Gesamtes Protokol
Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie zur 150 . Plenarsitzung dieser Legislaturperi-
ode . Dieses kleine Jubiläum hätte eigentlich eine größere
Beteiligung verdient .
Immerhin können Sie von sich sagen, dabei gewesen zu
sein .
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-
zung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit
von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von
Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zah-
lungskonten mit grundlegenden Funktionen
Drucksache 18/7204
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Was man sich darunter vorzustellen hat, wird nicht
jedem auf der Besuchertribüne sofort einleuchten, sich
aber sicher im Laufe der Debatte erschließen,
die 77 Minuten dauern soll, es sei denn, jemand macht
jetzt einen konkreten Gegenvorschlag . – Darauf war kei-
ner vorbereitet . Also stelle ich dazu Einvernehmen fest .
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister
der Finanzen, Michael Meister .
D
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Ich hoffe, dass ich zur Erhellung Ihrer Frage bei al-len Beteiligten, die hier anwesend sind und zuhören, bei-tragen kann . Ich glaube, heute ist ein großer Tag für vieleMenschen in unserem Land, denen über dieses Gesetzin Zukunft die Teilhabe am Zahlungsverkehr rechtlichabgesichert und ermöglicht wird . Insoweit ist es, glaubeich, für eine große Zahl von Menschen ein bedeutenderTag .Die Regierung bittet den Bundestag, die sogenann-te Zahlungskontenrichtlinie mit diesem Gesetzentwurfumzusetzen . Wir haben uns im Koalitionsvertrag ver-pflichtet, eine schnelle, zügige Umsetzung dieser Richt-linie vorzunehmen . Das haben wir auch eingehalten .Deutschland ist das Land unter den Mitgliedstaaten derEuropäischen Union, das bei diesem Vorhaben bisheram weitesten vorangeschritten ist . Meine Bitte wäre,dass Sie in den anstehenden Beratungen in Bundestagund Bundesrat dafür Sorge tragen, dass wir das amEnde auch als Erste im Gesetzblatt stehen haben undumsetzen .Der Entwurf, den das Bundeskabinett verabschie-det hat, ist sowohl auf der Seite der Verbraucher, in denMedien, aber auch von den Vertretern der Rechtswissen-schaften begrüßt worden . Ich glaube deshalb, dass wireine breite Unterstützung haben . Nicht ganz so breit istdie Unterstützung im Bereich der Kreditwirtschaft . Dortist die Meinung der Beteiligten etwas geteilt . Allerdingszielen die kritischen Meinungsäußerungen weniger inRichtung dieses Gesetzentwurfes, den wir diskutieren,sondern mehr in Richtung des Inhalts der ihm zugrun-deliegenden Richtlinie . Diese werden wir bei unserenGesetzesberatungen allerdings nicht mehr verändernkönnen .Was sieht die Richtlinie vor? Die Richtlinie sieht zu-nächst einen Kontrahierungszwang für sogenannte Ba-siskonten vor . Das heißt, jeder Mensch in diesem Landhat in Zukunft den Anspruch, ein sogenanntes Basiskon-to eröffnen zu können . Dieser Anspruch besteht zwarseit Jahren, aber er wird heute im Prinzip nur von denSparkassen durch das Sparkassenrecht in Deutschlandzur Umsetzung gebracht . In Zukunft wird er nicht nur
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für Sparkassen, sondern für alle Kreditinstitute Gültig-keit haben .
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir denZahlungsverkehr innerhalb der Europäischen Union überdie dafür notwendigen Konten auf zwei Ebenen verbes-sern:Den ersten Pfeiler hatte ich angesprochen: den zivil-rechtlichen Anspruch jedes Menschen auf ein sogenann-tes Basiskonto . Was ist ein Basiskonto? Es bietet dieMöglichkeit, Ein- und Auszahlungen auf ein Bankkontovorzunehmen, an Geldautomaten Geld abzuheben undeinzuzahlen, am Lastschriftverkehr teilzunehmen undÜberweisungen zu tätigen – all das, wovon viele Men-schen in unserem Lande bisher ausgegrenzt sind .Es geht um die Frage: Zu welchen Preisen wird dieseLeistung bzw . dieses Basiskonto angeboten? Die Trans-parenz der Kontogebühren wird durch diesen Gesetzent-wurf erhöht, und die Vergleichbarkeit der Preise für dieverschiedenen Angebote wird verbessert . Im Interesseder Kunden soll auch der Wechsel des Anbieters des Ba-siskontos – sprich: des Kreditinstituts – erleichtert wer-den .Wir haben versucht, das Recht auf ein Basiskonto füralle Menschen als ein Thema zu betrachten, das nichtnur den Verbraucherschutz betrifft . Wir müssen, geradein diesen Tagen, berücksichtigen, dass es auch Asylbe-werber, Wohnsitzlose und Drittstaatsangehörige, die sichinnerhalb der EU und damit auch innerhalb Deutschlandsbefinden, berührt, weil sie nicht automatisch Zugang zueinem Konto haben . Es gibt Schätzungen – natürlichkann man die Betroffenen nicht genau zählen –, nachdenen bis zu 1 Million Menschen in unserem Land vondiesem Problem betroffen sind . Es ist also ein Thema,das weiter zu fassen ist .Beim zweiten Pfeiler dieses Gesetzentwurfes geht esum das Funktionieren eines harmonisierten Zahlungsver-kehrs im europäischen Binnenmarkt . Ein Zahlungskontoist ja der Schlüssel, um an unbaren Zahlungsvorgängenüberhaupt teilnehmen zu können . Nach der Schaffungeines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrs-raums – das Stichwort lautet „SEPA“ – bildet die Zah-lungskontenrichtlinie einen weiteren Meilenstein imHinblick auf den europäischen Zahlungsmarkt . Es gabin diesem Zusammenhang die Empfehlung des Europä-ischen Parlaments, den Zugang zum Zahlungsmarkt imPrivatkundengeschäft zu verbessern . Wir als Bundesre-gierung versuchen, diese Forderung des EuropäischenParlaments aufzugreifen .Meine Damen und Herren, was den Kontenwechselund in diesem Kontext auch die Vergleichbarkeit derLeistungen betrifft, wollen wir jedem Konsumenten inder Europäischen Union die Möglichkeit geben, ohnetechnische und bürokratische Hürden das Konto zu wäh-len, das für seine Bedürfnisse am besten geeignet ist . Wirhoffen, dass es entsprechende Websites geben wird, aufdenen man sich relativ zügig informieren kann: „WelcheKonten gibt es, und wie sehen die Konditionen dieserKonten aus?“, sodass der Verbraucher die Möglichkeithat, Entgelte und Leistungen zu vergleichen, und Schwie-rigkeiten beim Wechsel des Anbieters überwinden kann .Heutzutage gibt es in diesem Bereich eine relativ geringeMobilität . Wir hoffen, dass dieses Gesetz dazu beiträgt,dass die Mobilität steigt . Auch das wäre, glaube ich, imInteresse des Verbrauchers, weil er das Ganze, wenn erdie Marktgegebenheiten hinsichtlich der Entgelte undder Kosten überblickt, besser für sich nutzen kann .Wer ist verpflichtet, ein Basiskonto anzubieten? Ichhabe vorhin schon erwähnt, dass es im Sparkassenrechtentsprechende Vorgaben gibt, dass andere Banken davonaber nicht betroffen sind . An dieser Stelle führen wir eineDiskussion über den Identitätsnachweis von Kunden, dieein solches Konto eröffnen wollen . Es geht um die Frage,ob es hier einen Konflikt mit der Geldwäschepräventiongibt . Natürlich ist uns die Geldwäscheprävention ein rie-siges Anliegen. Wir sehen hier aber keinerlei Konfliktla-ge. Wir fordern zwar eine Identifikation, knüpfen sieaber nicht unbedingt an Ausweispapiere, etwa an einenPersonalausweis oder Ähnliches; denn solche Papierekönnen zum Beispiel Drittstaatsangehörige nicht vor-legen. Nichtsdestotrotz ist eine Identifikation sehr wohlnotwendig, um einen Beitrag zur Geldwäschepräventionzu leisten . Ich möchte auch darauf hinweisen, dass, wennman den Zahlungsverkehr über Konten abgewickelt, dieMöglichkeiten, Geldwäsche zu betreiben, mit Sicherheitgeringer sind als beim Bargeldverkehr . Insofern glaubenwir, dass wir das Problem identifiziert haben, mit diesemGesetzentwurf einen Schritt in die richtige Richtung ge-hen und an dieser Stelle nicht kontraproduktiv handeln .
Wir versuchen, die möglichen Ablehnungsgründe fürdie Anbieter eines Basiskontos im Gesetzentwurf klar zupräzisieren . Eine solche Präzisierung gibt es in unseremRechtssystem bisher nicht . Außerdem setzen wir eineFrist und sagen: Wenn abgelehnt wird, dann muss dasbinnen einer Frist von zehn Tagen geschehen . – Das kannsich also nicht ewig hinziehen .Wenn die Einrichtung eines Basiskontos abgelehntwird, muss also gesagt werden, aufgrund welchen Tat-bestands im Gesetz diese Ablehnung erfolgt . Diese mög-lichen Ablehnungsgründe sind im Gesetz abschließendaufgezählt und klar benannt . Ein solcher Ablehnungs-grund kann zum Beispiel sein, dass der Betreffende schonan anderer Stelle über ein Basiskonto verfügt . Dann isteine Ablehnung, glaube ich, nachvollziehbar . Ein andererAblehnungsgrund wäre zum Beispiel, dass jemand beidem gleichen Kreditinstitut, bei dem er ein Basiskontoeinrichten möchte, in der Vergangenheit durch strafbareHandlungen wegen Geldwäsche aufgefallen ist .Selbstverständlich ist in einem Rechtsstaat jede Ab-lehnung auch vor Gerichten überprüfbar . Wir gehen hieraber den Weg, bei einer Ablehnung nicht nur auf denGerichtsweg zu verweisen – das kann Monate oder auchJahre dauern –, sondern unabhängig von der gerichtli-chen Überprüfung eröffnen wir auch die Möglichkeit,die Ablehnung durch die BaFin überprüfen zu lassen,was schneller geht und möglicherweise auch mit weni-ger Kosten verbunden ist . Insofern glauben wir, dass manParl. Staatssekretär Dr. Michael Meister
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hier tatsächlich im Interesse der Verbraucher zügig zu ei-ner Entscheidung kommt .Auch für die BaFin setzen wir eine Frist von maxi-mal einem Monat, in dem diese Ablehnungsentscheidungüberprüft werden muss . Wenn man die zehn Tage undden einen Monat zusammenrechnet, dann sieht man, dasses auf jeden Fall schnell zu einer Entscheidung kommenwird . Außerdem wird es bei der BaFin keinen Anwalts-zwang geben, sodass auch an dieser Stelle für einen po-tenziellen Kunden keine Kosten entstehen .Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir einegute Beratung zu diesem Gesetzentwurf haben werden .Ich habe es eingangs bereits gesagt: Mit diesem Gesetz-entwurf eröffnen wir in Zukunft für die vielen Menschenin unserem Lande, denen heute noch der Zugang zumbargeldlosen Zahlungsverkehr fehlt, einen unbürokrati-schen und auch kostengünstigen Weg, um daran teilneh-men zu können .Herr Präsident, ich hoffe, dass ich mit meinem Beitragein klein wenig zur Erhellung des Beratungsgegenstan-des beigetragen habe .Vielen Dank .
Herr Staatssekretär, zumindest ich habe den Eindruck,
dass ich es begriffen habe .
Ob das repräsentativ ist, kann ich jetzt nicht hinreichend
beurteilen .
Es gibt jedenfalls noch weitere vertiefende Erläute-
rungen, zum Beispiel von der Kollegin Caren Lay, die
nun für die Fraktion Die Linke zu diesem Thema Stel-
lung nimmt .
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Stellen Siesich ein Leben ohne Girokonto vor . Die Schwierigkei-ten fangen damit an, dass man an der Kasse eines Su-permarktes bzw . eines Geschäftes nicht einfach mit derEC-Karte bezahlen kann . Man kann auch nicht einfachGeld überweisen und seine Rechnungen per Überwei-sung begleichen . Man bekommt keinen Handyvertragund schon gar keine neue Wohnung .Ein Girokonto ist in der modernen Welt einfach un-verzichtbar, und ich finde, es ist ein Skandal, dass immernoch über 700 000 Menschen in Deutschland – Flüchtlin-ge bzw. Geflüchtete sind hier noch nicht eingerechnet –kein Girokonto haben .
Insofern freuen auch wir uns, dass endlich ein Basiskon-to für alle kommen soll . Das wird auch höchste Zeit .
Ich spreche an dieser Stelle nicht zum ersten Mal zudiesem Thema . Gestatten Sie mir deshalb einen kleinenAusflug in die Geschichte der Debatte, die wir hier imBundestag dazu geführt haben; denn das Recht auf einGirokonto hätte es natürlich schon sehr viel früher gebenkönnen .Die PDS hat hier im Bundestag 1994 zum ersten Malein Girokonto für alle gefordert . Die Linke hat seithersage und schreibe fünf Anträge gestellt, in denen wir einRecht auf ein Girokonto für alle gefordert haben . Allediese Anträge wurden hier mit Mehrheit abgelehnt .Die Argumente, die damals vor allen Dingen die Uni-on ins Feld geführt hat, waren wirklich abenteuerlich . Eswaren die üblichen Vorurteile vor allen Dingen gegen-über uns Linken .
Das alles sei gegen den freien Markt, staatsfixiert usw.Der ehemalige Kollege Leo Dautzenberg sagte zumBeispiel 2006: Das Girokonto für alle ist geradezu einBeispiel dafür, dass der Staat nicht alles regeln kann undschon gar nicht besser regeln kann als die Wirtschaftsteil-nehmer im Rahmen einer bestimmten Selbstregulierung .Und der Kollege Brinkhaus entgegnete mir noch voreinigen Jahren an dieser Stelle zu diesem Thema: Es gibtkein Menschenrecht auf ein Girokonto .
Meine Damen und Herren, ich finde schon. Und ich freuemich sehr, dass auch Sie heute, so hoffe ich, endlich zurEinsicht gekommen sind .
Es wurden zwar regelmäßig die Zahlen erhoben, wieviele Menschen in Deutschland ohne ein Girokonto sind .Man hat sich aber nicht dazu durchringen können, endlichgesetzlich verbindliche Regeln zu schaffen . Stattdessenhat man mit den Banken eine freiwillige Selbstverpflich-tung ausgehandelt. „Freiwillige Selbstverpflichtung“ warjahrelang – das ist es, glaube ich, bis heute – die belieb-teste Worthülse vor allen Dingen der Union in der Ver-braucherpolitik, die eigentlich nur darüber hinwegtäu-schen soll, dass man nicht in der Lage ist, verbindlicheRegelungen gesetzlich zu verankern. Ich finde, wir brau-chen verbindliche gesetzliche Regelungen für Menschen,die überschuldet sind, für obdachlose Menschen und fürGeflüchtete. All jene haben das Recht auf ein Konto.
Auch dieses Mal sind Sie nicht so ganz allein auf die-se Idee bzw . zur Einsicht gekommen . Im Gegenteil: EsParl. Staatssekretär Dr. Michael Meister
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gibt eine EU-Richtlinie, die auch Deutschland dazu ver-pflichtet, dieses Recht noch in diesem Jahr umzusetzen.Also – so gut es ist, dass es ein Basiskonto für alle gebenwird –: Schmücken Sie sich an dieser Stelle bitte nichtmit fremden Federn!
Bei der Umsetzung gibt es leider einen Pferdefuß bzw .einen entscheidenden Nachteil: Das Konto soll nämlichnicht verbindlich kostenfrei oder gebührenfrei sein . ImGegenteil: Im Gesetzentwurf ist von marktüblichen Ge-bühren und Entgelten die Rede . Da schwant mir nichtsGutes . Einige Banken haben ja ein sogenanntes Bürger-konto auf Grundlage dieser freiwilligen Selbstverpflich-tung eingerichtet . Sie verlangen aber stattliche Gebührenin Höhe von 10 Euro im Monat . Es kostet also viel mehrals ein normales Girokonto, hat aber viel weniger Funk-tionen. Ich finde das wirklich unmöglich.
Es wäre möglich gewesen, bereits im Gesetzentwurfdie Gebührenfreiheit des Kontos festzulegen oder zumin-dest die Gebühren zu deckeln . Dafür haben sich auch dieVerbraucherschutzminister einstimmig ausgesprochen .Auch das Land Brandenburg hat dafür im Bundesrat ge-kämpft und gefordert, dass das Konto gebührenfrei seinsoll oder dass die Kosten zumindest gedeckelt werdensollen. Leider hat das keine Mehrheit gefunden. Ich finde,das muss im Gesetzgebungsverfahren geändert werden .
10 Euro im Monat, meine Damen und Herren, mögen indiesem Hohen Hause vielleicht nicht als große Summegelten. Für Menschen aber, die obdachlos, geflüchtet oderüberschuldet sind, sind 10 Euro im Monat jede MengeGeld . Es wird sie im Zweifel davon abhalten, das Rechtauf ein Girokonto in Anspruch zu nehmen . Das könnenwir so nicht stehen lassen . Ich bitte Sie wirklich eindring-lich: Lassen Sie uns im Beratungsverfahren gemeinsamdafür sorgen, dass das Basiskonto für alle kostenfrei seinwird . Das sind wir den Betroffenen schuldig .Vielen Dank .
Nächster Redner ist der Parlamentarische Staatssekre-
tär Ulrich Kelber für das Justiz- und Verbraucherschutz-
ministerium . – Bitte schön .
U
Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Es geht um ein zentrales verbrau-cherpolitisches Thema . Mit dem heute eingebrachtenGesetzentwurf schaffen wir in der Tat erstens einen An-spruch aller Verbraucherinnen und Verbraucher auf einGirokonto . Zweitens werden die Transparenz von Konto-gebühren und die Vergleichbarkeit von Angeboten deut-lich verbessert . Und drittens wird auch allen Verbrau-cherinnen und Verbrauchern der Anbieterwechsel ihresZahlungskontos erleichtert .Wir setzen erstens ein Verbraucherrecht durch, undzweitens sorgen wir dafür, dass der Wettbewerb in die-sem Bereich in Gang kommt .
Frau Lay, aber auch Herr Meister haben es bereits anklin-gen lassen: In der Tat ist dies – nämlich der Zugang zubargeldlosem Zahlungsverkehr – ein Thema, das schonlange in Deutschland und Europa diskutiert wird und beidem die Dringlichkeit größer geworden ist . Es gibt auchin Deutschland eine große Zahl von Menschen, die bisherkein Girokonto bekommen konnten . Dieser Missstandsoll durch diesen Gesetzentwurf behoben werden .Wir folgen damit der Zielsetzung des Koalitionsver-trages, Frau Lay, diese europäische Initiative zu unter-stützen – diese Initiativen fallen nicht vom Himmel, son-dern müssen beschlossen werden – und sie dann unterEinbeziehung aller Kreditinstitute, nicht nur der Sparkas-sen, umzusetzen. Ich finde es gut, dass dieses Recht aufgesamteuropäischer Ebene für alle Verbraucherinnen undVerbraucher in Europa in Kraft tritt .Ich bedanke mich auch für die gute Zusammenarbeitmit dem Finanzministerium . Ich hoffe, das beruht aufGegenseitigkeit, auch wenn der Kollege Meister das beiseinen erhellenden Ausführungen nicht dargelegt hat .
Von überragender Bedeutung ist dabei die Sicherung desZugangs zu einem Zahlungskonto für jedermann, alsodas Girokonto für alle, das in der Öffentlichkeit immerwieder als ein Prüfpunkt für Verbraucherschutz im Fi-nanzsektor benannt wurde .Eine Untersuchung der Europäischen Union 2013hat eine Zahl von 1 Million Menschen in Deutschlandermittelt, bei denen man vermutet, dass sie noch keinenZugang zu einem Konto haben . Ich denke, dass die Zu-wanderung von Menschen auf der Flucht in den letztenbeiden Jahren dazu geführt hat, dass diese Zahl heute ver-mutlich sogar höher liegt . Aber ohne ein Konto sind diegesellschaftliche Teilhabe und die Teilnahme am Wirt-schaftsleben und damit auch Integration nicht möglich .Die Verankerung in den Sparkassengesetzen einzelnerBundesländer und auch die Selbstverpflichtung habendieses Problem nicht grundlegend gelöst . Deswegen istdas Handeln des Gesetzgebers gefragt . Wir wollen alleKreditinstitute, die schon heute Zahlungskonten für Ver-braucher im Angebot haben, dazu verpflichten, solcheKonten anzubieten . Damit sichern wir die breite Ver-fügbarkeit eines solchen Basiskontos nicht nur für alleBevölkerungsgruppen, sondern auch in ländlichen Ge-bieten . Wir wollen auch eine gleichmäßige Beteiligungder Kreditwirtschaft sicherstellen . In der VergangenheitCaren Lay
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haben viele private Banken bestimmte Kunden einfachan die Sparkasse weitergeleitet .Alle grundlegenden Zahlungsdienste werden mit ei-nem solchen Konto ermöglicht, also Ein- und Auszah-lungen, Lastschriften, Überweisungen und natürlichGeschäfte mit Zahlungskarten . Das Leistungsangebotwird nicht hinter dem Angebot für gängige Girokontenzurückbleiben . Ebenso müssen die Kosten angemessensein . Eine Benachteiligung ist also ausgeschlossen .Frau Kollegin Lay, Sie wissen, dass ich Sie schätze,aber es ist schon unseriös, die Vorgaben in der gesetz-lichen Vorschrift, nach der die Kosten im Vergleich mitanderen Angeboten des Kreditinstitutes angemessen seinmüssen, mit den Kosten von freiwilligen Angeboten vonheute zu vergleichen . Damit haben Sie selber einen Po-panz aufgebaut, an dem Sie sich dann im Rest Ihrer Redeversucht haben, abzuarbeiten .
Der Kollege Meister hat zu Recht dargestellt, dass dieKreditinstitute nur noch einen sehr geringen Spielraumhaben, wann sie die Einrichtung eines Basiskontos ab-lehnen dürfen .
Herr Kollege .
U
Kurzen Augenblick, bitte . – Deswegen werden die
Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur in die Lage
versetzt, ein solches Konto zu erhalten . Sie werden auch
davor geschützt, diesen Zugang wieder zu verlieren . –
Herr Präsident .
Vielen Dank . – Der Kollege Schick möchte gerne eine
Zwischenfrage stellen oder -bemerkung machen .
U
Ja .
Bitte .
Danke . – Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen,
ob die Finanzaufsichtsbehörde BaFin die Angemessen-
heit aktiv prüfen wird oder ob sie es den Menschen, die
offensichtlich nicht über die Ressourcen verfügen, ein
normales Girokonto zu eröffnen oder einen Anwalt für
die Durchsetzung ihres Anspruchs zu bezahlen, überlas-
sen wird, diese Angemessenheit in einem Rechtsstreit
gegen die Institute durchzusetzen . Ich meine, diese An-
gemessenheit wird es nur dann geben, wenn sie wirklich
überprüft wird . Ist das vorgesehen? Können Sie das zu-
sichern?
U
Ich sage Ihnen natürlich nicht zu, was genau im Ge-schäftsablauf der dem Bundesfinanzministerium zuge-ordneten Behörde passieren wird . In der Tat sind aberdie Rechtsaufsicht und die Rechtsdurchsetzung durch dieBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Kernele-mente dieses Gesetzentwurfes . Genau dieses Novum –verglichen mit anderen Bereichen der Verbraucherpoli-tik; dazu werde ich gleich noch etwas sagen – wird zurDurchsetzung sowohl des Anspruchs auf Einrichtung ei-nes Kontos als auch des Anspruchs auf Angemessenheitder vorliegenden Entgelte führen .Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Kollege, für IhreFrage . Mein nächster Punkt ist nämlich das Thema derRechtsdurchsetzung . Wir haben in Deutschland eine guteTradition der zivilrechtlichen Überprüfung und Durch-setzung von Verbraucherrechten . Wir erleben aber, dasses Bereiche gibt, in denen diese Tradition an Grenzenkommt . Deswegen haben wir eine besonders effektiveMöglichkeit der Rechtsdurchsetzung – ich konnte dasdank Ihrer Frage gerade schon kurz erwähnen – geschaf-fen: Der Weg zu den Zivilgerichten bleibt frei, übrigensnicht nur für die einzelnen Verbraucherinnen und Ver-braucher, sondern mit entsprechender Unterstützungauch über Gruppenverfahren . Aber die BaFin wird ander Stelle nicht nur kollektive Verbraucherinteressendurchsetzen – diese Aufgabe hat sie seit kurzem; auchdas haben wir erreicht –, sondern es gibt auch die Mög-lichkeit, sich bei der Verweigerung der Einrichtung einesBasiskontos individuell an die BaFin zu wenden, die miteinem Verwaltungsakt sicherstellen kann, dass ein Basis-konto eröffnet wird . Das geht deutlich schneller als eingerichtliches Verfahren .
Die Überwachung des Finanzmarkts – dazu gehörenauch all diese Fragen – ist ohnehin Aufgabe der BaFin .Die Verbesserung der Transparenz von Kontogebüh-ren und die Vergleichbarkeit verschiedener Angebo-te sind weitere wichtige Punkte . Der Wettbewerb führtdazu, Angebote möglichst in einer Form auszugestalten,bei der es Verbraucherinnen und Verbrauchern schwer-fällt, die Konditionen wirklich zu vergleichen . Deswegenist eine Situation entstanden, die es notwendig macht,Verbraucherinnen und Verbrauchern wieder den Über-blick darüber zu geben, was sie für ihr Geld bekommen .Wir wollen nicht nur, dass die Sollzinssätze und ange-fallenen Zinsen für geduldete Kontoüberziehungen undanderes sichtbar auf den Websites der Anbieter vorgehal-ten werden müssen, sondern es wird, um diese Informa-tionen vergleichbar zu halten, auch ein standardisiertesPräsentationsformat und eine einheitliche Terminologiegeben . Auch das halte ich für eine Blaupause, wie man insolchen Fragen vorgehen kann, um die Vergleichbarkeitsicherzustellen .Parl. Staatssekretär Ulrich Kelber
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Wir wollen außerdem, dass Vergleichswebsites esVerbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, dasfür sie beste Angebot auszuwählen . Wir wollen, dassdiese Vergleichswebsites weiterhin eine wichtige Rollespielen . Um das Verbrauchervertrauen zu schützen, sol-len Web sites, die gesetzlich geregelte Qualitätsstandardseinhalten, mit einem Zertifizierungssymbol ausgestattetwerden, damit Verbraucherinnen und Verbraucher wis-sen: Hier wird nicht eventuell dem Interesse eines Finan-zinstituts nachgegangen, sondern hier werden objektivdie in dem einheitlichen Format dargestellten Entgelteverglichen . Auch das halte ich für ein Novum, für einebessere Form der Rechtsdurchsetzung und vielleichtauch für eine Blaupause für andere verbraucherpolitischeAufgaben .
Der Gesetzentwurf enthält auch Regelungen zur Kon-tenwechselhilfe . Wir haben in den letzten Jahren erlebt,dass Wettbewerb dann mit besseren Angeboten für Ver-braucherinnen und Verbraucher in Gang kommt, wennes möglich ist, mit einem überschaubaren Aufwand undgeringer Gefahr von Fehlern Angebote zu wechseln . Ichglaube, dass man durchaus sagen kann, dass in den Be-reichen Telekommunikation und Energie dadurch deut-liche Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Ver-braucher entstanden sind .Wir haben in der Tat erleben müssen, dass selbst über-zogene Zinsen für Dispokredite und andere schlechteKonditionen nur wenige Verbraucherinnen und Verbrau-cher dazu gebracht haben, ihre Zahlungskonten zu wech-seln, weil die Vielzahl von Lastschriften, Daueraufträgenund Personen, denen man eine neue Kontoverbindungmitteilen muss, viele davon abgehalten hat . Das hat oftgenug dazu geführt, dass wir in diesem Hause diskutierthaben, eventuell gesetzliche Regelungen bis ins Detail –mit Obergrenzen oder Ähnlichem – aufzunehmen, umschlechte Angebote vom Markt zu fegen, was wir in an-deren Bereichen dem Wettbewerb überlassen haben .Wenn wir jetzt eine Kontenwechselhilfe ermögli-chen – und das tun wir mit dem Gesetzentwurf; wirerleichtern den Wechsel von Anbietern für Verbrauche-rinnen und Verbraucher –, dann sorgen wir dafür, dasses auch im Bereich der Konten zu einem Wettbewerbkommt, und zwar nicht nur um die besten Kunden – da-für ist das Instrument zu breit angelegt –, und dass esVerbraucherinnen und Verbrauchern in Zukunft möglichist, zu günstigeren oder für ihre Ziele besseren Anbieternzu wechseln . Auch dieser Teil ist ein gutes Ergebnis desGesetzentwurfs .
Meine Damen und Herren, der Zugang zu Zahlungs-konten ist die unverzichtbare Voraussetzung für dieTeilnahme am modernen gesellschaftlichen Leben . Wirwollen das mit dem Gesetzentwurf auch den Verbrauche-rinnen- und Verbrauchergruppen, die bisher davon aus-geschlossen waren, ermöglichen . Wir wollen undurch-schaubaren Entgeltgestaltungen durch mehr Transparenzein Ende bereiten und den Wechsel ermöglichen . Ich bit-te Sie um Unterstützung dieses Gesetzentwurfs für dieseZiele .Vielen Dank .
Nicole Maisch ist die nächste Rednerin für die Frakti-
on Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein guterTag für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesemLand – das sind schöne Worte von der Union . Wenn ichmich an die Debatten in den vergangenen Jahren erinne-re, dann müssten heute von Ihnen sinngemäß eher fol-gende Worte kommen: Die DDR ist zurück . Der Sozia-lismus ist ausgebrochen . Wir alle sind jetzt Mitglied derLinkspartei . – Das war der Diskussionsduktus des Kolle-gen Brinkhaus, des Kollegen Meister und vieler andererin der Union, wenn wir in den vergangenen Jahren immerwieder gemeinsam mit den Kollegen von der Oppositionein Girokonto für alle beantragt haben .
Aber Menschen sind lernfähig. Das finden wir wunder-bar .Das ist vor allem wunderbar für die rund 1 MillionMenschen – so viele scheinen es mittlerweile zu sein –,die bislang vom normalen Wirtschaftsleben in Deutsch-land ausgeschlossen sind . Um so etwas Exotisches wieOnlineshopping oder Bestellungen bei Ebay geht es garnicht, sondern um Telefonanschluss, Mietvertrag undArbeitsvertrag . Das alles ist heutzutage ohne ein Kontokaum noch möglich . Das soll sich nun ändern . Das istgut so .
Peinlich ist, dass auch diese Bundesregierung wiedervon Brüssel zum Jagen getragen werden musste . Drei Le-gislaturperioden – so weit reicht zumindest meine politi-sche Erinnerung in diesem Haus – haben wir diskutiert .Stets haben Sie alles abgelehnt . Auch die SPD, die denheutigen Tag so besonders feiert, hat sich unter Führungihres Finanzministers Peer Steinbrück gegen ein Giro-konto für alle mit Händen und Füßen gewehrt; das gehörtzur Wahrheit dazu . Aber nun kommt es, und man darf dieUmsetzung nicht vermasseln .Es gibt viele Punkte in dem vorliegenden Gesetzent-wurf, die wir begrüßen . Brüssel schreibt auch vieles sehreng vor . Aber zwei Punkte kritisieren wir . Da ist noch – soglauben wir – Luft nach oben . Der erste Punkt betrifft dieKosten . Wir glauben nicht, dass ein solches Konto kos-tenlos sein muss . Auch wer arm ist in diesem Land, demwird selten etwas geschenkt; das ist nun einmal so . Aberwir halten die Begriffe „angemessen“ und „marktüb-lich“, die Sie gewählt haben, für zu unkonkret . Sie eröff-Parl. Staatssekretär Ulrich Kelber
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nen den Banken damit Spielräume, sich die unliebsameKundschaft durch saftige Kontoführungsgebühren vomHals zu halten . Diese Befürchtung können wir historischgut begründen . 2010 haben wir das Pfändungsschutzkon-to, das sogenannte P-Konto, gesetzlich eingeführt . VieleKreditinstitute – auch Sparkassen – haben darauf reagiertund versucht, sich die unliebsame Kundschaft mit dras-tisch erhöhten Kontogebühren vom Hals zu halten . vzbvund die Verbraucherzentralen in den Ländern haben vieleKreditinstitute abgemahnt und die meisten Rechtsstrei-tigkeiten gewonnen . Das zeigt: Man muss genau aufpas-sen, dass diese Kundschaft nicht durch erhöhte Gebührenverdrängt wird .
Das gilt auch für das von den Sparkassen freiwilligeingeführte Bürgerkonto bzw . Guthabenkonto, das imGrunde genommen so eine Art Girokonto für alle ist .Die Berliner Sparkasse zum Beispiel hat ihre Gebührenvon 3,90 auf 8 Euro erhöht . Man versucht also, über dieGebühren etwas zu schaffen, was das Gesetz eigentlichverbietet . Ich glaube, dass wir hier nicht auf den Marktsetzen können; denn ein funktionierender Wettbewerbsetzt voraus, dass der Anbieter den Kunden auch möch-te . Wenn es aber um eine Kundengruppe geht, gegendie man sich mit Händen und Füßen wehrt, um sie vomBankschalter fernzuhalten, dann kann es keinen Wettbe-werb geben . Wettbewerb funktioniert nur in Bezug aufeine Kundengruppe, die man auch möchte .
Der zweite Punkt betrifft die Transparenz von Ver-gleichswebsites; Herr Kelber hat schon etwas dazu ge-sagt. Eine staatliche Zertifizierung ist sicherlich gut. Aberdann müssen wir uns Gedanken über die Kriterien fürdiese Zertifizierung machen. Was sagt mir als Kunde einentsprechendes staatliches Siegel? Nach unserer Auffas-sung gehört zu einer vernünftig zertifizierten Vergleichs-website, dass alle Provisionen, die zwischen Bank oderSparkasse und einer Vergleichswebsite fließen, zwingendoffengelegt werden . Sonst steht man als Verbraucher wieder Ochs vorm Berg und weiß nicht, wie hinter den Ku-lissen die Geldströme fließen. Sonst ist auch der Zugangzu Banken und Sparkassen nicht diskriminierungsfrei .Deshalb fordern wir die Pflicht zur Offenlegung von Pro-visionen für alle Vergleichswebsites .
Die Regierung hat uns als Antwort auf eine KleineAnfrage zu anderen Vergleichswebsites mitgeteilt, dasssie darauf setzt, dass die Verbraucher die Portale selbstfragen, welche Provisionen in welcher Höhe von wem anwen fließen. Das halten wir – mit Verlaub – für lebens-fremd und das Gegenteil von Verbraucherschutz . Wennich als Verbraucher ins Netz gehe, um mich schnell zuinformieren, dann möchte ich nicht an irgendwelcheStellen einen Brief schreiben nach dem Motto: Bitte teiltmir mit, wie viel Provisionen ihr von welcher Sparkasseoder welcher Bank erhalten habt . – Das ist lebensfremdund das Gegenteil von Verbraucherschutz .
Wir sind heute noch nicht am Ende der Debatte . Ichfreue mich sehr auf konstruktive Beratungen . Es handeltsich um eine gute europäische Regelung, die nun in deut-sches Recht umgesetzt werden soll . Diese Umsetzungkann in einigen Punkten noch besser werden .Vielen Dank .
Das Wort erhält nun der Kollege Matthias Hauer für
die CDU/CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurfeines Zahlungskontengesetzes . Damit setzen wir dieEU-Zahlungskontenrichtlinie in deutsches Recht um underfüllen gleichzeitig wichtige Zusagen aus dem Koaliti-onsvertrag . Was wird sich durch das Gesetz ändern?Erstens . Wir sorgen dafür, dass jeder Verbraucher inDeutschland Zugang zu einem Zahlungskonto mit grund-legenden Funktionen erhält . Jeder, der sich rechtmäßig inder Europäischen Union aufhält, kann dann ein solchesBasiskonto eröffnen .Zweitens . Wir sorgen für mehr Vergleichbarkeit undTransparenz bei den Kontoentgelten . Jeder Verbraucherwird sich künftig auf dafür zertifizierten Internetseitenschnell und einfach über Entgelte der Banken und Spar-kassen informieren können, die für ihn infrage kommen .Drittens . Wir sorgen dafür, dass Verbraucher ihr Giro-konto einfacher wechseln können . Der Kontoumzug zueiner anderen Bank wird künftig mit weniger Aufwandfür den einzelnen Bankkunden verbunden sein . Er um-fasst auch die bestehenden Überweisungen, Daueraufträ-ge und Lastschriften .Bislang sind die Vorschriften über Zahlungskonteninnerhalb der EU sehr unterschiedlich und nicht durch-gängig an einem hohen Verbraucherschutzstandard ori-entiert . Die Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie istnun ein weiterer Schritt zur Harmonisierung der Rege-lungen innerhalb des europäischen Binnenmarktes .Nun zum Basiskonto . Ein Girokonto ist heutzutageGrundvoraussetzung für die Teilnahme am gesellschaft-lichen und wirtschaftlichen Leben . Schätzungen gehendavon aus – wir haben es gerade schon gehört –, dassallein in Deutschland etwa 1 Million Menschen nichtüber ein solches Konto verfügen können . Diesen Zustandwollen wir nicht hinnehmen .Wir möchten, dass gerade Obdachlosen und andereneinkommensschwachen Menschen nicht länger der Zu-gang zu einem Basiskonto verwehrt wird . Gleiches giltauch für Asylsuchende sowie für Personen ohne Aufent-haltstitel, die nicht abgeschoben werden können . Der An-spruch auf das Basiskonto steht jedem zu, der sich recht-Nicole Maisch
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mäßig in der Europäischen Union aufhält . Wir als Unionwerden in besonderem Maße darauf achten, dass bei denparlamentarischen Beratungen keine Abstriche bei denThemen Geldwäsche und Bekämpfung der Terrorismus-finanzierung gemacht werden.Das vorgesehene Recht auf Zugang zu einem solchenBasiskonto geht weit über die bisherigen Maßnahmen hi-naus . In Deutschland haben sich Sparkassen sowie öf-fentliche, private und genossenschaftliche Banken 1995die Selbstverpflichtung auferlegt, für jeden Bürger aufWunsch ein Girokonto zu eröffnen . Lediglich in eini-gen Bundesländern besteht darüber hinaus mit gewissenEinschränkungen eine Verpflichtung für Sparkassen, einGirokonto anzubieten . Zudem haben sich die Sparkassenim Jahr 2012 selbst dazu verpflichtet, jeder Privatpersonin ihrem Geschäftsgebiet ein Guthabenkonto, das soge-nannte Bürgerkonto, einzurichten .Der Gesetzentwurf geht auch inhaltlich weit über diebisherigen Regelungen hinaus, vor allem hinsichtlich desKreises der berechtigten Verbraucher, des Mindestum-fangs der zu nutzenden Zahlungsdienste und bei weiterenverbraucherschützenden Regelungen .In der Vergangenheit haben gerade die Sparkassen ei-nen großen Teil dazu beigetragen, Menschen ohne gere-geltes Einkommen den Zugang zu einem Girokonto zuverschaffen . Für dieses Engagement gilt es insbesondereden Sparkassen zu danken .
Der Versorgungsgrad mit Girokonten ist in Deutsch-land zwar höher als in den meisten anderen EU-Staaten,dennoch besteht Handlungsbedarf . Noch immer habenauch in Deutschland zu viele Menschen keinen Zugangzu einem Konto . Diesen Zustand möchten wir ändern .Bargeld spielt gerade in Deutschland, im Gegensatz zuvielen anderen europäischen Ländern, im tagtäglichenLeben eine sehr wichtige Rolle . Dennoch braucht derzeitjeder ein Girokonto, um am gesellschaftlichen und wirt-schaftlichen Leben partizipieren zu können .Wer heutzutage ein Arbeitsverhältnis aufnehmen, eineWohnung mieten, einen Vertrag mit einem Strom- oderHandyanbieter schließen oder nur über das Internet ein-kaufen möchte, der steht ohne ein Girokonto vor großen,teils unüberbrückbaren Hindernissen . Hinzu kommt,dass hohe Entgelte anfallen, wenn jemand nicht über einGirokonto verfügt .
Herr Kollege Hauer, darf die Kollegin Maisch eine
Zwischenfrage stellen?
Sehr gerne .
Herr Kollege Hauer, vielen Dank, dass ich diese Frage
stellen kann . – Sie haben gerade sehr eindrücklich erklärt,
warum ein Girokonto in Deutschland Voraussetzung für
die Teilhabe am politischen Leben ist . Wie erklären Sie
sich dann den Zwischenruf Ihres stellvertretenden Frak-
tionsvorsitzenden Brinkhaus, der – ich glaube, das kann
man so sagen – einer der profiliertesten Finanzpolitiker
der Union ist und der sagte: „Ich bleibe dabei: Das ist der
größtmögliche Blödsinn“?
Frau Kollegin Maisch, das Lob an den Kollegen Brinkhaus teile ich voll und ganz . Dennoch geben Sieseine Äußerung hier falsch wieder . Schauen Sie sich ein-mal an, was die Union bereits vor Jahren, beispielsweise2012, gemeinsam mit der FDP beantragt hat, übrigensbevor diese Richtlinie erlassen worden ist: „Rechtssi-cherheit beim Zugang zu einem Basiskonto schaffen“ .Bereits in diesem Antrag sind die Punkte, die wir auchheute behandeln, festgeschrieben . Insofern sollten Siegenau darauf achten, was der Kollege Brinkhaus dazwi-schenruft . Das kann erhellend wirken .
Ich war bei den Entgelten stehen geblieben . Barein-zahlungen und Barüberweisungen sind bei den meistenKreditinstituten mit hohen Kosten verbunden . Wer, viel-leicht weil er obdachlos ist, über kein Girokonto verfügt,der muss derzeit noch hohe Entgelte leisten . Auch daswollen wir mit der Einführung des Zugangs zu einem Ba-siskonto ändern .Um die Teilnahme am gesellschaftlichen und wirt-schaftlichen Leben in Deutschland zu ermöglichen,soll das Basiskonto alle wesentlichen Funktionen desmodernen Zahlungsverkehrs umfassen . Dazu gehörenBareinzahlungen, Barauszahlungen, Überweisungen,Lastschriften und Kartenzahlungen . Von diesem Gesetzprofitieren aber nicht nur diejenigen, die bislang keinenZugang zu einem Girokonto haben, sondern alle Bank-kundinnen und Bankkunden . Die Vergleichbarkeit undTransparenz von Kontoentgelten werden erhöht, undder Girokontowechsel zu einer anderen Bank wird ver-einfacht . Wir versetzen Verbraucher damit in die Lage,EU-weit das am besten für sie geeignete Girokonto aus-zuwählen . Zahlungsdienstleister müssen Verbrauchersowohl vor Vertragsabschluss als auch während der Ver-tragslaufzeit über die Entgelte informieren, die für dasGirokonto anfallen . Die Entgeltinformation muss so ge-staltet sein, dass sie klar und leicht verständlich ist .Wir sorgen dazu dafür, dass Verbraucher auf zertifi-zierten Internetseiten kostenlos und transparent Bankent-gelte vergleichen können . Dadurch kann der Verbrauchersachgerecht beurteilen, bei welchem Institut er ein Gi-rokonto beantragen möchte . Auf diesen Vergleichsweb-sites muss der Vergleich mindestens anhand der gesetz-lich bestimmten Kriterien erfolgen: Das sind Entgelte,Filialnetz, Geldautomatennetz und Sollzinssatz für ein-geräumte Überziehungsmöglichkeiten . Darüber hinausgibt es weitere gesetzliche Bestimmungen für diese In-ternetseiten: Sie müssen zum Beispiel unabhängig be-Matthias Hauer
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trieben werden, eine leicht verständliche und eindeutigeSprache verwenden sowie korrekte und aktuell gehalteneInformationen bereitstellen . Damit auch ein länderüber-greifender Vergleich von Angeboten gelingen kann, wirdEU-weit eine standardisierte Bezeichnung für die mitdem Girokonto verbundenen wesentlichen Dienste ein-geführt .Zudem wollen wir den Wechsel eines Girokontos weit-gehend von Bürokratie befreien und ein klares, schnellesund sicheres Verfahren dafür bieten . In Zukunft müssendie Banken und Sparkassen einem Verbraucher Konten-wechselhilfe anbieten, wenn er mit einem Girokonto zueinem anderen Institut umziehen möchte . Wir sorgen mitdem einfachen Kontenwechsel dafür, dass der einzelneVerbraucher flexibler die auf ihn zugeschnittenen Ange-bote auf dem Markt nutzen kann . Der Kontowechsel wirdeinfacherer möglich sein, weil Informationen, wie zumBeispiel über Daueraufträge und Lastschriften, unbüro-kratisch übermittelt werden . Das gilt nicht nur für deninnerstaatlichen, sondern auch für den grenzüberschrei-tenden Kontenwechsel . Dabei wird das Entgelt begrenzt,das durch den Kontenwechsel anfällt . Es muss angemes-sen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienst-leisters ausgerichtet sein .Abschließend ist festzustellen: Rechtsanspruch aufein Basiskonto, mehr Vergleichbarkeit und Transparenzbei den Kontoentgelten und einfacherer Wechsel des Gi-rokontos – mit dem Zahlungskontengesetz stärken wirdie Rechte aller Verbraucherinnen und Verbraucher .Vielen Dank .
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin
Karawanskij das Wort .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Liebe Gäste! Die Gesetzesvorlagen der Bun-desregierung können wir als Opposition nur sehr sel-ten loben . Es gibt aber im wahrsten Sinne des Wortesmanchmal löbliche Ausnahmen . Mit dem Gesetz, dessenEntwurf vorliegt, soll nun der unbeschränkte Zugang zuZahlungskonten geschaffen werden, wodurch erstmalseine wirksame Rechtsdurchsetzung für Verbraucherinnenund Verbraucher ermöglicht wird . Dieser Anspruch aufAbschluss eines Basiskontovertrages auf Guthabenbasisist sicherlich ein Quantensprung im Bereich des finanzi-ellen Verbraucherschutzes. Wir finden es richtig gut, dassdieses Gesetz jetzt auf den Weg gebracht wird .Doch bevor die Bundesregierung zu selbstgefälligwird, möchte ich noch einmal auf etwas verweisen – dashat auch meine Kollegin Caren Lay schon getan –: Esgab jahrelang nur freiwillige Selbstverpflichtungen. Siehaben 20 Jahre lang auf Sand gebaut . Erst als die EU die-se Richtlinie beschlossen hat, mussten Sie handeln; Siemussten tatsächlich zum Jagen getragen werden .Wir haben als Linke in den Kommunalparlamenten,aber auch in den Landesparlamenten und hier im Bun-destag durchgängig für das Basiskonto gestritten . Michwürde es freuen, wenn Sie in anderen Bereichen desfinanziellen Verbraucherschutzes aus eigener Überzeu-gung heraus proaktiv die Rechte der Verbraucherinnenund Verbraucher im Finanzbereich stärken würden .
Ich möchte im Folgenden auf Nachbesserungen ein-gehen, die in diesem Gesetzentwurf dringend notwendigsind:Wir fordern als Linke, dass das Basiskonto kostenlosist . Der Gesetzentwurf enthält zwei unbestimmte Rechts-begriffe, durch die den Instituten unseres Erachtens zuviele Spielräume bei der Festlegung von Entgelten ein-geräumt werden . Bitte konkretisieren Sie sowohl denBegriff „marktüblich“ als auch den Begriff „angemesse-nes Entgelt“ . Sie sind hoffentlich nicht so blauäugig underwarten, dass diese Begriffe zugunsten der Verbrauche-rinnen und Verbraucher ausgelegt werden; denn es gibtbislang gar keinen Markt für Konten speziell für finanz-schwache Verbraucher . Verbraucher wie Überschuldete,Obdachlose oder Flüchtlinge – wir haben es in der De-batte bereits gehört – müssen ein Basiskonto bezahlenkönnen . Seien wir mal ehrlich: Es wird am besten unddauerhaft gelingen, wenn so ein Konto kostenlos ist . Nurso kann die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger ambargeldlosen Zahlungsverkehr ermöglicht werden .
Man überliest schnell, dass ein Basiskonto dem Ver-braucher innerhalb von zehn Tagen angeboten werdenmuss; ich betone: angeboten . Dies bleibt allerdings hin-ter der EU-Richtlinie zurück . Wir fordern als Linke, dassdas Konto innerhalb von zehn Tagen eingerichtet underöffnet werden muss . Sie sollten sich an die umzuset-zende Richtlinie halten und nicht dagegen verstoßen . Soeine klare und einheitliche Eröffnungsfrist ist notwendig,damit die Kontoeröffnung tatsächlich zeitnah stattfindet,damit Banken den eigentlichen Anspruch auf Einhaltungder Zehntagesfrist nicht konterkarieren können in derHoffnung, dass die nicht ganz so finanzkräftigen, viel-leicht zum Teil auch unliebsamen Kundinnen und Kun-den der letzten Jahre ihr Glück bei einem anderen Institutsuchen .
Es fehlt auch eine Harmonisierung mit den Vorschrif-ten zum Pfändungsschutzkonto . Wenn ein Basiskonto er-öffnet wird, kann nicht gleichzeitig ein Pfändungsschutz-konto eröffnet werden . Das geht immer nur in einemseparaten zweiten Schritt . Der Wechsel des Basiskonto-anbieters ist zwar von nun an einfacher möglich – daswurde hier auch schon betont; es reicht die Vorlage derKündigung des bisherigen Kontos –; aber problematischbleibt der Wechsel für die Inhaber eines Pfändungsschutz-kontos, eines P-Kontos . Oft werden P-Konten – man darfnur ein solches Konto führen – nicht zeitnah geschlossen .Bis zur Kontoschließung steht dieses P-Konto in den Da-ten der Schufa . Wenn das alte P-Konto gekündigt wird,erhalten die Kundinnen und Kunden zwar ein Basiskon-Matthias Hauer
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to; das verfügt dann aber nicht über den notwendigenPfändungsschutz, weil bei der Schufa noch der Eintragdes alten P-Kontos besteht . Hier ist eine Ankopplung desP-Kontos an das Basiskonto nur dann sinnvoll, wenn beiKündigung des P-Kontos diese Kontofunktion innerhalbweniger Tage aufgehoben und dieser Eintrag bei derSchufa auch tatsächlich gelöscht wird . Wir fordern, dassmit diesem Gesetz beim Kontowechsel eine ununterbro-chene P-Konto-Verbindung sichergestellt werden muss .
Ich habe einige Punkte aufgeführt, bei denen Sie bit-te schön nicht hinter die Richtlinie der EU zurückfallensollten . Es ist ein Quantensprung im Bereich des Zah-lungsverkehrs; nichtsdestotrotz bleiben viele Lücken imfinanziellen Verbraucherschutz. Ich möchte hier nocheinmal betonen: Lebensversicherte werden weiter ge-schröpft . Kleinanleger können immer noch in hochris-kante und unseriöse Anlageprodukte gelockt werden .Ich nenne Fragen der Deckelung der Dispozinsen oderauch der verbrauchergerechten Finanzberatung; hier ver-weise ich auf die noch weitverbreiteten Provisionen derVermittler, die allzu leicht nur an ihren eigenen Vorteildenken .Ich würde mich freuen, wenn Sie diesen Gesetzent-wurf und die moderate Kritik, die wir in dieser Diskus-sion üben, als Ansporn nähmen, in diesen Bereichen desfinanziellen Verbraucherschutzes auch ein bisschen pro-aktiver voranzuschreiten .Vielen Dank .
Sarah Ryglewski ist die nächste Rednerin für die
SPD-Fraktion .
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Loriot hateinmal gesagt:Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos .
In Bezug auf das Girokonto ist es genau umgekehrt .Ein Leben ohne Konto hat sicherlich trotzdem einenSinn, ist heutzutage aber fast unmöglich . Denn wie siehtein Leben ohne Girokonto heute aus?Stellen wir uns einmal vor, wie unser potenziellerArbeitgeber reagieren würde, wenn wir ihm nach einembis dahin möglicherweise sehr positiv verlaufenen Vor-stellungsgespräch mitteilten, dass er uns unser Gehalt ineiner Lohntüte überreichen soll, oder die Reaktion desVermieters, dem wir sagen, dass wir ihn jeden Monat per-sönlich besuchen werden, um die Miete vorbeizubringen .Möglicherweise hat man einen sehr sympathischenArbeitgeber oder einen netten Vermieter, und das lässtsich alles regeln . Trotzdem ist es eine höchst beschämen-de Situation für den Betroffenen oder die Betroffene .
Auch bei weiteren regelmäßigen finanziellen Ver-pflichtungen wird es sehr schwierig – sei es die Strom-oder Handyrechnung oder auch die Krankenversiche-rung . Möglicherweise lassen sich immer individuelleLösungen finden. Das Ganze ist aber mit einem sehr ho-hen Aufwand, sowohl organisatorisch als auch finanziell,verbunden . So sind die Gebühren für Bareinzahlungenso hoch, dass sie unter Umständen sogar den einzuzah-lenden Betrag übersteigen, und zum Telefonieren bleibennur die teuren Prepaidtarife .Ein Leben ohne Konto ist also nicht nur fast unmög-lich, sondern auch noch sehr, sehr teuer und beschneidetdie Möglichkeiten von Menschen, die in der Regel oh-nehin mit sehr wenig Geld auskommen müssen, weiter .Diese Situation ist leider keine Seltenheit . Wir habenin dieser Debatte schon oft gehört, dass bis zu 1 MillionMenschen betroffen sind . Diese Zahl höre ich allerdingsschon seit Jahren . Angesichts der steigenden Flücht-lingszahlen können wir davon ausgehen, dass sie in denletzten Monaten deutlich gestiegen ist . Die Gründe dafürsind vielfältig: negative Schufa, Überschuldung, fehlen-de Ausweisdokumente oder schlicht die falsche Staats-bürgerschaft .Vor dieser Situation stehen wir trotz der seit mehr als20 Jahren bestehenden Selbstverpflichtung der Kredit-wirtschaft . Diese sollte – daran möchte ich erinnern –gerade für diesen Personenkreis sicherstellen, dass erendlich ein Konto bekommt. Diese Selbstverpflichtunghat nicht funktioniert . Das können wir so feststellen .Ich möchte auch noch einmal daran erinnern, dass dieKreditwirtschaft nur bedingt freiwillig zu dieser Selbst-verpflichtung gekommen ist; denn schon 1995 war derHandlungsdruck so groß, dass die damalige Bundesre-gierung über ein entsprechendes Gesetz nachgedacht hat .Dieses Gesetz konnte die Kreditwirtschaft nur dadurchabwenden, dass sie die Selbstverpflichtung eingegangenist .Umso bedauerlicher ist es, dass es erst einer EU-Richt-linie bedurfte, damit wir hier in Deutschland endlich zueiner gesetzlichen Regelung kommen .
Wir hätten das schon früher haben können .Meine Partei war da auch relativ klar . Ich erinneremich noch gut an Debatten, die ich in der BremischenBürgerschaft geführt habe . Dort wurde mir von meinemCDU-Kollegen vorgeworfen, ich würde vom Pult aus so-zialistisches Gewäsch verbreiten .
Susanna Karawanskij
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– Ich will jetzt nicht die Kolleginnen und Kollegen hierim Bundestag für Äußerungen ihrer Kollegen in einemLandesparlament verantwortlich machen,
aber das war der Tenor .Heute sind wir hier glücklicherweise im Jahr 2016 .Deswegen sollten wir nach vorne schauen und dafür sor-gen, dass das, was lange währt, am Ende auch endlichgut wird .
Deswegen möchte ich mich bei den beteiligten Bundes-ministerien ganz herzlich für den guten Gesetzentwurfbedanken . Wir schaffen damit endlich die Grundlage,dass jeder in Deutschland ein Konto eröffnen und amwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhabenkann .Damit das Basiskonto ein voller Erfolg wird, bedarf esjedoch eines klaren Rahmens . Darauf haben meine Vor-rednerinnen und Vorredner bereits hingewiesen .Neben der Frage, wie teuer das Konto sein darf, ist mirdabei insbesondere wichtig, dass wir darüber reden, wel-che Funktionen das Konto hat und aus welchen Gründendie Eröffnung eines Basiskontos abgelehnt werden darf .Hier mahnen die Erfahrungen mit dem Pfändungsschutz-konto . Die Versuchung ist für Banken doch sehr groß, dieFunktionen des Kontos so zu gestalten, dass das Kontosehr unattraktiv wird für die unbeliebte Kundschaft . Sogibt es ein Girokonto ohne Onlinebanking, bei dem derVerbraucher darauf angewiesen ist, statt von zu HauseÜberweisungen zu tätigen, persönlich zur Bank zu gehenund dort für jede Überweisung auch noch eine hohe Ge-bühr zu bezahlen . Ich glaube, dass das neben der Frageder Höhe der Kontoführungsgebühren, bei der wir auchnoch etwas präziser werden können, die zweite großeGefahr ist; denn wir wollen ja schließlich, dass möglichstviele Menschen vom neuen Basiskonto profitieren.
Hinsichtlich der Gründe, aus denen ein Konto verwei-gert werden darf, ist der Gesetzentwurf schon sehr präzi-se . Insbesondere ist es sehr gut, dass wir einen abschlie-ßenden Katalog von Ablehnungsgründen haben . Da gibtes also kein Drumherumgemogel. Besonders gut findeich, dass auch die Antragstellung dokumentiert werdensoll und dass wir eine Frist zur Eröffnung haben, sodasses da eigentlich keine Ausreden geben sollte .
Doch auch hier gibt es leider negative Erfahrungen mitdem Pfändungsschutzkonto, mit der Selbstverpflichtungder Banken und leider auch mit den Sparkassen . Oft istes nämlich so, dass es gar nicht zu einer dokumentiertenAntragsstellung kommt, sondern Kundinnen und Kundenunter Umständen schon am Schalter abgewiesen werden,wenn sie nach einem solchen Konto fragen . Das ist natür-lich ein Sachverhalt, der dann später schwer zu klären istund bei dem es mit der Nachweispflicht schwierig wird.Hierauf müssen wir auf jeden Fall ein Auge haben . Hiersollten wir uns auch sensibel bei den Verbraucherzen-tralen und den Schuldnerberatungen umhören, damit dasnicht durch die Hintertür zum Regelfall wird .
Wir als SPD-Fraktion wollen also ein Basiskontoohne Schlupflöcher und ohne Ausweichmöglichkeitenverabschieden, damit am Ende des Gesetzgebungspro-zesses das Recht auf ein Girokonto keinem Menschenin Deutschland mehr aus rein geschäftlichen Erwägun-gen verweigert werden kann . Doch mit dem Zahlungs-kontengesetz verbessern wir nicht nur die Situation vonbisher Kontolosen . Wir schaffen auch mehr Fairness undTransparenz für alle Bankkunden . Bisher ist es meistsehr schwierig, Angebote von Banken miteinander zuvergleichen . Gebühren werden im Kleingedruckten oderirgendwo in den hintersten Ecken einer Website verstecktund sind schwer zu durchblicken . Wir erinnern uns an dieDiskussion um die Dispozinsen . Bisher war es ja gangund gäbe, dass man die Höhe der Dispozinsen nur in ei-nem kleinen Bilderrahmen aufgehängt in seiner Bankfi-liale finden konnte. Verbraucherinnen und Verbrauchersollen künftig offen und regelmäßig über Kosten undEntgelte informiert werden . Nur wenn ich Entgelte nach-vollziehen kann, kann ich zwischen verschiedenen Kre-ditinstituten vergleichen und beurteilen, welches Kontozu mir passt .
Aber selbst wenn dies gegeben ist, ist es sehr schwie-rig, sich im Dickicht der verschiedenen Gebühren undAngebote zurechtzufinden. Hier versprechen Vergleichs-websites oder Vergleichsportale Abhilfe . Doch diese sindnicht immer verlässlich und nur selten objektiv; dennschließlich ist das Geschäftsmodell der Portale, dass sieüber die Abschlüsse ihr Geld verdienen . Die Verbrau-cherinnen und Verbraucher können sich also nicht sichersein, ob ihnen das günstigste Kontoangebot angezeigtwird oder doch nur das, welches die höchste Provisionfür den Portalbetreiber verspricht . Deshalb brauchen wirhier eine klare Regulierung und eine gute Zertifizierung.
Doch auch die beste Vergleichsplattform nützt nichts,wenn der Kontowechsel weiterhin mit demselben hohenAufwand verbunden ist wie bisher . Wer das einmal ver-sucht und durchgemacht hat, der weiß, dass es leichterist, seinen kompletten Hausstand von einer Wohnung indie nächste zu bringen, als das Konto zu wechseln . Damitkann man gut und gerne ein halbes Jahr beschäftigt sein .
Deswegen begrüßen wir es sehr, dass die Banken nachdem Zahlungskontengesetz ihre Kunden künftig beimWechsel des Kontos unterstützen müssen . Nur so ist eineununterbrochene Kontoverbindung sichergestellt . Nur sogibt es keine Scherereien . Nur so bekommen wir endlicheinen echten Wettbewerb bei den Girokonten für Privat-kunden .Sarah Ryglewski
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Ge-setzentwurf ist gut .
Das wäre eigentlich ein schöner Schlusssatz, Frau
Ryglewski .
Es kommt ein letzter Satz . – Er bedeutet eine echte
Stärkung von Verbraucherrechten am Finanzmarkt . Jetzt
müssen wir an die Details, damit aus einem guten Ge-
setzentwurf ein noch besserer wird .
Vielen Dank .
Das Wort erhält der Kollege Gerhard Schick für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ImMärz 2006 – ich war damals noch relativ frisch im Bun-destag – habe ich hier zum ersten Mal zum Girokontofür jedermann – so sagte man damals noch; die jetzigeBegrifflichkeit „für alle“ ist natürlich die bessere – ge-sprochen . Auch damals schon war es so, dass die Bankenzehn Jahre Zeit hatten, um zu zeigen, dass die Selbstver-pflichtung funktioniert. Auch damals schon war es klarund bewiesen, dass zu viele Menschen in Deutschlandkeinen Zugang zu einem Girokonto erhielten und damitgroße Schwierigkeiten hatten, ihr Geschäftsleben zu ge-stalten, Miete zu zahlen . Sie konnten in Bewerbungsge-sprächen keine Kontonummer angeben etc . Also: DieTeilnahme am gesellschaftlichen Leben war dadurchmassiv erschwert .Auch damals war schon klar, dass das den Staat mehrkostet, weil zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeithöhere Kosten hat, wenn sie alles in Bargeld abwickelnmuss, als dann, wenn die Leute ein Konto haben . Auchdamals gab es schon massenhaft Argumente dafür, einegesetzliche Verpflichtung vorzusehen. Wir haben immernoch zehn Jahre gebraucht, damit jetzt ein solcher Ge-setzentwurf vorliegt . Das ist einfach eine schwache Leis-tung .
Auch wenn der Kollege Hauer gerade versucht hat,die Verantwortung ein wenig zu diffundieren, muss manklar sagen, wo sie lag . Die Ablehnung war im Kern beiCDU, CSU und natürlich auch der FDP begründet . Es istjetzt so, dass es einer europäischen Gesetzgebung bedurfthat . Man muss, wenn Sie sich immer wieder mit Blickauf Europa als Verteidiger der deutschen Kleinsparer ge-rieren, doch deutlich machen: Es ist das Europäische Par-lament, es ist die Europäische Kommission gewesen, dieSie dazu zwingen, endlich einmal für die kleinen Leute inDeutschland etwas zu tun . Es muss doch einmal deutlichgesagt werden, wie hier die Lage ist .
Noch 2011 ist die Hamburger Initiative im Bundesratvon den CDU- bzw . CSU-geführten Ländern abgelehntworden – vor wenigen Jahren! Auf europäischer Ebenehaben Sie sich, damals noch als schwarz-gelbe Bundes-regierung, gegen die Gesetzgebung gewehrt . Geben Siedas mal zu, und sagen Sie, dass Sie über Jahre auf demHolzweg waren und viele Hunderttausend Menschen inDeutschland im Regen stehen lassen haben!
Jetzt kommt es endlich . Das ist gut . Es ist gut, dass eseine klare Frist gibt . Es ist gut, dass es eine klare Listevon Ausschlussgründen gibt . Es ist auch gut, dass wir da-mit Menschen, die jetzt als Flüchtlinge nach Deutschlandkommen, auch in dieser Form integrieren können . Ichfinde es richtig, dass Sie die Bedenken der Banken kri-tisch hinterfragt haben und darauf nicht eingehen, wennsie sagen, es gebe Probleme, etwa mit den USA . Das sindrichtige Punkte .Ich möchte zwei Punkte ansprechen, von denen wirmeinen, dass sie im Gesetzgebungsverfahren besondereBedeutung bekommen sollten . Das eine ist die Kostenfra-ge, die schon angesprochen worden ist . Ich bin der Kolle-gin Ryglewski sehr dankbar, dass sie gesagt hat, dass wirda noch präziser werden sollten . Ich glaube auch – des-wegen habe ich gerade die Zwischenfrage gestellt –, wirkönnen nicht mit einer weichen Formulierung, die nichtdurchgesetzt wird, den Banken freies Spiel lassen, überhohe Gebühren die Leute vom Girokonto abzuhalten .Hier braucht es eine klare Formulierung, und es brauchtdie Sicherheit, dass es wirklich kontrolliert und umge-setzt wird .
Ich will einen zweiten Punkt ansprechen . Für eine dervielen Anhörungen, die wir hatten, haben wir eine Exper-tin aus Frankreich benannt . Frankreich hat schon längereErfahrung mit diesem Thema . Dort gibt es ein gesetzli-ches Recht schon seit 1984 . Man hat in Frankreich dieErfahrung gemacht, dass ein Gesetz, das auf dem Papiersteht, von dem die Leute aber nichts wissen, die ent-scheidende gesellschaftliche Wirkung nicht erzeugt . DieMenschen müssen über Werbung, die entweder der Staatmacht oder die Banken machen, über das Recht auf einGirokonto aufgeklärt werden, damit sie es in der Praxiseinfordern und nicht ausgeschlossen bleiben, weil siemeinen: Ich bekomme doch eh nichts .Ich glaube, dieses Thema sollten wir uns noch ein-mal anschauen – erreicht dieses neue Recht wirklich dieMenschen? –, damit das Ziel, das wir offensichtlich jetztalle teilen, dass möglichst alle Menschen in DeutschlandZugang zu bargeldlosem Zahlungsverkehr haben, wirk-lich in der Praxis verwirklicht wird . Dann können wirin einigen Monaten sehen, dass die Zahl der MenschenSarah Ryglewski
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ohne Girokonto, der Menschen, die abgewimmelt wer-den, massiv sinkt, und können sagen: Das Ziel, das wiralle proklamieren, ist wirklich erreicht und steht nicht nurim Gesetzblatt .Vielen Dank .
Alexander Radwan hat nun das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion .
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Prä-
sident! Es wurde ja schon sehr viel zum Thema gesagt,
zur Richtlinie zu den Bankkonten, die 2013/2014 auf eu-
ropäischer Ebene auf den Weg gebracht wurde und die
wir nun umsetzen . Lassen Sie mich zu Beginn, nachdem
Herr Kollege Dr . Schick sehr ausgiebig auf die europä-
ische Ebene eingegangen ist, ebenfalls einen Verweis
darauf machen . Auf europäischer Ebene wurde dieses
Thema sehr lange diskutiert, und man war der Meinung:
Eine solche Richtlinie ist notwendig, weil der Zugang der
Menschen zu Konten in den Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union schlicht und ergreifend sehr unterschiedlich
geregelt ist, weil auch die Bankenstruktur in Europa sehr
unterschiedlich ist .
Wir in Deutschland haben – zumindest formell be-
trachtet – eine Struktur mit kleinen Regionalbanken;
jede Fraktion nimmt für sich in Anspruch, für die klei-
nen Regionalbanken zu sein . Dann gibt es das britische
Bankensystem . Wir wissen: In Großbritannien, in Irland,
in anderen Staaten war der Zugang der Menschen zu ei-
nem Bankkonto angesichts der dortigen Bankenstruktur
erheblich schlechter gewährleistet . Darum wurde auf eu-
ropäischer Ebene diese Richtlinie auf den Weg gebracht .
Es gibt in Deutschland – Staatssekretär Meister und
Kollege Hauer haben darauf hingewiesen – eine Selbst-
verpflichtung der Banken und Sparkassen. Dank der
Sparkassen gibt es in Deutschland eine erheblich bessere
Versorgung mit Konten für jedermann als in anderen eu-
ropäischen Staaten .
Einen Punkt kann ich mir da nicht verkneifen – es geht
um den Trugschluss europäischer Gesetzgebung –: Wenn
auf europäischer Ebene durch Binnenmarktgesetzge-
bung, Finanzmarktregulierung und Maßnahmen in vielen
anderen Bereichen auf der einen Seite harmonisiert und
damit Kahlschlag betrieben wird, weil systemimmanente
Strukturen nicht berücksichtigt werden – –
– Lassen Sie mich doch bitte erst mal den Gedanken zu
Ende führen . Ich kann Ihnen genügend Beispiele nen-
nen . Sogar die Grünen im Europäischen Parlament teil-
ten damals die Meinung, dass der Verbraucherschutz in
Deutschland durch systemimmanente, kleingewachsene
Strukturen gewährleistet wird . Das sehen wir im Apothe-
kenbereich, das sehen wir im Bereich des Handwerks,
und das sehen wir auch bei den Regionalbanken .
Ich komme zu den Sparkassen . Was ich schon gern
hätte, ist, dass die europäische Ebene nicht die Sparkas-
sen, die bisher diese Leistungen erbracht haben, an den
Pranger stellt, indem sie regelmäßig in dem Bereich re-
guliert . – Da brauchen Sie nicht mit dem Kopf zu schüt-
teln, Frau Maisch .
– Eben!
Sie äußern genau den Gedanken in sehr kurzer Form . In
anderen Bereichen Europas gibt es so etwas nicht .
Die Sparkassen haben es gemacht .
Auf europäischer Ebene wird jetzt wieder eine Har-
monisierung vorgenommen .
Das führt zu einem Kahlschlag auf voller Bandbreite .
Herr Präsident?
Lassen Sie dazu eine Zwischenfrage zu?
Ja .
Bitte schön .
Herr Kollege Radwan, Ihnen ist sicherlich wie mir be-kannt, dass für die Sparkassen Gesetze gelten und diesLandesgesetze sind . Ich möchte Sie, wenn Sie nicht da-rüber informiert sind, darüber in Kenntnis setzen, dassbeispielsweise das Land Berlin ein Sparkassengesetzhat und die Grünen beantragt haben, darin das Konto fürDr. Gerhard Schick
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jedermann aufzunehmen, es aber nicht aufgenommenwurde . Nach meinem Wissen gibt es maximal ein oderzwei Bundesländer, in denen das Konto für jedermannim Sparkassengesetz steht . Es wurde auch von den Spar-kassen massiv bekämpft, dass das Konto für jedermannverankert wird . Deswegen ist das, was Sie gerade gesagthaben, schlichtweg nicht richtig .
Das eine ist die gesetzliche Regelung, Frau Kollegin .
Das andere ist die Selbstverpflichtung zu einem Basisgi-
rokonto, einem Bürgerkonto . Da waren die Sparkassen
nach meinem Kenntnisstand in Deutschland und sogar
in Europa Vorreiter . Oder wollen Sie das infrage stellen?
Ja .
Dann haben wir halt einen Dissens . Die Sparkassenwaren hier beispielhaft .Ich erwähne es deswegen, weil Sie von der Oppositi-on – das ist der Punkt, auf den ich hinaus will – den Ge-setzentwurf zur Einlagensicherung begrüßt haben – ent-schuldigen Sie, dass ich jetzt kurz zur Einlagensicherungkomme –, der gerade diese Struktur der in der Regionverwobenen, verbrauchernahen Institute, die sehr ver-braucherfreundlich ist, gefährdet . Sie begrüßen es, diesenWeg der europäischen Ebene zu gehen, aber wir kriti-sieren das . Wir wollen bestehende bürgernahe Strukturenschützen und aufrechterhalten .
– Nein, das ist für mich ein Thema . Sie gehen den Wegin Richtung eines einheitlichen europäischen Breis . Siebegrüßen das .
Sie wollen eine einheitliche europäische Regulierung,die bewirkt, dass die Großen mit den Kleinen gleichge-setzt werden, wie bei der Einlagensicherung, wie bei derBankenunion . Sie sagen: Wir brauchen einheitliche Re-gelungen, mit denen die Großen mit den Kleinen auf eineEbene gesetzt werden . – Das wollen wir genau nicht .
In diesem Zusammenhang sind drei Bereiche genanntworden . Das Basiskonto wurde erwähnt . Dann ist derWechsel zwischen Banken zu nennen . Das ist ein gutesZiel, ein Ziel, das den Wettbewerb stärkt . Wir werdendarüber diskutieren, inwieweit wir es zukünftig mit ei-nem Systembruch zu tun haben; denn die Digitalisierungschreitet hier voran . Zukünftig wird es nicht um die Fra-ge gehen, ob einer beispielsweise von der Sparkasse zueiner Genossenschaftsbank wechselt . Vielmehr werdenwir verstärkt darüber diskutieren müssen, ob jemand voneiner traditionellen Bank zu einer im digitalen Bereichtätigen Bank wechselt . Es ist sehr wichtig, zu schauen,inwieweit diese Möglichkeit vorhanden ist und inwie-weit ein Systembruch notwendig ist oder nicht .Ich begrüße sehr stark den Vorstoß zum Thema Ent-gelttransparenz . Ich möchte an die Finanzwirtschaft diemit einer Kritik verbundene Bitte richten: Natürlich gibtes unterschiedliche Produkte, die unterschiedliche Be-standteile aufweisen, aber wichtig ist – das ist schon sehrlange Thema –, eine einfache Information zu geben, eineInformation, die Produkte relativ schnell vergleichbarmacht . Wenn man dann immer auf verschiedene Pake-te verweist, kann man natürlich gut in die Irre führen .Die Finanzwirtschaft hat die Chance, entsprechende Vor-schläge zu machen . Bis jetzt habe ich hierzu leider keineVorschläge gesehen .Die Geldwäscherichtlinie und -verordnung wurdenerwähnt . Ich halte den Aspekt, den der Staatssekretär imHinblick auf die Geldwäscheverordnung erwähnt hat, fürrichtig . Trotzdem sollten wir in der weiteren Beratunggerade vor dem Hintergrund der Terrorismusfinanzierungund der in Europa und weltweit aufkommenden höherenSensibilität dazu kommen, dass wir auch andere Rechts-gebiete prüfen . Wir wollen nicht, dass durch ein Gesetzfür einen Bereich in anderen Rechtsbereichen zusätzlicheGefährdungen entstehen . Man muss sich anschauen, in-wieweit eine entsprechende Problematik besteht, Stich-wort: USA, bzw . inwieweit wir Gefährdungen mit gutemGewissen ausschließen können .Ich begrüße es sehr, dass wir die Richtlinie jetzt um-setzen . Sie stammt übrigens aus dem Jahr 2013/2014 .Damals hatten wir nicht die jetzt aktuelle Situation mitden Flüchtlingen . Die BaFin hat aus meiner Sicht völligzu Recht für Erleichterung beim Zugang zu Konten ge-sorgt . Das ist zu begrüßen . Wir müssen das aber geradeunter dem Gesichtspunkt der Umsetzung der Geldwä-scherichtlinie und der Geldwäscheverordnung entspre-chend handhaben .Einen letzten Aspekt kann ich mir nicht verkneifen .Vorhin wurde darüber geredet, dass wir für die neuen Re-gelungen Werbung machen müssen . Viele Redner habenzu Recht betont, wie wichtig ein Konto ist, um am sozi-alen Leben in Deutschland teilhaben zu können . Das be-trifft die Miete, den Arbeitsvertrag und andere Bereiche .Aber wenn der Druck so groß ist – und das ist unter al-len Fraktionen unbestritten –, dann ist, glaube ich, keineWerbung notwendig .Es ist schlicht und ergreifend so, dass mit diesem Ge-setz ein gangbarer Weg gegangen wird . Ihn werden wirjetzt mit den Beratungen eröffnen . Ich denke, wir werdenam Schluss ein gutes Gesetz hinbekommen .Besten Dank .
Lisa Paus
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14781
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Nächster Redner ist der Kollege Jens Zimmermann
für die SPD-Fraktion .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie
mich nach der Rede des Kollegen Radwan noch einmal
klarstellen, was wir eigentlich wollen und warum wir die-
ses Gesetz machen: Wir wollen ein Konto für alle, darum
geht es heute Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen .
Über alle anderen Nebenkriegsschauplätze werden wir
uns noch in anderen Debatten austauschen können .
Es ist angesprochen worden: Ohne Konto steht man
im Alltag vor vielen Problemen, sei es bei der Miete, sei
es im Beruf . Aber ich will auch noch einmal auf einen
Bereich bzw . eine Personengruppe eingehen, die im-
mer größer wird: Das sind die Geflüchteten, die wir in
Deutschland haben . Wir müssen uns doch fragen: Ist es
wirklich sinnvoll, dass sie ganz viele Geschäfte mit Bar-
geld abwickeln müssen? Ist es sinnvoll, dass sie auf Pre-
paidkarten usw . ausweichen müssen? Aus Gesprächen
mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und Land-
rätinnen und Landräten weiß ich, welchen Aufwand das
Hantieren mit großen Bargeldsummen für die Behörden
und Ämter bedeutet . Auch in einer Unterkunft mit nur
100 Leuten machen kleine Beträge am Ende große Sum-
men aus . Ich glaube, es kann nicht in unserem Interesse
sein, dass diese Menschen auch langfristig alles nur bar
abwickeln können .
Als jemand, der sich sehr intensiv mit dem Thema
Geldwäsche beschäftigt, will ich an dieser Stelle eines
ganz klar sagen: Unser Ziel muss es sein, dass möglichst
viele Menschen ihre Geschäfte elektronisch abwickeln,
über regulierte Konten, weil wir dadurch die Möglich-
keit haben, entsprechende Erkenntnisse zu gewinnen und
Ermittlungsansätze für die Strafverfolgungsbehörden zu
finden. Also ist das Konto für alle eben gerade nichts,
was der Geldwäsche Vorschub leistet, sondern ein Instru-
ment zur Geldwäschebekämpfung .
An dieser Stelle will ich auf die Bedenken eingehen,
die von einigen Banken jetzt ins Feld geführt werden .
Über diese Bedenken muss ich mich sehr wundern . Un-
sere deutschen Banken in den USA – die USA sind als
Problemfeld explizit angesprochen worden – haben doch
ein wesentliches Problem: Sie werden in den USA von
einem Prozess zum nächsten gezerrt, weil sie sich nicht
an die dortigen Gesetze gehalten haben. Ich finde es – das
muss ich schon sagen – billig, wenn diese Probleme, die
deutsche Banken mit den Strafermittlungs- und Strafver-
folgungsbehörden in den USA haben, jetzt herangezogen
werden, um zu sagen: Vielleicht bieten wir lieber doch
kein Konto für alle an, weil uns in den USA Ärger drohen
könnte . – Das halte ich für nicht gerechtfertigt .
Wir haben vorgestern im Finanzausschuss auch die-
ses Thema diskutiert. Ich finde es erstaunlich, dass die-
jenigen, die dieses Argument vorbringen, auf die Frage:
„Welche Gesetze stehen dem denn entgegen?“ mit gro-
ßem Schweigen antworten . Das zeigt mir, dass das ein
vorgeschobenes Argument ist, um dieses Konto nicht an-
bieten zu müssen .
Wir als SPD-Fraktion werden in den anstehenden
Verhandlungen und in der Anhörung sehr genau darauf
achten, dass wir uns um die Dinge kümmern, die wirk-
lich wichtig sind: Am Ende sollen alle Menschen Zugang
zu einem Basiskonto erhalten . Diese Manöver zielen nur
darauf, ökonomisch vermeintlich uninteressante Kunden
nicht bedienen zu müssen . Das werden wir verhindern .
Ich will auch eines sagen: Einer der bekanntesten Un-
ternehmensgründer der USA, ein Milliardär, hat syrische
Eltern gehabt: Das war Steve Jobs . Vielleicht sollte sich
die eine oder andere Bank einmal Gedanken darüber ma-
chen, ob nicht der zukünftige Steve Jobs und damit ein
potenter Kunde heute unter diesen vermeintlich ökono-
misch uninteressanten Kunden ist .
Vielen Dank .
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
die Kollegin Mechthild Heil für die CDU/CSU-Fraktion .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Zeiten, in denen man am Ende des Monatssein Gehalt in einer Lohntüte bekommen hat, sind wirk-lich schon lange vorbei . Schon seit 1957 kann man seinGehalt auf ein Girokonto überweisen lassen . Wir habenes heute schon mehrfach gehört: Die Miete, der Strom,aber auch der Vereinsbeitrag und vieles andere mehr wer-den heute nicht mehr bar bezahlt . Ein eigenes Konto undeine eigene Zahlkarte sind heute eine Selbstverständlich-keit . Ich glaube, die jungen Leute auf der Tribüne könnensich das gar nicht anders vorstellen . Dazu kommen natür-lich neue Tendenzen: der wachsende Internethandel, aberauch die Digitalisierung der Verwaltungen . Egal ob SieSteuern zahlen, Steuern nachzahlen, Steuern zurückbe-kommen oder zum Beispiel Hartz IV bekommen, eigent-lich geht alles bargeldlos .Im meinem Landkreis Mayen-Koblenz – immerhinder größte Landkreis in Rheinland-Pfalz – gibt es heutekeinen Hartz-IV-Empfänger mehr, der kein Konto hat . Erist schwarz regiert . Ich sage Ihnen: Wenn man sich einbisschen darum gekümmert hat, war das Konto für alleauch schon in der Vergangenheit möglich .
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Die Tendenz zum bargeldlosen Zahlen ist steigend . Inden Supermärkten und auch an der Tankstelle wird bar-geldlos gezahlt . Ich gehöre zu denjenigen, die das Zahlenmit Bargeld nicht abschaffen wollen . Ich bin nach wievor dafür, dass man Bargeld verwendet, und ich finde,dass es in Deutschland eine gute Entwicklung ist, dassman weiterhin Bargeld benutzt . Aber ich will natürlichnicht, dass manche Verbraucher auf Bargeldgeschäftebeschränkt werden, weil sie kein Konto haben können .Bislang – wir haben das schon erwähnt – haben dieSparkassen diese Lücke geschlossen, wenn auch nichtin allen Bundesländern . Sie haben vollkommen recht:Auch da ist Berlin ein Negativbeispiel; hier haben dieSparkassen ihre Aufgabe nicht übernommen . Die Euro-päische Union sagt, dass 1 Million Menschen bei uns inDeutschland kein Konto haben; wir gehen von 700 000oder 600 000 Menschen aus . Ich will mich über die Zah-len gar nicht streiten . Es sind auf jeden Fall eine MengeMenschen zu viel, die kein eigenes Konto haben . Mancheiner von denen will gar kein Konto; diesen Menschenwollen wir auch kein Konto aufzwingen . Aber das istkein Grund, es denjenigen zu verweigern, die Zugang zueinem Konto benötigen .Deshalb begrüße ich es, dass wir heute in der erstenLesung dieses Zahlungskontengesetz auf den Weg brin-gen . Die Frage ist natürlich: Wer hat jetzt ein Recht, einsolches Basiskonto zu eröffnen? Das ist jeder Verbrau-cher mit einem rechtmäßigen Aufenthalt in der Europäi-schen Union . Das sind erstmals aber auch Personen ohnefesten Wohnsitz . Das sind alle Asylsuchenden sowiePersonen ohne Aufenthaltstitel, die aber aus rechtlichenoder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werdenkönnen .Bereits 1995 haben sich die Banken in Deutschlandselbst zu der Einrichtung eines sogenannten Jeder-mann-Kontos verpflichtet. Das ist 20 Jahre her. EinigeBanken sind dieser Selbstverpflichtung nachgekommen,aber viel zu viele haben sich in diesem Bereich nicht en-gagiert . Auch wenn jetzt in Deutschland verhältnismäßigviele Menschen ein eigenes Konto haben – wir haben dieZahlen gehört –, muss ich ganz ehrlich sagen: Das En-gagement der gesamten Branche hat nicht ausgereicht .Ehrlich gesagt, ich finde es schade, dass gerade eineBranche, die immer mehr und manchmal – auch das sageich – durchaus berechtigt über zunehmende Reglemen-tierung lamentiert, in diesen 20 Jahren keine Kraft hatte,eine solche Selbstverpflichtung umzusetzen.Deshalb bessern wir als Gesetzgeber jetzt nach, undzwar auch – Sie haben recht – mithilfe der EuropäischenUnion . Wir bessern so nach, dass alle Institutsgruppen –dies wurde übrigens schon im Koalitionsvertrag verein-bart – in angemessener Weise beteiligt sind . Das gehtnicht ohne gewisse Eingriffe in die Vertragsfreiheit derBanken . Ein Konto für alle bedeutet dann eben auch füralle und nicht nur für den, den sich die Bank aussucht .Was muss ein Basiskonto alles können? Wir haben esschon gehört: Überweisungen sowie Barein- und -aus-zahlungen müssen möglich sein, man muss Lastschriftentätigen können, und natürlich müssen auch Kartenzah-lungen möglich sein . Die Kosten müssen angemessen,marktüblich und verhältnismäßig sein. Ich finde es rich-tig, dass es nicht kostenlos ist . Die Bedingungen für dasBasiskonto dürfen nicht schlechter sein als die bei ande-ren Zahlungskonten des gleichen Institutes .Ein Basiskonto – das möchte ich an dieser Stelle auchganz klar sagen – ist keinesfalls ein Freifahrtschein zumLeben auf Pump . Denn es besteht lediglich ein Recht aufein Guthabenkonto . Das Recht auf einen Kredit oder aufeinen Disporahmen hat man damit nicht . Es geht alsowirklich nur um die Grundfunktionen eines Kontos . Al-les andere ist freiwillig: Überziehungskredite müssennach wie vor frei zwischen der Bank und dem Kundenausgehandelt werden . Wenn es dann zu Problemen mitdem Kreditinstitut kommt, kann der Kunde sich auf dreiWegen Hilfe suchen:Erstens . Er kann sich an die BaFin wenden . Die Bun-desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kann dannals zuständige Behörde den Anspruch des Verbrauchersauf ein Basiskonto mit den Mitteln eines Verwaltungsak-tes durchsetzen, natürlich nur, wenn auch keine Ableh-nungsgründe vorliegen .Zweitens . Wie immer kann der Verbraucher den or-dentlichen Rechtsweg beschreiten .Drittens . Er kann sich für eine alternative Streitbeile-gung – wir sprechen von Schlichtungsstellen – entschei-den . Die Schlichtungsverfahren, die dann bei der BaFinangesiedelt sind, sind für den Kunden kostenlos .Sie sehen daran, meine Damen und Herren: Wirschreiben nicht einfach nur die Ziele in ein Gesetz hi-nein, nein, wir sorgen auch dafür, dass die Verbraucherihr Recht auch wirklich durchsetzen können .Und ein weiteres Thema packen wir an: Wir erleich-tern den Wechsel zwischen den Kreditinstituten . Bisherwar es wirklich eine große Arbeit und war mit gewis-sen Hürden und Mühen verbunden, die Bank zu wech-seln; der eine oder andere von uns oder von Ihnen wirdes schon einmal gemacht haben . Das soll jetzt leichterwerden . Dass Lastschriften, Auf- und Abbuchungen undDaueraufträge einzeln geändert und übertragen werdenmussten, das ändern wir nun . Künftig wird die übertra-gende Bank verpflichtet, Lastschriften und dergleichenan die empfangende Bank zu melden . Ich gehe wirklichdavon aus, dass wir mit diesem Mittel bald deutlich mehrunzufriedene Kunden dazu bewegen können, von demRecht Gebrauch zu machen und die Bank zu wechseln .Das ist gut so; denn das erhöht noch einmal den Wettbe-werb unter den Banken .Den Wettbewerb zwischen den Banken zugunsten derVerbraucher fördern wir auch beim Thema „Vergleich-barkeit von Zahlungsentgelten“ . Wie kommt – auch daswar vorhin schon die Frage – der Kunde an diese Infor-mationen? Klar, zuerst einmal ist die Bank in der Ver-pflichtung – das haben wir auch schon geregelt –, die In-formationen an den Kunden zu geben . Aber gleichzeitigkönnen Verbraucher auch auf einer zertifizierten Websei-te – zumindest wollen wir das so – diese Informationenin Zukunft abrufen .Insgesamt kann ich sagen: Das wird ein gelungenesGesetz, wenn wir es dann nach der dritten Lesung verab-Mechthild Heil
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schiedet haben . Auch mit diesem Gesetz steht die CDU/CSU für klare Kundeninformation . Wir stehen für mehrWettbewerb zwischen den Kreditinstituten, und wir stär-ken auch hier einmal wieder die Marktmacht der Ver-braucher . Ein guter Schritt in Richtung „Verbraucher aufAugenhöhe“ .Vielen Dank .
Ich schließe die Aussprache .
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfes auf Drucksache 18/7204 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
dazu andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . Dann
ist die Überweisung so beschlossen .
Dann kann ich nun Tagesordnungspunkt 18 aufrufen:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald
Ebner, Steffi Lemke, Nicole Maisch, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Pestizide reduzieren – Mensch und Umwelt
schützen
Drucksache 18/7240
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind auch
für diese Aussprache 77 Minuten vorgesehen . – Das
scheint einvernehmlich zu sein . Also können wir so ver-
fahren .
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Anton Hofreiter für die Antragsteller das Wort .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Glyphosat ist das am häufigsten in Deutsch-land verwendete Ackergift . Allein 5 Millionen Liter desreinen Wirkstoffes werden Jahr für Jahr auf unsere Felderund Äcker ausgebracht . Die WHO, die Weltgesundheits-organisation, hat in ihrer jüngsten Untersuchung Glypho-sat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft . Das istdie zweithöchste Stufe, die die WHO überhaupt kennt .Wenn man weiß, wie vorsichtig, wie konservativ, wiezurückhaltend die WHO bei diesen Einstufungen agiert,dann heißt das: Glyphosat ist nach menschlichem Ermes-sen in Wirklichkeit krebserregend .
Glyphosat findet sich inzwischen in den Körpern vie-ler Menschen, nicht nur derer, die in der Nähe von Äckernwohnen, sondern auch derer, die in den Innenstädten bei-spielsweise von München oder Berlin wohnen . Woranliegt das? Das liegt schlichtweg daran, dass Glyphosatvom Acker in die Lebensmittel und so in unsere Körperkommt . Es ist endlich an der Zeit, dass die Große Koa-lition, dass ihr zuständiger Minister aufhört, diese wis-senschaftlichen Erkenntnisse zu ignorieren . Handeln Sieendlich; denn es ist überfällig!
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sogarnoch schlimmer . Was hat denn die Bundesregierung trotzdieser Erkenntnis getan? Sie hat das Gegenteil von demgetan, was notwendig ist, und hat in Brüssel mit ihrerganzen Lobbykraft darauf hingewirkt, dass die Zulas-sung für Glyphosat noch einmal um volle zehn Jahre ver-längert wird . Das ist angesichts dieser Erkenntnisse mehrals skandalös .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich inBrüssel umhört, dann beschleicht einen der Verdacht,dass das überhaupt nichts mit wissenschaftlicher Er-kenntnis zu tun hat und auch nicht allein mit der Lobby-kraft der Agroindustrie oder der deutschen Bundesregie-rung, sondern dass das schon ein peinlicher Vorgriff aufdie TTIP-Verhandlungen ist; denn in den USA wird Gly-phosat noch umfangreicher verwendet als in Deutsch-land . Glyphosat kommt bei uns – zum Glück – nur zumEinsatz, bevor die Nutzpflanzen keimen; denn es ist einTotalherbizid, das nach der Ernte eingesetzt wird . Aberin den USA gibt es gentechnisch veränderte, herbizidre-sistente Pflanzen. Auch in anderen Ländern wie Brasilienund Argentinien werden in großem Umfang glyphosatre-sistente Pflanzen eingesetzt. Deshalb liegt der Verdachtauf der Hand, dass Sie bereits im Vorfeld der Verhandlun-gen wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren und sichhier entsprechend dem Diktat unterwerfen .
Das Bittere ist, dass der Pestizidverbrauch in Deutsch-land trotz der problematischen Auswirkungen auf Naturund Gesundheit steigt . Wir sind inzwischen bei einemPestizideinsatz von über 100 000 Tonnen pro Jahr . Dassind umgerechnet 270 Tonnen, die täglich auf unsere Fel-der und Äcker gespritzt werden .
Diese Gifte sind nicht nur krebserregend, sondern auchhormonschädigend . Da sie interagieren und sich ihre Ef-fekte addieren und multiplizieren, sind viele der gesund-heitsschädlichen Auswirkungen schwer abzuschätzen;das ist noch nicht erforscht . Sorgen Sie deshalb nach demVorsorgeprinzip endlich dafür, dass diese Gesundheits-schäden ausbleiben, dass diese Schweinereien abgestelltwerden!
Mechthild Heil
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Nehmen wir als Beispiel Äpfel . Äpfel sind ein ei-gentlich hervorragendes und gesundes Obst, das bei unseinheimisch ist . Äpfel werden bei uns bis zu 24-mal mit17 unterschiedlichen Mitteln gespritzt . Es ist daher über-haupt nicht erstaunlich, dass konventionelles Obst zumTeil 350-mal höher belastet ist als Bioobst . Und wasunternehmen Sie? Was tun Sie, um die Verbraucher zuschützen?
Jetzt können wir natürlich sagen: Der Verbraucher kannBio kaufen . – Ja, der Verbraucher kann Bio kaufen . Daskann man ihm insbesondere bei Obst nur raten . Aber Sietun ja auch nichts dafür, dass der Bioanbau zunimmt . Beiden konventionellen Lebensmitteln lassen Sie den Ver-braucher alleine . Das ist das Gegenteil von verantwor-tungsvollem Verbraucherschutz .
Bitter ist auch: Sie ignorieren nicht nur die Erkennt-nisse der WHO, sondern auch die Erkenntnisse des Bun-desamtes für Naturschutz . In Deutschland ist inzwischenjede dritte Tier- und jede dritte Pflanzenart vom Aus-sterben bedroht . Damit zerstören Sie unsere natürlicheVielfalt . Anders formuliert – wenn Sie es gerne christlichhaben –: Sie zerstören damit die Schöpfung .
Das sollte Ihnen als CDU/CSU doch etwas bedeuten .
Jede dritte bei uns lebende, natürlich vorkommende Artist vom Aussterben bedroht . Pestizide tragen einen er-heblichen Teil dazu bei . Sie aber sind zu feige oder zuignorant, daran etwas zu ändern .
In gewisser Hinsicht ist nachvollziehbar, dass Sie sichnicht an dieses Thema herantrauen; denn allein BASFund Bayer machen mit Pestiziden 13 Milliarden EuroUmsatz . Da müsste man natürlich den Mut haben, sichmit der Agroindustrie auseinanderzusetzen und zu sagen:Wir haben die Erwartung, dass ihr innovative Produkteherstellt, aber nicht Produkte, die die Gesundheit derMenschen und die natürliche Artenvielfalt gefährden . –Deshalb sage ich: Trauen Sie sich endlich an entspre-chende Regelungen heran! Sie haben hier doch 80 Pro-zent . Trauen Sie sich also irgendwann auch einmal etwas!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine andere Land-wirtschaftspolitik wäre möglich . Das beweisen die grü-nen Landwirtschaftsminister in den Bundesländern Tagfür Tag .
Eine Agrarwende müsste aber vonseiten der Bundes-ebene unterstützt werden . Da gibt es aber leider keinerleiUnterstützung . Sie stellen sich ja gerne als Lobbyistender Landwirte dar . Wenn also wenigstens die Landwirtevon Ihnen profitieren würden! Aber was zeigen uns dieZahlen? Die Anzahl der Bauernhöfe nimmt ganz massivab . Deshalb: Noch nicht einmal den Landwirten nütztIhre Politik .
Herr Kollege .
Hören Sie deshalb endlich damit auf, die Augen da-
vor zu verschließen, dass der Pestizideinsatz zunimmt,
die Arten aussterben und wir Jahr für Jahr weniger Land-
wirte haben! Steuern Sie endlich um! Sorgen Sie endlich
für eine funktionierende Agrarwende! Sorgen Sie endlich
für eine grüne Landwirtschaftspolitik zugunsten der Ver-
braucher, zugunsten der Landwirte und zugunsten unse-
rer Natur!
Vielen Dank .
Hermann Färber erhält nun das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Ich teile die Ansicht meines Vorredners definitivnicht .
Sehr geehrter Herr Hofreiter, ich kam aus dem Staunennicht mehr heraus, als ich Ihnen zugehört habe . Ihnendürfte in Sachen Verbraucherschutz schon bekannt sein,dass in Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung auf Bun-desebene Ihre Fachministerin eine Genehmigung für Im-portlebensmittel unterzeichnet hat, die 300-mal höhereRückstände an Pestiziden aufweisen, als es in Deutsch-land zulässig ist . Ich wollte Ihnen das nur sagen . Viel-leicht haben Sie das ja aus den Augen verloren .
Dr. Anton Hofreiter
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– Weiter möchte ich auf Ihre Rede jetzt nicht eingehen .Das, was Sie gesagt haben, spricht für sich . Sie habenaber natürlich wie auch ich das Recht, sich hier zu äu-ßern .Meine Damen und Herren, der Antrag der Grünenmacht eines ganz deutlich: Chemische Pflanzenschutz-mittel sind heute so gut und so erfolgreich, dass sich nie-mand mehr vorstellen kann, wie das Leben war, als esdiese Mittel noch nicht gegeben hat . Ein solcher Antragwäre völlig undenkbar, wenn heute noch die Erinnerungdaran lebendig wäre, wie früher ganze Landstriche demHunger ausgeliefert waren, nur weil ein Pilz oder ein an-derer Pflanzenschädling die komplette Nahrungsgrundla-ge zerstört hat, wie es in früheren Zeiten in Irland mit derKartoffelfäule geschehen ist .Fakt ist: Die heutige Sicherheit und Qualität unsererNahrungsmittelversorgung, die uns so selbstverständlicherscheinen, sind ohne chemische Pflanzenschutzmitteldefinitiv nicht zu erreichen.
Das muss an dieser Stelle einfach gesagt werden . Es gibtauch heute Schädlinge, die letztendlich nur mit chemi-schen Mitteln bekämpft werden können . Ein Beispiel da-für ist die Kirschessigfliege, die im letzten Jahr zu mas-siven Schäden im Obst- und Weinbau geführt hat . ZurBekämpfung dieses Schädlings schreibt der BUND Re-gionalverband Südlicher Oberrhein auf seiner Webseite:Biologische Schädlingsbekämpfungsmittel werdenerforscht, sind aber noch längst nicht praxisreif .Es gibt hier, wie in vielen anderen Fällen auch, eben kei-ne wirksame Alternative zu chemischen Pflanzenschutz-mitteln .Ich stelle aber positiv fest: In dem Antrag der Grünenkommt der Begriff „Forschung“ zumindest noch vor .
Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn Sie diezahlreichen Bemühungen dieser Bundesregierung dazuzur Kenntnis genommen hätten . Ich erwähne hier nurdie Förderung von Demonstrationsbetrieben für den inte-grierten Pflanzenschutz, die Resistenzforschung und dieForschung an vorbeugenden und nichtchemischen Pflan-zenschutzmaßnahmen . Dafür haben wir auch die not-wendigen Mittel im Bundeshaushalt eingestellt; denn wirwollen den Landwirten Lösungen anbieten, die wirklichpraxistauglich sind . Ich bin davon überzeugt: Das ist derbessere Weg zu noch gesünderem und umweltverträgli-cherem Pflanzenschutz als eine pauschale Verunglimp-fung .Im Antrag der Grünen wird es so dargestellt, als seiein Verzicht auf diese Mittel in jedem Fall und ohne jedeAusnahme besser und gesünder als ihre Anwendung . Ge-nau das ist eben falsch . Was vielen Verbrauchern nichtbewusst ist: Jedes pflanzliche Lebensmittel enthält auchnatürliche Pestizide, die von den Pflanzen selbst herge-stellt werden . Der amerikanische Biochemiker BruceAmes ist bei seinen Untersuchungen zu dem Ergebnisgekommen, dass 99,99 Prozent der in Lebensmitteln ent-haltenen schädlichen Stoffe solch einen natürlichen Ur-sprung haben . Nur 0,01 Prozent kommen aus künstlichenQuellen .Erst kürzlich hat das Bundesamt für Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicherheit in 56 Prozent alleruntersuchten Honigproben Alkaloide gefunden, die fürden Menschen giftig sind . Ihnen von den Grünen war dasaber keine Warnung wert . Ich gehe davon aus, dass derGrund dafür ist, dass die Quelle dieser Alkaloide ebenkein Industrieunternehmen ist, das man an den Prangerstellen kann . Man kann es nicht einmal dem Freihan-delsabkommen zuordnen, sondern es handelt sich umin der Natur wachsende Pflanzen wie etwa das Jakobs-kreuzkraut . Dadurch wird ganz klar: Auch der Verzichtauf Pflanzenschutzmittel kann die Gesundheitsgefahrenerhöhen .
Beispielsweise ist Getreide oft von Pilzerregern befal-len, die dann ihrerseits wieder Mykotoxine ausscheiden .Diese Mykotoxine sind gesundheitlich sehr bedenklich .Ohne den Einsatz beispielsweise von Fungiziden würdediesen pflanzlichen Parasiten und damit auch der Bildungihrer giftigen Stoffe nicht Einhalt geboten werden kön-nen .Für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gibt esalso sehr gute Gründe . Vor- und Nachteile müssen na-türlich in jedem Einzelfall sorgsam abgewogen werden .Das ist die korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips .Genau diese Abwägung aber findet offensichtlich beiden Grünen schlichtweg nicht mehr statt . Das ist ebensounwissenschaftlich wie unrealistisch und auch unverant-wortlich .Selbstverständlich müssen Pflanzenschutzmittel aus-reichend reguliert werden . Das werden sie aber heuteschon . Wir haben in Deutschland und in Europa einesder strengsten Regulierungssysteme der Welt . Es beruhtauf mehreren Säulen: auf einem wissenschaftlich basier-ten Zulassungssystem für einzelne Wirkstoffe und Mit-tel, einem Sachkundenachweis für die Landwirte, wel-che die Mittel anwenden, sowie auf Kontrollen über diesachgerechte Anwendung . In Deutschland gibt es genaueAnwendungsbestimmungen, wie viel von einem Mittelin welchem Zeitraum mit welcher Ausbringungstechnikund mit wie viel Abstand zum Waldrand und zu Gewäs-sern ausgebracht werden darf . Diese hohen Standardssind uns von der Union sehr wichtig . Ebenso wichtig istuns die wissenschaftliche Basis des Zulassungsprozes-ses .In diesem Zusammenhang will ich, auch wenn es Sieverwundert, Frau Renate Künast ausdrücklich loben .
Hermann Färber
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Frau Künast ist heute – ich sehe sie nicht – leider nichtda .
Wir haben sicherlich inhaltlich eine Reihe von Differen-zen; aber die Gründung des Bundesinstituts für Risikobe-wertung war eine völlig richtige und sehr gute Entschei-dung von Frau Künast .
Das BfR ist heute für seine Bewertungspraxis und seinefachliche Arbeit international hoch anerkannt . Dafür be-danke ich mich auch bei den Mitarbeitern dieses Instituts .
Es ist aber völlig inakzeptabel, wenn diese Mitarbeitermassivem Druck politischer Kampagnen ausgesetzt wer-den .Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln sind in Euro-pa klar und streng geregelt . Jeder Hersteller, der ein Mit-tel auf den Markt bringen will, benötigt zuerst eine Zu-lassung des Wirkstoffs auf europäischer Ebene, die dannnach zehn Jahren automatisch ausläuft und neu beantragtwerden muss . Der Hersteller muss die Unschädlichkeitdes Produkts für Umwelt und Gesundheit nachweisen .Dazu müssen die Hersteller den staatlichen Bewertungs-behörden aufwendige Studien vorlegen . Es gibt die inter-national festgelegten Standards guter Laborpraxis . Da-durch ist sichergestellt, dass diese Studien zu korrektenund nachprüfbaren Ergebnissen führen . Diese Studienwerden dann von den staatlichen Bewertungsbehördenüberprüft . Dieser Prozess läuft gerade bei Glyphosat .Da bei dieser Zulassung auf europäischer Ebene nurder reine Wirkstoff überprüft und zugelassen wird, istes völlig richtig, dass das Bundesinstitut für Risikobe-wertung als Berichterstatter für die Europäische Unioneben nur solche Studien verwenden kann, die sich aus-schließlich mit diesem Wirkstoff befassen, nicht aber mitkompletten Mischungen oder Beistoffen; denn die kom-pletten Mischungen, mit allen Zusatzstoffen und Beistof-fen, werden anschließend in einem zweiten Schritt aufnationaler Ebene geprüft und zugelassen . Wer dieses Ver-fahren des BfR kritisiert, der hat entweder schlicht undergreifend den Prozess der Zulassung nicht verstandenoder – naheliegender – will ihn einfach nicht verstehen .Wir halten auf jeden Fall an verlässlichen wissen-schaftlichen Standards fest . Sie sind die Basis sowohl fürkorrekte Zulassungsverfahren als auch für korrekte Ver-braucherinformation . Wir von der Union wollen wissen-schaftsbasierte und rechtssichere Zulassungsverfahren .
Die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels mussauch in Zukunft allein von der wissenschaftlich nachge-wiesenen Unschädlichkeit für Umwelt, Anwender undVerbraucher abhängen . Nur wenn auch für die Herstel-ler diese Rechtssicherheit besteht, werden sie weiter inForschung und Entwicklung investieren, um noch zielge-nauere und noch umweltfreundlichere Produkte zu ent-wickeln . Das liegt im Interesse von uns allen .Pflanzenschutz ist für die Ernährung von 7 MilliardenMenschen auf dieser Erde unverzichtbar . Wir von derCDU/CSU-Bundestagsfraktion arbeiten weiter an kon-kreten Lösungen für konkrete Probleme . Aber ich bitteSie um Verständnis dafür, dass wir uns nicht an Stim-mungsmache und entsprechenden Kampagnen beteili-gen .Herzlichen Dank .
Die Kollegin Karin Binder hat nun das Wort für die
Fraktion Die Linke .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Obst und Gemüse sind wich-tige Bestandteile einer gesunden und ausgewogenen Er-nährung . Umso schlimmer ist, dass immer mehr Rück-stände von Pflanzenschutzmitteln in unseren wichtigstenLebensmitteln festgestellt werden .
Deshalb ist es gut, dass wir heute durch den Antrag derGrünen die Möglichkeit haben, die ernstzunehmendenAuswirkungen auf Gesundheit und Umwelt zu behan-deln .
Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicherheit ist die Beanstan-dungsquote aufgrund von Grenzwertüberschreitungenmit 1,4 Prozent der untersuchten Proben äußerst gering .Doch bei genauem Hinsehen entpuppt sich diese Angabeals höchst bedenkliche Verbrauchertäuschung . Tatsacheist: Die Beanstandungen sind so niedrig, nicht weil dieSchadstoffbelastung reduziert wurde, sondern weil dieGrenzwerte vieler Pestizide in den vergangenen Jahrenimmer wieder angehoben wurden . Auf Wunsch des Her-stellers Monsanto wurde zum Beispiel der Grenzwert fürdas vermutlich krebserregende Glyphosat im Jahr 2011von 0,1 auf 10 Milligramm pro Kilogramm Körperge-wicht eines erwachsenen Menschen erhöht, also um dasHundertfache . Da brauche ich mich nicht mehr zu wun-dern, dass ein Überschreiten der Grenzwerte kaum nochfestgestellt wird .
Die Verbraucher nehmen also, während die Zahl derBeanstandungen mangels regelmäßiger Kontrollen sinkt,Hermann Färber
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unwissentlich und unbewusst immer mehr Gifte auf . Dasist ein Skandal .
Bestimmte Pestizide können das Gehirn schädigen, Par-kinson und Alzheimer fördern, die Fortpflanzung beein-trächtigen oder Krebs auslösen . Besonders Kinder undschwangere Frauen werden durch diese Gifte gefährdet .Dagegen müssen wir etwas tun .
Kollege Hofreiter hat darauf hingewiesen: Allein Äp-fel werden mit bis zu 17 unterschiedlichen Substanzenbehandelt, bevor sie in unserem Einkaufskorb landen .Diese Chemiecocktails und ihre Auswirkungen werdenbisher jedoch kaum untersucht . Über viele Jahre nehmenwir täglich Substanzen auf, zwar in geringen Mengen,aber dafür viele unterschiedliche Stoffe . Wir essen jedenTag Gift .Auch die Umwelt leidet . Viele Kleinstlebewesen ster-ben durch diese Art von Pflanzenschutz. Sie verschwin-den einfach . Das heißt, ein Teil der Nahrungskette istweg . Bienen, die eigentlich Obstbäume bestäuben soll-ten, werden durch Pestizide vergiftet oder geschwächt .Sie verlieren die Orientierung, fallen der Varroa-Milbezum Opfer, und im Honig tauchen Rückstände auf .Wir haben aber auch noch ein anderes Problem . DerGroßteil der Rückstandsuntersuchungen wird von denHerstellern selbst vorgenommen . Das ist in etwa so, alsdürfte der Autobesitzer die TÜV-Prüfung selbst durch-führen – alles auf Vertrauensbasis .
Aber Spaß beiseite . Erzeuger stehen täglich im Kon-flikt zwischen ihrem Ertrag und dem Verbraucherschutz.Die Händler nehmen nur noch Eins-a-Ware ab – das istim Übrigen eine rein optische Angelegenheit –, angeb-lich, weil die Verbraucher es so wollen . Ich glaube das,ehrlich gesagt, nicht . Aber das ist eine andere Geschichte .Ich frage mich: Wie sollen die schädlichen Wirkstoffein Obst und Gemüse untersucht werden? Die amtlichenÜberwachungsbehörden jedenfalls sind seit Jahren chro-nisch unterfinanziert, schlecht ausgestattet und haben zuwenig Personal. Unangemeldete Kontrollen finden heutekaum noch statt . Was dabei herauskommen kann, habenuns die Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre ge-zeigt: Gammelfleisch, EHEC, Dioxin oder zuletzt derBayern-Ei-Skandal .Mehr als 40 000 Tonnen Pestizide werden jährlich inDeutschland auf den Feldern versprüht . Äpfel werden biszur Ernte mehr als 20-mal gespritzt . Wenn Labore heuteeinen Apfel auf Pestizidrückstände untersuchen wollen,dann müssten sie bis zu 500 chemische Wirkstoffe be-rücksichtigen . Das ist teuer . Es gibt nur eine Lösung: DerEinsatz der Pestizide, der sogenannten Pflanzenschutz-mittel, muss drastisch reduziert werden .
Wir müssen Anbaumethoden entwickeln, die letztendlichohne den Chemiecocktail auskommen . Das hat vielleichtseinen Preis, aber es nützt: Es schützt Umwelt und Ge-sundheit und schafft vermutlich auch neue Arbeitsplätze .Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit .
Rita Hagl-Kehl ist die nächste Rednerin für die
SPD-Fraktion .
Danke schön . – Sehr geehrter Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Die Kollegen von Bünd-nis 90/Die Grünen haben für ihren Antrag einen Titel ge-wählt, zu dem man schwer Nein sagen kann .
– Nicht zu voreilig klatschen . – Ich bin mir sicher, dasswir uns alle in unserer politischen Arbeit dafür einsetzen,Mensch und Umwelt zu schützen . Wie man das tut undob die Herangehensweise dieses Antrages die richtige ist,ist eine andere Frage .
Zunächst möchte ich auf die Schwerpunkte der sozi-aldemokratischen Agrarpolitik eingehen, die ich schonmehrmals im Plenum und im Ausschuss deutlich ge-macht habe . Für uns steht der Schutz der Verbrauche-rinnen und Verbraucher an erster Stelle . Wir wollen einenachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft, die auchressourcenschonend ist .
Die Beachtung der Gesundheit von Menschen und Tierensowie die Folgen für die Umwelt sind für uns ein wich-tiger Punkt . Wir wollen die Produktion von gesunden,qualitativ hochwertigen und auch wettbewerbsfähigenLebensmitteln . Ein verantwortungsvoller Umgang mitPflanzenschutzmitteln, nachhaltiger Schutz der Gesund-heit und die Fruchtbarkeit unserer Böden sind ausschlag-gebende Gründe dafür, dass wir uns sehr eingehend mitdiesem Thema beschäftigt haben .Jetzt von der Theorie zur Wirklichkeit: Derzeit habenwir in Deutschland trotz rechtlicher Vorgaben und hof-fentlich artgerechter Anwendung von Pflanzenschutz-mitteln überschrittene Rückstandshöchstgehalte in Ge-wässern und Lebensmitteln sowie Schäden an Bienenund Wirbeltieren . Der intensive Einsatz von Pestizidenbewirkt eine anhaltende Abnahme der biologischenKarin Binder
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Vielfalt; auf diesen Punkt wird mein Kollege CarstenTräger noch näher eingehen . Wir wissen deshalb, dasseine Reduktion dringend nötig ist, aber nicht ein allge-meiner Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. Warum? Zieleines Pflanzenschutzmittels ist – das sagt schon die Be-zeichnung – der Schutz einer Pflanze oder eines pflanz-lichen Produkts vor Risiken und Gefahren durch andereOrganismen . Wenn die Anwendung richtig erfolgt, dannhaben wir einen Schutz der Gesundheit von Menschenund Tieren sowie einen Schutz des Naturhaushalts . DasProblem ist oft die Anwendung .Welche Folgen hätte aber ein Verzicht auf Pflanzen-schutzmittel grundsätzlich? Da muss ich dem KollegenFärber ausnahmsweise recht geben
– wie Sie wissen, mache ich so etwas selten –: Wir wür-den damit befördern, dass noch mehr Produkte aus demAusland zu uns kommen, also nicht erst mit TTIP, wieHerr Hofreiter vorhin meinte . Wir haben bereits vieleImporte von Lebensmitteln und insbesondere von Futter-mitteln zu verzeichnen . Man darf nicht vergessen, dassPflanzenschutzmittel nicht nur in den USA, sondern ins-besondere auch in Südamerika in sehr starkem Maße ein-gesetzt werden, um genmanipulierte Pflanzen zu schüt-zen. Bei uns sterben die Pflanzen, wenn sie zum Beispielmit Glyphosat besprüht werden . Bei genmanipuliertenPflanzen ist das aber nicht der Fall. Pflanzenschutzmittelwerden aber in Südamerika in sehr viel stärkerem Maßeangewendet . Damit steigt auch die Schadstoffbelastung .Natürlich weisen die dort produzierten Lebensmittel einesehr viel höhere Konzentration auf, weil die Pflanzen-schutzmittel direkt auf die Pflanzen angewendet werden.Vor kurzem haben einige Kollegen und ich ein Ge-spräch mit einem argentinischen Arzt geführt . Er hat dar-gestellt, wie extrem gerade in Argentinien zum BeispielSoja mit Glyphosat besprüht wird . Glyphosat wird dortnicht von den Landwirten mit entsprechenden Maschi-nen auf leere Flächen aufgebracht, wie das bei uns derFall wäre, sondern teilweise per Flugzeug verteilt, egalob ein Dorf vorhanden ist oder nicht . Wenn wir aus sol-chen Ländern Lebensmittel importieren, dann verlagernwir die Entscheidung über die Gesundheitsgefahr zu ei-nem großen Teil in Länder, in denen die Menschen zumTeil sehr viel ärmer sind als wir . Wir bringen diesen Men-schen damit noch mehr Krebsgefahr ins Land .
Wir brauchen nun Schritte, um die genannten Proble-me zu lösen . Die konsequente Umsetzung und Weiterent-wicklung des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigenAnwendung von Pflanzenschutzmitteln müssen vorange-trieben werden . Hier erleben wir momentan Stillstand .Wir brauchen einen verantwortungsbewussten Einsatzvon Pflanzenschutzmitteln durch die Landwirte. Hiermuss Qualität vor Quantität gehen .
Das fördert auch die Akzeptanz in der Bevölkerung . DieAusrichtung der Wissenschaft und der Beratung auf einenachhaltige Landwirtschaft ist uns ein wichtiges Anlie-gen . Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit unserem Koa-litionspartner dafür mehr Fördermittel im Haushalt 2017bekommen .
Wir brauchen die Beschränkung des überflüssigenEinsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Wenn zum Bei-spiel Glyphosat zur Sikkation verwendet wird – das istnoch immer möglich, wenn auch nur ausnahmsweise –,dann ist es im Getreide und geht so in den Organismusdes Menschen über . Wir brauchen des Weiteren eineStärkung der gezielten Erforschung sicherer Alternativenund – das ist mir ein besonderes Anliegen – die Auswei-tung der ökologisch bewirtschafteten Anbauflächen inDeutschland, für die ein Anwendungsverbot von che-misch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln gilt.
Glyphosat wurde als Beispiel schon genannt . Esist aber leider nicht so einfach, seine Anwendung inDeutschland zu verbieten, wenn es in der EU erlaubtist . Was wir machen können – damit habe ich mich inden letzten Wochen eingehend befasst –, ist, die Anwen-dung von Glyphosat in Haus- und Kleingärten sowie imkommunalen Bereich zu verbieten . Trotz Zulassung aufEU-Ebene besteht nach Artikel 31 Absatz 1 der Pflanzen-schutzmittelverordnung die Möglichkeit, auf nationalerEbene festzulegen, in welchen nichtlandwirtschaftlichenBereichen Pflanzenschutzmittel verwendet werden dür-fen. Wir alle wissen, dass Haus- und Kleingärtner Pflan-zenschutzmittel nicht immer verantwortungsvoll einset-zen .Auch eine Beschränkung des Einsatzes von Pflanzen-schutzmitteln in der Nähe von Orten, wo sich Kinderaufhalten, wo sie spielen, ist möglich . Da wollen wir sieauf keinen Fall. Hier gibt uns zwar nicht die Pflanzen-schutzmittelverordnung, aber die Rahmenrichtlinie dieMöglichkeit, dass wir ein Verbot verhängen oder zumin-dest die Minimierung des Einsatzes beschließen . DieseOrte sind auch in der Rahmenrichtlinie genannt . Es sindöffentliche Parks, Gärten, Sport- und Freizeitstätten,Schulgelände und Kinderspielplätze .Für uns steht die Pflanzenschutzmittelreduktion als einwichtiges Anliegen im Mittelpunkt . Leider geht der An-trag der Grünen in diesem Punkt meiner Fraktion etwaszu weit, weshalb wir ihm leider nicht zustimmen können .
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .
Rita Hagl-Kehl
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Das Wort hat die Kollegin Ingrid Pahlmann für die
CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Ich spreche Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grü-nenfraktion, jetzt einmal ganz besonders an: Die Wort-wahl in Ihrem Antrag ist bezeichnend . Sie sprechen nurvon Pestiziden und Giften, also wieder von dem Teufels-zeug, das die Landwirte auf die Äcker bringen und womitsie alles töten, was ihnen in die Quere kommt .
Pflanzenschutzmittel sind aber nicht nur Pestizide undGifte, Pflanzenschutzmittel schützen Pflanzen.
Sie schützen sie vor Pilzbefall, saugenden und beißen-den Insekten und vor dem Überwuchern mit Beikräutern .Pflanzenschutz hat natürlich auch einen bedeutenden ge-sellschaftlichen Nutzen . Er sichert und erhöht die Erträgeunserer Äcker. Ohne Pflanzenschutz gäbe es immenseErnteverluste .Durch höhere Erträge können übrigens knappe Res-sourcen – Sie müssen zur Kenntnis nehmen: Ackerbodenist eine knappe Ressource – geschont werden . Wir allewissen: Unsere Anbauflächen sind begrenzt und die be-stehenden auch noch zunehmend gefährdet . Wir habenimmer noch einen täglichen Flächenverlust von über70 Hektar .
Diese begrenzten Flächen müssen aber eine immerstärker wachsende Weltbevölkerung ernähren . Das wirdbei aller Idylle der heilen Heidi-Welt leider nicht möglichsein . Brandenburg zum Beispiel schafft es nicht einmal,Berlin mit Lebensmitteln zu versorgen . Die Höhe und dieStabilität der Flächenerträge hängen untrennbar mit ei-nem funktionierenden Pflanzenschutz zusammen. Ohneeinen flächendeckenden Pflanzenschutz stünden rund einDrittel weniger nutzbare Erträge zur Verfügung .Die Union will gute, sichere und bezahlbare Lebens-mittel . Wir haben in Deutschland die besten und sichers-ten Lebensmittel . Es ist amtlich, statistisch bewiesen,dass wir die geringsten Rückstände von Pflanzenschutz-mitteln in unseren Nahrungsmitteln haben,
und das Ganze bei einem für die Verbraucher niedrigenPreisniveau . Wir wollen eine nachhaltige Ertragssiche-rung und den Schutz der biologischen Vielfalt . DieseZiele darf man nicht gegeneinander ausspielen . UnsereLandwirte – das sage ich Ihnen – haben das Know-how,das auch zu erreichen .Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutsch-land unterliegt strengen Kriterien . Sie ist darüber hinausmit präzisen Anwendungsbestimmungen verbunden .Diese dienen auch dazu, Grenzwerte für Rückstände inGewässern und Lebensmitteln einzuhalten .
Diese Grenzwerte – hören Sie zu! – werden regelmäßigkritisch überprüft und auch kontinuierlich angepasst .Dass in Wasserproben doch ab und zu Rückstände ober-halb oder an den Grenzwerten gefunden werden, hatverschiedene Gründe . Es liegt zum Teil an der Nicht-einhaltung der Anwendungsvorschriften . Da sind wir beiIhnen: Das muss aufgedeckt und natürlich auch geahndetwerden . Zum Teil werden aber auch Rückstände alter,nicht mehr zugelassener Wirkstoffe gefunden .
Das lässt darauf schließen, dass die Mittel der neuen Ge-neration eben besser abbaubar sind und die Forschungbessere Lösungen entwickelt hat .
Auch auf europäischer Ebene gelten für die Zulassungvon Pflanzenschutzmitteln bereits heute außerordentlichstrenge Anforderungen . Für Anwender gilt das Prinzip,ein zugelassenes Mittel nur so viel und so häufig aus-zubringen, wie unbedingt nötig . Der Anspruch des in-tegrierten Pflanzenschutzes als Leitbild ist es, zunächstdie zur Verfügung stehenden pflanzenbaulichen Mög-lichkeiten der Vorbeugung und der Reduzierung einesBefallsrisikos auszuschöpfen und erst bei einem nichtmehr tolerierbaren Befall eine Behandlung mit Pflan-zenschutzmitteln durchzuführen . Zur guten fachlichenPraxis gehört darüber hinaus eine intensive, regelmäßigeFortbildung im Bereich des Pflanzenschutzes.Pflanzenschutz hat aber noch einen weiteren Aspekt:den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte im in-ternationalen Vergleich . In der letzten Ausschusssitzunghaben Sie, liebe Kollegen, den Einkommenseinbruch beiden Landwirten beklagt . Wir haben einen Rückgang deslandwirtschaftlichen Realeinkommens pro Arbeitskraftum 37,6 Prozent, einen Rückgang der Milchvieh- undschweinehaltenden Betriebe um 4,2 Prozent . Wenn IhreAntwort nun die ist, auch das Einkommen der Ackerbau-ern auf dieses Niveau zu senken, dann muss man IhremAntrag zustimmen – aber auch nur dann .
Ein ständiges Hochschrauben der Anforderungen andie Bauern oder der Entzug wichtiger Produktionsbe-standteile führt erst einmal zu höheren Kosten und zuweiteren Einbrüchen im Gewinn und damit zu einemverstärkten Strukturwandel, klar gesagt: zu einem wei-teren Höfesterben . Wir müssen doch einmal anerken-nen, dass die deutsche Landwirtschaft Lebensmittel aufallerhöchstem Niveau erzeugt, und das unter zum Teildeutlich schwierigeren Produktionsbedingungen als die
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der Konkurrenten auf den europäischen und weltweitenMärkten .
Die Nachfrage gerade nach hochwertigen deutschenAgrarprodukten ist weltweit hoch . Wir sind ein Export-land, und das nicht nur im industriellen Bereich . Der Ex-port im Agrarbereich wächst . Deutsches Getreide ist ge-fragt, neuerdings besonders in Bereichen Asiens, die einehohe Nachfrage nach unseren ausgezeichneten Agrarpro-dukten haben . Sie müssen doch einmal zur Kenntnis neh-men, dass die Weltbevölkerung wächst und Hunger hat .Da tragen auch wir als wohlhabendes und fruchtbaresLand Verantwortung . Das Absenken deutscher Erträge,das die unmittelbare Folge eines weitgehenden Verzichtsdes Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln wäre, wäre fatalund führt in die völlig falsche Richtung .
Wir wollen keine gesellschaftliche Spaltung in gute undschlechte Landwirtschaft .Konventionelle Landwirtschaft per se zu verurteilen,ist nicht der richtige Weg . Konventionell arbeitende Be-triebe legen im Rahmen des Greenings Blühstreifen undLerchenfenster an . Sie achten auf die Fruchtfolge undarbeiten mit Zwischenfruchtanbau . Das alles geschiehtzum Schutz der Böden . Unsere Landwirte haben eine ex-zellente Ausbildung genossen, und sie gehen verantwort-lich mit den Produktionsgütern Boden und Wasser um .
Fachwissen, Sachkundenachweis im Umgang mit Pflan-zenschutzmitteln und Spritztechnik, gepaart mit High-tech der Gerätschaften und satellitengesteuerte Ausbrin-gungsmethoden sorgen dafür, dass sorg- und sparsam mitden Mitteln umgegangen wird . Glauben Sie mir, bei denPreisen, die für Pflanzenschutz verlangt werden, überlegtsich jeder Landwirt, wann, was und wie viel er ausbringt .
Diese hohen Standards zu erfüllen, ist durchaus auch derAnspruch der Union . Dass diese dann auch kontinuier-lich überprüft und weiterentwickelt werden müssen, istfür uns ebenfalls selbstverständlich . Das muss dann aller-dings auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisseerfolgen .Hier leistet Forschung einen entscheidenden Beitrag .Deshalb haben wir diesen Bereich ja auch im Haushaltdes Bundeslandwirtschaftsministeriums gestärkt undmit insgesamt 566 Millionen Euro um 10 Prozent auf-gestockt .
Wir brauchen innovative und nachhaltige Pflanzen-schutzmittel . Neben intensiver Erforschung neuer Ver-fahren des integrierten Pflanzenschutzes befasst sich zumBeispiel das Julius-Kühn-Institut mit der Resistenzfor-schung . Durch die Resistenzforschung sollen zunehmendmoderne Züchtungsverfahren geschaffen werden, diepolygen resistente Pflanzen züchten, deren Resistenzme-chanismen von Schadstofforganismen nur schwer um-gangen werden können. Um Pflanzenschutzmittel, auchbiologische, für den integrierten Pflanzenschutz und denökologischen Landbau langfristig zu sichern, sind funkti-onierende und wirksame Resistenzstrategien notwendig;da sind wir uns einig . Aber auch damit befasst sich dieRessortforschung des Bundeslandwirtschaftsministeri-ums .Zudem werden weiterhin moderne Pflanzenschutzge-räte und Technologien sowie Prognosemodelle und ande-re Entscheidungshilfen entwickelt und weiterentwickelt .Innovative Verfahren tragen dazu bei, die Anwendungvon Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß zubeschränken und Risiken zu reduzieren .Wichtig in Bezug auf Forschung ist immer auch dieAnwendung in der Praxis . Darum ist das Modellvorhaben„Demonstrationsbetriebe integrierter Pflanzenschutz“ sowichtig . Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wer-den neue Schlussfolgerungen für den integrierten Pflan-zenschutz gezogen, insbesondere zur Anwendung undWeiterentwicklung der Leitlinien und zu entsprechendenMaßnahmen, die der Umsetzung der Erkenntnisse in diePraxis dienen .Aber darüber hinaus werden natürlich noch weitereMaßnahmen ergriffen: Die Bewertung von Mehrfach-rückständen von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmit-teln soll künftig vorausschauend bei der Festsetzung vonRückstandshöchstmengen und bei der Zulassung vonPflanzenschutzmitteln Berücksichtigung finden. Ich hof-fe, dass die Konzepte, die hierzu derzeit entwickelt wer-den, bald vorliegen . Im Nationalen Aktionsplan wurdefestgelegt, auch ein Kleingewässermonitoring für Pflan-zenschutzmittel zu entwickeln . Die Umsetzung erfolgtderzeit durch das Umweltbundesamt . – Das sind nur zweikleine Beispiele von vielen .Die bisherigen Ergebnisse aus dem Aktionsplan sindmit Blick sowohl auf Lebensmittel als auch auf den Na-turhaushalt positiv . Die wichtigsten Ziele wie zum Bei-spiel 20 Prozent Risikoreduktion für den Naturhaushaltbis 2018 und 30 Prozent bis 2023 werden wir wohl errei-chen . Die Landwirte jedenfalls sind bereit, an lösungsori-entierten Herangehensweisen mitzuarbeiten, die zu einerweiteren Vermeidung und Verringerung von Pflanzen-schutzmittelrückständen in der Umwelt beitragen .Meine Damen und Herren, gesellschaftlicher Zusam-menhalt ist ein hohes und in diesen Tagen sehr fragilesGut . Das haben die Debatten in dieser Woche zu ganzunterschiedlichen Themen immer wieder gezeigt . DieStimmung in unserem Land ist aufgeheizt und vielfachdurch Verunsicherungen geprägt. Ich finde, auch hier tra-gen wir Verantwortung .Schwarz-Weiß-Denken ist nicht der richtige Ansatzfür einen sachorientierten gesellschaftlichen Diskurs . Ichfordere Sie daher auf, sich zwar immer wieder konstruk-tiv kritisch gemeinsam mit uns für gesunde Lebensmittelund Lebensräume einzusetzen, aber die Spaltung in guteund böse Landwirtschaft, schwarz und weiß endlich zubeenden . Stattdessen sollten wir alle gemeinsam einenBeitrag dazu leisten, dass die Akzeptanz für die Produk-te verantwortungsvoll arbeitender Landwirte auch durchIngrid Pahlmann
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gutinformierte Verbraucher gestärkt wird . Mit Ihren pau-schalen Diffamierungen
erweisen Sie nicht nur den Landwirten, sondern auch denVerbrauchern einen Bärendienst .
Das Wort hat die Kollegin Dr . Kirsten Tackmann für
die Fraktion Die Linke .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Gäste! Ich danke den Grünen dafür, dass wir heuteüber Pflanzenschutz debattieren können; denn die Grü-ne Woche ist eigentlich ein exzellenter Anlass dafür . Eswertet sie doch eigentlich nur auf, wenn nicht nur dieBranche gefeiert wird, sondern wenn im Parlament auchProbleme diskutiert werden .
Als Tierärztin und leidenschaftliche Hobbygärtnerin,als die ich mich outen möchte, kenne ich natürlich dasBedürfnis, Pflanzen vor Krankheiten zu schützen. Aberich weiß eben auch, dass die Mittelchen nicht nur diegewollte Wirkung, sondern auch ungewollte haben oderindirekt Schäden anrichten . Über Rückstände in Lebens-mitteln hat meine Fraktionskollegin Karin Binder schongesprochen . Ich möchte über die ökologischen Schädenreden .Wer Schädlinge bekämpft, schadet auch Nützlingen .Manchmal ist das offensichtlich – wie zum Beispiel beimmassiven Bienensterben in Süddeutschland 2008 infolgefehlerhafter Aussaattechnik . Manchmal wird aber auch„nur“ das Nervensystem der Bienen geschädigt, sodasssie nicht zurück in den Stock finden. Das ist für die hoch-sozialen Bienenvölker wirklich ein Problem . Manchmalsinkt die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, unddamit wird die Varroa-Milbe sehr gefährlich . Bei Hum-meln wurde kürzlich ein ganz besonders erschreckendesPhänomen festgestellt. Für sie werden nämlich Pflanzen,die mit Neonikotinoiden behandelt werden, also mit be-sonders bienengefährlichen Stoffen, zu attraktiven Fal-len; sie werden dort besonders häufig geschädigt.Auch indirekte Wirkungen gehören in die Schadens-bilanz . Beikräuter auf Äckern werden heute als Ernte-gutverunreinigung oder als Konkurrenz rigoros beseitigt .Damit gehen aber gleichzeitig Nahrungsquellen für an-dere Lebewesen verloren .Nicht nur Insekten sind vom stillen Sterben betroffen .Erst seit kurzem wissen wir, dass zum Beispiel die feuch-te Haut von Fröschen nur wenig Schutz vor Ackergiftenbietet . Das wird im Zulassungsverfahren nicht einmal ge-prüft, obwohl auch in Gewässern Rückstände gefundenwerden .Aber ich sage ganz klar: Diese dramatische Situationentsteht nicht durch gelegentlichen Pflanzenschutz – daswürde die Natur verkraften -; in Verruf gekommen ist derPflanzenschutz, weil er viel zu oft zum festen Bestandteildes Ackerbaus geworden ist . Hier ist Kritik angebrachtund dringend notwendig .
Selbst bei Glyphosat hat der Bauernverband in derAusschussanhörung eingeräumt, dass es eigentlich nurum Arbeitserleichterung geht. Ich finde, das ist bei einemWirkstoff, der unter dem Verdacht steht, krebsauslösendzu sein, alles andere als dem Vorsorgeprinzip gemäß .Ja, wir haben den Nationalen Aktionsplan; nur geän-dert hat sich wenig . Aber es muss sich dringend etwasändern; denn das Insektensterben wird für die Land-wirtschaft auch schnell – das muss man betonen – zumBumerang . Ein Drittel der landwirtschaftlichen Kultu-ren sind auf Insektenbestäubung angewiesen . In Chinamüssen inzwischen ganze Obstplantagen durch mensch-liche Handarbeit bestäubt werden, weil die Insekten dortschon fehlen . Mit den Insekten geht auch eine wichtigeNahrungsgrundlage für viele Vögel verloren . Der rasan-te Verlust von biologischer Vielfalt gerade in der Agrar-landschaft hat nicht nur, aber eben viel mit Ackergiftenzu tun .Als Linke sage ich ganz klar: Das sind keine Kolla-teralschäden . Hier geht es um den Schutz unserer Le-bensgrundlagen .
Deshalb dürfen wir nicht wegsehen . Wir müssen han-deln, bevor dieser Prozess unumkehrbar geworden ist .Ja, wir brauchen die Landwirtschaftsbetriebe als Ver-bündete. Sie sind übrigens nicht die Profiteure des fal-schen Systems . Das große Geld landet nämlich in den Ta-schen von Konzernen . Diese würden den Landwirten amliebsten nicht nur das Pflanzenschutzmittel verkaufen,sondern gleich noch die dazugehörende gentechnischveränderte Pflanze. Diese Gelddruckmaschine wird aberGott sei Dank von immer mehr Menschen durchschaut .Es ist gut, dass sich hier Widerstand regt . Die Linke ist ander Seite derer, die sich dem widersetzen .
Was ist also noch für weniger Gift auf dem Acker zutun? Beim Glyphosat wiederhole ich hier die Forderungder Linken: Als erste Sofortmaßnahme müssen die Vor-erntebehandlung und der Verkauf im Baumarkt sofortverboten werden .
Das zweijährige Verbot der besonders bienengefährli-chen Neonikotinoide muss dringend verlängert werden .Es geht uns aber nicht nur um Verbote . Wir müssen ris-kante Anbaukonzepte in den Blick nehmen . Dazu gehö-ren zum Beispiel der großflächige Anbau einer einzigenKulturpflanze oder der mehrjährige Anbau von Mais aufIngrid Pahlmann
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Mais . Wenn immer weniger unterschiedliche Kulturenüberhaupt noch angebaut werden, ist das ein Problem .Deshalb ist die Forderung der Grünen nach einer ver-bindlichen und rechtssicheren Definition der sogenann-ten guten fachlichen Praxis richtig und längst überfällig .
Wir brauchen auch mehr Flächen, in denen sich dieNatur regenerieren kann . Die Unterstützung des Öko-landbaus gehört dazu . Auch die ökologischen Vorrang-flächen, die alle Betriebe jetzt einrichten müssen, sindaus meiner Sicht durchaus eine Chance . Ja, leider wurdendie Regeln dafür während des Verhandlungsmarathons inBrüssel aufgeweicht . Unterdessen wissen wir aber, dassviele kleine Flächen einen großen Einfluss haben kön-nen, wenn sie denn als ökologische Trittsteine fungierenkönnen . Deswegen ist hier Kreativität dringend gefragt .An dieser Stelle sage ich: Ortsansässige Betriebe sind daeher unsere Verbündeten als Agrarinvestoren .
Aber mit Betrieben in ständiger Existenznot wird dasauch sehr schwer .Gebraucht wird mehr unabhängige, öffentlich finan-zierte Forschung für Analysen, für Alternativkonzepteund für die Bewertung der Wirksamkeit von Maßnah-men . Vielleicht ist auch Landwirtschaft 4 .0 eine Chance;denn wenn eine Gefahr früher erkannt wird und kleinflä-chiger und konsequenter behoben werden kann, ist viel-leicht auch der Schaden zu minimieren . Am dringends-ten ist aus Sicht der Linken allerdings ein transparentes,herstellerunabhängiges Zulassungsverfahren; denn dannkämen gefährliche Pflanzenschutzmittel gar nicht erstauf den Markt .
Deshalb haben wir viel Stoff zur Diskussion . Ich freuemich auf die Ausschussbefassung .Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Johann Saathoff
das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen – heuteeinmal wegen des Antrags – von den Grünen! Ich willdurchaus bekennen, dass ich meistens mit den Positio-nen der Grünen im Agrarbereich durchaus einverstandenbin – so auch hier . Bei den Zielen sind wir uns einig . Wirwollen so wenig Pestizideinsatz wie möglich und mehrÖkolandbau erreichen .Meine Damen und Herren, Pflanzenschutzmittel wer-den aber nicht nur zum Spaß eingesetzt . Zwar werdenPflanzenschutzmittel in Einzelfällen bedauerlicherweisenach dem sehr betrüblichen Motto „Viel hilft viel“ ver-wendet . Größtenteils wenden die Bäuerinnen und Bau-ern in Deutschland Pflanzenschutzmittel aber verantwor-tungsvoll an . Das müssen wir in dieser Debatte deutlichbetonen .
Die Bundesregierung hat mit dem Nationalen Aktions-plan sehr umfassende Ziele und Maßnahmen definiert,vor allem das 1-Prozent-Ziel bei Grenzwertüberschrei-tungen . Es gibt auch ein begleitendes Forum zu diesemNationalen Aktionsplan . Ich bedaure es ausdrücklich,dass dort nicht alle relevanten Gruppen beteiligt sind . DieUmweltverbände haben sich nämlich aus dieser Diskus-sion herausgezogen. Ich finde, dass sie mit in diese Dis-kussion hineingehören, und möchte sie an dieser Stelleauch aufrufen: Bitte machen Sie bei diesem Forum zumNationalen Aktionsplan weiter mit!
Ihnen sind die Zeitpläne im NAP nicht konkret genug .Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,Sie trauen sich auf der anderen Seite selbst nicht, einenZeithorizont für die Beschränkung des Einsatzes vonPflanzenschutzmitteln auf ein Minimum oder vielleichtsogar den Totalausstieg zu nennen .
Mich würde echt einmal interessieren, bis wann Sie dasfür möglich halten . Oder gilt vielleicht der Umkehr-schluss? Das bedeutet: Aus der Tatsache, dass Sie keinenZeitplan für den Ausstieg nennen, könnte man schließen,dass Sie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln grund-sätzlich anerkennen .Auch kein Wort zu einer Steuer oder Abgabe aufPflanzenschutzmittel. Dabei hat der grüne Umwelt- undLandwirtschaftsminister Robert Habeck aus Schles-wig-Holstein diese ins Spiel gebracht . Der Diskussions-prozess über Wege zur Verringerung des Einsatzes vonPflanzenschutzmitteln scheint also auch bei euch, liebeKolleginnen und Kollegen von den Grünen, anzudauern .Das ist völlig normal, und das ist auch gut so . Das istsogar bei uns in der SPD-Fraktion nicht anders . Aber miteurem Antrag schraubt ihr an Details herum .Ihr sprecht den BVL-Report 2013 an . 106 Proben mitÜberschreitung der Grenzwerte sind genau 106 zu viel,keine Frage . Wir müssen diese Zahl aber in einen ange-messenen Kontext stellen . Dabei würde zum Beispieldeutlich werden, dass die Zahl der Grenzwertüberschrei-tungen bei Produkten aus Drittländern die in Deutschlandbei weitem übertrifft . In Deutschland sind es nur 0,6 Pro-zent . Die Proben werden risikobezogen genommen, alsobei den Lebensmitteln, wo bekanntermaßen Pflanzen-schutzmittel zum Einsatz kommen können . Ich würdeSie einmal die „üblichen Verdächtigen“ nennen . WürdeDr. Kirsten Tackmann
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man die Proben bei allen Lebensmitteln gleichermaßennehmen, wäre der Prozentsatz der Grenzwertüberschrei-tungen noch einmal deutlich niedriger .Das Ziel des Nationalen Aktionsplans zur nachhalti-gen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist also mehrals erreicht und deutlich früher erreicht; denn eigentlichwar das 1-Prozent-Ziel erst für 2021 vorgesehen – zumin-dest in Deutschland, worum es ja im Antrag geht . In denDrittländern sind die Grenzwerte teilweise höher als beiuns . Allerdings haben wir dort nur einen sehr begrenztenEinfluss auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Aberauch dort müssen wir uns für eine Reduktion des Einsat-zes von Pflanzenschutzmitteln einsetzen, für niedrigereGrenzwerte, für eine bessere Anwenderausbildung . Wirstellen fest, dass das BVL resümiert, dass es „keine An-haltspunkte für ein akutes Gesundheitsrisiko für den Ver-braucher“ gibt . Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, isteine gute und wichtige Botschaft .
Wir wollen deshalb aber nicht die Hände in den Schoßlegen. Wir wollen Pflanzenschutzverfahren mit geringemPflanzenschutzmitteleinsatz und integriertem Pflanzen-schutz . Dazu gehört, den Anteil praktikabler nichtchemi-scher Maßnahmen in den Pflanzenschutzkonzepten, zumBeispiel durch biologische, biotechnische oder mechani-sche Pflanzenschutzverfahren, weiter auszubauen. Wirwollen die Forschung intensivieren mit dem Ziel, denEinsatz von Pestiziden weiter zu reduzieren . Kurz: Wirwollen mit immer weniger Pflanzenschutzmitteln aus-kommen . Das gilt übrigens auch für den Ökolandbau . ImÖkolandbau ist der Einsatz von chemisch-synthetischenMitteln verboten . Wir wollen mehr Ökolandbau . Wir ha-ben uns gemeinsam bei der Novelle der EU-Ökoverord-nung sehr für den Ökolandbau starkgemacht .
Dank der einstimmigen – einstimmigen! – Positionierungdes Deutschen Bundestages, der sich viele Mitgliedstaa-ten angeschlossen haben, konnten wir viel für den Öko-landbau erreichen .Meine Damen und Herren, zusammenfassend kannman sagen, dass wir uns in den Zielen wieder einmal ei-nig sind . Diskussionsbedarf besteht hinsichtlich des We-ges, um die Ziele zu erreichen . Am Ende des Prozessesist man immer schlauer, was denn der beste Weg gewe-sen wäre, oder wie wir in Ostfriesland sagen: „Achterankakeln Hauner .“Besten Dank für die Aufmerksamkeit .
– „Anschließend gackern die Hühner .“
Das Wort hat der Kollege Harald Ebner für die Frakti-
on Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Atrazin, Chlorpyrifos, Glyphosat – dasG-Wort wurde heute schon oft genannt – und nicht zu-letzt die Neonikotinoide – die Liste wäre verlängerbar –haben gezeigt: Der Pestizidpfad der angeblich modernenLandwirtschaft führt leider in eine Sackgasse . Wenn wirPech haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann gibtes am Ende dieser Sackgasse nicht einmal eine Wende-platte, damit wir da wieder herauskommen .Pestizide schaden der Gesundheit von denen, die sieanwenden, und denen, die an den Feldern wohnen . AmEnde – das haben wir jetzt auch in unserer neuen Stu-die lesen müssen – landen sie auch auf unseren Tellern .Sie verursachen enorme Kosten für die Beseitigung vonUmweltschäden . Für die Schweiz gibt es eine Schätzung:Da würde die Umrüstung von Kläranlagen, um solcheRückstände herauszufiltern, 1,2 Millionen Franken kos-ten . – pro AnlagePestizide tragen leider auch massiv dazu bei, die bio-logische Vielfalt zu vermindern .
Ausgestorbene Arten kommen nicht wieder, und das ent-zieht dem gesamten Agrarökosystem die Existenzgrund-lage . Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchenwir einen Weg aus dieser Sackgasse . Pestizide müssenrunter vom Acker, und sie haben in unserem Essen nichtszu suchen .
Wir haben am Mittwoch im Fachgespräch im Um-weltausschuss gehört: Als Ursache für ein aktuelles,wirklich erschreckendes Insektensterben in Deutschlandwurden ganz klar an erster Stelle der Einsatz von Pesti-ziden und auch Strukturverluste in agrarisch optimiertenLandschaften genannt . Das Fazit des Fachgesprächs war:Dieser massive Insektentod kann nur gestoppt werden,wenn auf eine Landwirtschaft mit deutlich weniger –die Experten sagen: besser ohne – Pestiziden umgestelltwird . Das sagen nun einmal die Experten . Der KollegeAuernhammer erinnert sich ganz bestimmt an die Emp-fehlung auf seine Frage, er möge dann doch auf Ökoland-bau umstellen . Ich weiß nicht, ob er den Antrag schongestellt hat .
Von der Reduzierung der Pestizidmengen – darin soll-ten wir uns einig sein – können wir doch alle nur profi-tieren,
außer natürlich die Industrie, die Pestizide herstellt unddamit seit Jahren Rekordumsätze einfährt . Leider ver-weigert der Bundesminister, der auch heute lieber auf derIGW als im Parlament ist, in Sachen Pestizidreduktionwie bei vielen anderen Themen eindeutig die Arbeit . Daszeigt, lieber Kollege Saathoff, der Nationale Aktionsplan,der nach wie vor nicht mehr als das geduldige Papier ist,Johann Saathoff
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das sich gefällig liest, aber zu dessen Umsetzung nichtspassiert . Eine ganze Reihe von Verbänden – das wurdeschon gesagt – mit Sachverstand sind schon vor Jahrenaus dem NAP-Forum ausgestiegen, weil sie sagen: Beieinem Aktionsverhinderungsplan machen wir nicht mit .Wir lassen uns nicht zu Tode partizipieren, und am Endekommt nichts dabei heraus .
Dies zeigt: Die Bundesregierung ist an dieser Stelle nichtSachwalter der Interessen der Bürgerinnen und Bürger indiesem Land .Da muss ich auch an die Adresse des Kollegen Färberund der Kollegin Pahlmann sagen: Uns geht es dar-um, die Forschungen zu Alternativen zum chemischenPflanzenschutz zu einem Schwerpunkt der öffentlichenAgrarforschung zu machen . Wir haben das in unserenHaushaltsanträgen mehrfach gefordert . Da ist noch langenicht genug passiert . Das kommt dann den konventio-nellen Landwirten und den Ökolandwirten zugute . Auchder Deutsche Bauernverband hat dies jüngst gefordert:60 Millionen Euro für den Ökolandbau! – Das ist richtig .Das findet unsere volle Unterstützung.
– Ja, natürlich . – Aber schade, dass es just nach denHaushaltsberatungen im Dezember passiert ist . Ich bauedarauf, dass der Bauernverband diese Forderungen auchaufrechterhält, wenn es an die nächsten Haushaltsbera-tungen geht . Ich baue darauf, dass Sie, liebe Kolleginnenund Kollegen von der Union, dieses Mal auch, wie sonstimmer, den Forderungen des Bauernverbandes entspre-chen und hier mit dabei sind . Dann kommen wir einenwesentlichen Schritt weiter . Das wäre schön .
Das würde uns nämlich auch als Verbraucherinnen undVerbraucher nutzen .Die aktuelle Auswertung unserer Fraktion zu Pestizi-den auf Lebensmitteln zeigt: Ökolebensmittel schneidenbei allen Parametern der Pestizidbelastung deutlich bes-ser ab . Wenn Pestizidrückstände auf Ökolebensmittelnauftauchen, dann kommen sie leider Gottes zu 90 Pro-zent vom konventionellen Nachbarn . Das kann ja keinerwirklich gutheißen .Es wurde schon angesprochen, Pestizidrückstände,Kollege Saathoff, seien ja immer unter dem Grenzwert .Aber die Grenzwerte sind die halbe Wahrheit . Wir habenkeine Grenzwerte für Cocktails . Es ist auch der Dreh-und Angelpunkt bei den Zulassungsverfahren, dass wirkeine Prüfungen für die Mischung von Pestiziden haben,dass wir über deren Risiken überhaupt nichts wissen .Ein weiteres Problem – ich komme demnächst zumSchluss – bei Zulassungsverfahren ist: Wir haben keineKenntnis über das, was die Industrie im Vorfeld, bevor sieStudien abliefert, für ihre Good-Laboratory-Practice-Prü-fungen durchführt . Sie können lange untersuchen, bevorsie ein Untersuchungsdesign festlegen, das sie am Endeabliefern . Wir haben gesehen, dass ein Pestizidzyklus im-mer läuft: Pestizide prüfen, Ungefährlichkeit feststellen,zulassen .
Herr Kollege Ebner, nicht nur die Ankündigung, son-
dern der tatsächliche Schluss ist jetzt erreicht .
Ich komme zum Schluss . – Am Ende stellen wir fest,
es wird gefährlich, und erst dann werden die Pestizide
vom Markt genommen . Wir kennen das von DDT und
anderen Substanzen . Damit muss endlich Schluss sein .
Wir müssen im Rahmen eines Humanbiomonitorings
bessere Daten zur Exposition gewinnen . Wir wollen, dass
die Landwirtschaft mit weniger Pestiziden, besser noch:
ohne Pestizide auskommt . Machen Sie endlich etwas da-
für .
Danke schön .
Das Wort hat der Kollege Waldemar Westermayer für
die CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! WerteKolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute ge-meinsam den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in unse-rer Landwirtschaft . Zunächst möchte ich festhalten, dassunsere Lebensmittel niemals zuvor so sicher, bezahlbarund vielfältig waren .
Beim Thema Pflanzenschutz sind die Verbraucher aberzu Recht sehr sensibel . Deshalb sollten wir uns sachlichfundiert damit auseinandersetzen . Zu diesem sachlichfundierten Umgang gehört für mich aber auch, dass wirauf Basis gesicherter Erkenntnisse argumentieren . Die-sem Anspruch werden Ihr Antrag und auch Ihre Rede,Herr Hofreiter, leider nicht gerecht .Übrigens, der Betrieb meines Sohnes befindet sich ge-rade in der Phase der Umstellung auf Ökolandbau . Dasmöchte ich auch einmal erwähnen .
Ich selber habe 40 Jahre lang den Betrieb geführt, habeeinige Jahre das Modell MEKA, das übrigens in Ba-den-Württemberg von einer CDU-Regierung ins Lebengerufen wurde, genutzt und über Jahrzehnte keine Pflan-zenschutzmittel eingesetzt .
Sie behaupten, dass in Deutschland Jahr für Jahr mehrPflanzenschutzmittel eingesetzt werden, und stellen ei-Harald Ebner
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nen direkten Zusammenhang zwischen den Gewinnender Hersteller und Gesundheitsgefahren für die Men-schen her . So ist das falsch . Zum einen geben die Zahlenden von Ihnen beschriebenen Trend nicht her; denn derAbsatz der Wirkstoffe – darum geht es im Kern – ist seit2011 ungefähr konstant geblieben . Zwischendurch istder Absatz sogar leicht gesunken . Sie, Herr Hofreiter, ha-ben vorhin von 100 000 Tonnen gesprochen . Dazu mussman sagen: 44 000 Tonnen entfallen auf den Wirkstoff,das andere sind Füllstoffe . Im europaweiten Vergleichder Zahlen liegt Deutschland nach Daten von Euro statbeim Verkauf von Pflanzenschutzmitteln pro Hektarlandwirtschaftlicher Nutzfläche sogar leicht unter demEU-Durchschnitt .Irreführend und populistisch finde ich zum anderenauch Ihre Gegenüberstellung von Gewinnen der Herstel-ler auf der einen Seite und Gesundheitsgefahren für denMenschen auf der anderen Seite . Sie legen damit ganzbewusst nahe, dass hier ein Zusammenhang besteht, undwollen damit das Bild einer menschenverachtenden In-dustrie zeichnen . Das hat aus meiner Sicht nichts mehrmit seriöser Politik zu tun . Schließlich stellen diese Un-ternehmen Wirkstoffe her, die – das sage ich ganz be-wusst – nach unabhängigen wissenschaftlichen Unter-suchungen mit hohem Sachverstand zugelassen wurden .An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich sagen: Ich bindavon überzeugt, dass wir einen solchen unabhängigenSachverstand im Bundesamt für Verbraucherschutz undLebensmittelsicherheit und im Bundesinstitut für Risiko-bewertung haben .
Insbesondere wird die nationale Zulassung durch dasBVL internationalen Standards gerecht, vor allem auchdurch die intensive Zusammenarbeit mit dem Juli-us-Kühn-Institut und dem Umweltbundesamt . Vor die-sem Hintergrund kann ich die Fundamentalkritik am Zu-lassungsverfahren in Ihrem Antrag nicht nachvollziehen .Nach meiner Auffassung setzt Ihr Antrag im Kern denfalschen Schwerpunkt . Sie fordern primär ein Programmzur Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmittelnmit dem Ziel des vollkommenen Verzichts auf diese Mit-tel . Unabhängig davon, dass Sie damit den erheblichengesamtgesellschaftlichen Nutzen von Pflanzenschutzmit-teln außer Acht lassen, bringt eine pauschale Reduktionerst mal gar nichts . Gute und nachhaltige Agrarpolitikbemisst sich nämlich nicht isoliert nach der bloßen Men-ge der eingesetzten Pflanzenschutzmittel. Sonst würdeein risikoreicheres Mittel, das schon in geringen Mengenwirkt, besser bewertet werden als ein risikoärmeres miteiner höheren Wirkungsschwelle . Das kann deshalb nichtunser Ansatz sein .Entscheidend ist vielmehr, dass man sich die Eigen-schaften der eingesetzten Stoffe genau anschaut, eventu-elle Risiken identifiziert und dementsprechend Maßnah-men trifft . Letztlich ist demnach keine Mengen-, sonderneine Risikoreduktion entscheidend . Das ist aus meinerSicht der nachhaltige und dem Vorsorgeprinzip entspre-chende Ansatz, den wir verfolgen sollten .Ausdrücklich möchte ich in diesem Zusammenhangauch auf die Untersuchung der WHO hinsichtlich Gly-phosat eingehen . Der vermeintliche Gegensatz zwischendem Ergebnis der WHO und dem Ergebnis des BfR undder klaren Mehrheit der Zulassungsbehörden ist schlichtim unterschiedlichen Ansatz der Untersuchung begrün-det . Die WHO hat in ihrer Betrachtung nämlich keineRisikobewertung im eigentlichen Sinn durchgeführt,sondern lediglich abstrakt und allgemein das potenzielleKrebsrisiko durch Glyphosat begutachtet . Das sagt je-doch erst einmal nichts über das tatsächliche Risiko fürden einzelnen Bürger aus, welches maßgeblich für dieZulassung ist . Ich ziehe daraus für mich den Schluss,dass wir vor allem in der Forschung weiter vorankom-men müssen . Hierfür übernimmt die Bundesregierung inihrem Aktionsplan auch einiges, vor allem mit der Natio-nalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 .Außerdem wird die Bundesregierung ihrem Anspruchan eine nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmit-teln auch international gerecht . So betreibt das Bundes-ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung – in diesem Ausschuss bin ich auch ver-treten – zusammen mit der GIZ in EntwicklungsländernResistenzforschung und bildet Bauern vor Ort in der An-wendung des integrierten Pflanzenschutzes aus. Außer-dem wird die Anwendung von Nachhaltigkeitsstandardsbeim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Zusammen-arbeit mit der Privatwirtschaft gefördert, zum Beispielin einem regionalen Projekt zur Baumwollproduktion inAfrika . Das zeigt den ganzheitlichen Ansatz, den wir beiunserer Pflanzenschutzstrategie verfolgen, und beweist,dass wir in der Sache auf einem guten Weg sind . Dennwer eine Welt ohne Hunger will, kann nicht auf Pflan-zenschutzmittel verzichten . Deshalb ist Ihr Antrag abzu-lehnen .Herzlichen Dank .
Der Kollege Carsten Träger hat für die SPD-Fraktion
das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Mitt-woch fand im Umweltausschuss eine Anhörung zum Ver-lust der Artenvielfalt bei Insekten statt . Das mag von demeinen oder anderen belächelt werden: Wen interessierenschon ein paar Mücken mehr oder weniger? Ich sage Ih-nen: Mir ist das Schmunzeln vergangen . In der Anhörungzeigten alle Sachverständigen die Dramatik des Arten-sterbens auf, hier in Deutschland, in unserer Heimat, vorunserer Haustür . In manchen Teilen Deutschlands ist dieZahl der Fluginsekten um 80 Prozent zurückgegangen,das ist der Anteil der Individuen, die verloren sind .Das Aussterben von Arten hat ein unerkanntes Aus-maß erreicht . Mehr als 20 Prozent der Großschmetterlin-Waldemar Westermayer
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ge – das haben Messungen an den jeweiligen Standortenergeben – sind verloren . Diese Arten sind in Deutschlandausgestorben . Kann uns das kaltlassen?
Der Verlust der Arten ist nicht nur bedrohlich, weil sieein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette sind . Weni-ger Insekten bedeuten auch weniger Futter, zum Beispielfür Jungvögel . Der Verlust der Insekten ist nicht nur be-drohlich, weil sie verantwortlich sind für das Bestäubeneines Großteils der Pflanzen. Alle reden über Bienen,aber die Wahrheit ist: Nicht nur die Bienen sind für dieBestäubung zuständig . Der Verlust der Insekten ist auchbedrohlich, weil sie Frühindikatoren für den Zustand un-seres Lebensumfeldes sind . Kann uns das kaltlassen?Liebe Kolleginnen und Kollegen, werfen wir doch ge-rade anlässlich der Grünen Woche einen Blick auf dieGründe . Alle Experten in der Anhörung vermuten Neo-nikotinoide als Hauptursache für das Massensterben .Das sind Pestizide, die seit Mitte der 90er-Jahre in derLandwirtschaft eingesetzt werden . Seit es sie gibt, hat dieGeschwindigkeit des Sterbens von Insekten dramatischzugenommen . Und, seien wir ehrlich: So ganz überra-schend ist der Befund nicht; dafür sind sie schließlich da,die Neoniks . Landen sie in unserer Nahrung, mit Folgenfür unsere Gesundheit? Wer kann das mit Sicherheit aus-schließen?Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns muss daran ge-legen sein, den Einsatz von Pestiziden zu verringern .
Jeder Zustandsbericht zur Lage der Natur zeigt es immerwieder: Der Indikator für Artenvielfalt gerade im Agrar-land hat sich deutlich verschlechtert . Er ist auf den bishertiefsten Wert gesunken, und er ist weiter vom Zielwertentfernt als alle anderen Indikatoren .Die Landwirtschaft erhält in großem Umfang Agrar-subventionen aus Steuermitteln . Die daran geknüpftenUmweltanforderungen sind allerdings wenig anspruchs-voll und können am negativen Trend nichts ändern . Ichunterstütze daher ausdrücklich unsere Umweltministe-rin Barbara Hendricks bei ihrer Naturschutzoffensivefür eine Umgestaltung dieser Landwirtschaftssubven-tionen .
Es muss das Prinzip gelten: öffentliche Mittel für öffent-liche Leistungen .Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr dafür, dass wirunsere Landwirte kräftig unterstützen . Ich bin aber auchdafür, dass wir unsere Unterstützung an Leistungen fürden Naturschutz knüpfen .
Wenn nicht mit Rücksicht auf Umwelt und Natur be-wirtschaftet wird, sollten die Subventionen nicht mehrfließen. Das wird nicht von heute auf morgen gehen;gleichwohl müssen wir uns auf den Weg machen; dennder Verlust der Artenvielfalt kann uns nicht kaltlassen .Vielen Dank .
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
Thomas Mahlberg das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hofreiter, ichmuss sagen: Sie sind wirklich sehr konsequent gewesen .Sie haben genau das getan, was man von Ihnen erwartethat . Sie wollen den Markenkern, den Sie für Ihre Parteientwickeln, Angstpolitik zu machen und Panik zu ver-breiten, auch mit diesem Antrag heute umsetzen . Ichkann Ihnen sagen: Das ist Ihnen nicht gelungen .
Sie haben in Ihrer Rede angesprochen, wie es in deneinzelnen Bundesländern aussieht . Sie haben die Bun-desländer wegen der Kontrollen gelobt . Ich bitte Sie, zurKenntnis zu nehmen, dass wir gestern über den Tickereine Meldung aus Mecklenburg-Vorpommern zu IhremLieblingsthema Glyphosat erhalten haben:Ministerium: Keine Glyphosatrückstände in Le-bensmitteln aus MV . . . in keiner der 135 Proben eine Überschreitung desGrenzwertes nachgewiesen .
Untersucht wurden den Angaben zufolge frischesObst wie Äpfel . . .Und so weiter . Das sind genau die Äpfel, die Sie ebenangesprochen haben .
Ich frage Sie: Was für Geschichten erzählen Sie eigent-lich hier im Parlament?
Das ist genau der Punkt . Wir sprechen über Grenzwer-te, die natürlich sinnvoll sind und zur Sicherung unsererBevölkerung festgelegt werden, und Sie sagen: WennCarsten Träger
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man etwas findet, dann ist das per se schlecht und mussraus .
Gut ist, Herr Hofreiter, dass nicht nur wir erkennen,was Sie hier machen, sondern mittlerweile auch andereLeute Ihnen auf die Schliche kommen, auch die Leute,die das, was Sie machen, transportieren sollen .
So hat zum Beispiel Der Tagesspiegel im September letz-ten Jahres einen Kommentar mit der Überschrift „Gly-phosat: Wie groß ist die Gefahr?“ veröffentlicht . Im Tea-ser kann man lesen:Glyphosat in der Muttermilch? Eine höchst zweifel-hafte Annahme . Bei der Bewertung von Pestizidensollte Sachlichkeit der Maßstab sein .Herr Hofreiter, es geht um Sachlichkeit . Dieser Kom-mentar bezieht sich auf eine – das kann man nur in ganzdicken Anführungszeichen sagen – „Studie“, die im Auf-trag Ihrer Fraktion, der Fraktion der Grünen, bei stillen-den Müttern durchgeführt wurde .
Sich auf die Ergebnisse dieser Studie stützend, riefIhre Kollegin Bärbel Höhn – sie sitzt ja da; sie ist einesehr geschätzte Kollegin; wir waren früher ja zusammenim Landtag von Nordrhein-Westfalen – der Bundesregie-rung zu:Die Bundesregierung muss Glyphosat aus dem Ver-kehr ziehen .Was können wir in dem Artikel weiter lesen? Ich zitieredas einmal:Aber die Grünen verschwiegen nicht nur, dass diegefundenen Glyphosat-Mengen weit unterhalb derSchadensschwelle lagen . Schlimmer noch, das ver-wendete Testverfahren war gar nicht für Mutter-milch geeignet, die Ergebnisse daher unbrauchbar .Deshalb kann ich nur sagen, im Klartext: Das war großerMurks, was Sie da veranstaltet haben .
Kollege Mahlberg, gestatten Sie eine Frage oder Be-
merkung der Kollegin Höhn?
Natürlich .
Herr Kollege Mahlberg, Glyphosat ist seit langer Zeit
auf dem Markt . Es braucht eine gewisse Zeit, um Test-
verfahren zu evaluieren . Warum hat die Bundesregie-
rung mittlerweile nicht dafür gesorgt, dass wir evaluierte
Testverfahren haben, auch für Milch? Auch wir Grüne
müssen diese Tests machen, um die Bundesregierung
dazu zu treiben, endlich dafür zu sorgen, dass diese Tests
gemacht werden und die Tests evaluiert sind, sodass wir
diese Diskussion nicht mehr führen müssen . Warum?
Wir machen auf ein Problem aufmerksam, aber Sie ver-
hindern die Lösung, die wir brauchen, um hier objektive
Fakten auf den Tisch legen zu können . Deshalb: Handeln
Sie endlich im Interesse der Verbraucher, und reden Sie
hier nicht so rum .
Frau Kollegin Höhn, umgekehrt wird ein Schuh da-raus. Sie erfinden Testverfahren, die nicht geeignet sind,weil Sie bestimmte Ergebnisse erzielen wollen .
Sie wollen ja nicht wirklich Ergebnisse haben, sondernSie wollen Ergebnisse finden, mit denen Sie Ihre Angst-politik weiter betreiben können .
An der Stelle sind Sie sich nicht zu schade, Äpfel undBirnen miteinander zu vergleichen . Wie gesagt, auchJournalisten kommen Ihnen hier auf die Schliche .
– Habe ich .
Ich darf Ihnen auch verraten, wie der Artikel wei-tergeht; er ist sehr spannend . Ich stelle ihn Ihnen gernezur Verfügung . Da ist dann von den hanebüchenen Test-ergebnissen und vor allen Dingen von der ungerecht-fertigten Panikmache unter Müttern die Rede . Der Ta-gesspiegel-Kommentator unterstellt Ihnen sogar, liebeKolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Grünen,dass die Angstmacherei am Ende sogar Sinn der gan-zen Sache war . Soll ich Ihnen etwas sagen? Er trifft insSchwarze . Genau das ist hier der Fall . Sie haben es heutewieder unter Beweis gestellt .
Ich weiß nicht, ob Ihnen diese Sache nicht schon pein-lich genug ist, aber ich kann gerne noch andere Beispie-le bringen . In dem Antrag, den Sie heute gestellt haben,entlarven Sie sich selbst auch mit Ergebnissen einer wei-teren Studie . In dem Fall geht es um Stichproben zumGlyphosat-Gehalt im Urin von Stadtbewohnern . Diese –Sie nennen das so – wissenschaftliche Arbeit wurde vonder renommierten und bestimmt weltweit anerkanntenForschungseinrichtung BUND – das ist nicht der Bund,sondern der Bund für Umwelt und Naturschutz – durch-Thomas Mahlberg
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geführt . Es ist bestimmt eine sehr renommierte For-schungseinrichtung .
Die Exzellenz der wissenschaftlichen Leistung, die hiererbracht worden ist, wurde, wie ich meine, vom Rhei-nisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung zuRecht erkannt und mit dem Titel „Unstatistik des Mo-nats“ prämiert . Das sind die Quellen, auf die Sie sichberufen .
Das Institut, das Mitglied in der Leibniz-Gemeinschaftund vom Bund und den Ländern finanziert wird, ordnetdie Studie als „groben statistischen Unfug“ ein .In Ihrem Antrag bieten Sie, wie ich finde, noch mehrPeinlichkeiten . Gleich auf der ersten Seite Ihres Antragsbeziehen Sie sich angeblich auf die Daten des Bundes-amtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher-heit aus dem Jahr 2013 . Laut Ihrer Aussage wurde bei106 Proben eine Überschreitung der Rückstandshöchst-gehalte festgestellt . Ich weiß nicht, woher Sie die Zahlenhaben. Ich finde die da nicht. Wenn man in die Natio-nale Berichterstattung „Pflanzenschutzmittelrückständein Lebensmitteln“ aus dem Jahr 2013 schaut, sieht man,dass es diese Zahl dort gar nicht gibt . Man kann in demBericht hingegen andere Zahlen finden. Das sind eigent-lich die interessanten . Aber ich verstehe, dass Sie diesenicht nennen; denn sie passen nicht in die Panikmache,die Sie betreiben .Aber ich spiele an dieser Stelle gerne einmal denSpielverderber und darf vielleicht aus dem Bericht desBundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi-cherheit die Ergebnisse der in Deutschland im Jahr 2013an Lebensmitteln erfolgten Untersuchungen auf Pflanzen-schutzmittelrückstände zusammenfassen . Da heißt es:So traten im Jahr 2013 bei insgesamt 1,1 % der be-probten Erzeugnisse . . . aus Deutschland . . . Über-schreitungen der geltenden Rückstandhöchstgehalteauf . . . So wurden im Berichtsjahr 0,6 % der unter-suchten deutschen . . . Erzeugnisse . . . aufgrund vonRückstandshöchstgehaltsüberschreitungen bean-standet .Das ist eine Quote von 0,6 Prozent bei 17 000 Proben .Selbstverständlich gilt auch der Grundsatz, dass natür-lich nicht alles gesundheitsgefährdend ist, was da auf denTisch kommt . Darauf weist das BVL in der Studie natür-lich explizit hin . Ich glaube auch nicht, dass wir an dieserStelle einen Dissens haben . Deshalb frage ich Sie, HerrHofreiter, einmal ganz persönlich, warum Sie hier dieseganze Panikmache und Irreführung betreiben . Ihnen gehtes doch eigentlich nur um einen parteipolitisch ideologi-schen Ansatz . Sie wollen im Grunde schon Wahlkampfbetreiben und bereiten so zum Beispiel Ihre Konferenzam morgigen Tag vor . Das ist doch eigentlich das Ziel,das Sie hier haben, oder nicht?
Immer getreu dem Motto: Falsche Dinge lange genug be-haupten, dann bleibt schon etwas hängen, dann wird esan irgendeiner Stelle entsprechend transportiert .
Es mag Ihnen nicht gefallen, aber Sie sollten endlicheinmal einsehen, dass unsere Lebensmittel so sicher sindwie nie zuvor . Die Kolleginnen und Kollegen haben inihren Beiträgen schon darauf hingewiesen . Die Bundes-bürger haben – auch wenn Ihnen das nicht passt – einganz hohes Vertrauen in die heimische Landwirtschaftund unsere Erzeugnisse .
Laut dem Ernährungsreport 2016, der auch Ihnen vor-liegt, also einer repräsentativen Umfrage im Auftrag un-seres Landwirtschaftsministeriums, sagen 77 Prozent derbefragten Bürger mehrheitlich, dass Lebensmittel sehrsicher sind. Ich finde, mit Ihren Diffamierungskampag-nen und der Angstmacherei, die Sie betreiben, zerstörenSie doch gerade das Vertrauen in unsere sicheren Lebens-mittel . Das darf doch nicht wahr sein, was Sie hier imParlament betreiben .Das Schlimme ist: Wir haben wissenschaftliche Ins-titute, wir haben Behörden, wir haben das BfR und dieEFSA . Mit den Studien, die Sie machen, ziehen Sie dieseriöse Arbeit genau dieser Institutionen in Zweifel . Eskann doch nicht wahr sein, dass man versucht, Politik aufPanikmache aufzubauen . Im Prinzip machen Sie nichtsanderes, als unsere Landwirte und Landwirtinnen zu ent-mündigen .
Sie haben es ja gehört: Da wird mit großer Sachkundeund mit ganz großem Verantwortungsbewusstsein vorge-gangen – Sie haben es auch gerade von meinem Kolle-gen Westermayer noch einmal gehört, wie es in seinemBetrieb gelaufen ist: mit großer Sachkunde wird das ge-macht –, und Sie sprechen hier immer von „Ackergif-ten“; dabei geht man – so sage ich einmal – sehr dosiertmit Pflanzenschutzmitteln um.
Ich könnte jetzt noch etwas zum Nationalen Aktions-plan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutz-mitteln sagen; ich glaube aber, darüber ist schon gespro-chen worden . Ich kann nur sagen: Der richtige Ansatz istnatürlich Risikominderung; in diesem Punkt sind wir unsja einig . Das kann auch etwas mit Mengenminderung zutun haben, aber Risikominderung ist der entscheidendePunkt . Notwendigkeiten zu erkennen und Risiken zu mi-nimieren, muss im Grunde das sein, was wir tun müssen .Herr Hofreiter, ich empfehle Ihnen einfach einmal, ei-nen Grundkurs beim BfR zu machen . Dann werden Siewahrscheinlich die eine oder andere Notwendigkeit andieser Stelle auch einsehen .Zum Schluss will ich Ihnen noch verraten –Thomas Mahlberg
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Herr Kollege Mahlberg, achten Sie bitte auf die Zeit!
– ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin –, was noch im
Kommentar des Tagesspiegels zu Ihren Angstkampagnen
steht . Der Artikel endet nämlich folgendermaßen: „Jetzt
muss sich nur noch die Vernunft durchsetzen .“
Vernünftig wäre es, wie gesagt, mal einen Grundkurs zu
belegen .
Wir sprachen gestern über Wahrheit und Klarheit beim
Deutschen Lebensmittelbuch. Wahr ist, wie ich finde: Ihr
Antrag ist unterirdisch . Und klar ist: Hier im Haus wird
Ihr Antrag gar nicht gebraucht .
Danke schön .
Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Elvira
Drobinski-Weiß das Wort .
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über dieGefahren von Pestiziden und Glyphosat diskutieren, fälltzwangsläufig ja auch immer wieder der Name des Bun-desinstituts für Risikobewertung .Der aktuelle Verbrauchermonitor, den das Bundes-institut regelmäßig erstellt, hat mir dabei für die Debattewichtige Erkenntnisse geliefert, nämlich dass beispiels-weise 65 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürgersich wegen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln umdie Sicherheit von Lebensmitteln sorgen . Und ihre An-zahl ist in den vergangenen Jahren nicht gesunken, son-dern gestiegen .
Über die Hälfte aller Befragten wünscht sich, dass derStaat mehr konkrete Maßnahmen wie Verbote und Be-schränkungen ergreift, um sie, nämlich die Verbrauche-rinnen und Verbraucher, vor gesundheitlichen Risiken zuschützen . Ich kann diese Bedenken sehr gut nachvollzie-hen. Pestizide finden sich in Milch, in Brötchen und immenschlichen Urin wieder . Gesund kann das nicht sein .
Der Wirkstoff Glyphosat gehört unter den Pflanzen-giften inzwischen zu den bekanntesten seiner Art . Behör-den auf allen Ebenen streiten sich mit Wissenschaftlernund Wissenschaftlerinnen aus allen Ländern darüber, obGlyphosat „krebserregend“, „wahrscheinlich krebserre-gend“ oder „gesundheitlich unbedenklich“ ist . Ich binkeine Wissenschaftlerin . Ich muss mich auf die fachlicheBeurteilung durch Dritte verlassen . Wenn ich aber höre,dass kritische, unabhängige Studien wegen fehlenderFormalitäten bei der Risikobewertung einfach ignoriertwerden, kommen mir doch erhebliche Zweifel an derGlaubwürdigkeit dieser Beurteilungen .
Demgegenüber stehen die eindringlichen Warnungenvon Experten und Expertinnen, die anmahnen, den Ein-satz von Glyphosat deutlich einzuschränken bzw . zu ver-bieten . Nicht zuletzt durch den Streit in der Wissenschafthat der Wirkstoff eine traurige Berühmtheit erlangt . Erwird auch weltweit am meisten genutzt . Regelmäßig er-reichen uns Berichte aus Brasilien, Argentinien und Indi-en, wo Glyphosat in großen Mengen verspritzt wird – mitunübersehbaren Folgen für die Anwohner und für die Ar-beiterinnen und Arbeiter auf den Feldern .Der Handel hat bereits auf diese Bilder reagiert undentsprechend den Wünschen seiner Kunden gehandelt .Die großen Baumarktketten beispielsweise haben sichdazu entschlossen, Glyphosat nicht mehr zum Kauf an-zubieten . Das gilt auch für deren Onlinehandel . Ich be-grüße es außerordentlich, dass die Unternehmen in dieserSache so verantwortungsbewusst handeln . Auch in ihremInteresse kann es daher nur sein, wenn wir zügig eineRegelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt:
Für den privaten Gebrauch sollte Glyphosat nicht mehrfrei erhältlich sein .
Die SPD wird sich deshalb für ein Verbot im Bereich vonHaus- und Kleingärten und auch im kommunalen Be-reich einsetzen .
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Denn dort, wo Menschen unmittelbar mit dem Gift inBerührung kommen, ist das gesundheitliche Risiko be-sonders groß .
Ich bin mir sicher, dass auch Eltern nicht wollen, dassihre Kinder auf Spielplätzen, in öffentlichen Parks undGärten spielen, also da, wo das Gift dann auch ange-wendet wird, egal in welchen Mengen . Nach wie vor binich auch davon überzeugt, dass die Landwirtschaft ohneGlyphosat auskommen kann .
Hier müssen wir nur die Anwendung konsequent redu-zieren, Schritt für Schritt, aber mit dem Ausstieg als kla-rem Ziel vor Augen .
In der Tat können wir auf nationaler Ebene nur zueinem kleinen Teil zur Lösung beitragen, insbesonderewenn es um die Lebensmittelsicherheit geht . Doch wirsollten als gutes Beispiel vorangehen . Von unseren hohenLebensmittelstandards haben wir bis jetzt noch immerprofitiert.Herzlichen Dank .
Ich schließe die Aussprache .Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 18/7240 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein-verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisungso beschlossen .Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Um-setzung der Richtlinie 2014/26/EU über diekollektive Wahrnehmung von Urheber- undverwandten Schutzrechten und die Vergabe vonMehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwer-ken für die Online-Nutzung im Binnenmarktsowie zur Änderung des Verfahrens betreffenddie Geräte- und Speichermedienvergütung
Drucksache 18/7223Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss Digitale AgendaNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .Ich bitte, die offensichtlich notwendigen Umgruppie-rungen in den Fraktionen zügig vorzunehmen und dieGesprächsrunden aus dem Plenum nach draußen zu ver-lagern .Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Bundes-minister der Justiz, Heiko Maas .
Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-braucherschutz:Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Das Urheberrecht ist in Bewegung . Heuteberaten wir zu diesem Thema hier im Parlament das erstegroße Gesetzgebungsverfahren in dieser Legislaturperio-de, nämlich das neue Recht der Verwertungsgesellschaf-ten . Der Anstoß dazu kam aus Brüssel . Wir setzen eineRichtlinie um, die das Recht der Verwertungsgesellschaf-ten europaweit harmonieren soll . Unser altes deutschesUrheberrechtswahrnehmungsgesetz wird damit abgelöst .Es hat immerhin fünf Jahrzehnte die Spielregeln vonGEMA, VG WORT und anderen Verwertungsgesell-schaften bestimmt .Meine Damen und Herren, wir machen mit diesemGesetz nicht alles anders, aber wir machen, wie wir fin-den, vieles besser . Ich will drei Punkte herausheben .Erstens . Wir stärken die Mitbestimmung . Unser Ge-setzentwurf enthält neue Kompetenzen und Verfahren,die dafür sorgen, dass alle Mitglieder und Berechtigtenin ihrer Verwertungsgesellschaft mitreden und auch mi-tentscheiden können .Zweitens . Wir passen das Recht an das digitale Zeital-ter an . Wir regeln die gebietsübergreifende Vergabe vonMusikrechten neu . Das ist für Onlinemusikangebote er-forderlich, etwa für Streaming-Dienste wie Spotify oderauch andere .Drittens . Wir reformieren die sogenannte Vergütungder Privatkopie . Um das Verfahren zur Festsetzung derTarife effizienter zu machen, führen wir unter anderemein Schiedsstellenverfahren ein . Wir sorgen so dafür,dass Autoren und Verlage in Zukunft schneller an ihrGeld kommen werden . Das schafft auch und vor allenDingen mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen . Siekönnen künftig wesentlich besser einplanen, welche Ver-gütungskosten noch auf sie zukommen werden .Außerdem schützen wir die Kreativen besser vorAusfallrisiken . Wir sichern sie dadurch ab, dass dieSchiedsstelle künftig eine Sicherheitsleistung für ihreVergütungsansprüche anordnen kann, etwa in Form einerBankbürgschaft .Bewährte Grundsätze behalten wir aber bei . So wird esbei diesem Gesetzentwurf in der Sache auch einen hohenWiederkennungswert geben . Verwertungsgesellschaftensind auch in Zukunft dazu verpflichtet, Nutzungsrechtezu angemessenen Bedingungen einzuräumen . Es bleibtalso beim Wahrnehmungs- und Abschlusszwang . Esbleibt auch bei der Erlaubnispflicht für Verwertungsge-sellschaften, und schließlich werden die Verwertungs-gesellschaften auch in Zukunft weit mehr sein als derElvira Drobinski-Weiß
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Treuhänder der Rechteinhaber . Es geht eben nicht nurum Tantiemen, sondern auch um den Wert kreativerLeistungen für unsere Kulturgesellschaft . Deshalb wirdes auch weiter Aufgabe der Verwertungsgesellschaftensein, Künstlerinnen und Künstler zu fördern und zu un-terstützen – auch wenn sie etwa in einer Schaffenskrisein Not geraten sind .Das sind die wesentlichen Aspekte dieses Gesetzent-wurfs . Ich kann aber auch ankündigen, dass unsere Ar-beiten am Urheberrecht weitergehen werden .Der nächste Gesetzentwurf, den wir hier schon baldzur Beratung und zur Entscheidung vorstellen möchten,betrifft das Urhebervertragsrecht . Wir wollen damit ins-besondere den gesetzlichen Anspruch auf eine angemes-sene Vergütung für kreative Leistungen stärken und gel-tendes Recht besser durchsetzbar machen .
Wir arbeiten außerdem an einem Gesetzentwurf zurBildungs- und Wissenschaftsschranke, damit Schulenund Unis die Chancen der Digitalisierung in Zukunftnoch stärker nutzen können .Schließlich geht auch – wie Ihnen nicht verborgengeblieben ist – die Arbeit in Brüssel weiter . Zuletzt hatuns das Reprobel-Urteil mit seinem Votum gegen eineBeteiligung der Verleger an der Privatkopievergütungdeutlich gemacht: In vielen Fragen des Urheberrechtsstellt heute der Europäische Gerichtshof die Weichen .Deshalb brauchen wir an vielen Stellen neue gesetzlicheRegeln, und wir werden uns in Brüssel dafür starkma-chen, dass auch in Zukunft Autoren und Verleger solcheVergütungsansprüche wahrnehmen können . Ich halte dasfür die weitaus bessere Lösung .
Zudem geht es darum, dass wir auf nationaler, aberauch auf europäischer Ebene dafür sorgen müssen, dassin Zukunft nicht die Gerichte, sondern die gewähltendemokratischen Parlamente weiterhin die Regeln desUrheberrechtes bestimmen . Deshalb gibt es an vielenStellen des Urheberrechtes, das teilweise vor Jahrzehn-ten beschlossen worden ist und das die Dynamik dertechnischen Entwicklung in der digitalisierten Welt häu-fig nicht widerspiegelt, Veränderungsbedarf. Dem wollenwir uns stellen .Schönen Dank .
Das Wort hat der Kollege Harald Petzold für die Frak-
tion Die Linke .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer aufden Tribünen! Die Präsidentin hat uns das Wortungetümdes Gesetzentwurfs der Bundesregierung, den wir heutehier verhandeln, vorgelesen . Die kurze Überschrift lautet„Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie“ .Verwertungsgesellschaften erfreuen sich nicht geradegrößter Beliebtheit in der Gesellschaft . Gerade die jungenZuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen werdensich möglicherweise an den frustrierenden Moment erin-nern, als sie vor dem Bildschirm ihres Computers geses-sen haben, weil sie sich auf YouTube einen Titel anhö-ren oder ihn vielleicht sogar herunterladen wollten, undnur eine schwarze Fläche zu sehen war, weil die GEMAerklärt hat, dass die Rechte dafür in Deutschland nichtgeklärt wären .Aber auch Personen meines Jahrgangs hier im Saalwerden sich möglicherweise daran erinnern, dass sie alsMitglied des Fördervereins einer Kita oder einer Schuleoder als Mitglied einer Willkommensinitiative versuchthaben, ein Weihnachtskonzert, ein Benefizkonzert odereine andere Kulturveranstaltung zu organisieren, und er-leben mussten, dass im Finanzplan der Veranstaltung derPosten „GEMA-Gebühren“ einen nicht ganz unerheb-lichen Finanzbetrag von ihnen einforderte, obwohl sieeigentlich einen guten Zweck verfolgt haben; dennochmussten sie dafür löhnen .Insofern erfreuen sich Verwertungsgesellschaftennicht unbedingt großer Beliebtheit . Sie sind aber einesehr wichtige und eigentlich auch eine gute Institution,weil sie gerade angesichts der Tatsache, dass wir uns imInternetzeitalter befinden und es weltweite Vertriebs-möglichkeiten von Musik- und Kunstprodukten gibt,dafür sorgen, dass Komponistinnen und Komponisten,Textdichterinnen und Textdichter, Fotografinnen undFotografen, bildende Künstlerinnen und Künstler so-wie Autorinnen und Autoren ihr Geld nicht einzeln beiden Verwerterinnen und Verwertern einfordern müssen,sondern das kollektiv über eine Organisation betreibenkönnen .Insofern ist meine Fraktion, die Linke, sehr dafür, dassVerwertungsgesellschaften gut reguliert werden und or-dentlich arbeiten können . Wir haben bereits in der ver-gangenen Legislaturperiode dazu einen Antrag vorgelegtund einen Gesetzentwurf eingefordert . In dem Antraghaben wir eine ganze Reihe von Kriterien genannt, dieinzwischen auch in die Regelungen der EuropäischenKommission eingeflossen sind und die jetzt hier umge-setzt werden sollen . Insofern sind sie natürlich von derBundesregierung aufgegriffen worden und finden sich imGesetzentwurf wieder .Gleichzeitig muss ich sagen: Wenn ich mir den Ge-setzentwurf, den die Bundesregierung hier vorlegt, insge-samt angucke, erinnert er mich eher an die EchternacherSpringprozession; denn es werden drei Schritte nachvorn und zwei zurück gemacht, oder, um in Richtung derKolleginnen und Kollegen von der SPD mit dem Ihnenbekannten Schriftsteller Günter Grass zu sprechen: „DerFortschritt ist eine Schnecke“ .Bundesminister Heiko Maas
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Was in aller Welt hat Sie denn daran gehindert, fürmehr Binnendemokratie in den Verwertungsgesellschaf-ten zu sorgen?
Was hat Sie denn dazu bewogen, ein Aufsichtsmodell zuwählen, das aus den 60er-Jahren stammt,
und das Deutsche Patent- und Markenamt für die Auf-sicht sorgen zu lassen?
Ich hatte bereits in der Befragung der Bundesregierungim November vergangenen Jahres angefragt, wie dieBundesregierung das gestalten will . Die Antwort ließnichts Gutes erahnen . Warum wurde das Deutsche Pa-tent- und Markenamt als Aufsicht für diese Verwertungs-gesellschaften ausgewählt?
Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn ein Konzert or-ganisiert wird und dann die GEMA-Gebühr bezahlt wer-den soll, richtet sich der Beitrag nach einem vom Deut-schen Patent- und Markenamt genehmigten Tarif . Aberdas Deutsche Patent- und Markenamt hat nicht die Spureiner Ahnung davon, wer beispielsweise Organisator sol-cher Konzerte sein und welche Interessen dieser habenkann . Wenn beispielsweise ein Konzert zu einem gutenZweck bzw. ein Benefizkonzert organisiert werden soll,ist es eigentlich nicht sinnvoll, die Veranstalter in einemso hohen Maße zur Kasse zu bitten .Genauso könnte ich Sie fragen: Was hat Sie dazubewogen, dieses kastenähnliche binnendemokratischeMitbestimmungsmodell aus den 60er-Jahren in dem Ge-setzentwurf weiter fortzuführen, das nur Mitgliedern –insofern stimmt es nicht ganz, was Sie hier vorgetragenhaben – in den Verwertungsgesellschaften eine tatsächli-che Mitbestimmung sichert?Das alles ist nicht zielführend, weil es dazu führt, dassbeispielsweise, wenn die Gewinne oder die Einnahmender Verwertungsgesellschaften an die Beteiligten aus-geschüttet werden, vor allen Dingen die Großverdienerbevorzugt werden und gerade kleinere, finanzschwäche-re Kreative, die eigentlich viel mehr darauf angewiesenwären, dass sie von den Einnahmen profitieren, benach-teiligt werden .All dies sind Dinge, die wir dringend noch korrigierenmüssen . Insofern freue ich mich auf die parlamentarischeDebatte zu diesem Gesetzentwurf .Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit .
Der Kollege Dr . Stefan Heck hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren!Dieses Video ist in Deutschland nicht verfügbar, daes möglicherweise Musik enthält, für die die erfor-derlichen Musikrechte von der GEMA nicht einge-räumt wurden .Diesen Satz kennt wohl – Herr Kollege Petzold, auchSie haben es angesprochen – jeder YouTube-Nutzer .Vielleicht haben auch Sie sich schon einmal darüber ge-ärgert, dass, wenn Sie ein solches Video aufgerufen hat-ten, ein schwarzer Bildschirm mit einem traurigen rotenGesicht erschien . Das macht deutlich, dass Urheberrechtzwar manchmal, aber nicht immer Spaß macht . Vor allemist es verwirrend, dass manche Inhalte zwar in einigenLändern verfügbar sind, in anderen wiederum nicht .Herr Minister, Sie haben es gesagt: Mit dem neuenVerwertungsgesellschaftengesetz lösen wir das alte Ur-heberrechtswahrnehmungsgesetz ab, das diesen Rechts-bereich über viele Jahrzehnte geregelt hat . Wir ändernaber nicht nur den Namen . Wir lösen auch eine ganzeReihe von Rechtsproblemen, die in der Vergangenheitaufgetreten sind, insbesondere das der länderübergreifen-den Rechtewahrnehmung . Wir setzen die Vorgaben derEU-Richtlinie um . Was uns ganz wichtig ist: Wir behal-ten dabei das hohe Urheberrechtsniveau in der Bundes-republik Deutschland bei, auf das wir zu Recht stolz seinkönnen, liebe Kolleginnen und Kollegen .
Das Urheberrecht, das sich schon begrifflich von demenglischen Copyright unterscheidet, stellt die wirtschaft-liche Grundlage kreativen Schaffens dar . Es entspringtdem Eigentumsrecht und dem Persönlichkeitsrecht desUrhebers . Er selbst steht im Mittelpunkt . Er selbst ent-scheidet darüber, was mit dem von ihm geschaffenenWerk am Ende geschieht . Die Verwertungsgesellschaf-ten, die im Mittelpunkt dieses Gesetzentwurfes stehen,unterstützen den kreativen Urheber, der nicht selten da-mit überfordert ist, seine Rechte selbst wahrzunehmenund durchzusetzen . Diese Aufgabe der Verwertungsge-sellschaften kann man gar nicht hoch genug einschätzen .Deswegen ist das Urheberrecht das Recht auf Eigentumim digitalen Zeitalter .Auch das ist schon angesprochen worden: Bei dergesamten Diskussion um das Urheberrecht in Deutsch-land, aber auch in Europa kommt den Verlagen eine ganzwichtige Rolle zu . Sie unterstützen den Urheber in seinerArbeit . Sie haben eine wichtige Aufgabe bei der Aus-wahl, Bearbeitung und Betreuung von Werken . Dass esin Deutschland ein so hohes Publikationsniveau gibt, istam Ende ein gemeinsames Verdienst von Urhebern aufder einen und Verlagen auf der anderen Seite .Harald Petzold
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Ich glaube, wir alle, die wir uns mit dem Urheberrechtbeschäftigen, haben in den letzten Wochen und Monatensehr aufmerksam die Rechtsprechung des EuropäischenGerichtshofs zu diesem Thema verfolgt; auch das istschon angesprochen worden . Das Urteil in der Rechts-sache Reprobel hat deutsche Verlage in eine schwierigeund teilweise existenzbedrohende Situation gebracht .Deswegen, finde ich, sollten wir heute das Signal sen-den: Wir lassen es nicht zu, dass die deutsche Verlags-landschaft von der europäischen Rechtsprechung quasiim Handstreich zerstört wird .
Die Harmonisierung des hohen Urheberrechtsstan-dards auf EU-Ebene hat für die Urheber, aber auch fürdie Nutzer sehr große Vorteile . Künftig gelten EU-weitdie gleichen Spielregeln . Für den gesamten EU-Raumwird nun die Möglichkeit bestehen, grenzübergreifendeLizenzen zu erhalten . Die Einholung von 27 Lizenzender Verwertungsgesellschaften aus 27 Mitgliedstaatenwird künftig der Vergangenheit angehören . Das wird hof-fentlich auch dazu führen, dass Sie bei YouTube den ein-gangs erwähnten Satz „Dieses Video ist in Ihrem Landnicht verfügbar“ auf Ihrem Bildschirm künftig nichtmehr so häufig lesen müssen.Für die Urheber bietet sich ein weiterer Vorteil . Esgibt nämlich einen größeren Wettbewerb bei den Ver-wertungsgesellschaften . Ihnen wird es ermöglicht, Ver-wertungsgesellschaften in anderen Mitgliedstaaten derEuropäischen Union mit der Wahrnehmung ihrer Rechtezu beauftragen .Aber wir bleiben als Koalition nicht bei dem stehen,was uns der europäische Normgeber vorgegeben hat .Wir haben uns im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, diekollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsge-sellschaften zu stärken und die Aufsicht darüber künftignoch effektiver zu gestalten . Dabei möchte ich ein Pro-blem ansprechen, das uns alle beschäftigt hat und dasauch zu vielen Diskussionen geführt hat .Es ist ein gravierendes Problem in der urheberrecht-lichen Praxis, dass das Verfahren zur Festsetzung dersogenannten Privatkopievergütung im Moment viel zulange dauert . Es gibt für Vervielfältigungsgeräte und fürSpeichermedien in weiten Teilen bislang keine wirksa-men Gesamtverträge . Das führt dazu, dass es auch kei-nerlei Zahlungen seitens der Vergütungsschuldner an dieKreativen und die Urheber gibt . Dadurch haben sich ganzbeträchtliche Vergütungsrückstände gebildet . Das ist fürdie Rechteinhaber mit erheblichen Belastungen verbun-den . Es besteht zudem ein zunehmendes Risiko, dass dieaufgelaufenen Ansprüche am Ende nicht mehr realisier-bar sind .Hier besteht dringender Verbesserungsbedarf . Des-halb haben wir in der Koalition verabredet, dass die Ver-handlungen und Streitigkeiten über die Höhe der Privat-kopievergütung künftig noch einfacher und effizientergestaltet werden sollen .Zur Sicherung der Vergütungsansprüche im laufendenVerhandlungsverfahren schaffen wir eine Hinterlegungs-pflicht. Verwertungsgesellschaften können künftig vonVergütungsschuldnern Sicherheitsleistungen verlangen,wenn noch keine Klarheit über den Tarif herrscht .Wir wollen dabei aber auch die Gerätehersteller nichtunangemessen benachteiligen . Deshalb sieht der Gesetz-entwurf vor, dass am Ende die Schiedsstelle als neutraleInstanz über die Höhe des zu hinterlegenden Beitragesentscheidet .Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurfsoll die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften trans-parenter und der Erwerb der Lizenzen künftig einfacherwerden – ein weiterer Schritt, um das Urheberrecht fürdas 21. Jahrhundert und die digitale Welt fitzumachen.Herzlichen Dank .
Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie-be Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig – das willich ausdrücklich sagen –, dass Herr Minister Maas denGesetzentwurf und die Umsetzung der Richtlinie in denKontext gebracht hat, dass wir im Urheberrecht und Ur-hebervertragsrecht sowieso einen Regelungsbedarf ha-ben; es sind nämlich schon andere Initiativen im Bun-destag oder auf europäischer Ebene in der Debatte . Dasfinde ich richtig.Ich will gleichwohl sagen, dass es mich ein bisschenirritiert hat, dass Herr Heck über das Geoblocking sprachund den Eindruck erweckte, das sei Gegenstand des Ge-setzentwurfes .
– Gut . Dann haben Sie es vielleicht nicht gemeint .
Aber das ist genau der Punkt, der insgesamt noch voruns liegt . Warum? Weil wir einen ganz großen Arbeits-auftrag haben, der eigentlich lautet: Wie bringen wir dasUrheberrecht und das Urhebervertragsrecht ins 21 . Jahr-hundert?Es gibt so viele neue Anwendungen und Nutzungsfor-men . Es gibt – Herr Petzold hat es angesprochen – somanche Jugendliche, die sich wundern, wenn plötzlichRechnungen kommen oder wenn ihnen plötzlich gesagtwird, dass sie sich illegal verhalten haben .
Ich finde, dass es überfällig ist, hier zu einer rechtli-chen Änderung zu kommen . Denn wir müssen Nutzungs-Dr. Stefan Heck
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formen wie Downloads, Streaming, Remix bis hin zurPrivatkopie – das Stichwort ist schon gefallen – im digi-talen Zeitalter neu regeln, und wir müssen sie klar regeln,sodass die Menschen wissen, was zu tun ist und was legalist und was nicht .Ich erwarte an dieser Stelle von der EuropäischenKommission mehr, als wir bisher bekommen haben .
Ich scheue mich nämlich schon fast, Herrn Oettingerwieder einzuladen, weil ich Sorge habe, dass ich dannzum fünften Mal dieselbe Rede hören werde .
Nur die Vorlage dazu gibt es noch nicht . Ich habe denEindruck, dass auch einige andere schon meinen, denText mitsprechen zu können, wenn er uns zum Beispielwieder erzählt, dass in Zukunft nur noch bestimmte Fuß-ballspiele geguckt würden, die kleinen aber nicht mehr .Wir erwarten – das will ich in Richtung Brüssel sa-gen –, dass es endlich gute Legal Proposals und Vorlagengibt; denn der gesamte Bereich des Urheberrechts betrifftnicht nur uns persönlich, sondern auch die Autorinnenund Autoren, die Künstler und Künstlerinnen und dieUser, die täglichen Nutzer im digitalen Zeitalter .Klarheit tut not, und es wird am Ende auch mehr wirt-schaftliche Entwicklungsmöglichkeiten geben . Auch daswollen wir nicht vergessen, meine Damen und Herren .Aber hier und jetzt geht es speziell um den Entwurfeines Gesetzes zur Umsetzung einer Richtlinie über diekollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandtenSchutzrechten . In diesem Zusammenhang möchte ich ei-nes klar sagen: Autorinnen und Autoren, Künstlerinnenund Künstler, Urheberinnen und Urheber leben davon,dass sie Werke verfassen, die ein möglichst breites Pu-blikum finden. Dabei brauchen sie natürlich organisato-rische Unterstützung . Denn man kann noch so viele Ro-mane schreiben: Wenn sie alle zu Hause in einer großenSchachtel neben dem Poesiealbum liegen bleiben, wirddaraus kein Lebensunterhalt . Sie leben aber logischer-weise auch davon, dass es eine entsprechende Vergütunggibt .Verwertungsgesellschaften können dabei eine guteHilfe sein, auch wenn wir alle wissen, dass es hier undda Kritik an Abläufen und Vergütungsstrukturen gibt .Manche haben das Gefühl, dass einige, die schon be-rühmt sind, viel Geld bekommen, während die Kleinenbei der Vergütung im Verborgenen bleiben . Es gibt alsoeine Menge zu tun in Sachen Umsetzung, nicht nur dieserRichtlinie, und es gibt eine Menge Reformmöglichkei-ten .Dieser Gesetzentwurf regelt einen großen Bereich dertechnischen Umsetzung . Ich will vier oder fünf Punkte indiesem Bereich ansprechen, von denen wir hoffen, dasswir zu einer ernsthaften Debatte im Ausschuss, zu einerAnhörung, die schon terminiert ist, und letztlich auch zuÄnderungen kommen .Der erste Punkt betrifft § 35 Absatz 2 . Ich glaube,hier ist noch nachzubessern . Bei den hier möglichen„Zwangsgemeinschaften“ bei Gesamtverträgen sehe ich,sehen wir, sehen viele Praktikerinnen und Praktiker, Ur-heber und auch Verwertungsgesellschaften ein erhebli-ches Missbrauchspotenzial und in der Praxis erheblicheProbleme, auch zulasten der Urheber und Urheberinnen .Zweiter Punkt, der One-Stop-Shop . Viele – auch Ver-wertungsgesellschaften – plädieren für einen One-Stop-Shop, also eine einfache, schnelle und europaweit zent-rale digitale Rechteerklärung für Nutzungslizenzen . Ichfrage mich: Warum finden wir das nicht im Gesetzent-wurf? Warum entscheidet man sich anders?Drittens, ein kleines Lob . – Nein, erst unter dem vier-ten Punkt kommt das Lob .
– „Zweimal Lob“, das ist auch eine gute Idee . Da habeich mich jetzt vergaloppiert . Wie schade!Dann komme ich jetzt erst einmal zu dem Punkt mitdem kleinen Lob . In § 32 geht es um die Ausschüttungfür kulturelle und soziale Zwecke sowie um kulturelleFörderung und soziale Leistung . Die Richtlinie enthielteine Sollvorschrift, während der Referentenentwurf nureine Kannvorschrift vorsah . Nun handelt es sich wiederum eine Sollvorschrift . Das ist gut so .Der vierte Punkt betrifft die Kosten und den Kosten-aufwand . Ich wünsche mir, dass das noch einmal realis-tisch nachgerechnet wird .Fünfter und letzter Punkt betrifft die kritische Frage,ob dieser Gesetzentwurf eigentlich alternative Verwer-tungsgesellschaften zulässt . Alle wollen immer überallWettbewerb .
Frau Kollegin Künast, ich glaube, das müssen Sie in
den Ausschussberatungen bis zur zweiten und dritten Le-
sung klären .
Ich führe meinen Gedankengang noch zu Ende . – Ichfrage mich: Werden hier eigentlich Alternativen zu-gelassen? Herr Maas hat gesagt, dass wir Wettbewerbbrauchen . Dann müsste ein solches Gesetz auch genos-senschaftlich organisierte Verwertungsgesellschaften zu-lassen .
Es ist Luft nach oben, und ich freue mich auf die Be-ratungen .
Renate Künast
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Das Wort hat der Kollege Christian Flisek für die
SPD-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es geht heute um Verwertungsgesellschaften; das istmittlerweile klar . Herr Petzold, Sie haben es angespro-chen: Was auf Anhieb etwas sperrig klingt, stellt in Wirk-lichkeit eine große gesetzgeberische Zäsur dar, und zwareine Zäsur in sehr positivem Sinne . Das Bundesministe-rium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Richt-linienumsetzung zum Anlass genommen, das Recht derVerwertungsgesellschaften komplett neu aufzustellen .Man muss sich nur vor Augen führen, dass das derzeitigeWahrnehmungsgesetz über 50 Jahre gegolten hat, um zuermessen, wie lange uns wahrscheinlich auch das neueGesetz begleiten wird .Es ist kein Geheimnis, dass das Recht der Verwer-tungsgesellschaften selbst für Juristen, die sich intensivmit dem Urheberrecht beschäftigen, eine besondere Ma-terie ist, in der sich nur wenige Spezialisten bewegen .Die Existenz der Verwertungsgesellschaften im Verbor-genen steht aber in keinem Verhältnis zur ökonomischenBedeutung der Verwertungsgesellschaften für die Kultur-schaffenden und die Kreativwirtschaft in unsrem Land .Zwei Zahlen mögen dies verdeutlichen: Die GEMA alsdie vielleicht in der Öffentlichkeit bekannteste deutscheVerwertungsgesellschaft verwaltet jedes Jahr treuhände-risch Erlöse über knapp 900 Millionen Euro . Insgesamtverwalten die 13 deutschen Verwertungsgesellschaftenals Treuhänder Einnahmen von über 1,3 Milliarden Euro .Damit sind Verwertungsgesellschaften eine wesentli-che Säule der kulturellen und kreativen Landschaft inDeutschland, und das – darauf wurde schon hingewie-sen –, obwohl sie in der öffentlichen Meinung nicht un-bedingt das beste Image haben . Aber das sollte nicht dazuführen, dass wir in parlamentarischen Debatten stereoty-pe Vorurteile bedienen .
Verwertungsgesellschaften arbeiten nicht gewinnori-entiert . Ihre Einnahmen verwalten sie als Treuhänder .Diese werden an die berechtigten Urheber und Rechte-inhaber ausgeschüttet . Diese verlässlichen Ausschüttun-gen sind für viele Kreative der gerechte Lohn für ihreArbeit . Diese Ausschüttungen sind wesentlicher Teil derExistenzgrundlage vieler Urheber, und sie sind damiteine wesentliche ökonomische Grundlage für das Kul-turschaffen in Deutschland . Verwertungsgesellschaftenbündeln Rechte und erleichtern damit den Kreativen,die wirtschaftlichen Früchte ihrer Arbeit zu ernten . Sietragen aber auch ganz wesentlich dazu bei, dass Verwer-ter wie beispielsweise Radiosender Rechte effizient undrechtssicher einkaufen können . Um es auf den Punkt zubringen: Effiziente und gesellschaftlich breit akzeptierteVerwertungsgesellschaften sind unverzichtbar .
Genauso unverzichtbar ist ein verlässlicher und klarerRechtsrahmen für die Arbeit der Verwertungsgesellschaf-ten . In Zeiten der Digitalisierung und Internationalisie-rung muss dieser Rechtsrahmen auch wettbewerbsfähigsein . Verwertungsgesellschaften benötigen nicht nur einattraktives Rechteportfolio, sondern auch faire Wettbe-werbsbedingungen . Dafür haben wir als Gesetzgeber zusorgen, und wir werden es mit diesem Gesetzentwurfauch tun .Dieser Gesetzentwurf markiert aber auch das Ende derurheberrechtlichen Lethargie in der deutschen Politik .
Die Urheberrechtspolitik dieser Koalition besteht nichtaus vollmundigen und im Ergebnis ergebnislosen Ber-liner Reden zum Urheberrecht, sondern sie setzt hand-werklich sauber das Urheberrechtsprogramm der Legis-laturperiode, das angekündigt wurde, um .
Das ist ein gutes Signal für die Urheber, die Verwerterund auch für die Nutzer in diesem Land .Meine Damen und Herren, der Minister hat die De-tails des Entwurfs bereits vorgestellt . Lassen Sie michnoch zwei Anmerkungen hierzu machen . Dieser Entwurfenthält auch wesentliche Regelungen zur Erhebung undVerteilung derjenigen Gelder, die unter dem Stichwort„Privatkopievergütung“ die urheberrechtlich sensibili-sierten Gemüter in der Vergangenheit erregt haben . Auchjetzt kursieren schon wieder zahlreiche Gutachten zu derFrage, was an diesen Regelungen vielleicht verfassungs-widrig sein könnte und was nicht .Ich möchte betonen, dass es uns als SPD in dieserFrage um einen fairen Interessenausgleich geht . Wennklar ist, dass ein Vergütungsanspruch zu zahlen ist, je-doch keine Einigkeit über die Höhe besteht, dann musseinerseits das Insolvenzrisiko der Zahlungsverpflichtetenabgesichert werden, und andererseits muss verhindertwerden, dass unnötig Liquidität aus den Unternehmenherausgezogen wird . Wir haben dies im Vorfeld des Ge-setzgebungsverfahrens deutlich gemacht, und ich per-sönlich finde, dass der nunmehr vorgeschlagene Weg derSicherheitsleistung, auch wenn diese nicht kostenlos zuhaben ist, hier eine faire Kompromisslinie darstellt .
Eine zweite Anmerkung möchte ich machen . Wirwerden – es ist bereits erwähnt worden – aus Anlassder Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs imFall Reprobel und der anstehenden Entscheidung desBundesgerichtshofs im Fall Vogel beobachten müssen,welche Konsequenzen dies für die betroffenen Verwer-tungsgesellschaften einerseits und insbesondere für dieVerlagslandschaft in Deutschland andererseits habenkann . Wir stehen hier für einen konstruktiven Dialog auf
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nationaler und europäischer Ebene bereit, aber wir wer-den jetzt erst einmal die höchstrichterliche Entscheidungdes Bundesgerichtshofs abwarten . Das gebietet auch derRespekt vor der Judikative .Meine Damen und Herren, ich möchte mich zumSchluss bei Herrn Bundesjustizminister Heiko Maas undauch bei seinem Hause für diesen ausgewogenen, kom-plexen und handwerklich guten Entwurf bedanken . 2016wird mit Sicherheit das Urheberrechtsjahr dieser Legis-laturperiode werden . Es beginnt mit einem großen Wurfzum Recht der Verwertungsgesellschaften .Herzlichen Dank .
Das Wort hat der Kollege Marco Wanderwitz für die
CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Zunächst auch von mir, Herr Minister, herzlichen Dankfür das erste große Urheberrechtsgesetz dieser Legisla-turperiode; Kollege Flisek hat es schon angesprochen .Wir haben die Raufe reichlich voll in diesem Bereich .Deswegen freue ich mich sehr, dass wir nun ans Laufenkommen . Es wird auch Zeit, will ich an dieser Stelle sa-gen;
denn die Legislaturperiode ist zur Hälfte vorbei .Weil es so viel ist, was wir noch gemeinsam machenwollen, haben wir 2016 eine Menge vor, was unter an-derem – auch das will ich an dieser Stelle sagen – etwasdamit zu tun hat, dass wir einen erheblichen Reformstauin diesem Bereich haben . Das hat wiederum damit zutun, dass die letzte Legislaturperiode in diesem Bereichleider verlorene Jahre für das deutsche Urheberrecht mitsich gebracht hat . Warum spreche ich das heute hier an?Weil wir als Union betonen wollen, dass nicht wir da-für verantwortlich sind, sondern diese Verantwortungbei einer Partei liegt, die heute nicht mehr in diesemHause sitzt, und bei einer ehemaligen Ministerin, dieheute nicht mehr Justizministerin ist, nämlich bei Frau Leutheusser-Schnarrenberger . Das waren verlorene Jahrefür die Weiterentwicklung des Urheberrechts . Das willich heute hier zumindest festgehalten haben .Schön ist nun, dass es uns gelingt – mit diesem Ge-setz sind wir jedenfalls schon einmal auf dem richtigenWeg –, dass es künftig anders wird . Ich teile absolut dieSicht, dass wir hier ein handwerklich gutes Gesetz voruns haben . Wir werden im parlamentarischen Verfahren,glaube ich, nicht so viele Änderungen vornehmen müs-sen .Ich will allerdings ein wenig Wasser in den Wein gie-ßen, indem ich den Blick auf das lenke, was so im Kö-cher ist . Herr Minister, ich verweise beispielsweise aufden sich auf Referentenebene befindlichen Entwurf ei-nes Gesetzes zur Reform des Urhebervertragsrechts . Daerkennen wir derzeit nicht die Qualität, wie wir sie hierjetzt sehen . Insofern hoffen wir, dass dieser Entwurf aufdem Weg zum Kabinettsbeschluss noch deutlich nachbe-arbeitet wird, damit das hohe Niveau, mit dem wir in dieNovellierung des Urheberrechtes eingestiegen sind, auf-rechterhalten wird .
Die Kolleginnen und Kollegen haben es schon ange-sprochen – gleichwohl will auch ich es noch einmal sa-gen –: Das Urheberrecht ist eine relativ trockene Sparten-materie . Dennoch besprechen wir dieses Thema zu dieserZeit hier im Parlament, was einfach etwas damit zu tunhat, dass es für die vielen Hunderttausend Kreativen inunserem Land – für die Urheber, für die, die schreiben,für die, die malen, für die, die Drehbücher verfassen, fürSchauspielerinnen und Schauspieler usw . – ein unheim-lich wichtiges Thema ist, weil sie vom Wert ihrer Arbeitleben können müssen . Das setzt voraus, dass die Rechte,die sie haben, vernünftig wahrgenommen werden .Damit sind wir bei dem Thema „kollektive Rechte-wahrnehmung“, das im Rahmen der Beratung diesesGesetzentwurfs zu behandeln ist . Kollegin Künast hat§ 35 Absatz 2 dieses Gesetzentwurfs bereits angespro-chen . Auch wir sehen noch Gesprächsbedarf im parla-mentarischen Verfahren . Hinter die im Gesetzentwurfverankerte Regelung von Gesamtverträgen setzen zu-mindest wir noch große Fragezeichen, weil sie einfachmissbrauchsanfällig ist, weil sie die Möglichkeit vonBlockaden in sich birgt und weil davon auch das Thema„ausländische Verwertungsgesellschaften“, die ein beste-hendes System unterminieren können, berührt ist . Überall das müssen wir im parlamentarischen Verfahren nochsprechen .Des Weiteren war – das hat mein Kollege Stefan Heckschon angesprochen – das einschlägige Urteil des Euro-päischen Gerichtshofes, was Verlagsbeteiligungen be-trifft, ein, wie man so schön sagt, „Schlag ins Kontor“ .Wir wollen im parlamentarischen Verfahren prüfen, obwir mit diesem Gesetz an dieser Stelle Raum für einenationale Lösung der aufgeworfenen Problematik haben .Klar ist – das hat der Minister zutreffend ausgeführt;Herr Minister, wir wollen Sie absolut darin bestärken,zu versuchen, in Brüssel zu einer Lösung zu kommen –:Bis es zu einer solchen Lösung gekommen ist, haben wireine Lücke; bis dahin befinden sich unsere Verlage inschwerer Not . Das ist auch für die Kreativen keine guteBotschaft; denn die Verlage sollen das vorhandene Geldnicht einfach einstecken, sondern damit weiterhin all dastun, was sie bisher getan haben, nämlich beispielsweiseProdukte wie Hörbücher entwickeln, ausländische Li-zenzen vergeben und Übersetzungen auf den Markt brin-gen . Hinzu kommt natürlich auch die gesamte Werbung,etwa für Bücher, Stichwort „Markteinführung“ . Ange-sichts dessen meinen wir, dass wir im parlamentarischenVerfahren intensiv prüfen sollten, ob es uns gelingt, dieseLücke zumindest national zu schließen, bis sie auch aufeuropäischer Ebene geschlossen ist .Christian Flisek
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Der letzte Punkt, den ich in Bezug auf das Verfahrender Umsetzung der Richtlinie ansprechen möchte: DerGesetzentwurf sieht eine Lösung vor, was die Sicher-heitsleistung betrifft . Die vorgesehene Leistung ist einbisschen weniger umfangreich als die Hinterlegungs-pflicht, die wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommenhatten . Dies halten wir gleichwohl für eine akzepta bleLösung, für einen Interessenausgleich zwischen denVerwertungsgesellschaften auf der einen Seite und derGeräteindustrie auf der anderen Seite . Allerdings solltesich das Ganze dann nicht noch weiter zurückentwickeln,sprich: Ein parlamentarisches Verfahren, das sich in diefalsche Richtung entwickelt, wäre für uns kein gangba-rer Weg . Deswegen an dieser Stelle meine Bitte an dieKolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns eher in dieandere Richtung denken . Das ist besser, als diesen Wegweiterzugehen .
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
Dr . Volker Ullrich das Wort .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir haben in unserem Land ein reiches Kultur-
leben mit vielen Werken in Wort, Ton, Bild oder Schrift,
die von zahlreichen Kreativen geschaffen werden . Auch
wenn viele Werke ideelle Werte haben und oftmals in ih-
rem Wert nicht bezifferbar sind, so müssen und sollen
die Kreativen doch von ihren Werken leben können und
dürfen . Weil die Vergütungsansprüche von Kreativen mit
den zu zahlenden Entgelten der Nutzer in Einklang zu
bringen sind, ist das System der kollektiven Urheber-
rechtswahrnehmung ein altes und bewährtes System .
Deswegen werden wir an ihm festhalten .
Das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz hat am 1 . Ja-
nuar 50 Jahre seines Bestehens gefeiert . Wir werden es
durch das Verwertungsgesellschaftengesetz ablösen, das
die wesentlichen Punkte beibehält, weil sie sich bewährt
haben . Dazu gehört, dass die Verwertungsgesellschaften
ihre Monopolstellung behalten, dass sie einer staatlichen
Erlaubnispflicht und Überwachung unterliegen und dass
sie verpflichtet werden, gemeinnützig zu handeln, nicht
für sich Gewinne zu erzielen, sondern Gewinne an die
Kreativen auszuschütten . Es sind nicht unerhebliche
Summen, die hier zustande kommen . Allein im Jahr 2014
war es über 1 Milliarde Euro, davon 893 Millionen Euro
für die GEMA und 144 Millionen für die VG WORT . Das
sind Beträge, die es vielen Künstlern ermöglichen, von
ihren Werken zu leben und zu profitieren. Das sollten wir
in diesem Zusammenhang auch einmal bemerken .
Meine Damen und Herren, wir müssen bei dem zur
Beratung anstehenden Gesetzentwurf auf einige Dinge
achten . Es ist ein insgesamt ausgewogener und guter
Entwurf . Wir müssen aber Obacht geben und uns fragen,
ob wir bei der Frage der Binnenstruktur den Verwer-
tungsgesellschaften nicht Regulierungen auferlegen, die
es für die Kreativen zu kompliziert machen, ihre Rechte
wahrzunehmen . Wenn die Wahrnehmung der Rechte in-
nerhalb einer Verwertungsgesellschaft komplizierter ist
als beispielsweise bei der Binnenstruktur einer Aktienge-
sellschaft, dann, glaube ich, laufen wir Gefahr, dass wir
hier überregulieren . Wir sollten eine einfache, eine prak-
tikable Handhabung vorsehen und nicht in eine Richtung
gehen, die ein Zuviel an Regelung bedeutet .
Wir werden auch über die Geräte- und Leermedien-
vergütung zu sprechen haben . Es muss klar und deutlich
gesagt werden, dass die Urheberrechtsreform von 2008,
die eine Einigungspflicht zwischen den Organisationen,
zwischen den Urhebern einerseits und den Verwertern
andererseits, vorsah, sich nicht bewährt hat, dass immer
noch Dutzende von Schiedsverfahren und Gerichtsver-
fahren offen sind, weil es der Gesetzgeber zu schwer ge-
macht hat, sich darüber zu einigen .
Deswegen ist die zukünftige Sicherheitsleistung ein
gangbarer und, wie ich meine, auch verfassungsrecht-
lich angemessener Mittelweg zwischen dem System, das
nicht funktioniert hat – nämlich zu sagen: einigt euch! –,
und einer Hinterlegungspflicht, die verfassungsrechtlich
bedenklich ist . Ich glaube, mit dieser Sicherheitsleistung
sind die Ansprüche der Urheber gegen Insolvenzrisiken
hinreichend abgesichert . Trotzdem wird Liquidität nicht
in einem Maße entzogen, welches es für die Verwerter
selbst schwer macht, über die Runden zu kommen . Des-
wegen sollten wir uns auf diese Sicherheitsleistung ei-
nigen .
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Ände-
rung in Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH . Das
Urteil vom 12 . November 2015 ist ein Urteil, das mit
unserer Rechtstradition und auch mit unserer Auffassung
nicht in Einklang zu bringen ist . Auch Verlage tragen ih-
ren Teil zur schöpferischen Darstellung und zum Urhe-
berrecht bei, weil ein Autor ohne die Verlage sein Werk
gar nicht an die Öffentlichkeit bringen könnte . Deswegen
sollten wir deutlich machen, dass erst durch das Zusam-
menspiel von Verlagen und Autoren die Autoren, die Ur-
heber, ihre Rechte wahrnehmen können .
Meine Damen und Herren, Kreativität hat in diesem
Land einen hohen Wert; das muss auch so sein . Wir
werden mit diesem Gesetz zwei Grundrechte, zwei Ver-
fassungsentscheidungen, die wichtig sind, verbinden,
nämlich die Kunstfreiheit und die Eigentumsgarantie .
Deswegen: Lassen Sie uns an diesem Entwurf mit der
gebotenen Ernsthaftigkeit sauber arbeiten – für die Krea-
tiven und für das kulturelle Leben in diesem Land!
Vielen Dank .
Ich schließe die Aussprache .Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-wurfs auf Drucksache 18/7223 an die in der Tagesord-nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt esMarco Wanderwitz
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dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall .Dann ist die Überweisung so beschlossen .Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-serung der Rechtssicherheit bei Anfechtungennach der Insolvenzordnung und nach dem An-fechtungsgesetzDrucksache 18/7054Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Arbeit und SozialesNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Bun-desminister der Justiz und für Verbraucherschutz, HeikoMaas .
Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-braucherschutz:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Eine der wichtigsten Aufgaben des Rechts be-steht darin, Sicherheit zu schaffen . Rechtssicherheitbringt Ordnung in unser Leben . Zu dieser Sicherheit ge-hört dann auch Kontinuität . Was heute gilt, soll grund-sätzlich auch morgen noch Bestand haben .
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stärken wir Si-cherheit und Kontinuität im Geschäftsverkehr, indem wirdas Recht der Insolvenzanfechtung behutsam reformie-ren .Durch die Anfechtung kann ein InsolvenzverwalterVermögenswerte in die Insolvenzmasse zurückholen, dievor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Ver-mögen des Schuldners geflossen sind. Das ist ein wich-tiges Instrument, um vor allen Dingen sicherzustellen,dass alle Gläubiger gleichbehandelt werden . Es soll ver-hindert werden, dass sich Einzelne vor einer Insolvenzdie Rosinen herauspicken .Die Erfahrungen der letzten Jahre haben allerdingsauch die Kehrseiten der Anfechtung gezeigt . Wer mit ei-nem Unternehmen Geschäfte macht oder dort als Arbeit-nehmer beschäftigt ist, also Lohn empfängt, kann nichtsicher sein, dass er sein Geld dauerhaft behalten kann .Wie ein Damoklesschwert schwebt über ihm das Risiko,dass er das Geld wieder herausgeben muss, wenn das Un-ternehmen später in Insolvenz gerät und ein Insolvenz-verwalter die Zahlung anfechtet .Diese widerstreitenden Interessen – Rechtssicherheiteinerseits und Sicherung der Insolvenzmasse anderer-seits – sind zweifelsfrei aus der Balance geraten . Hiersetzt unser Entwurf an . Wir wollen die Interessen der frü-heren Zahlungsempfänger und die Belange der übrigenInsolvenzgläubiger wieder ins Lot bringen .Bisher können Geschäfte angefochten werden, die biszu zehn Jahre vor der Insolvenz liegen . Dieser Zeitraumist für gewöhnliche Zahlungsvorgänge zu lang . Wir wol-len diese Frist auf vier Jahre verkürzen .
Ich sage dazu: Diese Verkürzung gilt allerdings nicht fürVermögensverschiebungen und Bankrotthandlungen .Dort muss nämlich niemand geschützt werden . Unrechtverdient wahrlich keine Rechtssicherheit .Wir wollen auch mehr Sicherheit für Gläubiger schaf-fen, die ihren Schuldnern zur Überbrückung Zahlungser-leichterungen gewährt haben . So etwas kann das Funkti-onieren der Märkte stärken und soll nicht unnötig bestraftwerden . Das ist ebenfalls gesondert geregelt .Wir wollen auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer besser schützen . Sie sollen die Sicherheit haben,dass sie den Lohn, den sie verdient haben, auch tatsäch-lich behalten dürfen .
In Zukunft sollen Lohnzahlungen nicht mehr angefoch-ten werden können, wenn das Geld spätestens drei Mona-te nach der Arbeitsleistung gezahlt worden ist .Und schließlich wollen wir auch Gläubiger schützen,die zur Zwangsvollstreckung gegriffen haben . Was siemithilfe des Vollstreckungsrechts erlangt haben, sollensie nicht aufgrund des Insolvenzrechts wieder herausge-ben müssen .Meine Damen und Herren, neben diesen Einschrän-kungen des Anfechtungsrechts wollen wir auch noch aufandere Weise die Belastungen für den Geschäftsverkehrreduzieren . Wir wollen die Verzinsung des Anfechtungs-anspruchs neu regeln . Das niedrige Zinsniveau auf demGeldmarkt und die deutlich höheren Verzugszinsen, diedas Gesetz vorsieht, verleiten manche tatsächlich dazu,ihre Anfechtungsansprüche später als möglich geltend zumachen . Auch solche Fehlanreize wollen wir beseitigen .Wir schlagen außerdem vor, dass das Insolvenzan-tragsrecht der Gläubiger gestärkt wird . Belastungendurch die nachträgliche Anfechtung lassen sich ja auchdadurch vermeiden, dass insolvenzreife Unternehmenrechtzeitig vom Markt genommen werden .Meine Damen und Herren, mit diesen behutsamenReformen erhalten wir das wichtige Recht der Insolvenz-anfechtung, aber wir steuern auch punktuell nach . Wirmachen die komplexe Materie vor allen Dingen für diePraxis leichter handhabbar, und wir sorgen damit den-noch für mehr Rechtssicherheit . Das kommt auch demAnsehen des Insolvenzrechtes insgesamt zugute . Es solleben kein Damoklesschwert sein, das über Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmern und lauteren Geschäfts-partnern schwebt, sondern ein juristisches Skalpell, dasVizepräsidentin Petra Pau
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dafür sorgt, dass Markt und Wirtschaft gesund bleibenund gerecht funktionieren .Vielen Dank .
Der Kollege Richard Pitterle von der Fraktion Die
Linke hat jetzt das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kollegin-nen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! StellenSie sich Folgendes vor: Sie arbeiten seit einigen Jahrenin einem kleinen Familienunternehmen . Es herrscht einangenehmes Betriebsklima . Kollegen und Kolleginnentreffen sich auch in der Freizeit. Die Tür der Chefin oderdes Chefs ist immer offen . Eine durchaus realistischeVorstellung! Wie wir im Zuge der Erbschaftsteuerdebatteimmer wieder gehört haben, sind kleine Familienunter-nehmen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft; denn siebeschäftigen Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer .Stellen wir uns weiter vor: Im Unternehmen wird seiteiniger Zeit gemunkelt, dass es dem Unternehmen nichtgut ginge . Die Aufträge würden wegbrechen, Kreditge-ber ließen sich Zeit mit Zusagen, Vertragspartner mahn-ten Zahlungen an. Die Chefin oder der Chef räumt ein,dass es Probleme gibt: Das Gehalt werde gezahlt, aberwohl später, wohl weniger . Wenn sich alle anstrengten,den Gürtel enger schnallten, dann sei die Krise aber baldüberwunden .Leider wird die Krise nicht überwunden . Nach Mona-ten des Zitterns steht der Insolvenzverwalter in der Tür .Und er bringt ein paar Briefe mit: keine Dankes- oderMotivationsschreiben, sondern Zahlungsaufforderungen,Aufforderungen an die Belegschaft, die letzten nach-gezahlten Gehälter unverzüglich zu erstatten, damit sieallen Gläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zurVerfügung stünden . Die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer seien Schuldner der Insolvenzmasse, da sie dieprekäre Situation ihres Unternehmens schließlich ge-kannt hätten .Das mag wie eine Räuberpistole klingen . Oder? Aberdas ist seit der Insolvenzrechtsreform 1999 gesetzlicheRealität und Praxis . Zuvor galt Jahrzehnte das sogenann-te Arbeitnehmerprivileg der Konkursordnung . Danachblieben rückständige Lohnforderungen der letzten sechsMonate unangetastet . Forderungen der Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer waren gegenüber anderen Gläubi-gern bevorrechtigt . Mit der Insolvenzrechtsreform wur-den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einfachenGläubigern degradiert, die auf sich gestellt gegen Vertre-ter von Banken und Großgläubigern in den Verteilungs-kampf um den Trog mit den Vermögensresten geschicktwurden . Man kann sich vorstellen, wer da den Kürzerengezogen hat .Zum Glück für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer hat das Bundesarbeitsgericht die Anfechtungender Gehaltszahlungen durch die Insolvenzverwalter nichtlänger geduldet . Es wandte die Insolvenzordnung unterAchtung tragender Verfassungsprinzipien wie des Sozi-alstaatsprinzips an und erhöhte den Schutz der Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer .Trotz dieser Entscheidung wurden weiterhin Lohnzah-lungen durch Insolvenzverwalter angefochten . Sie berie-fen sich auf die Rechtsprechung eines anderen Oberge-richts: Der Bundesgerichtshof für Zivilsachen warf demBundesarbeitsgericht vor, die Grenzen der Verfassungverlassen zu haben und den gesetzgeberischen Willen zumissachten . Daher sind wir als Gesetzgeber gefordert,gesetzliche Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer zu verabschieden .
Die Argumente der Gegner einer solchen Regelungüberzeugen nicht . Die beschworene heilige Kuh derGläubigergleichbehandlung mag ein altrömisches Prin-zip sein . Doch nicht altrömische Prinzipien, sondern dasGrundgesetz ist unser Maßstab . Das Gleichbehandlungs-gebot des Artikels 3 Grundgesetz ist im Lichte des Sozi-alstaatsprinzips anzuwenden . Und während Forderungenvon Banken und Großgläubigern häufig nur Rechnungs-posten in der Buchführung sind, ist Arbeitslohn für Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer schlicht existenziell .Der Gesetzgeber ist gefordert, Schutz nach Schutzbe-dürftigkeit zu gewähren . Der BGH meint, es wäre da-bei Aufgabe des Staates, sozialrechtliche Schutzlückendurch staatliche Leistungen auszugleichen . Für die Linkeist es die Aufgabe des Staates, unter den Gläubigern einegerechte Verteilung zu regeln .
Im Steuerrecht wird nach Leistungsfähigkeit besteu-ert . Auch das Insolvenzrecht muss sich bei der Verteilungdaran orientieren . Es kann nicht Aufgabe der Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer sein, den Topf für Bankenund Großgläubiger wieder aufzufüllen, um dann zumBittsteller beim Staat zu werden .Der vorliegende Entwurf ist ein wichtiger Anstoß .Lassen Sie uns in den Beratungen dafür sorgen, dassden Ansprüchen, wie sie im Regierungsentwurf zurInsolvenz ordnung von 1992 formuliert werden, Rech-nung getragen wird . Dort heißt es – ich zitiere –:Insolvenzrecht soll, wie alles Recht im demokra-tischen und sozialen Rechtsstaat, einen gerechtenAusgleich schaffen, den Schwächeren schützen undFrieden stiften .Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Bundesminister Heiko Maas
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Das Wort hat die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-
Becker für die CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Koalition legt heute – endlich, möchte man sagen –einen Gesetzentwurf vor, der die Anfechtung von frühe-ren Zahlungen eines Schuldners betrifft, die im Falle derInsolvenz zurückverlangt werden . Da an dieser Stelle dieSache aus dem Ruder gelaufen ist, hat sich die Union seitJahren für eine Neuregelung starkgemacht und vor allemauch in den Koalitionsverhandlungen dafür gesorgt, dassdas zum Programm dieser Regierung wird .
Wir werden mit diesem wichtigen Gesetz Vertrauenund Planungssicherheit für viele Unternehmen wieder-herstellen, die in den vergangenen Jahren aufgrund einerFehlentwicklung in der Praxis vieler Insolvenzverwal-ter, die von der Rechtsprechung nicht korrigiert wurde,mit unvermuteten hohen Rückforderungen konfrontiertworden sind, die sie selber an den Rand ihrer Existenzgebracht haben .Im Zentrum steht die sogenannte Vorsatzanfechtungnach § 133 der Insolvenzordnung . Ihr liegt der an sichrichtige und nachvollziehbare Gedanke zugrunde, dasssich kein Gläubiger einen Vorteil verschaffen darf, wennsich beim Schuldner eine Krise abzeichnet . Deshalb ord-net § 133 der Insolvenzordnung an, dass Zahlungen, diein der Absicht, Gläubiger zu benachteiligen, erfolgten,zurückgeholt werden können, wenn dies für den Gläubi-ger, der begünstigt ist, erkennbar war, und zwar mit einerFrist von bis zu zehn Jahren .Was aber in der Praxis daraus geworden ist, geht weitüber diese sinnvolle Intention hinaus . In der Praxis wer-den völlig übliche und gesamtwirtschaftlich erwünschteVerhaltensweisen auf diese Weise sanktioniert . Schoneine bloße Ratenzahlungsvereinbarung, die der Gläubi-ger mit dem Schuldner trifft – oft sind das Vertragspart-ner über Jahre hinaus, die in einer Vertrauensbeziehungzueinander stehen –, soll ausreichen, dass eine erfolgteund gerechtfertigte Zahlung hinterher wieder zurückab-gewickelt werden kann . Das geht dann doch zu weit .Handwerker, Lieferanten, aber auch die Arbeitnehmersind auf diese Weise unter Druck gesetzt worden in einernicht mehr akzeptablen Art und Weise . Deshalb müssenwir handeln .
Wir müssen wissen: Zahlungserleichterungen von Lie-feranten, aber auch Zugeständnisse aus der Belegschaftsind üblich, um zum Beispiel saisonale Schwankungenoder eine erkennbare vorübergehende Krise zu überbrü-cken . Es würde an der Realität des Wirtschaftslebens vor-beigehen, den Gläubiger faktisch dazu zu zwingen, einenInsolvenzantrag zu stellen und nicht dem Vertragspartnerzu helfen . Das funktioniert nicht und würde zusätzlichenSchaden anrichten .Meine Damen und Herren, für das Insolvenzverfahrenist es typisch, dass es um Verteilungskonflikte geht. Wasder eine für sich zusätzlich verlangt, würde auf Kostendes anderen gehen . Aber hier kommt noch etwas ande-res hinzu . Die Verunsicherung und die Sorge vor einerspäteren Rückforderung führen in der Praxis zu wenigerFlexibilität, weniger unkomplizierter Unterstützung derFirmen untereinander bei erkennbar guter Prognose .Wir müssen wissen: Zunehmend sind die Lieferantendiejenigen, die sich um die Finanzierung kümmern undEinblick darin haben, wie ein Unternehmen aufgestelltist . Sie wissen, ob das Unternehmen deshalb in der Kriseist, weil ein eigener Schuldner wiederum ausgefallen ist,es aber in der Substanz völlig gesund ist, oder ob etwasanderes dahintersteckt . Insofern ist eines klar: Wenn einLieferant davon ausgeht, dass ein Vorschuss noch Sinnmacht, weil er davon überzeugt ist, dass das Unterneh-men aus der Krise kommt, dann dürfen wir vom Liefe-ranten doch nicht verlangen, dem ein Ende zu setzen,einen Insolvenzantrag zu stellen und dem Unternehmenden Todesstoß zu geben . Das würde zu mehr unnötigenInsolvenzen führen und damit einen zusätzlichen wirt-schaftlichen Schaden anrichten, dem auf der anderenSeite überhaupt kein Vorteil gegenübersteht .Das ist der Grund, weshalb diese Praxis unisono kriti-siert wird, und zwar auch von Verbänden, die sowohl aufder Seite eines begünstigten Gläubigers als auch einesSchuldners oder eines Gläubigers, für den sich darausim Einzelfall ein Nachteil ergibt, stehen könnten . Hiergeht es um Vertrauen, einem Wert im Geschäftsverkehran sich .
Deshalb ist es wichtig, dass wir für den redlichenGeschäftsverkehr die Frist für eine Anfechtung auf vierJahre verkürzen und dass die Regelung hinsichtlich derVermutung über die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeitgesetzlich geändert wird: Es wird klargestellt, dass eineZahlungserleichterung, die ein Gläubiger dem Schuld-ner gewährt, allein noch kein Indiz für die Kenntnis desGläubigers ist .Wichtig ist – es wurde schon angesprochen –: DieArbeitnehmer werden in einer besonderen Weise unter-stützt, ohne dass wir ansonsten in die Struktur des In-solvenzrechts eingreifen . Wir nehmen hier eine Lösungauf, die das Bundesarbeitsgericht vorgezeichnet hat, undsichern sie ab, indem wir sie gesetzlich regeln . Der Lohn,der innerhalb von drei Monaten für geleistete Arbeit ge-zahlt worden ist, ist nun der Anfechtung entzogen, imWege der Subsumtion unter das Bargeschäft . Ich glaube,das ist eine intelligente Lösung, um hier zu einem effek-tiven Schutz gerade der Arbeitnehmer zu kommen, diebesonders darauf angewiesen sind, darauf vertrauen zukönnen, ihren ausgezahlten Lohn behalten zu dürfen .Für mich ist für die weiteren Beratungen aber nocheines wichtig: Wir müssen darauf achten, dass wir demInsolvenzverfahren nicht insgesamt mangels Masse denBoden entziehen; denn das Insolvenzverfahren hat sei-nen spezifischen Wert. Es gehört zur Marktwirtschaft,dass ein Unternehmen, das nicht mehr wettbewerbsfähigist, vom Markt verschwindet und abgewickelt wird . Da
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macht es einen Unterschied, ob das in einem geordnetenVerfahren durch den Insolvenzverwalter gemacht wirdoder ob einfach nur unsortiert Aktenordner und volleSchubladen mit Rechnungen entsorgt werden . Es gehtdann auch darum, Ansprüche zu klären . Es geht zumBeispiel auch darum, Zeugnisse für Arbeitnehmer aus-zustellen . All das muss in einem geordneten Verfahrengeschehen . Schon deshalb müssen wir dafür sorgen, dassdas Insolvenzverfahren nicht ausgetrocknet wird . Wirmüssen überlegen, ob es richtig ist, dass alle Titel, dievollstreckt werden – egal, woraus sie resultieren –, privi-legiert werden sollen .
Kollegin Winkelmeier-Becker, Sie müssen die weite-
ren Vorschläge vertagen .
Ich bin froh, dass die Bedeutung unserer heutigen
Debatte nicht daraus resultiert, dass wir viele Insolvenz-
verfahren hätten . Wir haben den geringsten Stand an In-
solvenzverfahren seit der Einführung der Insolvenzord-
nung . Trotzdem ist es dieses Thema immer wieder wert,
an Verbesserungen zu arbeiten . Die Union macht das je-
denfalls sehr gerne, im Interesse der Unternehmen und
der Arbeitnehmer .
Das Wort hat die Kollegin Katja Keul für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schlägtdie Bundesregierung Änderungen an der Insolvenzord-nung vor, die insbesondere das Anfechtungsrecht betref-fen . Parallel dazu sollen im Anfechtungsgesetz entspre-chende Änderungen für Anfechtungen außerhalb einesInsolvenzverfahrens vorgenommen werden .Aber was ist das Anfechtungsrecht eigentlich? Esdient dazu, zu verhindern, dass bei einer Insolvenz ein-zelne Gläubiger bessergestellt werden, weil sie frühInformationen über die finanziellen Verhältnisse desSchuldners haben und daher noch kurz vor der Insolvenzihr Geld eintreiben können . Das Anfechtungsrecht dientsomit der Gläubigergleichbehandlung . Dennoch soll die-ses Recht nunmehr an mehreren Stellen eingeschränktwerden, um überlange Unsicherheiten über den Bestandeines Rechtsgeschäftes zu vermeiden .Unproblematisch und zu begrüßen ist zunächst einmaldie Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vierJahre ab Insolvenzantragstellung . Nach vier Jahren sollteklar sein, ob eine Leistung zurückgezahlt werden mussoder nicht . Auch die Verknüpfung der Verzinsung vonRückzahlungsansprüchen an die üblichen Verzugsvo-raussetzungen ist nicht mehr als fair .Kritisch ist aber die künftige umfassende Privile-gierung von Vollstreckungsmaßnahmen, die dann nichtmehr anfechtbar sein sollen . Der Vorschlag hat folgendenHintergrund: Wenn Gläubiger ihre berechtigte Forderungin jahrelangem Rechtsstreit endlich tituliert haben unddann mit hohem Zeit- und Kostenaufwand vollstrecken,ist nicht einzusehen, dass sie so behandelt werden, alsob ihnen dieses Recht nie zugestanden hätte . Problema-tisch dabei ist aber, dass das jetzt auch für alle öffent-lich-rechtlichen Gläubiger wie Finanzämter und Sozial-versicherungsträger gelten soll, die sich ihre Titel selbsterstellen und vollstrecken können . Mit Einführung derInsolvenzordnung hatte man sich bewusst von dieser Fis-kusprivilegierung verabschiedet, um Insolvenzverfahrenfrühzeitiger zu ermöglichen, wenn noch genug Masse zurVerteilung bzw . Chancen zur Fortsetzung des Unterneh-mens vorhanden sind .Sozialversicherungsträger und Finanzämter sind diewichtigsten Insolvenzantragsteller . Wenn diese nun dieMöglichkeit erhalten, bis zum bitteren Ende unanfecht-bar zu vollstrecken, haben sie kaum noch Interesse aneinem frühzeitigen Insolvenzantrag .
Im Ergebnis werden damit wieder mehr Privatgläubigerleer ausgehen, so wie früher nach der Konkursordnung .Ich denke, Sie sollten die Vorschläge der Verbände über-nehmen und die Privilegierung auf gerichtlich erlangteVollstreckungstitel beschränken .Kommen wir zu den Änderungen in § 133 Insolvenz-ordnung . Danach soll der Gläubiger, dessen berechtigteForderung vom Schuldner erfüllt wird, nur noch dannmit einer Anfechtung rechnen müssen, wenn er die ein-getretene Zahlungsunfähigkeit kannte . Kenntnis vondrohender Zahlungsunfähigkeit soll nicht mehr reichen .Dieser zusätzliche Schutz ist angemessen und nachvoll-ziehbar . Ob es aber darüber hinaus auch noch angemes-sen ist, gleich bei jeder Ratenzahlungsvereinbarung zuvermuten, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeitnicht kannte, finde ich zumindest zweifelhaft. Hier bleibtdie Expertenanhörung abzuwarten .Mit der Änderung des § 142 Insolvenzordnung sollendie sogenannten Bargeschäfte konkretisiert werden, alsodie Geschäfte, bei denen eine Gegenleistung unmittelbarbezahlt wird, wie vor allem beim Arbeitslohn. Das findeich richtig . Gerade in Bezug auf Arbeitnehmer war es ander Zeit, die umfangreiche höchstrichterliche Rechtspre-chung zum Zwecke der Rechtsklarheit im Gesetz aufzu-nehmen . Jetzt kann es jeder schwarz auf weiß nachlesen:Der Lohn für Arbeitsleistungen der letzten drei Monateist vor der Anfechtung sicher .Nicht ganz so klar ist leider die Ausnahmevorschrift .Hat der Arbeitnehmer erkannt, dass der Arbeitgeber un-lauter handelte, soll der Anfechtungsschutz nicht gelten .Aber was bitte ist „unlauter“? Warum man jetzt hierwieder einen neuen Begriff einführt, der erst wieder imWege der Rechtsprechung konkretisiert werden muss, er-schließt sich mir nicht . Ich denke, auf diese AusnahmeElisabeth Winkelmeier-Becker
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sollten Sie schlicht verzichten oder zumindest auf leiten-de Angestellte beschränken .
Am Ende schlagen Sie noch eine Änderung vor, diemit dem Anfechtungsrecht nichts zu tun hat: Gläubigersollen schneller und leichter einen Insolvenzantrag stellenkönnen als bisher . Bislang konnte ein Schuldner den In-solvenzantrag eines Gläubigers einmal abwenden, indemer die Forderung doch noch bezahlt, wenn nicht bereitsein Insolvenzantrag in den letzten zwei Jahren gestelltworden war . Diese Möglichkeit soll für den Schuldnerjetzt gänzlich entfallen . Begründet wird dies insbesonde-re damit, dass Sozialversicherungsträger schneller eineKlärung der Zahlungsfähigkeit herbeiführen sollen . ImErgebnis kann dann aber jeder Gläubiger eines säumigenSchuldners ohne weitere Voraussetzungen jederzeit eineinsolvenzgerichtliche Entscheidung in der Sache veran-lassen . Ich frage mich schon, ob das wirklich praktikabelsein wird und nicht einfach zu einer unnötigen Mehrbe-lastung der Insolvenzgerichte führt . Leider liegen geradezu diesem Punkt kaum schriftliche Stellungnahmen derVerbände vor, sodass wir auch hier die Expertenanhö-rung abwarten müssen .Fazit: Der Gesetzentwurf ist eine gute Diskussions-grundlage . Allerdings sollte auch dieses Gesetz keines-falls aus dem Parlament so herauskommen, wie es hi-neingekommen ist .Vielen Dank .
Vielen Dank, Katja Keul . – Nächster Redner in der
Debatte: Dr . Heribert Hirte für die CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Zuhörer! Es sind an diesem Freitagnachmittag janicht mehr ganz so viele . Zunächst einmal: Worum gehtes eigentlich bei diesem Gesetzentwurf zur Reform desInsolvenzanfechtungsrechts? Die Insolvenzanfechtungdient dazu – wir haben es schon einmal gehört –, so-genannte vorinsolvenzliche Vermögensverschiebungenrückabzuwickeln . Wer also etwas aus einem später insol-vent gehenden Unternehmen herausbekommen hat, musses unter bestimmten Voraussetzungen an den Insolvenz-verwalter zurückführen, wenn er es innerhalb bestimm-ter Fristen vor der Insolvenz bekommen hat . Das dientdazu – auch das hat der Minister richtigerweise gesagt –,die Gleichbehandlung der Gläubiger im Insolvenzverfah-ren sicherzustellen . Es soll nicht derjenige einen Vorteilhaben, der noch kurz vor der Insolvenz seine Schäfchenins Trockene gebracht hat .Um es deutlich zu sagen: Das ist nicht etwa neu, son-dern das ist ein Rechtsinstitut, das es seit der Römerzeitgibt und das deshalb weitgehend anerkannt ist, auch inseiner Konzeption . Es wurde in den letzten Jahren aller-dings ausgebaut, weil wir den Gläubigerschutz an ande-rer Stelle, bei den Gesellschaften, zurückgefahren haben .Insofern ist es nicht ganz überraschend, dass wir jetztauch hier über die Grenzen nachdenken .Herr Pitterle hat gesagt, in einem Bereich, was die An-fechtung von Lohnzahlungen an Arbeitnehmer angeht,hat sich seit der Konkursordnung etwas geändert . Dasist richtig . Die Konkursordnung sah ein spezielles Pri-vileg für die Arbeitnehmer vor, das in dieser Weise jetztnicht mehr existiert . Aber die Zahl der Anfechtungen vonLohnzahlungen hat nicht etwa wegen der Einführungder Insolvenzordnung zugenommen, sondern aus einemganz anderen Grund, nämlich weil die Sozialversiche-rungsträger der Sache nach durch eine etwas versteckteSonderregelung – § 28 e SGB IV – privilegiert wurden .Insofern gibt es einen Zusammenhang mit dem, was FrauKeul angesprochen hat, mit der Privilegierung der So-zialversicherungsträger . Darauf komme ich gleich nocheinmal zu sprechen .Diese Regelungen – ich betone es noch einmal – sindim Grundsatz richtig . Sie dienen der Verwirklichung desGläubigerschutzes und haben deshalb eine hohe ord-nungspolitische Bedeutung . Allerdings ist die Reichwei-te umstritten . In einem zentralen Punkt sind die Regelun-gen zu Recht auf Kritik gestoßen . Dabei geht es um dieRegelung des § 133 Insolvenzordnung, um die sogenann-te Vorsatzanfechtung . Leistungen, die bis zu zehn Jahrevor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückliegen,können zurückgefordert werden, und das eigentlich nurbei Vorsatz . Die zehn Jahre wären nicht so schlimm,wenn nicht der Begriff „Vorsatz“ von der Rechtspre-chung ausgelegt, will heißen: abgemildert worden wäre .Das bedeutet für die Gläubiger, die Adressaten dieserInsolvenzanfechtung, dass sie ziemlich überraschendmit solchen Rückforderungen konfrontiert werden . Daswollen wir ändern . Es ist richtig, dass wir das ändern .In der Koalitionsvereinbarung haben wir vereinbart, dasswir im Interesse des Mittelstandes und im Interesse derArbeitnehmer in diesem Punkt mehr Rechtssicherheitherstellen wollen .
Aus diesem Grunde adressiert der Gesetzentwurf zuRecht drei Bereiche, in denen Änderungen vorgenom-men werden:Zum einen geht es um Änderungen bei der schon an-gesprochenen Vorsatzanfechtung . Die Frist, die bisherzehn Jahre beträgt, soll, jedenfalls für wesentliche Teile,auf vier Jahre verkürzt werden . Es soll dabei auch dieKenntnis, die der andere, der das Geld bekommen hat,hat, erhöht werden . Er muss wissen, dass die Insolvenzschon eingetreten ist . Es soll nicht mehr nur ausreichen,dass er von einer drohenden Insolvenz Kenntnis hat .Zweitens . Zahlungserleichterungen, die irgendwanneinmal im Vorfeld gewährt wurden, sollen nicht mehrdazu führen können, dass man sein Geld zurückgebenmuss . Über die genaue Formulierung – auch das ist schonKatja Keul
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angesprochen worden – müssen wir allerdings nochnachdenken; das ist zu evaluieren .Drittens . Richtig ist auch, dass das sogenannte Barge-schäft – § 142 Insolvenzordnung – erweitert wird, undzwar klarstellend erweitert wird, in Aufnahme der Recht-sprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anfechtbarkeitvon Lohnzahlung an Arbeitnehmer . Allerdings müssenwir noch ein bisschen schauen, ob jetzt auch innerhalbdieser Norm die Gleichbehandlung hergestellt ist . Auchdarüber werden wir noch nachzudenken haben .
Völlig unstreitig, wenn ich das hier Revue passierenlasse, ist, dass der Zinslauf bei der Rückforderung jetztab Verzug einsetzen soll und nicht etwa nur, wie es imAugenblick der Fall ist, ab Eröffnung des Insolvenzver-fahrens . Auch das hat dazu beigetragen, dass Adressateneiner solchen Insolvenzanfechtung mit den Forderungenüberrascht werden konnten . Das wird jetzt anders . Das istein wichtiger Punkt . Wir hätten diesen Punkt meines Er-achtens schon viel, viel früher regeln können, als wir amAnfang der Legislaturperiode gesagt haben, wir könntenmit kleinen Detailänderungen das Problem schon lösen .Das sind einige wesentliche Punkte .Ein Punkt ist zweifelhaft . Das ist der Punkt, dassauch Deckungen und Sicherungen, die man im Wege derZwangsvollstreckung erreicht hat, privilegiert werden,also von der Insolvenzanfechtung ausgenommen werdensollen . Denn das betrifft jedenfalls in der Praxis vor al-len Dingen Forderungen des Fiskus und der Sozialver-sicherungsträger . Wenn die nicht mehr anfechtbar sind,obwohl die Beteiligten genau wussten, dass es sich umein insolventes Unternehmen handelt, heißt das, dass dieInsolvenzmasse so ausgedünnt wird, dass am Ende nichtmehr genügend Masse zur Eröffnung der Verfahren zurVerfügung steht . Ich stimme der Kollegin Keul, die sehrdeutlich darauf hingewiesen hat, ausdrücklich zu . Daswürde mich mit großer Sorge erfüllen . Darüber müssenwir nachdenken, unter anderem auch deshalb, weil sonstanschließend nicht mehr genügend Geld für die Arbeit-nehmer, für einen Sozialplan, zur Verfügung steht .Es gibt noch genügend zu beraten . Auf diese Beratun-gen freue ich mich .Vielen Dank Ihnen allen .
Danke schön, Dr . Hirte . – Nächster Redner:
Dr . Brunner für die SPD .
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen undKollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren undGäste, die Sie an diesem Freitagmittag auf den Zuhörer-rängen ausgeharrt haben! Die Koalitionsparteien habenin dem Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestal-ten“ vorgeschlagen, eine Reihe von gesellschafts- undinsolvenzrechtlichen Aspekten zu regeln . Ich zitiere ausdem Koalitionsvertrag:Zudem werden wir das Insolvenzanfechtungsrechtim Interesse der Planungssicherheit . . . sowie desVertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer in ausgezahlte Löhne auf den Prüfstand stellen .Kernstück der Regelungen heute ist daher die Verbes-serung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach derInsolvenzordnung . Hier gab es oft Probleme, nicht zu-letzt – das wurde ja schon von einigen Rednern angespro-chen – durch die unterschiedlichen Rechtsprechungendes Bundesarbeitsgerichtes, des Bundesgerichtshofs –und nicht zu vergessen – die zahlreichen obergerichtli-chen Entscheidungen zu den Haftungsansprüchen vonInsolvenzverwaltern, wenn sie in der gängigen Praxisfrüherer Jahre nicht angefochten haben; denn Rechtsge-schäfte mit dem Schuldner unterliegen bis zu zehn Jahrenrückwirkend der Anfechtung .Lassen Sie mich kurz die häufigsten drei Beispielenennen, in denen dies zum Tragen kam .Erstens . Arbeitnehmer vereinbaren mit ihrem Betrieb,der sich in Schieflage befindet – manchmal ist dies nochnicht ersichtlich –, dass sie für ein geringeres Gehalt ar-beiten, um nach Insolvenzeröffnung nicht nur zu erfah-ren, dass der Arbeitsplatz weg ist, sondern nun auch nocherfahren, dass bereits gezahltes Gehalt an den Insolvenz-verwalter zurückzuzahlen ist .Zweitens . Handwerker, meist kleine und mittelstän-dische Unternehmer, gestatten ihren Lieferanten, mitdenen sie schon lange in Geschäftsbeziehungen stehen,Stundungen oder Ratenzahlungen, um deren Liquiditätund letztendlich die Geschäftsbeziehung zu erhalten . DerGeschäftspartner geht in Insolvenz, und es passiert, dassdie Zahlungen an den Insolvenzverwalter zurückzuzah-len sind .Drittens . Ein Gläubiger bemüht sich, wegen mangeln-der Zahlung bei Gericht ein Urteil zu erwirken, beauftragtden Gerichtsvollzieher, und der vereinbart ordnungsge-mäß, so wie es das Gesetz will, eine Ratenzahlung . AmSchluss bleibt der kleine Unternehmer auf den Kostensitzen, weil er zurückzuerstatten hat .Alle drei Fälle führen zu Ergebnissen, die imschlimmsten Fall sogar die Existenzgrundlage der betrof-fenen Gläubiger ernsthaft bedrohen, weil die Rückforde-rungen bis zu zehn Jahre danach erhoben werden können .Verständlich ist das nicht – und gerecht allemal nicht .
Diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, nachzujustieren,wo es notwendig ist, gleichzeitig aber möglichst wenigin die Systematik der Insolvenzordnung einzugreifen,das unternimmt der heute in erster Lesung vorliegendeGesetzentwurf .Kern der Änderung, die ausdrücklich Vermögensver-schiebungen oder Bankrotthandlungen ausnimmt, weildiese keine Privilegierung verdienen, ist die Beseitigungvon Rechtsunsicherheiten bei Arbeitnehmerinnen undDr. Heribert Hirte
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Arbeitnehmern . Es geht dabei – das wurde bereits ange-sprochen – um die Kodifizierung der Rechtsprechung desBundesarbeitsgerichts .Außerdem wollen wir, um das Vertrauen von Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmern zu stärken, verdien-ten Arbeitslohn auch behalten zu dürfen, einen Teil derVorsatzanfechtung in das Bargeschäftsprivileg einbe-ziehen . Nach § 142 Absatz 1 der Insolvenzordnung solldie Anfechtung nur noch möglich sein, wenn erstens derSchuldner unlauter handelte und zweitens der Gläubigerdies auch erkannte .Zudem wollen wir die Anfechtungsfrist von zehn aufvier Jahre verkürzen .Wenig interessensgerecht fand ich auch die bisheri-ge Regelung zur Verzinsung des Anfechtungsanspruchs,weil sie Anreize zu dessen verzögerter Geltendmachungschaffte . Deshalb sollen, wie im Gesetzentwurf vorgese-hen, die Zinsen begrenzt werden, indem sie den allgemei-nen schuldrechtlichen Verzugsregeln unterstellt werden .Mein Dank an dieser Stelle, meine Damen und Her-ren, geht vor allen Dingen an Sie, lieber JustizministerHeiko Maas, für diesen Entwurf und die konstruktivenLösungsansätze . Ich hoffe, dass bei der öffentlichen An-hörung noch viele konstruktive Vorschläge zu den nochwenigen offenen Fragen kommen . Ich sage dies deshalb,weil ich glaube, dass an einigen Stellen noch Diskussi-onsbedarf besteht . So glaube ich, dass der Vorschlag imReferentenentwurf aus Ihrem Haus, Herr Minister, ledig-lich den zivilprozessualen, also auf dem Rechtsweg er-strittenen Titeln ein Privileg in der Zwangsvollstreckungeinzuräumen, also denjenigen, die einen Zahlungsbefehloder ein Urteil erwirken wie der einfache Handwerker,sachgerecht und angemessen war .
Dass jedoch jetzt, vermutlich bei der Ressortabstim-mung, durch Streichung des kleinen Wortes „gerichtlich“quasi durch die Hintertür die alten, aus der Konkursord-nung bekannten Fiskal- und Sozialversicherungsprivile-gien wieder Einzug halten könnten – auch als Ausstands-verzeichnisse, die im einfachen Weg erstritten werden,bekannt –, dient weder der Sache und, wie ich glaube,schon gar nicht der Masse .
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren,freue ich mich, auch nach den Wortbeiträgen und Redendes heutigen Tages, auf einen intensiven Gedankenaus-tausch, auf gute Anregungen in der öffentlichen Anhö-rung am 24 . Februar und gute Ergebnisse bis zur zweitenund dritten Lesung .Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
Vielen Dank, Kollege Brunner . – Der letzte Redner in
dieser Debatte ist Philipp Graf Lerchenfeld für die CDU/
CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf soll denWirtschaftsverkehr und die Arbeitnehmer von Unsicher-heiten im Insolvenzverfahren entlasten, die eben geradedurch die Praxis des Insolvenzverfahrens in den letztenJahren stark hervorgerufen wurden .Es ist Ziel der Reform, die Insolvenzanfechtungen inbestimmten Punkten neu zu ordnen, wie von vielen schondargestellt worden ist, die Gläubiger in ihren Rechten zustärken, sodass übermäßige Belastungen des Geschäfts-verkehrs und gleichzeitig vor allem auch Rechtsunsi-cherheiten bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnenvermieden werden können . Es sollte dabei allerdingsnicht aus den Augen verloren werden, dass das große Zielder Reform der Konkursordnung im Jahre 1994 darin be-stand, anstelle der damals üblichen Zerschlagung der inKrise geratenen Unternehmen vor allem die Möglichkeitder Fortführung der Unternehmen in den Vordergrund zustellen . Dieses Ziel hat sich bewährt, und es sind in denletzten Jahren viele Unternehmen und damit auch vieleArbeitsplätze erhalten worden . Alle Änderungen, die wiran der Insolvenzordnung vornehmen, müssen sich des-halb an diesem Ziel messen lassen .Während der Insolvenz eines Unternehmens verändertsich grundsätzlich das Recht des Gläubigers auf Vollstre-ckung seiner Forderung . Ziel ist die Sicherstellung dergleichmäßigen Befriedung aller Gläubiger . Konsequen-terweise können deshalb Zahlungen, die vom Schuldnerin der Krise geleistet worden sind, zurückgefordert wer-den, damit die Gelder dann gleichmäßig auf alle Gläubi-ger verteilt werden können .Die Frist für diese Rückforderung betrug zehn Jahre .Man muss sich nun einmal vorstellen, was das bedeutet:Im Laufe von zehn Jahren kann es leicht passieren, dasssich ein Unternehmen, das in der Krise war, einigerma-ßen erholt und dann wieder in Konkurs oder Vermögens-verfall gerät . Aber eine Rückforderung konnte, obwohljeder gewusst hat, dass es dem Unternehmen wiederdeutlich besser geht, zehn Jahre lang geltend gemachtwerden . Das ist ungerecht, und das führt nicht dazu, dassman mit den Gläubigern vernünftig umgeht .
Diese Frist wird durch den Gesetzentwurf nun aufvier Jahre verkürzt, und die Kenntnis der drohendenZahlungsunfähigkeit wird durch die Kenntnis der ein-getretenen Zahlungsunfähigkeit ersetzt . § 142 Insol-venzordnung, der die Bargeschäfte betrifft, wird klarerformuliert, und die Arbeitnehmerrechte werden dadurchgestärkt; das ist von allen Vorrednern schon ausführlichdargestellt worden .Dr. Karl-Heinz Brunner
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Wichtig sind in diesem Zusammenhang natürlich auchdie Zinsforderungen, für die nunmehr die allgemeinenGrundsätze gelten und die nicht mehr, wie bisher, eineSonderstellung erhalten sollen .Problematisch sehe ich die im Gesetzentwurf vorge-sehene Neuregelung des § 131 Insolvenzordnung, nachdem für alle Zwangsvollstreckungen und damit auch fürdie sogenannten Zwangsgläubiger der Tatbestand derInkongruenzanforderung entfallen soll . Eine behutsameÄnderung des Gesetzes ist das eigentlich nicht .
Genügt es nicht, den Tatbestand der Inkongruenzanforde-rung nur auf der Grundlage eines in einem gerichtlichenVerfahren erlangten vollstreckbaren Titels zu erreichen?Es entsteht somit ein großer, wirklich großer Vorteilfür öffentlich-rechtliche Gläubiger, da diese ihre Forde-rungen ja auch meist selbst titulieren können . Sie erhaltendamit einen zeitlichen Vorzug vor privaten Gläubigern,und der allgemeine Grundsatz der gleichmäßigen Be-friedigung aller Gläubiger kann damit eindeutig gestörtwerden . Es muss auch befürchtet werden, dass dadurchwieder mehr Verfahren mangels Masse abgewiesen wer-den, weil man schlicht und ergreifend nicht mehr überdie erforderliche Masse verfügt, um das Verfahren über-haupt zu eröffnen .
Wichtig ist auch – ich glaube, damit sollten wir unsin den Beratungen noch ernsthaft beschäftigen –, einevernünftige Übergangsregelung für die Verfahren, diebereits laufen, zu schaffen .
Ich denke, hier haben wir in den Beratungen noch einegroße Aufgabe vor uns .Ich hoffe, dass wir den Grundsatz, den ich eingangsgenannt habe – die Fortführung des Unternehmens mussVorrang vor der Zerschlagung des Unternehmens ha-ben –, in den anstehenden Beratungen beachten, und ichwünsche uns zu diesem Zweck gute Beratungen .Vielen Dank .
Danke schön, Graf Lerchenfeld . – Damit schließe ich
diese sehr lehrreiche Debatte .
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs
auf Drucksache 18/7054 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen . – Es gibt dazu kei-
ne anderweitigen Vorschläge . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla
Jelpke, Frank Tempel, Sevim Dağdelen, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Unerlaubte Einreise von Flüchtlingen entkri-
minalisieren
Drucksache 18/6652
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker
Beck , Luise Amtsberg, Katja Keul, wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Entkriminalisierung von
Menschen ohne Aufenthaltsstatus
Drucksache 18/6346
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist es so beschlossen .
Ich bitte diejenigen, die sich – warum auch immer –
nicht unmittelbar für dieses Thema interessieren, den
anderen die Möglichkeit zu geben, der Aussprache zu
folgen .
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort an Ulla
Jelpke für die Linken .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einer-seits garantiert das Grundgesetz Flüchtlingen die Prü-fung eines Asylantrages, andererseits wird gegen dieFlüchtlinge aber ein Ermittlungsverfahren wegen uner-laubter Einreise eingeleitet, wenn sie ohne Reisepass undVisum zu uns kommen, um Asyl zu beantragen .Ich meine, man erkennt auf den ersten Blick, wie ab-surd diese Gesetzeslage ist . Deswegen fordern die Linkenheute in ihrem Antrag, klarzustellen, dass Asylsuchende,die zu uns kommen, nicht kriminell sind, sondern völligim Einklang mit unseren Gesetzen handeln .
Jedes Jahr führt die Bundespolizei Zehntausende vonErmittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise durch .Alleine im vergangenen Jahr waren es bis August 118 000Verfahren, und inzwischen dürften es noch einige mehrsein . Nach dem Gesetz steht darauf eine Freiheitsstrafevon bis zu einem Jahr .In der Realität wird aber nur 1 Prozent der Beschul-digten tatsächlich verurteilt; denn nach internationalemRecht dürfen Asylsuchende nicht wegen illegaler Einrei-se belangt werden . Deswegen werden fast alle Verfahrenwieder eingestellt, sobald die Beschuldigten ihren Asyl-antrag gestellt haben . Mit anderen Worten: Die Polizeiwird vom Gesetz gezwungen, Verfahren einzuleiten, diezu 99 Prozent nur für den Papierkorb sind . Mit dieserVerschwendung der Arbeitszeit muss man – auch vorPhilipp Graf Lerchenfeld
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dem Hintergrund der enormen Belastung der Polizei –endlich einmal aufhören .
Wir müssen einsehen: Flüchtlinge haben überhauptkeine andere Chance, als unerlaubt hier einzureisen,wenn sie Asyl beantragen wollen .
Es ist deshalb doch völlig absurd, ihnen diese Einreisestrafrechtlich vorzuhalten .Ich zitiere einmal den Bundesvorsitzenden des Bun-des Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz . Er sagt:Wir gewähren ein grundgesetzlich verankertesAsylrecht, haben aber so gut wie keine Möglich-keit geschaffen, damit Betroffene dieses Recht auchwirklich und auf legalem Wege in Anspruch neh-men können . Stattdessen kriminalisieren wir Asyl-bewerber systembedingt .Der Vorsitzende des BDK im Bundeskriminalamt,Andy Neumann, sagt:Die Kriminalpolizei in die Pflicht zu zwingen, Hun-derttausende Vorgänge zu bearbeiten, die juristischfolgenlos bleiben und menschlich fragwürdig sind,ist angesichts der brutalen Überlastung der Polizeiin Bund und Ländern ein Skandal .
Auch die Gewerkschaft der Polizei teilt diese Ansichtund sagt, es sei unsinnig, die unerlaubte Einreise und denunerlaubten Aufenthalt strafrechtlich ahnden zu wollen .Es kommt wirklich selten vor, dass die Linke mit denPolizeigewerkschaften einer Meinung ist, aber hier istdas auf alle Fälle so .Ich meine, wir sollten wirklich die Konsequenzen da-raus ziehen und die unerlaubte Einreise endlich aus demStrafrecht herausnehmen; denn Flüchtlinge sind nicht il-legal hier . Wenn Sie das auch juristisch klarstellen, dannist das ein wichtiges Signal an die Flüchtlinge und auchan unsere Gesellschaft .Die Linke geht in ihrem Antrag noch einen Schrittweiter . Wir fordern nämlich auch die Entkriminalisie-rung von Menschen, die Flüchtlingen beim unerlaubtenGrenzübertritt helfen; denn diese Helfer riskieren bislangeine Haftstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren . BisMitte September 2015 wurden 2 653 sogenannte Schleu-ser festgestellt .Um es gleich klarzustellen: Es geht uns hier nicht umdie bandenmäßigen Schleuser, die Leib und Leben vonSchutzsuchenden aufs Spiel setzen und dafür auch zuRecht bestraft werden . Uns geht es um die aus humanitä-ren Gründen Handelnden, um Menschen, wie beispiels-weise Hanna L ., der ein syrischer Christ ist, in Essen lebtund seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 270 Men-schen aus seiner syrischen Heimat geholfen hat, aus derdortigen Hölle herauszukommen . Er wurde zu zwei Jah-ren Haft auf Bewährung verurteilt und muss eine hoheGeldstrafe zahlen . Wir meinen, völlig zu Unrecht .
Für uns Linke ist die Rettung von Menschen aus Not eineachtbare Tat . Menschen zu retten, ist vorbildlich . Mandarf sie nicht unter Strafe stellen .Ich weiß, Sie von der CDU/CSU werden hier vor al-len Dingen gleich wieder von einer fatalen Signalwir-kung sprechen . Ich will Ihnen dazu sagen, dass ich dasfür Quatsch halte. Wer Gründe hat, zu fliehen, bleibtnicht weg, weil es hier ein Ermittlungsverfahren wegenillegalen Grenzübertritts gibt . Es gibt keinen vernünfti-gen Grund dafür, Flüchtlinge und ihre Helfer wegen an-geblich unerlaubter Einreise zu kriminalisieren . Wer daswill, dem geht es nur darum, seine Ressentiments gegenFlüchtlinge zu pflegen.Wir sagen: Entlasten wir die Polizei und die Ermitt-lungsbehörden, entkriminalisieren wir die Flüchtlinge,nehmen wir die Asylgarantie des Grundgesetzes ernst .Ich danke Ihnen .
Vielen Dank, Ulla Jelpke . – Nächster Redner in der
Debatte ist Marian Wendt für die CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „… einStaat ohne Grenzen gibt sich selbst auf“ . – Das ist einschöner kurzer Satz des Herausgebers der Zeitung DieWelt, Stefan Aust, in einem Artikel der letzten Tage . EinStaat ohne Grenzen gibt sich selbst auf – oder anders for-muliert: Ein Staat, der diese Grenzen gar nicht schützt,gibt sich selbst auf . – Ein europäisches Grenzregime, daswir im Rahmen von Schengen vereinbart haben, entbin-det uns auch weiterhin nicht von der Kontrolle unserernationalen Grenzen . Auch wenn es keine stationärenGrenzkontrollen mehr gibt, wie wir sie noch vor 15, 20oder 25 Jahren hatten, bleibt der illegale Grenzübertritt indie Bundesrepublik Deutschland weiterhin strafbar .
Ich sage Ihnen: Die illegale Einreise ist auch aus gutenGründen strafbar . Ich führe in meiner Rede gerne die we-sentlichen Punkte dazu auf:
Den in der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbartenSchutz vor Strafverfolgung bei illegaler Einreise kön-nen die meisten Flüchtlinge in Deutschland gar nicht inAnspruch nehmen . Sie sind nämlich grundsätzlich übersichere Drittstaaten eingereist – und eben nicht unmit-telbar aus einem Gebiet, in dem sie gefährdet sind . SoUlla Jelpke
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viel zur Rechtslage. Schutz finden sie auch in Österreichund in Slowenien, auf dem Balkan oder in anderen Staa-ten, aus denen sie hierher eingereist sind . Deutschland istumgeben von sicheren Drittstaaten . Das ist nun einmal sowegen unserer geografischen Lage. Dass wir in Deutsch-land dennoch zurzeit eine so große Menge an Menschenaufgenommen haben und diese nicht wegen illegaler Ein-reise bestraft werden, ist ein der humanitären Situationgeschuldeter Umstand .
Die Bundesregierung hat am 4 . September 2015 erkannt,dass die Situation in Budapest und in den Regionen Süd-osteuropas zu kippen droht . Wir erinnern uns alle an dieBilder vom Budapester Bahnhof . Deshalb haben wir auseuropäischer Solidarität unsere Grenzen geöffnet . DieseKatastrophensituation vom 4 . September kann aber keinDauerzustand sein, und wir sind bereits dabei – wie dieKontrollen in Österreich und in Sachsen mittlerweilebelegen –, Stück für Stück wieder zu einem geordnetenVerfahren zurückzufinden. Auch Zurückweisungen – dashaben wir in den letzten Tagen erfahren – finden statt undmachen die Grenze Stück für Stück sicherer . Die GenferFlüchtlingskonvention kann daher kein Argument sein,den illegalen Grenzübertritt in die Bundesrepublik zuentkriminalisieren .Das Argument der Linken,
man sollte als entlastendes Element für die deutschenBehörden illegale Einreise straffrei stellen, weil dieserStraftatbestand ohnehin durch die Genfer Flüchtlings-konvention, das EU-Recht und das Grundgesetz aufge-löst würde, geht also fehl . Man könnte auch sagen: Wirschaffen einfach das Asylverfahren ab . Das wäre aucheine Form von Entbürokratisierung, aber keine Form vonRechtsstaatlichkeit .Ferner gehen Sie in Ihrem Antrag auf Grenzkontrollenein . Sie wollen, dass der Bundestag die Bundesregierungauffordert, von grenzsichernden Maßnahmen abzusehen .Diese Forderung halte ich – aus den eben genanntenGründen, so die mangelhaft gesicherten Außengrenzender EU – für naiv bis gefährlich . Vielmehr brauchen wirbessere, effizientere Grenzkontrollen. Sie sollten tem-porär und stationär durchgeführt werden sowie auchSchleierfahndungen und sogenannte Binnengrenzkon-trollen umfassen .
– Wir wollen keine Mauer, meine Damen und Herren .Die Linkspartei kennt sich da ja bestens aus .
Wir wollen aber eine Kontrolle derer, die in unser Landkommen .Dass wir über die Mittel verfügen, um die öffentlicheSicherheit wieder herzustellen, haben wir bereits unterBeweis gestellt . Ich erinnere an den G-7-Gipfel . Da hat-ten wir ordentliche Einreisekontrollen,
ohne dass unsere Freiheit in Europa oder der lokale Grenz-verkehr gefährdet waren oder gar die Rechtsstaatlichkeitinfrage gestellt wurde. Die Effizienz dieser temporärenGrenzkontrollen rund um den G-7-Gipfel brauche ich,denke ich, nicht näher zu erläutern . Darüber haben wirim Innenausschuss intensiv diskutiert und haben die Dis-kussion mit einem positiven Ergebnis beendet .Zusätzlich ginge mit der entkriminalisierten und damitletztlich nicht zu kontrollierenden Einreise die Aufgabedes Schutzes des deutschen Staatsgebietes einher . In An-betracht der Tatsache, dass die europäischen Außengren-zen nicht hinreichend geschützt werden, wäre dies einfataler Fehler .Ihre Stoßrichtung hin zu Grenzen ohne jede Kontrollelässt sich auch in einem anderen Lichte betrachten . DieSignalwirkung wäre nämlich verheerend .
Gerade jetzt, da die Zahl der Flüchtlinge wenigstens lang-sam zurückgeht, wäre es geradezu sträflich, weitere An-ziehungsfaktoren einzurichten . Die Entkriminalisierungder illegalen Einreise mag in Ihren Augen vielleicht kei-nen großen Effekt haben und sogar gut sein . Aber die An-reizstrukturen für die Menschen, gerade nach Deutsch-land zu kommen, sind vielfältig . Die illegale Einreisestraffrei zu stellen, wäre ein solcher Anreiz ebenso wiedie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz .
Andererseits würden wir den Migrationsdruck auf un-sere europäischen Nachbarn erhöhen, wenn Deutschlandauf einmal anfangen würde, alle Grenzen zu öffnen . Werlitt denn zunächst unter dieser vermeintlichen Grenzöff-nung, wie Sie sie hier beschrieben haben? Die Nachbar-staaten auf dem Balkan, die von all denen, die hier nachDeutschland kommen, durchquert werden . Auch daswäre ein Aussetzen von europäischer Solidarität .Der Tod der 71 Syrer in einem ungarischen Lkw imAugust letzten Jahres in Österreich ist uns allen eineMahnung . Deswegen haben wir am 4 . September 2015richtig gehandelt . Schleusung zu entkriminalisieren,
auch für diejenigen, die in diesem Geschäftsfeld aus an-geblich edlen Motiven tätig sind, können wir nicht zulas-sen . Die Hilfe zur illegalen Einreise ist und bleibt straf-bar, und das ist auch gut so .
Marian Wendt
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Einen viel klügeren Schritt – darauf möchte ich nachder ganzen Analyse eingehen – haben wir gestern Abendunternommen, um wieder zu sicheren Grenzen zu kom-men . Mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz habenwir eine echte Entlastung für alle Behörden geschaffen,die mit der Bewältigung der Flüchtlings- und Asylkrisebetraut sind . Es ist doch ein Hauptanliegen Ihres Antrags,dass wir die Behörden entlasten und dass wir der Polizeiwieder mehr Möglichkeiten geben, die Grenzen wirklichzu sichern und nicht nur Papier zu verschieben .
Deswegen reduzieren wir mit dem Gesetz den Aufwanddort, wo er wirklich anfällt . Wir wissen künftig, werkommt . Wir wissen, wer bei uns ist .
Und es ist uns auch klar, ob Terroristen unter den An-kommenden sind . Damit können wir auch besser unter-scheiden, wer Hilfe braucht und wer nicht .Bei der Registrierung und Aufnahme von Flüchtlingenund Asylbewerbern, vor allen Dingen bei der Abwick-lung der Verfahren, besteht derzeit ein Engpass; darinsind wir uns sicherlich einig . Da besteht Handlungsbe-darf, den wir mit Mitteln der digitalen Verwaltung ange-gangen sind . Es freut mich daher, dass wir das ängstlicheDatenschutzdenken aus der Zeit des Volkszählungsgeset-zes ablegen und uns etwas trauen .
Sie haben sich dankenswerterweise bei der Abstimmungüber das Datenaustauschverbesserungsgesetz enthaltenund damit Ihre Unterstützung für dieses Gesetz gezeigt .Das Kerndatensystem, auf das fast alle mit der Unter-bringung, Betreuung und Erfassung betrauten Behördenzugreifen können, ist ein mutiger Schritt . Die Mittel dermodernen Verwaltung zu nutzen, sollte für unsere nor-malen Verwaltungsprozesse beispielhaft sein . Dort sindwir vielleicht noch nicht mutig genug . Aber wir werdendieses gute Beispiel als Blaupause nehmen können .Die lückenlose Erfassung all derer, die Schutz inDeutschland suchen, und derer, die sich hier illegalaufhalten, ist vor dem Hintergrund der Ereignisse dervergangenen Monate geboten . Die leider mittlerwei-le zahlreichen Anschläge in Frankreich, die Ereignissevon Köln, Hamburg, Istanbul und anderen europäischenStädten sowie die Lage im Nahen Osten erfordern eineZusammenarbeit und einen besseren Datenaustausch un-serer Sicherheitsbehörden .
Das Datenaustauschverbesserungsgesetz ist dazu die nö-tige Grundlage .Lassen Sie mich also zusammenfassen: Eine Entkrimi-nalisierung der illegalen Einreise wäre aus verschiedenenGründen ein Fehler: wegen der falschen Anreize, wegender Pull-Faktoren und auch in Bezug auf die Kon trollederer, die ankommen . Denn wir müssen es vielleichtnoch einmal klar sagen: Die Mehrheit der Menschen, diezurzeit an unsere Grenze strömen, kommen aus Gebie-ten, die normalerweise einem zweistufigen Visaverfahrenunterliegen, das insbesondere eine nachrichtendienstli-che Kontrolle zum Bestandteil hat .
Deswegen kommen wir mit unserem Datenaustausch-verbesserungsgesetz genau zu dem Ziel, das Sie fordern,aber ohne unsere Staatlichkeit aufzugeben . Wir sichernunsere Grenze, sorgen für eine ordentliche Registrierung,und wir werden auch in Zukunft in Abstimmung mit un-seren europäischen Partnern dafür sorgen, dass wir zueinem kontrollierten Grenzzustand kommen – ohne dieFreiheit, die Reisefreiheit, die Wirtschaftsfreiheit unddie Dienstleistungsfreiheit, in Europa aufzugeben – undtrotzdem allen Menschen, die hier leben wollen und desSchutzes – auch unseres Schutzes – bedürfen, Hilfe ge-währen .
Wir werden in den anstehenden Beratungen weiterüber den Gesetzentwurf und den Antrag debattieren .Danke .
Vielen Dank, Kollege Wendt . – Nächster Redner in
der Debatte: Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LieberKollege Wendt, das mit dem Strafrecht haben Sie nichtganz verstanden .
Dass man es nicht zur Straftat macht, dass jemand illegaldie Grenze übertritt, heißt noch nicht, dass er sich legalhier aufhalten darf, wenn er kein Flüchtling oder Touristist und kein Visum hat . Wenn er keinen entsprechendenGrund für den Aufenthalt und keinen entsprechenden Ti-tel hat, dann muss er unabhängig von der Strafbarkeit derillegalen Einreise selbstverständlich das Land verlassen .Dass diese Rechtsfolge nicht mehr gegeben ist, wenn wirdas aus dem Strafgesetzbuch herausnehmen, wird damitnicht bewirkt .
Marian Wendt
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Das sollten Sie eigentlich bei der Vorbereitung der Rededurchdacht haben .
Aber Sie liegen noch in einem weiteren Punkt falsch .Sie haben davon gesprochen, dass wir von sicheren Dritt-staaten umgeben sind . Das ist zwar richtig, es hat abermit dieser Materie nichts zu tun . Das sieht übrigens auchdie Bundesregierung so . In Übereinstimmung mit derRechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart und desOberlandesgerichts Düsseldorf vertritt auch die Bundes-regierung die Auffassung, dass der Schutz des Artikel 31Absatz 1 Genfer Flüchtlingskonvention nicht bereitsdurch die Einreise über einen sicheren Drittstaat verlorengeht, wenn die Flucht dort nicht schon beendet war .
So weit zu der Frage der zwingenden Straflosigkeit fürFlüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention beider illegalen Einreise .Deshalb ist es doch richtig, zu sagen, dass die Straf-taten nach dem Aufenthaltsgesetz in Bezug auf Flücht-linge als kaum vermeidbare Ordnungswidrigkeiten zumZweck der Vorbringung begründeter Schutzersuchen er-scheinen . Das muss überwunden werden, weil es keinenSinn macht .
Trotz der rechtlichen Voraussetzungen, in Deutsch-land Asyl zu beantragen oder den Flüchtlingsstatuszu erhalten, existieren nach dem AufenthaltsgesetzStraftaten, welche nahezu jeden der Antragstel-ler betreffen . Demnach ist die Einreise ohne einengültigen Aufenthaltstitel per se eine Straf-tat, welche eine polizeiliche Bearbeitung nach sichzieht . Gibt der Betroffene seine Absicht kund, inDeutschland Asyl beantragen zu wollen, zieht dieskeine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich,– das ist auch richtig –dennoch führt diese Gesetzeslage dazu, dass einGroßteil der Flüchtlinge in Deutschland durch dieStraftat der illegalen Einreise polizeilich bearbei-tet wird, was auch das Erfassen und Speichern vonLichtbildern und Fingerabdrücken umfasst . Diesist nicht nur enorm zeitaufwendig und personalbin-dend, sondern erscheint unter Berücksichtigung desMangels an legalen Einreisemöglichkeiten wider-sprüchlich .
Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen . Das istaber kein Grünen-Duktus oder Linken-Duktus, sonderndas ist ein wortwörtliches Zitat des Bundes der Kriminal-beamten, der nämlich sagt: Wir wollen mit so einem Un-sinn nicht unsere wertvolle Arbeitszeit verbringen; wirwollen weder Justiz- noch Polizeiressourcen für etwasbinden, das ohnehin zu nichts anderem als zu Verfahrens-einstellungen führt; wir haben weiß Gott Wichtigeres zutun. – Da ist der Polizei nur beizupflichten.
– Wie bitte?
– Wollen Sie eine Zwischenfrage stellen? Ich lasse dieZwischenfrage zu, Frau Präsidentin .
– Wenn Sie keine Zwischenfrage stellen, können wir keinGespräch führen . Das ist Ihre Entscheidung .
Herr Grund hat das Recht, dazwischenzurufen, ohne
anschließend eine Frage zu stellen .
Es ist absurd, dass jeder Flüchtling qua Flüchtlingssta-tus beim Grenzübertritt eine Straftat begeht . Das müssenwir überwinden .Es kommt aber noch absurder . Ich habe die Bundes-regierung gefragt, wie es um die Beihilfe von Menschenbestellt ist, die sich ehrenamtlich in Flüchtlingsinitiativenengagieren . Die Bundesregierung kann nicht ausschlie-ßen, dass diese Menschen strafrechtlich belangt werden .Die Anzahl der Ermittlungsverfahren ist der Bundesre-gierung in diesem Zusammenhang nicht bekannt . Wirwollen, dass uns die Bürgerinnen und Bürger helfen undsich bei der Aufnahme der Flüchtlinge engagieren, undsetzen sie gleichzeitig bei bestimmten Hilfsmaßnahmender Gefahr aus, strafrechtlich verfolgt zu werden . Das istdoch eine absurde Situation .
Es ist nicht so, dass das nicht passiert . Stichwort „Schwe-dentickets“ – Luise Amtsberg, das ist ein Beispiel ausDeiner Region –: Die Staatsanwaltschaft überprüfte dieStrafbarkeit von Flüchtlingshelfern in Schleswig-Hol-stein, die Tickets gekauft haben, damit Menschen nachSchweden weiterreisen können .
Das ist doch ein absurder Vorgang . Der Staatsanwalt hatgeäußert, dass es eine rechtlich hochinteressante Fragesei, ob das strafbar ist oder nicht, auch wenn das im Er-Volker Beck
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gebnis nicht entscheidend sei, da die Verfahren wegenGeringfügigkeit eingestellt werden . Sind wir denn völligverrückt geworden, unsere Justiz mit so etwas zu belas-ten?Lassen Sie uns ein Signal setzen: Die illegale Einreisevon Flüchtlingen ist nicht strafbar . Da das so ist, müs-sen auch keine Verfahren eröffnet werden . Nehmen wires also aus dem Strafgesetzbuch heraus! Menschen, dieFlüchtlinge unterstützen, ohne habgierige und unverant-wortliche Schleuser zu sein, sollen ebenfalls nicht be-langt oder der Gefahr ausgesetzt werden, dass ihnen ihrehrenamtliches Engagement zu guter Letzt auf die Füßefällt . Das wäre eine sinnvolle Maßnahme für Humanitätund Entbürokratisierung .
Wenn wir die Ressourcen unseres Staates nicht fürsinnloses Zeug wie Ihre konservative Ideologie ver-schleudern, dann können wir guten Gewissens sagen:Wir schaffen das! – Wenn Sie so weitermachen wie bis-her, ist das allerdings sehr zweifelhaft .
Vielen Dank, Kollege Volker Beck . – Das Wort als
nächster Redner hat Sebastian Hartmann für die SPD .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um nicht nur auf den
Antrag der Linken einzugehen, sondern auch auf die im
Mittelpunkt stehende Frage, wie wir Deutschen in die-
ser Lage unserer internationalen Verantwortung gerecht
werden . Die Dimension dieser Frage macht es notwen-
dig, eine Antwort auf mehreren Ebenen zu geben . Es gibt
eine internationale Verpflichtung, eine Verpflichtung und
eine Verantwortung gegenüber unseren Bürgern, aber
auch eine Verantwortung gegenüber den Beschäftigten
in Polizei und Justiz . Die Linken greifen einen Aspekt
heraus . Das ist eine singuläre Betrachtungsweise . Aber
ich möchte auf diesen Punkt eingehen und werde Ihnen
darlegen, dass wir unserer internationalen Verantwortung
gerecht werden .
Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde schon ange-
sprochen . Hier ist die erste Verantwortung, die unser Land
hat; denn für uns gilt die Genfer Flüchtlingskonvention
nicht nur dann, wenn sie nicht zur Anwendung kommt,
sondern auch dann, wenn Menschen in unser Land flüch-
ten und sich auf diese Konvention berufen . Die Ausfüh-
rung der Bundesregierung, dass die Einreise über einen
Drittstaat unter die Genfer Flüchtlingskonvention fällt,
ist noch einmal zu unterstreichen . Aber das soll uns nicht
darüber hinwegtäuschen, dass das, vor dem wir stehen,
uns, unseren Staat und unsere Gesellschaft, vor enorme
Herausforderungen stellt . Im Mittelpunkt steht daher der
handlungsfähige Staat . Es ist unsere Verantwortung, den
Staat so zu organisieren, dass er handlungsfähig ist . Ich
möchte in diesem Zusammenhang einen Gedanken des
Justizministers aufgreifen und darauf hinweisen, dass das
Recht nur so viel wert ist, wie es durchgesetzt wird . Un-
ter diesem Aspekt sollten wir unsere Aufmerksamkeit auf
die Frage lenken, wie wir das verfahrensökonomisch so
gestalten, dass sich die Bediensteten in Polizei und Justiz
auf das Wesentliche konzentrieren können .
Ich habe ausgeführt, dass wir unserer internationa-
len Verantwortung gerecht werden . Das zeigt unser ge-
setzgeberisches Handeln im Zusammenhang mit dem
Aufenthaltsgesetz . In Abschnitt 5 dieses Gesetzes wird
ausdrücklich Bezug auf Artikel 31 der Genfer Flücht-
lingskonvention genommen und dargelegt, dass Arti-
kel 31 Absatz 1 des Abkommens über die Rechtsstellung
von Flüchtlingen unberührt bleibt . Darin haben wir das
abgebildet, wozu wir uns international verpflichtet ha-
ben . Wir werden aber die Frage, wie wir das verfahrens-
ökonomisch abbilden, vielleicht auch anders beantwor-
ten können . Darüber werden wir zu reden haben .
Die Bundesregierung selbst hat in ihrer Antwort auf
die Fragen auch der Linken dargelegt, dass im Übrigen
nicht die Tatsache der Asylbeantragung, sondern erst
der anerkannte Status als Schutzbedürftiger die Straf-
barkeit wegen unerlaubter Einreise aufhebt . Ich ergänze,
dass nach weitergehender Auffassung und auch nach der
Rechtsprechung klar ist, dass die Genfer Konvention in
diesem Falle mit der entsprechenden Antragstellung als
Strafaufhebungsgrund wirkt . Das gilt auch dann, wenn
das Verfahren nachher bestandskräftig abgelehnt wird .
Aber danach wird der Ausländer eben ausreisepflichtig,
und so haben wir das in unserem Verfahren auch ordent-
lich geregelt .
Deswegen finde ich die Überschrift Ihres Antrags
„Unerlaubte Einreise von Flüchtlingen entkriminalisie-
ren“ falsch . Wir kriminalisieren Flüchtlinge nicht . Auch
das ist Teil unserer internationalen Verantwortung . Es ist
unredlich, das Ganze hier anders darzustellen .
Lassen Sie mich auf den zweiten Punkt des Antrags
eingehen .
– Herr Volker Beck, ich darf Ihren Ansatz aufgreifen und
Sie fragen, wie Sie eben den Kollegen gefragt haben: Ist
das eine Zwischenfrage?
Gut . Dann fragt die Präsidentin, ob Herr Hartmann esmöchte, dass Herr Beck eine Zwischenfrage stellt .Volker Beck
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Ja . Dann werde ich antworten: Vielen Dank . Aber ich
glaube, wenn meine Ausführungen zu Ende sind und Sie
dann noch eine Frage haben, können Sie die stellen .
Moment . Das ist jetzt ein Eingriff in das Recht des
Kollegen Beck zu einer Zwischenfrage . – Herr Beck
kann jetzt fragen .
Vielen Dank, Frau Präsidentin, Herr Hartmann . – Ich
wollte Sie fragen, ob Sie Ihrer eigenen Logik folgen,
wenn Sie die Linken kritisieren . Die Überschrift des An-
trags ist natürlich ein bisschen kursorisch; das gebe ich
zu . Aber trotzdem ist die Abfolge doch so: Der Flücht-
ling übertritt die Grenze . Die Polizei stellt den illegalen
Grenz übertritt als Tatbestand fest . Dann nimmt sie Fin-
gerabdrücke, macht ein Lichtbild, stellt die Identität fest .
Das ist ein Riesenbrimborium, und das alles kostet Geld
und Arbeitskapazitäten .
Dann sagt der Flüchtling: Asyl . – Das nimmt die Staats-
anwaltschaft irgendwann zur Kenntnis, und sie macht
einen Stempel auf die Akten mit dem Vermerk „einge-
stellt“ .
Natürlich wird die Person nicht strafrechtlich verfolgt,
aber die ganzen polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen,
die Geld kosten und Ressourcen binden, finden statt.
Deshalb ist der Antrag zwar, wie ich finde, etwas schlank
formuliert, aber im Kern trifft der Grundgedanke doch
die Sache .
Herr Hartmann .
Ich werde mir jetzt redlich Mühe geben, aus IhrenAusführungen eine Frage zu extrahieren .
Ich darf mit Ihren eigenen Worten, die Sie vor zweiMinuten hier im Plenum verwendet haben, antworten:Die illegale Einreise ist nicht strafbar . Das ist nachzu-lesen im Protokoll des Bundestags vom heutigen Tage .Das haben Sie selbst in Ihrer Bundestagsrede ausgeführt .
Sie wollen über die verfahrensökonomische Fragereden, das heißt darüber, ob dieser Ermittlungsaufwandgerechtfertigt ist . Ich habe zu Anfang, als ich auf IhrenFragewunsch eingehen wollte, darauf hingewiesen, dassich in meiner Rede dazu Ausführungen machen werde .Ich habe jetzt die Gelegenheit, Ihre Frage zu beantwor-ten, und sage, dass es andere Varianten geben wird, alsdas über die Strafbarkeit zu regeln . Aber es wird daraufankommen, bestimmte Tatbestände eben auch strafbar zuhalten . Ich denke dabei zum Beispiel an das Schleusen .
Darum muss man sehr genau überlegen, wie man das re-gelt .Ich möchte auf die Verantwortung gegenüber den Be-schäftigten der Bundespolizei eingehen . Es wird nachwie vor den Tatbestand geben, dass jemand die Grenzeübertritt, auch ohne konkreten Bezug zum Flüchtlingssta-tus, und damit möglicherweise ein Aufenthalt in unseremLand illegal ist . Wenn wir dem Antrag der Linken fol-gen würden, dann könnten wir bestimmte abschreckendeund generalpräventive Maßnahmen, zum Beispiel gegenMenschenhandel oder gegen illegale Beschäftigung,nicht mehr treffen . Der Aufenthaltstitel gilt nämlich ander Stelle nicht nur für Flüchtlinge .Ich möchte auch auf den zweiten Gedanken zu spre-chen kommen. Wir haben die Verpflichtung, einen hand-lungsfähigen Staat zu schaffen. Dieser Verpflichtung sindwir hier im Plenum durch eine Vielzahl von Maßnahmenund einzelnen Paketen – Stichwort „Asylpakete“ – ge-recht geworden .Wir wollen die Verfahren vereinfachen . Darauf habendie Bürgerinnen und Bürger in unserem Land einen An-spruch . Wir wollen nämlich Recht und Ordnung ebensowie Sicherheit garantieren . Aber damit haben wir auchdie Verantwortung, geordnete Verfahren, insbesondereschnelle und effiziente Asyl- und Anerkennungsverfah-ren, durchzuführen, wobei wir trotzdem unserer interna-tionalen Verantwortung gerecht werden müssen .Mit dem Bezug auf das Schengen-System, das nichtdauerhaft außer Kraft gesetzt werden soll, und die zeit-weilige Einführung von Grenzkontrollen geht es im Kernaus meiner Sicht darum, wieder zu geordneten Verfah-ren zu kommen . Wir müssen wissen, wer einreist . Wirmüssen die Identität der Einreisenden feststellen, und wirmüssen dafür sorgen, dass diejenigen, die bei uns bleibenkönnen, schnell in ein Integrationsverfahren eintretenkönnen .Was die Forderung angeht, die Sie in Ihrem Antragebenfalls gestellt haben, nämlich die Grenzkontrollenentfallen zu lassen: Dessen bedarf es nicht . Es geht da-rum, zu geordneten Verfahren zu kommen .Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sindVerfechter eines freien und offenen Europas . All dieje-nigen, die meinen, mit immer mehr und immer höherenGrenzzäunen das Europa, das auf einem Konzept und ei-ner Idee beruht, sichern zu können, würden das Gegenteilvon dem erreichen, was wir ja gerade wollen: ein Europader freien Grenzen . Das setzt aber zwingend die Siche-rung der Außengrenzen voraus . Hierfür werden wir unsweiterhin einsetzen . Wir müssen die Kontrollen an dieser
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Stelle aber vor allen Dingen unter dem Aspekt betrach-ten, dass wir zu einer Ordnung im Verfahren kommenwollen, damit wir auch über die erkennungsdienstlicheBehandlung vorankommen können .Hier gibt es einen Unterschied: Die erkennungs-dienstliche Behandlung der in unser Land Einreisendenentspricht nicht der von Straftätern – das hat die Bun-desregierung in ihrer Antwort auf die Fragen der Linkendargelegt –, sondern es wird analog zum Asylverfah-rensgesetz vereinfacht erkennungsdienstlich behandelt,weil erkannt wird, welcher Verwaltungsaufwand damitverbunden ist .Ich komme zum nächsten Punkt, nämlich zu unsererVerantwortung gegenüber den Beschäftigten von Polizeiund Justiz . Wir werden unserer Verantwortung gerecht .Zum einen haben wir uns als SPD-Bundestagsfraktionsehr deutlich dafür eingesetzt, 3 000 neue Stellen bei derBundespolizei zu schaffen . Wir haben das durchgesetzt,wir stehen dazu, und wir sind darauf stolz .
Wir haben die Forderung erhoben, 12 000 neue Beschäf-tigte bei Landespolizeien und Bundespolizei einzustel-len. All das dient dazu, dem effizienten Staat die Mög-lichkeit zu geben, handlungsfähig zu sein .
Ich möchte an dieser Stelle aber auch den Bundespoli-zisten, den Landespolizisten und allen Justizbedienstetendanken . Mir ist sehr bewusst, dass es zu einer Vielzahlvon Überstunden und aufgeschobenen Urlaubstagenkommt, wenn man hier seiner Verantwortung gerechtwerden will . Mein Dank gehört ihnen allen ebenso wieden Ehrenamtlichen, die sich darum kümmern, dassFlüchtlinge, die hier einreisen, aufgenommen und unter-stützt werden . Danke hierfür!
Wir werden durch effiziente Verfahren und Gesetzediesen Menschen ermöglichen, ihrer Arbeit möglichstgut nachzugehen . Der Antrag der Linken und die Ausfüh-rungen des Kollegen Beck haben auf das hingewiesen,was der Bund Deutscher Kriminalbeamter gesagt hat,und wir nehmen diese Hinweise ernst .
Wie bereits ausgeführt, wird der Flüchtling bzw . derAsylsuchende, der aufgegriffen wird, erkennungsdienst-lich behandelt . Das bedeutet einen Verwaltungsmehrauf-wand und eine Belastung der Polizei- und Justizbehör-den . Das will niemand wegdiskutieren . Wir reagierendarauf über die Verfahrensvereinfachungen .Aber allein die Aussage, dass die Fallzahl von42 000 Fällen im Jahr 2014 auf 90 000 Fälle in den erstendrei Quartalen im Jahr 2015 gestiegen ist – verwiesen seiauch auf die 118 000 beanzeigten illegalen Einreisen –ist keine Aussage, die den Schluss zulässt, dass diesesVerwaltungsverfahren keinen Sinn hat . Sie zeigt eher auf,dass die Kontrollen eine Wirkung entfalten und eine sta-tistische Folge haben .Aber wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, umdie Migration in unserem Land zu steuern . Das muss vonillegaler Einreise und von illegalem Aufenthalt klar ge-trennt werden . Man kann das eine tun, ohne das ande-re zu lassen . Der Bund Deutscher Kriminalbeamter hatetwas ausgeführt, was leider noch nicht Gegenstand derDebatte war: Er hat in seinen Diskussionsbeiträgen dieVerabschiedung eines Einwanderungsgesetzes gefordert .
Das ist etwas, was die SPD-Bundestagsfraktion schonseit vielen Jahren fordert . Ich möchte diese Forderungunterstreichen .
Dies gibt uns die Gelegenheit, aufgeworfene Fragender Strafbarkeit, aber auch Fragen, die Ordnungswidrig-keiten betreffen, zu regeln . Ich glaube, dass wir an dieserStelle unserer Verantwortung gegenüber den Bedienste-ten im öffentlichen Dienst mehr als gerecht werden kön-nen .Ein Blick nach Österreich zeigt: Dort ist die unerlaub-te Einreise lediglich ein Verwaltungsverstoß; die Sicher-heit der Grenze wird damit nicht in Abrede gestellt . Des-wegen werden wir diese Hinweise aufnehmen .Das ist ein Unterschied zum Antrag der Linken; dennhier geht es eben nicht darum, unter der falschen Über-schrift der Kriminalisierung von Flüchtlingen eine Ab-schaffung oder eine Änderung des Gesetzes zu fordern .Wir wollen an dieser Stelle einen ganzheitlichen Ansatzstatt eines singulären Ansatzes, und wir wollen das Ver-fahren so gestalten, dass sich die Beschäftigten im öffent-lichen Dienst, bei Polizei und Justiz, auf das Wesentlichekonzentrieren können, nämlich auf die Verfolgung vonStraftaten .
Meine Damen und Herren, das ist etwas, was wir inden Mittelpunkt der Diskussion stellen wollen . Es istrichtig, dass das jetzt ein Ansatz Ihres Antrages ist; aberich glaube, dass das nur eine Momentaufnahme ist undnur einen einzelnen Punkt betrifft . Wenn wir das tun,dann zeigt das unsere Verantwortung, für ein insgesamtschlüssiges Verfahren zu sorgen . Wenn Sie besorgt sind,dass Flüchtlinge kriminalisiert werden, so kann ich Ihnenversichern, wie ausgeführt: Sie werden nicht kriminali-siert . Das ist schon beim Verfahrensstand von heute so .Aber wir brauchen auch eine internationale und eineeuropäische Regelung, um dies gemeinsam zu lösen . Wirmerken im Schengen-System, dass es ohne eine europäi-sche Lösung nicht gehen wird .Lassen Sie mich zum Ende meiner Rede noch einenPunkt ausführen . Wir müssen dafür sorgen, dass wir indieser Diskussion in Ruhe auch über eine Verfahrensfra-ge reden . Wir müssen dies so organisieren, dass wir einenhandlungsfähigen Staat haben . Darauf verlassen sich dieSebastian Hartmann
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Bürgerinnen und Bürger in unserem Land . Das ist unsereVerpflichtung, die wir Flüchtenden gegenüber haben. Ichmeine auch, dass wir auf dem Weg, unserer internationa-len Verantwortung gerecht zu werden, schon ein Stückweit gegangen sind . Diejenigen, die immer weiter Ver-schärfungen fordern oder das Kurzfristige hektisch in denMittelpunkt stellen, werden nicht die unterstützen, die esgut meinen, die unseren Staat voranbringen wollen . Fürall das brauchen wir einen Staat, der handlungsfähig ist,und eine Gesellschaft, die unterstützt wird .Ich danke für die Aufmerksamkeit .
Vielen Dank, Kollege Hartmann . – Zum Ende dieser
Aussprache gebe ich das Wort an Dr . Volker Ullrich – wie
immer; das muss sein –, Augsburg .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! § 95 des Aufenthaltsgesetzes stellt die illegaleEinreise unter Strafe . Es ist eine notwendige und gebo-tene Vorschrift . Das ergibt sich aus dem unmittelbarenZweck des Staates selbst. Der Staat hat die Verpflichtung,die innere und äußere Sicherheit für seine Bürger zu ge-währleisten . Daraus folgt, dass der Staat zur Aufrechter-haltung der staatlichen Ordnung gezwungen ist, und diessetzt voraus, dass der Staat seine Grenzen schützt .
Der Schutz der staatlichen Grenzen schafft auch dennotwendigen Ordnungsrahmen . Damit die Grundrechtein diesem Staat überhaupt zur Geltung kommen können,damit Bürger sich in Würde frei entfalten können, damitsie die Freizügigkeit und ihre Freiheit ausleben können,muss der Staat einen entsprechenden Rahmen setzen .
Grenzen schränken also die Freiheit nicht ein, sondernsie erreichen erst, dass der Staat diese Freiheit gewähr-leisten kann .Unser Staat hat den Schutz an das Schengensystem,das die EU-Außengrenzen schützt, delegiert – das istrichtig -; das entbindet unseren Staat aber nicht davon,seine Grenzen zu schützen . Deswegen muss klar sein:Solange der Schutz der EU-Außengrenzen nicht hinrei-chend gewährleistet ist, ist die Sicherung der eigenenStaatsgrenze keine Option; sie ist eine Notwendigkeit .
Wenn wir über die Notwendigkeit des Schutzes unse-rer Grenzen reden, dann muss auch etwas anderes klarsein . Dieser Staat muss wissen: Wer betritt das Staats-gebiet?
Wer ist er? Woher kommt er? Was will er? Das kannman nur durch wirksame Grenzkontrollen erreichen . Daskann man nur erreichen, indem klar ist: Wer diesen Staatillegal betritt, der begeht eine Straftat .
Meine Damen und Herren, die mögliche Abschaffungder Strafbarkeit der illegalen Einreise wäre auch das fal-sche Signal in der jetzigen Debatte .
Die Humanität in diesem Land ist groß . Unser Herz istgroß . Wir helfen über 1 Million Menschen, die im letztenJahr in dieses Land gekommen sind, um hier Zuflucht zusuchen, um Schutz zu suchen, ja, um vielleicht auch einbesseres Leben zu finden.Diese humanitäre Geste unseres Landes ist eine groß-artige Leistung, die durch ehrenamtliche Helfer, aber vorallem auch durch die Kommunen zustande gekommenist .Aber so groß unser Herz auch ist,
klar wird auch, dass die Kapazitäten dieses Staates be-grenzt sind . Wir können das Asylrecht nur in dem Maßegewährleisten, wie es uns, den Kommunen gelingt, einemenschenwürdige Unterbringung sicherzustellen, undwie es uns auch gelingen kann, die Integration sicher-zustellen . Eine unbegrenzte Zuwanderung richtet sichsowohl gegen das, was die Kommunen leisten können,als auch gegen den grundlegenden Grundsatz der Men-schenwürde . Deswegen ist eine Begrenzung der Zuwan-derung notwendig und wichtig .Eine Begrenzung der Zuwanderung wird auch vonden Kollegen der Linken sowie der Grünen gefordert .Ich zitiere:Natürlich gibt es Kapazitätsgrenzen, wer das leug-net, ist doch weltfremd .Das sagte vor wenigen Tagen Sahra Wagenknecht, Frak-tionsvorsitzende der Linken .
Ein anderes Zitat:Wenn wir weiterhin mehr als eine Million Flücht-linge pro Jahr aufnehmen, halte ich zwar die Unter-bringung in Containern für machbar, nicht aber dieIntegration aller in unsere Gesellschaft .Sebastian Hartmann
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Das sagte der Oberbürgermeister der Stadt Tübingen,Mitglied der Grünen .Meine Damen und Herren, deswegen ist es wichtig,dass dieser Staat auch ein klares Signal aussendet . DasSignal heißt: Wir können die Probleme der Welt nicht lö-sen, indem alle Menschen zu uns kommen .
Es gibt eben eine Differenzierung zwischen den Men-schen, die unseres Schutzes bedürfen, und den anderenMenschen, die keinen Schutzgrund haben und die unserLand dann auch wieder verlassen müssen .In genau dieser Debatte, in der die Menschen mit gro-ßer Sorge darauf schauen, ob es der Politik in Berlin auchgelingt, eine deutliche Reduzierung der Zuzugszahlen zuerreichen, wäre es das völlig falsche Signal, zu sagen:Die illegale Einreise stellen wir auf einmal straffrei . –Das wäre das falsche Signal, ein Signal, das wir im Au-genblick nicht gebrauchen können .
Meine Damen und Herren, ich lade Sie ein, in der jet-zigen Flüchtlingskrise unsere Verantwortung in diesemHohen Haus gemeinsam wahrzunehmen . Diese Verant-wortung bedeutet, dass wir den Kommunen und den eh-renamtlichen Helfern unter die Arme greifen, die so vielfür eine humanitäre Visitenkarte für unser Land tun .
– Herr Kollege Beck,
ich bitte Sie, dass Sie hier keine Nebelkerzen zünden .
Sie sprechen davon, wir würden ehrenamtliche Helferkriminalisieren . Das ist schlichtweg nicht der Fall . Wennein ehrenamtlicher Helfer einem Flüchtling in einer Un-terkunft hilft, ist das zu begrüßen . Wenn es aber darumgeht, einen Flüchtling über die Grenze zu bringen, dannist das Schleuserei . Das muss auch bestraft werden .
Meine Damen und Herren, ich lade Sie ein, dasswir gemeinsam an unserer Verantwortung arbeiten, dieFlüchtlingszahlen deutlich zu reduzieren, damit wir Ka-pazitäten für die Menschen haben, die unserer Hilfe be-dürfen . Das ist unsere Aufgabe . Darum bitte ich Sie sehr .
Herr Ullrich .
Ihren Antrag werden wir ablehnen .
Für eine Zwischenfrage ist es jetzt zu spät .
– Gut . Es geht nach der Geschäftsordnung . Bitte .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Ich möchte Sie nach
Ihren letzten Worten schon fragen, ob Sie der Meinung
sind, dass die Menschen bestraft werden sollten, die in
Lübeck Geld gesammelt haben, damit Flüchtlinge, die in
den vergangenen drei Wochen per Fähre von Travemün-
de nach Schweden gereist sind, die Tickets kaufen konn-
ten . Ist das Ihrer Ansicht nach illegale Schleuserei oder
Beihilfe zu illegaler Schleuserei und damit strafwürdig?
Der zuständige Staatsanwalt ist der Auffassung, es
erfülle zwar den objektiven Tatbestand; mögliche Er-
mittlungsverfahren würden aber wohl wegen Geringfü-
gigkeit eingestellt werden . Halten Sie diese Einschätzung
der Staatsanwaltschaft für falsch, und würden Sie der
Staatsanwaltschaft anraten, hier rigoros anzuklagen?
Herr Ullrich, bitte .
– Ja, es wäre schon gut, stehen zu bleiben . Das ist ja auch
für den Rücken nicht schlecht . – Herr Ullrich .
Herr Kollege Beck, wir haben in diesem Land Ge-waltenteilung . Deswegen sollte ein Mitglied des Bun-destages nicht über Ermittlungsmaßnahmen, möglicheVerfahrenseinstellungen oder auch Anklageerhebungeneiner Staatsanwaltschaft sprechen . Ich kann Ihnen abersagen, dass es keinen Grund für einen Flüchtling gibt,von Deutschland nach Schweden weiterzureisen, weil erauch bei uns schon sicher ist . Und es gibt auch keinenGrund, von Österreich nach Deutschland weiterzureisen,weil der Flüchtling bereits in Österreich sicher war .
Dr. Volker Ullrich
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Die Wertentscheidung des Gesetzgebers ist aber folgen-de: Der illegale Grenzübertritt ist strafbar . Jemand, derdiesen Grenzübertritt befördert, ist möglicherweise we-gen Beihilfe anzuklagen . An dieser grundsätzlichen Ent-scheidung des Gesetzgebers wollen und werden wir nichtrütteln .
Danke, Herr Ullrich . – Damit schließe ich die Aus-
sprache .
Es wird ja lebendig weitergehen . Die Einladung neh-
men wir gerne an . Das wurde von Herrn Binninger ge-
rade ein bisschen falsch verstanden . Wir haben gedacht,
wir gehen zum Wirt; aber es war wohl eine andere Ein-
ladung gemeint .
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 18/6652 und 18/6346 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . –
Sie sind damit einverstanden . Dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen .
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 27 . Januar 2016, 13 .30 Uhr, ein .
Ich möchte Sie im Herausgehen noch daran erinnern,
dass an diesem Tag um 12 Uhr hier im Plenarsaal die
Sonderveranstaltung aus Anlass des Gedenktages für die
Opfer des Nationalsozialismus stattfindet. Deswegen be-
ginnt die Plenarsitzung erst um 13 .30 Uhr .
Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen ein
gutes Wochenende .