Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bloß noch einige wenige Worte zum sachlichen Inhalt des Gesetzes sagen.
Von diesem Ersten Bundesmietengesetz, das uns heute präsentiert wird, müssen wir, die wir uns mit der Wohnungswirtschaft und mit den Mieten befassen, sagen, daß wir enttäuscht sind, und zwar deshalb, weil, wenn man sich intensiv mit den Dingen befaßt, man sich am Ende fragt: wie soll der Hausbesitzer und wie soll der Mieter auf Grund des Gesetzes mit den verschlungenen und verkoppelten Bestimmungen selbständig seine Miete berechnen? Es ist doch so, daß jeder, sowohl der Hausbesitzer wie der Mieter, erwartet hatte, daß der Mietenwirrwarr, der uns heute bedrückt, einigermaßen entflochten werde. Ich hätte erwartet, daß man in der langen Zeit, die man zur Bearbeitung dieses Bundesmietengesetzes benötigt hat, es verstanden hätte, die Gesetze, Rechtsverordnungen usw., die noch gültig sind, in dieses Gesetz hineinzuarbeiten, damit am Ende des Gesetzes ein Paragraph steht, der sagt, was alles aufgehoben wird, und es nicht notwendig ist, zusammenzustellen, was noch Gültigkeit hat. Vielleicht ist es noch eine kleine Demonstration, wenn ich Ihnen sage, daß ich hier im Bundeshaus, wo eine gute Bibliothek zur Verfügung steht, über einen Tag gebraucht habe, um all die gültigen Gesetze und Verordnungen zusammenzutragen. Und dabei bin ich noch gar nicht einmal dazu gekommen, sie daraufhin durchzuarbeiten, ob nicht auf noch ältere Jahrgänge als zwei Jahrzehnte zurück Bezug genommen ist. Das ist eigentlich die grundsätzliche und sachliche Kritik, die an dem Gesetz geübt werden muß. Und wenn man vielleicht auch sagt, die dicken Bücher seien gar nicht nötig, denn es sei ja nur ein einzelner Paragraph, auf den Bezug genommen werde, so muß man dem entgegenhalten, daß man die dicken Bücher doch holen muß, weil ja die einzelnen Gesetzblätter und Verordnungsblätter, die Jahrzehnte alt sind, in Einzelexemplaren gar nicht mehr zu finden sind. Wenn ich heute meine preisrechtlich zulässige Miete errechnen soll, dann kann ich keine Garantie dafür übernehmen, daß das Errechnete nun auch wirklich stimmt.
Das Schönste ist, daß jetzt neben diesem Bundesmietengesetz das Wirtschaftsministerium bereits eine Verordnung über die Zusammenfassung des Mietpreisrechts für Wohnraum ausgearbeitet hat, die augenblicklich in Umlauf gesetzt ist. Sie ist — ohne jegliche Begründung und ohne jeglichen Kommentar — 24 Seiten stark und hat 56 Paragraphen. Meine Damen und Herren, was uns unter diesen Umständen noch bevorsteht, wenn wir in die Ausschußberatungen gehen, davon kann man sich jetzt also ein kleines Bild machen.
Ich bin eigentlich enttäuscht, daß sich der Herr Bundeswohnungsminister von seiner Bürokratie so hat auf den Leim führen lassen. Ich hatte einen guten Eindruck von der Argumentation des Herrn Bundeswohnungsministers bei der Beratung der einzelnen Entwürfe zum Ersten Wohnungsbaugesetz, bei der der Herr Minister gesagt hat: Wir wollen es vermeiden, eine Unzahl von Gesetzen zu schaffen, sondern wir machen eine Novelle zum bestehenden Gesetz, in der alles drin ist, und wenn irgend etwas in dem Gesetz nicht mehr der Zeit entspricht, dann versuchen wir, das Gesetz zu ändern, das, was nichts mehr taugt, herauszuschmeißen und durch etwas Brauchbares zu ersetzen, damit die Menschen wissen, daß im Wohnungsbaugesetz alles enthalten ist, was den Wohnungsbau angeht.
Für das Bundesmietengesetz habe ich etwas Ähnliches erwartet. Ich habe erwartet, daß alles, was die Wohnung und die Miete bis zur Währungsreform angeht, jetzt in das Bundesmietengesetz hineinkommt, daß der alte Ballast abgestoßen wird und alles, was die Wohnungsneubauten seit der Währungsreform einschließlich der Mieten usw.
betrifft, im Wohnungsbaugesetz geregelt wird. Eigentlich bin ich gereizt, zu diesem Gesetz zu sagen: Herr Bundesminister, nehmen Sie das Ding wieder, schmeißen Sie es in Ihren Papierkorb und sagen Sie Ihrer Bürokratie, daß sie die Arbeit noch einmal von vorn machen soll! Aber ich tue es nicht, weil ich nämlich Angst habe, daß sie dann noch länger braucht, als sie bisher gebraucht hat, und ich denke, daß wir uns dann lieber im Ausschuß bemühen, mit dem Herrn Bundeswohnungsbauminister zum Ziel zu kommen. Vielleicht geht es dann ein bißchen schneller, weil die verschiedenen Meinungen im Ausschuß aufeinanderprallen müssen und das Für und Wider erörtert werden muß. Bei der Bürokratie habe ich immer die Befürchtung, daß sie zu einseitig vorgeht, und wenn ich ganz ehrlich sein soll, muß ich Ihnen sagen: Der einzige Zweck, den ich in dem Gesetz mit dem ganzen Wirrwarr sehe, ist nicht eine Hilfe für den Hausbesitzer und nicht eine Hilfe für den Mieter, sondern eine Arbeitsbeschaffung für Rechtsanwälte und Kommentatoren.
Ich glaube, mit einem solchen Gesetz halten wir weder den Verfall von Wohnungen noch sonst etwas auf, sondern wir streuen dem Hausbesitzer Sand in die Augen. Der Hausbesitzer, der wirklich darauf wartet, durch die Mieterhöhung das Geld zu kriegen, das er braucht, um sein Haus vor dem Verfall zu retten, kann das mit diesen geringen Beträgen gar nicht machen. Wenn er größere Summen braucht, reichen diese Beträge nicht einmal aus, um zu diesem Zweck aufgenommenes Kapital zu verzinsen. Deswegen gehört in dieses Gesetz auch etwas anderes hinein, was auch im Bundeswohnungsbaugesetz, das ich schon einmal als Parallele angezogen habe, steht. Es gehört nämlich hinein, welche Mittel seitens des Bundes aufgewendet werden, um den Althausbesitz zu erhalten. Es ist einfach unmöglich, in den Häusern, an denen zehn Jahre lang, nämlich von 1939 bis 1949, nichts gemacht wurde und nichts gemacht werden konnte, wenn sich der Hausbesitzer nicht auf Schwarzmarktgeschäfte verstanden hat, insbesondere wenn die Häuser zusätzlich noch durch Kriegseinwirkungen gelitten haben, aus Mieterhöhungen von 3 bis 5 DM pro Wohnung diese Generalreparaturen durchzuführen. Ich glaube, da werden mir die Hausbesitzer recht geben. Deswegen ist das eine halbe Arbeit, und deswegen gehört — genau so wie das Wohnungsbaugesetz vorsieht, wieviel Millionen wir für den Neubau aufwenden, was wir für Prämien geben usw. — in dieses Gesetz etwas darüber hinein, was der Bund von sich aus zu tun willens ist, um den Althausbesitz zu erhalten, sonst gehen nämlich die ganzen Spekulationen daneben. Wir werden den Althausbesitz bloß erhalten können, wenn wir unter ähnlichen Bedingungen wie beim Wohnungsneubau für die Erhaltung des volkswirtschaftlich wertvollen Bestandes eintreten; und daß diese Wohnungen volkswirtschaftlich wertvoll sind, wird von keinem bestritten. Da kommen wir einfach nicht drum herum. Sonst ist es ein Flickwerk, was, auf die Dauer gesehen, noch schlechter ist als die formale Art der gesetzgeberischen Arbeit.
Noch etwas anderes, Herr Bundeswohnungsbauminister. Sie haben mich bitter enttäuscht mit Ihrer Begründung für die Tragbarkeit der Mieterhöhung. Schön, wer einen anständigen Beruf hat und gut verdient, für den ist es kein Problem. Aber nehmen wir doch einmal die Erhöhung durch das Rentenmehrbetragsgesetz! Ich muß sagen, ich empfinde es als ein Stück Sadismus, wenn man auf dieses Rentenmehrbetragsgesetz Bezug nimmt. Denn das Rentenmehrbetragsgesetz bringt doch wirklich kleine Erhöhungen. Es ist dazu da gewesen, die Abwertung der Renten, die Abwertung der Beitragszahlungen und die bisher eingetretenen Preiserhöhungen auszugleichen.
Wir haben heute in der Bundesrepublik Durchschnittsrenten von 62,50 DM. Wir haben nur einen geringen Prozentsatz von Leuten, die mehr als eine Rente erhalten. Auch der kleine Rentner mit 60 oder 70 DM Monatseinkommen zahlt doch für seine Wohnung mindestens 20 bis 25 DM im Monat, und nur 10 % Erhöhung machen 2 bis 2,50 DM aus. Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich, daß die Sozialdemokraten bei dem Rentenmehrbetragsgesetz den Antrag gestellt haben, eine Mindesterhöhung von 6 DM für Normalrentner, von 4 DM für Witwen und von 2 DM für Waisen zu geben. Das wurde abgelehnt, weil das zu teuer ist. Das ist doch der Beweis dafür, daß der Durchschnittsrentner weniger als 4 DM Erhöhung im Monat bekommt. Ja, es ist errechnet worden, daß ungefähr 700 000 Rentner nur 1 bis 2 DM Erhöhung im Monat bekommen werden! Wir können damit wohl behaupten, daß rund 1 Million Rentner im Durchschnitt 2 bis 2,50 DM mehr bekommen werden. Ein großer Teil der Rentner wird also mehr an Mieterhöhung zahlen müssen, als ihm das Rentenmehrbetragsgesetz bringt.
Der Erfolg dieses Gesetzes wird sein, daß nicht der Lebensstandard der Rentner und der kleinen Leute gehoben wird, sondern d aß noch eine große Zahl von Menschen, die jetzt mit ein paar Pfennigen über dem Fürsorgestatus liegen, auf den Fürsorgestatus hinabgedrückt werden. Wenn wir als Richtlinie für die Mietzuwendungen, die Sie gewähren wollen, den Fürsorgesatz plus 10 % nehmen, nämlich den Satz, der allgemein bei der Gewährung der Weihnachtsbeihilfen gilt, dann ist das eine neue Barabarei. Denn damit stempeln wir doch die Fürsorgerichtsätze für die armen Leute quasi zum normalen Lebensstandard. Es muß eine Möglichkeit gefunden werden, daß diese Mietbeihilfen nicht erst mit der Fürsorge kommen.
Dann etwas anderes. Die Fürsorgerichtsätze sind in den Landkreisen sehr verschieden. Ich komme jetzt einmal absichtlich in Ihren Versammlungspropagandaton. In Bayern, woher ich komme, haben wir in dem einen Landkreis „gut christliche" Verhältnisse, in dem anderen „marxistische" Verhältnisse. In den Gebieten mit „gut christlichen" Verhältnissen sind die Fürsorgerichtsätze viel niedriger als in den mit „marxistischen".
Das ist nun einmal der Zustand. Ich muß das sagen, um es plastisch zu machen, denn Sie arbeiten ja mit derartigen Argumenten.
Da wir gerade dabei sind: Ich bin bereit, meine Grundsätze, auch in der Frage der Mieterhöhung usw., auch vor den Hausbesitzern zu vertreten. Hoffentlich kriegen die Haus- und Grundbesitzervereine die Genehmigung dazu, daß es mir nicht so geht wie vor der Bauinnung in Coburg, wo ich einmal zu sprechen aufgefordert wurde. Dann kam die höhere Instanz und fragte unten bei der Innung an, ob denn den Herrschaften nicht bekannt sei, daß der Hauffe Mitglied der SPD sei. Solche Dinge ereignen sich nun einmal. Auch wenn sie
Ihnen nicht genehm sind, muß man es von Zeit zu Zeit einmal sagen, damit wir die Plattform finden, um den Gegensatz zu beseitigen. Das soll auch ruhig in eine größere Öffentlichkeit hinauskommen, und auch deshalb, Herr Bundeswohnungsbauminister: Diese sozialen Dinge, die da angesprochen werden, sollen wir uns näher betrachten.
Jetzt noch ein paar Worte zu § 11. Dieser § 11 ist doch der sogenannte Verführungsparagraph für die Länder, einmal mit der Beihilfe anzufangen, um nachher darauf sitzenzubleiben. Schön, wenn aber hier dieser Mietzuschuß bloß einmal gewährt werden soll, dann bin ich wegen der Gesetzessystematik der Meinung, man sollte für diesen einmaligen Zuschuß auch ein besonderes Gesetz machen, das bloß ein Jahr gilt und ausläuft und nicht diese Bestimmung in dem Gesetz zehn Jahre oder länger mitschleppen, obwohl sie gar keine Bedeutung mehr hat. Da soll man es auch insofern einfach machen, dann wird es schöner.
Der Bruchbudenparagraph ist ebenfalls unzulänglich, denn er gestattet praktisch bloß da einzugreifen, wo die Gesundheitspolizei oder die Baupolizei sowieso eingreifen muß.
Der Bundesrat hat eine ganze Menge von Dingen gestrichen, die ihm nicht gefallen. Ich möchte diesen Streichungen zum allergrößten Teil zustimmen, aber dann muß ich dem Herrn Bundeswohnungsbauminister etwas zugestehen: dann hat nämlich sein ganzes Gesetz keinen Sinn und Verstand mehr, weil dann die Hauptglieder daraus fehlen, dann hat es keinen Zusammenhang.
Wenn Sie mich fragen, was wir erwarten, dann kann ich bloß einiges wiederholen, was ich schon gesagt habe, und einiges ergänzen. Wir erwarten
eine Miete, die nicht von der zufälligen Miethöhe an einem Stichtag abhängig ist. Wir erwarten vielmehr eine Miete, die im Verhältnis zum Wert der Wohnung steht. Darüber, wie wir uns das denken, können wir uns im Ausschuß unterhalten. Aber auch in der Marktwirtschaft, glaube ich, gilt der Grundsatz, daß der Wert der angebotenen Ware den Preis bestimmen soll und nicht ein zufälliger Stichtag, der noch dazu aus einer Zwangswirtschaftszeit herausgenommen ist. Sonst ist nämlich der gut dran, der es zufällig fertiggebracht hat, in den letzten Jahren durch mehrfachen Mietwechsel seine Miete heraufzutreiben, während derjenige, der das Pech hat, daß er seinen Mieter 20 oder 30 Jahre in der Wohnung hat, und der bloß einmal den gesetzlichen Zuschlag bekommen hat, den kürzeren zieht. Deswegen ist die Stichtagmiete nicht das richtige Verhältnis, noch dazu, wenn sie lange genug anerkannt ist und dann keine Einspruchmöglichkeit mehr besteht, weil sie eben nachher rechtlich einwandfrei anerkannt werden soll.
Zu der wirklichen Hilfe für den Hausbesitz gehört also, daß mehr geschaffen wird als eine Mieterhöhung, die zur Bestreitung der Kosten, die der Hausbesitz nicht tragen kann, als Hilfestellung gewährt wird. Ich glaube, wenn wir diese Grundsätze bei der Beratung im Ausschuß zugrunde legen, dann werden wir ein Gesetz zustande bringen, das brauchbar ist, das aber wirklich anders aussehen wird als das, das wir heute als formelle Grundlage an den Ausschuß überweisen. Es ist notwendig, daß der Entwurf, da doch finanzielle Dinge in der Vorlage angesprochen sind, auch dem Haushaltsausschuß zugewiesen wird.