Rede:
ID0206702700

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2067

  • date_rangeDatum: 18. Februar 1955

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    1. tocInhaltsverzeichnis
      2. Deutscher Bundestag — 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955 3419 67. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955. Liste der beurlaubten Abgeordneten (Anlage 1) 3451 A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3450 D, 3451 Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rede des Herrn Bundeskanzlers am 3. Dezember 1954 (Drucksache 1055) 3419 D Brandt (Berlin) (SPD), Anfragender 3419 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 3421 C, 3424 D, 3425 B, D Mellies (SPD) 3422 D, 3426 D Lemmer (CDU/CSU) 3423 D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . 3425 B Neumann (SPD) 3425 B Dr. Krone (CDU/CSU) 3426 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts (Erstes Bundesmietengesetz) (Drucksache 1110) 3427 A Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 3427 D, 3449 C Jacobi (SPD) 3435 D, 3450 C Dr. Brönner (CDU/CSU) 3438 D Wirths (FDP) 3440 C Engell (GB/BHE) 3442 B Hauffe (SPD) 3443 B Frau Heise (SPD) 3445 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 3446 B Lücke (CDU/CSU) 3450 D Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . 3450 D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 104$): Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3450 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB vorn 10. September 1953 (Drucksachen 1165, zu 1165) 3451 A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 3452 Beschlußfassung 3451 C Beratung des Antrags der Fraktion des GB/BHE betr. Spende für den Aufbau des Reichstagsgebäudes (Drucksache 807) . 3451 C Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3451 C Nächste Sitzung 3451 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 3451 A Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB (Drucksache zu 1165) 3452 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
    2. folderAnlagen
      Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Geritzmann Hilbert Glüsing Struve Wehner Dr. von Brentano Dr. Dresbach Dr. Bucher Scheuren Dannemann Ollenhauer Maier (Mannheim) Kiesinger Neuburger Knobloch Brese Leibfried Anlage 2 zu Drucksache 1165 (Vgl. S. 3451 A.) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Az. 1 BvL 120/53 — betreffend Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen §187 a StGB vom 10. September 1953 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt I. Die Erste Strafkammer des Landgerichts Traunstein hat geltend gemacht, daß § 187 a StGB zu willkürlichen Erwägungen führe, weil sich nicht abgrenzen lasse, welche Person im politischen Leben des Volkes stehe. Das Landgericht Traunstein sieht deshalb den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durchbrochen, weil Straf vorschriften nicht unbestimmt sein dürften. Es ist richtig, daß eine unbestimmte Strafvorschrift sowohl mit Art. 3 als auch mit Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar wäre. Das Landgericht Traunstein hat jedoch § 187 a StGB irrig ausgelegt und verkannt, daß jeder strafrechtliche Begriff seinem Wesen nach ein Wertbegriff ist. Der Begriff des politischen Lebens in § 187 a StGB ist nicht unbestimmt, sondern bestimmbar, und zwar nicht weniger bestimmbar als entsprechende Rechtsbegriffe des Strafgesetzbuchs. Daß eine Tat in ihrer Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muß, schließt nicht aus, daß die Bestimmbarkeit nach pflichtgemäßem richterlichem Ermessen im Wege der Auslegung zu finden ist. Es gibt im Strafgesetzbuch keinen Begriff, der nicht der Auslegung fähig und sogar bedürftig wäre. Der Grad der Bestimmbarkeit kann hierbei verschieden sein. Es ist sicherlich schwerer bestimmbar, ob ein Mensch heimtückisch oder grausam oder aus niedrigen Beweggründen getötet wurde, während es leichter bestimmbar sein wird, was strafrechtlich eine Sache ist. Schwierigkeiten in der Auslegung heben die Bestimmbarkeit noch nicht auf, solange es möglich ist, einen Rechtsbegriff auf Grund der in langjähriger Übung von der Rechtsprechung und der Rechtslehre gesicherten Auslegungsgrundsätze in seinem Wesensgehalt zu entwickeln. Unbestritten ist der Begriff des Öffentlichen in diesem Sinne ein bestimmbarer Rechtsbegriff. Das Strafgesetzbuch verwendet ihn mehrfach und sogar in verschiedener Bedeutung, weil es jeweils auf den einzelnen Tatbestand und seinen Zusammenhang mit dem Sinn des Gesetzes sowie seinem System ankommt, um richtig verstehen zu können, welchen Sachverhalt der Begriff des Öffentlichen werten und treffen will. Seiner Entstehungsgeschichte nach ist § 187 a StGB keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung der Strafbestimmung in § 1 des 8. Teils im Kapitel III der 4. Notverordnung zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 742). War somit bereits der Begriff des öffentlichen Lebens ein strafrechtlich hinreichend bestimmbarer Rechtsbegriff, der Willkür ausschloß, so muß dies um so mehr für den engeren Begriff des politischen Lebens gelten. Der Begriff des Politischen ist übrigens auch sonst dem Strafrecht nicht unbekannt. Insbesondere findet er sich in einer Reihe von Amnestiegesetzen, so in § 7 des Straffreiheitsgesetzes 1954 vom 17. Juli 1954 (BGBl. I S. 203). Während auch Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Artisten und andere Personen im öffentlichen Leben stehen, sind Personen, die im politischen Leben stehen, ihrer Zahl und Art nach wesentlich enger umgrenzt. Das Landgericht Traunstein irrt, wenn es einen Grund vermißt, warum Personen, die im politischen Leben stehen, einen verstärkten Ehrenschutz genießen sollen. Verfehlt ist insbesondere seine Erwägung, weil der Schritt in das politische Leben freiwillig getan werde, dürfe niemand auf einen verstärkten Ehrenschutz Anspruch erheben, der sich aus eigenem Entschluß der öffentlichen Kritik in verstärktem Maße aussetze. Denn der erhöhte Ehrenschutz wird durch § 187 a StGB den im politischen Leben stehenden Personen ja nicht etwa um ihrer selbst willen zugebilligt, sondern dient dem Schutz der demokratischen Ordnung und des Staatsganzen. Ein demokratischer Rechtsstaat beruht darauf und ist darauf angewiesen, daß sich seine Bürger am politischen Leben beteiligen. Deshalb besteht um der Demokratie willen ein Staatsinteresse daran, diesen selbstverständlich freiwilligen Schritt in das politische Leben zu fördern und zu erleichtern, indem dafür gesorgt wird, daß die Bürger, die sich in besonderem Maße der Politik widmen, nicht als vogelfrei angesehen werden. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik hat sich daher die in der 4. Notverordnung vom 8. Dezember 1931 zum Ausdruck gekommene kriminalpolitische Notwendigkeit ergeben, die im öffentlichen Leben stehenden Bürger wegen der stark erhöhten Gefahr auch mit einem verstärkten Rechtsschutz zu umgeben. Das Landgericht Traunstein deutet § 187 a StGB falsch, indem es behauptet, letzten Endes stehe bereits jeder im politischen Leben, der sich in irgendeiner Form und in irgendeinem Grade mit den Fragen des öffentlichen und politischen Lebens auseinandersetzen müsse. Im politischen Leben stehen vielmehr nur solche Personen, die tatsächlich eine politische Bedeutung erworben haben, die deshalb auf das politische Leben erheblichen Einfluß ausüben, also alle, die sich für eine gewisse Dauer vorwiegend mit Angelegenheiten befassen, die den Staat, seine Verfassung, Gesetzgebung und Verwaltung berühren. (Vgl.: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Sep- (Dr. Arndt) tember 1953 in Strafsachen Bd. 4, S. 338 ff.; ferner Adolf Schönke — 6. Aufl. — in Anm. II zu § 187 a StGB; Richard Lange im Nachtrag zu Kohlrausch-Lange — 40. Aufl. — zu § 187 a StGB; Schaefer im Leipziger Kommentar — 7. Aufl. — Anm. 2 zu § 187 a StGB.) Der Begriff des politischen Lebens läßt es also an der verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmbarkeit nicht fehlen, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung und die wissenschaftlichen Erläuterungswerke beweisen. II. Das Landgericht Traunstein hat ferner geltend gemacht, daß § 187 a StGB deshalb mit dem in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nicht vereinbar sei, weil diese Vorschrift angeblich die Rechtsgenossen in zwei Gruppen teile, nämlich solche, deren Ehre nur den allgemeinen Schutz des § 186 StGB genießt, und solche, deren Ehre durch den weitergehenden Schutz des § 187 a StGB privilegiert werde. Auch diese Erwägung ist rechtsirrig. Verfehlt ist insbesondere der Hinweis des Landgerichts Traunstein, daß nicht nur Personen, die im politischen Leben stehen, einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnen, sondern auch z. B. der Präsident eines Oberlandesgerichts oder ein Wirtschaftsführer. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine Person ihrer Tätigkeit wegen einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnet, sondern ob die Art ihrer Tätigkeit eine wesentlich verstärkte Gefahr mit sich bringt, daß die Person um ihrer Tätigkeit willen in ihrer Ehre öffentlich angegriffen wird. Es ist aber eine geschichtliche Erfahrung, daß die im politischen Leben stehenden Personen infolge der Leidenschaftlichkeit und der besonderen Gefühlsbetontheit der politischen Auseinandersetzungen qualitativ in wesentlich stärkerem und anderem Grade Angriffen auf die Ehre ausgesetzt sind als Personen, deren Arbeit auch mit öffentlicher Anteilnahme verfolgt wird. Im übrigen wird es selbstverständlich jeweils im Strafmaß zum Ausdruck kommen, ob sich eine Ehrverletzung gegen den Präsidenten eines Oberlandesgerichts, einen Behördenleiter, den Chef einer Krankenanstalt oder einen Wirtschaftsführer gerichtet hat, wobei es ohne jeden Zweifel als ein zulässiger Strafzumessungsgrund anzusehen sein wird, daß der öffentlichen Ehrverletzung eine erhöhte und strafverschärfende Bedeutung zukommt, weil sie sich gegen eine Person um der von ihr eingenommenen Stellung willen richtete. Daher wird es nicht als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügt werden können, falls die Beleidigung des Chefs einer großen Krankenanstalt deshalb mit besonderem Nachdruck bestraft wird, weil sie geeignet war, den Verletzten als seiner Stellung unwürdig erscheinen zu lassen und gerade dadurch auch öffentliche Interessen zu gefährden. In Übereinstimmung hiermit kann es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, daß aus diesem sachlichen Grunde der Gesetzgeber eine höhere Mindeststrafe zur Regel gemacht hat, falls der Verletzte im politischen Leben steht und die Tat geeignet ist, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren. Es kann dahingestellt bleiben, ob es statthaft wäre, den verstärkten Ehrenschutz an formale Erfordernisse zu knüpfen, ihn z. B. davon abhängig zu machen, daß der Verletzte das Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft ist. Denn § 187 a StGB hat eine andere Regelung getroffen, indem die Vorschrift einen sachlichen Gesichtspunkt zum Tatbestandsmerkmal für die Veränderung des Strafrahmens erhebt. Es trifft nicht zu, daß § 187 a StGB von sich aus die Bürger in zwei Gruppen einteile, von denen die eine privilegiert wäre. Denn im Zusammenhang mit dem Grundgesetz, insbesondere gerade mit Art. 3, Art. 9 und Art. 38 GG steht es jedermann frei, sich in das politische Leben des Volkes zu stellen. Jeder also wird des verstärkten Ehrenschutzes teilhaftig, sobald er sich dem politischen Leben widmet und aus eigener Kraft darin eine solche Stellung erlangt, wie § 187 a StGB sie voraussetzt. Unausgesprochen scheint den Erwägungen des Landgerichts Traunstein der Fehlschluß zugrunde zu liegen, daß hier durch dieses Gesetz nur eine bestimmte Gruppe von Politikern oder sogar von Abgeordneten sich selbst privilegiert hätte. Das ist nicht der Fall. Nicht an die Person, auch nicht an ein äußeres Merkmal knüpft § 187 a StGB an, sondern einzig und allein an einen materiellen Sachverhalt, der von jedermann verwirklicht werden kann. Geschützt durch diese Vorschrift sind deshalb keineswegs etwa nur Mitglieder des Bundestages oder der Landtage oder Mitglieder einer Regierung, sondern nach der zutreffenden Rechtsprechung z. B. auch Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts oder solche Führer einer politischen Partei, die nicht Abgeordnete sind (vgl. Schaefer, a. a. O.). Maßgeblich ist allein die tatsächliche Stellung in der Wirklichkeit des politischen Lebens und die dadurch bedingte Gefahrerhöhung für die Ehre, wobei der gesetzgeberisch entscheidende Gesichtspunkt bleibt, daß es sich nicht um den Schutz der einzelnen Ehre um ihrer selbst willen handelt, sondern um den Schutz des politischen Lebens vor der Vergiftung durch üble Nachreden und Verleumdungen. Was vielfach übersehen scheint, ist daher, daß zu den Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen, auch die Publizisten gehören, also solche Journalisten und Rundfunk-Kommentatoren, die durch die Art und Dauer ihrer der Politik gewidmeten Tätigkeit einen erheblichen Einfluß auf das öffentliche Leben ausüben. Der Gleichheitsgrundsatz soll Willkür ausschließen. Es darf also nicht ungleich behandelt werden, was gleich ist. Im Falle des § 187 a StGB kann davon jedoch keine Rede sein. Ob eine Person tatsächlich im politischen Leben eine Stellung von solcher Dauer und von solchem Einfluß einnimmt, daß die Voraussetzungen des § 187 a StGB auf sie zutreffen, begründet eine Verschiedenheit in der Gefährdung und im staatspolitischen Interesse an der Abwehr von Rechtsverletzungen. Hier ist eine nach Grad und Wesen sinnvolle Verschiedenheit gegeben, die eine unterschiedliche Behandlung im Gesetz als sachgerecht erscheinen läßt. Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß keineswegs schon jede üble Nachrede, durch die eine im politischen Leben stehende Person in ihrer Ehre verletzt wird, die Anwendung des § 187 a StGB rechtfertigt. Über das Merkmal, daß der Verletzte im politischen Leben stehen muß, hinaus fügt § 187 a Abs. 1 StGB dem Tatbestand des § 186 StGB zwei weitere Tatbestandsmerkmale sachlicher Art hinzu. Denn die üble Nachrede muß erstens aus Beweggründen begangen sein, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und zweitens muß die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken des Verletzten (Dr. Arndt) erheblich zu erschweren. Die höhere Mindeststrafe ist im Unterschied zu § 186 StGB also auch dadurch begründet, daß die Tat eine andere ist, weil sowohl der Vorsatz des Täters als auch die Wirkung seiner Tat zusätzliche Tatbestandsmerkmale erfüllen müssen, die nach dem Ermessen des Gesetzgebers diese Tat als eine besonders schwere und eigenartig qualifizierte kennzeichnen. Bonn, den 9. Februar 1955 Dr. Arndt Berichterstatter
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Dr. Josef Brönner


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

      Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der CDU/CSU-Fraktion aus habe ich die Aufgabe, zu den Grundgedanken des Gesetzentwurfs Stellung zu nehmen. Zunächst darf ich eine Anerkennung gegenüber dem Wohnungsbauministerium aussprechen, das in dem Gesetzentwurf, in der Begründung und in den statistischen Anlagen eine hervorragende Arbeit geleistet hat.

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Wer diese 40 Seiten der Begründung aufmerksam liest, hat den Eindruck, daß hier jedes Problem tiefgründig und allseitig angefaßt, unter die Lupe genommen und erläutert wurde.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Der Herr Wohnungsbauminister hat ferner in seinem eben gehaltenen Vortrag den Beweis geliefert, daß er keiner Frage ausgewichen ist, daß er den Problemen nachgegangen ist, daß er Licht- und Schattenseiten herausgestellt und damit die Grundlagen für die eingehende Beratung in unserem Ausschuß gegeben hat, wo ja das Gesetz seine letzte Form erhalten wird.
      Wir wollen diesen Gesetzentwurf weder verhimmeln noch herabsetzen. Er hat seine Lichtseiten, er gibt auch zu Bedenken Anlaß. Ob wir an die Erhöhung der Pauschalmieten über 10 %, an die Kostenvergleichsmiete, an das neue Mietpreisrecht oder an die Mietbeihilfen denken, überall treten Fragen auf, und es wird einer sehr 'eingehenden


      (Dr. Brönner)

      Beratung bedürfen, um hier tragbare Lösungen zu finden, die eines Tages dem Plenum als Antrag des Ausschusses vorgetragen werden.
      Ich darf also kurz zu den Grundgedanken Stellung nehmen, um darzulegen, wie die CDU/CSU-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf steht. Meine Freunde und ichwollen diesen Gesetzentwurf ausgerichtet sehen auf die Erhaltung und Verbesserung der Altbauwohnungen. Ich stelle das heraus. Wir haben bei dem Gesetz den wohnungsuchenden Menschen vor Augen, der darauf wartet, irgendwo unterzukommen, und den Menschen, der heute noch in einer etwas heruntergekommenen Wohnung hausen muß. Das andere, daß nämlich der Vermieter in den Stand gesetzt werden soll, die Ausgaben zu machen, um sein Haus zu erhalten, um die Wohnungen zu verbessern, das ist ein Mittel auf dem Wege zum Ziel. Unser Ziel ist nicht an erster Stelle, den Vermietern höhere Einnahmen zu verschaffen. Unser Ziel ist an erster Stelle, den wohnungsuchenden Menschen die Wohnungen zu sichern und denen, die schlecht untergebracht sind, eine bessere Wohnung zu verschaffen, indem der Vermieter in den Stand gesetzt wird, durch etwas höhere Mieteinnahmen auch die Wohnungsverhältnisse zu verbessern.

      (Sehr gut! in der Mitte.)

      Zunächst steht fest, daß die Eigentümer von alten Miethäusern nicht imstande waren, mit den bisherigen Mieterträgen die Kosten der notwendigen Instandsetzung zu bezahlen.

      (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

      Wenn wir dazu noch an die Kriegssachschäden an den Häusern denken, wenn wir erwägen, daß, wie eben 'erklärt worden ist, eine Steigerung der Instandsetzungskosten auf 235 % feststeht und die Mieten dabei gleich geblieben sind, mit Ausnahme der Uraltmieten, die im Jahre 1952 um 10 % erhöht worden sind, also im Grunde genommen aufrechterhalten wurden, dann muß man schon sagen: Es ist einfach unmöglich gewesen, bei diesen Zwangsmieten die Häuser nach innen und außen zu erhalten und die Wohnungen so zu verbessern, wie wir es für richtig halten. Der Rohüberschuß an Mieterträgen ging also zurück, die öffentlichen Abgaben, die Verwaltungskosten, mußten an erster Stelle bezahlt werden, und darunter litt dann die Instandsetzung. Die Folge davon sind der Zerfall von Miethäusern und die Verschlechterung der Wohnungen.

      (Belastungen hinzu, nämlich die Hypothekengewinnabgabe und die Soforthilfe, jetzt Vermögensabgabe.. Der Hausbesitzer, der mit Hypotheken !belastet war, muß von der Währungsreform an das Geld, das früher minderwertig gewesen ist, mit hochwertiger Aufwertung 1 : 1 an Zinsen und Tilgungen zurückzahlen. Zweitens muß er 50 % des Einheitswertes — mit Ausnahme von kleinen Vermögen — verzinsen und zahlen. Er hat keine Möglichkeit, auch nur die Zinsen auf die Mieten umzulegen. Diese beiden Tatsachen verschlechtern die Lage der Hausbesitzer weiter und machen es ihnen noch schwerer, die erforderlichen Instandsetzungskosten aufzubringen. Wer sind nun eigentlich die Hausbesitzer, um die es sich dreht? Zwei Fünftel der Miethausbesitzer sind Pensionäre, Rentner und andere alleinstehende Personen. Die übrigen drei Fünftel sind Wohnungsunternehmungen und Gesellschaften. Wir wissen, daß die privaten Hausbesitzer ihr Leben lang sparen und schaffen und auf Genüsse verzichten, um sich eine Altersversorgung in einem Mietshaus zu verschaffen. Diese Leute haben ein Anrecht darauf, daß sie endlich zu ihrem Recht kommen — verglichen mit dem Recht, das ein anderer an seinem Eigentum in unserer Wirtschaft besitzt. Dazu kommt der Substanzund Eigentumsverlust. Die Wohnungsgebäude in der Bundesrepublik hatten vor dem zweiten Weltkrieg einen Wert von zirka 100 Milliarden Mark. Die Substanzverluste seit 1939 sind nicht bekannt. Es ist aber widersinnig — und der Herr Minister hat es in seiner Rede nachdrücklich betont —, jährlich 2,5 bis 2,7 Milliarden in den Wohnungsneubau hineinzustekken und die Altwohnungsbauten zerfallen zu lassen. Das kann sich keine vernünftige Staatsund Volkswirtschaft leisten. Für den Hausbesitzer gab es vor 'der Währungsreform auch keinen Schwarzmarkt. Für den Hausbesitzer gab es bei der Währungsreform auch kein Warenlager. Der Hausbesitzer muß wie der Lohnsteuerpflichtige gegenüber den Finanzamt seine Karten — seine Einnahmen und seine Ausgaben — offenlegen. Hier ist er ohnmächtig. Daher hatte er nicht die Möglichkeit, in der Zeit vor der Währungsreform eine gewisse Vorsorge zu treffen. Er hat für seine Mieteinnahmen überhaupt keine Reparaturen mehr bekommen, wenn er nicht auf anderem Wege etwas Materielles zu bieten hatte. Das ist die Lage des Hausbesitzers seit 15 Jahren. Es kam aber noch etwas hinzu. Durch die Vergewaltigung der Hausbesitzer wurde nämlich die Hochachtung vor dem Eigentum vernichtet. Er ist nichtmehr Herr über sein Haus und über seine Wohnung; man setzt ihm hinein, wen man will; man diktiert ihm die Mieten. Glauben Sie, daß bei einer solchen Verwaltung irgend jemand sich bewogen fühlt, in ein Miethaus Geld hineinzustecken und damit die Wohnungsnot zu verringern? Und wir hätten allen Grund, das Privatkapital in den Wohnungsbau zu locken, damit mehr gebaut wird; denn nur durch Mehrbau können wir (die Wohnungsnot verringern. Wir wollen also für den Hausbesitzer einen Ausgleich der Rechte und Pflichten, und wir wollen eine Achtung vor dem Eigentum. Das Eigentum verpflichtet; aber im Grundgesetz ist auch das Eigentum gewährleistet. Man kann in einer Wirtschaft nicht nur einseitig dem Hauseigentum die Opfer zumuten, die an sich die Fürsorge zu tragen hätte, und im übrigen eine freie Marktwirtschaft durchführen. Wir wollen gerade durch unser Wohnungsbauund Familienheimgesetz den Gedanken des Eigentums weiter unterstreichen, weil wir immer wieder auf den wohnungszechenden Menschen sehen und nicht an erster Steile auf denjenigen, der das Haus besitzt. Diese schlechte Stellung ides Hausbesitzers hat also eine Reihe von Schattenseiten, die wir uns auf die Dauer einfach nicht leisten können. Wir haben allen Grund, auch dafür zu sorgen, daß nach und nach — schrittweise, nicht plötzlich — eine gewisse Rentabilität des Hausbesitzes erreicht wird, nicht so sehr des Hausbesitzers als der Wohnungen wegen, auf die es uns ankommt. Selbstverständlich können wir die Mietpreise heute noch nicht frei geben. Das muß auch der Hausbesitzer in Kauf nehmen. Solange kein ausgeglichener Wohnungsmarkt da ist, würden ja dann nur die einkommenstarken Familien eine ordentliche Wohnung bekommen, und die Mietpreise würden über Gebühr hinaufschnellen. Wir brauchen also diese Mietregelung noch für einige Jahre. In der Zwischenzeit müssen wir vielleicht noch 3 Millionen Wohnungen erstellen, bis wir zu einem Markt kommen, bei dem auch die Mietpreise freigegeben werden können. Die Mietzuschüsse sind, wie Sie gehört haben, für alle Wohnungen vorgesehen, die bis zum Jahre 1924 und bis zur Währungsreform erstellt wurden. Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen; sie sind vom Herrn Bundeswohnungsbauminister klar und eingehend dargelegt worden. Zunächst wäre festzustellen, bis zu welchem Durchschnittsbetrag die Altund die Zwischenkriegsmieten steigen. Es wurde dargelegt, daß es sich im Durchschnitt um einen monatlichen Zuschlag von etwa 4 Mark pro Mietwohnung handelt oder um einen Durchschnitt von 1 bis 2 % des Einkommens. Die Mieten werden von einem großen Teil der Mieter getragen werden können. Da, wo sie nicht getragen werden können, sind die Mietbeihilfen vorgesehen. Ich hoffe, daß auch der Ausschuß eine Regelung finden wird, die einerseits den einkommensschwachen Mietern hilft und auf der anderen Seite auch sicherstellt, daß die dafür notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Ich komme zum Schluß. Der Gesetzentwurf ist sehr umkämpft. Eine große Reihe von Fragen sind ungeklärt. Eben hat Kollege Jacobi zwei Gedanken angeführt, die ich nur kurz streifen will. Einmal: Es besteht keine Garantie, daß die Mehrbeträge aus den Mieten tatsächlich für die Instandsetzung aufgewendet werden. Wir können hier natürlich keinen Beweis liefern, daß dies mit jedem Pfennig geschieht. Aber der natürliche, einfache, gesunde Sinn eines Hausbesitzers geht dahin, daß er sein Anwesen erhält, daß er nicht bloß für einige Jahre, sondern für sich und seine Kinder dieses Haus ertragreich erhält. Wir halten daher eine gesetzliche Regelung für ,die Abzweigung der Mietbeträge und zur Zwangsanlage für die Instandsetzung nicht für notwendig. Auch der andere Gesichtspunkt darf nicht unerwähnt bleiben, den Herr Kollege Jacobi in die Worte gekleidet hat: Der Mieter ist der schwächere Partner. Da stimmen wir ihm zu. Aber bisher war der Vermieter der schwächere Partner. Dem Vermieter hat man diktiert, wen er nehmen muß; man hat ihm diktiert, welche Miete er nehmen darf. Auch jetzt noch bleibt dieses Diktat in hohem Maße aufrechterhalten, weil jeder sich gegen eine Miete beschweren kann, auch wenn er sie mit dem Vermieter frei vereinbart hat. Das ist die jetzige Realität, und das wird auch noch einige Jahre so bleiben. Wir denken nicht daran, solange der Wohnungsmarkt nicht ausgeglichen ist, hier für eine Freiheit der Mietpreise einzutreten. Herr Kollege Jacobi hat erklärt, daß die Opposition genau so wie die Koalition bereit ist, hier einen Ausgleich der Interessen zu erstreben. Da sind nicht allein die Vermieter maßgebend und nicht allein die Mieter. Da dreht es sich darum, den Hausbesitz zu erhalten und damit den wohnungsuchenden Menschen zu dienen. Wir werden als Vertreter der CDU/CSU im Wohnungsbauausschuß mit der Opposition gemeinsam und versöhnend verhandeln und beraten, und wir hoffen, daß wir auch diesen Gesetzentwurf ähnlich wie das Erste Wohnungsbaugesetz geschlossen und einstimmig eines Tages über die Bühne des Plenums bringen. Das Wort hat der Abgeordnete Wirths. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Jahren schon haben sich sehr viele Leute über „unzureichende" Gesetzentwürfe der Bundesregierung beschwert. Wir haben uns das angehört. Es waren in der Hauptsache die Interessentenhaufen, die Wirtschaftsverbände und was weiß ich. Bei diesem Gesetzentwurf ist das auch der Fall gewesen. Das wäre alles nicht so schlimm geworden, Herr Kollege Jacobi, wenn wir etwa den Brief des Herrn Handschumacher, den Sie zitiert haben, genau so gewertet hätten wie die Eingaben und Veröffentlichungen der Mietervereine. Wir nehmen die sachlichen Argumente zur Kenntnis, verwerten sie bei unseren Ausschußberatungen, und alles, was unsachlich ist, was von diesen Seiten kommt, lehnen wir ab. Aber warum ist in dieser Frage die Diskussion so unerfreulich geworden? Ich glaube, das liegt zu einem erheblichen Teil daran, daß in den Verhandlungen des Bundesrates die Dinge nicht objektiv gesehen worden sind und daß der Bundesrat sich nicht die Mühe gemacht hat, wirklich einmal hinter das Problem zu sehen. Er hat zwar nicht weniger als sechs Ausschüsse eingespannt und mitwirken lassen, und ich nehme an, daß in diesen sechs Ausschüssen so ungefähr die Hälfte der vereinigten Länderbürokratie tätig gewesen ist. Dann hat der Bundesrat die Sache in sein Plenum gebracht. Ich habe geglaubt, mir das, wie ich meinte, Vergnügen machen zu sollen, einmal eine solche Plenarsitzung anzuhören. Ich muß Ihnen gestehen, meine Damen und Herren: als ich herauskam, stellte ich fest, es ist kein Vergnügen' gewesen. Es gibt da keine Diskussion. Da werden Anträge gestellt; die kennt man nicht, die liegen irgendwo, die sind vorher besprochen worden, und nachher bei der Abstimmung werden sie alle samt und sonders abgelehnt. Da übernimmt ein Landesminister — in diesem Fall waren es sogar zwei — die Berichterstattung. Das ist dann das, was sich die Länderbürokratie in den Ausschüssen erarbeitet hat. Da geht ein Landesminister her — er sitzt nicht auf der Bank des Bundesrates, hier sitzt nur Herr Weyer; den kenne ich; der macht solche Rechenkunststücke nicht, der kann besser rechnen und nachrechnen als sein Kollege — und gibt Zahlenbeispiele, erklärt aber dann: Ich habe noch eine Reihe von Zahlenbeispielen vorliegen, aber die will ich jetzt nicht bringen, zumal ich sie bei meiner schlechten Zensur in Mathematik selber nicht genau nachprüfen konnte. (Abg. Jacobi: Ist ein ehrlicher Kerl gewesen!)


      (Sehr richtig! in der Mitte.)


      (Dr. Brönner)


      (Beifall bei der CDU/CSU.)

    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Carl Wirths


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


      (Abg. Lücke: Es gehört nicht ins Parlament!) — Ja, das gehört nicht ins Parlament.


      (Abg. Lücke: Sehr gut!)


      (Hört! Hört! in ,der Mitte.)

      — Ja, er darf aber diese Zahlenbeispiele nicht
      bringen, Herr Jacobi. Das schlimmste ist, er mußte
      sich nachher von Herrn Dr. Preusker — das war


      (Wirths)

      nämlich der einzige Diskussionsredner — berichtigen lassen; es wurde ihm nachgewiesen, seine Zahlen stimmten nicht.
      Also dieser Herr Landesminister hatte ausgerechnet: es kommt eine Mietsteigerung von beinahe 30 %. Herr Preusker hat ihn korrigiert und festgestellt: es kommt keine Steigerung von 30 %, sondern eine von 10 %.

      (Abg. Hansen [Köln]: Beides falsch!) — Ach, beides falsch?


      (Abg. Hansen [Köln] : Herr Preusker hätte besser nachrechnen müssen!)

      Wozu führt das aber? Es führt dazu, daß andere Verbände, nämlich die Verbände derjenigen, die aus ganz verständlichen Gründen keine Mieterhöhung haben wollen, die Verbände der Mieter, solche Zahlen auswerten, und ich glaube, das ist nicht richtig. — Wenn ich überhaupt eine Zensur erteilen darf, muß ich sagen, daß die Behandlung dieses Gesetzes durch den Bundesrat „nicht genügend" war.
      Meine Damen und Herren, worum dreht es sich bei dem Problem? Wenn Sie die verschiedenen Punkte einmal aneinanderreihen, müssen Sie sagen, daß der logische und richtige Gedanke der der Kostenvergleichsmiete ist. Das hätte vornehin als § 1 gehört.
      Wie wollen Sie Kosten vergleichen? Sie können Kapitalkosten von 1936 und 1945 nicht vergleichen. Da sind die Belastungen zu unterschiedlich, da spielt das Alter der Häuser eine Rolle. Hier kommen wir zu einem großen Problem: ob man ein abgeschriebenes Haus noch so ansehen muß, wie wenn es vor 30, 40 Jahren gestanden hätte, in Verbindung mit dem anderen Problem, ob nicht die Ansammlung der Abschreibungen den Wiederherstellungspreis garantieren muß. Durch die sogenannte Währungsreform haben wir sehr unterschiedliche Belastungen bei den Häusern. Die Frage des Eigenkapitals hat uns damals im Lastenausgleich erhebliche Schwierigkeiten gemacht. Wir haben versucht, eine Lösung zu finden. Aber hier, bei der Frage der Mieten, wäre es vollkommen unmöglich gewesen, die Kapitalseite irgendwie vergleichen zu wollen. Das hat der Entwurf auch nicht gemacht. Er hat das herausgelassen. Das war richtig. Er vergleicht jetzt die Betriebs- und Verwaltungskosten von 1936 und heute und regelt — ich glaube, in einer durchaus befriedigenden Form — die Frage der Reparaturen.
      Wenn man also diese Kostenvergleichsmiete in dieser wirklich einfach zu sehenden und auch einfach zu handhabenden Form vorne hingestellt hätte, hätte man als Nr. 2 sagen können: Wer davon keinen Gebrauch machen will und wer keinen Gebrauch machen kann, der nimmt § 3 und kriegt die 10 %ige Erhöhung. Zu denen, die davon keinen Gebrauch machen können, gehört beispielsweise auch derjenige, der die Unterlagen zum Vergleich der Betriebskosten von 1936 nicht mehr hat. Wenn er sie nicht nachweisen kann, muß er sich in Gottes Namen mit den 10 % Mieterhöhung begnügen. Der andere, der die Kostenvergleichsmiete nicht einführen will, der sich etwa vorgerechnet hat, daß es für ihn doch nichts bringt oder daß er mit der 10%igen Erhöhung auskommt, verzichtet ebenfalls darauf.
      Als dritten Punkt haben wir, wie gesagt, die 10°/oige Erhöhung bei den Normalwohnungen. Man müßte sich eine weitere Erhöhung für die besser ausgestatteten Wohnungen, wie sie jetzt in § 6 vorgesehen ist, überlegen. Damit wäre das Problem im großen und ganzen gelöst.
      Ich habe diese Umkehrung gewählt, um Ihnen zu zeigen, daß das Problem der Kostenmiete tatsächlich ein tragendes Problem dieses Gesetzes ist. Wenn sie gestrichen würde, wäre das Gesetz leider Gottes nicht mehr sehr viel wert. Ich wollte Ihnen auch klarmachen, daß es gar nicht so kompliziert zu sein braucht, wenn man es nicht noch weiter verkompliziert.
      Meine Damen und Herren, der § 6, also derjenige Paragraph, der über die 10 % hinaus die Möglichkeit einer weiteren Erhöhung geben soll, ist sehr unglücklich formuliert. Es sind Merkmale da, an denen nicht nur ich, sondern auch eine Reihe von meinen Kollegen im zuständigen Ausschuß sofort sehen, daß das einer gemacht hat, der die praktischen Verhältnisse nicht zu beurteilen vermag.

      (Abg. Jacobi: Das war die Bundesregierung!)

      — Aber das werden wir schon richtig regeln, Herr Jacobi. Es ist noch kein Gesetz zur zweiten und dritten Lesung so hierher zurückgekommen, wie es die Bundesregierung in der ersten Lesung vorgelegt hat. Aber, Herr Jacobi, ich sagte Ihnen schon, daß wir den von Ihnen zitierten Brief des Herrn Handschumacher genau so wie alle anderen Eingaben betrachten wollen. Wenn etwas Sachliches darin ist, dann lassen wir uns das gerne dienen, dann sind wir unter Umständen sogar dankbar für diese Eingaben. Wenn etwas unsachlich ist, nehmen wir davon keine Kenntnis.
      Herr Kollege Brönner hat Ihnen schon etwas zu der Bemerkung gesagt, daß die Position der Mieter schwächer sei als diejenige der Haus- und Grundbesitzer. Das kann man so nicht sehen. Das ist auch nicht objektiv gesehen.

      (Abg. Jacobi: Man fühlt es aber gelegentlich!)

      – Nein, Sie fühlen es auch nicht; denn wenn Sie so ein Gefühl für die Seite der armen Mieter haben, müssen Sie auch einmal dasselbe Gefühl für die Seite der armen Hausbesitzer aufbringen. Die gibt es nämlich auch.

      (Abg. Jacobi: Die armen natürlich!)

      — Vom Hausbesitz ist noch kein Mann Millionär geworden, noch nicht einmal wohlhabend.

      (Widerspruch bei der SPD.)

      Sie haben weiterhin gesagt, dieses Gesetzes sei keine Mietreform. Das kann es nicht sein, das will es auch nicht sein. Es ist ja ausdrücklich als Erstes Bundesmietengesetz bezeichnet, eine Bezeichnung, die sogar dem Bundesrat etwas überheblich schien. Dieser Titel des Gesetzes war dem Bundesrat ein Anlaß zur Kritik. Ich weiß nicht, ob auch das durch sechs Ausschüsse gegangen ist. Eine Mietreform kann doch nur dann kommen, darüber sind wir uns klar, wenn das Angebot die Nachfrage einigermaßen geregelt hat. Das wird noch etwas dauern. Möglicherweise wird es in einem zweiten Bundesmietengesetz kommen; es kann auch sein, daß es erst im dritten Bundesmietengesetz kommt, aber einmal kommt es.

      (Abg. Lücke: Aber nicht mehr in diesem Bundestag!)

      Herr Jacobi, Sie sagten, daß in der Miete, auch wenn sie jetzt nach dem neuen Bundesmietenge-


      (Wirths)

      setz gerechnet werden müsse, noch eine ganze Reihe von Zuschlägen irgendwelcher Art steckten. Dafür können Sie schließlich nicht diejenigen, die diesen Entwurf hier zu vertreten haben, verantwortlich machen. Das liegt weiß Gott schon eine ganze Reihe von Jahrzehnten zurück. Ich will gar nicht darüber streiten, ob die damaligen Regierungen mehr von Ihrer oder mehr von einer anderen politischen Richtung beeinflußt waren. Das war zu einem großen Teil eine zwangsläufige Folge des ersten Weltkriegs. Diese Dinge wirken sich naturgemäß heute noch erheblich aus.
      Nun haben Sie die in der Begründung des Regierungsentwurfs stehenden Zahlen angezweifelt. Herr Jacobi, ich hoffe, daß wir bereits zur ersten Beratung im Ausschuß von Ihnen das Zahlenmaterial bekommen;

      (Abg. Jacobi: Jawohl!)

      dann will ich Ihnen gern den Spaß, den Sie sich eben mit der sechs Meter langen Rolle erlaubt haben, gönnen. Ich denke aber, wir sollten auf das zurückkommen, was sowohl Sie als auch Herr Dr. Brönner gesagt haben: wir sollten bei den Beratungen im Ausschuß so verfahren, wie wir es nun doch wirklich seit 5 Jahren getan und zu, sagen wir mal, 90 % auch mit Erfolg getan haben. nämlich alle Dinge von der sachlichen Seite ansehen und überlegen, ob sie in der Praxis auch durchführbar sind.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)