Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Rede des Herrn Bundeskanzlers am 3. Dezember 1954 in Berlin .
Ich frage, ob das Wort zur Begründung der Großen Anfrage gewünscht wird. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brandt.
Brandt , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den einen und andern mag es vielleicht wundern, daß die sozialdemokratische Fraktion darauf bestanden hat, heute über eine Große Anfrage zu verhandeln, die das Datum des 7. Dezember 1954 trägt und die eine Rede des Herrn Bundeskanzlers in Berlin am 3. Dezember 1954 zum Gegenstand hat. Inzwischen haben sich bekanntlich Sozialdemokraten und, wenn ich so sagen darf, Kanzlerpartei in Berlin über eine gemeinsame Führung der Landespolitik verständigt, und es dürfte bekannt sein, daß ich diese Verständigung befürwortet habe und hoffe, sie möge nicht nur von vorübergehender Dauer sein. Inzwischen hat es auch Besprechungen zwischen dem neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin und dem Herrn Bundeskanzler gegeben. Wir haben mit Befriedigung gehört, daß der Kanzler eine verstärkte Wirtschaftshilfe des Bundes für den Aufbau Berlins zugesagt habe. Er habe, so konnten wir vernehmen, sogar zugesagt, daß er den Regierenden Bürgermeister von Berlin zu gelegentlichen außenpolitischen Gesprächen empfangen wolle.
I Mich gelüstet es nun wahrlich nicht, das etwa
inzwischen gewachsene Gras wieder abzufressen.
Die sozialdemokratische Fraktion hält es jedoch für unerläßlich, zur Begründung ihrer vor zweieinhalb Monaten eingebrachten Anfrage einige Feststellungen zu treffen. Sie hätte darauf allenfalls verzichten können, wenn der Herr Bundeskanzler den Irrtum, dem er offensichtlich erlegen war, in angemessener Form berichtigt hätte.
Worum geht es? Es geht nicht darum, daß der Herr Bundeskanzler eine Wahlrede gehalten hat. Wir alle halten Wahlreden,
und wir legen gewiß nicht alles, was wir sagen, auf die Goldwaage.
Der Herr Bundeskanzler möge jedoch seine Stellungnahme zu unseren Beanstandungen nicht auf den Hinweis beschränken, wir seien allzumal Sünder
und auch ihm sei — was ich gar nicht rundweg bestreiten will — in der Hitze des politischen Gefechts schon Unrecht widerfahren. Immerhin, die Aussage des Herrn Bundeskanzlers kann ja wohl
nicht mit der irgendeines Wahlredners gleichgestellt werden, und ihm sollte ja wohl auch geläufig sein, daß wir uns in Berlin manches nicht leisten können, wovon man im Westen glaubt, man könne es sich leisten.
Was hat der Herr Bundeskanzler im konkreten Falle am 3. Dezember in Berlin gesagt? Ich stütze mich auf den stenographischen Bericht seiner Rede, wie er vom Landesverband Berlin der Christlich-Demokratischen Union herausgegeben wurde. Darin heißt es:
Stellen Sie sich einmal vor — gegen die Natur muß man sich das vorstellen, meine Damen und Herren —, die Sozialdemokratie würde siegen bei dieser Wahl und wir würden dann einen sozialdemokratischen Regierenden Bürgermeister hier haben,
einen sozialdemokratischen Senat, die sozialdemokratischen Bezirksbürgermeister und wer es alles sein würde. Wie können dann diese Herren im Verkehr mit den Besatzungsmächten erwarten, Vertrauen und Hilfe zu finden?
Welchen Sinn konnte eine solche Aussage haben? Doch nur den: Wählt um Gottes willen nicht sozialdemokratisch, denn die Sozialdemokraten werden bei den Westmächten keine Unterstützung finden; dann sitzt ihr auf dem Trockenen, und Berlin ist vielleicht verloren.
Ergebnis: Unruhe, Unsicherheit, Furcht, also gerade das, was wir in Berlin nicht gebrauchen können.
Für eine solche Art des innerpolitischen Kampfes
ist Berlin in Deutschland der ungeeignetste Boden.
Wir haben dort unsere im einzelnen schwerwiegenden Meinungsverschiedenheiten. Aber wir haben uns dort auch trotz mancher entgegenstehender Tendenzen über alle diese Jahre hinweg den Sinn für das Gemeinsame bewahrt,
für das Gemeinsame derer, die auf dem Boden demokratischer Rechtsstaatlichkeit stehen.
Wir haben uns bemüht, über den Wandel der Jahre das Wesentliche dessen zu retten, was uns die Begegnung mit einem unerbittlichen Widersacher vor, während und nach der Blockade gelehrt hat, und wir können nicht ertragen, daß die Grundlagen dieser unserer Arbeit mutwillig angegriffen und in Frage gestellt werden.
Ich bitte auch, meine Damen und Herren, Verständnis dafür aufbringen zu wollen, daß die Sozialdemokraten in Berlin auf die Rede des Herrn ' Bundeskanzlers so stark reagiert haben. Wir haben — ich darf das in aller Bescheidenheit sagen — unsern Anteil an der Auseinandersetzung der vergangenen Jahre gehabt, eine Auseinandersetzung, die einmal als ein Kampf um die Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Sozialdemokratischen Partei begann.
Wir haben nie gesagt, wir allein hätten Berlin davor bewahrt, im Morast einer neuen Totalität zu versinken. Wir haben es gemeinsam mit den anderen demokratischen Kräften getan. Wir hätten es ohne die Hilfe unserer Freunde in der demokratischen Welt nicht tun können; aber wir haben unsern wesentlichen Beitrag dazu geleistet, wie es in einer Stadt von der Struktur Berlins auch gar nicht anders sein konnte. Wir haben Berlin mit den anderen demokratischen Kräften in Berlin gehalten, als es noch keinen Bund und keine Bundesregierung gab.
Ernst Reuter hat nicht ohne Erfolg um das Vertrauen der Demokratien diesseits und jenseits des Ozeans gerungen, als es noch keinen Außenminister der Bundesrepublik Deutschland gab.
Der Bund, den és noch gar nicht gab, hat uns nicht zur Unterstützung durch die Alliierten verhelfen können. Die Berliner haben dem Bund das moralische Kapital guter Freundschaft mit den Feinden von gestern zuführen können.
Ein Zweites. So wie es der Herr Bundeskanzler am 3. Dezember getan hat, kann man sich bei allen Gegensätzen, die bestehen mögen, mit den Sozialdemokraten — noch dazu in Berlin — nicht auseinandersetzen.
Der Bundeskanzler hat gemeint, es wäre gegen die Natur, sich zur Sozialdemokratie zu bekennen.
Aber, verehrter Herr Bundeskanzler, wir leben nicht mehr im Kaiserreich,
vor dem ersten Weltkrieg,
und auch der Herr Bundeskanzler als anerkannter Meister der Vereinfachung
sollte sich vergegenwärtigen, daß das Schema einer primitiven Aufteilung: hie Sozialisten — hie Antisozialisten, der politischen Realität schon längst nicht mehr gerecht wird.
Wir haben in diesen Jahren so viel von der Integration gehört. Wie wäre es, wenn wir dabei nicht die Integration der im Sinne der Demokratie tragenden Kräfte des eigenen Volkes vergäßen?
Das geht nicht. Das erreichen wir nicht, wenn man die eine politische Hauptrichtung in unserem Volk mit dem Stempel der Minderwertigkeit versieht und ihr den Platz am Tisch der Gesellschaft streitig macht.
Noch ein Drittes. Aus öffentlichen Erklärungen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin ist erkennbar geworden, der Herr Bundeskanzler habe sich auf gewisse Berichte über Unterhaltungen mit Alliierten berufen, Unterhaltungen, bei denen kritische Bemerkungen zur alliierten Politik gefallen seien. Was auch immer in Berichten über Tischgespräche gestanden haben mag, sie können in keiner Weise solche Schlußfolgerungen rechtfertigen, wie sie der Herr Bundeskanzler in seiner Berliner Wahlrede gezogen hat. Die zuständigen alliierten Stellen haben denn auch unmittelbar erklärt, ihnen seien keinerlei Unterlagen bekannt, die zu einer solchen Äußerung hätten Anlaß geben können.
Die Kommandanten und andere Vertreter der Westmächte versicherten im Gegenteil, daß sie auch weiterhin innerhalb der Grenzen der erklärten alliierten Politik mit den vom Volke gewählten Vertretern gemeinsam für das Wohl Berlins wirken wollten.
Vielleicht sagt der Herr Bundeskanzler, er sei das Opfer einer falschen oder mißverständlichen Berichterstattung geworden.
So war es ja wohl auch bei gewissen Behauptungen vor der Wahl vom September 1953.
Der Herr Bundeskanzler sollte seinen Quellen gegenüber kritischer sein.
Auch er sollte bedenken, daß es Höheres gibt als den politischen Augenblickserfolg. Vielleicht darf ich das sagen, obgleich ich aus der Perspektive des Herrn Bundeskanzlers gewissermaßen noch in den politischen Kinderschuhen stecke: Niemand steht so hoch, als daß er nicht seine Irrtümer eingestehen könnte.
Niemand ist so groß, daß er sich erniedrigte, wenn es um die Wahrheit geht.
Im innerpolitischen Kampf steht Meinung gegen Meinung. Hier geht es um die Abwehr von Behauptungen, die das Ringen um Meinungen nur verzerren können und die der demokratischen Sache nur schweren Schaden zufügen können. Das wollen wir nicht. Dagegen wehren wir uns.
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Herr Kollege Brandt hat einige allgemeine Ausführungen gemacht, denen ich absolut zustimme, und zwar: daß die Wahrheit am höchsten steht.
Aber, meine Damen und Herren, zur Wahrheit gehört auch, daß man vollständig zitiert
und daß man richtig zitiert.
— Aber, meine Damen und Herren, ich habe den Redner mit keinem Wort unterbrochen; warten Sie mit Ihrer Kritik, bis ich fertig bin!
Ich stelle zunächst fest, daß ich niemals gesagt habe — wie Herr Kollege Brandt behauptet —, daß die Sozialdemokratie minderen Wertes sei oder so etwas Ähnliches. Ich habe gesagt — und augenscheinlich liegt Herrn Brandt ja doch der Stenographische Bericht vor —: Stellen Sie sich einmal vor — gegen die Natur muß man sich das vorstellen, meine Damen und Herren —, die Sozialdemokraten würden fegen! — Das habe ich gesagt.
— Sonst habe ich nichts gesagt!
— Ich werde schon weiterzitieren, seien Sie ganz ruhig, seien Sie ganz unbesorgt!
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Brandt hat noch ein anderes Wort zitiert, das ich völlig unterstreiche: daß Berlin eine Stadt sei von einer Struktur, bei der — er hat es nicht wörtlich so gesagt, ich erganze es — eine Zusammenarbeit aller Parteien das einzig Mögliche und das einzig Richtige sei. Ich unterschreibe das durchaus, und ich habe dementsprechend auch gehandelt!
Aber, meine Damen und Herren, nun will ich
doch einmal einen Bericht vorlesen, den mir Herr
Vockel erstattet hat, als ich nach Berlin kam. Er
hat genau dasselbe vorher dem Kollegen Ollenhauer gesagt. Herr Vockel hat folgendes gesagt:
Ich habe am 3. Dezember vormittags in einem
längeren Gespräch mit Herrn Ollenhauer als
meine Meinung geäußert, daß ein je nach dem Wahlausfall von der Sozialdemokratie gestellter Regierender Bürgermeister in entscheidenden Fragen der Außenpolitik nicht die krasse Parteilinie in öffentlichen Äußerungen und vor allem auch in den zahlreichen internen Gesprächen mit Vertretern ausländischer Mächte vertreten könne und dürfe, sondern solche Äußerungen auf eine vertretbare Form bringen müsse. Als Beispiel habe ich auf das Verhalten des verstorbenen Regierenden Bürgermeisters Reuter hingewiesen.
Der als Regierender Bürgermeister von der Sozialdemokratie vorgesehene Dr. Suhr hat, wenn ich nur die letzten Monate berücksichtige, in solchen internen Gesprächen seine außenpolitische Auffassung, welche im ganzen der Auffassung der SPD entsprach, vertreten. Ich habe ihm bei einem derartigen Gespräch mit Herrn Dr. Conant sowie bei einem aus einem anderen Anlaß geführten Gespräch mit den Berliner Stadtkommandanten persönlich widersprochen und die Auffassung der Bundesregierung entgegengestellt. Ich habe diese Äußerungen von Herrn Dr. Suhr in seiner damaligen Stellung als Mitglied der Oppositionspartei in Berlin nicht als besonders tragisch empfunden. Anders ist es selbstverständlich, wenn Herr Dr. Suhr in amtlicher Eigenschaft als Regierender Bürgermeister derartige Auffassungen vertreten würde.
Herr Ollenhauer hat sich diese meine Bemerkungen ohne Widerspruch angehört, ohne aber auch die Richtigkeit meiner Meinung anzuerkennen. Am gleichen Tage habe ich den Herrn Bundeskanzler über diese meine Unterredung mit Herrn Ollenhauer unterrichtet und dabei dem Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht, daß ich es für richtig halten würde, daß er ein geordnetes Gespräch mit Dr. Suhr führen würde, falls dieser nach der Wahl Regierender Bürgermeister werden sollte. Der Bundeskanzler hat ein solches Gespräch für notwendig gehalten und sich dazu bereit erklärt.
Ich habe dann in einer Wahlversammlung die Ausführungen gemacht, wie es scheint; ich hatte kein schriftliches Exposé bei mir. Aber es ist ja mitstenographiert worden. Nun hat Herr Kollege Brandt daraus zitiert. Er hat aber übersehen, den letzten Satz zu zitieren. Ich habe gesagt:
Wie können sie das
— d. h. Vertrauen und Hilfe zu finden —
erwarten, wenn sie wissen, daß die offizielle sozialistische Stellungnahme gegenüber der Außenpolitik ist: keine Bündnispolitik!?
Ich würde es auch für sehr bedauerlich halten, wenn gegenüber irgendwelchen Vertretern der Besatzungsmächte in Berlin — und Berlin, das betone ich, nimmt eine besondere Stellung ein — der heutige sozialistische Standpunkt, mit dem Westen kein Bündnis abzuschließen, betont würde.
Ich bleibe dabei, daß man nicht z. B. Herrn Dr. Conant oder irgendeinem anderen namhaften amerikanischen oder britischen Politiker gegenüber sagen kann: „Wir wollen keine Bündnisse
mit dem Westen, aber wir wollen eure Unterstützung".
Nun möchte ich noch folgendes hinzusetzen. Die Anfrage, die namens der SPD-Fraktion an mich gestellt worden ist, lautet ja ganz anders:
„Wir fragen die Bundesregierung", heißt es da. Was die Bundesregierung mit meiner Rede, die ich als Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands gehalten habe,
zu tun hat, das überlasse ich Ihrem Urteil.
— Sie haben die Bundesregierung gefragt und nicht den Bundeskanzler.
Es heißt:
Auf welchen Mitteilungen der Besatzungsmächte beruht die Behauptung des Herrn Bundeskanzlers am 3. Dezember 1954 in Berlin, wonach ein sozialdemokratischer Senat des Landes Berlin nicht erwarten könne, Vertrauen und Hilfe bei den Besatzungsmächten zu finden?
Ich habe Ihnen eben gesagt, was ich ausgeführt habe. Ich habe niemals auch nur andeutungsweise gesagt, daß ich mit einem Vertreter der Besatzungsmächte überhaupt ein Wort darüber gesprochen habe. Ich werde mich schwer hüten, etwas Derartiges zu tun.
Im übrigen wird, glaube ich, die heutige Große Anfrage am besten dadurch beleuchtet, daß zwischen mir und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Herrn Suhr, nach seiner Wahl eine Aussprache stattgefunden hat, die sich gerade auf die außenpolitische Situation Berlins bezogen hat, nicht, wie Herr Brandt eben gesagt hat, auf wirtschaftliche Hilfen — das ist später gewesen —, sondern die sich gerade bezogen hat auf die außenpolitische Haltung Berlins im Hinblick auf seine besondere Situation. Diese Aussprache mit Herrn Suhr hat zur beiderseitigen Zufriedenheit geendet. und Herr Suhr hat erklärt, er werde seine Fraktion bitten, doch diese Anfrage zurückzuziehen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage, ob das Wort zur Besprechung gewünscht wird.
— Es wird Besprechung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Wer wünscht das Wort? — Der Herr Abgeordnete Mellies hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hätte es begrüßt, wenn eine Aussprache nach der Beantwortung der Großen Anfrage nicht notwendig gewesen wäre.
— Ich glaube, meine Damen und Herren, es handelt sich hier um eine Angelegenheit, die wirklich sehr ernst ist
und die man nicht mit einfachem Gelächter von Ihrer Seite aus erledigen kann.
Nach der Beantwortung durch den Herrn Bundeskanzler bin ich aber doch gezwungen, namens der sozialdemokratischen Fraktion einige Berner-kungen zu machen. Herr Bundeskanzler, über die Aktion der sozialdemokratischen Fraktion hier im Parlament und über das, was nach ihrer Ansicht vom Standpunkt der Bundesrepublik und der Bundespolitik aus notwendig ist, entscheidet nicht der Regierende Bürgermeister von Berlin, sondern die sozialdemokratische Fraktion hier des Bundestages.
Ich will mich nicht auseinandersetzen mit Ihrer großen Vereinfachung, die Sie hier wieder vorgenommen haben,
daß die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion einfach bedeutet: keine Bündnisse, aber Unterstützung. Damit werden wir uns ja in der nächsten Woche auseinandersetzen, und es wird dann auch hier im Hause klarwerden, daß ein wesentlicher Unterschied besteht, ob man von Militärallianzen oder von Verbindungen und Bündnissen überhaupt spricht.
Der Herr Bundeskanzler hat zwar gesagt, Herr Brandt habe nicht vollständig zitiert. Aber der Satz — ich zitiere nur den einen Teil — „Wie können denn diese Herren im Verkehr mit den Besatzungsmächten erwarten, Vertrauen und Hilfe zu finden" ist doch nun einmal von Ihnen geprägt worden, Herr Bundeskanzler, und ich glaube, in einem besetzten Lande haben wir alle Ursache, darauf zu achten, daß die dem Volke verbliebenen oder durch die Besatzungsmächte wiedergegebenen Rechte nicht gemindert oder verkümmert werden.
Wenn gegenüber einer Besatzungsmacht auch nur die Vermutung bestände, daß sie den durch die Wahl ausgesprochenen Willen des Volkes nicht respektieren würde, hätten alle demokratischen Parteien die Pflicht und die Aufgabe, sich in der schärfsten Weise dagegen zu verwahren und dagegen zu protestieren.
Sie dürfen überzeugt sein, die Sozialdemokratische
Partei hätte in einem solchen Fall sofort gewußt,
was ihre demokratische Pflicht und Aufgabe ist.
Auf keinen Fall durfte aber doch eine solche Mitteilung verwendet werden, um für die eigene politische Partei einen Vorteil bei der Wahl zu erreichen.
Das war eine Schädigung der demokratischen Interessen im allgemeinen. — Herr Müller, Sie werden es vielleicht nicht begreifen. Aber das liegt letzten Endes nicht an uns, wenn Sie es nicht begreifen.
Der Herr Bundeskanzler hat hier selbst zum Ausdruck gebracht, daß von den Besatzungsmächten eine solche Meinung nicht geäußert war und daß er auch mit den Besatzungsmächten nicht darüber gesprochen hat. Aber diese Formulierung des Herrn Bundeskanzlers war doch auch eine Beleidigung für die Besatzungsmächte.
— Ich bedauere außerordentlich, wenn Sie dafür kein Verständnis haben. Denn darin liegt doch, daß der Herr Bundeskanzler den Besatzungsmächten zutraut, sie würden den durch die Wahl geäußerten demokratischen Willen des Volkes nicht respektieren.
Ich glaube, diese Dinge wiegen, wenn man sie nachträglich sieht, um so schwerer, weil nun das eingetreten ist, was sich der Herr Bundeskanzler nur gegen seine Natur vorstellen kann,
daß die Sozialdemokratische Partei nämlich eine Mehrheit hat. Aber damit muß sich ja der Herr Bundeskanzler nun schon einmal abfinden, und nach seinen letzten Ausführungen wird er das ja auch offensichtlich tun.
Meine Damen und Herren, man ersieht daraus, welche Folgen entstehen können, wenn solche leichtfertigen und durch nichts gerechtfertigten Behauptungen im Wahlkampf ausgesprochen werden.
Der Herr Bundeskanzler hat, wenn die Zeitungsmeldungen richtig sind, in der verflossenen Woche, als es um die Frage der parlamentarischen Staatssekretäre in Bonn ging, einmal davon gesprochen, daß hier in Bonn vor allen Dingen die parlamentarische Luft der britischen Hauptstadt fehlte. Nun, Herr Bundeskanzler, ich glaube, durch manche Vorgänge, vor allen Dingen aber auch durch diesen Vorgang tragen Sie wesentlich dazu bei, daß eine solche echte und gute parlamentarische Luft hier in Bonn nicht entstehen kann.
Und wenn sie nicht entsteht, dann hat davon den Schaden das gesamte deutsche Volk, hat den Schaden davon die Bundesrepublik und hat den Schaden die demokratische Entwicklung in der freien Welt. Und wenn Sie, meine Damen und Herren, heute glauben, solchen Äußerungen des Bundeskanzlers auch noch Beifall spenden zu müssen, eines Tages werden Sie vielleicht auch einmal mit einigem Entsetzen darüber nachdenken, welche Folgen aus solchen Formulierungen nachher entstanden sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lemmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man wird vielleicht verstehen daß es mir als einem Abgeordneten der Stadt
Berlin lieber gewesen wäre, auf diese Auseinandersetzung wäre verzichtet worden.
Ich bitte doch auch zur Kenntnis zu nehmen,
daß die Parteien in Berlin, daß das Berliner Abgeordnetenhaus nicht den Wunsch gehabt hat, sich mit der von der Sozialdemokratie beanstandeten Äußerung des Herrn Bundeskanzlers auseinanderzusetzen.
Wir haben darauf verzichtet, weil wir einmal berücksichtigen wollten, daß in den temperamentvollen Auseinandersetzungen eines Wahlkampfes nicht immer alles ganz glücklich formuliert wird.
Wir haben ferner berücksichtigt, daß die Sozialdemokratische Partei in Berlin immerhin mit einer gewissen Nuance zur Partei im Bundesgebiet als Trägerin des gemeinsamen Freiheitskampfes von uns gar nicht gekränkt werden konnte, —
Nuance insofern: als der Herr Bundeskanzler sich
an die SPD wandte, befand er sich mit seiner Mentalität in einer westdeutschen Auseinandersetzung,
während wir in Berlin nun einmal ein anderes politisches Klima haben. Ich glaube sogar, der Klimaunterschied ist mehr als eine Nuance.
Ich bitter fernerhin zu beachten, daß wir in unseren Berliner Auseinandersetzungen nicht nur ein anderes Klima haben, sondern auch andere Gegner anzusprechen haben, als das hier in der Bundespolitik der Fall ist. Ich möchte aber ausdrücklich feststellen, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender
der Christlich-Demokratischen Union immer Verständnis dafür gezeigt hat — und in dieser Weise auch die Haltung seiner Berliner Freunde gebilligt hat —, daß auf dem bedrohten Boden Westberlins die Zusammenarbeit der beiden größten Parteien ein absolutes nationales Erfordernis ist. Wenn man diese Einstellung des Herrn Bundeskanzlers berücksichtigt, dann ist man vielleicht in der Lage, mit etwas weniger Temperament und weniger ausführlich sich mit dieser beanstandeten Äußerung auseinanderzusetzen.
— Sie ist eben nur aus dem Klima Bonns heraus zu verstehen.
— Meine Damen und Herren auf den sozialdemokratischen Bänken, das besondere Klima in Bonn wird nicht nur auf dieser Seite, sondern ganz erheblich auch auf der Seite drüben geschaffen und gebildet.
Man soll nicht mit Steinen werfen, kann ich zu dem Beifall der SPD nur sagen, wenn man sich selbst im Glashaus befindet.
Ich darf noch einmal zusammenfassen. Ich hätte gewünscht, diese Debatte wäre unterblieben. Diesen Wunsch hat ganz offenbar auch der sozialdemokratische Regierende Bürgermeister unserer Stadt gehabt, als er sich mit dem Herrn Bundeskanzler in dieser Angelegenheit sehr schnell zu verständigen wußte. Im übrigen verstehe ich die Unzufriedenheit der Damen und Herren auf den sozialdemokratischen Bänken überhaupt nicht, weil doch das Ergebnis dieses Wahlkampfes für alle Beteiligten doch durchaus befriedigend gewesen ist
und die Sozialdemokratische Partei gar keinen Grund hat, wie sie es tut — das ist meine objektive Meinung —, einen geringfügigen Vorgang im Vorspiel zur großen Kontroverse der nächsten Woche hier zu übertreiben, was nicht im Interesse Berlins und auch nicht im Interesse der bevorstehenden Auseinandersetzungen liegen kann.
Zu dieser Übertreibung — ich stelle es noch einmal fest — bestand keine Veranlassung, weil wir in Berlin eine gute Wahl gehabt haben. Dazu hat zweifellos der Herr Bundeskanzler mit seiner Rede im Sportpalast beigetragen.
infolgedessen wäre es gar nicht notwendig gewesen, dem Bundestag heute eine Stunde oder mehr Zeit zu rauben für einen Vorgang, der in Berlin, wo er sich abgespielt hat, längst vergessen ist.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einen Satz vorausschicken, damit Sie meine Stellungnahme zu Berlin daraus ersehen. Vor der Wahl habe ich meinen Freunden gegenüber zum Ausdruck gebracht, es müsse bei der besonderen Lage Berlins erstrebt werden, die Regierung aus CDU, FDP und SPD zu bilden.
Nun, meine Damen und Herren, damit wirklich jetzt hier nicht Märchen in die Welt kommen: Herr Vockel hat doch Herrn Ollenhauer und mir be-
richtet, daß gerade Herr Suhr damals aus dem
Klima Bonns heraus gesprochen habe und daß er
infolgedessen genötigt gewesen sei, in Anwesenheit der Vertreter der Besatzungsmächte Herrn Suhr zu widersprechen. Er hat weiter gesagt, daß eine solche Einstellung vielleicht möglich sei, solange Herr Suhr Mitglied der Oppositionspartei sei
– nein, das ist er nicht,
er gehört zur Regierungspartei in Berlin —,
daß er aber Besorgnis habe, wenn Herr Suhr als Regierender Bürgermeister solche Ansichten aus dem Klima Bonns heraus vertrete, wie er das bisher getan habe.
Das hat Herr Vockel Herrn Ollenhauer und mir gesagt.
Herr Präsident, ich bitte doch, mir endlich einmal Ruhe zu verschaffen. —
Herr Bundeskanzler!
— Einen Augenblick, meine Damen und Herren! Die Debatte zieht sich zu lange hin. Wir werden heute Vormittag noch eine sehr harte Tagesordnung haben. Ich wäre deshalb dankbar, wenn man nach Möglichkeit die Redner sprechen ließe.
Im übrigen, Herr Bundeskanzler, bin ich der Meinung, daß sich die Zurufe bis jetzt im Rahmen des parlamentarisch Üblichen gehalten haben.
Ich wiederhole, meine Damen und Herren, daß Herr Vockel — und dazu war er verpflichtet — Herrn Ollenhauer und mir gesagt hat, daß, wenn Herr Suhr Regierender Bürgermeister sei und er dann derartige Ausführungen mache, das für Berlin schädlich sei. Herr Vockel war verpflichtet, diese Ausführungen zu machen, und ich habe in meiner Wahlrede in sehr leichter Form darauf hingewiesen,
ohne Herrn Suhr überhaupt zu erwähnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Neumann.
Meine Damen und Herren! Wenn ich jetzt als Vorsitzender der CDU hier stände, würde ich den gleichen Wunsch aussprechen, den er ausgesprochen hat: auf die Behandlung dieser Fragen zu verzichten. Aber als der
Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Berlins, als der Gegenspieler Ernst Lemmers glaube ich doch, daß es notwendig war, hier diese Dinge noch einmal zu behandeln.
— Für Sie vielleicht überflüssig, nicht wahr!
Ich glaube, Ihnen doch ganz kurz einiges sagen zu müssen, nachdem es der Herr Bundeskanzler bisher zweimal vermieden hat, auf den Kern der Dinge einzugehen.
Herr Kollege Lemmer, Sie haben mit Ihren Ausführungen den Eindruck erweckt, als wenn das Berliner Abgeordnetenhaus darauf verzichtet hätte, diese Fragen zu klären. Das Berliner Abgeordnetenhaus war nicht zuständig, sondern zuständig ist der Deutsche Bundestag; nur in diesem kann der Herr Bundeskanzler Rede und Antwort stehen.
Herr Bundeskanzler, darf ich noch- einmal ganz kurz das zitieren, was Sie nicht zitiert haben, obwohl Ihnen das Protokoll genau so gut zur Verfügung steht wie mir und den andern Damen und Herren aus Berlin. Es handelt sich nicht um ein Protokoll, das von irgendwem hergestellt worden ist, sondern der Herausgeber des Protokolls über die Rede des Bundeskanzlers Adenauer ist die Christlich-Demokratische Union Deutschlands, Landesverband Berlin. Es ist also ein parteioffiziöses Organ. Mein Kollege Brandt hat schon einen Teil dieser Dinge zitiert, und Sie haben sich nur dazu bekannt: „Stellen Sie sich einmal vor — gegen die Natur muß man sich das vorstellen, meine Damen und Herren —, die Sozialdemokraten würden siegen bei dieser Wahl, und wir würden dann einen sozialdemokratischen Regierenden Bürgermeister hier haben, einen sozialdemokratischen Senat usw., wie können dann diese Herren im Verkehr mit den Besatzungsmächten erwarten, Vertrauen und Hilfe zu finden!"
Nun lesen Sie bitte den folgenden Satz!
Wenn das richtig ist, daß Sie schon vor der Wahl der Auffassung waren, daß die drei demokratischen Parteien, also auch die CDU und SPD zusammenarbeiten sollten, wenn Sie diese Meinung vertreten haben, wie konnten Sie dann in einer Wahlversammlung noch einmal von den „widernatürlichen" Dingen sprechen! Dann würden Sie ja geradezu zu einer Unzucht aufgefordert haben,
die Sie doch wahrhaftig, wie Sie es hier sagen, nicht haben wollten.
Meine Damen und Herren, es geht hier um die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler vor der Wahl immer solche Behauptungen aufstellt, wie er es auch schon zur Bundestagswahl und wie er es auch im Falle Schroth und Scharley getan hat. Auch damals kam das Material aus Berlin, auch damals kam es aus dem Bundeshaus in der Bundesallee, und der Herr Bundeskanzler hat es bis zum heutigen Tage nicht für notwendig erachtet, nachdem er festgestellt hat, daß er Schwindlern aufgesessen ist, hier auch nur ein einziges Mal gegen diese Schwindler vorzugehen. Es geht darum, Herr
Bundeskanzler, daß wir in einem demokratischen System doch Zustände haben sollten, in denen der eine auch den anderen Demokraten achtet.
— Entschuldigen Sie, ich spreche im Augenblick vom Bundeskanzler, und ich möchte Ihnen eines sagen. Der Herr Oberbürgermeister von Köln hat einmal gesagt: Man soll nicht immer und überall von Demokratie sprechen, aber man soll immer und überall nach den Grundsätzen der Demokratie handeln.
Die demokratischen Grundsätze, sagte der Oberbürgermeister von Köln, verlangen, daß man dem politisch Andersdenkenden mit Achtung und Vertrauen gegenübertritt,
daß man sich bestrebt, seine Gedanken und seine Gründe zu verstehen.
Meine Damen und Herren, wenn das, was der Oberbürgermeister Dr. Adenauer einmal vor acht Jahren in Köln gesagt hat, die Grundlage der Ausführungen des Bundeskanzlers wäre, dann wären wir in der Gemeinsamkeit der Arbeit ein gut Stück weiter.
— Es liegt am Oppositionsführer, sagen Sie?
Ich will Ihnen eins sagen. Sie führen in Ihrem Namen das Wort „christlich".
— Das ist zu billig? Entschuldigen Sie! Sie führen in Ihrem Namen das Wort „christlich" — ich will es noch einmal wiederholen —, Sie sollten auch zur Grundlage Ihrer Politik christliche Gebote machen, und eines dieser Gebote heißt: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es bedauert, Herr Kollege Neumann, daß Sie dieses Schlußwort von der christlichen Verpflichtung noch gesprochen haben. Nur einen Satz dazu. Wir wollen es uns alle zur Mahnung nehmen, nach diesem Gebot zu handeln.
Wir fassen das Wort „christlich" nicht als Monopol für uns auf,
sondern als Verpflichtung, wie es eben auch von Herrn Neumann gesagt worden ist.
— Nun gut!
Ein Zweites. Ich stelle fest, daß diese Interpellation, wie es hier gesagt worden ist, nicht dem
Wunsche der Berliner Abgeordneten, auch nicht Ihrer Fraktion, entspricht, daß sie auch nicht im Interesse Berlins liegt.
Ein Drittel. Was Herr Vockel gesagt hat, hat er zuerst dem Herrn Kollegen Ollenhauer gesagt. Er hat es aus der gleichen Sorge, die ihn bewogen hat, auch dem Herrn Bundeskanzler gesagt. Das ist kein Versteckspiel gewesen, sondern es ist offen beiden Herren, dem Führer der Opposition und dem Herrn Bundeskanzler, gesagt worden.
Ein Viertes. Ich bin froh, daß diese Angelegenheit hier klargestellt worden ist, auf daß sie nicht schwelt, weder hier noch in Berlin. Was war es, was Herrn Vockel bewogen hat? Die Sorge, daß die Außenpolitik, die hier in Bonn nach dem Wunsch und nach dem Willen der Mehrheit des deutschen Volkes geführt wird, auch als Grundlage des Landes Berlin, das zum Bund gehört, anerkannt wird.
Wenn aus dieser Verantwortung heraus, die auch von Berlin aus geteilt werden muß und geteilt wird und die auch, nehme ich an, von Herrn Dr. Suhr nach wie vor geteilt wird, etwas Derartiges gesagt wird, dann ist das nur eine Verpflichtung, die wir hier auch für Berlin haben.
— Zu der Rede, Herr Dr. Schmid, hat der Herr Bundeskanzler eben festgestellt, daß dies seine Sorge gewesen ist,
daß, wenn später eine Regierung kommt, – —
— Bitte, Herr Mellies: Daß sich der Kanzler in Berlin für den Sieg seiner Partei einsetzt, das können Sie ihm nicht verargen!
— Aber, Herr Mellies, wer die Haltung des Herrn Bundeskanzlers Berlin gegenüber kennt, weiß, daß er bei dem, was er hier gesagt hat, der Überzeugung gewesen ist, daß, wenn die Wahlen so ausfallen, dann aber auch alle demokratischen Parteien die Verantwortung dort übernehmen müssen.
Daß die Außenpolitik, die hier geführt wird und die auch im Lande Berlin geführt werden muß, dann auch die Politik der neuen Regierung Berlins wird, das war die Sorge, die der Herr Bundeskanzler natürlich auch in einer Wahlrede aussprechen konnte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Dr. Krone nötigen mich leider zu zwei Feststellungen. Erstens handelt es sich hier nicht um das, was Herr Vockel geschrieben und berichtet hat.
Wenn Herr Vockel glaubt, aus seiner Tätigkeit in
Berlin heraus die Verpflichtung zu haben, gewisse
Dinge und Sorgen dem Herrn Bundeskanzler oder dem Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei mitzuteilen, so ist das seine Sache. Aber, meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat — und das ist die zweite Feststellung, die ich treffen möchte — gar nicht von einer solchen Sorge gesprochen, sondern er hat doch ganz offenbar der Berliner Bevölkerung sagen wollen — wie es auch schon von Herrn Brandt und Herrn Neumann zum Ausdruck gebracht worden ist —: Wenn ihr sozialdemokratisch wählt, dann habt ihr nicht mehr die Unterstützung der Besatzungsmächte!
Das ist doch der entscheidende Punkt!
Meine Damen und Herren, das ist eben unverträglich mit den Erfordernissen, die für die parlamentarische Demokratie in Bonn und in Berlin gestellt sind.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu Punkt 1 der Tagesordnung. Die Große Anfrage Drucksache 1055 ist damit erledigt.
Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung und rufe auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts (Drucksache 1110).
Das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfs hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Meine Damen und Herren, bevor der Herr Bundesminister das Wort nimmt, bitte ich noch sagen zu dürfen, daß um 10 Uhr 30 der Ältestenrat zusammentreten muß.
Bitte, Herr Bundesminister!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 1110 hat die Bundesregierung nicht nur den Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts, Erstes Bundesmietengesetz genannt, mit der Stellungnahme des Bundesrates und der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates vorgelegt. Sie hat sich darüber hinaus bemüht, den Damen und Herren des Hohen Hauses mit einer sehr eingehenden Begründung und einem sehr ausführlichen Zahlenmaterial alle für die Beurteilung der von der Bundesregierung vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Vorlage Drucksache 1110 ist auf diese Weise allerdings recht umfangreich geworden.
Veränderungen in den Wohnungsmieten berühren nun einmal seit dem Ende des ersten Weltkrieges breiteste Schichten der Bevölkerung in einem ganz anderen Maße als etwa die Preisschwankungen für Hausrat, für Bekleidung oder für Schuhwerk. Dies gilt um so mehr, als seit dem Ende des ersten Weltkrieges, mindestens aber seit dem 17. Oktober 1936, die Mietpreise nicht mehr der Regelung durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage am Wohnungsmarkt, sondern infolge der insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg gegebenen außerordentlich
drückenden Wohnungsmangellage der Regelung durch den Staat überantwortet worden sind.
Meine Damen und Herren, darf ich bitten, die unerläßlichen Zwiegespräche wenigstens in den Vorraum zu verlegen.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident. — Wenn die Bundesregierung hiermit den Entwurf eines Ersten Bundesmietengesetzes vorlegt, so tut sie es, weil eine solche Maßnahme unausweichlich geworden ist, soll nicht schwerwiegender Schaden für die gesamte Bevölkerung entstehen. Diese Unausweichlichkeit wird auch von allen einsichtigen Kreisen in Politik und Wirtschaft bejaht. Auch die Opposition hat in ihrem SPD-Pressedienst vom 26. August 1954 betont — ich darf diesen einen Satz einmal zitieren—:
Niemand, vor allem nicht die Sozialdemokratie,
bestreitet die Notwendigkeit der Rentabilität
auch des Hausbesitzes. Es wird sich auch in einzelnen Fällen und Kategorien nicht umgehen
lassen, in einem vertretbaren Umfange Mieterhöhungen vorzunehmen.
Die Bundesregierung ist sich aber dessen bewußt gewesen, daß, wie es auch von dem Pressedienst der Opposition hervorgehoben wird, die Frage der Mieterhöhungen für den Wohnungsaltbestand, die den Inhalt des vorliegenden Entwurfs bildet, nicht isoliert gelöst werden kann. Sie hat deshalb von Anbeginn hervorgehoben, daß die unbedingt erforderliche Mietkorrektur für den Wohnungsaltbestand nur im Zusammenhang mit einer Reihe von Verbesserungen der allgemeinen Einkommensverhältnisse erfolgen wird. Diese Verbesserungen sind spätestens seit dem 1. Januar dieses Jahres wirksam geworden — wie z. B. die Steuersenkungen, die Erhöhung der Sozialversicherungsaltrenten, die Erhöhung der Lastenausgleichsunterhaltsrenten, die Erhöhung der Kriegsopferleistungen, die Gewährung der Kindergeldzahlungen, die Erhöhung von Tarifen der öffentlichen Angestellten und Arbeiter wie in der Wirtschaft erhöhte allgemeine Lohnvereinbarungen—oder sollen, soweit alle dies vorgenannten umfassenden Maßnahmen auf den lohn- und sozialpolitischen Gebiet im Einzelfall doch noch nicht ausreichen, durch besondere, in dem Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes vorgesehene Mietbeihilfen erfolgen. Deshalb geht es nunmehr darum, mit dem Ersten Bundesmietengesetz die Selbsterhaltungsfähigkeit des Wohnungsaltbestandes wiederherzustellen.
Die Unausweichlichkeit der von allen Seiten einschließlich der Opposition und der Gewerkschaften im Prinzip anerkannten, hierzu notwendigen Mietenkorrektur für den Wohnungsaltbestand ergibt sich vor allem aus der übergeordneten Aufgabe, die sich die Bundesregierung gestellt hat, die Wohnungsnot in der Bundesrepublik so schnell und wirksam wie nur irgend möglich zu überwinden.
Niemand hier in diesem Hohen Hause oder draußen in der Bevölkerung wird bestreiten können, daß zur Beseitigung dieser drückenden Wohnungsnot seit dem Jahre 1949 durch Neu- und Wiederaufbau Gewaltiges geleistet worden ist. Bis Ende des abgelaufenen Jahres sind rund 2,5 Millionen Wohnungen überwiegend des sozialen Wohnungsbaus neu bzw. wiederaufgebaut worden; das sind Wohnungen für rund 10 Millionen Menschen oder für jeden fünften Einwohner der Bundes-
republik. Im Jahre 1953 sind es allein 518 000 Wohnungen gewesen, und im Jahre 1954 werden es aller Voraussicht nach zwischen 530 000 und 550 000 Wohnungen sein. Die Bundesregierung bemüht sich mit aller Energie um eine weitere Steigerung des Wohnungsbaues, vornehmlich des sozialen Wohnungsbaues. Wenn nicht außergewöhnlich ungünstige Witterungsumstände einen Strich durch die Rechnung machen, dürfen wir auf Grund der Finanzierungsvorsorge für das Jahr 1955 mit einer gleich hohen Zahl von Neu- bzw. Wiederaufbauten wie im Jahr 1954 rechnen. Trotzdem wird dann auch Ende dieses Jahres 1955 noch ein Wohnungsfehlbestand von etwa 21/2 Millionen Wohnungen, davon rund 1,6 bis 1,7 Millionen Wohnungen für Mehrpersonenhaushaltungen, vorhanden sein.
Auf der anderen Seite wird allerdings Ende des Jahres 1955 bereits wieder ein Wohnungsbestand von mindestens 12 Millionen Wohnungen stehen; das sind dann schon wieder etwa 3/4 Millionen Wohnungen mehr als vor Kriegsausbruch im Jahre 1939, obwohl wir in der Bundesrepublik allein die Zerstörung von über 2 1/4 Millionen Wohnungen zu beklagen hatten. Es ist psychologisch nur zu begreiflich, daß alle diejenigen, die trotz dieser außergewöhnlichen Wohnungsneubautätigkeit — ist doch im letzten Jahr praktisch in jeder Minute eine Wohnung begonnen, fertiggestellt oder bezogen worden — noch immer, vielleicht sogar schon seit Ende des Krieges, gezwungen sind, in einem Bunker, einer Baracke oder einer Notunterkunft mit ihren Familien zu leben, das Warten auf die eigene Wohnung oder das eigene Heim um so schmerzlicher empfinden, je mehr sie überall die Häuser aus dem Boden wachsen sehen.
Es kann daher nicht nur die Verpflichtung der Bundesregierung sein, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um jede weitere Erhöhung des Wohnungsneubaues zu ermöglichen; es muß ebenso ihre Verpflichtung sein, dafür zu sorgen, daß das über die Kriegszerstörungen gerettete Volksvermögen an Wohnungen, die vor dem ersten Weltkrieg oder zwischen den beiden Kriegen gebaut wurden, soweit wie irgend möglich in seinem Wohnwert erhalten bleibt, damit nicht in steigendem Maße die neu gebauten Wohnungen, anstatt endlich zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses der Menschen, die noch immer ohne Wohnung sind, zu dienen, lediglich zum .Ersatz von ohne Zwang und Not verfallenden Wohnungen des Altbestandes dienen müssen.
Wohin es führen kann, wenn für diese gleich wichtige zweite Aufgabe der Erhaltung des Wohnungsbestandes nicht das Erforderliche getan wird, hat deutlich und abschreckend genug das englische Beispiel aus der Nachkriegszeit bis zur Wandlung der englischen Wohnungsbau- und Mieterpolitik im Jahre 1952 bewiesen.
Mit Milliardensummen an Steuergeldern wurden damals in England jährlich etwa 200 000 Wohnungen neu gebaut, und auf ,der anderen Seite wurde jährlich die gleiche Anzahl durch Verfall infolge mangelnder Deckung der Instandsetzungskosten aus den Mieten unbewohnbar.
Hätten das englische Volk und seine Regierung nicht den Mut aufgebracht, diesen Zustand zu ändern, so hätte sich jeder Engländer ausrechnen können, daß er bis an sein Lebensende weiterhin
zu diesen Milliarden an zusätzlichen Steuerlasten für den Wohnungsneubau beitragen müßte, ohne daß die Wohnungsnot auch nur die geringste Veränderung erfahren hätte.
Bund, Länder und Gemeinden haben in der Bundesrepublik in den letzten Jahren zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaues und zur Finanzierung von Instandsetzungsmaßnahmen für den Althausbestand das äußerste an Belastungen auf sich genommen. Bis Ende 1954 betragen beispielsweise allein die vom Bund für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellten Mittel fast 11 Milliarden DM. In den Jahren 1953 und 1954 wie auch im laufenden Jahr 1955 beträgt die Mittelhergabe von Bund, Ländern und Gemeinden einschließlich des Lastenausgleichs für den Wohnungsbau im Schnitt je 2,5 bis 2,7 Milliarden DM. Es ist nicht möglich, diese Leistungen noch weiter zu erhöhen, wenn gleichzeitig aus Gründen der Verbesserung der Lebenshaltung und der sozialen Lage unserer Bevölkerung, insbesondere aber aus Gründen der Sicherung der Arbeitsplätze, die weitgehend von der Erhaltung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit im Export abhängen, auf der einen Seite notwendige steuerliche Entlastungen und auf der andern Seite ebenso notwendige Erhöhungen von Renten und sonstigen sozialen Leistungen in Höhe von mehreren Milliarden DM vorgenommen werden müssen. Es bedeutet angesichts dessen schon außerordentlich viel, wenn diese jährlichen öffentlichen Leistungen für den Wohnungsbau von Bund, Ländern und Gemeinden von 2,5 bis 2,7 Milliarden DM auch trotz der Steuersenkungen und Rentenerhöhungen weiter durchgehalten werden können und, wie ich hier ausdrücklich anmerken darf, auch durchhalten werden werden, wenn die Bundesrepublik wie alle übrigen freien Völker der westlichen Welt einen eigenen Verteidigungsbeitrag zu erbringen haben wird.
Damit kann das bisherige sehr hohe Volumen des sozialen und des gesamten Wohnungsbaues weiterhin als gesichert gelten. Die von der Bundesregierung angestrebte weitergehende Steigerung kann sich aber nur darauf stützen, daß zusätzliche Mittel der öffentlichen und privaten Kapitalsammelstellen, d. h. der Sozialversicherungsträger, der Sparkassen, Hypothekenbanken, Versicherungen und Bausparkassen, ebenso wie zusätzliche Eigenmittel von Familien oder Einzelpersonen, die nach einem Eigenheim oder einem Mehrfamilienhaus als einer zusätzlichen Alterssicherung streben, für den Wohnungsbau mobilisiert werden können. Dieser Anreiz zugunsten der Anlage von Spargeldern und Sozialversicherungsbeiträgen unseres Volkes für den Wohnungsbau kann aber nur wirksam ausgeübt werden, wenn sowohl die Sozialversicherungsträger wie auch die Sparkassen, Hypothekenbanken, Versicherungen und alle einzelnen Bauwilligen das sichere Bewußtsein haben, daß diese ihre Sparanlagen in ihrem Wert im Wohnungsbau nicht in Frage gestellt werden.
Auch von dieser Seite aus besitzt also das Problem der Sicherung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Wohnungsbestandes eine ebenso ausschlaggebende soziale und volkswirtschaftliche Bedeutung wie unter dem Aspekt der Verringerung des Wohnungsdefizits an sich durch Vermeidung des vorzeitigen Ausscheidens von durchaus erhaltungsfähigem Wohnraum, der in den Jahren vor den beiden Weltkriegen geschaffen worden ist. Ich möchte diesen Gedanken noch etwas mehr konkre-
tisieren. Es ist damit das Problem der Höhe der Beleihungsgrenzen für erststellige Hypotheken, das Problem der Zinsentwicklung für diese erststelligen Hypotheken angesprochen. Wenn die Verwalter fremder Spargelder oder diejenigen, die ihr eigenes Sparkapital im Wohnungsbau anlegen wollen, davon überzeugt sein können, daß ihnen hier auf lange Sicht ein angemessener Ertrag und eine angemessene Sicherheit gewährt werden, so wird über die größere Bereitschaft zur Anlage im Wohnungsbau überhaupt auch die Bereitschaft zum Verzicht auf eine im Zins abzugeltende besondere Risiko_ oder Entwertungsprämie wachsen, die bisher noch die deutschen Zinssätze gegenüber anderen europäischen Ländern so verteuert.
Ich darf schließlich noch einen letzten Aspekt des Problems der Mietenkorrektur im Altwohnungsbestand ansprechen. Wenn auch die Behebung der von keiner Seite bestrittenen Unwirtschaftlichkeit der überwiegenden Zahl der Altwohnungen im Vordergrund steht, so ist doch auch noch eine zusätzliche Gefahr zu berücksichtigen, die um so drohender wird, je mehr es tatsächlich den Anstrengungen der Bundesregierung gelingt, den Wohnungsfehlbestand zu verringern. Trotz der 2,7 Milliarden DM jährlicher Förderungsmittel von Bund, Ländern und Gemeinden zugunsten des sozialen Wohnungsbaues, die zum Zweck der Erzielung möglichst niedriger Mieten zinslos oder zu einem sehr geringen Zins in der nachstelligen Finanzierung in Höhe von durchschnittlich 30 % der gesamten Baukosten eingesetzt werden, ist es nicht möglich gewesen, die durchschnittlichen Mieten dieser sozialen Neubauwohnungen unter einen Satz von etwa 1 bis 1,10 DM je Quadratmeter herunterzudrücken. Die Stoppmieten des Wohnungsaltbestandes liegen zum weitaus größten Teil noch immer erheblich unter diesen Richtsatzmieten des sozialen Wohnungsneubaues. Zur Zeit spielt zwangsläufig noch das Schicksal die entscheidende Rolle dabei, ob jemand in den Besitz einer billigeren Altwohnung oder einer im Vergleich hierzu teureren Neubauwohnung des sozialen Wohnungsbaus gelangt ist. Dabei kann nicht bestritten werden, daß der überwiegende Teil der Inhaber der 2,5 Millionen seit 1949 neuentstandenen Wohnungen sich aus Heimatvertriebenen, Sowjetzonenflüchtlingen, Ausgebombten oder jungen Ehepaaren zusammensetzt.
Auf der anderen Seite befindet sich ein sehr großer Teil der Altwohnungen im Besitz von Menschen, die von den Schicksalsschlägen dieses Krieges glücklicherweise verschont geblieben sind und in der Regel sogar ihre gesamte Wohnungseinrichtung und Ausstattung erhalten konnten. Unter diesen verhältnismäßig glücklichen Altwohnungsinhabern befinden sich auch noch Hunderttausende von Einzelpersonen, während auf der anderen Seite in verhältnismäßig kleinen Neubauwohnungen ebensoviele Hunderttausende von wachsenden Familien in drangvoller Enge leben müssen.
Selbstverständlich erheben diese wachsenden Familien alle immer stärker den Ruf nach größeren Wohnungen. Ihr Bedarf könnte zu einem erheblichen Teil ohne Neubauten befriedigt werden, wenn es gelänge, die Hunderttausende von Einzelpersonen-Haushaltungen in Altwohnungen zum Umzug in für sie durchaus ausreichende kleinere Neubauwohnungen zu bewegen. Dies wäre aber ohne Einsatz von unerwünschten Zwangsmaßnahmen so lange ein aussichtsloses Unterfangen, wie das auf einem für 'die Erhaltung des Wohnungsbestandes unzureichenden Niveau festgefrorene Mietgefälle zwischen den Alt- und Neubauwohnungen besteht. Es droht hier, wenn nicht auch unter diesem letzten Aspekt die Mietenstruktur in der Bundesrepublik aufgelockert wird, die Gefahr erheblicher, in die Milliarden gehender Fehlinvestitionen, für die die gesamte Bevölkerung im Rahmen der Steuerlast aufkommen müßte.
Die Bundesregierung ist sich durchaus der Tatsache bewußt, daß jede Mieterhöhung, auch wenn sie wie in diesem Fall allein den allmählich im Gesamtrahmen des Wohnungsbestandes immer stärker zurücktretenden Bestand an Altmietwohnungen — das sind nämlich Ende 1954 nur 5 Millionen von rund 11 1/2 Millionen Wohnungen — betrifft, recht wenig populär ist. Da aber ohne Mieterhöhungen für den Wohnungsaltbestand die Selbsterhaltungsfähigkeit dieser 5 Millionen Wohnungen nicht gesichert werden und es auch sowohl aus rechtlichen wie tatsächlichen Gründen — von den rund 4,4 Millionen privaten Einzeleigentümern von Gebäuden in der Bundesrepublik sind beispielsweise 0,7 Millionen Arbeiter und 1,35 Millionen Pensionäre, Rentner und Berufslose — diesen 2 Millionen sozial schwachen Eigentümern beispielsweise nicht zugemutet werden kann, daß sie als Einzelgruppe der Bevölkerung allein Lasten übernehmen, die von allen gemeinsam getragen werden müssen, mußte es die Aufgabe der Bundesregierung sein, im Ersten Bundesmietengesetz eine Lösung dieses schwierigen Problems zu finden, die als sowohl sozial tragbar wie auch verwaltungsmäßig durchführbar und den individuellen Verschiedenheiten so weit wie irgend möglich trotzdem Rechnung tragend angesehen werden kann.
Die Bundesregierung hat des öfteren erklärt — und sie möchte diese Erklärung auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich wiederholen —, daß sie mit der Wohnung ebensowenig wie mit dem täglichen Brot eine Spekulation zulassen wird. Sie hat sich daher bemüht, die notwendige Erhöhung der Altwohnungsmieten auf das Maß zu beschränken, das unbedingt erforderlich erscheint, um im Interesse des Ganzen und in Zusammenhang mit den ergänzenden Maßnahmen zur Förderung der Instandsetzung die Erhaltung des Wohnungsaltbestandes zu gewährleisten.
Es geht also nicht etwa um die Frage einer endlichen „Lohnerhöhung" auch für die Hausbesitzer, nachdem alle übrigen Bereiche der Volkswirtschaft Lohn- oder Einkommenserhöhungen erfahren haben, sondern es geht ausschließlich um die Frage der Erhaltung des Hausbesitzes.
es geht um die Frage, ob in der Bundesrepublik für alle Zeit jährlich 2,7 Milliarden DM öffentlicher Mittel — das ist fast ein Viertel des Gesamtaufkommens an Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer im Jahr — für den Bau neuer Wohnungen aufgewendet werden müssen oder ob man schon in wenigen Jahren den größeren Teil dieses gewaltigen Betrags entweder zur weiteren Senkung der Steuern oder zur weiteren Heraufsetzung der Sozialleistungen verwenden kann.
Es geht aber auch noch um ein Zweites. Weil man sich in den vergangenen Jahren nicht dazu entschließen konnte, eine solche Lösung des Pro-
blems der Mietanpassung beim Altwohnungsbestand zu finden, die die Selbsterhaltungsfähigkeit dieser Gruppe von Wohnungen zu sichern versprach, sehen sich Bevölkerung, Regierung und Parlament fast jedes Jahr, insbesondere natürlich vor Landtags- oder Bundestagswahlen, einer erneuten Beunruhigung durch das Aufwerfen der ungelösten Altmietenfrage ausgesetzt.
Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß mit ihrer Vorlage sowohl bejaht werden kann, daß durch eine jährliche Mehrbelastung der Altmieter von nicht mehr als 200 Millionen DM — das ist etwa ein Drittel des Aufwandes im letzten Jahre für Totowetten oder ein Drittel des Kinoumsatzes in der Bundesrepublik — schon in einigen Jahren die ungleich größere Belastung der Allgemeinheit mit jährlich 2,7 Milliarden DM, die ja insbesondere auch die sozial besonders schwachen Schichten trifft — denn für jede Scheibe Brot und für jedes Pfund Margarine müssen ja Umsatzsteuer und die im Objekt enthaltenen Steuern mitbezahlt werden —, abgebaut werden kann, als auch ein Zustand damit erreicht wird, der, ohne die Bevölkerung oder die Regierung oder die Parlamente von neuem zu beunruhigen, bis zu dem Augenblick der endgültigen Überwindung der Wohnungsnot Bestand haben kann.
Um immer wieder in der Öffentlichkeit auftretende Mißverständnisse zu beseitigen, soll noch einmal hervorgehoben werden, daß das Erste Bundesmietengesetz sich lediglich mit der Anpassung von Mieten des Wohnungsaltbestandes, d. h. der bis zum 21. Juni 1948 bezugsfertig gewordenen Wohnungen, befaßt. Seit dem Inkrafttreten des Ersten Wohnungsbaugesetzes errichtete Wohnungen, insbesondere die Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaues, bleiben hiervon unberührt. Für sie bestimmt der dem Bundestag bereits vorliegende Entwurf des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes vielmehr ausdrücklich, daß die derzeitigen Richtsatzmieten weiterhin in der derzeitigen Höhe fixiert bleiben.
Aber auch bei den Altwohnungen hat sich die Bundesregierung darum bemüht, im Rahmen des verwaltungsmäßig überhaupt nur Tragbaren den individuellen Sonderverhältnissen Rechnung zu tragen. Sie hat dabei eine Reihe von Anregungen des Bundesrats dankbar begrüßt und in ihrer Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrats in der noch geeignet erscheinenden Form berücksichtigt. Sie hat allerdings gerade wegen ihrer Bemühungen um eine möglichst sozial gerechte individuelle Regelung der Mietanpassung wie auch insbesondere wegen ihres Anliegens, daß die Bevölkerung der Bundesrepublik bis zur endgültigen Überwindung der Wohnungsnot nicht mehr durch weitere Mietdiskussionen beunruhigt wird, die Tendenz des Bundesrats ablehnen müssen, die Mietanpassung für den Altwohnungsbestand auf eine mehr oder weniger schematische zehnprozentige Mieterhöhung zu beschränken.
Ich darf dem Hohen Hause die -wesentlichsten Grundgedanken des vorliegenden Entwurfs des Ersten Bundesmietengesetzes noch einmal kurz erläutern:
Der oberste Gesichtspunkt war der der Deckung der Bewirtschaftungskosten für den Althausbestand. Demgegenüber ist von vornherein die Frage der Rentabilität des Altbestandes, d. h. die Frage der
Verzinsung des Eigen- und des Fremdkapitals, bewußt ausgeschaltet worden. Hinsichtlich der Verzinsung des Fremdkapitals war dies um so leichter möglich, als hierfür bereits das Lastenausgleichsgesetz und innerhalb dieses Gesetzes das Ertragsschwäche-Verfahren eine Regelung geschaffen hat. Die Frage der Verzinsung des Eigenkapitals müßte nur angesichts der sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen—Baujahre beispielsweise von 1880 bis 1938 mit ganz unterschiedlichen Baukosten und Geldwerten, Lastenfreiheit im einen Fall, Überschuldung im anderen Fall, um nur diese beiden Probleme herauszugreifen — zu unfruchtbaren langfristigen Diskussionen führen. Die Bundesregierung hat sich deshalb nach eingehender Prüfung dieser Problematik der Kapitalverzinsung, die sie an besonders zahlreichen Zahlenbeispielen in ihrer Begründung dargetan hat, dazu entschlossen, davon auszugehen, daß lediglich das Problem des Vergleichs der vor dem Erlaß des Preisstops vom 17. Oktober 1936 gegebenen Bewirtschaftungs-, insbesondere Instandhaltungskosten mit den gegenwärtigen Bewirtschaftungskosten befriedigend und gerecht gelöst werden kann, daß aber im übrigen davon ausgegangen werden muß, daß die vor dem Erlaß des Preisstops am 17. Oktober 1936 gegebene Situation hinsichtlich der Rentabilität des investierten Kapitals auch weiterhin hingenommen werden muß.
Ausgangspunkt für den Vergleich der Instandhaltungskosten des Althausbestandes im Jahre 1936 und im Jahre 1955 sind dabei die objektiv unbestreitbaren Veränderungen der Kosten für Bauarbeiten wie auch der Löhne für die Bewirtschaftung und Instandsetzung. Der Preisindex für den Wohnungsbau, Jahr 1936 = 100 gesetzt, beträgt gegenwärtig 235. Die Altmieten, Jahr 1938 = 100 gesetzt, betragen für die Wohnungen, die bis Mitte 1948 bezugsfertig geworden sind, 110. Legt man nur einen Instandsetzungskostenanteil von 12 % der seinerzeitigen Vorkriegsmieten zu Grunde, so errechnet sich schon hieraus eine Erhöhung dieses Anteils auf gegenwärtig rund 30 % der zur Zeit noch gültigen Altmieten. Läßt man also selbst die übrigen Betriebs- und Bewirtschaftungskosten völlig außer acht, so beweist allein dieser Vergleich, daß im Regelfall die außergewöhnliche Verteuerung der Instandsetzungskosten zur Unwirtschaftlichkeit des Wohnungsaltbestandes hat führen müssen.
Eine Mietanpassung, die sich in jedem Fall auf den Einzelvergleich der Kosten des Jahres 1936 und des Jahres 1955 gestützt hätte, würde — ich glaube, das brauche ich nicht näher darzutun — zu einer Belastung der Verwaltung führen, die sie ohne eine außergewöhnliche Aufblähung nicht einmal in einer größeren Zahl von Jahren bewältigen könnte. Die Bundesregierung ist daher auf Grund des von ihr untersuchten und zum Teil in die Begründung aufgenommenen Materials von Tausenden von Altwohnungen in Groß-, Mittel- und Kleinstädten sowie Landgemeinden des gesamten Bundesgebiets zu dem Ergebnis gelangt, daß das allein angestrebte Ziel, nämlich die Wiederherstellung der Kostendeckung für den Wohnungsaltbestand, für den größten Teil der Altwohnungen, d. h. der bis 1924 bezugsfertig gewordenen Wohnungen, soweit sie keine überdurchschnittlichen Ausstattungs- und dementsprechend Kostenmerkmale aufweisen, mit einer 10%igen Mieterhöhung erreicht werden kann. Lediglich für die Wohnungen mit einer überdurchschnittlichen Ausstattung und dem-
entsprechend auch einer überdurchschnittlichen Unterhaltsbelastung — überwiegend Wohnungen mit Baujahren zwischen 1924 und 1938 — reicht dieser Satz nicht aus. Jedoch machen die Wohnungen, die im Altbestand zusätzlich ein Bad sowie Parkettfußboden, Anschlußmöglichkeiten für Gas und Elektroherd, neuzeitliche sanitäre Anlagen innerhalb der abgeschlossenen Wohnung und außerdem noch ausreichendes Nebengelaß aufweisen, nicht einmal — man muß schon sagen bedauerlicherweise — 20 % des Gesamtbestands an Altwohnungen aus. Dabei muß noch berücksichtigt werden, daß hierin auch die eigengenutzten Wohnungen in Ein- oder Mehrfamilienhäusern enthalten sind, auf die bekanntlich 40 % aller Altwohnungen entfallen. Für diese Wohnungen ist nach den eingehenden Überprüfungen der Bundesregierung anzunehmen, daß man im allgemeinen mit einer 15%igen Erhöhung der derzeitigen Mieten die Kostendeckung erreichen kann. Darüber hinaus gibt es noch einen sehr geringen Prozentsatz von Wohnungen — nämlich nach unseren Unterlagen nicht einmal 7 %; die Haus- und Grundbesitzerverbände schätzen sogar nur 3 % —, die noch zusätzlich Sammel- oder Zentralheizung besitzen. Hier ist damit zu rechnen, daß mit einer 20 %igen Mieterhöhung die zusätzlichen Kosten dieser Wohnungen in der überwiegenden Zahl der Fälle gedeckt werden können.
Mit dieser Differenzierung soll schon einmal im Rahmen der verwaltungsmäßigen Möglichkeiten den unterschiedlichen Wohnwerten Rechnung getragen werden. Der Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes sieht aber darüber hinaus, und zwar unabhängig davon, ob es sich um normale oder überdurchschnittlich ausgestattete Wohnungen handelt, zum Schutz der Mieter vor, daß bei Wohnungen, die Mängel aufweisen, die die Benutzbarkeit des Wohnraums unter Berücksichtigung der örtlichen Wohnverhältnisse oder Wohngewohnheiten offensichtlich erheblich beeinträchtigen, überhaupt keine Mieterhöhungen in Frage kommen dürfen, wenn und so lange diese Mängel bestehen und — bei einer Kellerwohnung beispielsweise werden sie überhaupt nie behoben werden können — solange die betreffenden Räume noch als Wohnung dienen.
Der Gesetzentwurf sieht weiter zum Schutz der Mieter vor, daß in allen Fällen, in denen die Mieter selbst notwendige Aufwendungen zur Instandsetzung oder Instandhaltung ihrer Wohnung gemacht oder zum gleichen Zweck Zuschüsse geleistet haben, eine Mieterhöhung jeweils für vier Jahre ausgeschlossen bleibt, wenn die Leistungen der Mieter einer Jahresmiete zur Zeit der Leistung entsprochen haben. Ich darf hierfür ein Beispiel anführen. Wenn ein Mieter mit einer Monatsmiete von 60 DM, also einer Jahresmiete von 720 DM, einen Zuschuß oder eine Instandsetzungsleistung von 2500 DM aufgewendet hat, so darf seine Miete für über zwölf Jahre nach der Leistung nicht heraufgesetzt werden.
Es ist weiter darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeit, die Mieten über 10 % hinaus zu erhöhen, bei überdurchschnittlich ausgestatteten Wohnungen dann — auch das zum Schutze der Mieter — nicht gegeben sein soll, wenn in einer solchen Wohnung mehrere Mieter oder Untermieter mit ihren Familien einen selbständigen Haushalt führen oder der oder die Mieter diese überdurchschnittliche Ausstattung ganz oder teilweise selbst geschaffen haben. Ich weiß, daß gegen die erstgenannte Bestimmung — wenn mehrere Mieter oder Untermieter einen selbständigen Haushalt in einer überdurchschnittlich ausgestatteten Wohnung führen — von seiten des Hausbesitzes gesagt wird: Ja, aber dann wird ja diese Wohnung erst recht zusätzlich beansprucht. — Die Bundesregierung hat trotzdem geglaubt, den sozialen Gesichtspunkt hier durchschlagen lassen zu sollen; in der Regel wird dann eben davon auszugehen sein, daß es sich hier um besonders schwache soziale Verhältnisse handelt.
Wiederholt ist in der Öffentlichkeit diskutiert worden, ob nicht einer solchen Ermächtigung zur Mieterhöhung — denn etwas anderes kann und soll ja durch das Gesetz nicht eingeräumt werden —beim Altwohnungsbestand auch ,ein Reparaturzwang in Höhe der Mietanhebung entsprechen müßte. Ein solcher Reparaturzwang besteht aber indirekt bereits für eine sehr erhebliche Zahl der Altwohnungen auf Grund der Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes dadurch, daß für alle Häuser, für die bei der Hypothekengewinnabgabe im Wege des Ertragsschwäche-Verfahrens eine Ermäßigung der Hypothekengewinnabgabe beansprucht wird, die Mieterhöhung schon im natürlichen Interesse des Hausbesitzes selber für zusätzliche Reparaturen und Instandsetzungen verwandt werden wird. Es kommt hinzu, daß die Bundesregierung in ihren jetzt dem Bundesrat zugeleiteten Einkommensteuerrichtlinien für 1954 für den Hausbesitz einen zusätzlichen steuerlichen Instandsetzungsanreiz geschaffen hat, indem aus den Mieterträgnissen der Jahre 1954 bis 1956 oder 1955 bis 1957 bis zu 30 % der Mieterträge steuerlich abgesetzt werden können, wenn sie einem ausschließlich für Instandsetzungsmaßnahmen auflösbaren, gebundenen Reparatursperrkonto zugeführt werden.
Schließlich hat aber auch der Bundesmietengesetzentwurf in den Fällen, in denen eine Unterlassung notwendiger Instandsetzungs- oder Instandhaltungsarbeiten vorliegt und dadurch offensichtliche Mängel in der Benutzbarkeit der Wohnräume hervorgerufen werden, einen direkten gesetzlichen Reparaturzwang verankert. Die zuständigen Stellen können nämlich in diesen Fällen anordnen, daß die Mieter bis zu 30 % ihrer Mietverpflichtungen an eine Stelle abführen, die ihrerseits dann bestimmt, welche Reparaturen mit den einbehaltenen Mieten durchgeführt werden sollen.
Schließlich muß auch darauf hingewiesen werden, daß es noch ein Bürgerliches Gesetzbuch gibt und daß die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bestehenden Rechtsansprüche auf ordnungsgemäße Instandhaltung der Wohnung nach dem Inkrafttreten des Ersten Bundesmietengesetzes wieder in dem Zuge, in dem die Reparaturleistungen fortschreiten, als verbindlich anzusehen sein werden.
Im übrigen soll noch einmal unterstrichen werden. daß der Gesetzgeber im Rahmen des Ersten Bundesmietengesetzes für die unter den vorstehend genannten Voraussetzungen mögliche Mieterhöhung nur eine Ermächtigung einräumt, daß also nicht eine automatische Mieterhöhung eintritt. Es darf — wie im Falle der ersten, leider nicht zureichend gewesenen 10%igen Mieterhöhung für den bis 1924 bezugsfertig gewordenen Wohnraum — erwartet werden, daß der Hausbesitz von dieser Ermächtigung tatsächlich nur insoweit Gebrauch macht. als es zur Erhaltung des Wohnungsbestands unausweichlich notwendig ist. Dieses darf ich insbesondere von allen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, namentlich auch auf dem kommunalen Gebiet, erwarten.
Von der seinerzeitigen ersten 10%igen Mieterhöhung ist bemerkenswerterweise nur in Höhe von 7,7 % im Gesamtdurchschnitt Gebrauch gemacht worden, — ein Indiz dafür, daß auch der Hausbesitz besser ist als der Ruf, den er in der Propaganda verschiedener Mieterorganisationen hat, und daß ein Appell an seine soziale Verantwortung also durchaus erfolgversprechend ist.
Es soll auch noch erwähnt werden, daß selbstverständlich die 10%ige Mieterhöhung, die für den bis 1924 bezugsfertig gewordenen Wohnraum die zweite Mietkorrektur, für den nach 1924 bis 1948 bezugsfertig gewordenen Wohnraum dagegen überhaupt die bisher erste und einzige größere Mietkorrektur bedeutet, nur so errechnet werden darf, daß vorher alle Umlagen für Wasserverbrauch, Brennstoffkosten, Grundsteuermehrbelastungen usw. sowie beim Althausbestand bis 1924 auch die erste 10%ige Mieterhöhung abgezogen werden müssen, so daß also die 10%ige Mieterhöhung gar nicht 10 % der derzeit gezahlten Mieten erreichen kann.
Nun wird es natürlich trotz der Bemühungen der Bundesregierung, die weitaus überwiegende Zahl aller Altwohnungen im Rahmen der globalen 10- oder 15- bis 20%igen Erhöhungsermächtigung wieder zur Selbsterhaltungsfähigkeit gelangen zu lassen, noch immer Fälle geben, in denen diese Ermächtigung nicht ausreicht, die Kostendeckung herbeizuführen. Für diese Fälle sieht der Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes die Möglichkeit einer sogenannten Kostenvergleichsmiete vor, in der in einfacher Weise pauschalierte Bewirtschaftungs-
und insbesondere Instandhaltungskosten des Jahres 1936 den ebenfalls pauschalierten und knapp bemessenen — an den gegenwärtigen Reparaturpreisen und Löhnen gemessenen — Bewirtschaftungs- und Instandsetzungskosten des Jahres 1955 zur Ermittlung dieser Kostenvergleichsmiete gegenübergestellt werden. Auch bei der Kostenvergleichsmiete bleiben Kapitalkosten aus den schon an anderer Stelle genannten wohlüberlegten Gründen außer Ansatz.
Der Bundesrat hat die Kostenvergleichsmiete trotz der vorhergehenden Befürwortung durch den Wirtschaftspolitischen Unterausschuß des Bundesrates leider abgelehnt, weil er eine zu große Belastung der Verwaltung befürchtet. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates versucht, dieses ihr im Interesse einer dauerhaften Bereinigung der Mietensituation für den Althausbestand unerläßlich erscheinende Instrument so zu vereinfachen, daß die Befürchtungen einer Verwaltungsmehrbelastung soweit wie möglich zerstreut werden können. Dies ist einmal dadurch geschehen, daß die Kostenvergleichsmiete zwischen Vermietern und Mietern vereinbart werden kann. Dabei sollen sich beide Seiten auf einfache Formblätter stützen können, die die Bundesregierung im Rahmen der in diesem Zusammenhang vorgesehenen Ausführungsverordnung vorschreiben wird. Es werden danach nach der Überzeugung der Bundesregierung nur noch die Streitfälle übrigbleiben, in denen tatsächlich die Preisbehörden bemüht werden müssen und auch im anderen Falle bemüht worden wären. Dies gilt um so mehr, als auch noch die Errechnungsmodalitäten der Kostenvergleichsmiete in der Neufassung der betreffenden Vorschrift weiter vereinfacht worden sind.
Es ist von den schon einmal zitierten Mieterorganisationen entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Vorschriften über die Kostenvergleichsmiete behauptet worden, daß dadurch gerade Wohnungen mit einem schlechten Reparaturzustand zu teureren Mieten gelangen könnten als gut instand gesetzte Häuser. Diese Behauptung muß mit aller Schärfe zurückgewiesen werden. Abgesehen davon, daß für solche Häuser eventuell nach dem schon an anderer Stelle zitierten sogenannten „Bruchbudenparagraphen" überhaupt jede Art von Mieterhöhung ausgeschlossen sein kann, geht die Kostenvergleichsmiete immer nur, für 1936 und 1955, von pauschalierten und knapp bemessenen Instandhaltungssätzen aus. Es ist also gar nicht denkbar, daß für Häuser mit einem vergleichsweise größeren Reparaturnachholbedarf eine höhere Kostenvergleichsmiete errechnet werden könnte als für gut instand gehaltene Häuser. Auch haben sich diese Mieterorganisationen nicht gescheut, der Öffentlichkeit Berechnungen über angeblich denkbare Mietsteigerungen — auf Grund der Anwendung der Kostenvergleichsmiete — in Höhe von 30 bis 55 % vorzulegen, obwohl sie genau wissen müßten, daß die von ihnen vorgelegten Berechnungen in dem Gesetz nicht die mindeste Grundlage finden und somit nur als barer Unsinn bezeichnet werden können.
Ich darf nur ein solches Beispiel hier zitieren. Der Deutsche Mieterbund e. V. hat in einer Druckschrift an den Bundestag, den Bundesrat und die Länderregierungen, datiert vom Februar 1955, auf Seite 12 zwei Zahlenbeispiele für die Anwendung der Kostenvergleichsmiete bei Altwohnungen gebracht, bei denen er im Falle einer normalen, also nicht überdurchschnittlich ausgestatteten Altwohnung zu einer Mietsteigerung von zwischen 30 und 42 % und bei einer überdurchschnittlich ausgestatteten Altwohnung zu einer 40- bis 55%igen Mieterhöhung gelangen will. Die Wirklichkeit des Gesetzentwurfs der Bundesregierung sieht aber völlig anders aus. Im erstgenannten Fall ergibt sich eine Kostenvergleichsmiete nicht mit einer Erhöhung von 30 bis 42 %, sondern sage und schreibe von 11 % gegenüber der bis 1954 gültigen Miete. Es dürfte wohl klar sein, daß in diesem Falle von der Kostenvergleichsmiete kein Gebrauch gemacht werden, sondern es bei der Ermächtigung zur 10 %igen allgemeinen Erhöhung bleiben würde. In dem zweiten Fall, in dem nach den Rechenkunststücken des Deutschen Mieterbundes angeblich Mieterhöhungen zwischen 40 bis 55 % herauskommen sollen, ergibt die einwandfreie Nachrechnung auf Grund des Wortlauts des Regierungsentwurfs, daß hier nicht einmal die global zugelassenen 20 % bei Anwendung der Grundsätze der Kostenvergleichsmiete ganz erreicht werden würden, so daß also eine Anwendung der Kostenvergleichsmiete in diesem zweiten Fall überhaupt nicht in Frage kommt, geschweige denn diese utopischen Mieterhöhungen von 40 bis 55 %. Ich glaube, man kann der deutschen Öffentlichkeit und den Damen und Herren des Hohen Hauses das Urteil über solche Machenschaften getrost überlassen; sie richten sich durch ihre Unwahrhaftigkeit selbst.
Lassen Sie mich noch eine Vorschrift des Entwurfs des Ersten Bundesmietengesetzes behandeln, die ebenfalls in der Öffentlichkeit zu Darstellungen benutzt worden ist, die eigentlich nicht einmal mit Unwissenheit entschuldigt werden können. Ich meine die Vorschrift, nach der bei Mietvereinbarungen nach dem Inkrafttreten des Ersten Bun-
desmietengesetzes auch von den Preisvorschriften abweichende Mieten rechtsgültig vereinbart werden können, wenn der Mieter nicht innerhalb eines Jahres nach Abschluß der Vereinbarung sich auf die preisrechtlich zulässige Miete beruft. Nach dem Regierungsentwurf hat es also jeder Mieter selbst in der Hand, ob er eine solche Vereinbarung, wenn sie von ihm verlangt wird, innehalten will oder nicht. Er kann auch nicht, wie wider besseres Wissen behauptet worden ist, hierbei unter Druck gesetzt werden, da ihn hiergegen in jedem Falle die Bestimmungen des Mieterschutzgesetzes in Schutz nehmen. Diese Bestimmung kann sich also tatsächlich nur dort auswirken, wo die Vereinbarung wirklich freiwillig zwischen Vermieter und Mieter im beiderseitigen Einvernehmen getroffen wird.
Der Bundesrat hat geglaubt, auch diese einer vernünftigen Auflockerung der allzu starren Mietvorschriften dienende Bestimmung streichen zu sollen, weil er außer von der Bundesregierung nicht geteilten rechtssystematischen Bedenken darin gewissermaßen eine Aufforderung zur Vereinbarung höherer Mieten erblickte. Demgegenüber muß festgestellt werden, daß diese Vorschrift, insbesondere in ihrer von der Bundesregierung vorgeschlagenen Neufassung, diese sogenannte Aufforderung zur Vereinbarung höherer Mieten zum Schutze der Mieter bewußt beschränkt und darüber hinaus dazu dienen soll, in einer praktisch bereits gegebenen Situation für beide Seiten, Vermieter und Mieter, wieder klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Schon jetzt werden etwa 80 % der Wohnungswechsel nicht im Wege der Einzelzuweisung durch die Wohnungsämter, sondern im Wege der Erteilung der Benutzungsgenehmigung für einen vom Vermieter selbst vorgeschlagenen Mieter vollzogen. Es besteht also jetzt schon die Möglichkeit, daß Vermieter denjenigen vorschlagen oder unter den zur Auswahl stehenden Mietbewerbern denjenigen auswählen, der ihnen das höchste Angebot macht Nach der geltenden Rechtslage könnte dieser Mieter, der zunächst ein hohes Angebot abgibt, sich auch noch nach fünf oder zehn Jahren auf die preisrechtlich zulässige Miete berufen und den seit Abschluß des Mietvertrages zuviel gezahlten Mietteil zurückverlangen. Eine solche Situation kann in keiner Weise befriedigen, denn sie ist, weiß Gott, nicht sonderlich moralisch.
Deshalb macht die neue Bestimmung den Mieter darauf aufmerksam, daß er einen aus erklärlichen Gründen abgeschlossenen Vertrag mit zu hoher Miete nur noch innerhalb eines Jahres nach Abschluß des Vertrages anfechten kann. Die Mieter werden sich in Zukunft überlegen, namentlich bei fortschreitender Überwindung der Wohnungsnot, ob sie unter diesen Voraussetzungen noch irgendein Spiel mit falschen Karten treiben wollen oder können. Für die Vermieter wird durch die neue Bestimmung in der neuen Fassung auf der anderen Seite eine sehr deutliche Warnung aufgerichtet, auch ihrerseits keine wucherischen Mietforderungen unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften zu stellen. Wenn nämlich alle über die preisrechtlichen Möglichkeiten hinausgehenden Mietvereinbarungen innerhalb eines Jahres, in jedem Falle aber alle Vereinbarungen, die eventuell über 33 1/3 % über die preisrechtlich zulässige Miete hinausgehen, für alle Zeiten unbeschränkt angefochten werden können, dann wird sich wohl kaum jemand mehr finden, der insbesondere das letztgenannte, uneingeschränkte Risiko auf sich nehmen wird.
Die Bundesregierung betrachtet deshalb diese eben genannte Vorschrift des § 3 in der neuen Fassung als den wirksamsten Wucherparagraphen, der gegenüber einer schwarzen oder grauen Ausnutzung der gegenwärtigen Mangellage und der gegebenen Situation am Wohnungsmarkt wirksam erlassen werden kann, und besteht gerade aus diesen sozialen Gründen auf der Beibehaltung dieser Vorschrift.
Es darf dabei noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß auch in der überwiegenden Zahl der Fälle künftiger Vereinbarungen im Rahmen dieser neuen Vorschrift bei Neuvermietungen — denn nur hierfür kann diese Vorschrift angesichts der geltenden Mieterschutzbestimmungen überhaupt wirksam werden — von Altwohnungen immer noch im allgemeinen die Mieten nicht überschritten werden, die Mieter von Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, also überwiegend Heimatvertriebene, Ausgebombte oder junge Ehepaare, zu zahlen haben.
Es bleibt dem Bundestag überlassen, ob er zur zusätzlichen Sicherung, daß diese sozialen Mietsätze tatsächlich nicht überschritten werden können, die ursprünglich im Regierungsentwurf enthaltene, vom Bundesrat aber gestrichene Planfondobergrenze der Mietsätze des sozialen Wohnungsbaus einschließlich der möglichen Zuschläge wiederherstellen will. Ganz abwegig sind darüber hinaus die Annahmen, nach denen etwa auch Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaues bei Neuvermietungen mit in eine solche Mietvereinbarung einbezogen werden könnten. Bei den Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaues — das muß noch einmal ausdrücklich betont werden — bilden die gesetzlichen Bindungen der Miete die absolute Obergrenze. Kein Vermieter kann und darf sich im Sozialen Wohnungsbau über diese ihm gesetzlich auferlegten Verpflichtungen hinwegsetzen.
Dies waren die wesentlichsten materiellen Bestimmungen des Entwurfs des Ersten Bundesmietengesetzes, soweit sie die sehr begrenzten Möglichkeiten einer Mietenkorrektur zur Wiederherstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Wohnungsaltbestandes enthalten. Weitere Vorschriften dienen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes der wesentlichen Vereinfachung und der übersichtlichen Zusammenfassung der geltenden Mietpreisvorschriften oder der weiteren späteren Auflockerung mit der Ermächtigung, durch Rechtsverordnung dort bestimmte Wohnungen aus den Bindungen zu entlassen, wo im Hinblick auf die wohnungswirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ein Fortbestand dieser Bindungen im Zuge des weiteren Fortschreitens des Wohnungsbaues nicht mehr erforderlich ist.
Der Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes enthält aber noch einen zweiten, sozial bedeutsamen Teil, nämlich die Vorschriften über die Gewährung von Mietbeihilfen für sozial schwache Personen, insbesondere für größere Familien, für die sich trotz der vorausgegangenen Steuerermäßigungen, Rentenerhöhungen oder Kindergeldzahlungen noch Härten infolge der vorgesehenen, eng begrenzten Mietkorrekturen ergeben.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein paar Worte über die Tragbarkeit der vorgesehenen Mieterhöhung überhaupt sagen, da auch hierzu in der Öffentlichkeit seltsame Behauptungen aufgestellt worden sind. Im Durchschnitt aller Wohnungen, die von dieser Mieterhöhung betroffen werden könnten — das sind noch nicht einmal die Hälfte, näm-
lich nur rund 5 Millionen von über 11,5 Millionen Wohnungen im Bundesgebiet —, beträgt die Miete monatlich 38,90 DM. Es ist selbstverständlich, daß bei einem solchen Durchschnitt die Mieten in den großen Städten etwas über und in den kleineren, insbesondere Landgemeinden, etwas unter diesem Satz liegen. Aber darauf kommt es nicht so entscheidend an. Es bleibt jedenfalls unbestreitbar, daß die in der Mehrzahl nicht über 10 % hinausgehende mögliche Mieterhöhung den einzelnen Altwohnungsmieter mit nicht mehr als zwischen 3 und 5 DM monatlich belasten wird und daß die Gesamtheit aller Altwohnungsmieter mit nicht mehr als maximal 200 Millionen DM pro Jahr oder einem Drittel der Ausgaben für das Fußballtoto zusätzlich belastet werden kann. Nur in Großstädten können diese Sätze auch bei einfachen Wohnungen tatsächlich einmal überschritten sein.
Nach der erfreulichen Entwicklung der Löhne im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten — Löhne 210 des Standes von 1938, Lebenshaltungskosten 170 des Standes von 1938, Altmieten aber nur 110 des Standes von 1938 — liegen Ende 1954 erfreulicherweise 90 % aller Einkommen der Arbeitnehmer bei 300 DM und höher.
— Ich spreche jetzt vom Bundesgebiet.
— Ich komme auf Berlin noch einmal zurück, denn für Berlin haben wir ja auch hier wieder im allgemeinen Einvernehmen eine Sonderbehandlung vorgesehen.
Das bedeutet, daß für alle im Erwerb stehenden Personen, soweit sie überhaupt als selbständige Mieter oder Haushaltungsvorstände in Frage kommen — häufig wurde durch die Einrechnung beispielsweise von männlichen und weiblichen Lehrlingen usw. in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, als ob auch diese schon von einer Mieterhöhung betroffen werden könnten — und falls dann die im Erwerb stehenden Personen obendrein noch in Altwohnungen wohnen, die mögliche Mieterhöhung nicht mehr als 1 bis selbst in Großstädten maximal 2 % des monatlichen Einkommens ausmachen wird. Es darf vielleicht auch einmal darauf hingewiesen werden, daß im letzten Jahr allein die Zunahme des Genußmittelverbrauchs mehr als das Fünffache der zur Erhaltung der Wohnungen notwendigen Altmietenerhöhungen betragen hat und daß im Rahmen der durchschnittlichen Gesamtausgaben der Arbeitnehmer die für Genußmittel, Bekleidung usw. erheblich über das Volumen des Jahres 1936 oder 1938 hinausgegangen sind — worüber wir uns ja alle freuen —, die durchschnittlichen Ausgaben für die Miete auf unter 10 % zurückgefallen sind, während es noch zwischen den beiden Weltkriegen jeder als normal und zumutbar empfand, wenn er zwischen 13 und 15 % seines monatlichen Einkommens für das lebenswichtige Gut Wohnung auszugeben hatte.
Für die sozial besonders schwachen Teile der Bevölkerung, insbesondere also für die Fürsorgeempfänger und kleinen Rentner, bedeutet naturgemäß auch diese bescheidene Mieterhöhung im Einzelfall wesentlich mehr als für den im Erwerbsleben stehenden Arbeitnehmer. Sie kann sogar trotz aller Rentenerhöhungen zu einer sehr bedeutsamen Verschlechterung seiner Lebenshaltung führen. Aus diesen Gründen hat die Bundesregierung es für ihre Pflicht gehalten, für diese Kreise die Gewährung von Mietbeihilfen vorzusehen. Dazu muß bemerkt werden, daß die große Zahl derjenigen, die ohnehin bereits auf die Fürsorgeunterstützung angewiesen sind, von der Mieterhöhung ebensowenig betroffen ist wie diejenigen, die etwa aus Anlaß der Mieterhöhung unter Anwendung der fürsorgerechtlichen Bestimmungen neu in die Fürsorgeberechtigung kommen. Auch diese werden von der vorgesehenen Mieterhöhung für die Altwohnungen nicht betroffen werden, weil hier Bund und Länder — der Bund allein mit jährlich rund 20 Millionen DM — sowohl bisher wie in Zukunft die Mieten und eventuellen Mieterhöhungen tragen. Damit scheidet also schon der Kreis der sozial schwächsten Personen in der Bundesrepublik aus den von der Altmietenerhöhung möglicherweise Betroffenen überhaupt aus. Dies hat verschiedene Mieterorganisationen trotzdem nicht daran gehindert, das Gegenteil zu behaupten.
Darüber hinaus soll auch für diejenigen sozial schwachen Personen und größeren Familien, die nicht schon nach den fürsorgerechtlichen Vorschriften von der Selbsttragung der Mieterhöhung befreit sind, mit Hilfe eines einmaligen Übergangsbetrages von 15 Millionen DM von seiten des Bundes durch die Länder die Gewährung von Mietbeihilfen sichergestellt werden. Der Bundesrat hat gefordert, daß der Bund diesen zusätzlichen Betrag von 15 Millionen DM zu den 20 Millionen DM, die er ohnehin laufend für diese Zwecke zahlt, den Ländern nicht ,als nur einmalige Übergangszahlung. sonder laufend zur Verfügung stellt. Die Bundesregierung hat diese laufende Belastung des Bundeshaushalts für die Zwecke der zusätzlichen Mietbeihilfen zurückweisen müssen, da nach der im Grundgesetz und in der Finanzverfassung vorgesehenen Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern die laufende Gewährung der Mietbeihilfen nun einmal Aufgabe der Länder ist. Verschiedene Länder, z. B. Nordrhein-Westfalen, haben auch bereits von sich aus vor dieser im Rahmen der Altmietenerhöhung getroffenen Regelung eigene Mietbeihilfebestimmungen geschaffen.
Die Länder und Gemeinden kommen ja auch auf der anderen Seite in allererster Linie in den Genuß der Vorteile einer Wiederherstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Althausbestandes.
Es ist deshalb nicht mehr als recht und billig, daß sie dann auf der anderen Seite auch die Lasten der sozialen Verantwortung in erster Linie übernehmen. Ich sage „in erster Linie", da der Bund sich ja weiterhin in Höhe von zirka 20 Millionen DM pro Jahr ebenfalls an diesen Lasten beteiligen wird.
Ich darf im Namen der Bundesregierung und insbesondere auch im Namen des an dieser Vorlage ressortmäßig mit mir beteiligten Bundesministers für Wirtschaft, der sich ebenso nachdrücklich hinter diesen Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes stellt, abschließend noch einmal zusammenfassen:
Der Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes ist dem Hohen Hause vorgelegt worden, um endlich sicherzustellen, daß nicht jährlich weitere Milliardenwerte an über den Krieg gerettetem Volksver-
mögen infolge der allerseits anerkannten weitgehenden Unfähigkeit des Althausbestands, seine laufenden Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten zu decken, verlorengehen, während auf der anderen Seite mit jährlich 2,5 bis 2,7 Milliarden DM an überwiegend öffentlichen Mitteln, die auch die letzten und ärmsten Steuerzahler aufzubringen haben, versucht wird, durch Neubau von jährlich nunmehr über 1/2 Million Wohnungen der drückenden Wohnungsnot Herr zu werden und so schnell wie möglich von dieser jährlichen Belastung aller Bevölkerungskreise in Höhe von 2,7 Milliarden DM herunterzukommen.
Der von der Bundesregierung für 'den Zweck der Sicherstellung der Selbsterhaltung für zwingend notwendig erachtete Mehrbetrag an Mieten für die rund 5 Millionen betroffenen Altwohnungen von insgesamt 11,5 Millionen Wohnungen beträgt demgegenüber nicht mehr als jährlich 200 Millionen DM oder im Einzelfall im Schnitt nicht mehr als 1 % des monatlichen Durchschnittseinkommens der im Erwerbsleben stehenden Personen, soweit sie als Mieter von Altwohnungen dem Alter und Familienstand nach überhaupt in Betracht kommen können.
2 1/2 Millionen Familien oder Mieter von Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues müssen bereits jetzt im Durchschnitt wesentlich höhere Mieten monatlich aufbringen, als sie selbst nach dieser sehr beschränkten, im allgemeinen nicht über 10 % hinausgehenden Mieterhöhung für Altwohnungen zu zahlen sein werden. Dabei handelt es sich bei diesen 2 1/2 Millionen Familien oder Mietern von Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues weitaus Überwiegend um Heimatvertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge, Ausgebombte oder junge Ehepaare, die ihre Existenz oder ihren gesamten Hausrat erst neu ,aufbauen müssen, während beides in der Regel den Mietern der 5 :Millionen Altwohnungen erhalten geblieben ist. Weitere etwa 4 Millionen von Familien oder Einzelpersonen, davon etwa 700 000 Arbeiter und etwa 1,3 Millionen Rentner, wohnen in selbsterrichteten Eigenheimen oder als Eigentümer von Mehrfamilienhäusern in einer Wohnung dieser Häuser. Sie müssen ebenfalls schon seit Jahr und Tag die effektiv anfallenden Reparatur- und Instandhaltungskosten, die sich nun einmal gegenüber 1936 mehr als verdoppelt haben, aus ihren Einkommen aufbringen, auch wenn es sich beispielsweise um Menschen handelt, die praktisch ohne jedes Einkommen sind. Diese 4 Millionen Eigentümerwohnparteien haben die erhöhten Lasten bisher aus der zwangsläufigen Einsicht getragen, daß sie nur auf diese Weise die Erhaltung ihres Eigenheims oder ihres Hauses für sich und darüber hinaus für die gesamte Volkswirtschaft sicherstellen können.
Von den 5 Millionen Mietern von Altwohnungen, also der Minderheit aller Wohnungsnutzer in der Bundesrepublik, die jetzt möglicherweise auch einen Beitrag — und zwar einen bescheidenen Beitrag — zur Erhaltung unseres Gesamtwohnungsbestandes leisten sollen, werden obendrein die etwa 1 Million möglicherweise betroffenen Fürsorgeempfänger durch den Staat von der Tragung der Mieterhöhung befreit. Für weitere Hunderttausende sozial schwacher Personen werden unter Mithilfe des Bundes durch die Länder Mietbeihilfen gewährt. Es werden also wirklich im wesentlichen diejenigen von dem Beitrag zur Erhaltung des Wohnungsbestandes nach diesem Gesetz berührt, denen mindestens im gleichen Maße wie den Inhabernvon Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues oder von Kleinsiedlungen der anderen einfachen Eigenheimen zugemutet werden kann, diesen bescheidenen Beitrag von im Durchschnitt zwischen 3 und 5 DM im Monat zur Erhaltung des Wohnungsbestandes .zu leisten.
Darüber hinaus sorgt der Entwurf des Bundesmietengesetzes dafür, daß die Mieten der Altwohnungen, solange dies infolge der trotz Ides weitergeführten Baues von jährlich über eine halbe Million neuen Wohnungen bestehenden Wohnungsnot noch notwendig ist, weiterhin in klar übersehbaren Grenzen gebunden bleiben, daß also mit dem Gut Wohnung keinerlei Spekulation oder Wucher getrieben werden kann. Die Bundesregierung betrachtet es aber als ihre oberste soziale Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß ihre Anstrengungen und die dahinterstehenden Opfer der gesamten Bevölkerung zugunsten der Schaffung billiger Wohnungen für die breiten Schichten der Bevölkerung nicht dadurch geschmälert werden, daß ohne jede Notwendigkeit jährlich in steigender Zahl durchaus erhaltungsfähige Wohnungen des Wohnungsaltbestandes zu Tausenden und aber Tausenden verfallen, unbewohnbar, polizeilich gesperrt und geräumt werden und somit der Zeitpunkt hinausgerückt wird, bis zu dem der Letzte, der heute noch in einem Bunker, in einer Baracke oder einer Notunterkunft vielleicht schon seit Jahren leben muß, endlich auch, wie die Inhaber von Altwohnungen, ein eigenes Heim erhält.
Vielleicht überlegen sich diejenigen, an die mit diesem Ersten Bundesmietengesetz tatsächlich der Appell zur Anerkennung dieser bescheidenen Mehrausgaben als Beitrag zur Wiederherstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit ihrer Wohnungen gerichtet wird, einmal, was es bedeutet, wenn hierdurch jährlich Tausenden von Familien mit zum Teil kleinen Kindern, die jetzt noch in den Bunkern und Barackenlagern leben müssen, die Möglichkeit gegeben wird, weil nunmehr diese Altwohnungen nicht weiter verfallen und vorzeitig ausscheiden müssen, viel eher in eine neue Wohnung des sozialen Wohnungsbaues zu kommen und dort für ihre Kinder zum erstenmal vielleicht in deren Leben einen Weihnachtsbaum anstecken zu können, weil das vorher in dem stickigen Bunker nicht möglich war.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache zu Punkt 2 der Tagesordnung, zur ersten Beratung des Ersten Bundesmietengesetzes, und erteile das Wort denn Herrn Abgeordneten Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist nicht ganz klar, ob der Herr Minister durch seine soeben gehaltene Rede dem, was ihm am Herzen liegt und was das Anliegen dieses Gesetzentwurfs sein soll, wirklich einen Dienst geleistet hat. Denn zum Schluß seiner Ausführungen, als er mit bewegten Worten auf die sozial förderlichen Tendenzen dieses Gesetzentwurfs einging, und auch vorher, als er zur Frage der Mietbeihilfen sprach, hat er Formulierungen gebraucht, von denen meine Freunde und ich nicht überzeugt sind, daß sie eine rechte Betrachtung der Konsequenzen dieses Gesetzes sind.
In diesem Gesetz ist an keiner Stelle eine Garantie dafür zu finden, daß die von den Mietern
verlangten Mieterhöhungsbeträge wirklich der Instandsetzung dienen werden und dienen müssen. Die Bundesregierung hat sich in der Begründung zu diesem Gesetzentwurf darauf beschränkt, der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß dies geschieht, und hat gemeint, im Interesse des Althausbesitzes selbst liege es ja so selbstverständlich, daß derartige Mieterhöhungen diesem Zweck zugeführt würden, daß es keiner ausdrücklichen Bestimmung nach dieser Richtung hin bedürfe. Wir teilen diesen Optimismus nicht. Wir glauben nicht, daß das ohne weiteres unterstellt werden kann. Wir glauben auch nicht, meine Damen und Herren, daß man sich abfinden kann mit einer Darlegung des Problems der Mietbeihilfen, wie sie der Herr Minister vorhin vortrug. Den Gemeinden beispielsweise zu sagen, sie trügen ja irgendwie Nutzen und müßten und könnten deshalb auch die sozialen Verpflichtungen auf sich nehmen, zu erklären, es sei nicht mehr als recht und billig, daß sie auf der anderen Seite auch die Lasten der sozialen Verantwortung in erster Linie übernähmen, das scheint uns doch eine ziemliche Vereinfachung der Problematik zu sein. Mir ist bis zur Stunde noch nicht klar, worin denn der Vorteil für die Gemeinden liegen soll, wenn eine Mietenanhebung an Einzelobjekten Platz greift. Das muß mir noch begreiflich gemacht werden, wie ich auch darum bitten muß, daß in einer Reihe von Punkten eine weitergehende Aufklärung erfolgt, als uns der Herr Minister heute hier hat zuteil werden lassen. Wir werden in den Ausschußberatungen überhaupt eine ganze Reihe von Detailfragen ;aufgreifen müssen, und wir werden sehr begierig sein zu hören, welche Antworten wir zu dieser oder jener Frage erhalten.
Dabei liegt auch uns daran — und ich begrüße es deshalb, daß der Herr Minister im Anfang seiner Ausführungen der sozialdemokratischen Opposition unterstellte, daß sie sich sachlich mit den hier zu erörternden und zu entscheidenden Fragen beschäftigt —, daß ein allgemein volkswirtschaftliches Problem nicht einseitig gesehen wird, sondern daß man sich gemeinsam bemüht, zu einer Lösung zu kommen. In einer angesehenen südwestdeutschen Tageszeitung hat gestern unter der Überschrift „Das Mietenchaos" der Satz gestanden, daß die heutige Debatte um das Mietengesetz heftig zu werden verspreche. Nun, meine Damen und Herren, es gibt sicherlich, wenn man den Regierungsentwurf des Mietengesetzes sehr eingehend betrachtet, eine ganze Reihe von Punkten, in denen wir uns nicht ohne weiteres einig werden können. Aber selbst eine heftige Debatte, wenn sie kommen sollte, braucht ja keine unsachliche Debatte zu sein. Es gibt Meinungsverschiedenheiten, in denen sich nun einmal frontal Stellungnahmen gegenüberstehen, die man nicht ohne weiteres und sofort überbrücken kann. Aber, Herr Bundesminister, es gibt nicht nur die Möglichkeit, daß sich diese oder jene private Organisation in bezug auf Zahlen oder bei der Auslegung der von Ihnen hier vertretenen Bestimmungen irrt, sondern daß sich auch bei der Bundesregierung in dieser oder jener Betrachtung und bei dieser oder jener Regelung Irrtümer einstellen.
Wir haben bei dieser Vorlage in vielen Punkten nicht nur das Gefühl, sondern die Gewißheit, daß der Ansatzpunkt falsch ist und daß man einen Weg geht, dessen Konsequenzen noch niemand übersehen kann, der aber möglicherweise recht unerfreulich ist und nicht dem Ausgleich der Interessen,sondern einer weiteren Verschärfung von Gegensätzen dient, so daß Mietstreitigkeiten förmlich ausgelöst werden und Händel in die Häuser getragen werden, weil dieses Gesetzeine ganze Reihe von Bestimmungen enthält, Herr Minister, bei deinen von einer absolut formalen Überlegung ausgegangen wird, von der Überlegung nämlich, daß es sich bei Mietverhältnissen um eine Partnerschaft Gleichberechtigter handle. Wenn und solange Wohnungsmangel besteht, wenn und solange uns die Wohnungsnot drückt, gibt es keine wirklich gleichberechtigten Partner; da steht der Mieter am unteren Ende, er muß als der Schwächere unter Umständen sogar um Gnade bitten.
Das ist eine Alltagstatsache.
Das kann doch gar nichtgeleugnet werden.. Darin
liegt gar kein Vorwurf gegen Hausbesitzer, sondern
— verzeihen Sie; das muß man doch ganz leidenschaftslos sehen können — idas ist die Feststellung einer Realität. Wenn hier die Möglichkeit geboten wird, eine freie Mietvereinbarung zu schaffen, wie § 3 des Gesetzentwurfs es vorsieht, dann ist es eben nicht richtig, zu glauben, daß hier nicht unter Umständen aus der Situation heraus ein gewisser Druck auf dem Mieter liegt, der um des lieben Friedens willen Bedingungen akzeptiert, die er sonst nicht akzeptieren würde.
Es ist und bleibt ein Unterschied, ob ich in einer Marktwirtschaft mir Ware suchen kann, unter Umständen einem höheren Preis durch andere geeignete Ware ausweichen kann oder ob ich an eine Wohnung festgekettet bin, aus der ich lieber heute als morgen herausgehen möchte, schon um Streit zu vermeiden. So gut es unwillige Mieter gibt, so gut es Mieter gibt, denen dieser oder jener Vorwurf zu machen ist, so gut gibt es Vermieter, denen gegenüber auch manche Kritik notwendig ist. Wir sollten doch hier nicht harmonisieren, wir sollten nicht generalisieren, aber wir sollten auch effektive Tatsachen nicht übersehen, die Tatsache z. B., daß es leine echte, wenn Sie so wollen, Gleichberechtigung, eine gleiche Partnerschaft von Vermietern und Mietern so lange nicht gibt, wie für den Mieter nicht die Möglichkeit ,besteht, sich nach seinem Gutdünken und nach seiner freien Entscheidung eine andere Wohnung zu suchen.
Das hat die Bundesregierung nicht erkannt, und deshalb ist der Ausgangspunkt mancher der von ihr vorgesehenen Regelungen absolut schief.
— Lieber Herr Kollege Lücke, wenn es so einfach wäre, das Problem mit einer solchen Formel zu lösen, dann wäre es sehr schön. Selbstverständlich haben Sie völlig recht. Es ist niemals ein Idealzustand gewesen, daß die Wohnung als Mietsache von jemandem gebraucht werden mußte, der einen Hausbesitzer darum bitten mußte, als Vertragspartner anerkannt zu werden. Es wäre wundervoll
in dieser Welt, wenn kein Mensch mehr Mieter zu sein brauchte, sondern wenn er Eigentümer seiner Wohnung wäre. Wenn es noch stärkere Möglichkeiten gibt, zu diesem Ziel zu kommen, als wir sie hier bisher schon versucht haben, werden Sie unserer Unterstützung stets sicher sein.
Aber so weit sind wir noch nicht. Sie haben ja die Zahlen gehört. Millionen von Wohnungen werden von diesem Gesetz betroffen, und da sollten wir nüchtern und sachlich untersuchen, was für Regelungen denn dieses Gesetz eigentlich bringt. Ich will es mir versagen, an dieser Stelle auf Einzelbestimmungen einzugehen. Im Laufe der Diskussion werden einige meiner Freunde zu dieser oder jener speziellen Frage Stellung nehmen. Aber ich darf darauf hinweisen — das ist übrigens auch schon durch die Ausführungen des Herrn Bundeswohnungsministers geschehen —, daß es doch eine ganze Reihe von Punkten gibt, die der sorgfältigen Prüfung bedürfen und die nicht nur uns e r e Kritik finden, sondern die auch vom Bundesrat kritisiert worden sind, die beispielsweise im bayerischen Aufbaurat Kritik fanden und die bei den kommunalen Spitzenverbänden zur Zeit sehr sorgfältig daraufhin geprüft werden, ob sie nicht in dieser oder jener Beziehung unter allen Umständen der Änderung bedürfen.
Es gibt eine vielfältige Problematik. Ganz so einfach und harmonisch, wie der Herr Bundeswohnungsminister diesen Gesetzentwurf auch in seinen Konsequenzen hier dargelegt hat, sind die Dinge nun leider nicht. Wir haben bei der ersten Prüfung des Gesetzentwurfs uns Sorge darüber gemacht, ob hier nicht die Wohnraumbewirtschaftung als ein sozial zunächst noch unerläßliches Regulativ praktisch auf kaltem Wege illusorisch gemacht wird. Wir haben die Sorge, daß z. B. in weitgehendem Umfang die Frage der Mietbeihilfen im Wege des Abschiebens auf die Landes- und Kreisfürsorgeverbände gelöst wird; dazu sagte ich schon einiges. Wir haben die Sorge, daß große Schichten, z. B. die Untermieter, möglicherweise recht- und schutzlos werden. Herr Bundeswohnungsminister, wir haben das Gefühl, daß eine ganze Reihe von Zahlen in Ihrer Statistik ebenfalls einer sehr sorgfältigen Nachprüfung bedürfen, daß sie, um es vorsichtig auszudrücken, schöngefärbt sind. Ich will hier auf Einzelheiten nicht eingehen. Ich habe umfangreiches Material zur Hand, das bei den Ausschußberatungen zur Verfügung steht.
Was ich aber an diesem Entwurf besonders bedaure, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die absolute Verquickung von öffentlichem und privatem Recht, die sich hier findet, ohne daß das notwendig gewesen wäre. Es werden Bestimmungen des Mieterschutzgesetzes, des BGB, des Geschäftsraummietengesetzes und des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes geändert. Dabei befindet sich heute schon kein Hausbesitzer und kein Mieter mehr in der Lage, die zulässige Miete zu berechnen. Wir haben ein derartiges Durcheinander, einen derartigen Wirrwarr, ein derartiges Chaos der verschiedenen Mietenbestimmungen, daß kaum noch ein Spezialjurist in der Lage ist, auszurechnen, was die preisrechtlich zulässige Miete ist. Das wird leider auch durch dieses Gesetz nicht verbessert, sondern es schafft nach dieser Richtung hin weitere Erschwerungen.
Auf Seite 18 der Begründung wird davon gesprochen, daß dieses Gesetz der Bereinigung und
Vereinfachung des Mietpreisrechts diene. Ich werde Ihnen zum Schluß einmal bildhaft zeigen, wo diese Bereinigung endet und wieviel Bestimmungen noch weiterhin anzuwenden sind, über die man sich informieren muß, was dem Laien, ja selbst dem normalen Juristen nicht mehr möglich ist.
Lassen Sie mich zum Abschluß dieser ersten allgemeinen Bemerkungen dem Herrn Bundeswohnungsminister jedoch auch ein Wort des Dankes sagen. Es bezieht sich auf seine vorhin schon erwähnten Darlegungen, die der Opposition unterstellen, daß sie bereit ist, an der Beratung dieser Fragen sachlich mitzuwirken. Das klingt ein wenig besser als manche Sentenz, die uns gewisse Kreise des organisierten Haus- und Grundbesitzes seit Jahren immer wieder servieren. Ich habe gerade vor wenigen Tagen ein Zeitschrift des Grund- und Hausbesitzes, und zwar die „Nürnberg-Fürther Hausbesitzerzeitung" in die Hände bekommen. Da ist nicht davon die Rede, daß sich die Opposition seit Jahren bemüht, die Mietenreform als eine Notwendigkeit zu erklären, und ihre Bereitschaft zu erkennen gibt, leidenschaftslos an die Erörterung und Lösung der Mietpreisfragen heranzugehen. Da heißt es hinsichtlich der Regierungsvorlage, daß sie nun endlich verabschiedet werden müsse, und wörtlich — ich darf es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren — liest man:
Dies setzt natürlich voraus, daß nicht im Ausschuß von Gegnern des Mietengesetzes und der privaten Hausbesitzer überhaupt, also von den Sozialdemokraten oder den Arbeitnehmervertretern der CDU,
neue Berge von Schwierigkeiten aufgetürmt werden.
Das ist doch eine törichte Art, in diesem Parlament so oder so Stimmung zu machen. Es ist doch völlig unsinnig, die Gleichung aufzustellen, daß ein Gegner dieser oder jener Bestimmung des Mietengesetzes zugleich Gegner des privaten Hausbesitzes sein müsse. Es ist völlig unsinnig, davon auszugehen, daß es nun ausgerechnet ein Sozialdemokrat oder ein Arbeitnehmervertreter der CDU sein muß, der bei Prüfung dieses Gesetzes in diesem oder jenem Punkte ein Haar in der Suppe, der Bedenken, der Fehler findet. Wir sollten uns doch hüten, so schwierige Fragen in dieser Weise zu behandeln.
Aber diese Art der Betrachtung liegt auf der Linie jenes Briefes, den der Herr Präsident des Zentralverbandes der deutschen Haus- und Grundbesitzer e. V., Herr Dr. Handschumacher, am 20. November 1954 an den Herrn Bundeskanzler gerichtet hat. Darin hat er klar und deutlich zu verstehen gegeben, daß es ihm weniger darauf ankommt, eine sachlich notwendige Lösung zu betreiben, sondern daß er ein Wahlversprechen eingelöst sehen will. Und er droht damit, wenn dem nicht entsprochen wird — er weist auf Herrn Drewitz und auf Bemühungen hin, neue Wirtschaftsparteien oder ähnliche Gruppen zu gründen —, mit seiner Organisation gewisse politische Konsequenzen zu ziehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte nicht nur gelegentlich nach einer Seite schielen, wenn man vom Druck auf Parlamente und auf bestimmte Parteien spricht,
sondern man sollte sorgfältig darauf achten, daß das im Grunde genommen nirgendwo als ein zulässiges Mittel der Einwirkung angesehen werden sollte, wenn es um schwierige, von uns allen zu lösende Fragen geht. Wir möchten jedenfalls nicht in dieselbe Kerbe hauen. Wir möchten nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß uns die Hausbesitzer nichts angehen. Wir wissen, daß es Althausbesitz gibt, der sich in einer Notlage befindet, und wir wissen, daß uns niemand die Verpflichtung abnimmt, auch an diese Notlage zu denken und nach Maßnahmen zu suchen, die geeignet sind, diese Notlage zu beheben. Hier gilt keine Schwarz-weiß-Malerei. Es handelt sich um einen vielschichtigen sozial- und wirtschaftspolitisch eng miteinander verzahnten Gesamtkomplex, den wir so oder so zu lösen haben.
Ich fürchte jedoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Entwurf, mit dem wir es zu tun haben, in mancherlei Hinsicht wesentlicher Korrekturen bedarf, um ihn überhaupt brauchbar zu machen. Lassen Sie mich zum Schluß nur eine Bemerkung anfügen, die Ihnen deutlich macht, daß eigentlich niemand berechtigt ist, diesen Entwurf als eine besonders glückliche Lösung anzusehen. Ich habe mich außerordentlich gewundert, in der Begründung — ich glaube, es steht auf Seite 18 — einen Satz zu finden, der besagt, daß der Gesetzentwurf unter anderem darauf abzielt, „eine Bereinigung und Vereinfachung des Mietpreisrechts herbeizuführen".
Wir finden in dem Entwurf leider nicht eine Mietreform, wie wir sie schon vor Jahren verlangt haben. Wir sehen in ihm kein Gesetz, das für Mieter und Vermieter verständlich ist und für die Gerichte und Behörden ohne wesentliche Mehrbelastung anwendbar erscheint. Wir vermissen eine ganze Reihe von Regelungen. Vor allen Dingen fehlt eine Regelung, die das Zuschlagssystem weitgehend in eine neue Grundmiete einbezieht. Denn neben den Mieten, die in Zukunft möglich sein sollen, bleiben die zahlreichen Zuschläge bestehen, so daß nach wie vor kein Mensch weiß, wie er sich nun eigentlich über die Zulässigkeit der von ihm geforderten Miete orientieren kann. Das Mietpreisrecht mit seiner Verstreutheit bleibt aufrechterhalten. Wir finden auch keine Regelung hinsichtlich der Mietbeihilfen, die uns objektiv und subjektiv ausreichend erscheint. Wir glauben nicht, daß der Bund es sich so billig machen kann, wie er es mit dem Gesetzentwurf tut.
Wenn dieser Entwurf eine echte Hilfe für den Hausbesitz darstellen soll, dann hätte die Bundesregierung den Mut aufbringen müssen, um den weiteren Verfall des Hausbesitzes aufzuhalten, den Vorschlag zu machen, auf die Dauer von mehreren Jahren einen entsprechenden Betrag von vielleicht 50 Millionen DM jährlich im Haushalt zur Gewährung von zinsverbilligten Instandsetzungsdarlehen bereitzustellen. Das wäre ein wirklich konstruktiver Weg, der garantieren würde, daß etwas Entscheidendes gegen den Verfall des Hausbesitzes geschieht. In dieser Vorlage findet sich nur eine vage Hoffnung, daß die Mieterhöhungen, die dazu noch schematisch, die pauschal vorgeschlagen werden, für die Erhaltung des Althausbesitzes verwendet werden.
Das Allerletzte, was ich hinsichtlich der Unübersichtbarkeit zu sagen habe, soll Ihnen an Hand einer Aufzeichnung gezeigt werden, die Ihnen begreiflich zu machen versucht, wieviel Bestimmungen für den Fall des Inkrafttretens dieses Bundesmietengesetzes noch aufrechterhalten bleiben. Wenn Sie einen Blick auf die Rolle hier werfen, in der Sie die Aufzeichnungen finden, dann werden Sie mir zugeben müssen: weniger wäre mehr gewesen. Es wäre nach Jahren der Vorarbeit fraglos möglich gewesen, ein Bundesmietengesetz vorzuschlagen, das für den normalen Sterblichen verständlich ist und das nicht auf eine solche Fülle von Einzelbestimmungen verweist, die noch daneben zu berücksichtigen sind. — Ich darf zwei Kollegen meiner Fraktion bitten, mir beim Entfalten der Rolle behilflich zu sein; sie hat 6 Meter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ist kein Wort textiert, das nicht notwendig wäre; das sind lediglich Vorschriften, Erlasse, Verordnungen und Gesetzesbestimmungen, die neben dem Bundesmietengesetz weiterhin in Kraft bleiben. Machen Sie mir klar, wie es möglich sein soll — —
— Vielen Dank, Herr Dr. Hellwig! Wenn ich so hübsch wäre wie Sie, hätte ich Wert auf eine Fernsehübertragung gelegt.
Lassen Sie mich mit der Bemerkung schließen, daß wir bei der ersten Prüfung dieses Entwurfs unsere tiefe Enttäuschung zum Ausdruck bringen müssen, daß wir uns aber bei der bevorstehenden Ausschußarbeit bemühen werden, sachlich zur Klärung der Fragen beizutragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Brönner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der CDU/CSU-Fraktion aus habe ich die Aufgabe, zu den Grundgedanken des Gesetzentwurfs Stellung zu nehmen. Zunächst darf ich eine Anerkennung gegenüber dem Wohnungsbauministerium aussprechen, das in dem Gesetzentwurf, in der Begründung und in den statistischen Anlagen eine hervorragende Arbeit geleistet hat.
Wer diese 40 Seiten der Begründung aufmerksam liest, hat den Eindruck, daß hier jedes Problem tiefgründig und allseitig angefaßt, unter die Lupe genommen und erläutert wurde.
Der Herr Wohnungsbauminister hat ferner in seinem eben gehaltenen Vortrag den Beweis geliefert, daß er keiner Frage ausgewichen ist, daß er den Problemen nachgegangen ist, daß er Licht- und Schattenseiten herausgestellt und damit die Grundlagen für die eingehende Beratung in unserem Ausschuß gegeben hat, wo ja das Gesetz seine letzte Form erhalten wird.
Wir wollen diesen Gesetzentwurf weder verhimmeln noch herabsetzen. Er hat seine Lichtseiten, er gibt auch zu Bedenken Anlaß. Ob wir an die Erhöhung der Pauschalmieten über 10 %, an die Kostenvergleichsmiete, an das neue Mietpreisrecht oder an die Mietbeihilfen denken, überall treten Fragen auf, und es wird einer sehr 'eingehenden
Beratung bedürfen, um hier tragbare Lösungen zu finden, die eines Tages dem Plenum als Antrag des Ausschusses vorgetragen werden.
Ich darf also kurz zu den Grundgedanken Stellung nehmen, um darzulegen, wie die CDU/CSU-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf steht. Meine Freunde und ichwollen diesen Gesetzentwurf ausgerichtet sehen auf die Erhaltung und Verbesserung der Altbauwohnungen. Ich stelle das heraus. Wir haben bei dem Gesetz den wohnungsuchenden Menschen vor Augen, der darauf wartet, irgendwo unterzukommen, und den Menschen, der heute noch in einer etwas heruntergekommenen Wohnung hausen muß. Das andere, daß nämlich der Vermieter in den Stand gesetzt werden soll, die Ausgaben zu machen, um sein Haus zu erhalten, um die Wohnungen zu verbessern, das ist ein Mittel auf dem Wege zum Ziel. Unser Ziel ist nicht an erster Stelle, den Vermietern höhere Einnahmen zu verschaffen. Unser Ziel ist an erster Stelle, den wohnungsuchenden Menschen die Wohnungen zu sichern und denen, die schlecht untergebracht sind, eine bessere Wohnung zu verschaffen, indem der Vermieter in den Stand gesetzt wird, durch etwas höhere Mieteinnahmen auch die Wohnungsverhältnisse zu verbessern.
Zunächst steht fest, daß die Eigentümer von alten Miethäusern nicht imstande waren, mit den bisherigen Mieterträgen die Kosten der notwendigen Instandsetzung zu bezahlen.
Wenn wir dazu noch an die Kriegssachschäden an den Häusern denken, wenn wir erwägen, daß, wie eben 'erklärt worden ist, eine Steigerung der Instandsetzungskosten auf 235 % feststeht und die Mieten dabei gleich geblieben sind, mit Ausnahme der Uraltmieten, die im Jahre 1952 um 10 % erhöht worden sind, also im Grunde genommen aufrechterhalten wurden, dann muß man schon sagen: Es ist einfach unmöglich gewesen, bei diesen Zwangsmieten die Häuser nach innen und außen zu erhalten und die Wohnungen so zu verbessern, wie wir es für richtig halten. Der Rohüberschuß an Mieterträgen ging also zurück, die öffentlichen Abgaben, die Verwaltungskosten, mußten an erster Stelle bezahlt werden, und darunter litt dann die Instandsetzung. Die Folge davon sind der Zerfall von Miethäusern und die Verschlechterung der Wohnungen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— Ja, das gehört nicht ins Parlament.
— Ja, er darf aber diese Zahlenbeispiele nicht
bringen, Herr Jacobi. Das schlimmste ist, er mußte
sich nachher von Herrn Dr. Preusker — das war
nämlich der einzige Diskussionsredner — berichtigen lassen; es wurde ihm nachgewiesen, seine Zahlen stimmten nicht.
Also dieser Herr Landesminister hatte ausgerechnet: es kommt eine Mietsteigerung von beinahe 30 %. Herr Preusker hat ihn korrigiert und festgestellt: es kommt keine Steigerung von 30 %, sondern eine von 10 %.
— Ach, beides falsch?
Wozu führt das aber? Es führt dazu, daß andere Verbände, nämlich die Verbände derjenigen, die aus ganz verständlichen Gründen keine Mieterhöhung haben wollen, die Verbände der Mieter, solche Zahlen auswerten, und ich glaube, das ist nicht richtig. — Wenn ich überhaupt eine Zensur erteilen darf, muß ich sagen, daß die Behandlung dieses Gesetzes durch den Bundesrat „nicht genügend" war.
Meine Damen und Herren, worum dreht es sich bei dem Problem? Wenn Sie die verschiedenen Punkte einmal aneinanderreihen, müssen Sie sagen, daß der logische und richtige Gedanke der der Kostenvergleichsmiete ist. Das hätte vornehin als § 1 gehört.
Wie wollen Sie Kosten vergleichen? Sie können Kapitalkosten von 1936 und 1945 nicht vergleichen. Da sind die Belastungen zu unterschiedlich, da spielt das Alter der Häuser eine Rolle. Hier kommen wir zu einem großen Problem: ob man ein abgeschriebenes Haus noch so ansehen muß, wie wenn es vor 30, 40 Jahren gestanden hätte, in Verbindung mit dem anderen Problem, ob nicht die Ansammlung der Abschreibungen den Wiederherstellungspreis garantieren muß. Durch die sogenannte Währungsreform haben wir sehr unterschiedliche Belastungen bei den Häusern. Die Frage des Eigenkapitals hat uns damals im Lastenausgleich erhebliche Schwierigkeiten gemacht. Wir haben versucht, eine Lösung zu finden. Aber hier, bei der Frage der Mieten, wäre es vollkommen unmöglich gewesen, die Kapitalseite irgendwie vergleichen zu wollen. Das hat der Entwurf auch nicht gemacht. Er hat das herausgelassen. Das war richtig. Er vergleicht jetzt die Betriebs- und Verwaltungskosten von 1936 und heute und regelt — ich glaube, in einer durchaus befriedigenden Form — die Frage der Reparaturen.
Wenn man also diese Kostenvergleichsmiete in dieser wirklich einfach zu sehenden und auch einfach zu handhabenden Form vorne hingestellt hätte, hätte man als Nr. 2 sagen können: Wer davon keinen Gebrauch machen will und wer keinen Gebrauch machen kann, der nimmt § 3 und kriegt die 10 %ige Erhöhung. Zu denen, die davon keinen Gebrauch machen können, gehört beispielsweise auch derjenige, der die Unterlagen zum Vergleich der Betriebskosten von 1936 nicht mehr hat. Wenn er sie nicht nachweisen kann, muß er sich in Gottes Namen mit den 10 % Mieterhöhung begnügen. Der andere, der die Kostenvergleichsmiete nicht einführen will, der sich etwa vorgerechnet hat, daß es für ihn doch nichts bringt oder daß er mit der 10%igen Erhöhung auskommt, verzichtet ebenfalls darauf.
Als dritten Punkt haben wir, wie gesagt, die 10°/oige Erhöhung bei den Normalwohnungen. Man müßte sich eine weitere Erhöhung für die besser ausgestatteten Wohnungen, wie sie jetzt in § 6 vorgesehen ist, überlegen. Damit wäre das Problem im großen und ganzen gelöst.
Ich habe diese Umkehrung gewählt, um Ihnen zu zeigen, daß das Problem der Kostenmiete tatsächlich ein tragendes Problem dieses Gesetzes ist. Wenn sie gestrichen würde, wäre das Gesetz leider Gottes nicht mehr sehr viel wert. Ich wollte Ihnen auch klarmachen, daß es gar nicht so kompliziert zu sein braucht, wenn man es nicht noch weiter verkompliziert.
Meine Damen und Herren, der § 6, also derjenige Paragraph, der über die 10 % hinaus die Möglichkeit einer weiteren Erhöhung geben soll, ist sehr unglücklich formuliert. Es sind Merkmale da, an denen nicht nur ich, sondern auch eine Reihe von meinen Kollegen im zuständigen Ausschuß sofort sehen, daß das einer gemacht hat, der die praktischen Verhältnisse nicht zu beurteilen vermag.
— Aber das werden wir schon richtig regeln, Herr Jacobi. Es ist noch kein Gesetz zur zweiten und dritten Lesung so hierher zurückgekommen, wie es die Bundesregierung in der ersten Lesung vorgelegt hat. Aber, Herr Jacobi, ich sagte Ihnen schon, daß wir den von Ihnen zitierten Brief des Herrn Handschumacher genau so wie alle anderen Eingaben betrachten wollen. Wenn etwas Sachliches darin ist, dann lassen wir uns das gerne dienen, dann sind wir unter Umständen sogar dankbar für diese Eingaben. Wenn etwas unsachlich ist, nehmen wir davon keine Kenntnis.
Herr Kollege Brönner hat Ihnen schon etwas zu der Bemerkung gesagt, daß die Position der Mieter schwächer sei als diejenige der Haus- und Grundbesitzer. Das kann man so nicht sehen. Das ist auch nicht objektiv gesehen.
– Nein, Sie fühlen es auch nicht; denn wenn Sie so ein Gefühl für die Seite der armen Mieter haben, müssen Sie auch einmal dasselbe Gefühl für die Seite der armen Hausbesitzer aufbringen. Die gibt es nämlich auch.
— Vom Hausbesitz ist noch kein Mann Millionär geworden, noch nicht einmal wohlhabend.
Sie haben weiterhin gesagt, dieses Gesetzes sei keine Mietreform. Das kann es nicht sein, das will es auch nicht sein. Es ist ja ausdrücklich als Erstes Bundesmietengesetz bezeichnet, eine Bezeichnung, die sogar dem Bundesrat etwas überheblich schien. Dieser Titel des Gesetzes war dem Bundesrat ein Anlaß zur Kritik. Ich weiß nicht, ob auch das durch sechs Ausschüsse gegangen ist. Eine Mietreform kann doch nur dann kommen, darüber sind wir uns klar, wenn das Angebot die Nachfrage einigermaßen geregelt hat. Das wird noch etwas dauern. Möglicherweise wird es in einem zweiten Bundesmietengesetz kommen; es kann auch sein, daß es erst im dritten Bundesmietengesetz kommt, aber einmal kommt es.
Herr Jacobi, Sie sagten, daß in der Miete, auch wenn sie jetzt nach dem neuen Bundesmietenge-
setz gerechnet werden müsse, noch eine ganze Reihe von Zuschlägen irgendwelcher Art steckten. Dafür können Sie schließlich nicht diejenigen, die diesen Entwurf hier zu vertreten haben, verantwortlich machen. Das liegt weiß Gott schon eine ganze Reihe von Jahrzehnten zurück. Ich will gar nicht darüber streiten, ob die damaligen Regierungen mehr von Ihrer oder mehr von einer anderen politischen Richtung beeinflußt waren. Das war zu einem großen Teil eine zwangsläufige Folge des ersten Weltkriegs. Diese Dinge wirken sich naturgemäß heute noch erheblich aus.
Nun haben Sie die in der Begründung des Regierungsentwurfs stehenden Zahlen angezweifelt. Herr Jacobi, ich hoffe, daß wir bereits zur ersten Beratung im Ausschuß von Ihnen das Zahlenmaterial bekommen;
dann will ich Ihnen gern den Spaß, den Sie sich eben mit der sechs Meter langen Rolle erlaubt haben, gönnen. Ich denke aber, wir sollten auf das zurückkommen, was sowohl Sie als auch Herr Dr. Brönner gesagt haben: wir sollten bei den Beratungen im Ausschuß so verfahren, wie wir es nun doch wirklich seit 5 Jahren getan und zu, sagen wir mal, 90 % auch mit Erfolg getan haben. nämlich alle Dinge von der sachlichen Seite ansehen und überlegen, ob sie in der Praxis auch durchführbar sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wetter wird immer freundlicher, und auch die Stimmung hier im Hause wird bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs immer freundlicher.
Ich begrüße diesen Vorgang als ein gutes Omen für die Behandlung der Dinge im Ausschuß,
Herr Jacobi hat viele kritische Bemerkungen vorweggenommen, die ich hatte machen wollen. Ich stehe auch nicht an, zu erklären, daß wir uns auch hier, nicht nur im Ausschuß, der Ansicht derjenigen anschließen sollten, die nach unserer Meinung etwas Richtiges sagen, ganz unabhängig davon, auf welchen Bänken sie sitzen.
Meine Fraktion ist in dieser Sache nicht initiativ geworden. Sie ist auch nicht in einem Umfang konsultiert worden, daß man uns als für diesen Entwurf mitbestimmend bezeichnen könnte. Nur einmal, im vergangenen Jahr, bin ich zusammen mit dem Kollegen Lücke bei dem Herrn Bundesfinanzminister gewesen, um mit ihm die Frage der Mietbeihilfen zu besprechen. Dabei haben Sie, Herr Kollege Lücke, wenn ich mich recht erinnere, von Miet-bezeichnen. Damals haben wir erklärt, daß wir einem neuen Mietpreisrecht bzw. einem neuen Bundesmietengesetz nur zustimmen könnten, wenn darin die Frage des Miet- und Lastenausgleichs in befriedigender Weise gelöst werde. Ich glaube, Herr Kollege Lücke, Sie waren es, der diese Forderung dort zu meiner großen Freude ganz energisch vertreten hat.
und Lastenbeihilfen gesprochen, Lastenbeihilfen für diejenigen Hausbesitzer, die unter den hier vielfach geschilderten Verhältnissen leiden. Diese Forderung beinhaltet doch die Anerkennung, daß wir nicht einseitig nur die Schwierigkeiten für den Mieter sehen dürfen, sondern feststellen müssen, daß es auch unter den Hausbesitzern einen erheblichen Prozentsatz von Menschen gibt, die durch die Entwicklung nach 1945 nun selbst zu denjenigen gehören, die wir allgemein als sozial schwach
Meine Damen und Herren, wir sehen die hier zur Erörterung stehenden Probleme weder vom Standpunkt des Hausbesitzers noch von dem des Mieters an. Wir neigen auch nicht aus irgendwelchen Gründen, weil vielleicht ein Teil unserer Anhänger oder Freunde Mieter wären, zu der Auffassung, daß man die Dinge überhaupt vom Interessentenstandpunkt aus lösen könnte. Wir glauben vielmehr, daß ausschließlich die Marktlage, wie sie heute nun einmal ist, und die sozialen Verhältnisse, d. h. die Einkommensverhältnisse, für unsere Entscheidungen maßgeblich sein sollten.
Die Erhaltung des Bestandes an Altwohnungen ist sicher eine Sorge, die der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat und über die er sich auch seine Gedanken machen soll. Ob aber mit der Mieterhöhung, von der man hier sagt, daß sie im Schnitt nur 3 bis 4 DM im Monat erbrächte, die Probleme der erforderlichen Reparaturen, der Instandsetzung und der Erhaltung dieser Wohnungen, die im Laufe der Jahrzehnte doch teilweise sehr abgewertet sind, zu lösen sind, erscheint mir durchaus fraglich. Es bleibt zu überlegen, ob für diese sicherlich notwendige Aufgabe nicht andere Wege gefunden werden können als der Weg über die Erhöhung der Mieten, die doch — und darin liegt der Widerspruch — praktisch eigentlich gar nichts bedeutet, wie hier gesagt worden ist.
Der Markt, den wir augenblicklich haben, zwingt uns leider, hier noch Maßnahmen zu treffen, die an sich niemand begrüßt. Ich gehöre nicht zu den Optimisten, die glauben, daß dann, wenn der Wohnungsbau einmal frei von allen Hemmungen und ausschließlich der privaten Initiative überlassen wäre — dem freien Spiel der Kräfte, dem laissez faire, laissez passer —, alles wunderschön und herrlich sein würde. Die freie Wirtschaft muß es sich sagen lassen, daß auf diesem Sektor in den vergangenen Jahrzehnten vieles geschehen ist, was nun nicht gerade dazu beitragen konnte, in uns die Meinung zu festigen, daß allein von dieser Seite das Heil komme. Ich will das nicht weiter aufrühren; ich möchte es aber angedeutet haben.
Die Unwirtschaftlichkeit des Hausbesitzes muß sicherlich beseitigt werden. Wenn Herr Kollege Wirths hier sagt, eigentlich müßte man die Kostenvergleichsmiete zugrunde legen, denn das sei das Einfachste und Vernünftigste, so ist das an sich richtig. Wenn man aber von der Kostendeckung ausgeht, dann muß man auch berücksichtigen, ob nun diejenigen, die dazu beitragen sollen, diese Kosten tragen können. Dabei spielen nun einmal hier bei uns die Lebenshaltungskosten eine Rolle, und gerade sie wirken da gravierend, wo es sich um schwache Einkommensempfänger handelt, bei dem großen Kreis der Rentner und sozial Schwachen, für die jede 3 oder 5 Mark von entscheidender Bedeutung sind. Wenn man hier soviel mit Statistiker und Kostenvergleichen arbeitet, dann sollte man vielleicht auch einmal ausrechnen, wie eine Familie mit 100 oder 120 DM heute überhaupt ihre Lebenshaltungskosten decken kann. Ich glaube, wenn wir ehrlich sind, wundern wir uns alle, wie die Leute
das machen. Wir sollten also bedenken, daß hier ein notwendiger Ausgleich erfolgen muß. Der für uns entscheidende § 11 scheint uns keinerlei Gewähr zu geben, daß diese Fragen gelöst werden und daß dort, wo die nicht zumutbaren Härten auftreten, das Gesetz jenen Ausgleich schafft, der uns zur Zeit dringend erforderlich erscheint. Die Angaben über den einmaligen Betrag von 15 Millionen DM, die der Bund gibt, und über die Verteilung dieses Betrages — das sind zwei Absätze des § 11 — geben noch nicht die Klarheit, daß hier nun wirklich das Erforderliche geschieht. Nun sollen letzten Endes die Länder diese Ausgleichsbeträge zahlen; ob sie das tun, in welcher Höhe und für welche Zeit, ist völlig offengeblieben.
Der allerwichtigste Paragraph der ganzen Vorlage aber scheint mir der § 3 zu sein. Ich glaube, Herr Minister, mit diesem Paragraphen haben Sie einen Fenstersturz in die Freiheit vor. Hier können Sie formal sagen, es sei so und so gedacht und es könne nur das und das geschehen. Hier spielen aber noch sehr viele Momente mit, die außerhalb einer formalen Betrachtung liegen. Jeder, der eine Wohnung hat und sie behalten will, ist gerade in der heutigen Zeit in einer gewissen Abhängigkeit. Wer hindert einen Hausbesitzer — verständlicherweise, wenn es ihm gar nicht einmal gut geht und wenn es dem Mieter besser geht —, zu sagen: „Wir haben doch in diesem Gesetz auch die Möglichkeit, eine frei vereinbarte Miete abzuschließen. Wir waren gute Freunde, und es gefällt dir bei mir gut. Also machen wir das, erhöhen wir die Miete, lassen wir den ganzen Streit mit den Ämtern und all diesen Paragraphen und kommen wir hier von Mann zu Mann miteinander überein!" Der eine wird es tun, und der andere wird folgen; und ich glaube, daß diese Dinge dann nicht nur in zumutbarer Weise und in gegenseitigem Einverständnis geregelt werden, sondern daß es dann— wie die Menschen nun einmal sind — viele geben wird, die versuchen werden, unter Inanspruchnahme dieser Möglichkeiten auch zu höheren Mieteinnahmen zu kommen.
Es ist hier in diesem Hause — und mit Recht — gesagt worden, daß das Gesetz voraussichtlich ja ganz anders aussehen wird, wenn es zur zweiten und dritten Lesung kommt, und daß die entscheidenden Abänderungen oder Verbesserungen im Ausschuß erfolgen werden, und zwar in sehr schwierigen und langwierigen Beratungen. Die Materie ist deswegen so schwierig, weil die Verhältnisse unerhört differenziert liegen. Auch wir werden also — bei den Bedenken, die wir haben — in Anerkennung der Notwendigkeiten, die hier vorliegen, im Ausschuß alles tun, um zu einer Lösung zu kommen, die für alle Teile befriedigend ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bloß noch einige wenige Worte zum sachlichen Inhalt des Gesetzes sagen.
Von diesem Ersten Bundesmietengesetz, das uns heute präsentiert wird, müssen wir, die wir uns mit der Wohnungswirtschaft und mit den Mieten befassen, sagen, daß wir enttäuscht sind, und zwar deshalb, weil, wenn man sich intensiv mit den Dingen befaßt, man sich am Ende fragt: wie soll der Hausbesitzer und wie soll der Mieter auf Grund des Gesetzes mit den verschlungenen und verkoppelten Bestimmungen selbständig seine Miete berechnen? Es ist doch so, daß jeder, sowohl der Hausbesitzer wie der Mieter, erwartet hatte, daß der Mietenwirrwarr, der uns heute bedrückt, einigermaßen entflochten werde. Ich hätte erwartet, daß man in der langen Zeit, die man zur Bearbeitung dieses Bundesmietengesetzes benötigt hat, es verstanden hätte, die Gesetze, Rechtsverordnungen usw., die noch gültig sind, in dieses Gesetz hineinzuarbeiten, damit am Ende des Gesetzes ein Paragraph steht, der sagt, was alles aufgehoben wird, und es nicht notwendig ist, zusammenzustellen, was noch Gültigkeit hat. Vielleicht ist es noch eine kleine Demonstration, wenn ich Ihnen sage, daß ich hier im Bundeshaus, wo eine gute Bibliothek zur Verfügung steht, über einen Tag gebraucht habe, um all die gültigen Gesetze und Verordnungen zusammenzutragen. Und dabei bin ich noch gar nicht einmal dazu gekommen, sie daraufhin durchzuarbeiten, ob nicht auf noch ältere Jahrgänge als zwei Jahrzehnte zurück Bezug genommen ist. Das ist eigentlich die grundsätzliche und sachliche Kritik, die an dem Gesetz geübt werden muß. Und wenn man vielleicht auch sagt, die dicken Bücher seien gar nicht nötig, denn es sei ja nur ein einzelner Paragraph, auf den Bezug genommen werde, so muß man dem entgegenhalten, daß man die dicken Bücher doch holen muß, weil ja die einzelnen Gesetzblätter und Verordnungsblätter, die Jahrzehnte alt sind, in Einzelexemplaren gar nicht mehr zu finden sind. Wenn ich heute meine preisrechtlich zulässige Miete errechnen soll, dann kann ich keine Garantie dafür übernehmen, daß das Errechnete nun auch wirklich stimmt.
Das Schönste ist, daß jetzt neben diesem Bundesmietengesetz das Wirtschaftsministerium bereits eine Verordnung über die Zusammenfassung des Mietpreisrechts für Wohnraum ausgearbeitet hat, die augenblicklich in Umlauf gesetzt ist. Sie ist — ohne jegliche Begründung und ohne jeglichen Kommentar — 24 Seiten stark und hat 56 Paragraphen. Meine Damen und Herren, was uns unter diesen Umständen noch bevorsteht, wenn wir in die Ausschußberatungen gehen, davon kann man sich jetzt also ein kleines Bild machen.
Ich bin eigentlich enttäuscht, daß sich der Herr Bundeswohnungsminister von seiner Bürokratie so hat auf den Leim führen lassen. Ich hatte einen guten Eindruck von der Argumentation des Herrn Bundeswohnungsministers bei der Beratung der einzelnen Entwürfe zum Ersten Wohnungsbaugesetz, bei der der Herr Minister gesagt hat: Wir wollen es vermeiden, eine Unzahl von Gesetzen zu schaffen, sondern wir machen eine Novelle zum bestehenden Gesetz, in der alles drin ist, und wenn irgend etwas in dem Gesetz nicht mehr der Zeit entspricht, dann versuchen wir, das Gesetz zu ändern, das, was nichts mehr taugt, herauszuschmeißen und durch etwas Brauchbares zu ersetzen, damit die Menschen wissen, daß im Wohnungsbaugesetz alles enthalten ist, was den Wohnungsbau angeht.
Für das Bundesmietengesetz habe ich etwas Ähnliches erwartet. Ich habe erwartet, daß alles, was die Wohnung und die Miete bis zur Währungsreform angeht, jetzt in das Bundesmietengesetz hineinkommt, daß der alte Ballast abgestoßen wird und alles, was die Wohnungsneubauten seit der Währungsreform einschließlich der Mieten usw.
betrifft, im Wohnungsbaugesetz geregelt wird. Eigentlich bin ich gereizt, zu diesem Gesetz zu sagen: Herr Bundesminister, nehmen Sie das Ding wieder, schmeißen Sie es in Ihren Papierkorb und sagen Sie Ihrer Bürokratie, daß sie die Arbeit noch einmal von vorn machen soll! Aber ich tue es nicht, weil ich nämlich Angst habe, daß sie dann noch länger braucht, als sie bisher gebraucht hat, und ich denke, daß wir uns dann lieber im Ausschuß bemühen, mit dem Herrn Bundeswohnungsbauminister zum Ziel zu kommen. Vielleicht geht es dann ein bißchen schneller, weil die verschiedenen Meinungen im Ausschuß aufeinanderprallen müssen und das Für und Wider erörtert werden muß. Bei der Bürokratie habe ich immer die Befürchtung, daß sie zu einseitig vorgeht, und wenn ich ganz ehrlich sein soll, muß ich Ihnen sagen: Der einzige Zweck, den ich in dem Gesetz mit dem ganzen Wirrwarr sehe, ist nicht eine Hilfe für den Hausbesitzer und nicht eine Hilfe für den Mieter, sondern eine Arbeitsbeschaffung für Rechtsanwälte und Kommentatoren.
Ich glaube, mit einem solchen Gesetz halten wir weder den Verfall von Wohnungen noch sonst etwas auf, sondern wir streuen dem Hausbesitzer Sand in die Augen. Der Hausbesitzer, der wirklich darauf wartet, durch die Mieterhöhung das Geld zu kriegen, das er braucht, um sein Haus vor dem Verfall zu retten, kann das mit diesen geringen Beträgen gar nicht machen. Wenn er größere Summen braucht, reichen diese Beträge nicht einmal aus, um zu diesem Zweck aufgenommenes Kapital zu verzinsen. Deswegen gehört in dieses Gesetz auch etwas anderes hinein, was auch im Bundeswohnungsbaugesetz, das ich schon einmal als Parallele angezogen habe, steht. Es gehört nämlich hinein, welche Mittel seitens des Bundes aufgewendet werden, um den Althausbesitz zu erhalten. Es ist einfach unmöglich, in den Häusern, an denen zehn Jahre lang, nämlich von 1939 bis 1949, nichts gemacht wurde und nichts gemacht werden konnte, wenn sich der Hausbesitzer nicht auf Schwarzmarktgeschäfte verstanden hat, insbesondere wenn die Häuser zusätzlich noch durch Kriegseinwirkungen gelitten haben, aus Mieterhöhungen von 3 bis 5 DM pro Wohnung diese Generalreparaturen durchzuführen. Ich glaube, da werden mir die Hausbesitzer recht geben. Deswegen ist das eine halbe Arbeit, und deswegen gehört — genau so wie das Wohnungsbaugesetz vorsieht, wieviel Millionen wir für den Neubau aufwenden, was wir für Prämien geben usw. — in dieses Gesetz etwas darüber hinein, was der Bund von sich aus zu tun willens ist, um den Althausbesitz zu erhalten, sonst gehen nämlich die ganzen Spekulationen daneben. Wir werden den Althausbesitz bloß erhalten können, wenn wir unter ähnlichen Bedingungen wie beim Wohnungsneubau für die Erhaltung des volkswirtschaftlich wertvollen Bestandes eintreten; und daß diese Wohnungen volkswirtschaftlich wertvoll sind, wird von keinem bestritten. Da kommen wir einfach nicht drum herum. Sonst ist es ein Flickwerk, was, auf die Dauer gesehen, noch schlechter ist als die formale Art der gesetzgeberischen Arbeit.
Noch etwas anderes, Herr Bundeswohnungsbauminister. Sie haben mich bitter enttäuscht mit Ihrer Begründung für die Tragbarkeit der Mieterhöhung. Schön, wer einen anständigen Beruf hat und gut verdient, für den ist es kein Problem. Aber nehmen wir doch einmal die Erhöhung durch das Rentenmehrbetragsgesetz! Ich muß sagen, ich empfinde es als ein Stück Sadismus, wenn man auf dieses Rentenmehrbetragsgesetz Bezug nimmt. Denn das Rentenmehrbetragsgesetz bringt doch wirklich kleine Erhöhungen. Es ist dazu da gewesen, die Abwertung der Renten, die Abwertung der Beitragszahlungen und die bisher eingetretenen Preiserhöhungen auszugleichen.
Wir haben heute in der Bundesrepublik Durchschnittsrenten von 62,50 DM. Wir haben nur einen geringen Prozentsatz von Leuten, die mehr als eine Rente erhalten. Auch der kleine Rentner mit 60 oder 70 DM Monatseinkommen zahlt doch für seine Wohnung mindestens 20 bis 25 DM im Monat, und nur 10 % Erhöhung machen 2 bis 2,50 DM aus. Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich, daß die Sozialdemokraten bei dem Rentenmehrbetragsgesetz den Antrag gestellt haben, eine Mindesterhöhung von 6 DM für Normalrentner, von 4 DM für Witwen und von 2 DM für Waisen zu geben. Das wurde abgelehnt, weil das zu teuer ist. Das ist doch der Beweis dafür, daß der Durchschnittsrentner weniger als 4 DM Erhöhung im Monat bekommt. Ja, es ist errechnet worden, daß ungefähr 700 000 Rentner nur 1 bis 2 DM Erhöhung im Monat bekommen werden! Wir können damit wohl behaupten, daß rund 1 Million Rentner im Durchschnitt 2 bis 2,50 DM mehr bekommen werden. Ein großer Teil der Rentner wird also mehr an Mieterhöhung zahlen müssen, als ihm das Rentenmehrbetragsgesetz bringt.
Der Erfolg dieses Gesetzes wird sein, daß nicht der Lebensstandard der Rentner und der kleinen Leute gehoben wird, sondern d aß noch eine große Zahl von Menschen, die jetzt mit ein paar Pfennigen über dem Fürsorgestatus liegen, auf den Fürsorgestatus hinabgedrückt werden. Wenn wir als Richtlinie für die Mietzuwendungen, die Sie gewähren wollen, den Fürsorgesatz plus 10 % nehmen, nämlich den Satz, der allgemein bei der Gewährung der Weihnachtsbeihilfen gilt, dann ist das eine neue Barabarei. Denn damit stempeln wir doch die Fürsorgerichtsätze für die armen Leute quasi zum normalen Lebensstandard. Es muß eine Möglichkeit gefunden werden, daß diese Mietbeihilfen nicht erst mit der Fürsorge kommen.
Dann etwas anderes. Die Fürsorgerichtsätze sind in den Landkreisen sehr verschieden. Ich komme jetzt einmal absichtlich in Ihren Versammlungspropagandaton. In Bayern, woher ich komme, haben wir in dem einen Landkreis „gut christliche" Verhältnisse, in dem anderen „marxistische" Verhältnisse. In den Gebieten mit „gut christlichen" Verhältnissen sind die Fürsorgerichtsätze viel niedriger als in den mit „marxistischen".
Das ist nun einmal der Zustand. Ich muß das sagen, um es plastisch zu machen, denn Sie arbeiten ja mit derartigen Argumenten.
Da wir gerade dabei sind: Ich bin bereit, meine Grundsätze, auch in der Frage der Mieterhöhung usw., auch vor den Hausbesitzern zu vertreten. Hoffentlich kriegen die Haus- und Grundbesitzervereine die Genehmigung dazu, daß es mir nicht so geht wie vor der Bauinnung in Coburg, wo ich einmal zu sprechen aufgefordert wurde. Dann kam die höhere Instanz und fragte unten bei der Innung an, ob denn den Herrschaften nicht bekannt sei, daß der Hauffe Mitglied der SPD sei. Solche Dinge ereignen sich nun einmal. Auch wenn sie
Ihnen nicht genehm sind, muß man es von Zeit zu Zeit einmal sagen, damit wir die Plattform finden, um den Gegensatz zu beseitigen. Das soll auch ruhig in eine größere Öffentlichkeit hinauskommen, und auch deshalb, Herr Bundeswohnungsbauminister: Diese sozialen Dinge, die da angesprochen werden, sollen wir uns näher betrachten.
Jetzt noch ein paar Worte zu § 11. Dieser § 11 ist doch der sogenannte Verführungsparagraph für die Länder, einmal mit der Beihilfe anzufangen, um nachher darauf sitzenzubleiben. Schön, wenn aber hier dieser Mietzuschuß bloß einmal gewährt werden soll, dann bin ich wegen der Gesetzessystematik der Meinung, man sollte für diesen einmaligen Zuschuß auch ein besonderes Gesetz machen, das bloß ein Jahr gilt und ausläuft und nicht diese Bestimmung in dem Gesetz zehn Jahre oder länger mitschleppen, obwohl sie gar keine Bedeutung mehr hat. Da soll man es auch insofern einfach machen, dann wird es schöner.
Der Bruchbudenparagraph ist ebenfalls unzulänglich, denn er gestattet praktisch bloß da einzugreifen, wo die Gesundheitspolizei oder die Baupolizei sowieso eingreifen muß.
Der Bundesrat hat eine ganze Menge von Dingen gestrichen, die ihm nicht gefallen. Ich möchte diesen Streichungen zum allergrößten Teil zustimmen, aber dann muß ich dem Herrn Bundeswohnungsbauminister etwas zugestehen: dann hat nämlich sein ganzes Gesetz keinen Sinn und Verstand mehr, weil dann die Hauptglieder daraus fehlen, dann hat es keinen Zusammenhang.
Wenn Sie mich fragen, was wir erwarten, dann kann ich bloß einiges wiederholen, was ich schon gesagt habe, und einiges ergänzen. Wir erwarten
eine Miete, die nicht von der zufälligen Miethöhe an einem Stichtag abhängig ist. Wir erwarten vielmehr eine Miete, die im Verhältnis zum Wert der Wohnung steht. Darüber, wie wir uns das denken, können wir uns im Ausschuß unterhalten. Aber auch in der Marktwirtschaft, glaube ich, gilt der Grundsatz, daß der Wert der angebotenen Ware den Preis bestimmen soll und nicht ein zufälliger Stichtag, der noch dazu aus einer Zwangswirtschaftszeit herausgenommen ist. Sonst ist nämlich der gut dran, der es zufällig fertiggebracht hat, in den letzten Jahren durch mehrfachen Mietwechsel seine Miete heraufzutreiben, während derjenige, der das Pech hat, daß er seinen Mieter 20 oder 30 Jahre in der Wohnung hat, und der bloß einmal den gesetzlichen Zuschlag bekommen hat, den kürzeren zieht. Deswegen ist die Stichtagmiete nicht das richtige Verhältnis, noch dazu, wenn sie lange genug anerkannt ist und dann keine Einspruchmöglichkeit mehr besteht, weil sie eben nachher rechtlich einwandfrei anerkannt werden soll.
Zu der wirklichen Hilfe für den Hausbesitz gehört also, daß mehr geschaffen wird als eine Mieterhöhung, die zur Bestreitung der Kosten, die der Hausbesitz nicht tragen kann, als Hilfestellung gewährt wird. Ich glaube, wenn wir diese Grundsätze bei der Beratung im Ausschuß zugrunde legen, dann werden wir ein Gesetz zustande bringen, das brauchbar ist, das aber wirklich anders aussehen wird als das, das wir heute als formelle Grundlage an den Ausschuß überweisen. Es ist notwendig, daß der Entwurf, da doch finanzielle Dinge in der Vorlage angesprochen sind, auch dem Haushaltsausschuß zugewiesen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Heise.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nur zur Besprechung eines Paragraphen will ich Ihre Geduld noch in Anspruch nehmen, und zwar zu dem letzten, zu § 33, der sogenannten Berlin-Klausel. Im Referentenentwurf war sie nicht enthalten, im Gesetzentwurf ist sie wieder da. — Ich hatte vorhin gehofft, daß der Herr Bundesminister für Wohnungsbau auf den Zwischenruf meines Kollegen Neumann antworten würde. — Ich möchte dafür plädieren, daß wir die Berlin-Klausel wieder aus dem Gesetz herausnehmen. Dabei hoffe ich auf einflußreiche Verbündete; denn der Berliner Senat, der heute morgen schon zitiert wurde, der also aus SPD und CDU besteht, hat am Montag, dem 14. Februar, einen Beschluß gefaßt, worin er den Senator für Bau- und Wohnungswesen und den Senator für Bundesangelegenheiten beauftragt, sich bei den maßgebenden Stellen der Bundesrepublik dafür einzusetzen, daß das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts in Berlin zunächst keine Anwendung findet. Darüber hinaus beauftragte der Senat den Senator für Bau- und Wohnungswesen, eine Vorlage über Sicherungen des Althausbesitzes zu machen.
Wir haben in Berlin vor, dem wirklich notleiden-den Teil des Althausbesitzes zu helfen, und zwar wirksamer zu helfen, als es durch die 10 % Mieterhöhung, die in dem Gesetz für Berlin vorgesehen sind, geschehen kann. Die Anwendung dieses Gesetzes auf Berlin soll sich nämlich nach der Vorlage der Regierung nur auf einige Paragraphen beschränken. Es heißt darin, daß 13 Paragraphen entfallen, 9 verändert werden und nur 12 unverändert übernommen zu werden brauchen.
Nun bietet sich in der nächsten Zeit dem Haus eine Möglichkeit, dem Berliner Hausbesitz zu helfen. Der Ausschuß für Lastenausgleich hat in seinem Beschluß am 10. dieses Monats festgelegt, die Hypothekengewinnabgabe für Berlin um 33 1/3 % zu senken. Wir begrüßen idas sehr, und wir hoffen, daß hier ein Teil dessen, zu dem der Senat den Anstoß gegeben hat, erfüllt wird.
Der augenblickliche Stand in Berlin ist hier gestern von meiner Kollegin Schroeder schon einmal angesprochen worden. Ich muß Sie um Entschuldigung bitten, wenn wir immer wieder mit denselben Zahlen kommen; ich wollte, es wären niedrigere. Wir haben zur Zeit, wie sie sagte, 180 000 Arbeitslose und rund 450 000 Rentner. Darüber hinaus unterscheidet sich auch unsere Bevölkerungsstruktur wesentlich von der des Bundesgebiets. Nun haben wir 970 000 Haushaltungen und 700 000 Wohnungen. Im Gegensatz zu dem, was der Herr Bundesminister vorhin hier für den Bund vorgetragen hat, haben wir in Berlin 500 000 Wohnungen, die vor 1918 gebaut sind, und 170 000, die in der Zeit von 1918 bis 1945 gebaut worden sind. Also fallen unter diese Erhöhung wesentlich mehr Mieten als im Bund, nämlich zusammen 670 000 Wohnungen von '700 000. Das bedeutet natürlich, daß in Berlin ein viel größerer Personenkreis von der Mieterhöhung betroffen würde. Das ist nicht nur für die Rentner und Arbeitslosen besonders schmerzlich. Vielmehr liegen, wie Sie wissen, auch unsere Löhne längst nicht so wie hier im Bund. Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen. Nach der Zählung von 1950 haben wir 360 000 Frauen, die Haushaltungsvorstände sind,
die also für alles aufzukommen haben, die für ihre Kinder zu sorgen haben, die ihre Miete zu zahlen haben. Das ist natürlich ein Personenkreis, den man nicht gesondert neben die Arbeitslosen und Rentner stellen kann. Das wäre eine Milchmädchenrechnung, denn die sind zum Teil in diesen Gruppen enthalten. Aber sie sind sehr oft unter den wenig Verdienenden zu finden. Gestatten Sie mir, Ihnen ein paar Spitzenlöhne der Berliner Frauenentlohnung zu nennen. Ich komme darauf, weil gerade heute morgen nach Pressemeldungen der Bundeswirtschaftsminister den Unternehmern geraten hat, den Gewerkschaften dort Lohnerhöhungen anzubieten, wo der erreichte Produktivitätsgrad der Wirtschaft es zuläßt. Wir haben z. B bei den Frauenlöhnen in der Berliner Metallindustrie einen Stundenlohn von 123 Pfennig, im Gartenbau von 114 Pfennig, in der Süßwaren- und Schokoladenindustrie von 94 Pfennig und in der Lebensmittelindustrie von 90 Pfennig. An diesen Löhnen können Sie sehen, wie schwer es für einen großen Kreis der in Arbeit Stehenden sein wird, Mieterhöhungen in Kauf zu nehmen.
Nun hat uns der Bund im Gesetz auch einen Ausgleich, d. h. eine einmalige Beihilfe zugesagt. Diese einmalige Beihilfe soll 2 445 000 DM betragen. Wenn wir annehmen, daß von den Gruppen, die ich Ihnen aufgezählt habe, nur 400 000 diese Mietsteigerungen nicht vertragen können, also in den Bereich derjenigen fallen, die eine Mietbeihilfe bekommen müssen, so würde das pro Haushalt einmalig 6 DM ausmachen, ganz abgesehen davon, daß in der Folge ,das Land Berlin die zusätzliche Belastung zu tragen hätte; denn wir müssen die Mietbeihilfen ja nachher übernehmen. Diese Bundesvorlage sagt, daß der Bund die Mietbeihilfen an die Länder nur einmalig zahlt. Solange aber nun der Produktionsindex der Berliner Industrie mit 79 % noch dem der Bundesrepublik mit 176 % nachhinkt — 1936 gleich 100 —, solange kann Berlin die Mieterhöhung, die hier vorgesehen ist, nicht übernehmen, ohne neuen Schaden zu nehmen.
Wir wollen in Berlin einen anderen Weg gehen. Er ist hier auch schon von dem Kollegen Hauffe angedeutet worden. Wir wollen den Weg gehen, durch Zinsverbilligung und, wenn nötig, durch zinslose Kredite den Hausbesitz wieder in die Lage zu versetzen, seine Objekte in Ordnung zu bringen und instand zu halten. Wenn wir also dem Hausbesitz auf dem Wege der Senkung der Hypothekengewinnabgabe und auf dem Wege der zinsverbilligten Kredite helfen können, dann, glaube ich, ist es sowohl für den Mieter wie den Vermieter angebracht und besser. Unser Wunsch geht also dahin, im Ausschuß ihre Unterstützung dafür zu finden, daß die Berlinklausel wieder aus dem Bundesmietengesetz verschwindet, weil das Gesetz für Berlin zur Zeit einfach noch nicht tragbar ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Gesichtspunkte, die der Herr Kollege Jacobi als erster Sprecher der verehrlichen Opposition dieses Hauses hier vorgetragen hat, möchte ich unterstreichen. Einmal, daß es wohl eine energische, aber eine sachliche Debatte sein soll. Ich bin dankbar dafür, daß er das betont hat. Dabei bin ich allerdings der Meinung, daß es etwas zu leicht ist, wenn man dann dem Herrn Bundesminister sagt: Am besten, Sie machen den Entwurf zu und legen einen anderen vor. — Zweitens möchte ich sehr stark herausstellen — und ich bin dankbar dafür, daß der Kollege Jacobi das namens der Opposition auch erklärt hat —, daß es sich bei der Mietanhebung um eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit handelt. Wir sind froh darüber, daß die Opposition sich ebenfalls zu diesem unserem Standpunkt bekennt. Dazu gehört dann, daß wir alle, wie wir hier sitzen — und ich bin der Opposition auch dafür dankbar —, das allzu billige Argument von den angeblichen Wahlwechseln in die Schublade legen und weder hier — wo es schon überhaupt nicht hingehört — noch draußen verwenden.
Über den Weg, auf dem dieses volkswirtschaftliche Ziel anzustreben sei, glaubte die Opposition aber anderer Meinung als die Regierungskoalition sein zu können. Die CDU/CSU wird sich von zwei Grundgedanken leiten lassen, die sie in dem Gesetz realisiert sehen möchte. Der erste Grundgedanke betrifft die Erhaltung und schrittweise Überführung des Wirtschaftsgutes Wohnung, das beiden Teilen, Mietern und Vermietern, zu dienen hat und darüber hinaus einen Teil unseres Volksvermögens darstellt, in eine freiere Atmosphäre. Es muß alles getan werden, um die Erhaltung der Wohnungen zu gewährleisten und ihre Bewirtschaftung schrittweise freier zu gestalten, als es die bisherigen Verwaltungsvorschriften zulassen. Auf der anderen Seite darf aber nichts geschehen, was angesichts des Preisniveaus, des Lohngefüges und des Lebenshaltungsindexes als Belastung unvertretbar wäre oder den Betroffenen übergroße . Härten bringen würde.
Deshalb fragen wir uns einmal: Was ist für die im Erwerb Stehenden an Belastung in diesen Punkten zumutbar? Dabei müssen wir darauf sehen — das ist unsere alte Forderung —, daß dort, wo unzumutbare Härtefälle auftreten, wo es sich um Bezieher von geringen Einkommen und um Rentner handelt, mit Mietbeihilfen geholfen wird, die aber auch jedes Fürsorgecharakters entkleidet werden müssen, nicht in den Geruch der Fürsorge kommen dürfen.
Da bei der Besprechung insbesondere seitens der Opposition die volkswirtschaftliche Notwendigkeit zwar im allgemeinen bejaht, im einzelnen aber in den Ausführungen eigentlich nicht unterstrichen worden ist, gestatte ich mir, in Stichworten diese Notwendigkeit, wie sie schon insbesondere aus den Worten des Herrn Ministers und unseres Kollegen Brönner herausgeklungen ist, noch einmal zu bekräftigen.
Der Anstieg des Mietindexes beträgt, wenn man etwa die Zahlen von 1914 in Vergleich setzt, ein Fünftel bis ein Sechstel dessen, was der Anstieg des Baukostenindexes ausmacht. Der Rohüberschuß, den die Mieten nach Abzug der Bewirtschaftungskosten erbringen, ist in den Jahren zwischen 1936 und 1953 von 55 auf 35 % gefallen. Es ist klar, daß bei einer solchen Situation die Kapitalkosten für den Hausbesitz fast nicht mehr tragbar werden. Die Entzerrung der Mieten hat zur Folge, daß auch diejenigen, die infolge von Kriegsschäden geringe Einkommen beziehen — ich glaube, das wird auch
insbesondere der Herr Kollege Engell bestätigen können und müssen — und die in die Neuestbauwohnungen einziehen mußten, eher die Möglichkeit erhalten, in die bisher billigen Altbauwohnungen zu kommen. Dabei ist noch zu beachten, daß die Blockierung der billigen Altbauwohnungen durch ein manchmal über den persönlichen Bedarf hinausgehendes Maß der Inanspruchnahme dadurch zurückgedämmt wird.
Ich darf auch unterstreichen, was der Herr Minister über die Beleihungsgrenze gesagt hat. Die Beleihungsgrenze für die ersten Hypotheken richtet sich im Gesamten nach dem Ertragswert des Gesamtgutes „Wohnung". Wenn wir diesen Ertragswert verbessern, so erreichen wir damit eine höhere Beleihung und damit die Möglichkeit, die öffentlichen Mittel stärker zu streuen. Die Folge wird sein, daß mehr Wohnungen gebaut werden, und das ist unser aller Ziel.
Ich darf noch herausstellen, daß über zwei Fünftel der Hausbesitzer zu den Rentnern, Pensionären und Berufslosen zählen. Wichtig ist nicht zuletzt der Umstand, daß der Eigentumsgedanke durch eine entsprechende Wertung des Gutes „Wohnung", das nicht durch künstliche, volkswirtschaftlich nicht vertretbare Subventionen, die sowieso nur auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein können, verbilligt werden kann, verstärkt wird,
wenn man sieht, was das Gut „Wohnung" kostet, und wenn man sich darum bemüht, dieses kostbare Gut auch als Eigentum anzustreben, das einem dann, wenn man alt ist und vielleicht Renten bezieht, noch als zusätzliche Versorgung zur Verfügung steht. Unser Kollege Brönner hat auf die volkswirtschaftliche Notwendigkeit abgehoben und diese noch genauer umschrieben.
Lassen Sie mich auch ein paar Worte zur Frage der Tragbarkeit der Mietanhebungen sagen. Wir haben uns darüber sehr ernste und ins einzelnegehende Gedanken gemacht. Deshalb schlägt Ihnen die CDU/CSU bei diesem Gesetzentwurf für die Ausschußberatungen insbesondere drei Gesichtspunkte vor. Dabei, Herr Kollege Jacobi, kritisieren wir nicht nur den juristischen Umfang, sondern haben zur Tragbarkeit ganz konkrete Vorstellungen und konkrete Vorschläge, die wir schon in der ersten Lesung präzisiert vorbringen.
Erstens sind wir dem Herrn Minister außerordentlich dankbar und unterstreichen die Forderung nach der Höchstgrenze, nach dem Limit, nach dem Plafond bei den Mietanhebungen für sogenannte normale Altbauwohnungen, also nicht für Komfortwohnungen. Damit fällt — das haben die Kollegen von der vierehrlichen Opposition eigentlich sonderbarerweise gar nicht angesprochen — meiner Meinung nach das Bedenken dort weg, wo es sozial berechtigt ist: an dien Brennpunkten des Wohnraumbedarfs, in den Großstädten und in denarbeitsintensiven Städten. Dort bestand vielleicht — ich wundere mich, daß die Opposition das eigentlich bisher noch nicht zur Sprache gebracht hat —die Möglichkeit, bei einer Kombination der Bestimmungen der §§ 2 und 5 des Gesetzes — neuer Stopptag, mit Zustimmung des Mieters, nicht angefochten, plus 10%ige Erhöhung — oder aber bei der frei vereinbarten oder der Kostenvergleichsmiete vielleicht zu sehr hinaufzuschnellen. Wenn wir aber zu dem Plafond, den die Bundesregierung in § 8 des Gesetzes vorgesehen hatte und der vom Bundesrat eigenartigerweise gestrichen warden ist, für die Normalwohnungen zurückkehren, und zwar sowohl in bezug auf die iKombination mit der 10%igen Mieterhöhung als auch in bezug auf die Kombination mit der frei vereinbarten und schließlich in bezug auf ,die Kombination mit der Kostenvergleichsmiete, dann, meine Damen und Herren von der Opposition, glaube ich, ist ein Großteil Ihrer Bedenken ausgeräumt; denn dann haben wir ein Feld für das freie Spiel der Kräfte abgegrenzt, und nur in diesem Spielfeld kann man sich dann füglicherweise bewegen.
Ich muß gestehen, daß ich die Argumentation des Bundesrates für Idle Streichung nicht ganz verstanden habe. Ich habe mir die Begründung des Bundesrates zu § 6 und § 8 sehr genau angesehen. Die Staffelung für Komfortwohnungen in § 6 lehnt der Bundesrat deshalb ab — ich will das hier nicht im einzelnen zitieren —, weil die Mieten dort sowieso schon etwas höher seien. Das bedeutet also einen Schutz der Mieter in Komfortwohnungen. In der Begründung des Bundesrates für die Streichung des § 8 wird aber das genaue Gegenteil gesagt. Hier spricht sich der Bundesrat gegen den Schutz der Miethöhen in höherwertigen Wohnungen aus. Ich muß gestehen, daß ich mir über die Zusammenhänge nicht ganz klar bin. Ich würde dankbar sein, wenn die höhere Fachweisheit uns hier belehren würde. Was die Komfortwohnungen betrifft, die wir nicht von vornherein in diese Höchstgrenze einbeziehen, so glaube ich, daß hier keine übermäßigen Gefahren bestehen, einmal, weil die Zahl dieser Komfortwohnungen klein ist, und zum anderen, weil sich die Marktpartner sehr genau überlegen müssen, ob nicht bei einer zu starken Erhöhung der Mieten solcher Altbaukomfortwohnungen ohne weiteres ein Ausweichen in die steuerbegünstigten Wohnungen eintritt. Das wäre für beide, insbesondere für den Vermieter, nicht klug.
Wir betonen zweitens als CDU/CSU die gestaffelte Mietanhebung ,nach dem Wohnwert in wenigen übersichtlichem Gruppen. Der Herr Kollege Hauffe hat den Standpunkt des Mieterbundes nach Einzelbewertung, nach individueller Bewertung, herausgestellt. Meine Damen und Herren, wir wollen ja hier ein Mietengesetz, nicht ein Arbeitsbeschaffungsgesetz für die Wohnungsämter machen.
Der Herr Kollege Hauffe hat uns auf die Diskussion im Ausschuß verwiesen. Wie stellt sich die verehrliche Opposition diese Einzelbewertung vor? Auch die Wohnungsämter müßten sich sowieso an gewisse allgemeine, schematische Richtlinien halten. Wenn wir aber diese wenigen Wertgruppen —10 %, 15 %, 20 % —, als Nebengeleise Kostenvergleichsmiete und frei vereinbarte Miete einführen — aber alles in einem gewissen Limit, in einer gewissen Grenze des Spielfeldes —, dann, glaube ich, kann man nicht sagen, daß hier nicht auch auf den Wert Rücksicht genommen sei. Wir gehen hier, ich möchte fast sagen, gesetzestechnisch einen ähnlichen Weg, wie ihn der verehrte Herr Kollege Kunze im Lastenausgleichsgesetz vertreten hat. Heiße Kämpfe haben damals bei der Frage der Bewertung der Verluste getobt: Soll man nun alles sozial oder quotal machen. Man hat sich auf einen
Mittelweg geeinigt, den auch die Opposition heute weitgehend bejaht, daß man wenige erfaßbare Stufen nimmt, wobei ich dem Herrn Kollegen Wirths absolut zugebe, daß wir uns über die Kriterien sehr genau unterhalten und noch einiges erwägen müssen.
Noch ein paar Worte zur sozialen Tragbarkeit. Wie stellt sie sich dar? Ich weiß, die verehrlichen Kollegen der Opposition stellen die Zahlen, die uns hier vorliegen, etwas in Frage. Sie wurden als Schönfärberei bezeichnet, aber an keiner Stelle wurde nachgewiesen, daß diese Zahlen falsch sind. Oder irre ich?
— Ich bin aber der Meinung, daß man in der ersten Lesung nicht nur eine Behauptung aufstellen, sondern sie nach Möglichkeit wenigstens in allgemeinen Grundlinien untermauern sollte. Ich darf mich deshalb zuerst auf die Begründung beschränken, die sich aus den Zahlen des Ministeriums ergibt, und darf dann zum andern auf Material zurückgreifen, das Ihnen, Herr Kollege Jacobi, wahrscheinlich auch bekannt ist und Ihnen sehr naheliegt. Nach den Zahlen des Ministeriums wurden 1936 für die Wohnung 14 % des Privatverbrauchs von allen Mietern aufgewandt.
— Bitte, dann müssen Sie sie widerlegen. Ich habe das angeführt, und Sie gestatten, daß ich das vortrage; ich will die Gelegenheit benutzen, auch von Ihren Zahlen zu sprechen. 14 % des Privatverbrauchs ist 1/7 des gesamten Privatverbrauchs. 1953 betrug das Volumen des Privatverbrauchs für das Gut Wohnung nur noch 7,7 %, in den getesteten Arbeitnehmerhaushalten mittleren Einkommens mit vier Personen nur etwas mehr: 9,2 %, also nur 2/3 dessen, was früher der Fall gewesen ist.
Nun kommt etwas sehr Interessantes, Herr Kollege Jacobi. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat uns dankenswerterweise Material über eine Sonderuntersuchung, die er in über 3000 Haushalten angestellt hat, zur Verfügung gestellt. Wenn Sie dieses Material zur Hand nehmen, Herr Kollege Jacobi, so stellen Sie nach diesem Schreiben vom 13. Oktober 1954 aus Düsseldorf fest, daß 9,9 % des Familieneinkommens in Arbeiterhaushalten für das Gut Wohnung verwendet wird. Meine Damen und Herren, zwischen dem, was hier als Schönfärberei angekreidet und bestritten worden ist, und dem, was der DGB dazu festgestellt hat, besteht ein Unterschied von 0,7 %. Ich möchte das hier eindeutig festgestellt haben. Es ist aus den Unterlagen ersichtlich.
1936 betrug der Mietaufwand je Kopf der Bevölkerung 106 Mark.
1953 betrug er 118 DM, hat sich also um 12 DM erhöht. Herr Jacobi, das sind nicht Zahlenspielereien, sondern es sind Belastungen, die den Privatverbrauch unserer zahllosen Mieter betreffen. Ich glaube, wir müssen uns mit diesen Zahlen allen Ernstes auseinandersetzen.
Meine Damen und Herren, mit Recht hat der Deutsche Gewerkschaftsbund darauf verwiesen, daß man den Aufwand für das Gut Wohnung mit dem Familieneinkommen in Beziehung setzen müsse. Ich darf dazu nur unterstreichen, daß von den 21 1/4 Millionen Erwerbspersonen in der Bundesrepublik nur 11,2 Millionen, also 52 %, tatsächlich haushaltbildend waren, während 46 % der Haushalte, also fast die Hälfte, mehr als ein Geldeinkommen zu verzeichnen haben. Auch das muß einmal gesagt werden, um in den Realitäten des volkswirtschaftlichen Denkens zu bleiben. Bei den weniger als 3000 DM Einkommen Beziehenden waren nur 30 % solcher Haushalte, die Kinder hatten. 40 % der weniger als 3000 DM im Jahre 1950 Verdienenden waren ledige Personen, die also nicht unbedingt — vorläufig noch — haushaltbildend waren.
Ich darf mich aber jetzt noch einmal den Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zuwenden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat in seiner Untersuchung festgestellt, daß zwischen 10 1/2 % des verbrauchsfähigen Familieneinkommens bei den untersten Einkommensgruppen der Arbeitnehmer und 9,9 % des verbrauchsfähigen Familieneinkommens bei den mittleren Einkommensgruppen der Arbeitnehmerhaushalte — ich klammere vorläufig die Rentner aus — für Miete verwandt werden. Wenn jetzt eine generelle Anhebung dieser Mieten um nur 10 % eintritt, wobei wir durch den Plafond eine Überspitzung weitgehend ausschalten, und wenn die Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes stimmen, dann handelt es sich für die Erwerbspersonen der Arbeitnehmerfamilien um eine Neubelastung des privaten Verbrauchs in der Größe von 1 % im Rahmen ihres Verbrauchs. Ich glaube, diese Rechnung kann man aus den Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht widerlegen.
— Das müssen Sie ihn fragen. Ich bitte Sie, diese Zahlen konkret zu widerlegen.
Ein Zweites, meine Damen und Herren, um bei Ihren Argumenten zu bleiben. Wir sehen einen Plafond vor. In diesem Hause haben die Koalition und Opposition gemeinsam das Erste Wohnungsbaugesetz beschlossen.
Man hat darin, Herr Kollege Jacobi, im Jahre 1949 auch mit den Stimmen der Opposition eine Richtsatzmiete von 1,10 DM festgesetzt, einen Satz, den Sie damit auch insbesondere den einkommensschwachen wohnungslosen Kreisen der jungen Familien, der Kriegsgeschädigten, Vertriebenen usw. zugemutet haben. Wenn wir jetzt bei den Mietanhebungen einen Plafond vorsehen, der sich auf diese Zahl bezieht, der also auch der Quadratmeterzahl und damit dem Wohnwert entspricht, dann kann uns die Opposition auf diesem Wege ruhig folgen, wenn sie zu ihrem alten Worte steht und wenn sie berücksichtigt, daß sich der Plafond heute füglicherweise deshalb etwas erhöhen kann, weil seit 1949 auch die Einkommen angestiegen sind.
Soviel zur Frage der Tragbarkeit für die im Erwerbsleben Stehenden bei echter Begrenzung für diejenigen, die in den Großstädten leben.
Das alles räumt noch nicht die Frage der Rentner und Einkommensschwachen aus. Dazu ein paar Worte. Hier müssen die Mietbeihilfen eingreifen, nicht mit Fürsorgegeruch. Nordrhein-Westfalen hat schon Ähnliches für Kinderreiche. Das Ausland, insbesondere dort, wo die Mieten schon elastischer sind, hat ebenfalls solche Mietbeihilfen. Die Frage der Mietbeihilfen ist eine alte Forcie-
I rung der CDU/CSU insgesamt. Wir fordern für dieses Gesetz eine gewisse Konkretisierung in Rahmenvorschriften betreffend den Personenkreis, die Bezugsvoraussetzungen und die Höhe. Dabei gehen wir von dem Gedanken aus, daß die Mietbeihilfe elastischer und gerechter ist als generelle Instandsetzungsdarlehen und Kostensubventionen. Sie gilt ja nur während der echten Notlage.
Die Aufbringung ist umstritten. Vorläufig hat der Herr Bundesfinanzminister 15 Millionen zur Verfügung gestellt. Wir dürfen aber daran erinnern, daß 1953 der Bund und die Länder 90 Millionen an Instandsetzungsdarlehen und Haushaltmitteln aufgebracht haben.
Staatssekretär Hartmann hat im Bundesrat, nach unserer Meinung zu Recht, ausgeführt, daß diese Zahlungen ihrer Natur nach zum Aufgabengebiet der Länder — mit Ausnahme der Empfänger von Kriegsfolgenhilfe — gehörten, wie überhaupt die ganze Aufbringungsfrage — ich glaube, dem könnten sich die Vertreter der Opposition und der Koalition im Haushaltsausschuß dieses Hohen Hauses anschließen — die Frage der Mietbeihilfen nur als Komponente der Auseinandersetzung beim Inanspruchnahmegesetz und bei der Finanzreform zu sehen sei.
Wir halten diesen Standpunkt für richtig und sind der Meinung, daß diese individuelle und auf die Zeit der Notlage beschränkte Mietbeihilfe per Saldo billiger kommt als die globalen Instandsetzungsdarlehen.
Dabei glauben wir nicht, daß der Weg, den Herr Kollege Hauffe vorgeschlagen hat, gerecht wäre, nämlich an die Stelle der Mietanhebung oder eines Teiles der Mietanhebung Subventionen aus Steuergeldern für die Instandsetzung treten zu lassen. Denn dann käme folgendes zustande: Der in einer Neuestbauwohnung, in einer Kleinwohnung, wohnende Einkommensteuerpflichtige müßte dann mit seiner Steuer, weil es ja global geht, unter Umständen die Komfortwohnung einer Familie in einem Altbau mit instand setzen helfen, deren Inhaber ganz gewiß über die Miete einen Teil zu den Instandsetzungskosten beitragen könnte. Das aber empfinden wir nicht als sozial gerecht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU macht zu diesem Gesetz durch den Plafond, durch die Staffelung in wenige Gruppen und durch die Beihilfen positive Vorschläge für zielbewußtes Handeln bei den Beratungen im Ausschuß und spricht sich hier nicht in allgemeinen Worten, sondern konkret aus. Dieses Gesetz, dazu die weitere Fortsetzung des Wohnungsbaus aller Qualitäten, eine entsprechende Kapitalverbilligung und — das darf ich mit einer kleinen Wendung gegen die Regierungsbank sagen — eine vernünftige Raumordnung mit den dafür notwendigen gesetzlichen Grundlagen sowie die Klärung der Kompetenzen, durch die vermieden wird, daß sich die Ballungszentren mit den überteuerten Wohnungen weiter auswachsen, alle diese Elemente können zu dem führen, was wir alle anstreben: einem echten Markt auf dem Gebiete des Wirtschaftsgutes Wohnung, auf dem der Preis nicht nur durch ein Bundesmietengesetz, sondern durch die Kapitalkosten und durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird.
Bei den Ausschußberatungen werden wir auf einem schmalen Grat einen maßvollen Mittelweg suchen müssen, einen Mittelweg, in den zwei Steige münden müssen. Der eine Steig führt zur Erhaltung und Finanzierung der Wohnungen und zu dem, was da erwünscht ist, der zweite Steig zu dem, was sozial tragbar ist. Wir hoffen, daß die vierehrliche Opposition diesen Weg mit uns gemeinsam sucht und absteckt.
Ich darf bekanntgeben, daß der Finanzausschuß um 14 Uhr zusammentritt. Welches Zimmer, ist mir leider nicht mitgeteilt worden; das wird sich wohl draußen noch leicht erfragen lassen.
Das Wort hat der Bundeswohnungsbauminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, hier zu allen Punkten etwas zu sagen; das wollen wir in der eingehenden Ausschußberatung tun. Ich darf nur zu der Frage betreffend Berlin, die ich vorhin nicht beantwortet habe, Stellung nehmen.
Zur Zeit der Beschlußfassung über das Bundesmietengesetz in der Bundesregierung und im Bundesrat war Berlin damit einverstanden, daß die bisher einzige Korrekturmaßnahme im Rahmen des Berliner Hausbestandes erfolgt. Wenn sich die Meinung in Berlin in diesem Punkte nach den Wahlen inzwischen geändert hat, so ist das ein Umstand, der bei den Ausschußberatungen bedacht werden muß. Ich darf nur sagen — so wie es mir soeben noch von dem Herrn Bundesjustizminister bestätigt worden ist —, daß diese Regelung ohnehin nicht in Kraft treten kann, wenn sie nicht vom Berliner Abgeordnetenhaus noch einmal ausdrücklich beschlossen wird. Folglich können wir das, glaube ich, in der Vorlage, so wie sie jetzt ist, in aller Ruhe überprüfen. Von Berlin selber kann in jedem Falle noch der Riegel vorgeschoben werden.
Nur zu zwei Punkten möchte ich noch etwas sagen. Lieber Herr Kollege Jacobi, was mich an Ihren Ausführungen sehr stark getroffen hat, ist die Unterstellung, daß die statistischen Angaben schöngefärbt worden seien.
Das würde mich sehr berühren. Wir haben hier ausschließlich amtliches Material, Material des Statistischen Bundesamtes, Material aus den Untersuchungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes usw. verwendet, die sich ja — das hat der Herr Kollege Dr. Czaja schon hervorgehoben — voll und ganz mit den Zahlenunterlagen des Statistischen Bundesamtes decken. Ich glaube nicht, daß man so weit gehen darf, amtliche statistische Erhebungen der Landes- und Bundesämter als schöngefärbt zu bezeichnen.
— Ich glaube nicht, daß hier irgend etwas in einem Sinne ausgewertet wird, der nicht durch die Zahlen selbst belegt ist.
Nun noch ein Zweites. Von verschiedenen Seiten ist die Frage aufgeworfen worden, ob denn die
3 bis 5 DM, die dann insgesamt 200 Millionen DM ergeben, tatsächlich in dem Sinne etwas nützen, daß endlich der aufgestaute Reparaturbedarf des Althausbestandes gedeckt werden kann und die Erhaltung mäglich ist. Daß diese 200 Millionen DM dazu nicht ausreichen, darüber besteht unter allen, die sich mit den Dingen befaßt haben, glaube ich, völlige Einmütigkelt. In der derzeitigen Lage der absoluten Nichterhaltungsfähigkeit des Althausbesitzes werden Bund und Länder obendrein noch einiges tun müssten, durch Zinszuschüsse, verbilligte Kredite, durch die steuerlichen Vergünstigungen, über die ich vorhin gesprochen habe, die in den Einkommensteuerrichtlinien für die nächsten drei Jahre vorgesehen sind. Aber hierbei geht es darum, den Hausbesitz endlich einmal bei den Sparkassen, bei den Hypothekeninstituten, bei den Versicherungen oder wer es sonst ist, übenhaupt wieder kreditfähig zu machen. Jemandem, von dem man weiß, daß er überhaupt nicht in der Lage ist, seine Kosten zu decken, kann ein Institut, das für die Spargroschen von Millionen von deutschen Sparern verantwortlich ist, nicht Kredite geben. Erst muß die Sicherheit geschaffen werden, daß dieses Spargeld dort in seinem Wert erhalten bleibt.
Das ist die Funktion der Wiederherstellung der Kostendeckung. Hier kann mit einem bescheidenen Mittel eine außerordentlich große volkswirtschaftliche Wirkung erzielt wenden, ohne daß man wieder nach dem Staat und den öffentlichen Krediten zu rufen braucht. Man kann sich vielmehr auf die Sparkraft des gesamten Volkes stützen.
Ich darf noch einmal betonen, daß ich selbstverständlich in vollem Umfange idazu bereit bin, alle Zahlenunterlagen in allen Einzelheiten in den Ausschüssen zu prüfen. Ich glaube, daß wir dabei zu sehr bemerkenswerten Ergebnissen kommen werden.
Ich möchte aber noch eine kurze Bemerkung zu Ihrer Sechsmeterrolle machen, von der ich hoffe, daß ich sie einmal in einer Photokopie oder vielleicht sogar einmal im Original bekommen werde. Lieber Herr Kollege Jacobi, wenn man eine Angelegenheit, die nun seit über dreißig Jahren im Wege der unterschiedlichsten zwangswirtschaftlichen Konzeptionen geregelt worden ist, allmählich wieder in eine natürliche, entzerrte wirtschaftliche Ordnung einfügen will, dann ergibt es sich leider, daß man an eine Reihe von anderen Dingen anknüpfen muß. Ich darf Herrn Kollegen Jacobi sagen: Wir wollen ihn davon befreien, daß er mit dicken Gesetzbüchern herbeieilen muß, wenn er in Zukunft etwa auf dem Mietengebiet tut. In dem Gesetzentwurf steht ja ausdrücklich, daß dann das gesamte Mietpreisrecht, das danach noch gilt, in einer Neubekanntmachung, vereinfacht, ergänzt, von der Bundesregierung herausgegeben wird. Sie brauchen also keine dicken Bücher mehr, und ich nehme an, auch nicht viele; und auch die Rolle brauchen wir dann nicht mehr, sondern nur noch eine einzige, neugefaßte gesetzliche Regelung, in der wir auch von einem neuen Stichtag ausgehen und all die Dinge der Vergangenheit endgültig abmeiern; und ich hoffe, daß dann im Laufe der nächsten Jahre auch von diesem Gesetz immer weniger und weniger übrigbleiben wird, bis auf die Grundsätze, die hier in sozialer und in volkswirtschaftlicher Hinsicht zu beachten sind.
Ich freue mich über die allseits ausgesprochene Bereitschaft zur Mitarbeit an diesem schwierigen Gesetz
und hoffe, daß es gelingen wird, auch dieses Problem in absehbarer Zeit wirklich und tatsächlich zu lösen, ehe die Wohnungen alle kaputtgegangen sind und dadurch weiterer Schaden entstanden ist.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir haben den Gesetzentwurf nunmehr an die Ausschüsse zu überweisen. Ich denke, es besteht kein Streit darüber, daß federführend der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen ist und daß beigezogen werden müssen der Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht
und wohl auch der Haushaltsausschuß.
— Bitte, Herr Kollege!
Wenn schon so viele Ausschüsse genommen werden müssen, dann bitte ich, auch den Ausschuß für Kommunalpolitik zu berücksichtigen, weil die Belastung der Gemeinden hier eine sehr wesentliche Frage ist.
Herr Kollege Lücke!
Herr Präsident! Herr Jacobi macht es mir leichter, meinen Antrag zu stellen. Ich beantrage, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und zur Mitberatung dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen.
Meine Damen und Herren, ich muß über gestellte Anträge abstimmen lassen. Es ist der Antrag gestellt, die Vorlage außer an die beiden Ausschüsse, die eben der Abgeordnete Lücke genannt hat, noch an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, an den Haushaltsausschuß und an den Kommunalpolitischen Ausschuß zu überweisen. Ich muß darüber abstimmen lassen. Kein Streit besteht darüber, daß der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen federführend sein soll. Kein Streit besteht darüber, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik mutbeteiligt sein soll.
Nunmehr lasse ich über die anderen Anträge abstimmen. Wer noch den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beiziehen will, der möge die Hand erheben. — Eine Stimme. Der Antrag ist abgelehnt. Wer will, daß noch der Haushaltsausschuß beigezogen wird, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. Wir stimmen jetzt ab über 'den Antrag, auch ¡den Kommunalpolitischen Ausschuß beizuziehen. Wer dafür ist, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Auch dieser Antrag ist abgelehnt. Also nur zwei Ausschüsse. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Punkt 3 der Tagesordnung betreffend § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages soll auf Grund interfraktioneller Vereinbarung heute
abgesetzt werden. Der Ältestenrat wird den Termin bestimmen, an dem dieser Punkt behandelt werden soll.
Ich -rufe auf Punkt 4:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betreffend Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB vom 10. September 1953 (Drucksachen 1165, zu 1165).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Arndt.
— Der Bericht liegt schriftlich vor*). Verzichtet das Haus auf mündliche Berichterstattung? — Das ist der Fall.
*) Siehe Anlage 2.
Dann stimmen wir über den Antrag Drucksache 1165 ab. Wer für den Antrag des Ausschusses ist, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Punkt 4 ist erledigt.
Punkt 5:
Beratung des Antrags der Fraktion des GB/ BHE betreffend Spende für den Aufbau des Reichstagsgebäudes .
Er soll ebenfalls abgesetzt werden. — Das Haus ist einverstanden.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. Die nächste, die 68. Sitzung des Deutschen Bundestages wird einberufen auf Mittwoch, den 23. Februar, 14 Uhr. Ich schließe die 67. Sitzung des Bundestages.