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    2. Deutscher Bundestag — 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955 3419 67. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Februar 1955. Liste der beurlaubten Abgeordneten (Anlage 1) 3451 A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3450 D, 3451 Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rede des Herrn Bundeskanzlers am 3. Dezember 1954 (Drucksache 1055) 3419 D Brandt (Berlin) (SPD), Anfragender 3419 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 3421 C, 3424 D, 3425 B, D Mellies (SPD) 3422 D, 3426 D Lemmer (CDU/CSU) 3423 D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . 3425 B Neumann (SPD) 3425 B Dr. Krone (CDU/CSU) 3426 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts (Erstes Bundesmietengesetz) (Drucksache 1110) 3427 A Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 3427 D, 3449 C Jacobi (SPD) 3435 D, 3450 C Dr. Brönner (CDU/CSU) 3438 D Wirths (FDP) 3440 C Engell (GB/BHE) 3442 B Hauffe (SPD) 3443 B Frau Heise (SPD) 3445 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 3446 B Lücke (CDU/CSU) 3450 D Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . 3450 D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 104$): Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3450 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB vorn 10. September 1953 (Drucksachen 1165, zu 1165) 3451 A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 3452 Beschlußfassung 3451 C Beratung des Antrags der Fraktion des GB/BHE betr. Spende für den Aufbau des Reichstagsgebäudes (Drucksache 807) . 3451 C Von der Tagesordnung abgesetzt . . . 3451 C Nächste Sitzung 3451 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 3451 A Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen § 187 a StGB (Drucksache zu 1165) 3452 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Geritzmann Hilbert Glüsing Struve Wehner Dr. von Brentano Dr. Dresbach Dr. Bucher Scheuren Dannemann Ollenhauer Maier (Mannheim) Kiesinger Neuburger Knobloch Brese Leibfried Anlage 2 zu Drucksache 1165 (Vgl. S. 3451 A.) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Az. 1 BvL 120/53 — betreffend Antrag des Landgerichts Traunstein in der Strafsache gegen Friedrich Schmidinger wegen Vergehens gegen §187 a StGB vom 10. September 1953 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt I. Die Erste Strafkammer des Landgerichts Traunstein hat geltend gemacht, daß § 187 a StGB zu willkürlichen Erwägungen führe, weil sich nicht abgrenzen lasse, welche Person im politischen Leben des Volkes stehe. Das Landgericht Traunstein sieht deshalb den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durchbrochen, weil Straf vorschriften nicht unbestimmt sein dürften. Es ist richtig, daß eine unbestimmte Strafvorschrift sowohl mit Art. 3 als auch mit Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar wäre. Das Landgericht Traunstein hat jedoch § 187 a StGB irrig ausgelegt und verkannt, daß jeder strafrechtliche Begriff seinem Wesen nach ein Wertbegriff ist. Der Begriff des politischen Lebens in § 187 a StGB ist nicht unbestimmt, sondern bestimmbar, und zwar nicht weniger bestimmbar als entsprechende Rechtsbegriffe des Strafgesetzbuchs. Daß eine Tat in ihrer Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muß, schließt nicht aus, daß die Bestimmbarkeit nach pflichtgemäßem richterlichem Ermessen im Wege der Auslegung zu finden ist. Es gibt im Strafgesetzbuch keinen Begriff, der nicht der Auslegung fähig und sogar bedürftig wäre. Der Grad der Bestimmbarkeit kann hierbei verschieden sein. Es ist sicherlich schwerer bestimmbar, ob ein Mensch heimtückisch oder grausam oder aus niedrigen Beweggründen getötet wurde, während es leichter bestimmbar sein wird, was strafrechtlich eine Sache ist. Schwierigkeiten in der Auslegung heben die Bestimmbarkeit noch nicht auf, solange es möglich ist, einen Rechtsbegriff auf Grund der in langjähriger Übung von der Rechtsprechung und der Rechtslehre gesicherten Auslegungsgrundsätze in seinem Wesensgehalt zu entwickeln. Unbestritten ist der Begriff des Öffentlichen in diesem Sinne ein bestimmbarer Rechtsbegriff. Das Strafgesetzbuch verwendet ihn mehrfach und sogar in verschiedener Bedeutung, weil es jeweils auf den einzelnen Tatbestand und seinen Zusammenhang mit dem Sinn des Gesetzes sowie seinem System ankommt, um richtig verstehen zu können, welchen Sachverhalt der Begriff des Öffentlichen werten und treffen will. Seiner Entstehungsgeschichte nach ist § 187 a StGB keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung der Strafbestimmung in § 1 des 8. Teils im Kapitel III der 4. Notverordnung zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 742). War somit bereits der Begriff des öffentlichen Lebens ein strafrechtlich hinreichend bestimmbarer Rechtsbegriff, der Willkür ausschloß, so muß dies um so mehr für den engeren Begriff des politischen Lebens gelten. Der Begriff des Politischen ist übrigens auch sonst dem Strafrecht nicht unbekannt. Insbesondere findet er sich in einer Reihe von Amnestiegesetzen, so in § 7 des Straffreiheitsgesetzes 1954 vom 17. Juli 1954 (BGBl. I S. 203). Während auch Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Artisten und andere Personen im öffentlichen Leben stehen, sind Personen, die im politischen Leben stehen, ihrer Zahl und Art nach wesentlich enger umgrenzt. Das Landgericht Traunstein irrt, wenn es einen Grund vermißt, warum Personen, die im politischen Leben stehen, einen verstärkten Ehrenschutz genießen sollen. Verfehlt ist insbesondere seine Erwägung, weil der Schritt in das politische Leben freiwillig getan werde, dürfe niemand auf einen verstärkten Ehrenschutz Anspruch erheben, der sich aus eigenem Entschluß der öffentlichen Kritik in verstärktem Maße aussetze. Denn der erhöhte Ehrenschutz wird durch § 187 a StGB den im politischen Leben stehenden Personen ja nicht etwa um ihrer selbst willen zugebilligt, sondern dient dem Schutz der demokratischen Ordnung und des Staatsganzen. Ein demokratischer Rechtsstaat beruht darauf und ist darauf angewiesen, daß sich seine Bürger am politischen Leben beteiligen. Deshalb besteht um der Demokratie willen ein Staatsinteresse daran, diesen selbstverständlich freiwilligen Schritt in das politische Leben zu fördern und zu erleichtern, indem dafür gesorgt wird, daß die Bürger, die sich in besonderem Maße der Politik widmen, nicht als vogelfrei angesehen werden. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik hat sich daher die in der 4. Notverordnung vom 8. Dezember 1931 zum Ausdruck gekommene kriminalpolitische Notwendigkeit ergeben, die im öffentlichen Leben stehenden Bürger wegen der stark erhöhten Gefahr auch mit einem verstärkten Rechtsschutz zu umgeben. Das Landgericht Traunstein deutet § 187 a StGB falsch, indem es behauptet, letzten Endes stehe bereits jeder im politischen Leben, der sich in irgendeiner Form und in irgendeinem Grade mit den Fragen des öffentlichen und politischen Lebens auseinandersetzen müsse. Im politischen Leben stehen vielmehr nur solche Personen, die tatsächlich eine politische Bedeutung erworben haben, die deshalb auf das politische Leben erheblichen Einfluß ausüben, also alle, die sich für eine gewisse Dauer vorwiegend mit Angelegenheiten befassen, die den Staat, seine Verfassung, Gesetzgebung und Verwaltung berühren. (Vgl.: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Sep- (Dr. Arndt) tember 1953 in Strafsachen Bd. 4, S. 338 ff.; ferner Adolf Schönke — 6. Aufl. — in Anm. II zu § 187 a StGB; Richard Lange im Nachtrag zu Kohlrausch-Lange — 40. Aufl. — zu § 187 a StGB; Schaefer im Leipziger Kommentar — 7. Aufl. — Anm. 2 zu § 187 a StGB.) Der Begriff des politischen Lebens läßt es also an der verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmbarkeit nicht fehlen, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung und die wissenschaftlichen Erläuterungswerke beweisen. II. Das Landgericht Traunstein hat ferner geltend gemacht, daß § 187 a StGB deshalb mit dem in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nicht vereinbar sei, weil diese Vorschrift angeblich die Rechtsgenossen in zwei Gruppen teile, nämlich solche, deren Ehre nur den allgemeinen Schutz des § 186 StGB genießt, und solche, deren Ehre durch den weitergehenden Schutz des § 187 a StGB privilegiert werde. Auch diese Erwägung ist rechtsirrig. Verfehlt ist insbesondere der Hinweis des Landgerichts Traunstein, daß nicht nur Personen, die im politischen Leben stehen, einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnen, sondern auch z. B. der Präsident eines Oberlandesgerichts oder ein Wirtschaftsführer. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine Person ihrer Tätigkeit wegen einem erhöhten öffentlichen Interesse begegnet, sondern ob die Art ihrer Tätigkeit eine wesentlich verstärkte Gefahr mit sich bringt, daß die Person um ihrer Tätigkeit willen in ihrer Ehre öffentlich angegriffen wird. Es ist aber eine geschichtliche Erfahrung, daß die im politischen Leben stehenden Personen infolge der Leidenschaftlichkeit und der besonderen Gefühlsbetontheit der politischen Auseinandersetzungen qualitativ in wesentlich stärkerem und anderem Grade Angriffen auf die Ehre ausgesetzt sind als Personen, deren Arbeit auch mit öffentlicher Anteilnahme verfolgt wird. Im übrigen wird es selbstverständlich jeweils im Strafmaß zum Ausdruck kommen, ob sich eine Ehrverletzung gegen den Präsidenten eines Oberlandesgerichts, einen Behördenleiter, den Chef einer Krankenanstalt oder einen Wirtschaftsführer gerichtet hat, wobei es ohne jeden Zweifel als ein zulässiger Strafzumessungsgrund anzusehen sein wird, daß der öffentlichen Ehrverletzung eine erhöhte und strafverschärfende Bedeutung zukommt, weil sie sich gegen eine Person um der von ihr eingenommenen Stellung willen richtete. Daher wird es nicht als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügt werden können, falls die Beleidigung des Chefs einer großen Krankenanstalt deshalb mit besonderem Nachdruck bestraft wird, weil sie geeignet war, den Verletzten als seiner Stellung unwürdig erscheinen zu lassen und gerade dadurch auch öffentliche Interessen zu gefährden. In Übereinstimmung hiermit kann es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, daß aus diesem sachlichen Grunde der Gesetzgeber eine höhere Mindeststrafe zur Regel gemacht hat, falls der Verletzte im politischen Leben steht und die Tat geeignet ist, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren. Es kann dahingestellt bleiben, ob es statthaft wäre, den verstärkten Ehrenschutz an formale Erfordernisse zu knüpfen, ihn z. B. davon abhängig zu machen, daß der Verletzte das Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft ist. Denn § 187 a StGB hat eine andere Regelung getroffen, indem die Vorschrift einen sachlichen Gesichtspunkt zum Tatbestandsmerkmal für die Veränderung des Strafrahmens erhebt. Es trifft nicht zu, daß § 187 a StGB von sich aus die Bürger in zwei Gruppen einteile, von denen die eine privilegiert wäre. Denn im Zusammenhang mit dem Grundgesetz, insbesondere gerade mit Art. 3, Art. 9 und Art. 38 GG steht es jedermann frei, sich in das politische Leben des Volkes zu stellen. Jeder also wird des verstärkten Ehrenschutzes teilhaftig, sobald er sich dem politischen Leben widmet und aus eigener Kraft darin eine solche Stellung erlangt, wie § 187 a StGB sie voraussetzt. Unausgesprochen scheint den Erwägungen des Landgerichts Traunstein der Fehlschluß zugrunde zu liegen, daß hier durch dieses Gesetz nur eine bestimmte Gruppe von Politikern oder sogar von Abgeordneten sich selbst privilegiert hätte. Das ist nicht der Fall. Nicht an die Person, auch nicht an ein äußeres Merkmal knüpft § 187 a StGB an, sondern einzig und allein an einen materiellen Sachverhalt, der von jedermann verwirklicht werden kann. Geschützt durch diese Vorschrift sind deshalb keineswegs etwa nur Mitglieder des Bundestages oder der Landtage oder Mitglieder einer Regierung, sondern nach der zutreffenden Rechtsprechung z. B. auch Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts oder solche Führer einer politischen Partei, die nicht Abgeordnete sind (vgl. Schaefer, a. a. O.). Maßgeblich ist allein die tatsächliche Stellung in der Wirklichkeit des politischen Lebens und die dadurch bedingte Gefahrerhöhung für die Ehre, wobei der gesetzgeberisch entscheidende Gesichtspunkt bleibt, daß es sich nicht um den Schutz der einzelnen Ehre um ihrer selbst willen handelt, sondern um den Schutz des politischen Lebens vor der Vergiftung durch üble Nachreden und Verleumdungen. Was vielfach übersehen scheint, ist daher, daß zu den Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen, auch die Publizisten gehören, also solche Journalisten und Rundfunk-Kommentatoren, die durch die Art und Dauer ihrer der Politik gewidmeten Tätigkeit einen erheblichen Einfluß auf das öffentliche Leben ausüben. Der Gleichheitsgrundsatz soll Willkür ausschließen. Es darf also nicht ungleich behandelt werden, was gleich ist. Im Falle des § 187 a StGB kann davon jedoch keine Rede sein. Ob eine Person tatsächlich im politischen Leben eine Stellung von solcher Dauer und von solchem Einfluß einnimmt, daß die Voraussetzungen des § 187 a StGB auf sie zutreffen, begründet eine Verschiedenheit in der Gefährdung und im staatspolitischen Interesse an der Abwehr von Rechtsverletzungen. Hier ist eine nach Grad und Wesen sinnvolle Verschiedenheit gegeben, die eine unterschiedliche Behandlung im Gesetz als sachgerecht erscheinen läßt. Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß keineswegs schon jede üble Nachrede, durch die eine im politischen Leben stehende Person in ihrer Ehre verletzt wird, die Anwendung des § 187 a StGB rechtfertigt. Über das Merkmal, daß der Verletzte im politischen Leben stehen muß, hinaus fügt § 187 a Abs. 1 StGB dem Tatbestand des § 186 StGB zwei weitere Tatbestandsmerkmale sachlicher Art hinzu. Denn die üble Nachrede muß erstens aus Beweggründen begangen sein, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und zweitens muß die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken des Verletzten (Dr. Arndt) erheblich zu erschweren. Die höhere Mindeststrafe ist im Unterschied zu § 186 StGB also auch dadurch begründet, daß die Tat eine andere ist, weil sowohl der Vorsatz des Täters als auch die Wirkung seiner Tat zusätzliche Tatbestandsmerkmale erfüllen müssen, die nach dem Ermessen des Gesetzgebers diese Tat als eine besonders schwere und eigenartig qualifizierte kennzeichnen. Bonn, den 9. Februar 1955 Dr. Arndt Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Franz Neumann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wenn das richtig ist, daß Sie schon vor der Wahl der Auffassung waren, daß die drei demokratischen Parteien, also auch die CDU und SPD zusammenarbeiten sollten, wenn Sie diese Meinung vertreten haben, wie konnten Sie dann in einer Wahlversammlung noch einmal von den „widernatürlichen" Dingen sprechen! Dann würden Sie ja geradezu zu einer Unzucht aufgefordert haben,

    (Zustimmung bei der SPD – Zurufe von der Mitte: Ach, ach!)

    die Sie doch wahrhaftig, wie Sie es hier sagen, nicht haben wollten.
    Meine Damen und Herren, es geht hier um die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler vor der Wahl immer solche Behauptungen aufstellt, wie er es auch schon zur Bundestagswahl und wie er es auch im Falle Schroth und Scharley getan hat. Auch damals kam das Material aus Berlin, auch damals kam es aus dem Bundeshaus in der Bundesallee, und der Herr Bundeskanzler hat es bis zum heutigen Tage nicht für notwendig erachtet, nachdem er festgestellt hat, daß er Schwindlern aufgesessen ist, hier auch nur ein einziges Mal gegen diese Schwindler vorzugehen. Es geht darum, Herr


    (Neumann)

    Bundeskanzler, daß wir in einem demokratischen System doch Zustände haben sollten, in denen der eine auch den anderen Demokraten achtet.

    (Abg. Even: Das gilt aber auch für euch! — Abg. Huth: Sehr richtig!)

    — Entschuldigen Sie, ich spreche im Augenblick vom Bundeskanzler, und ich möchte Ihnen eines sagen. Der Herr Oberbürgermeister von Köln hat einmal gesagt: Man soll nicht immer und überall von Demokratie sprechen, aber man soll immer und überall nach den Grundsätzen der Demokratie handeln.

    (Zurufe von der SPD: Das ist lange her! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Die demokratischen Grundsätze, sagte der Oberbürgermeister von Köln, verlangen, daß man dem politisch Andersdenkenden mit Achtung und Vertrauen gegenübertritt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch Ihnen zu empfehlen!)

    daß man sich bestrebt, seine Gedanken und seine Gründe zu verstehen.

    (Zuruf von der SPD: Das hat er vergessen!) Meine Damen und Herren, wenn das, was der Oberbürgermeister Dr. Adenauer einmal vor acht Jahren in Köln gesagt hat, die Grundlage der Ausführungen des Bundeskanzlers wäre, dann wären wir in der Gemeinsamkeit der Arbeit ein gut Stück weiter.


    (Abg. Even: Es gibt ja auch einen Oppositionsführer!)

    — Es liegt am Oppositionsführer, sagen Sie?

    (Abg. Huth: Nein, das hat er nicht gesagt!)

    Ich will Ihnen eins sagen. Sie führen in Ihrem Namen das Wort „christlich".

    (Abg. Dr. Seffrin: Das ist zu billig!)

    — Das ist zu billig? Entschuldigen Sie! Sie führen in Ihrem Namen das Wort „christlich" — ich will es noch einmal wiederholen —, Sie sollten auch zur Grundlage Ihrer Politik christliche Gebote machen, und eines dieser Gebote heißt: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Huth: Das gilt aber besonders für Ihre Partei!)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Krone.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Krone


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es bedauert, Herr Kollege Neumann, daß Sie dieses Schlußwort von der christlichen Verpflichtung noch gesprochen haben. Nur einen Satz dazu. Wir wollen es uns alle zur Mahnung nehmen, nach diesem Gebot zu handeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir fassen das Wort „christlich" nicht als Monopol für uns auf,

    (Zurufe von der SPD)

    sondern als Verpflichtung, wie es eben auch von Herrn Neumann gesagt worden ist.

    (Abg. Neumann: Das wird von uns anerkannt!)

    — Nun gut!
    Ein Zweites. Ich stelle fest, daß diese Interpellation, wie es hier gesagt worden ist, nicht dem
    Wunsche der Berliner Abgeordneten, auch nicht Ihrer Fraktion, entspricht, daß sie auch nicht im Interesse Berlins liegt.
    Ein Drittel. Was Herr Vockel gesagt hat, hat er zuerst dem Herrn Kollegen Ollenhauer gesagt. Er hat es aus der gleichen Sorge, die ihn bewogen hat, auch dem Herrn Bundeskanzler gesagt. Das ist kein Versteckspiel gewesen, sondern es ist offen beiden Herren, dem Führer der Opposition und dem Herrn Bundeskanzler, gesagt worden.
    Ein Viertes. Ich bin froh, daß diese Angelegenheit hier klargestellt worden ist, auf daß sie nicht schwelt, weder hier noch in Berlin. Was war es, was Herrn Vockel bewogen hat? Die Sorge, daß die Außenpolitik, die hier in Bonn nach dem Wunsch und nach dem Willen der Mehrheit des deutschen Volkes geführt wird, auch als Grundlage des Landes Berlin, das zum Bund gehört, anerkannt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn aus dieser Verantwortung heraus, die auch von Berlin aus geteilt werden muß und geteilt wird und die auch, nehme ich an, von Herrn Dr. Suhr nach wie vor geteilt wird, etwas Derartiges gesagt wird, dann ist das nur eine Verpflichtung, die wir hier auch für Berlin haben.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Aber es handelt sich um die Rede!)

    — Zu der Rede, Herr Dr. Schmid, hat der Herr Bundeskanzler eben festgestellt, daß dies seine Sorge gewesen ist,

    (Zurufe von der SPD: O nein!)

    daß, wenn später eine Regierung kommt, – —

    (Lebhafter Widerspruch und Zurufe von der SPD.)

    — Bitte, Herr Mellies: Daß sich der Kanzler in Berlin für den Sieg seiner Partei einsetzt, das können Sie ihm nicht verargen!

    (Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD: Aber mit welchen Mitteln!)

    — Aber, Herr Mellies, wer die Haltung des Herrn Bundeskanzlers Berlin gegenüber kennt, weiß, daß er bei dem, was er hier gesagt hat, der Überzeugung gewesen ist, daß, wenn die Wahlen so ausfallen, dann aber auch alle demokratischen Parteien die Verantwortung dort übernehmen müssen.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Warum hat er d a s nicht gesagt?)

    Daß die Außenpolitik, die hier geführt wird und die auch im Lande Berlin geführt werden muß, dann auch die Politik der neuen Regierung Berlins wird, das war die Sorge, die der Herr Bundeskanzler natürlich auch in einer Wahlrede aussprechen konnte.

    (Beifall in der Mitte.)