Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 41. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Dannemann, Wagner , Becker (Pirmasens), Dr. Moerchel, Neumann, Kurlbaum, Frau Lockmann, Frau Dr. Dr. h. c. Lüders, Rademacher, Frau Meyer-Laule, Wehking, Häussler, Dr. Orth, Schmücker, Schoettle, Bals, Schmidt-Wittmack, Grien, Gockeln, Siebel, Müller-Hermann, Ruhnke, Kalbitzer, Oetzel, Engell, Dr. Pohle (Düsseldorf) und Caspers.
Ich danke vielmals.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 12. Juli 1954 die Kleine Anfrage 59 der Abgeordneten Josten, Stingl, Frau Dr. Probst, Schmücker, Günther und Genossen betreffend Berücksichtigung des Mittelstandes bei der Vergabe von Besatzungsaufträgen — Drucksache 507 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 729 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 9. Juli 1954 die Kleine Anfrage 65 der Abgeordneten Dr. Rinke, Donhauser und Genossen betreffend Menschenraub in der Bundesrepublik — Drucksache 543 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 710 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 23. Juni 1954 die Kleine Anfrage 68 der Abgeordneten Kortmann, Dr. Conring, Brese, Dr. Höck und Genossen betreffend Zufahrt zum Hafen Emden für Seeschiffe — Drucksache 568 —beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 643 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 8. Juli 1954 die Kleine Anfrage 71 der Abgeordneten Wieninger, Niederalt, Dr. Dittrich, Wacher , Geiger (München] und Genossen betreffend Einfuhr von Granitpflastersteinen aus Schweden — Drucksache 595 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 711 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 8. Juli 1954 die Kleine Anfrage 72 der Fraktion der SPD betreffend Ausfuhrförderungsgesetz — Drucksache 596 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 707 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 8. Juli 1954 die Kleine Anfrage 73 der Fraktion der FDP betreffend Industrieverwaltungsgesellschaft mbH. — Drucksache 603 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 712 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 13. Juli 1954 die Kleine Anfrage 84 der Abgeordneten Dr. Dollinger, Wieninger, Stücklen und Genossen betreffend Lieferanten der Deutschen Bundesbahn — Drucksache 638 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 730 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat unter dem 12. Juli 1954 die Kleine Anfrage 89 der Fraktion der DP betreffend Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz — Drucksache 646 — beantwortet. Seine Antwort wird als Drucksache 740 vervielfältigt.
Der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat unter Bezugnahme auf die Beschlußfassung in der 230. Sitzung des 1. Deutschen Bundestages das gemäß § 97 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht beantragte Rechtsgutachten über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes am 16. Juni 1954 überreicht. Das Gutachten wird als Drucksache 644 vervielfältigt.
Die Fraktion der SPD hat unter dem 9. Juli 1954 mitgeteilt, daß ihre Große Anfrage betreffend Eingriffe der Besatzungsmächte in die Betriebsführung deutscher Unternehmungen — Drucksache 348 — durch eine Besprechung mit dem Herrn Bundesminister für Arbeit erledigt sei.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 12. Juli 1954 den Entwurf einer Fünfzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen — Drucksache 269 — zurückgezogen, nachdem der Bundesrat in seiner Sitzung am 19. März 1954 beschlossen hatte, die Bundesregierung zu bitten, von der in dem Entwurf vorgesehenen Regelung abzusehen.
Die Fraktion der FDP hat den von ihr eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Heimkehrergesetzes Drucksache 30 — zurückgezogen.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 8. Juli 1954 die Stellungnahme der Bundesregierung zum Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 19. Sitzung betreffend Reorganisation des, Agrarrechts und der Agrarwirtschaft mitgeteilt. Sein Schreiben wird als Drucksache 723 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren, ich darf zur Tagesordnung folgendes bekanntgeben. Es ist eine interfraktionelle Vereinbarung zustande gekommen, die Tagesordnung um folgende Punkte zu erweitern.
1. Erste Beratung des von den Abgeordneten Naegel, Atzenroth, Samwer und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Abwicklung der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft und die Errichtung eines Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft , Drucksache 719.
Darf ich fragen, ob das Haus mit dieser Ergänzung der Tagesordnung einverstanden ist. — Es wird nicht widersprochen; also ist die Tagesordnung insoweit ergänzt.
2. Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken, Drucksache 545.
Auch um diesen Punkt ist, sofern nicht widersprochen wird, die Tagesordnung ergänzt worden.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat gebeten, den Punkt 9 der Tagesordnung vorzuziehen, weil er selbst heute nicht anwesend sein kann und der Herr Staatssekretär nachmittags an einer dringenden Veranstaltung auswärts teilnehmen muß. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß ich diesen Punkt nach Punkt 2 der Tagesordnung einfüge. — Dagegen wird kein Einspruch erhoben.
Meine Damen und Herren! Dann habe ich noch ein im 2. Deutschen Bundestag eingetretenes Mißverständnis zu korrigieren. In der Bundestagsdrucksache 159 betreffend den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Vereinbarung vom 23. Februar 1953 über die Regelung der Schweizerfranken-Grundschulden ist in der Vereinbarung über die Regelung der Schweizerfranken-Grundschulden, also der diesem Gesetz zugrunde liegenden völkerrechtlichen Vereinbarung, versehentlich in Art. 10 ein Abs. 3 übersehen worden:
Der Eigentümer ist verpflichtet, vorgehende Grundstücksbelastungen löschen zu lassen, soweit sich das Grundpfandrecht mit dem Eigentum in einer Person vereinigt, und zur Sicherung dieses Gläubigeranspruches eine Löschungsvormerkung zugunsten der Gläubigergrundschuld eintragen zu lassen.
Es hat sich, wie in solchen Fällen üblich, eine Kettenreaktion herausgestellt, da es sowohl in unserer Korrekturabteilung wie beim federführenden Bundeswirtschaftsministerium und beim Bundesgesetzblatt übersehen worden ist. Ich glaube, daß man diese Panne nicht durch ein neues Gesetz zu beheben braucht, sondern daß man das mit einer Mitteilung im Bundestag über die Korrektur dieses Fehlers, der sonst zu irgendwelchen Veränderungen keinen Anlaß gegeben hat, in Ordnung bringen kann. Ich darf unterstellen, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist. — Das ist der Fall; dann ist auch dieser Punkt erledigt.
Ich komme zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht 6 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen .
Ein Bericht des Petitionsausschusses wird dazu heute nicht erstattet werden. Ich darf also bitten, daß die Damen und Herren, die den in der Übersicht 6 — Drucksache 668 – gestellten Anträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit, ist angenommen.
Ich rufe den Punkt 2 a und b der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betreffend Ausstellung von Diplomatenpässen für die deutschen Vertreter und ihre Stellvertreter bei der Beratenden Versammlung des Europarates ;
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ausstellung von Diplomatenpässen .
Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, daß inzwischen eine Mitteilung des Auswärtigen Amtes bei mir eingegangen ist, nach der die Diplomatenpässe für die Vertreter und Stellvertreter bei der Beratenden Versammlung des Europarates ausgestellt werden bzw. ausgestellt sind.
Ich unterstelle, daß hinsichtlich des Gesetzentwurfs unter 2 b eine Begründung und Aussprache nicht erforderlich ist. — Dann schlage ich Ihnen vor, über den Antrag unter Punkt 2 a abzustimmen unter dem Hinweis, daß er sachlich inzwischen überholt ist, und den Gesetzentwurf unter Punkt 2 b an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage zu 2 a zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich unterstelle, daß das Haus mit der Überweisung zu 2 b einverstanden ist. — Auch das ist der Fall.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Sechzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksachen 684, 472).
Berichterstatter ist Abgeordneter Schwarz. — Herr Abgeordneter Schwarz ist anscheinend noch nicht bereit. Ist der Vorsitzende des Ausschusses bereit, den Bericht zu übernehmen? — Offenbar auch nicht. Meine Damen und Herren, ich stelle den Punkt noch etwas zurück.
Ich rufe zunächst auf Punkt 3:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Abgeordneten Ruhnke, Schwann, Geiger (München), Elsner, Dr. Kopf, Maier (Freiburg), Dr. Hoffmann und Genossen betreffend Rhein-Seitenkanal (Drucksache 721, 562).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Furler. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat in seiner Sitzung am 13. Juli 1954 einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause den von allen Fraktionen unterstützten Antrag Drucksache 562, der sich mit dem Rhein-Seitenkanal befaßt, zur Annahme zu empfehlen. Ich habe die Ehre, Ihnen die Erwägungen darzulegen, von denen der Auswärtige Ausschuß ausging. Ich kann mich dabei auf einige allgemeine Gesichtspunkte deshalb beschränken, weil der Abgeordnete Dr. Kopf, dem wir hier in Zusammenarbeit mit allen Fraktionen angehörigen Mitgliedern der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft eine besondere Initiative, ein schon 1952 veröffentlichtes Gutachten und wesentliche Vorarbeiten verdanken, in der Plenarsitzung am 10. Juli 1954 eine eingehende Begründung dieses Antrags gab, die alle rechtlichen, wirtschaftlichen und grundsätzlichen Fragen darstellt, die mit diesem Rhein-Seitenkanal zusammenhängen, eine Begründung, die auch der Stellungnahme des Auswärtigen Ausschusses zugrunde liegt.
Sie wissen, daß der auf Grund des Versailler Vertrags bisher schon durchgeführte teilweise Ausbau des Rhein-Seitenkanals zu bedeutenden Schäden geführt hat, die in diesem Umfang sicherlich nicht vorausgesehen wurden. Die totale Veränderung der Wasserverhältnisse des Rheins, die Senkung des Grundwasserspiegels mit all ihren Auswirkungen, die Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung und der Bewässerung rechtsrheinischer Gebiete, das Ende der Fischereimöglichkeit und die Veränderung des Landschaftsbildes sind Folgen, die auf der Strecke unterhalb Basel bis gegen Breisach eingetreten sind und die in verschärftem Maße auftreten werden, wenn das Projekt bis nach Straßburg weitergeführt wird.
Der dem Antrag entsprechende Beschluß ersucht die Bundesregierung, sich bei Verhandlungen mit der französischen Regierung für eine Gesamtlösung der vielschichtigen Probleme einzusetzen, die dem Gedanken einer europäischen Zusammenarbeit Rechnung trägt. Innerhalb dieser Lösung liegen die Ziele, den Seitenkanal über Breisach hinaus nicht weiterzubauen, dem Rhein zwischen Basel und Breisach eine angemessene Mindestwassermenge zu erhalten und es nicht zu untersagen, den Strom zur Bewässerung badischer Gebiete der Rheinebene auszunutzen.
Die gerade in neuester Zeit bedeutend weitergeführte Technik wird es ermöglichen, die Kraftquellen des Rheins auch ohne weitere Ableitung des Stromes gleich umfassend und rationell zu erschließen. Die ersten Planungen für das gegenwärtige Projekt liegen über ein halbes Jahrhundert zurück. Was damals und noch im zweiten und dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts bedenklich oder nicht durchführbar erschien, kann heute technisch realisiert werden. Dies gilt vor allem für den Bau von Kraftwerken in unmittelbarer Anpassung an das natürliche Strombett unter gleichzeitiger Entwicklung besonderer Möglichkeiten für die Schifffahrt.
Die neue Lösung brächte eine Reihe von Vorzügen. Sie gestattete, die zahlreichen und vielfältigen schadensersatzrechtlichen Ansprüche zu bereinigen und die entsprechenden Auseinandersetzungen in der Zukunft zu vermeiden, ein Gewinn, der auch von hohem politischem Wert wäre. Sie gäbe auch Frankreich Möglichkeiten, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Es ist hierbei nicht an die Ausnutzung der Wasserkraft und die Schiffahrt gedacht. Auch Frankreich spart wertvolles Land, das sonst dem Kanalbau zum Opfer fällt. Auch für die linksrheinischen Gebiete hat eine natürliche und organische, weil an das Strombett sich anschließende Auswertung des Rheins Vorzüge, zumal der gerade auf der Strecke Breisach—Straßburg mit Sicherheit zu erwartende Eintritt jener bei uns beobachteten Schäden — man denke nur an die Senkung des Grundwasserspiegels — ohne weiteres ausgeschlossen wäre. Außerdem wird es bedeutsam und wertvoll sein, die Schönheit der ursprünglichen Rheinlandschaft erhalten zu können.
Die erschütterndste Folge der schon gebauten Teilstrecke des Seitenkanals stellt die völlige Trokkenlegung der entsprechenden Rheinstrecke während eines großen Teils des Jahres dar. Es spricht alles dafür, daß die Schöpfer der Pläne hiermit nicht gerechnet haben, zumal sie ursprünglich von einer Wasserentnahme von 850 Kubikmeter je Sekunde ausgingen, während die Entnahme nachträglich auf 1080 Kubikmeter je Sekunde erhöht worden ist. Der hier notwendige und mögliche Wandel würde schwerwiegende wirtschaftliche und landschaftliche Auswirkungen beseitigen und vor allem auch die Möglichkeit geben, für eine ausreichende Bewässerung der rechtsrheinischen Gebiete zu sorgen, die sich in der Gefahr einer Versteppung befinden.
Wer die hier in Betracht kommenden Gegenden kennt, weiß, wie sehr die Menschen dieser badischen Grenzbezirke täglich die Veränderungen und Schäden empfinden, die hier eingetreten sind und ständig neu entstehen. Es wäre ein überhaupt nicht abschätzbarer Gewinn, wenn es gelänge, die Grundlagen dieser sich immer erneuernden schmerzlichen Empfindungen zu beseitigen. Es geht den Bewohnern dieser Grenzgebiete aber nicht allein um die wirtschaftlichen Auswirkungen, obwohl diese naturgemäß eine bedeutende Rolle spielen. Es geht diesen Menschen auch um das Bild ihrer Heimat, um Wesen und Charakter des Landes, in dem sie leben.
Wenn das Vorhandene erhalten und organisch im Dienste der Technik weiterentwickelt wird, dann entstehen nicht diese Verstimmungen; im Gegenteil: aus dem veränderten Werk erwächst die verbindende Achtung vor der Leistung der Technik. So ist es ein wesentlicher Sinn dieses Antrags und der zu führenden Verhandlungen, Gegensätze zu überwinden, über Vergangenes hinwegzukommen und mit neuen Gesichtspunkten zu neuen Gestaltungen zu gelangen, die unserer Zeit entsprechen, technisch, wirtschaftlich und politisch. Verständigung, Partnerschaft und Freundschaft drängen dazu, nach neuen Lösungen gerade auch an unserer gemeinsamen Rheingrenze zu suchen, selbstverständlich unter Wahrung der wirtschaftlichen Interessen Frankreichs an der kraft- und verkehrsmäßigen Entwicklung und Auswertung des Rheinstroms, der unsere Völker verbinden und nicht trennen soll.
Dies sind einige allgemeine Gesichtspunkte, die gerade den Ausschuß leiteten, der die auswärtigen Angelegenheiten unseres Landes zu betreuen hat. Das in dem Antrag — dessen Annahme ich empfehle — zum Ausdruck gebrachte Anliegen bewegt aber alle Mitglieder dieses Hohen Hauses, wobei ich weiß, daß es nicht allein um ein Anliegen wirtschaftlichen Inhalts, politischen Gewichts und der allgemeinen Gerechtigkeit, sondern vor allem auch um eine Sache des Herzens geht.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat war die Meinung, daß angesichts der Einmütigkeit im Ausschuß auf eine Aussprache verzichtet werden könne. Ist das die Meinung des Hauses? — Offenbar.
Dann kann ich zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses — Drucksache 721 — kommen, den Antrag Drucksache 562 anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich stelle fest, daß er offenbar einstimmig angenommen worden ist.
Darf ich fragen, ob Herr Abgeordneter Schwarz inzwischen eingetroffen ist? — Dann rufe ich auf den Punkt 9:
Zur Berichterstattung hat das Wort Herr Abgeordneter Schwarz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf einer Sechzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen — Drucksache 472 — beinhaltet eine Reihe von Zollsatzermäßigungen und Freistellungen, über die der Ausschuß für Außenhandelsfragen in seiner Sitzung am 8. Juli 1954 beraten hat. Das Ergebnis ist folgendes. Die Nrn. 1 bis 4 und 6 wurden entsprechend der Regierungsvorlage gebilligt. Bei Position 5, Lupinensamen, ging der Ausschuß für Außenhandelsfragen auf Grund eines Beschlusses des mitberatenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Regierungsvorlage hinaus, die einen 10 %igen Zoll vorsah, und entschied auf Zollfreistellung.
Nr. 7 der Regierungsvorlage wurde gestrichen. Sie betrifft die Sätze für Pflaumenmus. Eine Einigung über den Beschluß des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den alten Zollsatz ohne Ermäßigung beizubehalten, konnte nicht erzielt werden. Um das Inkrafttreten der übrigen Zollsätze nicht zu gefährden, wurde diese Position gestrichen.
Für § 2 der Drucksache 472 hatte der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Erweiterung vorgesehen. Sie betraf Nr. 6 in § 1 der Verordnung über Zolländerungen vom 10. Oktober 1951, nämlich die Zollsätze für Eier während der Wintermonate. Da sich für diesen Beschluß des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Ausschuß für Außenhandelsfragen keine Mehrheit fand, wurde der ganze § 2 aus den gleichen Gründen wie Nr. 7 in § 1 gestrichen. Aus den §§ 3 und 4 der Regierungsvorlage wurden daher die §§ 2 und 3, die die Gültigkeit der Rechtsverordnung auch im Lande Berlin und den Verkündungstermin vorsehen. Sie wurden in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen.
Ich bitte das Hohe Haus namens des Ausschusses für Außenhandelsfragen, dem Antrag auf Drucksache 684 die Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Einzelberatung der 16. Verordnung über Zollsatzänderungen.
Ich rufe zunächst auf § 1. Dazu liegen keine Wortmeldungen vor. Ich bitte die Damen und Herren, die § 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Es liegt ein Änderungsantrag — Umdruck 145 — betreffend die Einfügung eines § 1 a vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Struve!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat darauf hingewiesen, daß im Außenhandelsausschuß der § 2 der Regierungsvorlage gestrichen wurde. Bezüglich dieses § 2 hatte der Ernährungsausschuß mit 15 gegen 2 Stimmen beschlossen, den vom 1. September bis zum 15. Februar geltenden Eierzoll von 5 wieder auf 15 % zu setzen. Den Beschluß, den Zolltarif für Eier vom 1. September bis zum 15. Februar auf 5 % festzusetzen, hatten wir seinerzeit bei der Beratung der Verordnung über Zolländerungen vom 10. Oktober 1951 im Bundestag gefaßt. Damals lagen aber völlig andere Verhältnisse vor. Die Erzeugerpreise für einheimische Eier lagen damals doppelt so hoch wie heute und betrugen etwa 25 bis 28 Pf. Ihnen allen ist bekannt, daß hierin zur Zeit eine Reduzierung auf etwa die Hälfte erfolgt ist.
Dieses Problem hat uns im Ernährungsausschuß wiederholt beschäftigt, und wir waren mit dem zuständigen Ministerium der Meinung, daß man diesen Dingen am besten durch die Einführung eines Gleitzolles begegnen könnte. Über diese Maßnahmen bestand im Ausschuß weitgehend Einmütigkeit. Leider sind wir mit diesen Maßnahmen nicht vorangekommen, weil hier sehr schwierige Verhandlungen mit den Einfuhrländern voraufgehen müssen und diese bis zur Stunde noch nicht zu einer Klärung geführt haben. Wir sind deshalb der Meinung, daß wir jetzt vorübergehend den Zoll wieder auf 15 % erhöhen müssen, und erlauben uns, in unserer Begründung darauf zu verweisen, daß in den hinter uns liegenden Jahren ein erfreulicher Fortschritt in der Eigenproduktion erreicht wurde. Und ein Zweites. Der damals im Winter herabgesetzte Zoll war bedingt durch die hohen Einfuhren während des Winters. Im Augenblick ist aber die Rationalisierung in unserer Hühnerhaltung derart fortgeschritten, daß wir mit einer gleichen Winterproduktion zu rechnen haben und das Angebot sich durchaus über das ganze Jahr etwa in gleichen Grenzen hält. Diese Maßnahmen müssen weiter unterstützt werden. Theoretisch könnte dies zwar unter Umständen zu einer Erhöhung des Eierpreises für den Verbraucher um 10 °/o, also bei einem Einfuhrpreis von 12 Pf für holländische Eier zu einer Erhöhung um 1,2 Pf führen. Dem ist aber nicht so, weil die holländische und auch die dänische Produktion auf Weltmarktpreisen aufbauen. Dort liegen die Futtermittelpreise etwa bei 12 bis 13 Pf, während unsere bei 18 bis 20 Pf liegen. Wir müssen deshalb den Überlegungen entgegentreten, die etwa hier eine Verteuerung für den Verbraucher herauskonstruieren wollen.
Wir sind der Meinung, daß auch die Frage der deutschen Hühnerhaltung schlechthin in Betracht gezogen werden muß. In Deutschland handelt es sich im Gegensatz zu den Einfuhrländern nicht um eine Produktion in großen Farmen. Die Hühnerhaltung ist auch keine rein landwirtschaftliche Angelegenheit, sondern ausgesprochen eine Angelegenheit der kleinen Existenzen, der kleinbäuerlichen Betriebe, der Kleinsiedlungen, aber auch aller anderen Betriebe, nicht zuletzt solcher von Landarbeitern. Das möchte ich vor allen Dingen den Damen und Herren sagen, die glauben, die Interessen des Verbrauchers so in den Mittelpunkt stellen zu müssen.
Noch ein letztes Wort zur Begründung meines Antrags!
Es ist zwar ein ungeschriebenes Gesetz, daß die Frau des Bauern für die Hühnerhaltung sorgt. Aber selbst in Zeiten der Gleichberechtigung ist es in der Hühnerhaltung doch sehr oft so, daß der Mann dafür sorgen muß, daß das Futter bereitsteht. Das Eiergeld jedoch gehört der Frau.
Nach meinem Dafürhalten sollte auch diese Überlegung bei Ihrer Entscheidung eine Rolle spielen.
Ich darf deshalb namens der Mitunterzeichner meines Antrags um Unterstützung dieses von uns eingebrachten Antrags bitten.
Meine Damen und Herren, auch wenn es die letzte Sitzung vor den Ferien ist, darf ich darum bitten, nach Möglichkeit die Ruhe zu wahren und Gespräche in die dazu vorbereiteten Wandelhallen zu verlegen. Es ist sehr schwer für die Redner, sich durchzusetzen, — wenn sie nicht eine so durchdringende Stimme wie Herr Kollege Struve haben natürlich.
Sie haben den Antrag zu § 1 a gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? — Frau Strobel, bitte!
Meine Herren und Damen! Diese Form des Argumentierens mit der Gleichberechtigung läßt sich leider in diesem Fall nicht anwenden, und insofern kann ich mich leider nicht anschließen.
Zur Sache: Federführend bei der Behandlung dieser Zollsatzverordnung ist der Ausschuß für Außenhandelsfragen. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat den Antrag des Herrn Struve nicht etwa abgelehnt, sondern er hat darum gebeten, das sachliche Anliegen dieses Antrags bei einer anderen Gelegenheit zu beraten, weil eine sachliche Beratung im Außenhandelsausschuß nicht möglich war, da die Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren.
Wir sind also jetzt in der Situation, daß über einen Antrag abgestimmt werden soll, über den der federführende Ausschuß nicht beraten konnte. Wir bitten Sie deswegen, die vorgeschlagene Einfügung nicht bei der 16., sondern bei der 19. Zollsatzverordnung vorzunehmen, damit dem Außenhandelsausschuß ' Gelegenheit gegeben wird, über die ganzen Voraussetzungen, die eine Zolländerung bei Frischeiern nötig oder unnötig erscheinen lassen, auch tatsächlich eingehend zu beraten.
Ich glaube, es läßt sich eine Reihe von Gründen dafür anführen, daß diese Beratung notwendig ist. So möchte ich einmal darauf hinweisen, daß auch die Seite, die die Erhöhung des Eierzolls nicht für nötig hält, eine Reihe von Argumenten anführen kann. Ein Beispiel: In England ist jetzt die Rationierung aufgehoben worden. England wird in diesem Jahr als Abnehmer für holländische bzw. dänische Eier auf dem Markt in erhöhtem Maße in Erscheinung treten. Im Winter werden also Verknappungen auf dem Eiermarkt auftreten, die im Augenblick nicht übersehbar sind.
Weiter ist zu berücksichtigen, daß der Handel in diesem Jahr nicht in dem Ausmaß früherer Jahre Fier eingelagert hat, weil die Holländer bekanntlich ihre Produktion weitgehend auf den Winter umgestellt haben. Auch daraus kann resultieren, daß es, wenn wir jetzt den Eierzoll erhöhen, infolge mangelnder Einfuhren im Winter zu erheblichen Eierpreiserhöhungen kommt. Ich vermag das hier gar nicht im einzelnen auszuführen und zu übersehen.
Heute sind mir die „Berichte und Nachrichten für die Landwirtschaft" aus dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in die Hand gekommen, wo auf Seite 4 ebenfalls zum Auslandsei und zum deutschen Ei Stellung genommen wird. Hier wird nachgewiesen, daß es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, um sowohl die Produktionskosten als auch die Produktionsgrößen in der deutschen Hühnerhaltung zu verändern.
Ich meine, daß die Ausschüsse in der Lage sein müßten, auch hier die Voraussetzungen genau zu prüfen. Es geht im Augenblick also gar nicht darum, die Frage der sofortigen Erhöhung des Eierzolls mit Ja oder Nein zu beantworten.
Ich muß im übrigen sehr in Frage stellen, ob Herr Struve in der Lage ist, seine Behauptung, daß sich für den Verbraucher der Eierpreis nicht wesentlich ändern werde, aufrechtzuerhalten. Eine Zollsatzänderung führt selbstverständlich zu einer Erhöhung des Eierpreises;
sonst würde ja das Anliegen des Herrn Struve, der doch die Eierpreise für die Erzeuger erhöhen will, gar nicht erreicht. Wo das Ganze dann eigentlich hängenbleiben soll, das habe ich bis jetzt nicht herausgefunden.
Ich glaube, wir sollten uns viel mehr darum bemühen, die Produktionsmöglichkeiten für die deutsche Hühnerhaltung dahingehend zu verbessern, daß für sie eine echte Konkurrenzlage mit dem Auslandsei gegeben ist.
Ich bitte Sie deshalb, unserem Änderungsantrag zum Änderungsantrag zuzustimmen und den Ausschüssen Gelegenheit zu einer ausgiebigen fachlichen Beratung zu geben. Ich darf dem Herrn Präsidenten unseren Änderungsantrag überreichen.
Frau Abgeordnete Strobel, es ist etwas schwierig. Sie stellen einen Antrag zur 19. Verordnung, die im Plenum noch gar nicht zur Debatte steht. Praktisch beinhaltet Ihr Antrag die Ablehnung des Antrags zur 16. Verordnung.
Herr Präsident, das ist in- sofern ein Irrtum, als wir den Änderungsantrag stellen, den Änderungsantrag Umdruck 145 dahingehend abzuändern, daß statt der 16. Verordnung die 19. Verordnung genannt wird. Dann kann dieser Antrag dem Außenhandelsausschuß überwiesen und dort mit der 19. Verordnung beraten werden.
Das wäre dann praktisch ein Antrag zur Beratung der 19. Verordnung, die heute nicht auf der Tagesordnung steht.
Es ist ein Antrag auf Ändederung des Änderungsantrags und auf Überweisung an den Ausschuß.
Das scheint mir geschäftsordnungsmäßig nicht ganz klar zu sein, Frau Abgeordnete Strobel. Vielleicht klärt sich das auf andere Weise.
Herr Abgeordneter Bauknecht!
Meine Damen und Herren! Es wird vielleicht mancher überrascht sein,
daß dieser Änderungsantrag so urplötzlich gekommen ist. Das geschah deshalb, weil wir nun schon sieben Monate lang — wohl nicht im Plenum, aber in den Ausschüssen — über die Frage des Eierzolls diskutiert haben. Die gesamte Presse hat sich dieses Problems schon seit langer Zeit bemächtigt. Es ist doch für keinen Abgeordneten ein Geheimnis geblieben, daß sich das Bundesernährungsministerium schon seit Dezember mit der Frage befaßt, den Gleitzoll einzuführen. Eine Vorlage der Regierung ist deswegen noch nicht gekommen, weil es bisher noch Schwierigkeiten mit dem GATT gegeben hat und weil von uns erst noch bewiesen werden muß, daß durch den Gleitzoll ,der autonome Zoll im Durchschnitt des Jahres in Höhe von 15 % nicht überschritten wird. Die Schweden haben bei den letzten Verhandlungen zugestanden, daß dies nicht der Fall sein wird. Sie wären also bereit, auf einen Gleitzoll einzugehen. Mit Holland und Dänemark, unseren Hauptimportländern, werden noch Verhandlungen geführt.
Warum bringen wir jetzt diesen Interimsvorschlag? Ich betone ausdrücklich, daß es ein Vorschlag für eine vorübergehende Regelung ist, den alten Zollsatz zu belassen, der, wie Herr Struve ausgeführt hat, im Oktober 1951 unter dem Eindruck der damaligen hohen Eierpreise herabgesetzt worden ist. Wir bringen den Antrag deswegen jetzt, weil bekanntlich am 1. September der ermäßigte Zollsatz von 5 % in Kraft tritt und das Haus von heute an in Ferien geht. Eine Ausschußverweisung wäre daher gleichbedeutend mit der Zurückstellung um ein Jahr.
Sie werden mir widersprechen. Es ist aber doch so. Namentlich die Holländer, aber zum Teil auch die Dänen, legen bekanntlich einen Teil ihrer Frühjahrsproduktion ins Kühlhaus und warten ab, bis der Zollsatz heruntergeht. Dann erscheinen sie auf dem 'deutschen Markt mit den Eiern. Der plötzliche Knick von 15 % auf 5 % hat sich zum Schaden der deutschen Wintereierproduktion ausgewirkt.
Sehr verehrte Frau Kollegin, Sie haben das Bedenken geäußert, daß eine Eierpreiserhöhung eintrete, wenn wir jetzt der Vorlage zustimmten. Dazu darf ich Ihnen folgendes sagen. Ihr Argument, daß infolge der Aufhebung der Rationierung in England wahrscheinlich eine stärkere Nachfrage nach Eiern entstehe, ist nicht stichhaltig. Frühere und andere Rationierungsaufhebungen beweisen nämlich, daß das Gegenteil der Fall ist. Sie wissen selbst, daß nach Aufhebung der Butterrationierung kein Mehrverbrauch an Butter entstanden ist. Der Verbrauch ist sogar geringer geworden. Bei Fleisch ist es ebenso gewesen. Es ist also nicht damit zu rechnen, daß der deutsche Eiermarkt von der Rationierungsaufhebung in England tangiert wird.
— Aber Sie können es doch lesen, Herr Kollege! Sie können nicht bestreiten, ,daß seit der Aufhebung der Butterrationierung in England weniger Butter verbraucht wird.
— Keineswegs! Wir wollen keine Preissteigerungen.
— Nein, Herr Kalbitzer!
— Nein, das will ich Ihnen beweisen. Sie wissen ja selbst, daß seit Herabsetzung des Zolls seit den letzten drei Jahren der Eierpreis dauernd rückläufig ist. Wir wollen nun verhindern, daß er weiter rückläufig bleibt.
— Das hat mit einer Erhöhung der jetzigen absoluten Eierpreise nichts zu tun. Ich kann Sie gar nicht verstehen, meine Herren von der Linken da drüben. Sie sind doch sonst so sehr darum bemüht, sich für den kleinen Mann einzusetzen.
Sie wissen ganz genau, daß die Hühnerhaltung eine der hervorragendsten Einnahmequellen des kleinen Mannes, des Siedlers ist. Wie Sie sich nun im Plenum auflehnen, wenn wir mal expressis verbis für den kleinen Mann eintreten, kann ich wirklich nicht verstehen.
— Meine Herren, wir wollen ja nicht den Bauern helfen, denen es nach Ihrer Ansicht gut geht; bei diesen spielt die Hühnerhaltung eine ganz kleine Rolle. Darüber sind wir uns also klar.
Daß die Produktionskosten im Ausland sehr viel niedriger sind, darüber besteht kein Zweifel. Man weiß, daß draußen auch die Futtermittelpreise sehr viel geringer sind. Sie werden mir vielleicht sagen: „Setzen Sie den deutschen Futtermittelpreis herunter!" Das könnte man tun. Sie wissen aber, daß ein innerer Zusammenhang vorhanden ist und damit auch das ganze Preisgefüge für die Hackfrüchte zum Einsturz käme.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, im Interesse der Verbesserung und Rationalisierung der deutschen Eierproduktion unserem Antrag zuzustimmen.
Frau Abgeordnete Strobel!
Meine Herren und Damen! Die Auseinandersetzung ist im Ernährungsausschuß bereits geführt worden, aber sie muß noch im Außenhandelsausschuß stattfinden; denn dorthin gehört sie. Nachdem Sie aber die Erörterung des Problems ohne unser Verschulden im Plenum begonnen haben, muß ich auch einiges dazu sagen.
Es ist richtig, daß die Futtermittelpreise in Deutschland wesentlich höher sind als im vergleichbaren Ausland. Aber deshalb stellt sich ja gerade für den Eierverbraucher und natürlich auch für den Hühnerhalter die Sache so dar: Zuerst erhöht man die Futtermittelpreise. Dadurch werden die Produktionskosten für den deutschen Hühnerhalter erhöht. Weil sie erhöht sind, braucht er höhere Eier-
preise. Also erhöht man den Zoll, und dadurch werden die hohen Eierpreise für den Verbraucher dann wieder erhöht. Inwieweit das Anliegen der Herren, die diesen Antrag vertreten, auch ein Anliegen der Verbraucher ist, vermag ich beim besten Willen nicht zu sehen.
Es ist ja allmählich in diesem Hause geradezu üblich geworden, wenn man solche Anträge vertritt, so zu tun, als ob man damit das Anliegen des kleinen Mannes vertrete.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie das Anliegen des kleinen Mannes bei Rentenerhöhungen
und bei ähnlichen Gelegenheiten vertreten würden,
bei denen ihm mit Ihrem besonderen Interesse sicher sehr gedient wäre.
Meine Damen und Herren, ich glaube, keiner von uns ist heute in der Lage, nachzuweisen, wie sich diese Zollerhöhung auf den Eierpreis auswirken wird. Das ist der Grund dafür, daß wir um die Beratung im zuständigen Ausschuß bitten. Wenn eine Eierpreiserhöhung durch die Zollerhöhung nicht eintreten soll, dann müßte ja irgendwo noch eine Spanne vorhanden sein, die man zugunsten des Erzeugers ändern könnte. Das ist uns bis heute nicht nachgewiesen worden. Aber wenn das der Fall ist, dann wollen wir uns doch gemeinsam bemühen, dieser Spur einmal nachzugehen.
Noch eine andere Angelegenheit. Laut § 4 des Zollgesetzes werden Zollsatzänderungen von der Regierung vorgeschlagen, da es sich um Verordnungen und nicht um Gesetze handelt. Die Regierung hat uns bis jetzt trotz der Bemühungen im Ernährungsausschuß, eine Zollsatzänderung von ihr zu erreichen, eine solche für das Frischei nicht vorgelegt. Daraus geht doch zumindest hervor, daß die Beratungen sowohl interministeriell als auch auf der handelspolitischen Ebene auf diesem Gebiete noch nicht abgeschlossen sind. Ich bin nicht der Meinung des Herrn Bauknecht, daß die Angelegenheit durch die Ausschußüberweisung um ein Jahr verschoben werden muß. Die Regierung kann jederzeit, wenn sie will, in dieser Angelegenheit initiativ werden. Wir hätten es begrüßt, wenn sie es schon früher geworden wäre, damit man nun in der Sache entscheiden könnte. Aber jetzt unter diesem Zeitdruck über eine Angelegenheit zu entscheiden, die für die Preisgestaltung unter Umständen sehr weittragende Folgen haben kann, halten wir nicht für richtig. Wir bitten Sie noch einmal, dem Ausschuß Gelegenheit zur Beratung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte ist ein Musterbeispiel dafür, daß man eine Sache, die ganz einfach liegt, sehr kompliziert gestalten kann. Wie liegen die Dinge in Wirklichkeit? Ich bringe sie kurz auf einen Nenner. Damals, als der Zoll zeitweise auf 5 % herabgesetzt wurde, hatten wir ganz andere Eierpreise. Da war es im Interesse der Verbraucher wirklich notwendig, eine Änderung des Zollsatzes vorzunehmen. Das sehe ich ein. Seitdem haben sich die Verhältnisse aber grundlegend geändert. Wir haben jetzt schwankende Eierpreise.
Insbesondere müssen wir auch auf die kleine Landwirtschaft, die hier eine Rolle spielt, Rücksicht nehmen. Es handelt sich bei unserem Antrag nicht darum, den Eierpreis an sich zu erhöhen, sondern darum, eine gewisse Stabilität in ihn hineinzubringen, damit sowohl der Verbraucher als auch der Erzeuger das ganze Jahr hindurch mit einem stabilen Eierpreis rechnen können. Das ist das einfache Problem. Wenn wir noch so sehr darüber debattieren, so kommen wir doch keinen Schritt weiter. Seinerzeit bei den hohen Eierpreisen ist der Zoll herabgesetzt worden. Das ist jetzt überholt. Die Produktion ist inzwischen gestiegen. Infolgedessen hat diese Zollherabsetzung ihre Bedeutung verloren.
Ich bitte deshalb, den Antrag der SPD abzulehnen, den Antrag Struve anzunehmen und so der Regierung die Möglichkeit zu geben, diese Frage weiter zu behandeln.
Sie hat dann eine Grundlage. Wir sind in Zeitdruck, weil der 1. September herankommt, an dem die Zollherabsetzung wieder fällig wäre. Die Regierung kann dann in Ruhe erwägen, ob sie den Gleitzoll einführen will oder nicht. Das ist in kurzen Worten die einfache Sachlage. Ich bitte die Damen und Herren, die nicht unmittelbar zur Landwirtschaft gehören, diese Gesichtspunkte zu würdigen, damit wir diese Frage zu einer einfachen Lösung bringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Siemer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitens der SPD wurde vorhin gefragt, warum die Zollerhöhung stattfinden soll, wenn dadurch nicht tatsächlich die Preise erhöht werden sollen. Nun, meine Damen und Herren, die Dinge liegen nicht so, daß man einfach sagen darf: eine Zollerhöhung hat notwendigerweise eine Preiserhöhung im Gefolge. Zwar macht eine Zollerhöhung auf 15 %, wenn der Importpreis 12 Pf beträgt — das kann man sich ausrechnen —, 1,8 Pf.
– Ja, wir haben zur Zeit 5 % Zoll. 10 % Erhöhung bedeuten also praktisch bei 12 Pf Importpreis eine Erhöhung um 1,2 Pf. Nehmen wir einen Importpreis von 15 Pf, so würde das eine Erhöhung um 1,5 Pf bedeuten.
Aber worum geht es hier? Die Erzeuger haben in dem letzten Halbjahr Preise erzielt, die weit unter den Gestehungskosten liegen. Die Folge ist, daß die Junghennen in diesem Jahr nicht mehr absetzbar waren, nicht etwa weil wir in Deutschland unter schlechteren Bedingungen produzieren, sondern weil wir in Deutschland tatsächlich höhere Gestehungskosten haben.
Nun kann man sagen: wir müssen die Futtermittelpreise heruntersetzen. Das geht aber nicht. Sie selber haben die Marktordnungsgesetze und speziell das Preisgesetz für Getreide mit verabschiedet. Wir können diese Ordnung nicht durch-
brechen, müssen aber andererseits bestrebt sein, dem Kleinerzeuger zu helfen, damit er seine Erzeugung nicht abbaut. Tatsache ist, daß in der letzten Zeit deutsche Hühnerhalter ihre Bestände abgebaut haben. Bei der großen Einfuhr, die wir noch benötigen, würde ein weiterer Abbau zur Folge haben, daß uns demnächst die Preise vom Ausland diktiert werden.
Das ist eine Tatsache, die Sie an Hand der Eierpreise der letzten Jahre genau verfolgen können.
Außerdem, meine Herren von der Linken, möchte ich Ihnen sagen: nach der Statistik ist erwiesen, daß 58 % sämtlicher Hühnerhalter Besitzer bäuerlicher Betriebe unter 5 ha sind, für die das eine wesentliche Einnahmequelle ist. Wenn Sie allein die Höhe der aus Geflügel- und Eierwirtschaft in der deutschen Landwirtschaft umgesetzten Geldmenge von ungefähr 1,1 Milliarden betrachten, werden Sie nicht sagen können, daß diese Einnahmequelle für unsere kleinen Landwirte ohne Bedeutung ist. Wenn Sie wirklich das Bestreben haben, dem kleinen Landwirt zu helfen, d. h. die Kleinexistenz zu erhalten, dann bedenken Sie bitte, daß die Eierwirtschaft zu den wesentlichsten Erwerbszweigen dieser Kleinstlandwirte gehört. Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Heimat, dem Weser-Ems-Gebiet, wo die Geflügelzucht der holländischen bestimmt nicht nachsteht, sagen, daß unter den jetzigen Bedingungen bei 11, 12, 13 Pf Gestehungs- bzw. Erzeugerpreis, die wir im letzten Halbjahr erzielten, eine vernünftige und rentable Eierproduktion nicht aufrechtzuerhalten ist.
Natürlich wäre es auch mir lieber gewesen, wenn es die Bundesregierung hätte ermöglichen können, uns mit einem Eiergleitzoll zu beglücken, statt daß wir jetzt den alten Zollzustand wiederherstellen müssen. Aber es bleibt jetzt die Frage zu entscheiden, ob Sie den kleinen Geflügelhaltern — und das ist doch die Mehrzahl der kleinen Landwirte — helfen wollen oder ob Sie durch Ablehnung dieses Antrags beweisen, daß Sie für diesen echten Paritätsausgleich nichts tun wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Glasmeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich nur gegen die Äußerung der Kollegin Strobel wenden, die Frage der Eierproduktion sei keine Angelegenheit des kleinen Mannes.
Frau Kollegin Strobel, ich möchte Ihnen einmal statistische Angaben vortragen. Heutzutage steht der Index für Getreide etwa bei 200 bis 210, für Hackfrüchte usw. ebensohoch, für Fleisch etc. noch höher. Die größeren Bauern verkaufen Getreide, sie verkaufen Hackfrüchte, und sie verkaufen ihre Schweine. Der kleinere Besitzer, sagen wir, bis zu 5 oder auch bis zu 10 ha, kann sein Getreide nicht verkaufen; er verfüttert es. Für ihn sind allein die Preise für die Eier und für die Milch, eventuell noch für das Obst entscheidend. Bei diesen Produkten liegen die statistischen Werte aber bedeutend
niedriger. Sie liegen bei Eiern bis zu 160, bei Milch bis zu 170 und bei Obst bis zu 135. Wenn wir jetzt nicht durch Erhöhung des Zolls dafür sorgen, daß diese Einnahmequelle gerade der kleineren landwirtschaftlichen Betriebe wenigstens in dieser Höhe erhalten bleibt, dann sind viele landwirtschaftliche Betriebe unseres Heimatlandes erledigt. Schon heute besteht die Befürchtung, daß die Frage der Parität für die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe überhaupt nicht zu lösen ist, wenn nicht in allen Teilen die Ergebnisse der Statistik zugrunde gelegt werden. Darum möchte ich Sie bitten, in diesem Punkte gerade der kleinen Landwirtschaft Rechnung zu tragen und den Antrag Struve und Genossen anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört nun einmal zum Stil einer gewissen Sorte von Agrarpolitik, daß man zunächst Behauptungen aufstellt, dann wie ein Löwe darum kämpft und zum Schluß mit einem Scheinerfolg zufrieden ist, insbesondere dann zufrieden ist, wenn man daraus eine Art Gewissensfrage machen kann: Wer ist nun eigentlich für die Landwirtschaft einschließlich der kleinen Leute, und wer ist nun eigentlich gegen die Landwirtschaft?
— Herr Struve, wir kennen uns ja! Ich habe gar nicht das Bedürfnis, auf Ihre Bemerkungen einzugehen. Was Sie hier vorhin erzählt haben, war so eindeutig und war wieder einmal so bezeichnend, daß es für sich selber spricht.
— Ich werde Ihnen vom Landarbeiter auch noch etwas erzählen! Wenn Sie um den Landarbeiter Sorgen haben, dann haben Sie andere Gelegenheiten, als ihn hier in einem Zusammenhang heraufzubeschwören, wo er ganz einfach nicht hingehört.
Uns wird hier vorgeredet, wir seien mal wieder in der Gefahr — indem wir bestimmten Forderungen auf Zollerhöhungen, d. h. Preiserhöhungen nicht nachgeben —, uns irgendeinem ausländischen Preisdiktat auszuliefern. Irgendwann werden dann in Deutschland die Hühner überhaupt einmal abgeschafft sein, sagt man, und dann wird uns das Ausland den Preis diktieren. — Wer nur irgendeine, auch nur eine leise Ahnung von den Verhältnissen auf dem internationalen Eiermarkt hat, kann auf solche Geschichten wirklich nicht einmal im Traume kommen. Vor einer ernsthaften Versammlung kann man jedenfalls so nicht operieren. Ich habe hier den „Sonderdienst" des Bundesernährungsministeriums zur Hand, der sich auf eine bemerkenswert nüchterne und sachliche Weise mit diesem heiklen Problem auseinandersetzt. Ich habe volles Verständnis dafür, daß sich die Regierung auf diese Weise an der Debatte beteiligt. Wir wissen ja, warum von seiten der Regierung kein Versuch ge-
macht worden ist, durch eine eigene Initiative den Eierzoll zu erhöhen. Wir haben ja nicht zum erstenmal über dieses Problem hier zu reden. Wir haben im Ausschuß darüber gesprochen, und wir wissen, daß man sich im Ministerium begreiflicherweise und vernünftigerweise immer noch um einen Gleitzoll bemüht und durch internationale Verhandlungen zu einer Methode kommen möchte, die eine ziemliche Sicherheit für gleichbleibende Preise eröffnet. Aber dieses Verhandeln dauert einigen Herren offenbar zu lange. Sie möchten ihrer eigenen Regierung zuvorkommen und einmal das Haus verleiten, etwas zu beschließen, was ich einer Regierung, für die ich verantwortlich wäre, niemals zumuten würde. Denn das, was wir hier beschließen, wird doch zu einer handelspolitischen Realität, mit der sich die Bundesregierung draußen auseinandersetzen muß. Ich halte es eigentlich gar nicht für möglich, daß man so in solche Dinge hineinfuhrwerkt und es den anderen überläßt, daraus die Konsequenzen zu ziehen und mit dem Resultat fertig zu werden.
Aus diesem Material möchte ich Ihnen einmal ein paar Zahlen vorlesen, wenn Sie gestatten. Von der deutschen Jahreserzeugung von 5,6 Milliarden Eiern sind schätzungsweise nur 2,3 bis 2,6 Milliarden, d. h. nur die Hälfte, in den Verkauf gekommen. Von dieser Hälfte, von diesen 2,3 Milliarden sind nur 0,9 bis 1,2 Milliarden, das ist weniger als ein Viertel der Gesamtproduktion, über den Großhandel auf den Eiermarkt gekommen. Die anderen Eier, das sind die Eier der kleinen Leute, werden nämlich sehr viel vorteilhafter abgesetzt, als es nach dem Großhandelsindex wegen der in Deutschland besonders hohen Verteilungskosten möglich ist, nämlich im Direktverkehr mit den Verbrauchern, in Gastwirtschaften usw. Gegenüber dieser kleinen Eiermenge, die aus der deutschen Erzeugung auf den Markt kommt, spielt nun der Eierimport eine so große Rolle, daß gar nicht bestritten werden kann, daß jede Zollerhöhung zu preislichen Konsequenzen führt. Ich kann mir denken, daß das durchaus erwünscht ist und daß der eine oder andere diese Konsequenz der Preiserhöhung für notwendig hält. Aber dann soll man das auch sagen, damit jeder weiß, worüber hier abgestimmt wird. Es ist doch fürchterlich töricht, hier zu behaupten: Die Bauern brauchen mehr für ihre Eier, wir müssen ihnen also mehr Geldeinnahmen besorgen, zu diesem Zweck werden wir also die Zölle erhöhen, und auf der anderen Seite zu sagen: Aber die Eier werden dadurch nicht teurer.
Das alles kann in diesem Zustand hier nicht ausdiskutiert werden. Ich halte es nur für ein Gebot der Fairneß — ebenso wie alle, die daran interessiert sind, daß eine sachlich richtige Lösung getroffen wird —, unter Inanspruchnahme der Regierung, ihrer handelspolitischen Kenntnisse und des Materials diese Dinge im Ausschuß zu beraten, wie es bisher leider nicht möglich war.
Da es offenbar geschäftsordnungsmäßige Schwierigkeiten gegenüber dem Antrag gibt, den Frau Strobel vorhin vorgetragen hat, beantragen wir die Verweisung des Umdrucks 145 an den Außenhandelsausschuß, damit er gegebenenfalls bei einer späteren Änderung des Zolltarifgesetzes hier wieder behandelt werden kann.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, Sie haben gehört, daß Herr Abgeordneter Kriedemann namens seiner Fraktion beantragt hat, den Umdruck 145 an den Außenhandelsausschuß zu verweisen. Herr Abgeordneter Struve, wollen Sie dazu noch das Wort nehmen? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem taktischen Manöver möchte ich nur einige Tatsachen feststellen. Im Außenhandelsausschuß hat unser Sprecher, der Kollege Dr. Serres, als Zweifel von der Opposition geäußert wurden, beantragt, die ganze Angelegenheit zur Beratung an die Fraktionen zurückzuverweisen. Die SPD hat diesen unseren Antrag niedergestimmt. Jetzt auf einmal eine Wandlung, weil man sich vor den Ferien nicht bekennen will.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es sollte nicht noch einen Streit über Bekennen geben; dazu war letzte Woche in Leipzig Gelegenheit.
Ich bitte, Frau Abgeordnete Strobel.
Ich bedaure, daß der Vorsitzende ,des Außenhandelsausschusses zu dieser Angelegenheit nicht Stellung nimmt. Im Außenhandelsausschuß ist mit 8 zu 8 Stimmen beschlossen worden, den Frischeizoll nicht bei dieser 16. Zollsatzverordnung zu verankern, weil die Beratung in der Sache nicht möglich war. Diese 8 Stimmen waren nicht SPD-Stimmen; SPD-Stimmen waren es nur 4, sie waren ergänzt durch Stimmen aus den Koalitionsparteien.
Es ist also falsch, Herr Kollege Struve, wenn Sie behaupten, die SPD habe die Rückverweisung an den Ausschuß verhindert, wie wir sie hier beantragen.
Wir haben es allerdings abgelehnt, und zwar ebenfalls diese 8 Abgeordneten, die gesamte 16. Zollsatzverordnung zurückzuverweisen, weil dadurch verhindert würde, daß der Zoll für das Trockenei sofort aufgehoben wird, und weil dadurch die Teigwarenindustrie und der Verbraucherkreis für Teigwaren in eine recht unangenehme Lage gekommen wären.
Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Struve bekommt das Wort nur, wenn er sich dazu meldet.
Es gibt keine andere Möglichkeit, es ihm zu erteilen.
Herr Abgeordneter Bender, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Frau Kollegin Strobel mich zitiert hat, komme ich auf die Tribüne, obwohl ich eigentlich die Erregung, die im Außenhandelsausschuß über dasselbe Thema entflammt war, nicht ins Plenum tragen wollte. Ich habe zu sagen, daß die Darstellung der Frau Kollegin Strobel vollkommen richtig ist.
Ich habe zu sagen, daß wir es vor allem im Hinblick auf die Notlage der Trockenei verarbeitenden Industrie abgelehnt haben, das Junktim zwischen Frischei-Zollerhöhung und Trockenei-Zollermäßigung anzunehmen. Es ist in dem Sinne beschlossen worden, wie es hier dargestellt worden ist, und für meine Fraktion stehe ich zu diesem Beschluß.
Jetzt liegen aber keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist beantragt worden, den Antrag Umdruck 145 dem Außenhandelsausschuß zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Überweisung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich darf bitten, die Hand möglichst hoch zu heben, damit wir einen Überblick bekommen. Es ist nicht ganz klar. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, ich darf bitten, die Abstimmung zu wiederholen, damit wir einen genauen Überblick bekommen können. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Ausschußüberweisung sind — wobei die Frage zu klären wäre, ob dann die ganze Sechzehnte Verordnung noch einmal dem Ausschuß überwiesen werden müßte —,
die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; dieser Antrag ist dem Außenhandelsausschuß überwiesen.
Da dieser Antrag als Änderungsantrag bei der Sechzehnten Verordnung nicht behandelt werden kann, würde also die Sechzehnte Verordnung ahne diese Änderung über die Bühne gehen müssen, wobei die Stellungnahme dazu jedem einzelnen natürlich überlassen ist.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf einer Sechzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen entsprechend dem Mündlichen Bericht des Außenhandelsausschusses — Drucksache 684 — zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Ich bitte freundlichst, auch diese Abstimmung zu wiederholen.
— Nein! Meine Damen und Herren, ich bedaure sehr, die Abstimmung ist zum Teil unterschiedlich. Ich habe keine Möglichkeit, das von hier aus zu unterscheiden. Ich bitte, das im Wege des Hammelsprungs zu entscheiden. Wer für die Sechzehnte Verordnung ist, geht durch die Ja-Tür, wer dagegen ist, geht durch die Nein-Tür.
Ich bitte, den Saal möglichst schnell zu räumen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. —
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über die Sechzehnte Verordnung über Zollsatzänderungen bekannt. Für die Zustimmung zur Verordnung haben gestimmt 193 Abgeordnete, dagegen 170, bei 21 Enthaltungen. Dem Antrag des Ausschusses auf Zustimmung zu der Sechzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen ist damit entsprochen. In welcher Weise der Ausschuß für Außenhandelsfragen jetzt mit der geschäftsordnungsmäßigen und tatsächlichen Frage fertig wird, was er mit dem Änderungsantrag macht, überlasse ich im Augenblick dem Außenhandelsausschuß.
— Herr Abgeordneter Dr. Horlacher!
Ich beantrage, das auch dem Ernährungsausschuß als mitberatendem Ausschuß zu überweisen.
Herr Abgeordneter Dr. Horlacher beantragt, diesen Änderungsantrag auch dem Ernährungsausschuß zu überweisen. Ich nehme an, daß dagegen keine Bedenken bestehen.
— Herr Abgeordneter Struve zur Geschäftsordnung!
Ich möchte beantragen, daß der ganze Fragenkomplex dem Ausschuß für Geschäftsordnung noch einmal zurücküberwiesen wird. Ich bin der Meinung, daß die Verordnung nicht der Geschäftsordnung entsprechend behandelt worden ist. Es ist ein Änderungsantrag, der von meinen Freunden und mir eingereicht worden ist, auf Antrag der SPD-Fraktion dem Außenhandelsausschuß überwiesen worden. Nach meinem Dafürhalten kann ein solcher Beschluß nur so ausgelegt werden, daß die ganze Verordnung einschließlich der Änderungsanträge dem Außenhandelsausschuß zurücküberwiesen wird. Daß ein einzelner Änderungsantrag überwiesen wird, ist nicht möglich. Deshalb beantrage ich, daß das Hohe Haus nunmehr befragt wird, ob nicht mit meinem Änderungsantrag die ganze Vorlage noch einmal dem Außenhandelsausschuß zur Beratung und dem Ernährungsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden muß.
Meine Damen und Herren, darf ich einen Augenblick um Gehör bitten. Der Abgeordnete Struve hat beantragt, die ganze Verordnung dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. Das scheint mir nicht mehr möglich sein, nachdem die Verordnung in der Abstimmung angenommen worden ist. Meine
Damen und Herren, die hier auftauchende geschäftsordnungsmäßige Frage liegt auf einem ganz anderen Gebiet, ob nämlich zu einer Verordnung, die nicht vom Bundestag beschlossen wird, sondern bei der entsprechend dem Grundgesetz nur die Zustimmung erforderlich ist, überhaupt Änderungsanträge möglich sind, oder ob man dieser Verordnung nur zustimmen oder sie ablehnen kann. Hier liegt die geschäftsordnungsmäßige Erwägung, und ich bin dem Geschäftsordnungsausschuß dankbar, wenn er diese Dinge freundlichst auch einmal in den Bereich seiner Erwägungen, vielleicht bei der Neufassung der Geschäftsordnung, einbezieht. Ich glaube also, über den Antrag des Herrn Abgeordneten Struve nicht abstimmen lassen zu können, da dieser Antrag gekommen ist, nachdem über die Verordnung bereits abgestimmt war.
Ich glaube, daß wir den Punkt damit abschließen können.
Meine Damen und Herren, ich gebe bekannt, daß die italienisch-deutsche Gruppe der Interparlamentarischen Union durch den Senator Professor Carboni dem Bundestag den Ausdruck tiefster Teilnahme anläßlich der ungeheuren Überschwemmungskatastrophe in Bayern übermittelt hat. Ich darf namens des Bundestags der italienischdeutschen Gruppe der Interparlamentarischen Union den Dank des Bundestags für diese Anteilnahme aussprechen.
Dann darf ich zur Tagesordnung etwas sagen. Es ist gestern in den Fraktionen darüber verhandelt worden, ob der Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht betreffend Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten — Drucksache 713 — heute auf die Tagesordnung gesetzt werden sollte. Gestern war noch nicht die Meinung aller Fraktionen dazu festzustellen. Inzwischen ist mir mitgeteilt worden, daß in den Fraktionen Einmütigkeit darüber erzielt worden sei, den Bericht über ,die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten heute noch auf die Tagesordnung zu setzen. Ich bitte das Haus um die Ermächtigung, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. — Das Haus ist ohne Widerspruch damit einverstanden. Ich schlage vor, daß wir diesen Punkt nach dem Punkt 6 in die Tagesordnung einfügen.
Ich rufe auf den Punkt 4:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Entwurf eines Gesetzes über den Erlaß von Strafen und Geldbußen und die Niederschlagung von Strafverfahren und Bußgeldverfahren (Straffreiheitsgesetz 1954) (Drucksachen 699, 215, 248, 523, 660).
Den Bericht des Vermittlungsausschusses erstattet Herr Abgeordneter Hoogen.
Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin, daß in der Drucksache 699 zwei Druckfehler enthalten sind. Einmal muß es im Mündlichen Bericht les Vermittlungsausschusses in der ersten Zeile heißen „Das vom Deutschen Bundestag in seiner 33. Sitzung am 18. Juni beschlossene Gesetz ...", und dann fehlt in Ziffer 5 des Antrags des Vermittlungsausschusses in der vorletzten Zeile vor dem Wort „verhängt" das Wort „rechtskräftig"; es muß also heißen „rechtskräftig verhängt oder zu erwarten ist".
Bitte, Herr Abgeordneter Hoogen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Hohen Hause ist am 18. Juni dieses Jahres das Straffreiheitsgesetz 1954 verabschiedet worden. Es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz. Der Bundesrat hat diesem Gesetz bisher nicht zugestimmt, sondern den Vermittlungsausschuß angerufen, und zwar in elf Punkten. Die in der Drucksache vorzunehmenden Berichtigungen im Antrag und im § 23 unter Ziffer 5 des Änderungsvorschlags hat der Herr Präsident bereits bekanntgegeben. Im einzelnen darf ich mir erlauben, nur auf die Änderungswünsche des Bundesrats einzugehen, die zu Änderungen des Gesetzentwurfs, wie er hier im Hohen Hause verabschiedet worden ist, geführt haben.
Die Änderungswünsche des Bundesrats, auf die der Vermittlungsausschuß nicht eingegangen ist bzw. hinsichtlich derer er keinen Änderungsvorschlag macht, darf ich in diesem Hause übergehen und sie lediglich im Bundesrat vortragen.
Das vorausgeschickt darf ich zu § 1 folgendes sagen: Der Bundestag hatte als Stichtag den 1. Januar 1954 gewählt, um auch dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß kein Zusammenhang zwischen dem Straffreiheitsgesetz und der Bundestagsneuwahl am 6. September 1953 bestehe. Demgegenüber will der Bundesrat als Stichtag den 9. September 1953 einsetzen, den Tag, an dem die Absicht, ein Straffreiheitsgesetz vorzubereiten, der Öffentlichkeit erstmalig bekanntgeworden sei. Es gehe — das ist die Auffassung des Bundesrats — nicht an, daß auch Straftaten, welche in Kenntnis der Absichten des Gesetzgebers begangen worden seien, von der Straffreiheit erfaßt würden. Bei den Beratungen im Vermittlungsausschuß hat sich eine Mehrheit weder für den 1. Januar 1954 noch für den 9. September 1953 noch für den 1. Oktober 1953 — den im Regierungsentwurf vorgesehenen Stichtag — gefunden. Man einigte sich vielmehr mit großer Mehrheit auf den 1. Dezember 1953 als Stichtag, und zwar in der Erwägung, daß der Stichtag des Straffreiheitsgesetzes einerseits nicht in der Nähe des Tages der Bundestagsneuwahl stehen solle, daß aber jeder Gedanke an eine periodische Wiederholung von Straffreiheitsgesetzen zu Beginn künftiger Legislaturperioden als grundlos abgelehnt werde. Andererseits betrachtete man die Wahl eines späteren Stichtags wegen der langen Dauer der parlamentarischen Arbeiten an dem Gesetzentwurf als gerechtfertigt und auch als unbedenklich, da kaum jemand vor dem 1. Dezember 1953 in der ungewissen Hoffnung, unter eine Amnestie zu fallen, noch Straftaten begangen haben dürfte.
Bei § 3 des Gesetzentwurfs, den Straftaten aus Not, hat der Bundestag bei der zweiten und dritten Lesung als Strafgrenze ein Jahr Freiheitsstrafe und entsprechende Geldstrafe festgesetzt. Diese Strafgrenze ist vom Bundestag heraufgesetzt worden — um auch das noch einmal zu wiederholen —, um diese Amnestie an die in § 5 vorgesehene Amnestie für Interzonengeschäfte anzugleichen, bei der ebenfalls eine Strafgrenze von einem Jahr gewährt worden ist. Der Bundesrat hat sich dem-
gegenüber auf den Standpunkt gestellt, daß die im Regierungsentwurf vorgesehene Strafgrenze zu nehmen sei. Dieser Meinung hat sich der Vermittlungsausschuß nicht angeschlossen. Er war vielmehr der Meinung, daß sich das Straffreiheitsgesetz in § 2 zum Ziele setze, die durch Kriegsoder Nachkriegsereignisse geschaffenen außergewöhnlichen Verhältnisse zu bereinigen. Das ist die Meinung des Vermittlungsausschusses, die mit übergroßer Mehrheit gebildet worden ist.
Der Bundestag hatte für § 4 eine weitgehende Steueramnestie beschlossen. Der Bundesrat wünschte dagegen im Interesse der Erhaltung der Steuermoral — wie der Bundesrat meint — und im Hinblick auf die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 410 der Reichsabgabenordnung nur eine Amnestie für Steuerordnungswidrigkeiten zuzulassen, wie es in der Regierungsvorlage vorgesehen war. Gegen diese Erwägung hat sich der Vermittlungsausschuß gewandt. Er hat es bei der Steueramnestie, wie sie hier im Hohen Hause beschlossen worden ist, belassen mit der Einschränkung, daß er auch hier in Angleichung an den Stichtag des § 1 den 1. Dezember 1953 an Stelle des 1. Januar 1954 gewählt hat.
Bei den §§ 5 und 23, den Interzonengeschäften und Ordnungswidrigkeiten im Interzonenverkehr, hatte sich der Bundesrat — ich darf das hier kurz erwähnen — gegen eine Unbeschränktheit der Höhe der Geldstrafe gewandt. In diesem Punkte hat sich der Vermittlungsausschuß den Bedenken des Bundesrats nicht verschließen können. Er entschloß sich mit großer Mehrheit zu dem Vorschlag, die vom Bundesrat gewünschten Beschränkungen in das Gesetz aufzunehmen, d. h. eine Beschränkung auf 20 000 DM in § 5 und auf 30 000 DM in § 23.
Bei der Amnestie für Nachrichtentätigkeit hat sich der Vermittlungsausschuß den Bedenken des Bundesrats nicht anzuschließen vermocht. Infolgedessen hat er insoweit auch keinen Änderungsvorschlag gemacht.
§ 9 enthält den sogenannten Ausschlußkatalog. Der Bundesrat hatte verlangt, daß in diesen Ausschlußkatalog die Fälle der schweren Bestechlichkeit und darüber hinaus die Fälle der Richterbestechung aufgenommen würden. Zu der Frage der Fälle der schweren Bestechlichkeit darf ich auf die in diesem Hause bereits in drei Lesungen gemachten Ausführungen verweisen. Zu der Frage der Aufnahme der Richterbestechung in den Katalog des § 9 darf ich folgendes sagen: Die Richterbestechung ist natürlich ein sehr schwerwiegendes Delikt. Das hätte zur Folge, daß dieser Tatbestand an sich in den Ausschlußkatalog des § 9 hätte aufgenommen werden müssen. Ich bin ausdrücklich beauftragt, als Berichterstatter hier zu erklären, daß diese Aufnahme nur deshalb unterblieben ist, weil Richterbestechung wohl niemals mit einer niedrigen Freiheitsstrafe geahndet werden dürfte und weil uns im übrigen Fälle von Richterbestechung in unserer Rechtspraxis unbekannt sind.
Der Bundestag hatte über den Regierungsentwurf hinaus die Doppelehe in den Ausschlußkatalog aufgenommen. Nach seiner Auffassung sollten dagegen Verkehrsvergehen genau so wie die übrigen Verkehrsübertretungen amnestiert werden. Bei der Doppelehe war für den Bundestag der Gesichtspunkt entscheidend, daß es sich um eine schwerwiegende Straftat handelt. Hinsichtlich der Verkehrsvergehen glaubte der Bundestag, keine Ausnahme machen zu sollen, weil sich das nicht mit dem Gedanken der in § 2 des Gesetzentwurfs niedergelegten allgemeinen Amnestie vertrüge, in den schwerwiegenden Fällen der fahrlässigen Tötung, der Flucht nach Verkehrsunfällen und der Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit aber regelmäßig Freiheitsstrafen über drei Monate verhängt werden oder zu erwarten sind.
Nach der Auffassung des Bundesrats widerspricht der Ausschluß der Bigamie von der Straffreiheit dem Bereinigungsgedanken der Amnestie, weil der größte Teil der in den letzten Jahren strafrechtlich erfaßten Fälle von Doppelehe auf die besonderen Verhältnisse der Nachkriegszeit zurückzuführen ist. Eine Amnestie für Verkehrsvergehen hält der Bundesrat im Hinblick auf die bedrohliche Zunahme der Verkehrsunfälle aus kriminalpolitischen Gründen für untragbar.
Der Vermittlungsausschuß schloß sich hinsichtlich der Behandlung der Doppelehe der Auffassung des Bundesrats an. Ein restloser Ausschluß aller Verkehrsvergehen von der Amnestie verträgt sich dagegen nach der Auffassung des Vermittlungsausschusses nicht mit dem Gedanken einer allgemeinen Amnestie. Der Vermittlungsausschuß hat sich aber andererseits mit Rücksicht auf die dringend erforderliche Unfallbekämpfung zu dem Vorschlag entschlossen, die Flucht nach Verkehrsunfällen und die vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit von der Amnestie auszuschließen. Insoweit muß nach der Auffassung des Vermittlungsausschusses der Gesichtspunkt der Generalprävention den Vorrang vor der individuellen Schuld haben.
Meine Damen und Herren, so viel aus den Beratungen des Vermittlungsausschusses zu den in diesem Hohen Hause gemachten Änderungsvorschlägen. Die Druckfehlerberichtigung ist bereits vom Herrn Präsidenten und von mir zu Beginn meines Berichts hervorgehoben worden.
Ich habe die Ehre, Sie namens des Vermittlungsausschusses zu bitten, dem Ihnen vorliegenden Antrag auf Drucksache 699 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Sollen Erklärungen abgegeben werden? — Herr Abgeordneter Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion habe ich die Ehre, eine Erklärung abzugeben.
Meine Fraktion wird dem Vermittlungsvorschlag zustimmen. Diese Zustimmung umfaßt auch die Mitverantwortung für das Gesetz.
Der Entschluß hierzu ist uns nicht leicht-, er ist uns sehr schwergefallen. Unsere darin zum Ausdruck gekommene Verständigungsbereitschaft hat das Gewicht eines außerordentlichen Zugeständnisses.
Der Anfang dieses Gesetzes und sein Inhalt nach der ursprünglichen Regierungsvorlage konnten von uns nicht gutgeheißen werden. Auch jetzt noch enthält das Gesetz im einzelnen Bestimmungen, die uns mit schweren Bedenken erfüllen. Was insbesondere mein Kollege Bauer zur Frage der im Befehlsnotstand begangenen Straftaten in der zweiten Lesung ausgeführt hat, behält seine
Bedeutung. Wo ernstlich eine Gewissensnot erweisbar ist, soll auch nach unserer Überzeugung Gnade vor Recht ergehen. Aber wir glauben der allgemeinen Auffassung Ausdruck zu geben, wenn wir noch einmal betonen, daß von den Gerichten gerade in diesen Fällen die Amnestiewürdigkeit mit besonderer Sorgfalt und mit dem Blick auch auf die Opfer dieser Taten reiflich zu erwägen sein wird.
Es wird niemand geben, den dieses Gesetz in jeder Hinsicht befriedigt. Dem einen wird es dort zu weit gehen, dem anderen da zu eng erscheinen. In mancher Hinsicht bleibt zweifelhaft, ob eine Amnestie gegenwärtig gerechtfertigt ist. Wenn wir Sozialdemokraten trotz der beachtlichen Einwände, die sich gegen das Gesetz im ganzen oder gegen fast jede Vorschrift darin erheben lassen, gleichwohl uns zur Zustimmung durchgerungen haben, so bestimmten uns hierzu vornehmlich ein politischer und ein rechtspolitischer Grund.
Der politische Grund ist, daß eine Amnestie, um ihren Sinn zu erfüllen, wie kaum ein anderes Gesetz der Einhelligkeit bedarf. Eine das Gefüge des Rechts unvermeidlich erschütternde Amnestie muß von möglichst allen demokratischen Kräften getragen werden, wenn sie als Ausnahme von der Regel einmal erträglich sein soll und nicht parteiliche Willkür werden will. Darum war es notwendig, die Amnestie von jedem Ereignis sonst loszulösen, und es bleibt auch ein unbedingtes Gebot, den Erlaß dieses Gesetzes vom politischen Geschehen auch der Zukunft einschließlich der Wahl des Bundespräsidenten abzusondern und keinen anderen Zusammenhang zu sehen als den mit der vielfältigen Not, die der Krieg über uns gebracht und noch immer uns hinterlassen hat.
Es ist für uns eine ehrenvolle Pflicht, anzuerkennen, daß namentlich zu allerletzt im Vermittlungsausschuß wir für diesen Grundgedanken Verständnis und Entgegenkommen bei den Fraktionen der Regierungskoalition gefunden haben. Diese Amnestie konnte, wenn sie für alle annehmbar werden sollte, nicht anders als im Wege des Kompromisses zustande kommen. Wir bejahen sie politisch, weil ein Kompromiß durch ein Entgegenkommen ermöglicht wurde, das jedem Beteiligten Opfer zumutete. Darin liegt zugleich die Bekräftigung, daß Amnestien — am allerwenigsten eine Amnestie dieser Art — sich nicht wiederholen dürfen, sondern es für lange, für eine sehr lange Zeit mit dieser letzten Amnestie sein Bewenden haben muß.
Unser zweiter Grund, der unsere Zustimmung trägt, ist rechtspolitischer Art. Um diese Amnestie wird nun seit bald elf Monaten gerungen. Man wird leider nicht sagen können, daß dies in jeder Phase der Entwicklung und gewiß nicht durch die Behandlung in der dritten Lesung in glücklicher Weise geschehen ist. Aber es ist für das Ansehen der gesetzgebenden Körperschaften, für die Glaubwürdigkeit der Demokratie, für eine geordnete Rechtspflege und nicht zuletzt für das Recht selbst hier und heute schlechthin nicht mehr erträglich, die Verabschiedung und Verkündung dieses Gesetzes noch länger aufzuschieben.
Wem Erwägungen rechtspolitischer Art ein Anliegen sind, soll wissen, daß es kein Privileg der einen
oder anderen Landesregierung ist, rechtspolitisch zu denken, sondern unsere Beratungen im Bundestag von rechtspolitischer Sorge erfüllt waren.
Wer aber zeigen will, daß ihm rechtspolitisches Denken fremd ist, der mag sich jetzt als rechthaberisch erweisen. Rechthaberei tut dem Recht einen schlechten Dienst. Eben darum ist es nach unserer Überzeugung rechtspolitisch das auch uns mitbestimmende Gebot der Stunde, uns jedem weiteren Aufschub zu versagen. Jetzt gilt nur noch eins: der Entschluß, zu dem sich Bundestag und Bundesrat nach schwieriger, aber auch erschöpfender Arbeit und Vermittlung zu vereinen haben.
Weitere Erklärungen sollen offenbar nicht abgegeben werden.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache 699 unter Berücksichtigung der beiden Änderungen redaktioneller Art, die ich bekanntgegeben habe. Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß über die Änderungen unter Ziffern 1 bis 5 gemeinsam abgestimmt werden soll. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Vermittlungsausschusses insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist bei einer Enthaltung und drei Gegenstimmen angenommen word en.
Ich komme zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Nichterhebung der Abgabe „Notopfer Berlin" im Lande Berlin .
Mir ist mitgeteilt worden, daß eine Vereinbarung darüber zustande gekommen sei — ich frage danach —, heute nur die erste Beratung dieses von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs dieses Gesetzes vorzunehmen.
— Herr Abgeordneter Bucerius hört das zum ersten Male. Auf der Tagesordnung steht erste, zweite und dritte Beratung. Ich darf zunächst jedenfalls um Begründung bitten, wenn der Entwurf begründet werden soll.
— Herr Abgeordneter Dr. Bucerius, bitte!
Dr. Bucerius , Antragsteller: Ich habe dem Hause nur einige redaktionelle Änderungen vorzuschlagen, die das Finanzministerium angeregt hat. Ich gebe sie zu Protokoll und reiche sie schriftlich nach. Sie scheinen mir erforderlich zu sein.
In § 2 Ziffer 2 muß es richtig heißen:
2. als Wartegeld, Ruhegeld, Witwen- und Waisengeld oder andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen zufließt oder...
Ferner muß es in § 3 Ziffer 2 heißen:
2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
In § 3 Ziffer 3 muß es richtig heißen: 3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit,
Nachzutragen ist, daß dem Antrag inzwischen die Fraktionen der DP und des GB/BHE beigetreten sind.
Meine Damen und Herren, zur ersten Beratung wird nicht das Wort gewünscht? — Ich weise darauf hin, daß drei Beratungen an einem Tage nur stattfinden können, wenn nicht fünf anwesende Mitglieder widersprechen.
— Das ist j a den anderen Fraktionen nicht bekannt, Herr Abgeordneter.
— Es finden darüber noch Besprechungen statt. Ich darf dann die Beratung über diesen Punkt unterbrechen und übergehen zu dem Punkt
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Drucksache 228, 713).
Der Mündliche Bericht des Rechtsausschusses soll von dem Herrn Abgeordneten Dr. Wahl erstattet werden. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie namens des Rechtsausschusses, dem Antrag der Fraktion der SPD in der aus der neuen Drucksache 713 ersichtlichen Form zu entsprechen. In der Tat ist die Garantie der Menschenrechte durch das internationale Abkommen nur wirksam, wenn auch der einzelne, der sich in seinen Grundrechten verletzt glaubt, die Möglichkeit hat, die in der Konvention vorgesehenen Einrichtungen — die Kommission und mittelbar das Gericht — anzurufen. Dazu müssen nach der Konvention die Vertragsstaaten besonders erklären, daß sie die Zuständigkeit von Kommission und Gericht anerkennen. Zu einer solchen Anerkennung hat der Bundestag, als er seinerzeit die Konvention ratifiziert hat, der Bundesregierung die Ermächtigung schon erteilt.
Jetzt geht es um die Aufforderung an die Bundesregierung, von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen. Im Auswärtigen Ausschuß, der mitberatend tätig war, hat die Bundesregierung aber erklärt, daß sie mit Rücksicht auf die Verpflichtungen aus der Montan-Union und die auf sie zukommenden Verpflichtungen aus den Verhandlungen über die Politische Gemeinschaft bei ihrem Beitritt zu Gericht und Kommission einen Vorbehalt erklären wolle, um das Verhältnis der in diesen engeren Gemeinschaften vorgesehenen Gerichte zu dem Gerichtshof der Konvention zum Schutze der Menschenrechte in den Einzelheiten aufeinander abstimmen zu können. Nach eingehender Erörterung der Frage glaubte der Auswärtige Ausschuß, dem sich der Rechtsausschuß angeschlossen hat, diesem Wunsch der Bundesregierung Rechnung tragen zu sollen, freilich nur, wenn das Hauptanliegen beider Ausschüsse gewahrt bleibt, daß der einzelne bei Grundrechtsverletzungen die
Möglichkeit hat, in der internationalen Sphäre einen individuellen Rechtsbehelf zu ergreifen.
Man muß sich darüber klarwerden, daß der Vorbehalt nur einen engen Lebensausschnitt betrifft, soweit er sich auf das Gericht der Montan-Union bezieht, da es sich hier nur um die Grundrechtsverletzungen handelt, die die Hohe Behörde selbst begehen könnte. Auch bei der Politischen Gemeinschaft dürften die Dinge ähnlich liegen. Dazu kommt, daß nach einer Ansicht, die im Rechtsausschuß mit guten Gründen vertreten worden ist, die Montan-Union als supranationale Instanz sowieso erst dann aus der Konvention zum Schutze der Menschenrechte verpflichtet werden kann, wenn sie selbst der Konvention beigetreten ist, so daß der Vorbehalt rechtlich vielleicht nicht einmal notwendig wäre, um der Regierung eine vertragstreue Haltung gegenüber den Partnern der engeren Gemeinschaft zu erlauben.
Aber die Rechtsfrage, ob die Montan-Union aus der Konvention zum Schutze der Menschenrechte nur verpflichtet wird, wenn sie selbst das Abkommen ratifiziert, oder auch dann, wenn ihre sämtlichen Mitgliedstaaten ratifiziert haben, ist noch nicht endgültig geklärt. Deshalb glaubte der Rechtsausschuß, dem Beschluß den im Antrag formulierten Vorbehalt mit der wichtigen Einschränkung über die Aufrechterhaltung der Individualrechte beifügen zu sollen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird das Wort zu diesem Punkt der Tagesordnung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kann ich zur Abstimmung über den Antrag kommen, den Herr Abgeordneter Dr. Wahl eben namens des Ausschusses vorgetragen hat: Drucksache 713, Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses, Drucksache 713, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich stelle fest, daß dieser Antrag des Ausschusses einstimmig angenommen worden ist.
Ich rufe auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Naegel, Atzenroth, Samwer und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Abwicklung der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft und die Errichtung eines Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft (Drucksache 719).
Die Drucksache ist verteilt. Soll der Antrag begründet werden?
— Offenbar nicht.
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik vor.
Andere Ausschüsse auch noch?
— Also nur Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Die Überweisung ist erfolgt.
— Zu diesem Punkt? Wir haben den Gesetzentwurf bereits überwiesen. Ich hatte gefragt, ob Wortmeldungen vorliegen. Ihre Wortmeldung ist off enbar übersehen worden. Da ist die Optik durch den Lautsprecher schlecht.
Wollen Sie bitte noch das Wort nehmen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage dieses Initiativgesetzentwurfs gibt mir Veranlassung zu einigen kurzen, aber grundsätzlichen Bemerkungen. Der Bundesregierung wie auch diesem Hause ist seit mehr als Jahresfrist bekannt, daß das Gesetz über die Bundesstelle für den Warenverkehr zum 30. September dieses Jahres ausläuft. Dabei handelt es sich um ein nicht unwichtiges Gesetz. Es geht nämlich um die Ausgestaltung einer Bundesoberbehörde für die gewerbliche Wirtschaft im Zusammenhang mit dem schwierigen Fragenkomplex eines Wirtschaftssicherungsgesetzes oder eines entsprechenden Nachfolgegesetzes.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat sich mit diesem Problem in mehreren Sitzungen befaßt. Dabei hat er die Vertreter der Bundesregierung auf die Dringlichkeit und Bedeutung einer endgültigen Regelung aufmerksam gemacht. Er hat insbesondere darauf hingewiesen, daß ein entsprechender Gesetzentwurf dringend erforderlich sei, damit nicht nach dem 30. September dieses Jahres ein gesetzloser Zustand für die Bundesstelle für Warenverkehr eintrete. Wir bedauern es daher außerordentlich, daß es der Bundesregierung nicht möglich war, diesen Gesetzentwurf rechtzeitig vorzulegen. Wir halten ein solches Verfahren nicht für angemessen.
Zur Sache selbst darf ich zwei Bemerkungen machen. Der Entwurf sieht vor, daß an Stelle der bisherigen Bundesstelle für Warenverkehr ein neues Bundesamt für die gewerbliche Wirtschaft geschaffen wird. Es bestand darüber Einverständnis — ich glaube, zwischen allen beteiligten Stellen —, daß eine Anpassung der Organisation der Bundesstelle an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich sei. Es handelt sich hier um eine Stelle, die sehr stark auf Kontinuität und Sicherstellung gerade ihrer leitenden Männer angewiesen ist, die sich ständig mit wirtschaftlichen Sonderinteressen auseinandersetzen müssen; ein Gesichtspunkt, auf den insbesondere der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung aufmerksam gemacht hat. Unter diesen Umständen erscheint es uns bedenklich, daß an Stelle einer bestehenden Bundesbehörde nunmehr eine neue Bundesoberbehörde geschaffen wird. Der gegebene Weg wäre doch gewesen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister von seiner Organisationsgewalt Gebrauch macht und die Organisation den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anpaßt. Jedenfalls würden wir es nicht als eine ausreichende Begründung des gewählten Verfahrens ansehen können, wenn etwa der Gedanke mitspielen sollte, sich durch dieses Verfahren von sozialen und sonstigen Verpflichtungen gegenüber den Angestellten der bestehenden Behörde leichter lösen zu können, als das bei einer Umorganisation möglich wäre.
Noch eine letzte Bemerkung. Das alte Gesetz wie auch ein uns zugegangener Referentenentwurf sahen die Bildung von Beiräten bei der Bundesstelle für Warenverkehr vor. Beiräte haben bekanntlich die besondere Eigenschaft, daß sie wenigstens in gewissem Umfang institutionell eine ständige Beratung und eine einigermaßen sachgemäße Zusammensetzung der Beratungsgremien gewährleisten. Das scheint uns besonders wichtig zu sein bei der Herausschälung einer Bundesoberbehörde aus dem Kreis der Ministerien, weil es nicht ohne Bedeutung ist, daß in solche Bundesoberbehörden selbsttätige Kontrollelemente eingeschaltet werden. Darum bedauern wir es, daß in dem Initiativgesetzentwurf dieser an und für sich gute Gedanke der Schaffung eines Beirats völlig fallen gelassen worden ist.
Wir werden bei der Ausschußberatung diesen Gesichtspunkten unsere besondere Aufmerksamkeit widmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich darf annehmen, meine Damen und Herren, daß diese Ausführungen an der bereits erfolgten Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik nichts ändern. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken .
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete
Dr. Steinbiß.
Frau Dr. Steinbiß , Berichterstatterin: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Drucksache 545 liegt Ihnen der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes vor, das wir im Januar 1953 hier beschlossen haben. Es handelt sich um ein vorläufiges Gesetz zur Regelung der Errichtung von neuen Apotheken. Es ist ein Stoppgesetz. Mit Ihrer Zustimmung ändern Sie nicht etwa den materiellen Inhalt des Gesetzes, denn es handelt sich lediglich um eine Verschiebung seines Auslaufens. Ich bitte das Hohe Haus, dem Gesetzentwurf zuzustimmen mit der Maßgabe, daß in § 1 die Worte „bis zum 31. Juli 1955" geändert werden in: „bis zum 31. Dezember 1955".
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die .zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit; die §§ 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Zur allgemeinen Aussprache der
dritten Beratung
wird das Wort nicht gewünscht. — Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegen.
probe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen, selbstverständlich in der Fassung des Berichts des Ausschusses.
Ich kehre zu Punkt 5 der Tagesordnung zurück:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Nichterhebung der Abgabe „Notopfer Berlin" im Lande Berlin .
Inzwischen scheint eine Verständigung darüber erzielt worden zu sein, daß dieser Gesetzentwurf — ohne daß heute eine zweite und dritte Beratung stattfindet — dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen wird. Ist das Haus mit dieser Überweisung einverstanden? — Das ist der Fall. Damit ist auch dieser Punkt erledigt.
Ich rufe die Punkte 6 a und 6 b auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Schloß, Dr. Pfleiderer, Eberhard, Wirths und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Kontrollratsdirektive Nr. 50 .
Soll der Antrag unter Punkt 6 a begründet werden? — Offenbar nicht.
Zu 6 b wollte Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth eine Erklärung abgeben. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der unter 6 b aufgeführte Punkt, die Beratung des Antrags betreffend Kontrollratsdirektive Nr. 50, Drucksache 506, ist anscheinend irrtümlich mit Punkt 6 a der Tagesordnung in Verbindung gebracht worden, denn die beiden Dinge haben nichts miteinander zu tun.
Ich darf zu Drucksache 506 eine kurze Begründung geben. Sie beruht auf der Kontrollratsdirektive Nr. 50, in der die Besatzungsmächte in der damals üblichen Art über das Vermögen der ehemaligen NS-Organisationen verfügt haben. Sie haben dieses Vermögen, abgesehen von dem Teil, den sie den früheren Besitzern zurückgegeben haben, den Ländern übertragen. Sie haben aber über die Verbindlichkeiten, die auf diesen Vermögen ruhen, nichts gesagt; eine Entscheidung darüber haben sie den Militärbefehlshabern vorbehalten. Eine solche Entscheidung ist aber niemals getroffen worden. Anscheinend haben die Besatzungsmächte nicht die Absicht, in dieser Angelegenheit noch irgend etwas zu unternehmen. Unser Wunsch geht daher dahin, bei den Besatzungsmächten vorstellig zu werden, die Möglichkeiten des Handelns wieder den deutschen Stellen zurückzugeben, so daß wir als Legislative eine Entscheidung darüber treffen können. Unser Antrag müßte, wenn ihm stattgegeben wird, an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und vielleicht zur Mitberatung an den Ausschuß für Besatzungsfolgen überwiesen werden, was ich hiermit beantragen möchte.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf unter Punkt 6 a dem Ausschuß für Besatzungsfolgen zu überweisen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; die Überweisung ist erfolgt.
Hinsichtlich des Punktes 6 b hat der Abgeordnete Atzenroth die Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten unter Mitberatung durch den Ausschuß für Besatzungsfolgen beantragt. Ich unterstelle, daß diesem Antrag stattgegeben wird. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftskasse in der Fassung vom 3. Februar 1951 ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Drucksache 629). (Erste Beratung: 28. Sitzung.)
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Eckhardt. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Geld und Kredit hat der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftskasse in der Fassung vom 3. Februar 1951 vorgelegen. Die Deutsche Genossenschaftskasse hat die Aufgaben und Funktionen der früheren Deutschen Zentralgenossenschaftskasse übernommen.
Die Deutsche Zentralgenossenschaftskasse war berechtigt, im Passivgeschäft Depositen und Scheckeinlagen und außerdem Spareinlagen von jedermann entgegenzunehmen. Dieses Recht soll auch der Deutschen Genossenschaftskasse zugestanden werden, weil eine Refinanzierung ihres Kreditgeschäfts, d. h. insbesondere des genossenschaftlichen Personalkredits, auf anderem Wege kaum möglich ist. Die Erweiterung des Passivgeschäfts wird als unbedenklich betrachtet, weil die starke Einengung des Kreditgeschäfts der Deutschen Genossenschaftskasse, nämlich auf dem Gebiete der genossenschaftlichen Kredite, unberührt bleibt.
Ferner wird durch den Gesetzentwurf die Deutsche Genossenschaftskasse in der steuerlichen Behandlung der Landwirtschaftlichen Rentenbank gleichgestellt. Die Verhältnisse liegen bei beiden Instituten etwa gleich. Das Kapital der Deutschen Genossenschaftskasse stammt aus derselben Quelle wie das Kapital der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Ihre Funktionen sind ebenfalls ähnlich, so daß keine Bedenken bestehen, die steuerliche Vergünstigung der Landwirtschaftlichen Rentenbank auf die Deutsche Genossenschaftskasse auszudehnen.
Der Ausschuß schlägt Ihnen ,die unveränderte Annahme der Vorlage mit der Maßgabe vor, daß in Art. I mit Rücksicht auf die Verhältnisse der Reichshauptstadt Berlin eine Nr. 3 a eingefügt wird. In § 17 sollen ,die Worte „im Bundesgebiet" durch die Worte „im Geltungsbereich dieses Gesetzes" ersetzt werden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe zur zweiten Beratung auf Art. I, — Art. II, — Art. III, — Art. IV, — Art. V, — Einleitung und Überschrift. Wortmeldungen liegen
nicht vor. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Einzelberatung, Art. I bis V, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, der möge die Hand erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes als Ganzem ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 8:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Dritte Berichtigungs-
und Änderungsprotokoll vom 24. Oktober 1953 zu den Zollzugeständnislisten des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Drucksache 522);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 685).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Thieme.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Das Hohe Haus hat in seiner Sitzung vom 19. Juni 1954 den soeben aufgerufenen Gesetzentwurf — Sie finden ihn auf Drucksache 522 — an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zur Beratung überwiesen. Der Ausschuß hat die Gesetzesvorlage in seiner Sitzung vom 8. Juli 1954 bearbeitet. In dem Protokoll zu den Zollzugeständnislisten — Sie finden dieses Protokoll als Anlage 2 zur Drucksache 522 — werden Berichtigungen und Änderungen der Liste der Zollzugeständnisse der Bundesrepublik Deutschland wie auch Berichtigungen und Änderungen 'der ausländischen Zollzugeständnislisten vorgenommen. Die Berichtigungen in der Liste der deutschen Zollzugeständnisse sind formaler Natur. Es wurden Umtarifierungen vorgenommen, die den verbindlichen französischen Text zu mehreren Tarifnummern, die lebende Pflanzen bezeichnen, betreffen. Die Änderungen dagegen beziehen sich auf den verbindlichen französischen Wortlaut zu Tarifnummern für immergrüne Ziergehölze und Kokosgarne, wobei der Vertragszollsatz für immergrüne Ziergehölze auf 20 % des Wertes festgelegt wird, während der autonome Zollsatz bisher 25 % des Wertes betrug. Die weitere Änderung bezieht sich auf Kokosgarne, für die Indien als Zugeständnis die autonome Zollfreiheit wieder eingeräumt wird.
Die im Protokoll enthaltenen Berichtigungen der ausländischen Zollzugeständnislisten sind ausschließlich formeller Art. Deutsche Ausfuhrinteressen werden durch die Berichtigungen und Änderungen nicht berührt.
Die Änderungen des Protokolls stellen eine Änderung des Zolltarifs dar und bedürfen der Zustimmung in Form eines Bundesgesetzes, wie es im Wortlaut auf Drucksache 522 vorliegt. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen empfiehlt mit seinem Antrag auf Drucksache 685 dem Hohen Hause, dem Gesetzentwurf unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die
zweite Beratung.
Ich rufe auf Art. I, — II, — III, — IV, -- Einleitung und Überschrift. — Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der möge ein Handzeichen geben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich eröffne die Einzelberatung. Art. I bis IV, — Einleitung und Überschrift. — Wer für die Annahme ist, der möge die Hand erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes als Ganzes ist, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nunmehr zu den Anträgen auf Aufhebung der Immunität. Zunächst Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Odenthal gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. Mai 1954 (Drucksache 241 [neu]).
Mir ist gesagt worden, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werden soll. Ist das richtig?
Ist das Haus damit einverstanden? — Herr Abgeordneter Schneider.
Mir ist nichts davon bekannt, daß irgendeines der Immunitätsverfahren abgesetzt werden soll. Als Vorsitzender des Immunitätsausschusses sehe ich auch gar keine Veranlassung, heute irgendein Verfahren abzusetzen. Gerade mit dem Verfahren, das soeben aufgerufen wurde, hat sich der Immunitätsausschuß nicht einmal, sondern mehrere Male beschäftigt, und er ist schließlich zu dem Entschluß gekommen, die Aufhebung der Immunität zu beantragen. Ich bitte das Haus, diesem Antrage des Ausschusses zuzustimmen. Es liegt keine Veranlassung vor, die Sache heute noch einmal abzusetzen.
Mir wurde gesagt, daß eine Vereinbarung darüber stattgefunden habe, diesen Punkt abzusetzen.
— Wollen Sie einen solchen Antrag stellen, Herr Abgeordneter?
— Dann haben wir zunächst darüber abzustimmen. Wer dafür ist, Punkt 11 abzusetzen, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
Darf ich bitten, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer für die Zurückverweisung von Punkt 11 an den Ausschuß ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Ich bitte aber nunmehr darum, den Punkt 11 erst nach den anderen Punkten aufrufen zu dürfen. Ich soll zu der Sache sprechen und möchte vorher abgelöst werden.
Ich sehe soeben, daß Punkt 10 der Tagesordnung noch nicht aufgerufen ist. Hier ist ein Versehen passiert. Ich tue das hiermit. Es handelt sich um die
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Siebzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksachen 626, 519).
Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Abgeordneten Frenzel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Außenhandelsfragen beschäftigte sich in seiner 10. Sitzung am Dienstag, dem 22. Juni 1954, mit der Drucksache 519. Es handelt sich dabei um den Entwurf einer Siebzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen.
In § 1 sind diejenigen Zollsätze des Zolltarifs verzeichnet, die geändert werden sollen. Eine Änderung soll bei folgenden Tarifnummern eintreten:
Bei Tarifnummer 4801 handelt es sich um die Herstellung von Bauplatten mit Gipskern und Auflagen aus Pappe, für die bereits in der Zweiten Verordnung über Zollsatzänderungen eine Ermäßigung Platz gegriffen hat. Sie gilt aber nur, wenn diese Platten aus fünf verschiedenen Lagen gegautscht sind und die Verarbeitung unter Zollsicherung erfolgt. Dabei ergeben sich in der Praxis manche Schwierigkeiten, die dazu führten, daß die erwähnte Zollbegünstigung nicht in Anspruch genommen werden konnte. In der nun vorliegenden Neufassung wird die Zollbegünstigung auf Duplex- und Triplexpappen ohne Rücksicht auf die Anzahl der Lagen ausgedehnt. Der Zollsatz betrug bisher bei 2 bis 4 verschiedenen Lagen 18 %, bei mindestens 5 verschiedenen Lagen 3 % des Wertes, mindestens jedoch 4 DM für 100 kg. Der Zollsatz soll also nun allgemein 3 % des Wertes, mindestens jedoch 4 DM für 100 kg betragen.
Ein Mißbrauch ist durch die bestehende Zollsicherung ausgeschlossen.
Bei der Tarifnummer 4912 handelt es sich um noch nicht ausgefüllte Reisescheckvordrucke ausländischer Kreditinstitute. Diese Vordrucke sind gegenwärtig mit 15 % des Wertes zollpflichtig. Sind die Vordrucke ausgefüllt und ergänzt, werden sie als Reiseschecks ausgegeben. Dann aber dienen sie der Transferierung von Bargeld für Reisezwecke. In der Bundesrepublik ist es notwendig, daß dem Reiseverkehr jede Förderung zuteil wird. Deshalb sollen Reisescheckvordrucke zollfrei ausgegeben werden. Ein Zollschutz ist nicht notwendig, da in der Regel eine Herstellung im Inland nicht in Frage kommt.
Tarifnummer 7019 betrifft geschliffene Glassteine für Schmuckzwecke. Das sind Nachahmungen von Edelsteinen und Schmucksteinen, sogenannte Halbedelsteine. Nach der Vertreibung der alteingesessenen Gablonzer Glas- und Schmuckwarenindustrie aus dem Sudetenland ließ sich ein Großteil der in dieser Industrie Beschäftigten im Raume von Kaufbeuren/Allgäu in Bayern nieder. Durch die Fachkenntnisse, die diese Vertriebenen mitbrachten, war es sehr bald möglich, auf dem Weltmarkt wieder Fuß zu fassen. Einer der wesentlichsten Bestandteile des Gablonzer Schmuckes aber sind die obengenannten Halbedelsteine; sie werden im Volksmund „Wattenser Steine" genannt. Zur Zeit werden diese nur in Wattens, Tirol, hergestellt. Durch die Zweite Verordnung über Zollsatzänderungen wurde der Zollsatz von 20 % des Wertes für Nachahmungen von Edelsteinen aus Glas bereits aufgehoben. Im Laufe der Zeit hat sich aber herausgestellt, daß die von der Gablonzer Industrie verwendeten Glassteine nicht nur Nachahmungen von Edelsteinen, sondern auch Nachahmungen von Schmucksteinen sind. Hier herein fallen auch die Phantasieschmucksteine aus Glas. Bei allen Arten handelt es sich aber um geschliffene Steine. Der bisherige Zollsatz für diesen Artikel betrug 20 % des Wertes. In Zukunft soll ein Zoll darauf nicht mehr eingehoben werden. Die neue Fassung zur Tarifnummer 7019 entspricht auch den im Laufe der Zeit gewonnenen Erkenntnissen.
In § 2 der Verordnung wird bestimmt, daß in der Zweiten Verordnung über Zollsatzänderungen vom 19. Februar 1953 in § 1 die Nr. 16 — Tarifnummer 4801 — und die Nr. 21 — Tarifnummer 7019 — zu streichen sind. Die §§ 3 und 4 beschäftigen sich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes.
Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat diese auf Drucksache 519 vorliegende Siebzehnte Verordnung über Zollsatzänderungen einstimmig angenommen, und ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag auf Drucksache 626 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses für Außenhandelsfragen auf Drucksache 626 zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Odenthal gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. Mai 1954 (Drucksache 241 [neu]).
Als Berichterstatterin hat Frau Abgeordnete Dr. Schwarzhaupt das Wort.
Frau Dr. Schwarzhaupt , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesjustizministerium hat bean-
tragt, die Immunität des Abgeordneten Odenthal für ein Verfahren, das die Staatsanwaltschaft Landau gegen ihn einleiten möchte, aufzuheben. Im Mittelpunkt der Anzeige steht ein Scheck über 500 DM, dessen Zweckbestimmung streitig ist. Er ist auf den Schwiegersohn des Abgeordneten Odenthal ausgestellt, der unstreitig Forderungen gegen den Aussteller hat. Der Anzeiger sagt, die Zweckbestimmung des Schecks sei eine Spende für die Sozialdemokratische Partei gewesen; der Scheck sei dieser Zweckbestimmung nicht zugeführt worden. Der Abgeordnete Odenthal sagt, daß er zur Abgeltung der ohne Zweifel bestehenden Ansprüche des Schwiegersohns gegeben worden sei. Dies ist streitig. Herr Odenthal hat ausführlich Stellung genommen und hat selbst erklärt, daß ihm an einer Klärung der Angelegenheit gelegen sei.
Die Sache ist im Immunitätsausschuß mehrmals verhandelt worden. Bei der Staatsanwaltschaft Landau ist noch angefragt worden, ob die Sache weiter verfolgt werden soll. Es war eingewandt worden, daß noch Urkunden vorgelegt worden seien, die Anlaß gäben, von der Strafverfolgung überhaupt abzusehen. Die letzte Antwort der Staatsanwaltschaft ging dahin, daß dies nicht der Fall sei, und das Justizministerium hat seinen Antrag auf Aufhebung der Immunität aufrechterhalten.
Der Immunitätsausschuß hat sich dreimal mit der Frage befaßt und ist in der letzten Sitzung einstimmig zu der Meinung gekommen, daß ein Interesse des Bundestags besteht, die Immunität des Abgeordneten aufzuheben, zumal dieser auch selbst den Wunsch hat, daß die Angelegenheit geklärt wird. Deshalb beantragt der Ausschuß auf Grund einer einstimmigen Stellungnahme, die Immunität aufzuheben.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß wir in dieser zweiten Legislaturperiode mit der Aufhebung der parlamentarischen Immunität freigebiger umgehen als in der ersten Legislaturperiode, und ich bin über diese Entwicklung nicht sehr glücklich. Was ist denn der Sinn der Schutzbestimmung des Art. 46 unseres Grundgesetzes? Nicht der Schutz des einzelnen Abgeordneten vor Strafverfolgung etwa, sondern dieses sogenannte Privileg ist ein Privileg des Parlaments. Der einzelne Abgeordnete kann also auf dieses Privileg nicht verzichten, mag er ein Interesse an der Klärung seines Falles haben, oder mag er das nicht haben. Es ist ausschließlich Sache des Parlaments, zu befinden, ob die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten seinen Interessen zuwiderläuft oder nicht. Der Zweck der Bestimmung ist, das Parlament vollzählig zu erhalten; denn jeder einzelne Abgeordnete gehört dazu, wenn das Parlament wirklich als Parlament soll funktionieren können.
Die Frage ist: Was soll stärker sein, der Anspruch des Staates — oder der Gesellschaft oder der Volksgemeinschaft, wie man es lieber haben mag — auf unmittelbare Strafverfolgung oder das Mandat, das dem Parlament auf vier Jahre erteilt worden ist? Das haben wir in jedem einzelnen Fall hier zu entscheiden. Wir müssen abwägen, wo das größere Interesse liegt und wohin deswegen unsere Entscheidung gehen muß. Wir haben dabei weder Beweiswürdigung anzustellen noch haben wir uns primär zu fragen, ob es nicht etwa im Interesse des Abgeordneten selbst liegen könnte, sich in einem Verfahren reinigen zu können. Ich bin im Falle Odenthal völlig überzeugt, daß es unserem Kollegen gelingen würde, sich zu reinigen. Aber ich glaube nicht, daß dieses Kriterium für uns entscheidend sein kann. Wir müssen abwägen: Ist die Beschuldigung so, daß unverzüglich festgestellt werden muß, ob die Beschuldigung zutrifft oder nicht, wenn nicht die Autorität des Parlaments, die Autorität des Staates selbst oder die Majestät des Gesetzes Schaden leiden soll? Und dabei bin ich durchaus der Meinung, daß die Autorität des Staates es verlangen kann, daß auch unter Umständen die Immunität bei ganz geringfügigen Übertretungen oder Vergehen aufgehoben wird. Bei Verkehrsdelikten z. B. kann es bei der heutigen Situation geboten sein, gerade bei einem Abgeordneten die Strafverfolgung einzuleiten. Auf der anderen Seite kann es durchaus so sein, daß eine schwere Beschuldigung für sich allein noch nicht die Aufhebung der Immunität rechtfertigt.
Ich bin der Meinung, daß das im Fall Odenthal so ist. Die Kriterien für die Aufhebung der Immunität sind meinem Dafürhalten nach hier nicht erfüllt. Die Würde des Parlaments? Selbst, wenn unser Kollege etwa schuldig gesprochen werden sollte, würde er diesem Parlament doch weiter angehören. Und wenn er schon als Verurteilter die Autorität des Parlaments nicht mindern kann, dann doch erst recht nicht als ein nur Beschuldigter. Und was den Strafanspruch des Staates anbetrifft, so geht der ja nicht verloren; man kann ihn nach Ablauf der Legislaturperiode, wenn die Immunität entfällt, verwirklichen, und dem Gesetz wird dann auch Genüge getan werden können.
Dazu kommt, daß der Komplex, um den es sich in diesem Verfahren handelt, in engster Beziehung zu politischen Dingen steht. Es ist uns gesagt worden, daß behauptet wird, der Scheck sei gegeben worden, um der Sozialdemokratischen Partei bei den Wahlen finanziell zu helfen. Mag das sein oder nicht, jedenfalls ist durch diese Behauptung des Anzeigeerstatters ein politisches Element in den Fall hineingetragen worden. Damit kommt aber der Grundsatz zum Zuge, den wir zu Beginn der ersten Legislaturperiode entwickelt haben, der Grundsatz, daß die Aufhebung der Immunität besonders dann erschwert werden soll, wenn es sich bei der Anzeige oder bei der Beschuldigung um einen Komplex handelt, in dem politische Dinge mitspielen.
Ich selber hätte es dem Kollegen Odenthal durchaus gegönnt, daß er sich vor dem Gericht in Landau von der Beschuldigung reinigen kann. Ich bin überzeugt, daß ihm das auf den ersten Anhieb gelungen wäre. Aber so leid es mir persönlich um ihn tut: das ist kein Kriterium, das für uns ausschließlich maßgebend sein kann. Wir haben Anfängen zu wehren, und mir scheint es ganz besonders wichtig zu sein, daß wir uns dieser Maxime gerade jetzt erinnern.
Der Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuß ist vorhin abgelehnt worden. Ich glaube nicht, daß es geschäftsordnungsmäßig unmöglich ist, diesen Antrag zu wiederholen. Ich möchte es tun, und zwar möchte ich es tun, damit gerade die Frage des Zusammenhangs mit politischen Dingen noch einmal ausführlich geprüft werden kann. Falls aber
das Haus diesem Antrag nicht zustimmen sollte, stelle ich den anderen Antrag, dem Antrag des Ausschusses nicht stattzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte nicht gesprochen, wenn ich mich nicht in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Immunitätsausschusses angegriffen fühlte. Denn der Herr Kollege Schmid hat dahin formuliert, es schiene in der jetzigen Legislaturperiode der Fall zu sein, daß wir gegenüber früher viel leichter geneigt wären, die Immunität aufzuheben, d. h. also auf deutsch, daß unter meinem Vorsitz — denn ich bin ja jetzt erst Vorsitzender geworden — eine andere Praxis im Immunitätsausschuß einreiße als früher. Er hat dann zum Schluß formuliert: Man muß den Anfängen wehren.
Ich wundere mich, daß gerade hier in dem Fall Odenthal von der sozialdemokratischen Fraktion heute noch einmal Stellung genommen wird. Sie hatte nämlich die Möglichkeit — und hat sie auch reichlich ausgenutzt —, im Ausschuß Stellung zu nehmen. Denn ich habe entgegenkommenderweise, obwohl der Ausschuß schon einmal Beschluß gefaßt hatte, gerade auf Intervention der sozialdemokratischen Fraktion die Sache Odenthal noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt. Ja, ich bin sogar so weit gegangen, daß ich zugestimmt und dann schließlich eine Rückfrage bei dem zuständigen Justizminister und beim Oberstaatsanwalt veranlaßt habe, weil nämlich von den Sprechern der SPD behauptet wurde, es lägen jetzt am Gericht Belege vor, schriftliche Beweisstücke, aus denen sich ohne weiteres die Unschuld des Abgeordneten Odenthal folgern ließe. All dem sind wir im Ausschuß nachgegangen. Wir haben gerade den Fall Odenthal sehr sorgfältig behandelt, und die Behauptung, daß aus vorliegenden Urkunden ohne weiteres der Beweis der Unschuld geführt werden könne, hat sich eben als nicht wahr herausgestellt. Der Oberstaatsanwalt und der Justizminister haben auf der Aufhebung der Immunität bestanden. Wir haben deshalb die Sache noch einmal behandelt. Da der Abgeordnete Odenthal selbst gebeten hat, seine Immunität aufzuheben, haben wir entsprochen, aber nicht nur deshalb, sondern weil wir der Meinung waren: dieser Fall muß nun einmal geklärt werden.
Mit politischen Bereichen hat das gar nichts zu tun, Herr Kollege Schmid. Diese Konstruktion ist sehr weit hergeholt. Vielmehr ist der Tatbestand sehr einfach. Es tut mir leid, daß ich ihn jetzt sehr einfach zeichnen muß. Aber wenn Sie den Fall zur Diskussion stellen, dann zwingen Sie mich dazu, ihn sehr einfach zu, zeichnen, damit das Haus weiß, worum es geht. Es geht einfach darum: Ist es wahr, wie jemand behauptet, daß der Abgeordnete Odenthal 500 DM, die man ihm für einen bestimmten Zweck anvertraut hat, für sich oder far seinen Sohn verwandt hat oder nicht? Das ist die ganze Frage. Die Frage ist also: Hat er unterschlagen oder hat er nicht unterschlagen? Gar nichts anderes! Mit Politik hat das gar nichts zu tun. Ich bin der Meinung: Wenn es, wie der Herr
Kollege Schmid glaubt und wie ich es auch glaube, dem Herrn Kollegen Odenthal möglich sein wird, sich im Strafverfahren von diesem Verdacht reinzuwaschen, dann tun wir ihm durch die Aufhebung der Immunität persönlich auch einen großen Gefallen. Er hat dann die Möglichkeit, sich vor dem Strafrichter reinzuwaschen und den Verdacht, daß er 500 DM unterschlagen habe, von sich abzuwenden. Ich bin also der Meinung, der Immunitätsausschuß hat seine Praxis nicht geändert. Denn wie Sie sehen werden, Herr Kollege Schmid, sind die nächsten Verfahren, die auf der Tagesordnung stehen, alle anders, in gegenteiliger Richtung, entschieden worden. In diesen Fällen wird empfohlen, die Immunität nicht aufzuheben. Aber im Falle Odenthal waren wir nun einmal nach dreimaliger Prüfung der Meinung, daß die Immunität aufzuheben sei. Die Frau Berichterstatterin hat ja schon darauf hingewiesen, daß auch alle Vertreter der SPD im Immunitätsausschuß diesem Beschluß zugestimmt haben, weil auch sie damals der Meinung gewesen sind, die Immunität müsse aufgehoben werden.
Ich bitte Sie also, meine Damen und Herren, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir nicht eingefallen, zu behaupten, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität seine Pflicht nicht getan hätte und daß unter der Führung meines verehrten Kollegen Schneider nun, etwa aus anderer Auffassung des Problems, eine andere Praxis eingerissen sei. Ich habe nur gesagt, daß ganz offensichtlich in diesem Hause heute objektiv eher die Neigung besteht, die Immunität aufzuheben, als in den verflossenen vier Jahren. Das ist kein Angriff, das ist keine Beschuldigung, sondern die Feststellung einer Tendenz, einer Tendenz übrigens, die äußerst menschlich ist. Wir wissen doch alle, daß Spannungsbögen im Laufe der Zeit die Tendenz haben, sich abzuflachen.
Es mag sein, daß eine Reihe meiner Parteifreunde oder alle Vertreter meiner Partei im Ausschuß der Meinung waren, die Immunität müsse aufgehoben werden. Es ist ihr gutes Recht, ihre Meinung zu haben. Mein gutes Recht ist, eine andere Meinung zu haben, und ich bin so frei, diese Meinung hier zu äußern. Ich tue dies nicht aus Rechthaberei, sondern weil ich glaube, daß es bei dieser Sache um ein Prinzip geht und daß es vielleicht nicht unnützlich ist, wieder einmal auf dieses Prinzip hinzuweisen.
Wie notwendig es ist, können wir der Rede meines verehrten Kollegen Schneider entnehmen. Er sprach von Beweisaufnahmen, die nicht zum Ziele geführt hätten. Er sprach wieder von dem Gefallen, den man dem Kollegen Odenthal tun müsse. Beides können keine Gesichtspunkte für uns sein!
Keiner dieser beiden Gesichtspunkte geht uns irgend etwas an.
Nun zu dem, was das Politikum der Sache betrifft! Herr Schneider sagte, es handle sich um eine einfache Sache: ein Scheck sei „zu bestimmten Zwecken" hingegeben worden, und damit sei nach Behauptung des Anzeigeerstatters nicht richtig verfahren worden. Das Entscheidende ist doch,
was diese „bestimmten Zwecke" waren; nun, diese bestimmten Zwecke waren politisch! Es handelte sich nämlich um die Hingabe von Geld an eine politische Partei, damit diese ihre politischen Absichten besser verwirklichen könne. Ich meine, stärker kann man den politischen Charakter eines Zweckes nicht ausdrücken, und damit scheint mir der politische Charakter des Komplexes, um den es sich hier handelt, eindeutig gegeben zu sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Ich spreche nicht zum Fall Odenthal, der mich als solcher gar nicht interessiert, sondern ich spreche nur aus Anlaß des Falles Odenthal zu Grundsätzen der Praxis des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, zu Grundsätzen, über die der verehrte Herr Kollege Schmid und ich im vorigen Bundestag, wenn Sie sich entsinnen, schon einmal debattiert haben. Es drehte sich damals um den Fall Loritz. Da habe ich den Standpunkt vertreten, daß, wenn ein Abgeordneter selbst die Aufhebung der Immunität wünscht, diesem Wunsch stattgegeben werden muß. Der Herr Kollege Schmid ist anderer Meinung und sagt: Es ist das Privileg des Parlaments, über die Aufhebung der Immunität zu beschließen, und es ist nicht das Privileg des Abgeordneten.
Das ist überspitzt. Es ist das Privileg beider , sowohl des Abgeordneten allein wie auch des Parlaments, und die Abstimmung im Parlament ist eingeschaltet worden, damit der einzelne seinen Schutz hat, damit seine Kollegen darüber urteilen können, ob seine Immunität im Einzelfall aufzuheben ist oder nicht. Wenn er aber selbst den Wunsch hat, dann soll man diesem Wunsch stattgeben; denn es ist auch für ihn unerträglich, daß er etwa drei oder vier Jahre in der Öffentlichkeit herumläuft, bedrückt durch den Vorwurf einer kriminellen Handlungsweise, und daß er hinterher den Schaden hat, daß vielleicht Beweismittel, die zu seinem Nutzen dienen könnten, wegfallen, daß die Zeugen das Gedächtnis verlieren, daß Einzelheiten in dem Schoß der Vergessenheit versinken. Herr Kollege Schmid sagt demgegenüber: Nein, das Parlament könnte dadurch in seiner Beschlußfassung beeinträchtigt werden, daß dieser oder jener oder mehrere Kollegen wegfielen. Dann, meine Damen und Herren, muß man aber konsequent sein und muß von vornherein überhaupt jede Aufhebung der Immunität ablehnen.
Der Herr Kollege Schmid sprach damals vom Nomos des Parlaments. Das muß man grundsätzlich ablehnen. Dann brauchen wir überhaupt keinen Immunitätsausschuß mehr. Herr Kollege Schmid macht aber selbst die Ausnahme, daß z. B. bei Verkehrsdelikten die Immunität ohne weiteres aufzuheben sei. Bei der Häufigkeit der Verkehrsdelikte kann es sich doch immerhin ereignen, daß damit auch die Beschlußfassung des Parlaments in dieser oder jener Form beeinträchtigt wird, je nachdem von welcher Seite nun diese oder jene Delinquenten gerade kommen und durch ihr Fehlen die Mehrheitsverhältnisse beeinträchtigen.
Ich bin also der Meinung, es ist sowohl ein Privileg des Abgeordneten wie auch des Parlaments. Das Parlament soll, wenn der betreffende Abgeordnete den Wunsch hat, daß die Immunität aufgehoben wird, diesem Wunsch willfahren, weil er sonst in der Öffentlichkeit in einer der blamabelsten Formen dastehen kann.
Darüber hinaus ist im vorigen Bundestag die Theorie entwickelt worden, wenn das Delikt als solches im politischen Kampf vorgekommen ist, d. h. wenn mit der Handlung selbst in irgendeiner Weise Politik gemacht worden ist oder werden sollte, also z. B. irgendeine Beleidigung oder eine üble Nachrede oder was es sonst sein mag, ausgesprochen worden ist, dann soll sich das Parlament natürlich schützend vor den Abgeordneten stellen und die Aufhebung der Immunität verweigern. Aber ich glaube, daß bei einem Delikt, das an sich kriminell ist, auch wenn es zu politischen Zwecken begangen wird, die Handlungsweise, die zu beurteilen der Strafrichter sich anschickt, nicht als politische Handlung oder Tat angesehen werden darf. Aber das ist nur der zweite Grund. Der wesentlichste Grund ist der, daß der Abgeordnete selbst darüber zu befinden haben muß, ob seine Immunität aufgehoben werden soll oder nicht.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte zeigt sowohl eine Neigung zur Behandlung des Falles an sich als auch die Neigung, Grundsatzfragen hier zu erörtern. Ich möchte zunächst einmal zwei Gesichtspunkte, die grundsätzlicher Natur sind, in die Erinnerung des Hohen Hauses rufen. Es war der übereinstimmende Wunsch und die Praxis des Immunitätsausschusses seit 1949, daß sich ein Immunitätsausschuß nicht mit der materiellen Würdigung des jeweils vorliegenden Falles zu befassen habe.
Ein zweiter Grundsatz steht dem diametral entgegen, der eben von Herrn Kollegen Dr. Becker vertreten worden ist. Das Hohe Haus hat ausdrücklich — ich darf auf die Vorgänge, die in den Protokollen niedergelegt sind, verweisen — in fast voller und restloser Übereinstimmung mit dem Bundesjustizministerium die Auffasung vertreten, daß die Immunität des Abgeordneten ein Privileg des Parlaments und nichts anderes ist.
— Ja, dann haben Sie das Pech, Herr Kollege, daß Sie in einer ,splendid isolation geblieben sind.
Das Haus hat in seiner überwältigenden Mehrheit einen anderen Standpunkt eingenommen, Herr Kollege Becker.
In der Frage der Berücksichtigung des Wunsches eines Abgeordneten, der selbst will, daß seine Immunität aufgehoben wird, hat der Immunitätsausschuß wiederum mit voller Billigung des Hohen Hauses den Standpunkt eingenommen, daß der Wille des Abgeordneten nicht erheblich sei. Er kann auch nicht erheblich sein. Überlegen Sie sich nur, daß. derjenige, der als Abgeordneter draußen mitten im politischen Kampf steht, mit leichter Mühe einem Druck unterworfen werden kann, der ihn zwingen soll, zu verlangen, daß seine Immunität aufgehoben wird. Hier gilt gerade der Grund-
satz, daß die Wahrung der Immunitätsrechte das Privileg des Hauses und nicht das des betreffenden Abgeordneten ist, auch wenn es sich um die negative Seite, um die Aufhebung der Immunität auf Wunsch des Abgeordneten handelt. — Soviel zum Grundsätzlichen.
Nun wenige Bemerkungen zu dem uns vorliegenden Fall Odenthal. Er ist ein klassisches Beispiel dafür, in welcher Rechtsstellung sich der Abgeordnete auf Grund der ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Immunität nun einmal befindet: Das, was bei einem anderen Staatsbürger zwischen der Staatsanwaltschaft — gegebenenfalls dem Gericht — und dem Beteiligten ausgemacht wird, wird hier auf dem Markt in einer Form und Art — und das ist die Gefahr — ausgebreitet, die in mir lebhafte Bedenken erregt.
Herr Kollege Dr. Schneider, Sie sprachen davon, daß ein entsprechender Ausweis für die Grundlosigkeit der Behauptung nicht vorliege. Ich habe den Ausweis gesehen. Sie redeten davon, daß der Abgeordnete Odenthal 500 Mark unterschlagen habe. Unter diesen Umständen scheint es dann notwendig, auf den Werdegang der Sache einzugehen. Die Partie liegt in Wirklichkeit so, daß der frühere Minister Odenthal einmal einem Geschäftsmann irgend etwas verweigerte, worauf sich dessen Zorn gegen den Kollegen Odenthal wendete. Derselbe Geschäftsmann ist aber Gläubiger des Sohnes oder Schwiegersohnes des Kollegen Odenthal.
— Verzeihung: er ist der Schuldner. Ich glaube, dieser Schwiegersohn hat eine sehr große Forderung, eine vielfach größere als die 500 Mark dieses Scheckes, die hier zur Diskussion stehen. Bei einem Zusammenkommen hat der Herr Odenthal zur Ermäßigung der Schuldsumme des Geschäftsmannes einen Scheck zur Verrechnung zugunsten seines Sohnes oder Schwiegersohnes entgegengenommen und hat ihn seinem Sohn oder Schwiegersohn zugeführt. Nachträglich behauptet aber der Geschäftsmann. es habe sich um eine Spende für die Partei des Herrn Odenthal gehandelt. Hier sind zwei politische Momente für die Beurteilung der Sache vorhanden, einmal die zuletzt erwähnte Behauptung und zweitens der Haß, der in der Zwischenzeit ins Kraut geschossen ist, weil der Minister a. D. Odenthal diesen oder jenen Wunsch des Geschäftsmannes nicht erfüllen konnte.
Ohne daß ein Ausschuß in die materielle Würdigung einzutreten hat — da spreche ich nun aus vierjähriger Erfahrung —, hat er doch die Verpflichtung, wie von dem Hohen Hause anerkannt worden ist. die politischen Momente und Hintergründe zu beachten. Ich sage Ihnen, daß ich. wenn ich in dem Ausschuß gewesen wäre, in Würdigung dieser Situation niemals bereit gewesen wäre, einer Aufhebung der Immunität zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. — Wir kommen damit zur Abstimmung. Der Abgeordnete Dr. Schmid hat noch einmal den Antrag auf Ausschußüberweisung gestellt. Dieser Antrag ist vom Hohen Hause zu diesem Punkt der Tagesordnung in dieser Sitzung bereits abgelehnt werden. Er kann deshalb geschäftsordnungsmäßig nicht mehr gestellt werden. Er hat dann beantragt. dem Antrag in dem Bericht des Ausschusses nicht zu entsprechen. Das kann nicht in Form eines Antrages geschehen, sondern nur in der Weise, daß der Bericht des Ausschusses von denen, die gleicher Meinung sind, abgelehnt wird. Ich lasse also abstimmen über den Antrag in dem Mündlichen Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität auf Drucksache 241 :
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Genehmigung zum Strafverfahren gegen
den Abgeordneten Odenthal wird erteilt. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich darf die Abstimmung wiederholen, da eine Einigung über das Ergebnis der Abstimmung im Sitzungsvorstand nicht erzielt werden kann. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Vorstand ist sich nicht einig. Ich bitte Sie, durch Hammelsprung zu entscheiden. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, durch die Ja-Tür zu gehen, wer ihn ablehnen will, durch die Nein-Tür.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich eröffne die Abstimmung und bitte, die Türen wieder zu öffnen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 181 Mitglieder des Hauses, mit Nein 140, enthalten haben sich 14. Der Antrag des Wahlprüfungsausschusses ist damit angenommen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betreffend Genehmigung zum Ehrengerichtsverfahren gegen den Abgeordneten Haasler gemäß Schreiben des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Braunschweig vom 4. Mai 1954 (Drucksache 650).
Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität beschäftigte sich in seiner Sitzung vom 29. Juni 1954 mit einem Antrag des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Braunschweig vom 4. Mai 1954, die Genehmigung zur Fortführung des Ehrengerichtsverfahrens gegen den Abgeordneten Haasler zu erteilen. Mit Urteil des Ehrengerichts der Rechtsanwaltskammer Braunschweig vom 7. März 1951 wurde der Abgeordnete Haasler aus der Anwaltschaft ausgeschlossen. Ihm wurden mehrere Verstöße gegen das Standesrecht zur Last gelegt: er habe Aufträge nicht erledigt, Anfragen nicht beantwortet, Mandanten nicht benachrichtigt, er sei für längere Zeit nicht an seinem Dienstsitz gewesen, er soll in Geldangelegenheiten nachlässig gewesen sein usw.
Hiergegen richtete sich die Berufung des Abgeordneten Haasler. Die zweite Instanz, das Ehrengericht der Rechtsanwaltskammer für die britische
Zone in Hamburg, hat das Urteil aus formellen Gründen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen. In der Zwischenzeit, am 13. März 1954, ist der Abgeordnete Haasler freiwillig aus der Anwaltschaft ausgeschieden.
Der Ausschuß stellte sich auf den Standpunkt, daß das Parlament nach vierjährigem Verfahrenslauf kein Interesse an der Durchführung des Verfahrens haben kann. Dem Hohen Hause wird deshalb vorgeschlagen, die Genehmigung zur Fortführung des Ehrengerichtsverfahrens nicht zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität auf Drucksache 650, die Genehmigung zur Fortführung des Ehrengerichtsverfahrens gegen den Abgeordneten Haasler nicht zu erteilen, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Dr.-Ing. Seebohm und Dr. Kather gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 15. Mai 1954 (Drucksache 651).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Wahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dem Bericht des Herrn Oberstaatsanwalts in Bonn ergibt sich, daß der Herr Abgeordnete Dr. Kather am 3. September 1953 Strafantrag gegen den Abgeordneten Dr. Seebohm wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung gestellt hat, desgleichen der Abgeordnete Dr. Seebohm gegen den Abgeordneten Dr. Kather. Die Vorwürfe sind im Zusammenhang mit dem Wahlkampf zum 2. Deutschen Bundestag erfolgt und vorwiegend in Telegrammen, Briefen und sonstigen formulierten Erklärungen enthalten, die jeweils durch die Öffentlichkeit gingen.
Dr. Kather stützt seinen Strafantrag u. a. auf Formulierungen des Abgeordneten Dr. Seebohm in einem Telegramm an Dr. Adenauer vom 23. Juli 1953 wie:
Dagegen hat Dr. Linus Kather bisher nur Haß und Mißgunst gesät. Aus dieser Saat ist der neue Klassenkampf der Heimatvertriebenen entstanden.
Umgekehrt stützt der Abgeordnete Dr. Seebohm seinen Strafantrag auf Ausführungen in einer Presseerklärung des Dr. Kather vom 24. Juli 1953, in denen Dr. Seebohm in seiner Vertriebenenpolitik politische Geschäftemacherei vorgeworfen wird.
Der Ausschuß beantragt, da es sich um gegenseitige Beleidigungen politischen Charakters während des Wahlkampfes handelt — entsprechend der schon im 1. Bundestag entwickelten Praxis —, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Dr. Seebohm und Dr. Kather nicht zu erteilen, zumal die verletzenden Äußerungen meistens auf der Stelle erwidert worden sind.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen über den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität auf Drucksache 651, nach dem die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Dr. Seebohm und Dr. Kather nicht erteilt werden soll. Wer diesem Ausschußantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Donhauser gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. April 1954 (Drucksache 652).
An Stelle des verhinderten Berichterstatters hat Herr Abgeordneter Dr. Schneider das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorgesehene Berichterstatter, der Kollege von Merkatz, ist heute nicht da. Er kann ja nicht da sein; er hat sich auch entschuldigt. Ich springe für ihn ein als Vorsitzender des Ausschusses. Natürlich habe ich die Akten nicht so eingehend studiert wie er. Ich kann dem Hause natürlich nur einen einfacheren Bericht an Hand des Verhandlungsprotokolls erstatten.
Was das Verfahren gegen Donhauser anlangt, so heißt es hier:
Der Bundesminister der Justiz ersucht mit Schreiben vom 12. April 1954, eine Entscheidung über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Donhauser wegen Meineids und Verleumdung herbeizuführen.
Der Berichterstatter
— heißt es hier, ich darf das zitieren —... führt aus, daß es sich um zwei Verfahren handelt, die noch im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Untersuchungsausschuß 44 — Spiegelausschuß — stehen:
a) ein Verfahren wegen Eidesverletzung und übler Nachrede im Zusammenhang mit Aussagen über den Rechtsanwalt Dr. Berthold in München und
b) ein Verfahren wegen übler Nachrede im Zusammenhang mit Aussagen gegen den Journalisten Hornauer.
Es handelt sich hierbei um Restverfahren im Zusammenhang mit dem Spiegelausschuß, alle anderen Verfahren seien inzwischen eingestellt worden.
Der Berichterstatter geht auf die Vorgeschichte ein und erklärt, daß in der Bayernpartei . . . drei widerstrebende Gruppen bestanden hätten. Die Konsequenz daraus sei eine innere schwere Auseinandersetzung . . . gewesen. In diesem Rahmen habe ein sogenanntes Gedächtnisprotokoll des Dr. Baumgartner eine Rolle gespielt, das an den Spiegel verkauft worden sei und dort veröffentlicht wurde. Insbesondere spielte die Behauptung in dem Protokoll eine Rolle, daß das Abstimmungsergebnis über den Sitz der obersten Bundesbehörden, Bonn oder Frankfurt, durch Geldzuwendungen erreicht worden sei.
Zu a): Der Abg. Donhauser habe unter Eid — der Eid umfaßte das ganze Protokoll — vor dem Untersuchungsausschuß über den Rechtsanwalt Dr. Berthold ausgesagt, daß er Gelder vermittelt habe in Höhe von 30 000 DM, wovon er 5 000 DM einbehalten habe. Berthold hingegen behauptet, er habe keine Provision genommen. Auf Grund dieser Aussagen hat Berthold Privatklage erhoben, die später als Offizialverfahren geführt wurde.
Die Immunität des Abg. Donhauser wurde in der 118. Sitzung des 1. Deutschen Bundestages am 15. 2. 1951 aufgehoben.
Der Berichterstatter ist der Auffassung, daß das Vorliegen einer Eidesverletzung bei dem vorliegenden Komplex juristisch zweifelhaft sei. Die Aussagen hätten sich abgespielt wie vor einem politischen Forum. Es sei wenig Gelegenheit gewesen, sie nochmals durchzusehen, deshalb müßte man einen geringeren Maßstab anlegen als bei Aussagen vor Gericht. Eine Eidesverletzung komme nach seiner Ansicht aus subjektiven Gründen nicht in Frage. Hinsichtlich des Vorwurfs der üblen Nachrede beruft sich der Abg. Donhauser auf eine Abrechnung, die der Schatzmeister Schmitthuber der Bayernpartei ihm gezeigt habe. Danach seien für Berthold Gebühren abgezogen worden. Eine Liquidation liege jedoch nicht bei den Akten. Es liege weiterhin eine Zeugenaussage einer Sekretärin des Berthold vor, die bekundet, daß Betthold Provision genommen habe.
Das ist ungefähr der eine Tatbestand. Zu dem anderen Tatbestand heißt es:
Der Abg. Donhauser wird beschuldigt, vor dem Untersuchungsausschuß gegenüber dem Journalisten Hornauer ausgesagt zu haben, daß dieser sich an dem Verkauf des Gedächtnisprotokolls an den Spiegel beteiligt habe. Er habe Hornauer weiterhin vorgeworfen, daß dieser wegen NS-Umtriebe seinerzeit aus der Schule geflogen wäre und sich an Judenmißhandlungen beteiligt habe.
Der Berichterstatter hält diese Vorwürfe für belangloser Art und vor allem politischer Art, so daß auch hier im Interesse des Hauses die Aufhebung der Immunität nicht in Frage komme.
Der Auschuß hat schließlich, wenn ich mich recht erinnere, einstimmig, beschlossen, daß die Immunität im Falle Donhauser nicht aufgehoben werden soll. Ich bitte Sie, diesem Antrag zu entsprechen.
Ich darf dann gleich den Bericht zu Punkt 15 der Tagesordnung, Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Elsner, erstatten. Dazu heißt es in dem Protokoll des Ausschusses:
Der Bundesminister der Justiz hat auf Ersuchen des Oberstaatsanwalts in Braunschweig
mit Schreiben vom 11. Mai 1954 ersucht, eine
Entscheidung über die Genehmigung zum
Strafverfahren gegen den Abg. Elsner wegen
Beleidigung des Landtagsabgeordneten Büchler
herbeizuführen.
Ich betone das. Der Herr Justizminister hat nämlich nicht beantragt, die Immunität aufzuheben. Es handelt sich hier vielmehr um ein sogenanntes mitgebrachtes Verfahren. Der Herr Justizminister von Niedersachsen steht auf dem Standpunkt, bei einem mitgebrachten Verfahren — wie wir es hier
einmal formuliert haben — bedürfe es der Aufhebung der Immunität überhaupt nicht, sondern er könne da vorgehen, wie er wolle, nach Art. 46 Abs. 4 des Grundgesetzes hätten wir nur die Möglichkeit, zu verlangen, daß das bereits laufende Verfahren gestoppt würde. Das ist etwas ganz anderes als Aufhebung der Immunität. Ich komme am Schluß des Berichts darauf. Deshalb haben wir in der Drucksache auch zwei Ziffern vorgeschlagen.
Der eigentliche Tatbestand ist sehr einfach:
Aus den Akten ergibt sich, ... daß dem Abgeordneten Elsner vorgeworfen wird, er habe im Juli 1951 eine Beschwerdeschrift über den Landtagsabgeordneten Büchler an den Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig und Vorsitzenden des BHE, Minister von Kessel, mit beleidigenden Äußerungen abgefaßt.
Insbesondere wird in dieser Beschwerdeschrift erklärt, in dem Büchlerschen Betrieb seien Pferde mißhandelt und schlecht gefüttert worden, so daß Büchler auf Grund einer Anzeige wegen Tierquälerei bestraft worden sein soll. Weiterhin habe Büchler für die Flüchtlinge bisher keine Leistungen aufzuweisen, außer hinreichenden Leistungen für die eigene Person.
Und so weiter, und so weiter!
Der Ausschuß ist der Meinung, daß wegen dieser Äußerungen die Immunität nicht aufgehoben werden sollte, weil sie damals im politischen Wahlkampf, also im politischen Raum, gefallen sind. Getreu den Grundsätzen, die der Ausschuß jetzt fünf Jahre lang entwickelt hat, glaubt er, auch hier nicht davon abgehen zu sollen.
Aber nun kommt das Besondere, was ich vorhin schon andeutete. Der Herr Justizminister von Niedersachsen ist mit dem zuständigen Oberlandesgericht — ich glaube, es ist das Oberlandesgericht in Celle, das sich mit diesem Verfahren befaßt und eine entsprechende Entscheidung gefällt hat — der Meinung, es bedürfe hier, da es um ein sogenanntes mitgebrachtes Verfahren geht, gar nicht der Aufhebung der Immunität, sondern das Verfahren laufe legal und könne bezüglich dieser Tat, die vor dem Zeitpunkt liege, zu dem der Abgeordnete die Abgeordneteneigenschaft erworben habe, gar nicht gestoppt werden, sondern es könne höchstens Art. 46 Abs. 4 des Grundgesetzes Platz greifen, wo es heißt, in einem solchen Fall könne der Bundestag verlangen, daß die Strafverfolgung ausgesetzt wird.
Der Bundestag hat sich früher schon einmal mit dieser Frage befaßt, und das Haus hat hier einstimmig einen anderen Standpunkt eingenommen. Der Bundestag steht auf Grund eines Gutachtens des Bundesministers der Justiz vom 21. Oktober 1949 und eines Beschlusses des Bundestages — Stenographischer Bericht vom 3. November 1949, Seite 331 — auf dem Standpunkt, daß bei Übernahme des Abgeordnetenmandats anhängige Strafverfahren, jede Haft, Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit von Amts wegen auszusetzen sind; die Durchführung derartiger Maßnahmen bedarf der Genehmigung des Bundestags gemäß Art. Nr. 46 Abs. 2 des Grundgesetzes.
Wir waren im Ausschuß der Meinung, daß wir diesen unseren Grundsatz, den wir damals in sehr eingehenden Untersuchungen und Diskussionen
entwickelt und hier einstimmig angenommen haben, auch gegenüber dem Herrn Justizminister von Niedersachsen und gegenüber der Entscheidung des Oberlandesgerichts vertreten sollten.
Deshalb schlägt Ihnen der Ausschuß vor, wie folgt zu beschließen:
1. Die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Elsner wird nicht erteilt.
2. Der Bundestag bestätigt die in der 14. Plenarsitzung vom 3. November 1949 — Stenographische Berichte der 1. Wahlperiode S. 331 D ff. und Gutachten des Bundesministers der Justiz vom 21. Oktober 1949 — vorgetragene Auffassung, wonach bei Übernahme des Abgeordnetenmandats anhängige Verfahren gegen einen Bundestagsabgeordneten von Amts wegen auszusetzen sind. Solche Verfahren können nur
– nun bitte ich den Herrn Präsidenten, hier einen
Druckfehler zu berichtigen; es muß nämlich heißen:
nach einem Genehmigungsbeschluß des Bundestages gemäß Art. 46 Abs. 2 des Grundgesetzes fortgeführt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte, diesem Antrage zuzustimmen, namentlich der Ziffer 2, weil das eine grundsätzliche Entscheidung und das Beziehen eines grundsätzlichen Standpunktes bedeutet, den wir meines Erachtens unter gar keinen Umständen verlassen dürfen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich komme zurück zum Punkt 14 der Tagesordnung, dem Mündlichen Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Donhauser — Drucksache 652 —. Das Wort wird nicht gewünscht. Der Antrag heißt:
Die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Donhauser wird nicht erteilt.
Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung zu Punkt 15 der Tagesordnung über den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Elsner gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. April 1954 — Drucksache 698 —. Die Berichterstattung ist durch Herrn Abgeordneten Dr. Schneider bereits erfolgt. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich lasse zunächst über die Ziffer 1 abstimmen, die den Einzelfall betrifft:
Die Genehmigung zum Strafverfahren gegen
den Abgeordneten Elsner wird nicht erteilt. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich lasse abstimmen über Ziffer 2 in der von Herrn Abgeordneten Dr. Schneider berichtigten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren! Wir sind noch nicht am Ende unserer Beratung. Es ist ein Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE und DP eingegangen, der folgenden Wortlaut hat:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag
1. eine Übersicht über die durch die Hochwasserkatastrophe in Bayern eingetretenen Schäden vorzulegen,
2. über die bei der Katastrophenbekämpfung gewonnenen Erfahrungen und insbesondere die dabei aufgetretenen Mängel zu berichten,
3. ein im Einvernehmen mit der Bayerischen Staatsregierung ausgearbeitetes Programm über die ergänzenden Hilfsmaßnahmen des Bundes zur Beseitigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Katastrophe zu unterbreiten.
Ich nehme an, daß sich kein Einspruch dagegen erhebt, diesen Antrag heute noch auf die Tagesordnung zu setzen und ohne Begründung und ohne Aussprache zu verabschieden. — Widerspruch erfolgt nicht; der Antrag ist also nach § 26 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung gesetzt. Das Haus ist damit einverstanden, daß er ohne Begründung und ohne Aussprache verabschiedet wird. Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der letzten Sitzung vor den Parlamentsferien. Ich darf Ihnen die besten Wünsche für ruhige und erholsame Tage in den Ferien übermitteln.
Ich berufe die nächste, die 42. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 16. September 1954, 9 Uhr, und schließe die 41. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages.