Rede von
Matthias
Hoogen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Hohen Hause ist am 18. Juni dieses Jahres das Straffreiheitsgesetz 1954 verabschiedet worden. Es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz. Der Bundesrat hat diesem Gesetz bisher nicht zugestimmt, sondern den Vermittlungsausschuß angerufen, und zwar in elf Punkten. Die in der Drucksache vorzunehmenden Berichtigungen im Antrag und im § 23 unter Ziffer 5 des Änderungsvorschlags hat der Herr Präsident bereits bekanntgegeben. Im einzelnen darf ich mir erlauben, nur auf die Änderungswünsche des Bundesrats einzugehen, die zu Änderungen des Gesetzentwurfs, wie er hier im Hohen Hause verabschiedet worden ist, geführt haben.
Die Änderungswünsche des Bundesrats, auf die der Vermittlungsausschuß nicht eingegangen ist bzw. hinsichtlich derer er keinen Änderungsvorschlag macht, darf ich in diesem Hause übergehen und sie lediglich im Bundesrat vortragen.
Das vorausgeschickt darf ich zu § 1 folgendes sagen: Der Bundestag hatte als Stichtag den 1. Januar 1954 gewählt, um auch dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß kein Zusammenhang zwischen dem Straffreiheitsgesetz und der Bundestagsneuwahl am 6. September 1953 bestehe. Demgegenüber will der Bundesrat als Stichtag den 9. September 1953 einsetzen, den Tag, an dem die Absicht, ein Straffreiheitsgesetz vorzubereiten, der Öffentlichkeit erstmalig bekanntgeworden sei. Es gehe — das ist die Auffassung des Bundesrats — nicht an, daß auch Straftaten, welche in Kenntnis der Absichten des Gesetzgebers begangen worden seien, von der Straffreiheit erfaßt würden. Bei den Beratungen im Vermittlungsausschuß hat sich eine Mehrheit weder für den 1. Januar 1954 noch für den 9. September 1953 noch für den 1. Oktober 1953 — den im Regierungsentwurf vorgesehenen Stichtag — gefunden. Man einigte sich vielmehr mit großer Mehrheit auf den 1. Dezember 1953 als Stichtag, und zwar in der Erwägung, daß der Stichtag des Straffreiheitsgesetzes einerseits nicht in der Nähe des Tages der Bundestagsneuwahl stehen solle, daß aber jeder Gedanke an eine periodische Wiederholung von Straffreiheitsgesetzen zu Beginn künftiger Legislaturperioden als grundlos abgelehnt werde. Andererseits betrachtete man die Wahl eines späteren Stichtags wegen der langen Dauer der parlamentarischen Arbeiten an dem Gesetzentwurf als gerechtfertigt und auch als unbedenklich, da kaum jemand vor dem 1. Dezember 1953 in der ungewissen Hoffnung, unter eine Amnestie zu fallen, noch Straftaten begangen haben dürfte.
Bei § 3 des Gesetzentwurfs, den Straftaten aus Not, hat der Bundestag bei der zweiten und dritten Lesung als Strafgrenze ein Jahr Freiheitsstrafe und entsprechende Geldstrafe festgesetzt. Diese Strafgrenze ist vom Bundestag heraufgesetzt worden — um auch das noch einmal zu wiederholen —, um diese Amnestie an die in § 5 vorgesehene Amnestie für Interzonengeschäfte anzugleichen, bei der ebenfalls eine Strafgrenze von einem Jahr gewährt worden ist. Der Bundesrat hat sich dem-
gegenüber auf den Standpunkt gestellt, daß die im Regierungsentwurf vorgesehene Strafgrenze zu nehmen sei. Dieser Meinung hat sich der Vermittlungsausschuß nicht angeschlossen. Er war vielmehr der Meinung, daß sich das Straffreiheitsgesetz in § 2 zum Ziele setze, die durch Kriegsoder Nachkriegsereignisse geschaffenen außergewöhnlichen Verhältnisse zu bereinigen. Das ist die Meinung des Vermittlungsausschusses, die mit übergroßer Mehrheit gebildet worden ist.
Der Bundestag hatte für § 4 eine weitgehende Steueramnestie beschlossen. Der Bundesrat wünschte dagegen im Interesse der Erhaltung der Steuermoral — wie der Bundesrat meint — und im Hinblick auf die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 410 der Reichsabgabenordnung nur eine Amnestie für Steuerordnungswidrigkeiten zuzulassen, wie es in der Regierungsvorlage vorgesehen war. Gegen diese Erwägung hat sich der Vermittlungsausschuß gewandt. Er hat es bei der Steueramnestie, wie sie hier im Hohen Hause beschlossen worden ist, belassen mit der Einschränkung, daß er auch hier in Angleichung an den Stichtag des § 1 den 1. Dezember 1953 an Stelle des 1. Januar 1954 gewählt hat.
Bei den §§ 5 und 23, den Interzonengeschäften und Ordnungswidrigkeiten im Interzonenverkehr, hatte sich der Bundesrat — ich darf das hier kurz erwähnen — gegen eine Unbeschränktheit der Höhe der Geldstrafe gewandt. In diesem Punkte hat sich der Vermittlungsausschuß den Bedenken des Bundesrats nicht verschließen können. Er entschloß sich mit großer Mehrheit zu dem Vorschlag, die vom Bundesrat gewünschten Beschränkungen in das Gesetz aufzunehmen, d. h. eine Beschränkung auf 20 000 DM in § 5 und auf 30 000 DM in § 23.
Bei der Amnestie für Nachrichtentätigkeit hat sich der Vermittlungsausschuß den Bedenken des Bundesrats nicht anzuschließen vermocht. Infolgedessen hat er insoweit auch keinen Änderungsvorschlag gemacht.
§ 9 enthält den sogenannten Ausschlußkatalog. Der Bundesrat hatte verlangt, daß in diesen Ausschlußkatalog die Fälle der schweren Bestechlichkeit und darüber hinaus die Fälle der Richterbestechung aufgenommen würden. Zu der Frage der Fälle der schweren Bestechlichkeit darf ich auf die in diesem Hause bereits in drei Lesungen gemachten Ausführungen verweisen. Zu der Frage der Aufnahme der Richterbestechung in den Katalog des § 9 darf ich folgendes sagen: Die Richterbestechung ist natürlich ein sehr schwerwiegendes Delikt. Das hätte zur Folge, daß dieser Tatbestand an sich in den Ausschlußkatalog des § 9 hätte aufgenommen werden müssen. Ich bin ausdrücklich beauftragt, als Berichterstatter hier zu erklären, daß diese Aufnahme nur deshalb unterblieben ist, weil Richterbestechung wohl niemals mit einer niedrigen Freiheitsstrafe geahndet werden dürfte und weil uns im übrigen Fälle von Richterbestechung in unserer Rechtspraxis unbekannt sind.
Der Bundestag hatte über den Regierungsentwurf hinaus die Doppelehe in den Ausschlußkatalog aufgenommen. Nach seiner Auffassung sollten dagegen Verkehrsvergehen genau so wie die übrigen Verkehrsübertretungen amnestiert werden. Bei der Doppelehe war für den Bundestag der Gesichtspunkt entscheidend, daß es sich um eine schwerwiegende Straftat handelt. Hinsichtlich der Verkehrsvergehen glaubte der Bundestag, keine Ausnahme machen zu sollen, weil sich das nicht mit dem Gedanken der in § 2 des Gesetzentwurfs niedergelegten allgemeinen Amnestie vertrüge, in den schwerwiegenden Fällen der fahrlässigen Tötung, der Flucht nach Verkehrsunfällen und der Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit aber regelmäßig Freiheitsstrafen über drei Monate verhängt werden oder zu erwarten sind.
Nach der Auffassung des Bundesrats widerspricht der Ausschluß der Bigamie von der Straffreiheit dem Bereinigungsgedanken der Amnestie, weil der größte Teil der in den letzten Jahren strafrechtlich erfaßten Fälle von Doppelehe auf die besonderen Verhältnisse der Nachkriegszeit zurückzuführen ist. Eine Amnestie für Verkehrsvergehen hält der Bundesrat im Hinblick auf die bedrohliche Zunahme der Verkehrsunfälle aus kriminalpolitischen Gründen für untragbar.
Der Vermittlungsausschuß schloß sich hinsichtlich der Behandlung der Doppelehe der Auffassung des Bundesrats an. Ein restloser Ausschluß aller Verkehrsvergehen von der Amnestie verträgt sich dagegen nach der Auffassung des Vermittlungsausschusses nicht mit dem Gedanken einer allgemeinen Amnestie. Der Vermittlungsausschuß hat sich aber andererseits mit Rücksicht auf die dringend erforderliche Unfallbekämpfung zu dem Vorschlag entschlossen, die Flucht nach Verkehrsunfällen und die vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit von der Amnestie auszuschließen. Insoweit muß nach der Auffassung des Vermittlungsausschusses der Gesichtspunkt der Generalprävention den Vorrang vor der individuellen Schuld haben.
Meine Damen und Herren, so viel aus den Beratungen des Vermittlungsausschusses zu den in diesem Hohen Hause gemachten Änderungsvorschlägen. Die Druckfehlerberichtigung ist bereits vom Herrn Präsidenten und von mir zu Beginn meines Berichts hervorgehoben worden.
Ich habe die Ehre, Sie namens des Vermittlungsausschusses zu bitten, dem Ihnen vorliegenden Antrag auf Drucksache 699 zuzustimmen.