Protokoll:
14253

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 253

  • date_rangeDatum: 13. September 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:59 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . 25625 D Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushalts- jahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003) (Drucksache 14/9750) . . . . . . . . . . . . . 25575 A b) UnterrichtungdurchdieBundesregierung: FinanzplandesBundes2002bis2006 (Drucksache 14/9751) . . . . . . . . . . . . . 25575 B Einzelpläne 04, 05, 14 und 23 in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Fraktion der PDS: Keine deutsche Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak (Drucksache 14/9876) . . . . . . . . . . . . . 25575 B b) Antrag der Fraktion der PDS: Keinen Krieg gegen den Irak (Drucksache 14/9877) . . . . . . . . . . . . . 25575 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ina Albowitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Handlungsfähigkeit deutscher Außen- politik wiederherstellen (Drucksache 14/9948) . . . . . . . . . . . . . . . . 25575 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25575 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . . 25582 A Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 25588 A Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 25593 A Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25599 C Wolfgang Clement, Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25601 C Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 25606 A Dr. Harald Ringstorff, Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . 25611 A Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 25612 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 25613 A Dr. Harald Ringstorff, Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . 25613 C Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 25614 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25615 D Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25617 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 25617 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . . 25620 D Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25624 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Für eine glaubwürdige Politik gegenüber der vom Irak ausgehenden Bedrohung (Drucksache 14/9972) . . . . . . . . . . . . . . . . 25625 D Plenarprotokoll 14/253 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 253. Sitzung Berlin, Freitag, den 13. September 2002 I n h a l t : Zusatztagesordnungspunkt 7: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 7) . . . . . . . . . . . . . . . . 25625 D a) – m) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 423, 424, 425, 426, 427, 428, 429, 430, 431, 432, 433, 434, 435 Petitionen (Drucksachen 14/9955, 14/9956, 14/9957, 14/9958, 14/9959, 14/9960, 14/9961, 14/9962, 14/9963, 14/9964, 14/9965, 14/9966, 14/9967) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25626 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 25629 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25630 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 253. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. September 2002II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 253. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. September 2002
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 253. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. September 2002 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 25627 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 253. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. September 2002 25629 (C) (D) (A) (B) Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 13.09.2002 Dr. Berg, Axel SPD 13.09.2002 Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 13.09.2002 Böttcher, Maritta PDS 13.09.2002 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 13.09.2002 Dietert-Scheuer, Amke BÜNDNIS 90/ 13.09.2002 DIE GRÜNEN Dörflinger, Thomas CDU/CSU 13.09.2002 Dr. Doss, Hansjürgen CDU/CSU 13.09.2002 Fischer (Berlin), Andrea BÜNDNIS 90/ 13.09.2002 DIE GRÜNEN Flach, Ulrike FDP 13.09.2002 Fograscher, Gabriele SPD 13.09.2002 Frick, Gisela FDP 13.09.2002 Dr. Grehn, Klaus PDS 13.09.2002 Hofbauer, Klaus CDU/CSU 13.09.2002 Dr. Hornhues, CDU/CSU 13.09.2002 Karl-Heinz Dr. Jens, Uwe SPD 13.09.2002 Dr. Kenzler, Evelyn PDS 13.09.2002 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 13.09.2002 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 13.09.2002 Dr. Kolb, Heinrich L. FDP 13.09.2002 Kortmann, Karin SPD 13.09.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 13.09.2002 Kubatschka, Horst SPD 13.09.2002 Kühn-Mengel, Helga SPD 13.09.2002 Lenke, Ina FDP 13.09.2002 Dr. Lippold CDU/CSU 13.09.2002 (Offenbach), Klaus W. Louven, Julius CDU/CSU 13.09.2002 Lüth, Heidemarie PDS 13.09.2002 Maier, Pia PDS 13.09.2002 Dr. Meyer (Ulm), SPD 13.09.2002 Müller (Berlin), PDS 13.09.2002 Manfred Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 13.09.2002 DIE GRÜNEN Ohl, Eckhard SPD 13.09.2002 Ostrowski, Christine PDS 13.09.2002 Oswald, Eduard CDU/CSU 13.09.2002 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 13.09.2002 Reiche, Katherina CDU/CSU 13.09.2002 Romer, Franz CDU/CSU 13.09.2002 Roth (Speyer), Birgit SPD 13.09.2002 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 13.09.2002 Hans Peter Schösser, Fritz SPD 13.09.2002 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 13.09.2002 Schultz (Everswinkel), SPD 13.09.2002 Reinhard Simm, Erika SPD 13.09.2002 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 13.09.2002 Steinbach, Erika CDU/CSU 13.09.2002 Dr. Freiherr von CDU/CSU 13.09.2002 Stetten, Wolfgang Dr. Thomae, Dieter FDP 13.09.2002 Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 13.09.2002 Vaatz, Arnold CDU/CSU 13.09.2002 Vogt (Pforzheim), Ute SPD 13.09.2002 Volquartz, Angelika CDU/CSU 13.09.2002 Weiß (Emmendingen), CDU/CSU 13.09.2002 Peter Wiefelspütz, Dieter SPD 13.09.2002 Wissmann, Matthias CDU/CSU 13.09.2002 Dr. Wolf, Winfried PDS 13.09.2002 Zapf, Uta SPD 13.09.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 778. Sitzung am 12. Juli 2002 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen bzw. einen Einspruch gemäß Artikel 77 Abs. 3 nicht einzulegen: – Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von ille- galer Beschäftigung und Schwarzarbeit – Fünftes Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten- Ausbildungsgesetzes und zurÄnderung von Steuer- gesetzen – Gesetz zur Änderung futtermittelrechtlicher Vor- schriften sowie zur Änderung sonstiger Gesetze – GesetzzurÄnderungdesRechtsderVertretungdurch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG- Vertretungsänderungsgesetz –OLGVertrÄndG) – Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Siche- rungsverwahrung – Gesetz zurÄnderung des Grundgesetzes (Artikel 96) – Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungs- gesetzes – Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Er- richtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ – Gesetz zur Sicherstellung einer Übergangsregelung für die Umsatzbesteuerung von Alt-Sportanlagen – Gesetz zur Verbesserung der Vorsorge und Rehabi- litation für Mütter und Väter (11. SGB V-Ände- rungsgesetz) – Gesetz zur Sicherung der Betreuung und Pflege schwerstkranker Kinder – Drittes Gesetz zur Änderung verwaltungsverfah- rensrechtlicher Vorschriften – Sechstes Gesetz zur Änderung des Bundesverfas- sungsgerichtsgesetzes – Sechstes Gesetz zur Änderung des Strafvollzugs- gesetzes – Gesetz zur Änderung des Ordnungswidrigkeiten- verfahrensrechts – Gesetz zurAnpassung von Rechtsvorschriften an ver- änderte Zuständigkeiten oder Behördenbezeich- nungen innerhalb der Bundesregierung sowie zur Änderung des Unterlassungsklagengesetzes und des Außenwirtschaftsgesetzes – Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2003 (ERP-Wirt- schaftsplangesetz 2003) – Drittes Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften – Drittes Gesetz zur Änderung des Postgesetzes – Gesetz zur Regelung der Preisbindung bei Verlags- erzeugnissen – Gesetz zu dem Abkommen vom 13. Dezember 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Australien über Soziale Sicherheit – Gesetz zu dem Stabilisierungs- und Assoziierungs- abkommen vom 29. Oktober 2001 zwischen den Eu- ropäischen Gemeinschaften und ihren Mitglied- staaten einerseits und der Republik Kroatien andererseits – Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 20. Dezem- ber 2001 zwischen der Regierung der Bundesrepu- blik Deutschland und der Regierung der Französi- schen Republik zum Abkommen vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Ein- kommen und vom Vermögen sowie der Gewerbe- steuern und der Grundsteuern – Gesetz zu den Änderungen vom 15. Juni 1999 des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezoge- ner Daten und zu dem Zusatzprotokoll vom 8. No- vember 2001 zu diesem Übereinkommen – Zweites Gesetz zur Europäischen Charta der Re- gional- oder Minderheitensprachen des Europa- rates vom 5. November 1992 – Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen vom 15. Dezember 1997 zur Bekämpfung terroristi- scher Bombenanschläge – Gesetz zu dem Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Mai 1997 über die Bekämpfung der Bestechung, an der Be- amte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind – Gesetz zu dem Zweiten Protokoll vom 19. Juni 1997 zum Übereinkommen über den Schutz der finanzi- ellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften – Gesetz zurAusführung des Zweiten Protokolls vom 19. Juni 1997 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Ge- meinschaften, derGemeinsamen Maßnahme betref- fend die Bestechung im privaten Sektor vom 22. De- zember 1998 und des Rahmenbeschlusses vom 29. Mai 2000 über die Verstärkung des mit straf- rechtlichen und anderen Sanktionen bewährten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro – Gesetz zu den Protokollen zum Übereinkommen vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen (Alpenkon- vention) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 253. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. September 200225630 (C) (D) (A) (B) – Gesetz zu den Änderungen vom 17. November 2000 des Übereinkommens vom 20. August 1971 über die Internationale Fernmeldesatellitenorganisation „INTELSAT“ – Gesetz zu dem Internationalen Kaffee-Überein- kommen von 2001 – Gesetz zur Verbesserung des Zuschusses zu ambu- lanten medizinischen Vorsorgeleistungen – Fünftes Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen- Gesetzes (5. StUÄndG) – Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol – Gesetz über eine finanzielle Hilfe für Dopingopfer der DDR (Dopingopfer-Hilfegesetz – DOHG) Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bun- desrat die als Anlage beigefügten Entschließungen ge- fasst. Der Vermittlungsausschuss hat in seiner 20. Sitzung am 10. September 2002 beschlossen, dass das Gesetz zur Ausführung des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen – Drucksachen 14/8996, 14/9354, 14/9799 – bestätigt wird. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und den Verein- ten Nationen im Jahr 2001 – Drucksache 14/9466 – – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla- mentarischen Versammlung der NATO über die Frühjahrstagung der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO vom 27. bis 31. Mai 2001 in Wilna, Litauen – Drucksachen 14/8947, 14/9309 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla- mentarischen Versammlung der NATO über die Herbsttagung der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO vom 5. bis 10. Oktober 2001 in Ottawa, Kanada – Drucksachen 14/8948, 14/9309 Nr. 2 – Innenausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Rehabilitierung und Entschädigung von Homosexuellen wegen Schäden und Verlusten aus der NS-Zeit – Drucksachen 14/8251, 14/8415 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht der Bundesregierung über den Stand der Auszahlungen und die Zusammenarbeit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ mit den Partnerorganisationen – Drucksachen 14/8673, 14/8829 Nr. 1.10 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht der Bundesregierung über den Stand der Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen im Zusam- menhang mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ – Drucksachen 14/9161, 14/9309 Nr. 6 – Finanzausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Unterrichtung durch die Bundesregierung über Stabi- litäts- und Konvergenzprogramme der EU-Mitgliedstaa- ten – Drucksachen 14/8844, 14/9133 Nr. 1.2 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über das Ergebnis der Prü- fung einer möglichen Erweiterung der Befugnisse der geprüften Bilanzbuchhalter nach dem Steuerberatungs- gesetz sowie über die Entwicklung der grenzüberschrei- tenden Steuerberatung und die Entwicklung des Abmahn- verhaltens gegenüber selbstständigen Bilanzbuchhaltern, Buchhaltern und Buchführungshelfern nach Inkrafttre- ten des Siebten Steuerberatungsänderungsgesetzes zum 1. Juli 2000 – Drucksachen 14/9021, 14/9309 Nr. 5 – Ausschuss fürWirtschaft und Technologie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über Beiträge, Aufgaben und Effizienz der Industrie-und Handelskammern – Drucksachen 14/9175, 14/9637 Nr. 1.1 – Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- wirtschaft – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ernährungs- und agrarpolitischer Bericht 2002 der Bun- desregierung – Drucksache 14/8202 – Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversi- cherungsbericht 2001 über die Leistungen der ganz oder teil- weise öffentlich finanzierten Alterssicherungssysteme, deren Finanzierung, die Einkommenssituation der Leistungsbezie- her und das Zusammentreffen von Leistungen der Alters- sicherungssysteme gemäß § 154 Abs. 3 SGB VI (Alterssi- cherungsbericht 2001) – Drucksachen 14/7640, 14/9637 Nr. 1.3 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Lagebericht der Bundesregierung über die Alterssiche- rung der Landwirte 2001 – Drucksache 14/7798 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 253. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. September 2002 25631 (C) (D) (A) (B) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationaler Strategiebericht Alterssicherung – Drucksachen 14/9503, 14/9637 Nr. 1.4 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Migrationsbericht derAusländerbeauftragten – Drucksache 14/7720 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht des Bundesrechnungshofes gemäß § 99 BHO zur Neugestaltung der Organisationsstrukturen in der land- wirtschaftlichen Sozialversicherung – Drucksachen 14/1101, 14/1275 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Beschäftigung Schwerbehinderter im öffentlichen Dienst des Bundes – Drucksachen 14/4969 (neu), 14/5112 Nr. 3 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes – Drucksachen 14/7943, 14/8086 Nr. 1.7 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand von Sicher- heit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufskrankheitengeschehen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2000 – Drucksachen 14/7974, 14/8321 Nr. 1.1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand von Sicher- heit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufskrankheitengeschehen in der Bundesrepublik Deutschland 1999 – Drucksachen 14/5058, 14/6019 Nr. 1.1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sozialbericht 1997 – Drucksachen 13/10142, 14/272 Nr. 111 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sozialbericht 2001 – Drucksache 14/8700 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Stellungnahme des Sozialbeirats zu Urteilen des Bundes- verfassungsgerichts zur Pflegeversicherung vom 3. April 2001 hinsichtlich ihrer Bedeutung für die gesetzliche Rentenversicherung – Drucksachen 14/6099, 14/8681 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht nach § 7 d Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) über die Vereinbarungen zur Absicherung von Wertgut- haben und zu Vorschlägen zurWeiterentwicklung des In- solvenzschutzes – Drucksachen 14/7944, 14/8086 Nr. 1.8 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Gesetzes zur Neuregelung der Förderung der ganzjähri- gen Beschäftigung in der Bauwirtschaft – Drucksachen 14/8477, 14/8829 Nr. 1.8 – Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Unterrichtung durch die Bundesregierung Jugendpolitisches Programm der Bundesregierung „Chan- cen im Wandel“ – Drucksache 14/7275 – Ausschuss für Gesundheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht derBundesregierung überdie Erfahrungen mit den Regelungen über Festbeträge für Arzneimittel (§ 35 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) – Drucksachen 12/5480, 14/272 Nr. 117 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht über die Entwicklung der Pflegeversi- cherung – Drucksache 14/5590 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Gutachten 2000/2001 des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit Band I Zielbildung, Prävention, Nutzerorientierung und Partizi- pation – Drucksachen 14/5660, 14/8829 Nr. 1.2 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Gutachten 2000/2001 des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit Band II Qualitätsentwicklung in Medizin und Pflege – Drucksachen 14/5661, 14/8829 Nr. 1.3 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Gutachten 2000/2001 des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit Band III Über-, Unter- und Fehlversorgung – Drucksachen 14/6871, 14/8829 Nr. 1.4 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzung zum Gutachten 2000/2001 (Bände I bis III) des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit Steigerung von Effizienz und Effektivität der Arzneimit- telversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – Drucksachen 14/8205, 14/8829 Nr. 1.5 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 253. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. September 200225632 (C) (D) (A) (B) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Umweltbericht 2002 Bericht über die Umweltpolitik der 14. Legislaturperiode – Drucksache 14/8755 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Umweltgutachten 2002 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen – Drucksache 14/8792 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung (19. Ausschuss) gemäß § 56 a der Ge- schäftsordnung Technikfolgenabschätzung hier: TA-Projekt „Klonen von Tieren“ – Drucksache 14/3968 – Ausschuss für Tourismus – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zur Konzeption der Bundesregierung für den Be- reich Umweltschutz und Tourismus – Drucksachen 14/8951, 14/9309 Nr. 3 – Ausschuss für Kultur und Medien – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Maßnahmen zurFörderung derKulturar- beit gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz in den Jahren 1999 und 2000 – Drucksachen 14/9163, 14/9309 Nr. 7 – Der Bundesrat hat in seiner 778. Sitzung am 12. Juli 2002 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 13. Juni 2002 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Der Bundesrat bekräftigt seine Stellungnahme vom 26. April 2002 (Bundesratsdrucksache 216/02 (Be- schluss)) und bittet die Bundesregierung, sich erneut auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass das Branntwein- monopol in Deutschland als einzelstaatliche Marktord- nung funktionsfähig bleibt. Eine etwaige EU-Regelung sollte lediglich dazu die- nen, im Alkoholsektor mehr Transparenz zu erreichen und eine bessere statistische Übersicht über das Markt- geschehen zu erhalten. Auf keinen Fall dürfen Rege- lungen über die Zulässigkeit von nationalen Beihilfen in eine EU-Regelung aufgenommen werden. Der Bundesrat hat in seiner 778. Sitzung am 12. Juli 2002 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 14. Juni 2002 verabschiedeten Gesetz einen Antrag auf Ein- berufung des Vermittlungsausschusses gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Der Bundesrat hat ferner nachstehende Entschließung angenommen: Der Bundesrat begrüßt, dass nach zehn Jahren der Dis- kussion die Dopingopfer der ehemaligen DDR durch eine Einmalzahlung eine finanzielle Hilfe erfahren. Der Bundesrat bedauert jedoch, dass kein Festbetrag in Höhe von 5 000 Euro für die Betroffenen im Gesetz vorgesehen wurde. Die Nennung eines Festbetrages wäre eine eindeutige Aussage für die Opfer und eine wirksame Soforthilfe. Unabhängig vom geplanten Er- fahrungsbericht der Bundesregierung in der 15. Legis- laturperiode sollten weitere Hilfen für die Dopingopfer bereitgestellt werden. Die ehemaligen Sportlerinnen und Sportler sind die ei- gentlichen Betroffenen des systematischen Dopings in der ehemaligen DDR. Noch heute leiden viele von ih- nen unter physischen Schädigungen und sind berufli- chen Benachteiligungen ausgesetzt. Mit diesem Gesetz soll ein Zeichen für die humanitäre und soziale Hilfe gesetzt werden. In Form einer Einmal- zahlung sollen außerhalb einer Rechtspflicht der Bun- desrepublik Deutschland die Dopingopfer der ehemali- gen DDR finanziell und moralisch unterstützt werden. Die Festschreibung der Höhe des Hilfebetrages hätte den Vorteil, dass der Betrag nach Feststellung der An- spruchsberechtigung direkt und in voller Höhe ausge- zahlt werden könnte. Durch die Möglichkeit von Abschlagszahlungen wird zwar eine zeitnahe Auszahlung ermöglicht, die Ge- samthöhe der Hilfeleistung ist jedoch erst nach Ab- schluss des Rechtsweges exakt bestimmbar. Dies führt zu einer Erhöhung des bürokratischen Ver- waltungsaufwandes, welche dem verfolgten Ziel einer humanitären und moralischen Unterstützung entgegen- steht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 253. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. September 2002 25633 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1425300000
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
Tagesordnung um den Antrag der Fraktion der FDP
„Handlungsfähigkeit der Außenpolitik wiederherstellen“
– Drucksache 14/9948 – erweitert werden. Sind Sie damit
einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist
so beschlossen.

Wir setzen die Haushaltsberatungen fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest-
stellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus-
haltsjahr 2003

(Haushaltsgesetz 2003)

– Drucksache 14/9750 –

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Finanzplan des Bundes 2002 bis 2006
– Drucksache 14/9751 –

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanz-
leramtes, des Auswärtigen Amtes, des Bundesministe-
riums der Verteidigung sowie des Bundesministeriums
fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Außerdem rufe ich den Tagesordnungspunkt 6 a und
6 b sowie Zusatzpunkt 5 auf:
6. a) Beratung des Antrags der Fraktion der PDS

Keine deutsche Beteiligung an einem Krieg ge-
gen den Irak
– Drucksache 14/9876 –

b) Beratung des Antrags der Fraktion der PDS
Keinen Krieg gegen den Irak
– Drucksache 14/9877 –

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Helmut Haussmann, Ina Albowitz, Paul K.

Friedhoff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Handlungsfähigkeit deutscher Außenpolitik
wiederherstellen
– Drucksache 14/9948 –

Ich erinnere daran, dass wir gestern für die heutige
Aussprache insgesamt vier Stunden beschlossen haben.

Ich erteile das Wort dem Ministerpräsidenten des Frei-
staates Bayern, Edmund Stoiber.

Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern)


(von der CDU/CSU sowie der Abg. Gudrun Serowiecki verehrten Damen! Meine Herren! Vor einem Jahr haben Sie, Herr Bundeskanzler, auf der großen Solidaritätskundgebung zum 11. September hier in Berlin den Schulterschluss mit den USA bekräftigt. Heute, ein Jahr später, machen Sie mit antiamerikanischer Stimmung Wahlkampf. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Buh!)


(FDP) mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine sehr


Niemand auf diesem Kontinent will Krieg. Niemand in
Deutschland will Krieg, weder der Bundeskanzler noch
ich, weder SPD noch CDU/CSU noch die anderen Par-
teien in diesem Hause.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerade aufgrund unserer bitteren geschichtlichen Erfah-
rung ist die Verpflichtung zum Frieden Grundlage der
Politik von CDU und CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das gilt seit den Anfängen dieser Republik unter Konrad
Adenauer und all seinen Amtsnachfolgern. In der Tradi-
tion dieser Verpflichtung stehe ich und steht die gesamte
Union.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Niemand in diesem Land, das im vergangenen Jahr-

hundert zwei furchtbare Weltkriege durchlitten hat, will

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253. Sitzung

Berlin, Freitag, den 13. September 2002

Beginn: 9.00 Uhr

Krieg. Dieser gemeinsame Konsens darf auch in Wahl-
kampfzeiten nicht unter die Räder kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Niemand sollte mit den Ängsten der Menschen Politik
machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Entscheidungsmonopol zur Sicherung des Welt-
friedens liegt bei den Vereinten Nationen. Ich habe deshalb
das klare Bekenntnis des amerikanischen Präsidenten zum
Vorrang der Vereinten Nationen und des Weltsicherheits-
rates in der Irak-Frage mit Befriedigung zur Kenntnis ge-
nommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Entscheidend ist das politische Ziel des amerikanischen
Präsidenten, dass der Irak die Waffeninspektoren wieder
uneingeschränkt und ohne Bedingungen zulässt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Ziel ist Abrüstung und mehr Sicherheit in der Region
und für die ganze Welt. Der amerikanische Präsident hat
ausdrücklich unterstrichen, dass dieses Ziel im Rahmen
der UNO erreicht werden soll.

Gestern Abend hat mir UN-Generalsekretär Kofi
Annan in einem ausführlichen Telefonat


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Ui!)


bestätigt, dass er die Rede des amerikanischen Präsiden-
ten als Stärkung der Vereinten Nationen begrüßt und sie
für sehr ermutigend hält.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie er bin ich der festen Überzeugung, dass nur Ge-
schlossenheit und gemeinsames Handeln der Völkerge-
meinschaft Inspektoren im Irak durchsetzen und den Dik-
tator in die Schranken verweisen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen ist auch

das Ziel unseres Nachbarn im Westen, des französischen
Staatspräsidenten Chirac, mit dem ich mich am Mittwoch
eingehend unterhalten habe.


(Lachen bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Sicher-
heitsrat muss auf eine bedingungslose Rückkehr der UN-
Waffeninspektoren in den Irak drängen. Wenn der Irak
die Rückkehr der UN-Waffeninspektoren innerhalb der
gesetzten Frist nicht akzeptiert, muss der Weltsicherheits-
rat erneut tätig werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Entscheidend ist, dass Europa in dieser Frage mit einer
Stimme spricht. Europa muss einen gemeinsamen Weg
der Friedenssicherung gehen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)


Herr Bundeskanzler, aus Wahlkampfgründen haben
Sie den europäischen Weg verlassen und Kriegsszenarien
hochgezogen.


(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Was Deutschland betrifft, ist eines klar: Niemand verlangt
den Einsatz deutscher Soldaten im Irak und niemand wird
eine solche Anforderung an Deutschland richten.


(Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie wissen genau, dass die Bundeswehr 10 000 Soldaten
im Auslandseinsatz hat: von Afghanistan bis zum Bal-
kan.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Eben!)

Sie wissen auch ganz genau, dass die Bundeswehr bis
über ihre Grenzen gefordert ist. Wenn der Bundeskanzler
so tut, als müsse er eine Frage beantworten, die in Wirk-
lichkeit niemand stellt, täuscht er unser Volk!


(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen, meine Herren, ich möchte dies noch

einmal ansprechen: Sie isolieren – so lauten heute die
Kommentare in allen großen Tageszeitungen – mit Ihrer
Position Deutschland in der Weltgemeinschaft und vor al-
len Dingen in Europa. Dies muss beendet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber es geht nicht um die Entscheidung, ob deutsche

Truppen in den Irak entsendet werden.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist ein Drücken vor einer klaren Aussage! Darum geht es!)


Es geht vielmehr darum, ob Sie, Herr Bundeskanzler, Ihre
miserable Bilanz in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpo-
litik fortschreiben können oder nicht. Das ist die zentrale
Frage.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie beschäftigen sich mit außenpolitischen Fragen, die
niemand an Sie stellt, beantworten aber nicht die Fragen,
die das deutsche Volk an Sie hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gernot Erler [SPD]: Sie auch nicht!)


Ich sage noch einmal zum Vorwurf der Isolation: Statt
die notwendigen Gespräche mit den Verbündeten, mit den
Freunden und den Nachbarn zu führen, um Einfluss zu
nehmen, schüren Sie Kriegsangst und ziehen damit über
die Marktplätze.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Auf diese Weise stellen Sie Deutschland ins Abseits. Es
wird unser erstes politisches Ziel sein, die Irritationen bei
unseren Freunden und Partnern auszuräumen, die Sie,
Herr Bundeskanzler, zum Schaden Deutschlands herbei-
geführt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, mit dieser durchsichtigen Wahl-

kampftaktik und mit der Täuschung der Menschen versu-




Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

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chen Sie Ihr Versagen in der Wirtschafts- und in der Ar-
beitsmarktpolitik zu verdecken.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Die Wahrheit ist doch: Unabhängig vom Ausgang der
Wahl wird im Winter kein einziger deutscher Soldat im
Irak stehen. Aber wenn Sie die Wahl gewinnen würden,
dann wären in Deutschland schon im Winter noch
300 000 Arbeitslose mehr zu beklagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Allein zwölf der größten deutschen Unternehmen wer-

den insgesamt rund 50 000 Arbeitsplätze abbauen. Die
Bauwirtschaft wird 60 000 Arbeitsplätze streichen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Herr Kassandra! – Joachim Poß [SPD]: Ich sage nur: Kirch!)


Der Einzelhandel hat 30 000 Entlassungen angekündigt.
In vielen Betrieben in ganz Deutschland sind weitere Tau-
sende von Arbeitsplätzen akut gefährdet. Gestern hat zum
Beispiel das Statistische Bundesamt für das erste Halbjahr
dieses Jahres 18 500 Pleiten und den damit verbundenen
Verlust von 134 000 Arbeitsplätzen gemeldet. Gestern
wurde bekannt, dass über 5 000 Arbeitsplätze bei Mobil-
com vor dem Aus stehen. Zusammen mit den Arbeitsplät-
zen, die bei Privatinsolvenzen verloren gehen, werden bis
zum Jahresende über 600 000 Arbeitsplätze wegfallen.
Das ist die bittere Wahrheit in Deutschland, Herr Bundes-
kanzler. Das ist die Perspektive bei Rot-Grün.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben kurz vor der Wahl 1998 vom damaligen Auf-

schwung behauptet: „Das ist mein Aufschwung.“ Deshalb
gilt im Jahre 2002 mit 4 Millionen Arbeitslosen im Juni,
im Juli und im August: Das sind Ihre Arbeitslosen, Herr
Bundeskanzler.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Millionen in ganz Deutschland, in West und Ost, leiden

unter der Arbeitslosigkeit. Diese Katastrophe führt zu ma-
terieller und seelischer Not der Menschen. In Deutschland
herrscht millionenfach Zukunftsangst und Perspektivlo-
sigkeit.


(Joachim Poß [SPD]: Bei Ihnen!)

Arbeitslosigkeit vernichtet das Selbstwertgefühl und das
Selbstbewusstsein der Menschen. Arbeitslosigkeit zer-
stört den Wohlstand der betroffenen Familien. Die Folgen
der Massenarbeitslosigkeit treffen die gesamte Gesell-
schaft. Massenarbeitslosigkeit treibt die Beiträge zur Ren-
ten- und zur Krankenversicherung in die Höhe. Massen-
arbeitslosigkeit führt zu dramatischen Steuerausfällen.
Massenarbeitslosigkeit raubt die Kraft zu Investitionen in
die Zukunft des gesamten deutschen Volkes. Deshalb ist
Massenarbeitslosigkeit das Grundübel unserer Gesell-
schaft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wo ist der Kraftakt dieser Regierung für die Millionen

von arbeitslosen Frauen und Männern? Wo sind die So-
fortprogramme? Wo ist Ihr Minister, der durchs Land
fährt und der den Menschen Hoffnung gibt? Wo ist der
Wirtschaftsminister? – Fehlanzeige!


(Zurufe von der CDU/CSU: Wo ist er? – Joachim Poß [SPD]: Er ist in Sachsen und hilft da!)


Wo ist Ihr großes Projekt? Wo ist Ihr Befreiungsschlag?
Wo ist Ihr Aufschwung, der zu mehr Beschäftigung führt?

Ich kann nur sagen: Totalausfall! Sie haben kein Kon-
zept und keine Mannschaft.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben kein Angebot für Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt im Wahlkampf plakatieren Sie plötzlich: An-
packen! – Zum Anpacken hatten Sie vier Jahre Zeit.


(Gernot Erler [SPD]: Sie haben 16 Jahre Zeit gehabt!)


Sie haben in vier Jahren die Chancen von Millionen ar-
beitslosen Frauen und Männern vertan. Nicht erst seit
52 Gutachten und nicht erst seit Hartz wissen Sie, was zu
tun ist. Ich zitiere:

Deutschland als eine der reichsten Nationen der Welt
leidet unter einer bedrückend hohen Massenarbeits-
losigkeit. Die Ursachen dafür sind nur zum Teil,
höchstens zu einem Viertel, konjunkturell, sie sind
überwiegend, also mindestens zu drei Vierteln,
strukturell: ... zu hohe Arbeitskosten, ... zu hohe Re-
gulierungsdichte durch den Staat und die Bürokratie,
ein Steuerrecht, ... das Unternehmen und Haushalte
über Gebühr belastet ...

Das waren die Worte des Bundeskanzlers Gerhard
Schröder am 1. Februar 1999 auf dem Weltwirtschafts-
forum in Davos. Schon damals wussten Sie sehr genau,
was gegen die Arbeitslosigkeit zu tun ist. Sie hatten 1999
und Sie haben 2002 kein Erkenntnisproblem. Sie haben
ein Durchsetzungsproblem.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ein Wahrnehmungsproblem!)


Sie werden mit dieser SPD und mit dieser Koalition
Ihre Versprechen niemals durchsetzen. Sie sind in den
vergangenen vier Jahren gescheitert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ihre „ruhige Hand“ würde auch in weiteren vier Jahren
scheitern.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Tja!)

Herr Bundeskanzler, Sie wollten nicht alles anders,

aber vieles besser machen.

(Zuruf von der SPD: Das haben wir auch geschafft!)


Sie haben in Ihrer Regierungserklärung im Novem-
ber 1998 versprochen:

Wir wissen: Ökonomische Leistungsfähigkeit ist der
Anfang von allem.

Das war Ihr Anspruch. Tatsache ist: Deutschland ist beim
Wachstumstempo der Länder in Europa Schlusslicht.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr!)





Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


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Im Jahre 2001 dümpelte Deutschland beim Wachstum am
Ende aller 15 EU-Staaten. Der EU-Durchschnitt war zwei-
einhalbmal so hoch. Zudem besteht keine Aussicht auf
Besserung. Der Aufschwung ist in weite Ferne gerückt.
Nur Herr Riester erwartet noch im Herbst einen Frühling.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Träumer!)

Heute bemühen Sie als fadenscheinige Ausrede für den

letzten Platz Deutschlands die schlechte Weltwirtschaft.
Tatsache ist aber: Der Export Deutschlands ist auch im
Jahre 2001 um über 7 Prozent gestiegen.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Unser Außenhandelsüberschuss schlägt gegenwärtig alle
Rekorde.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlusslicht!)


Wir haben eine Binnenrezession. Deutschlands Problem
ist nicht die Exportabhängigkeit. Deutschlands Problem
heißt Rot-Grün.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Schon seinerzeit in Davos hatten Sie das Problem er-

kannt. Helmut Schmidt hat Ihnen vor ein paar Wochen
noch einmal ins Stammbuch geschrieben,


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sehr aufschlussreich!)


dass die Probleme der Arbeitslosigkeit nichts mit der
Weltwirtschaft zu tun haben. Es ist Ihre Bilanz, die wir ge-
genwärtig haben. Das haben die Menschen in Deutsch-
land nicht verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie wollten vieles besser machen. Sie haben in Ihrer

Regierungserklärung 1998 versprochen:
Wir eröffnen den Menschen die Perspektive der
Selbstständigkeit. ... Dies wird Kennzeichen einer
mittelstandsorientierten Politik ...

Das war Ihr Anspruch. Das war der richtige Ansatz. Der
Mittelstand bietet 70 Prozent der Arbeitsplätze und
80 Prozent der Ausbildungsplätze. Im Mittelstand ent-
scheidet sich der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Die
deutsche Arbeitsmarktkatastrophe ist deshalb vor allen
Dingen eine Mittelstandskatastrophe. Tatsache ist: Ihre
Steuerreform führt zu einem katastrophalen Investitions-
rückgang in den Kommunen.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nur Katastrophen!)


Das kostet Aufträge für den Mittelstand.

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Katastrophenszenarien!)

Ihr Gesetz zur Scheinselbstständigkeit ist ein Jobkiller.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Mit dem geänderten Betriebsverfassungsgesetz belasten
Sie den Mittelstand mit Bürokratie und Kosten. Der un-
konditionierte Rechtsanspruch auf Teilzeit wie die Ein-

schränkung der befristeten Arbeitsverhältnisse – alles
geht zulasten des Mittelstands. Das sind mit die Ursachen
für die hohe Arbeitslosigkeit und für Pessimismus und
Zurückhaltung im Mittelstand. Der Mittelstand hat kein
Vertrauen in Sie, nachdem Sie 1998 so viel versprochen
und nichts gehalten haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Selbstständigenquote ist seit 1998 permanent ge-

sunken. Die Zahl der Gewerbeanmeldungen sank sogar
um 10 Prozent.


(Hans Eichel, Bundesminister: Das stimmt doch gar nicht!)


Hinzu kommen 40 000 Unternehmenspleiten in diesem
Jahr. Beides stellt einen Negativrekord in der deutschen
Nachkriegsgeschichte dar. Der deutsche Mittelstand hat
keinerlei Vertrauen in diese Regierung. Das ist Ihre Bilanz.
Das haben die Menschen in Deutschland nicht verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie sind mit dem Anspruch angetreten, vieles besser zu
machen. Sie haben in Ihrer Regierungserklärung vom No-
vember 1998 zum Thema Steuerreform versprochen:

Sie verbindet modernen Pragmatismus mit einem
starken Sinn für soziale Fairness. Im Mittelpunkt steht
die Entlastung der aktiv Beschäftigten und ihrer Fa-
milien sowie der kleinen und mittleren Unternehmer.

(Gernot Erler [SPD]: Genau! Das haben wir gemacht!)

Das war Ihr Anspruch. Tatsache ist: Erst haben Sie den
Mittelstand und die Arbeitnehmer gegenüber den Kapi-
talgesellschaften benachteiligt und jetzt verschieben Sie
die Steuerentlastung für die kleinen Leute und für die
Personenunternehmen. Im Jahr 2000 haben die Kapi-
talgesellschaften noch 23 Milliarden Euro Körper-
schaftsteuer gezahlt. Im Jahr 2001 hingegen haben die
Finanzminister 400 Millionen Euro ausbezahlt. Aus einer
Steuereinnahme, die die fünftgrößte Einnahmequelle des
Staates darstellte, ist ein reiner Ausgabenposten gewor-
den. Viele große Firmen zahlen keine Körperschaftsteu-
ern mehr.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Wegen eurem Steuerrecht von früher!)


Aber den Alleinerziehenden streicht Rot-Grün den Haus-
haltsfreibetrag! Das ist sozial ungerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Das ist schon wieder die Unwahrheit!)


Viele große Firmen zahlen keine Körperschaftsteuer
mehr. Aber Rot-Grün erhöht die Besteuerung von Abfin-
dungen für Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren.
Das ist sozial ungerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Was ist aus dieser SPD geworden, meine sehr verehrten
Damen und Herren?


(Widerspruch bei der SPD)





Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

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Wo bleibt die soziale Gerechtigkeit? Sie formulieren ei-
nen Anspruch, wo bleibt die Erfüllung? Diese Diskrepanz
muss immer wieder deutlich gemacht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nach den bisherigen Erhöhungen von Öko-, Tabak- und
Versicherungsteuer plant Rot-Grün zum 1. Januar 2003
nochmals eine dreifache Steuererhöhung: erstens Öko-
steuer, zweitens Einkommensteuer und drittens Körper-
schaftsteuer. Nach Ansicht der Wirtschaft treibt dieses
Steuererhöhungsprogramm 25 000 Firmen in die Pleite. Es
kostet 200 000 Arbeitsplätze und bedeutet damit für die öf-
fentliche Hand circa 4,6 Milliarden Euro Mehrbelastung.

Das ist Ihre Bilanz. Das haben die Menschen in
Deutschland nicht verdient!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Gernot Erler [SPD]: Sie sollten auswandern! – Joachim Poß [SPD]: Gehen Sie doch nach Alaska!)


CDU/CSU werden in einer neuen Bundesregierung
Deutschland zu einem Land machen, in dem es wieder at-
traktiv und erstrebenswert ist, sich selbstständig zu ma-
chen. Wir haben morgen nur dann mehr Arbeit, wenn wir
heute für mehr Selbstständige sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir werden alles tun, damit Dynamik, Mut zum Risiko
und Initiativgeist nicht länger mit Bürokratismus und
übermäßiger Belastung durch Steuern und Abgaben er-
stickt werden. Deshalb werden wir das Gesetz zur
Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit außer Kraft set-
zen und damit Existenzgründern Mut machen sowie Exis-
tenzgründungen anregen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Jeder Existenzgründer schafft im Durchschnitt drei neue
Arbeitsplätze. Deshalb werden wir den Mittelstand bei
der Bildung von Eigenkapital für Investitionen durch ver-
besserte Bedingungen für Abschreibungen, für die An-
sparrücklage und für Beteiligungskapital unterstützen.
Wir stehen im Interesse der Gesamtwirtschaft an der Seite
des Mittelstandes.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden deshalb auch die von Rot-Grün geplante

Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zum 1. Januar 2003
rückgängig machen, damit unsere Kommunen ihre sozia-
len Aufgaben erfüllen und wieder investieren können. Das
schafft Arbeitsplätze im Mittelstand.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir werden außerdem die nächste Erhöhung der Öko-
steuer abschaffen. Mit uns gibt es keine Steuererhöhungen
zum 1. Januar nächsten Jahres.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Gernot Erler [SPD]: Wie finanzieren Sie das?)


Wir werden des Weiteren die von Rot-Grün geplante Ver-
schiebung der nächsten Entlastungsstufe der Steuer-
reform rückgängig machen. Mit uns werden die Bürger im
nächsten Jahr rund 10 Milliarden Euro mehr in ihrer Ta-
sche haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Gernot Erler [SPD]: Wunderbar! Aber wie wollen Sie das finanzieren?)


Das alles ist ein tatsächlich wirksames Konjunkturpro-
gramm, das auch Arbeit schafft.

Herr Bundeskanzler, Sie wollten vieles besser machen.
Sie haben in Ihrer Regierungserklärung vom November
1998 versprochen:

Die Bundesregierung ist sich völlig im Klaren da-
rüber, dass sie ihre Wahl wesentlich der Erwartung
verdankt, die Arbeitslosigkeit wirksam zurückdrän-
gen zu können.

Genau dieser Herausforderung werden wir uns stellen.
Das war Ihr Anspruch vor knapp vier Jahren. Tatsache ist:
Seit August 2001 steigt die Arbeitslosigkeit im Vergleich
zum Vorjahresmonat. Seit Oktober 2001 sinkt die Zahl der
Erwerbstätigen im Vergleich zum Vorjahresmonat. Der
Trend geht abwärts. Auch im Jahresschnitt werden über
vier Millionen Menschen arbeitslos sein. Das sind
500 000 Arbeitslosenschicksale mehr, als der Kanzler
1998 landauf, landab versprochen hat. Die „Zeit“ kom-
mentiert: „Nun ist der Kanzler dort angekommen, wo er
im Oktober 1998 begonnen hat.“ Das ist Ihre Bilanz. Das
haben die Menschen in Deutschland nicht verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, Sie wollten vieles besser machen.

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung vom November
1998 gesagt, versprochen:

Das Bündnis für Arbeit ist der richtige Ort, um sich
den drängenden Fragen zu stellen.

Sie wollten Arbeit finanzieren statt Arbeitslosigkeit be-
zahlen. Das war Ihr Anspruch. Tatsache ist: Rot-Grün hat
den Niedriglohnsektor mit bürokratischem Mehltau über-
zogen. Das Job-AQTIV-Gesetz ist ein bürokratischer
Flop. Hören Sie sich einmal in den deutschen Arbeitsäm-
tern um! Dann stellen Sie fest, dass dieses Gesetz nicht
vollziehbar ist.

Nach dem Totalausfall des Bündnisses für Arbeit wird
nun Herr Hartz als Heilsbringer angepriesen. Jahrelang
hat der Bundeskanzler auf die Entwicklung der Weltwirt-
schaft hingewiesen und sie als Ausrede gebraucht. Plötz-
lich soll die Arbeitslosigkeit durch das Umsetzen der Vor-
schläge der Hartz-Kommission halbiert werden können.
Zuerst haben Sie versprochen, die Zahl der Arbeitslosen um
0,5 Millionen zu senken. Jetzt versprechen Sie indirekt, in
zwei Jahren die Zahl der Arbeitslosen um 2 Millionen zu
verringern. Merken Sie denn nicht, wie unglaubwürdig das
alles ist und wie sehr Sie Vertrauen missbrauchen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Je schlimmer die Lage wird, desto fantastischer werden
die Versprechungen.


(Gernot Erler [SPD]: Ihre besonders!)





Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


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CDU und CSU und eine neue Bundesregierung werden
Deutschland zu einem Land machen, in dem sich Arbeit
und Leistung wieder lohnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden sofort neue 400-Euro-Jobs einführen. Wir
schaffen damit Jobs ohne jede Steuer oder Abgabe für den
Arbeitnehmer, brutto für netto. Damit werden wir bei Ein-
kommen im Bereich von 400 bis 800 Euro die Abgaben
reduzieren und Arbeit wieder attraktiver machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden die Arbeitslosenhilfe, die Sozialhilfe und
den Niedriglohnbereich reformieren. Für uns gilt der
Grundsatz: Wer arbeitet, muss mehr in der Tasche haben
als der, der nicht arbeitet. Das werden wir in ganz
Deutschland durchsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, Sie wollten vieles besser machen.


(Zurufe von der SPD: Hat er auch!)

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung vom Novem-

ber 1998 versprochen, den Aufbau Ost zur Chefsache zu
machen. Das war Ihr Anspruch.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Die Drohung hat er wahr gemacht!)


Tatsache ist: Im August 2002 waren im Osten fast 100 000
Menschen mehr arbeitslos als im August 1998. Zur Jah-
resmitte 2002 hat die Zahl der Arbeitslosen im Osten den
höchsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht. Beim
Wachstum ist die Schere zwischen Ost und West weit aus-
einander gegangen. Junge, kreative Menschen wandern in
Scharen ab. In vielen Regionen macht sich Hoffnungslo-
sigkeit breit.


(Zuruf von der SPD: Vor allem in Bayern!)

Die Jungen müssen gehen, die Alten bleiben zurück. Das
ist das Schlimmste, was dieser Chef dem Osten angetan
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

CDU/CSU und eine neue Bundesregierung werden

Deutschland zu einem Land machen, in dem sich die
Schere zwischen Ost und West schließt. Bei Ihnen geht sie
auseinander. Das ist das Problem.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir werden den Aufbau Ost noch in diesem Jahr mit ei-
nem kommunalen Investitionsprogramm im Umfang von
1 Milliarde Euro entschlossen vorantreiben. Wir werden
den Menschen mit unserer „Offensive Zukunft Ost“ mit
einer weiteren Milliarde Euro Chancen eröffnen, damit
sie in ihrer Heimat bleiben können und dort Arbeit finden.
Es ist meines Erachtens unverantwortlich, dass die Men-
schen im Osten in Anzeigen, gerade auch der Bundesan-
stalt für Arbeit, aufgefordert werden, auszuwandern, um
einen Job zu finden.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Ihr Problem so zu lösen ist doch unsäglich. Wir wollen
doch für die Menschen hier in Deutschland Jobs schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb werden wir Existenzgründer unterstützen
und befristete Sonderregelungen für schnellere Genehmi-
gungen, für erleichterte Unternehmensgründungen und
für flexiblere Arbeitsverträge einführen. Die Hürden für
Selbstständigkeit und Arbeit müssen weg, und zwar so-
fort. Ganz besonders für die Menschen im Osten gilt: So-
zial ist, was Arbeit schafft.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich werde mich mit ganzer Kraft darum kümmern, dass
die Menschen wieder Hoffnung und Perspektiven haben,


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Ludwig Stiegler [SPD]: Ausgerechnet mit Stoiber! Ausgerechnet mit dem!)


dass die Kaufzurückhaltung aufhört, dass die Ängstlich-
keit aufhört, dass der Defätismus in diesem Land aufhört
und dass der Mittelstand wieder Mut fasst. Dies ist mit
Rot-Grün nicht zu schaffen. Da würde alles so bleiben,
wie es ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dynamik und Leistungsfähigkeit, Aufschwung und Ar-

beit, das ist unsere Antwort auf die Bedürfnisse und auf
die Hoffnungen der Menschen.

Was aber würden vier weitere Jahre Rot-Grün für
Deutschland bedeuten? Noch einmal vier Jahre Rot-Grün
hieße weniger Wirtschaftswachstum, mehr Arbeits-
losigkeit, mehr Steuern und mehr Bürokratie.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Und der Weltuntergang!)


Noch einmal vier Jahre Rot-Grün hieße noch mehr Zu-
wanderung nach Deutschland.


(Lachen bei der SPD)

Das ist unverantwortlich in einem Land mit vier Milli-
onen Arbeitslosen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere wichtigste Aufgabe ist es, vier Millionen Arbeits-
losen wieder Arbeit zu verschaffen, statt neue Arbeits-
kräfte ins Land zu holen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen, meine Herren, Deutschland kann nicht
mehr Zuwanderung verkraften.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Ein ausgemachter Schwindler!)


Angesichts der zunehmenden Zahl von ausländischen
Kindern, die heute schon keinen Abschluss erreichen,


(Ludwig Stiegler [SPD]: Jetzt kommt der Koch-Teil!)


weil sie zu spät und häufig mit völlig unzureichenden
Deutschkenntnissen eingeschult werden,




Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

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(Ludwig Stiegler [SPD]: Eine Prise Koch in der Suppe!)


angesichts ganz erheblicher Integrationskosten, die Bund,
Länder und Kommunen heute schon in Milliardenhöhe
aufzubringen haben, unterstreiche ich: Wir werden mit
den gegenwärtigen Problemen kaum fertig. Deshalb ist es
unakzeptabel, uns durch mehr Zuwanderung neue Pro-
bleme aufzuladen, die wir noch weniger bewältigen kön-
nen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ludwig Stiegler [SPD]: Es ist unakzeptabel, hier die Unwahrheit zu sagen! Kandidat der Unwahrheit!)


Die Lasten der Integration tragen die sozial
Schwächeren in den Brennpunkten der deutschen Groß-
städte. Hier liegt sozialer Sprengstoff; hier steht Tag für
Tag eine Politik der sozialen Gerechtigkeit auf dem Prüf-
stand. Wir in CDU und CSU sehen diese Realität und han-
deln für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft. Wir
brauchen weniger Zuwanderung, damit mehr Integration
möglich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch einmal vier Jahre Rot-Grün hieße weniger Sicher-

heit für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir dulden keine rechtsfreien Räume. Wir stehen für null
Toleranz gegenüber allen Formen der Kriminalität.


(Beifall bei der CDU/CSU – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt‘s!)


Wir werden unsere Kinder besser vor Verbrechen schüt-
zen. Wir werden ein drittes Antiterrorpaket durchsetzen.
Rot-Grün ist auf halbem Wege stehen geblieben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden dafür sorgen, dass gewaltbereite Auslän-

der regelmäßig bereits beim Verdacht

(Hans Georg Wagner [SPD]: Erschossen werden!)

terroristischer Straftaten ausgewiesen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gernot Erler [SPD]: Verfassungsbruch!)


Alle gewaltbereiten islamistischen Gruppierungen müs-
sen schnellstmöglich verboten werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden die Aufnahme biometrischer Merkmale wie
Fingerabdrücke und Gesichtsmerkmale in Visa, Pässe und
Personalausweise umsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden die Werbung für in- und ausländische terroris-
tische Vereinigungen unter Strafe stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist unerträglich, wenn Extremisten mit Plakaten wie
„Hoch lebe die al-Qaida“ oder „Es lebe Bin Laden“ straf-

frei durch unsere Innenstädte ziehen können. Das kann
und darf nicht sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Der wahre Stoiber!)


Deutschland darf kein Ruheraum, kein Vorbereitungs-
raum und kein Ausführungsraum für Terroristen sein.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Jawohl, Herr Koch!)

Noch einmal, meine Damen, meine Herren, vier Jahre

Rot-Grün bedeutet: Noch mehr Einzelhändler gingen
Pleite, noch mehr Bauern gäben auf, noch mehr Jugendli-
che fänden keinen Arbeitsplatz und keinen Ausbildungs-
platz,


(Widerspruch bei der SPD)

noch mehr ältere Arbeitnehmer würden aus dem Arbeits-
markt gedrängt, noch mehr Menschen müssten von Ar-
beitslosen- und Sozialhilfe leben.


(Widerspruch bei der SPD – Unruhe bei der CDU/CSU)


– Es mag ja sein, meine sehr verehrten Damen und Her-
ren, dass Sie das aufregt, aber Sie sollten es zu verändern
versuchen, statt ständig zu versuchen, denjenigen zu un-
terbrechen, der auf die Wahrheit hinweist. Mich interes-
siert das überhaupt nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben in den nächsten vier Jahren eine Menge an

Problemen zu lösen: die Probleme der demographischen
Veränderung, die Probleme und Sorgen der Familien, die
Probleme der Integration der Ausländer in diesem Lande,
die Probleme in der Bildungspolitik in ganz Deutschland
sowie die Probleme bei der Integration der Menschen, die
morgen und übermorgen als neue Inländer in der Europä-
ischen Union hinzukommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, all diese Pro-
bleme lassen sich nicht mit schönen Worten, schönen
Kommissionen sowie schönen Plänen lösen,


(Ludwig Stiegler [SPD]: Aber mit stoiberschen Horrorszenen!)


die die rot-grüne Koalition vorgelegt hat und immer wie-
der vorlegt. Wem am Ende seiner Amtszeit bei 4 Mil-
lionen Arbeitslosen nicht mehr einfällt, als noch eine neue
Kommission, die 52., einzusetzen, der zeigt, dass er seine
Versprechungen und damit die Menschen im Lande nicht
ernst nimmt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es geht ganz allein darum: Ohne die Probleme der Ar-
beitslosigkeit zu lösen, können wir unsere innen- und
außenpolitischen Probleme überhaupt nicht lösen.

Deswegen geht es am 22. September letzten Endes
darum: Geht es weiterhin abwärts oder geht es auf-
wärts? Das ist, auf den Kern gebracht, die Wahlent-
scheidung: Aufschwung oder Abschwung? Aufwärts
oder abwärts?


(Gernot Erler [SPD]: Aufwärts mit Schröder!)





Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


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(C)



(D)



(A)



(B)


Diese Entscheidung haben die Deutschen am 22. Septem-
ber zu treffen. Wir stehen für Aufschwung und Stopp des
Abwärts. Danke schön.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der FDP – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Autosuggestion!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1425300100
Nun erteile ich das
Wort dem Bundeskanzler Gerhard Schröder.


(von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Beifall begrüßt)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Jetzt spricht der Kanzler der Arbeitslosen!)


Herr Stoiber, Ihre Rede hat eines deutlich gemacht:

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wer es besser kann!)

Sie wollen vielleicht Kanzler werden, aber Sie haben
nicht die Fähigkeiten dazu.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Hochmut kommt vor dem Fall! – Michael Glos [CDU/CSU]: Schämen Sie sich! Versager von Niedersachsen! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Pfui, pfui! Arroganz!)


Das war eine Mischung aus Hilflosigkeit und Aggressi-
vität, die nur eines zeigt: In schwierigen Situationen
kommt man mit einer solchen Mischung nicht weiter, son-
dern nur mit Führungsfähigkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Arroganz!)


Meine Damen und Herren, wenn Sie während der
Rede des Kandidaten in Ihre Reihen geschaut hätten,
wäre Ihnen klar geworden, wie sehr Sie die Frage be-
schleicht, ob Sie mit Frau Merkel nicht besser gefahren
wären.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ach, Herr Schröder!)


Diese Frage, zunächst noch leise intoniert, wird, seien Sie
sich dessen sicher, in den nächsten Tagen und Wochen
lauter werden.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schlechter geht es nicht! – Michael Glos [CDU/CSU]: Kanzler der Arbeitslosen! Sagen Sie doch einmal etwas dazu!)


Lassen Sie mich aufgrund der hier dargestellten Ver-
zerrungen einige Bemerkungen zur internationalen Situa-
tion machen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Spieglein, Spieglein an der Wand! – Michael Glos [CDU/ CSU]: Kanzler der Arbeitslosen!)


Es wurde hier darüber geredet, dass Fragen beantwortet
werden, die niemand stellt. Ich stelle mir wirklich die
Frage, wo die, die so reden, eigentlich leben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Fragen der internationalen Politik sowie die Be-
fürchtungen und Sorgen über die Entwicklung speziell im
Nahen Osten beschäftigen nach meinem Eindruck ganz
viele Menschen in Deutschland. Diese erwarten von der
Führung des Landes natürlich, dass sie Antworten auf
diese Fragen formuliert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will mit einigen Bemerkungen zur internationalen
Lage und hierbei insbesondere zur gestrigen Rede des ame-
rikanischen Präsidenten George W. Bush beginnen. Seine
Forderung, dass das Regime in Bagdad die VN-Resolutio-
nen ohne Ausnahme erfüllen muss, ist gewiss richtig.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ah ja!)

Es kann überhaupt keine Frage sein – das war auch nie
strittig –, dass die Waffeninspektoren ins Land müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Salto rückwärts!)


Das war nie strittig. Aber strittig war und bleibt, ob an-
stelle dieses Ziels ein anderes Ziel in den Mittelpunkt der
Diskussion gerückt werden darf. Diese Diskussion haben
wir doch miteinander geführt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage: Wer an die Stelle des Ziels, die Inspektoren ins
Land zu bringen, das Ziel der gewaltsamen Beseitigung
des Regimes gesetzt hat, hat die Position der Vereinten
Nationen in der Vergangenheit und in der Gegenwart
falsch dargestellt. So war das.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Deshalb ist es gut, dass dieses Ziel wieder in den Mittel-
punkt der aktuellen und, wie ich hoffe, auch der künftigen
Diskussion gerückt wird.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Salto rückwärts! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dafür werden wir alle politischen, diplomatischen und
natürlich auch wirtschaftlichen Möglichkeiten mobilisie-
ren und mobilisieren müssen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Salto rückwärts!)


Dass der amerikanische Präsident die Bedeutung des
VN-Sicherheitsrates gewürdigt hat, ist zu begrüßen. Wer
sich aber einmal mit der Rede im Einzelnen befasst, wird
mir zustimmen, wenn ich sage, dass es im Laufe der Ver-
handlungen nicht leicht sein wird, dafür zu sorgen, dass
die alleinige Entscheidungsgewalt des Sicherheitsrates
tatsächlich gewahrt bleibt. Ich denke, auch das muss man




Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

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(D)



(A)



(B)


als Konsequenz dessen, was gesagt worden ist, offen aus-
sprechen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie machen doch das Gegenteil!)


Meine Damen und Herren, wichtige Fragen in diesem
Kontext bleiben offen. Der Erfolg im Kampf gegen den
internationalen Terrorismus, der in keiner Weise – auch
und gerade in Afghanistan nicht; die Vorhut des interna-
tionalen Terrorismus ist eben nicht besiegt – beendet ist,
hängt auch vom Zusammenhalt der internationalen Ko-
alition gegen diesen Terrorismus ab.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Das ist wohl wahr! Und Sie predigen den deutschen Sonderweg!)


Die Debatte, die in den letzten Tagen und Wochen ge-
führt worden ist und der man auch in Deutschland nicht
ausweichen durfte und konnte, beinhaltet natürlich die
Gefahr, dass diese internationale Koalition, zu der auch
die moderaten arabischen Staaten gehören und gehören
müssen, zumindest – so sie nicht zerbricht – in Mitlei-
denschaft gezogen wird. Das gilt es in dieser ganzen De-
batte zu beachten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Hinzu kommt die Konsequenz der Entscheidungen, die
wir im Rahmen der internationalen Koalition getroffen
haben. Hinzu kommt also auch die Konsequenz der Ent-
scheidung, in Afghanistan militärisch zu intervenieren.
Übrigens, das war eine Entscheidung, die, wenn ich daran
erinnern darf, hier im Hohen Hause unter Rückgriff auf
die Vertrauensfrage durchgesetzt worden ist. Von Ihnen
hat niemand dabei mitgemacht; Sie haben ja dagegen ge-
stimmt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Daran müssen Sie die SPD erinnern, nicht uns, da müssen Sie fragen, Sie Kanzlerdarsteller!)


Die Arbeit, die mit der Konsequenz aus dem 11. Sep-
tember verbunden ist, ist eben nicht zu Ende gebracht.
Denn zu dieser Konsequenz gehört, dass wir nicht nur mi-
litärisch intervenieren, um die Taliban zu bekämpfen, son-
dern auch, dass wir vor den Augen der Völker der Welt mit
dem wirklich weiterkommen,


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist nur noch Darstellung, was Sie da betreiben!)


was im Englischen „nation building“ heißt, also mit jener
Aufbauarbeit, auf die insbesondere die Völker der Dritten
Welt schauen und die es unmöglich macht, dass Ideologen
und Fundamentalisten diese Völker für ihre Zwecke ein-
setzen und damit missbrauchen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn wir über den Nahen Osten diskutieren, dann
müssen wir bedenken, dass es immer auch um regionale
Stabilität geht, um die Auswirkungen einer militärischen

Intervention in dieser so sensiblen und schwierigen Re-
gion. Für das, was nach einer denkbaren, möglichen, ins
Auge gefassten militärischen Intervention passiert, hat
bislang niemand ein in sich schlüssiges und nachvollzieh-
bares Konzept auf den Tisch gelegt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Wo ist denn Ihr Konzept?)


Deshalb sage ich: Meine Argumente gegen eine militäri-
sche Intervention bleiben bestehen.


(Beifall der Abg. Uta Titze-Stecher [SPD])

Es bleibt ebenfalls klar: Unter meiner Führung wird sich
Deutschland an einer militärischen Intervention nicht be-
teiligen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn wir uns in dieser Frage, meinethalben aus unter-
schiedlichen Erwägungen, einig sind, dann ist es gut; aber
eines kann man nicht durchgehen lassen: hier den Ein-
druck zu erwecken, als sei man in dieser Konsequenz der
gleichen Meinung wie die Regierung, und im Übrigen
draußen etwas völlig anderes zu erzählen. Damit werden
Sie nicht durchkommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Vera Lengsfeld [CDU/CSU]: Und was machen Sie nach der Wahl?)


Das, was wir formuliert haben und was wir unseren
Partnern in dieser Frage und in anderen Fragen sagen, be-
deutet: Bündnissolidarität auf der einen Seite, aber auch
Eigenverantwortung auf der anderen. Über die existenzi-
ellen Fragen der deutschen Nation wird in Berlin ent-
schieden und nirgendwo anders.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Jetzt ist er endgültig bei Wilhelm II. angekommen!)


Übrigens, um Solidarität und entsprechende Entschei-
dungen geht es auch bei einem anderen Thema, das Herr
Stoiber angesprochen hat. Ich meine das Thema „Wie
werden wir mit den Folgen der Flutkatastrophe fertig?“
Ich finde, dass die Alternativen, die es dazu gibt, auf dem
Tisch liegen, von den Menschen in Deutschland bewer-
tet werden können und ganz sicher auch bewertet wer-
den.

Wie sehen diese Alternativen aus? Wir haben gesagt:
Wir finanzieren die Folgen der Flutkatastrophe, indem wir
die Steuerentlastungen um ein Jahr verschieben. Keine
Frage, das betrifft viele Menschen. Es betrifft sie im Übri-
gen unterschiedlich; es betrifft die Menschen mit einem
geringeren Einkommen weniger als die mit einem größe-
ren. Wie Sie alle wissen, hat das mit der Progression in un-
serem Steuerrecht zu tun.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: 30 Euro netto pro Monat, das ist viel für einen Facharbeiter!)


Die andere Position, die der bayerische Kandidat hier ein-
genommen hat, heißt: Wir finanzieren das auf Pump. Das




Bundeskanzler Gerhard Schröder

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(A)



(B)


sind die beiden Möglichkeiten, die hier erläutert worden
sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich halte unsere Position für die verantwortliche,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

weil sie dazu führt, dass die Schäden, die die Flut ge-
schlagen hat, in dieser Generation und von dieser Gene-
ration ausgeglichen werden und nicht auf die Schultern
unserer Kinder und Enkelkinder gelegt werden. Das ist
verantwortliche Politik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir finanzieren das so, dass es keinerlei Auswirkungen
auf die notwendigen Investitionen, die wir mit dem Soli-
darpakt II zur Verfügung gestellt haben, gibt.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sie haben es am Anfang anders gesagt!)


Diese Regierung hat, nach wirklich harten Kämpfen mit
einer Mehrheit im Bundesrat, zu der Sie, Herr Stoiber,
gehört haben, dafür gesorgt, dass der Aufbau Ost weiter-
hin solide finanziert werden kann, und zwar bis zum Jahr
2019. Das ist der Erfolg dieser Koalition und meiner Re-
gierung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sorgen mit dem Finanzierungskonzept Fluthilfe
dafür, dass beides nicht gegeneinander ausgespielt wird,
sondern dass die zusätzlichen Schäden auch zusätzlich
bewältigt werden können. Das ist aktive Solidarität mit
den Menschen, die von der Flut betroffen sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr als gerecht,
dass wir auch der Kreditwirtschaft sagen: Euren Anteil
müsst ihr erbringen. – Das geht gar nicht anders. Es geht
doch nicht an, dass wir die erforderlichen Abschreibungen
und die Kosten für das, was realisiert werden muss, allein
den Menschen in Deutschland auf den Buckel legen. Es
gibt auch eine Solidaritätsverpflichtung derer, die in der
Kreditwirtschaft verantwortlich sind. Diese Verpflichtung
gilt es – natürlich entsprechend der Leistungsfähigkeit –
einzuklagen. Man sollte dies aber nicht ganz außen vor
lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Herr Stoiber, Sie haben über die Notwendigkeit der
Haushaltskonsolidierung und über das, was wir im Be-
reich der Steuerpolitik gemacht haben, geredet. Sie haben
uns vorgeworfen, wir seien es gewesen, die die soziale
Balance in Deutschland nicht hergestellt hätten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Welch ein Vorwurf, ausgerechnet von Ihnen!

Ich komme zu den Tatsachen: In den letzten Jahren, in
denen die CDU/CSU und die FDP regierten, lag die Steu-
erbelastung der Menschen mit geringstem Einkommen
bei über 26 Prozent.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Weil Sie blockiert haben!)


Das heißt, diejenigen mit dem geringsten Einkommen
mussten im Verhältnis den größten Anteil an Steuern zah-
len. Das war Ihre Position und Ihre Politik.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Schröder, Eichel, Lafontaine haben es im Bundesrat verhindert!)


Nach unseren politischen Maßnahmen liegt die Steuerbe-
lastung dieser Menschen jetzt bei unter 20 Prozent


(Zuruf von der CDU/CSU: Das hätten Sie seit 1997 haben können!)


und wird im Jahre 2005 auf 15 Prozent sinken. Das ist so-
ziale Steuerpolitik. Das ist Hilfe für diejenigen mit den ge-
ringsten Einkommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sind es gewesen, die ein Unternehmensteuer-
recht gemacht haben, das den Unternehmen in Deutsch-
land, und zwar den großen wie den kleinen, eine solide
Position im europäischen und internationalen Wettbewerb
verschafft hat. Wir sind es gewesen, nicht Sie!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sind es gewesen, die dafür gesorgt haben, dass die
Kapitalgesellschaften einen Steuersatz von 25 Prozent zu
zahlen haben. Er ist definitiv abzuliefern, und zwar von der
ersten Mark an. Der wird für ein Jahr um 1,5 Prozent-
punkte steigen. Ich habe vernommen, dass Sie dagegen
sind, die freiwillig angebotene Solidarleistung der Unter-
nehmen anzunehmen. Ich weiß gar nicht, warum. Wir kön-
nen nämlich das Geld für die Finanzierung der Beseitigung
der Schäden der Flutkatastrophe ganz gut gebrauchen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Zusammenhang mit der Steuerpolitik komme ich
nun auf das zu sprechen, was Sie immer kritisieren. Sie sa-
gen, wir hätten die Kapitalgesellschaften im Vergleich zu
den Personengesellschaften, die nach Einkommensteuer-
recht besteuert werden, bevorzugt. Nichts davon ist rich-
tig, meine Damen und Herren. Der Spitzensteuersatz be-
trägt zurzeit 48,5 Prozent, aber wir haben dafür gesorgt,
dass die in Deutschland im Durchschnitt zu zahlenden
13 Prozent an Gewerbeertragsteuer voll angerechnet wer-
den können. Wir haben das gemacht, nicht etwa Sie.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Großen, die Körperschaften, müssen übrigens diese
durchschnittlich 13 Prozent voll drauflegen.

Dann, meine Damen und Herren, müssen Sie im Übri-
gen auch berücksichtigen – hier geht es ja um kompli-
zierte Vorgänge –,




Bundeskanzler Gerhard Schröder
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(A)



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(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


dass Kapitalgesellschaften nicht nur diese durchschnitt-
lich 13 Prozent Gewerbeertragsteuer zusätzlich abführen
müssen, sondern definitiv besteuert werden, während
Personengesellschaften, weil für sie das Einkommensteu-
errecht gilt, unter das Einkommensteuerrecht fallen.


(Lachen bei der CDU/CSU – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Jetzt habe ich es verstanden!)


Sie sollten nämlich wissen, dass im Einkommensteuer-
recht Grenzbesteuerung gilt, also nicht schon von der ers-
ten Mark an voll besteuert wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Angesichts dessen, meine Damen und Herren, fällt die
Behauptung, die Personengesellschaften in Deutschland
seien schlechter als die Kapitalgesellschaften gestellt,


(Michael Glos [CDU/CSU]: Stimmt doch! Ist wahr!)


vollständig in sich zusammen. Das wissen übrigens auch
die, um die es dabei geht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deswegen sage ich Ihnen: Mit dieser Art von ober-
flächlicher Behandlung –


(Lachen bei der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Hol mir mal ‘ne Flasche Bier!)


man könnte auch sagen: Verlogenheit –

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Flasche leer!)


kommen Sie nicht weiter. Das spüren Sie ja auch langsam
am Stimmungsumschwung in der deutschen Bevölkerung.
Denn das, was wir gemacht haben, stabilisiert und stärkt
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen in
Europa und auf dem Weltmarkt. Zudem handelt es sich um
eine sozial ausgewogene Steuerpolitik. Sowohl auf der
Angebots- als auch auf der Nachfrageseite haben wir eine
vernünftige Steuerpolitik gemacht; die ist mit dem Namen
von Bundesfinanzminister Hans Eichel verbunden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])


Nicht zuletzt Folge Ihrer Steuerpolitik ist es gewesen,
dass in Ihren letzten Amtsjahren von 1994 bis 1998 die
reale Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
ständig gestiegen ist,


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das stimmt! Die reale ist gestiegen! – Michael Glos [CDU/ CSU]: Das ist wahr!)


ihre Einkommen in diesen vier Jahren um durchschnitt-
lich 5 Prozent gesunken sind. Während unserer Regie-

rungszeit ist dagegen das reale Einkommen der Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland um über
7 Prozent gestiegen. Das ist sozial verantwortliche Poli-
tik; damit müssen Sie sich einmal auseinander setzen,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Falsch! – Weiterer Zuruf des Abg. Hans-Peter Repnik [CDU/CSU])


Schauen Sie: Die Zahlen machen doch allzu deutlich, dass
mehr und mehr gespürt wird, dass Sie nichts als heiße Luft
in diesen Fragen verbreiten, wir aber die Menschen in
Deutschland real besser gestellt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will gern zugeben, dass wir auf dem Arbeitsmarkt
die Ziele, die wir uns gesetzt hatten, nicht erreicht haben.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Wir hatten uns vorgenommen – das war eine Zielgröße –,
zum Ende der Legislaturperiode auf 3,5 Millionen Ar-
beitslose zu kommen. Wir haben diese Zielmarke nicht er-
reicht. Aber all diejenigen, die jetzt erzählen, das habe
nicht die Ursachen in dem, was wir seit dem 11. Septem-
ber 2001 erleben müssen, haben entweder keine Ahnung
oder sind böswillig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU und der FDP)


Unabhängig von der Tatsache, dass wir die Ziele, an
denen wir festhalten, nicht erreicht haben, gilt gleichwohl
– der Finanzminister hat das gestern eindrucksvoll darge-
stellt –: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigten in Deutschland


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ist drastisch zurückgegangen!)


ist in der Zeit, in der wir regieren, um 1,1 Millionen ge-
stiegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Es ist die Unwahrheit!)


Der Kandidat hat die Arbeitslosenzahlen für Au-
gust 2002 mit denen vom August 1998 verglichen. Auch
in diesem Bereich wird von Ihnen schlicht gemogelt. Wir
hatten im August 2002 77 000 Arbeitslose weniger als
1998. Sie hatten durch Ihre Wahlkampf-AB-Maßnahmen
im August 1998 für drei Monate vor der Wahl und drei
Monate nach der Wahl den Arbeitsämtern 300 000 Ar-
beitslose auf die Payroll gegeben. Das war die Art und
Weise, wie Sie die Arbeitslosenstatistik geschönt und ver-
pfuscht haben. Das gilt es hier einmal deutlich zu machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist wahr – ich habe überhaupt keinen Grund, das
nicht zuzugeben –: Wir haben das Ziel, das wir uns ge-
steckt haben, nicht erreicht. Aber wir sind deutlich unter
dem, was Sie erreicht haben. Von Leuten, die ihr Scheitern




Bundeskanzler Gerhard Schröder

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(A)



(B)


auch auf dem Arbeitsmarkt bereits bewiesen haben, las-
sen wir uns ungern Vorschriften machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Übrigens halte ich das, was Sie in jüngster Zeit als an-
gebliche Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt andeuten,
nämlich die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer und ihrer Gewerkschaften entscheidend zu kür-
zen, für einen gefährlichen Irrweg. Mitbestimmung und
gute Betriebsräte, ausgestattet mit eigenen Rechten, auf
der einen Seite und auf der anderen Seite kreative Unter-
nehmer, die auf gleicher Augenhöhe Arbeitsbedingungen
in Deutschland aushandeln, das hat unser Land stark und
nicht schwach gemacht. Das werden wir verteidigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb ist das, was Sie in diesem Sektor ankündigen,
nicht nur volkswirtschaftlich gefährlich, sondern es de-
motiviert auch die Menschen, von deren Arbeit unser aller
Wohlergehen in erster Linie abhängt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben sich dann über die Vorschläge der Hartz-
Kommission – um dies sehr zurückhaltend zu sagen – ne-
gativ verbreitet. Ich halte das für falsch und ich prophe-
zeie: Sie werden das, was dort vorgeschlagen worden ist,
aus der Opposition heraus noch einmal mit Deutlichkeit
unterstützen. Denn da geht es wirklich um das Prinzip,
dass Menschen, die ihre Qualifikationen verloren haben,
weil sie arbeitslos geworden sind, sie wiederbekommen,
dass sie gefördert, aber auch gefordert werden. Fordern
heißt, das ihnen und ihren Familien jeweils Mögliche
muss getan werden. Aber danach haben sie Anspruch auf
die solidarische Hilfe der Gesellschaft. Für die handelt der
Staat. Das darf nicht in Vergessenheit geraten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Früher haben Sie gerne über Familienpolitik geredet
– jedenfalls Sie von der CDU/CSU –, aber in Ihrer Regie-
rungszeit – das wird nicht in Vergessenheit geraten – ha-
ben Sie nichts dafür getan.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


– Ja, ich muss Sie daran erinnern. – Das Bundesverfas-
sungsgericht hat in zwei Entscheidungen festgestellt, dass
Ihre Familienpolitik schlicht verfassungswidrig gewesen
ist. Das war Ihre Politik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


So ist es gewesen; dem kann man nicht widersprechen.
Wir hatten 13 Milliarden Euro allein in dieser Legisla-

turperiode zu investieren, um Ihre verfassungswidrige Fa-
milienpolitik auf einen Stand zu bringen, der unserer Ver-
fassung entspricht. Das war die zentrale Aufgabe, die wir
zu machen hatten. Wir haben sie gemacht und 13 Milliar-
den Euro mobilisiert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben heute mit etwa 56 Milliarden Euro die größ-
ten Ausgaben in diesem Bereich. Das ist die Leistung der
rot-grünen Koalition. Wir haben deutlich gemacht, wie
wichtig es uns war, etwas für Familien mit Kindern zu tun,
indem wir dreimal das Kindergeld erhöht haben.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Indem ihr den Vater um den Arbeitsplatz bringt!)


In der nächsten Legislaturperiode wird es ein großes
Projekt geben – wir haben es uns fest vorgenommen –, das
Vorrang vor allen anderen hat. Um unser Bildungssystem
auf ein qualitativ höherwertiges Niveau zu bringen und
um Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern zu
realisieren, müssen wir in diesem Land mehr, als das in
der Vergangenheit der Fall war, in Ganztagsbetreuung
investieren. Wir werden das tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden den Ländern jährlich 1 Milliarde Euro zur
Verfügung stellen – das ist im Haushalt gerechnet; das ist
keine utopische 20-Milliarden-Forderung, die Sie in die
Welt setzen –,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

damit in den Schulen eine Ganztagsbetreuung realisiert
werden kann. Das ist gut für die Kinder aus sozial schwa-
chen Verhältnissen, die diese Betreuung brauchen, wenn
sie gleiche Chancen haben sollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Ganztagsbetreuung ist vor allen Dingen wichtig, um
Frauen zu ermöglichen, Familie und Beruf besser als je
zuvor unter einen Hut zu bekommen. Wir wollen dafür
sorgen, dass Frauen in Deutschland leben können, wie sie
wollen, und nicht gesagt bekommen, wie sie leben sollen.
Das werden wir durchsetzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ganztagsbetreuung ist im Haushalt berücksichtigt und
wird von dieser Koalition realisiert werden.

Lassen Sie mich auf das zurückkommen, was die Flut
uns auch lehrt. Neben der Notwendigkeit, in dieser Gene-
ration die Schäden, die sie geschlagen hat, auszugleichen,
lehrt sie vor allen Dingen, künftige Schäden zu verhin-
dern. Da setzt Politik an – auch und gerade Energie-
politik –, wie wir sie in der rot-grünen Koalition gemacht
haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das, was wir in den letzten Jahren geleistet haben, setzt
an dieser Stelle an. Ich nenne die Förderung erneuerbarer
Energieträger, die sehr wichtig sind, wenn man des Kli-
maproblems wirklich Herr werden will und wenn man mit
der Verantwortung der reichen Industriestaaten gegenüber
den ärmeren Staaten, insbesondere den Staaten der Drit-




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(D)



(A)



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ten Welt, Ernst macht. Wir haben die Verpflichtung, um-
weltschonende Technologien zu entwickeln und einzuset-
zen. Die ärmeren Länder haben nicht die notwendigen
Ressourcen, um das zu tun. Wenn wir es geschafft haben,
müssen wir diese Technologien transferieren, damit die
anderen Länder es ebenfalls tun können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sind allen anderen Ländern, auch in Europa, in den
letzten vier Jahren weit voraus gewesen, was den Ein-
satz dieser Technologien und dieser Möglichkeiten an-
geht.


(Dirk Niebel [FDP]: Das war vorher auch schon so!)


Ich habe mitbekommen, dass Sie sich anschicken, das
rückgängig zu machen, was wir erfolgreich zur Überwin-
dung der Atomenergie in Deutschland mit allen Beteilig-
ten verhandelt haben.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Ihr habt die Leute erpresst!)


Ich halte das für den falschen Weg. Am 22. September
wird auch darüber entschieden werden, ob es einen ver-
nünftigen Weg in der Energiepolitik oder einen Rückfall
in alte Zeiten gibt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zu den 16 energiepolitischen Gesetzen hat die rechte
Seite des Hauses vierzehnmal Nein gesagt. Sie haben
vierzehnmal Nein dazu gesagt, Umweltgesichtspunkte
mit ökonomischen Gesichtspunkten zusammenzubrin-
gen. Das ist aber das Gebot der Zukunft. Es wird nämlich
keine erfolgreiche Wirtschaft geben, wenn die natürlichen
Lebensgrundlagen zerstört sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will vier Punkte nennen, die deutlich machen, dass
dieser Haushalt, über den wir heute diskutieren, einen
richtigen Weg beschreibt, den wir miteinander weiterge-
hen müssen.

Erstens. Ich glaube, es ist wirklich wichtig und macht
Deutschlands Erfolg aus, dass wir es nach dem Zweiten
Weltkrieg verstanden haben, ein System zwischen Kapi-
tal und Arbeit aufzubauen, das tatsächlich in Balance ist.
Kreative, mutige Unternehmer auf der einen Seite, selbst-
bewusste, mit eigenen Rechten ausgestattete Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer auf der anderen Seite, die auf
gleicher Augenhöhe Arbeitsbedingungen aushandeln –
das ist der Inhalt des Erfolgsmodells Deutschland. Das
verteidigen und entwickeln wir.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zweitens. Die vor allem von dieser Koalition eingelei-
tete Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie in der
Praxis, die zum Beispiel in der Energiepolitik


(Michael Glos [CDU/CSU]: Alles hohle Sprüche!)


und in der Frage des Pfandes deutlich wird, zu der Sie sich
immer schwerpunktmäßig verbreiten.


(Heiterkeit bei der SPD)

Diese Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie ist Fort-
schritt in und für Deutschland. Das darf nicht preisgege-
ben werden. Auch darum geht es am 22. September.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Drittens. In der Bildungspolitik müssen wir auf Qua-
lität achten,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Niedersachsen!)


aber all denen misstrauen, die uns sagen wollen: „Die
größte Qualität erhaltet ihr dann, wenn ihr das Bildungs-
system für die Kinder aus den sozial schwächeren Fami-
lien dicht macht.“


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Denen sage ich: Mit mir nicht! Das mag Ihr Weg sein. Mit
mir indessen nicht!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Niedersachsen-Niveau!)


Wir wollen ein qualitativ hochwertiges Bildungssys-
tem und werden es durchsetzen, ein Bildungssystem, das
allen Begabungen in Deutschland eine Chance gibt und
das durch massive Investitionen in Ganztagsbetreuung
dafür sorgt, dass über Chancengleichheit zwischen
Frauen und Männern in Deutschland nicht nur geredet
wird, sondern dass sie gesellschaftliche Wirklichkeit
wird. Das ist unser Anliegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Viertens. In der internationalen Politik kennen und er-
füllen wir unsere Bündnisverpflichtungen ohne Wenn und
Aber.


(Zurufe von der CDU/CSU: Ach!)

Das haben wir in den vier Jahren, in denen wir regiert ha-
ben, bewiesen: im Kosovo, in Mazedonien, aber auch bei
„Enduring Freedom“. Dass es nicht für alle – auch für
mich nicht – leicht gewesen ist, diese Entscheidungen zu
treffen, ehrt diejenigen, die entschieden haben, weil sie
solche Entscheidungen nicht leichtfertig treffen. Aber wir
haben entschieden und das hat Deutschlands Ansehen in
der Welt gemehrt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese internationale Politik der Bündnisfähigkeit und
-bereitschaft, eine internationale Politik des Selbst-
bewusstseins ohne Überheblichkeit, habe ich in den letz-
ten vier Jahren mit Außenminister Fischer entworfen und
durchgesetzt. Wir werden sie auch gemeinsam weiter
durchsetzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Bundeskanzler Gerhard Schröder 25587 Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Flasche leer! – Michael Glos [CDU/CSU]: Ist denn dem Kanzler wirklich nicht mehr eingefallen?)





(C)


(D)


(A)


(B)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1425300200
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Guido Westerwelle, FDP-Fraktion.

Dr. Guido Westerwelle (FDP) (von der FDP sowie
von Abgeordneten der CDU/CSU mit Beifall begrüßt):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es ist sehr bemerkenswert, wie der Bundeskanzler auf die
Rede des bayerischen Ministerpräsidenten geantwortet
hat. Es ist bemerkenswert, mit welcher persönlichen
Schärfe er das getan hat. Einem Herausforderer, einem
bayerischen Ministerpräsidenten, einem Kollegen in die-
sem Haus überhaupt die Fähigkeiten und die geistige
Qualität abzusprechen ist ein Niveau, das wir in dieser
Debatte nicht fortsetzen sollten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir haben Ihre Ausführungen zur Außenpolitik

gehört, und es ist richtig und notwendig, dass an einem
solchen Tag in einer solchen Debatte auch ausführlich
über die Frage der Außenpolitik und den Weg der Außen-
politik gesprochen wird. Sie haben sich selbst – wen wun-
dert das? – ein gutes Zeugnis ausgestellt. Ich möchte des-
wegen gern die Kommentare einiger Zeitungen von
gestern und heute anführen.

Die „Zeit“, die Ihnen ansonsten in vielen Fragen sehr
nahe steht, sagt:

Kein anderes Land von Belang hat wuchtiger gegen
Amerika ausgeteilt wie dieses. ... Was Wunder, dass
Bagdad nun die Deutschen ganz freundlich an-
lächelt – und Berlin die Umarmung verlegen abweh-
ren muss.

Sie fügt hinzu:
Wahlkampf ersetzt eben keine Außenpolitik. Außen-
politik hat mit Einfluss, nicht mit Agitation zu tun.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die „Frankfurter Allgemeine“ vom heutigen Tag soll

ebenfalls zitiert sein. Dort heißt es:
Die Regierungen in London und Paris arbeiten jetzt
daran, Amerika für die Vereinten Nationen und die
Vereinten Nationen für Amerika zu gewinnen. Die
Regierung in Berlin dagegen arbeitet daran, im Amt
zu bleiben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es war bemerkenswert, mit welcher Häme und mit

welch höhnischem Gelächter nicht nur auf der Regie-
rungsbank, sondern auch auf der Seite der Regierungs-
parteien reagiert worden ist. Dazu, dass mit einem solch
höhnischen Gelächter auf der Regierungsbank und bei
Rot und Grün auf die Mitteilung eines Ministerpräsiden-
ten eines Bundeslandes, er habe mit dem französischen

Staatspräsidenten und dem Generalsekretär der Vereinten
Nationen Gespräche geführt, reagiert wird, sage ich Ih-

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425300300
Es wäre Ihre Aufgabe gewesen,
diese Telefonate zu führen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben mittlerweile selbst aus Ihren eigenen Reihen,

und zwar nicht nur von Herrn Klose, sondern auch von
Herrn Lippelt – er sitzt dort und folgt verschmitzt der De-
batte –, etwas zu hören bekommen. Die Deutsche Presse-
agentur zitiert heute ein Interview mit ihm aus einer Ta-
geszeitung:

Erst war er zu weit rechts, jetzt ist er zu weit links.
Der Kanzler wird in Schwierigkeiten geraten, wenn
der UN-Sicherheitsrat eine Resolution beschließt.

Niemand in diesem Haus ist doch der Meinung, dass
ein Alleingang der Vereinigten Staaten von Amerika ge-
gen den Irak, noch dazu ohne Mandat der Vereinten Na-
tionen, sinnvoll oder zulässig ist oder deutsche Unterstüt-
zung erhält. Das ist doch nicht allen Ernstes das Problem
dieser Debatte. Das Problem ist, dass Sie bis jetzt noch
nicht ein einziges Mal mit dem amerikanischen Präsiden-
ten über Ihre Position gesprochen haben. Zur Festigkeit in
der Außenpolitik zählt auch die Fähigkeit, diese feste
Meinung im persönlichen Gespräch zu übermitteln.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben Ihre außenpolitische Haltung auf Wahl-

kampfkundgebungen entdeckt und gefunden. Das ist das
Problem. In der Tat wäre eine Intervention der Vereinig-
ten Staaten von Amerika gegen den Irak ohne Mandat der
Vereinten Nationen im Alleingang gegen europäische In-
teressen gerichtet. Es wäre mit Sicherheit auch eine De-
stabilisierung der Region und zugleich gegen das Völker-
recht.

Es ist an Ihnen, an der Regierung unseres Landes, dafür
zu sorgen, dass eine als richtig erkannte Position zunächst
einmal mit den europäischen Partnern besprochen wird,
dass man sich dort bemüht, eine gemeinsame Haltung zu
finden, und man anschließend die Kraft hat, diese feste
Position auch vor Ort zu erläutern.

Wir haben Sie bereits Anfang März in der Runde im
Kanzleramt aufgefordert, das persönliche Gespräch zu
suchen, weil es vorhersehbar war,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)

wie sich diese Gedankenwelt diesseits und jenseits des At-
lantiks auseinander entwickelt. Es ist an Ihnen, diesen Zu-
stand der Sprachlosigkeit zu überwinden, aber nicht ir-
gendwann nach der Wahl, sondern sofort. Es können
Zeiten kommen, da werden vielleicht auch wir Deutsche
wieder auf Verbündete angewiesen sein. Dann wollen wir
auch nicht, dass so mit uns umgegangen wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben hier mit einer wirklichen Grundachse der

deutschen Außenpolitik gebrochen, nämlich dass es in der
Diplomatie, dass es in der Außenpolitik keinen Zustand
der Sprachlosigkeit zwischen Regierungschefs geben
darf. Dass Sie in dieser Woche mitteilen mussten, und
zwar auf eine Nachfrage von Journalisten auf einer Pres-




Bundeskanzler Gerhard Schröder
25588


(C)



(D)



(A)



(B)


sekonferenz, Sie hätten noch nicht einmal ein Telefonat
mit dem amerikanischen Präsidenten geführt,


(Michael Glos [CDU/CSU]: Weil er nicht durchgestellt wird!)


ist in meinen Augen etwas, was hier in keiner Weise mit
irgendwelchen lässigen Bemerkungen beiseite gewischt
werden kann.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Ein Herr
Scheel, ein Herr Genscher, ein Klaus Kinkel oder auch ein
Willy Brandt, ein Adenauer und auch ein Helmut Kohl hat
manche harte Auseinandersetzung mit den Vereinigten
Staaten von Amerika in der Sache gehabt. Ich erinnere
beispielsweise an die Frage der Stationierung der atoma-
ren Kurzstreckenwaffen hier in Deutschland. Diese aber
hatten die Kraft und den Mut, das, was richtig ist, den Ver-
bündeten nicht nur via Wahlkampfkundgebung mitzutei-
len, sondern vor Ort zu sein. Sie hätten dort hingemusst,
Herr Bundeskanzler. Dass Sie nicht dorthin fliegen, zeugt
in Wahrheit von einer Feigheit in der Außenpolitik, die
nicht vernünftig ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Aber dies ist nicht der einzige Vorgang, der uns mit

Blick auf die Tradition der Nachkriegszeit überraschen
muss. Wir dürfen in diesen Tagen erleben, wie ein Vertei-
digungsminister zusammen mit etwas mehr als 40 Solda-
ten eine Initiative mit dem Titel „Soldaten für Schröder“
vorstellt. Zum allerersten Mal in der Geschichte unserer
Republik versucht eine Regierungspartei, die Bundes-
wehr für den eigenen Wahlkampf zu nutzen. Wir haben
eine Armee des ganzen Volkes und nicht einer Regie-
rungspartei. Wir haben eine Parlamentsarmee und keine
Armee, die vor Ihren Wahlkampfkarren gehört, meine
sehr geehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Kein Wort dazu von Ihnen. Wir als Parteien bekommen

die Erlasse aus dem Verteidigungsministerium zugestellt,
man solle die Bundeswehr und die Soldaten aus dem
Wahlkampf herauslassen, man dürfe keine Truppenbesu-
che mehr vor der Wahl machen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Alle halten sich daran!)


Wie selbstverständlich halten wir uns alle daran, aber der
Verteidigungsminister geht hin und vertritt mit einem sol-
chen Aufruf eine Position, die dem Ansehen der Bundes-
wehr schadet. Die Bundeswehr hat nicht in den Wahl-
kampf hineingezogen zu werden, ganz gleich ob man
regiert oder ob man in der Opposition ist.


(Beifall bei der FDP)

Sie haben nicht das Recht, die Bundeswehr für Ihren
Wahlkampf zu instrumentalisieren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Bundeskanzler Gerhard Schröder nimmt in den Reihen der Abgeordneten Platz)


– Ich grüße den Abgeordneten Schröder.

(Jörg Tauss [SPD]: Sie Wichtigtuer!)


Er sitzt jetzt neben seinem Generalsekretär und bespricht
wahrscheinlich mit ihm, wie er den Aufruf zurückziehen
kann. Das ist schon eine bemerkenswerte Art und Weise
des Umgangs mit diesem Parlament. Wir haben hier eben
die Rede des deutschen Bundeskanzlers gehört, es kommt
in dieser Debatte ein Sperrfeuer an Zwischenrufen von
der Regierungsbank und dann nimmt der deutsche Bun-
deskanzler, um dessen Haushalt es hier geht, irgendwo in
den hinteren Reihen Platz, um seinen Wahlkampf zu be-
sprechen, anstatt seiner Verantwortung hier vor diesem
Parlament gerecht zu werden.


(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Eine jämmerliche Protestpartei! – Zurufe von der SPD)


Hier ist mittlerweile ein Stil eingekehrt, der wirklich be-
merkenswert ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben auf
die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes hinge-
wiesen. Es ist richtig, dass Sie das getan haben. Es ist, wie
ich denke, aber auch wichtig festzuhalten, dass die wirt-
schaftliche Entwicklung in Deutschland eben nicht das
Ergebnis der weltwirtschaftlichen Ereignisse, der interna-
tionalen Entwicklung oder des schrecklichen Terroran-
schlags des 11. Septembers ist. Wie wir wissen, weisen
sämtliche Länder in Europa – das sagen alle Statistiken in
Europa – ein besseres Wirtschaftswachstum auf als wir
in Deutschland. Das deutsche Wirtschaftswachstum liegt
zurzeit bei etwa 0,6 Prozent, das Wirtschaftswachstum in
Österreich bei über 1 Prozent, das in Frankreich bei 2 Pro-
zent und das in Großbritannien bei etwa 2,3 Prozent.

Sie können sich nicht mit der internationalen, mit der
weltwirtschaftlichen Entwicklung herausreden. Die Si-
tuation hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass
wir in den letzten Jahren – aber nicht nur in den letzten
vier Jahren; das soll ausdrücklich erwähnt sein – in
Deutschland eine Politik erlebt haben, die auf jedes
neue Problem mit einem Paragraphen, einer Subvention
oder einer neuen Steuer reagiert hat. Deswegen haben
wir mittlerweile eine Staatsquote, die in Europa mit an
der Spitze liegt, nämlich eine Staatsquote von 48,5 Pro-
zent. Das heißt, jeder zweite Euro, der zurzeit in
Deutschland ausgegeben wird, geht durch die Hände
des Staates. Es ist das eigentliche Problem der deut-
schen Volkswirtschaft, dass sie zu viel bürokratische
Staatswirtschaft und zu wenig soziale Marktwirtschaft
aufweist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das muss in Deutschland geändert werden. Der Staatsan-
teil in unserer Wirtschaft ist zu groß. Er muss auf die
Kernaufgaben zurückgeführt werden.


(Bundeskanzler Gerhard Schröder begibt sich zurück auf die Regierungsbank)


– Wir erleben heute einen Kanzler auf Wanderung. Wenn
Sie möchten, können Sie gerne auch einmal bei uns Platz
nehmen. Herr Gerhardt macht Ihnen für einen Augenblick
gerne seinen Stuhl frei. Setzen Sie sich ruhig, Herr Bun-
deskanzler. Dann können Sie sehen, wie das bei uns so ist.




Dr. Guido Westerwelle

25589


(C)



(D)



(A)



(B)


Genießen Sie die Zeit, in der Sie noch so herumstolzieren
können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Quatsch muss man sich nicht anhören, auch als Bundeskanzler nicht!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte
auf den Kern dieser Debatte zurückkommen, und zwar auf
die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande. Wir
erleben, wie in dieser Zeit auf die nationale Herausforde-
rung, beispielsweise die Solidarität mit den Opfern der
Flutkatastrophe, unterschiedlich reagiert wird. Ihre Re-
aktion ist eben nicht, die bürokratische Staatswirtschaft
zurückzudrängen; Sie erhöhen vielmehr weiter die Steu-
ern. Das ist genau der falsche Weg. Es handelt sich näm-
lich faktisch um eine Steuererhöhung.

Wenn Sie die Entlastungen, die schon im Gesetzblatt
stehen, jetzt verschieben, dann ist das genau der falsche
Weg. Tausende von Handwerkern und mittelständischen
Betrieben haben darauf vertraut, dass auch sie endlich
zum 1. Januar nächsten Jahres die Entlastungen be-
kommen, die die Großen zum Teil schon erhalten haben.
Diese Betriebe, die auf der Kippe stehen, die sich bis jetzt
wirklich durchgeschleppt haben, hatten vielleicht noch
einmal Mut geschöpft, weil entsprechende Entlastungen
angekündigt wurden. Sie erhöhen damit, wie der Bund der
Steuerzahler zu Recht sagt, faktisch für die betroffenen
Mittelständler die Steuern.

Was nutzt es uns, wenn wir das Unglück des Hoch-
wassers mit dem Unglück höherer Arbeitslosigkeit durch
Steuererhöhungen bekämpfen wollen? Es stehen Tau-
sende von Betrieben des Mittelstands auf der Kippe. Der
Präsident des Handwerkes, ein besonnener Mann, sagte,
dadurch würden 200 000 Arbeitsplätze möglicherweise
wegfallen. Das ist in Wahrheit die entscheidende Frage
der deutschen Politik. Wir können nicht bei jeder Heraus-
forderung die Steuern erhöhen. Wir müssen die Steuern
senken, damit den Menschen mehr in der Tasche bleibt
und sie damit in diesem Lande wirtschaften können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie sagen: Wir können uns Steuersenkungen in Deutsch-

land nicht leisten. Wir sagen: Wir können es uns in
Deutschland nicht leisten, auf Steuersenkungen zu verzich-
ten. Sie sagen: Steuersenkungen sind gewissermaßen die
Dividende eines wirtschaftlichen Aufschwungs. Wir sa-
gen Ihnen: Steuersenkungen sind die Voraussetzung für
den wirtschaftlichen Aufschwung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie es denn 29 Jahre lang nicht gemacht?)


Herr Bundeskanzler, wir haben gerade von Ihnen den
Satz gehört, wir hätten dieses und jenes doch in der alten
Legislaturperiode machen können. Das ist bemerkens-
wert. Die alte Regierung – das ist das Einzige, was ich zur
Vergangenheit sagen will – hat die Petersberger Be-
schlüsse, nämlich eine nachhaltige Steuersenkung und
Steuervereinfachung, auf den Weg gebracht.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber nicht umgesetzt! 29 Jahre habt ihr regiert!)


Sie als Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler, und Sie
als Ministerpräsident, Herr Finanzminister, waren es, die
in trauter Allianz mit Herrn Lafontaine, von dem Sie
heute nichts mehr wissen wollen, eine Blockade im Bun-
desrat beschlossen haben. Deutschland wäre weiter,
wenn Sie damals nicht gegen nationale Interessen gehan-
delt hätten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: 29 Jahre FDP!)


Wir als Freie Demokraten haben vorgerechnet, wie al-
lein durch den Subventionsabbau, die Entbürokratisie-
rung und die Privatisierungspolitik mehr als 28 Milliarden
Euro im Haushalt erwirtschaftet werden können. Das
wäre genug, um beispielsweise eine Steuersenkungsre-
form zwischenzufinanzieren. Es wäre genug, um Investi-
tionen in Bildung zu ermöglichen. Es wäre zusammen mit
weiteren Maßnahmen auch genug, um den Sonderfonds
zur Beseitigung der Schäden durch die Hochwasserka-
tastrophe finanziell ordentlich auszustatten und unsere
Solidarität zum Ausdruck zu bringen.


(Zuruf von der SPD: Ja, ja!)

Das alles wird aber nicht reichen.

(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Schreien Sie doch nicht so!)


In Wahrheit geht es darum, dass wir die Strukturen in
diesem Land verändern müssen. Davor stehen wir bei die-
ser Wahl. Es geht nicht darum, dass nur einzelne Köpfe
ausgetauscht werden. Es geht darum, dass dieses Land im
Herbst einen Politikwechsel bekommt, der den Staat auf
die Kernbereiche konzentriert und ihn dort herausnimmt,
wo er teuer, aber gefällig tätig ist, wo er in Wahrheit aber
nichts zu suchen hat und wo er regelmäßig kleinen Mit-
telständlern durch entsprechende staatliche Tätigkeiten,
die natürlich subventioniert und immer preiswerter als an-
dere sind, Konkurrenz macht.

Es geht vor allen Dingen um die Frage, wie wir die
Strukturen in unserem Land verändern können. Auch
dazu haben Sie nicht einen einzigen Satz gesagt. Sie wer-
fen uns vor, das sei Sozialabbau, und sprechen von Chan-
cengleichheit. Es ist doch nicht so, als ob irgendjemand in
diesem Hause – das ist ein Popanz – gegen Chancen-
gleichheit sei.


(Zurufe von der SPD und der PDS: Oh!)

Wir sind für Chancengleichheit am Start und gegen Er-
gebnisgleichheit am Ziel. Wir sagen: Leistung muss sich
lohnen; wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der
nicht arbeitet, weil wir sonst keinen Schwung in unsere
Wirtschaft bekommen und keine Dynamik in unserer Ge-
sellschaft haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie führen jetzt kurz vor Schluss die Hartz-Vorschläge

in die Debatte ein. Aus Hartz hätte in der Tat einmal ein
Bernstein werden können, und zwar im Sommer. Aber




Dr. Guido Westerwelle
25590


(C)



(D)



(A)



(B)


dann hätten Sie nicht als Gewerkschaftsfunktionär und als
Vertreter der Regierung intervenieren und in Wahrheit all
die zunächst angedachten und notwendigen strukturellen
Veränderungen weichspülen dürfen.

Ein Mann aus Ihren Reihen, der sicherlich über die Par-
teigrenzen hinweg in diesem Hause hohe Achtung ge-
nießt, ist der Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Er
schreibt Ende August in der „Zeit“:

Ähnlich wie in Frankreich, Italien, Spanien et cetera
ist die deutsche Arbeitslosigkeit im Wesentlichen
selbst gemacht. Die holländischen und die dänischen
Nachbarn haben gezeigt, wie man – bei vergleichba-
rer Wirtschaftsstruktur, bei gleicher Zinspolitik und
bei vergleichbarer Abhängigkeit von der Weltwirt-
schaft – durch nationale politische und gesetzgeberi-
sche Anstrengung mit Massenarbeitslosigkeit fertig
werden kann.

Das schreibt der Sozialdemokrat Helmut Schmidt. Er fügt
noch etwas hinzu:

Dazu muss im Tarifvertragsgesetz die Verordnung
der „Allgemeinverbindlichkeit“ gestrichen und im
Betriebsverfassungsgesetz müssen jene Paragraphen
abgeschafft werden, die es den Geschäftsleitungen
und den Betriebsräten verbieten, Betriebsvereinba-
rungen über Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen
abzuschließen.

Wir werden nach der Wahl Helmut Schmidt beim Wort
nehmen und genau dies durchsetzen, weil wir eine maß-
geschneiderte Tarifpolitik brauchen und keine Tarifpoli-
tik, die nur einigen wenigen Funktionären nutzt, aber kei-
nem einzigen Arbeitnehmer in Deutschland.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind der Meinung, dass wir diese Strukturen ver-
ändern müssen. Dazu zählt natürlich auch, dass das Ge-
setz gegen die Scheinselbstständigkeit wieder abgeschafft
werden muss. Es war in Wahrheit nichts anderes als ein
Schikanegesetz gegen Existenzgründer.


(Lachen bei der SPD)

Dazu zählt auch, dass wir die Schwarzarbeit bekämp-

fen müssen, indem wir Niedriglohnjobs nicht nur im so
genannten haushaltsnahen Bereich zulassen, wie es der-
zeit – das ist immerhin anerkennenswert – von der Hartz-
Kommission vorgeschlagen wird, sondern indem
630-Euro-Jobs nach dem Vorbild der bisherigen 630-DM-
Beschäftigungsverhältnisse eingeführt werden.


(Zuruf von der SPD: Toll!)

Das ist mit Sicherheit eine Maßnahme, mit der auf ei-

nen Schlag aus der Schwarzarbeit heraus Hunderttau-
sende von Arbeitsplätzen entstehen können.

Ich erinnere mich noch daran, dass Sie als Sozialde-
mokraten diese Vorschläge immer wieder als Dienst-
mädchenprivileg beschimpft haben. Was ist das eigent-
lich für ein Gesellschaftsverständnis? Dieses Verständnis
von Knecht und Dienstmädchen entspricht nicht der Ar-
beitswelt der Gegenwart. In der Informationsgesellschaft
unserer Zeit gibt es keinen Grund, diejenigen, die Dienst-

leistungen erbringen, mit schäbigen Worten zu diskrimi-
nieren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie stellen das Rückgrat der Entwicklung unserer Volks-
wirtschaft dar.

Sie haben auch über die Bildung gesprochen. Wir
freuen uns, dass Sie dieses Thema – wenn auch sehr ober-
flächlich – doch wenigstens in die Debatte eingeführt ha-
ben. Es ist aber auch notwendig, dass wir sowohl über die
Inhalte als auch über die Strukturen und die Finanzierung
reden. Sie trauen sich eben nicht, zum Beispiel an die
Steinkohlesubventionen heranzugehen. Das wäre aber
dringend notwendig. Stattdessen erheben Sie eine Öko-
steuer, die aber mit Umweltschutz nichts zu tun hat.

Wir wollen den Umweltschutz verbessern, aber durch
Marktwirtschaft und neue Technologien. Er wird sich
nicht gegen neue Technologien und neue marktwirt-
schaftliche Prozesse verbessern lassen. Es ist ein Fehler,
mit der Ökosteuer beispielsweise den öffentlichen Perso-
nennahverkehr zu verteuern, aber den fossilen Rohstoff
Steinkohle weiter zu subventionieren und ihn sogar von
der Ökosteuer auszunehmen. Das ist kein Umweltschutz
oder Klimaschutz, sondern Irrsinn.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen wollen wir, dass diese Subventionen endlich
gestrichen werden. Wenn allein die Steinkohlesubven-
tionen gestrichen würden – die sowieso von gestern sind
– dann wären wir in der Lage, zum Beispiel für jedes
Grundschulkind in Deutschland 900 Euro mehr aufzu-
bringen.


(Joachim Poß [SPD]: Unglaublich! – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rexrodt!)


Wir könnten für jeden Kindergartenplatz in Deutschland
1 000 Euro einsetzen.

Die Steinkohlesubventionen bedeuten vor allen Dingen
gegenüber denjenigen eine Versündigung, die im Stein-
kohlebergbau beschäftigt sind. Sie sind im Durchschnitt
33 Jahre alt. Man darf diesen jungen Menschen nicht noch
viele Jahre vormachen, das ginge bis zum Sankt-Nimmer-
leins-Tag so weiter, sondern man muss jetzt, solange diese
Menschen noch jung genug sind, für sie eine andere Be-
schäftigung zu finden, die Umstrukturierung angehen. Das
trifft erst recht deshalb zu, weil es im Ruhrgebiet einen
Fachkräftemangel im Handwerk gibt.

Diesen Mut müssen die Politiker haben. Denn Politik
ist nicht nur der Resonanzboden von Stimmungen, son-
dern Politik heißt auch geistige Meinungsführerschaft
und bedeutet, in einem Wahlkampf auch unbequeme
Wahrheiten vorzutragen. Alles andere ist von gestern,
meine sehr geehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen müssen wir über die Strukturen reden. Es ist
richtig, dass wir an die Strukturen herangehen wollen, bei-
spielsweise auch hinsichtlich der Fragen, was der Bund
darf und was der Bund machen muss.




Dr. Guido Westerwelle

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(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Ministerpräsident Stoiber, ich meine, dass es in je-
dem Fall – und zwar über die Parteigrenzen hinweg – in
der nächsten Legislaturperiode zu einer bereits überfälli-
gen Diskussion kommen wird, wie das auch zwischen den
Ländern unterschiedliche Niveau in den Schulen ausge-
glichen werden und wie einmal im Jahr ein Bundesbil-
dungsbericht vorgelegt werden kann, der mit einheitli-
chen und nachvollziehbaren Qualitätsmaßstäben dafür
sorgt, dass die Schulen und Bildungseinrichtungen insge-
samt in Deutschland besser werden.

Es ist kein vernünftiger Trost, wenn Bayern feststellt:
Bei uns ist alles bestens, denn wir sind besser als Bremen.
Das ist zu wenig. Denn wenn nach der PISA-Studie selbst
die besten Bundesländer Bayern und Baden-Württem-
berg, was den Zustand der Schulen angeht, auf internatio-
naler Ebene nur Mittelmaß – sogar schlechtes Mittelmaß –
sind, dann entspricht das nicht einer hinreichend ehrgeizi-
gen Bildungspolitik. Deswegen ist es richtig, wenn in die-
sem Haus nach der Wahl – hoffentlich – über das öffent-
lich diskutiert werden wird, was bereits vor der Wahl
unter der Hand und über alle Parteigrenzen hinweg be-
sprochen worden ist.

Es ist notwendig, dass wir eine Strukturreform in der
Bildungspolitik durchführen; denn es ist nicht sinnvoll,
dass es eine Kultusministerkonferenz gibt, auf der sich die
Länderminister aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips ge-
genseitig lähmen, die zehn Jahre lang an einer Recht-
schreibreform arbeitet und die nicht in der Lage ist, zum
Beispiel für vernünftige qualitative Standards an den
Schulen zu sorgen. In Wahrheit müsste in diesem Wahl-
kampf über neue Strukturen in der Bildungspolitik ge-
sprochen werden. Hoffentlich geschieht dies wenigstens
nach dem Wahlkampf; denn Bildung ist der eigentliche
Rohstoff der Deutschen und die Zukunftsfrage in diesem
Lande.


(Beifall bei der FDP)

In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage der In-

halte und der Werte. Dass wir bei der momentanen Dis-
kussion über die Bildungspolitik – leider – überhaupt
nicht über Inhalte und Werte reden, ist in meinen Augen
eine große Gefahr.


(Jörg Tauss [SPD]: Das haben wir noch nie getan, was?)


Denn Bildung – wir reden natürlich nicht nur darüber –
darf niemals vom Geldbeutel der Eltern abhängig werden.
Das ist richtig. Übrigens, die jetzigen Zustände machen
Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängig.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: So ist es!)

Wer es sich leisten kann, der sorgt bereits heute dafür, dass
das eigene Kind Nachhilfe erhält, um den Unterrichtsaus-
fall auszugleichen. Die Kinder, die aus kinderreichen Fa-
milien und aus ärmeren Verhältnissen kommen – hier
müssen genauso Talente gefördert werden –, müssen mit
einem maroden Schulsystem zurechtkommen, das sich in-
ternational immer mehr verabschiedet.


(Widerspruch bei der SPD)

Deswegen muss weit mehr über Inhalte und Werte ge-
sprochen werden.

Folgendes sage ich auch an die Adresse gewisser
Leute, die auf der Regierungsbank sitzen: Leistungsbe-
reitschaft, Disziplin, Respekt und Herzensbildung sind
nicht irgendwelche altmodischen Sekundärtugenden, son-
dern Primärtugenden, die eine Gesellschaft zusammen-
halten. Diese Tugenden sind nichts Verstaubtes. Sie
gehören vielmehr in unsere Zeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN )


Herr Bundeskanzler, Sie weisen – zu Recht – regel-
mäßig auf Ihren eigenen Bildungsweg hin. Dieser ver-
langt jedem durchaus Respekt ab. Das soll ausdrücklich
gesagt werden.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Aha!)

Mein Bildungsweg begann auf der Realschule. Deswegen
kann ich über das Folgende relativ unbefangen reden.
Nach meiner Meinung ist es nicht vernünftig, dass wir in
Deutschland auf die PISA-Studie mit folgenden Maßnah-
men reagieren: Aus Niedersachsen kommt der Vorschlag,
das Sitzenbleiben abzuschaffen. Von den Grünen kommt
regelmäßig der Vorschlag, das System der Notengebung
abzuschaffen und die Zeugnisse durch Lernentwicklungs-
berichte zu ersetzen. Ich glaube, wir müssen einen ganz
anderen Weg beschreiten. Wir müssen doch erkennen:
Wer jungen Menschen das Erzielen guter Noten in gefäl-
liger Weise leicht macht, der macht ihnen das gesamte
spätere Leben schwer. Wer fördern will, der muss auch
fordern, und zwar maßvoll. Das muss zum Inhalt der Bil-
dungspolitik gehören.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

In diesen Zusammenhang gehört noch ein anderer

Punkt, den ich ebenfalls ansprechen möchte, weil ich
glaube, dass es gut wäre, wenn wir uns in der jetzigen De-
batte nicht nur das vorhalten, was in den letzten Jahren al-
les schief gelaufen ist, sondern auch über die Zukunfts-
fragen reden. Ich persönlich glaube, dass es in diesem
Hause keine einzige Fraktion gibt, die im Stadium der Un-
schuld ist. Es geht aber darum, wer aus seinen Irrtümern
gelernt und sich neu aufgestellt hat.

In den ersten vier Klassen der Schulen in vielen großen
Städten, gerade auch in Berlin, können manchmal 50 bis
70 Prozent der Kinder nicht mehr genügend Deutsch.Das
ist schlimm für das einzelne Kind, weil es beim Lernen
nicht vorankommt und deswegen frustriert wird. Das ist
aber auch schlimm für die ganze Klasse, weil sie keine
Lernfortschritte machen kann. Deswegen werden wir das
Zuwanderungsgesetz – zwingend und nicht etwa neben-
bei – wie folgt ändern: Wer nach Deutschland zuwandert
und hier bleiben möchte, der muss bereit sein, sich zu in-
tegrieren und die deutsche Sprache zu erlernen. Das darf
man sagen, ohne in eine rechtsradikale Ecke geschoben zu
werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In der heutigen Debatte haben wir uns natürlich mit den
Themen auseinander gesetzt, die im Wahlkampf eine
große Rolle spielen. Aber ich hoffe, dass wir uns nach der
Bundestagswahl – gleich wer dann die Regierungsverant-




Dr. Guido Westerwelle
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(B)


wortung übernehmen wird; in dieser Beziehung hat jedes
Mitglied dieses Hauses einen eigenen Wunsch – an die
von mir skizzierten nationalen strukturellen Herausforde-
rungen herantrauen und sie meistern werden. Der Poli-
tikwechsel ist es, den wir in Wahrheit in Deutschland in
diesem Herbst brauchen. Dieser Politikwechsel steht am
22. September zur Wahl. Für diesen Politikwechsel wol-
len wir eintreten.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1425300400
Ich erteile dem Bun-
desminister Joseph Fischer das Wort.

Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen

(vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD mit Beifall begrüßt)

ren! Lassen Sie mich zu Beginn dieser Debatte auf die ak-
tuellen Entwicklungen mit Bezug auf den Irak eingehen.
Wenn wir hier darüber reden, dann, Herr Westerwelle, re-
den wir nicht darüber, wer mit wem telefoniert oder wer
wen besucht, sondern über die ganz entscheidende Frage
unserer Sicherheit im beginnenden 21. Jahrhundert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich sage dies bewusst zwei Tage nach dem Jahrestag des
11. September. Wir alle miteinander werden zu kurz grei-
fen, wenn wir uns hier ins Verfahren flüchten – an die erste
Stelle die Frage des Telefonats, an die zweite Stelle die
Bündnissolidarität stellen –, ohne uns vorher Klarheit
über das zu verschaffen, was tatsächlich vor sich geht, um
dann unsere Position zu bestimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der 11. September, als jener furchtbare Terrorangriff
auf die Menschen und auf die Regierung der Vereinigten
Staaten, unseren wichtigsten Bündnispartner außerhalb
Europas, stattgefunden hat, hat die Welt verändert. An
diesem Tag wurde zugleich sichtbar, dass eine neue große
Gefahr für den Weltfrieden aufgetaucht ist, nicht mehr
eine staatliche, gleichwohl aber eine totalitäre Gefahr, die
sich so genannter asymmetrischer Mittel, das heißt terro-
ristischer, nicht staatlicher Mittel, bedient. Es gab Zer-
störungen, eine Angriffsintensität und Verluste an unbe-
teiligten und unschuldigen Menschen, die früher nur
Ausdruck staatlicher Konfrontation, eines Krieges zweier
Staaten waren.

Dabei hat sich etwas verdichtet. Da ist ein Blick auf
Afghanistan von entscheidender Bedeutung, wo aus dem
Verschwinden der Ordnung des Kalten Krieges anders als
in Europa nicht ein Mehr an Stabilität entstanden, sondern
ein Ordnungsverlust eingetreten ist. Dieser Ordnungsver-
lust war nicht nur der Nährboden für furchtbares Leid der
betroffenen Zivilbevölkerung, sondern zugleich der Nähr-
boden für einen, der sich zu einem internationalen Terro-
rismus und zur Gefahr für den Weltfrieden Terrorismus
entwickelt hat.

Wir haben es mit der Krise einer großen Region zwi-
schen Atlantik und Indus, einer für unsere Sicherheit
hochgefährlichen Krise zu tun. Unter dem Damokles-
schwert dieses Terrorismus, dieser terroristischen Bedro-
hung, unter dem weder die Menschen in den USA noch
wir hier leben können, leben wollen und leben dürfen, ha-
ben wir die für uns schmerzhafte Entscheidung getroffen,
uns zur Wehr zu setzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich sage es, auch wenn es eine bittere Wahrheit ist: Wir
werden mit Osama Bin Laden nicht verhandeln können.
Worüber wäre da zu verhandeln: darüber, dass sie weni-
ger unschuldige Menschen umbringen, dass sie es lieber
lassen sollen, Israel zu zerstören, dass sie vom Terroris-
mus ablassen sollen? Das alles wird nicht funktionieren.
Deswegen heißt die bittere Konsequenz: Wir werden die-
sen Terrorismus niederkämpfen. Wir werden ihn besiegen
müssen. Hier ist Deutschland voll solidarisch, leistet sei-
nen Anteil und wird ihn auch in Zukunft leisten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Was wir zugleich gesehen haben, ist die hohe Gefähr-
lichkeit von Regionalkonflikten in unserer unmittelbaren
oder weiteren Nachbarschaft, in Nahost, im Kaukasus, in
Kaschmir.

Wenn wir uns die Struktur der neuen Bedrohung, der
Gefahr für den Weltfrieden einmal anschauen, dann stellen
wir fest: Es sind vier Elemente, die, wenn sie sich verbin-
den, von allerhöchster Gefährlichkeit sind. Das erste Ele-
ment ist der religiöse Hass. Das zweite Element sind Regio-
nalkonflikte bzw. nationale Konflikte, die in Verbindung mit
religiösem Hass den Charakter von Glaubenskriegen be-
kommen. Das dritte Element ist die mögliche Aufladung
solcher Konflikte mit Massenvernichtungsmitteln bis hin
zur Nuklearisierung. Das vierte Element ist der asymmetri-
sche Terror, der eine völlig neue Qualität erhält.

Exakt diese vier Elemente sind in dem bedrohlichsten
Konflikt, dem Konflikt auf dem indischen Subkontinent,
vorhanden. Hier besteht ein enger Zusammenhang mit der
Entwicklung in Afghanistan.

In meiner Analyse der Bedrohung unserer Sicherheit
komme ich daher zu folgender Prioritätensetzung. Ers-
tens. Der Kampf gegen den Terrorismus muss bis zu sei-
ner vollständigen Niederlage geführt werden. Zu dieser
Verpflichtung stehen wir in voller Solidarität.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zweitens. Wir müssen vorbeugen, indem wir durch
kluge Diplomatie versuchen, eine Verbindung dieser vier
Elemente zu verhindern. Das bedeutet vor allem, eine
Eindämmung oder eine Lösung der Regionalkonflikte
herbeizuführen, die ich gerade genannt habe.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Damit komme ich zu der entscheidenden, meiner An-
sicht nach strategischen Frage, die in der gesamten De-
batte von der Opposition nicht angesprochen wird. Wir




Dr. Guido Westerwelle

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stehen vor einer Neuordnungsaufgabe, für die der Vater
des jetzigen Präsidenten und sein damaliger Außenminis-
ter Baker nach dem Ende des Kalten Krieges völlig zu
Recht die Formel der neuen Weltordnung fanden. Diese
Neuordnung muss letztendlich zu einem globalen koope-
rativen Sicherheitssystem hinführen, das nicht mehr wie
in Zeiten des Kalten Krieges nur auf einer Ebene als glo-
bale Sicherheit durch die beiden Großen und ihre Bünd-
nissysteme definiert sein wird. Vielmehr wird globale ko-
operative Sicherheit in Zukunft heißen: Dort, wo die
großen Mächte und ihre Bündnissysteme agieren, ist die
erste Ebene. Die zweite Ebene wird die regionale globale
Sicherheit sein; denn wir haben in Afghanistan erlebt – und
wir würden es, wenn wir nicht Acht geben, im Nahen
Osten oder auf dem indischen Subkontinent erleben – dass
die globale Sicherheit aufgrund regionaler Konfrontation
gefährdet wird. Aber auch auf der asymmetrischen Ebene
– dort, wo Terrorismus entsteht, aber auch dort, wo furcht-
bare Bürgerkriege Bevölkerungen auf schlimmste Art und
Weise malträtieren – müssen wir Stabilität schaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Darin liegt der Dissens, den ich ganz offen benenne;
das ist auch Gegenstand der Diskussion in den USA und
bis in die Reihen der Republikanischen Partei. Sie können
doch nicht bestreiten, dass jemand wie Brent Scowcroft
und andere enge Mitarbeiter des Präsidenten exakt die
gleichen Positionen wie diese Regierung vertreten.

Die entscheidende Frage ist, ob dieser Neuordnungs-
ansatz kooperativ oder konfrontativ vorgenommen wird.
Genau darin liegt der Unterschied der Betrachtungswei-
sen und das ist mein Haupteinwand.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Sorgen sind nach der gestrigen Rede von Präsi-
dent Bush nicht geringer geworden. Ich komme gleich
noch einmal auf die Frage des Sicherheitsrates zu spre-
chen; das wird aber nur ein kurzfristiges Problem sein.
Die Probleme, die sich aus einem Krieg ergäben, wären
allerdings langfristiger Natur. Deswegen muss man sie
sehr sorgfältig bedenken und darf sie nicht ausklammern.
Bis zur Stunde und nach aufmerksamem Hören der Rede
des Präsidenten erkenne ich in Bezug auf die Bedro-
hungsanalyse keine wesentlich neuen Fakten. Das ist der
heutige Stand der Erkenntnisse.

Wir nehmen das Problem der Massenvernichtungs-
waffen weiß Gott sehr ernst. Soll das aber heißen, meine
Damen und Herren, dass wir allen Regimen, die über
Massenvernichtungswaffen verfügen und nicht demokra-
tischer Natur sind, in Zukunft mit Krieg drohen werden?
Wäre die Konsequenz nicht vielmehr, in internationaler
Zusammenarbeit ein wirksames Regime zur Ächtung von
Massenvernichtungswaffen und zur Unterbindung der
Aufrüstung zu entwickeln? Wären nicht in dieser Rich-
tung Signale der großen Mächte notwendig?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Mir fallen unter dem Gesichtspunkt Massenvernich-
tungswaffen und ballistische Systeme noch einige andere

Problemfelder in dieser Region ein. Die wichtige Frage
ist, ob daraus Konsequenzen entstehen werden. Seit dem
11. September habe ich die große Sorge, dass eine Strate-
gie der konfrontativen Neuordnung vor allen Dingen im
Nahen Osten umgesetzt wird. Das hätte Konsequenzen,
über die wir sprechen müssen, denn sie beträfen uns.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


An diesem Punkt sind, wie der Bundeskanzler sagte, die
internationale Koalition gegen die größte Gefahr, den in-
ternationalen Terrorismus, sowie die regionale Stabilität
für unsere Sicherheit von entscheidender Bedeutung.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Darum keinen deutschen Sonderweg!)


Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen klipp und
klar: Die Rede des US-Präsidenten beinhaltet die wichtige
Aussage, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Natio-
nen jetzt die Lösung in den Händen hält. Allerdings hat
Präsident Bush Bedingungen gesetzt, zu denen ich ehrli-
cherweise gleich hinzufügen muss, dass es alles andere als
einfach wird, und zwar vor allen Dingen unter dem Ge-
sichtspunkt, ob dann die Drohung mit Krieg wirklich aus
der Welt sein wird.


( V o r s i t z : Vizepräsidentin Anke Fuchs)

Nur dies verschafft dem Sicherheitsrat die Möglichkeit,
glaubwürdig zu handeln. Die diplomatische Zurückhal-
tung gebietet es, dass ich diese von mir aufgeworfene
Frage nicht beantworte. Dass ich diese Frage aber gestellt
habe, macht Ihnen klar, welches meine große Sorge in die-
sem Zusammenhang ist.

Genauso liegt es jetzt in den Händen von Saddam
Hussein, eine absehbare große Tragödie nicht nur für sein
Land, sondern für die gesamte Region abzuwenden. Vo-
raussetzung dafür ist die unverzügliche und vollständige
Erfüllung der Sicherheitsratsresolutionen und die Öff-
nung der Grenzen für die Inspektoren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, ich tue mich mit der These
von der Bedrohungskulisse aus folgendem Grund so über-
aus schwer: Wer eine Bedrohungskulisse aufbaut, muss
auch die Kraft haben, sie hinterher zu realisieren.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Ja!)

Wir hatten diese Kraft im Zusammenhang mit dem Ko-
sovo.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Genau!)

Hier muss man die Frage stellen, ob die jetzige Bedro-
hungsanalyse eine solche Konsequenz rechtfertigt: Gibt
es dafür einen sachlichen Grund, etwa den, dass das Con-
tainment unwirksam ist? Ich behaupte, nein. Ferner stellt
sich die Frage nach der regionalen Stabilität. Schließlich
haben wir bis heute keine Antwort auf die Frage, was denn
eine amerikanische Präsenz in Bagdad bedeutet. Sie be-
deutet, dass die USA– nicht für Wochen und Monate, son-
dern für Jahre und vielleicht Jahrzehnte – die Verantwor-
tung für Frieden und Stabilität in einer der gefährlichsten




Bundesminister Joseph Fischer
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Regionen der Welt übernehmen müssen. Dies hatte sei-
nerzeit den Vater des Präsidenten und die damalige
Administration davon abgehalten. Bis heute habe ich
keine Antwort darauf, ob die Mehrheit des amerikani-
schen Volkes dazu bereit ist.

Meine Hauptsorge ist folgende: Wenn die USAtatsäch-
lich in diesem Raum intervenieren – sie haben die Macht-
mittel dazu –, dann aber die Neuordnung nicht vollenden,
wird es langfristig zwei Negativwirkungen strategischer
Natur geben. Erstens werden wir als unmittelbare Nach-
barregion unsere geopolitische Situation nicht verändern
können. Zweitens wird dies bei der Mehrheit des ameri-
kanischen Volkes die isolationistischen Tendenzen erheb-
lich verstärken, was wiederum für Frieden und Stabilität
auf der ganzen Welt eine sehr negative Wirkung hätte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deswegen sagen wir sehr eindeutig, dass wir ange-
sichts der nicht absehbaren und auch, wie wir meinen,
nicht vertretbaren Risiken zu einer klaren Positionierung
kommen. Sie ist nicht gegen das Bündnis gerichtet, im
Gegenteil. Fragen Sie doch einmal hinter vorgehaltener
Hand, was diejenigen, die in den USA eine Politik des
Realismus wie die, für die wir stehen, zu machen versu-
chen, von unserer Position halten. Wir wurden sogar da-
rauf hingewiesen, wie wichtig es sei, dass wir als großer
Bündnispartner diese Position artikulieren. Der Bundes-
kanzler hat unsere Haltung zweifelsfrei klar gemacht,
dass wir uns aus den genannten Gründen an einem Krieg
gegen den Irak nicht beteiligen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, es wird allgemein gesagt,
wir stünden am 22. September vor einer Richtungsent-
scheidung.Wer den bayerischen Ministerpräsidenten und
den Bundeskanzler heute Morgen gehört hat, der weiß,
dass es in der Tat eine Richtungsentscheidung ist.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Schauen Sie, Herr Stoiber, es gibt an jeder Regierung
viel zu kritisieren, an Ihrer wie an unserer. Aber eine Rich-
tungsentscheidung in der Demokratie ist keine zwischen
Untergang und blühenden Gärten. Es geht nicht darum, ob
sich die Sahelzone auf Gebiete nördlich der Alpen aus-
dehnen wird oder ob Sie Ihre blühenden Landschaften in
ganz Deutschland Wirklichkeit werden lassen. So argu-
mentieren Sie aber. Sie wissen ganz genau, dass es darum
nicht geht, sondern dass es vielmehr darum geht, ob im
Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten, eingeengt durch
die volkswirtschaftlichen Daten und vor allem durch die
weltwirtschaftlichen Realitäten, die Alternativen besser
als das sind, was die Regierung zur Erneuerung unseres
Landes getan hat.

Sehen wir uns die Realitäten doch einmal an. Ich finde
diese Diskussion fast albern.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: 4 Millionen Arbeitslose sind für Sie albern, sehr aufschlussreich!)


Bayern ist ein wunderbares Land und ich sage nicht, dass
die CSU es ruiniert hat; im Gegenteil. Sie müssen aber
doch zur Kenntnis nehmen, dass über Ihr Mitglied im
Kompetenzteam, Lothar Späth – gestern vor einer Woche
habe ich das im Wirtschaftsteil einer Zeitung gelesen –,
geschrieben stand: „Lothar Späth muss seine Umsatz- und
Ertragszahlen bei Jenoptik drastisch nach unten korrigie-
ren.“ Warum muss er das denn? Weil die thüringische
Landesregierung versagt hat? Nein! Weil die Bundesre-
gierung versagt hat?


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja!)

Nein!


(Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)

– Okay. Sehen Sie, genau das meine ich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Des Deutschen voll mächtig lese ich da: Der Halbleiter-
markt in den USA existiert nicht mehr.


(Gernot Erler [SPD]: Aha! Hört! Hört!)

Das war der entscheidende Punkt.

Ich schaue mir an, warum die Pleitewelle im Großraum
München und in Bayern insgesamt – die Zahlen aus dem Ar-
beitsamtsbezirk Freising liegen mir allerdings nicht vor – so
überdurchschnittlich hoch ist. Das würde ich nie der
Staatsregierung vorwerfen. Ich weiß nämlich, warum das
so ist: Es gibt dort besonders viele Start-up-Unternehmen
im Bereich der Biotechnologie, der Informationstechno-
logie und auch des Internets. Viele davon sind angesichts
des Platzens der Blase jetzt Pleite gegangen. Es war rich-
tig, ihnen die Möglichkeiten zu geben, und ich würde nie
behaupten, Sie seien daran Schuld.

Sie haben hier immer wieder klar gemacht – das ist für
Sie der entscheidende Unterschied –, dass Sie ein großer
Freund des Mittelstandes sind. Ich sage nicht, dass Sie
kleine und mittelständische Unternehmen gefährden; denn
deren schwierige Situation ist Ausdruck der weltwirt-
schaftlichen Lage. Das muss man klar sehen. Herr Minis-
terpräsident, um eines schiffen Sie als großer Freund des
Mittelstandes hier aber herum: Sie tragen natürlich schon
die Verantwortung für Ihre spezifische Form der Mittel-
standsförderung, nämlich dafür, dass Sie einem kleinen
Mittelständler wie Leo Kirch durch Ihre Entscheidungen
Milliarden hinterhergeworfen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich habe nun gedacht, dass es für einen bayerischen
Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten immer um
Fassbier geht. „Edmund und die Dose“ ist aber eine end-
lose Geschichte.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich habe gar nicht gewusst,
dass die Dose eine solche Bedeutung für Sie als Freund
des Mittelstandes bekommen wird, aber, bitte schön.




Bundesminister Joseph Fischer

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In einer Zeitung aus München von Freitag, dem
13. September 2002, lese ich: „Mittelständische Geträn-
kewirtschaft attackiert den Kanzlerkandidaten“, „Brauer
werfen Stoiber Wortbruch vor“, „Branche macht mit
Kundgebungen und Anzeigen gegen die Dosenpfandpoli-
tik des CSU-Politikers mobil“. Herr Stoiber, die Anzeigen
werden Sie ja kennen. Dort steht, dass durch Ihre Politik
250 000 Arbeitsplätze in 10 000 mittelständischen Unter-
nehmen gefährdet werden. Meine Damen und Herren, das
nennt sich Freund des Mittelstandes! Er will uns sagen,
wie man die Arbeitslosigkeit abbaut!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zu wesentlichen Teilen der Zukunftsvorsorge haben
Sie gar nichts gesagt. Die Umwelt haben Sie diesmal zum
Beispiel völlig weggelassen, und zwar aus guten Gründen.
Zur Familien- und Kinderpolitik haben Sie nichts gesagt,
obwohl die Investitionen in die kommende Generation
entscheidend für die Zukunft sind. Auch zur Gerechtig-
keitsfrage haben Sie nichts gesagt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Betrachten wir doch weiterhin Ihre Mittelstandspolitik.
Sie wollen Arbeitsplätze schaffen. Ich habe große Ver-
sprechungen gehört; Vertrauen sei die entscheidende
Frage. Alle vertrauen Ihnen, selbstverständlich. Sie wol-
len die Steuern senken – auch Herr Westerwelle ist für die-
ses Rezept – und danach komme der Aufschwung. Wenn
der Aufschwung komme, sinke die Arbeitslosigkeit und es
könne investiert werden.

Herr Westerwelle, ich will nicht über die Vergangen-
heit reden. Sie haben gelernt, Herr Stoiber hat gelernt und
auch wir lernen ständig. Wie viel Glaube, Hoffnung und
Liebe müssen aber in den Herzen der Wählerinnen und
Wähler sein, um Ihr Team, das 16 Jahre lang Gelegenheit
hatte, es anders zu machen und Steuersätze zu produzie-
ren, bei denen wir erröten müssten, zu wählen? Warum
haben Sie das in den 16 Jahren nicht erfolgreich hinbe-
kommen? Meine Damen und Herren, diese Frage müssen
Sie einmal beantworten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte, wie gesagt, nicht zurück in die Vergangen-
heit, aber Sie haben gesagt, die SPD sei schuld, dass ihr
von eurem Spitzensteuersatz von 53 Prozent nicht herun-
tergekommen seid. Meine Frage lautet: Wie seid ihr dort
hingekommen? Die SPD hat euch doch nicht dort hoch-
getrieben.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


25,9 Prozent Eingangssteuersatz bei euch, 19,9 Prozent
bei uns heute! Herr Westerwelle, so groß kann doch die
PISA-Not nicht sein, dass man nicht begreift, dass
53 mehr ist als 48,5 und 25,9 mehr als 19,9.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir akzeptieren ja, dass wir Entlastungen schaffen
müssen. Wir haben heute nahezu nichts mehr von Ihrer
fast linksradikalen Agitation gegen die Unternehmen-
steuerreform gehört. Wenn ich mir anschaue – das sage
ich hier ganz bewusst –, wie sich die Auslandsinvestitio-
nen in den letzten Jahren der Regierung Kohl entwickelt
haben, dann erkenne ich, dass das, was wir entscheiden
mussten, etwas ist, weswegen – ich sage es ganz offen –
mein linkes Herz blutet.

Wir befinden uns aber in einem Steuerwettbewerb.
Auch nach dem 22. September werden wir, was die Un-
ternehmensteuern angeht, im Rahmen einer offenen EU-
Volkswirtschaft konkurrenzfähig sein müssen. Davon,
dass es einen gemeinsamen Markt gibt, profitiert Deutsch-
land am meisten. Da wir wieder Investitionsstandort wer-
den wollten, mussten wir eine entsprechende Unterneh-
mensteuerreform durchführen. Wer behauptet, der
Mittelstand sei dabei benachteiligt worden – sowohl der
Kanzler als auch der Finanzminister haben Ihnen die Zah-
len vorgelesen –, der redet schlicht und einfach Unsinn.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Als ich in der Opposition saß,

(Michael Glos [CDU/CSU]: Da gehören Sie auch wieder hin!)

regierten Sie, Herr Stoiber, in München und waren mit
Theo Waigel beschäftigt. Ich werde nie vergessen, wie
Michel Glos mir im November 1996 zuraunte: Wenn wir
so weitermachen, dann werden wir die Wahlen verlieren.
Er meinte die nötigen Strukturreformen, die seit 1990
vertagt worden waren. Er sah die Notwendigkeit, dass die
Umsetzung dieser Strukturreformen endlich angepackt
wird. Er hat Recht gehabt.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Erinnern Sie sich, was sonst noch war in Deutschland 1990?)


– Ja, ich erinnere mich. Ich komme gleich darauf zu spre-
chen.

Der entscheidende Punkt ist ein anderer. Wenn Sie da-
mals die Zustimmung der Sozialdemokraten im Bundes-
rat – uns haben Sie nicht gebraucht – hätten bekommen
wollen, dann wäre das ganz einfach möglich gewesen. Ich
habe mich immer gefragt: Wieso sollte die SPD Ihrer Mei-
nung nach zu einer – wenn auch in anderer Hinsicht – not-
wendigen Steuerreform die Hand heben, obwohl die In-
teressen ihrer Wähler dadurch auf das Sträflichste
zurückgestellt würden?


(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Damals sollten die ersten 50 Kilometer des Weges zwi-
schen Wohnung und Arbeitsplatz aus der Berechnung der
Entfernungspauschale herausgenommen werden. Außer-
dem ging es um die Steuerbelastung der Schichtarbeit, der
Nacht- und Sonntagszuschläge.

Herr Westerwelle, ich sage Ihnen: Es geht um eine
klare Richtungsentscheidung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Bundesminister Joseph Fischer
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(B)


Wenn Sie über Leistung reden, dann sollte dies immer
möglichst lange im Fernsehen gezeigt werden. Im Zu-
sammenhang mit Leistung stellt sich doch die Frage: Für
wen soll sich Leistung lohnen? Zu Ihrem Steuerreform-
konzept kann ich nur sagen: Wenn sich Leistung wieder
lohnen soll, dann geht es eben nicht nur darum, einen Spit-
zensteuersatz von 35 Prozent zu finanzieren,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

sondern vor allen Dingen darum, dass Sie die Senkung
des Spitzensteuersatzes über eine Verringerung der Ei-
genheimförderung und der Sparerfreibeträge sowie über
die Schichtzuschläge und die Nachtarbeits- und Sonn-
tagszuschläge gegenfinanzieren wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dazu sage ich Ihnen, Herr Westerwelle: Ich bin sehr der
Meinung, dass sich Leistung wieder lohnen solle; das darf
aber nicht nur für einige wenige gelten, deren Einkommen
dem Spitzensteuersatz unterliegt – für die auch –, sondern
vor allen Dingen für die Millionen abhängig Beschäftig-
ter. Vor uns liegt tatsächlich eine klare Richtungsent-
scheidung. Was Sie vorhaben, geht mit uns nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich komme auf das Thema „Mittelstand und Arbeits-
plätze“ zurück. Ich habe selbst neulich in Bayern erlebt,
wie dort die in der Brauereiwirtschaft Tätigen wegen Ih-
rer „Dose“ auf die Barrikaden gegangen sind.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Schauen wir uns den Umweltbereich an! Herr Stoiber, im
Windenergiebereich gibt es mittlerweile über 30 000 Ar-
beitsplätze, Tendenz steigend. Insgesamt gibt es mittler-
weile im Bereich der erneuerbaren Energien rund
130 000 Arbeitsplätze, Tendenz ebenfalls steigend.

Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Mo-
bilisierung privater Investoren sind wir heute – ich hätte
es selbst nicht für möglich gehalten – weltweit führend;
wir sind die Nummer eins. Ich habe es in Dessau erlebt,
wo ich gemeinsam mit dem Kollegen Trittin war. Das ein-
zige Unternehmen, das in Dessau boomt – ansonsten liegt
die Industrie dort weitestgehend brach –, ist das Unter-
nehmen, das die Säulen für die Windkraftanlagen her-
stellt. Ähnliches habe ich in Rostock und in Magdeburg
gesehen. Das ehemalige Sachsenwerk in Dresden hat
400Arbeitsplätze, obwohl es nicht einen Cent, nicht einen
Pfennig öffentliches Geld bekommt. Der Unternehmer in
Dessau sagte mir bei einem Treffen: Wenn das Erneuer-
bare-Energien-Gesetz abgeschafft wird – das hatten Sie
ursprünglich vor; jetzt wollen Sie es verbessern, Sie soll-
ten besser „verwässern“ sagen –, dann werde ich entlas-
sen müssen und keine weiteren Einstellungen vornehmen
können. Das ist die Realität.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das sind alles Mittelständler. Sie werden Arbeitsplätze
nicht schaffen können, ohne neue Beschäftigungsfelder

zu eröffnen. Das ist der entscheidende Punkt. In diesem
Punkt sind Sie unehrlich. Das ist sozusagen der Faktor
Spreng in Ihnen, den man neuerdings feststellen kann.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Der frühere Edmund – wie er wirklich ist – hätte sich hier
hingestellt und gesagt: Ich halte das alles für Quatsch. Ich
bin für Atomenergie. Deswegen haben wir in Bayern ei-
nen so hohen Atomenergieanteil. Deswegen habe ich in
Karlsruhe geklagt, aber ich habe leider verloren. – Die
Richtungsentscheidung ist klar: Er ist für Atomenergie
und wir wollen aussteigen, weil wir sie für nicht verant-
wortbar halten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Er hat aber nicht den Mut, sich hier hinzustellen und das
in dieser Offenheit zu sagen.

Die Frage der Gerechtigkeit ist eine entscheidende
Frage. Steuerpolitik ist Verteilungspolitik. Daran führt
kein Weg vorbei. Ich kann den Menschen nur immer wie-
der sagen: Lasst euch durch die Zahlen nicht irritieren, es
gibt zwei schlichte Fragen, die man stellen muss. Herr
Westerwelle erzählt immer schön, dass die Wirtschaft flo-
rieren muss, Leistung sich lohnen muss und die Steuern
– Wer zahlt schon gerne Steuern? Niemand! – runter müs-
sen. Es gibt zwei Fragen, die man stellen muss, denn das
ist eine ganz einfache Sache: Wer bekommt es? Wer be-
zahlt es? – Das sind die beiden schlichten Fragen zur
Steuerpolitik als Gesellschaftspolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das sollten sich die Menschen sehr genau anschauen.
Hinterher wird einem das Fell über die Ohren gezogen;
dann ist es allerdings zu spät.

Herr Stoiber, als ich Ihnen neulich zugehört habe,
wurde ich an meine Kindheit erinnert. In Stuttgart auf der
Königstraße vor der Kaufhalle gab es einen wirklich be-
gnadeten Rhetor – das kann man nicht von jedem sagen,
der hier spricht –,


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist allerdings richtig!)


der dort Wundertinkturen verkauft hat, und zwar mit Kra-
watten, die vorher recht schmutzig gemacht wurden.
Wenn Sie die Krawatte durch diese Tinktur gezogen ha-
ben, war sie wieder sauber. Dieses Mittel kostete ganz we-
nig. Diesen Mann nannten wir den billigen Jakob. Wenn
man das Mittel, das man leichtgläubig gekauft hatte, zu
Hause benutzte, weil Vater ein Malheur hatte und Mutter
das Fleckenmittel brachte, war der Fleck sofort weg und
die Familie war beeindruckt. Wenn man die Krawatte am
nächsten Sonntag wieder aus dem Schrank herausholen
wollte, war – wenn man Glück hatte – der Fleck nur wie-
der da; aber meistens war die ganze Krawatte weg.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Bundesminister Joseph Fischer

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Verstehen Sie? Das entspricht Ihrer Politik! Da hört der
Spaß auf! Das ist die Politik des billigen Jakob! Herr
Stoiber, Sie müssten sagen, wie Sie die Versprechungen
im Umfang von 70 Milliarden realisieren wollen. Sie
müssten sagen: Wir wollen das Erneuerbare-Energien-
Gesetz abschaffen. Wir sind für Atomenergie. Stellen Sie
sich hier hin und vergessen Sie Ihren Spreng. Machen Sie
die Alternativen, die Sie wirklich im Kopf haben, klar. Sa-
gen Sie doch einmal, wer Ihre unbezahlte Rechnung be-
zahlen wird. Welche sozialen Gruppen werden dafür zu
bezahlen haben?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sagen Sie doch einmal, was Sie beim Verbraucherin-
nen- und Verbraucherschutz vorhaben, Herr Stoiber. Ver-
gessen Sie einmal Herrn Spreng! War es denn Renate
Künast, die auf BSE kam, oder war es die Futtermit-
telindustrie? Ich frage, wie eng die Verflechtung der
Funktionärsspitzen des Bauernverbandes mit der Futter-
mittelindustrie tatsächlich ist. Es ist doch grotesk: Ein
Christdemokrat, der immerhin noch so etwas wie den Be-
griff „Bewahrung der Schöpfung“ im Kopf haben müsste,


(Zurufe von der SPD: Sollte!)

müsste doch wissen, dass man Wiederkäuer nicht unge-
straft mit Fleischmehl füttern kann. Genau das war die Ur-
sache für BSE.Diese Verhältnisse müssen anders werden.
Renate Künast wird dafür sorgen, dass sie anders werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher ha-
ben Vorrang vor den Interessen der Futtermittelindustrie.
Das sind die Dinge, um die es wirklich geht und bei de-
nen es auch um die Zukunft unserer Kinder geht.

Das, was der Bundeskanzler zum Generationenver-
trag gesagt hat, kann ich nur nachdrücklich unter-
streichen: Wir haben die Rentenreform gemacht und die
Rentenstabilität wieder gewährleistet. Was in diesem Zu-
sammenhang auf uns niederprasselte, was insbesondere
auf den Arbeitsminister niederprasselte, halte ich alles für
daneben.

Ich sage Ihnen, wie die Rentenreformdebatte, die ich
hier in der Opposition mitbekommen habe, gelaufen ist.
Es hieß immer: Die Rente ist sicher. Eines Morgens saß
ich in Bonn auf der Oppositionsbank, als Bundeskanzler
Kohl sagte: Die Rente ist sicher.


(Zurufe von der SPD: Ja! – Blüm!)

Ich hatte meinen Hasenschlaf und dämmerte weiter fort,
bis er sagte: In dreizehn Jahren wird sie nicht mehr sicher
sein, ab dem Jahr 2013. – Ich habe dann kurz nachge-
rechnet. Jahrgang 48 geht dann mit 65 Jahren in die Rente.
Man muss doch wissen, dass wir unseren Kindern jetzt
schon eine riesige Last ins Kreuz hängen, ohne dass wir
das ändern können, nämlich die geburtenstarken Jahr-
gänge. Das wird niemand ändern. Da müssen Sie vorher
die Traute haben zu sagen: Wir wollen dann Rentenkür-
zungen. Dann bekommen wir aber ein vertikales Gerech-
tigkeitsproblem zwischen Jung und Alt. Oder wir wollen,
dass die Renten in Größenordnungen ansteigen, die Belas-

tungen mit sich bringen, zu denen die Jungen sagen wer-
den: So haben wir nicht gewettet.

Diese Fragen haben Sie, Herr Ministerpräsident, nun
mit der Schuldenlast verbunden. So komme ich auf das
Thema deutsche Einheit. Ich hätte damals genauso
Schulden gemacht. Nur die Frage ist doch – das wurde in
Ihren Reihen diskutiert –, warum die Konsolidierung
nicht begonnen wurde. Das ist doch der entscheidende
Punkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie sind jetzt dabei, denselben Fehler wieder zu machen.
Es wurde Ihnen vorgerechnet, dass von dem, was wir vor-
schlagen – im Grunde genommen ein Investitionspro-
gramm in den Wiederaufbau, die Bauwirtschaft und an-
deres in den neuen Bundesländern –, ein stärkerer Impuls
ausgeht als von der Steuerentlastung. Die Aussage, dass
es hier um Gerechtigkeit gehe, haben Sie mittlerweile fal-
len gelassen. Doch Ihr Vorschlag – das verstehe ich unter
rationalen Gesichtspunkten nicht – läuft doch nur darauf
hinaus, wieder Schulden zu machen. Wir können doch an-
gesichts von 200 Millionen Euro Spenden für den zwei-
ten Aufbau Ost sehen, wie weit die innere Einheit mittler-
weile ist. Die heutige Generation ist stark genug, das
heute anzupacken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Verschiebung der Steuerentlastung um ein Jahr ist
keine Steuererhöhung. Ich bekomme dafür überall
großen Beifall, weil die Bereitschaft, aus Fehlern zu ler-
nen, im Volk ganz offensichtlich größer ist als in der Op-
position.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben hier 16 Jahre immer schöne Reden über die
Familie gehört. Wir haben eine erbitterte Debatte über die
Frage des § 218 geführt. Meine persönliche Haltung da-
bei war immer klar: keine Kriminalisierung der freien
Entscheidung der Frau. Ich habe aber immer auch die an-
dere Position akzeptiert. Dass aber eines keine Rolle
spielte, habe ich nie verstanden: Wir müssten doch jen-
seits dieser Glaubenskriegsdebatte uns sofort in dem
Punkt einig sein, dass wir ein Defizit bezüglich der Kin-
derfreundlichkeit unseres Landes haben. Ich möchte dafür
jetzt niemanden verantwortlich machen,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


aber wir haben da ein klares Defizit. Wenn ich nach Skan-
dinavien oder Frankreich komme, wird mir das ganz deut-
lich.

Wir haben die Leistungen für die Familien deutlich an-
gehoben, in vier Jahren über 40 Prozent; wir haben das
Kindergeld in drei Stufen um 36 Prozent erhöht. Das ist
beachtlich. Zusätzlich haben wir noch die Korrektur der
Fehlentscheidungen, die Sie in Form einer fast verfas-
sungswidrigen Familienbelastungspolitik getroffen ha-
ben, bezahlen müssen. All das kommt zusammen. Wenn
wir jetzt nicht den Mut haben – da stimme ich dem Bun-




Bundesminister Joseph Fischer
25598


(C)



(D)



(A)



(B)


deskanzler völlig zu –, für die Vereinbarkeit von Kindern
und Beruf die entsprechende Infrastruktur einzuführen,
und den Ländern und Gemeinden die notwendigen Fi-
nanzmittel zur Verfügung stellen, dann versäumen wir die
Lösung einer entscheidenden Zukunftsfrage. Das ginge
dann hauptsächlich zulasten junger Frauen. Das dürfen
wir nicht tun; es geht nämlich um die Zukunft der kom-
menden Generation.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen letz-
ten Punkt ansprechen. Ich möchte Sie, Herr Ministerprä-
sident, warnen. Auch wenn die Umfragen schlecht wer-
den, sollten Sie jetzt nicht gegen Zuwanderer und
Ausländer agitieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS – Widerspruch bei der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das sagt der Richtige! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Der billige Jakob!)


Ich sage das als jemand, der sich an den hessischen Kom-
munalwahlkampf 1989 in Frankfurt erinnern kann.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Baden-Württemberg!)


Den werde ich nie vergessen; es hat mich tief geprägt, wie
eine große Volkspartei Stimmungen mobilisierte und
plötzlich selbst in einer Stadt wie Frankfurt


(Zurufe von der CDU/CSU)

große Minderheiten, die zu uns gehören, die Bürgerinnen
und Bürger dieser Stadt sind, plötzlich querbeet Angst be-
kamen.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Denken Sie an andere Sachen in Frankfurt! Straßenschlachten!)


Deswegen sage ich Ihnen, Herr Ministerpräsident: Auch
mit der Haltung, die Sie in dieser Frage einnehmen, tref-
fen Sie eine Richtungsentscheidung. Es geht nicht um die
Frage: Zuwanderung, ja oder nein?


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Herr Fischer, wer agitiert denn hier?)


Neben Ihnen sitzt ja Herr Müller, der das sehr offen arti-
kuliert hat, was für ein Schmierentheater Sie im Bundes-
rat geboten haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


Auf Hochdeutsch würde man ebenso wie auf Bayerisch,
Saarländisch oder Hessisch sagen: Während Sie dort
wirklich auf den Tischen getanzt haben, weil Sie meinten,
damit wären die Grenzen geöffnet – Sie wissen, das Ge-
genteil ist der Fall –, hätte – wir reden ja über das Land
von Laptop und Lederhosen – ein einziger Mausklick auf
die Webseite der bayerischen Staatsregierung, Abteilung
Sozialministerium, genügt, um festzustellen, dass dort
Pflegekräfte in Polen gesucht werden.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich nenne das Heuchelei, Herr Ministerpräsident. Ich
nenne das nichts anderes als Heuchelei!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deswegen haben wir eine Richtungsentscheidung vor
uns. Wir wollen die ökologische und soziale Erneue-
rungspolitik. Wir wollen eine Stärkung der Wettbewerbs-
fähigkeit. Wir wollen ein weltoffenes Deutschland. Dafür
steht diese Koalition. Wir wollen Friedenspolitik, und
zwar Friedenspolitik gegründet auf Realismus. Das heißt,
wir werden unsere Entscheidungen im Bündnis, auch
wenn sie unbequem sind, gut begründet einbringen. So-
lange wir nicht sicher sind, dass eine Entscheidung in die
richtige Richtung führt, wobei es nicht nur um das Leben
unserer Soldaten geht, sondern auch um die Frage der Ge-
fährdung unserer zukünftigen Sicherheit, werden wir un-
bequeme Positionen vertreten. Das ist die Richtungsent-
scheidung. Für diese Politik stehen wir!

Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425300500
Nun erteile ich das
Wort dem Vorsitzenden der PDS-Fraktion, Roland Claus.

Roland Claus (PDS) (von Abgeordneten der PDS mit
Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Stoiber – er
ist weg –, ich will mich ja nicht an der Zensurenverteilung
zur heutigen Rede beteiligen. Aber bislang hat man dem
bayerischen Ministerpräsidenten nachgesagt und nachge-
schrieben, er habe Kreide, sagen wir einmal, gegessen.
Nach seiner heutigen Rede ist eines ganz offenkundig: In
Bayern ist die Kreide wohl alle.


(Beifall bei der PDS)

Auch ich möchte an die Regierungserklärung von Bun-

deskanzler Schröder, die wir im November 1998 in Bonn
gehört haben, erinnern. Da war sehr viel Hoffnung und
Aufbruch in Ihren Reihen, meine Damen und Herren von
der Koalition. Da war Hoffnung auf einen Politikwechsel.
Da war ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit versprochen.
Der Aufbau Ost sollte zur Chefsache gemacht werden und
es sollte künftig mehr zivile statt militärischer Konfliktlö-
sungen geben. Das hat in der Tat auch uns Hoffnung ge-
macht.

Wir haben seinerzeit aber auch schon festgestellt: Sie
hatten die Wahlen gewonnen mit dem Image von Gerhard
Schröder und mit dem Programm von Oskar Lafontaine.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Mit dem Rückzug Lafontaines aus der Politik und mit
Ihrem selbstverordneten Weg in die neue Mitte begann
eine Politik, in der soziale Gerechtigkeit, wirklicher Auf-
bau Ost und zivile statt militärischer Konfliktlösungen
mehr und mehr zurückgedrängt wurden.


(Beifall bei der PDS)

Nun haben Sie sich eines im Wahlkampf ja möglicher-

weise legitimen – trotzdem muss man es so nennen –




Bundesminister Joseph Fischer

25599


(C)



(D)



(A)



(B)


Tricks bemächtigt. Sie haben uns 1998 immer und laut-
stark genug gesagt: Wir wollen gemessen werden an
dem, was wir der Öffentlichkeit versprochen haben. In-
zwischen haben Sie den Maßstab aber an allen Ecken und
Enden gewechselt und messen sich lediglich noch daran,
was Ihre Vorgängerregierung Ihnen hinterlassen hat. Ich
finde, so etwas darf die Öffentlichkeit Ihnen nicht durch-
gehen lassen. Das muss man hier noch einmal sagen dür-
fen.


(Beifall bei der PDS)

Es ist leider wahr, dass auch unter Kanzler Schröder in

diesem Land die Reichen reicher und die Armen zahlrei-
cher werden. Sie begünstigen die Bezieher großer Einkom-
men. Wir können uns nur gemeinsam darüber wundern – es
mutet schon drollig an –, dass die CDU/CSU-Fraktion so-
zusagen als Kampftruppe gegen das Großkapital mobili-
siert. Die Regierung hat ihr dafür natürlich reichlich Muni-
tion geliefert. Den Osten hat der Kanzler Sommer für
Sommer wie ein fremdes Land bereist, immer nach dem
Motto: Vorsicht, Cousinen lauern überall!

Was wir für besonders gravierend halten: Deutschland
ist an zwei Kriegen, nämlich auf dem Balkan und in
Afghanistan, beteiligt und dies mit Zustimmung der Op-
position mit Ausnahme der PDS. Ich denke, das hat in der
Tat Wählerinnen und Wähler enttäuscht. Nur die Pro-
gramme von CDU/CSU und FDP sprechen für die Wie-
derwahl Ihrer Regierung. Gegenwärtig ist der Kandidat
Stoiber – wenn man so will – Ihr bester Wahlkämpfer für
Ihre Politik.

Wir haben es mit einer Umverteilung von unten nach
oben zu tun. Da lohnt ein Blick in die aktuellsten Gutach-
ten der Monopolkommission, die alles andere als eine
PDS-Plattform ist. Diese Kommission hat die Entwick-
lung der 100 größten Unternehmen in Deutschland unter-
sucht. Es ist festzustellen, dass diese Unternehmen ihre
Wertschöpfung von 1998 bis 2000 um über 12 Prozent
steigern konnten. Das sind über 270 Milliarden Euro. Die
Bilanzsumme der zehn größten Banken ist im gleichen
Zeitraum um 32 Prozent gestiegen. Es wird immer so viel
geklagt, es sei in diesem Land kein Geld vorhanden. Zur
Wahrheit über die Politik von Rot-Grün gehört aber, dass
sich der private Reichtum in der Bundesrepublik in den
letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. Deshalb sa-
gen wir: Geld ist nach wie vor genug da. Es ist nur höchst
ungerecht verteilt.


(Beifall bei der PDS)

Reichtum wird in diesem Lande nach wie vor weiter

privatisiert und soziale Not wird kommunalisiert. Herr
Bundeskanzler und die anderen Regierungsmitglieder, die
Sie dieses Thema angesprochen haben: Natürlich unter-
stützen wir das Vorhaben, Geld in Ganztagsschulen zu in-
vestieren. Sie haben 4 Milliarden Euro versprochen. Aber
Sie haben in den Haushalt 2003, über den wir in diesen Ta-
gen reden, nur ein Drittel dessen eingestellt, was für das
nächste Jahr notwendig wäre. Das ist Ihre Politik: Auf der
einen Seite machen Sie große Versprechungen und auf der
anderen Seite tun Sie nicht das Notwendige, um diese Ver-
sprechungen einzuhalten.


(Beifall bei der PDS)


Wir haben es mit einer Steuerpolitik zu tun, die zur
Folge hat, dass der Anteil aus der Tabaksteuer inzwischen
den Anteil aus der Körperschaftsteuer übersteigt. Wir wol-
len nicht hinnehmen, dass die Arbeitslosigkeit als die
größte Ungerechtigkeit und Unfreiheit der Neuzeit nicht
wirklich bekämpft wird. Ich gestatte mir trotzdem die An-
merkung, dass im letzten Monat im Bundesland Mecklen-
burg-Vorpommern ein Abbau der Arbeitslosigkeit erreicht
wurde. Ich finde, das ist ein ermutigendes Zeichen, auch
wenn ein Abbau nur in diesem Bundesland zu verzeichnen
war.


(Beifall bei der PDS)

Nun tauchen Vorschläge auf, dass man die Arbeitslo-

sigkeit möglicherweise beseitigen könnte, indem man
mehr Druck auf Arbeitssuchende ausübt. Wir sagen Ihnen
dazu: Arbeitslose sind in diesem Land mit Arbeitslosigkeit
schon genug bestraft. Sie müssen nicht noch als Faulenzer
beschimpft werden.


(Beifall bei der PDS)

Deshalb sagen wir, dass der eine oder andere Hartz-

Vorschlag bedenkenswert, unterstützenswert und auch
umsetzenswert sein mag. Aber im Grunde gehen diese
Vorschläge in die falsche Richtung; denn Deutschland
braucht eine Reform derArbeitswelt und nicht eine Re-
form der Arbeitslosenwelt.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Als ein Politiker aus den neuen Bundesländern nervt es

mich schon, wenn ich hier immer höre, wir müssten nach
neuen Niedriglohnmodellen suchen. Mir sind verdammt
noch mal die Niedriglohnrealitäten in diesem Lande
schon zu viel. Es hätte in der Auseinandersetzung vor dem
Wahltag die Chance bestanden, auch vonseiten der Ar-
beitgeberverbände ein Wort einzulösen. Was hilft es,
wenn man auf ihren Kongressen immer hört, in diesem
Land seien 1,5 Millionen Stellen nicht besetzt? Es wäre
jetzt die Chance gewesen, diese 1,5 Millionen Stellen of-
fen zu legen. Dann hätte man darüber reden können.


(Beifall bei der PDS)

Wir hatten uns vorgestellt, in dieser Legislaturperiode

bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und
West mehr zu erreichen. Als die SPD im Frühjahr dieses
Jahres auf einem Sonderparteitag in Magdeburg und na-
hezu zeitgleich, kurz danach, das Präsidium der Union be-
schlossen haben: „Bis 2007 wollen wir die Löhne und
Gehälter angleichen“, da haben wir uns, obwohl wir wei-
ter gehende Forderungen hatten, gedacht: Lasst uns doch
diesmal im Deutschen Bundestag festlegen – einen ent-
sprechenden Antrag haben wir vorgelegt –, die Löhne
und Gehälter bis 2007 anzugleichen. Was haben Sie,
meine Damen und Herren sowohl von der Koalition als
auch von der Unionsfraktion, getan? Sie haben diesen
Antrag abgelehnt. Deshalb glauben wir Ihnen Ihre Ver-
sprechungen vor der Wahl nicht mehr. Auch das gehört
zur Wahrheit.


(Beifall bei der PDS)

Hans Eichel hat gestern den schönen Begriff der ge-

fühlten Wahrheit eingeführt. Dieser Begriff gefällt mir.




Roland Claus
25600


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich erlebe den Umgang mit gefühlter Wahrheit sehr deut-
lich in meinem Wahlkreis Halle an der Saale,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist ein Wahlkreis der SPD!)


wo mir sehr viele Menschen – leider werden es immer
mehr – sagen, dass sie die Nase voll haben von Verspre-
chungen vor der Wahl. Solche Versprechungen führen lei-
der sehr oft zu Resignation. Wir sollten also mit Verspre-
chungen haushalten und nicht inflationär damit umgehen.

Die PDS-Fraktion hat gestern dem Gesetzentwurf der
Koalition zur Flutwasserhilfe zugestimmt. Wir haben das
getan, obwohl wir gesagt haben, man hätte dieses Gesetz
besser gestalten können. Wir waren aber der Meinung,
dass man kompromissbereit sein muss. Heute sage ich Ih-
nen jedoch noch einmal: Es ist ein schwerer Fehler gewe-
sen, dass Sie gestern dem Gesetzentwurf der PDS-Frak-
tion zur Flutopferentschädigung, in dem beschrieben
wird, wie man konkret vorgehen könnte, nicht zuge-
stimmt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als die PDS-
Fraktion nach dem 11. September des vergangenen Jahres
gesagt hat: „In diesen Tagen wird sich zeigen, wie zivili-
siert die zivilisierte Welt wirklich ist“, als wir gesagt ha-
ben: „Krieg ist die falsche Antwort auf Terror“, da haben
wir mit sehr harschen Reaktionen, mit Schmäh aus diesem
Parlament zu tun gehabt. Heute tun einige von der Koali-
tion so, als hätten sie den Begriff von der uneinge-
schränkten Solidarität nie geprägt. Daher muss in diesem
Parlament und in der Öffentlichkeit ausgesprochen wer-
den – auch das gehört zur Wahrheit –, dass man jetzt,
nachdem man sich in die Gefolgschaft einer USA-Politik
begeben hat, die uns in den Afghanistan-Krieg geführt
hat, offenkundig versucht, sich abzusetzen und wenige
Wochen vor der Wahl mit Friedensrhetorik Punkte zu
machen. Dazu sagen wir Ihnen: Wenn es denn ehrlich ge-
meint ist, verdienen Sie unsere Unterstützung. Aber mehr
als 60 Prozent der Deutschen glauben dem Kanzler diese
Worte nicht. Ich gehöre dazu.


(Beifall bei der PDS)

Es geht hier um die Frage, ob ein Krieg stattfindet oder

nicht, und nicht darum, ob Telefongespräche geführt wer-
den oder nicht. Man sollte sich einmal in die Lage der
amerikanischen Regierung versetzen. Präsident Bush sagt
sich: Was haben die Deutschen eigentlich? Es besteht
doch die gleiche Situation wie in Afghanistan. Wir haben
darauf hingewiesen, dass eine Bedrohungslage besteht,
die dortige Diktatur weg muss und es schwere Menschen-
rechtsverletzungen gibt. – Nun fragt sich Bush, warum die
Deutschen bei dem Krieg in Afghanistan so bereitwillig
mitgemacht haben und warum sie das gegenüber dem Irak
nicht mehr tun wollen.

Das Problem also ist: Wer sich einmal in die Spirale der
Gewalt begibt, wer einmal bereit ist, Krieg als Mittel der
Politik zu legitimieren, der wird dann auch mit den Fol-
gen dieser Politik konfrontiert, weil er aus der Spirale der
Gewalt nicht mehr herauskommt.


(Beifall bei der PDS)

Inzwischen wissen wir, dass 71 Prozent der Deutschen

einen Irak-Krieg und 48 Prozent Krieg als Mittel der Poli-

tik überhaupt ablehnen. Wir sagen deutlich: Das Völker-
recht ist keine Speisekarte. Es gilt insgesamt. Auch die
Androhung militärischer Gewalt ist ein glatter Völker-
rechtsbruch. Deshalb hat die PDS-Fraktion heute einen
Antrag vorgelegt, der den eindeutigen Inhalt hat: „Der
Deutsche Bundestag lehnt einen Krieg gegen den Irak und
jegliche deutsche Beteiligung daran ab.“ Sie haben nach-
her bei der Abstimmung die Möglichkeit, für die Öffent-
lichkeit klarzustellen, wie Ihre Haltung hierzu wirklich ist.


(Beifall bei der PDS)

Deshalb sage ich Ihnen zum Schluss: Wer Stoiber nicht

will und Schröder nicht traut, der muss PDS wählen.
Schön, dass Sie es inzwischen auch verstanden haben.


(Beifall bei der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425300600
Ich erteile das Wort
dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-West-
falen, Wolfgang Clement.


(NordrheinWestfalen)

dentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Als jemand, der nicht immer Ihren Debatten folgen kann
und sich freut, dass er heute die Ehre und das Vergnügen
hat, das zu tun, habe ich natürlich aufmerksam zugehört,
selbstverständlich besonders aufmerksam meinem Kolle-
gen, dem Kanzlerkandidaten Stoiber, der heute seine
letzte Rede als Kanzlerkandidat gehalten hat.


(Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Die nächste hält er als Bundeskanzler!)


Ich habe das so wahrgenommen: So wie er gesprochen
hat, spricht jemand, der seine Felle davonschwimmen
sieht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Er hat jetzt ein Gespräch, was ich natürlich verstehe
und akzeptiere; aber dass, während die ganze Welt über
die Frage eines Krieges gegen den Irak, ja oder nein, dies-
kutiert, vom Kanzlerkandidaten der Union hier die Vor-
stellung geäußert wird, man solle dieses Thema möglichst
aus dem Wahlkampf heraushalten, halte ich für welt-
fremd. Es zeigt seine Scheu, klare Positionen zu beziehen.


(Beifall bei der SPD – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Hat er doch nicht gesagt! Haben Sie nicht zugehört? Konzentrieren Sie sich auf Nordrhein-Westfalen, das ist vernünftiger, als solchen Unsinn zu reden!)


Ich bin sehr froh über und dankbar für die Art, in der
der Bundeskanzler und der Außenminister die Position
der Bundesrepublik Deutschland hier skizziert haben. Ich
halte diese Entscheidung für richtig. Wir haben es mit ei-
ner Entscheidung von weltpolitischer Bedeutung zu tun,
mit einer Fragestellung, bei der das Völkerrecht in äußers-
ter Weise gefragt ist und auf die man, Herr Kollege
Westerwelle, nicht routiniert, nicht mit den üblichen Rou-
tinegesprächen und -telefonaten antworten kann. Gerade




Roland Claus

25601


(C)



(D)



(A)



(B)


im Wahlkampf – wann denn sonst? – erwarten wir dazu
klare Auskünfte von denjenigen, die regieren, und denje-
nigen, die regieren wollen. Diese habe ich bei Herrn Kol-
legen Stoiber vermisst.


(Beifall bei der SPD)

Was mich erschrocken hat – um das klar zu sagen –, ist

die Art und Weise, in der sich der Kollege Stoiber zum
Thema innere Sicherheit und Zuwanderung geäußert
hat. Das ist für mich jedenfalls erschreckend. Ich gehe mit
diesem Thema nicht leichtfertig um und kenne viele Pro-
bleme, die sich daraus ergeben. Das aber, was ich in der
Reaktion und vor allem in der Schlussphase des Wahl-
kampfes wahrnehme, spricht für eine Neigung zur Hyste-
rie, die wirklich nicht unbedenklich und ungefährlich ist.


(Beifall bei der SPD)

Es spricht auch für die Neigung, eine solche Hysterie zu
verbreiten.

Herr Kollege Stoiber, Sie haben immer geglaubt
– manchmal haben Sie es auch öffentlich behauptet –, ein
Innenminister einer rot-grünen Bundesregierung oder
Landesregierung sei ein Sicherheitsrisiko. Sie haben sich
damit bei Otto Schily verspekuliert, das ist das Problem.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nun machen Sie aus dem, was beispielsweise im Umfeld
von Heidelberg geschehen ist, einen Vorgang, der an Hys-
terie und an unwahrer Darstellung nicht zu überbieten ist.


(Beifall bei der SPD)

In Heidelberg sind ganz offensichtlich – darüber ist zu

diskutieren – Ermittlungspannen geschehen, denen die
baden-württembergische Justiz und das Innenministerium
– der baden-württembergische Innenminister, der Kollege
Schäuble, hat solche Informations- und Ermittlungspan-
nen eingeräumt –, nachgehen könnten und sollten. Wir
hören stattdessen Erwartungen und Äußerungen des Herrn
Kollegen Beckstein, die nicht nur die üblichen Vorwürfe
an die Adresse der Bundesregierung enthalten, sondern aus
dem Sachverhalt einer Ermittlungspanne auch Vor-
schläge ableiten, die eine überregionale Zeitung aus
München – Sie verstehen schon, es ist die „Süddeutsche
Zeitung“ – als sonderbar bis unsinnig bezeichnet hat.


(Beifall bei der SPD)

Herr Beckstein hat zum Beispiel eine Art Spekula-

tionsausweisung ins Gespräch gebracht. Dabei geht es um
eine Ausweitung der Ausweisungsgründe ins Uferlose,
wie es die „Süddeutsche Zeitung“ zu Recht beschreibt.
Das nenne ich Hysterie; es hat mit Kompetenz nicht mehr
das Geringste zu tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was sind Ihre Antworten auf die dritte große Herausfor-
derung – die Situation in der Wirtschaft und am Arbeits-
markt –, mit der wir es zu tun haben? Ich habe mit aller Auf-
merksamkeit zugehört und versuche, dazu Stellung zu
nehmen. Was ich wahrnehme, ist eine Schwarzmalerei
der Situation in der Bundesrepublik Deutschland. Ich
habe schon aus der gestrigen Debatte Begriffe wie Kon-

kursverschleppung und Ähnliches gehört, über die man
angesichts der damit verbundenen Verzerrung der Realität
nur noch den Kopf schütteln kann.


(Beifall bei der SPD)

Bald bleibt außer Bayern kein Land in Deutschland

mehr übrig, das noch in Ordnung ist. Es gibt bald kein
Übel mehr, an dem die Bundesregierung nicht schuldig
ist. Herr Bundeskanzler, Sie müssen sich darauf vorberei-
ten, dass Sie demnächst auch für die Sommermücken ver-
antwortlich gemacht werden. Dieses Risiko besteht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Machen Sie einmal die Mücke!)


– Sicher, Herr Kollege Glos, eine Opposition darf nicht
zufrieden sein,


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Karneval! Das können Sie in Düsseldorf machen, aber nicht hier!)


auch nicht mit sich selbst. Aber nicht einmal mit sich
selbst sind Sie zurzeit zufrieden. Das ist doch Ihr Problem,
Herr Kollege.


(Beifall bei der SPD)

Sie darf auch nicht den Bezug zur Realität verlieren.

Das, was Sie über den Zustand der Bundesrepublik
Deutschland schreiben, wie Sie eine der stärksten Wirt-
schaftsnationen der Welt, die an Wirtschaftskraft stärker
ist als die französische und die spanische Volkswirtschaft
zusammengenommen, eine Volkswirtschaft, in die weit
mehr Auslandsinvestitionen gehen, als dies bei Ihnen in
den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit geschehen ist, darstel-
len, ist hinsichtlich des Realitätsverlustes, den Sie den
Menschen zumuten, nicht mehr zu überbieten.


(Beifall bei der SPD)

Die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, wissen dies
und nehmen dies auch so wahr.

In der Sache vernebelt der Kollege Stoiber Positionen
und er nimmt zu keiner Frage – ähnlich wie zur Irak-
Frage – in aller Konkretheit


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: In welcher Eigenschaft sprechen Sie hier eigentlich? Was für einen Mist erzählen Sie hier eigentlich?)


– Herr Kollege Repnik, überschätzen Sie sich bitte nicht –

(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nein! Aber Sie überschätzen sich, wenn Sie so mit mir umgehen!)


und Klarheit Stellung. Ich nehme dazu Stellung. Von
Ihrem Kanzlerkandidaten, Herr Kollege, habe ich mir
heute schon ganz andere Zumutungen angehört.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Aber nicht hingenommen!)


Nehmen Sie die Steuerreform: Ich habe noch nie eine
solche Wertschätzung dieser Steuerreform durch Ihre
Seite erlebt wie jetzt. Am Anfang war diese Steuerreform
des Teufels, weil sie angeblich gegen den Mittelstand ge-




Ministerpräsident Wolfgang Clement (Nordrhein-Westfalen)

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(C)



(D)



(A)



(B)


richtet war. Dies war doch landauf, landab, von oben bis
unten, Ihre Sprache.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Das stimmt doch! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Zu spät! – Zuruf des Abg. Dr. Guido Westerwelle [FDP])


– Nicht von Ihnen, Herr Westerwelle, ich spreche von der
CDU/CSU. – Als es um die Verschiebung der Steuer-
reform ging, war dies des Teufels, weil dies wiederum als
gegen den Mittelstand gerichtet betrachtet wurde.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Zu spät!)

Sie müssen doch irgendwann zur Logik zurückkehren

und zur Kenntnis nehmen, dass dies eine Steuerreform ist

(Zurufe von der CDU/CSU)


– erregen Sie sich nicht, sondern nehmen Sie das zur
Kenntnis –, die dem Mittelstand mehr bringt als den
großen Unternehmen, die davon nicht profitieren.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sie haben keine Ahnung vom Mittelstand!)


Daran werden Sie auch durch Ihre Lautstärke nicht vor-
beikommen.


(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Westerwelle, natürlich muss ich auch zu

dem, was Sie ausgeführt haben, etwas sagen. Sie haben
heute nicht noch einmal dargestellt, wie Sie die 7,1 Mil-
liarden Euro aufbringen wollen, die für die Nothilfe in Ost-
deutschland, für die Hilfe nach der Flutkatastrophe not-
wendig sind. Ich habe gehört, dass Sie diese Summe durch
Umschichtungen im Haushalt aufbringen wollen. Dieses
Experiment würde ich gern einmal von Ihnen etwas kon-
kretisiert haben. Sie versuchen immer, den Eindruck der
Konkretheit zu erwecken. Von Ihnen möchte ich gern wis-
sen, wie Sie die 7,1 Milliarden Euro, die jetzt zur Verfü-
gung stehen müssen, mobilisieren wollen, Herr Kollege.
Dazu gibt es von Ihnen kein Wort.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)


Sie sprechen lediglich von ein wenig Bürokratieabbau.
Damit kommt man jedenfalls mit denjenigen, die sich pro-
fessionell mit einem solchen Thema beschäftigen, wirk-
lich nicht zu einem Ergebnis.


(Beifall bei der SPD)

Sie erwarten natürlich, dass ich etwas zum Bergbau

sage. Das, was Sie hier vortragen, könnte man als
Milchmädchenrechnung bezeichnen, wenn es nicht so
ernst wäre. Ihre Vorstellung, man könne die Subventionen
für den Bergbau von heute auf morgen streichen, um mit
diesen Mitteln Bildungspolitik zu finanzieren, ist deshalb
eine Milchmädchenrechnung, weil Sie dann, wenn Sie
dies täten, auf einen Streich etwa 100 000 Arbeitslose
mehr hätten. Dann müssten Sie diese rund 100 000 Ar-
beitslosen in Deutschland finanzieren. Auch wenn ich alle
sozialen Aspekte weglasse, wäre dies eine Katastrophe.
Ihr Kollege Möllemann tut dies bei uns genauso, wie Sie
es heute hier getan haben.

Dies allein würde bedeuten, dass Sie ein Vielfaches
dessen aufbringen müssen, was Sie durch die Streichung

der Subventionen für den Steinkohlebergbau gewinnen zu
können glauben, Herr Kollege.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie stellen dabei auch etwas anderes nicht dar. Die Bun-
desregierung fährt vereinbarungsgemäß die finanzielle
Förderung des Steinkohlebergbaus bis zum Jahre 2005
kontinuierlich nach unten. Dabei geht es um einen bei-
nahe tagtäglichen Abbau von Arbeitsplätzen im Bergbau.
Dies sind teilweise bis zu 1 000 Arbeitsplätze pro Jahr. Bei
diesem Rückbau fahren wir mit Unterstützung der Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer des Bergbaus so hart an
der Kante, dass es dann, wenn Sie einen noch tieferen
Schnitt in die Subventionen machen würden, sofort zu
betriebsbedingten Kündigungen kommen würde. Das
ist das, was Sie verantworten müssten, Herr Kollege
Westerwelle. Mit Ihren Vorschlägen kann man keine Schu-
len finanzieren, sondern damit richten Sie eine soziale
Katastrophe an.


(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Westerwelle, ich würde Ihnen im Übri-

gen empfehlen, sich einmal mit der Frage zu beschäftigen,
in welcher energiewirtschaftlichen Situation sich die
Bundesrepublik Deutschland heute befindet und in wel-
cher Situation sie sich in sechs, acht oder zehn Jahren be-
finden wird, wenn die Ölpreise und damit auch die Gas-
preise in die Höhe klettern und die Abhängigkeit von
Importenergien noch größer wird, als sie heute schon ist.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Erzählen Sie das einmal Ihrer Bundesregierung, Herr Clement!)


Ich vermute, wenn Sie sich ernsthaft damit beschäftigen
würden, würden Sie entweder zu dem Ergebnis kommen,
dass Sie mit Kohle umgehen können müssen – dann ist es
gut, einen Sockel an heimischer Kohle zu haben –,


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Die Förderung ist von dieser Regierung gestrichen worden!)


oder Sie müssten das tun, was der Kollege Fischer dem
Kollegen Stoiber empfohlen hat: sagen, dass Sie auf die
Atomenergie setzen. Es gibt keinen anderen Weg. Diese
Frage muss beantwortet werden. Man darf sich nicht mit
ein paar vermeintlich öffentlichkeitswirksamen Äußerun-
gen davonstehlen.

Zum Thema Bildung habe ich hier nicht die Möglich-
keit, ausreichende Antworten zu geben. Sie können sich
darauf verlassen, dass wir – ich spreche für Nordrhein-
Westfalen, stehe darüber aber auch mit meinen Kollegen
in den Ländern in Kontakt – die notwendigen Schluss-
folgerungen aus dem ziehen werden, was die PISA-Studie
uns aufgibt. Das bedeutet beispielsweise, dass wir bun-
desweite Bildungsstandards einführen müssen, dass wir
– das ist die wichtigste Lehre aus dieser Studie – mit der
Bildung unserer Kinder früher beginnen müssen, als es in
Deutschland üblich ist, dass wir vorschulischen Unter-
richt einrichten werden und anderes.

Vor allen Dingen geht daraus aber hervor, Herr Kol-
lege, dass wir die Ganztagsbetreuung, so wie der Bun-
deskanzler es dargestellt hat – ich bin ihm dankbar für das,




Ministerpräsident Wolfgang Clement (Nordrhein-Westfalen)


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(A)



(B)


was er dazu gesagt hat –, in Deutschland massiv ausbauen
müssen. Das bisher mangelnde Angebot ist einer der größ-
ten Nachteile, die wir gegenüber den Bildungssystemen
anderer Länder haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es ist ein wesentlicher Schritt, dass der Bundeskanzler
den Ländern zugesagt hat, in den nächsten vier Jahren
4 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, um den Pro-
zess der Einführung der Ganztagsbetreuung in unseren
Ländern zu beschleunigen. Aus Sicht Nordrhein-West-
falens kann ich nur sagen: Nordrhein-Westfalen ist im
deutschen Maßstab auf diesem Sektor gar nicht so
schlecht positioniert. Wir haben gut 600 Ganztagsschulen
in unserem Land, Bayern hat nur 16. Aber auch wir sind
darauf angewiesen, dass wir auf diesem Sektor noch wei-
ter vorankommen. Dafür setzen wir uns ein.

Das Problem, das ich bei meinem Kollegen Stoiber
sehe, ist seine Glaubwürdigkeit. Er bezieht in diesem
Wahlkampf nicht klar Stellung. Er versucht, gleichzeitig
für alles zu stehen: Auf der einen Seite beschwört er die
freie soziale Marktwirtschaft und den Mittelstand – es
gibt ja keine Rede, in der er das nicht tut –, auf der ande-
ren Seite platziert er sein halbes Kabinett in den Auf-
sichtsgremien der Bayerischen Landesbank, die Gelder in
Höhe von 2 Milliarden Euro in die Kirch-Gruppe gesteckt
hat, damit eine Blasenökonomie in Bayern aufgebaut hat,
die es nirgendwo sonst in dieser Größenordnung gegeben
hat, und gescheitert ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – KurtDieter Grill [CDU/CSU]: Ausgerechnet Sie müssen das hier sagen!)


– Das sagt der Richtige, Herr Kollege. 2 Milliarden Euro!
Eine solche Investition in ein Medienunternehmen, in ein
Unternehmen überhaupt, hat es in der Geschichte der
Bundesrepublik noch nicht gegeben und eine unterneh-
merische Katastrophe in dieser Größenordnung auch
nicht.

Ich sage Ihnen: Diese Art der Förderung der Kirch-
Gruppe durch die Bayerische Landesbank war eine För-
derung gegen jeden Rat von Experten.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Das hätten Sie doch auch gemacht!)


– Er hätte investieren können, wenn er es gekonnt hätte.
Sie hätten schon damals wissen müssen, Herr Kollege
Stoiber, dass dieses Unternehmen eine solche Förderung
nicht rechtfertigte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Lassen Sie die Kirche im Dorf! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sagen Sie einmal etwas zu Oberhausen!)


– Ach du lieber Gott, jetzt kommen Sie mir auch noch mit
Oberhausen! Herr Kollege, wir können einmal gemein-
sam dort hinwandern, dann zeige ich Ihnen die Arbeits-
plätze dort.

Die Forderungen an die Kirch-Gruppe, mit denen wir
es heute zu tun haben, haben eine Größenordnung von
8 Milliarden Euro.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wer ist denn „wir“?)


Auf der anderen Seite sind noch nicht einmal 2 Milliarden
Euro vorhanden. Hier wurde eine Blasenökonomie aufge-
baut, die es so noch nicht gegeben hat. Diese Blasenöko-
nomie ist zulasten anderer Standorte in Hamburg, in Ber-
lin, in Köln und in weiteren Städten gegangen. Das ist es,
was geschehen ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb hat der Kollege Fischer hier nicht ganz Recht.
Die gestiegene Zahl der Pleiten im Mediensektor wie im
gesamten Kommunikationssektor von kleinen Unterneh-
men in München hat sehr wohl etwas mit der großen
Pleite zu tun. Selbstverständlich sind diese Unternehmen
von den dortigen Geschehnissen abhängig. Selbstver-
ständlich werden sie durch das, was bei Kirch geschehen
ist, an die Wand fahren. Dafür gibt es Verantwortlich-
keiten.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sehr wahr!)

Ich möchte auf der anderen Seite darauf eingehen, Herr

Kollege Stoiber, dass Sie dem Bundeskanzler hier zur
Last legen, sein Ziel, die Zahl der Arbeitslosen in
Deutschland auf 3,5 Millionen zu senken, nicht erreicht
zu haben, dass Sie sich dann aber nicht einmal mit äußers-
ter Mühe daran erinnern können – ich jedenfalls habe
dazu von Ihnen keinen Satz gehört –, am 11. Juni 1996
den Beschäftigungspakt Bayern mit dem Ziel unter-
schrieben zu haben, die Zahl der Arbeitslosen innerhalb
von vier Jahren zu halbieren. Kein Wort haben Sie dazu
gesagt, stattdessen kamen nur Vorwürfe an andere.

Auch ich habe mir solche Ziele gesetzt, Herr Kollege.
Das Problem der Politik ist nicht, sich Ziele zu setzen und
für sie zu streiten. Das Problem der Politik ist auch nicht,
den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken
und zu erläutern, mit welchen Problemen man auf der
Strecke zu kämpfen hat und was man trotzdem dafür tun
wird, um am Ende doch noch ans Ziel zu kommen. Das
hat der Bundeskanzler getan. Das Problem ist, dass Sie
auch hier nicht Position beziehen, dass Sie nicht klar
Farbe bekennen, Herr Kollege Stoiber. Über Ihr hohes
Ziel, die Arbeitslosigkeit in Bayern zu halbieren, haben
Sie nie mehr ein einziges Wort verloren. Aber hier können
Sie sich vor Abscheu und Empörung kaum einkriegen.
Das ist es, was die Menschen spüren. Jeden Tag, den der
Wahlkampf dauert, merken die Menschen das ein
Stückchen mehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Natürlich – das ist nicht zu übersehen – ist die Zahl der
Insolvenzen in Deutschland deutlich angewachsen. Wir
haben im ersten Halbjahr 2002 eine Zunahme der Unter-
nehmensinsolvenzen um etwa 15 Prozent. 18 500 Insol-
venzen sind bei den Amtsgerichten registriert. Im ersten
Halbjahr 2001 waren es 16 200. Was dabei allerdings ver-




Ministerpräsident Wolfgang Clement (Nordrhein-Westfalen)

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gessen wird – das ist vielleicht nicht ganz so wichtig, aber
zur Genauigkeit und zur korrekten Darstellung des Bildes
gehört es dazu –, ist, dass diese Zunahme um 15 Prozent
maßgeblich mit den Änderungen im Insolvenzrecht zu tun
hat; denn im Jahr 2002 können zum ersten Mal auch mit-
tellose Personen und Einzelunternehmen ein Insolvenz-
verfahren eröffnen. Das wirkt sich natürlich aus.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das sind doch nicht die Zahlen!)


Was mich in Wahrheit stört, Herr Kollege Merz, ist,
dass Sie nichts anderes tun, als diese Insolvenzzahlen im
Land zu verbreiten, um den Menschen nahe zu bringen,
wie katastrophal die Lage ist. Dabei verlieren Sie kein ein-
ziges Wort darüber, dass in der gleichen Zeit in der Bun-
desrepublik Deutschland – in Bayern, in Nordrhein-West-
falen und in allen anderen Ländern – eine hohe Zahl von
neuen Unternehmen entsteht und dass wir im Saldo heute
nicht weniger, sondern mehr Unternehmen haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn der Kanzlerkandidat zum wiederholten Male be-
schreibt, welches große Unternehmen in welcher Stadt
Arbeitsplätze abzubauen gedenkt – das wird sicherlich
nicht aus Daffke gemeldet, sondern es steckt Überlegung
dahinter –, so erwarte ich von ihm, dass er dann, wenn er
vom Mittelstand spricht, im gleichen Atemzug die Zahl
der neu entstandenen Unternehmen mit seinen drei oder
vier Arbeitsplätzen nennt. Dazu brauchen wir keinen
Regierungswechsel, sondern diese Unternehmensgrün-
dungen haben wir auch im Saldo bereits heute in
Deutschland.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben in Nordrhein-Westfalen – um Ihnen auch
diese Zahl zu nennen – nach den Handelsregistereintra-
gungen im ersten Halbjahr dieses Jahres 13 136 Unter-
nehmensneugründungen. Allein in Nordrhein-Westfalen
sind es also über 13 000; in Bayern waren es übrigens
9 972. Wenn ich die Zahl der Unternehmen, die vom
Markt gegangen sind und aus dem Handelsregister gestri-
chen wurden, mit der Zahl derjenigen, die neu eingetra-
gen wurden, vergleiche, dann stelle ich im ersten Halbjahr
einen positiven Saldo fest. Wir haben in Nordrhein-West-
falen 7 400 Unternehmen mehr, und zwar richtige mittel-
ständische Unternehmen. In Bayern waren es 6 300; auch
das ist nicht schlecht. Diese Ergebnisse müssen einmal
genannt werden, damit die Schwarzmalerei endlich auf-
hört.


(Beifall bei der SPD)

Mir macht der Wahlkampf durchaus Spaß. Ich finde es

jedoch langsam, aber sicher verhängnisvoll, in welcher
Weise über diesen Wirtschaftsstandort gesprochen wird
und wie dieser Wirtschaftsstandort von Ihnen schlecht ge-
redet wird. Sie machen in diesem Wahlkampf nichts an-
deres als schwarz malen und schlecht reden.


(Beifall bei der SPD – Friedrich Merz [CDU/ CSU]: Sagen Sie mal, dass es Nordrhein-Westfalen genauso schlecht geht wie dem Rest der Republik!)


Herr Kollege Stoiber, ich frage mich immer: Wofür
stehen Sie? Heute habe ich nach Ihrer Rede den Eindruck
gewonnen, dass ich Sie manchmal nicht wirklich von
Herrn Schill unterscheiden kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Das, was Sie heute zur Zuwanderung und zur inneren Si-
cherheit gesagt haben und auch die Art und Weise, wie Sie
es vorgetragen haben, haben mich an Herrn Schill erin-
nert.

Ich habe Sie auch in anderen Szenen des Wahlkampfes
erlebt. Insbesondere wenn Sie über die großen Unterneh-
men der Bundesrepublik sprachen, hatte ich den Eindruck,
Sie wollten noch mit über 60 Lebensjahren den Bundes-
kanzler mit Positionen links überholen, die Gerhard
Schröder vielleicht mit 30 vertreten haben könnte.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Darin liegt Ihr Problem.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425300700
Herr Ministerpräsi-
dent, ich unterbreche Sie sehr ungern, aber ich möchte Sie
doch darauf aufmerksam machen, dass es Redezeiten
gibt. Daran müssen sie sich zwar nicht halten, aber ich
wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es trotzdem täten, weil
sonst das ganze Zeitkonzept ins Rutschen gerät.


(Beifall bei der CDU/CSU)



(NordrheinWestfalen)

mich selbstverständlich danach richten.

Was das Wahlprogramm und die Wahlversprechen der
Union angeht, möchte ich gern noch darauf hinweisen,
dass ihnen nach einer Umfrage von RTL 80 Prozent der
Bürgerinnen und Bürger nicht glauben.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Wenn es schon auf RTLwar, brauchen Sie es doch nicht mehr in Ihrer Redezeit zu sagen!)


Ich meine, das ist für unsere Diskussion nicht unwichtig.
Sie haben in Wahrheit in diesem Wahlkampf Ihre Positio-
nen vernebelt, und zwar bis zur Unkenntlichkeit.


(Heiterkeit bei der SPD)

Die Bürger haben den Eindruck, Sie wollen nichts als die
Macht in Berlin.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Damit es dem deutschen Volk wieder besser geht!)


Das mag für Sie viel sein; für das deutsche Volk ist das zu
wenig, Herr Kollege.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425300800
Für die CDU/CSU-
Fraktion erteile ich jetzt der Kollegin Dr. Angela Merkel
das Wort.




Ministerpräsident Wolfgang Clement (Nordrhein-Westfalen)


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(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) (von der CDU/CSU
mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Wir befinden uns in der Endphase des Wahl-
kampfes und müssen mit Bedauern feststellen, dass wir in
dieser Phase den größten Betrug am Wähler in der deut-
schen Nachkriegsgeschichte erleben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit Ihren Wahlversprechen?)


Herr Bundeskanzler, damit meine ich nicht das gebro-
chene Versprechen, das Sie zum Beispiel zur Ökosteuer
gegeben haben. „Bei sechs Pfennig ist Ende der Fahnen-
stange“, lautete die Parole im Wahlkampf 1998.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ausgerechnet Sie protestieren gegen die Ökosteuer! Was ist aus Ihren Vorschlägen zur Ökosteuer geworden? Sie waren doch selbst für die Ökosteuer!)


Was ist daraus geworden? Jedes Jahr sechs Pfennig! Am
1. Januar nächsten Jahres wären es dann wieder sechs
Pfennige, wenn Sie gewählt werden sollten, was aber
glücklicherweise nicht passieren wird. Das war der Ein-
stieg in Ihr Vorgehen nach dem Motto „versprochen – ge-
brochen“. Dabei gehen Sie mit keinem Wort darauf ein,
warum Sie so vorgegangen sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir hier über Steuern sprechen, ist festzustellen:

Die Menschen in Deutschland arbeiten 56 Prozent des
Jahres – das bedeutet bis weit in den Juli hinein – ledig-
lich dafür, dass sie Steuern an den Staat abführen. Am
Ende Ihrer Legislaturperiode macht das 44 Milliarden
Euro mehr Steuern für die Bürgerinnen und Bürger und
die Personengesellschaften – das heißt, die mittelständi-
schen Betriebe – aus als im Jahr 1998. Das ist die Wahr-
heit über Steuern und Abgaben in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben – das haben Sie in Ihren Wahlversprechen

nicht angegeben – jede nationale Herausforderung und
Katastrophe durch Steuererhöhungen beantwortet. Damit
muss endlich Schluss sein. Deswegen haben wir an-
gekündigt: Wir setzen den Bundesbankgewinn für die Be-
wältigung der Flut ein.

Sie, Herr Eichel, werden nicht müde zu behaupten, wir
machten damit neue Schulden. Das stimmt nicht. Wir ar-
beiten vernünftig und bringen Deutschland aus der Spi-
rale der Rezession heraus. Wir bringen Deutschland in
eine Phase des Wachstums und dafür brauchen wir etwas
länger für die Tilgung der Schulden. Ich halte das für die
richtige Antwort auf diese nationale Herausforderung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn ich vom größten Betrug am Wähler in der deut-
schen Nachkriegsgeschichte spreche, dann meine ich auch
nicht Ihr gebrochenes Versprechen zum Aufbau Ost.
Gleich wird der mecklenburg-vorpommersche Minister-
präsident Ringstorff zu Wort kommen. Allein im Jahr 2000

sind 60 000 junge Menschen aus den neuen Bundesländern
abgewandert. Die Bilanz der letzten vier Jahre weist aller-
dings trotz der Abwanderung und der Tatsache, dass Sie
noch Prämien für die Abwanderung gewährt haben – das
werden wir abschaffen, die Leute sollen stattdessen das
Geld da bekommen, wo sie leben, damit dort wieder Le-
ben entsteht –, im Jahr 2002 93 000 mehr Arbeitslose in
den neuen Bundesländern aus als 1998.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Deshalb kann ich nur sagen: Die Chefsache „Aufbau Ost“
ist auf der ganzen Linie gescheitert. Sie haben für die
neuen Bundesländer nichts getan, außer dort hin und wie-
der herumzureisen, wenn die Sonne geschienen hat. Das
reicht nicht aus, Herr Bundeskanzler. Deshalb ist dies ei-
nes Ihrer gebrochenen Versprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn ich von der größten Täuschung der Wähler in der

deutschen Nachkriegsgeschichte spreche, dann meine ich
auch nicht Ihre gebrochenen Versprechen in Bezug auf die
Rente. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Sie den
Rentnern mit großem Pathos versprochen haben, dass
auch in Zukunft die Renten entsprechend der Entwick-
lung der Nettoeinkommen steigen werden. Im Jahr 2000
ist es nicht so gewesen. Sie haben die Rentenlüge in die
deutsche Politik eingeführt. Der Preis dafür ist, dass die
Beiträge zur Rentenversicherung heute nicht sinken, son-
dern steigen. Das ist die Wahrheit über die rot-grüne Ren-
tenpolitik und den Umgang mit den alten Menschen in
diesem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch deshalb sagen am Ende der laufenden Legislaturpe-
riode 83 Prozent der Menschen in Deutschland, dass die
soziale Kluft in Deutschland größer geworden sei. Herr
Bundeskanzler, wenn Sie als Sozialdemokrat noch einen
Restbestand an sozialem Empfinden haben, dann sollten
Sie sich dies zu Herzen nehmen und nicht einfach über die
Menschen hinwegreden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Tatsache, dass die Krankenkassenbeiträge steigen,
bedeutet – Sie haben ja von den Familien gesprochen –,
dass eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern 170 Euro
mehr pro Jahr zahlen muss. Im nächsten Jahr werden es so-
gar 240 Euro sein. Das heißt auf gut Deutsch, dass Öko-
steuer plus steigende Sozialversicherungsbeiträge im
Grunde dazu führen, dass Familien schon am 1. Januar
jeden Jahres nicht mehr, sondern eher weniger in der Ta-
sche haben, auch wenn Sie auf der Grundlage eines
Bundesverfassungsgerichtsurteils das Kindergeld er-
höht haben. Die Ökosteuer war besonders unsozial für
die Familien.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das, was Sie bei den Alleinerziehenden angerichtet ha-

ben, haben Sie doch in Ihrer eigenen Familie erlebt. Ihre
eigene Schwester, Herr Bundeskanzler, hat Ihnen ins
Stammbuch geschrieben, dass eine allein erziehende Mut-
ter aufgrund Ihrer Politik 1 027 Euro im Jahr verliert. Wie
wollen Sie das rechtfertigen? Wollen Sie etwa behaupten,






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(D)



(A)



(B)


dass das sozial gerechte Politik sei? Ich kann nicht erken-
nen, dass das sozial gerecht ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn ich von der größten Täuschung der Wähler in der
deutschen Nachkriegsgeschichte spreche, dann meine ich
auch nicht Ihr gebrochenes Versprechen hinsichtlich der
Arbeitslosigkeit. Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Freiwillig!)

– wir haben Sie nicht dazu aufgefordert –: Wenn ich bis
zum Ende der jetzigen Legislaturperiode nicht dafür ge-
sorgt habe, dass die Zahl der Arbeitslosen unter 3,5 Milli-
onen liegt, dann bin ich bzw. sind wir es nicht wert, wie-
der gewählt zu werden. Wir sagen deshalb: Dort, wo Sie
Recht haben, sollen Sie auch Recht bekommen, Herr Bun-
deskanzler. Die Quittung bekommen Sie am 22. Septem-
ber dieses Jahres.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Man muss den Menschen in diesem Land immer wie-

der sagen, dass dieses Versprechen, Herr Bundeskanzler,
wohl kalkuliert war; denn Sie wussten, dass ab 1998 jedes
Jahr 200 000 Menschen mehr in Rente gehen werden, als
junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen. Deshalb
haben Sie sich sicherlich gedacht: 4,1 Millionen minus
4 mal 200 000 ist gleich 3,3 Millionen. Deshalb bin ich
auf der sicheren Seite, wenn ich verspreche, die Zahl der
Arbeitslosen auf 3,5 Millionen zu reduzieren. – Die Tat-
sache, dass die Zahl der Arbeitslosen noch immer über
4 Millionen liegt, macht Ihre Fälschung der Arbeitsplatz-
statistik ganz offensichtlich. Sie rechnen nämlich die 630-
Mark-Arbeitsverhältnisse mit ein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Wahrheit nach vier Jahren Rot-Grün heißt: Es gibt
heute weniger Arbeitsplätze als 1998.


(Widerspruch bei der SPD – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben 1,1 Millionen mehr!)


Diese Entwicklung muss endlich wieder verändert wer-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn Sie immer wieder auf die Wahlkampf-ABM aus
dem Jahre 1998 verweisen, dann muss ich Ihnen sagen:
Der Bundesfinanzminister persönlich ist stolz darauf, dass
ihm in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro mehr für die Ar-
beitsmarktpolitik zur Verfügung stehen. Die Wahrheit ist,
dass Sie natürlich auch in der Arbeitsmarktpolitik vieles
gemacht haben, das nach Meinung von Herrn Hartz ineffi-
zient ist, und dass Sie beim Arbeitsmarkt nicht auf Wachs-
tum und Befreiung gesetzt haben. Sie haben Deutschland
vielmehr in einem Wust aus Regeln und unsinnigen Geset-
zen erstickt und damit den Menschen Initiative und Krea-
tivität genommen. Das ist die Wahrheit über Rot-Grün!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deshalb muss man einfach feststellen: Schon bis hier-

her war die Realität rot-grüner Politik: versprochen – ge-

brochen. Sie haben 1998 Ihre Chance gehabt. Sie wissen
doch auch, dass die Menschen Ihnen mit großen Erwar-
tungen entgegengetreten sind.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gefolgt, nicht entgegengetreten!)


Sie hätten doch die Möglichkeit gehabt, wirklich etwas in
Ihre Richtung zu bewegen.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie hatten 16 Jahre lang Ihre Chance!)


Sie können heute die Dinge nicht so wenden, wie es Ihnen
passt, und dann, wenn wir die Realitäten benennen, sagen,
wir würden Deutschland schlecht reden. Wer nicht fähig
ist, die Realität zur Kenntnis zu nehmen, der ist schon gar
nicht zur Veränderung fähig. Deshalb muss sich in
Deutschland etwas ändern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Ministerpräsident Clement, in Ihrem Land gibt es
im Wahlkampf wegen mangelnder Mobilisierung Ihrer ei-
genen Truppenteile den Slogan: Ich wähle der Doris ihren
Mann seine Partei. – Herr Clement, ich würde an Ihrer
Stelle schreiben – das hat wieder nichts mit Schlechtreden
zu tun –: Wir versaufen unsrer Oma ihr klein Häuschen. –
Das ist die Bilanz von vier Jahren Rot-Grün: keine Zu-
kunftsinvestitionen, sondern leben von der Substanz die-
ses Landes.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn ich vom größten Betrug am Wähler spreche – der
spielt sich leider in der Schlussphase dieses Wahlkampfs
ab –,


(Peter Dreßen [SPD]: Da müssen Sie sich an die eigene Nase fassen!)


dann meine ich das Spiel des Bundeskanzlers mit den
Ängsten der Menschen vor Krieg und Terror.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dies markiert den Gipfel einer Legislaturperiode, in der
man die Erwartungen der Menschen sowieso schon mit
Füßen getreten hat.


(Hubertus Heil [SPD]: Schade, dass Sie nicht Kanzlerkandidat sind!)


Die Hoffnung zu wecken, mit Ihrer Position beim Irak
könnte eine Bundesregierung die Chance haben, nach
dem 22. September durchzukommen, ist der schamloses-
te Betrug am Wähler, den ich in meiner politischen Ge-
schichte und viele andere jemals erlebt haben, Herr Bun-
deskanzler.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was heißt denn hier „Betrug am Wähler“? Unverschämtheit! Unverschämte Behauptung!)





Dr. Angela Merkel

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(C)



(D)



(A)



(B)


Ich sage „schamlos“ – Sie würden wahrscheinlich „unan-
ständig“ sagen –, weil es hier nicht um Dinge geht, die
auch wichtig sind – wie Arbeitsplätze, Steuern und vieles
andere –, sondern um die Ängste und Gefühle der Men-
schen, und mit denen spielt man in verantwortlicher Poli-
tik in Deutschland nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit spielt doch keiner! – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ängste sind berechtigt!)


Das hat nichts damit zu tun, dass wir ein Thema zum
Tabu erklären wollen. Selbstverständlich muss man über
die Frage von Krieg und Frieden im Zusammenhang mit
dem Irak sprechen,


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So, so!)


aber man muss es so tun,

(Ludwig Stiegler [SPD]: Dass man nicht verstanden wird und seine Gedanken verbergen kann!)


dass man verantwortlich handelt im Blick auf das, was
notwendig ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Eine Unterschriftensammlung!)


Herr Bundeskanzler, Sie wissen doch ganz genau, dass
Ihre Position überhaupt nicht haltbar ist. Wenn wir an der
Regierung sind, wird es Wochen und Monate dauern, bis
das von Ihnen in diesen Tagen zerstörte Vertrauen wie-
derhergestellt werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Die Wähler nehmen Ihnen die Sorge ab!)


Sie wissen doch, dass die Isolierung einer großen Na-
tion, gerade einer Exportnation wie Deutschland, auf
Dauer überhaupt nicht durchzuhalten ist. Sie wissen doch
um die Einflüsse zwischen Politik und Weltwirtschaft; ich
nenne nur das Beispiel WTO. Sie selbst haben sich doch
vor wenigen Tagen in Johannesburg hingestellt und die
Vereinigten Staaten von Amerika gegeißelt, weil sie in
Umweltfragen einen Alleingang machen. Ich finde das
genauso falsch wie Sie. Genauso darf sich Deutschland
nicht an die Seite stellen und sich isolieren, sondern muss
mit der Gemeinschaft eine gemeinsame Position finden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da hätten Sie bei Fischer zuhören müssen!)


Zu Ihrer Politik des letzten Jahres kann man nur sagen:
Von der uneingeschränkten Solidarität am 11. September
2001 zum uneingeschränkten Alleingang am 11. Septem-
ber 2002, das ist zu viel für jeden ernst zu nehmenden
Menschen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich frage Sie allen Ernstes: Wohin kämen wir eigentlich,
wenn alle wichtigen Nationen dieser Welt so vorgehen
würden wie Deutschland? Das ist unverantwortlich.

Während des Wahlkampfes haben sich die Maßstäbe
Ihrer Politik verschoben.


(Jörg Tauss [SPD]: Große Worte!)

Wenn Herr Müntefering sagt, dass Deutschland auch
dann, wenn Beweise vorlägen, niemals UN-Maßnahmen
unterstützen würde, dann kann ich nur sagen: Das hat
nichts mit Verantwortung zu tun, sondern zeigt nur, dass
die deutsche Außenpolitik jetzt zur Unterabteilung der
Kampa geworden ist. So kann man in Deutschland nicht
vorgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und Joschka ist Unterabteilungsleiter?)


Es liegt in der Tradition der christlichen Parteien CDU
und CSU, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg nie einen
politisch verantwortlich Handelnden gegeben hat, der
Deutschland in ein Abenteuer geführt hat. Allein Ihre un-
entwegt wiederholte Aussage, dass mit Ihnen kein Aben-
teuer zu machen sei, fordert die Feststellung heraus: Ein
Abenteuer ist mit überhaupt keinem verantwortlichen Po-
litiker zu machen, auch nicht mit Politikern von CDU und
CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans Georg Wagner [SPD]: Da bin ich mir nicht sicher!)


Ich versichere Ihnen: Mit uns ist in Bezug auf den Krieg
genauso wenig ein Abenteuer zu machen wie in Bezug auf
Wege in Deutschlands Isolation. Beide Arten von Aben-
teuer finden mit uns nicht statt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn vor?)


Ich sage dies sehr bewusst als jemand, der wie vermut-
lich alle hier im Haus viele Briefe und viele Telefonanrufe
von Menschen bekommt, die sich Sorgen machen und
Angst haben. Gerade ältere Menschen in diesem Land
äußern: Ich habe den Krieg noch selber miterlebt. Könnt
ihr bitte etwas tun, dass ich das nicht wieder erleben
muss? Ich kann es nicht schaffen, ich habe Angst vor
Bomben.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was schlagen Sie denn vor?)


Natürlich kennen auch wir die Umfragen und wissen
um die Meinung zu einem militärischen Einsatz im Irak.
Wir wären doch blind und taub, wenn wir solche Ängste
ignorierten. Aber wir müssen in diesem Hause als Men-
schen und als Politiker entscheiden, worin das Interesse
unseres Landes besteht; beide Sichtweisen müssen zu-
sammengehen. Deutschland ist nicht irgendein Land, son-
dern das größte Land in Europa. Deshalb ist gerade in die-
sem Punkt eine Politik der Verantwortlichkeit gefragt,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Geben Sie mal eine Antwort! Was heißt das?)





Dr. Angela Merkel
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(D)



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(B)


nicht aber eine Politik, die das Fähnchen morgens ent-
sprechend den Meinungsumfragen nach dem Wind hängt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans Georg Wagner [SPD]: Können Sie keine Antwort geben? Was heißt das denn?)


Als verantwortlicher Politiker müssen Sie schon ein
paar Fragen beantworten.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, eben!)


Was ist die Lehre aus dem Schicksal der Deutschen, die
auf der tunesischen Insel Djerba an einem Urlaubstag im
April dieses Jahres nach einem Bombenattentat in der Sy-
nagoge ihr Leben verloren? Was ist die Lehre aus den
Festnahmen in Heidelberg vor wenigen Tagen, aus der
Tatsache, dass nicht die deutsche Polizei, sondern der
amerikanische Geheimdienst die Gefahr entdeckte und
Gott sei Dank einen schrecklichen Anschlag vereitelte?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Zurufe von der SPD)


Beide Beispiele zeigen: Die Lösung besteht mit Si-
cherheit nicht in einem Alleingang. Vielmehr verlangt die
Globalisierung von uns – Sie haben es doch theoretisch so
oft gesagt –, endlich neu über das Verhältnis von innerer
und äußerer Sicherheit nachzudenken. Beides ist nicht
voneinander zu trennen.


(Albert Schmidt DIE GRÜNEN]: Was heißt das?)


Wir können beides für unsere Länder nur durchsetzen,
wenn wir eine Allianz der Starken dieser Welt bilden, die
Demokratie und Freiheit wollen, nicht aber, wenn wir in
Deutschland Alleingänge unternehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Am 11. September 2002 haben wir alle in einem be-

eindruckenden Gottesdienst im Berliner Dom der Opfer
des 11. September 2001 gedacht. Bischof Huber hat ge-
sagt: Selig sind die, die Frieden stiften; denn sie werden
Söhne und Töchter Gottes genannt. Diese Worte aus der
Bergpredigt hat er ausgelegt und gesagt, oft werde dieser
Teil der Verkündigung Jesu als Aufforderung dazu gedeu-
tet, Unrecht einfach nur hinzunehmen. Das sei ein
Missverständnis. Die Bergpredigt lade vielmehr dazu ein,
Möglichkeiten gewaltfreien Handelns zu erkunden. Dann
sagte er weiter: Selig sind die Friedensstifter – nicht die
Friedfertigen, sondern die Friedensverfertiger.


(Jörg Tauss [SPD]: Siehe Ausländergesetz!)

Das sei die entscheidende Botschaft der Bergpredigt, so
Bischof Huber.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich kenne die Position der Kirchen bezüglich des Irak.
Aber, meine Damen und Herren, in der Botschaft ist von
einem aktiv handelnden Menschen, einem Friedensstifter,
die Rede. Deshalb ist nach meiner Auffassung ein Bun-
deskanzler nur dann ein Friedensstifter, wenn er zum Te-
lefonhörer greift,


(Lachen bei der SPD und der PDS)


durch Europa reist und etwas unternimmt, um seine Posi-
tion in Europa und in der Welt durchzusetzen, nicht aber
dann, wenn er auf deutschen Marktplätzen den Menschen
durch Schreien Angst macht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Was ist jetzt nach der Rede von Präsident Bush?

Deutschland wird bald nicht ständiges Mitglied im UN-
Sicherheitsrat sein. Wo sind Sie denn, wenn die Briten an
UN-Resolutionen arbeiten? Sie sitzen noch nicht einmal
am Katzentisch, weil Ihnen nach Ihren Reden hier in
Deutschland niemand mehr ein Stück Brot abnimmt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, nach dem 11. September
vergangenen Jahres habe ich mich oft dagegen gewehrt,
wenn es hieß, nichts sei mehr so, wie es einmal war. Ich
halte diesen Satz für falsch und völlig überzogen; denn die
Werte, nach denen wir unsere Politik ausrichten, sind nach
dem 11. September dieselben wie vorher.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, Terroristengesetze!)

Aber eines wissen wir seit dem 11. September:

Wir wissen spätestens seit dem 11. September, ei-
gentlich bereits seit Auschwitz, dass der Mensch zu
absolut allem fähig ist.

Diesen Satz hat der Vorsitzende des Zentralrates der Juden
in Deutschland, Paul Spiegel, gestern in einem Gastkom-
mentar in der „Welt“ geschrieben. Das heißt für mich sehr
konkret: Wenn wir die Lehre von Auschwitz ernst nehmen
und aus der Vernichtung der Juden in Deutschland und der
Welt eine Lehre ziehen, dann müssen wir dies mit Blick
auf die Zukunft, auf verantwortliche Politik heute tun.

Ich möchte es niemals erleben, dass sich eine deutsche
Bundesregierung fragen lassen muss: Habt ihr alles getan,
um zu verhindern, dass der Diktator im Irak die Juden in
Israel in Lebensgefahr bringen konnte?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abgeordneten Jörg Tauss [SPD])


– Ja, das müssen Sie sich schon anhören. – Habt ihr ver-
gessen, dass es das erklärte Ziel Husseins ist, die Existenz
Israels zu vernichten? Habt ihr wirklich den Anfängen ge-
wehrt? Es ist ausgesprochen problematisch, wenn der ira-
kische Außenminister Nadschi Sabri in diesen Tagen sagt,
Deutschlands Veto erfolge im Namen aller Völker, die
sich nicht damit abfänden, dass eine Hand voll jüdischer
und amerikanischer Gruppen der Welt ihren Willen auf-
zwingt. Einen solchen Kronzeugen möchte ich für deut-
sche Politik nicht haben. Sie haben zurzeit einen solchen
Kronzeugen, davon müssen wir schnellstens wieder weg-
kommen und dafür wird die Union sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gernot Erler [SPD]: Welche Kronzeugen haben Sie denn?)


Deshalb liegen neun Tage vor der Wahl die Alternati-
ven in Deutschland klar auf dem Tisch:


(Beifall bei der SPD)





Dr. Angela Merkel

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(C)



(D)



(A)



(B)


in der Innenpolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Ar-
beitsmarktpolitik


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: In der Friedenspolitik!)


und auch in der Außenpolitik.

(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ganz besonders da!)

In der Außenpolitik hätte ich es mir nicht vorstellen kön-
nen.

Die Alternative lautet: entweder mit Rot-Grün weitere
Steuererhöhungen oder mit uns endlich ein Stopp der
Steuererhöhungen und wieder Wachstum in Deutschland,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für wie dumm halten Sie die Menschen?)


entweder mit Rot-Grün weitere unsinnige Gesetze wie die
Gesetze über Scheinselbstständigkeit und den Rechtsan-
spruch auf Teilzeitarbeit oder mit uns ein Befreiungs-
schlag auf dem Arbeitsmarkt,


(Lachen bei der SPD – Ilse Janz [SPD]: Haben Sie vergessen, wie viele Arbeitslose Sie produziert haben?)


eine Abschaffung dieser Gesetze und die Schaffung be-
trieblicher Bündnisse für Arbeit, endlich wieder Luft zum
Atmen für diejenigen, die in diesem Lande Leistungsträ-
ger sind und ohne die wir nicht auskommen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

entweder mit Rot-Grün ein weiterer schleppender Um-
gang mit notwendigen Sicherheitsmaßnahmen – denken
Sie doch nur an das Theater zwischen Rot und Grün bei
den biometrischen Merkmalen in Ausweisen und Pässen;
was ist denn so schlimm daran, neben einer Fotografie
noch einen Fingerabdruck zu haben, Sie sollten sich end-
lich bewegen – oder aber konsequentes Verhalten in der
inneren Sicherheit und – ich sage das in allem Ernst – eine
vernünftige Verknüpfung von innerer und äußerer Sicher-
heit im Zuge unserer Erfahrungen mit dem Terrorismus.
Das ist die Alternative.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Clement, auch wenn Sie hier mit noch so treuen

Augen über die Zuwanderung sprechen: Sie wissen
doch, wie es ist. Die Menschen im Lande wissen, dass Ihr
Gesetz keine Begrenzung von Zuwanderung bietet.


(Hubertus Heil [SPD]: Jetzt fangen Sie schon wieder damit an! – Weiterer Zuruf von der SPD: Schlussoffensive!)


Die Menschen im Lande wissen auch, dass Herr Schily
am Anfang dieser Legislaturperiode gesagt hat


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Hören Sie doch auf zu lügen!)


– diesen Satz hätte ich nicht gesagt; regen Sie sich doch
nicht auf –, dass das Maß des Zumutbaren überschritten
ist. Sie wissen, dass in Deutschland spätestens nach PISA


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was sagen Sie denn dazu?)


völlig klar ist: Bevor wir eine neue Zuwanderung bekom-
men, müssen wir erst einmal die Integration der bei uns
lebenden ausländischen Kinder verbessern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ilse Janz [SPD]: Wann haben Sie das denn getan? – Hans Georg Wagner [SPD]: Was haben Sie denn 16 Jahre lang getan?)


Sie haben keine einzige Mark dafür vorgesehen, das
Problem, dass in Berlin-Kreuzberg 40 Prozent der auslän-
dischen Kinder und Jugendlichen weder einen Schul-
noch einen Berufsabschluss haben, zu beseitigen. Trotz-
dem reden Sie über mehr Zuwanderung. Mit uns haben
Sie die Alternative; wir werden das ändern. Dieses Gesetz
wird so nicht in Kraft treten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es hat mich gefreut, dass die FDP auch etwas ändern will.
Somit wird Deutschland ab dem 22. September ein ande-
res Zuwanderungsgesetz erhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb wird es – auch in der Außenpolitik – eine
Richtungsentscheidung sein. Es geht nämlich um die
Frage, wie wir deutsche Interessen besser vertreten.


(Beifall des Abg. Hubertus Heil [SPD])

Geschieht dies durch emotionales Geschrei auf deutschen
Marktplätzen oder durch Freundschaft, Kooperation und
Vertretung deutscher Interessen zusammen mit Verbünde-
ten und Freunden auf dieser Welt? Wir entscheiden uns für
den zweiten Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)


Diese fünf Punkte markieren die Alternativen, über die die
Menschen am 22. September entscheiden können.


(Jörg Tauss [SPD]: Werden sie!)

Meine Damen und Herren, vor ein paar Tagen hat

– nach einem Bericht in einer niedersächsischen Zeitung –
Ihr Fraktionsvorsitzender Stiegler, der hier möglichst spät
zu Wort kommt, weil Sie es selbst schon fürchten,


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Durchgereicht wird er!)


den Unionskanzlerkandidaten Edmund Stoiber – hören
Sie gut zu – als „Experten im Lügen“ bezeichnet.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)

Er hat gesagt, er zeige „Züge von Schizophrenie“.
Schließlich hat er hinzugefügt: „Nero hat Rom ange-
steckt, so etwas will Herr Stoiber auch.“


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Unerhört! – Michael Glos [CDU/CSU]: Oberpfälzischer Flegel!)





Dr. Angela Merkel
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(C)



(D)



(A)



(B)


So viel nur zum fairen Wahlkampf in Deutschland. Das ist
vollkommen inakzeptabel.

Wir sind froh, dass die Meinungen über Edmund
Stoiber bei den Sozialdemokraten doch auseinander ge-
hen. Ein anderer wichtiger Sozialdemokrat hat nämlich
vor ein paar Jahren in einem Interview über unseren
Kanzlerkandidaten gesagt: Er, Edmund Stoiber, hält, was
er verspricht, und er zieht es dann auch durch. Ich sage:
Herr Bundeskanzler, selten sprechen Sie die Wahrheit; da-
mals haben Sie die Wahrheit gesprochen. Wir dachten, wir
sagen das den Menschen mit Ihrer Unterschrift: Er zieht
die Dinge durch und hält, was er verspricht.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber er bekommt nicht die Gelegenheit dazu!)


Die Politik der gebrochenen Versprechen wird beendet –
das wird das Ergebnis des 22. September sein.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei fall bei der FDP)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425300900
Nun erteile ich dem
Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpom-
mern, Harald Ringstorff, das Wort.


(Mecklenburg-Vorpommern)

ten Damen und Herren! Ich habe mich bei der Rede von
Frau Merkel eben gefragt, woher sie den Mut nimmt, von
einer Täuschung der Wähler zu sprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau Merkel, wer hat denn die Wähler, insbesondere in
Ostdeutschland, zweimal mächtig getäuscht,


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

und zwar das erste Mal – das war 1990 – mit den Ver-
sprechungen von den blühenden Landschaften in drei bis
vier Jahren und das zweite Mal – das war 1994 – mit dem
Versprechen, die Arbeitslosigkeit innerhalb der nächsten
Legislaturperiode zu halbieren? 1998 hat man Ihnen Ihre
Versprechungen zu Recht nicht mehr geglaubt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


13 Jahre nach der Wende wissen wir: Für den Aufbau
Ost gibt es keine Patentrezepte; wer behauptet, er habe
sie, der sagt die Unwahrheit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Ostdeutschen sind misstrauisch geworden, vor allem
denen gegenüber, die uns schnell blühende Landschaften
versprochen hatten. Zwischen den Zahlen lesen, das hat-
ten wir zu DDR-Zeiten gelernt; aber 1990 wollten viele
Menschen im Osten glauben, was man ihnen erzählte. Das
Vertrauen und die Erwartungen in die Politik waren rie-

sengroß und dieses Vertrauen hat die Kohl-Regierung
durch ihre leichtfertigen Versprechungen enttäuscht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Osten haben wir aber inzwischen wieder ein un-

trügliches Gespür dafür entwickelt, wer es ehrlich mit uns
meint und wer nicht. Wir lassen uns kein X mehr für ein
U vormachen. Wer uns heute besucht, der bekommt das
zu spüren. Wir prüfen jeden, der etwas von uns will, auf
Herz und Nieren und vor allem dem, der unsere Stimme
will.

Eine solide Politik für den Osten kostet heute vor allem
eines: den Mut, den Menschen zu sagen, was Politik leis-
ten kann und was nicht. Der Glaube an die staatliche Ob-
rigkeit, auch an die staatliche Steuerung wirtschaftlicher
Prozesse ist im Osten noch weit verbreitet. Politisch ver-
antwortlich gegenüber dem Osten handeln heißt daher
nicht, den Glauben zu verbreiten, die Politik oder gar ein
einzelner Politiker könnte alles richten.


(Beifall des Abgeordneten Jörg Tauss [SPD])

Politisch verantwortlich gegenüber dem Osten zu handeln
heißt, solide Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der
Osten in Zukunft auf eigenen Beinen stehen kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder hatte
1998 erstmals den Mut, diesen Weg zu gehen, weg von
unfinanzierbaren Versprechungen, hin zu Ehrlichkeit,
Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit, weg vom Aktionis-
mus mit immer neuen Sonderprogrammen, hin zu einer
effizienten Förderung von Entwicklungspotenzialen. Die
falschen Weichenstellungen in den frühen 90er-Jahren
durch die Kohl-Regierung wurden korrigiert. Mit der För-
derung von Innovation, Investition, Forschung, Bildung,
Infrastruktur und regionaler Netzbildung wurden neue
Schwerpunkte gesetzt, wurde die Politik neu ausgerichtet.
Ich glaube, das ist der richtige Weg, das ist der Weg für
Ostdeutschland.


(Beifall bei der SPD)

Dieser Weg wird mit dem Bundeshaushalt 2003 kon-

kret und konsequent fortgesetzt. 40 Prozent aller Investi-
tionsausgaben fließen in die neuen Länder. Den Schwer-
punkt bildet der weitere Ausbau der Infrastruktur. Zur
Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der
ostdeutschen Wirtschaft fließen rund 100 Millionen Euro in
Forschung und Entwicklung. Durch das Stadtumbaupro-
gramm Ost wird die Lebensqualität in den Städten weiter
verbessert.


(Beifall bei der SPD)

Die neuen Länder sind auf dem Weg zu einer zukunfts-

orientierten Wirtschaft vorangekommen. Die wirtschaftli-
che Struktur hat sich erheblich verbreitert. Die neuen Län-
der sind inzwischen zu einer exzellenten Adresse für
Investoren geworden; aber wäre nach der Wende mehr er-
halten geblieben, käme heute leichter etwas hinzu.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Manfred Grund wollten Sie denn erhalten?)





Dr. Angela Merkel

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(C)



(D)



(A)



(B)


Die Kohl-Regierung hat uns 1998 mehr Probleme un-
gelöst hinterlassen, als sie gelöst hat. Die ostdeutsche
Industrie war weitgehend abgebaut. Der Aufschwung
von Anfang der 90er-Jahre war auf der Bauwirtschaft auf-
gebaut. Mit Steuersparmodellen und Fördermitteln wurde
zu oft am Bedarf vorbei ein künstlicher Bauboom aus-
gelöst, der uns heute Hunderttausende von leer stehenden
Mietwohnungen und Büroflächen beschert hat. Das war
Kapitalvernichtung in großem Umfang.


(Beifall bei der SPD)

Seit 1996 ging es mit der Bauwirtschaft steil bergab.

Der Aufbau der Industrie musste erst Schritt für Schritt
eingeleitet werden. Das war eine schwierige Aufgabe, an
der wir weiter arbeiten müssen, ohne dass die ganz schnel-
len Erfolge möglich wären. Das ist harte Arbeit, die den
Menschen viel abverlangt. Dazu kommt, dass Sie 1998
die Arbeitsmarktsituation mit Hunderttausenden von Ar-
beitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen
geschönt haben. Das muss hier noch einmal deutlich ge-
sagt werden.


(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie bezüglich der Arbeitslosigkeit mit dem Finger
auf uns zeigen, dann zeigen vier Finger auf Sie zurück.


(Beifall bei der SPD)

Viel Strohfeuer und Aktionismus, das war die Politik der
CDU, unter deren Folgewirkung der Osten noch heute lei-
det.

Wir kommen Schritt für Schritt voran. Der Aufbau Ost
ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Hinzu kommt,
dass die Flut vieles zunichte gemacht hat, was in jahre-
langer Arbeit geschaffen wurde. Mit dem Solidarpakt II
und dem Länderfinanzausgleich ist aber eine solide Basis
geschaffen worden, um den Aufbau Ost erfolgreich fort-
zuführen. Der Solidarpakt II ist eine politische Leistung,
vor allem des Kanzlers. Das hat er genauso zu seiner Sa-
che gemacht


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


wie das solide finanzierte Hilfspaket für die Flutopfer.
Herr Stoiber hat nicht nur gegen den Länderfinanzaus-

gleich geklagt, er klagt jetzt auch gegen den Ost-West-
Finanzausgleich der Krankenkassen. Wenn er sich mit
seinen Forderungen durchsetzt, würde das Jahr für Jahr
2 Milliarden Euro weniger für den Osten bedeuten. Ich
fordere Sie, Herr Stoiber, darum auf: Ziehen Sie Ihre
Klage zurück!


(Beifall bei der SPD – Ludwig Stiegler [SPD]: Der ist schon auf der Flucht!)


Sie haben uns heute 1 Milliarde Euro für den Osten in ei-
ner Legislaturperiode angeboten. Auf der anderen Seite
wollen Sie uns Jahr für Jahr 2 Milliarden Euro wegneh-
men. Das ist kein ehrliches Angebot.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich erwarte vom Kanzlerkandidaten der Union auch ein
klares Wort zu den EU-Vorschlägen von Herrn Fischler zur
Landwirtschaft. Unsere Position im Osten ist klar: Wir

lehnen die Kappung der Beihilfen nach Betriebsgrößen ab,
denn sie würde unsere traditionell groß strukturierten Be-
triebe besonders hart treffen.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Dabei haben diese Betriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit
nach der Wende eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der
Kanzler hat sich hinter den Osten gestellt. Ich frage Herrn
Stoiber: Wo stehen Sie? Vertrauen ist in der Politik ein
wirklich großes Geschenk. Vertrauen muss man sich hart
erarbeiten, vor allem im Osten. Der Kanzler hat das er-
kannt und handelt danach. Deshalb schenken wir im
Osten ihm das Vertrauen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425301000
Ich habe zwei Bitten
um eine Kurzintervention vorliegen. Die erste bezieht
sich auf die Rede von Frau Merkel. Ich habe das vorhin
vergessen; deswegen folgen jetzt die Kurzinterventionen.
Frau Köster-Loßack, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verantwortung Deutschlands angespielt. In der Frage der
Irakpolitik des Präsidenten der Vereinigten Staaten war
von der Existenzgefährdung Israels bei den Plänen, die
vorgelegt wurden, bisher nicht die Rede.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Was lachhaft ist! Das weiß doch jeder!)


Ich bin für drei Wochen in den Vereinigten Staaten ge-
wesen und habe dort die Zerwürfnisse innerhalb der ame-
rikanischen Regierung mitbekommen. Ich kann nur sa-
gen, dass Kanzler Schröder und Außenminister Fischer
sich gerade dieser historischen Verantwortung gegenüber
Israel sehr bewusst sind, wenn sie es unter diesen Um-
ständen abgelehnt haben, eine unilaterale Attacke gegen
den Irak zu unterstützen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


Jetzt wurde ein weiterer Schritt auf die Vereinten Na-
tionen zu gemacht. Es ist trotzdem nicht geklärt, was pas-
siert, wenn die internationale Allianz gegen den Terroris-
mus, die bisher nur sehr prekär war, zerbricht, und was
passiert, wenn die Konflikte in der gesamten Region –
auch der Kaschmirkonflikt – in kriegerischer Art aufbre-
chen und dazu führen, dass Israel von den arabisch-isla-
mischen Staaten und von der islamischen Staatengemein-
schaft insgesamt dazu verdammt wird, alleine zu stehen.

Ich glaube, wir müssen außenpolitisch die allergrößte
Vorsicht walten lassen und dürfen nicht ganz bestimmten
Interessen innerhalb der amerikanischen Regierung jetzt
das Wort reden. Wir müssen vorsichtig und mit diplo-
matischem Fingerspitzengefühl vorangehen. An allerers-
ter Stelle steht nicht nur unsere Sicherheit, sondern vor al-
lem das Überleben Israels. Das ist die wichtigste Frage,
die hier zunächst gelöst werden muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff (Mecklenburg-Vorpommern)

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(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425301100
Frau Kollegin Merkel
möchte nicht darauf antworten.

Nun hat der Kollege Nooke das Wort für eine Kurzin-
tervention.


(Hubertus Heil [SPD]: Der muss sich ein bisschen ins Fernsehen bringen!)



Günter Nooke (CDU):
Rede ID: ID1425301200
Frau Präsidentin! Sehr
verehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, das,
was Sie hier zum Thema Aufbau Ost angeboten haben, ist
falsch. Sie versuchen hier als Ministerpräsident eines
Landes Stimmung zu machen,


(Widerspruch bei der SPD – Peter Dreßen [SPD]: Was tut denn Stoiber Ihrer Meinung nach?)


das ganz hinten steht. Sie haben davon gesprochen, dass
es keine blühenden Landschaften gibt. Was ist denn in den
Fluten untergegangen? Was kostet denn jetzt in Sachsen
und Sachsen-Anhalt Geld? Es ist die Wiederherstellung
der blühenden Landschaften von Helmut Kohl. Woran
liegt es denn, dass es bei Ihnen weniger aufwärts gegan-
gen ist?


(Widerspruch bei der SPD)

Sie sprechen davon, dass die politisch Verantwortli-

chen im Osten darauf hinweisen müssen, dass der Staat
nicht alles leisten kann. Aber was machen Sie? Sie regie-
ren zusammen mit der PDS und sagen bei Ihrer erneuten
Kandidatur, dass Sie nach den Landtagswahlen wieder
mit der PDS zusammen regieren wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Diese Partei betreibt doch die entsprechende Stimmungs-
mache in Ostdeutschland, dass der Staat alles leisten und
bezahlen könne.


(Zuruf von der PDS: Die Partei, die das Wasser gemacht hat!)


Was Sie hier anbieten, ist doch in höchstem Maße unehr-
lich.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Quatsch, was Sie da sagen!)


Herr Ministerpräsident, schauen Sie sich Ihre Bilanz
an: Vor Ihrer Zeit gab es in Mecklenburg-Vorpommern
eine Bildungspolitik wie in Sachsen und Thüringen. Was
haben Sie erreicht? – Sie liegen ganz hinten, Sachsen aber
auf Platz drei und Thüringen auf Platz vier. Ihre Bilanz
sieht doch so aus, dass das, was Sie hier anbieten, nicht
funktioniert. Ich glaube – das muss man einfach feststel-
len –, dass nirgends so viel junge Menschen wie aus
Mecklenburg-Vorpommern weglaufen – und das auf-
grund Ihrer Politik. Frau Merkel hat die Zahlen genannt:
Im Jahre 2000 sind 61 000 und im Jahre 2001 103 000
mehr Menschen aus dem Osten weggegangen, als aus
dem Westen in den Osten gekommen sind.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Was ist denn mit der Klage Bayerns gegen den Strukturausgleich?)


In Ihrem Land ist es am schlimmsten. Ihre Politik ist doch
zum Davonlaufen. Deshalb finde ich es schon erstaunlich,
dass Sie uns hier vorwerfen, wir hätten beim Aufbau Ost
nichts erreicht.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Dummschwätzer!)

In den letzten vier Jahren gab es aus Ihrer Fraktion

nicht einen diesbezüglichen Antrag. Herr Thierse gibt den
Hofnarren und macht hier die richtigen Sprüche, Herrn
Schwanitz kennt keiner.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Pfui! – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Flegel! – Weiterer Zuruf von der SPD: Unverschämtheit!)


Das ist Ihre Bilanz bezüglich des Aufbaus Ost. Wir kön-
nen darüber gerne emotional diskutieren, wir lassen uns
aber unsere Erfolge nicht kaputtreden.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Wendehals! – Peter Dreßen [SPD]: Unglaublich, den Präsidenten als Hofnarren zu bezeichnen!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425301300
Das Wort zur einer
Erwiderung hat der Ministerpräsident des Landes Meck-
lenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff.


(Mecklenburg-Vorpommern)

unsere Erfolge nicht kaputtreden.


(Beifall bei der SPD)

Sie verfolgen dieselbe Politik wie der Oppositionsführer
bei uns im Landtag: das Land schlechtreden, schlechtre-
den, schlechtreden.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Eine schlechte Politik!)


Ich will Ihnen einige Fakten nennen:
Erstens. Unser Bundesland nimmt bezüglich des

Wachstums der gewerblichen Wirtschaft in der letzten Le-
gislaturperiode Platz zwei bezogen auf die ganze Bundes-
republik Deutschland ein.

Zweitens. Wir haben in dieser Legislaturperiode das
zweithöchste Industriewachstum unter den ostdeutschen
Ländern.

Drittens. Wir sind seit drei Jahren Nummer eins im
Tourismus in Deutschland, obwohl Ihr Oppositionsführer
gesagt hat: Aufgrund der rot-roten Regierung würden
keine Touristen mehr zu uns kommen.

Viertens. Unsere Universitäten haben wir so ausge-
baut, dass sie im innerdeutschen Ranking auf Platz zwei
stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Als Letztes: Zu Unionszeiten, Herr Nooke, sind mehr
Leute aus Mecklenburg-Vorpommern weggegangen als
jetzt.






(C)



(D)



(A)



(B)


Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425301400
Herr Abgeordneter
Nooke, Sie haben den Bundestagspräsidenten als Hofnar-
ren bezeichnet. Ich rüge Sie deswegen. Ich glaube, wir
sollten aufhören, die Institutionen des Parlamentarismus
zu beschädigen.


(Beifall bei der SPD und der PDS – Günter Nooke [CDU/CSU]: Habe ich nicht gemacht! Ich habe nicht den Präsidenten genannt! Das ist völlig falsch! – Gegenruf des Abg. Hans Georg Wagner [SPD]: Verleumder!)


– Herr Thierse ist der Bundestagspräsident und wenn Sie
Herrn Thierse als Hofnarren bezeichnen, bezeichnen Sie
den Bundestagspräsidenten als Hofnarren. Das ist ja wohl
eindeutig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Gehrcke für die
PDS-Fraktion.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425301500
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich wusste vor der Debatte
gar nicht, wie wichtig die Frage ist, ob man telefonieren
kann oder nicht. Da kann ich natürlich nicht zurückstehen.
Auch ich habe telefoniert; ich habe mit meiner Frau tele-
foniert. Die Nummern von Chirac, Putin und Kofi Annan
waren pausenlos besetzt. Wahrscheinlich hat Herr Stoiber
die Leitungen blockiert.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Hans Georg Wagner [SPD]: Da hat die CDU angerufen! Da war der Stoiber am Telefon!)


Aber wenn telefonieren können der Ausweis für Außen-
politik ist, dann sind wir schon sehr heruntergekommen.

Ich glaube, wir sollten hier sehr klar erkennen, dass
das, was Frau Merkel und Herr Stoiber bezüglich des Irak
vorgetragen haben, im Kern heißt: Deutschland wird mit-
machen. Unter Windungen und unter Schmerzen kann
Herr Fischer dann wieder sagen, dass sein Herzblut aus-
fließt, aber Deutschland wird mitmachen. Genau das
muss man mit einem Beschluss des Deutschen Bundesta-
ges verhindern.


(Beifall bei der PDS)

Meine Frau hat mir geraten – man muss ja einen Nutz-

effekt daraus ziehen –,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Rede nicht!)

vor dem Bundestag Nelson Mandela, den von allen Frak-
tionen doch sehr geschätzten, immer wieder zitierten Frie-
densnobelpreisträger zur Bush-Rede zu zitieren. Ich
möchte Ihnen das vortragen, was Nelson Mandela gesagt
hat:

Die Vereinigten Staaten sind eine Bedrohung für den
Weltfrieden. Die Vorbereitung eines Militärschlags
gegen den Irak im Alleingang mit Großbritannien
muss aufs Strengste verurteilt werden.

Laut Mandela ist die Politik der USA also eine Bedro-
hung für den Weltfrieden. Die Rede von Präsident Bush
vor den Vereinten Nationen war keine Rede des Friedens.
Es war eine Rede des Krieges. Das, was hier als Angebot
dargestellt wird, heißt doch nichts anderes als: Wenn die
Vereinten Nationen mitmachen, dann sind wir mit euch,
und wenn ihr nicht mitmacht, werden wir es alleine ma-
chen. – Das ist die Art und Weise, wie Weltherrschaft aus-
geübt wird und wie mit der Souveränität anderer Staaten
umgesprungen wird.

Nach den Wahlen – auch das ist bekannt – ist vor dem
Krieg. Ein Krieg gegen den Irak ist die Fackel in das Pul-
verfass Naher Osten. Ein Krieg gegen den Irak kann sich
zu einem neuen Weltkrieg, zu einem dritten Weltkrieg,
ausweiten. Es ist ein Krieg um eine neue Weltordnung.
Deswegen halte ich es für gerechtfertigt, von hier aus dazu
aufzufordern, Nein zu diesem Krieg – Nein in der Öffent-
lichkeit, Nein in den Vereinten Nationen und auch Nein
hier im Bundestag – zu sagen.


(Beifall bei der PDS)

Die Menschen in unserem Lande haben den Eindruck,

dass der Kanzler mit ihren Ängsten – mit den Ängsten
vor Arbeitslosigkeit, mit den Ängsten, dass der Osten
hängen gelassen wird, und mit den Ängsten vor einem
neuen Krieg – spielt, weil er darauf setzt, als starker
Mann auftreten zu können und die Dinge auf sich zu kon-
zentrieren: Chefsache Ost, Chefsache Arbeitslosigkeit
und Chefsache Irak-Krieg. Eins muss ich den Kollegin-
nen und Kollegen von SPD und Grünen lassen: Bei Ihnen
funktioniert der demokratische Zentralismus. Wenn der
Kanzler sagt: „Wir sind für den Krieg“, dann sind Sie alle
für den Krieg,


(Jörg Tauss [SPD]: Na, na!)

wenn der Kanzler sagt: „Wir sind gegen den Krieg“, dann
sind Sie alle gegen den Krieg. Glaubwürdigkeit erreichen
Sie gerade in dieser Frage so nicht.


(Beifall bei der PDS)

Glaubwürdigkeit erreicht man, wenn man nicht auf ein

Kanzlerwort baut. Kanzlerworte kommen und gehen.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist wahr!)


Entscheidend ist, was der Deutsche Bundestag beschließt.
Diesen einfachen Satz, den Sie in der Öffentlichkeit als
Unterstützung Ihres Kanzlers auslegen können, zu be-
schließen, nämlich dass man an einem Krieg nicht teil-
nimmt, dem wollen Sie sich verweigern. Das ist doch ein-
deutig.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Dazu kommt, dass man nicht nur Worte schwingen

darf, sondern dass Taten gefordert sind. Die Panzer aus
Kuwait müssen zurück – und nicht erst dann, wenn ein
Krieg begonnen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)





Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff (Mecklenburg-Vorpommern)

25614


(C)



(D)



(A)



(B)


Es muss klargemacht werden, dass die USA in Deutsch-
land keine Überflugs- und Stationierungsrechte im Zu-
sammenhang mit einem Krieg im Irak ausüben können.
Es muss auch klargemacht werden, dass das Drehbuch, in
dem steht, wie dieser Krieg stattfinden soll, schon längst
geschrieben ist. Es war schon kennzeichnend, dass
Außenminister Fischer auf den Kosovo-Krieg aufmerk-
sam gemacht hat. Schauen wir uns das Drehbuch noch
einmal an.

Der erste Schritt war, dass man von einer Drohkulisse
sprach, die aufgebaut werden sollte. Es wurde zwar Nein
zum Krieg gesagt, es wurde aber auch davon gesprochen,
dass man eine Drohkulisse brauche. Auch heute spricht
man von der Notwendigkeit einer Drohkulisse.


(Jörg Tauss [SPD]: Wir nicht!)

Der zweite Schritt war, dass man gesagt hat, diese

Drohkulisse müsse glaubwürdig und robust sein. „Ro-
bust“ ist anscheinend ein Lieblingswort von Außenminis-
ter Fischer. Ich habe gelernt, dass er dieses Wort immer
mit Herzbeklemmung und dem Verlust von Herzblut aus-
spricht. Bei der großen Zahl der Kriegseinsätze, die er im
Parlament gerechtfertigt hat, müsste er eigentlich schon
völlig ausgeblutet sein.

Der dritte Schritt war, dass man in der Bevölkerung
eine Stimmung geschaffen hat, in der man den Krieg
rechtfertigen konnte. Erinnern Sie sich an die Bilder, die
im Bundestag gebraucht wurden! Erinnern Sie sich an den
Hufeisenplan! Erinnern Sie sich an den aberwitzigen Ver-
gleich von Kosovo und Auschwitz! Dieser Vergleich
stammte doch von Vertretern Ihrer Regierung. Wir wer-
den erleben – Frau Merkel hat schon damit angefangen –,
dass solche Bilder wieder im Bundestag gebraucht wer-
den.

Der deutschen Bevölkerung ist nie die Wahrheit gesagt
worden, was die deutsche Kriegsbeteiligung in Afghanis-
tan angeht:


(Jörg Tauss [SPD]: Sie haben sie nicht zur Kenntnis genommen!)


kein Wort zum KSK und zu den Toten, die es bei den
Militäreinsätzen gegeben hat. Ich will Sie in diesem Zu-
sammenhang darauf aufmerksam machen, dass 45 Pro-
zent der Menschen in unserem Lande eine deutsche Be-
teiligung an Militäreinsätzen prinzipiell ablehnen. Sie
hatten im Bundestag nur eine Vertretung; das war die
PDS-Fraktion.

Diesen Menschen will ich sagen: Vielleicht waren un-
sere Argumente in den vielen Diskussionen nicht immer
gut genug.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist wahr!)

Ich will ihnen weiterhin sagen: Vielleicht waren wir nicht
immer mutig genug. Ich will ihnen sogar zugestehen, dass
vielleicht auch wir Illusionen hinsichtlich Rot-Grün hat-
ten.

Sicher ist aber, dass wir zu wenige waren und dass die
Menschen von uns noch mehr Anstrengungen erwartet
haben, diesen deutschen Kriegskurs zu stoppen und die-
ser Entwicklung zu widerstehen. Sicher gab es auch bei

uns den Wunsch, nicht immer in der Minderheit zu sein.
Aber sicher ist auch: Wir haben standgehalten, während
andere umgefallen sind.


(Beifall bei der PDS)

Wir haben in diesem Parlament siebzehnmal gegen

deutsche Militäreinsätze und deren Verlängerungen ge-
stimmt. Wir haben gegeben, was wir konnten, weil wir
wussten, dass dieser Weg für Deutschland verhängnisvoll
ist. Wir haben uns im Bundestag oft den Vorwurf anhören
müssen, dass wir Nein sagen. Aber ich habe die Erfahrung
gemacht: In diesem Parlament sitzen zu viele Jasager und
zu wenige Neinsager. Man muss an den richtigen Stellen
auch einmal Nein sagen können.


(Beifall bei der PDS)

Das Szenario, das ich hier aufgezeigt habe, war das

Drehbuch für den Kosovo-Krieg. Dieses Szenario wird
wieder aufgebaut werden, um einen Krieg gegen den Irak
zu begründen. Was der Kanzler bisher gesagt hat, ist aus
meiner Sicht wenig überzeugend und wenig glaubwürdig,
weil er weiß, dass der Weg so verlaufen wird.

Wenn Sie glaubwürdig sein wollen und wenn Rot-
Grün diese Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen will,
dann gibt es dafür zwei Möglichkeiten: Entweder Sie
stimmen dem Antrag der PDS zu – damit hätte der Bun-
destag entschieden, dass es keine deutsche Kriegsbeteili-
gung geben wird – oder Sie bringen einen eigenen Antrag
ein, in dem dieser Satz enthalten ist. Wenn Sie beides nicht
wollen, dann betreiben Sie billigen Wahlkampf und sind
wenig glaubwürdig. Sie werden mit der Frage „Ja oder
Nein zum Krieg?“ nicht weiter spielen dürfen. Hier ist
Ernsthaftigkeit gefordert. Nicht der Kanzler, sondern das
Parlament hat die Entscheidung zu treffen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425301600
Nun erteile ich der
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul das Wort.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heu-
tige Debatte ist auch eine Debatte über die internationale
Verantwortung Deutschlands. Es geht in der Tat auch um
die Frage, wie man Frieden stiften kann. In diesem Zu-
sammenhang erinnere ich daran, dass wir alle nach dem
11. September 2001 der Meinung waren, es gehe darum,
dass wir dem Terrorismus notfalls auch mit polizeilichen
und militärischen Mitteln entgegentreten. Es geht aber
auch darum, Schritte in Richtung einer gerechteren Welt-
ordnung zu gehen, um damit beizutragen, die Armut welt-
weit zu bekämpfen, und um dem Gefühl von Ohnmacht
und Hoffnungslosigkeit weltweit entgegenzuwirken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unsere Regierung hat Schritte in die richtige Richtung
gemacht. Wir wollen und dürfen nicht auf halber Strecke
stehen bleiben. Wir haben dazu beigetragen, die ärmsten




Wolfgang Gehrcke

25615


(C)



(D)



(A)



(B)


Entwicklungsländer im Umfang von 70 Milliarden US-
Dollar zu entschulden, und es ihnen damit ermöglicht, die
Armut und die Hoffnungslosigkeit in ihren Regionen zu
bekämpfen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist ein richtiger Schritt in Richtung Friedensstiftung
und in Richtung einer gerechteren Gestaltung der Glo-
balisierung.

Wir haben für die ärmsten 48 Entwicklungsländer den
völlig freien Marktzugang zur Europäischen Union er-
reicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben damit die Chance, selber Einkommen zu er-
wirtschaften und sich wirtschaftlich zu entwickeln. Da-
mit haben wir der Hoffnungslosigkeit und dem Gefühl
der Unterlegenheit und Ohnmacht weltweit entgegenge-
wirkt. Das ist ein sehr deutlicher Beitrag zur Friedens-
stiftung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir packen heute präventiv die Konflikte der Zukunft
an. Mit unserer Entwicklungszusammenarbeit wollen wir
dazu beitragen – das haben wir auf dem Gipfel in Johan-
nesburg international verankert –, dass bis zum Jahr 2015
ein großer Teil der Menschheit Zugang zu sauberem
Trinkwasser und zu sanitärer Grundversorgung hat. Da-
mit leisten wir einen Beitrag dazu, dass Millionen von
Menschen in der Welt – zumal Kinder – nicht sterben
müssen. Auch damit tragen wir zur Schaffung von Hoff-
nung und zur Bekämpfung der Armut in der Welt bei.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Man schätzt, dass bis zum Jahre 2025 etwa 2 Milliar-
den Menschen von Wasserknappheit drastisch und dra-
matisch bedroht sind. Wenn wir Unterstützung zur Ver-
wirklichung eines besseren Wassermanagements bieten,
tragen wir dazu bei, künftige Kriege um Wasser zu ver-
hindern. Auch das ist ein Beitrag zur Friedensstiftung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


In Johannesburg haben wir uns bei unseren Partnerlän-
dern für Energieeffizienz und erneuerbare Energien ein-
gesetzt, wie wir es auch in unserer praktischen Arbeit in
der Bundesregierung und in unserem Ministerium tun. Als
Folge des Gipfels von Johannesburg wird es eine große
globale Koalition von mehr als 80 Ländern geben, die
sagen: Wir wollen in diesem Bereich vorankommen. – Sie
leisten damit einen Beitrag dazu, künftige Unwetterkata-
strophen und Klimakatastrophen zu verhindern. Auch da-
rum geht es, wenn wir davon sprechen, internationale Ver-
antwortung wahrzunehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich bin es leid, dass immer wieder der Eindruck er-
weckt wird, internationale Verantwortung nähme man nur
militärisch wahr.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Was wir heute tun müssen, um künftige Krisen und Kriege
zu verhindern, das tun wir auch.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Orientierung bringt den Entwicklungsländern
Chancen. Sie schafft bei uns Arbeitsplätze und macht un-
abhängiger vom Öl. Diejenigen Länder, die sich auf diese
Schwerpunkte konzentrieren, kommen auf den Welt-
märkten voran.

Was hat die CDU/CSU getan? Sie hat alle unsere Ge-
setze im Bereich der erneuerbaren Energien abgelehnt.
Sie setzt auf Atomenergie. Eine Richtungsentscheidung
steht vor uns – das ist wahr –: Es geht darum, ob das, was
wir begonnen haben, die Friedenssicherung und die Kon-
fliktprävention, weiterhin in den internationalen Bezie-
hungen eine Chance hat, fortgesetzt zu werden, oder ob
wir in vergangene Zeiten zurückfallen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Angesichts der Probleme die wir hier im Land aufzu-
arbeiten haben – Stichwort: Lasten der Überschwem-
mungskatastrophe und wirtschaftliche Entwicklung –,
und angesichts dessen, was international zu leisten ist,
sage ich: Lassen Sie uns doch die in unserem Land und in
der Welt zur Verfügung stehenden Mittel konzentriert
dafür einsetzen, dass diese Probleme gelöst werden, und
lassen Sie uns sie nicht für Krieg verschwenden! Das
muss unsere Orientierung sein; das ist die richtige Per-
spektive.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Für das, was ich Ihnen als Entwicklungsministerin im
Folgenden sagen möchte, berufe ich mich auf Horst
Köhler, den Managing Director des Internationalen
Währungsfonds und ehemaligen Staatssekretär im Hause
Waigel. Er warnt vor einem Irak-Krieg und weist darauf
hin, dass ein solcher Krieg dramatische Auswirkungen auf
die Entwicklungs- und Schwellenländer haben wird.
Diese sind am stärksten von weltwirtschaftlicher Rezes-
sion bedroht. Für sie würde der Zerfall des Bündnisses ge-
gen den Terrorismus dramatische Auswirkungen haben,
und das Ziel, das wir uns weltweit bis zum Jahr 2015 ge-
setzt haben, nämlich die Armut drastisch zu bekämpfen,
hätte keine Chance mehr.


( V o r s i t z : Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Wer weiß, dass Unsicherheiten auf den Kapitalmärkten
für die Entwicklungsländer drastische Auswirkungen ha-
ben und Ölpreiserhöhungen sinkende Wachstumsraten
nach sich ziehen, wer weiß, dass steigende Militärausga-




Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
25616


(C)



(D)



(A)



(B)


ben in letzter Konsequenz durch Aufrüstung Wachstum
bremsen, der muss dafür plädieren, dass wir alle Lösun-
gen versuchen um zu verhindern, dass ein Krieg gegen
den Irak in Gang kommt, und dafür sorgen, dass die poli-
tischen Lösungen und nicht das militärische Denken über-
wiegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die geschätzten Kos-
ten dieses Irak-Krieges liegen bei 80 Milliarden US-
Dollar. Beim Golf-Krieg hat sich Deutschland seinerzeit
mit 18 Milliarden DM beteiligt. Wir werden uns weder fi-
nanziell noch militärisch an diesem Irak-Krieg beteiligen.
Wir werden dafür sorgen, dass unsere Position, die heute
im Deutschen Bundestag zum Ausdruck gekommen ist,
sehr klar ist.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Was reden Sie denn eigentlich?)


Ich sage Ihnen: Wenn an dieser Stelle der Kanzlerkan-
didat der CDU/CSU nicht klar Position bezieht und er-
klärt, was seine Erwartungen und Vorstellungen sind,
dann hat sich die CDU/CSU offensichtlich schon der Per-
spektive des Krieges unterworfen und will es nur noch
nicht laut sagen, weil sie weiß, wie unpopulär eine solche
Position in der deutschen Bevölkerung ist.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425301700
Das Wort
hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ludwig
Stiegler.

Ludwig Stiegler (SPD) (von Abgeordneten der SPD
mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Wir haben heute Oppositionsreden nach dem
Strickmuster der Rede von Franz Josef Strauß auf der Ta-
gung am 18./19. November 1974 in Sonthofen gehört. Ich
will einige Kernaussagen aus der Strauß-Rede in Erinne-
rung rufen, damit Ihnen auffällt, was hier zugange ist.

Er sagte damals, erstens darf man in einer solchen Si-
tuation überhaupt kein Rezept empfehlen. – Das haben
wir erlebt. Dann sagte er, es muss alles wesentlich tiefer
sinken, es muss einen Schock im öffentlichen Bewusst-
sein geben. Weiter sagte er, man darf sich nicht um die
Themen kümmern, die viel Detailkunde brauchen, son-
dern man braucht die Emotionalisierung der Bevölke-
rung, die Furcht, die Angst und das düstere Zukunftsbild
sowohl innen- wie außenpolitischer Art.

Meine Damen und Herren, er sagte auch, man kann
nicht genug an allgemeiner Konfrontierung schaffen.
Und: Das alles darf uns nicht daran hindern, unter einem
Übermaß an Objektivität zu leiden. Schließlich sagte er
– Stoibers Taktik derzeit –: nur anklagen, warnen, aber
keine konkreten Rezepte nennen!


(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie haben nach der Strauß-

Theorie versucht, die Bevölkerung mit genau dieser Tak-

tik zu überziehen. Sie meinen, Sie müssen ein schwarzes
Loch malen. Ich sage Ihnen aber: In diesem schwarzen
Loch werden Sie selber verschwinden.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425301800
Herr Kol-
lege Stiegler, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kolle-
gen Glos?


Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1425301900
Bei Michael Glos bleibt mir
nichts anderes übrig.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425302000
Bitte
schön, Herr Glos.


Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID1425302100
Herr Kollege Stiegler, da
Sie gerade beim Polemisieren sind und allgemein bekannt
ist, dass Ihnen dabei manchmal das Temperament durch-
geht, frage ich Sie, ob Sie bereit sind, sich für das zu ent-
schuldigen, was Angela Merkel aus einer niedersächsischen
Zeitung vorgelesen hat, nämlich dass Sie Stoiber mit Nero
verglichen und gesagt haben, der wolle das Land anzünden.


Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1425302200
Meine Damen und Herren,
Angela Merkel hat mir schöne Stichworte gegeben, du
hättest also gar nicht zu fragen brauchen. Ich wäre schon
noch darauf gekommen. Du darfst dich jetzt auch wieder
hinsetzen,


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nein! Entschuldigt er sich?)


weil ich im Laufe meiner Rede darauf eingehe.

(Zurufe von der CDU/CSU)


– Ja gut, dann wird es nicht auf die Redezeit angerechnet;
umso besser.

Zum Stichwort „Wahrheit“: Ich habe den Stoiber einen
Experten in Sachen Unwahrheit genannt,


(Beifall bei der SPD)

und zwar aus folgenden Gründen: Was er über die Wir-
kungen der Steuerreform und insbesondere über die Aus-
wirkungen auf den Mittelstand sagt, ist die glatte Un-
wahrheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Gegenteil von dem, was Herr Stoiber sagt, ist wahr.
Das Gegenteil von dem, was Herr Stoiber über die Wir-

kungen des Zuwanderungsgesetzes sagt, ist wahr.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Er steht vor der Wahl: Entweder bekennt er, dass er kein
Gesetz lesen kann, oder er bekennt, dass er vorsätzlich die
Unwahrheit sagt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Die Antwort auf unsere Frage!)





Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul

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(C)



(D)



(A)



(B)


Wer hier wie Herr Stoiber sagt, man mache das Tor für
Millionen Zuwanderer auf, der hat das Gesetz nicht gele-
sen. Wer behauptet, die Aufhebung der Anwerbestopp-
verordnung und die Tatsache, dass jetzt im Gesetz steht,
was hier zu regeln ist, bedeute eine Öffnung der Türe,
spricht die Unwahrheit. Die Anwerbestoppverordnung ist
aufgehoben,


(Michael Glos [CDU/CSU]: Ich warte immer noch auf die Beantwortung der Frage!)


genauso wie die Anwerbestoppausnahmeverordnung.
Wenn Herr Stoiber etwas anderes behauptet, steht er mit
der Wahrheit auf Kriegsfuß.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Gleiche gilt für das, was er über die wirtschaftli-
che Entwicklung dieses Landes sagt. Das hat mit der ob-
jektiven Wahrheit nichts zu tun.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Die Antwort!)


Wenn Lügen kurze Beine hätten, könnte Edmund Stoiber
die nächsten Stabhochsprungweltmeisterschaften im
Maßkrug ausrichten.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425302300
Herr Kol-
lege...


Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1425302400
Dies zu der Entschuldigung,
die Sie angesprochen haben.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist hier nichts zurückzunehmen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425302500
Herr Kol-
lege Stiegler...


Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1425302600
Was Kaiser Nero betrifft: Ich
habe bilderreich geschildert, dass Kaiser Nero den Unter-
gang besingen wollte. Was hat denn Herr Stoiber heute an-
deres getan, als den Untergang und den Abgrund zu be-
singen?


(Beifall bei der SPD)

Daraus zieht er seine Lust. Nach Franz-Josef-Strauß-Ma-
nier will er sich als Retter in der Not feiern lassen. Wenn
dies so ist, muss er sich gefallen lassen, dass er hart ange-
fasst wird. Man kann nicht selber zulangen, aber dann,
wenn man selbst eine gewischt kriegt, zur Mama laufen.
Das haut nicht hin.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425302700
Herr Kol-
lege Stiegler, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des
Kollegen Glos? Ich bitte Sie aber darum, dass die Antwort
kurz und präzise und nicht eine Nebenrede ist.


Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1425302800
Herr Präsident, die Antwort
war kurz und präzise.


(Lachen bei der CDU/CSU)



Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID1425302900
Herr Kollege Stiegler, ich
frage Sie noch einmal – –


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425303000
Herr Kol-
lege Glos, einen Moment bitte! Herr Kollege Stiegler, das
beurteile ich. Diese Antwort war nicht kurz und präzise.
Ich bitte, auf die nächste Frage kurz und präzise zu ant-
worten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Herr Kollege Glos, bitte schön.


Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID1425303100
Heißt das, dass Sie nicht
bereit sind, sich für diese einmalige Entgleisung durch
den Vergleich mit Nero, der – wie Sie gesagt haben – Rom
absichtlich angezündet hat, zu entschuldigen? Bis jetzt
war es ein wortreiches Herumreden.


Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1425303200
Ich habe nicht gesagt, dass
Stoiber Rom anzünden will, sondern dass er sich wie wei-
land Kaiser Nero am Untergang des Vaterlandes weiden
und es besingen will, um sich als Retter in der Not feiern
zu lassen. Das war die Botschaft.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Stiegler sagt die Unwahrheit! Es hat geheißen: Nero hat Rom angezündet!)


Wer Ohren hat, der höre!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Du lügst!)


– Wer Ohren hat, der höre!
Meine Damen und Herren, Sie können nicht glauben,

dass Sie hier über die Marktplätze und über das Land zie-
hen und diese Bundesregierung und die sie tragende Koa-
lition mit falschen Aussagen, mit Aussagen, die grob
wahrheitswidrig sind, angreifen können und meinen, wir
würden uns dann hinstellen und sagen: Haut uns auch
noch auf die rechte Backe! Hier gilt alttestamentarisch:
Auge um Auge, Zahn um Zahn.


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


– Ich glaube schon, dass Ihnen das nicht gefällt. Wenn die
FDP noch etwas mausig wird, lese ich noch vor, was
Strauß über die FDP gesagt hat.


(Heiterkeit bei der SPD – Dr. Karlheinz Guttmacher [FDP]: Eine Zumutung, Herr Stiegler!)


Dann zerstöre ich aber manche Beziehungen.
Wir haben hier erlebt, dass Sie meinen, alles schwarz

malen zu können. Sie sind zwar Schwarze, aber deshalb




Ludwig Stiegler
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(C)



(D)



(A)



(B)


ist hier nicht alles schwarz zu malen. Ich fange mit dem
Kollegen Beckstein an. Welche Krisenszenarien hat er
nicht vor dem 11. September aufgebaut! Er wollte das
Land in Unsicherheit und Furcht vor Terror bringen, um
sich hinterher als Retter in der Not preisen zu können. Wir
haben Otto Schily, der zu Vernunft und zu Zurückhaltung
gemahnt hat. Otto Schily hat Recht behalten. Günther
Beckstein sollte sich bei Otto Schily entschuldigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will mir hier kurz anschauen, was Sie zu Ihrer Hin-
terlassenschaft sagen: Sie sind auf der Flucht vor Ihrer
Vergangenheit. Sie haben 1998 einen Sanierungsfall hin-
terlassen. Wir zahlen 75 000 Euro pro Minute für Ihre
Schuldenlast, auch jetzt, wo wir hier zusammensitzen.
Und was wollen Sie? Kaum ist der Stall des Augias aus-
gemistet, wollen Sie wieder einziehen und zum Beispiel
bei der Hochwasserhilfe neue Schulden machen. Sie blei-
ben draußen!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie jammern über Steuern und Abgaben, haben uns
aber die höchste Steuer- und Abgabenlast hinterlassen.
Glauben Sie bloß nicht, dass Ihnen die Menschen das
glauben, was Sie hier erzählen! Selber nichts zustande
bringen und bei anderen fordernd auftreten, so haben wir
nicht gewettet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt schlägt es dreizehn.

Sie kommen daher und nennen die Arbeitslosigkeit eine
Katastrophe. Dass Sie kein Griechisch können, weiß ich
inzwischen; „katastrophae“ heißt: plötzliche, jähe Wen-
dung. Schauen wir uns doch einmal die Entwicklung der
Arbeitslosigkeit an: In der Regierungszeit von CDU/CSU
und FDP ist die Arbeitslosigkeit Jahr für Jahr gestiegen;
der Scheitelpunkt war 1998.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sie sind eine Katastrophe für die SPD!)


Gerhard Schröder und die rot-grüne Koalition haben
dafür gesorgt, dass die Arbeitslosigkeit zurückging. Wir
haben jetzt eine niedrigere Arbeitslosigkeit als zu Ihrer
Zeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Während Sie sich mit Ihrer Semantikabteilung bespre-
chen, weil Sie bei der Hochwasserhilfe so schlecht ausge-
sehen haben, wollen Sie plötzlich die Hilfe in der Not ver-
kleinern und wollen eine Entwicklung fortsetzen, dessen
Erbe wir von Ihnen übernommen haben. Stellen Sie sich
Ihrer Verantwortung! Es ist eine alte konservative Tradi-
tion, Schwierigkeiten zu hinterlassen und sich dann vom
Acker zu machen. Stellen Sie sich endlich Ihrer Verant-
wortung!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Sie haben hier getreu nach
Franz Josef Strauß keine Rezepte genannt,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Weil Sie nicht zugehört haben!)


weil Sie nur anklagen wollen, weil Sie sich als Retter in
der Not feiern lassen wollen. Wir nennen der Bevölkerung
unsere Projekte: Vereinbarkeit von Familie und Beruf
bzw. Schule, Gleichstellung von Frauen und Männern,
Chancengleichheit der Kinder aus bildungsfernen Schich-
ten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bei Ihnen ist das BAföG untergegangen. Durch uns sind
wieder fast 100 000 mehr Schülerinnen und Schüler, Stu-
dentinnen und Studenten in der BAföG-Förderung. Das
ist konkrete Politik für die Menschen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Sie vergessen das Meister-BAföG!)


– Das Meister-BAföG kommt hinzu.
Oder reden wir über die alternativen Energien:. Sie

sind noch im Industriemuseum, während wir weltweit
Spitze in der Entwicklung alternativer Energien sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In dem Zusammenhang äußere ich meine Sorge vor der
Bewusstseinsspaltung von Edmund Stoiber: Wenn in Te-
melin in der Tschechischen Republik ein Atomkraftwerk
gebaut wird, dann droht der Untergang des bayerischen
Waldes. Wenn nebenan in Ohu ein Atomkraftwerk steht,
dann ist das ein Wunderwerk der Technik.– Meine Damen
und Herren, wer zwei gleiche Anlagen unterschiedlich be-
urteilt, die nur etwa 100Kilometer auseinander liegen, der
kann nicht ganz dicht sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)


– Dann nehmen Sie die Aussagen zu Temelin zurück! Das
ist im Grunde ein Nationalismus, um nicht einen härteren
Ausdruck zu verwenden. Man kann nicht sagen, dass da-
mit auf der einen Seite die Welt untergeht und auf der an-
deren Seite die Rettung wartet. Damit haben wir als Ober-
pfälzer einige Erfahrungen. Sie wollten uns auch einmal
eine WAA als Fahrradspeichenfabrik andienen. Wir aber
haben Sie mit Ihrer „Fahrradspeichenfabrik“ vertrieben.
Dafür haben wir jetzt BMW.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – HansPeter Repnik [CDU/CSU]: Herbert Wehner drehte sich im Grabe herum, wenn er diese Rede hörte!)


Wir machen mit der Politik für alternative Energien
eine Politik des Friedens mit der Natur. Wir werden es
dem Staustufen-Edi nicht erlauben, die Donau zuzubeto-
nieren. Die schöne blaue Donau bleibt unserem bayeri-
schen Lande erhalten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Herr Stoiber will sie ihm wegnehmen!)





Ludwig Stiegler

25619


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie greifen die Hartz-Kommission an. Es wird vor al-
lem spannend, wenn man die Meinungen von Herrn Späth
und ihre Entwicklungen verfolgt.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nur betretene Gesichter auf der Regierungsbank! Herr Schily leidet!)


Herr Späth ändert seine Meinungen wie ein Zufallsgene-
rator. Erst waren die Hartz-Vorschläge eine revolutionäre
Idee, dann waren sie von der CDU/CSU abgeschrieben,
am Ende war es der größte Mist. Letzteren Zusammen-
hang kann ich noch verstehen. Hintergrund dessen aber
ist, dass Sie, meine Damen und Herren, in Wahrheit kein
Rezept für den Arbeitsmarkt haben. Daher wollen Sie das
Ganze mies machen und sind neidisch, dass der Kanzler
die Gelegenheit genutzt hat, um Änderungen durchzuset-
zen. 30 Jahre lang haben Sie den Präsidenten der Bundes-
anstalt für Arbeit gestellt. Eingefallen ist Ihnen nichts.
Jetzt, da anderen etwas einfällt, wird es von Ihnen
schlecht geredet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie jammern, der Mittelstand lechze nach Steuer-
senkungen. Ihr Steuerprogramm vermittelt vielleicht den
Eindruck, den Mittelstand zu fördern. Die Senkung des
Spitzensteuersatzes ist aber alles andere als eine Mittel-
standsförderung. Der Mittelstand sieht den Spitzen-
steuersatz nur von weitem. Das zentrale Problem des
Mittelstandes ist die Eigenkapitalausstattung und die Kre-
ditfinanzierung. Deshalb ist der Jobfloater die angemes-
sene Antwort. Wir werden in unserem Land auch in Zu-
kunft dafür sorgen müssen, dass regionale Banken und
Sparkassen Jobfloater für den Mittelstand ausgeben; denn
der Mittelstand ist in Ihrer Zeit durch hohe Steuern ausge-
blutet worden. Hinzu kam, dass ausgeschüttete Gewinne
steuerlich besser als einbehaltene Gewinne gestellt wur-
den. Das ist die eigentliche Ursache der Krise des Mittel-
standes, die wir bewältigen und nicht Sie.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Kanzler und der Finanzminister haben mit Basel II
ein Verhandlungsergebnis erzielt,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das katastrophal ist!)


das den Mittelstand in Zukunft bei der Kreditversorgung
besser als zu Ihrer Zeit stellt. – Sie brauchen sich nicht an
den Kopf zu fassen,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Im Gegensatz zu anderen ist dort etwas drin!)


das trifft Sie selber. – Wir haben für den Mittelstand er-
reicht, dass der kleine Mittelständler bei der Hinterlegung
des Eigenkapitals in Zukunft besser gestellt wird. Das ist
unsere Leistung.

Edmund Stoiber dagegen hat für seinen „Mittelständ-
ler“ Kirch Milliardenkredite aufs Spiel gesetzt. 11 Milli-
arden Euro Kreditausleihvolumen der Landesbank, über
200 Millionen Euro Gewerbesteuer und 200 Millionen
Euro Körperschaftsteuer sind verschwunden, weil unser

Neo-Berlusconi Herrn Kirch die Kredite hinterher gewor-
fen hat, wie andere Menschen Pferden Heu hinwerfen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Heinrich [FDP]: Herr Kollege, wir sind nicht im Bierzelt!)


Wir haben den Aufbau Ost vorangebracht, während Sie
blühende Landschaften nur versprochen haben. Wir ha-
ben den Solidarpakt entwickelt. Ich sage genauso wie
Harald Ringstorff: Nehmen Sie die Klage zurück, die sich
gegen die Solidarität bei den Krankenkassen richtet.
Wenn Sie in Ostdeutschland sind, wird Ihre Stimme wie
die des Wolfs, der Rügener Kreide gefressen hat. Plötzlich
dienen Sie sich als Freund des Ostens an. Ihre Haltung
und Ihre Vorschläge widerlegen Sie. Sie zeigen, was Sie
in Wahrheit mit den ostdeutschen Ländern vorhaben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Union lebt von Miesmacherei. Die Union pflegt
die Verzweiflung. Sie will wie Strauß, dass alles schlech-
ter wird, damit man polemisieren kann. Unsere Bevölke-
rung hat eine zupackende Regierung verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie predigen Taten, Gerhard Schröder handelt.


(Beifall bei der SPD)

Ihr Kandidat liegt im Liegestuhl, während sich Gerhard
Schröder, Otto Schily und andere um das Hochwasser küm-
mern. Ihr Kandidat steht für einen Fernsehspot auf,
während wir für die Menschen sorgen. Das ist der Unter-
schied: nicht Taten plakatieren, sondern Taten durchführen!


(Beifall bei der SPD)

Wir kämpfen voller Hoffnung und Zuversicht mit den

Menschen gemeinsam. Wir werden die Probleme meis-
tern. Sie weiden sich an den Problemen, bieten aber keine
Lösungen an. Wir lösen die Probleme dieses Landes. Ich
bin stolz darauf, was meine Fraktion auf diesem Feld ge-
leistet hat. Sie wird auch weiterhin erfolgreich sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425303300
Das Wort
hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Schäuble von der
CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) (von der
CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Auch am Ende einer langen
Legislaturperiode mit viel Auf und Ab erlebt man immer
wieder neue Überraschungen, wie wir eben während der
Rede des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gese-
hen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich beneide Sie um Ihre Griechisch-Kenntnisse, Herr
Stiegler; ich habe keine. Aber ich habe zu Beginn der Wo-
che gelesen, der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende




Ludwig Stiegler
25620


(C)



(D)



(A)



(B)


habe Sie zur Zurückhaltung und Mäßigung aufgefordert.
Das kann ich inzwischen gut verstehen. Ich verstehe auch,
dass er gegangen ist, bevor Sie geredet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will aber gleich hinzufügen: Die Kandidaten müs-

sen wieder in den Wahlkampf zurückkehren. Auch
Edmund Stoiber musste gehen. Deshalb hat er mir eine
Notiz geschickt, in der steht: Bitte Stiegler nicht ganz
ernst nehmen! – Wo er Recht hat, hat er Recht.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Ludwig Stiegler [SPD]: Das beruht auf Gegenseitigkeit!)


Ich kann Ihnen das Autograph gern geben, damit Sie es
selber sehen.


(Jörg Tauss [SPD]: Warum sollen wir denn Schäuble ernst nehmen? Sagen Sie doch mal ein Wort dazu!)


Ich möchte kurz einige Punkte, die Sie angesprochen
haben, Herr Stiegler, richtig stellen. Was das Thema
Zuwanderungsgesetz anbetrifft, stellt sich der Sachver-
halt folgendermaßen dar: Es gibt in diesem Gesetz nicht
einen einzigen Paragraphen, der die Zuwanderung gegen-
über der heutigen Rechtslage einschränkt. Es gibt aber in
diesem Zuwanderungsgesetz eine Reihe von Paragra-
phen, die die Zuwanderung gegenüber der heutigen
Rechtslage erweitern. Wenn man die Vorzeichen nicht
verwechselt, kann dieses Zuwanderungsgesetz nach den
Regeln der Logik nur eine Zunahme der Zuwanderung
bringen, aber nicht das Gegenteil.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb vertreten wir – wie Angela Merkel bereits ausge-
führt hat – die Position:


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hat aber nichts mit der Bergpredigt zu tun!)


Angesichts der Tatsache, dass die Situation in Deutsch-
land durch die Verdoppelung der Zahl der Menschen
ausländischer Abstammung seit den 70er-Jahren bei
gleichzeitigem Rückgang der Zahl der sozialversiche-
rungspflichtigen Beschäftigten in diesem Zeitraum ge-
prägt ist, sollten wir das Schwergewicht unserer Be-
mühungen künftig auf die Verbesserung der Integration
derjenigen, die sich bereits hier aufhalten,


(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: 16 Jahre lang haben wir darauf gewartet! )


statt auf die künstliche Erhöhung der Zuwanderung durch
den Gesetzgeber legen. Das ist der falsche Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hätten Sie doch für das Staatsbürgerschaftsrecht stimmen müssen! Integration ist doch letztlich Staatsbürgerschaft!)


– Sie sollten auch im Wahlkampf den Menschen nicht ein
X für ein U vormachen wollen.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Zuwanderungsgesetz verstärkt die Zuwanderung.
Wir vertreten den Standpunkt: Es wird auch in Zukunft
Zuwanderung geben, aber wir müssen die Integration ver-
bessern und wir haben keinen Bedarf an einer Zunahme
der Zuwanderung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie dann gegen das Staatsbürgerschaftsrecht gestimmt?)


Des Weiteren würde ich gern in aller Ruhe etwas zu
Ihren Bemerkungen über die Arbeitslosigkeit vor vier
Jahren und zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausführen. Es
ist wahr: Die Arbeitslosigkeit ist nicht über Nacht ge-
kommen. Dabei handelt es sich um eine lang anhaltende
Entwicklung.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Warum nennen Sie sie Katastrophe?)


– Wenn eine Katastrophe eine plötzlich eingetretene Si-
tuation ist, dann handelt es sich in dem Sinne nicht um
eine Katastrophe, sondern um das Ergebnis einer lang an-
haltenden Entwicklung.

Aber Sie sollten Folgendes nicht vergessen, Herr Kol-
lege Stiegler: Erstens. Die Arbeitslosigkeit ist derzeit
noch genauso hoch wie vor vier Jahren.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Das stimmt ja wieder nicht!)


– Doch, sie beträgt 4,1 Millionen. Die Differenz beträgt
weniger als 100 000. In diesen vier Jahren sind aber
800 000 mehr ältere Menschen aus dem Erwerbsleben
ausgeschieden, als jüngere nachgekommen sind. Deswe-
gen ist die Lage nicht gleich geblieben, sondern sie ist viel
schlechter als vor vier Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zweitens. Im Jahr 1998 war saisonbereinigt von Januar

bis Dezember eine Abnahme der Arbeitslosigkeit von
etwa 1Million zu verzeichnen. 1998 war die Entwicklung
sehr gut, nachdem die Vorjahre schwierig waren. Seit
Mitte vergangenen Jahres ist keine Abnahme der Arbeits-
losigkeit, sondern ein Anstieg zu verzeichnen. Das heißt,
die Lage ist schlechter geworden, der Trend hat sich ge-
nau umgekehrt. Damals ging die Arbeitslosigkeit zurück;
jetzt steigt sie. Das ist das eigentlich Verheerende an der
Bilanz dieser rot-grünen Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Drittens, zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland:

Natürlich ist sie durch die Weltkonjunktur und den
11. September 2001 schwieriger geworden. Das kann nie-
mand im Ernst bestreiten. Aber Sie können damit nicht er-
klären, warum die wirtschaftliche Dynamik in Deutsch-
land geringer ist als in jedem anderen Land der
Europäischen Union. Der 11. September 2001 und die
Weltkonjunktur haben ja für Portugal, Dänemark, Groß-
britannien, die Niederlande oder Frankreich keine anderen
Auswirkungen. Wenn Deutschland bei der wirtschaftli-
chen Dynamik Schlusslicht in der Europäischen Union ist,
dann kann der Grund also nur in den Fehlern rot-grüner
Politik und in nichts anderem liegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Dr. Wolfgang Schäuble

25621


(C)



(D)



(A)



(B)


Nach meiner festen Überzeugung ist der entscheidende
Fehler rot-grüner Politik, dass Sie die Lage und die Stim-
mung im Mittelstand systematisch kaputtgemacht haben.
Eine Steuerreform, die dazu führt, dass die einkommen-
steuerpflichtigen Unternehmen mehr Steuern zahlen müs-
sen als die Kapitalgesellschaften, ist objektiv falsch und
zerstört jede Bereitschaft im Mittelstand, Vertrauen in die
Zukunft zu haben. Das ist der eigentliche Fehler. Deswe-
gen müssen und werden wir das verändern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es gab sicherlich schon 1998 viel Bürokratie. Diese ist

schließlich nicht von Ihnen erfunden worden. Aber in
Ihren vier Regierungsjahren ist es dramatisch schlimmer
geworden. Ich verweise in diesem Zusammenhang immer
auf die Riester-Rente; denn sie ist ein Synonym dafür,
dass man durch ein Übermaß an Regulierung selbst ein
gutes Anliegen kaputtmachen kann. Das Anliegen, die
private Altersvorsorge zu fördern, ist ja richtig. Aber Sie
haben das so bevormundend und bürokratisch reguliert,
dass nur 10 Prozent der Menschen von der Riester-Rente
Gebrauch machen und 90 Prozent sagen: Rutsch mir doch
den Buckel runter! Das zeigt beispielhaft, dass Sie mit zu
viel Bürokratie die dynamischen Kräfte in unserer Wirt-
schaft und Gesellschaft zerstört haben. Das ist der Grund-
fehler.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte noch eine Bemerkung zum Aufbau Ost

machen. Auch ich bestreite nicht, dass wir 1998 mit der
Überwindung der Folgen der Teilung und des Sozialismus
nicht so weit waren, wie wir es 1990 gehofft hatten. Aber
bis 1998 hat sich die Schere zwischen neuen und alten
Bundesländern jedes Jahr ein bisschen weiter geschlos-
sen. Der Abstand verringerte sich zwar manchmal nur we-
nig, aber kontinuierlich. Seit 1998 geht die Schere wieder
auseinander. Der Rückstand der neuen Bundesländer auf
die alten ist in Ihren vier Regierungsjahren größer gewor-
den. Deswegen muss es am 22. September einen Wechsel
geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir wollen eine Politik machen, die stärker auf den

Mittelstand setzt. Im Übrigen ist es Quatsch, wenn Sie be-
haupten, dass unsere Maßnahmen nicht konkret seien.
Wenn Sie sich unser Regierungsprogramm und unser So-
fortprogramm genau anschauen, dann stellen Sie fest,
dass diese eine Fülle von konkreten Maßnahmen enthal-
ten, die sehr genau belegt sind. Ihre einzige Aussage im
Wahlkampf ist: Schröder soll Kanzler bleiben! Er ist die
eigentliche Ich-AG in Deutschland. Das ist ein bisschen
zu wenig für die nächsten vier Jahre.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deswegen sage ich Ihnen: Wer will, dass es in Deutsch-
land wieder aufwärts geht, muss dafür sorgen, dass eine
andere Politik gemacht wird. Mit Ihnen ist es abwärts ge-
gangen. Das ist die generelle Richtung von Rot-Grün. Da
hilft überhaupt nichts. Mit uns wird es wieder aufwärts
gehen. Wenn wir an die Regierung kommen, werden wir
auf den Mittelstand und die Sanierung der sozialen Si-
cherungssysteme setzen. Wir werden eine Steuerreform

machen, die nach dem Prinzip „einfacher, gerechter und
niedrigere Steuersätze für alle“ für Gerechtigkeit sorgen
wird, statt Benachteiligungen zu schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen.

Natürlich haben Sie 1996/97 mit Ihrer damaligen Mehr-
heit im Bundesrat alles blockiert, nach dem Motto: Je
schlechter es dem Land geht, desto mehr Kritik üben wir
an der Regierung. An der Auseinandersetzung über die Fi-
nanzierung der Soforthilfe für die Opfer der Hochwasser-
katastrophe kann man einen entscheidenden Unterschied
zwischen Ihrem damaligen und unserem heutigen Verhal-
ten erkennen. Wir haben gesagt: Auch wenn wir uns mit
unseren Vorstellungen, was die richtige Finanzierung der
Soforthilfe anbetrifft, in diesem Hause nicht durchsetzen,
weil wir nicht die Mehrheit haben, werden wir im Bun-
desrat für das, was Sie beschließen, für die notwendige
Zustimmung sorgen und nicht blockieren, weil wir davon
überzeugt sind, dass wir den Streit zwischen unterschied-
lichen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat nicht auf
dem Rücken der Hochwasseropfer austragen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das Interesse des Landes hat bei uns auch im Wahlkampf
Vorrang vor den parteipolitischen Interessen.

Meine letzte Bemerkung. Ich bin schon ziemlich ent-
setzt, auch wenn ich verstehe, dass der Außenminister
sein Amt in den letzten Wochen kaum noch wahrgenom-
men hat.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Entschuldigung! – Es gab eine gemeinsame Politik von
Adenauer bis Kohl und selbst diese Regierung hatte in den
ersten Jahren mit Unterstützung der Opposition, je-
denfalls von CDU/CSU und FDP – die PDS will ich da
nicht in Anspruch nehmen –, in den Grundlinien deut-
scher Außenpolitik Kontinuität gewahrt. Diese Grund-
linien sind: niemals allein, keinen deutschen Sonderweg,
keinen Alleingang, sondern fest eingebunden sein in das
immer enger zusammenwachsende Europa, mit diesem
einigen Europa eine stärkere Rolle auch im Atlantischen
Bündnis spielen und im Atlantischen Bündnis und mit
Europa dafür sorgen, dass die Vereinten Nationen eine
stärker ordnende Kraft in dieser Welt unglaublich vieler
Schwierigkeiten – die Frau Entwicklungshilfeministerin
hat auch davon gesprochen – und voller Spannungen sein
können.

Dies alles verraten Sie in diesen Wochen des Wahl-
kampfs. Wir haben die Grundlagen der gemeinsamen
Außenpolitik nicht verlassen. Übrigens: Nicht unseret-
wegen musste der Bundeskanzler bei einer bestimmten
Abstimmung die Vertrauensfrage stellen. Es war nur
– auch daran muss man erinnern – wegen der Unzuver-
lässigkeit von Rot-Grün.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich habe Ihre Gesichter noch vor Augen – das ist ja im

Fernsehen gezeigt worden –, als Ihnen der Parteivorsit-
zende in Ihrer Präsidiumssitzung am 1.August gesagt hat:




Dr. Wolfgang Schäuble
25622


(C)



(D)



(A)



(B)


Jetzt lenken wir von Wirtschaft und Arbeitsmarkt und un-
serer verheerenden Bilanz ab, indem wir den Irak zum be-
herrschenden Wahlkampfthema machen.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aus Wahlkampfgründen und wegen nichts anderem ha-
ben Sie in Deutschland eine Gespensterdebatte angefan-
gen und Deutschland, Europa und der UNO erheblichen
Schaden zugefügt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bösartige Unterstellung!)


Heute Morgen ist schon gesagt worden: Niemand in
diesem Land will Krieg. Alles andere wäre auch absurd.
Wir haben über Jahrzehnte, manchmal im Konsens mit
Ihnen, manchmal in bitteren Auseinandersetzungen,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ostverträge zum Beispiel!)


für Frieden gesorgt und gegen viele Ängste den Frieden
gesichert. Der Friede wird gesichert, wenn wir notfalls in
der Lage sind, jemanden, der möglicherweise eine Gefahr
für den Frieden darstellt, davon zu überzeugen, dass es
sich für ihn nicht lohnt. Es war schon richtig, finde ich,
dass die Vereinten Nationen – es war nicht irgend-
ein Alleingang, sondern es war der Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen –, nachdem die Aggression von
Saddam Hussein gegen Kuwait zurückgewiesen worden
war, gesagt haben: Dieses Regime darf keine Massenver-
nichtungswaffen haben. Es müssen Überwachungen
durchgeführt werden, die sicherstellen, dass er keine sol-
chen Waffen hat.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Darüber besteht doch Einigkeit!)


Wenn ein Diktator wie Saddam Hussein erst Atomwaffen
hat, ist die Welt weniger sicher als vorher. Deswegen ist
es richtig, dafür zu sorgen, dass die Vereinten Nationen
das durchsetzen.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Natürlich!)


Das hat Präsident Bush gestern gesagt, nichts anderes.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Vereinten Nationen verlieren jede Möglichkeit,

nicht mit militärischen Maßnahmen, sondern durch poli-
tischen Druck das Ziel der Friedenssicherung zu errei-
chen, wenn die Mitglieder der Vereinten Nationen sagen:
Was immer ihr beschließt, wir sind jedenfalls nicht da-
bei. – Das hat keinen Sinn. Das ist der Fehler dieser Re-
gierung. Sie haben die Vereinten Nationen geschwächt.
Deswegen stoßen Sie mit dieser Politik im Irak Saddam
Husseins auf Zustimmung – das ist wahr –, aber vor die-
ser Art von Zustimmung sollten Sie sich eigentlich fürch-
ten. Sie sollten den Diktatoren nicht dabei helfen, auch
noch Atomwaffen zu bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt ist es aber gut! Jetzt ist es gut, Herr Kollege Schäuble! Das nehmen Sie zurück!)


Sie haben verhindert, dass es eine gemeinsame Position
der Europäer gibt. Sie schwächen die Vereinten Nationen.
Sie haben die atlantische Partnerschaft entscheidend ge-
schwächt.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt ist aber gut!)


Das können Sie überhaupt nicht bestreiten. Der deutsche
Botschafter in Amerika – er war bis vor kurzem Staats-
sekretär im Auswärtigen Amt – hat mit der Zurückhal-
tung, die einem Botschafter geziemt, schon vor Wochen
darauf hingewiesen, dass durch das Verhalten von
Schröder und der Regierung schwere Schäden für das
deutsch-amerikanische Verhältnis entstehen. Das gilt
auch für den Verteidigungsminister mit seinem Schwa-
dronieren; er musste im Übrigen gehen.

Diese Bemerkung will ich in diesem Zusammenhang
noch machen: Dass der Inhaber der Befehls- und Kom-
mandogewalt eine Initiative von Soldaten für eine Partei
gründet, ist eine schwere Verletzung der Pflichten und der
Verantwortung eines Verteidigungsministers.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die amtierende Präsidentin hat vorhin darauf hingewie-
sen, dass der Bundestagspräsident auch dann, wenn er
sich parteipolitisch äußert, was sein Recht ist, weil er auch
Politiker ist, immer noch Bundestagspräsident sei. Ich
meine, Frau Kollegin Fuchs – Sie sind gerade nicht am-
tierende Präsidentin; deswegen darf ich Sie ansprechen –,
dass der Verteidigungsminister nicht sagen kann, das habe
er als SPD-Politiker gemacht. Solange er Verteidigungs-
minister ist, hat er besondere Verantwortlichkeiten. Gegen
die hat er verstoßen. Deswegen muss er abgelöst werden.

Deswegen sage ich Ihnen: Hören Sie auf, die Grund-
bedingungen deutscher Sicherheit und einer Politik für
Frieden und Freiheit zu gefährden, weil Sie im Wahl-
kampf nervös sind! Kehren Sie zu einer gemeinsamen eu-
ropäischen Politik zurück, zu einer Politik der Stärkung
der atlantischen Partnerschaft, zu einer Politik, die die
Vereinten Nationen dazu nutzt, den Frieden wo immer
möglich zu sichern! Hören Sie auf, in den letzten Tagen
vor der Wahl die falsche Richtung einzuschlagen, indem
Sie die Ängste der Menschen schüren!

Wir haben überhaupt keine schwachen Nerven. Ich
mahne vielmehr an, auch in der Endphase eines Wahl-
kampfes daran zu denken, dass der Gewinner nach der
Entscheidung der Bevölkerung am 22. September eine
hohe Verantwortung für eine gute Zukunft Deutschlands
in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage hat. Mit Ihrem
unverantwortlichen Gerede in diesem Wahlkampf haben
Sie die Lage für jede künftige Regierung in den kommen-
den Jahren erheblich erschwert. Sie werden die Schäden
in der europäischen und atlantischen Politik nicht besei-
tigen können. Auch aus diesem Grunde müssen Sie ab-
gelöst werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Dr. Wolfgang Schäuble

25623


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425303400
Das Wort
hat jetzt erneut der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Ludwig
Stiegler.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Nur, wenn wir Schmerzensgeld kriegen, Herr Präsident! – Gegenrufe von der SPD)



Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1425303500
Meine Damen und Herren!
Wir haben jetzt wieder einen typischen Schäuble erlebt:
Er hat viel gesagt, aber mit keinem Ton auf die konkrete
Frage geantwortet: Einsatz im Irak, ja oder nein? Herr
Schäuble, ich glaube, der Herr hat Ihnen die Sprache ge-
geben, damit Sie Ihre Gedanken verbergen können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben jetzt eine Viertelstunde zu diesem Thema gere-
det, aber während die deutsche Bevölkerung von Gerhard
Schröder weiß, dass er ohne Wenn und Aber Nein sagt zu
einem Einsatz im Irak, winden Sie Girlanden. Sie garnie-
ren das Ganze mit übler Nachrede, die sich auf die Bera-
tungen im Parteipräsidium der SPD bezieht. Ich habe an
diesen Beratungen teilgenommen und verbitte mir, dass
Sie der deutschen Sozialdemokratie unterstellen, sie nutze
ein solches Thema zu Wahlkampfzwecken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der FDP – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


Sie haben noch vor Wochen gesagt, das sei gar kein
Thema, und uns vorgeworfen, wir kämen zu früh. Wer ist
denn von der Wirklichkeit überholt worden, Sie oder wir?
Die Entscheidung ist gefallen und die Bevölkerung muss
wissen, woran sie ist. Herr Schäuble, alles Drumherum-
reden hilft nicht weiter.

Wenn Sie über Saddam reden, so erinnere ich Sie da-
ran, dass Sie einmal Innenminister waren und die Bera-
tungen der Geheimdienste kennen. Sie wissen, dass die
Erkenntnisse zu Ihrer Zeit nicht viel anders waren als
heute. Es ist Ihrer eigenen Vergangenheit nicht würdig,
jetzt zu sagen, man wolle keine Kriegskonfrontation,
denn das sei eine Hilfe für Saddam Hussein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zu Ihren Äußerungen in Bezug auf Kollegen Struck:
Solche Initiativen gab es in jedem Wahlkampf. Auch der
Bundesminister der Verteidigung kann außerhalb des
Dienstes zeigen, welcher Partei er angehört.


(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Hat Rühe auch gemacht!)


Das war früher nicht anders und das wird auch in Zukunft
so sein.

Meine Damen und Herren, es ist schön, dass ich noch
einmal auf Herrn Schäuble eingehen kann,


(Zuruf von der CDU/CSU: Nein, das ist nicht schön!)


weil er in Sachen Zuwanderung wieder dreist die Un-
wahrheit verbreitet hat. In diesem Zuwanderungsgesetz

steht ausdrücklich, dass die Integration aller bereits Zu-
gewanderten in den Arbeitsmarkt absoluten Vorrang vor
Neuanwerbungen hat. Nur solche hoch spezialisierten
Fachkräfte, die mehr Arbeitsplätze schaffen, als sie für
sich selber und ihre Familien brauchen, werden angewor-
ben. Die Entscheidung über die Zuwanderung mit Pro-
gramm ist unter den Vorbehalt von Bundestag und Bun-
desrat gestellt. Hören Sie auf, entweder das Gesetz zu
ignorieren oder den Menschen vorsätzlich etwas Falsches
zu sagen. Es ist eine dreiste Lüge, zu behaupten, wir
machten angesichts von 4 Millionen Arbeitslosen das Tor
auf. Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD)

Noch schöner wird es, wenn Sie sich über Integration

verbreiten. Sie haben in den 16 Jahren Ihrer Regierungs-
zeit 2 Millionen Aussiedler geholt, sich aber nicht um de-
ren Integration gekümmert. Sie haben sie als Stimmhilfe
gebraucht; aber deren Integration haben wir begonnen.
Die Sprachintegration von Ausländern fängt jetzt mit dem
Zuwanderungsgesetz an. Hier scheinheilig von Integra-
tion zu reden, nachdem man 16 Jahre lang geschlafen hat,
ist eine Dreistigkeit, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Wer hat die Sprachkurse gekürzt?)


Herr Schäuble, ich fordere Sie deshalb noch einmal
auf, sich das Gesetz zu besorgen und endlich aufzuhören,
genauso wie der Kandidat und die Union insgesamt den
Menschen auf den Marktplätzen dreist das Gegenteil des-
sen zu sagen, was im Gesetz steht. Ich bin mit Edmund
Stoiber nicht zuletzt deswegen so scharf ins Gericht ge-
gangen, weil ich nicht glaube, dass er nicht weiß, was im
Gesetz steht. Es muss irgendeinen Sprechzettelschreiber
in der Staatskanzlei geben, der das Gesetz lesen kann. Da-
rum muss ich davon ausgehen, dass Herr Stoiber ständig
wider besseres Wissen die Unwahrheit verbreitet. Das las-
sen wir uns nicht gefallen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Genauso, meine Damen und Herren, ist es ein glatter
Schwindel, wenn Sie sagen, die Arbeitslosigkeit sei
heute nicht anders als damals.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein, höher!)

1998 hatten wir nach Überwindung der Asienkrise einen
weltwirtschaftlichen Aufschwung; dann folgten die bei-
den guten Jahre 1999 und 2000. Wie man unschwer im
Gutachten des Sachverständigenrates nachlesen kann,
hatten wir Weihnachten 2000 die Ölpreiskrise – ich erin-
nere daran, dass wir hier die Sondersozialhilfe beschlos-
sen hatten –, anschließend die BSE-Krise – die Hälfte der
BSE-Fälle gab es in den wohlbehüteten Ställen meines
Vaterlandes Bayern – mit Folgen für die Verbraucher und
die Nahrungsmittelindustrie, dann nach dem 11. Septem-
ber die Zerstörung der Börsenkurse und zu Weihnachten
2001 und im Januar dieses Jahres die amerikanischen Bi-
lanzbetrügereien.

Deshalb ist es unerhört, dass Sie versuchen, solche Ent-
wicklungen der rot-grünen Koalition vor die Tür zu kar-
ren. Sie hatten im weltwirtschaftlichen Aufschwung einen






(C)



(D)



(A)



(B)


Aufschwung der Arbeitslosigkeit. Sie haben 1996 das Be-
schäftigungsförderungsgesetz verabschiedet. In seiner
Rede – ich habe sie nachgelesen – sagte Michael Glos da-
mals, wir müssten den Kündigungsschutz und alles Mög-
liche abbauen, damit der Aufschwung komme. Mit Ihrem
Sozialabbau ist ein Aufschwung der Arbeitslosigkeit ge-
kommen; das ist die historische Wahrheit, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb lassen wir uns Ihre Interpretationsversuche nicht
gefallen.

Herr Schäuble redet dann wieder grob die Unwahrheit,
wenn er sagt, der Mittelstand sei durch die Besteuerung
der Kapitalgesellschaften benachteiligt. Herr Schäuble,
die SPD-Fraktion stiftet Ihnen einen Nachhilfekurs bei ei-
nem Steuerberater, damit Sie endlich lernen, was in dem
entsprechenden Gesetz steht. Es ist dreist, die Einkom-
mensteuer mit der Körperschaftsteuer zu vergleichen;
denn bei der Einkommensteuer gilt die Durchschnitts-
besteuerung auch für die Handwerker, denen wir die Ge-
werbesteuerlast abgenommen haben. Hätten Sie es jemals
geschafft, den Handwerkern die Gewerbesteuerlast zu
nehmen, dann hätte Herr Rauen ein Fest organisiert, ge-
gen das der Tanz um das Goldene Kalb im Alten Testa-
ment ein kleiner Event gewesen wäre.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Sie aber haben das nicht zu-
stande gebracht. Der Mittelstand, die Handwerker und die
Personengesellschaften zahlen deutlich weniger Steuern
als damals.

Dreist ist es auch, die Körperschaftsteuer zu diffamie-
ren. Wir wollten mit Ihnen weltweit wettbewerbsfähige
Steuertarife haben. Also haben wir gemeinsam die Kör-
perschaftsteuer, die übrigens ab dem ersten Euro ohne
Kinderfreibeträge und sonstige Freibeträge zu zahlen ist
– das nur zur Nachhilfe, Herr Schäuble –, auf 25 Prozent
gesenkt. Aber die Gewerbesteuer kommt noch dazu, bei
der Kapitalausschüttung auch noch die Kapitalertrag-
steuer.

Es ist erstaunlich, dass Sie meinen, sich hier mit
falschen Argumenten als Rächer der Enterbten darstellen
zu können. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen:
Wenn Schäuble, Stoiber und Merz nach Steuergerechtig-
keit rufen, ist es so, als ob ein Wolf zu einer Bürgerinitia-
tive zum Schutz der Lämmer aufruft. Das ist die wahre Si-
tuation.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Schauen Sie sich doch Ihr Steuerprogramm an! Das

einzig Neue an Ihrem Programm ist die Senkung des Spit-
zensteuersatzes. Alles andere steht bei Eichel im Bun-
desgesetzblatt. Man fragt sich, wieso Sie bereits be-
schlossene Dinge ins Programm schreiben. Sie wollen
tarnen, dass es Ihnen in Wahrheit nur um den Spitzen-
steuersatz geht. Die FDP ist wenigstens so ehrlich und
bekennt sich zu Petersberg. Sie wollen den Leuten die
Katze im Sack verkaufen. Das ist der Unterschied. Die

Liberalen bekommen wenigstens Punkte für Ehrlich-
keit. In der Sache sind sie aber genau so schlecht wie
Sie.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Sie jammern und sagen, die
Großunternehmen würden keine Steuern mehr zahlen.
Das Beispiel BMW wird genannt. Wie war es denn mit
BMW? Es war doch Theo Waigel, der die Verrechnung
der Auslandsverluste durchgesetzt hat. Nach unserem
Steuerrecht kann BMW diese Verluste seit dem 1. Januar
nicht mehr verrechnen. Es ist eine Ungehörigkeit, das Ge-
setz selbst zu machen, uns die Wirkungen anzuhängen
und den Menschen nicht zu sagen, dass wir das längst kor-
rigiert haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Damit sind Sie bei mir gerade an der richtigen Adresse!

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zur privaten Altersvorsorge. Sie jammern

jetzt und sagen, die Riester-Rente sei zu bürokratisch. Ja-
wohl, sie ist streng geregelt. Aber wenn wir sie nicht vor
Spekulation geschützt hätten, wären die Altersersparnisse
dieses Jahres aufgrund der amerikanischen Börsenkrise
längst durch den Kamin gegangen und Sie würden uns
vorhalten, wir seien fahrlässig mit den Altersersparnissen
umgegangen. Sie müssen sich entscheiden und dürfen
hier keine Fidelmühle aufbauen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Man könnte stundenlang

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Nein, nein, nein!)


Ihre Unwahrheiten zerpflücken. Ich sage Ihnen: Die
Wahrheit wird Sie frei machen. Kehren Sie zur Wahrheit
und zur Wahrhaftigkeit zurück, dann wird auch das Klima
in diesem Hause wieder besser!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1425303600
Ich
schließe die Aussprache und bitte noch einen Moment um
Anwesenheit, weil wir noch einige Formalien zu erledi-
gen haben.

Interfraktionell ist die Erweiterung der Tagesord-
nung um folgende Zusatzpunkte vereinbart worden:
ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU

Für eine glaubwürdige Politik gegenüber der
vom Irak ausgehenden Bedrohung
– Drucksache 14/9972 –

ZP 7 Weitere abschließende Beratungen ohne Aus-
sprache (Ergänzung zu TOP 7)





Ludwig Stiegler

25625


(C)



(D)



(A)



(B)


a) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 423 Petitionen
– Drucksache 14/9955 –

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 424 Petitionen
– Drucksache 14/9956 –

c) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 425 Petitionen
– Drucksache 14/9957 –

d) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 426 Petitionen
– Drucksache 14/9958 –

e) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 427 Petitionen
– Drucksache 14/9959 –

f) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 428 Petitionen
– Drucksache 14/9960 –

g) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 429 Petitionen
– Drucksache 14/9961 –

h) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 430 Petitionen
– Drucksache 14/9962 –

i) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 431 Petitionen
– Drucksache 14/9963 –

j) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 432 Petitionen
– Drucksache 14/9964 –

k) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 433 Petitionen
– Drucksache 14/9965 –

l) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 434 Petitionen
– Drucksache 14/9966 –

m) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 435 Petitionen
– Drucksache 14/9967 –

Sind Sie mit der Aufsetzung einverstanden? – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Wir kommen zu den Überweisungen und Abstimmun-
gen.

Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b: Interfraktionell wird
Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/9750
und 14/9751 an den Haushaltsausschuss vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 6 a: Wir kommen zur Abstim-
mung über den Antrag der Fraktion der PDS auf Druck-
sache 14/9876 mit dem Titel „Keine deutsche Beteiligung
an einem Krieg gegen den Irak“. Wer stimmt für diesen
Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Antrag ist bei Gegenstimmen der PDS-Fraktion und Ent-
haltung des Herrn Ströbele mit den Stimmen der übrigen
Fraktionen abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 6 b: Abstimmung über den An-
trag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/9877 mit
dem Titel „Keinen Krieg gegen den Irak“. Wer stimmt für
diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen der
SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und
der FDP bei Gegenstimmen der PDS-Fraktion und des
Kollegen Ströbele abgelehnt.

Zusatzpunkt 5: Abstimmung über den Antrag der Frak-
tion der FDP auf Drucksache 14/9948 mit dem Titel
„Handlungsfähigkeit deutscher Außenpolitik wieder her-
stellen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS bei Ge-
genstimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Zusatzpunkt 6: Abstimmung über den Antrag der Frak-
tion der CDU/CSU auf Drucksache 14/9972 mit dem Ti-
tel: „Für eine glaubwürdige Politik gegenüber der vom
Irak ausgehenden Bedrohung“.Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und
der PDS bei Gegenstimmen von CDU/CSU und FDP ab-
gelehnt.

Zusatzpunkt 7 a: Sammelübersicht 423, Drucksache
14/9955. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 423 ist mit den
Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung der PDS-Frak-
tion angenommen.

Zusatzpunkt 7 b: Sammelübersicht 424, Drucksache
14/9956. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
25626


(C)



(D)



(A)



(B)


Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 424 ist mit dem
gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.

Zusatzpunkt 7 c: Sammelübersicht 425, Drucksache
14/9957. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 425 ist mit dem
gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.

Zusatzpunkt 7 d: Sammelübersicht 426, Drucksache
14/9958. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 426 ist ebenfalls
mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor ange-
nommen.

Zusatzpunkt 7 e: Sammelübersicht 427, Drucksache
14/9959. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 427 ist ebenfalls
mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor ange-
nommen.

Zusatzpunkt 7 f: Sammelübersicht 428, Drucksache
14/9960. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 428 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen von
CDU/CSU, FDP und PDS angenommen.

Zusatzpunkt 7 g: Sammelübersicht 429, Drucksache
14/9961. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 429 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS bei Ge-
genstimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

Zusatzpunkt 7 h: Sammelübersicht 430, Drucksache
14/9962. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 430 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP bei Ge-
genstimmen von CDU/CSU und Enthaltung der PDS an-
genommen.

Zusatzpunkt 7 i: Sammelübersicht 431, Drucksache
14/9963. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 431 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU bei
Gegenstimmen von FDP und PDS angenommen.

Zusatzpunkt 7 j: Sammelübersicht 432, Drucksache
14/9964. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 432 ist mit den
Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der PDS an-
genommen.

Zusatzpunkt 7 k: Sammelübersicht 433, Drucksache
14/9965. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 433 ist mit den
Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der PDS an-
genommen.

Zusatzpunkt 7 l: Sammelübersicht 434, Drucksache
14/9966. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 434 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS-Fraktion,

bei Gegenstimmen der CDU/CSU und Enthaltung der
FDP angenommen.

Zusatzpunkt 7 m: Sammelübersicht 435, Drucksache
14/9967. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 435 ist mit den
Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der PDS an-
genommen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung und damit am Ende der voraussichtlich letzten Sit-
zung der 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestages.

Hinter uns liegen vier arbeitsreiche Jahre, Jahre kon-
troverser Debatten, aber vielfach auch des Konsenses
über Fraktionsgrenzen hinweg in grundlegenden Fragen.
Ich möchte die in den zurückliegenden vier Jahren geleis-
tete Arbeit zum Anlass nehmen, Ihnen allen für Ihr Engage-
ment und Ihren Einsatz zu danken.

Mein besonderer Dank gilt den vielen Kolleginnen und
Kollegen, die dem 15. Deutschen Bundestag nicht mehr
angehören werden. Viele von ihnen haben im Parlament
an herausgehobener Stelle über viele Jahre hinweg ge-
wirkt: Mitglieder des Präsidiums, des Ältestenrates, Aus-
schussvorsitzende, ehemalige Regierungsmitglieder und
Staatssekretäre, unter ihnen die langjährige Präsidentin
des Deutschen Bundestages, Rita Süssmuth, die Vizeprä-
sidentin Anke Fuchs und der Vizepräsident Rudolf Seiters
sowie der Bundeskanzler Helmut Kohl. Vielen von ihnen
ist bei ihren Abschiedsreden von hier aus bereits in Ihrer
aller Namen der Dank des Deutschen Bundestages ausge-
sprochen worden. Ich will nochmals allen ausscheidenden
Kolleginnen und Kollegen Dank sagen und ihnen unsere
besten Wünsche für ihr weiteres Leben mit auf den Weg
geben.


(Beifall)

Mein Dank gilt auch den Schriftführerinnen und

Schriftführern

(Beifall)


und nicht zuletzt den vielen Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern, die vor und hinter den Kulissen ihren Dienst tun.


(Beifall)

Ich bedanke mich für Ihren Beifall, denn ohne diese Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter könnten wir unsere parla-
mentarische Arbeit nicht leisten.


(Beifall)

Wir werden unsere parlamentarische Arbeit in der

15. Wahlperiode fortsetzen. Allen, die dabei sein werden,
wünsche ich eine glückliche Hand zum Wohle unseres
Volkes.


(Beifall)

Die Sitzung ist geschlossen.