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    2. Deutscher Bundestag — 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955 3419 67. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955. Liste der beurlaubten Abgeordneten (Anlage 1) 3451 A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3450 D, 3451 Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rede des Herrn Bundeskanzlers am 3. Dezember 1954 (Drucksache 1055) 3419 D Brandt (Berlin) (SPD), Anfragender 3419 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 3421 C, 3424 D, 3425 B, D Mellies (SPD) 3422 D, 3426 D Lemmer (CDU/CSU) 3423 D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . 3425 B Neumann (SPD) 3425 B Dr. Krone (CDU/CSU) 3426 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts (Erstes Bundesmietengesetz) (Drucksache 1110) 3427 A Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 3427 D, 3449 C Jacobi (SPD) 3435 D, 3450 C Dr. Brönner (CDU/CSU) 3438 D Wirths (FDP) 3440 C Engell (GB/BHE) 3442 B Hauffe (SPD) 3443 B Frau Heise (SPD) 3445 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 3446 B Lücke (CDU/CSU) 3450 D Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . 3450 D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 104$): Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3450 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB vorn 10. September 1953 (Drucksachen 1165, zu 1165) 3451 A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 3452 Beschlußfassung 3451 C Beratung des Antrags der Fraktion des GB/BHE betr. Spende für den Aufbau des Reichstagsgebäudes (Drucksache 807) . 3451 C Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3451 C Nächste Sitzung 3451 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 3451 A Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB (Drucksache zu 1165) 3452 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Geritzmann Hilbert Glüsing Struve Wehner Dr. von Brentano Dr. Dresbach Dr. Bucher Scheuren Dannemann Ollenhauer Maier (Mannheim) Kiesinger Neuburger Knobloch Brese Leibfried Anlage 2 zu Drucksache 1165 (Vgl. S. 3451 A.) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Az. 1 BvL 120/53 — betreffend Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen §187 a StGB vom 10. September 1953 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt I. Die Erste Strafkammer des Landgerichts Traunstein hat geltend gemacht, daß § 187 a StGB zu willkürlichen Erwägungen führe, weil sich nicht abgrenzen lasse, welche Person im politischen Leben des Volkes stehe. Das Landgericht Traunstein sieht deshalb den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durchbrochen, weil Straf vorschriften nicht unbestimmt sein dürften. Es ist richtig, daß eine unbestimmte Strafvorschrift sowohl mit Art. 3 als auch mit Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar wäre. Das Landgericht Traunstein hat jedoch § 187 a StGB irrig ausgelegt und verkannt, daß jeder strafrechtliche Begriff seinem Wesen nach ein Wertbegriff ist. Der Begriff des politischen Lebens in § 187 a StGB ist nicht unbestimmt, sondern bestimmbar, und zwar nicht weniger bestimmbar als entsprechende Rechtsbegriffe des Strafgesetzbuchs. Daß eine Tat in ihrer Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muß, schließt nicht aus, daß die Bestimmbarkeit nach pflichtgemäßem richterlichem Ermessen im Wege der Auslegung zu finden ist. Es gibt im Strafgesetzbuch keinen Begriff, der nicht der Auslegung fähig und sogar bedürftig wäre. Der Grad der Bestimmbarkeit kann hierbei verschieden sein. Es ist sicherlich schwerer bestimmbar, ob ein Mensch heimtückisch oder grausam oder aus niedrigen Beweggründen getötet wurde, während es leichter bestimmbar sein wird, was strafrechtlich eine Sache ist. Schwierigkeiten in der Auslegung heben die Bestimmbarkeit noch nicht auf, solange es möglich ist, einen Rechtsbegriff auf Grund der in langjähriger Übung von der Rechtsprechung und der Rechtslehre gesicherten Auslegungsgrundsätze in seinem Wesensgehalt zu entwickeln. Unbestritten ist der Begriff des Öffentlichen in diesem Sinne ein bestimmbarer Rechtsbegriff. Das Strafgesetzbuch verwendet ihn mehrfach und sogar in verschiedener Bedeutung, weil es jeweils auf den einzelnen Tatbestand und seinen Zusammenhang mit dem Sinn des Gesetzes sowie seinem System ankommt, um richtig verstehen zu können, welchen Sachverhalt der Begriff des Öffentlichen werten und treffen will. Seiner Entstehungsgeschichte nach ist § 187 a StGB keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung der Strafbestimmung in § 1 des 8. Teils im Kapitel III der 4. Notverordnung zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 742). War somit bereits der Begriff des öffentlichen Lebens ein strafrechtlich hinreichend bestimmbarer Rechtsbegriff, der Willkür ausschloß, so muß dies um so mehr für den engeren Begriff des politischen Lebens gelten. Der Begriff des Politischen ist übrigens auch sonst dem Strafrecht nicht unbekannt. Insbesondere findet er sich in einer Reihe von Amnestiegesetzen, so in § 7 des Straffreiheitsgesetzes 1954 vom 17. Juli 1954 (BGBl. I S. 203). Während auch Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Artisten und andere Personen im öffentlichen Leben stehen, sind Personen, die im politischen Leben stehen, ihrer Zahl und Art nach wesentlich enger umgrenzt. Das Landgericht Traunstein irrt, wenn es einen Grund vermißt, warum Personen, die im politischen Leben stehen, einen verstärkten Ehrenschutz genießen sollen. Verfehlt ist insbesondere seine Erwägung, weil der Schritt in das politische Leben freiwillig getan werde, dürfe niemand auf einen verstärkten Ehrenschutz Anspruch erheben, der sich aus eigenem Entschluß der öffentlichen Kritik in verstärktem Maße aussetze. Denn der erhöhte Ehrenschutz wird durch § 187 a StGB den im politischen Leben stehenden Personen ja nicht etwa um ihrer selbst willen zugebilligt, sondern dient dem Schutz der demokratischen Ordnung und des Staatsganzen. Ein demokratischer Rechtsstaat beruht darauf und ist darauf angewiesen, daß sich seine Bürger am politischen Leben beteiligen. Deshalb besteht um der Demokratie willen ein Staatsinteresse daran, diesen selbstverständlich freiwilligen Schritt in das politische Leben zu fördern und zu erleichtern, indem dafür gesorgt wird, daß die Bürger, die sich in besonderem Maße der Politik widmen, nicht als vogelfrei angesehen werden. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik hat sich daher die in der 4. Notverordnung vom 8. Dezember 1931 zum Ausdruck gekommene kriminalpolitische Notwendigkeit ergeben, die im öffentlichen Leben stehenden Bürger wegen der stark erhöhten Gefahr auch mit einem verstärkten Rechtsschutz zu umgeben. Das Landgericht Traunstein deutet § 187 a StGB falsch, indem es behauptet, letzten Endes stehe bereits jeder im politischen Leben, der sich in irgendeiner Form und in irgendeinem Grade mit den Fragen des öffentlichen und politischen Lebens auseinandersetzen müsse. Im politischen Leben stehen vielmehr nur solche Personen, die tatsächlich eine politische Bedeutung erworben haben, die deshalb auf das politische Leben erheblichen Einfluß ausüben, also alle, die sich für eine gewisse Dauer vorwiegend mit Angelegenheiten befassen, die den Staat, seine Verfassung, Gesetzgebung und Verwaltung berühren. (Vgl.: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Sep- (Dr. Arndt) tember 1953 in Strafsachen Bd. 4, S. 338 ff.; ferner Adolf Schönke — 6. Aufl. — in Anm. II zu § 187 a StGB; Richard Lange im Nachtrag zu Kohlrausch-Lange — 40. Aufl. — zu § 187 a StGB; Schaefer im Leipziger Kommentar — 7. Aufl. — Anm. 2 zu § 187 a StGB.) Der Begriff des politischen Lebens läßt es also an der verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmbarkeit nicht fehlen, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung und die wissenschaftlichen Erläuterungswerke beweisen. II. Das Landgericht Traunstein hat ferner geltend gemacht, daß § 187 a StGB deshalb mit dem in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nicht vereinbar sei, weil diese Vorschrift angeblich die Rechtsgenossen in zwei Gruppen teile, nämlich solche, deren Ehre nur den allgemeinen Schutz des § 186 StGB genießt, und solche, deren Ehre durch den weitergehenden Schutz des § 187 a StGB privilegiert werde. Auch diese Erwägung ist rechtsirrig. Verfehlt ist insbesondere der Hinweis des Landgerichts Traunstein, daß nicht nur Personen, die im politischen Leben stehen, einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnen, sondern auch z. B. der Präsident eines Oberlandesgerichts oder ein Wirtschaftsführer. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine Person ihrer Tätigkeit wegen einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnet, sondern ob die Art ihrer Tätigkeit eine wesentlich verstärkte Gefahr mit sich bringt, daß die Person um ihrer Tätigkeit willen in ihrer Ehre öffentlich angegriffen wird. Es ist aber eine geschichtliche Erfahrung, daß die im politischen Leben stehenden Personen infolge der Leidenschaftlichkeit und der besonderen Gefühlsbetontheit der politischen Auseinandersetzungen qualitativ in wesentlich stärkerem und anderem Grade Angriffen auf die Ehre ausgesetzt sind als Personen, deren Arbeit auch mit öffentlicher Anteilnahme verfolgt wird. Im übrigen wird es selbstverständlich jeweils im Strafmaß zum Ausdruck kommen, ob sich eine Ehrverletzung gegen den Präsidenten eines Oberlandesgerichts, einen Behördenleiter, den Chef einer Krankenanstalt oder einen Wirtschaftsführer gerichtet hat, wobei es ohne jeden Zweifel als ein zulässiger Strafzumessungsgrund anzusehen sein wird, daß der öffentlichen Ehrverletzung eine erhöhte und strafverschärfende Bedeutung zukommt, weil sie sich gegen eine Person um der von ihr eingenommenen Stellung willen richtete. Daher wird es nicht als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügt werden können, falls die Beleidigung des Chefs einer großen Krankenanstalt deshalb mit besonderem Nachdruck bestraft wird, weil sie geeignet war, den Verletzten als seiner Stellung unwürdig erscheinen zu lassen und gerade dadurch auch öffentliche Interessen zu gefährden. In Übereinstimmung hiermit kann es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, daß aus diesem sachlichen Grunde der Gesetzgeber eine höhere Mindeststrafe zur Regel gemacht hat, falls der Verletzte im politischen Leben steht und die Tat geeignet ist, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren. Es kann dahingestellt bleiben, ob es statthaft wäre, den verstärkten Ehrenschutz an formale Erfordernisse zu knüpfen, ihn z. B. davon abhängig zu machen, daß der Verletzte das Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft ist. Denn § 187 a StGB hat eine andere Regelung getroffen, indem die Vorschrift einen sachlichen Gesichtspunkt zum Tatbestandsmerkmal für die Veränderung des Strafrahmens erhebt. Es trifft nicht zu, daß § 187 a StGB von sich aus die Bürger in zwei Gruppen einteile, von denen die eine privilegiert wäre. Denn im Zusammenhang mit dem Grundgesetz, insbesondere gerade mit Art. 3, Art. 9 und Art. 38 GG steht es jedermann frei, sich in das politische Leben des Volkes zu stellen. Jeder also wird des verstärkten Ehrenschutzes teilhaftig, sobald er sich dem politischen Leben widmet und aus eigener Kraft darin eine solche Stellung erlangt, wie § 187 a StGB sie voraussetzt. Unausgesprochen scheint den Erwägungen des Landgerichts Traunstein der Fehlschluß zugrunde zu liegen, daß hier durch dieses Gesetz nur eine bestimmte Gruppe von Politikern oder sogar von Abgeordneten sich selbst privilegiert hätte. Das ist nicht der Fall. Nicht an die Person, auch nicht an ein äußeres Merkmal knüpft § 187 a StGB an, sondern einzig und allein an einen materiellen Sachverhalt, der von jedermann verwirklicht werden kann. Geschützt durch diese Vorschrift sind deshalb keineswegs etwa nur Mitglieder des Bundestages oder der Landtage oder Mitglieder einer Regierung, sondern nach der zutreffenden Rechtsprechung z. B. auch Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts oder solche Führer einer politischen Partei, die nicht Abgeordnete sind (vgl. Schaefer, a. a. O.). Maßgeblich ist allein die tatsächliche Stellung in der Wirklichkeit des politischen Lebens und die dadurch bedingte Gefahrerhöhung für die Ehre, wobei der gesetzgeberisch entscheidende Gesichtspunkt bleibt, daß es sich nicht um den Schutz der einzelnen Ehre um ihrer selbst willen handelt, sondern um den Schutz des politischen Lebens vor der Vergiftung durch üble Nachreden und Verleumdungen. Was vielfach übersehen scheint, ist daher, daß zu den Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen, auch die Publizisten gehören, also solche Journalisten und Rundfunk-Kommentatoren, die durch die Art und Dauer ihrer der Politik gewidmeten Tätigkeit einen erheblichen Einfluß auf das öffentliche Leben ausüben. Der Gleichheitsgrundsatz soll Willkür ausschließen. Es darf also nicht ungleich behandelt werden, was gleich ist. Im Falle des § 187 a StGB kann davon jedoch keine Rede sein. Ob eine Person tatsächlich im politischen Leben eine Stellung von solcher Dauer und von solchem Einfluß einnimmt, daß die Voraussetzungen des § 187 a StGB auf sie zutreffen, begründet eine Verschiedenheit in der Gefährdung und im staatspolitischen Interesse an der Abwehr von Rechtsverletzungen. Hier ist eine nach Grad und Wesen sinnvolle Verschiedenheit gegeben, die eine unterschiedliche Behandlung im Gesetz als sachgerecht erscheinen läßt. Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß keineswegs schon jede üble Nachrede, durch die eine im politischen Leben stehende Person in ihrer Ehre verletzt wird, die Anwendung des § 187 a StGB rechtfertigt. Über das Merkmal, daß der Verletzte im politischen Leben stehen muß, hinaus fügt § 187 a Abs. 1 StGB dem Tatbestand des § 186 StGB zwei weitere Tatbestandsmerkmale sachlicher Art hinzu. Denn die üble Nachrede muß erstens aus Beweggründen begangen sein, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und zweitens muß die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken des Verletzten (Dr. Arndt) erheblich zu erschweren. Die höhere Mindeststrafe ist im Unterschied zu § 186 StGB also auch dadurch begründet, daß die Tat eine andere ist, weil sowohl der Vorsatz des Täters als auch die Wirkung seiner Tat zusätzliche Tatbestandsmerkmale erfüllen müssen, die nach dem Ermessen des Gesetzgebers diese Tat als eine besonders schwere und eigenartig qualifizierte kennzeichnen. Bonn, den 9. Februar 1955 Dr. Arndt Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 1110 hat die Bundesregierung nicht nur den Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts, Erstes Bundesmietengesetz genannt, mit der Stellungnahme des Bundesrates und der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates vorgelegt. Sie hat sich darüber hinaus bemüht, den Damen und Herren des Hohen Hauses mit einer sehr eingehenden Begründung und einem sehr ausführlichen Zahlenmaterial alle für die Beurteilung der von der Bundesregierung vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Vorlage Drucksache 1110 ist auf diese Weise allerdings recht umfangreich geworden.
    Veränderungen in den Wohnungsmieten berühren nun einmal seit dem Ende des ersten Weltkrieges breiteste Schichten der Bevölkerung in einem ganz anderen Maße als etwa die Preisschwankungen für Hausrat, für Bekleidung oder für Schuhwerk. Dies gilt um so mehr, als seit dem Ende des ersten Weltkrieges, mindestens aber seit dem 17. Oktober 1936, die Mietpreise nicht mehr der Regelung durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage am Wohnungsmarkt, sondern infolge der insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg gegebenen außerordentlich
    drückenden Wohnungsmangellage der Regelung durch den Staat überantwortet worden sind.

    (Anhaltende Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, darf ich bitten, die unerläßlichen Zwiegespräche wenigstens in den Vorraum zu verlegen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich danke Ihnen, Herr Präsident. — Wenn die Bundesregierung hiermit den Entwurf eines Ersten Bundesmietengesetzes vorlegt, so tut sie es, weil eine solche Maßnahme unausweichlich geworden ist, soll nicht schwerwiegender Schaden für die gesamte Bevölkerung entstehen. Diese Unausweichlichkeit wird auch von allen einsichtigen Kreisen in Politik und Wirtschaft bejaht. Auch die Opposition hat in ihrem SPD-Pressedienst vom 26. August 1954 betont — ich darf diesen einen Satz einmal zitieren—:
    Niemand, vor allem nicht die Sozialdemokratie,
    bestreitet die Notwendigkeit der Rentabilität
    auch des Hausbesitzes. Es wird sich auch in einzelnen Fällen und Kategorien nicht umgehen
    lassen, in einem vertretbaren Umfange Mieterhöhungen vorzunehmen.
    Die Bundesregierung ist sich aber dessen bewußt gewesen, daß, wie es auch von dem Pressedienst der Opposition hervorgehoben wird, die Frage der Mieterhöhungen für den Wohnungsaltbestand, die den Inhalt des vorliegenden Entwurfs bildet, nicht isoliert gelöst werden kann. Sie hat deshalb von Anbeginn hervorgehoben, daß die unbedingt erforderliche Mietkorrektur für den Wohnungsaltbestand nur im Zusammenhang mit einer Reihe von Verbesserungen der allgemeinen Einkommensverhältnisse erfolgen wird. Diese Verbesserungen sind spätestens seit dem 1. Januar dieses Jahres wirksam geworden — wie z. B. die Steuersenkungen, die Erhöhung der Sozialversicherungsaltrenten, die Erhöhung der Lastenausgleichsunterhaltsrenten, die Erhöhung der Kriegsopferleistungen, die Gewährung der Kindergeldzahlungen, die Erhöhung von Tarifen der öffentlichen Angestellten und Arbeiter wie in der Wirtschaft erhöhte allgemeine Lohnvereinbarungen—oder sollen, soweit alle dies vorgenannten umfassenden Maßnahmen auf den lohn- und sozialpolitischen Gebiet im Einzelfall doch noch nicht ausreichen, durch besondere, in dem Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes vorgesehene Mietbeihilfen erfolgen. Deshalb geht es nunmehr darum, mit dem Ersten Bundesmietengesetz die Selbsterhaltungsfähigkeit des Wohnungsaltbestandes wiederherzustellen.
    Die Unausweichlichkeit der von allen Seiten einschließlich der Opposition und der Gewerkschaften im Prinzip anerkannten, hierzu notwendigen Mietenkorrektur für den Wohnungsaltbestand ergibt sich vor allem aus der übergeordneten Aufgabe, die sich die Bundesregierung gestellt hat, die Wohnungsnot in der Bundesrepublik so schnell und wirksam wie nur irgend möglich zu überwinden.
    Niemand hier in diesem Hohen Hause oder draußen in der Bevölkerung wird bestreiten können, daß zur Beseitigung dieser drückenden Wohnungsnot seit dem Jahre 1949 durch Neu- und Wiederaufbau Gewaltiges geleistet worden ist. Bis Ende des abgelaufenen Jahres sind rund 2,5 Millionen Wohnungen überwiegend des sozialen Wohnungsbaus neu bzw. wiederaufgebaut worden; das sind Wohnungen für rund 10 Millionen Menschen oder für jeden fünften Einwohner der Bundes-


    (Bundesminister Dr. Preusker)

    republik. Im Jahre 1953 sind es allein 518 000 Wohnungen gewesen, und im Jahre 1954 werden es aller Voraussicht nach zwischen 530 000 und 550 000 Wohnungen sein. Die Bundesregierung bemüht sich mit aller Energie um eine weitere Steigerung des Wohnungsbaues, vornehmlich des sozialen Wohnungsbaues. Wenn nicht außergewöhnlich ungünstige Witterungsumstände einen Strich durch die Rechnung machen, dürfen wir auf Grund der Finanzierungsvorsorge für das Jahr 1955 mit einer gleich hohen Zahl von Neu- bzw. Wiederaufbauten wie im Jahr 1954 rechnen. Trotzdem wird dann auch Ende dieses Jahres 1955 noch ein Wohnungsfehlbestand von etwa 21/2 Millionen Wohnungen, davon rund 1,6 bis 1,7 Millionen Wohnungen für Mehrpersonenhaushaltungen, vorhanden sein.
    Auf der anderen Seite wird allerdings Ende des Jahres 1955 bereits wieder ein Wohnungsbestand von mindestens 12 Millionen Wohnungen stehen; das sind dann schon wieder etwa 3/4 Millionen Wohnungen mehr als vor Kriegsausbruch im Jahre 1939, obwohl wir in der Bundesrepublik allein die Zerstörung von über 2 1/4 Millionen Wohnungen zu beklagen hatten. Es ist psychologisch nur zu begreiflich, daß alle diejenigen, die trotz dieser außergewöhnlichen Wohnungsneubautätigkeit — ist doch im letzten Jahr praktisch in jeder Minute eine Wohnung begonnen, fertiggestellt oder bezogen worden — noch immer, vielleicht sogar schon seit Ende des Krieges, gezwungen sind, in einem Bunker, einer Baracke oder einer Notunterkunft mit ihren Familien zu leben, das Warten auf die eigene Wohnung oder das eigene Heim um so schmerzlicher empfinden, je mehr sie überall die Häuser aus dem Boden wachsen sehen.
    Es kann daher nicht nur die Verpflichtung der Bundesregierung sein, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um jede weitere Erhöhung des Wohnungsneubaues zu ermöglichen; es muß ebenso ihre Verpflichtung sein, dafür zu sorgen, daß das über die Kriegszerstörungen gerettete Volksvermögen an Wohnungen, die vor dem ersten Weltkrieg oder zwischen den beiden Kriegen gebaut wurden, soweit wie irgend möglich in seinem Wohnwert erhalten bleibt, damit nicht in steigendem Maße die neu gebauten Wohnungen, anstatt endlich zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses der Menschen, die noch immer ohne Wohnung sind, zu dienen, lediglich zum .Ersatz von ohne Zwang und Not verfallenden Wohnungen des Altbestandes dienen müssen.
    Wohin es führen kann, wenn für diese gleich wichtige zweite Aufgabe der Erhaltung des Wohnungsbestandes nicht das Erforderliche getan wird, hat deutlich und abschreckend genug das englische Beispiel aus der Nachkriegszeit bis zur Wandlung der englischen Wohnungsbau- und Mieterpolitik im Jahre 1952 bewiesen.

    (Abg. Lücke: Sehr gut!)

    Mit Milliardensummen an Steuergeldern wurden damals in England jährlich etwa 200 000 Wohnungen neu gebaut, und auf ,der anderen Seite wurde jährlich die gleiche Anzahl durch Verfall infolge mangelnder Deckung der Instandsetzungskosten aus den Mieten unbewohnbar.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

    Hätten das englische Volk und seine Regierung nicht den Mut aufgebracht, diesen Zustand zu ändern, so hätte sich jeder Engländer ausrechnen können, daß er bis an sein Lebensende weiterhin
    zu diesen Milliarden an zusätzlichen Steuerlasten für den Wohnungsneubau beitragen müßte, ohne daß die Wohnungsnot auch nur die geringste Veränderung erfahren hätte.
    Bund, Länder und Gemeinden haben in der Bundesrepublik in den letzten Jahren zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaues und zur Finanzierung von Instandsetzungsmaßnahmen für den Althausbestand das äußerste an Belastungen auf sich genommen. Bis Ende 1954 betragen beispielsweise allein die vom Bund für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellten Mittel fast 11 Milliarden DM. In den Jahren 1953 und 1954 wie auch im laufenden Jahr 1955 beträgt die Mittelhergabe von Bund, Ländern und Gemeinden einschließlich des Lastenausgleichs für den Wohnungsbau im Schnitt je 2,5 bis 2,7 Milliarden DM. Es ist nicht möglich, diese Leistungen noch weiter zu erhöhen, wenn gleichzeitig aus Gründen der Verbesserung der Lebenshaltung und der sozialen Lage unserer Bevölkerung, insbesondere aber aus Gründen der Sicherung der Arbeitsplätze, die weitgehend von der Erhaltung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit im Export abhängen, auf der einen Seite notwendige steuerliche Entlastungen und auf der andern Seite ebenso notwendige Erhöhungen von Renten und sonstigen sozialen Leistungen in Höhe von mehreren Milliarden DM vorgenommen werden müssen. Es bedeutet angesichts dessen schon außerordentlich viel, wenn diese jährlichen öffentlichen Leistungen für den Wohnungsbau von Bund, Ländern und Gemeinden von 2,5 bis 2,7 Milliarden DM auch trotz der Steuersenkungen und Rentenerhöhungen weiter durchgehalten werden können und, wie ich hier ausdrücklich anmerken darf, auch durchhalten werden werden, wenn die Bundesrepublik wie alle übrigen freien Völker der westlichen Welt einen eigenen Verteidigungsbeitrag zu erbringen haben wird.
    Damit kann das bisherige sehr hohe Volumen des sozialen und des gesamten Wohnungsbaues weiterhin als gesichert gelten. Die von der Bundesregierung angestrebte weitergehende Steigerung kann sich aber nur darauf stützen, daß zusätzliche Mittel der öffentlichen und privaten Kapitalsammelstellen, d. h. der Sozialversicherungsträger, der Sparkassen, Hypothekenbanken, Versicherungen und Bausparkassen, ebenso wie zusätzliche Eigenmittel von Familien oder Einzelpersonen, die nach einem Eigenheim oder einem Mehrfamilienhaus als einer zusätzlichen Alterssicherung streben, für den Wohnungsbau mobilisiert werden können. Dieser Anreiz zugunsten der Anlage von Spargeldern und Sozialversicherungsbeiträgen unseres Volkes für den Wohnungsbau kann aber nur wirksam ausgeübt werden, wenn sowohl die Sozialversicherungsträger wie auch die Sparkassen, Hypothekenbanken, Versicherungen und alle einzelnen Bauwilligen das sichere Bewußtsein haben, daß diese ihre Sparanlagen in ihrem Wert im Wohnungsbau nicht in Frage gestellt werden.
    Auch von dieser Seite aus besitzt also das Problem der Sicherung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Wohnungsbestandes eine ebenso ausschlaggebende soziale und volkswirtschaftliche Bedeutung wie unter dem Aspekt der Verringerung des Wohnungsdefizits an sich durch Vermeidung des vorzeitigen Ausscheidens von durchaus erhaltungsfähigem Wohnraum, der in den Jahren vor den beiden Weltkriegen geschaffen worden ist. Ich möchte diesen Gedanken noch etwas mehr konkre-


    (Bundesminister Dr. Preusker)

    tisieren. Es ist damit das Problem der Höhe der Beleihungsgrenzen für erststellige Hypotheken, das Problem der Zinsentwicklung für diese erststelligen Hypotheken angesprochen. Wenn die Verwalter fremder Spargelder oder diejenigen, die ihr eigenes Sparkapital im Wohnungsbau anlegen wollen, davon überzeugt sein können, daß ihnen hier auf lange Sicht ein angemessener Ertrag und eine angemessene Sicherheit gewährt werden, so wird über die größere Bereitschaft zur Anlage im Wohnungsbau überhaupt auch die Bereitschaft zum Verzicht auf eine im Zins abzugeltende besondere Risiko_ oder Entwertungsprämie wachsen, die bisher noch die deutschen Zinssätze gegenüber anderen europäischen Ländern so verteuert.
    Ich darf schließlich noch einen letzten Aspekt des Problems der Mietenkorrektur im Altwohnungsbestand ansprechen. Wenn auch die Behebung der von keiner Seite bestrittenen Unwirtschaftlichkeit der überwiegenden Zahl der Altwohnungen im Vordergrund steht, so ist doch auch noch eine zusätzliche Gefahr zu berücksichtigen, die um so drohender wird, je mehr es tatsächlich den Anstrengungen der Bundesregierung gelingt, den Wohnungsfehlbestand zu verringern. Trotz der 2,7 Milliarden DM jährlicher Förderungsmittel von Bund, Ländern und Gemeinden zugunsten des sozialen Wohnungsbaues, die zum Zweck der Erzielung möglichst niedriger Mieten zinslos oder zu einem sehr geringen Zins in der nachstelligen Finanzierung in Höhe von durchschnittlich 30 % der gesamten Baukosten eingesetzt werden, ist es nicht möglich gewesen, die durchschnittlichen Mieten dieser sozialen Neubauwohnungen unter einen Satz von etwa 1 bis 1,10 DM je Quadratmeter herunterzudrücken. Die Stoppmieten des Wohnungsaltbestandes liegen zum weitaus größten Teil noch immer erheblich unter diesen Richtsatzmieten des sozialen Wohnungsneubaues. Zur Zeit spielt zwangsläufig noch das Schicksal die entscheidende Rolle dabei, ob jemand in den Besitz einer billigeren Altwohnung oder einer im Vergleich hierzu teureren Neubauwohnung des sozialen Wohnungsbaus gelangt ist. Dabei kann nicht bestritten werden, daß der überwiegende Teil der Inhaber der 2,5 Millionen seit 1949 neuentstandenen Wohnungen sich aus Heimatvertriebenen, Sowjetzonenflüchtlingen, Ausgebombten oder jungen Ehepaaren zusammensetzt.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

    Auf der anderen Seite befindet sich ein sehr großer Teil der Altwohnungen im Besitz von Menschen, die von den Schicksalsschlägen dieses Krieges glücklicherweise verschont geblieben sind und in der Regel sogar ihre gesamte Wohnungseinrichtung und Ausstattung erhalten konnten. Unter diesen verhältnismäßig glücklichen Altwohnungsinhabern befinden sich auch noch Hunderttausende von Einzelpersonen, während auf der anderen Seite in verhältnismäßig kleinen Neubauwohnungen ebensoviele Hunderttausende von wachsenden Familien in drangvoller Enge leben müssen.
    Selbstverständlich erheben diese wachsenden Familien alle immer stärker den Ruf nach größeren Wohnungen. Ihr Bedarf könnte zu einem erheblichen Teil ohne Neubauten befriedigt werden, wenn es gelänge, die Hunderttausende von Einzelpersonen-Haushaltungen in Altwohnungen zum Umzug in für sie durchaus ausreichende kleinere Neubauwohnungen zu bewegen. Dies wäre aber ohne Einsatz von unerwünschten Zwangsmaßnahmen so lange ein aussichtsloses Unterfangen, wie das auf einem für 'die Erhaltung des Wohnungsbestandes unzureichenden Niveau festgefrorene Mietgefälle zwischen den Alt- und Neubauwohnungen besteht. Es droht hier, wenn nicht auch unter diesem letzten Aspekt die Mietenstruktur in der Bundesrepublik aufgelockert wird, die Gefahr erheblicher, in die Milliarden gehender Fehlinvestitionen, für die die gesamte Bevölkerung im Rahmen der Steuerlast aufkommen müßte.
    Die Bundesregierung ist sich durchaus der Tatsache bewußt, daß jede Mieterhöhung, auch wenn sie wie in diesem Fall allein den allmählich im Gesamtrahmen des Wohnungsbestandes immer stärker zurücktretenden Bestand an Altmietwohnungen — das sind nämlich Ende 1954 nur 5 Millionen von rund 11 1/2 Millionen Wohnungen — betrifft, recht wenig populär ist. Da aber ohne Mieterhöhungen für den Wohnungsaltbestand die Selbsterhaltungsfähigkeit dieser 5 Millionen Wohnungen nicht gesichert werden und es auch sowohl aus rechtlichen wie tatsächlichen Gründen — von den rund 4,4 Millionen privaten Einzeleigentümern von Gebäuden in der Bundesrepublik sind beispielsweise 0,7 Millionen Arbeiter und 1,35 Millionen Pensionäre, Rentner und Berufslose — diesen 2 Millionen sozial schwachen Eigentümern beispielsweise nicht zugemutet werden kann, daß sie als Einzelgruppe der Bevölkerung allein Lasten übernehmen, die von allen gemeinsam getragen werden müssen, mußte es die Aufgabe der Bundesregierung sein, im Ersten Bundesmietengesetz eine Lösung dieses schwierigen Problems zu finden, die als sowohl sozial tragbar wie auch verwaltungsmäßig durchführbar und den individuellen Verschiedenheiten so weit wie irgend möglich trotzdem Rechnung tragend angesehen werden kann.
    Die Bundesregierung hat des öfteren erklärt — und sie möchte diese Erklärung auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich wiederholen —, daß sie mit der Wohnung ebensowenig wie mit dem täglichen Brot eine Spekulation zulassen wird. Sie hat sich daher bemüht, die notwendige Erhöhung der Altwohnungsmieten auf das Maß zu beschränken, das unbedingt erforderlich erscheint, um im Interesse des Ganzen und in Zusammenhang mit den ergänzenden Maßnahmen zur Förderung der Instandsetzung die Erhaltung des Wohnungsaltbestandes zu gewährleisten.
    Es geht also nicht etwa um die Frage einer endlichen „Lohnerhöhung" auch für die Hausbesitzer, nachdem alle übrigen Bereiche der Volkswirtschaft Lohn- oder Einkommenserhöhungen erfahren haben, sondern es geht ausschließlich um die Frage der Erhaltung des Hausbesitzes.

    (Vizepräsident D r. Schneider übernimmt den Vorsitz)

    es geht um die Frage, ob in der Bundesrepublik für alle Zeit jährlich 2,7 Milliarden DM öffentlicher Mittel — das ist fast ein Viertel des Gesamtaufkommens an Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer im Jahr — für den Bau neuer Wohnungen aufgewendet werden müssen oder ob man schon in wenigen Jahren den größeren Teil dieses gewaltigen Betrags entweder zur weiteren Senkung der Steuern oder zur weiteren Heraufsetzung der Sozialleistungen verwenden kann.
    Es geht aber auch noch um ein Zweites. Weil man sich in den vergangenen Jahren nicht dazu entschließen konnte, eine solche Lösung des Pro-


    (Bundesminister Dr. Preusker)

    blems der Mietanpassung beim Altwohnungsbestand zu finden, die die Selbsterhaltungsfähigkeit dieser Gruppe von Wohnungen zu sichern versprach, sehen sich Bevölkerung, Regierung und Parlament fast jedes Jahr, insbesondere natürlich vor Landtags- oder Bundestagswahlen, einer erneuten Beunruhigung durch das Aufwerfen der ungelösten Altmietenfrage ausgesetzt.

    (Abg. Lücke: Alle Jahre wieder!)

    Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß mit ihrer Vorlage sowohl bejaht werden kann, daß durch eine jährliche Mehrbelastung der Altmieter von nicht mehr als 200 Millionen DM — das ist etwa ein Drittel des Aufwandes im letzten Jahre für Totowetten oder ein Drittel des Kinoumsatzes in der Bundesrepublik — schon in einigen Jahren die ungleich größere Belastung der Allgemeinheit mit jährlich 2,7 Milliarden DM, die ja insbesondere auch die sozial besonders schwachen Schichten trifft — denn für jede Scheibe Brot und für jedes Pfund Margarine müssen ja Umsatzsteuer und die im Objekt enthaltenen Steuern mitbezahlt werden —, abgebaut werden kann, als auch ein Zustand damit erreicht wird, der, ohne die Bevölkerung oder die Regierung oder die Parlamente von neuem zu beunruhigen, bis zu dem Augenblick der endgültigen Überwindung der Wohnungsnot Bestand haben kann.
    Um immer wieder in der Öffentlichkeit auftretende Mißverständnisse zu beseitigen, soll noch einmal hervorgehoben werden, daß das Erste Bundesmietengesetz sich lediglich mit der Anpassung von Mieten des Wohnungsaltbestandes, d. h. der bis zum 21. Juni 1948 bezugsfertig gewordenen Wohnungen, befaßt. Seit dem Inkrafttreten des Ersten Wohnungsbaugesetzes errichtete Wohnungen, insbesondere die Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaues, bleiben hiervon unberührt. Für sie bestimmt der dem Bundestag bereits vorliegende Entwurf des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes vielmehr ausdrücklich, daß die derzeitigen Richtsatzmieten weiterhin in der derzeitigen Höhe fixiert bleiben.
    Aber auch bei den Altwohnungen hat sich die Bundesregierung darum bemüht, im Rahmen des verwaltungsmäßig überhaupt nur Tragbaren den individuellen Sonderverhältnissen Rechnung zu tragen. Sie hat dabei eine Reihe von Anregungen des Bundesrats dankbar begrüßt und in ihrer Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrats in der noch geeignet erscheinenden Form berücksichtigt. Sie hat allerdings gerade wegen ihrer Bemühungen um eine möglichst sozial gerechte individuelle Regelung der Mietanpassung wie auch insbesondere wegen ihres Anliegens, daß die Bevölkerung der Bundesrepublik bis zur endgültigen Überwindung der Wohnungsnot nicht mehr durch weitere Mietdiskussionen beunruhigt wird, die Tendenz des Bundesrats ablehnen müssen, die Mietanpassung für den Altwohnungsbestand auf eine mehr oder weniger schematische zehnprozentige Mieterhöhung zu beschränken.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

    Ich darf dem Hohen Hause die -wesentlichsten Grundgedanken des vorliegenden Entwurfs des Ersten Bundesmietengesetzes noch einmal kurz erläutern:
    Der oberste Gesichtspunkt war der der Deckung der Bewirtschaftungskosten für den Althausbestand. Demgegenüber ist von vornherein die Frage der Rentabilität des Altbestandes, d. h. die Frage der
    Verzinsung des Eigen- und des Fremdkapitals, bewußt ausgeschaltet worden. Hinsichtlich der Verzinsung des Fremdkapitals war dies um so leichter möglich, als hierfür bereits das Lastenausgleichsgesetz und innerhalb dieses Gesetzes das Ertragsschwäche-Verfahren eine Regelung geschaffen hat. Die Frage der Verzinsung des Eigenkapitals müßte nur angesichts der sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen—Baujahre beispielsweise von 1880 bis 1938 mit ganz unterschiedlichen Baukosten und Geldwerten, Lastenfreiheit im einen Fall, Überschuldung im anderen Fall, um nur diese beiden Probleme herauszugreifen — zu unfruchtbaren langfristigen Diskussionen führen. Die Bundesregierung hat sich deshalb nach eingehender Prüfung dieser Problematik der Kapitalverzinsung, die sie an besonders zahlreichen Zahlenbeispielen in ihrer Begründung dargetan hat, dazu entschlossen, davon auszugehen, daß lediglich das Problem des Vergleichs der vor dem Erlaß des Preisstops vom 17. Oktober 1936 gegebenen Bewirtschaftungs-, insbesondere Instandhaltungskosten mit den gegenwärtigen Bewirtschaftungskosten befriedigend und gerecht gelöst werden kann, daß aber im übrigen davon ausgegangen werden muß, daß die vor dem Erlaß des Preisstops am 17. Oktober 1936 gegebene Situation hinsichtlich der Rentabilität des investierten Kapitals auch weiterhin hingenommen werden muß.
    Ausgangspunkt für den Vergleich der Instandhaltungskosten des Althausbestandes im Jahre 1936 und im Jahre 1955 sind dabei die objektiv unbestreitbaren Veränderungen der Kosten für Bauarbeiten wie auch der Löhne für die Bewirtschaftung und Instandsetzung. Der Preisindex für den Wohnungsbau, Jahr 1936 = 100 gesetzt, beträgt gegenwärtig 235. Die Altmieten, Jahr 1938 = 100 gesetzt, betragen für die Wohnungen, die bis Mitte 1948 bezugsfertig geworden sind, 110. Legt man nur einen Instandsetzungskostenanteil von 12 % der seinerzeitigen Vorkriegsmieten zu Grunde, so errechnet sich schon hieraus eine Erhöhung dieses Anteils auf gegenwärtig rund 30 % der zur Zeit noch gültigen Altmieten. Läßt man also selbst die übrigen Betriebs- und Bewirtschaftungskosten völlig außer acht, so beweist allein dieser Vergleich, daß im Regelfall die außergewöhnliche Verteuerung der Instandsetzungskosten zur Unwirtschaftlichkeit des Wohnungsaltbestandes hat führen müssen.
    Eine Mietanpassung, die sich in jedem Fall auf den Einzelvergleich der Kosten des Jahres 1936 und des Jahres 1955 gestützt hätte, würde — ich glaube, das brauche ich nicht näher darzutun — zu einer Belastung der Verwaltung führen, die sie ohne eine außergewöhnliche Aufblähung nicht einmal in einer größeren Zahl von Jahren bewältigen könnte. Die Bundesregierung ist daher auf Grund des von ihr untersuchten und zum Teil in die Begründung aufgenommenen Materials von Tausenden von Altwohnungen in Groß-, Mittel- und Kleinstädten sowie Landgemeinden des gesamten Bundesgebiets zu dem Ergebnis gelangt, daß das allein angestrebte Ziel, nämlich die Wiederherstellung der Kostendeckung für den Wohnungsaltbestand, für den größten Teil der Altwohnungen, d. h. der bis 1924 bezugsfertig gewordenen Wohnungen, soweit sie keine überdurchschnittlichen Ausstattungs- und dementsprechend Kostenmerkmale aufweisen, mit einer 10%igen Mieterhöhung erreicht werden kann. Lediglich für die Wohnungen mit einer überdurchschnittlichen Ausstattung und dem-


    (Bundesminister Dr. Preusker)

    entsprechend auch einer überdurchschnittlichen Unterhaltsbelastung — überwiegend Wohnungen mit Baujahren zwischen 1924 und 1938 — reicht dieser Satz nicht aus. Jedoch machen die Wohnungen, die im Altbestand zusätzlich ein Bad sowie Parkettfußboden, Anschlußmöglichkeiten für Gas und Elektroherd, neuzeitliche sanitäre Anlagen innerhalb der abgeschlossenen Wohnung und außerdem noch ausreichendes Nebengelaß aufweisen, nicht einmal — man muß schon sagen bedauerlicherweise — 20 % des Gesamtbestands an Altwohnungen aus. Dabei muß noch berücksichtigt werden, daß hierin auch die eigengenutzten Wohnungen in Ein- oder Mehrfamilienhäusern enthalten sind, auf die bekanntlich 40 % aller Altwohnungen entfallen. Für diese Wohnungen ist nach den eingehenden Überprüfungen der Bundesregierung anzunehmen, daß man im allgemeinen mit einer 15%igen Erhöhung der derzeitigen Mieten die Kostendeckung erreichen kann. Darüber hinaus gibt es noch einen sehr geringen Prozentsatz von Wohnungen — nämlich nach unseren Unterlagen nicht einmal 7 %; die Haus- und Grundbesitzerverbände schätzen sogar nur 3 % —, die noch zusätzlich Sammel- oder Zentralheizung besitzen. Hier ist damit zu rechnen, daß mit einer 20 %igen Mieterhöhung die zusätzlichen Kosten dieser Wohnungen in der überwiegenden Zahl der Fälle gedeckt werden können.
    Mit dieser Differenzierung soll schon einmal im Rahmen der verwaltungsmäßigen Möglichkeiten den unterschiedlichen Wohnwerten Rechnung getragen werden. Der Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes sieht aber darüber hinaus, und zwar unabhängig davon, ob es sich um normale oder überdurchschnittlich ausgestattete Wohnungen handelt, zum Schutz der Mieter vor, daß bei Wohnungen, die Mängel aufweisen, die die Benutzbarkeit des Wohnraums unter Berücksichtigung der örtlichen Wohnverhältnisse oder Wohngewohnheiten offensichtlich erheblich beeinträchtigen, überhaupt keine Mieterhöhungen in Frage kommen dürfen, wenn und so lange diese Mängel bestehen und — bei einer Kellerwohnung beispielsweise werden sie überhaupt nie behoben werden können — solange die betreffenden Räume noch als Wohnung dienen.
    Der Gesetzentwurf sieht weiter zum Schutz der Mieter vor, daß in allen Fällen, in denen die Mieter selbst notwendige Aufwendungen zur Instandsetzung oder Instandhaltung ihrer Wohnung gemacht oder zum gleichen Zweck Zuschüsse geleistet haben, eine Mieterhöhung jeweils für vier Jahre ausgeschlossen bleibt, wenn die Leistungen der Mieter einer Jahresmiete zur Zeit der Leistung entsprochen haben. Ich darf hierfür ein Beispiel anführen. Wenn ein Mieter mit einer Monatsmiete von 60 DM, also einer Jahresmiete von 720 DM, einen Zuschuß oder eine Instandsetzungsleistung von 2500 DM aufgewendet hat, so darf seine Miete für über zwölf Jahre nach der Leistung nicht heraufgesetzt werden.
    Es ist weiter darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeit, die Mieten über 10 % hinaus zu erhöhen, bei überdurchschnittlich ausgestatteten Wohnungen dann — auch das zum Schutze der Mieter — nicht gegeben sein soll, wenn in einer solchen Wohnung mehrere Mieter oder Untermieter mit ihren Familien einen selbständigen Haushalt führen oder der oder die Mieter diese überdurchschnittliche Ausstattung ganz oder teilweise selbst geschaffen haben. Ich weiß, daß gegen die erstgenannte Bestimmung — wenn mehrere Mieter oder Untermieter einen selbständigen Haushalt in einer überdurchschnittlich ausgestatteten Wohnung führen — von seiten des Hausbesitzes gesagt wird: Ja, aber dann wird ja diese Wohnung erst recht zusätzlich beansprucht. — Die Bundesregierung hat trotzdem geglaubt, den sozialen Gesichtspunkt hier durchschlagen lassen zu sollen; in der Regel wird dann eben davon auszugehen sein, daß es sich hier um besonders schwache soziale Verhältnisse handelt.
    Wiederholt ist in der Öffentlichkeit diskutiert worden, ob nicht einer solchen Ermächtigung zur Mieterhöhung — denn etwas anderes kann und soll ja durch das Gesetz nicht eingeräumt werden —beim Altwohnungsbestand auch ,ein Reparaturzwang in Höhe der Mietanhebung entsprechen müßte. Ein solcher Reparaturzwang besteht aber indirekt bereits für eine sehr erhebliche Zahl der Altwohnungen auf Grund der Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes dadurch, daß für alle Häuser, für die bei der Hypothekengewinnabgabe im Wege des Ertragsschwäche-Verfahrens eine Ermäßigung der Hypothekengewinnabgabe beansprucht wird, die Mieterhöhung schon im natürlichen Interesse des Hausbesitzes selber für zusätzliche Reparaturen und Instandsetzungen verwandt werden wird. Es kommt hinzu, daß die Bundesregierung in ihren jetzt dem Bundesrat zugeleiteten Einkommensteuerrichtlinien für 1954 für den Hausbesitz einen zusätzlichen steuerlichen Instandsetzungsanreiz geschaffen hat, indem aus den Mieterträgnissen der Jahre 1954 bis 1956 oder 1955 bis 1957 bis zu 30 % der Mieterträge steuerlich abgesetzt werden können, wenn sie einem ausschließlich für Instandsetzungsmaßnahmen auflösbaren, gebundenen Reparatursperrkonto zugeführt werden.
    Schließlich hat aber auch der Bundesmietengesetzentwurf in den Fällen, in denen eine Unterlassung notwendiger Instandsetzungs- oder Instandhaltungsarbeiten vorliegt und dadurch offensichtliche Mängel in der Benutzbarkeit der Wohnräume hervorgerufen werden, einen direkten gesetzlichen Reparaturzwang verankert. Die zuständigen Stellen können nämlich in diesen Fällen anordnen, daß die Mieter bis zu 30 % ihrer Mietverpflichtungen an eine Stelle abführen, die ihrerseits dann bestimmt, welche Reparaturen mit den einbehaltenen Mieten durchgeführt werden sollen.
    Schließlich muß auch darauf hingewiesen werden, daß es noch ein Bürgerliches Gesetzbuch gibt und daß die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bestehenden Rechtsansprüche auf ordnungsgemäße Instandhaltung der Wohnung nach dem Inkrafttreten des Ersten Bundesmietengesetzes wieder in dem Zuge, in dem die Reparaturleistungen fortschreiten, als verbindlich anzusehen sein werden.
    Im übrigen soll noch einmal unterstrichen werden. daß der Gesetzgeber im Rahmen des Ersten Bundesmietengesetzes für die unter den vorstehend genannten Voraussetzungen mögliche Mieterhöhung nur eine Ermächtigung einräumt, daß also nicht eine automatische Mieterhöhung eintritt. Es darf — wie im Falle der ersten, leider nicht zureichend gewesenen 10%igen Mieterhöhung für den bis 1924 bezugsfertig gewordenen Wohnraum — erwartet werden, daß der Hausbesitz von dieser Ermächtigung tatsächlich nur insoweit Gebrauch macht. als es zur Erhaltung des Wohnungsbestands unausweichlich notwendig ist. Dieses darf ich insbesondere von allen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, namentlich auch auf dem kommunalen Gebiet, erwarten.


    (Bundesminister Dr. Preusker)

    Von der seinerzeitigen ersten 10%igen Mieterhöhung ist bemerkenswerterweise nur in Höhe von 7,7 % im Gesamtdurchschnitt Gebrauch gemacht worden, — ein Indiz dafür, daß auch der Hausbesitz besser ist als der Ruf, den er in der Propaganda verschiedener Mieterorganisationen hat, und daß ein Appell an seine soziale Verantwortung also durchaus erfolgversprechend ist.
    Es soll auch noch erwähnt werden, daß selbstverständlich die 10%ige Mieterhöhung, die für den bis 1924 bezugsfertig gewordenen Wohnraum die zweite Mietkorrektur, für den nach 1924 bis 1948 bezugsfertig gewordenen Wohnraum dagegen überhaupt die bisher erste und einzige größere Mietkorrektur bedeutet, nur so errechnet werden darf, daß vorher alle Umlagen für Wasserverbrauch, Brennstoffkosten, Grundsteuermehrbelastungen usw. sowie beim Althausbestand bis 1924 auch die erste 10%ige Mieterhöhung abgezogen werden müssen, so daß also die 10%ige Mieterhöhung gar nicht 10 % der derzeit gezahlten Mieten erreichen kann.
    Nun wird es natürlich trotz der Bemühungen der Bundesregierung, die weitaus überwiegende Zahl aller Altwohnungen im Rahmen der globalen 10- oder 15- bis 20%igen Erhöhungsermächtigung wieder zur Selbsterhaltungsfähigkeit gelangen zu lassen, noch immer Fälle geben, in denen diese Ermächtigung nicht ausreicht, die Kostendeckung herbeizuführen. Für diese Fälle sieht der Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes die Möglichkeit einer sogenannten Kostenvergleichsmiete vor, in der in einfacher Weise pauschalierte Bewirtschaftungs-
    und insbesondere Instandhaltungskosten des Jahres 1936 den ebenfalls pauschalierten und knapp bemessenen — an den gegenwärtigen Reparaturpreisen und Löhnen gemessenen — Bewirtschaftungs- und Instandsetzungskosten des Jahres 1955 zur Ermittlung dieser Kostenvergleichsmiete gegenübergestellt werden. Auch bei der Kostenvergleichsmiete bleiben Kapitalkosten aus den schon an anderer Stelle genannten wohlüberlegten Gründen außer Ansatz.
    Der Bundesrat hat die Kostenvergleichsmiete trotz der vorhergehenden Befürwortung durch den Wirtschaftspolitischen Unterausschuß des Bundesrates leider abgelehnt, weil er eine zu große Belastung der Verwaltung befürchtet. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates versucht, dieses ihr im Interesse einer dauerhaften Bereinigung der Mietensituation für den Althausbestand unerläßlich erscheinende Instrument so zu vereinfachen, daß die Befürchtungen einer Verwaltungsmehrbelastung soweit wie möglich zerstreut werden können. Dies ist einmal dadurch geschehen, daß die Kostenvergleichsmiete zwischen Vermietern und Mietern vereinbart werden kann. Dabei sollen sich beide Seiten auf einfache Formblätter stützen können, die die Bundesregierung im Rahmen der in diesem Zusammenhang vorgesehenen Ausführungsverordnung vorschreiben wird. Es werden danach nach der Überzeugung der Bundesregierung nur noch die Streitfälle übrigbleiben, in denen tatsächlich die Preisbehörden bemüht werden müssen und auch im anderen Falle bemüht worden wären. Dies gilt um so mehr, als auch noch die Errechnungsmodalitäten der Kostenvergleichsmiete in der Neufassung der betreffenden Vorschrift weiter vereinfacht worden sind.
    Es ist von den schon einmal zitierten Mieterorganisationen entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Vorschriften über die Kostenvergleichsmiete behauptet worden, daß dadurch gerade Wohnungen mit einem schlechten Reparaturzustand zu teureren Mieten gelangen könnten als gut instand gesetzte Häuser. Diese Behauptung muß mit aller Schärfe zurückgewiesen werden. Abgesehen davon, daß für solche Häuser eventuell nach dem schon an anderer Stelle zitierten sogenannten „Bruchbudenparagraphen" überhaupt jede Art von Mieterhöhung ausgeschlossen sein kann, geht die Kostenvergleichsmiete immer nur, für 1936 und 1955, von pauschalierten und knapp bemessenen Instandhaltungssätzen aus. Es ist also gar nicht denkbar, daß für Häuser mit einem vergleichsweise größeren Reparaturnachholbedarf eine höhere Kostenvergleichsmiete errechnet werden könnte als für gut instand gehaltene Häuser. Auch haben sich diese Mieterorganisationen nicht gescheut, der Öffentlichkeit Berechnungen über angeblich denkbare Mietsteigerungen — auf Grund der Anwendung der Kostenvergleichsmiete — in Höhe von 30 bis 55 % vorzulegen, obwohl sie genau wissen müßten, daß die von ihnen vorgelegten Berechnungen in dem Gesetz nicht die mindeste Grundlage finden und somit nur als barer Unsinn bezeichnet werden können.
    Ich darf nur ein solches Beispiel hier zitieren. Der Deutsche Mieterbund e. V. hat in einer Druckschrift an den Bundestag, den Bundesrat und die Länderregierungen, datiert vom Februar 1955, auf Seite 12 zwei Zahlenbeispiele für die Anwendung der Kostenvergleichsmiete bei Altwohnungen gebracht, bei denen er im Falle einer normalen, also nicht überdurchschnittlich ausgestatteten Altwohnung zu einer Mietsteigerung von zwischen 30 und 42 % und bei einer überdurchschnittlich ausgestatteten Altwohnung zu einer 40- bis 55%igen Mieterhöhung gelangen will. Die Wirklichkeit des Gesetzentwurfs der Bundesregierung sieht aber völlig anders aus. Im erstgenannten Fall ergibt sich eine Kostenvergleichsmiete nicht mit einer Erhöhung von 30 bis 42 %, sondern sage und schreibe von 11 % gegenüber der bis 1954 gültigen Miete. Es dürfte wohl klar sein, daß in diesem Falle von der Kostenvergleichsmiete kein Gebrauch gemacht werden, sondern es bei der Ermächtigung zur 10 %igen allgemeinen Erhöhung bleiben würde. In dem zweiten Fall, in dem nach den Rechenkunststücken des Deutschen Mieterbundes angeblich Mieterhöhungen zwischen 40 bis 55 % herauskommen sollen, ergibt die einwandfreie Nachrechnung auf Grund des Wortlauts des Regierungsentwurfs, daß hier nicht einmal die global zugelassenen 20 % bei Anwendung der Grundsätze der Kostenvergleichsmiete ganz erreicht werden würden, so daß also eine Anwendung der Kostenvergleichsmiete in diesem zweiten Fall überhaupt nicht in Frage kommt, geschweige denn diese utopischen Mieterhöhungen von 40 bis 55 %. Ich glaube, man kann der deutschen Öffentlichkeit und den Damen und Herren des Hohen Hauses das Urteil über solche Machenschaften getrost überlassen; sie richten sich durch ihre Unwahrhaftigkeit selbst.
    Lassen Sie mich noch eine Vorschrift des Entwurfs des Ersten Bundesmietengesetzes behandeln, die ebenfalls in der Öffentlichkeit zu Darstellungen benutzt worden ist, die eigentlich nicht einmal mit Unwissenheit entschuldigt werden können. Ich meine die Vorschrift, nach der bei Mietvereinbarungen nach dem Inkrafttreten des Ersten Bun-


    (Bundesminister Dr. Preusker)

    desmietengesetzes auch von den Preisvorschriften abweichende Mieten rechtsgültig vereinbart werden können, wenn der Mieter nicht innerhalb eines Jahres nach Abschluß der Vereinbarung sich auf die preisrechtlich zulässige Miete beruft. Nach dem Regierungsentwurf hat es also jeder Mieter selbst in der Hand, ob er eine solche Vereinbarung, wenn sie von ihm verlangt wird, innehalten will oder nicht. Er kann auch nicht, wie wider besseres Wissen behauptet worden ist, hierbei unter Druck gesetzt werden, da ihn hiergegen in jedem Falle die Bestimmungen des Mieterschutzgesetzes in Schutz nehmen. Diese Bestimmung kann sich also tatsächlich nur dort auswirken, wo die Vereinbarung wirklich freiwillig zwischen Vermieter und Mieter im beiderseitigen Einvernehmen getroffen wird.
    Der Bundesrat hat geglaubt, auch diese einer vernünftigen Auflockerung der allzu starren Mietvorschriften dienende Bestimmung streichen zu sollen, weil er außer von der Bundesregierung nicht geteilten rechtssystematischen Bedenken darin gewissermaßen eine Aufforderung zur Vereinbarung höherer Mieten erblickte. Demgegenüber muß festgestellt werden, daß diese Vorschrift, insbesondere in ihrer von der Bundesregierung vorgeschlagenen Neufassung, diese sogenannte Aufforderung zur Vereinbarung höherer Mieten zum Schutze der Mieter bewußt beschränkt und darüber hinaus dazu dienen soll, in einer praktisch bereits gegebenen Situation für beide Seiten, Vermieter und Mieter, wieder klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Schon jetzt werden etwa 80 % der Wohnungswechsel nicht im Wege der Einzelzuweisung durch die Wohnungsämter, sondern im Wege der Erteilung der Benutzungsgenehmigung für einen vom Vermieter selbst vorgeschlagenen Mieter vollzogen. Es besteht also jetzt schon die Möglichkeit, daß Vermieter denjenigen vorschlagen oder unter den zur Auswahl stehenden Mietbewerbern denjenigen auswählen, der ihnen das höchste Angebot macht Nach der geltenden Rechtslage könnte dieser Mieter, der zunächst ein hohes Angebot abgibt, sich auch noch nach fünf oder zehn Jahren auf die preisrechtlich zulässige Miete berufen und den seit Abschluß des Mietvertrages zuviel gezahlten Mietteil zurückverlangen. Eine solche Situation kann in keiner Weise befriedigen, denn sie ist, weiß Gott, nicht sonderlich moralisch.
    Deshalb macht die neue Bestimmung den Mieter darauf aufmerksam, daß er einen aus erklärlichen Gründen abgeschlossenen Vertrag mit zu hoher Miete nur noch innerhalb eines Jahres nach Abschluß des Vertrages anfechten kann. Die Mieter werden sich in Zukunft überlegen, namentlich bei fortschreitender Überwindung der Wohnungsnot, ob sie unter diesen Voraussetzungen noch irgendein Spiel mit falschen Karten treiben wollen oder können. Für die Vermieter wird durch die neue Bestimmung in der neuen Fassung auf der anderen Seite eine sehr deutliche Warnung aufgerichtet, auch ihrerseits keine wucherischen Mietforderungen unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften zu stellen. Wenn nämlich alle über die preisrechtlichen Möglichkeiten hinausgehenden Mietvereinbarungen innerhalb eines Jahres, in jedem Falle aber alle Vereinbarungen, die eventuell über 33 1/3 % über die preisrechtlich zulässige Miete hinausgehen, für alle Zeiten unbeschränkt angefochten werden können, dann wird sich wohl kaum jemand mehr finden, der insbesondere das letztgenannte, uneingeschränkte Risiko auf sich nehmen wird.
    Die Bundesregierung betrachtet deshalb diese eben genannte Vorschrift des § 3 in der neuen Fassung als den wirksamsten Wucherparagraphen, der gegenüber einer schwarzen oder grauen Ausnutzung der gegenwärtigen Mangellage und der gegebenen Situation am Wohnungsmarkt wirksam erlassen werden kann, und besteht gerade aus diesen sozialen Gründen auf der Beibehaltung dieser Vorschrift.
    Es darf dabei noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß auch in der überwiegenden Zahl der Fälle künftiger Vereinbarungen im Rahmen dieser neuen Vorschrift bei Neuvermietungen — denn nur hierfür kann diese Vorschrift angesichts der geltenden Mieterschutzbestimmungen überhaupt wirksam werden — von Altwohnungen immer noch im allgemeinen die Mieten nicht überschritten werden, die Mieter von Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, also überwiegend Heimatvertriebene, Ausgebombte oder junge Ehepaare, zu zahlen haben.
    Es bleibt dem Bundestag überlassen, ob er zur zusätzlichen Sicherung, daß diese sozialen Mietsätze tatsächlich nicht überschritten werden können, die ursprünglich im Regierungsentwurf enthaltene, vom Bundesrat aber gestrichene Planfondobergrenze der Mietsätze des sozialen Wohnungsbaus einschließlich der möglichen Zuschläge wiederherstellen will. Ganz abwegig sind darüber hinaus die Annahmen, nach denen etwa auch Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaues bei Neuvermietungen mit in eine solche Mietvereinbarung einbezogen werden könnten. Bei den Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaues — das muß noch einmal ausdrücklich betont werden — bilden die gesetzlichen Bindungen der Miete die absolute Obergrenze. Kein Vermieter kann und darf sich im Sozialen Wohnungsbau über diese ihm gesetzlich auferlegten Verpflichtungen hinwegsetzen.
    Dies waren die wesentlichsten materiellen Bestimmungen des Entwurfs des Ersten Bundesmietengesetzes, soweit sie die sehr begrenzten Möglichkeiten einer Mietenkorrektur zur Wiederherstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Wohnungsaltbestandes enthalten. Weitere Vorschriften dienen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes der wesentlichen Vereinfachung und der übersichtlichen Zusammenfassung der geltenden Mietpreisvorschriften oder der weiteren späteren Auflockerung mit der Ermächtigung, durch Rechtsverordnung dort bestimmte Wohnungen aus den Bindungen zu entlassen, wo im Hinblick auf die wohnungswirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ein Fortbestand dieser Bindungen im Zuge des weiteren Fortschreitens des Wohnungsbaues nicht mehr erforderlich ist.
    Der Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes enthält aber noch einen zweiten, sozial bedeutsamen Teil, nämlich die Vorschriften über die Gewährung von Mietbeihilfen für sozial schwache Personen, insbesondere für größere Familien, für die sich trotz der vorausgegangenen Steuerermäßigungen, Rentenerhöhungen oder Kindergeldzahlungen noch Härten infolge der vorgesehenen, eng begrenzten Mietkorrekturen ergeben.
    Lassen Sie mich an dieser Stelle ein paar Worte über die Tragbarkeit der vorgesehenen Mieterhöhung überhaupt sagen, da auch hierzu in der Öffentlichkeit seltsame Behauptungen aufgestellt worden sind. Im Durchschnitt aller Wohnungen, die von dieser Mieterhöhung betroffen werden könnten — das sind noch nicht einmal die Hälfte, näm-


    (Bundesminister Dr. Preusker)

    lich nur rund 5 Millionen von über 11,5 Millionen Wohnungen im Bundesgebiet —, beträgt die Miete monatlich 38,90 DM. Es ist selbstverständlich, daß bei einem solchen Durchschnitt die Mieten in den großen Städten etwas über und in den kleineren, insbesondere Landgemeinden, etwas unter diesem Satz liegen. Aber darauf kommt es nicht so entscheidend an. Es bleibt jedenfalls unbestreitbar, daß die in der Mehrzahl nicht über 10 % hinausgehende mögliche Mieterhöhung den einzelnen Altwohnungsmieter mit nicht mehr als zwischen 3 und 5 DM monatlich belasten wird und daß die Gesamtheit aller Altwohnungsmieter mit nicht mehr als maximal 200 Millionen DM pro Jahr oder einem Drittel der Ausgaben für das Fußballtoto zusätzlich belastet werden kann. Nur in Großstädten können diese Sätze auch bei einfachen Wohnungen tatsächlich einmal überschritten sein.
    Nach der erfreulichen Entwicklung der Löhne im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten — Löhne 210 des Standes von 1938, Lebenshaltungskosten 170 des Standes von 1938, Altmieten aber nur 110 des Standes von 1938 — liegen Ende 1954 erfreulicherweise 90 % aller Einkommen der Arbeitnehmer bei 300 DM und höher.

    (Abg. Neumann: Ist das in Berlin auch so?) — Ich spreche jetzt vom Bundesgebiet.


    (Abg. Neumann: Ich frage, weil Sie auch uns die Mieten auferlegen wollen!)

    — Ich komme auf Berlin noch einmal zurück, denn für Berlin haben wir ja auch hier wieder im allgemeinen Einvernehmen eine Sonderbehandlung vorgesehen.

    (Abg. Neumann: Aha!)

    Das bedeutet, daß für alle im Erwerb stehenden Personen, soweit sie überhaupt als selbständige Mieter oder Haushaltungsvorstände in Frage kommen — häufig wurde durch die Einrechnung beispielsweise von männlichen und weiblichen Lehrlingen usw. in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, als ob auch diese schon von einer Mieterhöhung betroffen werden könnten — und falls dann die im Erwerb stehenden Personen obendrein noch in Altwohnungen wohnen, die mögliche Mieterhöhung nicht mehr als 1 bis selbst in Großstädten maximal 2 % des monatlichen Einkommens ausmachen wird. Es darf vielleicht auch einmal darauf hingewiesen werden, daß im letzten Jahr allein die Zunahme des Genußmittelverbrauchs mehr als das Fünffache der zur Erhaltung der Wohnungen notwendigen Altmietenerhöhungen betragen hat und daß im Rahmen der durchschnittlichen Gesamtausgaben der Arbeitnehmer die für Genußmittel, Bekleidung usw. erheblich über das Volumen des Jahres 1936 oder 1938 hinausgegangen sind — worüber wir uns ja alle freuen —, die durchschnittlichen Ausgaben für die Miete auf unter 10 % zurückgefallen sind, während es noch zwischen den beiden Weltkriegen jeder als normal und zumutbar empfand, wenn er zwischen 13 und 15 % seines monatlichen Einkommens für das lebenswichtige Gut Wohnung auszugeben hatte.
    Für die sozial besonders schwachen Teile der Bevölkerung, insbesondere also für die Fürsorgeempfänger und kleinen Rentner, bedeutet naturgemäß auch diese bescheidene Mieterhöhung im Einzelfall wesentlich mehr als für den im Erwerbsleben stehenden Arbeitnehmer. Sie kann sogar trotz aller Rentenerhöhungen zu einer sehr bedeutsamen Verschlechterung seiner Lebenshaltung führen. Aus diesen Gründen hat die Bundesregierung es für ihre Pflicht gehalten, für diese Kreise die Gewährung von Mietbeihilfen vorzusehen. Dazu muß bemerkt werden, daß die große Zahl derjenigen, die ohnehin bereits auf die Fürsorgeunterstützung angewiesen sind, von der Mieterhöhung ebensowenig betroffen ist wie diejenigen, die etwa aus Anlaß der Mieterhöhung unter Anwendung der fürsorgerechtlichen Bestimmungen neu in die Fürsorgeberechtigung kommen. Auch diese werden von der vorgesehenen Mieterhöhung für die Altwohnungen nicht betroffen werden, weil hier Bund und Länder — der Bund allein mit jährlich rund 20 Millionen DM — sowohl bisher wie in Zukunft die Mieten und eventuellen Mieterhöhungen tragen. Damit scheidet also schon der Kreis der sozial schwächsten Personen in der Bundesrepublik aus den von der Altmietenerhöhung möglicherweise Betroffenen überhaupt aus. Dies hat verschiedene Mieterorganisationen trotzdem nicht daran gehindert, das Gegenteil zu behaupten.
    Darüber hinaus soll auch für diejenigen sozial schwachen Personen und größeren Familien, die nicht schon nach den fürsorgerechtlichen Vorschriften von der Selbsttragung der Mieterhöhung befreit sind, mit Hilfe eines einmaligen Übergangsbetrages von 15 Millionen DM von seiten des Bundes durch die Länder die Gewährung von Mietbeihilfen sichergestellt werden. Der Bundesrat hat gefordert, daß der Bund diesen zusätzlichen Betrag von 15 Millionen DM zu den 20 Millionen DM, die er ohnehin laufend für diese Zwecke zahlt, den Ländern nicht ,als nur einmalige Übergangszahlung. sonder laufend zur Verfügung stellt. Die Bundesregierung hat diese laufende Belastung des Bundeshaushalts für die Zwecke der zusätzlichen Mietbeihilfen zurückweisen müssen, da nach der im Grundgesetz und in der Finanzverfassung vorgesehenen Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern die laufende Gewährung der Mietbeihilfen nun einmal Aufgabe der Länder ist. Verschiedene Länder, z. B. Nordrhein-Westfalen, haben auch bereits von sich aus vor dieser im Rahmen der Altmietenerhöhung getroffenen Regelung eigene Mietbeihilfebestimmungen geschaffen.

    (Abg. Lücke: Sehr gut!)

    Die Länder und Gemeinden kommen ja auch auf der anderen Seite in allererster Linie in den Genuß der Vorteile einer Wiederherstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Althausbestandes.

    (Abg. Jacobi: Nanu!?)

    Es ist deshalb nicht mehr als recht und billig, daß sie dann auf der anderen Seite auch die Lasten der sozialen Verantwortung in erster Linie übernehmen. Ich sage „in erster Linie", da der Bund sich ja weiterhin in Höhe von zirka 20 Millionen DM pro Jahr ebenfalls an diesen Lasten beteiligen wird.
    Ich darf im Namen der Bundesregierung und insbesondere auch im Namen des an dieser Vorlage ressortmäßig mit mir beteiligten Bundesministers für Wirtschaft, der sich ebenso nachdrücklich hinter diesen Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes stellt, abschließend noch einmal zusammenfassen:
    Der Entwurf des Ersten Bundesmietengesetzes ist dem Hohen Hause vorgelegt worden, um endlich sicherzustellen, daß nicht jährlich weitere Milliardenwerte an über den Krieg gerettetem Volksver-


    (Bundesminister Dr. Preusker)

    mögen infolge der allerseits anerkannten weitgehenden Unfähigkeit des Althausbestands, seine laufenden Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten zu decken, verlorengehen, während auf der anderen Seite mit jährlich 2,5 bis 2,7 Milliarden DM an überwiegend öffentlichen Mitteln, die auch die letzten und ärmsten Steuerzahler aufzubringen haben, versucht wird, durch Neubau von jährlich nunmehr über 1/2 Million Wohnungen der drückenden Wohnungsnot Herr zu werden und so schnell wie möglich von dieser jährlichen Belastung aller Bevölkerungskreise in Höhe von 2,7 Milliarden DM herunterzukommen.
    Der von der Bundesregierung für 'den Zweck der Sicherstellung der Selbsterhaltung für zwingend notwendig erachtete Mehrbetrag an Mieten für die rund 5 Millionen betroffenen Altwohnungen von insgesamt 11,5 Millionen Wohnungen beträgt demgegenüber nicht mehr als jährlich 200 Millionen DM oder im Einzelfall im Schnitt nicht mehr als 1 % des monatlichen Durchschnittseinkommens der im Erwerbsleben stehenden Personen, soweit sie als Mieter von Altwohnungen dem Alter und Familienstand nach überhaupt in Betracht kommen können.
    2 1/2 Millionen Familien oder Mieter von Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues müssen bereits jetzt im Durchschnitt wesentlich höhere Mieten monatlich aufbringen, als sie selbst nach dieser sehr beschränkten, im allgemeinen nicht über 10 % hinausgehenden Mieterhöhung für Altwohnungen zu zahlen sein werden. Dabei handelt es sich bei diesen 2 1/2 Millionen Familien oder Mietern von Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues weitaus Überwiegend um Heimatvertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge, Ausgebombte oder junge Ehepaare, die ihre Existenz oder ihren gesamten Hausrat erst neu ,aufbauen müssen, während beides in der Regel den Mietern der 5 :Millionen Altwohnungen erhalten geblieben ist. Weitere etwa 4 Millionen von Familien oder Einzelpersonen, davon etwa 700 000 Arbeiter und etwa 1,3 Millionen Rentner, wohnen in selbsterrichteten Eigenheimen oder als Eigentümer von Mehrfamilienhäusern in einer Wohnung dieser Häuser. Sie müssen ebenfalls schon seit Jahr und Tag die effektiv anfallenden Reparatur- und Instandhaltungskosten, die sich nun einmal gegenüber 1936 mehr als verdoppelt haben, aus ihren Einkommen aufbringen, auch wenn es sich beispielsweise um Menschen handelt, die praktisch ohne jedes Einkommen sind. Diese 4 Millionen Eigentümerwohnparteien haben die erhöhten Lasten bisher aus der zwangsläufigen Einsicht getragen, daß sie nur auf diese Weise die Erhaltung ihres Eigenheims oder ihres Hauses für sich und darüber hinaus für die gesamte Volkswirtschaft sicherstellen können.
    Von den 5 Millionen Mietern von Altwohnungen, also der Minderheit aller Wohnungsnutzer in der Bundesrepublik, die jetzt möglicherweise auch einen Beitrag — und zwar einen bescheidenen Beitrag — zur Erhaltung unseres Gesamtwohnungsbestandes leisten sollen, werden obendrein die etwa 1 Million möglicherweise betroffenen Fürsorgeempfänger durch den Staat von der Tragung der Mieterhöhung befreit. Für weitere Hunderttausende sozial schwacher Personen werden unter Mithilfe des Bundes durch die Länder Mietbeihilfen gewährt. Es werden also wirklich im wesentlichen diejenigen von dem Beitrag zur Erhaltung des Wohnungsbestandes nach diesem Gesetz berührt, denen mindestens im gleichen Maße wie den Inhabernvon Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues oder von Kleinsiedlungen der anderen einfachen Eigenheimen zugemutet werden kann, diesen bescheidenen Beitrag von im Durchschnitt zwischen 3 und 5 DM im Monat zur Erhaltung des Wohnungsbestandes .zu leisten.
    Darüber hinaus sorgt der Entwurf des Bundesmietengesetzes dafür, daß die Mieten der Altwohnungen, solange dies infolge der trotz Ides weitergeführten Baues von jährlich über eine halbe Million neuen Wohnungen bestehenden Wohnungsnot noch notwendig ist, weiterhin in klar übersehbaren Grenzen gebunden bleiben, daß also mit dem Gut Wohnung keinerlei Spekulation oder Wucher getrieben werden kann. Die Bundesregierung betrachtet es aber als ihre oberste soziale Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß ihre Anstrengungen und die dahinterstehenden Opfer der gesamten Bevölkerung zugunsten der Schaffung billiger Wohnungen für die breiten Schichten der Bevölkerung nicht dadurch geschmälert werden, daß ohne jede Notwendigkeit jährlich in steigender Zahl durchaus erhaltungsfähige Wohnungen des Wohnungsaltbestandes zu Tausenden und aber Tausenden verfallen, unbewohnbar, polizeilich gesperrt und geräumt werden und somit der Zeitpunkt hinausgerückt wird, bis zu dem der Letzte, der heute noch in einem Bunker, in einer Baracke oder einer Notunterkunft vielleicht schon seit Jahren leben muß, endlich auch, wie die Inhaber von Altwohnungen, ein eigenes Heim erhält.
    Vielleicht überlegen sich diejenigen, an die mit diesem Ersten Bundesmietengesetz tatsächlich der Appell zur Anerkennung dieser bescheidenen Mehrausgaben als Beitrag zur Wiederherstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit ihrer Wohnungen gerichtet wird, einmal, was es bedeutet, wenn hierdurch jährlich Tausenden von Familien mit zum Teil kleinen Kindern, die jetzt noch in den Bunkern und Barackenlagern leben müssen, die Möglichkeit gegeben wird, weil nunmehr diese Altwohnungen nicht weiter verfallen und vorzeitig ausscheiden müssen, viel eher in eine neue Wohnung des sozialen Wohnungsbaues zu kommen und dort für ihre Kinder zum erstenmal vielleicht in deren Leben einen Weihnachtsbaum anstecken zu können, weil das vorher in dem stickigen Bunker nicht möglich war.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der DP.)