Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört nun einmal zum Stil einer gewissen Sorte von Agrarpolitik, daß man zunächst Behauptungen aufstellt, dann wie ein Löwe darum kämpft und zum Schluß mit einem Scheinerfolg zufrieden ist, insbesondere dann zufrieden ist, wenn man daraus eine Art Gewissensfrage machen kann: Wer ist nun eigentlich für die Landwirtschaft einschließlich der kleinen Leute, und wer ist nun eigentlich gegen die Landwirtschaft?
— Herr Struve, wir kennen uns ja! Ich habe gar nicht das Bedürfnis, auf Ihre Bemerkungen einzugehen. Was Sie hier vorhin erzählt haben, war so eindeutig und war wieder einmal so bezeichnend, daß es für sich selber spricht.
— Ich werde Ihnen vom Landarbeiter auch noch etwas erzählen! Wenn Sie um den Landarbeiter Sorgen haben, dann haben Sie andere Gelegenheiten, als ihn hier in einem Zusammenhang heraufzubeschwören, wo er ganz einfach nicht hingehört.
Uns wird hier vorgeredet, wir seien mal wieder in der Gefahr — indem wir bestimmten Forderungen auf Zollerhöhungen, d. h. Preiserhöhungen nicht nachgeben —, uns irgendeinem ausländischen Preisdiktat auszuliefern. Irgendwann werden dann in Deutschland die Hühner überhaupt einmal abgeschafft sein, sagt man, und dann wird uns das Ausland den Preis diktieren. — Wer nur irgendeine, auch nur eine leise Ahnung von den Verhältnissen auf dem internationalen Eiermarkt hat, kann auf solche Geschichten wirklich nicht einmal im Traume kommen. Vor einer ernsthaften Versammlung kann man jedenfalls so nicht operieren. Ich habe hier den „Sonderdienst" des Bundesernährungsministeriums zur Hand, der sich auf eine bemerkenswert nüchterne und sachliche Weise mit diesem heiklen Problem auseinandersetzt. Ich habe volles Verständnis dafür, daß sich die Regierung auf diese Weise an der Debatte beteiligt. Wir wissen ja, warum von seiten der Regierung kein Versuch ge-
macht worden ist, durch eine eigene Initiative den Eierzoll zu erhöhen. Wir haben ja nicht zum erstenmal über dieses Problem hier zu reden. Wir haben im Ausschuß darüber gesprochen, und wir wissen, daß man sich im Ministerium begreiflicherweise und vernünftigerweise immer noch um einen Gleitzoll bemüht und durch internationale Verhandlungen zu einer Methode kommen möchte, die eine ziemliche Sicherheit für gleichbleibende Preise eröffnet. Aber dieses Verhandeln dauert einigen Herren offenbar zu lange. Sie möchten ihrer eigenen Regierung zuvorkommen und einmal das Haus verleiten, etwas zu beschließen, was ich einer Regierung, für die ich verantwortlich wäre, niemals zumuten würde. Denn das, was wir hier beschließen, wird doch zu einer handelspolitischen Realität, mit der sich die Bundesregierung draußen auseinandersetzen muß. Ich halte es eigentlich gar nicht für möglich, daß man so in solche Dinge hineinfuhrwerkt und es den anderen überläßt, daraus die Konsequenzen zu ziehen und mit dem Resultat fertig zu werden.
Aus diesem Material möchte ich Ihnen einmal ein paar Zahlen vorlesen, wenn Sie gestatten. Von der deutschen Jahreserzeugung von 5,6 Milliarden Eiern sind schätzungsweise nur 2,3 bis 2,6 Milliarden, d. h. nur die Hälfte, in den Verkauf gekommen. Von dieser Hälfte, von diesen 2,3 Milliarden sind nur 0,9 bis 1,2 Milliarden, das ist weniger als ein Viertel der Gesamtproduktion, über den Großhandel auf den Eiermarkt gekommen. Die anderen Eier, das sind die Eier der kleinen Leute, werden nämlich sehr viel vorteilhafter abgesetzt, als es nach dem Großhandelsindex wegen der in Deutschland besonders hohen Verteilungskosten möglich ist, nämlich im Direktverkehr mit den Verbrauchern, in Gastwirtschaften usw. Gegenüber dieser kleinen Eiermenge, die aus der deutschen Erzeugung auf den Markt kommt, spielt nun der Eierimport eine so große Rolle, daß gar nicht bestritten werden kann, daß jede Zollerhöhung zu preislichen Konsequenzen führt. Ich kann mir denken, daß das durchaus erwünscht ist und daß der eine oder andere diese Konsequenz der Preiserhöhung für notwendig hält. Aber dann soll man das auch sagen, damit jeder weiß, worüber hier abgestimmt wird. Es ist doch fürchterlich töricht, hier zu behaupten: Die Bauern brauchen mehr für ihre Eier, wir müssen ihnen also mehr Geldeinnahmen besorgen, zu diesem Zweck werden wir also die Zölle erhöhen, und auf der anderen Seite zu sagen: Aber die Eier werden dadurch nicht teurer.
Das alles kann in diesem Zustand hier nicht ausdiskutiert werden. Ich halte es nur für ein Gebot der Fairneß — ebenso wie alle, die daran interessiert sind, daß eine sachlich richtige Lösung getroffen wird —, unter Inanspruchnahme der Regierung, ihrer handelspolitischen Kenntnisse und des Materials diese Dinge im Ausschuß zu beraten, wie es bisher leider nicht möglich war.
Da es offenbar geschäftsordnungsmäßige Schwierigkeiten gegenüber dem Antrag gibt, den Frau Strobel vorhin vorgetragen hat, beantragen wir die Verweisung des Umdrucks 145 an den Außenhandelsausschuß, damit er gegebenenfalls bei einer späteren Änderung des Zolltarifgesetzes hier wieder behandelt werden kann.