bundeskriminalamts in Personalunion auch das Amt für Verfassungsschutz leitet, Kollege Menzel, das sehe ich noch gar nicht einmal als eine so schlechte Lösung an. Die Aufgaben mögen verschieden sein, aber die Art, in der die Aufgaben angepackt werden müssen, deckt sich doch in großem Umfang. Und wir haben nun einmal — das wissen Sie doch selber am allerbesten — keine Überfülle an wirklich geeigneten und tüchtigen Persönlichkeiten, und wir wollen zufrieden sein. Ich habe nur festzustellen, daß in dem halben Jahr, in dem diese Regelung besteht, ernste Beanstandungen nicht vorgekommen sind. Ich glaube, auch von Ihnen werden keine vorgetragen werden können.
Kollege Menzel, mir liegt auch an folgendem. Sie haben mit Recht manche Mißgriffe in der Personalpolitik gekennzeichnet und sind auf den Fall Schlüter zu sprechen gekommen. Dabei haben Sie die doch wohl etwas bedenkliche Formulierung gewählt, was kein Parlament in Deutschland zustande gebracht hätte, das hätten hier die Studenten zustande gebracht. Kollege Menzel, Sie wissen doch selber am allerbesten, daß wir in stiller, ruhiger Arbeit — nicht mit dem Radau, der nun einmal mit dem Fall Schlüter verbunden war — viele Personalvorschläge in Ordnung gebracht haben, in aller Stille, auf parlamentarischem Wege, im Rahmen der Institutionen, die sich das Parlament geschaffen hat. Ich glaube, es ist viel besser, diesen vernünftigen und sachlichen Weg zu gehen, als in dieser agitatorischen Weise das Parlament schlechtzumachen.
Kollege Menzel, damit dienen Sie auch nicht der Erziehung unseres Volkes zur Achtung vor den parlamentarischen Institutionen, wenn Sie in dieser Weise argumentieren.
Mir liegt noch eine Sache sehr am Herzen. Sie haben hier die innerpolitischen Gefahren einer neuen Wehrmacht aufgezeigt. Bei mir sind die Sorgen genauso stark vertreten wie bei Ihnen.
Aber ich warne Sie und ich warne alle Kollegen davor, dieser großen, wichtigen Institution unseres Volkes von vornherein mit einem Übermaß an Mißtrauen entgegenzutreten. Das kann der Entwicklung nicht dienlich sein.
In der Weimarer Republik — ich habe das zu genau selber mitgemacht — war es ein besonders ernsthafter Schaden, daß Ihre große Partei, die damals einen so wesentlichen Teil der Verantwortung trug, niemals ein rechtes Verhältnis zur Wehrmacht gefunden hat. Vielleicht wollen Sie das einmal überlegen, damit Sie nicht gleich vom Start an wiederum in den gleichen Fehler verfallen, sondern lieber mit uns zusammen in anständiger, vertrauensvoller Zusammenarbeit eine Wehrmacht aufbauen, die in unseren demokratischen Staat hineinpaßt.
Ein Letztes, meine Damen und Herren! Herr Kollege Menzel hat hier behauptet, es seien Dutzende von Fällen anhängig, in denen Beamte der Bundesbehörden allerlei schwere Vergehen zur Last gelegt werden.
Ich weiß nicht, wieweit das richtig ist. Ich kann aber nur eines sagen — als ein Mann, der etwas von dieser Sache versteht —: wir könnten eigentlich dankbar und — im guten Sinne — verwundert sein, wieviel Ordnung, wieviel Redlichkeit, wieviel Anständigkeit in diesem zerschlagenen und auseinandergerissenen Deutschland in den letzten Jahren sichtbar geworden ist.
Sie brauchen doch bloß einmal ins Ausland zu gehen, Herr Kollege Menzel, um zu hören, mit wieviel Achtung man von diesem neuen Deutschland gerade auch bezüglich der Arbeit seiner Behörden zu sprechen pflegt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Friedensburg, ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß ich gesagt habe: gerade um der überwiegenden Zahl der anständigen Beamten willen wäre es besser gewesen, die Bundesregierung hätte die Strafverfolgung gegen die „räudigen Schafe", wie ich mich ausgedrückt habe, nicht so unendlich erschwert; ist Ihnen dieser Kern meiner Ausführungen entgangen?
Kollege Menzel, das ist mir natürlich nicht entgangen.
Kollege Menzel, mir ist aber auch nicht entgangen, daß Sie durch Ihre überspitzten und übertriebenen Formulierungen leider den gegenteiligen Eindruck erweckt haben,
als käme es Ihnen auf eine Verallgemeinerung an.
Dagegen aber müssen wir, die wir die Verantwortung für den Staatsaufbau tragen, uns verwahren.
Meine Damen und Herren, wir wissen ganz genau, daß noch nicht alles so ist, wie wir es haben wollen. Aber wir wollen zufrieden sein, daß wir soviel geleistet haben, und wir wollen uns das nicht von anderer Stelle aus ruinieren lassen!
Das Wort hat der Abgeordnete Bucerius.
Herr Kollege Menzel: ich muß Ihnen als dem Vorsitzenden des Aus-
schusses zum Schutze der Verfassung einige Vorwürfe machen. Auf Antrag Ihrer Fraktion ist ein Ausschuß zur Nachprüfung der Vorgänge um den Fall John 'einberufen worden.
— Herr Abgeordneter Menzel, der Auschuß zur Nachprüfung der Vorgänge um den Fall John ist, wie ich sagte, auf Antrag Ihrer Eiaktion berufen worden. Es ist die gute Übung dieses Hauses, Untersuchungen, die Gegenstand der Ermittlung des Ausschusses sind, im Plenum nicht zu diskutieren, bevor die Untersuchungen abgeschlossen sind. Nun haben Sie aus der Arbeit des Ausschusses einige Feststellungen getroffen, die zudem mit den Tatsachen in keiner Weise übereinstimmen.
Sie sagten, aus den Ergebnissen der Untersuchungen des Ausschusses und den Zeugenvernehmungen sei festzustellen, daß — so habe ich es mir notiert — im Amt zu Köln jeder nach seiner Fasson selig werden könne. Herr Kollege Menzel, ich will wirklich nicht die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses zusammenfassend vorwegnehmen, darf Ihnen aber, nachdem Sie das Thema angeschnitten haben, nur einmal meine persönliche Auffassung sagen: Ich habe den Eindruck, daß das Amt zu Köln in einer Weise am Gängelband des Innenministeriums gehangen hat, gegen die man gewisse Bedenken geltend machen kann. Die Frage ist umgekehrt: ob man nicht dem Amt eine größere Selbständigkeit einräumen sollte, um damit sein Selbstbewußtsein zu stärken. Aber, Herr Abgeordneter Menzel, wir sollten uns wirklich die gute Übung des Hauses zur Richtlinie dienen lassen. Warten wir wirklich die Ergebnisse des Ausschusses ab, auch den Bericht Ihrer eigenen Freunde, den Bericht der Mehrheit und den der Minderheit! Erst dann mögen wir einmal erneut zusammenfassend über diese Dinge diskutieren!
Nun zu der Berufung des Herrn Jess zum vorläufigen Präsidenten des Amtes und dem Vorwurf, daß das Amt noch nicht endgültig besetzt ist. Herr Kollege Menzel, als Vorsitzender des Ausschusses zum Schutze der Verfassung wissen Sie natürlich, daß Herr Jess am 31. Juli wegen Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand tritt. Halten Sie es nicht für eine sehr vernünftige Handhabung, diesen Zeitpunkt abzuwarten und einen neuen Präsidenten erst dann zu ernennen, wenn der jetzige Präsident, der dann gerade ein Jahr und wenige Tage im Amt sein wird, ausscheidet, oder wenige Tage vorher? Es hat ja nun wirklich keinen Sinn, innerhalb eines Jahres nocheinmal die Pferde zu wechseln, wenn gegen die Führung des Amtes durch diesen vorläufigen — Präsidenten ernsthafte Beanstandungen nicht erhoben werden! Und selbst Sie haben Beanstandungen gegen seine Amtsführung nicht vorbringen können.
Ich bin auch der Meinung, Herr Abgeordneter Menzel, daß der Vorsitzende des Ausschusses zum Schutze der Verfassung mit dem Wort „Hochverräter" doch etwas vorsichtiger umgehen sollte!
Herr Kollege, wenn in diesem Lande jeder, der
der Politik des Bundeskanzlers, wie Sie sagten,
nicht bis ins letzte und ins einzelne folgt und sie verteidigt, als Hochverräter angesehn wird, dann möchte ich mich Ihnen und dem ganzen Hause hiermit als Hochverräter vorstellen!
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Anliegen ist ein ganz anderes: Den Antrag auf Umdruck 442 *) zu begründen. Aber Sie werden verstehen, daß ich wenigstens mit einigen Worten doch noch auf die voraufgegangene Debatte eingehen möchte. Dabei werde ich mich 'bemühen, es mit derselben Ruhe zu tun, wie Sie, verehrter Herr Kollege Friedensburg, es getan haben. Aber einige Worte, die gesprochen warden sind, möchte ich nicht so im Raume stehenlassen. Da will ich mich, Herr Kollege Bucerius, mit Ihrer Definition als „Hochverräter" nicht auseinandersetzen; denn Sie haben bisher immer wieder in den Schoß der alleinseligmachenden CDU zurückgefunden.
Ich bitte aber, den Ausdruck, den Herr von Eckardt nun einmal als Bundespressechef gebraucht hat, nicht so zu bagatellisieren, wie Sie es getan haben.
Nun, Herr Kollege Friedensburg, dreierlei: Zum Fall Schlüter haben Sie 'den Ausdruck „Radau" gebraucht, und das bedaure ich im Interesse der gesamten Demokratie.
Meine Damen und Herren, es ist nicht gut, daß jeweils Ausdrücke fallen wie „die Straße" oder „Radau", wenn einmal dem Gruppenegoismus der jetzt herrschenden Koalition ein Vorgang in der öffentlichen Meinung nicht gefällt.
— Na also, sehen Sie, Sie sind meiner Ansicht. Das freut mich, und ich hoffte, daß Sie meiner Ansicht sind.
Sie haben gesagt, das, was Kollege Menzel erklärt hat, setzte die parlamentarischen Institutionen herab. Das glaube ich nicht. Ich glaube, daß es manchmal einem Parlament ganz gut tut, wenn es von der öffentlichen Meinung den Kopf gewaschen bekommt.
Denn wir müssen uns ja über eins klar sein: Ein Parlament lebt als Institution auch der öffentlichen Meinung nur im Bette einer gesunden öffentlichen Meinung im ganzen Volk,
und das hat sich im Falle Schlüter gezeigt.
Und dann ein Zweites: Sie haben gefragt, aus welchem Land Herr Kollege Menzel komme. Nun, vielleicht sieht sich manches — —
*) Siehe Anlage 4.
— Doch, doch, das war so Ihr Anfang: „Aus welchem Lande kommen Sie denn, daß Sie uns alle diese furchtbaren Dinge erzählen?"
— Nun, Herr Friedensburg, es sieht sich in Berlin und von Berlin aus manches anders an als hier im Westen, und Herr Menzel hat ja ganz klar erklärt: Auch wir sind nicht der Meinung, daß der Neonazismus oder -faschismus vor der Tür steht; aber wir halten es doch für geboten, solche scheußlichen Dinge wie die in Gardelegen, oder wie das heißt, in Gadeland und Goslar so anzuprangern, wie es sich gehört, und wir sind der Meinung, daß da seitens des verantwortlichen Herrn Bundesministers des Innern nicht das Erforderliche geschehen ist.
Aber auch in Berlin ist nicht immer alles so, wie es sein sollte, und ich will Ihnen nur einen einzigen Beweis dafür geben. Auch Ihnen sollte bekannt sein, daß der frühere Senator, Herr Fischer, in seiner Amtszeit am 3. Dezember 1954 das Mitglied 'dieses Hauses, Herrn Franz Neumann, beim Herrn Oberbundesanwalt wegen Landesverrat, Geheimnisverrat und Verstoß gegen das Freiheitsschutzgesetz angezeigt hat, und 'alles das wegen eines Agenten Faust — eines Agenten des Verfassungsschutzamtes —, der über den Herrn Bundespräsidenten, über den Herrn Bundeskanzler und über andere führende Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland Ausdrücke in den Mund genommen hat — ich kann sie hier wiedergeben, wenn es gewünscht wird —, die so scheußlich sind, daß man sie in einem Parlament nicht vortragen sollte. Sehen Sie, wenn es selbst in Berlin möglich ist, daß der Vorsitzende der größten 'demokratischen Partei beim Oberbundesanwalt denunziert wird, und zwar nicht von Irgendwem, sondern von einem Senator des Innern,
dann, glaube ich, können Sie doch auch in Berlin in dieser Hinsicht einiges aufweisen.
Und nun ein letztes kurzes Wort. Über dieses Thema werden wir ja in der kommenden Woche auf Ihren Wunsch, wenn Sie es haben wollen, noch sprechen: Sie haben erklärt, meine Partei, die Sozialdemokratie, habe niemals ein rechtes Verhältnis zur Wehrmacht gefunden. Ich will dazu nicht Stellung nehmen. Ich bin in der Weimarer Zeit — auch, weil damals zu jung — noch kein Sozialdemokrat gewesen; aber ich möchte Ihnen nur eins entgegnen: Ihre Sorge ist anerkennenswert. Sie müssen jedoch auch unsere Sorge und unsere Empfindung verstehen, daß — wenn ich mich sehr vorsichtig und sehr höflich ausdrücke -
der Herr Bundeskanzler, der von Ihrer Fraktion gestellt wird, und viele Ihrer Freunde manches, wenn nicht sogar sehr vieles oder alles tun, um ein rechtes Verhältnis der Sozialdemokratie zur Frage der bewaffneten Macht zu erschweren oder fast unmöglich zu machen,
und das sollten Sie sich überlegen.
Damit möchte ich diese Diskussion verlassen und zu meinem Anliegen zurückkommen, das allein mich eigentlich auf die Tribüne dieses Hauses geführt hatte. Ich habe die Ehre, den Antrag auf
Umdruck 442 zu begründen, und darf darauf aufmerksam machen und bitten, daß diese Begründung auch für die Anträge auf den Umdrucken 443, 444 und 445 als Begründung gilt. Es handelt sich um unsere fünf oberen Bundesgerichte und um die Frage, ob den Richtern dieser oberen Bundesgerichte Dienstaufwandsentschädigungen gewährt werden sollen oder nicht.
Meine Damen unid Herren! Ich sage vorweg mit aller Offenheit: man kann über die Frage der Dienstaufwandsentschädigung streiten. Wenn Herr Dr. Bergmeyer oder einer derer, die immer den Berg kreißen lassen — und nachher sind wir gelackmeiert, wenn es hier zum Schwur kommt —, den Antrag stellen sollte, die Dienstaufwandsentschädigungen überhaupt zu beseitigen oder sie zumindest beim Bundesrechnungshof zu beseitigen, dann würde er mich auf seiner Seite finden. Aber wir haben nun einmal die Tatsache, daß diese Dienstaufwandsentschädigungen in 'der Welt sind; von dieser Tatsache müssen wir ausgehen, und dann ergibt sich folgende Lage.
Erstens. Seitens des Herrn Bundesministers der Finanzen wird eingewandt, daß man eine Entscheidung über das, was man früher die höchstrichterlichen Zulagen genannt hat und heute Dienstaufwandsentschädigungen nennen würde, erst im Zuge der Besoldungsreform fällen könne. Nun, wir wissen alle, daß die Besoldungsreform jedenfalls in diesem Bundestage nicht mehr kommen wird. Außerdem wissen wir alle, daß die Frage solcher Zulagen im Grunde keine Angelegenheit der Besoldungsordnung ist. Dies ist also ein Ausweichen, und es scheint mir ein Argument zu sein, das das Bundesfinanzministerium verwendet, welches — entschuldigen Sie den harten Ausdruck — nicht ganz ehrlich ist.
Zweitens. Das Bundesfinanzministerium sagt —und jetzt bitte ich doch, aufzuhorchen —, es sei unabhängigen Richtern nicht zuzumuten, eine Zulage zu beziehen, die ihnen nur im Haushalt gewährt wird, auf die sie aber keinen gesetzlichen Anspruch hätten und die wieder entzogen werden könne.
Meine Damen und Herren, wenn das richtig wäre, dann dürfte am allerwenigsten der Bundesrechnungshof Zulagen 'bekommen,
der nach Artikel 114 mit derselben Unabhängigkeit ausgestattet ist wie ein Gericht und mit dem gerade idas Bundesfinanzministerium in einer besonders engen und nahen Berührung steht.
Hier muß ich den Vorwurf der Unehrlichkeit eines solchen Arguments deshalb mit aller Schärfe vorbringen. So gehts nicht, so kann man nicht miteinander sprechen, und so kann man auch nicht mit den Richtern sprechen. Also wenn schon in der Ministerialbürokratie, bei den oberen Bundesbehörden und beim Bundesrechnungshof solche Zulagen gewährt werden und wenn die Verwaltungsbeamten der oberen Bundesgerichte diese Zulagen bekommen, so gibt es gerechterweise und sinnvollerweise keinen Grund, daß ausgerechnet die Richterschaft davon ausgeschlossen wird.
Wir haben im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beschlossen, und zwar einstimmig beschlossen,
dem Haushaltsausschuß diese Frage nahezubringen, und wenn es zu spät wäre, da wir ja häufig nicht rechtzeitig gehört werden, dann sollte ein interfraktioneller Antrag eingebracht werden. Den interfraktionellen Antrag vermisse ich leider, und, Herr Kollege Bergmeyer, ich will nicht hoffen, daß es auf dem Fraktionszwang in Ihrer Fraktion beruht, daß die Mitglieder der CDU sich daran nicht haben beteiligen können.
Da der interfraktionelle Antrag nicht gekommen ist, haben sich einige meiner Freunde mit mir zusammen gezwungen gesehen, diese Frage hier aufzubringen, auch deshalb — und ich komme jetzt auf ein sehr grundsätzliches Problem —, weil es doch Aufgabe der Verwaltung wäre, solche Anliegen der Gerichtsbarkeit dem Parlament von sich aus vorzutragen.
Diese Frage ist sehr eingehend auf dem Hamburger Juristentag 1953 besprochen worden. Es hat dort allgemein Zustimmung gefunden, daß es bei den besondersartigen Beziehungen zwischen der dritten Gewalt, der unabhängigen Gerichtsbarkeit, einerseits und der Exekutive andererseits, eine Verpflichtung der Kabinettsmitglieder sei, dem Parlament Wünsche der Gerichtsbarkeit auch dann zur Entscheidung vorzutragen, wenn die Bundesregierung nicht glaube, sie sich zu eigen machen zu 'können. Das ist hier nicht geschehen, und wir stehen in diesem Punkt vor folgender Situation, wie wir sie auch sonst draußenandauernd finden: 'Kommt es zu irgendwelchen repräsentativen Veranstaltungen, so ist immer ein Bundesminister da — zumal man ja vier dazu engagiert hat, diese Festreden zu halten — und sagt schöne Worte. Wir haben niemals so viele schöne Worte über die Gerichtsbarkeit gehört wie in den letzten Jahren. Aber geht es hier zum Schwur, geht es darum, daß man nun den Worten auch Taten folgen läßt, dann sind dieselben Bundesminister hier nicht zu sehen und können das nicht vertreten, was sie draußen versprochen haben.
Meine Damen und Herren, nach der ganzen Lage ist diese Behandlung der Richter nichts weiter — und ich sage das jetzt mit Härte — als eine Absicht der hohen Ministerialbürokratie und der Exekutive, die Gerichte zu degradieren.
Es soll zum Ausdruck gebracht werden, daß sie nicht gleichrangig sind, und Sie, Herr Vogel, sind der erste, der dabei ist, wenn es sich darum handelt, die Gerichte zu degradieren!
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube,
daß ich meinen Ausführungen eine Feststellung vorausschicken darf. Wenn jemand in der Regelung der Gehalts- und Lohnverhältnisse, die sich auf die Beamten und auch auf die Richter beziehen, etwa die bewußte Absicht erblickt, eine Degradierung der Richter durchzuführen, wie der Herr Vorredner gesagt hat, so ist das nach meinem Dafürhalten eine Degradierung der Absichten des Parlaments.
Das Parlament weiß den Richterstand zu schätzen, das Parlament weiß den Beamtenstand zu schätzen. Das Parlament weiß, daß eine Gerechtigkeit in Lohn und Gehalt bestehen muß, und das Parlament weiß, daß die Verhältnisse zwischen den einzelnen Kategorien abgewogen werden müssen, um ein gesundes Gesamtbild zu erhalten.
Der Vorwurf mit dem Wort „Degradierung" ist gegen den Gesetzgeber gerichtet gewesen. Auch das Bundesfinanzministerium hat Vorwürfe erhalten, daß die Argumente, mit denen es sich bisher gegen die Gewährung dieser Dienstaufwandsentschädigung gewandt habe, nicht ehrlich, einmal hieß es sogar: ausgesprochen unehrlich seien. Das Hauptargument, das das Bundesfinanzministerium vorgebracht hat und das sich aus der Geschichte ohne weiteres ergibt, wurde dabei von dem Herrn Vorredner überhaupt nicht erwähnt. Es ist ganz selbstverständlich, daß im ganzen Zusammenhang auf verschiedene Gründe hingewiesen wird. Es ist ganz selbstverständlich — und das wird mir jeder der Herren des Beamtenrechtsausschusses zugeben —, daß alle Eingaben, die ja von allen Richtervereinen, vom Verein der Richter des Bundesfinanzhofes, vom Verein der Bundesrichter beim Bundesgerichtshof, vom Verein der Richter beim Bundesverwaltungsgericht etc. kommen und die durch die Gewährung der Dienstaufwandsentschädigung an die Herren des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst worden sind — das war der äußere Anlaß —, eine grundsätzliche Frage aufwerfen. Diese grundsätzliche Frage ist wohl ein Thema, das im Zusammenhang mit der demnächst zu erwartenden Besoldungsreform erörtert werden muß.
Es ist aber auch eine kühne Behauptung, zu sagen, daß das Bundesfinanzministerium unehrlich handle, wenn es behaupte, daß die Verhältnisse beim Bundesrechnungshof anders gelagert seien. Herr Kollege Dr. Arndt, das weiß jeder, der die Verhältnisse am Bundesrechnungshof kennt, daß seit Jahrzehnten hier deswegen Aufwandsentschädigungen gewährt werden, weil die Herren besonders mit Dienstreisen überbürdet sind und das praktische Bild der Verwaltung haben müssen. Aber der entscheidende Gesichtspunkt bleibt bestehen. Der entscheidende Gesichtspunkt ist der: Im Jahre 1937 wurde für die Richter an den obersten Gerichtshöfen eigens eine Besoldungserhöhung, die Einreihung in B 7 a durchgeführt mit der Begründung, es entspreche nicht der Würde der Richter an den obersten Gerichtshöfen, auf widerrufliche Zulagen mitverwiesen zu werden; deswegen wolle man sie gleich in die höhere Stufe setzen und ihnen die Stelle B 7 a zuerkennen, um keine Zulagen geben zu müssen. Jetzt sind die Richter in B 7 a, und jetzt kommt der Wunsch, in B 7 a zu bleiben und die Zulagen dazu zu erhalten.
Da muß ich sagen: Wenn ich jetzt das Verhältnis Ministerialbeamter und Richter am obersten Bundesgericht nehme, dann können wir ja sehen, wie die Abstände geblieben sind. In der Weimarer Zeit betrug das Grundgehalt des hohen Richters etwa 110 v. H. des Endgrundgehalts des Ministerialrats. Heute beträgt das Grundgehalt des hohen Richters etwa 127 % des Endgrundgehalts des Ministerialrats. Auch wenn ich den reinen Nettobezug nehme, also Zulagen, Steuerberechnungen etc., stelle ich fest, daß der Nettobezug des Richters monatlich wesentlich höher ist als der des Ministerialrats, also des höheren Ministerialbeamten. Es ergibt sich monatlich ungefähr eine Differenz von 65 bis 70 DM, also jährlich die entsprechende Summe. Der Abstand hat sich nicht verringert, der Abstand hat sich erhöht, und infolgedessen ist nicht von einer Degradierung die Rede, sondern zahlenmäßig von einer Höherbewertung gegenüber früheren Zeiten.
Ich bitte daher, es unter diesen Umständen mit Rücksicht auf das Gesamtbild bei der jetzigen Regelung zu belassen, wobei nicht ausgeschlossen ist, daß der Beamtenrechtsausschuß die ganze Frage im Zusammenhang mit der Besoldungsreform neuerdings prüfen wird, um klare Verhältnisse herbeizuführen. Aber die Gewährung der Dienstaufwandsentschädigung für die Herren Richter am Bundesverfassungsgericht wurde damals ausdrücklich damit begründet, daß das Bundesverfassungsgericht nun einmal oberstes Verfassungsorgan sei, und es ist in der damaligen Aussprache in diesem Hause ausdrücklich auch betont worden, daß eine Konsequenz für die Richter an den anderen oberen Gerichtshöfen nicht gezogen werden solle. Das war damals überlegt, und ich bitte, es dabei zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister der Finanzen ist doch in einer Reihe wesentlicher Punkte nach meiner Auffassung im Irrtum. Zunächst, Herr Bundesminister, trifft es nicht zu, daß diese Frage durch die Entscheidung des Vorjahres ausgelöst worden sei, den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts besondere Dienstaufwandsentschädigungen zu bewilligen.
Wenn Sie Ihre Akten nachschauen, werden Sie finden, daß die Eingaben sämtlicher Vereinigungen der Bundesrichter wesentlich älter sind und teilweise Jahre zurückliegen. Es ist auch keineswegs richtig, daß im vorigen Jahre hier erklärt worden sei, aus der Entscheidung zugunsten des Bundesverfassungsgerichts sollten sich keine Konsequenzen hinsichtlich der oberen Bundesgerichte ergeben. Es ist etwas ganz anderes gesagt worden. Es ist gesagt worden, diese Entscheidung sei kein Präjudiz, und sie beruhe auf besonderen Erwägungen. Aber damit ist in keiner Weise erklärt worden, daß dieselbe Frage nicht auch bei den oberen Bundesgerichten geprüft werden kann und der Prüfung bedarf.
Zweitens, Herr Bundesminister: Es trifft nicht zu, daß ich dem Bundesfinanzministerium Unehrlichkeit hinsichtlich der Behauptung unterstellt hätte, daß die Verhältnisse beim Bundesrechnungshof anders gelagert seien als bei den oberen Bundesgerichten. Das bestreitet kein Mensch; davon habe ich überhaupt nicht gesprochen. Vielmehr habe ich mich bezogen auf die Eingaben der Richtervereinigungen und auf die Stellungnahmen Ihres Ministeriums, in denen gesagt ist, wegen der Unabhängigkeit sei die Zulage unzumutbar. Das kann ich nicht anerkennen, wenn dem Bundesrechnungshof, der nach Art. 114 des Grundgesetzes die gleiche Unabhängigkeit besitzt, mit Ihrem Wissen, Wollen und Betreiben diese Zulagen gewährt werden. Das scheint mir allerdings keine miteinander vereinbare Haltung zu sein. Hiergegen habe ich mit einer gewissen Schärfe Stellung genommen, einer Schärfe, die sich auch in den Eingaben der Richter findet.
Drittens, Herr Bundesfinanzminister: Sie haben dann auf das Jahr 1937 Bezug genommen und die Dinge in einer Weise dargestellt, die so nicht zutrifft. Es ist unmöglich, das Hohe Haus jetzt mit einer Geschichte der Richterbesoldung in Deutschland aufzuhalten. Aber wie Sie es dargestellt haben — das bitte ich auch Ihrerseits nachzuprüfen —, ist es so nicht in Ordnung. Im Gegenteil sind die Reichsgerichtsräte ursprünglich wesentlich höher besoldet worden als die Vortragenden Räte in den Ministerien, die heute den Ministerialräten vergleichbar wären. Es gibt eine ständige Entwicklung des Sich-Überschneidens. Was Sie zum Schluß getan haben, nämlich immer vorn Ministerialrat auszugehen, gerade das hat niemals in der Absicht irgendeines Parlaments gelegen. Daher kommt dann dieser Vorwurf, daß die Richter in einer solchen Weise — ich muß das Wort wiederholen — degradiert werden sollen. — Soviel nur zur Klar- und Richtigstellung.
Ein letztes Wort an das Haus: Der Gesamtbetrag, um den es sich hier handelt, macht ungefähr die Hälfte dessen aus, was für die vier Sonderminister, die keine besonderen Aufgaben haben, bewilligt worden ist.
Also ich glaube, man sollte hier doch auf das Wort hoher Richter hören, wenn ein solches Anliegen von ihnen immer wieder und mit einer wirklich guten und überzeugenden Begründung vorgetragen wird. Ich habe außer Negativem nicht ein einziges verständliches Wort in den Ausführungen des Herrn Bundesministers der Finanzen gehört, warum er ausgerechnet die Bundesrichter in dieser Weise zu treffen wünscht und ihnen diese Zulage versagen will, die sogar die Verwaltungsbeamten bei den oberen Bundesgerichten bekommen.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz feststellen, die Ausführungen des Herrn Vorredners können mich nicht veranlassen, irgendeins meiner Worte richtigzustellen und einen Irrtum anzuerkennen. Herr Kollege Arndt, selbstverständlich sind mehrere Eingaben gekommen, selbstverständlich hat es schon in früheren Jahren Eingaben gegeben. Aber die Tatsache, daß nach der Einführung der Dienstaufwandsentschädigung für
die Herren am Bundesverfassungsgericht eine neue Welle, ich muß sagen, eine ziemlich einheitliche Welle, durch alle Vereinigungen dieser Richter gegangen ist, ist unbestreitbar und aktenmäßig.
Zweitens möchte ich feststellen: Ich habe die Logik, die Sie als unehrlich bezeichnen, in keinen Darlegungen gebraucht. Ich habe hier die Darlegungen vor mir, die ich am 21. Juli 1954 an diese Vereine gesandt habe und die ich in Abschrift dem Haushaltsausschuß des Bundestages zur Kenntnis gebracht habe. Hier ist mit keinem Wort vom Bundesrechnungshof und so fort die Rede. Der entscheidende Passus, auf den Sie zu sprechen gekommen sind, lautet folgendermaßen:
Die Richter an den obersten Gerichten des Reiches wurden bei der 31. Änderung des Besoldungsgesetzes 1937 einheitlich der Besoldungsgruppe B 7 a zugeteilt, in der sich bis dahin nur die Reichsgerichtsräte befanden.
— Die Reichsgerichtsräte erhielten aber vorher schon keine Ministerialzulage. —
Nach der Einstufung in die Besoldungsgruppe B 7 a wurde auch für die anderen Reichsrichter, die vordem in Besoldungsgruppe B 8 eingestuft waren und daneben Ministerialzulagen erhalten hatten, keine Ministerialzulage mehr gewährt. Wie aus den Akten des Reichsfinanzministeriums hervorgeht, ist damals, ebenso wie vorher schon bei den Reichsgerichtsräten, bewußt davon abgesehen worden, den ordentlichen Richtern an den obersten Gerichten des Reiches eine widerrufliche Zulage zu geben, weil man das mit der Stellung der höchsten Richter nicht für vereinbar hielt.
Das ist der entscheidende Passus, und das bestätigt, was ich ausführte: Man hat den Richtern eine höhere Besoldungsgruppe gewährt, um ihnen entsprechend der Würde ihrer Stellung keine widerrufliche Zulage geben zu müssen.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weitergebe, habe ich etwas bekanntzugeben. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten tritt doch schon um 11 Uhr zusammen, weil nunmehr feststeht, daß der Einzelplan 05 nicht aufgerufen werden wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Friedensburg.
Meine Damen und Herren! Ich bin dem Hause ein ganz kurzes Wort schuldig zu dem Einwand des Kollegen Arndt gegen die Bemerkung, die ich im Zusammenhang mit der Protestbewegung im Falle Schlüter gebraucht hatte. Ich gebe durchaus zu, Herr Kollege Arndt, daß der Ausdruck, den Sie wiedergegeben haben, nicht meinem Herzen entspricht. Mein Herz war bei dem Protest. Ich habe nach einem geeigneten Ausdruck gesucht und habe ihn leider im Augenblick nicht gefunden. Ich gebe das gern zu. Ich wollte es im Stenogramm berichtigen. Aber wenn ich Gelegenheit habe, es jetzt vor dem Hause zu tun, so erfülle ich damit nur eine innere Verpflichtung.
Aber, Kollege .Arndt, mein eigentliches Anliegen bleibt bestehen, und das möchte ich noch einmal unterstreichen. Wenn Kollege Menzel meinte, kein Parlament in Deutschland hätte das zustande gebracht, was die akademische Bewegung hier zustande gebracht hat, so Ist das gegenüber dem Parlament und insbesondere gegenüber diesem Hause in der Tat ungerecht. Wir alle, auch Sie, Kollege Arndt, haben das größte Interesse daran, daß das Parlament in seiner stillen, vielleicht bisweilen geräuschlosen Arbeit für den Aufbau unseres Staatswesens, nötigenfalls im vernünftigen Einvernehmen zwischen Regierung unid Opposition, mehr leistet und das nicht der unkontrollierbaren Bewegung draußen im Lande überläßt.
Nun ein zweites. Ich bin mit dem Kollegen Arndt der Ansicht, daß in der Frage der Zulagen für Bundesrichter der jetzige Zustand unbefriedigend ist. Ich habe heute, Herr Bundesminister, zum ,erstenmal die sachlichen und historischen Zusammenhänge gehört; sie sind nun einmal unbekannt, und es ist 18 Jahre her. Ob die damaligen Eingruppierungen überhaupt noch in der alten Form aufrechtzuerhalten sind, lasse ich dahingestellt. Es ist ein wenig peinlich und schmerzlich für uns, die wir diesen höchsten Richtern ein hohes Maß von Autorität und Ansehen geben wollen, wenn sie auf diese Weise gegenüber anderen unterschieden werden.
Aber auch hier, Kollege Arndt, muß ich noch einen Einwand machen. Sie würden der Sache, auch unserer gemeinsamen Sache, vielleicht besser dienen, wenn Sie, statt in dieser völlig ungerechtfertigten und kränkenden Form gegen einzelne Kollegen Stellung zu nehmen, lieber versuchten, Freunde für das gemeinsame Anliegen zu finden. Dadurch würden Sie mehr für die Sache tun als durch solche Überspitzungen und Übertreibungen, wie sie Ihnen und dem Kollegen Menzel leider unterlaufen sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Herr Präsident! Meine 'Damen und Herren! Der Änderungsantrag auf Umdruck 434 *), den zu begründen ich die Ehre habe, beinhaltet einen einmaligen Zuschuß zum Tit. 06 02 von 40 000 DM für das Deutsche Kunsthistorische Institut in Florenz. Die Ursache dafür ist, daß es gelungen ist, für dieses Institut seit langem benötigte neue Räume zu erhalten, und daß es notwendig wird, um in diesen Räumen eine Arbeitsgrundlage zu schaffen, für eine entsprechende Einrichtung zu sorgen.
Ich habe bereits das Vergnügen gehabt, im Haushaltsausschuß auf die Bedeutung hinzuweisen, die dieses Institut in unserem Kulturleben besitzt, das, glaube ich, in seiner nahezu 70jährigen Geschichte eine der glanzvollsten Einrichtungen gewesen ist und noch ist, auf die unser Land blicken kann. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß ganze Generationen von Museumsdirektoren und so berühmte Namen wie etwa von Heinrich Wölfflin bis zu Pinder hin in diesem Institut gearbeitet und die deutsche kunsthistorische Forschung einige Jahrzehnte lang zu der bedeutendsten in der ganzen Welt gemacht haben. Leider ist diese Arbeit durch den letzten Krieg weitgehend unterbrochen worden, und wenn
*) Siehe Anlage 3.
wir heute unsere Museen betrachten, so können wir von allen Seiten hören, daß es außerordentlich bedenklich erscheine, daß der wissenschaftlich geschulte Nachwuchs für unsere Museen, wie wir ihn bräuchten, nicht mehr vorhanden ist.
Aber nicht allein der Museen wegen — obwohl es auch eine große und immer andauernde Aufgabe bedeutet, das, was an den Wänden hängt, nicht totes Betrachtungsmaterial sein zu lassen, sondern in der ganzen Bevölkerung einen gewissen Sinn dafür zu erwecken —, sondern auch wegen der allgemeinen Bedeutung der Kunstgeschichte, die gerade in diesem Institut seit Jahrzehnten ein besonderes Bindeglied zwischen uns und Italien bedeutet hat, wo Arbeiten entstanden sind, die für Hunderttausende von Italienreisenden hinter diesem Lande doch noch etwas anderes eröffnet 'haben als das, was man bei eiliger Durchfahrt aus dem Auto oder aus dem TouropaWagen sieht, erscheint es notwendig, daß diese Arbeiten in vollem Umfange wieder dort aufgenommen werden können, wo sie vor dem Kriege abgebrochen werden mußten. Dieses Institut ist einzigartig in der Welt, und Sie können heute in Museen auf dem ganzen Erdball kommen, ob in den Vereinigten Staaten oder in Südamerika, ob in England oder in Frankreich, Sie werden fast niemanden finden, der sein Studium der italienischen Kunst nicht vorübergehend in diesem Institut vorgenommen hat. Aus diesem Grunde bitte ich Sie eindringlich, diese 40 000 DM zu bewilligen, die einen einmaligen Zuschuß in diesem Jahre darstellen, zusätzlich zu den bereits bewilligten 140 000 DM. Es gibt in unserem Haushalt viele Titel, wo mit sehr erheblichen Mitteln relativ wenig erreicht werden kann. Hier handelt es sich um eine Aufgabe — was leider Gottes viel zu selten der Fall ist —, wo mit sehr geringen Mitteln für unser Ansehen und für unser Geistesleben ein ungeheurer Effekt erreicht werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen zu Einzelplan 06 in der dritten Beratung liegen nicht vor. Ich schließe daher die Beratung. Ich 'komme zur Abstimmung.
— Es wurde mir gesagt, Herr Staatssekretär, Sie wollten dazu nur sprechen, wenn er begründet wird. Da er nicht begründet worden ist, habe ich gemeint, die Bedingung, unter der Sie sprechen wollten, sei nicht eingetreten. Aber bitte! Ich eröffne also noch einmal die Beratung und erteile das Wort Herrn Staatssekretär Ritter von Lex.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt aufs wärmste den Antrag in Umdruck 437*), die k.w.-
Vermerke bei den Stellen des Paßkontrolldienstes wieder wegfallen zu lassen. Der vom Haushaltsausschuß beschlossene Wegfall der Hälfte der 850 Stellen des Bundespaßkontrolldienstes, und zwar bereits zum 31. März 1956, würde die Bundesregierung vor eine geradezu unlösbare Aufgabe stellen. Ich darf mich auf die eingehenden Ausführungen beziehen, die der Herr Bundesminister des Innern in dem Schreiben vom 3. Juni an die Mitglieder des
*) Siehe Anlage 5.
Bundestages und bei der zweiten Lesung des Haushaltsplans über das Problem der Paßnachschau, einer bekanntlich durch das Bundesgrenzschutzgesetz dem Bundesgrenzschutz gestellten Aufgabe, gemacht hat.
Ich darf vielleicht in aller Kürze noch einmal darauf hinweisen, daß wir, um das Tätigwerden von zwei Behörden an der Grenze nach Möglichkeit einzuschränken, von uns aus bereits an 320 von 380 Grenzübertrittsstellen die Paßnachschau dem Zoll übertragen haben. Trotzdem entfallen von den aber Millionen von Grenziibertritten immer noch rund 80 % auf das Personal des Paßkontrolldienstes, und zwar gerade an den wichtigsten Übertrittsstellen, an den Hauptknotenpunkten. Wir sind aber von uns aus bemüht, alle Wege zu gehen, die zu einer Verminderung des Personals des Paßkontrolldienstes führen können.
Nun darf ich mir aber eine grundsätzliche Bemerkung erlauben.
— Nein, nein, das wäre ein schematischer und formeller Weg! Wir müssen einen organischen Weg finden, und ich darf darum sagen: die wirkungsvollste Maßnahme wäre eine möglichst weitgehende Einschränkung des Ausweiszwanges beim Grenzübertritt. Das wäre die Lösung, die angestrebt werden muß und der wir unser volles Augenmerk widmen werden.
Um sicherzustellen, daß die hier zu lösenden Probleme sachkundig und objektiv geprüft werden, beabsichtigt die Bundesregierung, eine Kommission zu schaffen, die sich aus Vertretern des Bundesinnenministeriums, der Zollverwaltung des Bundesfinanzministeriums, des Bundesrechnungshofes sowie aus je einem Vertreter der Bundestagsausschüsse für den Haushalt, für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und für auswärtige Angelegenheiten zusammensetzt.
Um eine solche nach unserer Auffassung allein erfolgversprechende organische Lösung des Problems der Paßnachschau und des Paßkontrolldienstes zu ermöglichen, bittet die Bundesregierung das Hohe Haus, entsprechend dem Antrag auf Umdruck 437 den k.w.-Vermerk bei den Stellen des Paßkontrolldienstes zu streichen und insoweit die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat in der zweiten Lesung zu diesem Problem — Kap. 06 25 Bundesgrenzschutz — eingehende rechtliche Ausführungen gemacht. Ich glaube, daß wir uns diesen Rechtsausführungen unter keinen Umständen verschließen können. Deshalb wird die Mehrheit meiner Freunde dem Antrag der CDU auf Umdruck 437 zustimmen.
Dazu aber noch ein 'Satz: Meine Damen und Herren, ich glaube, es wird erwogen werden müssen, ob man angesichts der Rechtsausführungen, die der Herr Bundesinnenminister neulich gemacht hat, das Gesetz nun so läßt oder ob es es war mir besonders interessant, das heute von dem Herrn Staatssekretär zu hören — andere Mittel und Wege gibt, diese Dinge aus der Welt zu schaffen. Ich glaube, das sollten wir recht bald in Angriff nehmen, Herr Staatssekretär. Wir würden dann wohl aus den Schwierigkeiten, die hier aufgetreten sind, herauskommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht zu bestreiten, daß der Weg, den der Herr Staatssekretär hier vorgeschlagen hat, gangbar ist, nämlich — was ja auch schon zum Teil in der Presse verkündet worden ist — die Art der Kontrolle, die überflüssige Abstempelei an der Grenze, so weit zu reduzieren, wie es überhaupt geht, und im übrigen das zu tun, was dem Herrn Staatssekretär im Namen seines Herrn Ministers vorschwebt: die Bildung eines Ausschusses, an dem auch Vertreter des Parlaments bzw. dreier Ausschüsse beteiligt sein sollen. Daß 'dieser Ausschuß die Möglichkeiten erkennt und positive Vorschläge macht — das alles kann geschehen, soll geschehen und muß geschehen. Aber, meine Damen und Herren, wenn die Regierung, die bisher in dieser Sache nichts getan hat, nicht unter dem Druck der Anbringung von k. w.-Vermerken steht — und wir streichen jetzt etwa wieder die kaum angebrachten k. w.-Vermerke —, dann ist in diesem Rechnungsjahr keinerlei Garantie dafür gegeben, daß wir nicht erst günstigstenfalls heute in einem Jahr da stehen, wo wir jetzt stehen und dann erst durch eine Neuanbringung von k.w.-Vermerken zu einem notwendigen und gewünschten Ergebnis gelangen.
Um es einmal ganz klarzustellen: Wie es aus Eingaben ersichtlich war, handelt es sich bei all denen, die aus allen Fraktionen im Haushaltsausschuß und auch hier im Plenum eh und je zu der Frage Stellung genommen haben, in keiner Weise um eine Beeinträchtigung der Rechte und der Interessen der Angehörigen des Grenzschutzes. Daran denkt kein Mensch. Niemandem soll seine Stelle genommen werden, sondern es soll endlich einmal der Anfang gemacht werden mit einer sich auch buchmäßig auswirkenden Vereinfachung der Verwaltung, mit einer Vereinfachung der Prozedur bei den Grenzübergängen. Kurzum, wir sollten einmal den Mut aufbringen, die Dinge so zu nehmen, wie sie wirklich sind. Nach dem vorliegenden neuen Antrag und nach den Erklärungen, die eben namens der FDP abgegeben worden sind, befürchte ich, daß sich in diesem Hause wiederum eine Mehrheit findet, die den Wünschen der Regierung entspricht und daß sich hier doch wieder ein Zustand verewigt, der abgebaut werden muß. Mir genügen die Erklärungen der Regierung dann, wenn der Streichungsvermerk bezüglich des angebrachten k. w.-Vermerks vom Hohen Hause nicht gebilligt wird. Dann steht ein Druck dahinter.
Lassen Sie mich aber noch eines sagen: Die rechtlichen Argumente, die der Herr Bundesinnenminister hier vor einigen Tagen vorgebracht hat, werden einer kritischen Prüfung in keiner Weise standhalten; denn der § 2, der hier in Anwendung kommt, spricht nicht für den Standpunkt des Herrn Bundesinnenministers, sondern spricht für das, was mein Kollege und Freund Mommer hier zum Ausdruck gebracht hat. Dann wäre die Bundesregierung in 380 Fällen von 380 Grenzübergängen am laufenden Band sündenfällig geworden. Meine Damen und Herren, machen Sie doch endlich einmal an einem Punkt Ernst mit dem Willen zur Sparsamkeit in der Verwaltung. Wer den Etat wirklich kennt, der sieht ein, daß es notwendig ist, einmal einen ernsthaften Anfang zu machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Ritter von Lex.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch 'ein paar Sätze. Der Herr Abgeordnete Ritzel ist der Meinung, daß ohne den k. w.-Vermerk zu wenig Druck hinter den Absichten der Bundesregierung wäre. Ich darf Sie bitten, diese Besorgnis nicht zu haben. Ich möchte einwenden, 'daß auch der k. w.-Vermerk erst zum 31. März des Jahres 1956 in Wirkung treten würde. In dieser Zeit kann die organische Arbeit geleistet werden. Dies gilt um so mehr, als das ganze materielle paßrechtliche Problem ja sowieso jetzt in der Entwicklung und in der Neugestaltung 'begriffen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beabsichtige weder einen Antrag zu stellen, noch einen solchen zu begründen. Ich möchte vielmehr nur die Vertreter des Bundesministeriums des Innern bitten, ihre Aufmerksamkeit nun wirklich mit Nachdruck der Reform des Adoptionsrechts zuzuwenden. Sie wissen, daß die Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge sehr eingehende Vorschläge dazu gemacht .hat. Ich weiß auch, daß gewisse Verbesserungen und Änderungen vor einiger Zeit erfolgt sind. Aber eine grundsätzliche Neuregelung des Adoptionsrechts, die unter den vollkommen veränderten Verhältnissen unbedingt notwendig ist, ist bis heute nicht erfolgt. Ich bin der Meinung, daß vermögens- und erbrechtliche Gesichtspunkte zurücktreten müssen gegenüber der Hilfsbedürftigkeit der Kinder und der unbedingten Notwendigkeit, dafür zu sorgen, 'daß alle Vorschriften, die im Adoptionsrecht erlassen werden, einzig und allein von dem Gesichtspunkt der Sorge und Hilfe für die Kinder ausgehen. Alles andere ist eine cura posterior.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern sagt, daß der k. w.-Vermerk ja doch erst zum 1. April des nächsten Jahres wirksam werde. Ich finde, er braucht ihn um so weniger zu fürchten. Wenn er inzwischen die Dinge so bereinigen will, daß dann seine Verwaltung mit weniger Personal auskommt, warum will er dann den k. w.-Vermerk nicht lassen?
Dann ist er ja ohne praktische Wirkung für ihn. Aber ich bewundere die Zähigkeit und die List, mit der das Innenministerium in 'diesen Dingen immer wieder kämpft. Diese Arbeit, Herr Innenminister und Herr Staatssekretär, wäre einer besseren Sache wert.
Auch heute wieder machen Sie nicht etwa den konkreten Vorschlag, die Grenzkontrollen so zu vereinfachen, daß Sie mit weniger Personal auskommen, sondern Sie empfehlen wieder eine Kommission, die hat dann wieder für zwei Jahre Arbeit, und dann sehen Sie weiter. Ich möchte das Haus bitten, sich auf diese Dinge nicht einzulassen und den k. w.-Vermerk zu lassen. Es geht nicht nur um die Frage der Vereinfachung ,der Verwaltung. In diesem Hause ist sehr viel von Europa geredet worden. Von der Nichtexistenz Europas merkt der Durchschnittsbürger am meisten, wenn er über die Grenze geht. Da sieht er, mit welchem Mißtrauen er in dem befreundeten und verbündeten Nachbarlande empfangen wird. Das sieht er an den Polizisten und ihren 58 Millionen Stempeln.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: widersetzen Sie sich diesem Anliegen der- Bundesregierung, das nicht etwa ein politisches Anliegen der Regierung gegen die Opposition, sondern ein bürokratisches Anliegen ist. Hier leistet es sich die Verwaltung, auch gegen die Richtlinien, die ihr von ganz oben kommen, dauernd Politik zu machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe mich veranlaßt, zu Ausführungen, die der Herr Abgeordnete Dr. Arndt gemacht hat, noch kurz einige Bemerkungen zu machen. Er hat vorher davon gesprochen, daß in der größten Fraktion dieses Hauses, in der Fraktion der Christlich-Demokratischen Union, Fraktionszwang bestehe. Er hat damit etwas behauptet,
was mir völlig unbekannt ist, obgleich ich dieser Fraktion angehöre.
Herr Kollege Arndt, in der christlich-demokratischen Fraktion gibt es keinen Fraktionszwang.
Es hat ihn nie gegeben. Es wird ihn nie geben. Wenn Sie sich darüber informieren wollen — Sie haben dazu bei Ablauf der Sitzungen seit 1945 reichlich Gelegenheit gehabt! —,
wenn Sie das Bedürfnis haben, sich wirklich gründlich darüber zu informieren, dann würde ich Ihnen empfehlen, sich einmal die Listen über die namentlichen Abstimmungen dieses Hauses vorzunehmen. Sie werden aus idiesen Listen ersehen können, daß bei fast jeder namentlichen Abstimmung dieses Hauses die größte Fraktion der Regierungskoalition nicht einheitlich abstimmte. Dies beweist besser als alles andere, daß sie keinen Fraktionszwang kennt.
Ich war bisher der ehrlichen Überzeugung, Herr Abgeordneter Arndt, daß es in ,diesem Hause nur eine Fraktion gibt, in der es Fraktionszwang gibt, und das ist die Fraktion, der Sie angehören!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt zu einer Erwiderung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten die Haushaltsdebatte nicht damit aufhalten, daß wir uns nun hier noch über Fraktionszwang streiten.
Aber wenn Sie es wünschen, kann ich gern Ausführungen ,dazu machen.
— Herr Kollege Bausch, ich habe gesagt, ich hoffte nicht, daß es auf dem Fraktionszwang beruhe. So können Sie es nachlesen. Das habe ich gesagt.
Das ist etwas ganz anderes, als Sie mir angedichtet haben.
Aber, Herr Bausch, da Sie nun diese Sache vom Zaun gebrochen haben — Sie gehören mit zu denen, die draußen in der Öffentlichkeit damit herumgehen, will ich vorsichtig sagen —, daß die sozialdemokratische Fraktion des 1. Bundestags in allen, ich glaube, 92 oder 93 namentlichen Abstimmungen einheitlich gestimmt habe. Ich möchte Ihnen hier sagen: diese Behauptung stellen Sie leichtfertig auf — vorsichtig ausgedrückt —; denn wenn Sie es nachsehen, werden Sie finden, daß es auch in der sozialdemokratischen Fraktion bei namentlichen Abstimmungen wiederholt Abweichungen gegeben hat.
Ich will Ihnen nur eine aus dem Gedächtnis nennen: die namentliche Abstimmung darüber, ob wir einen einheitlichen Richterwahlausschuß für alle fünf oberen Bundesgerichte haben sollten
oder ob wir fünf Richterwahlausschüsse haben sollten.
Also, das gibt es bei namentlichen Abstimmungen auch, und dann ist das Argument doch nicht richtig. Wir haben doch nicht bloß namentliche Abstimmungen gehabt, sondern wir haben im 1. Bundestag nach meiner Schätzung zwischen 30 000 und 50 000 Abstimmungen gehabt. Wir haben allein 500 Gesetze in 3 Lesungen verabschiedet. Es ist für jede Fraktion eine Selbstverständlichkeit, daß sie als eine politische Einheit operiert; und wenn in irgendeiner Fraktion eine besondere Geschlossenheit zu sehen ist — denken Sie an das Kindergeldgesetz, denken Sie an das Gesetz über den Vertrag hinsichtlich der Auslandsschulden, wo sich einige Ihrer Damen und Herren vermeintlich geirrt hatten und ähnliches mehr —, ich glaube, S i e haben eine Einheitlichkeit in beiden Bundestagen exerziert, die sich sehen läßt!
— Sie glauben es nicht, Herr Sabel? Aber wir wissen es doch; es hat doch keinen Zweck, solche Dinge zu erzählen!
— Herr Sabel, der Ausdruck „wider besseres Wissen" ist ungehörig. Aber ich weiß, Sie sind sehr aufgeregt, und ich nehme es bei Ihnen manchmal nicht ganz ernst.
— Herr Kollege Sabel, über meine Wahrhaftigkeit haben nicht Sie zu entscheiden! Und darüber bin ich sehr froh!
Welchen Sinn soll es denn jetzt haben, daß Sie hier eine Art Wahlpropaganda gegen die Sozialdemokratie machen hinsichtlich des Fraktionszwangs? Das ist doch völlig sinnlos!
— Herr Kollege Spies, ich habe in einer leichten Bemerkung gesagt, ich hoffte, daß das Ausbleiben der Unterschriften auf keinem Fraktionszwang beruhte,
nicht wahr? Da Sie aber so furchtbar aufgeregt sind, müssen Sie sich in dieser Sache doch an irgendeinem Nerv getroffen fühlen!
— Meine Damen und Herren, Sie wissen ganz genau, daß beim Kindergeldgesetz — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, für die Ordnung im Hause bin allein ich hier verantwortlich!
— Ja, Herr Kollege Dresbach, Sie waren Dissident; aber ich möchte nicht an Sie die Frage stellen,
ob man nicht heftig versucht hat,
diesen „Dissidentismus" zu brechen!
— Gut, das mag sein.
— Die Zeit hat uns Herr Bausch gestohlen, indem er in „Bausch" und Bogen hier wieder solche Anklagen erhoben hat. Sie wissen, daß dazu keine Veranlassung besteht, aber Sie wünschen immer, ein falsches Bild entstehen zu lassen, und zwar, Herr Sabel, so in der Weise, als ob Wahrhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit allein Ihre Fraktion gepachtet hätte,
während sie anderen Fraktionen fehlten. Und das hier niedriger zu hängen, dazu wollte ich doch noch Gelegenheit nehmen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe das seltene Vergnügen, mit dem Herrn Kollegen Dr. Arndt in der Hinsicht einig zu sein, daß wir hier eine Haushaltsdebatte haben, daß dieser Exkurs beendet sein sollte und daß wir wieder zu dem Thema, bei dem wir stehengeblieben sind — dem Antrag auf Umdruck 437*) —, zurückkehren sollten.
Ich habe mich deshalb zum Wort gemeldet, weil der Kollege Ritzel am Schluß seiner Ausführungen geradezu leidenschaftlich davon gesprochen hat, daß wir doch endlich einmal mit der Sparsamkeit Ernst machen sollten. Meine Damen und Herren, ich wiederhole das, was ich im Haushaltsausschuß und in der zweiten Lesung hier schon gesagt habe. Es muß klipp und klar festgestellt werden: Der k.w.-Vermerk für 425 Angehörige des Bundesgrenzschutzes, die im Augenblick Bundespaßkontrolldienst machen, bedeutet keine Mark Einsparung.
Das muß ganz klipp und klar erkannt werden.
*) Siehe Anlage 5.
Ich sage Ihnen auch, warum. Die 425 Mann, die jetzt Bundespaßkontrolldienst machen, sind Angehörige des Bundesgrenzschutzes. Wenn der k.w-
Vermerk Wirklichkeit wird, dann fällt die Aufgabe für sie weg. Sie gehören dann wieder zum Bundesgrenzschutz und bleiben Beamte, wie sie bisher auch Beamte des Bundesgrenzschutzes waren. Es wird keine Mark erspart. Im Gegenteil — auch darauf muß man aufmerksam machen, wenn man die Dinge einmal sachlich betrachten will —, es droht die Gefahr, daß rein haushaltsmäßig eine Verteuerung eintritt, und zwar deshalb, weil die Zollverwaltung bei den Verhandlungen zwischen Bundesinnenministerium und Bundesfinanzministerium vermutlich sagen wird: Es tut uns leid; wir können die Aufgabe vielleicht mit etwas weniger Personal erfüllen als der Bundespaßkontrolldienst, aber ganz ohne Personalerhöhung wird es auch bei uns nicht gehen. Wir müssen deshalb noch einige Kräfte dazu haben.
Mit anderen Worten: Der k.w.-Vermerk allein verursacht nach meiner festen Überzeugung — und die Behauptung kann niemand aus der Welt schaffen — nicht nur keine Ersparnis, sondern verursacht eine Verteuerung.
Ich will gar nicht näher darauf eingehen, daß es an sich klüger gewesen wäre, von der Aufgabenseite aus an die Dinge heranzugehen. Ich wollte nur zu der leidenschaftlichen Aufforderung des Herrn Kollegen Ritzel noch einmal Stellung nehmen: Machen wir doch endlich Ernst mit der Sparsamkeit! — Damit hat dieser k.w-Vermerk nichts zu tun.
Im übrigen könnte ich mich für meine Person — obwohl ich im Haushaltsausschuß schließlich auch für den k.w.-Vermerk gestimmt habe, aber unter der Vorstellung, daß er durch eine Entschließung ergänzt werden muß, die darauf abzielt, daß das Personal der Zollverwaltung nicht etwa infolge der Übernahme dieser Aufgabe vermehrt werden darf — bereit erklären, jetzt gegen den k.w.-Vermerk zu stimmen, und zwar auf Grund der Erklärung der Bundesregierung, daß sie bereit ist, eine Kommission einzusetzen, die ernsthaft auch den Wegfall der Aufgaben prüfen wird. Die Kommission müßte allerdings nach meiner Auffassung als Hauptaufgabe die Prüfung der Frage haben: Sind wir bereits in der Lage, den Aufgabenbereich, den bisher der Bundespaßkontrolldienst wahrgenommen hat, ganz oder mindestens zum großen Teil wegfallen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung des Einzelplans 06 in der dritten Lesung.
Ich komme zur Abstimmung. Ich rufe auf zur Abstimmung den Antrag auf Umdruck 434*), wonach gefordert wird, den Zuschuß für das Kunsthistorische Institut in Florenz um 40 000 DM zu erhöhen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich rufe Umdruck 442**) auf, Antrag des Herrn Kollegen Arndt und einiger anderer Abgeordneten.
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4.
Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe Umdruck 437 *) auf, der Antrag, über den eben so heftig debattiert wurde. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, ich muß Sie bitten, die Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 437 zu wiederholen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, dann komme ich zur Schlußabstimmung über Einzelplan 06, und zwar in der Fassung der zweiten Beratung mit der Änderung, die er jetzt durch die Annahme des Antrags auf Umdruck 437 erfährt. Wer dem Einzelplan in dieser Gestalt in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Bei Einzelplan 06 ist noch über einen Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 der Drucksache 1506 abzustimmen, der lautet:
den Antrag der Abgeordneten Dr. Adenauer, Sabaß, Dr. Kleindinst, Dr. h. c. Müller und Genossen betr. Zuschuß für die Erhaltung und Verbesserung des Städtischen Theaters und Orchesters der Stadt Bonn — Drucksache 1141 — und aus dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films (10. Ausschuß) — Drucksache 1187 — die Ziffer II des Ausschußantrags durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 für erledigt zu erklären.
Wer diesem Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 der Drucksache 1506 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich greife nunmehr zurück und rufe auf: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag.
Hier muß noch über Ziffer 2 des Ausschußantrages auf Drucksache 1502 abgestimmt werden, die lautet:
die Änderungsanträge der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1954 — Umdrucke 99, 100 — durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 für erledigt zu erklären.
Wer diesem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan 03 Bundesrat.
Hier haben wir noch über einen Entschließungsantrag auf Umdruck 391**) abzustimmen, der lautet: Der Bundestag wolle beschließen:
Der Präsident des Bundesrates wird aufgefordert, von dem Umbau des Bundesratssaales
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 2.
abzusehen und die in Haushaltsplänen der zurückliegenden Jahre für diesen Umbau bewilligten Mittel endgültig einzusparen.
Es ist ein Antrag des Abgeordneten Brese und einer Reihe anderer Abgeordneten. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Wir sind außerstande, die Mehrheitsverhältnisse richtig abzuschätzen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr in der dritten Beratung auf: Einzelplan 07 für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz.
Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 443*) vor, den der Herr Kollege Arndt vorhin schon begründet hat. Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zu Einzelplan 07 auf Umdruck 443 in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr dem Einzelplan 07 in der Fassung der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf
Einzelplan 08 für den Geschäftsbereich des Bundesminister der Finanzen.
Hier liegt inhaltlich der gleiche Änderungsantrag vor, und zwar auf Umdruck 444**). Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr dem Einzelplan 08 in der Fassung der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 09 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
Dazu rufe ich auf den Änderungsantrag auf Umdruck 450***), der lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
in Kap. 09 02 Tit. 305. den Sperrvermerk „Davon sind 300 000 DM gesperrt." zu streichen.
Wer diesem Änderungsantrag der Abgeordneten Naegel, Dr. Kreyssig, Dr. Hoffmann, Samwer, Dr. Elbrächter und Genossen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 450 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 9.
Das Präsidium ist sich nicht einig. Wir müssen auszählen. Wir stimmen also über den Antrag auf Umdruck 450 ab. Ich bitte Sie, den Saal zu verlassen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 252, mit Nein 89, mit Enthaltung 7 Abgeordnete. Das Abstimmungsergebnis ist eindeutiger als vorhin.
Damit ist der Antrag Umdruck 450 angenommen.
Ich komme nunmehr zur Schlußabstimmung über den Einzelplan 09 in der dritten Lesung in der Fassung, die er in der zweiten Lesung und durch die eben erfolgte Annahme des Antrags Umdruck 450 bekommen hat. Wer ihm in dieser Gestalt zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe dann noch auf den Entschließungsantrag zum gleichen Plan auf Umdruck 435*). Es handelt sich um den Entschließungsantrag der Abgeordneten Naegel, Dr. Schöne, Dr. Starke, Samwer, Dr. Elbrächter und Genossen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe nunmehr in der dritten Beratung auf
Einzelplan 10 für den Geschäftsbereich des Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Hier liegen zwei Änderungsanträge vor, einer auf Umdruck 447 und ein neuer Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 458. Ich nehme an, daß er noch nicht verteilt ist, wenn es nicht in den letzten Minuten geschehen ist. Soll der Antrag Umdruck 447 **) begründet werden? — Bitte, Herr Abgeordneter Friese!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine ganz kurze Erläuterung zum Antrag Umdruck 447. Wir möchten mit der Ergänzung der Erläuterungen zu diesem Titel den Kreis der Begünstigten um die unselbständigen Landhandwerker erweitern. Wir haben hierbei die Landhandwerker im Auge, die selbst auch in der Landwirtschaft tätig sind und nebenbei Landwirtschaft betreiben. Auch ihnen sollen diese Vergünstigungen beim Bau gewährt werden können, um sie auf dem Lande festzuhalten. Damit soll auch dem Problem der Landflucht gesteuert werden, das für die Landhandwerker genau so brennend ist wie für die Landwirtschaft. Ich bitte, dem Antrag Umdruck 447 zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wünscht noch jemand das Wort dazu? — Das ist nicht der Fall.
*) Siehe Anlage 8.
**) Siehe Anlage 10.
Für den Fall, daß der Umdruck 458 *) Ihnen noch nicht vorliegt, verlese ich ihn:
In Kap. 10 02 Tit. 956 wird die Ziffer 7 der Erläuterungen wie folgt ergänzt:
„sowie Umbau von Kuttern bei hilfsbedürftigen, besonders förderungswürdigen Betrieben".
Soll der Antrag begründet werden? — Das ist nicht der Fall.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Dann schließe ich die Beratung zu Einzelplan 10.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 447, der soeben hier begründet wurde, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Einstimmig angenommen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 458, den ich soeben vorgelesen habe. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über Einzelplan 10 in der dritten Beratung in der Fassung der zweiten Beratung mit den Änderungen, die sich durch die Annahme der beiden Anträge ergeben. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Drucksache 1510 Ziffer 2. Das ist der Bericht des Ausschusses, in dem beantragt wird,
die Anträge
a) der Abgeordneten Dannemann, Müller , Dr. Conring, Peters und Genossen betr. Küstenplan
— Drucksache 736 —,
b) der Fraktion der DP betr. Mittel für den Bau eines Fischereischutzbootes
— Drucksache 821 —
durch die Beschlußfassung zum Einzelplan 10 für erledigt zu erklären.
Wer diesem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1510 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan 11 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit.
Hierzu habe ich nur einen Änderungsantrag vorliegen; den Antrag Umdruck 445 **), der schon von Herrn Kollegen Dr. Arndt begründet worden ist. Es handelt sich um die Frage der Dienstaufwandsentschädigung für die Richter des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts. Wird dazu nochmals das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 445 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
*) Siehe. Anlage 11. **) Siehe Anlage 12.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über den Einzelplan 11 in der dritten Beratung in der Fassung der zweiten Beratung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer großen Zahl von Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf den
Einzelplan 12 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr.
Es liegen zwei Änderungsanträge vor; sie werden mir soeben hierher gereicht. — Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 456 *). Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier um die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, d. h. um ein Thema, das aus Anlaß des Verkehrsfinanzgesetzes in diesem Hause mit großer Lebhaftigkeit und unter allgemeiner Anteilnahme diskutiert worden ist. Wofür ich eintrete, ist folgendes.
In dem Haushalt finden Sie 200 Millionen DM ausgewiesen, die als Zuschuß für die notleidende Bundesbahn gedacht sind. Das ist vollkommen in Ordnung, und ich glaube, daß keinerlei Einwendungen dagegen zu erheben sind. Bereits in der zweiten Lesung sind Ihnen die sehr großen Summen genannt worden, die in diesem Haushalt ausgewiesen sind, um die Bundesbahn in die Lage zu versetzen, ihren Betrieb weiterzuführen und zu modernisieren. Aber in der zweiten Lesung hat dieses Hohe Haus eine Entscheidung getroffen, die geeignet ist, tief in die Haushalte der kommenden Jahre einzugreifen. Wenn nämlich dieser Zuschuß von 200 Millionen DM in ein Anerkenntnis der Übernahme betriebsfremder Lasten der Deutschen Bundesbahn durch den Bund, d. h. durch den Steuerzahler umgewandelt wird, müssen Sie damit rechnen, daß in Zukunft Hunderte von Millionen DM an die Bundesbahn, also an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die uns allen gehört, auch dann gezahlt werden müssen, wenn kein dringender Anlaß und kein Notstand der Bundesbahn vorliegen.
Sie werden uns zugestehen müssen, daß wir im Haushaltsausschuß nach reiflichster Prüfung dieser Sachlage uns nicht haben entschließen können, angesichts der auf uns zukommenden sehr großen künftigen Belastungen hier den Bund auf Jahre hinaus, ja vielleicht auf unabsehbare Zeit hinaus, ohne Not mit Hunderten von Millionen zu belasten. Die Bundesbahn bekommt, was sie braucht, aber dieses Hohe Haus sollte nicht einer Vorlage zustimmen, die den Haushalt kommender Zeiten unnütz belastet.
Ich darf vielleicht noch folgendes ergänzend hinzufügen. Wir wissen alle, daß uns hoffentlich bereits in diesem Jahre, sonst vielleicht im nächsten Jahre, nach Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts ein Sanierungsplan der Bundesplan vorgelegt werden wird. Wir sollten doch erst einmal einen solchen Sanierungsplan mit klaren Zahlen abwarten, ehe wir hier das Haus für künftige Jahre mit Zahlungen -festlegen an eine so große Gesellschaft, wie es die Bundesbahn ist. Ich bitte Sie infolgedessen, meinem Antrage und dem mei-
*) Siehe Anlage 13.
ner Freunde zuzustimmen, die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
— Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann. Er soll, höre ich, zuerst sprechen.
— Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus dringend, dem Antrage auf Umdruck 456 zuzustimmen und damit die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Meine Damen und Herren, ich darf diese Anregung kurz begründen. Die Finanzlage der Bundesbahn ist eine ernste Sorge der Bundesregierung, und wenn Sie den heutigen Haushalt sehen, dann finden Sie, daß der Bundesbahn im Haushalt praktisch bereits ein Betrag von insgesamt 728 Millionen DM zur Verfügung gestellt wird, und ich darf betonen: zur Verfügung gestellt wird aus den Mitteln, die der Steuerzahler aufzubringen hat!
— Diese 200 Millionen DM sind z. B. kein Darlehen! Die Rückstände an Beförderungsteuer sind der Form nach wohl Darlehen, wir sind uns aber wohl alle über das innere Wesen klar. Die Investitionshilfe und die Zuwendungen aus dem Verkehrsfinanzgesetz gehen genau denselben Weg. Es sind praktisch tatsächlich Leistungen, die der Steuerzahler in dieser enormen Höhe von 728 Millionen DM macht. Der deutsche Steuerzahler macht sie, die Bundesregierung vertritt sie, und der Bundestag hat sich dazu entschlossen und die parlamentarische Verantwortung übernommen. Warum? Weil die Finanzlage der Bundesbahn es erfordert. Ich kann aber nicht einen festen Zuschuß auf Kosten des Steuerzahlers auf einen Begriff gründen wie etwa „betriebsfremde Lasten". Meine Herren, ich will ein ganz groteskes Beispiel nehmen: die betriebsfremden Lasten der Bundesbahn finden Sie auch bei der Bundespost. Es wird doch kein Mensch daran denken, der Bundespost aus Mitteln des Steuerzahlers einen Zuschuß zu geben, weil die Bundespost auch betriebsfremde Lasten zu tragen hat.
Ich stelle nur fest: ich kann als Grundlage einer Zuwendung, ich kann als Grundlage einer Belastung des Steuerzahlers doch wirklich nur den Bedarf einer solchen Anstalt nehmen. Der Bedarf ist unabhängig von der Höhe der betriebsfremden Lasten. Der Betrieb ist abhängig von der jeweiligen Betriebslage dieser Anstalt, und danach hat sich die Bundesregierung und danach auch der Gesetzgeber zu richten. Wenn ich als Grundlage die betriebsfremden Lasten nähme, dann würde ich für die ganze Dauer, solange die betriebsfremden Lasten laufen, den Steuerzahler praktisch zu Zuschüssen an die Bundesbahn, ungeachtet ihrer Finanzlage, verpflichten. Das läßt sich nicht verantworten; das wäre eine Bindung der kommenden Haushalte, die gar nicht durchzuhalten ist; denn die Entwicklung der Haushalte kann auf ein Jahr oder zwei Jahre, aber nicht auf unendliche Zeit vorausgesehen werden. Infolgedessen möchte ich dringend bitten, das zu tun, was notwendig und vernünftig ist, die Finanzlage der Bundesbahn zu bessern, und das zu unterlassen, was ich für nicht notwendig und für nicht vernünftig halte, sich nämlich zu Zuschüssen zu verpflichten, die von der Finanzlage der Bundesbahn jeweils unabhängig sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist in diesem Hohen Hause verschiedentlich der Vorwurf angedeutet worden, ich sei gegenüber der Bundesbahn etwas voreingenommen. Das ist ganz gewiß nicht der Fall. Gerade in der Forderung, die ich in der zweiten Lesung vertreten habe, und in meiner Bitte, den von meinem sehr verehrten Kollegen Dr. Vogel gestellten Antrag abzulehnen, befinde ich mich, glaube ich, nicht nur im Einklang mit den wohlverstandenen Interessen der Deutschen Bundesbahn, sondern auch mit den seit langen Jahren vertretenen Forderungen aus allen Teilen der Wirtschaft und den verkehrspolitischen Forderungen aller politischen Parteien dieses Hohen Hauses. Das gilt auch für das verkehrspolitische Programm unserer Christlich-Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union.
Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, hier zu Ihnen zugleich auch im Namen meiner Kollegen aus dem Verkehrsausschuß des Bundestages zu sprechen, nachdem wir uns dort gerade mit dieser Frage bereits sehr häufig und sehr eingehend beschäftigt haben.
Ich möchte meine Worte in erster Linie an den Herrn Bundesfinanzminister und an die sehr verehrten Kollegen aus dem Haushaltsausschuß richten und meine Worte mit der Bitte verbinden, daß sich auch der Haushaltsausschuß vielleicht gelegentlich etwas mehr kaufmännisches Denken an Stelle des allzu sehr betonten fiskalischen Denkens angewöhnen könnte.
Denn ich glaube, daß die Abnahme der politischen Lasten der Bahn auf die Dauer gesehen eine Entlastung des Steuerzahlers und eine Entlastung des Bundeshaushalts bedeutet. Worum geht es denn im Augenblick bei unseren großen Verkehrsproblemen? Es geht letzten Endes um die Frage der nötigen Investitionen, um mit dem aufgestauten Nachholbedarf fertigzuwerden. Wir werden mit den auf uns zukommenden Problemen sowohl auf den Straßen als auch auf den Schienen nicht allein mit Steuermitteln fertigwerden können, sondern darauf angewiesen sein, den Anleihemarkt in Anspruch zu nehmen. Das gilt nicht zuletzt auch für den Ausbau unseres Straßennetzes, und wir werden uns, wie ich meine, in absehbarer Zeit mit idem Gedanken beschäftigen müssen, .ob man nicht auch den Anlagewert, den das deutsche Straßennetz darstellt, in irgendeiner Form mobilisieren kann, um es zur Grundlage der Inanspruchnahme des Kapitalmarkts zu machen, etwa in der Form, daß man das Straßennetz in ein Sondervermögen verwandelt. Aber das ist eine Frage, die im Augenblick nicht zur Diskussion steht.
— Ja, die Privilegien der Bahn müssen in ein Verhältnis gebracht werden zu den gemeinwirtschaftlichen Pflichten der Bahn, die ja auch Sonderverpflichtungen der Bahn sind, die die anderen Verkehrsträger nicht im gleichen Maße haben. Alle Teile dieses Hohen Hauses stimmten daher in der Forderung überein, daß die politischen Belastungen der Bahn, also z. B. die Auswirkungen der 131 er-Gesetzgebung, die besonderen Leistungen für Berlin usw., vom Bund übernommen werden, dagegen die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der Bahn wie Sozialtarife, Ausnahmetarife etc. durch die Privilegien, die die Bahn in bezug auf ihre Steuern und den Lastenausgleich hat, als abgegolten betrachtet werden sollen.
Ich schließe mich den Worten des Herrn Bundesfinanzministers an. Im Haushalt 1955 sind für die Deutsche Bundesbahn 728 Millionen DM eingeplant, und wie wir wissen, ist der Bund durch das Bundesbahngesetz verpflichtet, ein bei der Bahn entstehendes Defizit zu übernehmen. Wir hoffen, und ich glaube mit einiger Berechtigung, daß sich die Finanzlage der Deutschen Bundesbahn durch verschiedene Maßnahmen in den nächsten Jahren bessern wird; aber es scheint mir eine Illusion zu sein, anzunehmen, daß sich die Situation der Bundesbahn in den nächsten Jahren so bessern wird, daß aus den Zuschüssen oder den Darlehen in Höhe von 728 Millionen DM gar ein Überschuß wird, sondern wir werden noch für eine Reihe von Jahren einen gewissen Zuschuß mittragen müssen. Dann aber scheint es mir allerdings sehr viel logischer zu sein, daß wir der Bundesbahn einen Teil dieses auch auf eine Reihe von Jahren weiter bestehenden Defizits als eine politische Last abnehmen und dann auf der anderen Seite (die Möglichkeit haben, die Verantwortlichkeit der Bundesbahnspitze für eigene innerorganisatorische Maßnahmen sehr viel stärker zu betonen und, wie gesagt, auch die Kreditwürdigkeit der Bahn für den Anleihemarkt zu erhöhen.
Aus all diesen Überlegungen heraus, die, wie ich meine, in einem sehr wohlverstandenen Interesse auch des deutschen Steuerzahlers stehen, möchte ich Sie dringend bitten, es bei den in der zweiten Lesung gefaßten Beschlüssen zu belassen und den Antrag meines sehr verehrten Herrn Kollegen Dr. Vogel heute in der dritten Lesung abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Müller-Hermann nur anschließen. Wir haben uns in der zweiten Lesung bemüht, eine Reihe von sachlichen Argumenten zusammenzutragen und nachzuweisen, daß die betriebsfremden Lasten für die Bundesbahn unzumutbar sind und daß sie, Herr Bundesfinanzminister, auch im Widerspruch zu § 4 des Bundesbahngesetzes stehen, wonach die Bundesbahn gehalten ist, nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu operieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— Nicht zu diesem Punkt? Dann hat der Abgeordnete Schoettle das Wort.
Schoettle ,: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur die Absicht, eine Bemerkung des Herrn Kollegen Müller-Hermann etwas zurechtzurücken. Er hat dem Haushaltsausschuß geraten, er solle mehr kaufmännisch denken. Wie alle Verallgemeinerungen geht auch diese am Kern der Dinge vorbei.
— Wenn Sie das akzeptieren, bin ich Ihnen außerordentlich verbunden. Der Haushaltsausschuß muß im Rahmen der bestehenden haushaltsrechtlichen Vorschriften und vor allem im Rahmen der materiellen Möglichkeiten, die er zu übersehen vermag, seine Entscheidungen treffen. Das hat mit der Frage, ob man kaufmännisch Oder fiskalisch denkt, überhaupt nichts zu tun. Wir können es uns nicht immer so bequem machen wie die Damen und Herren in den Fachausschüssen, die nicht an die materiellen Auswirkungen ihrer Vorschläge zu denken brauchen, wenigstens nicht im selben Umfang wie wir im Haushaltsausschuß.
Das wollte ich mal klargestellt haben.
Im übrigen, meine Damen und Herren, handelt es sich hier im Plenum jetzt um eine politische Entscheidung, und da wird meine Fraktion nach politischen Gesichtspunkten handeln.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des vorletzten und des drittletzten Vorredners geben mir Anlaß zu einigen Bemerkungen. Herr Kollege Müller-Hermann hat ausgesprochen, daß er im „wohlverstandenen Interesse der Bundesbahn" rede. Erstens. Wir haben bei allem, was wir sprechen, im „wohlverstandenen Interesse" der Gesamtheit des deutschen Volkes zu reden und in erster Linie daran zu denken.
Zweitens. Da ich vom wohlverstandenen Interesse der Bundesbahn rede, glaube ich behaupten zu können, daß ich einen Gesichtspunkt vertrete, der im wohlverstandenen Interesse der Bundesbahn liegt. Es liegt im wohlverstandenen Interesse der Bundesbahn, daß sie ihre Sanierung möglichst aus eigener Kraft versucht, daß sie vor dem deutschen Volk den Beweis erbringt, daß sie würdig ist, ein Sondervermögen zu sein,
und daß der deutsche Steuerzahler darauf vertrauen kann, daß dieses Sondervermögen in einer Weise verwaltet wird, daß es aus eigener Kraft den Steuerzahler möglichst entlastet: Wenn ich der Bundesbahn ohne Rücksicht auf die Entwicklung des Betriebes, des Verkehrs, der allgemeinen Wirtschaft feste Zuschüsse in Aussicht stelle, dann wird der Wille zur eigenen Finanzierung ganz bestimmt nicht gestärkt werden.
Infolgedessen halte ich es als im wohlverstandenen Interesse der Bundesbahn liegend, den Standpunkt beizubehalten, den das Hohe Haus bisher eingenommen hat: der Bundesbahn in einer Notlage zu helfen, die ohne Verschulden über sie gekommen ist, aber sie darauf zu verweisen, daß sie ihre eigenen Kräfte dabei anzuspannen hat.
Ich darf auch dem Herrn Dr. Bleiß folgendes sagen. Nehmen wir doch mal die Zahlen miteinander! Man kann die betriebsfremden Lasten heute nicht genau abschätzen. Wir müssen zu dem Wetzler-Gutachten etc. noch Stellung nehmen. Aber es dürfte sicher sein, daß die betriebsfremden Lasten in der Jahresleistung zwischen 200 und 300 Millionen DM betragen, und in demselben Jahr geben wir der Deutschen Bundesbahn aus Mitteln des deutschen Steuerzahlers 728 Millionen DM! Ich glaube, damit ist eine Mehrleistung des deutschen Steuerzahlers nachgewiesen, die sich nicht aus betriebsfremden Lasten und nicht aus irgendwelchen Theorien, sondern einfach aus der Finanzsituation, aus der Wirtschaftslage der Bundesbahn ergibt.
Wenn ich Gedanken äußern höre, die Sondervermögen auszubauen und zu vermehren und sogar ein Sondervermögen Straßen zu schaffen, muß ich sagen: wohin kommt das Parlament?!
Wohin kommt das Haushaltsrecht, das Budgetrecht des Parlamentes, wenn wir die Sondervermögen immer weiter vermehren und damit der unmittelbaren parlamentarischen Kontrolle entziehen?!
Ich stehe auf dem Standpunkt, daß es wesentlich günstiger und wesentlich besser wäre, wenn wir Bundesbahn und Bund nicht als Gegner, sondern als das betrachteten, was sie sind: e i n Vermögen und eine Institution.
Deswegen möchte ich dringend bitten, es bei der Regierungsvorlage zu belassen und dem Antrag Umdruck 456 zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
— Sie verzichten. — Abgeordneter Brück!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil ich bei der Behandlung der Drucksache 1092 betreffend Übernahme der betriebsfremden Lasten vom Verkehrsausschuß damals zum Referenten bzw. mit Herrn Dr. Bleiß zum Korreferenten bestellt worden war. Ich darf Ihnen folgendes sagen. Die Verkehrsministerkonferenz der Länder hat bereits im November 1952 den Herrn Bundesverkehrsminister beauftragt, doch einmal eine Kommission einzusetzen, um die betriebsfremden und die gemeinwirtschaftlichen Lasten der Deutschen Bundesbahn festzulegen. Es kam zunächst zu einem engeren Sachverständigenausschuß. In diesem engeren Sachverständigenausschuß waren auch ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums und ein Vertreter des Bundesrechnungshofes anwesend. Dann hat der Herr Bundesverkehrsminister — wieder auf Beschluß der Länderministerkonferenz — einen erweiterten Sachverständigenausschuß einberufen. Dieser erweiterte Sachverständigenausschuß setzte sich zusammen aus den Vertretern unserer gesamten Länder, und außerdem war in diesem Sachverständigenausschuß vertreten — entschuldigen Sie bitte, wenn das etwas lange dauert; aber es scheint bei der Schwierigkeit der Materie sehr wichtig zu sein —
der Zentralausschuß der deutschen Binnenschifffahrt, es waren 4 Herren des gewerblichen Güterkraftverkehrs vorhanden, es war der Deutsche Industrie- und Handelstag vorhanden, der Bundesverband der Deutschen Industrie, der Gesamtverband des deutschen Groß- und Außenhandels, es waren Vertreter des Wissenschaftlichen Beirats anwesend, es waren der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Deutsche Beamtenbund anwesend. Dieser erweiterte Sachverständigenausschuß hat eine ganz klare Definition über die politischen Lasten getroffen. Diese Definition --- mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, darf ich sie vorlesen — heißt:
Einseitige politische Lasten sind von der Deutschen Bundesbahn allein zu tragen und beruhen vor allem auf politischen Tatbeständen. Solche politischen Tatbestände sind die beiden Weltkriege mit ihren Folgen, die Besetzung und Aufteilung Deutschlands, Aussiedlung von Volksdeutschen, Anordnungen der Besatzungsmächte, die Entnazifizierung und ihre Folgen und die Währungsreform.
Von dieser Definition ist der Ausschuß ausgegangen, der sich doch aus allen möglichen Herren zusammengesetzt hat.
- Verehrter Herr Niederalt, das ist in dem Umfang bei der Deutschen Bundespost beispielsweise
nicht der Fall wie bei der Deutschen Bundesbahn.
— Also, Herr Niederalt, melden Sie sich doch nachher; da können Sie ja auch sprechen! Lassen Sie mich ausreden, ich habe Sie ja bisher auch noch nie unterbrochen!
Der Ausschuß ist nun davon ausgegangen — das darf ich Ihnen auch einmal verlesen —:
Der Ausschuß ist bei der Feststellung der Belastungen davon ausgegangen, daß diese der Deutschen Bundesbahn bei ihrer gegenwärtigen Verkehrs- und Finanzlage nicht zumutbar sind. Sollte sich die Verkehrs- und Finanzlage der Deutschen Bundesbahn wesentlich bessern, so ist die Frage der Zumutbarkeit erneut zu prüfen.
Wenn der Herr Bundesfinanzminister nun gesagt hat, die Dinge seien nicht genau abzuschätzen, so ist dazu zu sagen, daß sich die Lasten doch immerhin in einer Größenordnung von 300 bis 400 Millionen DM bewegen. Und wenn der Herr Bundesfinanzminister sagt, man könne es dem deutschen Steuerzahler nicht zumuten, dann ist demgegenüber auch auf das Bundesbahngesetz hinzuweisen, in dem es heißt, daß Überschüsse, die die Deutsche Bundesbahn erzielt, natürlich an den Bund abzuführen sind.
Nun darf ich Ihnen aber auch einmal folgendes sagen, und ich bitte Sie, mir das nicht übelzunehmen. Es wird in diesem Zusammenhang sehr viel von Modernisierung, Rationalisierung, Technisierung usw. gesprochen. Es wird auch davon gesprochen, daß bei der Bahn der echte Wille vorhanden sein müsse. Ich darf Ihnen einmal sagen, daß die Leistungen des kleinen Eisenbahners sehr groß sind. Es ist doch immerhin beachtlich, wenn beispielsweise ein Eisenbahner auf einem großen Verschiebebahnhof — hier ganz in unserer Nähe — zur Erfüllung seiner 48-Stunden-Woche 70 Stunden von seinem Dienstort entfernt sein muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zur Sache zu sprechen, über betriebsfremde Lasten der Bundesbahn.
Ich möchte nur darauf hinweisen, Herr Präsident, weil diese Dinge immer wieder im Zusammenhang genannt werden!
— Verehrter Herr Kollege Kunze, diese Dinge geistern überall herum. Gestatten Sie mir, daß ich darauf hinweise. Ich möchte Sie bitten, es bei der gestrigen Beschlußfassung zu belassen und den von Herrn Kollegen Dr. Vogel gestellten Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 1. Bundestag bestand Einmütigkeit in diesem Hohen Hause, daß der Bundesbahn die betriebsfremden Lasten abgenommen werden müssen. Nun veranlaßt mich ein Wort des Herrn Bundesfinanzministers, zu der ganzen Frage noch etwas zu sagen.
Der Herr Bundesfinanzminister meinte, die Bundesbahn solle alle Anstrengungen machen, sich aus eigener Kraft zu sanieren. — Niemand wäre glücklicher als wir, wenn wir die Hilfe des Bundes nicht in Anspruch zu nehmen brauchten. Aber haben wir nicht aus eigener Kraft alles versucht, die Bahn zu sanieren? Ist es denn vergessen, daß die Deutsche Bundesbahn, seitdem sie durch das Bundesbahngesetz errichtet wurde, ihren Personalbestand um 100 000 Mann gekürzt hat? Ist es denn vergessen, daß wir mit allen Mitteln, die wir noch zur Verfügung hatten, versucht haben, die innere Rationalisierung bis zu einem Ausmaß durchzuführen, welches an die Leistungsfähigkeit des Personals Anforderungen stellt, die wir nicht mehr verantworten können?! Von uns aus ist also alles getan worden, um aus eigener Kraft zu sanieren, aber was an betriebsfremden Lasten auf der Bundesbahn lastet, kann sie auf die Dauer einfach nicht tragen. Das Prinzip der Gerechtigkeit fordert, daß ihr diese Lasten abgenommen werden, die ja nicht der Steuerzahler trägt, sondern die durch Entlassung der 100 000 Menschen vom Personal der Bundesbahn mitgetragen wurden.
Deswegen bitte ich sehr dringend darum, den Antrag des verehrten Kollegen Vogel abzulehnen und es bei dem Beschluß der zweiten Lesung zu belassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soll- der Umdruck 457*) noch begründet werden?
Herr Abgeordneter Vogel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu diesem Antrag Umdruck 456 einmal ein persönliches Bekenntnis ablegen. Ich glaube, ich habe vor diesem Hause niemals im Geruch gestanden, in der Verkehrsfinanzgesetzgebung in irgendeiner Form gegen die Bundesbahn Stellung genommen zu haben. Meine Stellung ist, glaube ich, bekannt. Aber ich möchte allen meinen Freunden, die in dieser Frage einen gegenteiligen Standpunkt einnehmen, sagen, daß es hier zwei Dinge klar auseinanderzuhalten und klar zu trennen gilt. Ich muß, wenn ich unser Amt im Haushaltsausschuß, ich möchte sagen, als der Clearingstelle des Hauses, ernst nehmen will, hier in Wahrung der Interessen der Steuerzahler dafür eintreten: darüber zu wachen, daß das Gesamtverhältnis zwischen Einnahmen auf der einen und Ausgaben auf der anderen Seite in Ordnung gehalten wird; und zweitens auch darüber zu wachen, daß das, was der Bundesfinanzminister vorhin andeutete — eine weitere Verselbständigung von Sondervermögen größten Umfangs mit riesigen Bedienstetenzahlen —, in Zukunft nicht in übergroßem Maße in Erscheinung tritt. Meine Damen und Herren, dieses Hohe Haus selbst wird in spä-
*) Siehe Anlage 14,
terer Zukunft vielleicht einmal zu überlegen haben, ob es heute richtig gestimmt hat, indem es mit der Zustimmung zu dem Beschluß der zweiten Lesung und mit der Ablehnung des Antrages, den ich gestellt habe, einen Zustand schuf, der praktisch die Zementierung laufender gewaltiger Mittel der Steuerzahler für ein öffentliches Vermögen bedeutet, das der Kontrolle dieses Hauses weitgehend entzogen ist!
Diese Dinge bitte ich ganz klar auseinanderzuhalten, meine Damen und Herren. Prüfen Sie den Weg, den Sie jetzt gehen werden! Sie fällen eine Entscheidung auf ganz weite Sicht!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin leider genötigt, zu den Worten von Herrn Dr. Vogel noch etwas zu sagen. Es handelt sich um einen zweiten Antrag, und zwar um die Frage, ob auf Grund des Aufkommens aus dem Verkehrsfinanzgesetz 4 Millionen DM als Darlehen für die nicht bundeseigenen Bahnen eingeplant werden sollen.
— Das ist doch der Antrag auf Umdruck 457!
— Aber dieser Antrag steht hier zur Diskussion!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Doch, ich habe ihn aufgerufen, und Herr Dr. Vogel hat dazu gesprochen.
Es geht also jetzt um den Umdruck 457.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nicht n u r, auch! Ich möchte über die beiden Umdrucke nachher gemeinsam, ohne daß ich nochmals die Beratung unterbreche, abstimmen lassen.
Herr Präsident, ich würde dann empfehlen, daß Herr Dr. Vogel diesen Antrag erst begründet, bevor ich das Wort nehme.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe doch gefragt, ob der Antrag Umdruck 457 begründet werden soll. Darauf hat sich Abgeordneter Dr. Vogel gemeldet, ist heraufgestiegen und hat geredet. Ich muß also annehmen, daß sich aus der Logik ergibt, daß das die Begründung war. Also können Sie auch dazu sprechen.
Ich möchte das Versehen von Herrn Dr. Vogel nicht als ein Omen für den Umdruck 457 aufgefaßt wissen.
Meine Damen und Herren, bei diesem Antrag auf Umdruck 457*) stehen wir im Parlament — ich muß noch einmal wiederholen, was ich bei der zweiten Lesung gesagt habe — vor der Frage, ob
*) Siehe Anlage 14. wir ein von uns vor drei Monaten verabschiedetes Gesetz einhalten wollen oder nicht.
Es geht hier um die Kreditwürdigkeit unseres eigenen Hauses. Wir haben in dem Verkehrsfinanzgesetz beschlossen — sicherlich zum Leidwesen des Haushaltsausschusses, aber zum Teil sogar auf Vorschlag des Herrn Bundesfinanzministers —, das Aufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz für bestimmte Zwecke und für einen bestimmten Zeitraum zu binden, und zwar 150 Millionen auf die Dauer von 10 Jahren für die Bundesbahn, 120 Millionen für die Dauer von 14 Jahren für den Ausbau der Autobahn.
Wir haben eine Bestimmung in dieses Gesetz hineingenommen, wonach das, was darüber hinaus an Bundessteuern aufkommt, den Bundesstraßen zugeführt werden soll, und wir haben eine weitere Bestimmung geschaffen, daß aus diesem Aufkommen — und zwar zu Lasten der beiden erstgenannten Positionen, Bundesbahn und Bundesautobahn — ein Darlehn bis zu 10 Millionen an die bundeseigenen Bahnen gegeben werden kann. .
Die Situation im vorliegenden Haushalt ist nun folgendermaßen: Statt der 150 Millionen sind 148 Millionen eingeplant und statt der 120 Millionen 118, d. h. es fehlen jeweils 2 Millionen, und wir stehen jetzt als Parlament, wenn wir dem Gesetz Rechnung tragen wollen, vor der Frage, ob wir diese beiden Positionen auf 150 und 120 Millionen aufstocken wollen oder ob wir unter Bezugnahme auf die weitere Regelung statt dessen den nicht bundeseigenen Bahnen 4 Millionen DM geben wollen.
Diesen zweiten Weg zu beschreiten, wurde bei der Abstimmung über Umdruck 429 in der zweiten Lesung von diesem Hause beschlossen, und ich bin der Meinung, wir sollten bei diesem Beschluß bleiben. Es bestehen auch keine Schwierigkeiten bezüglich der Deckung; denn nach den Vorausschätzungen des Finanzministeriums sind bisher aus dem Aufkommen des Jahres 1955 etwa 58 Millionen DM im Haushalt nicht eingeplant. Darüber gehen wir stillschweigend hinweg, weil der Tit. 350 eine Fußnote erhält, daß das, was über die im Haushalt vorgesehenen Mittel hinaus aufkommt, den Bundesstraßen zugeführt werden soll. Aber wenn tatsächlich 58 Millionen vom Bundesfinanzministerium mehr geschätzt worden sind, als im Haushalt jetzt an Ausgaben verplant werden, dann werden wir wohl auf der Aktivseite zusätzlich die 4 Millionen einplanen, ohne daß wir uns selbst in irgendeine Gefahr bringen, dafür aber dem Verkehrsfinanzgesetz im vollen Wortlaut des Gesetzestextes Rechnung tragen können. Ich möchte — es ist ja jetzt wohl wieder erlaubt, auch wenn der Herr Bundesverteidigungsminister nicht anwesend ist — den Bundestag einmal am Portepee fassen und ihn bitten, zu seinen eigenen Gesetzen zu stehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Einzelberatung zu Einzelplan 12 in der dritten Lesung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 456*). Dabei darf ich das Haus bitten, einen Druckfehler zu berichtigen. Es muß hinter „Kap. 1202" statt „Tit. 135" „Tit. 531" heißen.
*) Siehe Anlage 13.
Wer dem Antrag auf Umdruck 456: „In Kap. 12 02 Tit. 531 — Liquiditätshilfe für die Deutsche Bundesbahn — in Höhe von 200 000 000 DM wird die Regierungsvorlage wiederhergestellt", zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Präsidium ist sich nicht einig. Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dem Antrag auf Umdruck 456 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Präsidium ist sich nicht einig. Wir müssen auszählen. Ich bitte, den Saal zu verlassen.
Ich bitte die Türe zu schließen. — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte die Türen zu schließen. — Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Mit Ja haben gestimmt 178 Abgeordnete, Nein 167, enthalten hat sich einer. Damit ist der Antrag auf Umdruck 456 angenommen.
Ich rufe nunmehr Antrag Umdruck 457 *) auf, Ziffer 1 und Ziffer 2. Sie hängen zusammen; ich kann sie gar nicht trennen. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß wir damit auch dem Einzelplan 60, den- wir nachher erst verabschieden, wenigstens in diesem Kapitel eine bestimmte Form geben. Wer dem Antrag auf Umdruck 457 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist angenommen.
Damit wären wir mit den Änderungsanträgen zu Ende. Wer nunmehr dem Einzelplan 12 in der dritten Lesung in der Gestalt zuzustimmen wünscht, die er eben noch erhalten hat, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Nunmehr rufe ich auf Drucksache 1512 Ziffer 2 a), b), c), d), Ziffer 3 a), b), c), d), e) und schließlich Ziffer 4. Dazu erteile ich das Wort dem Abgeordneten Körner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Drucksache, wohlgemerkt: Drucksache 486 über die Fahrpreisermäßigung für Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge hatte ich bereits in der zweiten Lesung Ausführungen gemacht. Der Antrag des Ausschußberichts lautet, diesen Antrag auf Gewährung von Fahrpreisermäßigung abzulehnen. Ich bitte das Hohe Haus nun, unserem Antrage trotzdem zuzustimmen, weil es ein ausgesprochen soziales und politisches Anliegen ist.
Von den heute ungefähr 11 Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen ist noch über eine Million unter der Einkommensgrenze der Hilfsbedürftigkeit. Diese Vertriebenen und Flüchtlinge warten darauf, durch eine, ich möchte sagen: generöse Geste der Deutschen Bundesbahn sich nun auch einmal um Wohnung und Brot bemühen, selbst eigene Initiative entwickeln zu können. Sie warten darauf, ihre Familienangehörigen besuchen zu
*) Siehe Anlage 14.
können, und sie möchten ja nicht irgendwie, ich möchte beinahe sagen: vergessen sein. Ich muß Sie daran erinnern, daß diese Menschen die Reise nicht antreten können und auch nicht antreten werden, wenn nicht die 50%ige Ermäßigung eintritt. Die Bundesbahn würde auch diese 50 % nicht haben, sie würde mit einem Nullpunkt dastehen.
In keiner Weise ist es also ein Einnahmeverlust, sondern es sind, wenn wir vom fiskalischen Denken absehen, kaufmännisch gesehen — so möchte ich einmal sagen — Nebeneinnahmen. Nachdem wir uns hier eben darüber unterhalten haben, mit welchen Summen wir die Bundesbahn unterstützen wollen unid müssen, ist es doch nur recht und billig, wenn die Bundesbahn auf diese Weise politisch und sozial den Prozeß der Eingliederung unserer Flüchtlinge und Vertriebenen fördert.
Ich möchte der Klarheit halber den Antrag verlesen. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht,
zu veranlassen, daß den hilfsbedürftigen Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes gegen Vorlage einer Bescheinigung der zuständigen Kreisflüchtlingsbehörden auf den Strecken der Bundesbahn drei Fahrten innerhalb des Bundesgebietes mit 50%iger Fahrpreisermäßigung gewährt werden.
Die Ermäßigung wird vorläufig bis zum 30. Juni 1955 befristet.
Aus der Dauer der Behandlung ergibt sich, daß jetzt natürlich eine andere Frist gewählt werden müßte. Ich darf das Hohe Haus bitten, diesem Antrag Drucksache 486 zuzustimmen und damit den Punkt 4 des Ausschußantrags abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. ich lasse über die einzelnen Ziffern des Ausschußantrags Drucksache 1512 getrennt abstimmen. Wer dem Antrag des Ausschusses Drucksache 1512 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ziffer 3, die Anträge usw. durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 für erledigt zu erklären. Wer dieser Ziffer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ziffer 4, den Antrag der Fraktion des GB/BHE betreffend Fahrpreisermäßigung für Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge abzulehnen. Wer diesem Antrag des Ausschusses — —
— Ich bitte, mich nicht unbegründet in meiner Geschäftsführung zu unterbrechen. Ich lasse über den Antrag des Ausschusses abstimmen, so wie er unter Ziffer 4 in der Drucksache 1512 formuliert ist. Das ist meine Pflicht. Welche materiellen Konsequenzen für den Antrag Drucksache 486 sich daraus ergeben, ist dann ein Resultat dieser Abstim-
mung. Wer dem Antrag unter Ziffer 4 auf Drucksache 1512 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Wir wiederholen die Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag auf Drucksache 1512 unter Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Meine Damen unid Herren, wir sind nicht einig; wir müssen wiederum auszählen. Ich bitte, den Saal zu verlassen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich bitte die Auszählung möglichst zu beschleunigen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 150 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 139. Enthalten haben sich 6. Damit ist der Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1512 Ziffer 4 angenommen, und damit ist auch der Einzelplan 12 in dritter Lesung verabschiedet.
Der Herr Minister für Angelegenheiten des Bundesrats hat mich gebeten, seinen Plan, den Einzelplan 28, noch vor 13 Uhr aufzurufen, weil er dann Bonn dienstlich verlassen muß. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ziehe ich diesen Einzelplan vor und rufe auf
Einzelplan 28 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates.
Es liegt ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 452 *) vor. Dieser Antrag, der auch schon in der zweiten Lesung vorlag, lautet:
Einzelplan 28 wird gestrichen.
Soll der Antrag noch einmal begründet werden? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag 452 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer nunmehr in der dritten Lesung dem Einzelplan 28 so, wie er in zweiter Lesung beschlossen worden ist, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan 24 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Es liegen vor ein Änderungsantrag auf Umdruck 451, ein Änderungsantrag auf Umdruck 436 und schließlich der Entschließungsantrag auf Umdruck 430. Wird zu den Änderungsanträgen das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Bergmeyer. Zu welchem Umdruck wollen Sie sprechen?
— Zu Umdruck 436**).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider war es mir in
*) Siehe Anlage 15.
'*) Siehe Anlage 17.
der Plenarsitzung vom 15. Juni nicht möglich, meinen Antrag zu begründen, weil der Einzelplan 24 vorzeitig und entgegen der festgelegten Reihenfolge zur Behandlung kam. Das Hohe Haus hat meinen Antrag in zweiter Lesung abgelehnt. Ich habe ihn in dritter Lesung erneut eingebracht und möchte ihn wie folgt begründen.
Bei meinem Antrag handelt es sich um die Vertretung der Bundesrepublik bei der FOA in Washington, die frühere Marshallplan-Mission, die neben der deutschen Botschaft noch als selbständige Mission besteht. Bei Beratung des Einzelplans 24 im Vorjahre habe ich beantragt, diese Mission aufzulösen und die etwa noch vorhandenen Aufgaben der deutschen Botschaft zu übertragen, weil die Arbeiten mehr oder weniger ausgelaufen seien. Dieser Antrag ist leider von mir in dritter Lesung zurückgezogen worden, weil Herr Vizekanzler Blücher laut Protokoll zugesagt hatte, daß noch im Laufe des Haushaltsjahres eine Überführung in das Auswärtige Amt erfolgen werde. Diese Zusage ist aber nicht eingehalten worden.
Die Vertretung der Bundesrepublik bei der FOA besteht trotz der Zusage wie bisher weiter. Und nicht nur das. Es war sogar noch eine neue B-7-Stelle beantragt, die aber vom Haushaltsausschuß gestrichen worden ist. Ich beantrage daher erneut, die Vertretung der Bundesrepublik bei der FOA in Washington mit sofortiger Wirkung endgültig aufzulösen, da ich sie für nicht notwendig halte und die etwa noch vorhandenen Arbeiten ohne weiteres von der deutschen Botschaft in Washington übernommen werden können. Die Zweigleisigkeit mit dem Nebeneinander und Gegeneinander von deutschen Dienststellen im Ausland dient nicht dem deutschen Ansehen und ist sehr nachteilig. Ich bitte deshalb, meinem Antrag auf Umdruck 436 entsprechen zu wollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Streichungsantrag der Fraktion der SPD habe ich bereits in der zweiten Lesung widersprochen; ich brauche mich insoweit nicht zu wiederholen. Soweit es sich dabei um die sehr weitreichenden Reformpläne handelt, die unter dem Namen des Herrn Kollegen Bergmeyer in der Öffentlichkeit umlaufen, glaube ich mich zu der Feststellung berechtigt, daß Herr Kollege Bergmeyer diese Unterstützung allerdings dringend nötig hat. Die Koalition war sich bisher jedenfalls darüber einig, daß das Ministerium für die wirtschaftliche Zusammenarbeit sachlich notwendig und deshalb erforderlich sei.
Nun kommt Herr Kollege Bergmeyer mit seinem Antrag auf Streichung der Mission in Washington. Da kann man, glaube ich, nur sagen, Herr Kollege Bergmeyer: Die Berge kreißten und gebaren den Umdruck 436. Nach all dem, was wir hier über die Behandlung wirtschaftlicher Dinge in den Außenvertretungen der Bundesrepublik wissen, halte ich es für dringend erforderlich, daß dort, wo deutsche wirtschaftliche Vertretungen heute noch existieren, sie bestehenbleiben. Es ist ja ein Erbe des Marshallplans, wie überhaupt die ganze Zusammenarbeit mit Washington in wirtschaftlichen Fragen mit dem Marshallplan, mit der wertvollen Starthilfe für die deutsche Wirtschaft eng zusammen-
hing und auch heute noch in sehr großen Summen zum Ausdruck kommt, d. h. in Lieferungen amerikanischer Güter an die Bundesrepublik, deren Gegenwert der Berlin-Hilfe zufließt. Ich glaube daher, daß man den Antrag des Herrn Kollegen Bergmeyer, der außerdem in gar keinem Verhältnis zu dem steht, was der Kollege vor der Haushaltsberatung in der Öffentlichkeit an Reformplänen vertreten hat, ablehnen sollte.
Ich darf die Gelegenheit wahrnehmen, auch gleich den Entschließungsantrag zu begründen. Meine Damen und Herren, es handelt sich nicht darum — ich muß diesen eventuell aufkeimenden Verdacht entkräften —, daß ich hier dem Ministerium eine neue Beschäftigung zuweisen möchte, sondern mir klingen noch die Ausführungen von allen Seiten des Hauses im Ohr, daß jede Reiseerleichterung innerhalb Europas begrüßt werden würde. Darum handelt es sich im vorliegenden Falle. Jemand, der auf einer Reise mehrere Länder Europas berührt, bekommt Reiseschecks nur für e i n Land, ist also gezwungen, Bargeld einzutauschen. Das ist auf Reisen nicht immer empfehlenswert, und man verliert von Grenze zu Grenze jeweils einen kleinen Prozentsatz an Disagio. Wir, die Antragsteller, waren der Meinung, man könnte dies in Zukunft vermeiden. Da wir eine europäische Verrechnungseinheit haben, die Optimisten schon einmal den „Europataler" genannt haben, wäre hier doch eine hübsche Gelegenheit, die Bundesregierung zu bitten, daß sie bei der Europäischen Zahlungsunion dahin vorstellig werden möchte, diese Kursverluste derer, die Europa bereisen, in Zukunft zu vermeiden. Technisch läßt sich das, glaube ich, durchführen; denn es handelt sich ja nur darum, daß nicht mehr vorher, sondern nachher, nach Erhebung der Beträge, abgerechnet wird.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieser Anregung an die Bundesregierung — mehr kann es ja nicht sein — zustimmen wollten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Vizekanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Der Antrag des Herrn Abgeordneten Bergmeyer und seiner Freunde ist sicher aus zweierlei Gründen gestellt: einmal, weil man hofft, damit Einsparungen erzielen zu können, und zum zweiten wegen einer schon oft besprochenen Tendenz, die von meiner Dienststelle in Washington geführten Arbeiten in Zukunft durch die diplomatische Vertretung in Washington ausführen zu lassen.
Es muß auf beides eine ausreichende Antwort gegeben werden.
Was das erste betrifft, so ist in sehr langen und erschöpfenden Verhandlungen mit dem Auswärtigen Amt festgestellt worden, daß zunächst einmal die Dienststelle des Auswärtigen Amts in Washington, also unsere jetzige Botschaft, keinesfalls in der Lage wäre, ohne die Übernahme eigener und von meiner Dienststelle übernommener, fachlich vorgebildeter Beamten oder Angestellten die neuen Aufgaben zu erfüllen. Eine Ersparnis würde also auf gar keinen Fall eintreten. Das Auswärtige Amt hat aber schwere Bedenken gehabt, daß die Besonderheit der Aufgaben, die wesentlich aus dem Rahmen der üblichen Aufgaben einer diplomatischen Mission herausfallen, unbeachtet bleibt und daß auf die Dauer die Botschaft mit einem Personalstab belastet wird, der, wenn meine Stelle allmählich ausläuft, verschwindet, dort dann aber wahrscheinlich für immer verankert wäre.
Um welche Fragen geht es? Es geht um die sehr viel Einzelkenntnis erfordernde Bearbeitung der Fragen der Wirtschaftshilfe für Berlin. Es geht um die Behandlung der sogenannten Dreieckgeschäfte, also die Verwendung der Gegenwerte von Einfuhren nach Deutschland zum Zwecke der Ausfuhren in andere Länder. Es geht um die Abwicklung der restlichen Ansprüche aus alten Beschaffungsermächtigungen. Es geht um die Betreuung dieses ganzen umfangreichen und für die deutsche Wirtschaft und Verwaltung sicher sehr wichtigen Austausch- und Erfahrungsprogramms. Es geht um die laufende Berichterstattung über die allmähliche Entwicklung der amerikanischen Hilfsgesetzgebung. Es geht um die Betreuung der internationalen Abmachungen über NE-Metalle usw. Ich könnte noch lange so fortfahren; alles Aufgaben, welche in keiner Weise zu den klassischen Aufgaben einer diplomatischen Mission gehören, die der Pflege und Bearbeitung zweiseitiger Beziehungen dient und nicht jenem multilateralen Gebilde, das der Marshallplan und seine Nachfolgeerscheinungen darstellen. Es wäre also auf gar keinen Fall eine Ersparnis gegeben.
Was aber im übrigen die Ersparnisse betrifft, so wissen die Mitglieder des Haushaltsausschusses, die sich jedes Jahr sehr genau mit den Dingen befaßt haben, daß ich von mir aus peinlich darauf bedacht gewesen bin, vom Jahre 1952 ab den Personalbestand dauernd zu reduzieren. Ich habe heute nicht mehr vier Beamte und 28 Angestellte wie vor zwei Jahren, sondern ich habe heute nur noch drei abgeordnete Beamte und 12 Angestellte. Es ist meine Aufgabe und auch meine selbstverständliche Verantwortung, darauf zu achten, ob dieser Personalbestand wirklich noch nötig ist. Um das zu illustrieren und um auch die botschaftsfremde Aufgabe deutlich zu machen, darf ich darauf hinweisen, daß von dieser sehr geringen Zahl allein fünf Angestellte auf das Schiffahrtsreferat entfallen, eine Stelle, auf die weder von seiten des Verkehrsministeriums noch von meinem Hause verzichtet werden könnte. Es ist eine feste Abrede zwischen dem Auswärtigen Amt und mir getroffen, daß wir dauernd überwachen und daß wir in dem Augenblick, in dem das Auslaufen der Arbeiten zu übersehen ist, erneut zusammentreten, um zu sehen, wie weit die gesamte Vereinheitlichung, also die Zusammenfassung aller Aufgaben bei der Botschaft, vorgenommen werden kann. Auch dürfte es dem Herrn Antragsteller vielleicht nicht so bekannt sein, daß wir in der Zwischenzeit längst die dienstaufsichtliche und überhaupt die personelle Unterstellung unter die Botschaft in Washington durchgeführt haben. Es handelt sich also eigentlich um die Frage der Etatisierung und um nichts anderes. Ich glaube, daß ich mich über diese Frage bereits ausreichend geäußert habe. Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.
Was den Antrag, den der Herr Abgeordnete Margulies zuletzt vertreten hat, betrifft, so würden wir es für einen erfreulichen Fortschritt halten, wenn das mit dem Antrag verfolgte Ziel erreicht werden könnte. Allerdings ist die Europäische Zahlungsunion nur ausführendes Organ. Dieser Antrag
müßte in der OEEC gestellt werden. Ich bin gern bereit, der mit dem Antrag gegebenen Anregung zu folgen und sie so bald wie möglich zum Gegenstand der Verhandlungen im Europäischen Wirtschaftsrat zu machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zu Einzelplan 24.
Ich komme zur Abstimmung. Der weitestgehende Antrag ist selbstverständlich der auf Umdruck 451*), der beinhaltet: Einzelplan 24 wird gestrichen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 436**) betreffend die Mission in Washington. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Umdruck 430***):
Die Bundesregierung wird ersucht,
mit der Europäischen Zahlungsunion in Verhandlungen einzutreten dahingehend, daß die EZU die Möglichkeit schafft, Reiseschecks über Verrechnungseinheiten auszustellen, die in allen Mitgliedstaaten der OEEC zum festgesetzten Kurs gegen Landeswährung eingelöst werden können.
Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ist angenommen.
Dann muß ich noch über den Plan selbst — ich habe das vorhin vergessen; ich bitte um Entschuldigung — abstimmen lassen, wie er jetzt durch die Annahme des Antrags Umdruck 436 in dritter Lesung gestaltet worden ist, im übrigen in der in der zweiten Lesung angenommenen Fassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan 25 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau mit dem Änderungsantrag Umdruck 449.
Soll er begründet werden? — Bitte, Abgeordneter Seidel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stellt diesen Antrag in der dritten Lesung noch einmal, und zwar aus zwei Gründen: erstens wegen der Dringlichkeit der Sache selbst und zweitens wegen des knappen Abstimmungsergebnisses in der zweiten Lesung.
Was die Dringlichkeit anbetrifft, so ist sie weder von Herrn Minister Dr. Oberländer noch von Herrn Minister Dr. Preusker, auch nicht von Herrn Finanzminister Schäffer bestritten worden. Etwas anderes ist auch kaum denkbar. Heute, nach mehr als zehn Jahren der Evakuierung, steht amtlich fest, daß über 350 000 Evakuierte in ihre Heimat bzw. Vaterstadt zurückkehren wollen. Niemand in
*) Siehe Anlage 18. **) Siehe Anlage 17. ***) Siehe Anlage 16. diesem Hause kann an den menschlichen und sozialen Anliegen, die hinter der hohen Zahl stehen, vorbeigehen. Mit einem Gesetz allein, ohne wesentliche finanzielle Aufwendungen, ist hier für den Bund nichts getan.
Wer Tagungen und Versammlungen der Evakuierten besucht, ist erschüttert darüber, welche Verbitterung bei den Betroffenen vorherrscht. Als Heimatvertriebener kann ich mich in die Lage der Evakuierten sehr gut einfühlen. Ein Teil von ihnen kommt ab und zu in die Heimatgemeinde, ein anderer, sehr erheblicher Teil hat in seiner Heimatgemeinde Arbeit und Brot; aber alle sind nicht zu Hause, sie können nicht Bürger ihrer Heimat sein, weil Wohnraum für sie nicht zur Verfügung steht. Andererseits aber erleben es die Evakuierten, wie Personen, die auch zu den Kriegsgeschädigten gehören, seßhaft geworden sind oder es werden, weil für sie durch Wohnungsbauprogramme verschiedenster Art für Wohnungen gesorgt wird. Die Evakuierten bestreiten nicht die Notwendigkeit solcher Maßnahmen, sie fragen aber wohl mit Recht: Muß das so einseitig sein und so bleiben?
Das Bundesevakuiertengesetz hatte im Kreise der Evakuierten große Hoffnungen erweckt. Sie sagten: endlich kommen auch wir einmal an die Reihe! Was aber muß der größte Teil der Evakuierten jetzt erleben? Die Einmütigkeit des Hohen Hauses war bei der Verabschiedung des Gesetzes vorhanden, sie ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn es um die Einlösung der finanziellen Folgen dieses Gesetzes geht. Warum eigentlich? Niemand, auch nicht der Herr Finanzminister, hat hier ernsthaft den Standpunkt vertreten, die Kosten der inneren Umsiedlung der Evakuierten — wozu auch der Wohnungsbau gehört — solle die betroffene Gemeinde oder das Land allein tragen. Das wäre im Hinblick auf die Kriegsfolge, die die Evakuierung darstellt, rechtlich nicht vertretbar, finanziell im einzelnen nicht zumutbar und, was den Zeitablauf für die Evakuierten betrifft, auch nicht zu verantworten. Der Bund muß also endlich einmal einen Betrag aussetzen, damit die innere Umsiedlung mit den vereinten Kräften von Bund, Land und Gemeinden zum Abschluß gebracht werden kann.
Der Herr Finanzminister wird kaum eine vom Parlament gewünschte Änderung seiner Vorlage direkt befürworten. Er könnte sich aber, wie es schon so oft vorgekommen sein soll, durch Schweigen überstimmen lassen. In diesem Fall, Herr Finanzminister oder Herr Staatssekretär der Finanzen, wäre Ihr Schweigen wirklich Gold wert für die Evakuierten.
Das Ergebnis der Abstimmung über unseren Antrag in der zweiten Lesung war so, daß wir die Hoffnung haben, daß sich noch sehr viele Damen und Herren dieses Hohen Hauses in der Zwischenzeit durch Gespräche von der Dringlichkeit der Lösung des Evakuierten-Problems aus menschlichen und sozialen Gründen überzeugt haben und heute den Mut finden, dem Herrn Finanzminister die entsprechende Auflage zu machen. Ich bitte Sie deshalb, meine Damen und Herren, dem Antrag 449 Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Bundeswohnungsbauminister.
— Meine Damen und Herren, einen Augenblick! — Herr Minister darf ich Sie bitten, noch einen Moment zu warten. — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Vogel, zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Herr Präsident Schmid hatte dem Hohen Hause zu Beginn der Beratungen — ich täusche mich ganz bestimmt nicht — mitgeteilt, daß von 13 bis 15 Uhr keine Abstimmungen stattfinden sollen. Ich bitte, doch noch einmal festzustellen und klarzustellen, ob diese Abmachung innegehalten werden soll oder nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Interfraktionell vereinbart, soviel ich weiß. Ja, meine Damen und Herren, sehr schön; das hat aber, wenn man das für drei Tage im voraus so generell beschließt, manchmal keinen rechten Sinn mehr. Ich fürchte, hier hat es keinen rechten Sinn mehr. Ich habe noch einige Einzelpläne aufzurufen mit je einem Änderungsantrag, der vielleicht noch nicht einmal begründet wird. Dann rufe ich die Einzelpläne auf, und dann sind wir am Ende, und es ist noch lange nicht drei Uhr.
Dann müßte ich schon in die allgemeine Debatte zum Gesetz eintreten und hernach wieder zu den Einzelplänen zurückkommen!
Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren! Zunächst glaube ich, daß man im Ältestenrat getroffene Vereinbarungen nicht jeden Tag, ich möchte beinahe sagen, jede Stunde wieder ändern kann.
Wenn diese Vereinbarungen erfolgt und den Fraktionen mitgeteilt sind, sollte man daran festhalten. Eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen hat sich doch darauf eingerichtet.
Zu der zweiten Frage, Herr Präsident, glaube ich allerdings, daß, wenn die Beratung der Einzelpläne erledigt ist, die Sitzung bis 15 Uhr unterbrochen werden sollte, damit die 'Generaldebatte dann wirklich vor vollbesetztem Hause stattfinden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Haus hat den Vorschlag gehört. Ist es damit einverstanden? — Das ist der Fall. Wir werden also jetzt weiterberaten, aber zwischen 13 und 15 Uhr Abstimmungen nicht vornehmen. Sollten wir mit der Beratung der Einzelpläne vor 15 Uhr fertig werden, unterbrechen wir die Sitzung bis 15 Uhr.
— Tut mir leid, die Geschäftsordnungsdebatte ist abgeschlossen. — Herr Minister Preusker!
— Bitte, zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Wenn wir so wie in der zweiten Lesung hier fortfahren, Anträge vor einem leeren Haus zu begründen, und die Abgeordneten erst später zur Abstimmung wieder in den Saal kommen, so ist das völlig zwecklos.
Das sollten wir doch bedenken. Das Verfahren, das wir in der zweiten Lesung angewandt haben, hat wirklich keine Wirkung gehabt. Die Abgeordneten haben über Anträge abgestimmt, zu denen sie die Begründung niemals gehört haben;
da können sie doch gar nicht ein echtes Urteil abgeben. Das sollten wir in der dritten Lesung endlich revidieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ein Antrag ist das nicht. Wir hatten uns geeinigt; das Haus hatte dem Vorschlag des Herrn Abgeordneten Mellies zugestimmt. Ich fühle mich daran gebunden und muß fortfahren.
Das Wort hat der Herr Bundeswohnungsbauminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem ich nun offenbar endgültig das Wort habe, möchte ich zu dem Antrag auf Umdruck 449, der noch einmal begründet worden ist, doch ein paar Worte sagen.
Es ist sicher von niemandem zu bezweifeln, daß es gerade auf dem Gebiet des Wohnungsbaus noch unendliche Aufgaben zu lösen gibt. Ich darf Sie nur einmal kurz an die Größenordnungen erinnern, um die es hier geht. Wir haben allein in den vergangenen fünf Jahren einschließlich aller Kapitalmarkt- und Eigenmittel einen Gesamtbetrag von rund 40 Milliarden DM in den Wohnungsbau hineinstecken können, und darin sind allein über 12 Milliarden an öffentlichen Darlehen enthalten. Wenn wir annehmen, daß noch einmal ungefähr der gleiche Aufwand an Mitteln erforderlich ist, um wiederum 21/2 Millionen Wohnungen zu bauen, dann bedeutet das, daß noch einmal in den kommenden Jahren Mittel in der Größenordnung von 11 bis 12 Milliarden insgesamt von der öffentlichen Hand aufzuwenden sein werden.
Es sind also ungeheure Anforderungen, die hier an uns in ganz wenigen Jahren gestellt werden, Anforderungen, die, wie ich schon in der zweiten Lesung ausführen durfte, sonst normalerweise erst in einem Zeitraum von 50 oder 60 Jahren an irgendein Volk gestellt werden.
Wir haben uns doch wirklich bemüht, gerade für das Anliegen Nr. 1, den Wohnungsbau, überhaupt alles zu mobilisieren, was nur denkbar ist; denn wenn das nicht geschehen wäre, wäre ja nicht noch einmal die Wohnungsbauleistung auf 518- und 541 000 Wohnungen in den beiden letzten Jahren gesteigert worden.
Den Willen also, hier auch weiterhin alles zu tun, dürfen Sie doch auf Grund der geschaffenen Tatsachen der Bundesregierung von vornherein in vollem Umfang unterstellen.
Daß nun gewisse Schwergewichte zunächst einmal an dem einen oder an dem anderen Punkt gebildet werden müssen, steht auch außer Frage. Ich darf
zu Ihrer Orientierung nur einmal anführen, was in den letzten Jahren von 1950 an vom Bund her für das Kapitel „Vertriebenenumsiedlung von Land zu Land" aufgebracht worden ist. Das war die Aufgabe, die zunächst auf den Bund unmittelbar zukam, um den Heimatvertriebenen und den Evakuierten möglichst wieder zu Arbeitsplätzen und Wohnungen an den Stellen zu verhelfen, wo es möglich war. An dieser Umsiedlung, die man die äußere Umsiedlung genannt hat, sind jeweils immer Evakuierte, Kriegssachgeschädigte in einem nicht unerheblichen Umfang beteiligt gewesen. Hierfür sind — ohne Lastenausgleichsaufbaudarlehen, aber einschließlich der Wohnraumhilfemittel — 1,2 Milliarden DM ausgegeben worden, genau 1 229 245 000 DM, und dazu sind noch Aufbaudarlehen von 189 Millionen gegeben worden.
Dann haben wir in den letzten beiden Jahren 1954 und 1955 speziell für die Evakuiertenrückführung von Land zu Land einen Betrag von zusammen 50 Millionen DM im Bundeshaushalt ausgebracht. Wir haben obendrein, da wir für die Binnenumsiedlung in diesem Jahr beim besten Willen zusätzliche Mittel in den Bundeshaushalt nicht mehr einstellen konnten, mit dem Lastenausgleichsfonds, mit dem Bundesausgleichsamt und seinen Organen eine doch sehr wertvolle Übereinkunft schließen können, daß in diesem Jahr 1955 das Gros der Lastenausgleichsmittel, und zwar die Wohnraumhilfe von 500 Millionen DM und die Aufbaudarlehen von 280 Millionen DM, bevorzugt für die innergebietliche Umsiedlung und die Lagerräumung bestimmt werden, so daß also hier schon einmal das Schwergewicht, und zwar mit höheren Beträgen, gerade in dieselbe Richtung hineingelenkt wird, die der Antrag auf Umdruck 449 verfolgt. Schließlich können wir ja den Kapitalmarkt insgesamt von seiten des Bundes auch nicht überfordern, damit würden wir nur unsere so erfolgreich angelaufene Zinssenkungspolitik selbst stören und ihren Effekt eigentlich dadurch wieder unmöglich machen, weil erhöhte Zinslasten wieder erhöhte Darlehen bedeuten. Obendrein haben wir unmittelbar noch für die Binnenumsiedlung und die Lagerauflösung von der Seite des Bundeshaushalts her in den letzten Jahren einen Betrag von 241,8 Millionen DM zur Verfügung gestellt.
Ich weiß — und ich kann damit das wieder aufnehmen, was ich zu Anfang schon gesagt habe —, wir alle wünschen, daß man noch mehr tun könnte und noch mehr schneller tun könnte. Aber wir haben das Bewußtsein, hier mit gutem Gewissen vor dem Hohen Hause zu vertreten — schon auf Grund der oben genannten Zahlen und auf Grund der Wohnbauergebnisse —, daß das Anliegen des Umdruckes 449 als solches und das Ziel, um das es insgesamt geht, nach wie vor Aufgabe Nr. 1 ist und daß alles, was nur an Mitteln mobilisierbar erscheint, bis zur Grenze des Möglichen mobilisiert worden ist und weiter mobilisiert werden wird.
So muß ich Sie darum bitten, es doch bei den im Bundeshaushalt Ihnen vorgelegten Ansätzen zu belassen und diesen Antrag, der doch nur erneute Schwierigkeiten in der Ausbalancierung hervorrufen würde — wenn ein Gesamtbetrag der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes nicht überschritten werden kann, bedeutet das doch nur, daß man dann andere Aufgaben des Wohnungsbaues
kürzen müßte —, in diesem Moment zurückzustellen.
Wird zum Einzelplan 25 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache hierüber. Die Abstimmungen sind bis 15 Uhr zurückgestellt.
Ich rufe auf den
Einzelplan 26 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte .
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Graf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag auf Umdruck 446 *) fordert, daß in Kap. 26 01 in Tit. 301 Buchstabe a in Zweckbestimmung, Ansatz und Erläuterungen die Regierungsvorlage wiederhergestellt werde. Dieser Antrag beinhaltet sachlich zwei vollkommen verschiedene Dinge. Er beinhaltet zum ersten, was die Begriffe Zweckbestimmung und Ansatz zum Ausdruck bringen, daß der Titel 301 a von 250 000 auf 300 000 DM erhöht werden soll. Zu diesem Teil ides Antrags möchte ich nicht Stellung nehmen. Ich glaube, dazu gibt es berufenere Sprecher. Er beinhaltet aber etwas Weiteres, nämlich, daß auch bei den Erläuterungen die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden soll. Hier läuft der Antrag darauf hinaus, den in der zweiten Lesung 'angenommenen Passus „von den Mitteln entfallen auf den Zentralverband der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten 50 000 DM" wieder wegfallen zu lassen. Es ist notwendig, das zu verdeutlichen, und man muß sich das vergegenwärtigen, wenn über diesen Antrag abgestimmt wird.
Ich beantrage deshalb beim Herrn Präsidenten, daß bei der Abstimmung über diese beiden sachlich völlig verschiedenen Gegenstände getrennt abgestimmt wird, das heißt also, daß bei Umdruck 446 Ziffer 1 a) über Zweckbestimmung und Ansatz und b) über die Erläuterungen abgestimmt wird.
Wie ich bereits sagte, möchte ich über das Thema Zweckbestimmung und Ansatz, über die Höhe der Mittel mich nicht auslassen. Ich glaube, das werden andere, berufenere Kollegen machen können.
Was das Thema „Erläuterungen" anlangt, so ist zu sagen, daß hier angestrebt worden ist, durch die Annahme dieses zusätzlichen Satzes die Parität zwischen Vertriebenen, Flüchtlingen und einheimischen Sachgeschädigten durch eine gesetzliche Bestimmung sicherzustellen. Diese Parität ist auch Gegenstand einer Bemerkung in den Erläuterungen der Regierungsvorlage. Ich darf hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten diesen Satz verlesen. Er lautet:
Die Organisationen der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten sollten bereits auf Grund der im Bundesministerium des Innern stattgefundenen Besprechungen wesentlich höhere Zuwendungen erhalten, um die notwendige Mitarbeit bei Durchfüh-
*) Siehe Anlage 20.
rung der inzwischen ergangenen gesetzlichen Regelungen sicherzustellen und eine größere Parität mit den Vertriebenen und Flüchtlingen herzustellen.
Einzig und allein um diese größere Parität, die bereits in den Erläuterungen angesprochen wird, geht es bei dem Zusatzantrag, der seinerzeit in der zweiten Lesung angenommen wurde.
Worauf läuft nun das Problem der Parität in diesem Zusammenhang hinaus? Ich darf in Ihr Gedächtnis zurückrufen, daß 58 % der Feststellungsanträge von Vertriebenen gestellt wurden und 42 % von einheimischen Sachgeschädigten. Darüber hinaus betreut der ,angesprochene Zentralverband auch noch die 370 000 Evakuierten. Wenn wir das zahlenmäßige Verhältnis roh formulieren wollen, können wir sagen: 3/5 entfallen auf Vertriebene und Flüchtlinge, 2/5 auf einheimische Sachgeschädigte. Von seiten des Bundesvertriebenenministeriums wurde nun zur Verteilung der Mittel ein Schlüssel vorgeschlagen, der den Sachgeschädigten nicht ganz 15 % zubilligen würde. Mit diesem Vorschlag befindet sich das Bundesvertriebenenministerium im Widerspruch zu der selbst erhobenen Forderung nach größerer Parität. Denn ich glaube, kein Mensch wird ernsthaft behaupten können, daß 15 % auch nur einigermaßen dem zahlenmäßigen Verhältnis von 3 zu 2 entsprechen. Was in der zweiten Lesung verlangt wurde, ist eine Erhöhung auf 20 %, d. h. die feste Zuwendung von 50 000 DM bei einer Gesamtzuweisung von 250 000 DM.
Man könnte nun selbstverständlich, wenn die Gesamtzuwendung von 250 000 auf 300 000 DM entsprechend dem BHE-Antrag erhöht würde, daran denken, hier auch 60 000 DM zu verlangen. Das tun wir ausdrücklich nicht. Wir verlangen nur, daß die gesetzliche Festlegung des Sachgeschädigtenanteils von dem Antrag des BHE unberührt bleibt.
Ich beantrage deshalb, daß bei diesem Antrag auf Umdruck 446 Ziffer 1 getrennt abgestimmt wird über a) Zweckbestimmung und Ansatz und b) die Erläuterungen, damit man Gelegenheit hat, wenn man dem ersten Antrag zustimmt, ein Unrecht an den einheimischen Fliegergeschädigten zu vermeiden. Ich nehme an, daß es auch den Kollegen vom BHE gar nicht darum gegangen ist, etwa ein solches Unrecht hervorzurufen, sondern daß es sich hier um ein Versehen handelt, und möchte diese meine Ausführungen auch in diesem Sinne aufgefaßt wissen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seiboth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren? Ich glaube, hier den Herrn Kollegen Graf beruhigen zu können. Wir sind im Prinzip völlig einer Meinung. Es handelt sich für uns darum, daß wir mit der Erhöhung auf 300 000 DM unter Tit. 301 a den Verbänden der Heimatvertriebenen, z. B. dem Bund vertriebener Deutscher, zum mindesten das belassen, was sie im vorigen Jahre hatten. Denn damals hatten sie 250 000 DM, und für die Kriegssachgeschädigten waren gesondert 30 000 DM im Etat des Innenministeriums. Dazu kommt noch die Notwendigkeit, die Sowjetzonenflüchtlinge, die im vergangenen Jahr wieder stärker eingeströmt sind, zusätzlich zu betreuen, so daß wir bei nur 250 000 DM insgesamt für die Vertriebenenverbände, für Sachgeschädigte und Sowjetzonenflüchtlinge gegenüber dem Vorjahr bedeutend weniger hätten.
Wir beantragen deshalb, im Tit. 301 a in Zweckbestimmung, Ansatz und Erläuterung die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Ich würde den Vertreter des Bundesvertriebenenministeriums, Herrn Staatssekretär Nahm, bitten, vor dem Hause die Erklärung abzugeben, daß der Bundesvertriebenenminister bei der Verteilung der Mittel den Kriegssachgeschädigten von diesem Titel 50 000 DM zur Verfügung stellt, so wie das das letzte Mal auf Grund Ihres Antrages, Herr Kollege Graf, beschlossen wurde. Dann wäre einvernehmlich unter uns jeder Streit und jede Streitmöglichkeit beseitigt, wenn wir diesen Antrag so, wie er hier vorliegt, annehmen würden. Ich würde aber, Herr Präsident, bitten, daß über den Änderungsantrag meiner Fraktion zu Einzelplan 26 getrennt nach Ziffer 1 und Ziffer 2 abgestimmt wird. In Ziffer 2 handelt es sich nicht um Zuschüsse für Verbände deutscher Vertriebener und Sachgeschädigter, sondern um die Wiederherstellung der Regierungsvorlage in dem Sinne, daß 100 000 DM für die Betreuung heimatloser Ausländer zum Ansatz gebracht werden. Es wäre denkbar, daß einzelnen Fraktionen oder Abgeordneten die Abstimmung zu diesem oder jenem Punkt erleichtert wird, wenn wir getrennt nach Ziffern abstimmen lassen.
Meine Damen und Herren! Wird noch das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Sitzung, die in der vorigen Woche im Ministerium mit allen an dem Fonds für die Organisationen beteiligten Verbänden und Organisationen stattfand, war im Zuge einer erstrebenswerten Selbstverwaltung eine weitgehende Einigung herbeigeführt worden, die sogar im Prinzip von den Leidtragenden bejaht wurde. Wenn heute dem Antrag, die Regierungsvorlage wiederherzustellen, stattgegeben wird, kann ich jetzt schon die Versicherung abgeben, daß im Zuge dieser Selbstverwaltung 50 000 DM für die Kriegssachgeschädigten bereitstehen werden. Ich möchte das Hohe Haus bitten, diese Selbstverantwortung, welche die Verbände empfinden, und diese Selbstverwaltung, die das gemeinsame Schicksal des Evakuiertseins, des Ausgebombtseins und des Vertriebenseins praktisch werden läßt, nicht durch Dirigismus zu stören, sondern in der vollen Verantwortung zu belassen.
Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Soll der Antrag Umdruck 448 noch besonders begründet werden? —
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kann ich über den Einzelplan 26 die Aussprache schließen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 27 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen .
Wird das Wort gewünscht? — Das ist offenbar nicht der Fall. Ich schließe die Ausprache.
Ich rufe auf den Einzelplan 28.
— Ist erledigt, das war hier nicht vorgemerkt. Dann rufe ich auf den
Einzelplan 29 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Familienfragen
und den Antrag auf Umdruck 453*).
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nach der langen Aussprache, die wir in der zweiten Lesung hatten, offenbar nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe auf den
Einzelplan 30: Bundesminister für besondere Aufgaben
sowie den Antrag Umdruck 454**). Wird das Wort
gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Czermak.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Antrag der SPD bezüglich der Haushalte der Sonderministerien in dritter Lesung eine kurze persönliche Erklärung abgeben. Zunächst muß ich feststellen, daß Herr Kollege Seiboth gestern bei der zweiten Lesung dieses Haushalts nicht im Namen der Gesamtfraktion gesprochen hat,
wozu er auch nicht ermächtigt war.
Ich und ein Teil meiner Fraktionskollegen können daher seiner Erklärung nicht zustimmen. Es ist auch nicht richtig, daß die überwiegende Mehrheit der Fraktion sich der Stimme enthalten hat. Es waren insgesamt 12 von 27 Fraktionsmitgliedern.
Ich und ein Teil meiner Fraktionskollegen werden daher auch in dritter Lesung dem Haushalt für die Sonderminister zustimmen, insbesondere auch dem Haushalt für das Ministerium Kraft, welcher der Gründer und Vater des GB/BHE ist.
Meine Damen und Herren, wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe auf:
Einzelplan 32: Bundesschuld :
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
*) Siehe Anlage 22. **) Siehe Anlage 23.
Ich rufe auf:
Einzelplan 33: Versorgung .
Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Traub.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über das Tragen deutscher Kriegsauszeichnungen ist in der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Monaten viel diskutiert und geschrieben worden. Im Zeitalter der Remilitarisierung der Bundesrepublik ist es natürlich nicht verwunderlich, daß die Herren Militärstrategen aus der Regierungskoalition den Antrag auf Umdruck 438 noch einmal einbringen. Ich will hier nicht die Diskussion wiederholen, die im Haushaltsausschuß im einzelnen über dieses Kapitel geführt wurde und deren Ergebnis war, daß wir im Kap. 3308 den Tit. 162, Ehrensold für die Träger höchster deutscher Kriegsauszeichnungen des Ersten Weltkrieges, gestrichen haben.
Einer der schwerwiegendsten Gründe, die dort vorgebracht wurden, war wohl der, daß wir noch heute in der Bundesrepublik Hunderttausende von Eltern haben, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg ihre Söhne und Töchter verloren haben und die bis heute finanziell deswegen noch nicht bedacht werden konnten, weil sie nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht bedürftig sind. Aber wieviel Leid und wieviel Not in diesen Familien bestehen, das wissen wir alle.
Warum sage ich das? Ich sage das deshalb, weil die Bundesregierung — und das war einer der Hauptgründe im Haushaltsausschuß — bis heute noch keine gesetzliche Regelung getroffen oder vorgelegt hat, die sich mit dem Tragen deutscher Kriegsauszeichnungen beschäftigt, und weil wir bis heute noch nicht wissen, in welcher Form der Ehrensold an die Träger höchster deutscher Kriegsauszeichnungen ausbezahlt werden soll. Wenn wir schon im Haushalt Mittel bewilligen und einsetzen, dann wollen wir auch wissen, wie diese Mittel angesetzt und verteilt werden. Es ist nicht nur haushaltrechtlich nicht zulässig, in den Haushaltsplan Mittel einzusetzen für Dinge, für die keine gesetzliche Regelung vorhanden ist, es ist auch nicht die Gepflogenheit des Haushaltsausschusses, so zu verfahren.
Es gibt alte Traditionen. Aber in der Zeit, in der wir leben, haben wir allen Grund, uns einmal mit diesen alten Traditionen zu beschäftigen, ehe wir sie weiter fortsetzen. Wir Sozialdemokraten sind bereit, mit Ihnen über die Frage der Kriegsauszeichnungen und des Ehrensolds zu diskutieren, sobald die Bundesregierung uns einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Aber da dies bis jetzt nicht der Fall ist, möchte ich Sie bitten, den Änderungsantrag auf Umdruck 438 abzulehnen.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zum Einzelplan 33.
Ich rufe auf:
Einzelplan 35: Verteidigungslasten .
*) Siehe Anlage 24. **) Siehe Anlage 25.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Eschmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Antrag meiner Fraktion auf Umdruck 455 betreffend zivilen Luftschutz möchte ich keine besondere Begründung mehr geben. Es scheint mir aber notwendig, hier noch einige Gesichtspunkte zu dieser Frage zum Ausdruck zu bringen. Meine Damen und Herren der Regierungsparteien, wenn Sie diesen Antrag ablehnen — und das ist bisher geschehen —, so wollen Sie damit doch wohl nicht zum Ausdruck bringen, daß Ihnen so wenig am Schutz der Zivilbevölkerung liegt.
Im Grunde genommen stehen Sie mit dieser Ablehnung auch im Gegensatz zur Auffassung des Herrn Verteidigungsministers, und als Mitglied des Sicherheitsausschusses kann ich hier sagen: auch im Gegensatz zur Konzeption des Sicherheitsausschusses in bezug auf Verteidigungsfragen schlechthin. Denn bisher war die Konzeption des Herrn Verteidigungsministers und auch des Sicherheitsausschusses, was die Reihenfolge angeht, etwa so: allgemeiner Luftschutz, aktiver Luftschutz und dann die Aufstellung von Streitkräften.
Meine Damen und Herren, was nützt es, große Luftschutzprogramme aufzustellen, wenn man nicht dazu bereit ist, die Mittel zu bewilligen, die dazu notwendig sind? Ich möchte hier klar und eindeutig sagen, daß man, wenn man die Mittel nicht zur Verfügung stellt, damit auch den vielen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mithelfern in dieser Luftschutzfrage doch praktisch die Lust und die Liebe zur Mitarbeit an einem so wichtigen Problem überhaupt nimmt.
Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Sie haben bisher zu diesem Problem geschwiegen. Ich möchte Sie im Interesse meiner politischen Freunde und der gesamten Öffentlichkeit darum bitten, hier von diesem Podium aus in aller Offenheit Ihre ablehnende Haltung zum Ausdruck zu bringen und zu begründen. Wenn Sie weiterhin zu diesem Problem schweigen, dann wird es Ihnen sehr schwerfallen, den Eindruck zu beseitigen, daß Ihnen doch nichts an der echten Sicherheit der Zivilbevölkerung in dieser Beziehung liegt.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Ritter von Lex.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Friedrich Maier hat bereits bei der zweiten Beratung des Haushalts den Gesamtbetrag von 1,2 Milliarden DM, wie er in dem Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 455 enthalten ist, im einzelnen begründet. Es war für uns von der Bundesregierung sehr interessant, festzustellen, daß sich die sachlichen Aufgaben, die in diesem Antrag behandelt werden, im wesentlichen mit dem Luftschutzprogramm decken, das wir entwickelt haben. Auch der Betrag, der genannt worden ist, entspricht in etwa dem Betrag, der uns vorschwebt. Der Unterschied zwischen der Auffassung der Bundesregierung und der der SPD-
Fraktion liegt nur darin, daß wir der Meinung sind, daß dieser Betrag nicht in einem Jahr ausgegeben werden kann, sondern naturnotwendig auf einige Jahre verteilt werden muß. Wir sind ferner der Meinung, daß eine Anlastung der gesamten Luftschutzkosten an den Bund der Rechtslage in unserer Bundesrepublik nicht entsprechen würde. Wir sind der Meinung, daß auch die Länder und die Gemeinden sich zu beteiligen haben. Dabei nehmen wir allerdings den Hinweis des Herrn Abgeordneten Friedrich Maier, daß auf die Gemeinden mit ihren starken sonstigen Belastungen Rücksicht genommen werden solle, aufmerksam auf und werden ihn weiter verfolgen.
Die Aufgabe, vor der wir stehen, liegt darin, daß wir zunächst unterscheiden: Welche Probleme können sofort in Angriff genommen werden, und für welche Probleme brauchen wir das Luftschutzgesetz? Ich darf im übrigen bemerken, daß das Luftschutzgesetz in seinen Grundzügen im Entwurf bereits fertiggestellt ist. Bevor das Luftschutzgesetz erlassen ist, müssen wir die beiden Projekte des Luftschutzes, die die größten Kosten verursachen werden — das sind der Bau von Luftschutzräumen und die Aufstellung des Luftschutzhilfsdienstes —, nach unserer Auffassung zurückstellen, bis eben durch eine gesetzliche Grundlage die Basis für eine angemessene Kostenverteilung gegeben ist.
Allerdings bleibt eine ganze Reihe von sonstigen Aufgaben, die sofort in Angriff genommen werden können, so z. B. der Luftschutzwarndienst in Anknüpfung an das Luftmeldesystem sowie vor allem eine namhafte Förderung der Arbeit des Bundesluftschutzverbandes auf dem Gebiete der Selbsthilfe. Wir werden in diesem Jahre noch Gelegenheit haben, sehr erhebliche Beträge in dem Nachtragshaushalt anzumelden, den wir ja alle erwarten. Im nächsten Jahr hoffen wir, das Bundesluftschutzgesetz zu haben. Wir sind uns darüber klar, daß wir dann im Haushalt des nächsten Jahres mit ganz gewaltigen Beträgen an den Herrn Bundesfinanzminister und an das Hohe Haus herantreten müssen. Wir bitten darum, daß uns beim Nachtragshaushalt bereits, aber ganz besonders dann im nächsten Jahre, wenn die großen Anforderungen kommen, von allen Seiten des Hohen Hauses wirksame Unterstützung gewährt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anruf, der hier von seiten der Opposition zu der Frage Luftschutz gekommen ist, soll nicht unerwidert bleiben. Inzwischen hat Staatssekretär Ritter von Lex wohl von seiten der Regierung das gesagt, was wir Ihnen sonst vielleicht auch gesagt hätten. Wenn die Regierung von sich aus — das ist ja ihre Aufgabe, dazu haben wir eine Regierung — einen Plan dafür fertigstellt, dann sollte sich auch die Opposition wenigstens so lange in Geduld fassen und abwarten, was zunächst einmal die Regierung vorschlägt. Sie haben gehört, daß die Regierung mit einer gewaltigen Summe, die sich im übrigen sogar fast mit der Anforderung deckt, die Sie hier vorgeschlagen haben, zu gegebener Zeit an das Hohe Haus herantreten wird. Daß man mit 1,2 Milliarden nicht so umspringen kann, wie man mit 1,2 Millionen vielleicht verfahren kann, ist auch Ihnen völlig klar. Das weiß ich. Wir wissen auch,
daß diese 1,2 Milliarden DM nicht restlos auf den Bund zukommen können, sondern daß es sehr wohl den Ländern und, angesichts ihres sehr erheblich gestiegenen Gewerbesteueraufkommens, auch sehr vielen Kommunen — ich sage: sehr vielen, ich sage nicht: allen Kommunen — zuzumuten ist, einen Beitrag mit zu leisten. Das ist eine Last, die alle drei Beteiligten miteinander abwägen müssen; wobei man sehr sorgfältig verfahren sollte. Ich möchte es deswegen strikt ablehnen, aus diesem Betrage von 1,2 Milliarden DM sozusagen einen Testfall des guten Willens der Regierung allein zu machen. Darum geht es hier nicht, sondern es geht hier darum, daß wir ein gewaltiges großes Problem miteinander vernünftig lösen und finanziell in einer Weise regeln, indem alle Beteiligten mit herangezogen werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Dr. Vogel, eine Zwischenfrage. Ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung für die nächsten drei Jahre 1,2 Milliarden DM zur Verfügung halten will — für diesen Zweck — und daß mit diesen 1,2 Milliarden DM nur die dringlichsten und notwendigsten Dinge getan werden könnten, weil, wie es heißt, leider die Grenze der Leistung bei den Finanzmitteln liegt?
Ja, es dürfte auch Ihnen nicht unbekannt sein, daß der deutsche Steuerzahler nicht mehr aufbringen kann als bestimmte Summen. Oder wollen Sie den deutschen Steuerzahler gleichzeitig damit, was unvermeidlich wäre, mit einer neuen Steuer belasten? Dann sprechen Sie sich darüber offen aus!
Ich habe nichts dagegen, wenn wir eine neue Steuer schaffen müssen, um damit Millionen Menschen unter Umständen das Leben retten zu können!
Dann sagen Sie das aber auch gleichzeitig in der Öffentlichkeit, wenn Sie mit Ihrem Antrag durch die Welt ziehen!
Ich möchte nur feststellen, Herr Dr. Vogel: Ich hatte Sie gefragt, ob Ihnen bekannt sei, daß das Dreijahresprogramm der Regierung nur dringend notwendige Dinge schaffen könne, weil man nicht mehr Geld zur Verfügung habe. Der Herr Staatssekretär hat vorhin erklärt, daß im Nachtrag und im kommenden Jahr immense Summen eingesetzt werden würden: Ich hätte gern von Ihnen gewußt, ob Ihnen dieser Widerspruch klar ist.
Ich sehe darin gar keinen Widerspruch, wenn der Bundesminister des Innern sagt, er werde diese Mittel beantragen. Dieses Hohe Haus wird diese Mittel beschließen und nicht der Bundesfinanzminister. Das werden wir ja miteinander abzumachen haben. Aber es hat doch keinen Sinn, jetzt im voraus Anträge zu stellen, von denen man von vornherein weiß, daß sie erstens einmal noch nicht in sich ausgewogen sind, daß ferner das letzte Wort darüber noch nicht gesprochen worden ist und daß dafür erst einmal genaue, detaillierte Pläne vorgelegt werden müssen. Warten wir also ruhig erst den ersten Nachtragshaushalt ab. Er wird kommen. Er wird keine kleinen Summen aufweisen.
Auch die nächsten Haushaltspläne werden keine kleinen Summen bringen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß wir das Problem in dieser Art und Weise lösen wollen, wie das vorhin von der Opposition dargestellt worden ist.
Meine Damen und Herren! Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über den Einzelplan 35.
Ich rufe auf den
Einzelplan 40: Soziale Kriegsfolgeleistungen .
Wünscht jemand das Wort? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Petersen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Mut, das Hohe Haus für die Kriegsgefangenen noch einmal um die 70 Millionen DM zu bitten, die notwendig sind, damit die Kann-Leistungen für sie erfüllt werden.
Ich glaube, als das Hohe Haus gestern über den gleichlautenden Umdruck abgestimmt hat, ist es sich über die Gesamtsituation, die heute für die Kriegsgefangenen tatsächlich besteht, nicht ganz klar gewesen. Aus den Darlegungen des Herrn Bundesfinanzministers ergab sich ein zu hoffnungsvolles Bild, das erheblich von den Darstellungen abweicht, die der zuständige Ressortminister, Herr Professor Oberländer, uns gegeben hat. Nach der Darstellung des Herrn Bundesfinanzministers ist es so, daß die 45 Millionen DM für die Kann-Leistungen im außerordentlichen Etat und die 5 Millionen DM im ordentlichen Etat plus 20 % des Länderaufkommens, insgesamt also 60 Millionen DM, nach seiner Meinung ausreichen, um die im laufenden Haushaltsjahr zu bearbeitenden Anträge zu erfüllen. Wir wissen aber aus den Ausführungen des Ressortministers, daß bereits Anträge im Betrage von 69 Millionen DM verplant sind, und zwar für einen Personenkreis, der kleiner ist als der, der jetzt, nachdem Mittel zur Erfüllung der KannLeistungen überhaupt bereitgestellt werden, berechtigt ist. Nach Darstellung des Bundesvertriebenenministers werden nicht nur die bisher vorliegenden Anträge den Gesamtbetrag von 69 Millionen DM ausmachen, sondern wir werden damit zu rechnen haben, daß nach der Erweiterung der Möglichkeiten, die das Gesetz vorsieht — Hereinnahme des Kriegsgefangenenjahrgangs 1947 und der Zivil- und Zwangsverschleppten von 1947 an—, die zu erwartenden Anträge in ihrem Finanzvolumen 10 bis 15 % über der bisher errechneten Summe, also über 70 Millionen DM, liegen werden. Wir werden also zusammen etwa 80 Millionen DM brauchen. Wenn wir diese Anträge schon in sicherer Erwartung haben, dann sollte sich das Hohe Haus doch darüber klarwerden, daß wir jetzt nicht programmatisch, sondern von einer festen Voraussetzung auszugehen haben und daß dafür auch die Mittel bereitgestellt werden müssen. Ich möchte also hoffen, daß das Hohe Haus bei dem bleibt, was es am 26. Mai in klarer Erkenntnis aller hier diskutierten Voraussetzungen und Grundlagen beschlossen hat, nämlich daß diese 70 Millionen DM notwendig sind.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ganze Kriegsgefangenenproblem, das wir ja nicht nur in Deutschland, sondern mit seiner ganzen Tragweite
in der ganzen Welt einer umfassenden Lösung zuführen wollen, verlangt zunächst einmal von uns im Inland, daß wir den heimgekehrten Kriegsgefangenen ihr Recht werden lassen.
Dafür haben wir bisher die Voraussetzungen nicht geschaffen; sonst wäre es ja nicht notwendig gewesen, daß die Hunderttausend am vergangenen Sonntag in Hannover, wie der Herr Bundesvertriebenenminister uns das gestern erklärt hat, so scharf demonstriert haben. Ich brauche hier einer weiteren Bereitschaft gar nicht das Wort zu reden; denn dazu haben wir uns j a am 26. Mai bekannt. Ich möchte nur noch einmal das Hohe Haus bitten, daß es seinem Beschluß vom 26. Mai treu bleibt, und zwar nicht durch Worte, sondern durch Taten. Durch sie allein helfen wir den Kriegsgefangenen, und durch sie allein schaffen wir für sie eine einigermaßen erträgliche Gesundung ihrer so sehr bedrängten Lebensmöglichkeiten.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Merten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Umdruck 459*) zu begründen, der den Antrag wiederholt, den wir in der zweiten Lesung bereits gestellt haben und der sich mit derselben Materie befaßt, die Herr Kollege Petersen hier bereits erörtert hat. Herr Dr. Vogel hat bei der gestrigen Diskussion über diesen Antrag in Aussicht gestellt, daß er und seine Freunde bereit sein würden, sich unserem Antrag anzuschließen, der keine Erhöhung der Mittel, sondern nur eine andere Einteilung vorsieht.
Ich hatte schon ausgeführt, daß es um der schnellen Hilfe willen zweckmäßig ist, bereits im ordentlichen Haushalt Mittel für die Darlehen an die entlassenen Kriegsgefangenen vorzusehen, weil die Mittel aus dem außerordentlichen Haushalt nicht sofort zur Verfügung stehen. Das ist insbesondere wesentlich wegen der Bauvorhaben der Heimkehrer, die augenblicklich stagnieren und für die der größte Teil dieser Mittel voraussichtlich eingesetzt werden muß. Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß sich durch die Beteiligung der Länder in Höhe von 20 % an den Ausgaben, die nach Teil II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes geleistet werden, ohnehin der Betrag von 45 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt und von 5 Millionen DM im ordentlichen Haushalt auf 62,5 Millionen DM erhöht. Dazu ist zu sagen, daß vorerst in den Haushalten der Länder diese Mittel noch nicht ausgebracht sind und daß zweitens die Länder erst dann bereit sind, die 20 % zu zahlen, wenn auch die 80 % vom Bund her zur Verfügung stehen.
Nun werden sie natürlich schneller bereit sein zu zahlen, und auch die Mittel des Bundes werden schneller fließen, wenn wir bereits aus dem ordentlichen Haushalt in dieser Richtung etwas tun können.
Es war eine sehr große Enttäuschung, als Herr Kollege Arndgen vor der Abstimmung eine Erklärung abgab, aus der hervorging, daß der Betrag durch Koalitionsbesprechungen in den Haushalt
*) Siehe Anlage 26.
gekommen ist. Er hat wörtlich erklärt, daß der durch Ausschußbeschluß festgestellte Betrag durch Koalitionsbesprechungen vorbereitet sei und daß er deshalb seine Freunde auffordere, bei dem Beschluß des Ausschusses zu bleiben. Ich habe mir inzwischen die Freiheit genommen, mit Fachleuten der einzelnen Koalitionsparteien einmal über diese Frage zu sprechen, und ich muß Ihnen gestehen, daß keiner etwas von diesen Koalitionsbesprechungen wußte.
Es ist etwas schleierhaft, warum an und für sich vernünftig begründete Anträge, deren Grundlagen hier sachlich dargelegt worden sind, deshalb nicht genehmigt werden sollen, weil Koalitionsbesprechungen vorliegen, die bestimmt schon viele, viele Wochen zurückliegen. — Ich spreche gerade von den Koalitionsbesprechungen, Herr Kollege Arndgen,
die Sie gestern hier vor der Abstimmung mitgeteilt haben.
Ich bitte Sie deswegen sehr herzlich, sich das, was Sie gestern hier gehört haben, noch einmal zu überlegen, Ihren gestrigen Beschluß zu revidieren und uns die Möglichkeit zu geben, aus dem ordentlichen Haushalt für den Abschnitt II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes etwas zu tun. Es ist das gleichsam die Initialzündung auch für die Länder, und wenn es gelingt, die Dinge zum Anlaufen, und zwar sehr schnell zum Anlaufen zu bringen, wird dieses Jahr für den Existenzaufbau und für die Wohnraumbeschaffung der Heimkehrer nicht verloren sein. Geschieht das aber nicht, dann steht heute schon fest, daß bis zum Herbst, also bis zum Abschluß des Baujahres, wiederum nichts in dieser Richtung hat geschehen können und wir dann im nächsten Jahr vor weit größeren Schwierigkeiten stehen werden, als es in diesem Jahre der Fall gewesen ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Würde das im Falle des Eingehens auf Ihren Wunsch, die 25 Millionen DM von den Pflichtleistungen vorweg abzusetzen, bedeuten, daß Sie es dann nicht für notwendig halten, bei den Kann-Leistungen von 50 Millionen DM auf 70 Millionen DM zu gehen?
Dann hätten wir ja die 70 Millionen DM, die wir brauchen!
Das ist Ihre Überzeugung?
Wir würden das für ausreichend halten; deswegen haben wir diesen Antrag so gestellt.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu idem vorigen Antrag eben
nicht gesprochen, weil es ja nur eine Wiederholung dessen hätte sein können, was Herr Minister Schäffer gestern ausführlich dargelegt hat. Ich möchte mich daher auch zu diesem Antrag nicht wiederholen. Ich darf nur bitten, an der gestrigen Stellungnahme des Hohen Hauses festzuhalten.
Meine Damen und Herren, wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache zum Einzelplan 40.
Zu Einzelplan 45 liegen Änderungsanträge nicht vor. Es entfällt damit eine Beratung.
Das 'gleiche gilt für Einzelplan 49, Einzelplan 50 und Einzelplan 60.
Damit bin ich beim Haushaltsgesetz angelangt. Mir wurde mitgeteilt, daß unter 'den Fraktionen die Abmachung getroffen ist, weder die Abstimmung noch die Aussprache über das Gesetz vor 15 Uhr zu beginnen. Dann darf ich nunmehr die Sitzung bis 15 Uhr vertagen.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Zur Beratung steht
Einzelplan 60: Allgemeine Finanzverwaltung.
Dazu liegen zwei Änderungsanträge vor, und zwar auf Umdruck 457 Ziffer 2 und auf Umdruck 462, ferner 'der Entschließungsantrag auf Umdruck 461. Wer begründet die Anträge? — Herr Atzenroth?
— Sind sie alle erledigt?
— Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 462 *) hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag aus der zweiten Lesung jetzt in der dritten Lesung wiederholt, weil gestern bei der Begründung nur noch etwa 50 Abgeordnete anwesend waren und ich 'den Eindruck habe, daß der größte Teil bei der Abstimmung in Unkenntnis dessen gehandelt hat, was der Antrag besagen soll.
Bei oberflächlichem Lesen nimmt man an, daß hiernach die Zuwendungen oder Kapitalerhöhung von 12 Millionen für das Werk in Salzgitter gestrichen werden sollen. Das ist aber nur die parlamentarische Form, in die der Antrag gekleidet werden mußte. In Wirklichkeit handelt es sich darum, die Kapitalerhöhung auf einfachere und direkte Weise vorzunehmen. Nach dem Haushaltsplan sollen 12 Millionen in den außerordentlichen Haushalt eingestellt werden, um eine Kapitalerhöhung für Salzgitter durchzuführen. Um aber über diese 12 Millionen verfügen zu können, muß der Bund zunächst einmal irgendeine Anleihe aufnehmen oder
*) Siehe Anlage 29.
irgendwie das Geld aus dem außerordentlichen Haushalt beschaffen, und dann soll er erst die Kapitalerhöhung vornehmen. Warum dieser Umweg? Wir schlagen vor, daß die Reichswerke Salzgitter die Kapitalerhöhung unmittelbar und direkt auf dem Kapitalmarkt durchführen. Das ist möglich. Ich bin gegen die Meinung des Herrn Finanzministers, der bezweifelt, daß diese Kapitalerhöhung durchführbar ist. Im Gegenteil, es bestehen eher Befürchtungen, daß bei einer Pari-Ausgabe die Zeichner dieser Anleihe etwa Gewinne machen könnten. Aber dem könnte natürlich dadurch vorgebeugt werden, daß die Ausgabe über pari erfolgt.
Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich um eine prinzipielle Angelegenheit. Alle diejenigen, die unserem Anliegen, die Privatisierung der bundeseigenen Unternehmungen durchzuführen, zustimmen, sollten an diesem kleinen Beispiel einmal die Probe aufs Exempel machen. Hier kann in dem kleinen Rahmen von 12 Millionen DM, für die die Aktien unmittelbar an den Kapitalmarkt herangetragen werden sollen, bewiesen werden, daß man auch auf diesem Gebiet zur Privatisierung schreiten kann, ohne einen Verkauf an große Konzerne vorzunehmen. Ich bitte Sie also, diese Gedankengänge doch noch einmal zu überlegen und bei Ihrer Haltung zur Abstimmung mit zu beachten.
Das Wort hat der Abgeordnete Höck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß wir hier noch einmal in diese Materie einsteigen müssen. Aber ich glaube doch nach den gestrigen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers sowie nach den Darlegungen, die ich in bezug auf Salzgitter und die Reichswerke gemacht habe, sagen zu können, daß die Ausführungen 'des Herrn Dr. Atzenroth absolut abwegig sind. Das Salzgittergebiet stellt zur Zeit noch ein Politikum dar. Ich habe gestern die Summe von 300 Millionen DM genannt, die notwendig ist, um das Werk einigermaßen wiederaufzubauen und die Arbeitsplätze sicherzustellen. 80 % dieser 300 Millionen werden sowieso über den Kapitalmarkt ohne Hilfe des Bundes genommen werden müssen.
— Herr Dr. Atzenroth, bitte, 'hören Sie einmal zu. Ich habe Sie gestern gebeten, Ihre Ausführungen nicht an dem Salzgittergebiet zu exemplifizieren. Sie sollten Ihre grundsätzlichen Ausführungen, die Sie gemacht 'haben, auf ein anderes Bundesvermögen beziehen. Ihre Ausführungen in bezug auf Salzgitter sind im Moment noch vollkommen abwegig. In ein, zwei Jahren kann Ihren Gedankengängen nachgegangen werden. Aber bis dahin möchte ich doch bitten, daß die Hilfe des Bundes hier bestehenbleibt, um dieses ganze Unternehmen privatisierungsreif — das ist doch die Ausdrucksweise des Herrn Dr. Atzenroth — zu machen. Wir wollen Ihnen gern folgen. Wir sind ja allesamt gegen die Zusammenballung eines großen Staats- und Bundesvermögens in diesem Sinne. In diesem Falle muß ich Sie jedoch bitten — ich möchte mich kurz fassen, um Sie nicht länger aufzuhalten —, den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Atzenroth abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es wäre dann noch ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien auf Umdruck 461 *) zu begründen. Wird auf Begründung verzichtet? — Auf Begründung wird verzichtet.
Zu Einzelplan 60 wünscht niemand mehr das Wort?
— Wir stimmen noch nicht über den Einzelplan ab. Wir müssen erst die Zahlen durch die Beamten des Finanzministeriums zusammenstellen lassen.
Wir stimmen zunächst über die Änderungsanträge ab, bezüglich derer die Abstimmung ausgesetzt war, also beginnend von Einzelplan 25 an. Ich schließe damit die Aussprache über die Änderungsanträge zu Einzelplan 60.
Ich bitte Sie, zu Einzelplan 25 zurückzublättern. Wir stimmen über den Änderungsantrag auf Umdruck 449 **) ab. Besteht Klarheit über den Gegenstand der Abstimmung? — Wer für die Annahme des Änderungsantrags auf Umdruck 449 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr Einzelplan 26, zunächst Antrag Umdruck 446.***)
Wer für die Annahme dieses Antrages ist, — —
Das Wort zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 446 hat Herr Abgeordneter Dr. Graf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, im Sinne meines Antrages von vorhin zu verfahren und bei Ziffer 1 getrennt abzustimmen über Zweckbestimmung und Ansatz einerseits und Erläuterungen andererseits. Denn bei Zweckbestimmung und Ansatz handelt es sich um die Erhöhung der Summe von 250 000 DM auf 300 000 DM, dagegen bei den Erläuterungen, um ,den Wegfall der in der zweiten Lesung angenommenen Festlegung von 50 000 DM zugunsten des Zentralverbandes der Fliegergeschädigten. Es handelt sich also substantiell um zwei verschiedene Dinge, und ich bitte, dementsprechend zu verfahren.
Meine Damen und Herren, wir haben zu diesem Einzelplan außer dem Antrag Umdruck 446 noch einen Antrag Umdruck 448****). Ich möchte feststellen, daß der Antrag Umdruck 448 identisch ist mit dem Antrag Umdruck 446 Ziffer 2. Es wird also genügen, wenn wir einmal abstimmen, und zwar über 446 Ziffer 2. — Herr Abgeordneter Vogel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Klarstellung möchte ich noch erwähnen — damit es im Protokoll steht —, daß das Anliegen unseres Kollegen Graf durch die Erklärung von Herrn Staatssekretär Nahm vom Ministerium für Vertriebene positiv entschieden ist. Ich glaube, daß ein Antrag nicht mehr notwendig sein wird. Ich möchte das aber ausdrücklich festgehalten haben, damit Ihr Anliegen berücksichtigt wird.
*) Siehe Anlage 28. **) Siehe Anlage 19. ***) Siehe Anlage 20. ****) Siehe Anlage 21.
Verzichten Sie auf Abstimmung?
Über den ganzen Umdruck 446?
Dann braucht nicht mehr getrennt abgestimmt zu werden. Wir stimmen ab über Antrag Umdruck 446 im ganzen. —
Herr Abgeordneter Seiboth!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte bereits heute vormittag bei der Begründung des Antrags, ich glaube, im Einvernehmen mit den meisten Fraktionen, darum gebeten, daß wir über den Antrag Umdruck 446 gesondert nach Ziffer 1 und Ziffer 2 abstimmen. Bei Ziffer 2 kann dann, wie der Herr Präsident bereits ausgeführt hat, gleichzeitig über den Antrag Umdruck 448 abgestimmt werden, weil diese beiden Anträge identisch sind.
Es bleibt bei der getrennten Abstimmung. — Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 446 Ziffer 1. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag Umdruck 446 Ziffer 2, der identisch ist mit dem Antrag Umdruck 448. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Wir haben nunmehr abzustimmen über den Einzelplan 26 in seiner neuen Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Einzelplan 27. Hier ist abzustimmen über den Ausschußantrag Drucksache 1519 Ziffer 2, die auf Wunsch des Berichterstatters, des Abgeordneten Blachstein, dahin zu ergänzen ist, daß auch der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 197, für erledigt zu erklären ist. Wer für die Annahme dieses so ergänzten Ausschuß-Antrags Drucksache 1519 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Einzelplan 28 ist erledigt. Wir brauchen auch nicht mehr abzustimmen.
Einzelplan 29, Antrag Umdruck 453! *) Wer für die Annahme dieses Antrags auf Umdruck 453 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt; es bleibt bei der Ausschußfassung.
Einzelplan 30, Antrag Umdruck 454!**) Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Einzelplan 33, Antrag Umdruck 438***). Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. — Ich bitte um Entschuldigung, es bestehen Zweifel im Präsidium. Ich bitte, noch einmal abzustimmen,
*) Siehe Anlage 22. **) Siehe Anlage 23. ***) Siehe Anlage 24.
und zwar durch Erheben von den Sitzen. Wer dafür ist, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr über den Einzelplan 33 in der geänderten Fassung ab. Wer für ihn ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ersteres war die Mehrheit.
Einzelplan 35, Antrag Umdruck 455*)! Wer für die Annahme dieses Änderungsantrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. Es bleibt bei der Fassung der zweiten Beratung.
Einzelplan 40, Antrag Umdruck 459**) ! Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Wir müssen die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen wiederholen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. — Gegenprobe! Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Ich möchte nur fragen, ob über den Einzelplan 35 insgesamt abgestimmt worden ist.
Da der Änderungsantrag nicht angenommen worden ist, bleibt es automatisch bei der letztbeschlossenen Fassung.
Wir brauchen darüber nicht abzustimmen.
Bei Einzelplan 40 haben wir über den Änderungsantrag Umdruck 460***) abzustimmen. Wer für den Antrag Umdruck 460 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Wir müssen auch hier die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen wiederholen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Es bleibt also bei der in der zweiten Beratung beschlossenen Fassung des Einzelplans 40.
Einzelplan 60! Wir stimmen zunächst ab über den Antrag Umdruck 462****). Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr stimmen wir ab über den Entschließungsantrag Umdruck 461*****). Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit, die Entschließung ist angenommen******).
Nun sind zunächst die ziffernmäßigen Veränderungen festzustellen. Das wird durch die Beamten des Finanzministeriums besorgt. Wir brauchen eine Pause von ungefähr 10 Minuten. Ich schlage vor, daß wir während dieser Pause die anderen Punkte der Tagesordnung behandeln, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung stehen.
*) Siehe Anlage 25.
**) Siehe Anlage 26.
***) Siehe Anlage 27. ****) Siehe Anlage 29. *****) Siehe Anlage 28. ******) Vgl. Schriftliche Erklärung der Fraktion der SPD
zur Abstimmung: Anlage 33.
Da wäre zunächst die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Angleichung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr.
— Ist schon erledigt? Dann muß ich meinen Vorschlag zurücknehmen. Ich bin falsch unterrichtet worden.
Dann unterbreche ich die Sitzung, bis die Zusammenstellung der Zahlen erfolgt ist. Wir fahren fort um 15 Uhr 40.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 42 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Die Zahlen liegen nunmehr vor. Wir fahren in der Beratung zu Einzelplan 60 fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Ausschusses in der dritten Beratung sind die Ergebnisse nun durchgerechnet worden. Ich habe folgenden Antrag zu stellen:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. 60 02 Tit. 699 — Minderausgabe zufolge zehnprozentiger Sperre der Bewilligungen für Sachausgaben und für allgemeine Ausgaben — wird der Ansatz von minus 314 700 000 DM auf minus 319 196 700 DM erhöht.
Eine Änderung des Haushaltsgesetzes ist nicht notwendig, weil die Resultate der Beratungen im Einzelplan 60 realisiert worden sind.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über Einzelplan 60.
Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 60. Wer diesen Einzelplan in der nunmehr vorliegenden Fassung annehmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen.
Die Einzelpläne sind nunmehr in dritter Lesung durchberaten.
Bevor ich das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 aufrufe, eröffne ich die allgemeine Aussprache dritter Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist Ende Juni, also schon wieder beinahe drei Monate über das Ende des alten Haushaltsjahres hinaus. Die Frage, wann der Haushalt 1955 in Kraft gesetzt werden kann, ist noch durchaus offen. Der Bundesrat, der nun dran ist, hat drei Wochen Zeit, und man kann mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß er nach dem Beschluß dieses Hauses zum Inanspruchnahmegesetz den Vermittlungsausschuß anrufen wird, um eine Änderung des Prozentsatzes herbeizuführen, den der Bund aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer erhält. Man geht wohl nicht zu weit, wenn man den 1. August als Termin der Verkündung des neuen
) Haushalts annimmt. Angesichts dieses Umstandes muß man die Frage stellen, ob es denn ein unerreichbares Ziel ist, daß dieses Haus nach dem Grundgesetz der Bundesverwaltung einen rechtskräftigen Haushalt zu Beginn eines Haushaltsjahres beschert. Ich komme auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre zu der Überzeugung, daß das wahrscheinlich nicht möglich sein wird, nie erreichbar.
Halten wir uns einmal an die Beratungsdaten des vorliegenden Etats: Nachdem er das Kabinett, den Bundesrat im ersten Durchgang und wieder das Kabinett passiert hatte, fand die erste Beratung am 8. Dezember 1954 statt. Der Haushaltsausschuß begann noch vor den Weihnachtsferien mit seiner Arbeit. Er hat sich in 44 zum Teil ganztägigen Sitzungen, wie ich Ihnen als Berichterstatter mitzuteilen die Ehre hatte, mit dem Haushaltsplan beschäftigt. Am 26. Mai konnten die Beratungen im Haushaltsausschuß abgeschlossen werden. Am 26. Mai! Heute schließen wir, wie ich hoffe, die dritte Beratung ab, also fast einen Monat nach dem Abschluß der Beratungen im Haushaltsausschuß. Dabei — das darf man, ohne irgend jemandem Vorschußlorbeeren zu spenden, feststellen — haben alle Beteiligten ihr Äußerstes getan, um die frühzeitige Beratung zu ermöglichen. Man kann das von den Ressorts sagen, die bereits um die Mitte des Vorjahres ihre Voranschläge an das federführende Finanzministerium eingereicht hatten, von dem Finanzministerium, das mit der endgültigen Fertigstellung des kabinettsreifen Entwurfs beschäftigt war, vom Kabinett, schließlich vom Bundesrat und von diesem Haus; vom Haushaltsausschuß will ich in diesem Zusammenhang nicht reden. Es ist also offenbar nicht zu schaffen. Die Frage erhebt sich: Warum kommen wir mit unseren Haushaltsberatungen eigentlich nie rechtzeitig zu Rande? Ich glaube, es ist ein wichtiges Thema, weil von der rechtzeitigen Verabschiedung des Haushalts abhängt, ob die Verwaltung während des Haushaltsjahres wirklich oder wenigstens. theoretisch unter einer geordneten Haushaltsgesetzgebung arbeitet.
Ich glaube, die Gründe für das Versagen in diesem Punkt — das Wort gebrauche ich ohne jedes Werturteil, lediglich als eine Feststellung — liegen wahrscheinlich in der verfassungsrechtlichen Konstruktion der Bundesrepublik.
Wir brauchen uns nur einen Augenblick zu vergegenwärtigen, daß jedes Jahr das Tauziehen um den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer viele Wochen in Anspruch nimmt und meistens die Deckungsfrage in ein undurchdringliches Dunkel hüllt, bis der Haushalt dann endgültig im Bundesgesetzblatt erschienen ist.
Praktisch ist es ja so, daß der Haushaltsausgleich bei dieser Konstruktion letztlich von der Zustimmung der Länder abhängt.
Wir kommen auf einen anderen Grund, den Umstand, daß nach der Einbringung des Haushalts in der Regel im günstigsten Fall, wenn er so eingebracht ist, wie im vergangenen Jahr, vielleicht noch eine Woche vor den Weihnachtsferien für die Beratungen im Ausschuß zur Verfügung steht und daß man dann erst in der zweiten oder dritten Januarwoche wieder anfangen kann, wenn man die Mitglieder des Ausschusses nicht unnötigerweise und lebensgefährlich strapazieren will. All das bringt Terminverluste. In die Beratungen fällt dann die Osterpause, und wir mußten in diesem Jahr sogar noch die Pfingstpause mit in unsere Planungen einbeziehen. Man verliert also auch dadurch Zeit, daß das Haushaltsjahr im April beginnt und daß in die Phase, in der wirklich beraten werden soll, eine Reihe von Ferientagen fallen, die unwiederbringliche Zeit kosten. Die Nichtübereinstimmung von Kalenderjahr und Haushaltsjahr ist mit einer der Gründe dafür, daß wir uns in der Regel mit der Verabschiedung ,des Haushalts verspäten. Und nicht zuletzt unser ganzes Haushaltsrecht mit seiner kameralistisch-fiskalischen Grundtendenz; die — hier muß ich etwas aussprechen, was mir seit langem Anlaß zu Überlegungen war — dieses Haus zwingt, sich mit einer Unsumme von Details zu befassen, wie sie in dieser Art wahrscheinlich kaum ein anderes Parlament bemühen, unsere Landtage ausgenommen, die unter dem gleichen Haushaltsrecht stehen.
Schließlich kann man durchaus zu dem Schluß kommen: Je detaillierter die Haushaltspläne sind, die ein Parlament zu beraten hat, um so fragwürdiger wird die tatsächliche Kontrolle der Verwaltung durch das Parlament.
Man muß die Frage stellen, ob man nicht einen anderen Weg suchen müßte, um das Parlament zu einer effektiven Kontrolle der Verwaltung instand zu setzen, ohne es mit Einzelheiten zu belasten, in deren Gestrüpp die Übersicht über die tatsächlichen Vorgänge in der Verwaltung leicht verlorengeht. Ich kann im Augenblick die Möglichkeiten nicht genau überschlagen. Vielleicht haben einige Herren aus diesem Hause in der nächsten Zeit Gelegenheit, sich in den Vereinigten Staaten anzusehen, wie man das dort macht. Ich habe den Eindruck, daß sich manches auch einfacher und effektiver machen läßt, als wir es hier machen.
Daß ich das ausspreche, ist einfach der Ausdruck einer Sorge, die ich gerade als Mitglied der Opposition habe, der an der Kontrolle der Verwaltung in einem noch viel höheren Maße gelegen sein muß als den Angehörigen der Regierungskoalition. Ich kann mir auch denken, daß eine wirksamere Kontrolle der Verwaltung nicht durch das Sich-Versenken in die Einzelheiten des Haushaltsplanes geschieht, der ja doch zu einem erheblichen Teil aus Schätzungen — Schätzungen, die zum Teil auch aus politischen Erwägungen so oder so ausgefallen sind — besteht, sondern durch das Heranrücken der Rechnung an den Abschluß eines Haushaltsjahres und die gründlichere Beratung der Ergebnisse des Vollzugs des Haushalts, als wir es bisher konnten, weil wir ja immer jahrelang hinter den Tatsachen herhinken, wenn wir die Rechnung beraten.
Allerdings müßte man dann auch dazu kommen, daß weit mehr als bisher aus den Beanstandungen beim Vollzug des Haushalts, wie sie der Rechnungshof dem Hause vorlegt, echte, fühlbare Konsequenzen gezogen werden, so daß auch ein Stück Erziehungsarbeit für die Verwaltung in der Prüfung der Rechnungsergebnisse liegt, was heute weitgehend nicht der Fall ist. Dazu kämen eine Stärkung der Kompetenz des Rechnungshofs und ein noch viel engerer Kontakt des Parlaments mit dem Rechnungshof als einem Instrument der parlamentarischen Kontrolle der öffentlichen Verwaltung.
Schließlich, meine Damen und Herren — auch das muß hinzugesetzt werden —, wäre eine Stärkung der Position des Parlaments gegenüber der Verwaltung gerade auch in finanziellen Fragen notwendig. Ich weiß, daß das ein sehr kompliziertes und dorniges Problem ist, das sich nicht nur in Formulierungen staatsrechtlicher Natur ausdrücken läßt. Es handelt sich hier auch um politisch-psychologische Faktoren, ja — ich will ganz offen sein — auch darum, ob das Parlament genügend Selbstbewußtsein gegenüber der Verwaltung und der an ihrer Spitze stehenden Regierung aufbringt.
Das Parlament ist nicht nur ein Instrument der Regierungspolitik, sondern eine selbständige verfassungsrechtliche Figur; es sollte sich aus seinem Selbstbewußtsein heraus bestimmte Dinge einfach nicht gefallen lassen.
Hier — und das wissen Sie haben gerade wir
von der sozialdemokratischen Opposition eine Fülle von Beschwerden gegen die Mehrheit dieses Hauses. Ich will sie hier nicht im einzelnen aufführen. Wir haben bei so vielen Gelegenheiten darüber gesprochen unid werden wieder darüber sprechen.
Eine wichtige Frage — vielleicht wichtiger, als es die Behandlung der einschlägigen Anträge bei dieser Haushaltsberatung verrät — betrifft die Überschneidung von Kalenderjahr und Haushaltsjahr. Die Wirkung auf die Wirtschaft, insbesondere auf die Bauwirtschaft, in der die öffentliche Hand in weitem Umfang als Auftraggeber auftritt, kann nicht übersehen werden. Wir müssen auch bei dieser Gelegenheit noch einmal den drin) genden Wunsch aussprechen, die Bundesregierung möge alles tun, was in ihrer Kraft liegt, um so schnell wie möglich eine Verständigung zwischen Bund, Ländern und allen sonst noch dafür notwendigen Instanzen herbeizuführen, damit wir endlich zu einer Übereinstimmung von Haushaltsjahr und Kalenderjahr kommen. Daß das geht, haben wir vorgestern hier bei einem sonst unbeobachteten Gegenstand erfahren müssen — ganz nebenbei —, beim Postetat, als der Herr Staatssekretär dem Hause mitteilte, daß die Post bereits ihr Haushaltsjahr mit dem Kalenderjahr gleichgezogen habe. Meine Damen und Herren, könnte nicht z. B. auch die Bundesbahn als der größte öffentliche Betrieb diesem Beispiel folgen? Wenn das geschähe, hätten wir schon einen recht beträchtlichen Sektor der öffentlichen Finanzwirtschaft umgestellt, und es wäre dann gar nicht mehr allzu schwer, auch einige andere Widerstände zu überwinden, die da und dort noch vorhanden sein mögen.
— Ja, das, mein lieber Herr Kollege, vermag ich nicht zu sagen, denn auch ich bin kein Prophet, Gott sei Dank nicht. — Daß eine Übereinstimmung der Länder und Gemeinden erreicht werden muß, ist klar; aber sie sollte im allseitigen Interesse so schnell wie möglich erzielt werden.
Meine Damen und Herren, die dritte Beratung und insbesondere diese Generalaussprache ist nicht der Ort für Einzelkritik am Haushalt. Das ist während der zweiten Beratung und während der Einzelberatung heute morgen in reichem Maße geschehen. Wir können uns deshalb darauf beschränken, jetzt von den Generalien der Haushaltspolitik, ja von der Politik im allgemeinen zu sprechen. Auf das letzte allerdings muß ich weitgehend verzichten, weil dieses Haus die bewegenden Themen unserer Tage ja immer wieder erörtert hat und auch jetzt offenbar vor einer großen politischen, vor einer wehrpolitischen Debatte steht. Ich möchte mich deshalb an die Haushaltsprobleme im weitesten Sinne halten.
Lassen Sie mich diesen Teil meiner Ausführungen mit einem Zitat beginnen. Es entstammt einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Entwurf des Haushalts 1955, aber es trifft, wie ich glaube, nicht nur auf den Entwurf zu, sondern auch auf den jetzt zu verabschiedenden, fertig beratenen Haushalt selbst. Ich nehme das Zitat aus dem Heft 15, Band 4 der Veröffentlichungen des Instituts für Finanzen und Steuern, das in Bonn seinen Sitz hat und das eine Broschüre „Der Bundeshaushalt" herausgebracht hat. Da wird unter der Überschrift „Der große Wandel gegenüber den Vorjahren" folgendes gesagt:
In den vergangenen Jahren ist das Ergebnis für den Bund immer günstiger gewesen als die Prognose. Das heißt, der Abschluß der Rechnungen war immer günstiger als die Schätzungen im Haushaltsvoranschlag. Das Risiko. das in der Deckung der Ausgaben des außerordentlichen Haushalts durch Anleihen lag, wurde nicht akut. Die Problematik der Deckung durch Globalabstriche oder Zuschüsse des außerordentlichen Haushalts zum ordentlichen Haushalt trat praktisch nicht in Erscheinung. Der Fehler, daß für die Abdeckung der Fehlbeträge aus den Vorjahren kein Deckungsposten eingesetzt wurde, ließ sich im Laufe des Rechnungsjahres gutmachen. Daß der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer regelmäßig niedriger festgesetzt wurde, als die Bundesregierung vorgeschlagen hatte, führte zu keiner Gefährdung des Bundeshaushalts. Aber diese ganze Entwicklung hatte ihren Grund ausschließlich in den Einsparungen bei den Verteidigungslasten. Nur durch die Einsparung von je 1,8 Milliarden DM bei den Verteidigungsausgaben konnte es gelingen, in den Jahren 1953 und 1954 zu verhältnismäßig günstigen Resultaten zu kommen.
Ich will das Zitat nicht fortsetzen. Ich will nur feststellen, daß das Institut zu dem Ergebnis kommt, daß diese Periode nun vorbei sei; der große Wandel liege darin, daß sich dieses „etatpolitische Wunder" nicht wiederholen werde.
Dieser Darstellung, meine Damen und Herren, kann man weitgehend zustimmen. Ich möchte in diesem Zusammenhang allerdings eine Beschwerde anbringen: daß im Haushaltsgesetz auch dieses Jahr wieder der § 75 der Reichshaushaltsordnung außer Kraft gesetzt wird. Gegen diese Praxis erhebt meine Fraktion nach wie vor die stärksten Bedenken; sie hat den dringenden Wunsch, daß man in künftigen Jahren wieder zu einer regulären Einsetzung der Fehlbeträge früherer Haushaltsjahre in den Haushaltsplan kommen möge.
Jetzt, meine Damen und Herren, komme ich zu einem sehr 'wesentlichen Punkt, nämlich zu der Frage nach dem Wert oder Unwert unserer Haushaltsberatungen überhaupt. Ich glaube, ein Parlament wie dieses muß sich auch die Aufgabe stellen, sich einmal selber ins Gesicht zu schauen und sich zu fragen, ob das, was es tut, denn in vollem
Umfang den Sinn hat, den es eigentlich haben sollte.
Was entscheiden denn unsere Haushaltsberatungen genau genommen? Etwa den Umfang der öffentlichen Einnahmen, d. h. die Belastung des Staatsbürgers idurch die Finanzansprüche der öffentlichen Hand? Das scheint mir nun ganz und gar nicht der Inhalt unserer Haushaltsberatungen zu sein. Denn die öffentlichen Einnahmen werden durch die Steuergesetze bestimmt, und deren Ergebnis hat der Finanzminister sicher in der Hand, soweit nicht Konjunkturschwankungen die Steuerquellen beeinflussen oder er durch vielseitigen Druck zu irgendeiner Art von Steuerreform gezwungen wird, die dann je nach Geschmack und Propagandabedürfnis als Große, Kleine oder gar keine Steuerreform bezeichnet wird.
Entscheiden wir in unseren Beratungen etwa über die Ausgaben der öffentlichen Hand? Ich glaube, auch da muß man hinzusetzen: doch nur zu einem sehr bescheidenen Teil. Das gilt sogar für die Ausgaben, die hier im Bundeshaushalt veranschlagt sind, sofern man unter „Entscheidung" nicht nur Billigung eines Vorschlages versteht, sondern Beeinflußbarkeit, Veränderungsmöglichkeit. Gerade im Bundeshaushalt ist der größere Teil der Aufwendungen in weitem Umfang durch andere Gesetze, die dieses Haus beschlossen hat, durch Rechtsverpflichtungen — oder was man aus politischen Gründen dafür ausgibt — fixiert. Das bewegbare, d. h. das durch den Bundestag nach Art und Umfang bestimmbare Element im Haushalt ist außerordentlich bescheiden, wie wir, die wir uns jahraus, jahrein mit diesen Fragen beschäftigen, zu unserem Leidwesen immer wieder erfahren mußten.
Der Bundeshaushalt wird aber in der Gesamtschau — und das ist schließlich der Standpunkt, von dem der Staatsbürger, der Steuerzahler auszugehen hat — noch problematischer, weil er nur einen Teil des gesamten Finanzbedarfs der öffentlichen Hand darstellt. Die 30 Milliarden dieses Haushalts sind etwas mehr als die Hälfte der Summe, die in der Bundesrepublik aus der Tasche der Staatsbürger in die Kassen der öffentlichen Hand fließt. Die Statistiken darüber sagen, daß im Lauf der Jahre eine zunehmende Umschichtung in den Ansprüchen, in den Finanzbedürfnissen der öffentlichen Hand eingetreten ist. Ich will das im einzelnen hier nicht analysieren; ich will nur feststellen, daß im Verhältnis zum Jahre 1951/52, wo der Finanzbedarf des Bundes und des Lastenausgleichsfonds zusammen 57,4 % des gesamten Finanzbedarfs der öffentlichen Hand ausmachte, im Jahre 1955/56 dieser Prozentsatz zwar um ein kleines gefallen ist, daß auch der Anspruch der Länder — einschließlich der Hansestädte — etwas gesunken ist, daß aber der Anteil der Gemeinden zwischen 1951/52 und 1955/56 von 18,7 auf 20,2 % gestiegen ist. Absolut aber ist der Finanzanspruch der öffentlichen Hand außerordentlich gewachsen.
Man kann das aus dem Wachstum des Sozialprodukts erklären und rechtfertigen, gewiß. Aber nichtsdestoweniger bleibt die Tatsache bestehen, daß der Teil des Sozialprodukts, den die öffentliche Hand für sich und ihre Aufgaben in Anspruch nimmt, eben einem dauernden Wachstumsprozeß unterworfen ist.
Es hat keinen Sinn, darüber zu orakeln, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist. Wenn man den Versuch macht, eine Änderung herbeizuführen, dann muß man — und das ist ja die Frage, die bei dem Thema Verwaltungsreform immer wieder im Hintergrund aufleuchtet — sich wirklich einmal überlegen, ob die gewordene Verteilung der Aufgaben auf die einzelnen Ebenen der öffentlichen Verwaltung und zwischen öffentlichem und privatem Sektor in unserer Gemeinschaft in Ordnung ist oder ob da andere Maßnahmen ergriffen werden müssen, die eine andere Verteilung auch der Finanzmasse ermöglichen.
Die Tendenz zum Wachstum des öffentlichen Finanzbedarfs ist unbestreitbar, und man kann auch nicht bestreiten, was z. B. in den Vorbemerkungen zum Haushalt 1955 — einer im ganzen sehr dankenswerten Leistung des Bundesfinanzministeriums — auf Seite 17 gesagt wird, daß nämlich „mit der wachsenden Größe der über die öffentlichen Haushalte laufenden Einkommensströme die direkte und indirekte Wirkung der Steuer- und Finanzpolitik auf die Wirtschaft steigt". Und richtig ist auch die Feststellung am gleichen Ort, daß das Bemühen, „die Beziehungen zwischen dem Staat als der Gesamtheit der dem öffentlichen Bereich angehörenden Körperschaften einerseits und der Volkswirtschaft andererseits aufzuhellen, auch finanzpolitische Bedeutung hat".
Ich zitiere nicht etwa um des Zitierens willens, sondern weil ich auf einen ganz bestimmten Punkt hinaus will. Wenn nämlich all diese Feststellungen richtig sind, dann müßten sich daraus doch bestimmte Konsequenzen für die rückschauende und vorausdenkende Darstellung der öffentlichen Haushalte in Zusammenhang mit dem Gesamthaushalt der Nation ergeben. Wir stehen ja in mehr als einer Hinsicht an einer Wende unserer Finanzpolitik, gerade, wenn man, wie die Bundesregierung, entschlossen ist, den öffentlichen Ausgaben noch ein beträchtliches Stück für die Rüstung hinzuzufügen. Wir werden immer wieder auf die Versprechungen zurückkommen, daß man in den nächsten Jahren die Rüstung ohne zusätzliche Belastung des Steuerzahlers und ohne sonstige Einschränkungen finanzieren und verkraften könne. Wenn die Bundesregierung und ihre Mehrheit ent. schlossen sind, dem öffentlichen Finanzbedarf noch dieses zusätzliche und, wie man heute allgemein anerkennt, unproduktive Stück hinzuzufügen, das heißt, eine neue Kostenmenge auf die Schultern des Bürgers zu legen — von anderen Folgen ganz abgesehen —, dann wird die organische, die bewußte Eingliederung aller Teile des öffentlichen Finanzbedarfs in den Gesamthaushalt der Nation unausweichlich, und unentbehrlich wird auch die öffentliche Vorlage einer Gesamtschau, die man heute allgemein unter dem Begriff „volkswirtschaftliche Gesamtrechnung" als ein Instrument der Balancierung öffentlicher und privater Finanzwirtschaft anerkennt.
Konkret also fragen wir: wo bleibt die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für die Bundesrepublik? Wir stehen mit dieser Frage gar nicht allein. Ich will nicht Pressestimmen heranziehen, obwohl sich da sehr häufig die Beunruhigung der öffentlichen Meinung über gewisse Ungereimtheiten und Unausgeglichenheiten unserer Finanzwirtschaft ausdrückt. Wichtiger erscheint mir, daß zum Beispiel auch der Wissenschaftliche Beirat beim
Bundeswirtschaftsministerium in einem um die Jahreswende veröffentlichten Gutachten die gleiche Forderung erhebt. Ich darf aus einem Bericht darüber zitieren. Es heißt da:
Es ist unerläßlich, die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der einzelnen Ministerien stärker aufeinander abzustimmen. Das Wirtschaftskabinett hat dafür bereits vielversprechende Vorarbeit geleistet. Eine gute Zusammenarbeit der Ressorts wird aber nur möglich sein, wenn entsprechende Unterlagen zur Verfügung stehen. Es geht nicht an, daß jedes Ministerium mit seinen eigenen Zahlen arbeitet. Was wir brauchen, ist ein einheitliches Nationalbudget oder eine einheitliche Gesamtrechnung. Qualifizierte Fachleute müssen eine Gewähr dafür bieten, daß die erarbeiteten Zahlen in jeder Hinsicht richtig sind.
Der frühere niedersächsische Finanzminister Professor Dr. Georg Strickrodt, ein Mann, der der CDU angehört und der heute als Finanzwissenschaftler einen gewissen Ruf genießt, hat ebenfalls in Vorträgen und Publikationen nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung als ein Element der Finanzverfassung eine Notwendigkeit unseres komplexen modernen Staatswesens geworden ist, bei dem der öffentliche Finanzbedarf in immer größerem Umfange alle Zweige der ökonomischen und sozialen Aktivität der Gemeinschaft beeinflußt und bestimmt. Und schließlich: sogar der Herr Bundesfinanzminister deutete in einem Brief an meinen Freund Helmut Schmidt an, daß auch er und sein Ministerium sich schüchtern gewisser Ansätze einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bedienen. Auch die „Allgemeinen Vorbemerkungen" zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955 enthalten einen kleinen Anlauf in dieser Richtung.
Nach unserer Meinung ist das aber längst nicht genug, vor allem deshalb nicht, weil an die öffentliche Finanzwirtschaft ganz andere Probleme herantreten und weil vor allem auch die öffentliche Kontrolle der Ausgabenwirtschaft in einem Augenblick, in dem man sich anschickt, die Rüstungsaufgaben hinzuzufügen, ein eminentes Problem der parlamentarischen Demokratie wird, das nur dann bewältigt werden kann, wenn alle Unterlagen in weitestem Umfang öffentlich zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren! Ich darf hier die sozialdemokratische Auffassung zu dieser wichtigen Frage in Umrissen darstellen. Um keine Legenden aufkommen zu lassen, möchte ich gleich vorweg sagen: Was wir fordern. hat nichts zu tun mit irgendeiner Form der Planwirtschaft in dem Sinne etwa, daß man als Grundlage für einen vom Parlament zu beschließenden starren Wirtschaftsplan solch ein Instrument fordere. Wir fordern nicht ein Nationalbudget als ein in die Zukunft weisendes Tableau mit Vollzugsverbindlichkeit, so wie es der Haushaltsplan ist. Was wir fordern, ist eine jährlich nachträglich vorzulegende volkswirtschaftliche Bilanz, eben das, was man volkswirtschaftliche Gesamtrechnung nennt. Solche nachträglichen Bilanzen mit Kommentaren, Analysen und daraus abgeleiteten Prognosen für die weitere Entwicklung werden ja im Schoße der Bundesregierung schon seit langem gemacht für bestimmte Zwecke, nämlich für die OEEC. Im Kabinett existiert ein interministerieller Arbeitskreis „volkswirtschaftliche Bilanzen", beim Ministerium Blücher. Hauptakteur ist das Statistische Bundesamt, das selbstverständlich die Unterlagen liefern muß, und sein Präsident. Die Ergebnisse, insbesondere auch die Globalprognosen, werden seit Jahr und Tag für die Finanzaußenpolitik gegenüber der NATO und der OEEC verwendet. Für die Innenpolitik auf dem Gebiet der Finanzen bemüht sich das Bundesfinanzministerium nach dem vorhin schon erwähnten Brief des Herrn Bundesfinanzministers an den Abgeordneten Helmut Schmidt um „überzeugende Aussagen" — das muß ich nun in Gänsefüßchen setzen — „über die Auswirkung der jeweils zur Erörterung stehenden Maßnahmen der Finanzwirtschaft oder Sozialpolitik".
Diese Arbeiten, von denen ich sprach, sind bisher quasi geheim. Sie werden in trockener, wissenschaftlich-akademischer Manier vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht in einer Weise, die kaum der breiten Öffentlichkeit zugänglich ist. Aber die Regierung stellt offenbar keine gedankliche Verbindung zwischen ihrer Wirtschafts-, Finanz- und übrigen Politik und den Daten dieser Bilanz her. Nicht ohne Grund spricht Herr Professor Strickrodt deshalb in der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung" von einer apokryphen Praxis, d. h. von einer — man kann es auch gut deutsch sagen, ohne den Ausdruck wörtlich zu übersetzen — etwas undurchsichtigen, ja zweifelhaften Praxis.
Bisher — und das ist das Ergebnis dieser im Verborgenen erarbeiteten Bilanzen — haben verschiedene Minister die Ergebnisse dieser Bilanzen zu sehr zweckgefärbten Prognosen verwendet. Der Herr Bundesfinanzminister — und dafür ist er ja Finanzminister — operiert auf der Basis der Ergebnisse solcher Untersuchungen in der Regel mit einer geringen Zunahme des Sozialprodukts und mit geringen Steuerzuwächsen. Der Grund ist sehr naheliegend. Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der übrigens, wie ich hörte, hier im Hause war mit einer großen Rede in der Tasche und, ohne die Rede zu halten, das Haus wieder verlassen hat — den Grund kenne ich nicht —, verfolgt genau die gegenteilige Praxis. Bei ihm ist immer alles groß, auch auf Grund solcher mehr oder weniger geheimen Untersuchungsergebnisse.
Die politische Absicht dieser verschiedenartigen Praxis ist klar. Aber diese Praxis schafft keine Klarheit, sondern das Gegenteil. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, von dessen Gutachten ich bereits sprach, hat die wichtigsten Vorteile einer echten volkswirtschaftlichen Gesamtbilanz in fünf Punkten formuliert. Man kann dieser wissenschaftlichen Autorität wohl zutrauen, daß sie nicht aus einem politischen Vorurteil, oder um der Bundesregierung Unannehmlichkeiten zu bereiten, zu solchen Ergebnissen kommt, sondern daß es sehr wohl überlegt ist. Dieser Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium sagt, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung sei 1. ein unerläßliches Hilfsmittel zur Koordinierung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Staates, 2. ein bedeutsames Instrument für die autonome Lohnpolitik der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen, 3. eine Vervollständigung der Marktanalysen der einzelnen Unternehmungen, 4. eine Möglichkeit zur Erarbeitung von Aussagen über die zukünftigen Auswirkungen wirtschafts-
politischer Maßnahmen — eine eminent wichtige Sache, 5. eine zuverlässige Methode der wirtschaftlichen Analyse auf lange Sicht, der besonders im Rahmen von Entwicklungsprogrammen große Bedeutung zukomme.
Wir Sozialdemokraten können diesen Formulierungen in vollem Umfange zustimmen. Aus ihnen ergibt sich zugleich, daß es keineswegs so ist, wie manche Leute, die gegen die Verwendung volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auftreten, meinen, daß nämlich diese volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Hebel zu planerischen Exzessen seien. Im Gegenteil, sie sind gegenüber jeder Form der Wirtschaftspolitik neutral, und keine moderne Gesamtpolitik kann auf sie verzichten.
Meine Damen und Herren! Besonders erforderlich ist es — ich betone es nochmals —, die Notwendigkeit der Koordinierung hervorzuheben, nachdem man doch immerhin auf eine gewisse Art von Rüstungswirtschaft zusteuert. Ich will die Frage nicht erörtern, wer diese Rüstungswirtschaft kontrollieren und lenken soll; das ist eine Sache für sich.
Wie stellen wir uns praktisch eine solche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung vor? Ich will auch dazu einige Bemerkungen machen. Wir glauben, daß dafür Beispiele vorhanden sind. Es gibt die Empfehlungen der Vereinten Nationen, und es gibt die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die Statistiken der OEEC, an denen ja die Bundesrepublik bereits durch einen eigenen Beitrag mitarbeitet. Es ist nicht einzusehen, warum man nur für die finanzielle Außenpolitik mit solchen Dingen arbeitet und nicht auch im Innern davon vollen Gebrauch macht.
Zu diesen die Gliederung, den Aufbau und die Methode bestimmenden Empfehlungen, von denen ich sprach, wäre eine einfache Form der Darstellung zu setzen, die zumindest etwas über die Einkommensbildung und -verwendung, über die Kapitalsbildung und -verwendung aussagen muß, ja, eine Investitionsbilanz enthalten muß, eine Zahlungs- und Handelsbilanz, eine Sozialleistungsbilanz, die konsolidierten Kosten der öffentlichen Haushalte und den Versuch einer konsolidierten Kostendarstellung der privaten Haushalte. Zu diesen Unterlagen wäre ein Kommentar notwendig, der verantwortlich vom Kabinett verabschiedet wird und der auch Schlußfolgerungen für die künftige Politik enthält. Über den Termin läßt sich reden, je nachdem das Haushaltsjahr mit dem Kalenderjahr beginnt oder bleibt, wie es gegenwärtig ist. Jedenfalls müßten die Unterlagen rechtzeitig zur Verabschiedung des Haushalts vorliegen, damit das Parlament neben den reinen Haushaltsziffern auch eine volle Übersicht darüber hat, wie sich diese Zahlen in die Gesamtbilanz eingliedern.
Wir würden, wenn wir das tun — ich habe die Sorge, daß wir dabei einigen erheblichen Bedenken begegnen werden —, keineswegs als Pioniere erscheinen. Im Gegenteil. In den Vereinigten Staaten wird diese Praxis seit langem geübt. Jedes Jahr wird dem Kongreß zu Jahresbeginn der „Economic report of the president" erstattet, eine volkswirtschaftliche Gesamtbilanz für die Vereinigten Staaten. In England wird jedes Jahr kurz vor der
Etateinbringung der „Economic survey" veröffentlicht, und das ist nicht etwa eine Erfindung der Labour-Regierung von 1945; im Programm der konservativen Regierung von 1947 wird ebenfalls ein „national budget of our economy" — ein Nationalbudget unserer Wirtschaft — gefordert. Man braucht außerdem nur darauf hinzuweisen, daß eine Reihe von Staaten in Europa, Holland, Norwegen, Schweden, eine ausgedehnte und erprobte Praxis auf dem Gebiete der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als Unterlage für die gesamte Regierungspolitik haben.
Wir sind überzeugt, daß auch die Bundesrepublik diesen Weg beschreiten muß, denn nur so wird die Lösung bestimmter vordringlicher Probleme unseres sozialen und ökonomischen Lebens unter den jetzt sich herausbildenden Bedingungen möglich sein.
Ein gutes Beispiel zur Illustration liefert die Sozialpolitik. Niemand in diesem Hause wird bestreiten, daß eine spürbare Verbesserung der Altersrenten unserer arbeitenden Bevölkerung nicht länger auf sich warten lassen kann. Der Bundesarbeitsminister hat nach langen Jahren der Vorbereitung, nachdem er es von Zeit zu Zeit als unmittelbar bevorstehend angekündigt hatte, endlich vor einigen Wochen die versicherungstechnischen Bilanzen für die Rentenversicherung der Arbeiter und die Rentenversicherung der Angestellten vorgelegt. Der darin aufgezeigte versicherungstechnische Fehlbetrag ist zwar weit geringer, als man zeitweise angenommen hatte. Er ist aber immer noch so groß, daß — offenbar als Sicherungsmaßnahme — bereits heute eine Erhöhung des gegenwärtigen Beitragssatzes oder eine Erhöhung der öffentlichen Zuschüsse oder eine Verbindung beider Maßnahmen in Angriff zu nehmen wäre. Wie sieht es in Wirklichkeit aus, jenseits dieser versicherungstechnischen Bilanz? Darüber gibt eine Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Auskunft, die unter der Überschrift „Die Rentenversicherung 1953 bis 1998 im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung" — das ist der ganze Titel dieser Veröffentlichung — erschienen ist. Ich darf daraus zitieren:
Volkswirtschaftlich ist allerdings die den Vorausberechnungen zugrunde gelegte Voraussetzung konstanter Löhne und Gehälter und damit konstanter Beiträge zur Sozialversicherung durchaus unrealistisch. Schon vom Jahre 1953 bis zum Jahre 1954 haben das Nettosozialprodukt um über 8 %, die Bruttolohn- und Gehaltssumme sowie das Beitragsaufkommen der Sozialversicherung um fast 9 % zugenommen. Wenn auch mit einem derartigen Zuwachs künftig auf die Dauer nicht zu rechnen ist, so wird doch über sehr lange Zeit eine durchschnittliche Wachstumsrate des Sozialprodukts von 2 bis 3 % schwerlich unterschritten werden. Dies würde aber bereits eine Verdreifachung des Sozialprodukts innerhalb von 45 Jahren bedeuten.
Man muß j a bei einer Reform über solche Zeiträume hin denken. Man kann nicht für den Tag oder für das nächste Jahr Berechnungen anstellen.
Es ist anzunehmen, daß die Löhne und Gehälter ihren Anteil am Sozialprodukt wahren und entsprechend im gleichen Ausmaß steigen werden. Dagegen wird die Entwicklung des Beitragsaufkommens hinter diesem Satz zu-
rückbleiben, da ein steigender Anteil der Löhne und Gehälter die Pflichtversicherungsgrenze überschreiten wird.
Soweit das Zitat.
Um zu zeigen, in wie hohem Maße die Ergebnisse der Vorausberechnungen von einer realistischen Annahme über das volkswirtschaftliche Wachstum abhängen, wurde vom Institut für Konjunkturforschung in Berlin eine leichte Steigerung für das Aufkommen der Rentenversicherungen, und zwar eine Wachstumsrate von jährlich 2 % für die Invalidenversicherung und von 1,5 % für die Angestelltenversicherung unterstellt. Die übrigen Voraussetzungen für die Vorausberechnung wurden beibehalten. Das überraschende Ergebnis einer derartigen Abwandlung der amtlichen Vorausberechnungen kann so zusammengefaßt werden — auch ein Zitat —:
Bei der Invalidenversicherung würden unter den neuen Voraussetzungen die Einnahmen innerhalb von 45 Jahren statt auf jährlich 5,6 Milliarden DM auf 10,5 Milliarden DM ansteigen. Das würde nicht nur ausreichen, um bei gleichbleibenden Versicherungsleistungen auf die Dauer Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen, sondern darüber hinaus wäre es möglich, die Renten und sonstigen Versicherungsleistungen um zunächst 20 %, später sogar um einen weit höheren Satz aufzubessern. Auch die Angestelltenversicherung wäre unter der neuen Voraussetzung in der Lage, eine Verbesserung ihrer Leistungen im durchschnittlichen Ausmaß vorzunehmen.
Ich habe diese Zitate nicht gebracht, um mich oder meine Fraktion mit den Ziffern zu identifizieren, sondern um zu zeigen, wie man die Möglichkeiten einer volkswirtschaftlichen Gesamtbilanz benutzen kann, um lange, lange Prozesse einigermaßen vorauszuberechnen und dadurch bei entscheidenden wirtschafts- oder sozialpolitischen Maßnahmen einen sicheren Boden unter den Beinen zu haben.
Nun möchte ich mich für einen Augenblick noch einigen anderen Fragen zuwenden, die im Zusammenhang mit dem Haushalt nicht ohne Interesse sind. Wir sprechen viel vom Wachstum der öffentlichen Verwaltung. Es gibt darüber amtliche Zahlen. Sie sind allerdings nicht bis in die letzte Zeit fortgeführt. Das ist bei der Überschneidung der Haushaltsjahre mit den Kalenderjahren auch nicht ohne weiteres möglich. Wenn man sich diese Zahlen ansieht, dann ist unverkennbar, daß die Bundesrepublik und die in ihr tätigen Gebietskörperschaften etwa im Jahre 1953 schon auf einem räumlich viel kleineren Gebiet beinahe einen so hohen Personalbedarf hatten wie das Deutsche Reich etwa im Jahre 1930.
Ich will hier nicht darüber sprechen, was diese Zahlen über Fehlentwicklungen aussagen. Aber ich meine, wir sollten sie uns einmal gründlicher ansehen, vor allem dann, wenn es darum geht, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu überprüfen und aus dem vielbesprochenen Schlagwort von der Verwaltungsreform eine Realität zu machen, mit der wir uns dann auch sehen lassen können.
Meine Damen und Herren, eine deutlich spürbare Tendenz zur Ausweitung der Verwaltung — und
das trotz des allgemeinen Rufes nach Verwaltungsvereinfachung — läßt sich auf vielen anderen Gebieten und in vielen anderen Zahlen wiederfinden. Die finanzielle Seite der Aufblähung der Verwaltung ergibt sich aus dem Personalaufwand, nicht nur nach der Zahl der Beschäftigten, sondern auch nach dem Volumen an Geld, das dafür in Anspruch genommen wird. Im Jahre 1954, also im vergangenen Haushaltsjahr, betrug der Personalaufwand — wobei ich nichts gegen die beschäftigten Personen sage, sondern nur das Faktum feststelle — der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik, also Bund, Länder, Gemeinden und die verschiedenen Wirtschaftsunternehmungen in öffentlicher Hand wie Bundespost und Bundesbahn, insgesamt 17,3 Milliarden DM, d. h. ein gutes Drittel des gesamten öffentlichen Finanzvolumens. Im einzelnen sind daran beteiligt die Bundesverwaltung mit 2,1 Milliarden DM, die Länderverwaltungen mit 5,2 Milliarden DM, die Gemeindeverwaltungen einschließlich der Gemeindeverbände mit 3,4 Milliarden DM, die Bundesbahn mit 3,4 Milliarden DM, die Bundespost mit 2,0 Milliarden DM und die sonstigen öffentlichen Unternehmungen mit 1,2 Milliarden DM.
Der reine Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte hat ebenfalls von Jahr zu Jahr zugenommen. Wir sehen es an den Abschlußzahlen unserer Bundeshaushalte. Aber für die Gesamtheit der öffentlichen Haushalte ist doch bezeichnend, daß — ich will ein Jahr nehmen, das einigermaßen vergleichbar ist, nämlich das Jahr 1950 — der öffentliche Finanzbedarf von 27,3 Milliarden DM im Jahre 1950 auf 43,4 Milliarden DM im Jahre 1953 angewachsen ist. Darin spiegelt sich eine gewaltige Steigerung der öffentlichen Aufgaben und Ausgaben wider, und immer wieder erhebt sich die Frage, ob das in allen Fällen so sein muß.
Dabei können wir feststellen — und das ist nun ein Punkt, an dem wir auch bei den Haushaltsberatungen immer wieder hängengeblieben sind —, daß sich in allen Zweigen der Verwaltung eine Tendenz zur Umwertung früherer Werte bemerkbar macht, die eigentlich bisher nicht genügend gerechtfertigt werden konnte. Wo früher ein Regierungsrat saß, da sitzt jetzt schon nicht mehr diese Inkarnation des früheren höheren Beamten, da sitzt ein Regierungsdirektor oder gar ein Ministerialrat.
Die Zahl der höheren Beamten ist in einer Weise gewachsen, die man sich nur dadurch erklären kann, daß entweder das Streben nach einer höheren Besoldung nicht auf dem Wege über eine ordentliche Besoldungsreform zu befriedigen war, sondern auf dem Wege über eine höhere Einstufung befriedigt werden mußte — aber das ist auf die Dauer ein unerträglicher Zustand! —
oder daß sonst irgendwelche tiefgreifenden psychologischen Veränderungen in den Menschen vorgegangen sind, so daß heute ein Ministerialrat eben nur noch das wert ist, was früher ein Regierungsrat wert war.
Ich weiß es nicht, ich kann es nicht beurteilen. Es
wird uns immer wieder gesagt: Ja, wenn wir
irgendwo verhandeln, dann kann doch ein bloßer
Oberregierungsrat nicht mit einem Ministerialrat verhandeln; der wird ja gar nicht gleichgewertet. — Meine Damen und Herren, dieser Aberglaube an Rang und Titel ist einfach ein deutscher Unfug, den wir nicht akzeptieren sollten!
Schließlich, meine Damen und Herren, möchte ich auf einen Punkt zu sprechen kommen, der in diesem Zusammenhang gerade für das Parlament nicht ohne Bedeutung ist. Wir haben durch einen Beschluß des 1. Deutschen Bundestages die Institution des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung geschaffen, in Personalunion mit dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Man kann sagen, daß sich diese Institution etwas eingelebt hat und daß sie in vielfacher Hinsicht zur Prüfung einzelner Verwaltungen herangezogen wird. Was dann aus dem Ergebnis dieser Prüfungen wird, ist eine ganz andere Sache. Nichtimmer finden sie den Weg in die Wirklichkeit. Häufig bleibt so ein Gutachten irgendwo stecken im Gestrüpp der Interessen, im Kampf der Ressorts miteinander. Gegengutachten, die gar nicht verlangt worden sind und die meistens den Standpunkt der Interessenten repräsentieren, werden ins Feld geführt, um die sachlichen und gründlich erarbeiteten Ergebnisse des Bundesbeauftragten und seiner Behörde wertlos zu machen, zu entkräften und aus dem Sattel zu heben. Mir scheint, meine Damen und Herren, daß das Parlament insbesondere die Aufgabe hätte, wenn schon Aufträge an eine solche Institution erteilt werden, die Ergebnisse ihrer Arbeit so ernst zu nehmen, daß man nicht eines Tages sagen müßte: Wir haben da eine völlig überflüssige Sache geschaffen, deren Ertrag im umgekehrten Verhältnis steht zu dem Aufwand, den man damit getrieben hat, oder zu den Erwartungen, die man darauf gesetzt hat. Ich sage das nicht, weil ich im Einzelfall Kritik üben will, sondern weil ich uns alle daran mahnen wollte, daß eine solche Institution wie der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit vom Standpunkt des Parlaments und der parlamentarischen Kontrolle jede Förderung und jeden Respekt verdient.
Wir können uns einer solchen Institution als eines ausgezeichneten Mittels zur Kontrolle der Verwaltung, ja dartiber hinaus, und das ist der wunde Punkt, auf den ich zu sprechen komme, auch zur Vereinfachung der Verwaltung bedienen. Denn da scheint mir eben bei uns in der Bundesrepublik noch manches nicht ganz begriffen zu sein. Die Aufgaben des Herrn Bundesbeauftragten sind doch nicht nur so zu verstehen, daß er die Stellen- und Organisationspläne nachprüft und ausrechnet, ob eine Aufgabe, mit dem oder jenem Rang bedient werden und in diesen oder jenen Zusammenhang hineingestellt werden muß. Er sollte auch nachprüfen, ob in der Gesamtverwaltung nicht zu viele Überschneidungen vorhanden sind, ob nicht zu viele Instanzenzüge da sind, die den Gang der Geschäfte aufhalten zum Schaden der Staatsbürger, die von dieser Verwaltung etwas wollen.
Es gibt nicht nur die Überschneidung von Aufgaben, es gibt auch die Überschneidung, die Häufung von Kompetenzen, so daß das ganze Gewirr
der Verwaltung für viele Menschen, die sich ihrer
bedienen müssen, völlig undurchsichtig wird. Wir
haben immer wieder feststellen müssen, daß an
vielen Stellen im Bereich der Bundesressorts Doppel- und Mehrfacharbeit gemacht wird. Auch das müßte einmal einer gründlichen Prüfung unterworfen werden. Außerdem - das ist vielleicht ein kleinerer Punkt, aber ein Punkt, der möglicherweise finanziell nicht ohne Bedeutung ist — sollten wir, solange wir noch diese Form der Haushaltsgestaltung haben, einmal die vielen, vielen kleinen Titelchen unter die Lupe nehmen und feststellen, ob nicht manches Töpfchen nur deshalb existiert, damit sich ein Referent daran wärmen kann, ich meine nicht im finanziellen Sinne, sondern in dem Sinne, daß er sich dabei eben seine Position, seine Planstelle halten kann. Manches ist da einfach eingefroren, und weil es einmal da ist, deshalb soll es auch so bleiben? Wir glauben. nicht, daß das so sein muß.
Schließlich, meine Damen und Herren, komme ich zu einem zentralen Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion, ich möchte sagen, geradezu zur Gretchenfrage der parlamentarischen Demokratie. Wir sind im Begriffe, auf ein Gewässer hinauszusegeln, das zwar manchem unserer Landsleute bekannt ist, aber denen, denen es bekannt sein müßte, den Trägern der politischen Verantwortung, vermutlich nicht genug bekannt ist, nämlich auf das weite und gefährliche Meer von Militärausgaben. Wir sind schon skeptisch geworden gegenüber den Möglichkeiten, eine echte parlamentarische Kontrolle der zivilen Verwaltung durchzuführen. Noch skeptischer müßte man 'eigentlich sein, wenn es sich darum handelt, die schlechten Traditionen der deutschen Vergangenheit auf diesem Gebiete zu vermeiden, und zwar deshalb, weil die Anfänge, die wir hier erlebt haben und bei denen es noch nicht um den Kern der von mir erwähnten Frage geht, für den Fortgang nicht gerade ermutigend sind. Wenn wir nicht dazu kommen, in vollem Umfang eine strikte parlamentarische Kontrolle über alle militärischen Ausgaben zu etablieren — eine Kontrolle, die von den politischen Vorurteilen gegen die Opposition frei ist, die das als eine Gesamtaufgabe des Parlaments betrachtet —, dann, glaube ich, werden wir früher oder später an dem Punkt landen, wo wieder einmal das Militär dem Parlament ein X für ein U vormachen und im Schatten des Geheimnisses tun kann, was es will, zum Schaden der Demokratie!
Das Parlament sollte sich heute schon, wie immer man politisch zu diesen Entwicklungen steht — und die Haltung meiner Fraktion ist ja kein Geheimnis —, auf den Standpunkt stellen: In Fragen der Militärausgaben gibt es vor dem Parlament kein Geheimnis.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu dem letzten Punkt. Ich berühre die große Sorge, die die sozialdemokratische Bundestagsfraktion für die innere Entwicklung der deutschen Demokratie hat. Mein Freund Walter Menzel hat dieses Thema heute vormittag hier behandelt, und ich habe es daher nicht nötig, auf Einzelheiten einzugehen. Ich muß allerdings sagen: die Resonanz, die seine Ausführungen gefunden haben, hat mich und viele meiner Freunde einigermaßen bestürzt gemacht. Ich bin der Überzeugung, daß die deutsche Demokratie keineswegs über den Berg ist und daß wir vor einer Entwicklung stehen, die alles an Gefahren, an Drohungen für eine freie Entfaltung des
staatsbürgerlichen Selbstbewußtseins in einer freien demokratischen Ordnung in sich hält.
Nicht als ob wir meinen, daß das Stahlhelm-Treffen da und dort oder das Treffen der Nazi-Internierten aus der Zeit nach 1945 oder sonstige größenwahnsinnige Unternehmen der ewig Gestrigen bereits heute die demokratische Ordnung bedrohten. Aber wir sollten uns doch darüber klar sein, daß sich in diesen Ansätzen eines offenbart, was ich leider als ein Resultat der politischen Entwicklung in der Bundesrepublik in den letzten Jahren bezeichnen muß: der Glaube mancher Leute von vorgestern, daß die Entwicklung sie eigentlich bestätigt habe und daß man ohne sie nicht auskomme.
Ist es notwendig, daß wir immer wieder den Aberglauben dieses Typs von Zeitgenossen bestätigen? Sollten wir nicht vielmehr uns alle die Frage vorlegen — und ich bin überzeugt, daß es in diesem Hause in fast allen Fraktionen Männer und Frauen gibt, die dieselbe Sorge erfüllt —, sollten wir nicht einen Weg suchen, um gerade diese Gefahren einer Entwicklung, die Sie wollen, die wir bekämpft haben und noch bekämpfen, rechtzeitig ins Auge zu fassen und aufzufangen, ehe sie uns allen über den Kopf wachsen?
Ich möchte mit einem Satz schließen, der in einer Broschüre enthalten ist, die in diesen Tagen vom Amt Blank herausgegeben worden ist, eine Broschüre, die die Rolle des künftigen deutschen Soldaten behandelt, mit einem einzigen Satz, der am Schluß meiner Ausführungen stehen soll: „Entscheidend ist das Gesetz des Anfangs". Ich wollte, Herr Blank und die Regierung, der er angehört, hätten begriffen, wieviel Wahrheit in diesem Satz ist.
Daß wir Sozialdemokraten einen Bundeshaushalt ablehnen, dessen politische Grundlage wir ablehnen und bekämpfen, bedarf in diesem Zusammenhang nur der Erwähnung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz!
— Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schwer, nach einer mit soviel Temperament vorgetragenen und, wie ich durchaus zuerkennen will, staatsmännischen Rede unseres Vorsitzenden des Haushaltsausschusses die Zuhörerschaft zu fesseln. Ich fürchte, ich werde, obwohl ich ein Neo-Schwabe bin, eine solche Fülle und eine solche Stärke des Temperaments nicht ganz aufbringen; denn die Schlesier sind in der Beziehung etwas von östlicher Kühle und sehen die Dinge vielleicht ein wenig realer und vielleicht auch ein wenig skeptischer.
Aber lassen Sie mich einmal folgendes sagen. In sehr vielen Dingen, die hier vorgetragen worden sind, gehe ich absolut mit Herrn Schoettle konform. Er hat hier manche Dinge ausgesprochen, die eine gemeinsame Sorge aller derer sind, die sich um die öffentlichen Finanzen und um den Bundeshaushalt bis jetzt bemüht haben. Es gibt eine Fülle von Fragen, in denen wir gemeinschaftlich denken und auch bis jetzt gemeinschaftlich vorgegangen sind. Wir haben im Haushaltsausschuß und auch in den Debatten, die hier geführt worden sind, sehr viele Brücken geschlagen, um diesen gemeinsamen Sorgen Ausdruck zu verleihen und um Wege zu finden, wie wir ganz bestimmte Aufgaben auch gemeinschaftlich lösen können. Insofern — um das gleich vorwegzunehmen — berührt es mich schmerzlich, wenn Sie nach einer derartigen Rede am Schluß kühl und klar erklären, daß Sie trotzdem für Ihre Fraktion diesen Haushalt ablehnen werden. Ich hatte immer gehofft, daß Sie wenigstens Teile davon ausnehmen würden.
Nun, meine Damen und Herren, wie stehen wir zu den einzelnen Problemen, die hier schon in sehr großen Zügen ausgebreitet worden sind? Ich möchte Sie nicht mit den ewigen Klagen langweilen, Klagen, die wir, glaube ich, alle gemeinschaftlich teilen, obwohl wir so schwer geneigt sind, unserer eigenen Gewissenserforschung auch Taten folgen zu lassen. Haben wir selbst innerhalb des letzten Jahres auch danach gehandelt, den öffentlichen Haushalt in Ordnung zu halten und bei allen Anträgen dieses Hauses daraus auch die nötigen Konsequenzen zu ziehen? Ich muß Ihnen ganz offen gestehen: wenn man rückblickend — und eine solche Aussprache ist ja eine Art von Gewissenserforschung — die Tätigkeit des vergangenen Jahres überprüft, muß man feststellen, daß häufig genug das Temperament in den einzelnen Ausschüssen durchgegangen ist, daß der verständliche Wunsch, den vielen hinter der allgemeinen Vorwärtsentwicklung zurückgebliebenen Schichten zu helfen, zu Anträgen geführt hat, die nachher, am Schluß, schwer oder manchmal gar nicht in den allgemeinen Haushalt hineinzubringen sind. Der Haushaltsausschuß als die große Clearingstelle der Fachausschüsse — so möchte ich ihn einmal bezeichnen — hat dann nachher die Mühe und die undankbare Aufgabe, das Gewünschte mit dem real zu Verwirklichenden in Übereinstimmung zu bringen. Daß das keine leichte Aufgabe ist und daß es vor allen Dingen keine populäre Aufgabe ist, davon haben Ihnen die letzten Tage doch ein sehr anschauliches Bild geboten. Ich fürchte, daß gerade die größte Fraktion dieses Hauses nachher immer als die leidtragende dasteht, weil sie im Bewußtsein, ihrer Verantwortung zu sehr vielen Dingen nein sagen muß, selbst wenn sie von Herzen gern gewünscht hätte, daß bestimmte Pläne durchgeführt worden wären.
Es ist zu fragen, ob diese überaus mühevolle Arbeit, die der Haushaltsausschuß in 44 Sitzungen geleistet hat, in ihrem Endeffekt tatsächlich diese Bemühungen rechtfertigt. Man könnte sagen: Der Ausschuß hat bei dieser mühevollen Durchleuchtung von so viel Tausenden von einzelnen Titeln nur eine Gesamtsumme von 50, vielleicht 60 Millionen DM — es können auch ein paar Millionen mehr sein — bewegt, d. h. er hat sie umgegliedert, er hat gestrichen, er hat dort etwas hinzugefügt, und er hat da eingespart. Aber ich glaube nicht, daß die Hauptaufgabe des Ausschusses im Einsparen besteht, wie das einmal in den Jahren vor 1914 der Fall sein konnte, als man glaubte, daß eine Einkommensteuer über 5 % eine lebensgefährliche Angelegenheit sei. Damals war es Sache des Haushaltsausschusses, die Kernfragen der Volksanliegen
zu lösen. Heute stehen wir im Haushaltsausschuß dem mühseligen Werk gegenüber, die Summe der Beschlüsse der Fachausschüsse und damit die Summe der Beschlüsse auch gerade dieses Hauses irgendwie mit dem Beutel des Steuerzahlers in Übereinstimmung zu bringen.
Hier haben wir, glaube ich, noch nicht den Weg gefunden, der in der Zukunft unbedingt gefunden werden muß, um die Kasse des Steuerzahlers mit den Wünschen und den Anliegen des Hauses in 'Übereinstimmung zu bringen. Ich bin der Überzeugung, daß der vorliegende Haushaltsplan 1955 und vielleicht noch der bereits in der Aufstellung befindliche Haushaltsplan 1956 die letzten Haushalte dieser Art gewesen sein können; denn wir werden den großen finanziellen Anforderungen der Zukunft mit der bisher angewandten Methode nicht mehr genügen können. Wir haben — ich glaube, in ziemlicher Übereinstimmung mit der Opposition — bei der ersten Lesung des Haushaltes die Frage aufgeworfen, ob wir die Haushaltsordnung künftig nicht umgestalten müßten, ob wir nicht versuchen sollten, vielleicht auch an eine Änderung des Grundgesetzes heranzugehen — ich sage das im vollen Bewußtsein der Tragweite einer solchen Anregung —, um uns in dieser Beziehung ein wenig mehr der englischen Praxis zu nähern, die mir in den heutigen Finanzverhältnissen als die vielleicht brauchbarste Lösung erscheint. Sie wissen, daß in England nur der Finanzminister die Möglichkeit hat, einmal im Jahr Finanzvorschläge und ein Budget einzubringen. Das Unterhaus hat es zu billigen oder abzulehnen. Aber das Parlament selbst versagt es sich, während des Jahres den finanziellen Wettlauf um die Gunst der Wähler mitzumachen. Ich glaube, wir sollten uns in irgendeiner den deutschen Verhältnisse angepaßten Form diesem Ziel langsam nähern; denn sonst, fürchte ich, könnte der deutschen Demokratie von dieser Seite her eine viel größere Gefahr erwachsen als von der Seite her, die Sie, Herr Kollege Schoettle, vorhin angedeutet haben.
— Ja, ich weiß sehr wohl, daß es klein anfing. Ich komme auf diesen Punkt noch zu sprechen. Aber Sie wissen, daß nachher mit dem Steigen der Erwerbslosigkeit auch der Wettlauf um die Befriedigung der Ansprüche der Erwerbslosen anfing und damit später das Unheil begann, das zu diesem Weg ins Unglück geführt hat.
In diesem Haushalt sind sehr viele Wünsche unerfüllt geblieben. Wir haben eine Fülle von Ausgaben ablehnen müssen, die wir an sich von Herzen gern bewilligt hätten. Aber wir waren uns bewußt, daß der Deutsche Bundestag keine Ausgabe bewilligen kann, ohne daß er zugleich auch für eine entsprechende Einnahme, d. h. für Zölle, Steuern oder Abgaben, sorgt. Aus dieser Erkenntnis sind wir zu den Kürzungen geschritten.
Angesichts des Gesamtbildes von 30 Milliarden DM möchte ich zunächst einmal — ich sage das sehr gern von dieser Stelle aus — die deutsche Presse und den deutschen Rundfunk bitten, davon abzulassen, die Steigerung des Haushaltes von 27,5 Milliarden DM — ich nenne hier runde Zahlen — auf 30 Milliarden DM etwa wieder als eine Ausweitung der Ausgaben der öffentlichen Hand zu kennzeichnen. Das ist nicht der Fall. Die Steigerung um 2,4 Milliarden DM ist vielmehr einem
rein durchlaufenden Posten zuzuschreiben. Zum erstenmal läuft ein Teil der Besatzungskosten, die in diesem Haushaltsjahr ausgegeben werden, durch den Haushalt. Das ist ein Fortschritt in der Offenlegung der Besatzungsausgaben, aber es bedeutet keineswegs etwa eine Mehrbelastung des Steuerzahlers, geschweige denn eine tatsächliche Ausweitung des Haushalts selbst.
Das allgemeine Unbefriedigtsein über die bisherige Methode des Zusammenwirkens von Exekutive und Legislative hat uns bereits Herr Kollege Schoettle dargelegt. Ich will hier nicht an die Selbstdisziplin der Parteien appellieren, so gut das auch wäre und so gut das der Öffentlichkeit gegenüber aussehen würde. Wir sind alle mitschuldig, wir haben uns alle an die eigene Brust zu schlagen, und wir alle sollten für die Zukunft daraus bestimmte Konsequenzen ziehen. Ich persönlich glaube, daß das Grundgesetz eine Fülle von ausreichenden Möglichkeiten vorsieht, um die Probleme zu lösen. Ein sehr bekannter kluger Mann, der sich in diesen finanziellen Dingen sehr genau auskennt und mit dem ich vor einigen Tagen einmal darüber diskutierte, sagte: Es hat gar keinen Zweck, ein ausgezeichnetes Grundgesetz zu schaffen, es hat ebensowenig Zweck, eine wunderbare Haushaltsordnung zu schaffen, wenn der Geist, in dem beide durchgeführt werden, nicht der ist, der im Grunde genommen die Voraussetzung für die Schaffung von Grundgesetz und Haushaltsordnung war. Es ist heute leider so — der Herr Bundesfinanzminister wird mir verzeihen, wenn ich es offen ausspreche —, daß weder der Bundesfinanzminister gern den Art. 113 in Anspruch nimmt — er hat es bis jetzt auch noch nicht getan —, noch dieses Hohe Haus immer die Disziplin gezeigt hat, die es Ausgaben gegenüber hätte zeigen müssen. Beides waren im Grunde genommen die Voraussetzungen bei Schaffung des Grundgesetzes und bei der Haushaltsordnung.
Aber wir werden ja noch im Laufe dieses Jahres eine neue Haushaltsordnung vorgelegt bekommen. Ich nehme an, daß wir gemeinschaftlich gerade diesem Kernstück der öffentlichen Finanzgebarung die Aufmerksamkeit und die Zeit widmen werden, die ihm zukommen wird. Ich möchte vorschlagen, vielleicht doch noch neben den Gremien, die der Bundesfinanzminister bis jetzt zu Rate gezogen hat, rechtzeitig eine unabhängige Kommission von besonderen Sachverständigen einzuberufen, weil es hier wirklich um eines der fundamentalen Probleme der Zukunft geht. Wir sollten neben dem Bundesfinanzminister, der doch in etwa Partei ist, und auch neben den anderen Ressorts, die ebenso Partei sind, weil die natürliche und, ich möchte einmal sagen, gottgegebene Spannung zwischen Bundesfinanzminister und den anderen Ressorts mit hineinspielt, eine dritte, für das Parlament und seine Beschlußfassung wichtige unabhängige Kontrollinstanz schaffen sollte. Ich könnte mir denken, daß ein solches kleines Gremium von anerkannten Fachleuten in der Beratung des Parlaments außerordentlich nützliche Dienste leisten könnte.
Herr Kollege Schoettle hat vorhin einen zweiten Punkt angesprochen, der uns in den letzten Jahren gleichfalls große Sorge bereitet hat: die Stellung des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit und die Stellung des Bundesrechnungshofs, — beides Institutionen, die im Dienste des Hohen Hauses stehen und die ihm bei der Lösung der einzelnen
Probleme zur Hand gehen sollen. Wir hatten in den letzten Jahren eine Fülle von Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit vor uns liegen. Ich muß leider gestehen, daß diese Gutachten nicht immer gleichwertig waren. Es waren einige ganz hervorragende darunter; ich denke z. B. an das Gutachten über das Auswärtige Amt, auch an das über den Bundeswetterdienst und an einige andere. Es gab aber auch andere, die unsere Wünsche nicht so erfüllt haben, wie wir es gewünscht hätten. Ganz abgesehen davon spielt hier die Frage hinein, ob wir überhaupt bei der jetzigen Besetzung des Bundesrechnungshofs in der Lage sind, diejenigen Fachleute heranzuziehen — ich denke dabei an die Besoldungsordnung —, die wir dort gern sehen möchten. Ich möchte diese Frage nur andeutungsweise berühren: ob man hier nicht vielleicht zu einer ganz anderen Lösung kommen sollte; ob wir nicht unter Umständen sogar sehr tief in die Tasche greifen sollten, um für solche Gutachten die teuersten und besten Leute zu bekommen. Diese Frage werden wir im Laufe der nächsten eineinhalb Jahre noch zu lösen haben.
Noch mehr Sorge macht uns aber eine zweite Frage. Ich glaube, die bisherige Art und Weise, in der der Bundesrechnungshof in Form seiner „Bemerkungen" seine Mißbilligung gegenüber Aktionen und Handlungen der Verwaltung zum Ausdruck bringt, ist nicht ganz ausreichend. Die bisherige Praxis hat doch erwiesen, daß sich die Durchführung eines Disziplinarverfahrens — und das geschieht ja nun sehr, sehr selten — im allgemeinen Jahre hinzieht, ehe es zu einem Spruch kommt. Wir alle miteinander haben doch den Eindruck, daß alle diese Maßnahmen heute nicht mehr richtig ankommen und daß sie heute leider auch keinen Eindruck mehr machen. Ich trete der Beamtenschaft nicht zu nahe — ihrem Arbeitseifer möchte ich durchaus Anerkennung zollen —, wenn ich allgemein feststelle, daß um mich einmal vorsichtig auszudrücken — in den Gemütern der Bundesbediensteten heute eine Bemerkung des Bundesrechnungshofs nicht mehr das gleiche beschämende Gefühl auslöst, wie das früher einmal der Fall war. Infolgedessen muß man sich Gedanken darüber machen, ob man nicht zu schärferen, massiveren Maßnahmen greifen muß, um dem Bundesrechnungshof und seinen Mißfallensbekundungen zu einer nachdrücklicheren Geltung in der öffentlichen Verwaltung zu verhelfen.
Wir haben in der Vergangenheit einige sehr eindrucksvolle Beispiele von der Wirksamkeit derartiger Beauftragter für Wirtschaftlichkeit. Das Vorbild des Herrn Präsidenten Sämisch ist den Älteren unter uns durchaus noch in Erinnerung. Aber wenn man sich einmal überlegt, welche tatsächlichen Effekte selbst die Tätigkeit eines so hervorragenden Mannes hatte, dann könnte man auch heute bei der Beurteilung künftiger Möglichkeiten eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit skeptisch werden. Aber wir sind uns auch auf dieser Seite des Hauses, glaube ich, völlig im klaren, meine Damen und Herren, daß angesichts der auf uns zukommenden neuen großen Ausgaben für die Verteidigung der Kontrolle dieser Ausgaben eine ganz andere Aufmerksamkeit geschenkt werden muß als bisher.
Hier, meine Damen und Herren, stimme ich mit der
Opposition vollkommen überein, und ich glaube,
in Ihrer aller Namen zu sprechen, wenn ich der Überzeugung Ausdruck verleihe, daß bis dahin Bundesfinanzminister und Bundeskanzler über Mittel und Wege nachgedacht haben müssen, wie wir zu einer wirksamen und durchgreifenden Kontrolle dieser gewaltigen Ausgaben gelangen können.
Dabei wird das Problem der Vertraulichkeit eine Rolle spielen. Herr Kollege Schoettle, Sie haben den Punkt angeschnitten. Sie erwarten, daß sämtliche Ausgaben restlos durchleuchtet werden. Ich stimme mit Ihnen völlig überein, daß in der Kontrolle die Opposition genau so ihren Platz haben muß wie die Regierungskoalition. Aber Sie werden mir zugeben, daß bestimmte Dinge zwar von uns gemeinsam kontrolliert werden müssen, daß sie aber nicht öffentlich kontrolliert werden können. Ich glaube, Sie in dieser Beziehung richtig verstanden zu haben.
- Das wird noch nachgeprüft werden müssen; wir werden uns in bestimmten Dingen darüber einigen und uns auch darüber verständigen können, wie eine solche Kontrolle in der Zukunft beschaffen sein muß. Ich persönlich verspreche mir auf Grund der bisherigen sechsjährigen oder noch längeren Erfahrung auch im Wirtschaftsrat nicht allzuviel von bestimmten Vorschlägen, die auch in diesem Hohen Hause bis jetzt in der Form von Vorschlägen auf Einsetzung neuer Ausschüsse vorgetragen worden sind. Gestatten Sie mir, daß ich da meine Skepsis offen zum Ausdruck bringe. Es steckt viel guter Wille dahinter; aber ich glaube, wer sich die Dinge richtig überlegt, wird wohl zu anderen Vorschlägen kommen.
Wir haben uns bereits vor einem dreiviertel Jahr, als wir an diese Dinge herangingen, bemüht, Ihnen bestimmte Vorschläge zu unterbreiten. Darunter war ein Vorschlag, den ich nach wie vor noch für den vielleicht zweckmäßigsten halte — aber darüber lasse ich durchaus mit mir sprechen —, nämlich der Vorschlag, von seiten des Bundes, am besten durch den Bundeskanzler oder den Bundespräsidenten selbst, eine Kommission erstklassiger Sachverständiger einzusetzen, die sich nun nicht etwa, meine Damen und Herren — nun komme ich zu dem entscheidenden Punkt —, die Aufgabe stellt, die einzelnen Personalkörper der Verwaltungen durchzuprüfen — denn an dieser Aufgabe würde sie sehr schnell scheitern —, sondern die es sich einmal zur Aufgabe macht, diejenigen Gesetze, Vorschriften und Erlasse zu prüfen, auf denen der Aufwand der Verwaltung heute beruht.
Die Reichshaushaltsordnung, von der ich bereits sprach, die Reichskassenordnung, die Abgabenordnung — um nur einige der wichtigsten einmal herauszunehmen —, die Reisekostenordnung, die Beihilfen, die Zuschüsse, die gezahlt werden, alle diese Dinge müssen einmal auf ihre heutige Brauchbarkeit und Zweckmäßigkeit kontrolliert werden.
Meine Damen und Herren, ich kann nicht umhin, Ihnen nur einmal an Hand eines Einzelbeispiels, das ich selber früher mal erlebte, klarzumachen, wie solche Dinge heute noch gehandhabt werden. Ich erinnere mich, daß ich im Jahre 1946 als Arbeitsamtsleiter eine Verfügung meines Prä-
sidenten bekam, in der ich aufgefordert wurde, zu prüfen, warum 2,40 RM von einer jungen Angestellten noch nicht beigetrieben seien, die im Jahre 1942 einen Transport von dem Ort X nach dem Ort Y begleitet hatte. So geschehen 1946. Ich wagte einzuwenden, daß eine derartige Suche wohl überflüssig sei. Darauf zweiter Erlaß: Sie haben diese Anweisung durchzuführen. Daraufhin wurden 60 Arbeitsämter angeschrieben, um die betreffende Person ausfindig zu machen. Das gelang nach drei Monaten. Es wurde festgestellt: Die Betreffende liegt siech daheim; der Bürgermeister zahlt für sie Unterstützung. — Daraufhin wurde der Bürgermeister angeschrieben, um sicherzustellen, daß im Falle ihrer Arbeitsfähigkeit die 2,40 RM wieder beigetrieben würden, und dabei blieb es dann, glaube ich, bis zum heutigen Tage. Der Gesamtaufwand für diese Aktion belief sich auf ungefähr 120 Mark, damals RM!
Solche Dinge geschehen heute noch jeden Tag in Deutschland. Sie auszuräumen und mit ihnen einmal fertigzuwerden, wäre tatsächlich die Aufgabe einer solchen Kommission. Ich habe geschätzt, daß, wenn auch nur 2 % unseres öffentlichen Verwaltungsaufwands bei Bund, Ländern und Gemeinden — und diese Aufgabe läßt sich nur gemeinsam mit diesen drei Gebietskörperschaften lösen — eingespart würden, Hunderte von Millionen eingespart werden könnten, und eine noch so teure Kommission würde hier sehr billig werden.
Nun haben wir bis jetzt keine für solche Maßnahmen heute noch gültigen Beispiele in der Weimarer Republik gesehen. Auch dort haben wir dann schließlich nach den Jahren einer stürmischen Aufwärtsentwicklung von 1925 bis 1929 eines Tages die Brüningschen Notverordnungen erlebt. Wir sollten heute gemeinsam rechtzeitig dafür sorgen, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, so daß uns später einmal derartige Maßnahmen erspart bleiben. Ich glaube, dafür sollten gerade die Beamtenschaft und die Angestelltenschaft bei den Gebietskörperschaften vollstes Verständnis haben.
Nun möchte ich auf ein Kapitel kommen, das für uns alle von äußerster Tragweite ist. Dieser Bundeshaushalt, der vor uns liegt, baut ja auf einer Schätzung der Konjunkturentwicklung dieses Jahres durch den Bundesfinanzminister auf. Er hat sie, wenn ich ihn recht verstehe, mit ungefähr 7,5 % in der weiteren Steigerung beziffert. Nun wird es sehr viele Statistiker geben, die mit Gewicht und Nachdruck darauf hinweisen können, daß der bisherige Verlauf der Konjunkturentwicklung in diesem Jahr bereits bei 12 bis 15 % liegt. Herr Staatssekretär Westrick hat das hier auch im Verlauf der zweiten Lesung seines Einzelplans ausgeführt. Nun dürfte allerdings eine derartige Steigerung des Sozialprodukts nicht unbedingt dazu verführen, zu glauben, daß Steigerung des Sozialprodukts mit Steigerung der Einkommen- und Körperschaftsteuer und Steigerung der Umsatzsteuer gleichzusetzen sei.
Wir haben in der Vergangenheit erlebt, daß das nicht übereinstimmt; aber wir glauben, daß trotzdem ein Mehr herauskommen wird.
Aber - und hier bitte ich zum zweitenmal die Öffentlichkeit, sich doch eines vor Augen zu halten, und die deutsche Presse, sich doch eines dabei zu überlegen — wir wissen heute schon, daß in
diesem Jahr ein Nachtragshaushalt unvermeidlich ist, ein Nachtragshaushalt, der — beim Luftschutz kennen wir schon ungefähr die Summen — vermutlich auch noch eine ganze Reihe anderer, auch sozialer Mehrausgaben bringen wird. Ein solcher Nachtragshaushalt muß auf der anderen Seite auch gedeckt werden. D e r Bundesfinanzminister täte mir leid, ja er wäre unfähig, der nicht schon rechtzeitig sich darüber Gedanken machte, wie er einen solchen Nachtragshaushalt später auch einmal abdecken könnte. Aus diesem Grunde, glaube ich, sollten wir ihm ruhig noch bestimmte Reserven lassen. Wir sollten nicht fordern, daß er jetzt das Äußerste tut und anspannt, wenn er weiß: Ich muß später noch mit einem Nachtragshaushalt oder vielleicht mit mehreren Nachtragshaushalten vor das Hohe Haus treten.
Wir wollen auch ein zweites nicht außer acht lassen. Die stürmische Aufwärtsentwicklung und die von uns allen heute nicht mehr bestrittene Vermehrung des Sozialproduktes sollte uns über eines nicht hinwegtäuschen: Das, was durch die gemeinschaftliche Arbeit aller in Deutschland in den letzten sechs Jahren zum Erstaunen des Auslandes geleistet worden ist, hat doch erst zu einem Teil und noch nicht ganz das an Volksvermögen wiederhergestellt, was vorher einmal da war. Wir sind doch trotz der Vermehrung des Sozialproduktes noch nicht über den Stand von früher hinweggekommen, d. h. wir sind, gemessen an dem Vermögen anderer Völker, noch weit im Rückstand geblieben. In einer Zeit wirtschaftlichen Niederganges würden sich diese Dinge — Gott verhüte es — in vollstem Maße zeigen müssen. Wir gleichen heute Menschen, die in weiten Teilen über ein relativ hohes und angemessenes Einkommen verfügen, aber auf der anderen Seite im Grunde genommen noch nicht das Vermögen besitzen, das es ihnen erlauben würde, solche Ausgaben zu machen. Das wollen wir dabei nicht ganz außer acht lassen. Weil wir das wissen, sollten wir, glaube ich, rechtzeitig und vorausschauend auch für die nächsten Jahre Pläne machen für das, was wir uns an Ausgaben gemeinschaftlich noch leisten können.
Die Verteidigungsbeiträge — ich spreche wohl für alle meine Freunde—werden von uns als eine unabdingbare Hypothek der deutschen Sicherheit angesehen und werden auch in der Zukunft als solche angesehen werden. Es handelt sich hier um etwas, was 'wir nicht umgehen können. Wir glauben, daß die soziale Sicherheit ohne militärische und außenpolitische Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Beides muß Hand in Hand gehen.
Weil wir das wissen, sollten wir rechtzeitig versuchen, hier auch diese beiden Erfordernisse — militärische Sicherheit auf der einen, außenpolitische und soziale Sicherheit auf der anderen Seite — miteinander in Übereinstimmung zu bringen, eine unerhört schwierige Aufgabe, aber, ich will hoffen, keine unlösbare Aufgabe.
Das bedingt allerdings, daß uns die Vorschläge zur Sozialreform so zeitig wie möglich vorgelegt werden, und das bedingt auf der anderen Seite auch, daß wir uns im Laufe eines Jahres, gleichzeitig mit den Ergebnissen der Sozialreform, in etwa darüber im klaren sein sollten, was uns beide Ziele kosten werden. Denn dann erst werden wir gemeinschaftlich darüber sprechen können, wie wir das miteinander in Übereinstimmung zu bringen haben. Wir wissen heute weder das eine noch
das andere ganz genau und können infolgedessen einen solchen Plan, wie er hier gewünscht worden ist, noch nicht diskutieren. Lassen Sie mich dazu noch ein zweites Wort sagen. Herr Kollege Schoettle, Sie haben von der Notwendigkeit einer volkswirtschaftlichen Gesamtbilanz gesprochen. Waren Sie sich darüber auch im klaren, daß eine solche Gesamtbilanz im Grunde genommen einen unitären und keinesfalls einen föderativen Aufbau des Staatswesens voraussetzt? Was nutzt uns die Aufstellung einer solchen Gesamtbilanz, wenn wir auf der anderen Seite nicht die Vollmacht haben, auch danach zu verfahren? Denn die bisherigen Ergebnisse des Ringens zwischen Bundesfinanzminister und den Länderfinanzministern berechtigen uns doch keineswegs zu der Erwartung, daß hier in Zukunft bei der Lösung solcher Aufgaben ein gemeinschaftliches Streben vorauszusetzen ist.
Lassen Sie mich auch da einmal ein Wort in aller Offenheit sagen, und ich hoffe, daß dieses Wort auch bei den Finanzministern und bei den Ministerpräsidenten der Länder nicht mißverstanden wird, daß es richtig ankommt. Hat man sich eigentlich in, den Länderkabinetten schon einmal darüber Gedanken gemacht, wie in der Zukunft, im Fall der von uns allen leidenschaftlich gewünschten Wiedervereinigung die Finanzverfassung aussehen soll? Hat man sich einmal überlegt, wit welchen Gedanken dann die 18 Millionen der Sowjetzone im Falle einer Wahl zur Deutschen Nationalversammlung an die Regelung des Finanzverhältnisses von Bund und Ländern herangehen werden? Ist man sich darüber im klaren, daß diese 18 Millionen sicherlich denken, daß ihr finanzielles Heil — und wir wissen alle, was sie von uns erwarten werden — doch nur in einer starken finanziellen Zentralgewalt des Bundes liegen kann? Infolgedessen muß doch das selbstverständliche, naturgegebene Interesse dieser Brüder und Schwestern in der Sowjetzone darauf drängen, beim Bund so viel Finanzkraft vereinigt zu wissen, damit er in die Lage versetzt wird, die immensen finanzpolitischen Forderungen der Zukunft im Falle einer Wiedervereinigung lösen zu können.
Sie wissen doch, um wieviel Milliarden es da selbst nach vorsichtigen Schätzungen gehen soll, wenn wir nur die Eingleisigkeit der Bahnen in der Sowjetzone in eine Zweigleisigkeit verwandeln wollten, um nur ein Beispiel neben tausend anderen hervorzuheben. Diese Überlegung sollte auch höhere Ministerialbeamte in bestimmten Länderfinanzministerien einmal dazu veranlassen, sich zu überlegen, ob das bisherige Verfahren auf weite Sicht klug und nützlich war. Meine Damen und Herren, ich hoffe sehr, daß es den Bemühungen und der unerhörten und dankenswerten Zähigkeit des Herrn Bundesfinanzministers gelingen wird, aus dieser Periode der Notlösungen endlich herauszufinden in eine Periode dauernder Lösungen und einer dauernden Übereinstimmung, so wie das Grundgesetz das eigentlich auch gewollt hat.
Lassen Sie mich außer diesem Ausblick in die Zukunft auf einige andere Dinge hinweisen, die vor uns liegen. Sozialreform und Rentensteigerung habe ich bereits angesprochen. Das Kriegsfolgenschlußgesetz steht unmittelbar vor uns. Wir wissen nicht, wie das Hohe Haus dieses Gesetz behandeln wird, ob der Endeffekt der Beschlüsse des Hohen Hauses mit den Planungen des Bundesfinanzministers übereinstimmen wird. Wir alle kennen die sehr gewichtigen und zum Teil sehr drastischen Forderungen, die in der Beziehung angemeldet worden sind. Wir kennen auch die sehr gewichtigen Ansprüche, die die Beamtenverbände in ihrem Ringen um die Beamtenbesoldungsreform angemeldet haben.
Von den Verteidigungsausgaben ist bereits gesprochen worden, ebenso von den finanziellen Forderungen, die im Falle einer Wiedervereinigung an uns herangetragen werden. Ich erwähne die weitergehenden Forderungen, die die Anpassung der Straßen und Kanäle an die gesteigerten Verkehrsbelastungen mit sich bringen wird, sowie die jetzt schon auf 4 Milliarden geschätzten Kosten, die eine Bereinigung des Wasserwirtschaftshaushalts einmal erfordern wird. Ich nenne hier nur das Wichtigste, das auf uns zukommt. Ich möchte daraus den Appell ableiten, in der Zukunft zu einer konzentrierten Überlegung zu gelangen, wie diese vor uns liegenden neuen Aufgaben mit dem Volkseinkommen in Übereinstimmung zu bringen sind.
Nun möchte ich auf einen Wunsch meiner Freunde an den Bundesfinanzminister hinweisen, der bereits in der Entschließung zum Ausdruck gelangt ist, die wir zum Einzelplan 60 mit großer Mehrheit angenommen haben. Wir wissen, daß im Zuge der deutschen Verteidigungsbeiträge der Bund unvermeidlich neuen Grundbesitz erwerben und neue Beteiligungen eingehen muß und daß er sich vielleicht auch selbst an Werken beteiligen wird. Das alles wird einen Vermögenszuwachs des Bundes mit sich bringen. Meine Freunde stehen auf dem Standpunkt, Herr Bundesfinanzminister, daß dieser Vermögenszuwachs auf der anderen Seite durch Abstoßung von Bundesvermögen, soweit das nur irgendwie möglich ist, ausgeglichen werden sollte.
Wir haben eine größere Reihe von Objekten — ich denke auch an das Volkswagenwerk und will das hier ruhig aussprechen —, mit deren Hilfe und Privatisierung wir in der Lage wären, derartigen zwangsläufigen Vermögenszuwachs in etwa auszugleichen, und man sollte von diesen Möglichkeiten in einer, ich sage ausdrücklich: konzentrierteren Form Gebrauch machen, als das bis jetzt der Fall gewesen ist.
Lassen Sie mich schließen, meine Damen und Herren, indem ich auf einige Besorgnisse eingehe, die hier von seiten der Opposition vorgetragen worden sind und denen Herr Kollege Schoettle beredten Ausdruck verliehen hat, nämlich auf die Sorge um die junge Demokratie und ob auch in diesem jungen Staatswesen alles so verlaufen sei, wie wir es gewünscht hätten. In sehr vielen Dingen, sehr verehrter Herr Kollege Schoettle, teilen wir durchaus Ihre Besorgnisse, wenn Sie die Hand ausgestreckt und Wunden angerührt haben, die wir genau so beklagen wie Sie. Aber sollten wir auf der anderen Seite nicht unser Hauptaugenmerk auch noch auf andere Probleme lenken? Es hat mich persönlich tief berührt, als ich neulich eine Schrift von einem Soziologen las, der keineswegs zu uns gehört, von dem jungen Bednarik — „Der junge Arbeiter" heißt sie, glaube ich — und darin einen Satz fand, der mich sehr nachdenklich gemacht hat. Er glaubt, wenn ich mich recht erinnere, daß die einzige Maßnahme, die heute weite Teile der deutschen Jugend auf die Barrikaden bringen könnte, die Schließung der Kinos wäre. Damit wird ein unglaublicher Pessimismus ausge-
sprochen, aber ich nehme an, daß heute bei einem weiten Teil tatsächlich diese Erkenntnis zutrifft. Ich glaube, daß wir alle gemeinschaftlich ein sehr großes Interesse haben, die Arbeit zu verstärken, die heute für die Heranführung der jungen Generation an unseren jungen Staat geleistet werden muß, um diesen Pessimismus zu überwinden und eine andere Staatsgesinnung Platz greifen zu lassen. Derartige Dinge kann man, glaube ich, so nützlich das auch ist, nicht ganz allein von der Bundeszentrale für Heimatdienst leisten lassen. Wir haben den Etat dieser von uns allen sehr geschätzten Einrichtung in diesem Haushalt um 1,5 Millionen erhöht, aber ich meine, das beste wäre wohl, wenn wir alle in diesem Hohen Hause uns bemühten, der jungen Generation das beste Beispiel durch unser eigenes Verhalten zu geben.
Diese Hohe Haus hat eine in sehr vielen Dingen erstaunliche Arbeitsleistung vollbracht. Manchmal will es mir allerdings scheinen, als ob sehr viel von der Arbeit nicht immer gerade dazu angetan wäre, die junge Generation an diesen Staat heranzuführen. Wir haben zu viel von unserer Arbeit auf Dinge verwandt, die vielleicht für einzelne Gruppen sehr nützlich gewesen sein mögen, die aber vielleicht auch die Arbeitskraft dieses Hohen Hauses verzettelt haben. Ich habe vor wenigen Tagen gehört, daß nicht weniger als 60 Gesetzentwürfe zur Sicherung bestimmter Berufsstände allein beim Bundeswirtschaftsministerium eingegangen sind. Meine Damen und Herren, wenn ich die Flut derartiger Wünsche an uns heranbranden sehe, dann wünsche ich doch, das Hohe Haus möchte in der Zukunft die Kraft aufbringen, sich von diesen kleinen Wünschen frei zu halten, um seine Kraft voll und ganz auf die wirklichen Ziele konzentrieren zu können.
Ich hoffe, daß es in Zukunft auch mehr Kraft und Entschlossenheit als bisher aufbringt, um dieses große Ziel Übereinstimmung der Notwendigkeiten von Sozialgesetzgebung und Verteidigungsbeiträgen zu erreichen, und daß wir in diesem Bemühen in den nächsten zwei Jahren den Erfolg haben, der uns nach Abschluß der zweiten Legislaturperiode erneut in dem Bewußtsein vor das Volk treten läßt: Wir haben das Menschenmögliche versucht, alles das, was in unserer Kraft lag, daranzusetzen, dem Eid treu zu sein, den jeder Minister hier zu leisten hat, wenn er sein Amt antritt: der Wohlfahrt des Volkes zu dienen. Wir alle, glaube ich, fühlen uns wie die Minister gemeinschaftlich diesem Eid verpflichtet. Ich hoffe, daß wir am Schluß dieser Debatte nach Verabschiedung des Haushaltsplans sagen können: Wir haben nicht alles erreichen können, wir haben vieles zurückstecken müssen, aber wir sind uns einig in dem Bewußtsein, das in diesem Jahr Menschenmögliche getan zu haben, um das uns gesteckte Ziel zu erreichen, ein Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit zu verwirklichen und gleichzeitig unserem Volke ein Höchstmaß an außenpolitischer Sicherheit zu bieten.
Der Herr Bundesminister der Justiz ist inzwischen eingetroffen. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Gestatten Sie, daß ich für einige Augenblicke die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf eine etwas abseits der augenblicklichen Debatte liegende Angelegenheit lenke. Aber einige Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Menzel über ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das in dem Prozeß gegen Angenfort und Genossen erlassen worden ist, nötigen mich zu einer kurzen Erklärung.
Herr Kollege Menzel ist davon ausgegangen, daß in diesem Urteil die höchstzulässige Strafe verhängt worden sei. Dies ist nicht richtig. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den Tenor des Urteils verlesen:
Die Angeklagten sind der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens in Tateinheit mit Verbrechen und Vergehen nach §§ 90a, 128, 129 Abs. 1 und 2, 94 StGB schuldig, Angenfort außerdem zugleich eines Vergehens der Zersetzung nach § 91 StGB. Es werden verurteilt Angenfort zu fünf Jahren Zuchthaus, Seiffert zu vier Jahren Gefängnis. Hierauf werden je 1 Jahr 6 Monate der erlittenen Untersuchungshaft angerechnet.
So weit möchte ich den Tenor des Urteils verlesen.
Nun die Rechtslage als solche! Das Verbrechen der Vorbereitung zum Hochverrat ist nach § 81 StGB, der am 1. September 1951 in Kraft getreten ist, grundsätzlich mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bedroht. Eine Gefängnisstrafe ist für dieses Verbrechen nach dem Gesetz nur zulässig, wenn mildernde Umstände vorliegen. Dies hat der Bundesgerichtshof verneint. Dabei fiel, wie der Vorsitzende in der mündlichen Urteilsbegründung in öffentlicher Sitzung bekanntgab, unter anderem ins Gewicht, daß Angenfort der oberste Leiter der FDJ in der Bundesrepublik war, ferner, daß er — wie im übrigen auch der Mitangeklagte Seiffert — versuchte, sein staatsgefährdendes Treiben auch während der Untersuchungshaft aus dem Gefängnis heraus fortzusetzen. Die Verneinung der mildernden Umstände machte es nach dem Gesetz notwendig, eine Zuchthausstrafe auszusprechen.
Der Bundesgerichtshof hatte Vorgänge strafrechtlich zu untersuchen, die sich zwar im politischen Raum abspielten, aber kriminelle Tatbestände darstellten, und zwar handelte es sich um Angriffe auf den Bestand der Bundesrepublik und ihre verfassungsmäßige Ordnung, die nach dem Gesetz schwere Verbrechen darstellen. Nur wegen dieser Verbrechen, deren Tatbestand vom Gesetzgeber genau umrissen war, wurden die Angeklagten verurteilt. Das muß hier klar herausgestellt werden. Es ist Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bekannt, wie das Urteil des Bundesgerichtshofs gegen Angenfort und Seiffert von der sowjetischen Besatzungszone aus angegriffen worden ist. Das ist aber nicht verwunderlich. Es war auch bei allen anderen bisherigen wichtigen Urteilen wegen Vorbereitung zum Hochverrat oder Staatsgefährdung der Fall. Um den Mißdeutungen, die man vom Osten zu geben versucht, den Böden zu entziehen, ist es allerdings wünschenswert, daß die Öffentlichkeit über die wirklichen Geschehnisse, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs zugrunde liegen, aufgeklärt wird. Das Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 21. Juni 1955 hat hier einen begrüßenswerten Anfang gemacht. Im Hinblick auf diese Veröffentlichung kann ich mir wohl ein näheres Eingehen auf das Urteil vom 4. Juni 1955 ersparen.
Ich habe mich nur verpflichtet gehalten, dies noch einmal klarzustellen und damit auch jeden Verdacht zu entkräften, als ob hier bei unserem höchsten deutschen Gerichtshof in bezug auf Zivil- und Strafrecht irgendwie mit zweierlei Maß gemessen würde und als ob die Strafzumessung nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften erfolgt wäre.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage?
Bitte schön.
Herr Bundesjustizminister, in dem Urteilstenor ist der von Ihnen u. a. angezogene § 81 mit der möglichen Höchststrafe von 10 Jahren Zuchthaus nicht angeführt worden. Die Verurteilung ist, wie Sie sehr richtig gesagt haben, nach den §§ 90 a, 128 und 129 des Strafgesetzbuches erfolgt. Ich bitte, zu verstehen, daß ich das Strafgesetzbuch nicht hier habe. Meine Frage geht dahin: Ermöglichen diese im Urteil aufgeführten Paragraphen eine höhere Zuchthausstrafe als fünf Jahre?
Jawohl, 10 Jahre, wie ich ausgeführt habe. Bei Vorbereitung zum Hochverrat beträgt die zulässige Höchststrafe an sich 10 Jahre Zuchthaus.
Gilt das nicht nur bei Verurteilung aus § 81?
Es ist ja auch nach § 90a, § 128, § 129 Abs. 1 und 2 und § 94 des Strafgesetzbuches verurteilt worden.
Meine Frage geht dahin — darf ich sie noch mehr präzisieren —: Ist bei einer Verurteilung nach diesem Paragraphen die Höchststrafe nicht doch nur fünf Jahre Zuchthaus?
Das ist nicht richtig. Die Höchststrafe ist, wie ich bereits ausgeführt habe, 10 Jahre Zuchthaus, und die Strafe ist auf 5 Jahre erkannt worden.
Meine Damen und Herren, ich denke, um nicht in ein Seminar über Strafrecht einzutreten, wollen wir zum Haushalt zurückkehren.
Das Wort hat der Abgeordnete Lenz .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten erlaube ich mir, an den Beginn meiner kurzen Ausführungen ein Wort von Kant zu setzen. Es steht am Ende des vorletzten Hauptstückes des zweiten Teiles der „Träume eines Geistersehers" und heißt folgendermaßen:
Wen die bisherigen Betrachtungen ermüdet haben, ohne ihn zu belehren, dessen Ungeduld kann ich nunmehro damit aufrichten, was Diogenes, wie man sagt, seinen gähnenden Zuhörern zusprach, als er das letzte Blatt eines langweiligen Buches sah: „Courage, meine Herren, ich sehe Land!"
Die Haushaltsberatungen gehen zu Ende, und ich habe das Gefühl, daß in den Ministerien bereits um die Gestaltung des Haushaltsplans 1956/57 zu einer Zeit gerungen wird, in der unsere endgültige Stellungnahme noch nicht feststeht. Aus den Worten meiner Vorredner ist durchaus das Unbehagen zu spüren gewesen, das uns alle beschleicht, wenn wir an die Beratungen, die zum Teil sehr strapaziös waren, zurückdenken, daß wir nach Wegen suchen müssen, um diese Verzögerungen zu vermeiden.
Eine weitere uns bedrückende Tatsache ist, daß die Haushaltsberatungen im großen und ganzen vor einer Besetzung des Hauses stattgefunden haben, die vielfach die zahlenmäßige Größe eines Ausschusses angenommen hat. Ich möchte den Herrn Präsidenten dringend bitten, nicht mehr zu gestatten, daß während der Plenarsitzungen Ausschußsitzungen stattfinden.
Wir entwerten auf diese Weise das Plenum, und das Plenum ist immer noch idas Kernstück unserer Arbeit.
- Ich darf es bei diesem Wunsch bewenden lassen, Herr Kollege Samwer. Die Mittagspause legt ja ohnedies jeder selber ein.
Ein paar Worte zum Haushalt, wie er uns vorliegt. Die materielle Seite dieses Haushalts 1955 scheint mir in derselben Richtung einzumünden wie seine Vorgänger. Er ist mit sehr vielen großen Risiken auf der Einnahme- wie auf der Ausgabeseite belastet. Wir hatten das Gefühl, daß eigentlich die Ära des leichten Nebels und die Ara der Risiken zu Ende sein sollte, nachdem nun die großen Überhänge der Verteidigungslasten verschwinden. Aber es sind inzwischen wieder einige Monate ins Land gegangen, und man gewinnt den Eindruck, daß die Verteidigungsausgaben haushaltsmäßig zwar benötigt werden, weil sie vielfach bereits gebunden sind, daß aber die kassenmäßige Seite noch wieder hinter dem Betrag von 5,2 Milliarden DM für unsere Truppen zurückbleiben wird.
Als Hauptgefahren sehe ich auf der Einnahmeseite einmal den Bundesanteil und zum anderen die erhofften Anleiheerlöse. Die Frage ist, ob wir den von uns gestern beschlossenen Bundesanteil bekommen werden. Ich darf hier einer ernsten Sorge Ausdruck verleihen. Der Bundesfinanzminister und die Länderfinanzminister hätten die Aufgabe gehabt, den Art. 107 des Grundgesetzes nun zu einer wirklichen Verfassung werden zu lassen, die damals die Initiatoren des Grundgesetzes nicht beabsichtigt hatten. Ich möchte an den Herrn Bundesfinanzminister doch das ernste Anliegen richten. nicht nur Hüter und Verwalter des Hortes zu sein, sondern in die Rolle des Verfassungsbauers hineinzuwachsen; denn von seiner Seite und von seiten der Länderfinanzminister muß uns die endgültige finanzielle Ordnung der Bundesrepublik kommen.
— Der Minister muß sie uns vorlegen und vorschlagen! Herr Kollege Dresbach, wir haben ja an
sich die ausgezeichnete Arbeit des Hauses bekommen. Die ist ja nun wirklich hervorragend gewesen. Aber es ist nicht geglückt!
— Herr Kollege Dresbach, es fällt mir auf, daß wir uns in diesem Hause immer wieder zu widerlegen versuchen, indem wir uns auf unsere Kollegen im Lande angesprochen haben.
Herr Dr. Frank hat auch seinen eigenen Kopf und läßt sich von mir als kleinem Backbencher aus dem Bundestag nicht viel sagen! Er ist Minister eines Landes, nicht wahr!
— Noch nicht!
Ebenso scheint mir in dem augenblicklichen Haushalt sicher zu sein — und ich darf das aussprechen —, daß der größte Teil des außerordentlichen Haushalts eben wahrscheinlich wieder aus Steuermitteln finanziert werden muß. Was nutzt die ganze Aufregung, meine Damen und Herren, in dieser Frage, wenn ein anderer Weg zur Befriedigung des Bedarfs des außerordentlichen Haushalts einfach nicht gefunden werden kann? Was nutzt es, dem Bundesfinanzminister Vorwürfe zu machen, daß er den Steuerzahler überfordere, wenn ihm nicht zugleich die Möglichkeit gegeben wird, auch Anleihen aufzulegen? Und wie man hört, ist die Bank deutscher Länder entschieden gegen Bundesanleihen und möchte zunächst einmal die Lastenausglichs- und die Berlin-Anleihe plazieren. Wir dürfen uns deshalb nicht wundern, wenn infolgedessen das Rechnungsjahr 1955 ebenso wie seine Vorgänger wiederum mit einem haushaltsmäßigen Defizit abschließen wird, einfach weil zusätzlich zum ordentlichen Haushalt auch die Ausgaben des außerordentlichen Haushalts aus den Einnahmen bestritten werden müssen.
Auf der Ausgabenseite hat das Parlament in den zurückliegenden Beratungen einige zusätzliche Initiativen entfaltet und gewisse größere und kleinere Pläne realisiert. Es ist ja leider so, daß der Haushaltsausschuß und damit das Plenum sehr spät an den Bundeshaushalt herankommen und daß die Manövrierfähigkeit lahmgelegt ist — „Die Welt ist weggegeben!" —, wenn wir uns mit dem Haushalt befassen, und wir haben fast nur die Aufgabe, die Beschlüsse und Entschlüsse der Verwaltung gutzuheißen, ohne davon überzeugt zu sein, daß die Vorschläge der Exekutive auch der Weisheit letzter Schluß seien. So dürfen wir, glaube ich, beinahe zu unserer eigenen Ehre sagen, daß wir einige Dinge verwirklichen konnten, allerdings indem wir an anderen Stellen nur die betreffenden Positionen gestrichen haben. Ich nenne den Küstenplan, der wohl der erste langjährige Plan ist, der auf ausschließlich parlamentarischer Initiative beruht. Wir haben gewisse Dinge im Einzelplan 10, im Einzelplan der Ernährung, nach unseren Vorstellungen umgestaltet, und wir haben auch auf dem sehr schwierigen Gebiet der Kultur — ich sage „schwierig" deshalb, weil ja die Kompetenzfragen sofort auftauchen, wenn das Wort Kultur fällt — einiges verwirklicht, was wir für gut hielten, nicht zuletzt den Bonner Theatern — ich sage ausdrücklich: d e n Bonner Theatern — einen Zuschuß genehmigt. Sehr viel ist es nicht, aber was kann es schon in einem Haushalt sein, der in einem riesenhaften Ausmaß durch die Gesetzgebung festgelegt ist?!
Wir müssen uns dagegen wehren, daß diese Einschränkung der finanziellen Bewegungsfreiheit weiter um sich greift. Es geht nicht an, daß sich alle Lebensbereiche feste Ansprüche gegen den Haushalt in Gesetzen verbriefen lassen. Wir wollen doch prüfen — und es wäre Zeit dazu —, ob die Konzeption, die wir einst von den Gesetzen hatten, als wir sie verabschiedeten, nun auch in der Wirklichkeit so angekommen ist, wie es uns notwendig schien. Bei soundso vielen großen Ausgabetiteln, bei denen es um Hunderte von Millionen geht, werden wir damit beschieden, daß uns die Verwaltung sagt: ein Gesetz rollt ab. Damit geben wir uns zufrieden. Es ist sehr die Frage, ob wir uns damit zufrieden geben sollen und ob wir nicht gerade bei diesen Titeln einmal prüfen müßten, wie sich draußen in der Wirklichkeit die Toleranz, die in jedem Gesetz liegt, auswirkt und ob hier nicht Einsparungsmöglichkeiten lägen.
Statt dessen müssen wir uns im großen und ganzen auf eine Nadelstichpolitik beschränken, indem wir die Autos, die Reisekosten und die sonstigen Geschäftsbedürfnisse der Ressorts im einzelnen durchleuchten.
Ich darf mich den Ausführungen meiner Vorredner anschließen, indem auch ich sage, daß wir aus unserem Verantwortungsgefühl heraus unbedingt darauf dringen müssen, daß der Defizitparagraph des Haushaltsrechts, § 75 der Reichshaushaltsordnung, der für ein weiteres Jahr in Kraft gesetzt worden ist, auf die Dauer nicht so beibehalten werden kann. Es ist bis jetzt alles immer noch einmal gut gegangen, weil in erster Linie die großen Einsparungen auf dem Verteidigungssektor dazu geholfen haben. Aber dieses „etatpolitische Wunder" wird sich ja nicht wiederholen, und wir dürfen uns auf keinen Fall im öffentlichen Haushalt daran g wähnen, etwas zu unterlassen, was den Kaufmann ins Gefängnis bringt, wenn er es unterläßt.
Auch die Tatsache, daß die Defizite zum großen Teil auf Ausgaberesten beruhen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es zum Teil echte haushaltmäßige Unterschüsse sind. Deshalb hoffen auch wir, deshalb hoffen auch meine politischen Freunde, daß die bevorstehende, dringend gewordene Haushaltsrechtsreform einen passenderen Weg findet als die jetzige Praxis, die sofort bedrohlich wird, wenn sich die Zeiten ändern und der gesamte Haushalt einmal ausgeschöpft ist. Was tun wir, wenn das Sozialprodukt einmal nicht mehr steigt?
Um die Personalfragen ist im Haushaltsausschuß weidlich gestritten worden. Ich möchte wiederholen, was der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, unser Kollege Schoettle, gesagt hat: daß man uns im Haushaltsausschuß nicht mehr mit der Begründung kommen solle, ein Beamter müsse höher eingestuft werden, um in seiner Gesprächsmöglichkeit mit einem arideren Beamten gleichgestellt zu sein.
Das mag in soundso vielen Fällen im auswärtigen
Dienst notwendig werden. Dort herrschen andere
Gesetze, als sie hier gelten sollten. Aber sie schei-
nen sich auch vielfach auf Bonn zu übertragen. Ich glaube, es darf nie mehr eine Begründung für die Hebung einer Stelle sein, der „Gesprächspartner" mache es notwendig.
Ein weiteres: Die Verwaltung sollte endlich einmal beherzigen, was für uns alle selbstverständlich ist, nämlich daß sie neue und zusätzliche Aufgaben — und sie wird sie bekommen — nicht mehr durch Personal, sondern durch eine andere Organisation, anders gesagt: durch eine Umgruppierung ihrer Kräfte meistert. Mit Resignation muß man bei einem solchen Anlaß wie dem heutigen feststellen, daß überall über den „Marsch in den Staat" geklagt wird, aber nirgendwo tatkräftig der Abbau der staatlichen Aufgaben und ihre Überleitung etwa in die Selbstverwaltung oder den privaten Bereich in Angriff genommen wird.
In dieser Generaldebatte soll auf Detailbetrachtungen verzichtet werden. Man muß allerdings feststellen, daß eine globale Betrachtung des Haushalts auch für ein Mitglied des Haushaltsausschusses schwer ist, da die über sechsmonatige Beratung des Haushaltsplans alle Versuche einer Gesamtschau zunichte macht. Sicher bedarf das Haushaltsverfahren einer Änderung, und ich möchte bei dieser Gelegenheit unter anderem die Anregung geben, ob wir — der Haushaltsausschuß — nicht den Einzelplan 60, der ja außerordentlich schwierig zu beurteilen ist, gemeinsam mit dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen verabschieden sollten. Ich habe den Eindruck, daß sich an dieser Stelle die beiden Ausschüsse auf das engste berühren, und ich hätte als Mitglied des Haushaltsausschusses ein besseres Gefühl, wenn ich das Plazet des anderen Ausschusses hätte.
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen den Vorschlag machen darf, daß wir den kommenden Haushalt 1956/57 als einen Wiederholungshaushalt dieses Haushalts betrachten sollen, und ob es nicht besser wäre, anstatt in die Tausende von Einzeltiteln der Personal-, Sach- und allgemeinen Ausgaben einzusteigen, nur einen Nachtragshaushalt vorgelegt zu bekommen, die eben angeführten Positionen des alten Haushalts zu übernehmen und dafür Zeit zu gewinnen, — Zeit zu gewinnen einmal für eine genaue und sorgfältige Verabschiedung der einzelnen Verteidigungspläne, die uns vorgelegt werden; zum andern könnte mit Hilfe eines neuen Haushaltsrechts eine andere Haushaltsgestaltung durchgeführt werden; und zum dritten könnten wir mit Hilfe eines neuen Haushalts- bzw. Kalenderjahres — und da bin ich mit Herrn Kollegen Schoettle absolut einig — vielleicht einen neuen Weg gehen, um vom Jahre 1957 an mit diesen Hilfen die wirkliche Ausschöpfung unseres vollen parlamentarischen Budgetrechts zu sichern.
Zum Schluß ist es mir ein Bedürfnis, den Kollegen des Haushaltsausschusses für ihre sachliche und kollegiale Zusammenarbeit zu danken. Ein herzlicher Dank gilt dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, der sich in seiner musterhaften Objektivität und seiner herzlichen und humorigen Art die Achtung aller Haushaltsausschußmitglieder verdient hat.
Im Namen meiner politischen Freunde habe ich die Ehre, dem Hohen Hause mitzuteilen, daß die Fraktion der FDP dem Haushalt 1955/56 zustimmen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Einvernehmen mit meinem Fraktionsfreund Walter Menzel darf ich seine Ausführungen dahin berichtigen, daß im Falle Angenfort in der Tat 10 Jahre Zuchthaus die in Betracht kommende Höchststrafe war, wie es der Herr Bundesminister der Justiz gesagt hat. Der Irrtum ist bei meinem Freunde Menzel dadurch entstanden, daß in dem Urteilstenor der § 81 StGB nicht genannt war, so daß sich daraus dann sehr leicht ein Fehler einschleichen konnte. Mir lag daran, das richtigzustellen und zu erklären, daß der Herr Bundesminister der Justiz und wir darin völlig übereinstimmen. Infolgedessen ist auch die Besorgnis, daß in einem ersten Falle sofort bei einem noch relativ jugendlichen Angeklagten die Höchststrafe verhängt worden wäre, dann in dieser Schwere nicht mehr gegeben. Ich bitte Sie, diese Besorgnis zu verstehen. Wir haben einen guten Grund dafür. Wir beanstanden mit Recht — ohne daß wir die beiden Gerichtsbarkeiten irgendwie miteinander vergleichen oder auf eine Stufe stellen wollen —, daß in der sowjetisch besetzten Zone in politischen Angelegenheiten grundsätzlich immer sofort die Höchststrafe verhängt wird. Daher könnte bei uns dann eine entsprechende Besorgnis entstehen, weil man schlechte Beispiele nicht nachahmen soll.
Aber ich habe mich noch aus einem anderen Grunde zu Wort gemeldet: weil ich dem Herrn Bundesminister der Justiz, der, glaube ich, schon wieder hat fortgehen müssen, gesagt habe: Ich kann für meine Fraktion eine Bemerkung des Herrn Bundesministers der Justiz nicht hinnehmen. Ich halte es für keinen „begrüßenswerten Anfang", daß das Bulletin der Bundesregierung Strafurteile in einer propagandistischen Weise aufnimmt, und zwar aufnimmt, ohne daß die schriftliche Begründung vorliegt, wie das Bulletin selbst anerkennt. Wir sollten bei uns abwarten, bis die schriftliche Begründung vorliegt. — Das Anliegen meines Freundes Menzel war nur — das hat er auch klar zum Ausdruck gebracht —, daß eine der Höhe nach auffallende Strafe unsere Aufmerksamkeit verdient und wir dieses Urteil gerne sehen würden. Darum werden wir den Herrn Bundesminister der Justiz in den zuständigen Ausschüssen auch bitten. Aber das Bulletin sollte nicht die Instanz sein, gerichtliche Urteile propagandistisch auszuwerten, noch dazu ehe die schriftliche Begründung vorliegt.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde mir eben im Vorbeigehen gesagt: Schon wieder! Ich bitte sehr um Entschuldigung. Jawohl, schon wieder! Und zwar ganz kurz zu drei Punkten, die ich leider bei dem Tempo, in dem die Einzelpläne verabschiedet werden mußten, nicht habe anbringen können. Es wird ganz kurz gemacht.
Das eine ist zum Landwirtschaftsplan. Ich möchte den Herrn Minister, der nicht anwesend ist — vielleicht sagt man es ihm —, herzlich bitten, doch einmal darüber nachzudenken; ob nicht ein Ansatz von 40 000 DM für die Förderung der landhauswirtschaftlichen Arbeit viel zuwenig ist. Ich
weiß zwar, daß es andere Titel im Etat gibt, aus denen auch für diese Dinge etwas geschehen kann. Aber die Erläuterung zu diesem Titel sagt ja sehr deutlich, worum es sich handelt, nämlich darum, der Landhausfrau die Arbeit zu erleichtern. Dafür reichen natürlich solche Beträge in keiner Weise aus. Ich weiß, daß Forschungsmöglichkeiten für die verschiedensten Dinge bestehen.
In der Begründung ist mit Recht auf die überaus schwere Arbeit der Landhausfrau hingewiesen worden. Es hat ja leider Jahrzehnte gedauert, bis man sich dieser Frauen überhaupt angenommen hat. Man steht manchmal auch heute noch auf dem Standpunkt, es sei ungefähr das richtige für sie, wenn sie nach dem Grundsatz der alten preußischen Gesindeordnung tätig seien, nämlich zu ungemessenen Diensten engagiert gegen Kost und Logis.
Meine Damen und Herren, die körperliche Gesundheit und die geistig-seelische Elastizität der Landhausfrau ist von größter Bedeutung für die heranwachsende ländliche Jugend. Das ewige Mitansehen der Überanstrengung der Mütter verhindert es, daß die heranwachsenden Töchter Lust bekommen, auf dem Hof zu bleiben und die gleiche Arbeit zu übernehmen. Wir müssen aber im Interesse der Landwirtschaft alles tun, um die Freude an diesem Beruf bei der heranwachsenden Jugend zu fördern.
Die Preise der Apparate und Instrumente, die zur Erleichterung benötigt werden, sind meines Erachtens viel zu hoch, als daß diese Dinge von einer großen Anzahl von Bauersfrauen gekauft werden könnten. Die alten bäuerlichen Gebäude sind in der größten Anzahl überaus schlecht für die Hauswirtschaft eingerichtet und erschweren die Arbeit der Hausfrau noch mehr. Das ist der eine Punkt.
Der andere macht mir allerdings nicht geringere Sorge. Das ist nämlich die Tatsache — wenn es auch etwas schroff klingen mag —, daß die Mißachtung des Jugendschutzgesetzes nicht zu leugnen ist. Die Länder stehen auf dem merkwürdigen Standpunkt, daß sie sich um Bundesgesetze wenig zu kümmern brauchten. Sie führen sie aus, wenn es ihnen paßt, führen sie auch nicht aus, wenn es ihnen paßt. Wir wären dem Arbeitsminister überaus dankbar, wenn das Jugendarbeitsschutzgesetz möglichst bald vorgelegt und dann verabschiedet werden könnte. Der Berufsantritt bedeutet für den jungen Menschen stets eine weitgehende Umstellung. Es stehen drei Probleme im Vordergrund: die Einordnung des jungen Menschen in das Berufsleben, die Einstellung auf die gänzlich andersartige Tätigkeit und ihre Begleitumstände und die gesundheitlichen und sittlichen Gefahren.
Ich will mich nicht länger über die Sache verbreiten. Es ließe sich vieles dazu sagen. Ich möchte nur einmal auf ein paar Lehrlingsverträge hinweisen, die mir in die Hand gekommen sind, bei denen man sich erneut die Frage vorlegen muß, die hier schon neulich im Parlament gestellt worden ist: gibt es eigentlich eine Gewerbeaufsicht oder gibt es keine? Ist sie dazu da, gar nichts zu tun, oder ist sie eigentlich verpflichtet, ihren Vorschriften nachzukommen? Mir liegt ein Lehrlingsvertrag vor, der mit Anerkennung der Industrie- und Handelskammer für die Ausbildung in einer Spedition als Speditionskaufmann festgesetzt worden ist. Der Lehrvertrag galt für einen knapp 15 Jahre alten
Jungen. Die Arbeitszeit, meine Damen und Herren,
schwankte zwischen 70 und 90 Stunden wöchentlich
während der ganzen Lehrzeit bis September 1954. Gleichzeitig waren in demselben Betrieb weitere drei Lehrlinge mit gleich langen Arbeitszeiten tätig. Der Industrie- und Handelskammer waren die Zustände bekannt. Sie hat sich nicht gerührt, ja sie hat sogar getadelt, daß diese Lehrlinge ihre Prüfung nicht gut genug bestanden hätten — zwei sind sogar durchgefallen — und daß sie nicht genügend regelmäßig den Berufsschulunterricht besucht hätten. Ja, wann sollen sie eigentlich bei derartigen Arbeitszeiten die Schule besuchen, in denen sie auch noch mit vertragsfremden Arbeiten beschäftigt worden sind? Ich will Ihnen die einzelnen Lehrverträge nicht vorführen. Aber mir scheint, das sind Dinge, bei denen ernstlich darauf gesehen werden muß, daß der Gewerbeaufsicht endlich einmal ganz energisch klargemacht wird, wozu sie eigentlich da ist. Vielleicht kann auch die Verbesserung der Gewerbeaufsicht dadurch herbeigeführt werden, daß mehr Personen in ihr tätig sind. Die Zahl der Beamten und Beamtinnen der Gewerbeaufsicht steht in einem unmöglichen Verhältnis zu der Zahl der Betriebe, die sie beaufsichtigen sollen.
Nun noch eines! Der Herr Minister Kaiser ist zwar auch nicht hier; ich nehme ihm das nicht übel. In Berlin befindet sich eine Rechtsschutzstelle für die Zonenbevölkerung. Diese arbeitet ganz besonders für den Schutz von Ehefrauen und Kindern, deren Männer in den Westen gegangen sind und, nachdem sie sich dort gesettelt haben, sich um Frauen und Kinder nicht mehr kümmern, die Unterhaltsbeiträge nicht zahlen oder den Ausweg gehen, sie in Ost-Mark zu zahlen, was j a gar nicht genügt, und ähnliches mehr. Der Senator für Justiz in Berlin und der Senator für Sozialwesen in Berlin haben die Fortführung dieser mit privaten Geldern und einem Zuschuß von 800 DM von den Amerikanern geführten Stelle dringend befürwortet. Und was sagt das Ministerium dazu, als man es gebeten hat, sich für die Sache zu interessieren? Das Ministerium sagte, es könne der Anregung, diese Stelle zu fördern, damit sie aufrechterhalten wird, nicht nähertreten, weil es sich nicht um eine gesamtdeutsche, sondern um eine Privatangelegenheit handle.
Ich möchte wirklich einmal wissen, was das Ministerium eigentlich eine „gesamtdeutsche Angelegenheit" nennt. Das Ministerium gibt den Rat, die Betroffenen sollten sich selber darum kümmern. Diese Leute sind ja ganz außerstande, sich selber darum zu kümmern! Sie haben gar nicht die Mittel dazu und besitzen auch nicht die Fähigkeit, die Dinge zu beurteilen und juristisch zu verfolgen.
Unterstrichen wurde der Standpunkt noch dadurch, daß man hinzufügte, man solle dabei doch ruhig einmal nach dem Grundsatz verfahren: laissez faire, laissez aller!
Dann wurde gesagt, es fehle an den nötigen Mitteln; für den strafrechtlichen Rechtsschutz würden jährlich 80 000 DM ausgegeben. — Wenn für den strafrechtlichen Schutz schon Geld gegeben wird, dann scheint das für den zivilrechtlichen Schutz nicht notwendig zu sein. Eine merkwürdige Schlußfolgerung.
Weiter wurde mitgeteilt, diese Sache könne höchstens aus amerikanischen Mitteln finanziert werden. Nun zahlt Amerika bereits; sonst hätte die Sache überhaupt nicht weitergeführt werden können. Aber es ist doch keine Art und Weise, den Zivilrechtsschutz für Frauen und Kinder etwa auf die amerikanische Hilfe abzuschieben!
Schließlich wurde noch hinzugefügt, die Angelegenheit sei zu unbedeutend, als daß sich diese Stelle — nämlich das Ministerium — überhaupt damit befassen könne; diese Stelle arbeite mit anderen Ausgabeposten. Es scheint also nötig zu sein, recht unbescheidene Forderungen zu stellen, damit das Ministerium die Sache für wichtig hält. Wer bescheiden ist, bekommt gar nichts!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihr könnt euch immer auf uns verlassen, bis auch ihr die Menschenrechte wiedererlangt habt. Wir werden euch nicht verlassen. — Ich weiß nicht, ob das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen diese Worte des Herrn Bundeskanzlers, die ich unter allen Umständen für bare Münze nehme, einfach desavouieren will.
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beinahe schiene es mir notwendig, jetzt wieder über Justiz zu reden, um in ständigem Wechsel des Themas, wie wir ihn eben hatten, vielleicht wieder die Aufmerksamkeit der Damen und Herren dieses Hohen Hauses gewinnen zu können. Aber ich muß über den Haushalt sprechen, bemühe mich dabei aber doch, die Dinge anzusprechen, die man normalerweise in der dritten Lesung vorträgt, nicht schon eventuell in der zweiten. Ich kann auch nicht, wie der Herr Kollege Schoettle heute, eine große volkswirtschaftliche Grundsatzrede halten; darauf habe ich mich weder vorbereitet, noch wäre ich wahrscheinlich ohne Assistenz Erfahrener überhaupt dazu in der Lage. Ich möchte Ihnen aber doch noch ein paar Alltagsprobleme vortragen, die mir wichtig erscheinen, die bisher auch schon angeschnitten wurden, aber vielleicht nicht so intensiv, wie ich es für notwendig halte.
Schon der Herr Kollege Lenz hat darauf hingewiesen, daß die zahlenmäßige Anteilnahme des Hohen Hauses, das Interesse des Hohen Hauses an den Verhandlungen der Haushaltsberatung nicht allzu intensiv war. Einer der Gründe dafür ist der Geschäftsdrang, unter dem wir ständig stehen, unter den wir uns manchmal auch stellen lassen, nach meiner Auffassung ohne Not stellen lassen, und der schließlich dazu führt, daß ausgerechnet während jener Plenarsitzungen über das Budgetrecht, also über den Anfang des Parlamentarismus überhaupt, sechs und noch mehr Ausschußsitzungen stattfinden.
Ein anderer Grund mag darin liegen, daß — nach meiner Auffassung wenigstens — bei vielen
Bundestagsabgeordneten eine immer größer werdende Spezialisierung festzustellen ist. Es ist ja bekannt: der eine interessiert sich vornehmlich für Mittelstandsfragen, der andere für Agrarfragen, der dritte für Verkehrsfragen und der vierte versteigt sich sogar in die Gefilde der Außenpolitik. Dadurch kommt es, daß das Interesse an den allgemeinen Dingen immer geringer wird, — eine Entwicklung, die ich durch alle Fraktionen hindurch wahrnehme und die mir wenigstens äußerst gefährlich zu sein scheint, und zwar deshalb, weil wir dadurch die Gesamtschau verlieren. Ich möchte deshalb in diesem Zusammenhang auch speziell diesen Punkt erwähnt haben.
Nun komme ich zu einem Punkt, der nach meiner Meinung mit ein Hauptgrund für die nicht allzu intensive Anteilnahme des Hauses ist: Es sind der Umfang und die Schwierigkeit des Materials.
Auch das müssen wir einmal in aller Offenheit zugestehen. Bei der Fülle des Papiers, die auf uns alle einflutet, bei der Wahlkreisarbeit, die wir vielfach noch haben, ist es für einen Abgeordneten — wenn er nicht auf Grund seiner Haushaltsarbeit dazu besonders legitimiert und verpflichtet ist — einfach nicht möglich, sich so intensiv damit zu befassen, wie es notwendig wäre. Deshalb meine dringende Bitte an das Bundesfinanzministerium, an den Bundesrechnungshof: Schaffen Sie uns doch möglichst bald jene Neuordnung des Haushaltsrechts und bringen Sie in die Neuordnung wenigstens der Konzeption nach eine Unterscheidung zwischen den wichtigen wirtschaftspolitischen, finanzpolitischen Dingen, über die wir uns hier alle im Rahmen des Budgetrechts dann unterhalten und die wir beraten müssen, und den anderen, weniger wichtigen Routineangelegenheiten, Verwaltungstiteln, die wir meiner Meinung nach ruhig und gern periodisch wiederkehrend alle zwei, drei Jahre beraten könnten! Das scheint mir dringend notwendig. Damit würde nicht nur die Anteilnahme des Hohen Hauses geweckt werden können, dadurch wäre es auch möglich, daß wir den Haushaltsplan zeitgerecht verabschieden.
Weil ich gerade bei der formellen Seite der Haushaltsberatungen bin, darf ich noch auf einen Mißstand hinweisen, der sich bei den Haushaltsausschußberatungen allmählich eingeschlichen hat. Ich meine damit die Art und Weise, wie die Fachausschüsse auf die Entscheidungen des Haushaltsausschusses Einfluß nehmen. Meine Damen und Herren, ich weiß, daß ich jetzt über einen heiklen Punkt spreche, und ich bitte von vornherein, mir zu glauben, daß ich keineswegs überzeugt davon bin, daß der Haushaltsausschuß etwa Vorrechte haben müsse. Keineswegs! Er hat nur das einzige Vorrecht, daß er vielleicht mit einer besonders großen Arbeitslast ausgestattet ist,
aber sonst keines. Wir wollen auch keins.
Es ist selbstverständlich möglich und zweckmäßig, daß sich die Fachausschüsse mit den Einzelplänen der Ressorts beschäftigen, denen gegenüber sie gewissermaßen als parlamentarischer Gegenpol stehen. Das ist selbstverständlich, zweckmäßig und gut. Es ist auch nichts einzuwenden und es ist das gute Recht eines jeden Abgeordneten, daß er aus dieser Beratung heraus zu Anträgen zu dem einen oder anderen Titel kommt. Wir müssen
aber nach meiner Auffassung im Haushaltsausschuß unbedingt dazu kommen, daß bei Abstimmungen nur Mitglieder des Haushaltsausschusses
oder ordentliche stellvertretende Mitglieder des
Haushaltsausschusses mitwirken. Wenn wir nicht
dazu kommen, dann bleibt der Haushaltsausschuß
nicht mehr der Haushaltsausschuß, dann wird er
— je nachdem, was zur Debatte steht — einmal zu
einem Viertel, einmal zu einer Hälfte, manchmal
sogar vielleicht über die Hälfte zu dem Fachausschuß, zu jenem Fachausschuß nämlich, über dessen
Stellungnahme man gerade im Augenblick berät.
Das ist meiner Ansicht nach ein grundsätzliches Anliegen, das uns allen gleich bedeutsam sein müßte. Wie wir dieses Anliegen durchsetzen wollen, weiß ich nicht. Es gibt verschiedene Wege, z. B. eine Änderung der Geschäftsordnung; daran möchte ich nicht denken. Ich möchte meinen, es müßte möglich sein, daß wir uns in den Fraktionen auf diesen Nenner einigen und daß wir diese Methode zu einer feststehenden Übung werden lassen.
Noch etwas zu den Beratungen der Fachausschüsse. Nach meiner Auffassung müßte es das vornehmste Recht und die vornehmste Pflicht der Fachausschüsse sein, wenn sie Änderungsvorschläge machen, auch Deckungsvorschläge zu bringen. Das sage ich gar nicht ironisch, sondern aus der Überlegung, daß der Fachausschuß, der sich speziell mit dem ihm gegenüber stehenden Ressort befaßt, am besten, besser als der Haushaltsausschuß, in der Lage ist, die Wichtigkeit, Vordringlichkeit der einen oder anderen Aufgabe gegenüber anderen Problemen zu erkennen, und daß er dann sagen kann: Hier, diese Aufgabe scheint mir vom Politischen her gesehen wichtiger, deshalb möchte ich hier mehr Mittel aufgewandt haben als dort. Deshalb die zweite Bitte, doch auch Deckungsvorschläge einzureichen. Der Herr Vorsitzende hat einmal während einer Haushaltsausschußsitzung festgestellt, daß er es noch nicht erlebt habe, daß von Fachausschüssen Anträge gekommen seien, die sich nicht mit einer Erhöhung der Titel befaßt hätten.
Ich glaube, das Problem sollte ernst genug sein, daß wir alle uns darüber Gedanken machen und uns bei den nächsten Beratungen des Haushaltsausschusses entsprechend verhalten.
Nun ein weiteres Thema, die Entwicklung des Personalstandes. Sie erinnern sich vielleicht, daß ich in der ersten Lesung ziemlich eingehend dazu Stellung genommen habe, und es erscheint am Platze, heute das Fazit aus den Beratungen des Haushaltsausschusses und aus den Beratungen der zweiten und dritten Lesung zu ziehen. Das Ergebnis ist für uns, vor allem für die Mitglieder des Haushaltsausschusses, die wissen, welche Mühe sie sich gemacht und welche Kleinarbeit sie geleistet haben, nicht gerade ermutigend. Wir haben auf dem Gebiet des Personalwesens gegenüber der Regierungsvorlage 111 Beamtenplanstellen und 64 Angestelltenstellen eingespart. Ich sage, im Effekt, wenn Sie die Zahlen so hören, ist das vielleicht gar kein Ergebnis. Sie müssen aber bedenken, daß diesen Beratungen im Haushaltsausschuß schon die Verhandlungen zwischen dem Bundesfinanzministerium und den betreffenden Ressorts vorangegangen sind, ich möchte beinahe sagen, ein kleiner Krieg — wer diese Verhandlungen kennt, weiß das —, und daß dort der Bundesfinanzminister schon alle Ansprüche der Ressorts zurückgeschraubt hat. Wenn Sie das wissen, dann ist die Leistung des Haushaltsausschusses nach meiner Auffassung durchaus anzuerkennen. Dabei möchte ich aber keineswegs sagen, daß wir uns auf dem Gebiet schon am Ende fühlen dürfen.
In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir ein Wort zu dem neuen § 4 a, der gestern nach der Beratung in der zweiten Lesung in das Haushaltsgesetz gekommen ist und der besagt, daß jede freiwerdende vierte Planstelle wenigstens in diesem Haushaltsjahr nicht mehr besetzt werden darf. Ich möchte Ihnen sagen, warum ich gestern dafür gestimmt habe: nicht bloß, weil mich mit Herrn Kollegen Brese gemeinsame Haushaltsausschußarbeit verbindet, die uns gerade in Personalangelegenheiten immer in völliger Eintracht nebeneinander sieht, sondern vor allem aus einem anderen Grund. Wir müssen mit diesem Beschluß dem Bundesfinanzministerium moralisch den Rücken so stärken, daß es in Zukunft bei seinen Verhandlungen mit den Ressorts sagen kann: Bitte, kommt mir doch nicht mehr mit Erweiterungen in personeller Hinsicht. Es ist unmöglich, ihr kennt den Beschluß des Bundestages. Darin sehe ich den Hauptvorzug, daß wir endlich, um es mit anderen Worten zu sagen, von der Defensive, in der wir bisher in den Haushaltsberatungen immer waren, zur Offensive übergegangen sind
und daß wir das nicht wieder erleben, was wir bis jetzt jedes Jahr erlebt haben, daß immer wieder Personalvermehrungen in der Regierungsvorlage vorgesehen waren.
Ein Wort zu denen, die vielleicht gestern Zweifel daran gehabt haben, ob wir das machen können, ob wir das verantworten können. Ich möchte Ihnen sagen, ich bin überzeugt, daß wir es machen können. Ich bin nicht überzeugt, daß das der eleganteste Weg ist; nein, es ist für mich ein holpriger Weg. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß
im Haushaltsgesetz auch der § 13 steht, der den Bundesfinanzminister ermächtigt, Richtlinien zu erlassen zum ganzen Haushaltsgesetz. Die gröbsten Schwierigkeiten in der Praktizierung dieses neuen § 4 a können, glaube ich, dadurch beseitigt werden. Ich glaube, daß der Beschluß von gestern gut war.
Ich darf hier einmal gerade als ehemaliger Beamter ein Wort sagen, weil manchmal die Bestrebungen falsch aufgefaßt werden, warum wir in der Verwaltung sparen, warum wir die Aufblähung der Verwaltung zurückdrängen wollen. Gerade im Interesse der Beamten und der öffentlichen Angestellten sollte es heißen: So wenig wie nur möglich, so gut wie nur möglich, und dann auch entsprechend bezahlt! Das muß doch auf weite Sicht unsere Politik auf diesem Gebiet sein.
Ich muß aber in diesem Zusammenhang etwas sagen, was vielleicht manchem nicht angenehm klingt: Wir müssen auch für unser Teil die Konsequenzen ziehen. Es geht nicht an, daß wir dauernd nur rufen: „Weg mit der Verwaltungsaufblähung!", und auf der anderen Seite immer wieder Ände-
rungsanträge unterschreiben zu Gesetzentwürfen, die die Verwaltungsarbeit komplizieren,
und immer wieder unsere Unterschrift setzen unter Gesetzesanträge, von denen wir vielleicht annehmen können, es wäre schön und gut, wenn wir ein ähnliches Gesetz hätten, aber nicht unbedingt notwendig. Wenn wir diese Konsequenzen nicht ziehen, dann ist der Haushaltsausschuß unmöglich in der Lage, der sogenannten Aufblähung der Verwaltung weiter zu steuern.
Weil ich von der Personalentwicklung spreche, muß ich auch auf die sogenannte Ergänzungsvorlage zu sprechen kommen. Sie kennen j a diese Vorlage, die später eingereicht wurde. Ich habe nie verstanden, daß sich die Bundesregierung zu dieser Vorlage entschlossen hat, und ich bin nach wie vor der Auffassung, weniger wäre hier mehr gewesen. Ich habe auch im Haushaltsausschuß, als zum ersten Mal diese Vorlage zur Sprache kam, dafür plädiert, sie in Bausch und Bogen, unbesehen, ohne jede individuelle Prüfung, abzulehnen. Dieser Vorschlag ist nicht akzeptiert worden. Heute bin ich dankbar dafür, und zwar deshalb, weil wir in stiller Kleinarbeit zu dem gleichen Ergebnis gekommen sind. Die Vorlage ist fast ganz abgelehnt
Ich sage: in stiller Kleinarbeit. Wir haben keinen Lärm geschlagen, kein Getöse gemacht wie etwa der Bundesrat drüben. Ich muß hier mindestens kurz eine Angelegenheit erwähnen, die mich außerordentlich peinlich und schmerzlich berührt hat, nämlich den Bericht des Berichterstatters des Finanzausschusses des Bundesrats, von Minister Zietsch, bei Behandlung dieser Ergänzungsvorlage.
Er berichtete bei dieser Gelegenheit, daß nach der Stellenplanübersicht die Bundesverwaltung über nahezu 100 Ministerialdirektoren, über mehr als 400 Ministerialdirigenten und über mehr als 700 Ministerialräte verfüge. Daneben ständen noch 5000 Beamte des höheren Dienstes und mehr als 13 000 Beamte des gehobenen Dienstes. Meine Damen und Herren, es war klar, bei jedem, der mit der Materie nicht näher vertraut ist, entstand bei einer solchen Berichterstattung — noch dazu im kühlen, sachlichen Raum des Bundesrates — der Eindruck, als ob in Bonn bei den Ministerialbehörden 100 Ministerialdirektoren, 400 Ministerialdirigenten usw. beschäftigt wären. So ist es in der Öffentlichkeit aufgefaßt worden, und es ist festzustellen, daß diese Zahlen allgemeine Unruhe und Aufsehen erregt haben.
Und wie ist die Wahrheit? Die Wahrheit ist, daß von den 100 Ministerialdirektoren-Planstellen, die Minister Zietsch da anführte, 13 von Botschaftern, 22 von Verfassungsrichtern, 9 von Präsidenten oder Oberbundesanwälten bei den obersten Bundesgerichten ausgefüllt werden und daß für die Bundesministerien insgesamt 53 Ministerialdirektoren noch übrigbleiben.
— Ich höre eben: ist auch genug. Völlig meine Meinung! Ich bin immer gern bereit, auch hier noch mein Scherflein zur Verminderung beizutragen.
Bei den Ministerialdirigenten ist es genau so. Mehr als drei Viertel der Angeführten, nämlich genau 304 Beamte, sind auch nicht in Bundesministerien tätig, sondern sind Senatspräsidenten, Bundesrichter, Bundesanwälte — bei der Justiz allein 213 —, Gesandte, Konsuln, Generalkonsuln, Direktoren wissenschaftlicher Institute usw. usw.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen Einzelheiten nicht mehr bringen. Warum erwähne ich das? Einmal erwähne ich das im Interesse der Wahrheit und Gerechtigkeit. Nach meiner Auffassung geht es nicht an, daß auf einem so heiklen Gebiet eine verzerrte Darstellung gegeben wird, eine Darstellung, die nicht bloß verzerrt, sondern zum Teil objektiv unrichtig ist.
Das geht nicht an. Ich bedaure das, gerade ich bedaure das besonders lebhaft, weil ich gern an das besonders hohe Niveau des Bundesrates geglaubt habe, das hier erstmalig verlassen wurde. Offensichtlich hat Zietsch die Tribüne des Bundesrates mit einem Wahlversammlungslokal, nun, sagen wir: in Krähwinkel verwechselt. Vielleicht hat das in seine augenblickliche Koalitionskonzeption hineingepaßt.
Ich möchte hier in aller Öffentlichkeit auf diesen Unterschied zwischen der Darstellung drüben und
der Wahrheit hinweisen.
Nun, meine Damen und Herren, zu einem letzten Punkt, Sie sehen, ich halte Sie gar nicht mehr lange auf,
zu den finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern, die sich im Einzelplan 60 in dem dort vorgesehenen 40%igen Bundesanteil ausdrücken. Ich habe keine Einzelheiten hierüber vorzutragen. Wir haben gestern die zweite und dritte Lesung des Inanspruchnahmegesetzes gehabt, und in sachlichen Ausführungen haben die Herren Kollegen Seuffert, Dresbach und Wellhausen Stellung genommen. Was die sachlichen Ausführungen anbelangt, so können wir uns ihnen zum großen Teil anschließen, wenn wir auch den Schlußfolgerungen, die Herr Kollege Dresbach für seine Person, wie er ausdrücklich festgestellt hat, nicht folgen können. Wenn ich das Thema anschneide, so deshalb, weil ich mich gegen eine Methode wenden möchte, gegen die Methode einiger Länderfinanzminister, wie sie glauben, das Grundgesetz auslegen und den Föderalismus anwenden, um nicht zu sagen: strapazieren zu können. Ich meine jenen Entschluß einiger Länderfinanzminister, der dazu geführt hat, daß ein Teil der Länder 32,5 % und ein anderer Teil 38 % als Bundesanteil abgeführt hat. Dazwischen gab es noch Varianten. Gerade weil ich immer für den föderativen Aufbau unseres Staates eintrete, wende ich mich mit aller Schärfe gegen diese Methode.
Ich möchte mich von dieser Methode deutlich distanzieren, die nach meiner Auffassung keinerlei staatspolitische Konzeption zeigt und im Widerspruch zum Geist des Art. 106 Abs. 3 steht. Denn der Art. 106 Abs. 3 schreibt bekanntlich ein Bundesgesetz vor, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, also etwas Zweiseitiges und nicht etwas Einseitiges. Vor allem steht diese Methode nach
meiner Auffassung im Widerspruch mit dem Geist des Föderalismus. Denn „Föderalismus" kommt bekanntlich von „foedus" = „Bund, Bündnis", und das hier hat mit Bund und Bündnis nichts mehr zu tun. Das ist ein einseitiger Akt.
Ich bedaure diese Entwicklung deshalb, weil ich fest überzeugt bin, daß die Leute, die so gehandelt haben, damit den Gegnern des föderativen Staatsaufbaus in die Hände gearbeitet haben. Man darf bei dieser Frage nicht nur an heute denken, sondern wir müssen auch an morgen und übermorgen denken. Herr Kollege Vogel hat schon einiges angedeutet. Ich möchte schließen mit keinem innigeren Wunsch als dem, daß in den Unterausschuß des Vermittlungsausschusses, wo in den nächsten Tagen die Finanzverfassung weiterberaten wird, die Finanzminister wirklich als Staatsmänner mit einer staatspolitischen Konzeption und nicht als Rechner hineingehen, damit wir eines Tages, der einmal kommen wird bei der Wiedervereinigung, etwa bei der Neufassung` eines Grundgesetzes, einer neuen Verfassung, mit gutem Grund sagen können — und entsprechend auftreten können —: Das föderative System hat sich bewährt, es hat seine Bewährungsprobe bestanden, und wir können es weiter haben. Das wäre mein Wunsch.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bisher in der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts wenig von der Möglichkeit der Wortmeldung Gebrauch gemacht. Ich muß daher nun einiges vortragen, möchte Ihnen aber trotzdem versprechen, daß der Ablauf unserer heutigen Beratungen in angemessener Frist damit in keiner Weise gefährdet wird.
Es ist viel zum Formellen gesagt worden, viel Selbstkritik, auch parlamentarische Selbstkritik geübt worden. Ich wollte dazu auch einiges sagen, aber ich glaube, all diese Dinge sollten zurückstehen, wenn man überlegt, welch gute und vortreffliche Gedanken von vielen Seiten, insbesondere vom verehrten Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Herrn S c h o et t l e, in dieser Richtung vorgetragen worden sind. Vielleicht nur ein Wort dazu. Der Haushalt, der bisher notwendigerweise nach den Gesichtspunkten des Personalhaushaltes aufgebaut sein mußte und dann durch die Sachtitel, die Zuschüsse und all solche in hohe Summen reichende und nicht uninteressante Titel, die sich wie mit der Streusandbüchse verteilt über das ganze dicke Kompendium des Haushalts verstreut finden, erweitert wurde, ist zu einer Wissenschaft geworden, die selbst den Mitgliedern des Haushaltsausschusses oft ein Buch mit sieben Siegeln ist. Deswegen ist es sehr begrüßenswert, wenn man hört, daß von der Verwaltung Wege vorbereitet werden, um in einer Art Funktionsübersicht einen Wegweiser zu erstellen, der es dem Kenner und auch dem Liebhaber ermöglicht, die verschiedenen verstreuten Titel, die er besonders liebt oder nicht liebt, aufzuspüren und zu verfolgen.
Wir haben deswegen wenig Anträge zum Haushalt gestellt, weil eine Übersicht über die Beratungen im Ausschuß in all diesen Monaten ergeben hat, daß das Volumen, das dann noch durch die wie
immer geartete Initiative des Parlaments bewegt werden kann, relativ gering ist. In den Berechnungen wird von einem Prozent gesprochen, das wir vom Gesamtvolumen in diesem Monat nach der einen oder anderen Seite verändert haben.
Das führt uns zu folgender Überlegung. All dieses Ringen ist irgendwie ein Leerlauf an Zeit und an Mühe. Es werden politische Probleme im Raum stehenbleiben; sie stehen heute schon darin. Aber der Ansatz aller politischen Kräfte auf die Gestaltung der Verteilung der öffentlichen Mittel sollte eben vielleicht in Zukunft vorher einsetzen, bevor im Schoße der Regierung der Haushaltsplan entsteht, bevor dann irgendwie mit Recht darauf hingewiesen werden kann, daß unter dem Zwang des Ausgleichs, zu dem wir alle verpflichtet sind, nicht mehr allzuviel getan werden kann, und bevor dann in manchen Fällen, um es so zu sagen, das Kind schon vorher in den Brunnen gefallen ist.
Wenn ich nun in Richtung auf die Zukunft einige Dinge anspreche — kurz, aber für uns nicht minder teuer und wichtig —, die uns bewegen, dann soll das nicht sagen, daß nicht noch andere Dinge uns dabei wichtig wären, Dinge, die man eben heute im Drange der Zeit einfach nicht behandeln kann.
Es geht uns vor allem um soziale Belange; das ist ein offenes Geheimnis. Bei einer solchen Überlegung soll ganz offen gesagt und anerkannt und bedankt werden, daß auf manchen Gebieten im Verlaufe des vergangenen Haushaltsjahres einiges Entscheidende geschehen ist. Es muß anerkannt werden — so viele Wünsche vielleicht in bezug auf die Witwen und Hinterbliebenen noch mit Recht fortbestehen mögen —, daß auf dem Gebiete des Bundesversorgungsrechts mit der Novelle, die sich in ihrer Auswirkung auf viele Hunderte Millionen DM erstreckt hat, doch ein großer Schritt auf dem Wege zur vollständigen Befriedigung dieser Belange getan worden ist. Es darf genau so gesagt werden, daß auf dem Gebiet des so umstrittenen Lastenausgleichs, der auf der einen und auf der andern Seite nie ganz zufriedengestellt hat und nie ganz zufriedenstellen wird, die vierte Novelle mit einem erheblichen zusätzlichen Aufwand auch wieder manche Wunden geheilt hat, die auf diesem Gebiet bisher besonders schmerzlich spürbar waren.
Es soll auch gesagt werden, daß auf dem Gebiet, auf dem sich die Bundesregierung ein Besonderes vorgenommen hatte, auf dem Gebiet der Eingliederung der Vertriebenen und Geschädigten, der Zweijahresplan des Ministers Dr. Oberländer auf vielen Gebieten erhebliche Fortschritte gebracht hat. Es ist mir nicht möglich, hier auf Einzelheiten einzugehen. Aber z. B. auf dem Gebiet der Eingliederung der Bauern aus dem Osten ist nach Unterlagen, die mir das Ministerium noch in den letzten Tagen zugänglich gemacht hat, der Soll-Stand, wenn ich so sagen darf, mit etwa 92 % erreicht worden. Natürlich mehr Nebenerwerbsstellen an Stelle von Vollbauernstellen, als uns selbst lieb ist! Aber immerhin so, als ob hier nichts geschehen wäre, können die Dinge nicht sein. Das trifft für andere Gebiete dieses Plans gleichfalls zu.
Einer der Gründe, warum vielleicht von seiten der Opposition und wo immer im Lande eine Art Rätselraten um den Oberländer-Plan entstanden ist, mag der sein, daß der Anlauf dieses Zweijahresplans in seinen Anfangsterminen durchaus uneinheitlich ist. Verkündet — die Verkündung ist
hier sehr apostrophiert worden — wurde er zu Beginn der Regierungsarbeit im Jahre 1953. Damals sind einige, nicht alle gesetzlichen bzw. in der finanziellen Untermauerung notwendigen Grundlagen dieses Planes gelegt worden. Auf manchen Gebieten hat sich das Kabinett — man könnte hier vielleicht sagen: vertreten durch den Bundesfinanzminister — den Wünschen des Ministers Oberländer nicht so schnell angeschlossen. Ein Jahr später, im Jahre 1954, sind manche Dinge erst als Grundlage des Anlaufens geschaffen worden; manche sollen noch ausstehen.
Es soll hier einmal offen gesagt werden, daß wir manche Dinge zu fiskalisch betrachten. Man kann natürlich — das wissen wir genau so — nur mit Wasser kochen, und man muß natürlich sehen, daß die Dinge finanziell gedeckt sind und daß die Untermauerung im Haushalt einen Ausgleich findet. Das ist richtig. Aber manchmal schien es uns, es würde zu sehr vom rein Fiskalischen her gesehen.
In dieser Frage ein weiteres offenes Wort. Wir sprechen sehr oft bei außenpolitischen Debatten vom Kalten Krieg, vom Kalten Krieg auf dem Gebiet der Rundfunkstationen, des Nervenkrieges, der Zeitungen, der Agenten und nicht zuletzt auch auf dem Gebiet der sozialen Systeme. Es wird bei den Debatten in der Außenpolitik anerkannt, daß eben unsere sozialen Leistungen — wir sollten das Wort „soziale Lasten" etwas mehr vermeiden, es sei denn im Sinne des alten und schönen Wortes, daß einer des andern Last tragen soll — in diesem Kalten Krieg am Ende die Divisionen sind, die die Opfer erfordern, die wir eben auch für die Divisionen auf der Seite der militärischen Wirklichkeit und Notwendigkeit, wo auch wir sie als notwendig erkannt haben, bringen müssen. Deswegen ist es wahrscheinlich notwendig, in einer Debatte, die dem Ausblick in die Zukunft und auch einer aufbauenden Kritik an dieser Stelle dienen soll, gerade im Augenblick der parlamentarischen Halbzeit, in die wir bald eintreten, einiges mit Richtung auf die Entwicklung zu sagen.
Unser Ziel ist soziale Gerechtigkeit und Freiheit nach außen mid nach innen. Auch dieses Wort sollte einmal ausgesprochen sein. Die Worte des Herrn Bundeskanzlers in der Regierungserklärung im Jahre 1953 in diesem Hause, die damals weithin im Lande draußen sehr dankbar und mit vielen Hoffnungen aufgenommen worden sind, scheinen doch manchmal vom Winde der Zeit, der durch diese Jahre gegangen ist, etwas hinausgetragen worden zu sein und nicht mehr immer so gegenwärtig im Raume zu stehen. Ich möchte damit folgendes sagen: Wir sprechen viel von der Sozialreform. Es ist das Unglück mancher großer und guter Beginne, daß sie, je mehr man von ihnen spricht, um so mehr zerredet werden, um so mehr als nebelhafte Begriffe, unter denen sich verschiedene sehr viel Verschiedenes vorstellen, im Raume zu stehen beginnen. Wir leben ja fortlaufend in der Arbeit am Sozialproblem. Wir beschließen laufend kleine fortlaufende Verbesserungsmaßnahmen auf diesem und jenem Gebiet, wo sie besonders brennend und notwendig geworden sind. Aber wenn man einmal versucht, alle diese einzelnen Maßnahmen zusammenzunehmen und dann einen einheitlichen Zielpunkt zu finden, den Zielpunkt eines neuen Gebäudes auf dem Gebiete der Sozialpolitik, auf den sie sich doch wohl zubewegen müßten, dann geht der Blick manchmal ins Leere und man findet keine Handhabe. Es besteht doch die Gefahr, daß die Sozialreform nicht das wird, was sich die Regierungserklärung, wie ich meine, und so viele Menschen überhaupt damals darunter vorgestellt haben, nämlich nicht ein neues Flickwerk, nicht neue Versuche, an diesem Haus des sozialen Aufbaues unseres Volkes das Dach frisch zu decken oder zu flicken oder ein Stockwerk irgendwo einmal zu reparieren, sondern ein von Grund auf neues Gebäude.
Bei diesem neuen Gebäude darf, wenn es seinem Ziele wirklich dienen soll, eines wohl nicht vergessen werden, nämlich daß auch die Folgen des verlorenen Krieges in dieser neuen Sozialstruktur mehr Berücksichtigung finden müssen und daß der verlorene Krieg und seine entsetzlichen Folgen, ob wir es wollen oder nicht — manches schlechte Vorurteil ist in jenen Tagen dahingeschwunden —, auch einen gewissen neuen Zug in die Gesellschaftsstruktur gebracht haben. Ich glaube, hier sollte man auch einmal auf ein Wort des Herrn Bundeskanzlers Bezug nehmen können, das in einem anderen Zusammenhange, im Zusammenhang mit der Außenpolitik, gesprochen worden ist, als er einmal beschwörend sagte: Meine Damen und Herren, wir haben doch den Krieg verloren! Ja, meine Damen und Herren, dieses richtige Wort sollte auch bei solchen Überlegungen mehr Pate stehen, als es manchmal den Anschein hat. Wir meinen daher, daß es vielleicht gut wäre — diese Bestrebungen sind ja seit Jahren im Gange, und wir haben in diesen Tagen überhaupt erst die zusätzlichen Stellen des Arbeitsministeriums bewilligt und damit geschaffen, in denen konkret diese Dinge angepackt werden sollen —, daß es vielleicht gut wäre, wenn man die Bearbeitung der Sozialreform von all den weiten und verzweigten Aufgaben, die das Bundesarbeitsministerium ansonsten auf seinem Rücken zu tragen hat, wegnimmt und auf eine neue zentrale Stelle legt. Viele Gedanken der Verwaltungsvereinfachung, die auch von uns begrüßt werden und vielleicht dazu führen sollten, an den Gliedern und an den Häuptern — beides müßte Hand in Hand gehen, wenn es von Erfolg begleitet werden soll —, hier Remedur zu schaffen, könnten dazu beitragen, daß man hier vielleicht einen gesunden und sehr kräftigen Ausgleich fände, wenn man in einer zentralen Stelle — wie immer sie heißen möge — die Belange der Sozialreform nun wirklich vorantriebe.
—Nun ja, wir haben es eben sehr mit dem sozialen Anliegen zu tun, Herr Kollege!
Das bringt mich auf ein anderes. Es ist oft nur das Mißverständnis, daß es dazu kommt, daß wir gewisse Dinge nicht weiter fördern, weil die Meinungen über die Tatbestände nicht immer der Wirklichkeit entsprechen. ich ,denke da an eine Bemerkung des von mir sehr verehrten Herrn Bundeswohnungsbauministers Dr. Preusker, der in einem anderen Zusammenhange hier gesagt hat: Wir haben ja praktisch die Vollbeschäftigung. Ihr Wort in Gottes Ohr, Herr Minister! Ich wollte, es wäre so. Es kommt da immer sehr auf den Betrachtungsort an. Wenn man einmal in die Zonenrand- und die Notstandsgebiete hinausgeht, die wir gerade an der Ostgrenze der Bundesrepublik — so muß man sie wohl nennen — heute haben, dann sieht man, daß die Dinge dort leider noch ganz anders liegen. Es ist ein sehr aufschlußreicher Hinweis, daß die Durchschnittszahl, die Kopfzahl des
Steueraufkommens in diesen Gebieten nach einer Berechnung, die mir gezeigt wurde, 42 DM beträgt, während sie sich im übrigen Bundesgebiet auf 140 DM im Jahre beläuft. An einer solchen Relation sieht man doch, wie weit dort alles noch zurückgeblieben ist und wie stark sich insbesondere dort noch die Erwerbslosen konzentrieren.
Man spricht dann oft vom sogenannten strukturellen Bodensatz. Ich bin überzeugt, daß man damit nichts Böses meint; aber man tut den Menschen, die diese Worte betreffen, damit einen schlechten Dienst, weil dieses Wort — sie haben ja alle einmal irgendwo früher im Leben gearbeitet — vergessen läßt, wie schwierig es ist, diese Menschen wieder in Arbeit und Brot zu bringen, weil sie zum Teil überaltert sind und zum Teil lange Zeit ihrem Beruf fernbleiben mußten. Deswegen glauben wir — das möchte ich kurz andeuten —, man sollte noch mehr als bisher Gewicht auf Maßnahmen legen, die die Heranführung dieser Menschen an ihren Beruf und damit die Fähigkeit, ihr Brot wieder selbst zu verdienen, fördern.
Man sollte z. B. — das sind kleine Formalitäten — den Menschen die Möglichkeit geben, an die Orte zu fahren, wo sie Arbeit und Brot selbst suchen können, wenn eine mehr oder weniger schematische Vermittlung sie ihnen nicht beschaffen kann. Man sollte auch erwarten, daß durch eine Auflockerung der manchmal noch etwas sehr vorsintflutlich anmutenden Meldepflichten usw. da wirklich der Zug hineinkäme, der die Wiedereinsetzung dieser Menschen ermöglichte.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem Bundesmietengesetz. Wir haben uns hier mit Herrn Lücke von der CDU in einem Punkt in einer weitgehenden Übereinstimmung befunden, da er eines wohl richtig erkannt hat: daß man einmal dahin kommen muß, nötigenfalls auf dem Wege der Mietbeihilfe, das Bewohnen einer gesunden Wohnung auch Menschen sozial schwacher Schichten möglich zu machen. Wir würden uns sehr freuen — und wir sind für diese Initiative sehr dankbar —, wenn es gelingen sollte, das im Laufe der Zeit so weit zu realisieren, daß der soziale Wohnungsbau nicht mehr, wie es heute schon — nicht ganz zu Unrecht — vielfach geschieht, als unsozialer Wohnungsbau bezeichnet werden muß, weil die Mieten — der Baustoffindex ist gestiegen, und wir können ihn nicht zurückdrehen, wie wir es wohl möchten — es einfach nicht gestatten, daß diese Wohnungen wirklich weiten Kreisen der Bevölkerung zugute kommen. Wir sind weiter mit Herrn Lücke in einem vollkommen einig: Mehr Eigentum als bisher! Es darf nicht mehr so weitergehen, daß die Mittel in so großem Umfange dazu verwendet werden, nur neues kollektives und kein neues Einzeleigentum zu bilden.
Meine sehr Verehrten! In all diesen Betrachtungen berührt eines oft sehr schmerzlich, das ich nicht verhehlen möchte. Es sind die Gesetzesdeklamationen, deren wir uns hier bedienen. Es sind oft Bundestagsbeschlüsse, in denen wir nicht bloß lose umrissen, sondern mit festen Zahlen, mit Gesetzesaufträgen, wenn ich so sagen darf, bestimmte soziale Probleme in den Mittelpunkt stellen. Bei der Gestaltung des Haushalts wird diesen Dingen dann aber oft nicht Rechnung getragen! Ich darf hier nur kurz zitieren: § 72 des
Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes — hier in diesem Raum beschlossen —, § 7 des Lastenausgleichsgesetzes — 5 Milliarden wurden damals als das Ziel der Vorfinanzierung genannt; es ist bei weitem nicht erreicht worden —, ich denke nicht zuletzt an die Bundestagsbeschlüsse in den Heimkehrerentschädigungsfragen, die in den letzten Tagen hier so deutlich angesprochen worden sind; ich darf an die Belange auf dem Gebiete der blutenden Zonengrenze erinnern und daran, daß wir mit dem damaligen Beschluß, jährlich 25 Millionen DM für die kulturelle Visitenkarte der Bundesrepublik gegenüber dem unfreien Osten zur Verfügung zu stellen, bislang nicht ernst gemacht haben. Wir haben in diesem Jahre wenigstens einen zögernden Anlauf unternommen, um diesen Dingen näherzukommen. Hoffen wir, daß es auf diesem Gebiet so weitergeht.
Nun einige kurze Worte zu dem, wie gesagt, uns am Herzen liegenden Problem der Vertriebenen und Geschädigten. Ich glaube, dies deswegen sagen zu müssen, weil wir uns im zehnten Jahre nach der Vertreibung befinden. Die Zeit hat, das wissen wir sehr wohl, auf allen Lebensgebieten eine doppelte Bedeutung. Sie führt auf der einen Seite durch die Maßnahmen, die in der Zwischenzeit anlaufen und sich entwickeln können, zur Linderung und Milderung. Da und dort führt sie aber auch zu Gefahren. Sie droht oft zum Vergessen zu führen, zum Vergessen auf den Teil des Weges, der auf diesem Gebiete noch vor uns liegt. Das Vertriebenen- und Geschädigtenproblem erscheint vielleicht von Bonn, von Düsseldorf, von München und von Frankfurt, aus viel, viel weitergehend gelöst — und da ist es auch viel weitergehend gelöst —, als wenn wir es draußen von den zahllosen kleinen Landgemeinden unseres ideutschen Vaterlandes aus sehen,
wo sich heute noch die Masse dieser Menschen befindet, die Ihnen dort nicht mehr so unter den Augen ist und das Augenmerk gar nicht mehr so auf sich lenken kann. Das einmal hier auszusprechen, isst gegenüber diesen Menschen eine Pflicht. Was immer auf dem Gebiete der Eingliederung geschieht: Wenn wir es ernst meinen mit der abendländischen Gesellschaft, wenn wir es ernst meinen mit dem Versuch einer friedlichen Rückgewinnung des Ostens, dann ist das Problem, ganz kurz gesagt, die soziale Struktur wiederherzustellen, sich nicht damit zu begnügen, zu fragen: Arbeitest du? — Du arbeitest!, sondern zu fragen: Was warst du früher? — Was bist du heute? Ich möchte damit nicht irgendwie die Illusion erwecken wollen, man könnte das Rad der Geschichte zurückdrehen und die Verhältnisse von einst wiederherstellen. Aber eine gesunde berufsständische Gliederung wiederherzustellen, das muß in jedem Falle unser Ziel bleiben; denn sonst machte — wenn uns der Tag einmal geschenkt sein wird — die Besiedlung des Ostens riesige Schwierigkeiten.
In aller Kürze ein Wort zum Lastenausgleich. Wir haben auf anderen Gebieten davon gesprochen. Wir haben Mittel für einen Ausschuß bereitgestellt, der sich mit diesen Dingen, mit der Gesetzesentrümpelung, mit der Entrümpelung all der Vorschriften auf dem Gebiete des Rechtslebens und der Verwaltung befassen soll. Ein ganz besonders dankbarer Anhaltspunkt wäre hier der Vollzug des Lastenausgleichs. Es wimmelt in Bad Homburg und sonstwo von Hunderten und aber Hunderten
von Bestimmungen — kürzlich, ich konnte es kaum glauben, hat mir ein Landesminister die Zahl von 1200 Bestimmungen genannt, die da zusammenkommen —, die den Vollzug des Lastenausgleichs, an dem wir alle interessiert sind, unwahrscheinlich erschweren und zu notwendigen Stellenanforderungen und ähnlichen Dingen führen, während auf der anderen Seite — auch das sei gesagt — manche in ihrer Wirksamkeit für die Voraussetzungen wichtige Bestimmung überhaupt noch nicht getroffen ist.
Wir sollten uns bemühen, mit diesem Gegensatz möglichst schnell ein Ende zu machen.
Ein Wort noch zur Bauernsiedlung. Das Problem ist mir deshalb bitter in Erscheinung getreten, weil wir im Haushalt erhebliche Millionen eingesetzt haben, um Vertriebene, vor allem vertriebene Bauern aus dem Osten, außer Landes nach Übersee zu bringen, sie also auswandern zu lassen. Ich muß schon sagen, das Grundgesetz stein diese Dinge frei. Wer unbedingt glaubt, dort allein sein Glück zu finden, nun, dem können wir es nicht verwehren. Aber von staatlicher Seite aus sollte man in einer Zeit, in der wir auf die Wiedervereinigung mehr als bisher zu hoffen begonnen haben, mit einer Förderung dieser Dinge vorsichtiger werden als bisher. Wir könnten mit denselben Mitteln im Lande — wenn man allein an die hohen Kosten der Passage nach Übersee denkt — sehr, sehr viel mehr tun.
Es bleibt dabei natürlich die Frage der Landbeschaffung offen. Vielleicht wird hier ein Gesetzentwurf über die Altersversorgung der weichenden Landwirte, die glauben, der Neusiedlung ihre Höfe zur Verfügung stellen zu sollen, ein Gesetzentwurf, der leider ebenfalls noch nicht vorliegt, aber nun kommen soll, die Wege ebnen.
In diesem Zusammenhang kommt noch ein weiteres ernstes Problem hinzu, die Gefahr nämlich, daß Bauern, zum Teil Bauern, die nicht zum erstenmal in diese Verlegenheit kommen, sondern die schon mehrmals in ihrem Leben vertrieben worden sind, die aus den weiten Vorpostengebieten deutschen kulturellen Lebens, die aus der Batschka, aus Bessarabien damals in die besetzten Gebiete Polens gingen, dann in das Sudetengebiet und dann hierher vertrieben wurden, Menschen, die damals auf Truppenübungsplätzen angesiedelt wurden, nun wegen der Erfordernisse, die auf diesem Gebiete vor uns treten werden, in der Gefahr stehen, erneut weichen zu müssen. ,Keiner verschließt sich der Notwendigkeit. Aber das so umständliche bürokratische Verfahren gerade auf dem Gebiet der Bauernsiedlung, das die armen Betroffenen hin- und herreißt zwischen einer Fülle von Kompetenzen, zwischen Bundesfinanzministerium, Bundesernährungsministerium, Landesernährungsministerium, Landesfinanzministerium, Siedlungsgesellschaften und was immer es da noch alles geben mag, müßte vereinfacht werden. Es sollte so gestaltet werden, daß, wenn es schon sein muß — und es muß sein —, dann wirklich jedem der Weichenden in naher Zeit und ohne bürokratische Fehlleitungen das zur Verfügung gestellt wird, was er dort wieder aufgibt, nachdem er es sich eben mit sehr viel Fleiß und Mühe, die dazu gehört haben, die Scholle zu roden, neu erworben hat.
Herr Abgeordneter Dr. Keller, ich glaube, das Hohe Haus wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ihren Vorsatz, sich kurz zu fassen, auch verwirklichten. Das gilt für Sie wie für die folgenden Redner.
Ich habe in Aussicht gestellt, daß ich einem Ende der Beratung keine großen Schwierigkeiten machen würde. Ich bin im übrigen auch schon sehr weit gekommen.
— Herr Kollege, solche Dinge muß man auch einmal aussprechen. Ich glaube, daß sie manchmal zuwenig angesprochen werden.
Ich wollte noch sagen, daß die Umsiedlung zu einem neuen Gedanken führen sollte — vielleicht auch bei dem Kollegen, der eben den Zwischenruf gemacht hat—, ob man sie nicht zweckmäßiger gestalten könnte, ob man die Mittel, die wir von Bundes wegen in einem großen Umfang bereitstellen, immer noch dazu verwenden sollte, die Menschen von Land zu Land hin- und herzuschieben, oder ob es nicht besser wäre, sie mit Mitteln des Bundes innerhalb des eigenen Landes umzusetzen. Ich glaube, Herr Kollege, der Sie so sehr auf die Zeit drängten, daß man bei Ihren Kollegen in Schleswig-Holstein, in Bayern und in Niedersachsen für diesen Gedanken großes Verständnis aufbringen wird, weil nämlich diese Länder damals eine große Vorbelastung getragen haben, weil sie seit 1945, als es noch keinen Bund und keine Bundesmittel gab, mit der Aufnahme des Stromes, der ins Land hereinkam, fertig werden mußten und mit eigenen Mitteln fertig geworden sind. Es wäre vielleicht sinnvoller, die viel einfacheren Verschiebungen innerhalb des Landes als die in ihrem Verlauf reibungsvollere und unsicherere weitere Wanderung von Land zu Land mit Bundesmitteln zu unterstützen.
Vielleicht ist hier — das ist ein kurzer politischer Hinweis — auch einmal eine Betrachtung am Platze, ob nicht der Föderalismus, der gerade auf dem Gebiete der Umsiedlung unsägliche Schwierigkeiten, ob er das wollte oder nicht, bereitet hat, nicht in seinem Grunde, sondern in seinem Stil einmal etwas anders empfunden und gelebt werden sollte und daß Föderalismus doch nicht bedeuten sollte, daß die wirtschaftlich stärkeren Länder den wirtschaftlich schwächeren Ländern an der Zonengrenze bei ihren berechtigten Anliegen so die kalte Schulter zeigen, wie es ab und zu der Fall gewesen sein soll. Ich sagte etwas vom Stil. Wir sagen nichts gegen den Föderalismus — denn wir achten das Grundgesetz —, und er mag da und dort seinen sehr gesunden und richtigen Kern haben. Aber es kommt darauf an, wie man diese Dinge praktiziert. Wenn man hört und liest, daß im Zuge von Verwaltungsabkommen zwischen dem einen und dem anderen Land oder Ländchen „Staatsverträge" abgeschlossen werden — in einer Zeit, in der wir Europa neu bauen wollen —, oder wenn man durch Bonn geht und glaubt, man wäre in das Botschaftsviertel hineingekommen, in dem ein deutsches Land beim Bund seine Botschaft unterhält, dann muß man wohl sagen, daß das nicht richtig ist.
Ich darf kurz sagen, daß wir bezüglich der Sowjetzonenflüchtlinge wünschen, daß endlich ein-
mal die sehr verstreuten Maßnahmen, die unübersichtlich und damit auch wenig wirksam sind — weniger wirksam jedenfalls, als sie es sein sollten —, in einem einheitlichen Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Sowjetzonenflüchtlinge zusammengefaßt werden sollten.
Noch einen Gedanken zu ,den 131ern, den vertriebenen und verdrängten Beamten! Hier ist, glaube ich, einmal ein Anliegen auszusprechen, das bisher wenig Fürsprecher gefunden hat.
Es geht darum, daß in den Fragen der 131er — die Unterbringung ist ja nicht so schnell vorwärtsgegangen, wie wir es uns alle schon wegen der Ersparnis, die damit verbunden gewesen wäre, gewünscht hätten — eine Ungerechtigkeit beseitigt wird, die auf dem Gebiete der Übergangsversorgung einen Teil der Betroffenen trifft, den großen Kreis der Menschen, die damals nicht im Schoße des Reiches, etwa in den Gebieten jenseits der Oder und Neiße oder Ostpreußens, sondern vor den Toren des deutschen Vaterlandes gelebt haben und die deswegen die 10-Jahres-Klausel für die Versorgung einfach deswegen nicht erfüllen können, weil sie damals wahrscheinlich — jeder, der die Verhältnisse kennt, wird das bestätigen — nur zwei Möglichkeiten hatten: entweder nicht Deutsche zu bleiben oder darauf zu verzichten, nach ihren Fähigkeiten und ihrer Vorbildung im öffentlichen Dienst Aufnahme zu finden. Ich glaube, es ist keine Ungerechtigkeit, wenn man sagt, daß hier Abhilfe geschaffen werden müßte in dem Sinne, daß die Klausel für diejenigen, die ich eben ansprach, im Hinblick auf die erst späte Eingliederung in das Deutsche Reich verkürzt wird. Denn man kann nicht sagen, es würde ein Ungleiches geschaffen; man muß vielmehr wohl sagen: wenn man von ungleichen Voraussetzungen auszugehen hat, muß man notwendigerweise auch zu ungleichen Folgerungen kommen.
In bezug auf die Entwicklung des auswärtigen Dienstes wollen wir nur sagen, daß wir uns dringend wünschen, daß in der Ostabteilung alles auf den notwendigen Stand gebracht wird und daß man dort, wenn die Dinge einmal zum Schwure kommen sollten — wir wünschen und hoffen es —, der Entwicklung wirklich vorbereitet gegenübersteht.
Der Luftschutz ist hier schon behandelt worden; und nun ein abschließendes Wort zu den Verträgen, zu der Wehrgesetzgebung, die uns ja in den nächsten Tagen im einzelnen beschäftigen wird. Ich möchte ganz deutlich herausstellen, daß sich meine Fraktion stetig zur Wehrbereitschaft und zu der Notwendigkeit bekannt hat, diese Dinge in Fluß zu bringen. Die Grundgesetzänderung hinsichtlich der Wehrpflicht ist von unserer Fraktion damals einstimmig angenommen worden. Aber wir sind dabei auch immer von einem ausgegangen — in aller Deutlichkeit —: daß die Voraussetzung der Wehrbereitschaft auch die Sicherheit des einzelnen, der Friede und der zukunftsträchtige Glaube an eine gesunde Gesamtentwicklung sein muß. Wir haben damals von den Herren Ministern Erhard und Schäffer sehr optimistische Worte gehört. Wir wünschen, wir könnten ihnen glauben. Wir sind immer sehr vertrauensvoll, manchmal ein wenig vertrauenselig gewesen. Wir wollen nur sagen: die soziale Sicherheit scheint uns mit der militärischen — Herr Dr. Vogel hat
das dankenswerterweise angesprochen — durchaus Hand in Hand gehen zu müssen. Das eine ohne das andere gibt es für uns nicht. Deswegen werden wir die Entwicklung auf diesem Gebiete, die gleichrangige und gleichzeitige Entwicklung der sozialen Sicherheit sorgsam beobachten. Für uns wird diese Entwicklung entscheidend sein.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie auf die Tatsache aufmerksam machen, daß die Fraktionen des Hohen Hauses darin einig waren, die Gesamtberatungen bis heute 21 Uhr abzuschließen. Im Hinblick darauf darf ich meine Bitte an die gemeldeten Redner und an die Abgeordneten, die noch reden wollen, wiederholen, sich im Rahmen des Möglichen kurz zu fassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde haben nicht den Ehrgeiz, zu all den wohldurchdachten Vorschlägen, die bereits bei der allgemeinen Debatte für die Zuständereform des Haushaltsrechts, der Haushaltspolitik gemacht worden sind, noch einen fünften Vorschlag hinzuzusetzen.
Wir beschränken uns auf die grundsätzliche Erklärung, daß die Deutsche Partei diesem Haushaltsplan ihre Zustimmung geben wird. Wir beschränken uns auf die Erklärung zur Besinnung, daß neben die Zuständereform und all die Einzelfragen, die hier angeschnitten worden sind, im Sinne der Ausführungen des verehrten Kollegen Dr. Vogel auch eine Gesinnungsreform gehört, die er in die Worte gekleidet hat, daß genau so wichtig wie der Geist der Beratung — sowohl im Haushaltsausschuß wie im Hause selbst — der Geist der Motive ist, die an die ganze Finanzpolitik und Haushaltspolitik herangebracht werden, und daß das Herbeiführen einer Gesinnungsreform genau so wichtig ist wie all die formellen und materiellen Vorschläge zur Zuständereform.
Über die verschiedenartigen Motive, aus denen Ansprüche Forderungen, Wünsche und sonstige Probleme an die Haushalts- und Finanzpolitik herangebracht werden, könnten wir sehr vieles sagen. Aber angesichts der vorgerückten Stunde beschränken wir uns darauf, zu erklären, daß wir über Echtheit und Unechtheit, über Glaubwürdigkeit und Unglaubwürdigkeit dieser Motive zu gegebener Zeit auch in diesem Hohen Hause noch manches zu sagen haben werden.
Ich darf annehmen, daß der Beifall des Hohen Hauses nicht nur dem Inhalt, sondern auch der kurzen Form der Rede gegolten hat!
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft. Meldet sich sonst noch jemand zum Wort zur allgemeinen Aussprache? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung des Haushaltsgesetzes 1955 in der dritten Beratung. Ich rufe auf den § 4 a Umdruck 463*). Das Wort hierzu wird
*) Siehe Anlage 32.
nicht mehr gewünscht? — Doch! Herr Abgeordneter Dr. Dresbach!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich weder zur Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr gehöre noch beim Deutschen Beamtenbund aktiv bin, ist das Hohe Haus vielleicht geneigt, mich als Unparteiischen in der Partie anzusehen, die jetzt gegen meinen Freund Brese gefochten werden muß.
Lieber Freund Brese, der § 4 a, der auf Ihren Antrag in das Haushaltsgesetz eingefügt worden ist, stellt einen Stellenplanmechanismus dar, der nicht in Realition zu den Funktionen der Verwaltung, zu ihren Aufgaben steht.
Wenn das auch schon in der Vergangenheit mit —schlechtem — Erfolg erprobt wurde, so ist es doch einigermaßen ungewöhnlich, den Stellenplan auf Zufälligkeiten wie Tod, Erreichen der Altersgrenze, Versetzung usw. abzustellen! Meine Damen und Herren, wo stark belastete Behörden vorhanden sind, dürfte dieser § 4 a kaum durchführbar sein; und wo Behörden im Aufbau sind, wie der Auswärtige Dienst oder demnächst auch die Wehrverwaltung, ist er einfach untauglich. Dort aber, wo Behörden in ihren Funktionen im Abbau sind, genügt er einfach nicht!
Meine Damen und Herren, als unser Freund Erhard seinerzeit die Entwirtschaftung und damit die größte Verwaltungsvereinfachung, die wir nach diesem Kriege erlebt haben, durchführte, hätte ein solcher § 4 a nicht genügt; denn da ging es noch sehr viel rascher. Die beste Verwaltungsvereinfachung, meine Damen und Herren, sehe ich persönlich in einer möglichst freien Wirtschaftspolitik!
Dazu nachher noch einige Worte.
Meine Damen und Herren, Herr Brese, dieser schematische Personalabbau ist in den zwanziger Jahren schon einmal versucht worden, mit sehr mangelhaftem Erfolg. Die Menschen, die damals Zeitgenossen waren — d. h. nicht nur lebten, sondern auch ein bißchen mitdachten und miterleben konnten; dazu gehört ein etwas vorgerücktes Alter, wie ich es habe —, werden es Ihnen gern bestätigen.
Aber nun etwas zur SPD! Sie haben ja den Antrag Brese unterstützt, lieber Freund Schoettle, weil Sie uns ein bißchen ärgern wollten.
Mein lieber Freund Schoettle, dort, wo ihr die Macht habt — in den Ländern und in den Gemeinden und in den Gemeindeverbänden —, seid ihr ja viel zu vernünftig, um solchen Personalschematismus mitzumachen.
Jedenfalls kann ich aus meiner Vergangenheit als Landrat sagen — da ist ja einer hier bei euch, Verzeihung, daß ich so vertraulich werde: bei Ihnen,
der die Zeit noch miterlebt hat —: wir waren doch so Hand in Hand damals in einer Art großer Koalition in Gummersbach drüben, rechts des Rheins, und wir waren viel zu klug, um einen solchen Personal- und Stellenplanautomatismus mitzumachen.
Meine Damen und Herren, Herr Brese, ich warne Sie auch vor einem allzu starken Personalabbau in der öffentlichen Verwaltung. Der Mittelstand sieht in den Beamtengehältern eine ständige Kaufkraft,
und ich habe es persönlich erlebt, daß, wenn ich schon mal Dienststellen auflösen wollte — damals, wo man by order of Military Government als Landrat so viel „Macht" hatte —, dann der Mittelstand und vor 'allen Dingen die Gastwirte
sehr auftraten und dagegen protestierten.
Meine Damen und Herren, worauf es uns bei der Verwaltungsvereinfachung ankommt, ist: Abbau der Funktionen, und 'deshalb kommt es auf eine scharfe, kritische Beurteilung jedes Gesetzentwurfs an, ob dieser Gesetzentwurf neue Funktionen und der Verwaltung eine neue Komplikation bringen wird.
Im übrigen darf ich feststellen: die größten Verwaltungskomplikationen der letzten Jahrzehnte sind durch Kriegsvorbereitungen, Kriege und Kriegsliquidationen gekommen, nicht etwa durch programmatischen Sozialismus oder sonstwie, sondern durch die Staatsvorsorge, die durch die Kriege so aufgebläht worden ist.
Und nun, mein lieber Freund Brese, treten wir doch mal in ein Gespräch ein! Demnächst wird jeder Gesetzentwurf zunächst mal beleuchtet, ob er eine Vermehrung der Verwaltungsfunktionen bringt, und da werden wir zunächst mal den Paritätsgesetzentwurf der Landwirtschaft vornehmen,
bevor wir solche Dinge beurteilen und durchführen. Funktionsabbau: dazu gehört im Einzelfall Courage. Die haben Sie bestimmt, lieber Brese. Aber manchmal sehen solche Anträge wie „ein allgemeiner Personalabbau" oder „Verwaltungsvereinfachung durch eine hohe Kommission" — möglichst noch nach Vorbild einer königlichen Kommission — aus wie ein Ausweichen vor den wirklichen Erfordernissen einer Verwaltungsvereinfachung, d. h. Abbau der Funktionen!
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was den letzten Satz des Herrn Kollegen Dresbach betrifft, so bin ich absolut mit ihm einverstanden, und ich glaube, ich habe deutlich auch in meinen eigenen Ausführungen zum Ausdruck gebracht, daß es um den Abbau der Funktionen, um eine andere Verteilung der Aufgaben geht. Aber, lieber Kollege Dresbach, daß ausgerechnet Sie das Kind mit dem Bade ausschütten! Ja, glauben Sie, wir hätten nur an die Propaganda oder nur daran gedacht, Sie zu ärgern, als wir dem Antrag Brese zustimmten? Nehmen Sie die Dinge
doch auch einmal so, wie sie wirklich sind! Glauben Sie denn tatsächlich, daß, wenn Sie in diesem einen Haushaltsjahr — und dafür gilt ja zunächst mal dieser § 4 a — den Versuch machen, auf diese Weise zu drosseln, dann die Welt einstürzt? Das können Sie doch niemand weismachen! Im nächsten Jahr können wir uns überlegen, was die Praxis ergeben hat. Kein Mensch wird so unvernünftig sein, zu sagen, man müsse diese Geschichte ganz schematisch durchführen ohne Rücksicht darauf, ob die Verwaltung funktionsfähig ist oder nicht. Das ist doch nicht gemeint. Ich würde es auch im Interesse 'dieses Hauses für sehr zweckmäßig halten, wenn es einmal ein Exempel statuierte, daß man auch anders kann.
Darum wäre ich offen gestanden sehr froh, wenn Ihre vielleicht gutgemeinte Absicht nicht verwirklicht würde.
Das Wort hat der Abgeordnete Brese.
Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegt der Antrag, der den gestern neu geschaffenen § 4a wieder beseitigen soll. Ich bin froh und glücklich, muß ich sagen, daß kein Mitglied des Haushaltsausschusses diesen Gegenantrag unterzeichnet hat, und ich möchte hier eine Erklärung abgeben, weil ich immer wieder gefragt werde: wie kommen denn gerade Sie dazu? Die Weisheit stammt nämlich nicht von mir, sie stammt von den Mitgliedern des Haushaltsausschusses. In vielen Gesprächen mit meinen Kollegen aus der Opposition und aus der Koalition habe ich immer wieder festgestellt, daß gerade ein solcher Paragraph als die einzige Möglichkeit angesehen wird, hier einmal einen Stopp zu erreichen. Dadurch fällt die Welt nicht ein.
Herr Dr. Dresbach, ich muß Ihnen sagen, ich bin wirklich nicht beamtenfeindlich. Ich bin selbst fünf Jahre Beamter gewesen, und zu meinem Freundeskreis gehören sehr viele Beamte. Gerade aus den Kreisen der Beamten kommt mir immer wieder die Sorge zu Ohren: Wird nicht der ganze Beamtenstand dadurch verwässert, daß ihr solche Gesetze macht — da haben sie ganz recht —, die diesen großen Verwaltungsaufwand erfordern? Ich habe auch in der Zeitung gelesen, daß der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Herr Schäfer, selbst seine warnende Stimme gegen 'die immer mehr zunehmende Bürokratisierung erhoben hat. Daß sie immer mehr zugenommen hat, ist Ihnen doch auch klargeworden. Es mögen ja schon Versuche gemacht 'worden sein; sie sind 'alle untauglich gewesen. Machen wir jetzt einmal diesen Versuch!
Die Zahlen sagen Ihnen folgendes — wir haben 5500 Statistiker in Deutschland, die das errechnet haben, und ich habe mir vor allem drei Zahlen eingeprägt —: Wir verbrauchen ein Drittel unseres Sozialprodukts in der öffentlichen Hand. Von den rund 50 Milliarden DM öffentlichen Ausgaben wird jede vierte Mark für die Verwaltung ausgegeben. Dahin hat eine 'dauernd steigende Entwicklung der letzten Jahre geführt. Im Jahre 1928 hatten wir im ganzen Deutschen Reich einen Verwaltungsaufwand von 4,6 Milliarden RM. In den Versammlungen der Nazis vor 1933 wurde nur von Bonzen und von dem aufgeblähten Verwaltungsapparat gesprochen. Wir kennen doch noch die Propaganda, die uns damals immer von denen entgegengeschleudert wurde, die gegen das demokratische System wühlten. Leider ist damals so mancher auf diesen Leim gekrochen. Aber im „Dritten Reich" wurden die Ausgaben weiter erhöht, und zwar auf 6,4 Milliarden RM. Heute beträgt in diesem Lande — das ist vorhin auch gesagt worden —, wo der Personalbestand unserer Behörden so groß ist wie früher im ,;Großdeutschen Reich", 'der Aufwand 13,2 Milliarden DM. Mein Kollege Schoettle hat hier die Zahl von 17,5 Milliarden DM für den gesamten Verwaltungsaufwand angeführt; darin sind Bahn und Post enthalten.
Meine Damen und Herren lehnen Sie d'en Antrag auf Umdruck 463 ab und folgen Sie meinem Änderungsantrag! Es ist der erste Versuch zur Besserung.
Wird noch das Wort zum Umdruck 463 gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich darf auch hierüber die Aussprache schließen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dresbach und Genossen — Umdruck 463 *) — auf Streichung des § 4 a zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; 'der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrages Drucksache 1500, die Anlage zum Haushaltsgesetz 1955 - Gesamtplan — anzunehmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich 'bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zum Entschließungsantrag Umdruck 381 **). Das Wort hat der Abgeordnete Traub.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will Sie nicht sehr langweilen. Ich will nur feststellen, daß sich der Haushaltsausschuß sowohl im vergangenen Jahr als auch in diesem Jahr damit beschäftigt hat, eine Neuregelung für die Gewährung von Zuschüssen zur Gemeinschaftsverpflegung bei den Bundesbehörden zu schaffen. Leider hatte der Haushaltsausschuß im vergangenen Jahr mit seinen Bemühungen keinen Erfolg. So haben sich die Damen und Herren des Haushaltsausschusses, die meisten wenigstens, zusammengeschlossen und Ihnen diesen Entschließungsantrag auf Umdruck 381 vorgelegt. Er enthält 5 Punkte.
Zu Punkt 3 dieses Entschließungsantrages darf ich nun im Namen meiner Parteifreunde Ritzel, Dr. Gülich und Ohlig folgendes erklären. Diese Ziffer 3 lautet:
*) Siehe Anlage 32. **) Siehe Anlage 30.
Zuschüsse dürfen nicht gezahlt werden, wenn an den betreffenden Orten von den dortigen kommunalen und Länderbehörden bisher keine Zuwendungen gewährt wurden. Sie dürfen nicht höher sein als die der kommunalen und Länderbehörden am gleichen Ort.
Diese Ziffer gibt zu Mißverständnissen Anlaß. Ich habe in den letzten Tagen mit einigen Damen und Herren gesprochen. Diese Ziffer könnte auch so aufgefaßt werden, daß beispielsweise in Städten, in denen bisher schon von den Bundesbehörden Zuschüsse zu der Gemeinschaftsverpflegung gewährt wurden, nicht aber von den kommunalen und von den Länderbehörden, diese Zuschüsse nicht mehr gewährt werden dürfen, wenn wir dem Entschließungsantrag zustimmen. Wir haben aber dort bereits die Gemeinschaftseinrichtungen usw. Ich glaube, wir können deshalb der Ziffer 3 des Entschließungsantrages in dieser Form nicht zustimmen. Hinzu kommt noch, daß z. B. die Richtlinien für die Gewährung dieser Zuschüsse auch für die Bahn und für die Post Gültigkeit haben. Dann könnten vor allem die Betriebsverwaltungen, die heute hier und morgen dort sind, die Bautrupps usw., künftig diese Zuschüsse nicht mehr bekommen, wie das bisher der Fall war.
Ich möchte daher erklären, daß die Antragsteller, die ich vorhin genannt habe, dieser Ziffer 3 ihre Zustimmung nachher nicht geben werden. Ich möchte auch Sie bitten, damit keine Verwirrung in der Verwaltung entsteht, dieser Ziffer 3 nicht zuzustimmen.
Ich darf den Herrn Präsidenten bitten, über den Entschließungsantrag einzeln nach den Ziffern abstimmen zu lassen.
Wird sonst das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Es ist gebeten worden, über die 5 Ziffern einzeln abzustimmen.
Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer der Entschließung bis mit Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Ziffer 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Ziffer 5. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 439*). Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit kommen wir zur
Zweiten Beratung des von der Fraktion des
GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Ge-
*) Siehe Anlage 31.
setzes über die Angleichung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr , Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß) (Drucksachen 1532, zu 1532). (Erste Beratung: 78. Sitzung).
Der Mündliche Bericht des Abgeordneten Schoettle ist bereits erstattet**), aber es ist noch nicht abgestimmt.
— Es ist mir vom Büro erklärt worden, daß noch nicht abgestimmt worden ist. Bei den vielen Abstimmungen, die wir im Laufe der letzten Tage gehabt haben, kann leicht ein Irrtum entstehen. Aber es ist tatsächlich noch nicht abgestimmt. Ich muß also abstimmen lassen. Der Ausschuß beantragt, den Gesetzentwurf Drucksache 1261 abzulehnen. Gemäß der Praxis des Hauses muß ich über den Gesetzentwurf selber abstimmen lassen. Ich darf die Abstimmung über die Art. I, II, III, IV, Einleitung und Überschrift in zweiter Beratung verbinden, nachdem das Wort nicht gewünscht wurde. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich darf bemerken, daß der Ausschußantrag lautet, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich kann aber nicht über den Ausschußantrag abstimmen lassen, sondern ich muß über das Gesetz abstimmen lassen. Wer den aufgerufenen Gesetzesbestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Dann bitte ich jetzt diejenigen, die sie im Sinne des Ausschußantrages abzulehnen wünschen, um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; sämtliche Bestimmungen sind abgelehnt.
Ich komme jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2, den Antrag Drucksache 940 für erledigt zu erklären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag Drucksache 940 ist für erledigt erklärt.
Ich komme zur Ziffer 3 des Ausschußantrags:
Der Bundestag wolle beschließen,
die Bundesregierung zu ersuchen,
die Verhandlungen mit den Ländern bezüglich der Angleichung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr weiterzuführen mit dem Ziele, eine Lösung dieser Frage im Zusammenhang mit der Neuordnung des Haushaltsrechts herbeizuführen.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses zum Entwurf einer Ergänzung (gemäß § 11 RWB) zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 1531, 1260).
Der Bericht des Abgeordneten Schoettle ist bereits erstattet. — Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Mündlichen Bericht des Haushaltsaus-
**) Siehe auch Schriftlichen Bericht, Anlage 34.
schusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Sturmflutschäden an der Nordseeküste (Drucksachen 1533, 1248).
Der Bericht des' Abgeordneten Dr. Conring ist erstattet. Aussprache hat stattgefunden. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, der Vorsitzende des Auswärtigen Auschusses hat mich im Namen seines Ausschusses gebeten, Ihre Zustimmung zu erwirken, folgende Vorlage sofort auf die Tagesordnung zu setzen und ohne Aussprache dem Ausschuß zu überweisen, damit dieser sich damit befassen kann:
Erklärung der Bundesregierung über die allgemeinen Rechte der dänischen Minderheit .
Wird gegen diesen Vorschlag Widerspruch erhoben? — Das ist nicht der Fall. Dann setze ich diesen Punkt hiermit auf die Tagesordnung. Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Wer der Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Das Wort zur Geschäftsordnung wünscht der Abgeordnete Cillien.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Koalitionsfraktionen beantragen wir für Montag, den 27. Juni 1955, 16 Uhr, eine Plenarsitzung mit Fortsetzung am Dienstag, dem 28. Juni 1955. Für die Tagesordnung beantragen wir als Punkt 1: Beratung des Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften , Drucksache 1467.
Über die Angelegenheit ist im Ältestenrat ausführlich gesprochen worden. Die Fraktionen sind gewiß durch ihre Vertreter unterrichtet, so daß sich eine weitere Begründung im Moment erübrigt.
Zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Schoettle das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion bitte ich, diesen Antrag abzulehnen. Zur Begründung führe ich folgendes aus:
Der Vorschlag, der hier gemacht worden ist, entspricht in keiner Weise dem bisherigen Gang der Verhandlungen über dieses Gesetz, das im Bundesrat mit gutem Grund als ein Drei-ParagraphenBlitzgesetz bezeichnet worden ist und das sowohl im Bundesrat wie in der Öffentlichkeit eine nahezu einstimmige Ablehnung erfahren hat, man kann geradezu sagen: eine vernichtende Kritik. Von den
Begleiterscheinungen bei der Behandlung im Bundesrat will ich ganz absehen; das würde zu weit führen. Man hätte erwarten dürfen, daß die Bundesregierung aus diesen Erfahrungen wenigstens den einen Schluß gezogen hätte, zunächst einmal das Gesetz anzuhalten und umzuarbeiten, um zumindest den stärksten Angriffen Rechnung zu tragen. Da sie das nicht getan und nachdem sie den Bundesrat beinahe überfahren hat, indem sie ihn in eine außerordentlich peinliche Zeitsituation gebracht hat und nun auch mit dem Bundestag auf diese Weise zu verfahren gedenkt, ist es ein Grund mehr, wie mir scheint, daß das Parlament selber sagen müßte, es wolle dieses Verfahren nicht mitmachen.
Der Gesetzentwurf ist, ohne daß er beraten worden ist, schon als schlecht erkannt. Ich glaube, das Haus sollte sich nicht von dem Argument beeindrucken lassen, daß man unter allen Umständen schon jetzt eine Entscheidung in dieser Frage herbeiführen müsse. Das steht nirgends geschrieben, und es läßt sich aus der aktuelle n politischen Situation nicht erklären.
Im übrigen, meine Damen und Herren: Der Bundestag hat seit langem über seine Zeit disponiert. Die Abgeordneten sind Verpflichtungen in ihren Wahlkreisen, in ihren privaten Beschäftigungen eingegangen. Immer wieder wird durch solche Husarenritte der Bundesregierung, denen sich die Mehrheit leider immer wieder fügt, alles über den Haufen geworfen, was die Fraktionen im Ältestenrat miteinander vereinbart haben.
Das muß irgendwann einmal ein Ende haben, und das Haus sollte es sich nicht länger gefallen lassen, daß es bei jeder Gelegenheit auf diese Weise in seinen eigenen Dispositionen gestört und über den Haufen gerannt wird.
Ich bitte Sie deshalb, diesen Vorschlag abzulehnen und es nicht mitzumachen, daß die kommende an sich sitzungsfreie Woche für diesen unheiligen Zweck herangezogen wird.
Meine Damen und Herren! Es wurde für uns und gegen den Antrag gesprochen. Das Wort wird auch nicht mehr begehrt. Ich kann daher zur Abstimmung kommen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist bekannt. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß die Sitzung des Petitionsausschusses morgen ausfällt.
Ich berufe die nächste Sitzung gemäß dem eben gefaßten Beschluß auf Montag, den 27. Juni 1955, 16 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.