Rede:
ID0206702500

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2067

  • date_rangeDatum: 18. Februar 1955

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    2. Deutscher Bundestag — 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955 3419 67. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955. Liste der beurlaubten Abgeordneten (Anlage 1) 3451 A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3450 D, 3451 Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rede des Herrn Bundeskanzlers am 3. Dezember 1954 (Drucksache 1055) 3419 D Brandt (Berlin) (SPD), Anfragender 3419 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 3421 C, 3424 D, 3425 B, D Mellies (SPD) 3422 D, 3426 D Lemmer (CDU/CSU) 3423 D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . 3425 B Neumann (SPD) 3425 B Dr. Krone (CDU/CSU) 3426 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts (Erstes Bundesmietengesetz) (Drucksache 1110) 3427 A Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 3427 D, 3449 C Jacobi (SPD) 3435 D, 3450 C Dr. Brönner (CDU/CSU) 3438 D Wirths (FDP) 3440 C Engell (GB/BHE) 3442 B Hauffe (SPD) 3443 B Frau Heise (SPD) 3445 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 3446 B Lücke (CDU/CSU) 3450 D Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . 3450 D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 104$): Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3450 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB vorn 10. September 1953 (Drucksachen 1165, zu 1165) 3451 A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 3452 Beschlußfassung 3451 C Beratung des Antrags der Fraktion des GB/BHE betr. Spende für den Aufbau des Reichstagsgebäudes (Drucksache 807) . 3451 C Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3451 C Nächste Sitzung 3451 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 3451 A Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB (Drucksache zu 1165) 3452 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Geritzmann Hilbert Glüsing Struve Wehner Dr. von Brentano Dr. Dresbach Dr. Bucher Scheuren Dannemann Ollenhauer Maier (Mannheim) Kiesinger Neuburger Knobloch Brese Leibfried Anlage 2 zu Drucksache 1165 (Vgl. S. 3451 A.) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Az. 1 BvL 120/53 — betreffend Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen §187 a StGB vom 10. September 1953 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt I. Die Erste Strafkammer des Landgerichts Traunstein hat geltend gemacht, daß § 187 a StGB zu willkürlichen Erwägungen führe, weil sich nicht abgrenzen lasse, welche Person im politischen Leben des Volkes stehe. Das Landgericht Traunstein sieht deshalb den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durchbrochen, weil Straf vorschriften nicht unbestimmt sein dürften. Es ist richtig, daß eine unbestimmte Strafvorschrift sowohl mit Art. 3 als auch mit Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar wäre. Das Landgericht Traunstein hat jedoch § 187 a StGB irrig ausgelegt und verkannt, daß jeder strafrechtliche Begriff seinem Wesen nach ein Wertbegriff ist. Der Begriff des politischen Lebens in § 187 a StGB ist nicht unbestimmt, sondern bestimmbar, und zwar nicht weniger bestimmbar als entsprechende Rechtsbegriffe des Strafgesetzbuchs. Daß eine Tat in ihrer Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muß, schließt nicht aus, daß die Bestimmbarkeit nach pflichtgemäßem richterlichem Ermessen im Wege der Auslegung zu finden ist. Es gibt im Strafgesetzbuch keinen Begriff, der nicht der Auslegung fähig und sogar bedürftig wäre. Der Grad der Bestimmbarkeit kann hierbei verschieden sein. Es ist sicherlich schwerer bestimmbar, ob ein Mensch heimtückisch oder grausam oder aus niedrigen Beweggründen getötet wurde, während es leichter bestimmbar sein wird, was strafrechtlich eine Sache ist. Schwierigkeiten in der Auslegung heben die Bestimmbarkeit noch nicht auf, solange es möglich ist, einen Rechtsbegriff auf Grund der in langjähriger Übung von der Rechtsprechung und der Rechtslehre gesicherten Auslegungsgrundsätze in seinem Wesensgehalt zu entwickeln. Unbestritten ist der Begriff des Öffentlichen in diesem Sinne ein bestimmbarer Rechtsbegriff. Das Strafgesetzbuch verwendet ihn mehrfach und sogar in verschiedener Bedeutung, weil es jeweils auf den einzelnen Tatbestand und seinen Zusammenhang mit dem Sinn des Gesetzes sowie seinem System ankommt, um richtig verstehen zu können, welchen Sachverhalt der Begriff des Öffentlichen werten und treffen will. Seiner Entstehungsgeschichte nach ist § 187 a StGB keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung der Strafbestimmung in § 1 des 8. Teils im Kapitel III der 4. Notverordnung zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 742). War somit bereits der Begriff des öffentlichen Lebens ein strafrechtlich hinreichend bestimmbarer Rechtsbegriff, der Willkür ausschloß, so muß dies um so mehr für den engeren Begriff des politischen Lebens gelten. Der Begriff des Politischen ist übrigens auch sonst dem Strafrecht nicht unbekannt. Insbesondere findet er sich in einer Reihe von Amnestiegesetzen, so in § 7 des Straffreiheitsgesetzes 1954 vom 17. Juli 1954 (BGBl. I S. 203). Während auch Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Artisten und andere Personen im öffentlichen Leben stehen, sind Personen, die im politischen Leben stehen, ihrer Zahl und Art nach wesentlich enger umgrenzt. Das Landgericht Traunstein irrt, wenn es einen Grund vermißt, warum Personen, die im politischen Leben stehen, einen verstärkten Ehrenschutz genießen sollen. Verfehlt ist insbesondere seine Erwägung, weil der Schritt in das politische Leben freiwillig getan werde, dürfe niemand auf einen verstärkten Ehrenschutz Anspruch erheben, der sich aus eigenem Entschluß der öffentlichen Kritik in verstärktem Maße aussetze. Denn der erhöhte Ehrenschutz wird durch § 187 a StGB den im politischen Leben stehenden Personen ja nicht etwa um ihrer selbst willen zugebilligt, sondern dient dem Schutz der demokratischen Ordnung und des Staatsganzen. Ein demokratischer Rechtsstaat beruht darauf und ist darauf angewiesen, daß sich seine Bürger am politischen Leben beteiligen. Deshalb besteht um der Demokratie willen ein Staatsinteresse daran, diesen selbstverständlich freiwilligen Schritt in das politische Leben zu fördern und zu erleichtern, indem dafür gesorgt wird, daß die Bürger, die sich in besonderem Maße der Politik widmen, nicht als vogelfrei angesehen werden. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik hat sich daher die in der 4. Notverordnung vom 8. Dezember 1931 zum Ausdruck gekommene kriminalpolitische Notwendigkeit ergeben, die im öffentlichen Leben stehenden Bürger wegen der stark erhöhten Gefahr auch mit einem verstärkten Rechtsschutz zu umgeben. Das Landgericht Traunstein deutet § 187 a StGB falsch, indem es behauptet, letzten Endes stehe bereits jeder im politischen Leben, der sich in irgendeiner Form und in irgendeinem Grade mit den Fragen des öffentlichen und politischen Lebens auseinandersetzen müsse. Im politischen Leben stehen vielmehr nur solche Personen, die tatsächlich eine politische Bedeutung erworben haben, die deshalb auf das politische Leben erheblichen Einfluß ausüben, also alle, die sich für eine gewisse Dauer vorwiegend mit Angelegenheiten befassen, die den Staat, seine Verfassung, Gesetzgebung und Verwaltung berühren. (Vgl.: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Sep- (Dr. Arndt) tember 1953 in Strafsachen Bd. 4, S. 338 ff.; ferner Adolf Schönke — 6. Aufl. — in Anm. II zu § 187 a StGB; Richard Lange im Nachtrag zu Kohlrausch-Lange — 40. Aufl. — zu § 187 a StGB; Schaefer im Leipziger Kommentar — 7. Aufl. — Anm. 2 zu § 187 a StGB.) Der Begriff des politischen Lebens läßt es also an der verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmbarkeit nicht fehlen, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung und die wissenschaftlichen Erläuterungswerke beweisen. II. Das Landgericht Traunstein hat ferner geltend gemacht, daß § 187 a StGB deshalb mit dem in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nicht vereinbar sei, weil diese Vorschrift angeblich die Rechtsgenossen in zwei Gruppen teile, nämlich solche, deren Ehre nur den allgemeinen Schutz des § 186 StGB genießt, und solche, deren Ehre durch den weitergehenden Schutz des § 187 a StGB privilegiert werde. Auch diese Erwägung ist rechtsirrig. Verfehlt ist insbesondere der Hinweis des Landgerichts Traunstein, daß nicht nur Personen, die im politischen Leben stehen, einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnen, sondern auch z. B. der Präsident eines Oberlandesgerichts oder ein Wirtschaftsführer. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine Person ihrer Tätigkeit wegen einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnet, sondern ob die Art ihrer Tätigkeit eine wesentlich verstärkte Gefahr mit sich bringt, daß die Person um ihrer Tätigkeit willen in ihrer Ehre öffentlich angegriffen wird. Es ist aber eine geschichtliche Erfahrung, daß die im politischen Leben stehenden Personen infolge der Leidenschaftlichkeit und der besonderen Gefühlsbetontheit der politischen Auseinandersetzungen qualitativ in wesentlich stärkerem und anderem Grade Angriffen auf die Ehre ausgesetzt sind als Personen, deren Arbeit auch mit öffentlicher Anteilnahme verfolgt wird. Im übrigen wird es selbstverständlich jeweils im Strafmaß zum Ausdruck kommen, ob sich eine Ehrverletzung gegen den Präsidenten eines Oberlandesgerichts, einen Behördenleiter, den Chef einer Krankenanstalt oder einen Wirtschaftsführer gerichtet hat, wobei es ohne jeden Zweifel als ein zulässiger Strafzumessungsgrund anzusehen sein wird, daß der öffentlichen Ehrverletzung eine erhöhte und strafverschärfende Bedeutung zukommt, weil sie sich gegen eine Person um der von ihr eingenommenen Stellung willen richtete. Daher wird es nicht als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügt werden können, falls die Beleidigung des Chefs einer großen Krankenanstalt deshalb mit besonderem Nachdruck bestraft wird, weil sie geeignet war, den Verletzten als seiner Stellung unwürdig erscheinen zu lassen und gerade dadurch auch öffentliche Interessen zu gefährden. In Übereinstimmung hiermit kann es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, daß aus diesem sachlichen Grunde der Gesetzgeber eine höhere Mindeststrafe zur Regel gemacht hat, falls der Verletzte im politischen Leben steht und die Tat geeignet ist, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren. Es kann dahingestellt bleiben, ob es statthaft wäre, den verstärkten Ehrenschutz an formale Erfordernisse zu knüpfen, ihn z. B. davon abhängig zu machen, daß der Verletzte das Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft ist. Denn § 187 a StGB hat eine andere Regelung getroffen, indem die Vorschrift einen sachlichen Gesichtspunkt zum Tatbestandsmerkmal für die Veränderung des Strafrahmens erhebt. Es trifft nicht zu, daß § 187 a StGB von sich aus die Bürger in zwei Gruppen einteile, von denen die eine privilegiert wäre. Denn im Zusammenhang mit dem Grundgesetz, insbesondere gerade mit Art. 3, Art. 9 und Art. 38 GG steht es jedermann frei, sich in das politische Leben des Volkes zu stellen. Jeder also wird des verstärkten Ehrenschutzes teilhaftig, sobald er sich dem politischen Leben widmet und aus eigener Kraft darin eine solche Stellung erlangt, wie § 187 a StGB sie voraussetzt. Unausgesprochen scheint den Erwägungen des Landgerichts Traunstein der Fehlschluß zugrunde zu liegen, daß hier durch dieses Gesetz nur eine bestimmte Gruppe von Politikern oder sogar von Abgeordneten sich selbst privilegiert hätte. Das ist nicht der Fall. Nicht an die Person, auch nicht an ein äußeres Merkmal knüpft § 187 a StGB an, sondern einzig und allein an einen materiellen Sachverhalt, der von jedermann verwirklicht werden kann. Geschützt durch diese Vorschrift sind deshalb keineswegs etwa nur Mitglieder des Bundestages oder der Landtage oder Mitglieder einer Regierung, sondern nach der zutreffenden Rechtsprechung z. B. auch Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts oder solche Führer einer politischen Partei, die nicht Abgeordnete sind (vgl. Schaefer, a. a. O.). Maßgeblich ist allein die tatsächliche Stellung in der Wirklichkeit des politischen Lebens und die dadurch bedingte Gefahrerhöhung für die Ehre, wobei der gesetzgeberisch entscheidende Gesichtspunkt bleibt, daß es sich nicht um den Schutz der einzelnen Ehre um ihrer selbst willen handelt, sondern um den Schutz des politischen Lebens vor der Vergiftung durch üble Nachreden und Verleumdungen. Was vielfach übersehen scheint, ist daher, daß zu den Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen, auch die Publizisten gehören, also solche Journalisten und Rundfunk-Kommentatoren, die durch die Art und Dauer ihrer der Politik gewidmeten Tätigkeit einen erheblichen Einfluß auf das öffentliche Leben ausüben. Der Gleichheitsgrundsatz soll Willkür ausschließen. Es darf also nicht ungleich behandelt werden, was gleich ist. Im Falle des § 187 a StGB kann davon jedoch keine Rede sein. Ob eine Person tatsächlich im politischen Leben eine Stellung von solcher Dauer und von solchem Einfluß einnimmt, daß die Voraussetzungen des § 187 a StGB auf sie zutreffen, begründet eine Verschiedenheit in der Gefährdung und im staatspolitischen Interesse an der Abwehr von Rechtsverletzungen. Hier ist eine nach Grad und Wesen sinnvolle Verschiedenheit gegeben, die eine unterschiedliche Behandlung im Gesetz als sachgerecht erscheinen läßt. Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß keineswegs schon jede üble Nachrede, durch die eine im politischen Leben stehende Person in ihrer Ehre verletzt wird, die Anwendung des § 187 a StGB rechtfertigt. Über das Merkmal, daß der Verletzte im politischen Leben stehen muß, hinaus fügt § 187 a Abs. 1 StGB dem Tatbestand des § 186 StGB zwei weitere Tatbestandsmerkmale sachlicher Art hinzu. Denn die üble Nachrede muß erstens aus Beweggründen begangen sein, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und zweitens muß die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken des Verletzten (Dr. Arndt) erheblich zu erschweren. Die höhere Mindeststrafe ist im Unterschied zu § 186 StGB also auch dadurch begründet, daß die Tat eine andere ist, weil sowohl der Vorsatz des Täters als auch die Wirkung seiner Tat zusätzliche Tatbestandsmerkmale erfüllen müssen, die nach dem Ermessen des Gesetzgebers diese Tat als eine besonders schwere und eigenartig qualifizierte kennzeichnen. Bonn, den 9. Februar 1955 Dr. Arndt Berichterstatter
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    Rede von Werner Jacobi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist nicht ganz klar, ob der Herr Minister durch seine soeben gehaltene Rede dem, was ihm am Herzen liegt und was das Anliegen dieses Gesetzentwurfs sein soll, wirklich einen Dienst geleistet hat. Denn zum Schluß seiner Ausführungen, als er mit bewegten Worten auf die sozial förderlichen Tendenzen dieses Gesetzentwurfs einging, und auch vorher, als er zur Frage der Mietbeihilfen sprach, hat er Formulierungen gebraucht, von denen meine Freunde und ich nicht überzeugt sind, daß sie eine rechte Betrachtung der Konsequenzen dieses Gesetzes sind.
    In diesem Gesetz ist an keiner Stelle eine Garantie dafür zu finden, daß die von den Mietern


    (Jacobi)

    verlangten Mieterhöhungsbeträge wirklich der Instandsetzung dienen werden und dienen müssen. Die Bundesregierung hat sich in der Begründung zu diesem Gesetzentwurf darauf beschränkt, der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß dies geschieht, und hat gemeint, im Interesse des Althausbesitzes selbst liege es ja so selbstverständlich, daß derartige Mieterhöhungen diesem Zweck zugeführt würden, daß es keiner ausdrücklichen Bestimmung nach dieser Richtung hin bedürfe. Wir teilen diesen Optimismus nicht. Wir glauben nicht, daß das ohne weiteres unterstellt werden kann. Wir glauben auch nicht, meine Damen und Herren, daß man sich abfinden kann mit einer Darlegung des Problems der Mietbeihilfen, wie sie der Herr Minister vorhin vortrug. Den Gemeinden beispielsweise zu sagen, sie trügen ja irgendwie Nutzen und müßten und könnten deshalb auch die sozialen Verpflichtungen auf sich nehmen, zu erklären, es sei nicht mehr als recht und billig, daß sie auf der anderen Seite auch die Lasten der sozialen Verantwortung in erster Linie übernähmen, das scheint uns doch eine ziemliche Vereinfachung der Problematik zu sein. Mir ist bis zur Stunde noch nicht klar, worin denn der Vorteil für die Gemeinden liegen soll, wenn eine Mietenanhebung an Einzelobjekten Platz greift. Das muß mir noch begreiflich gemacht werden, wie ich auch darum bitten muß, daß in einer Reihe von Punkten eine weitergehende Aufklärung erfolgt, als uns der Herr Minister heute hier hat zuteil werden lassen. Wir werden in den Ausschußberatungen überhaupt eine ganze Reihe von Detailfragen ;aufgreifen müssen, und wir werden sehr begierig sein zu hören, welche Antworten wir zu dieser oder jener Frage erhalten.
    Dabei liegt auch uns daran — und ich begrüße es deshalb, daß der Herr Minister im Anfang seiner Ausführungen der sozialdemokratischen Opposition unterstellte, daß sie sich sachlich mit den hier zu erörternden und zu entscheidenden Fragen beschäftigt —, daß ein allgemein volkswirtschaftliches Problem nicht einseitig gesehen wird, sondern daß man sich gemeinsam bemüht, zu einer Lösung zu kommen. In einer angesehenen südwestdeutschen Tageszeitung hat gestern unter der Überschrift „Das Mietenchaos" der Satz gestanden, daß die heutige Debatte um das Mietengesetz heftig zu werden verspreche. Nun, meine Damen und Herren, es gibt sicherlich, wenn man den Regierungsentwurf des Mietengesetzes sehr eingehend betrachtet, eine ganze Reihe von Punkten, in denen wir uns nicht ohne weiteres einig werden können. Aber selbst eine heftige Debatte, wenn sie kommen sollte, braucht ja keine unsachliche Debatte zu sein. Es gibt Meinungsverschiedenheiten, in denen sich nun einmal frontal Stellungnahmen gegenüberstehen, die man nicht ohne weiteres und sofort überbrücken kann. Aber, Herr Bundesminister, es gibt nicht nur die Möglichkeit, daß sich diese oder jene private Organisation in bezug auf Zahlen oder bei der Auslegung der von Ihnen hier vertretenen Bestimmungen irrt, sondern daß sich auch bei der Bundesregierung in dieser oder jener Betrachtung und bei dieser oder jener Regelung Irrtümer einstellen.
    Wir haben bei dieser Vorlage in vielen Punkten nicht nur das Gefühl, sondern die Gewißheit, daß der Ansatzpunkt falsch ist und daß man einen Weg geht, dessen Konsequenzen noch niemand übersehen kann, der aber möglicherweise recht unerfreulich ist und nicht dem Ausgleich der Interessen,sondern einer weiteren Verschärfung von Gegensätzen dient, so daß Mietstreitigkeiten förmlich ausgelöst werden und Händel in die Häuser getragen werden, weil dieses Gesetzeine ganze Reihe von Bestimmungen enthält, Herr Minister, bei deinen von einer absolut formalen Überlegung ausgegangen wird, von der Überlegung nämlich, daß es sich bei Mietverhältnissen um eine Partnerschaft Gleichberechtigter handle. Wenn und solange Wohnungsmangel besteht, wenn und solange uns die Wohnungsnot drückt, gibt es keine wirklich gleichberechtigten Partner; da steht der Mieter am unteren Ende, er muß als der Schwächere unter Umständen sogar um Gnade bitten.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.) Das ist eine Alltagstatsache.


    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Das kann doch gar nichtgeleugnet werden.. Darin
    liegt gar kein Vorwurf gegen Hausbesitzer, sondern

    (Abg. Pelster: Sagen Sie dias den sozialdemokratischen Hausbesitzern!)

    — verzeihen Sie; das muß man doch ganz leidenschaftslos sehen können — idas ist die Feststellung einer Realität. Wenn hier die Möglichkeit geboten wird, eine freie Mietvereinbarung zu schaffen, wie § 3 des Gesetzentwurfs es vorsieht, dann ist es eben nicht richtig, zu glauben, daß hier nicht unter Umständen aus der Situation heraus ein gewisser Druck auf dem Mieter liegt, der um des lieben Friedens willen Bedingungen akzeptiert, die er sonst nicht akzeptieren würde.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es ist und bleibt ein Unterschied, ob ich in einer Marktwirtschaft mir Ware suchen kann, unter Umständen einem höheren Preis durch andere geeignete Ware ausweichen kann oder ob ich an eine Wohnung festgekettet bin, aus der ich lieber heute als morgen herausgehen möchte, schon um Streit zu vermeiden. So gut es unwillige Mieter gibt, so gut es Mieter gibt, denen dieser oder jener Vorwurf zu machen ist, so gut gibt es Vermieter, denen gegenüber auch manche Kritik notwendig ist. Wir sollten doch hier nicht harmonisieren, wir sollten nicht generalisieren, aber wir sollten auch effektive Tatsachen nicht übersehen, die Tatsache z. B., daß es leine echte, wenn Sie so wollen, Gleichberechtigung, eine gleiche Partnerschaft von Vermietern und Mietern so lange nicht gibt, wie für den Mieter nicht die Möglichkeit ,besteht, sich nach seinem Gutdünken und nach seiner freien Entscheidung eine andere Wohnung zu suchen.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Das hat die Bundesregierung nicht erkannt, und deshalb ist der Ausgangspunkt mancher der von ihr vorgesehenen Regelungen absolut schief.

    (Abg. Lücke: Herr Kollege Jacobi, da machen wir künftig also möglichst viele Mieter zu Eigentümern; dann ist die Frage gelöst!)

    — Lieber Herr Kollege Lücke, wenn es so einfach wäre, das Problem mit einer solchen Formel zu lösen, dann wäre es sehr schön. Selbstverständlich haben Sie völlig recht. Es ist niemals ein Idealzustand gewesen, daß die Wohnung als Mietsache von jemandem gebraucht werden mußte, der einen Hausbesitzer darum bitten mußte, als Vertragspartner anerkannt zu werden. Es wäre wundervoll


    (Jacobi)

    in dieser Welt, wenn kein Mensch mehr Mieter zu sein brauchte, sondern wenn er Eigentümer seiner Wohnung wäre. Wenn es noch stärkere Möglichkeiten gibt, zu diesem Ziel zu kommen, als wir sie hier bisher schon versucht haben, werden Sie unserer Unterstützung stets sicher sein.
    Aber so weit sind wir noch nicht. Sie haben ja die Zahlen gehört. Millionen von Wohnungen werden von diesem Gesetz betroffen, und da sollten wir nüchtern und sachlich untersuchen, was für Regelungen denn dieses Gesetz eigentlich bringt. Ich will es mir versagen, an dieser Stelle auf Einzelbestimmungen einzugehen. Im Laufe der Diskussion werden einige meiner Freunde zu dieser oder jener speziellen Frage Stellung nehmen. Aber ich darf darauf hinweisen — das ist übrigens auch schon durch die Ausführungen des Herrn Bundeswohnungsministers geschehen —, daß es doch eine ganze Reihe von Punkten gibt, die der sorgfältigen Prüfung bedürfen und die nicht nur uns e r e Kritik finden, sondern die auch vom Bundesrat kritisiert worden sind, die beispielsweise im bayerischen Aufbaurat Kritik fanden und die bei den kommunalen Spitzenverbänden zur Zeit sehr sorgfältig daraufhin geprüft werden, ob sie nicht in dieser oder jener Beziehung unter allen Umständen der Änderung bedürfen.
    Es gibt eine vielfältige Problematik. Ganz so einfach und harmonisch, wie der Herr Bundeswohnungsminister diesen Gesetzentwurf auch in seinen Konsequenzen hier dargelegt hat, sind die Dinge nun leider nicht. Wir haben bei der ersten Prüfung des Gesetzentwurfs uns Sorge darüber gemacht, ob hier nicht die Wohnraumbewirtschaftung als ein sozial zunächst noch unerläßliches Regulativ praktisch auf kaltem Wege illusorisch gemacht wird. Wir haben die Sorge, daß z. B. in weitgehendem Umfang die Frage der Mietbeihilfen im Wege des Abschiebens auf die Landes- und Kreisfürsorgeverbände gelöst wird; dazu sagte ich schon einiges. Wir haben die Sorge, daß große Schichten, z. B. die Untermieter, möglicherweise recht- und schutzlos werden. Herr Bundeswohnungsminister, wir haben das Gefühl, daß eine ganze Reihe von Zahlen in Ihrer Statistik ebenfalls einer sehr sorgfältigen Nachprüfung bedürfen, daß sie, um es vorsichtig auszudrücken, schöngefärbt sind. Ich will hier auf Einzelheiten nicht eingehen. Ich habe umfangreiches Material zur Hand, das bei den Ausschußberatungen zur Verfügung steht.
    Was ich aber an diesem Entwurf besonders bedaure, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die absolute Verquickung von öffentlichem und privatem Recht, die sich hier findet, ohne daß das notwendig gewesen wäre. Es werden Bestimmungen des Mieterschutzgesetzes, des BGB, des Geschäftsraummietengesetzes und des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes geändert. Dabei befindet sich heute schon kein Hausbesitzer und kein Mieter mehr in der Lage, die zulässige Miete zu berechnen. Wir haben ein derartiges Durcheinander, einen derartigen Wirrwarr, ein derartiges Chaos der verschiedenen Mietenbestimmungen, daß kaum noch ein Spezialjurist in der Lage ist, auszurechnen, was die preisrechtlich zulässige Miete ist. Das wird leider auch durch dieses Gesetz nicht verbessert, sondern es schafft nach dieser Richtung hin weitere Erschwerungen.
    Auf Seite 18 der Begründung wird davon gesprochen, daß dieses Gesetz der Bereinigung und
    Vereinfachung des Mietpreisrechts diene. Ich werde Ihnen zum Schluß einmal bildhaft zeigen, wo diese Bereinigung endet und wieviel Bestimmungen noch weiterhin anzuwenden sind, über die man sich informieren muß, was dem Laien, ja selbst dem normalen Juristen nicht mehr möglich ist.
    Lassen Sie mich zum Abschluß dieser ersten allgemeinen Bemerkungen dem Herrn Bundeswohnungsminister jedoch auch ein Wort des Dankes sagen. Es bezieht sich auf seine vorhin schon erwähnten Darlegungen, die der Opposition unterstellen, daß sie bereit ist, an der Beratung dieser Fragen sachlich mitzuwirken. Das klingt ein wenig besser als manche Sentenz, die uns gewisse Kreise des organisierten Haus- und Grundbesitzes seit Jahren immer wieder servieren. Ich habe gerade vor wenigen Tagen ein Zeitschrift des Grund- und Hausbesitzes, und zwar die „Nürnberg-Fürther Hausbesitzerzeitung" in die Hände bekommen. Da ist nicht davon die Rede, daß sich die Opposition seit Jahren bemüht, die Mietenreform als eine Notwendigkeit zu erklären, und ihre Bereitschaft zu erkennen gibt, leidenschaftslos an die Erörterung und Lösung der Mietpreisfragen heranzugehen. Da heißt es hinsichtlich der Regierungsvorlage, daß sie nun endlich verabschiedet werden müsse, und wörtlich — ich darf es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren — liest man:
    Dies setzt natürlich voraus, daß nicht im Ausschuß von Gegnern des Mietengesetzes und der privaten Hausbesitzer überhaupt, also von den Sozialdemokraten oder den Arbeitnehmervertretern der CDU,

    (Pfui-Rufe von der SPD)

    neue Berge von Schwierigkeiten aufgetürmt werden.
    Das ist doch eine törichte Art, in diesem Parlament so oder so Stimmung zu machen. Es ist doch völlig unsinnig, die Gleichung aufzustellen, daß ein Gegner dieser oder jener Bestimmung des Mietengesetzes zugleich Gegner des privaten Hausbesitzes sein müsse. Es ist völlig unsinnig, davon auszugehen, daß es nun ausgerechnet ein Sozialdemokrat oder ein Arbeitnehmervertreter der CDU sein muß, der bei Prüfung dieses Gesetzes in diesem oder jenem Punkte ein Haar in der Suppe, der Bedenken, der Fehler findet. Wir sollten uns doch hüten, so schwierige Fragen in dieser Weise zu behandeln.
    Aber diese Art der Betrachtung liegt auf der Linie jenes Briefes, den der Herr Präsident des Zentralverbandes der deutschen Haus- und Grundbesitzer e. V., Herr Dr. Handschumacher, am 20. November 1954 an den Herrn Bundeskanzler gerichtet hat. Darin hat er klar und deutlich zu verstehen gegeben, daß es ihm weniger darauf ankommt, eine sachlich notwendige Lösung zu betreiben, sondern daß er ein Wahlversprechen eingelöst sehen will. Und er droht damit, wenn dem nicht entsprochen wird — er weist auf Herrn Drewitz und auf Bemühungen hin, neue Wirtschaftsparteien oder ähnliche Gruppen zu gründen —, mit seiner Organisation gewisse politische Konsequenzen zu ziehen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte nicht nur gelegentlich nach einer Seite schielen, wenn man vom Druck auf Parlamente und auf bestimmte Parteien spricht,

    (Sehr gut! beim GB/BHE)



    (Jacobi)

    sondern man sollte sorgfältig darauf achten, daß das im Grunde genommen nirgendwo als ein zulässiges Mittel der Einwirkung angesehen werden sollte, wenn es um schwierige, von uns allen zu lösende Fragen geht. Wir möchten jedenfalls nicht in dieselbe Kerbe hauen. Wir möchten nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß uns die Hausbesitzer nichts angehen. Wir wissen, daß es Althausbesitz gibt, der sich in einer Notlage befindet, und wir wissen, daß uns niemand die Verpflichtung abnimmt, auch an diese Notlage zu denken und nach Maßnahmen zu suchen, die geeignet sind, diese Notlage zu beheben. Hier gilt keine Schwarz-weiß-Malerei. Es handelt sich um einen vielschichtigen sozial- und wirtschaftspolitisch eng miteinander verzahnten Gesamtkomplex, den wir so oder so zu lösen haben.
    Ich fürchte jedoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Entwurf, mit dem wir es zu tun haben, in mancherlei Hinsicht wesentlicher Korrekturen bedarf, um ihn überhaupt brauchbar zu machen. Lassen Sie mich zum Schluß nur eine Bemerkung anfügen, die Ihnen deutlich macht, daß eigentlich niemand berechtigt ist, diesen Entwurf als eine besonders glückliche Lösung anzusehen. Ich habe mich außerordentlich gewundert, in der Begründung — ich glaube, es steht auf Seite 18 — einen Satz zu finden, der besagt, daß der Gesetzentwurf unter anderem darauf abzielt, „eine Bereinigung und Vereinfachung des Mietpreisrechts herbeizuführen".
    Wir finden in dem Entwurf leider nicht eine Mietreform, wie wir sie schon vor Jahren verlangt haben. Wir sehen in ihm kein Gesetz, das für Mieter und Vermieter verständlich ist und für die Gerichte und Behörden ohne wesentliche Mehrbelastung anwendbar erscheint. Wir vermissen eine ganze Reihe von Regelungen. Vor allen Dingen fehlt eine Regelung, die das Zuschlagssystem weitgehend in eine neue Grundmiete einbezieht. Denn neben den Mieten, die in Zukunft möglich sein sollen, bleiben die zahlreichen Zuschläge bestehen, so daß nach wie vor kein Mensch weiß, wie er sich nun eigentlich über die Zulässigkeit der von ihm geforderten Miete orientieren kann. Das Mietpreisrecht mit seiner Verstreutheit bleibt aufrechterhalten. Wir finden auch keine Regelung hinsichtlich der Mietbeihilfen, die uns objektiv und subjektiv ausreichend erscheint. Wir glauben nicht, daß der Bund es sich so billig machen kann, wie er es mit dem Gesetzentwurf tut.
    Wenn dieser Entwurf eine echte Hilfe für den Hausbesitz darstellen soll, dann hätte die Bundesregierung den Mut aufbringen müssen, um den weiteren Verfall des Hausbesitzes aufzuhalten, den Vorschlag zu machen, auf die Dauer von mehreren Jahren einen entsprechenden Betrag von vielleicht 50 Millionen DM jährlich im Haushalt zur Gewährung von zinsverbilligten Instandsetzungsdarlehen bereitzustellen. Das wäre ein wirklich konstruktiver Weg, der garantieren würde, daß etwas Entscheidendes gegen den Verfall des Hausbesitzes geschieht. In dieser Vorlage findet sich nur eine vage Hoffnung, daß die Mieterhöhungen, die dazu noch schematisch, die pauschal vorgeschlagen werden, für die Erhaltung des Althausbesitzes verwendet werden.
    Das Allerletzte, was ich hinsichtlich der Unübersichtbarkeit zu sagen habe, soll Ihnen an Hand einer Aufzeichnung gezeigt werden, die Ihnen begreiflich zu machen versucht, wieviel Bestimmungen für den Fall des Inkrafttretens dieses Bundesmietengesetzes noch aufrechterhalten bleiben. Wenn Sie einen Blick auf die Rolle hier werfen, in der Sie die Aufzeichnungen finden, dann werden Sie mir zugeben müssen: weniger wäre mehr gewesen. Es wäre nach Jahren der Vorarbeit fraglos möglich gewesen, ein Bundesmietengesetz vorzuschlagen, das für den normalen Sterblichen verständlich ist und das nicht auf eine solche Fülle von Einzelbestimmungen verweist, die noch daneben zu berücksichtigen sind. — Ich darf zwei Kollegen meiner Fraktion bitten, mir beim Entfalten der Rolle behilflich zu sein; sie hat 6 Meter.

    (Heiterkeit.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ist kein Wort textiert, das nicht notwendig wäre; das sind lediglich Vorschriften, Erlasse, Verordnungen und Gesetzesbestimmungen, die neben dem Bundesmietengesetz weiterhin in Kraft bleiben. Machen Sie mir klar, wie es möglich sein soll — —

    (Zunehmende Heiterkeit. — Abg. Dr. Hellwig: Leider ist heute keine Fernsehübertragung!)

    — Vielen Dank, Herr Dr. Hellwig! Wenn ich so hübsch wäre wie Sie, hätte ich Wert auf eine Fernsehübertragung gelegt.

    (Große Heiterkeit.)

    Lassen Sie mich mit der Bemerkung schließen, daß wir bei der ersten Prüfung dieses Entwurfs unsere tiefe Enttäuschung zum Ausdruck bringen müssen, daß wir uns aber bei der bevorstehenden Ausschußarbeit bemühen werden, sachlich zur Klärung der Fragen beizutragen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Brönner.

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    Rede von Dr. Josef Brönner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der CDU/CSU-Fraktion aus habe ich die Aufgabe, zu den Grundgedanken des Gesetzentwurfs Stellung zu nehmen. Zunächst darf ich eine Anerkennung gegenüber dem Wohnungsbauministerium aussprechen, das in dem Gesetzentwurf, in der Begründung und in den statistischen Anlagen eine hervorragende Arbeit geleistet hat.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wer diese 40 Seiten der Begründung aufmerksam liest, hat den Eindruck, daß hier jedes Problem tiefgründig und allseitig angefaßt, unter die Lupe genommen und erläutert wurde.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Herr Wohnungsbauminister hat ferner in seinem eben gehaltenen Vortrag den Beweis geliefert, daß er keiner Frage ausgewichen ist, daß er den Problemen nachgegangen ist, daß er Licht- und Schattenseiten herausgestellt und damit die Grundlagen für die eingehende Beratung in unserem Ausschuß gegeben hat, wo ja das Gesetz seine letzte Form erhalten wird.
    Wir wollen diesen Gesetzentwurf weder verhimmeln noch herabsetzen. Er hat seine Lichtseiten, er gibt auch zu Bedenken Anlaß. Ob wir an die Erhöhung der Pauschalmieten über 10 %, an die Kostenvergleichsmiete, an das neue Mietpreisrecht oder an die Mietbeihilfen denken, überall treten Fragen auf, und es wird einer sehr 'eingehenden


    (Dr. Brönner)

    Beratung bedürfen, um hier tragbare Lösungen zu finden, die eines Tages dem Plenum als Antrag des Ausschusses vorgetragen werden.
    Ich darf also kurz zu den Grundgedanken Stellung nehmen, um darzulegen, wie die CDU/CSU-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf steht. Meine Freunde und ichwollen diesen Gesetzentwurf ausgerichtet sehen auf die Erhaltung und Verbesserung der Altbauwohnungen. Ich stelle das heraus. Wir haben bei dem Gesetz den wohnungsuchenden Menschen vor Augen, der darauf wartet, irgendwo unterzukommen, und den Menschen, der heute noch in einer etwas heruntergekommenen Wohnung hausen muß. Das andere, daß nämlich der Vermieter in den Stand gesetzt werden soll, die Ausgaben zu machen, um sein Haus zu erhalten, um die Wohnungen zu verbessern, das ist ein Mittel auf dem Wege zum Ziel. Unser Ziel ist nicht an erster Stelle, den Vermietern höhere Einnahmen zu verschaffen. Unser Ziel ist an erster Stelle, den wohnungsuchenden Menschen die Wohnungen zu sichern und denen, die schlecht untergebracht sind, eine bessere Wohnung zu verschaffen, indem der Vermieter in den Stand gesetzt wird, durch etwas höhere Mieteinnahmen auch die Wohnungsverhältnisse zu verbessern.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Zunächst steht fest, daß die Eigentümer von alten Miethäusern nicht imstande waren, mit den bisherigen Mieterträgen die Kosten der notwendigen Instandsetzung zu bezahlen.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

    Wenn wir dazu noch an die Kriegssachschäden an den Häusern denken, wenn wir erwägen, daß, wie eben 'erklärt worden ist, eine Steigerung der Instandsetzungskosten auf 235 % feststeht und die Mieten dabei gleich geblieben sind, mit Ausnahme der Uraltmieten, die im Jahre 1952 um 10 % erhöht worden sind, also im Grunde genommen aufrechterhalten wurden, dann muß man schon sagen: Es ist einfach unmöglich gewesen, bei diesen Zwangsmieten die Häuser nach innen und außen zu erhalten und die Wohnungen so zu verbessern, wie wir es für richtig halten. Der Rohüberschuß an Mieterträgen ging also zurück, die öffentlichen Abgaben, die Verwaltungskosten, mußten an erster Stelle bezahlt werden, und darunter litt dann die Instandsetzung. Die Folge davon sind der Zerfall von Miethäusern und die Verschlechterung der Wohnungen.

    (Belastungen hinzu, nämlich die Hypothekengewinnabgabe und die Soforthilfe, jetzt Vermögensabgabe.. Der Hausbesitzer, der mit Hypotheken !belastet war, muß von der Währungsreform an das Geld, das früher minderwertig gewesen ist, mit hochwertiger Aufwertung 1 : 1 an Zinsen und Tilgungen zurückzahlen. Zweitens muß er 50 % des Einheitswertes — mit Ausnahme von kleinen Vermögen — verzinsen und zahlen. Er hat keine Möglichkeit, auch nur die Zinsen auf die Mieten umzulegen. Diese beiden Tatsachen verschlechtern die Lage der Hausbesitzer weiter und machen es ihnen noch schwerer, die erforderlichen Instandsetzungskosten aufzubringen. Wer sind nun eigentlich die Hausbesitzer, um die es sich dreht? Zwei Fünftel der Miethausbesitzer sind Pensionäre, Rentner und andere alleinstehende Personen. Die übrigen drei Fünftel sind Wohnungsunternehmungen und Gesellschaften. Wir wissen, daß die privaten Hausbesitzer ihr Leben lang sparen und schaffen und auf Genüsse verzichten, um sich eine Altersversorgung in einem Mietshaus zu verschaffen. Diese Leute haben ein Anrecht darauf, daß sie endlich zu ihrem Recht kommen — verglichen mit dem Recht, das ein anderer an seinem Eigentum in unserer Wirtschaft besitzt. Dazu kommt der Substanzund Eigentumsverlust. Die Wohnungsgebäude in der Bundesrepublik hatten vor dem zweiten Weltkrieg einen Wert von zirka 100 Milliarden Mark. Die Substanzverluste seit 1939 sind nicht bekannt. Es ist aber widersinnig — und der Herr Minister hat es in seiner Rede nachdrücklich betont —, jährlich 2,5 bis 2,7 Milliarden in den Wohnungsneubau hineinzustekken und die Altwohnungsbauten zerfallen zu lassen. Das kann sich keine vernünftige Staatsund Volkswirtschaft leisten. Für den Hausbesitzer gab es vor 'der Währungsreform auch keinen Schwarzmarkt. Für den Hausbesitzer gab es bei der Währungsreform auch kein Warenlager. Der Hausbesitzer muß wie der Lohnsteuerpflichtige gegenüber den Finanzamt seine Karten — seine Einnahmen und seine Ausgaben — offenlegen. Hier ist er ohnmächtig. Daher hatte er nicht die Möglichkeit, in der Zeit vor der Währungsreform eine gewisse Vorsorge zu treffen. Er hat für seine Mieteinnahmen überhaupt keine Reparaturen mehr bekommen, wenn er nicht auf anderem Wege etwas Materielles zu bieten hatte. Das ist die Lage des Hausbesitzers seit 15 Jahren. Es kam aber noch etwas hinzu. Durch die Vergewaltigung der Hausbesitzer wurde nämlich die Hochachtung vor dem Eigentum vernichtet. Er ist nichtmehr Herr über sein Haus und über seine Wohnung; man setzt ihm hinein, wen man will; man diktiert ihm die Mieten. Glauben Sie, daß bei einer solchen Verwaltung irgend jemand sich bewogen fühlt, in ein Miethaus Geld hineinzustecken und damit die Wohnungsnot zu verringern? Und wir hätten allen Grund, das Privatkapital in den Wohnungsbau zu locken, damit mehr gebaut wird; denn nur durch Mehrbau können wir (die Wohnungsnot verringern. Wir wollen also für den Hausbesitzer einen Ausgleich der Rechte und Pflichten, und wir wollen eine Achtung vor dem Eigentum. Das Eigentum verpflichtet; aber im Grundgesetz ist auch das Eigentum gewährleistet. Man kann in einer Wirtschaft nicht nur einseitig dem Hauseigentum die Opfer zumuten, die an sich die Fürsorge zu tragen hätte, und im übrigen eine freie Marktwirtschaft durchführen. Wir wollen gerade durch unser Wohnungsbauund Familienheimgesetz den Gedanken des Eigentums weiter unterstreichen, weil wir immer wieder auf den wohnungszechenden Menschen sehen und nicht an erster Steile auf denjenigen, der das Haus besitzt. Diese schlechte Stellung ides Hausbesitzers hat also eine Reihe von Schattenseiten, die wir uns auf die Dauer einfach nicht leisten können. Wir haben allen Grund, auch dafür zu sorgen, daß nach und nach — schrittweise, nicht plötzlich — eine gewisse Rentabilität des Hausbesitzes erreicht wird, nicht so sehr des Hausbesitzers als der Wohnungen wegen, auf die es uns ankommt. Selbstverständlich können wir die Mietpreise heute noch nicht frei geben. Das muß auch der Hausbesitzer in Kauf nehmen. Solange kein ausgeglichener Wohnungsmarkt da ist, würden ja dann nur die einkommenstarken Familien eine ordentliche Wohnung bekommen, und die Mietpreise würden über Gebühr hinaufschnellen. Wir brauchen also diese Mietregelung noch für einige Jahre. In der Zwischenzeit müssen wir vielleicht noch 3 Millionen Wohnungen erstellen, bis wir zu einem Markt kommen, bei dem auch die Mietpreise freigegeben werden können. Die Mietzuschüsse sind, wie Sie gehört haben, für alle Wohnungen vorgesehen, die bis zum Jahre 1924 und bis zur Währungsreform erstellt wurden. Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen; sie sind vom Herrn Bundeswohnungsbauminister klar und eingehend dargelegt worden. Zunächst wäre festzustellen, bis zu welchem Durchschnittsbetrag die Altund die Zwischenkriegsmieten steigen. Es wurde dargelegt, daß es sich im Durchschnitt um einen monatlichen Zuschlag von etwa 4 Mark pro Mietwohnung handelt oder um einen Durchschnitt von 1 bis 2 % des Einkommens. Die Mieten werden von einem großen Teil der Mieter getragen werden können. Da, wo sie nicht getragen werden können, sind die Mietbeihilfen vorgesehen. Ich hoffe, daß auch der Ausschuß eine Regelung finden wird, die einerseits den einkommensschwachen Mietern hilft und auf der anderen Seite auch sicherstellt, daß die dafür notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Ich komme zum Schluß. Der Gesetzentwurf ist sehr umkämpft. Eine große Reihe von Fragen sind ungeklärt. Eben hat Kollege Jacobi zwei Gedanken angeführt, die ich nur kurz streifen will. Einmal: Es besteht keine Garantie, daß die Mehrbeträge aus den Mieten tatsächlich für die Instandsetzung aufgewendet werden. Wir können hier natürlich keinen Beweis liefern, daß dies mit jedem Pfennig geschieht. Aber der natürliche, einfache, gesunde Sinn eines Hausbesitzers geht dahin, daß er sein Anwesen erhält, daß er nicht bloß für einige Jahre, sondern für sich und seine Kinder dieses Haus ertragreich erhält. Wir halten daher eine gesetzliche Regelung für ,die Abzweigung der Mietbeträge und zur Zwangsanlage für die Instandsetzung nicht für notwendig. Auch der andere Gesichtspunkt darf nicht unerwähnt bleiben, den Herr Kollege Jacobi in die Worte gekleidet hat: Der Mieter ist der schwächere Partner. Da stimmen wir ihm zu. Aber bisher war der Vermieter der schwächere Partner. Dem Vermieter hat man diktiert, wen er nehmen muß; man hat ihm diktiert, welche Miete er nehmen darf. Auch jetzt noch bleibt dieses Diktat in hohem Maße aufrechterhalten, weil jeder sich gegen eine Miete beschweren kann, auch wenn er sie mit dem Vermieter frei vereinbart hat. Das ist die jetzige Realität, und das wird auch noch einige Jahre so bleiben. Wir denken nicht daran, solange der Wohnungsmarkt nicht ausgeglichen ist, hier für eine Freiheit der Mietpreise einzutreten. Herr Kollege Jacobi hat erklärt, daß die Opposition genau so wie die Koalition bereit ist, hier einen Ausgleich der Interessen zu erstreben. Da sind nicht allein die Vermieter maßgebend und nicht allein die Mieter. Da dreht es sich darum, den Hausbesitz zu erhalten und damit den wohnungsuchenden Menschen zu dienen. Wir werden als Vertreter der CDU/CSU im Wohnungsbauausschuß mit der Opposition gemeinsam und versöhnend verhandeln und beraten, und wir hoffen, daß wir auch diesen Gesetzentwurf ähnlich wie das Erste Wohnungsbaugesetz geschlossen und einstimmig eines Tages über die Bühne des Plenums bringen. Das Wort hat der Abgeordnete Wirths. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Jahren schon haben sich sehr viele Leute über „unzureichende" Gesetzentwürfe der Bundesregierung beschwert. Wir haben uns das angehört. Es waren in der Hauptsache die Interessentenhaufen, die Wirtschaftsverbände und was weiß ich. Bei diesem Gesetzentwurf ist das auch der Fall gewesen. Das wäre alles nicht so schlimm geworden, Herr Kollege Jacobi, wenn wir etwa den Brief des Herrn Handschumacher, den Sie zitiert haben, genau so gewertet hätten wie die Eingaben und Veröffentlichungen der Mietervereine. Wir nehmen die sachlichen Argumente zur Kenntnis, verwerten sie bei unseren Ausschußberatungen, und alles, was unsachlich ist, was von diesen Seiten kommt, lehnen wir ab. Aber warum ist in dieser Frage die Diskussion so unerfreulich geworden? Ich glaube, das liegt zu einem erheblichen Teil daran, daß in den Verhandlungen des Bundesrates die Dinge nicht objektiv gesehen worden sind und daß der Bundesrat sich nicht die Mühe gemacht hat, wirklich einmal hinter das Problem zu sehen. Er hat zwar nicht weniger als sechs Ausschüsse eingespannt und mitwirken lassen, und ich nehme an, daß in diesen sechs Ausschüssen so ungefähr die Hälfte der vereinigten Länderbürokratie tätig gewesen ist. Dann hat der Bundesrat die Sache in sein Plenum gebracht. Ich habe geglaubt, mir das, wie ich meinte, Vergnügen machen zu sollen, einmal eine solche Plenarsitzung anzuhören. Ich muß Ihnen gestehen, meine Damen und Herren: als ich herauskam, stellte ich fest, es ist kein Vergnügen' gewesen. Es gibt da keine Diskussion. Da werden Anträge gestellt; die kennt man nicht, die liegen irgendwo, die sind vorher besprochen worden, und nachher bei der Abstimmung werden sie alle samt und sonders abgelehnt. Da übernimmt ein Landesminister — in diesem Fall waren es sogar zwei — die Berichterstattung. Das ist dann das, was sich die Länderbürokratie in den Ausschüssen erarbeitet hat. Da geht ein Landesminister her — er sitzt nicht auf der Bank des Bundesrates, hier sitzt nur Herr Weyer; den kenne ich; der macht solche Rechenkunststücke nicht, der kann besser rechnen und nachrechnen als sein Kollege — und gibt Zahlenbeispiele, erklärt aber dann: Ich habe noch eine Reihe von Zahlenbeispielen vorliegen, aber die will ich jetzt nicht bringen, zumal ich sie bei meiner schlechten Zensur in Mathematik selber nicht genau nachprüfen konnte. (Abg. Jacobi: Ist ein ehrlicher Kerl gewesen!)


    (Sehr richtig! in der Mitte.)


    (Dr. Brönner)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)