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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955 3419 67. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955. Liste der beurlaubten Abgeordneten (Anlage 1) 3451 A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3450 D, 3451 Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rede des Herrn Bundeskanzlers am 3. Dezember 1954 (Drucksache 1055) 3419 D Brandt (Berlin) (SPD), Anfragender 3419 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 3421 C, 3424 D, 3425 B, D Mellies (SPD) 3422 D, 3426 D Lemmer (CDU/CSU) 3423 D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . 3425 B Neumann (SPD) 3425 B Dr. Krone (CDU/CSU) 3426 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts (Erstes Bundesmietengesetz) (Drucksache 1110) 3427 A Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 3427 D, 3449 C Jacobi (SPD) 3435 D, 3450 C Dr. Brönner (CDU/CSU) 3438 D Wirths (FDP) 3440 C Engell (GB/BHE) 3442 B Hauffe (SPD) 3443 B Frau Heise (SPD) 3445 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 3446 B Lücke (CDU/CSU) 3450 D Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . 3450 D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 104$): Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3450 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB vorn 10. September 1953 (Drucksachen 1165, zu 1165) 3451 A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 3452 Beschlußfassung 3451 C Beratung des Antrags der Fraktion des GB/BHE betr. Spende für den Aufbau des Reichstagsgebäudes (Drucksache 807) . 3451 C Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3451 C Nächste Sitzung 3451 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 3451 A Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB (Drucksache zu 1165) 3452 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Geritzmann Hilbert Glüsing Struve Wehner Dr. von Brentano Dr. Dresbach Dr. Bucher Scheuren Dannemann Ollenhauer Maier (Mannheim) Kiesinger Neuburger Knobloch Brese Leibfried Anlage 2 zu Drucksache 1165 (Vgl. S. 3451 A.) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Az. 1 BvL 120/53 — betreffend Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen §187 a StGB vom 10. September 1953 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt I. Die Erste Strafkammer des Landgerichts Traunstein hat geltend gemacht, daß § 187 a StGB zu willkürlichen Erwägungen führe, weil sich nicht abgrenzen lasse, welche Person im politischen Leben des Volkes stehe. Das Landgericht Traunstein sieht deshalb den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durchbrochen, weil Straf vorschriften nicht unbestimmt sein dürften. Es ist richtig, daß eine unbestimmte Strafvorschrift sowohl mit Art. 3 als auch mit Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar wäre. Das Landgericht Traunstein hat jedoch § 187 a StGB irrig ausgelegt und verkannt, daß jeder strafrechtliche Begriff seinem Wesen nach ein Wertbegriff ist. Der Begriff des politischen Lebens in § 187 a StGB ist nicht unbestimmt, sondern bestimmbar, und zwar nicht weniger bestimmbar als entsprechende Rechtsbegriffe des Strafgesetzbuchs. Daß eine Tat in ihrer Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muß, schließt nicht aus, daß die Bestimmbarkeit nach pflichtgemäßem richterlichem Ermessen im Wege der Auslegung zu finden ist. Es gibt im Strafgesetzbuch keinen Begriff, der nicht der Auslegung fähig und sogar bedürftig wäre. Der Grad der Bestimmbarkeit kann hierbei verschieden sein. Es ist sicherlich schwerer bestimmbar, ob ein Mensch heimtückisch oder grausam oder aus niedrigen Beweggründen getötet wurde, während es leichter bestimmbar sein wird, was strafrechtlich eine Sache ist. Schwierigkeiten in der Auslegung heben die Bestimmbarkeit noch nicht auf, solange es möglich ist, einen Rechtsbegriff auf Grund der in langjähriger Übung von der Rechtsprechung und der Rechtslehre gesicherten Auslegungsgrundsätze in seinem Wesensgehalt zu entwickeln. Unbestritten ist der Begriff des Öffentlichen in diesem Sinne ein bestimmbarer Rechtsbegriff. Das Strafgesetzbuch verwendet ihn mehrfach und sogar in verschiedener Bedeutung, weil es jeweils auf den einzelnen Tatbestand und seinen Zusammenhang mit dem Sinn des Gesetzes sowie seinem System ankommt, um richtig verstehen zu können, welchen Sachverhalt der Begriff des Öffentlichen werten und treffen will. Seiner Entstehungsgeschichte nach ist § 187 a StGB keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung der Strafbestimmung in § 1 des 8. Teils im Kapitel III der 4. Notverordnung zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 742). War somit bereits der Begriff des öffentlichen Lebens ein strafrechtlich hinreichend bestimmbarer Rechtsbegriff, der Willkür ausschloß, so muß dies um so mehr für den engeren Begriff des politischen Lebens gelten. Der Begriff des Politischen ist übrigens auch sonst dem Strafrecht nicht unbekannt. Insbesondere findet er sich in einer Reihe von Amnestiegesetzen, so in § 7 des Straffreiheitsgesetzes 1954 vom 17. Juli 1954 (BGBl. I S. 203). Während auch Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Artisten und andere Personen im öffentlichen Leben stehen, sind Personen, die im politischen Leben stehen, ihrer Zahl und Art nach wesentlich enger umgrenzt. Das Landgericht Traunstein irrt, wenn es einen Grund vermißt, warum Personen, die im politischen Leben stehen, einen verstärkten Ehrenschutz genießen sollen. Verfehlt ist insbesondere seine Erwägung, weil der Schritt in das politische Leben freiwillig getan werde, dürfe niemand auf einen verstärkten Ehrenschutz Anspruch erheben, der sich aus eigenem Entschluß der öffentlichen Kritik in verstärktem Maße aussetze. Denn der erhöhte Ehrenschutz wird durch § 187 a StGB den im politischen Leben stehenden Personen ja nicht etwa um ihrer selbst willen zugebilligt, sondern dient dem Schutz der demokratischen Ordnung und des Staatsganzen. Ein demokratischer Rechtsstaat beruht darauf und ist darauf angewiesen, daß sich seine Bürger am politischen Leben beteiligen. Deshalb besteht um der Demokratie willen ein Staatsinteresse daran, diesen selbstverständlich freiwilligen Schritt in das politische Leben zu fördern und zu erleichtern, indem dafür gesorgt wird, daß die Bürger, die sich in besonderem Maße der Politik widmen, nicht als vogelfrei angesehen werden. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik hat sich daher die in der 4. Notverordnung vom 8. Dezember 1931 zum Ausdruck gekommene kriminalpolitische Notwendigkeit ergeben, die im öffentlichen Leben stehenden Bürger wegen der stark erhöhten Gefahr auch mit einem verstärkten Rechtsschutz zu umgeben. Das Landgericht Traunstein deutet § 187 a StGB falsch, indem es behauptet, letzten Endes stehe bereits jeder im politischen Leben, der sich in irgendeiner Form und in irgendeinem Grade mit den Fragen des öffentlichen und politischen Lebens auseinandersetzen müsse. Im politischen Leben stehen vielmehr nur solche Personen, die tatsächlich eine politische Bedeutung erworben haben, die deshalb auf das politische Leben erheblichen Einfluß ausüben, also alle, die sich für eine gewisse Dauer vorwiegend mit Angelegenheiten befassen, die den Staat, seine Verfassung, Gesetzgebung und Verwaltung berühren. (Vgl.: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Sep- (Dr. Arndt) tember 1953 in Strafsachen Bd. 4, S. 338 ff.; ferner Adolf Schönke — 6. Aufl. — in Anm. II zu § 187 a StGB; Richard Lange im Nachtrag zu Kohlrausch-Lange — 40. Aufl. — zu § 187 a StGB; Schaefer im Leipziger Kommentar — 7. Aufl. — Anm. 2 zu § 187 a StGB.) Der Begriff des politischen Lebens läßt es also an der verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmbarkeit nicht fehlen, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung und die wissenschaftlichen Erläuterungswerke beweisen. II. Das Landgericht Traunstein hat ferner geltend gemacht, daß § 187 a StGB deshalb mit dem in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nicht vereinbar sei, weil diese Vorschrift angeblich die Rechtsgenossen in zwei Gruppen teile, nämlich solche, deren Ehre nur den allgemeinen Schutz des § 186 StGB genießt, und solche, deren Ehre durch den weitergehenden Schutz des § 187 a StGB privilegiert werde. Auch diese Erwägung ist rechtsirrig. Verfehlt ist insbesondere der Hinweis des Landgerichts Traunstein, daß nicht nur Personen, die im politischen Leben stehen, einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnen, sondern auch z. B. der Präsident eines Oberlandesgerichts oder ein Wirtschaftsführer. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine Person ihrer Tätigkeit wegen einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnet, sondern ob die Art ihrer Tätigkeit eine wesentlich verstärkte Gefahr mit sich bringt, daß die Person um ihrer Tätigkeit willen in ihrer Ehre öffentlich angegriffen wird. Es ist aber eine geschichtliche Erfahrung, daß die im politischen Leben stehenden Personen infolge der Leidenschaftlichkeit und der besonderen Gefühlsbetontheit der politischen Auseinandersetzungen qualitativ in wesentlich stärkerem und anderem Grade Angriffen auf die Ehre ausgesetzt sind als Personen, deren Arbeit auch mit öffentlicher Anteilnahme verfolgt wird. Im übrigen wird es selbstverständlich jeweils im Strafmaß zum Ausdruck kommen, ob sich eine Ehrverletzung gegen den Präsidenten eines Oberlandesgerichts, einen Behördenleiter, den Chef einer Krankenanstalt oder einen Wirtschaftsführer gerichtet hat, wobei es ohne jeden Zweifel als ein zulässiger Strafzumessungsgrund anzusehen sein wird, daß der öffentlichen Ehrverletzung eine erhöhte und strafverschärfende Bedeutung zukommt, weil sie sich gegen eine Person um der von ihr eingenommenen Stellung willen richtete. Daher wird es nicht als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügt werden können, falls die Beleidigung des Chefs einer großen Krankenanstalt deshalb mit besonderem Nachdruck bestraft wird, weil sie geeignet war, den Verletzten als seiner Stellung unwürdig erscheinen zu lassen und gerade dadurch auch öffentliche Interessen zu gefährden. In Übereinstimmung hiermit kann es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, daß aus diesem sachlichen Grunde der Gesetzgeber eine höhere Mindeststrafe zur Regel gemacht hat, falls der Verletzte im politischen Leben steht und die Tat geeignet ist, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren. Es kann dahingestellt bleiben, ob es statthaft wäre, den verstärkten Ehrenschutz an formale Erfordernisse zu knüpfen, ihn z. B. davon abhängig zu machen, daß der Verletzte das Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft ist. Denn § 187 a StGB hat eine andere Regelung getroffen, indem die Vorschrift einen sachlichen Gesichtspunkt zum Tatbestandsmerkmal für die Veränderung des Strafrahmens erhebt. Es trifft nicht zu, daß § 187 a StGB von sich aus die Bürger in zwei Gruppen einteile, von denen die eine privilegiert wäre. Denn im Zusammenhang mit dem Grundgesetz, insbesondere gerade mit Art. 3, Art. 9 und Art. 38 GG steht es jedermann frei, sich in das politische Leben des Volkes zu stellen. Jeder also wird des verstärkten Ehrenschutzes teilhaftig, sobald er sich dem politischen Leben widmet und aus eigener Kraft darin eine solche Stellung erlangt, wie § 187 a StGB sie voraussetzt. Unausgesprochen scheint den Erwägungen des Landgerichts Traunstein der Fehlschluß zugrunde zu liegen, daß hier durch dieses Gesetz nur eine bestimmte Gruppe von Politikern oder sogar von Abgeordneten sich selbst privilegiert hätte. Das ist nicht der Fall. Nicht an die Person, auch nicht an ein äußeres Merkmal knüpft § 187 a StGB an, sondern einzig und allein an einen materiellen Sachverhalt, der von jedermann verwirklicht werden kann. Geschützt durch diese Vorschrift sind deshalb keineswegs etwa nur Mitglieder des Bundestages oder der Landtage oder Mitglieder einer Regierung, sondern nach der zutreffenden Rechtsprechung z. B. auch Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts oder solche Führer einer politischen Partei, die nicht Abgeordnete sind (vgl. Schaefer, a. a. O.). Maßgeblich ist allein die tatsächliche Stellung in der Wirklichkeit des politischen Lebens und die dadurch bedingte Gefahrerhöhung für die Ehre, wobei der gesetzgeberisch entscheidende Gesichtspunkt bleibt, daß es sich nicht um den Schutz der einzelnen Ehre um ihrer selbst willen handelt, sondern um den Schutz des politischen Lebens vor der Vergiftung durch üble Nachreden und Verleumdungen. Was vielfach übersehen scheint, ist daher, daß zu den Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen, auch die Publizisten gehören, also solche Journalisten und Rundfunk-Kommentatoren, die durch die Art und Dauer ihrer der Politik gewidmeten Tätigkeit einen erheblichen Einfluß auf das öffentliche Leben ausüben. Der Gleichheitsgrundsatz soll Willkür ausschließen. Es darf also nicht ungleich behandelt werden, was gleich ist. Im Falle des § 187 a StGB kann davon jedoch keine Rede sein. Ob eine Person tatsächlich im politischen Leben eine Stellung von solcher Dauer und von solchem Einfluß einnimmt, daß die Voraussetzungen des § 187 a StGB auf sie zutreffen, begründet eine Verschiedenheit in der Gefährdung und im staatspolitischen Interesse an der Abwehr von Rechtsverletzungen. Hier ist eine nach Grad und Wesen sinnvolle Verschiedenheit gegeben, die eine unterschiedliche Behandlung im Gesetz als sachgerecht erscheinen läßt. Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß keineswegs schon jede üble Nachrede, durch die eine im politischen Leben stehende Person in ihrer Ehre verletzt wird, die Anwendung des § 187 a StGB rechtfertigt. Über das Merkmal, daß der Verletzte im politischen Leben stehen muß, hinaus fügt § 187 a Abs. 1 StGB dem Tatbestand des § 186 StGB zwei weitere Tatbestandsmerkmale sachlicher Art hinzu. Denn die üble Nachrede muß erstens aus Beweggründen begangen sein, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und zweitens muß die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken des Verletzten (Dr. Arndt) erheblich zu erschweren. Die höhere Mindeststrafe ist im Unterschied zu § 186 StGB also auch dadurch begründet, daß die Tat eine andere ist, weil sowohl der Vorsatz des Täters als auch die Wirkung seiner Tat zusätzliche Tatbestandsmerkmale erfüllen müssen, die nach dem Ermessen des Gesetzgebers diese Tat als eine besonders schwere und eigenartig qualifizierte kennzeichnen. Bonn, den 9. Februar 1955 Dr. Arndt Berichterstatter
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Herr Kollege Brandt hat einige allgemeine Ausführungen gemacht, denen ich absolut zustimme, und zwar: daß die Wahrheit am höchsten steht.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf links: Ist Ihnen doch unbekannt!)

    Aber, meine Damen und Herren, zur Wahrheit gehört auch, daß man vollständig zitiert

    (Sehr gut! in der Mitte) und daß man richtig zitiert.


    (Sehr richtig! und Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Mommer: Das hatte ich neulich einmal zu beanstanden!)

    — Aber, meine Damen und Herren, ich habe den Redner mit keinem Wort unterbrochen; warten Sie mit Ihrer Kritik, bis ich fertig bin!
    Ich stelle zunächst fest, daß ich niemals gesagt habe — wie Herr Kollege Brandt behauptet —, daß die Sozialdemokratie minderen Wertes sei oder so etwas Ähnliches. Ich habe gesagt — und augenscheinlich liegt Herrn Brandt ja doch der Stenographische Bericht vor —: Stellen Sie sich einmal vor — gegen die Natur muß man sich das vorstellen, meine Damen und Herren —, die Sozialdemokraten würden fegen! — Das habe ich gesagt.

    (Zurufe von der SPD: Ja! Weiter!)

    — Sonst habe ich nichts gesagt!

    (Erneute Zurufe von der SPD: Weiter! Weiter! — Vollständig zitieren, Herr Bundeskanzler! Drehen Sie keine Kurve! — Heiterkeit bei der SPD.)

    — Ich werde schon weiterzitieren, seien Sie ganz ruhig, seien Sie ganz unbesorgt!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, Herr Kollege Brandt hat noch ein anderes Wort zitiert, das ich völlig unterstreiche: daß Berlin eine Stadt sei von einer Struktur, bei der — er hat es nicht wörtlich so gesagt, ich erganze es — eine Zusammenarbeit aller Parteien das einzig Mögliche und das einzig Richtige sei. Ich unterschreibe das durchaus, und ich habe dementsprechend auch gehandelt!
    Aber, meine Damen und Herren, nun will ich
    doch einmal einen Bericht vorlesen, den mir Herr
    Vockel erstattet hat, als ich nach Berlin kam. Er
    hat genau dasselbe vorher dem Kollegen Ollenhauer gesagt. Herr Vockel hat folgendes gesagt:
    Ich habe am 3. Dezember vormittags in einem
    längeren Gespräch mit Herrn Ollenhauer als


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    meine Meinung geäußert, daß ein je nach dem Wahlausfall von der Sozialdemokratie gestellter Regierender Bürgermeister in entscheidenden Fragen der Außenpolitik nicht die krasse Parteilinie in öffentlichen Äußerungen und vor allem auch in den zahlreichen internen Gesprächen mit Vertretern ausländischer Mächte vertreten könne und dürfe, sondern solche Äußerungen auf eine vertretbare Form bringen müsse. Als Beispiel habe ich auf das Verhalten des verstorbenen Regierenden Bürgermeisters Reuter hingewiesen.
    Der als Regierender Bürgermeister von der Sozialdemokratie vorgesehene Dr. Suhr hat, wenn ich nur die letzten Monate berücksichtige, in solchen internen Gesprächen seine außenpolitische Auffassung, welche im ganzen der Auffassung der SPD entsprach, vertreten. Ich habe ihm bei einem derartigen Gespräch mit Herrn Dr. Conant sowie bei einem aus einem anderen Anlaß geführten Gespräch mit den Berliner Stadtkommandanten persönlich widersprochen und die Auffassung der Bundesregierung entgegengestellt. Ich habe diese Äußerungen von Herrn Dr. Suhr in seiner damaligen Stellung als Mitglied der Oppositionspartei in Berlin nicht als besonders tragisch empfunden. Anders ist es selbstverständlich, wenn Herr Dr. Suhr in amtlicher Eigenschaft als Regierender Bürgermeister derartige Auffassungen vertreten würde.

    (Zuruf von der SPD: „Würde"!)

    Herr Ollenhauer hat sich diese meine Bemerkungen ohne Widerspruch angehört, ohne aber auch die Richtigkeit meiner Meinung anzuerkennen. Am gleichen Tage habe ich den Herrn Bundeskanzler über diese meine Unterredung mit Herrn Ollenhauer unterrichtet und dabei dem Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht, daß ich es für richtig halten würde, daß er ein geordnetes Gespräch mit Dr. Suhr führen würde, falls dieser nach der Wahl Regierender Bürgermeister werden sollte. Der Bundeskanzler hat ein solches Gespräch für notwendig gehalten und sich dazu bereit erklärt.
    Ich habe dann in einer Wahlversammlung die Ausführungen gemacht, wie es scheint; ich hatte kein schriftliches Exposé bei mir. Aber es ist ja mitstenographiert worden. Nun hat Herr Kollege Brandt daraus zitiert. Er hat aber übersehen, den letzten Satz zu zitieren. Ich habe gesagt:
    Wie können sie das
    — d. h. Vertrauen und Hilfe zu finden —
    erwarten, wenn sie wissen, daß die offizielle sozialistische Stellungnahme gegenüber der Außenpolitik ist: keine Bündnispolitik!?
    Ich würde es auch für sehr bedauerlich halten, wenn gegenüber irgendwelchen Vertretern der Besatzungsmächte in Berlin — und Berlin, das betone ich, nimmt eine besondere Stellung ein — der heutige sozialistische Standpunkt, mit dem Westen kein Bündnis abzuschließen, betont würde.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich bleibe dabei, daß man nicht z. B. Herrn Dr. Conant oder irgendeinem anderen namhaften amerikanischen oder britischen Politiker gegenüber sagen kann: „Wir wollen keine Bündnisse
    mit dem Westen, aber wir wollen eure Unterstützung".

    (Zurufe von der SPD.)

    Nun möchte ich noch folgendes hinzusetzen. Die Anfrage, die namens der SPD-Fraktion an mich gestellt worden ist, lautet ja ganz anders:

    (Zuruf von der SPD: Eben! Eben!)

    „Wir fragen die Bundesregierung", heißt es da. Was die Bundesregierung mit meiner Rede, die ich als Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands gehalten habe,

    (Zurufe: Aha! und Lachen bei der SPD) zu tun hat, das überlasse ich Ihrem Urteil.


    (Zuruf von der SPD: Billiger ging's nicht!)

    — Sie haben die Bundesregierung gefragt und nicht den Bundeskanzler.

    (Erneute Zurufe und Lachen bei der SPD.)

    Es heißt:
    Auf welchen Mitteilungen der Besatzungsmächte beruht die Behauptung des Herrn Bundeskanzlers am 3. Dezember 1954 in Berlin, wonach ein sozialdemokratischer Senat des Landes Berlin nicht erwarten könne, Vertrauen und Hilfe bei den Besatzungsmächten zu finden?
    Ich habe Ihnen eben gesagt, was ich ausgeführt habe. Ich habe niemals auch nur andeutungsweise gesagt, daß ich mit einem Vertreter der Besatzungsmächte überhaupt ein Wort darüber gesprochen habe. Ich werde mich schwer hüten, etwas Derartiges zu tun.
    Im übrigen wird, glaube ich, die heutige Große Anfrage am besten dadurch beleuchtet, daß zwischen mir und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Herrn Suhr, nach seiner Wahl eine Aussprache stattgefunden hat, die sich gerade auf die außenpolitische Situation Berlins bezogen hat, nicht, wie Herr Brandt eben gesagt hat, auf wirtschaftliche Hilfen — das ist später gewesen —, sondern die sich gerade bezogen hat auf die außenpolitische Haltung Berlins im Hinblick auf seine besondere Situation. Diese Aussprache mit Herrn Suhr hat zur beiderseitigen Zufriedenheit geendet. und Herr Suhr hat erklärt, er werde seine Fraktion bitten, doch diese Anfrage zurückzuziehen.

    (Hört! Hört! und Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage, ob das Wort zur Besprechung gewünscht wird.

(Zustimmung hei der SPD.)

— Es wird Besprechung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Wer wünscht das Wort? — Der Herr Abgeordnete Mellies hat das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wilhelm Mellies


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hätte es begrüßt, wenn eine Aussprache nach der Beantwortung der Großen Anfrage nicht notwendig gewesen wäre.

    (Lachen in der Mitte. — Zuruf von der Mitte: Sie haben es ja selber beantragt!)



    (Mellies)

    — Ich glaube, meine Damen und Herren, es handelt sich hier um eine Angelegenheit, die wirklich sehr ernst ist

    (Beifall bei der SPD)

    und die man nicht mit einfachem Gelächter von Ihrer Seite aus erledigen kann.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Nach der Beantwortung durch den Herrn Bundeskanzler bin ich aber doch gezwungen, namens der sozialdemokratischen Fraktion einige Berner-kungen zu machen. Herr Bundeskanzler, über die Aktion der sozialdemokratischen Fraktion hier im Parlament und über das, was nach ihrer Ansicht vom Standpunkt der Bundesrepublik und der Bundespolitik aus notwendig ist, entscheidet nicht der Regierende Bürgermeister von Berlin, sondern die sozialdemokratische Fraktion hier des Bundestages.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich will mich nicht auseinandersetzen mit Ihrer großen Vereinfachung, die Sie hier wieder vorgenommen haben,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion einfach bedeutet: keine Bündnisse, aber Unterstützung. Damit werden wir uns ja in der nächsten Woche auseinandersetzen, und es wird dann auch hier im Hause klarwerden, daß ein wesentlicher Unterschied besteht, ob man von Militärallianzen oder von Verbindungen und Bündnissen überhaupt spricht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat zwar gesagt, Herr Brandt habe nicht vollständig zitiert. Aber der Satz — ich zitiere nur den einen Teil — „Wie können denn diese Herren im Verkehr mit den Besatzungsmächten erwarten, Vertrauen und Hilfe zu finden" ist doch nun einmal von Ihnen geprägt worden, Herr Bundeskanzler, und ich glaube, in einem besetzten Lande haben wir alle Ursache, darauf zu achten, daß die dem Volke verbliebenen oder durch die Besatzungsmächte wiedergegebenen Rechte nicht gemindert oder verkümmert werden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn gegenüber einer Besatzungsmacht auch nur die Vermutung bestände, daß sie den durch die Wahl ausgesprochenen Willen des Volkes nicht respektieren würde, hätten alle demokratischen Parteien die Pflicht und die Aufgabe, sich in der schärfsten Weise dagegen zu verwahren und dagegen zu protestieren.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sie dürfen überzeugt sein, die Sozialdemokratische
    Partei hätte in einem solchen Fall sofort gewußt,
    was ihre demokratische Pflicht und Aufgabe ist.

    (Beifall bei der SPD. — Lachen in der Mitte.)

    Auf keinen Fall durfte aber doch eine solche Mitteilung verwendet werden, um für die eigene politische Partei einen Vorteil bei der Wahl zu erreichen.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Müller [Bonn]: Ach nee!)

    Das war eine Schädigung der demokratischen Interessen im allgemeinen. — Herr Müller, Sie werden es vielleicht nicht begreifen. Aber das liegt letzten Endes nicht an uns, wenn Sie es nicht begreifen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat hier selbst zum Ausdruck gebracht, daß von den Besatzungsmächten eine solche Meinung nicht geäußert war und daß er auch mit den Besatzungsmächten nicht darüber gesprochen hat. Aber diese Formulierung des Herrn Bundeskanzlers war doch auch eine Beleidigung für die Besatzungsmächte.

    (Beifall bei der SPD. — Lachen in der Mitte.)

    — Ich bedauere außerordentlich, wenn Sie dafür kein Verständnis haben. Denn darin liegt doch, daß der Herr Bundeskanzler den Besatzungsmächten zutraut, sie würden den durch die Wahl geäußerten demokratischen Willen des Volkes nicht respektieren.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Nicht behauptet!)

    Ich glaube, diese Dinge wiegen, wenn man sie nachträglich sieht, um so schwerer, weil nun das eingetreten ist, was sich der Herr Bundeskanzler nur gegen seine Natur vorstellen kann,

    (Lachen und Beifall bei der SPD)

    daß die Sozialdemokratische Partei nämlich eine Mehrheit hat. Aber damit muß sich ja der Herr Bundeskanzler nun schon einmal abfinden, und nach seinen letzten Ausführungen wird er das ja auch offensichtlich tun.
    Meine Damen und Herren, man ersieht daraus, welche Folgen entstehen können, wenn solche leichtfertigen und durch nichts gerechtfertigten Behauptungen im Wahlkampf ausgesprochen werden.

    (Zuruf von der SPD: Das ist nicht das erste Mal! — Abg. Arnholz: Das ist seine Natur!)

    Der Herr Bundeskanzler hat, wenn die Zeitungsmeldungen richtig sind, in der verflossenen Woche, als es um die Frage der parlamentarischen Staatssekretäre in Bonn ging, einmal davon gesprochen, daß hier in Bonn vor allen Dingen die parlamentarische Luft der britischen Hauptstadt fehlte. Nun, Herr Bundeskanzler, ich glaube, durch manche Vorgänge, vor allen Dingen aber auch durch diesen Vorgang tragen Sie wesentlich dazu bei, daß eine solche echte und gute parlamentarische Luft hier in Bonn nicht entstehen kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Und wenn sie nicht entsteht, dann hat davon den Schaden das gesamte deutsche Volk, hat den Schaden davon die Bundesrepublik und hat den Schaden die demokratische Entwicklung in der freien Welt. Und wenn Sie, meine Damen und Herren, heute glauben, solchen Äußerungen des Bundeskanzlers auch noch Beifall spenden zu müssen, eines Tages werden Sie vielleicht auch einmal mit einigem Entsetzen darüber nachdenken, welche Folgen aus solchen Formulierungen nachher entstanden sind.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Gegenrufe von der Mitte. — Abg. Huth: Dann würde ich selbst aber etwas vorsichtiger sein, Herr Mehles!)