Rede:
ID0206703500

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2067

  • date_rangeDatum: 18. Februar 1955

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    2. Deutscher Bundestag — 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955 3419 67. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955. Liste der beurlaubten Abgeordneten (Anlage 1) 3451 A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3450 D, 3451 Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rede des Herrn Bundeskanzlers am 3. Dezember 1954 (Drucksache 1055) 3419 D Brandt (Berlin) (SPD), Anfragender 3419 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 3421 C, 3424 D, 3425 B, D Mellies (SPD) 3422 D, 3426 D Lemmer (CDU/CSU) 3423 D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . 3425 B Neumann (SPD) 3425 B Dr. Krone (CDU/CSU) 3426 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts (Erstes Bundesmietengesetz) (Drucksache 1110) 3427 A Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 3427 D, 3449 C Jacobi (SPD) 3435 D, 3450 C Dr. Brönner (CDU/CSU) 3438 D Wirths (FDP) 3440 C Engell (GB/BHE) 3442 B Hauffe (SPD) 3443 B Frau Heise (SPD) 3445 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 3446 B Lücke (CDU/CSU) 3450 D Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . 3450 D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 104$): Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3450 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB vorn 10. September 1953 (Drucksachen 1165, zu 1165) 3451 A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 3452 Beschlußfassung 3451 C Beratung des Antrags der Fraktion des GB/BHE betr. Spende für den Aufbau des Reichstagsgebäudes (Drucksache 807) . 3451 C Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3451 C Nächste Sitzung 3451 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 3451 A Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB (Drucksache zu 1165) 3452 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Geritzmann Hilbert Glüsing Struve Wehner Dr. von Brentano Dr. Dresbach Dr. Bucher Scheuren Dannemann Ollenhauer Maier (Mannheim) Kiesinger Neuburger Knobloch Brese Leibfried Anlage 2 zu Drucksache 1165 (Vgl. S. 3451 A.) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Az. 1 BvL 120/53 — betreffend Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen §187 a StGB vom 10. September 1953 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt I. Die Erste Strafkammer des Landgerichts Traunstein hat geltend gemacht, daß § 187 a StGB zu willkürlichen Erwägungen führe, weil sich nicht abgrenzen lasse, welche Person im politischen Leben des Volkes stehe. Das Landgericht Traunstein sieht deshalb den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durchbrochen, weil Straf vorschriften nicht unbestimmt sein dürften. Es ist richtig, daß eine unbestimmte Strafvorschrift sowohl mit Art. 3 als auch mit Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar wäre. Das Landgericht Traunstein hat jedoch § 187 a StGB irrig ausgelegt und verkannt, daß jeder strafrechtliche Begriff seinem Wesen nach ein Wertbegriff ist. Der Begriff des politischen Lebens in § 187 a StGB ist nicht unbestimmt, sondern bestimmbar, und zwar nicht weniger bestimmbar als entsprechende Rechtsbegriffe des Strafgesetzbuchs. Daß eine Tat in ihrer Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muß, schließt nicht aus, daß die Bestimmbarkeit nach pflichtgemäßem richterlichem Ermessen im Wege der Auslegung zu finden ist. Es gibt im Strafgesetzbuch keinen Begriff, der nicht der Auslegung fähig und sogar bedürftig wäre. Der Grad der Bestimmbarkeit kann hierbei verschieden sein. Es ist sicherlich schwerer bestimmbar, ob ein Mensch heimtückisch oder grausam oder aus niedrigen Beweggründen getötet wurde, während es leichter bestimmbar sein wird, was strafrechtlich eine Sache ist. Schwierigkeiten in der Auslegung heben die Bestimmbarkeit noch nicht auf, solange es möglich ist, einen Rechtsbegriff auf Grund der in langjähriger Übung von der Rechtsprechung und der Rechtslehre gesicherten Auslegungsgrundsätze in seinem Wesensgehalt zu entwickeln. Unbestritten ist der Begriff des Öffentlichen in diesem Sinne ein bestimmbarer Rechtsbegriff. Das Strafgesetzbuch verwendet ihn mehrfach und sogar in verschiedener Bedeutung, weil es jeweils auf den einzelnen Tatbestand und seinen Zusammenhang mit dem Sinn des Gesetzes sowie seinem System ankommt, um richtig verstehen zu können, welchen Sachverhalt der Begriff des Öffentlichen werten und treffen will. Seiner Entstehungsgeschichte nach ist § 187 a StGB keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung der Strafbestimmung in § 1 des 8. Teils im Kapitel III der 4. Notverordnung zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 742). War somit bereits der Begriff des öffentlichen Lebens ein strafrechtlich hinreichend bestimmbarer Rechtsbegriff, der Willkür ausschloß, so muß dies um so mehr für den engeren Begriff des politischen Lebens gelten. Der Begriff des Politischen ist übrigens auch sonst dem Strafrecht nicht unbekannt. Insbesondere findet er sich in einer Reihe von Amnestiegesetzen, so in § 7 des Straffreiheitsgesetzes 1954 vom 17. Juli 1954 (BGBl. I S. 203). Während auch Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Artisten und andere Personen im öffentlichen Leben stehen, sind Personen, die im politischen Leben stehen, ihrer Zahl und Art nach wesentlich enger umgrenzt. Das Landgericht Traunstein irrt, wenn es einen Grund vermißt, warum Personen, die im politischen Leben stehen, einen verstärkten Ehrenschutz genießen sollen. Verfehlt ist insbesondere seine Erwägung, weil der Schritt in das politische Leben freiwillig getan werde, dürfe niemand auf einen verstärkten Ehrenschutz Anspruch erheben, der sich aus eigenem Entschluß der öffentlichen Kritik in verstärktem Maße aussetze. Denn der erhöhte Ehrenschutz wird durch § 187 a StGB den im politischen Leben stehenden Personen ja nicht etwa um ihrer selbst willen zugebilligt, sondern dient dem Schutz der demokratischen Ordnung und des Staatsganzen. Ein demokratischer Rechtsstaat beruht darauf und ist darauf angewiesen, daß sich seine Bürger am politischen Leben beteiligen. Deshalb besteht um der Demokratie willen ein Staatsinteresse daran, diesen selbstverständlich freiwilligen Schritt in das politische Leben zu fördern und zu erleichtern, indem dafür gesorgt wird, daß die Bürger, die sich in besonderem Maße der Politik widmen, nicht als vogelfrei angesehen werden. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik hat sich daher die in der 4. Notverordnung vom 8. Dezember 1931 zum Ausdruck gekommene kriminalpolitische Notwendigkeit ergeben, die im öffentlichen Leben stehenden Bürger wegen der stark erhöhten Gefahr auch mit einem verstärkten Rechtsschutz zu umgeben. Das Landgericht Traunstein deutet § 187 a StGB falsch, indem es behauptet, letzten Endes stehe bereits jeder im politischen Leben, der sich in irgendeiner Form und in irgendeinem Grade mit den Fragen des öffentlichen und politischen Lebens auseinandersetzen müsse. Im politischen Leben stehen vielmehr nur solche Personen, die tatsächlich eine politische Bedeutung erworben haben, die deshalb auf das politische Leben erheblichen Einfluß ausüben, also alle, die sich für eine gewisse Dauer vorwiegend mit Angelegenheiten befassen, die den Staat, seine Verfassung, Gesetzgebung und Verwaltung berühren. (Vgl.: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Sep- (Dr. Arndt) tember 1953 in Strafsachen Bd. 4, S. 338 ff.; ferner Adolf Schönke — 6. Aufl. — in Anm. II zu § 187 a StGB; Richard Lange im Nachtrag zu Kohlrausch-Lange — 40. Aufl. — zu § 187 a StGB; Schaefer im Leipziger Kommentar — 7. Aufl. — Anm. 2 zu § 187 a StGB.) Der Begriff des politischen Lebens läßt es also an der verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmbarkeit nicht fehlen, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung und die wissenschaftlichen Erläuterungswerke beweisen. II. Das Landgericht Traunstein hat ferner geltend gemacht, daß § 187 a StGB deshalb mit dem in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nicht vereinbar sei, weil diese Vorschrift angeblich die Rechtsgenossen in zwei Gruppen teile, nämlich solche, deren Ehre nur den allgemeinen Schutz des § 186 StGB genießt, und solche, deren Ehre durch den weitergehenden Schutz des § 187 a StGB privilegiert werde. Auch diese Erwägung ist rechtsirrig. Verfehlt ist insbesondere der Hinweis des Landgerichts Traunstein, daß nicht nur Personen, die im politischen Leben stehen, einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnen, sondern auch z. B. der Präsident eines Oberlandesgerichts oder ein Wirtschaftsführer. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine Person ihrer Tätigkeit wegen einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnet, sondern ob die Art ihrer Tätigkeit eine wesentlich verstärkte Gefahr mit sich bringt, daß die Person um ihrer Tätigkeit willen in ihrer Ehre öffentlich angegriffen wird. Es ist aber eine geschichtliche Erfahrung, daß die im politischen Leben stehenden Personen infolge der Leidenschaftlichkeit und der besonderen Gefühlsbetontheit der politischen Auseinandersetzungen qualitativ in wesentlich stärkerem und anderem Grade Angriffen auf die Ehre ausgesetzt sind als Personen, deren Arbeit auch mit öffentlicher Anteilnahme verfolgt wird. Im übrigen wird es selbstverständlich jeweils im Strafmaß zum Ausdruck kommen, ob sich eine Ehrverletzung gegen den Präsidenten eines Oberlandesgerichts, einen Behördenleiter, den Chef einer Krankenanstalt oder einen Wirtschaftsführer gerichtet hat, wobei es ohne jeden Zweifel als ein zulässiger Strafzumessungsgrund anzusehen sein wird, daß der öffentlichen Ehrverletzung eine erhöhte und strafverschärfende Bedeutung zukommt, weil sie sich gegen eine Person um der von ihr eingenommenen Stellung willen richtete. Daher wird es nicht als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügt werden können, falls die Beleidigung des Chefs einer großen Krankenanstalt deshalb mit besonderem Nachdruck bestraft wird, weil sie geeignet war, den Verletzten als seiner Stellung unwürdig erscheinen zu lassen und gerade dadurch auch öffentliche Interessen zu gefährden. In Übereinstimmung hiermit kann es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, daß aus diesem sachlichen Grunde der Gesetzgeber eine höhere Mindeststrafe zur Regel gemacht hat, falls der Verletzte im politischen Leben steht und die Tat geeignet ist, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren. Es kann dahingestellt bleiben, ob es statthaft wäre, den verstärkten Ehrenschutz an formale Erfordernisse zu knüpfen, ihn z. B. davon abhängig zu machen, daß der Verletzte das Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft ist. Denn § 187 a StGB hat eine andere Regelung getroffen, indem die Vorschrift einen sachlichen Gesichtspunkt zum Tatbestandsmerkmal für die Veränderung des Strafrahmens erhebt. Es trifft nicht zu, daß § 187 a StGB von sich aus die Bürger in zwei Gruppen einteile, von denen die eine privilegiert wäre. Denn im Zusammenhang mit dem Grundgesetz, insbesondere gerade mit Art. 3, Art. 9 und Art. 38 GG steht es jedermann frei, sich in das politische Leben des Volkes zu stellen. Jeder also wird des verstärkten Ehrenschutzes teilhaftig, sobald er sich dem politischen Leben widmet und aus eigener Kraft darin eine solche Stellung erlangt, wie § 187 a StGB sie voraussetzt. Unausgesprochen scheint den Erwägungen des Landgerichts Traunstein der Fehlschluß zugrunde zu liegen, daß hier durch dieses Gesetz nur eine bestimmte Gruppe von Politikern oder sogar von Abgeordneten sich selbst privilegiert hätte. Das ist nicht der Fall. Nicht an die Person, auch nicht an ein äußeres Merkmal knüpft § 187 a StGB an, sondern einzig und allein an einen materiellen Sachverhalt, der von jedermann verwirklicht werden kann. Geschützt durch diese Vorschrift sind deshalb keineswegs etwa nur Mitglieder des Bundestages oder der Landtage oder Mitglieder einer Regierung, sondern nach der zutreffenden Rechtsprechung z. B. auch Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts oder solche Führer einer politischen Partei, die nicht Abgeordnete sind (vgl. Schaefer, a. a. O.). Maßgeblich ist allein die tatsächliche Stellung in der Wirklichkeit des politischen Lebens und die dadurch bedingte Gefahrerhöhung für die Ehre, wobei der gesetzgeberisch entscheidende Gesichtspunkt bleibt, daß es sich nicht um den Schutz der einzelnen Ehre um ihrer selbst willen handelt, sondern um den Schutz des politischen Lebens vor der Vergiftung durch üble Nachreden und Verleumdungen. Was vielfach übersehen scheint, ist daher, daß zu den Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen, auch die Publizisten gehören, also solche Journalisten und Rundfunk-Kommentatoren, die durch die Art und Dauer ihrer der Politik gewidmeten Tätigkeit einen erheblichen Einfluß auf das öffentliche Leben ausüben. Der Gleichheitsgrundsatz soll Willkür ausschließen. Es darf also nicht ungleich behandelt werden, was gleich ist. Im Falle des § 187 a StGB kann davon jedoch keine Rede sein. Ob eine Person tatsächlich im politischen Leben eine Stellung von solcher Dauer und von solchem Einfluß einnimmt, daß die Voraussetzungen des § 187 a StGB auf sie zutreffen, begründet eine Verschiedenheit in der Gefährdung und im staatspolitischen Interesse an der Abwehr von Rechtsverletzungen. Hier ist eine nach Grad und Wesen sinnvolle Verschiedenheit gegeben, die eine unterschiedliche Behandlung im Gesetz als sachgerecht erscheinen läßt. Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß keineswegs schon jede üble Nachrede, durch die eine im politischen Leben stehende Person in ihrer Ehre verletzt wird, die Anwendung des § 187 a StGB rechtfertigt. Über das Merkmal, daß der Verletzte im politischen Leben stehen muß, hinaus fügt § 187 a Abs. 1 StGB dem Tatbestand des § 186 StGB zwei weitere Tatbestandsmerkmale sachlicher Art hinzu. Denn die üble Nachrede muß erstens aus Beweggründen begangen sein, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und zweitens muß die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken des Verletzten (Dr. Arndt) erheblich zu erschweren. Die höhere Mindeststrafe ist im Unterschied zu § 186 StGB also auch dadurch begründet, daß die Tat eine andere ist, weil sowohl der Vorsatz des Täters als auch die Wirkung seiner Tat zusätzliche Tatbestandsmerkmale erfüllen müssen, die nach dem Ermessen des Gesetzgebers diese Tat als eine besonders schwere und eigenartig qualifizierte kennzeichnen. Bonn, den 9. Februar 1955 Dr. Arndt Berichterstatter
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    Rede von Margarete Heise


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nur zur Besprechung eines Paragraphen will ich Ihre Geduld noch in Anspruch nehmen, und zwar zu dem letzten, zu § 33, der sogenannten Berlin-Klausel. Im Referentenentwurf war sie nicht enthalten, im Gesetzentwurf ist sie wieder da. — Ich hatte vorhin gehofft, daß der Herr Bundesminister für Wohnungsbau auf den Zwischenruf meines Kollegen Neumann antworten würde. — Ich möchte dafür plädieren, daß wir die Berlin-Klausel wieder aus dem Gesetz herausnehmen. Dabei hoffe ich auf einflußreiche Verbündete; denn der Berliner Senat, der heute morgen schon zitiert wurde, der also aus SPD und CDU besteht, hat am Montag, dem 14. Februar, einen Beschluß gefaßt, worin er den Senator für Bau- und Wohnungswesen und den Senator für Bundesangelegenheiten beauftragt, sich bei den maßgebenden Stellen der Bundesrepublik dafür einzusetzen, daß das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts in Berlin zunächst keine Anwendung findet. Darüber hinaus beauftragte der Senat den Senator für Bau- und Wohnungswesen, eine Vorlage über Sicherungen des Althausbesitzes zu machen.
    Wir haben in Berlin vor, dem wirklich notleiden-den Teil des Althausbesitzes zu helfen, und zwar wirksamer zu helfen, als es durch die 10 % Mieterhöhung, die in dem Gesetz für Berlin vorgesehen sind, geschehen kann. Die Anwendung dieses Gesetzes auf Berlin soll sich nämlich nach der Vorlage der Regierung nur auf einige Paragraphen beschränken. Es heißt darin, daß 13 Paragraphen entfallen, 9 verändert werden und nur 12 unverändert übernommen zu werden brauchen.
    Nun bietet sich in der nächsten Zeit dem Haus eine Möglichkeit, dem Berliner Hausbesitz zu helfen. Der Ausschuß für Lastenausgleich hat in seinem Beschluß am 10. dieses Monats festgelegt, die Hypothekengewinnabgabe für Berlin um 33 1/3 % zu senken. Wir begrüßen idas sehr, und wir hoffen, daß hier ein Teil dessen, zu dem der Senat den Anstoß gegeben hat, erfüllt wird.
    Der augenblickliche Stand in Berlin ist hier gestern von meiner Kollegin Schroeder schon einmal angesprochen worden. Ich muß Sie um Entschuldigung bitten, wenn wir immer wieder mit denselben Zahlen kommen; ich wollte, es wären niedrigere. Wir haben zur Zeit, wie sie sagte, 180 000 Arbeitslose und rund 450 000 Rentner. Darüber hinaus unterscheidet sich auch unsere Bevölkerungsstruktur wesentlich von der des Bundesgebiets. Nun haben wir 970 000 Haushaltungen und 700 000 Wohnungen. Im Gegensatz zu dem, was der Herr Bundesminister vorhin hier für den Bund vorgetragen hat, haben wir in Berlin 500 000 Wohnungen, die vor 1918 gebaut sind, und 170 000, die in der Zeit von 1918 bis 1945 gebaut worden sind. Also fallen unter diese Erhöhung wesentlich mehr Mieten als im Bund, nämlich zusammen 670 000 Wohnungen von '700 000. Das bedeutet natürlich, daß in Berlin ein viel größerer Personenkreis von der Mieterhöhung betroffen würde. Das ist nicht nur für die Rentner und Arbeitslosen besonders schmerzlich. Vielmehr liegen, wie Sie wissen, auch unsere Löhne längst nicht so wie hier im Bund. Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen. Nach der Zählung von 1950 haben wir 360 000 Frauen, die Haushaltungsvorstände sind,


    (Frau Heise)

    die also für alles aufzukommen haben, die für ihre Kinder zu sorgen haben, die ihre Miete zu zahlen haben. Das ist natürlich ein Personenkreis, den man nicht gesondert neben die Arbeitslosen und Rentner stellen kann. Das wäre eine Milchmädchenrechnung, denn die sind zum Teil in diesen Gruppen enthalten. Aber sie sind sehr oft unter den wenig Verdienenden zu finden. Gestatten Sie mir, Ihnen ein paar Spitzenlöhne der Berliner Frauenentlohnung zu nennen. Ich komme darauf, weil gerade heute morgen nach Pressemeldungen der Bundeswirtschaftsminister den Unternehmern geraten hat, den Gewerkschaften dort Lohnerhöhungen anzubieten, wo der erreichte Produktivitätsgrad der Wirtschaft es zuläßt. Wir haben z. B bei den Frauenlöhnen in der Berliner Metallindustrie einen Stundenlohn von 123 Pfennig, im Gartenbau von 114 Pfennig, in der Süßwaren- und Schokoladenindustrie von 94 Pfennig und in der Lebensmittelindustrie von 90 Pfennig. An diesen Löhnen können Sie sehen, wie schwer es für einen großen Kreis der in Arbeit Stehenden sein wird, Mieterhöhungen in Kauf zu nehmen.
    Nun hat uns der Bund im Gesetz auch einen Ausgleich, d. h. eine einmalige Beihilfe zugesagt. Diese einmalige Beihilfe soll 2 445 000 DM betragen. Wenn wir annehmen, daß von den Gruppen, die ich Ihnen aufgezählt habe, nur 400 000 diese Mietsteigerungen nicht vertragen können, also in den Bereich derjenigen fallen, die eine Mietbeihilfe bekommen müssen, so würde das pro Haushalt einmalig 6 DM ausmachen, ganz abgesehen davon, daß in der Folge ,das Land Berlin die zusätzliche Belastung zu tragen hätte; denn wir müssen die Mietbeihilfen ja nachher übernehmen. Diese Bundesvorlage sagt, daß der Bund die Mietbeihilfen an die Länder nur einmalig zahlt. Solange aber nun der Produktionsindex der Berliner Industrie mit 79 % noch dem der Bundesrepublik mit 176 % nachhinkt — 1936 gleich 100 —, solange kann Berlin die Mieterhöhung, die hier vorgesehen ist, nicht übernehmen, ohne neuen Schaden zu nehmen.
    Wir wollen in Berlin einen anderen Weg gehen. Er ist hier auch schon von dem Kollegen Hauffe angedeutet worden. Wir wollen den Weg gehen, durch Zinsverbilligung und, wenn nötig, durch zinslose Kredite den Hausbesitz wieder in die Lage zu versetzen, seine Objekte in Ordnung zu bringen und instand zu halten. Wenn wir also dem Hausbesitz auf dem Wege der Senkung der Hypothekengewinnabgabe und auf dem Wege der zinsverbilligten Kredite helfen können, dann, glaube ich, ist es sowohl für den Mieter wie den Vermieter angebracht und besser. Unser Wunsch geht also dahin, im Ausschuß ihre Unterstützung dafür zu finden, daß die Berlinklausel wieder aus dem Bundesmietengesetz verschwindet, weil das Gesetz für Berlin zur Zeit einfach noch nicht tragbar ist.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herbert Czaja


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Gesichtspunkte, die der Herr Kollege Jacobi als erster Sprecher der verehrlichen Opposition dieses Hauses hier vorgetragen hat, möchte ich unterstreichen. Einmal, daß es wohl eine energische, aber eine sachliche Debatte sein soll. Ich bin dankbar dafür, daß er das betont hat. Dabei bin ich allerdings der Meinung, daß es etwas zu leicht ist, wenn man dann dem Herrn Bundesminister sagt: Am besten, Sie machen den Entwurf zu und legen einen anderen vor. — Zweitens möchte ich sehr stark herausstellen — und ich bin dankbar dafür, daß der Kollege Jacobi das namens der Opposition auch erklärt hat —, daß es sich bei der Mietanhebung um eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit handelt. Wir sind froh darüber, daß die Opposition sich ebenfalls zu diesem unserem Standpunkt bekennt. Dazu gehört dann, daß wir alle, wie wir hier sitzen — und ich bin der Opposition auch dafür dankbar —, das allzu billige Argument von den angeblichen Wahlwechseln in die Schublade legen und weder hier — wo es schon überhaupt nicht hingehört — noch draußen verwenden.
    Über den Weg, auf dem dieses volkswirtschaftliche Ziel anzustreben sei, glaubte die Opposition aber anderer Meinung als die Regierungskoalition sein zu können. Die CDU/CSU wird sich von zwei Grundgedanken leiten lassen, die sie in dem Gesetz realisiert sehen möchte. Der erste Grundgedanke betrifft die Erhaltung und schrittweise Überführung des Wirtschaftsgutes Wohnung, das beiden Teilen, Mietern und Vermietern, zu dienen hat und darüber hinaus einen Teil unseres Volksvermögens darstellt, in eine freiere Atmosphäre. Es muß alles getan werden, um die Erhaltung der Wohnungen zu gewährleisten und ihre Bewirtschaftung schrittweise freier zu gestalten, als es die bisherigen Verwaltungsvorschriften zulassen. Auf der anderen Seite darf aber nichts geschehen, was angesichts des Preisniveaus, des Lohngefüges und des Lebenshaltungsindexes als Belastung unvertretbar wäre oder den Betroffenen übergroße . Härten bringen würde.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

    Deshalb fragen wir uns einmal: Was ist für die im Erwerb Stehenden an Belastung in diesen Punkten zumutbar? Dabei müssen wir darauf sehen — das ist unsere alte Forderung —, daß dort, wo unzumutbare Härtefälle auftreten, wo es sich um Bezieher von geringen Einkommen und um Rentner handelt, mit Mietbeihilfen geholfen wird, die aber auch jedes Fürsorgecharakters entkleidet werden müssen, nicht in den Geruch der Fürsorge kommen dürfen.

    (Sehr gut! in der Mitte. – Abg. Lücke: Das ist wesentlich!)

    Da bei der Besprechung insbesondere seitens der Opposition die volkswirtschaftliche Notwendigkeit zwar im allgemeinen bejaht, im einzelnen aber in den Ausführungen eigentlich nicht unterstrichen worden ist, gestatte ich mir, in Stichworten diese Notwendigkeit, wie sie schon insbesondere aus den Worten des Herrn Ministers und unseres Kollegen Brönner herausgeklungen ist, noch einmal zu bekräftigen.
    Der Anstieg des Mietindexes beträgt, wenn man etwa die Zahlen von 1914 in Vergleich setzt, ein Fünftel bis ein Sechstel dessen, was der Anstieg des Baukostenindexes ausmacht. Der Rohüberschuß, den die Mieten nach Abzug der Bewirtschaftungskosten erbringen, ist in den Jahren zwischen 1936 und 1953 von 55 auf 35 % gefallen. Es ist klar, daß bei einer solchen Situation die Kapitalkosten für den Hausbesitz fast nicht mehr tragbar werden. Die Entzerrung der Mieten hat zur Folge, daß auch diejenigen, die infolge von Kriegsschäden geringe Einkommen beziehen — ich glaube, das wird auch


    (Dr. Czaja)

    insbesondere der Herr Kollege Engell bestätigen können und müssen — und die in die Neuestbauwohnungen einziehen mußten, eher die Möglichkeit erhalten, in die bisher billigen Altbauwohnungen zu kommen. Dabei ist noch zu beachten, daß die Blockierung der billigen Altbauwohnungen durch ein manchmal über den persönlichen Bedarf hinausgehendes Maß der Inanspruchnahme dadurch zurückgedämmt wird.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

    Ich darf auch unterstreichen, was der Herr Minister über die Beleihungsgrenze gesagt hat. Die Beleihungsgrenze für die ersten Hypotheken richtet sich im Gesamten nach dem Ertragswert des Gesamtgutes „Wohnung". Wenn wir diesen Ertragswert verbessern, so erreichen wir damit eine höhere Beleihung und damit die Möglichkeit, die öffentlichen Mittel stärker zu streuen. Die Folge wird sein, daß mehr Wohnungen gebaut werden, und das ist unser aller Ziel.
    Ich darf noch herausstellen, daß über zwei Fünftel der Hausbesitzer zu den Rentnern, Pensionären und Berufslosen zählen. Wichtig ist nicht zuletzt der Umstand, daß der Eigentumsgedanke durch eine entsprechende Wertung des Gutes „Wohnung", das nicht durch künstliche, volkswirtschaftlich nicht vertretbare Subventionen, die sowieso nur auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein können, verbilligt werden kann, verstärkt wird,

    (Vizepräsident D r. Schmid übernimmt den Vorsitz)

    wenn man sieht, was das Gut „Wohnung" kostet, und wenn man sich darum bemüht, dieses kostbare Gut auch als Eigentum anzustreben, das einem dann, wenn man alt ist und vielleicht Renten bezieht, noch als zusätzliche Versorgung zur Verfügung steht. Unser Kollege Brönner hat auf die volkswirtschaftliche Notwendigkeit abgehoben und diese noch genauer umschrieben.
    Lassen Sie mich auch ein paar Worte zur Frage der Tragbarkeit der Mietanhebungen sagen. Wir haben uns darüber sehr ernste und ins einzelnegehende Gedanken gemacht. Deshalb schlägt Ihnen die CDU/CSU bei diesem Gesetzentwurf für die Ausschußberatungen insbesondere drei Gesichtspunkte vor. Dabei, Herr Kollege Jacobi, kritisieren wir nicht nur den juristischen Umfang, sondern haben zur Tragbarkeit ganz konkrete Vorstellungen und konkrete Vorschläge, die wir schon in der ersten Lesung präzisiert vorbringen.
    Erstens sind wir dem Herrn Minister außerordentlich dankbar und unterstreichen die Forderung nach der Höchstgrenze, nach dem Limit, nach dem Plafond bei den Mietanhebungen für sogenannte normale Altbauwohnungen, also nicht für Komfortwohnungen. Damit fällt — das haben die Kollegen von der vierehrlichen Opposition eigentlich sonderbarerweise gar nicht angesprochen — meiner Meinung nach das Bedenken dort weg, wo es sozial berechtigt ist: an dien Brennpunkten des Wohnraumbedarfs, in den Großstädten und in denarbeitsintensiven Städten. Dort bestand vielleicht — ich wundere mich, daß die Opposition das eigentlich bisher noch nicht zur Sprache gebracht hat —die Möglichkeit, bei einer Kombination der Bestimmungen der §§ 2 und 5 des Gesetzes — neuer Stopptag, mit Zustimmung des Mieters, nicht angefochten, plus 10%ige Erhöhung — oder aber bei der frei vereinbarten oder der Kostenvergleichsmiete vielleicht zu sehr hinaufzuschnellen. Wenn wir aber zu dem Plafond, den die Bundesregierung in § 8 des Gesetzes vorgesehen hatte und der vom Bundesrat eigenartigerweise gestrichen warden ist, für die Normalwohnungen zurückkehren, und zwar sowohl in bezug auf die iKombination mit der 10%igen Mieterhöhung als auch in bezug auf die Kombination mit der frei vereinbarten und schließlich in bezug auf ,die Kombination mit der Kostenvergleichsmiete, dann, meine Damen und Herren von der Opposition, glaube ich, ist ein Großteil Ihrer Bedenken ausgeräumt; denn dann haben wir ein Feld für das freie Spiel der Kräfte abgegrenzt, und nur in diesem Spielfeld kann man sich dann füglicherweise bewegen.
    Ich muß gestehen, daß ich die Argumentation des Bundesrates für Idle Streichung nicht ganz verstanden habe. Ich habe mir die Begründung des Bundesrates zu § 6 und § 8 sehr genau angesehen. Die Staffelung für Komfortwohnungen in § 6 lehnt der Bundesrat deshalb ab — ich will das hier nicht im einzelnen zitieren —, weil die Mieten dort sowieso schon etwas höher seien. Das bedeutet also einen Schutz der Mieter in Komfortwohnungen. In der Begründung des Bundesrates für die Streichung des § 8 wird aber das genaue Gegenteil gesagt. Hier spricht sich der Bundesrat gegen den Schutz der Miethöhen in höherwertigen Wohnungen aus. Ich muß gestehen, daß ich mir über die Zusammenhänge nicht ganz klar bin. Ich würde dankbar sein, wenn die höhere Fachweisheit uns hier belehren würde. Was die Komfortwohnungen betrifft, die wir nicht von vornherein in diese Höchstgrenze einbeziehen, so glaube ich, daß hier keine übermäßigen Gefahren bestehen, einmal, weil die Zahl dieser Komfortwohnungen klein ist, und zum anderen, weil sich die Marktpartner sehr genau überlegen müssen, ob nicht bei einer zu starken Erhöhung der Mieten solcher Altbaukomfortwohnungen ohne weiteres ein Ausweichen in die steuerbegünstigten Wohnungen eintritt. Das wäre für beide, insbesondere für den Vermieter, nicht klug.
    Wir betonen zweitens als CDU/CSU die gestaffelte Mietanhebung ,nach dem Wohnwert in wenigen übersichtlichem Gruppen. Der Herr Kollege Hauffe hat den Standpunkt des Mieterbundes nach Einzelbewertung, nach individueller Bewertung, herausgestellt. Meine Damen und Herren, wir wollen ja hier ein Mietengesetz, nicht ein Arbeitsbeschaffungsgesetz für die Wohnungsämter machen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Der Herr Kollege Hauffe hat uns auf die Diskussion im Ausschuß verwiesen. Wie stellt sich die verehrliche Opposition diese Einzelbewertung vor? Auch die Wohnungsämter müßten sich sowieso an gewisse allgemeine, schematische Richtlinien halten. Wenn wir aber diese wenigen Wertgruppen —10 %, 15 %, 20 % —, als Nebengeleise Kostenvergleichsmiete und frei vereinbarte Miete einführen — aber alles in einem gewissen Limit, in einer gewissen Grenze des Spielfeldes —, dann, glaube ich, kann man nicht sagen, daß hier nicht auch auf den Wert Rücksicht genommen sei. Wir gehen hier, ich möchte fast sagen, gesetzestechnisch einen ähnlichen Weg, wie ihn der verehrte Herr Kollege Kunze im Lastenausgleichsgesetz vertreten hat. Heiße Kämpfe haben damals bei der Frage der Bewertung der Verluste getobt: Soll man nun alles sozial oder quotal machen. Man hat sich auf einen


    (Dr. Czaja)

    Mittelweg geeinigt, den auch die Opposition heute weitgehend bejaht, daß man wenige erfaßbare Stufen nimmt, wobei ich dem Herrn Kollegen Wirths absolut zugebe, daß wir uns über die Kriterien sehr genau unterhalten und noch einiges erwägen müssen.
    Noch ein paar Worte zur sozialen Tragbarkeit. Wie stellt sie sich dar? Ich weiß, die verehrlichen Kollegen der Opposition stellen die Zahlen, die uns hier vorliegen, etwas in Frage. Sie wurden als Schönfärberei bezeichnet, aber an keiner Stelle wurde nachgewiesen, daß diese Zahlen falsch sind. Oder irre ich?

    (Abg. Jacobi: Das ist nicht Aufgabe der ersten Lesung; aber das können Sie haben!)

    — Ich bin aber der Meinung, daß man in der ersten Lesung nicht nur eine Behauptung aufstellen, sondern sie nach Möglichkeit wenigstens in allgemeinen Grundlinien untermauern sollte. Ich darf mich deshalb zuerst auf die Begründung beschränken, die sich aus den Zahlen des Ministeriums ergibt, und darf dann zum andern auf Material zurückgreifen, das Ihnen, Herr Kollege Jacobi, wahrscheinlich auch bekannt ist und Ihnen sehr naheliegt. Nach den Zahlen des Ministeriums wurden 1936 für die Wohnung 14 % des Privatverbrauchs von allen Mietern aufgewandt.

    (Abg. Jacobi: Schon diese Zahl bestreiten wir!)

    — Bitte, dann müssen Sie sie widerlegen. Ich habe das angeführt, und Sie gestatten, daß ich das vortrage; ich will die Gelegenheit benutzen, auch von Ihren Zahlen zu sprechen. 14 % des Privatverbrauchs ist 1/7 des gesamten Privatverbrauchs. 1953 betrug das Volumen des Privatverbrauchs für das Gut Wohnung nur noch 7,7 %, in den getesteten Arbeitnehmerhaushalten mittleren Einkommens mit vier Personen nur etwas mehr: 9,2 %, also nur 2/3 dessen, was früher der Fall gewesen ist.
    Nun kommt etwas sehr Interessantes, Herr Kollege Jacobi. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat uns dankenswerterweise Material über eine Sonderuntersuchung, die er in über 3000 Haushalten angestellt hat, zur Verfügung gestellt. Wenn Sie dieses Material zur Hand nehmen, Herr Kollege Jacobi, so stellen Sie nach diesem Schreiben vom 13. Oktober 1954 aus Düsseldorf fest, daß 9,9 % des Familieneinkommens in Arbeiterhaushalten für das Gut Wohnung verwendet wird. Meine Damen und Herren, zwischen dem, was hier als Schönfärberei angekreidet und bestritten worden ist, und dem, was der DGB dazu festgestellt hat, besteht ein Unterschied von 0,7 %. Ich möchte das hier eindeutig festgestellt haben. Es ist aus den Unterlagen ersichtlich.
    1936 betrug der Mietaufwand je Kopf der Bevölkerung 106 Mark.

    (Abg. Jacobi: Das ist alles Zahlenspielerei!)

    1953 betrug er 118 DM, hat sich also um 12 DM erhöht. Herr Jacobi, das sind nicht Zahlenspielereien, sondern es sind Belastungen, die den Privatverbrauch unserer zahllosen Mieter betreffen. Ich glaube, wir müssen uns mit diesen Zahlen allen Ernstes auseinandersetzen.
    Meine Damen und Herren, mit Recht hat der Deutsche Gewerkschaftsbund darauf verwiesen, daß man den Aufwand für das Gut Wohnung mit dem Familieneinkommen in Beziehung setzen müsse. Ich darf dazu nur unterstreichen, daß von den 21 1/4 Millionen Erwerbspersonen in der Bundesrepublik nur 11,2 Millionen, also 52 %, tatsächlich haushaltbildend waren, während 46 % der Haushalte, also fast die Hälfte, mehr als ein Geldeinkommen zu verzeichnen haben. Auch das muß einmal gesagt werden, um in den Realitäten des volkswirtschaftlichen Denkens zu bleiben. Bei den weniger als 3000 DM Einkommen Beziehenden waren nur 30 % solcher Haushalte, die Kinder hatten. 40 % der weniger als 3000 DM im Jahre 1950 Verdienenden waren ledige Personen, die also nicht unbedingt — vorläufig noch — haushaltbildend waren.
    Ich darf mich aber jetzt noch einmal den Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zuwenden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat in seiner Untersuchung festgestellt, daß zwischen 10 1/2 % des verbrauchsfähigen Familieneinkommens bei den untersten Einkommensgruppen der Arbeitnehmer und 9,9 % des verbrauchsfähigen Familieneinkommens bei den mittleren Einkommensgruppen der Arbeitnehmerhaushalte — ich klammere vorläufig die Rentner aus — für Miete verwandt werden. Wenn jetzt eine generelle Anhebung dieser Mieten um nur 10 % eintritt, wobei wir durch den Plafond eine Überspitzung weitgehend ausschalten, und wenn die Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes stimmen, dann handelt es sich für die Erwerbspersonen der Arbeitnehmerfamilien um eine Neubelastung des privaten Verbrauchs in der Größe von 1 % im Rahmen ihres Verbrauchs. Ich glaube, diese Rechnung kann man aus den Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht widerlegen.

    (Abg. Jacobi: Warum kommt der denn zu anderen Schlußfolgerungen?)

    — Das müssen Sie ihn fragen. Ich bitte Sie, diese Zahlen konkret zu widerlegen.
    Ein Zweites, meine Damen und Herren, um bei Ihren Argumenten zu bleiben. Wir sehen einen Plafond vor. In diesem Hause haben die Koalition und Opposition gemeinsam das Erste Wohnungsbaugesetz beschlossen.

    (Abg. Jacobi: Das ist schon lange her!)

    Man hat darin, Herr Kollege Jacobi, im Jahre 1949 auch mit den Stimmen der Opposition eine Richtsatzmiete von 1,10 DM festgesetzt, einen Satz, den Sie damit auch insbesondere den einkommensschwachen wohnungslosen Kreisen der jungen Familien, der Kriegsgeschädigten, Vertriebenen usw. zugemutet haben. Wenn wir jetzt bei den Mietanhebungen einen Plafond vorsehen, der sich auf diese Zahl bezieht, der also auch der Quadratmeterzahl und damit dem Wohnwert entspricht, dann kann uns die Opposition auf diesem Wege ruhig folgen, wenn sie zu ihrem alten Worte steht und wenn sie berücksichtigt, daß sich der Plafond heute füglicherweise deshalb etwas erhöhen kann, weil seit 1949 auch die Einkommen angestiegen sind.
    Soviel zur Frage der Tragbarkeit für die im Erwerbsleben Stehenden bei echter Begrenzung für diejenigen, die in den Großstädten leben.
    Das alles räumt noch nicht die Frage der Rentner und Einkommensschwachen aus. Dazu ein paar Worte. Hier müssen die Mietbeihilfen eingreifen, nicht mit Fürsorgegeruch. Nordrhein-Westfalen hat schon Ähnliches für Kinderreiche. Das Ausland, insbesondere dort, wo die Mieten schon elastischer sind, hat ebenfalls solche Mietbeihilfen. Die Frage der Mietbeihilfen ist eine alte Forcie-


    (Dr. Czaja)

    I rung der CDU/CSU insgesamt. Wir fordern für dieses Gesetz eine gewisse Konkretisierung in Rahmenvorschriften betreffend den Personenkreis, die Bezugsvoraussetzungen und die Höhe. Dabei gehen wir von dem Gedanken aus, daß die Mietbeihilfe elastischer und gerechter ist als generelle Instandsetzungsdarlehen und Kostensubventionen. Sie gilt ja nur während der echten Notlage.
    Die Aufbringung ist umstritten. Vorläufig hat der Herr Bundesfinanzminister 15 Millionen zur Verfügung gestellt. Wir dürfen aber daran erinnern, daß 1953 der Bund und die Länder 90 Millionen an Instandsetzungsdarlehen und Haushaltmitteln aufgebracht haben.

    (Abg. Lücke: Sehr gut!)

    Staatssekretär Hartmann hat im Bundesrat, nach unserer Meinung zu Recht, ausgeführt, daß diese Zahlungen ihrer Natur nach zum Aufgabengebiet der Länder — mit Ausnahme der Empfänger von Kriegsfolgenhilfe — gehörten, wie überhaupt die ganze Aufbringungsfrage — ich glaube, dem könnten sich die Vertreter der Opposition und der Koalition im Haushaltsausschuß dieses Hohen Hauses anschließen — die Frage der Mietbeihilfen nur als Komponente der Auseinandersetzung beim Inanspruchnahmegesetz und bei der Finanzreform zu sehen sei.
    Wir halten diesen Standpunkt für richtig und sind der Meinung, daß diese individuelle und auf die Zeit der Notlage beschränkte Mietbeihilfe per Saldo billiger kommt als die globalen Instandsetzungsdarlehen.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

    Dabei glauben wir nicht, daß der Weg, den Herr Kollege Hauffe vorgeschlagen hat, gerecht wäre, nämlich an die Stelle der Mietanhebung oder eines Teiles der Mietanhebung Subventionen aus Steuergeldern für die Instandsetzung treten zu lassen. Denn dann käme folgendes zustande: Der in einer Neuestbauwohnung, in einer Kleinwohnung, wohnende Einkommensteuerpflichtige müßte dann mit seiner Steuer, weil es ja global geht, unter Umständen die Komfortwohnung einer Familie in einem Altbau mit instand setzen helfen, deren Inhaber ganz gewiß über die Miete einen Teil zu den Instandsetzungskosten beitragen könnte. Das aber empfinden wir nicht als sozial gerecht.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU macht zu diesem Gesetz durch den Plafond, durch die Staffelung in wenige Gruppen und durch die Beihilfen positive Vorschläge für zielbewußtes Handeln bei den Beratungen im Ausschuß und spricht sich hier nicht in allgemeinen Worten, sondern konkret aus. Dieses Gesetz, dazu die weitere Fortsetzung des Wohnungsbaus aller Qualitäten, eine entsprechende Kapitalverbilligung und — das darf ich mit einer kleinen Wendung gegen die Regierungsbank sagen — eine vernünftige Raumordnung mit den dafür notwendigen gesetzlichen Grundlagen sowie die Klärung der Kompetenzen, durch die vermieden wird, daß sich die Ballungszentren mit den überteuerten Wohnungen weiter auswachsen, alle diese Elemente können zu dem führen, was wir alle anstreben: einem echten Markt auf dem Gebiete des Wirtschaftsgutes Wohnung, auf dem der Preis nicht nur durch ein Bundesmietengesetz, sondern durch die Kapitalkosten und durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird.
    Bei den Ausschußberatungen werden wir auf einem schmalen Grat einen maßvollen Mittelweg suchen müssen, einen Mittelweg, in den zwei Steige münden müssen. Der eine Steig führt zur Erhaltung und Finanzierung der Wohnungen und zu dem, was da erwünscht ist, der zweite Steig zu dem, was sozial tragbar ist. Wir hoffen, daß die vierehrliche Opposition diesen Weg mit uns gemeinsam sucht und absteckt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)