Gesamtes Protokol
Guten Morgen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich stelle zunächst fest: Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die Beratung mehrerer Sammelübersichten zu Petitionen, die Ihnen mit der Zusatzpunktliste vorliegen, zu erweitern.
Des weiteren soll nunmehr auch die abschließende Beratung des Gesetzentwurfs zu dem Übereinkommen vom 8. November 1990 über Geldwäsche -Tagesordnungspunkt 17 d - abgesetzt werden. Sind Sie mit den Vereinbarungen einverstanden? - Es gibt keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich rufe den Zusatzpunkt 9 auf: Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Lage der Beschäftigungsinitiative für Ostdeutschland
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster der Kollege Werner Schulz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister Rexrodt, die frühe Aktuelle Stunde sicher ungelegen kommt und Sie heute lieber im herzoglichen Hotel Adlon den von Ihnen gestifteten Unternehmerpreis überreichen würden, sollten Sie, zumal es jetzt um einen so grandiosen Fehlschlag wie die Beschäftigungsinitiative Ost geht,
wahrlich stiften gehen.
Ein halbes Jahr ist seit der pompösen Vorstellung vergangen. Ich spreche hier von etwas, was ich selbst erlebt habe; ich war im Roten Rathaus anwesend, als Sie die Beschäftigungsinitiative Ost, das Bündnis für Arbeit Ost, vorgestellt haben. Mir kam das damals vor wie in der DDR, als sie in den letzten Zügen lag und der Mikrochip präsentiert wurde.
Das war für mich allerdings die Variante des Begehbaren: Großchips mit Podiumsgespräch. Der Wirtschaftsscharlatan der DDR, Günter Mittag, hätte einen solchen Schwindel nicht besser zelebrieren können, als Sie das hinbekommen haben.
Sie hätten das einmal erleben sollen: 15 Herren hatten nichts zu sagen und nichts anzubieten. Aber es gab einen riesengroßen Medienauflauf. Herr Schemken, das Scheitern war allerdings schon vor einem halben Jahr vorherzusehen; bereits damals war klar, daß nichts, aber auch gar nichts dahinter war.
Die Arbeitslosenzahl ist in Ostdeutschland um 267 000 gestiegen, anstatt daß es zu einer Stabilisierung auf dem Niveau von 1996 gekommen ist. Der Aufbauprozeß lahmt. Lediglich die Pleitenwelle hat noch genügend Schwung.
So kennen wir unseren Kanzler: Immer wenn es darum geht, hehre Ziele zu verkünden, Bahnhöfe einzuweihen, Spatenstiche vorzunehmen oder an Feierstunden teilzunehmen, wie in dieser Woche in Neubrandenburg, dann ist er verläßlich zur Stelle; aber unerfreuliche Dinge wie diese niederschmetternde Bilanz, die läßt er dann lieber seinen Bundeswirtschaftsminister vortragen.
Sie haben ja in aller Öffentlichkeit eingestanden -der Nikolaustag war ein relativ unpassendes Datum, um diese verheerende Bilanz aus dem Stiefel zu ziehen -, daß das ein Flop war.
Die Beschäftigungsinitiative hatte vorrangig das Ziel, die Beschäftigung in Ostdeutschland in diesem Jahr auf dem Niveau von 1996 zu stabilisieren. Dieses Ziel wurde nicht erreicht; es wurde sogar gründlich verfehlt.
Ich weiß nicht, Herr Bundeswirtschaftsminister, woher Sie die kühne Hoffnung nehmen, daß der zweite Teil des Zieles, im nächsten Jahr eine Zunahme der Beschäftigten um 100 000, erreichbar sei.
Werner Schulz
Ich befürchte, Sie werden im nächsten Jahr dann wieder die Trendwende andeuten, die demnächst kommen wird. Ich sage Ihnen jetzt schon voraus: Auch dieses Ziel werden Sie nicht erreichen.
Die Bundesregierung kommt nicht vom Fleck. Wir erleben eine politische Starre -
es passiert wirklich kaum etwas - bei der Steuerreform, der Senkung der Lohnnebenkosten, der Rentenreform; kein vernünftiger Kompromiß ist in Sicht, und wenn sich einmal etwas andeutet, stellt sich die F.D.P. quer. Tut sie es nicht, macht es die CSU.
- Ich freue mich, daß Sie heute morgen schon so rege sind. Sie sind offensichtlich an der Misere beteiligt.
Was muß passieren, damit sich in Ostdeutschland wirklich etwas ändert? Erstens. Der Beschäftigungspakt, das viel zu spät zustande gekommene Bündnis für Arbeit Ost, muß Bestand haben.
Es muß verhindert werden, daß sich die Gewerkschaften enttäuscht zurückziehen, weil außer ihren Vorleistungen nichts Nennenswertes in das Bündnis eingebracht wurde.
Zweitens. Gesellschaftliche Reformen sind überfällig. Ohne neuen Schwung in ganz Deutschland läßt sich auch der Kriechgang in Ostdeutschland nicht überwinden.
Drittens. Die Aufbau-Ost-Förderung muß mindestens auf dem bisherigen Niveau fortgeführt werden. Der schleichende Abbau der Gemeinschaftsaufgabe und der Innovations- und Forschungsförderung muß ein Ende haben. Die Floskeln von der Weiterführung der Förderung auf hohem Niveau können niemanden mehr täuschen.
In Wirklichkeit wird die Förderung in den verschiedensten Bereichen systematisch abgebaut.
Viertens. Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben darf sich nicht aus ihren Verpflichtungen stehlen und die Sanierung in Schwierigkeiten geratener Betriebe an die Länder weiterschieben. Anstatt die Aufgabe als Nachfolgerin der Treuhand wirklich wahrzunehmen und sich mit Engagement und, wo nötig, auch mit finanziellen Mitteln für den Erfolg möglichst vieler Privatisierungen einzusetzen, mutiert diese Anstalt immer mehr zu einer Einnahmequelle für Theo Waigel.
Meine Damen und Herren, die Bürger in den neuen Bundesländern haben diese Regierung vor fünf Jahren ins Amt gewählt. Aber hat sie diesen Vertrauensvorschuß wirklich verdient? Ich glaube, dem ist nicht so. Sie haben das mit Ihrer Beschäftigungsinitiative bewiesen.
Als nächster hat der Kollege Manfred Grund das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine „Aktuelle Morgenstunde" muß nicht unbedingt Gold im Munde haben; das haben wir eben bei den Ausführungen des Kollegen Schulz erlebt. Den meisten Beifall hat er bekommen, als er die demokratische Regierung dieses Landes mit der Regierung der ehemaligen DDR verglichen hat. Ich glaube, das ist ein Stück weit bezeichnend für den Weg, den Bündnis 90/Die Grünen genommen hat.
Meine Damen und Herren, die Arbeitslosigkeit gilt mit Recht als das größte Zukunftsproblem in unserem Lande. 80 Prozent der Menschen in Westdeutschland und 92 Prozent der Menschen in den neuen Bundesländern halten die Arbeitslosigkeit für das größte Zukunftsproblem, gefolgt von der Frage nach Ausbildungsplätzen.
Es fehlen mehrere Millionen wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze, nicht nur in Ostdeutschland, sondern in Gesamtdeutschland. Wer von der Halbierung der Arbeitslosenzahl oder von der Schaffung von Arbeitsplätzen redet, kommt leicht in den Verdacht, als könnte die Politik allein das leisten, was zu leisten ist. Da muß man gegensteuern; denn die Politik allein ist nicht in der Lage, auch nur einen Arbeitsplatz zu schaffen. Sie kann maximal Lohn auszahlen, und das macht sie sehr oft.
Arbeitsplätze entstehen im Handwerk, im Mittelstand, in der Industrie, im Dienstleistungsbereich, bei Serviceunternehmen. Die Politik hat den Rahmen zu setzen im Steuerrecht; sie muß für Investitionssicherheit, Infrastruktur und gleiche Wettbewerbschancen sorgen. Zusammen mit den Tarifpartnern und den gesellschaftlich tragenden Gruppierungen können Vereinbarungen getroffen werden mit der Vorgabe eines bestimmten Zieles und der Festlegung dessen, was jeder bis dahin zu leisten hat.
Dies und nicht mehr ist der Inhalt der gemeinsamen Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland vom 22. Mai 1997. Damals haben sich Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften darauf verständigt, die Wachstumsdynamik der ostdeutschen Wirtschaft zu stärken, die Beschäftigung auf dem Niveau von 1996 zu halten und einen jahresdurchschnittlichen Zuwachs von rund 100000 Beschäftigten zu erreichen.
Die Zwischenbilanz zum Jahresende ist ernüchternd. Anstatt daß zusätzliche Arbeitsplätze geschaf-
Manfred Grund
fen wurden, ist die Arbeitslosigkeit gestiegen; die Zahl der Arbeitsplätze ist rückläufig. Das Wirtschaftswachstum in Ostdeutschland bleibt erstmalig hinter dem des Westens zurück, die Baubranche hat mit Überkapazitäten zu kämpfen, und ein selbsttragender Aufschwung ist nicht in Sicht.
Trotzdem sollte niemand von einem Scheitern der Beschäftigungsinitiative Ost sprechen; denn die daran Beteiligten haben sich bemüht, ihre Zusagen zu untermauern: die Bundesregierung mit einer Wirtschaftsförderung auf hohem Niveau, die Gewerkschaften mit moderaten Tarifabschlüssen und mit Öffnungsklauseln und die Unternehmen, insbesondere die mittelständischen Unternehmen, weniger mit der Bereitstellung von Arbeitsplätzen, aber doch wenigstens mit der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen.
Doch es läßt sich weder schönreden noch schönrechnen - das will ich gar nicht tun -: Es fehlen 1,4 Millionen Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern. Das Bewußtsein für dieses Problem zu schärfen ist der eigentliche Wert der Beschäftigungsinitiative Ost.
Der Beschäftigungspakt ist langfristig angelegt, denn niemand kann per Dekret kurzfristig Arbeitsplätze in behebiger Zahl bereitstellen. Aber aus der klar beschriebenen Verantwortung erwächst der notwendige Druck, tatsächlich etwas zu tun.
- Seien Sie weniger aufgeregt!
Was ist zu tun? Was brauchen wir?
Mit Sicherheit brauchen wir in den neuen Bundesländern auf Jahre hinaus noch eine besondere Förderung. Dafür hat diese Bundesregierung bis zum Jahre 2004 einen verläßlichen Rahmen gesetzt.
Wir brauchen mehr Investitionen in die Infrastruktur. Das zeitliche Vorziehen von Verkehrsprojekten der deutschen Einheit sollte geprüft werden; denn es liegen Projekte in der Schublade, die so gut wie fertig geplant sind. Jedes Verkehrsprojekt, das vorgezogen wird, hätte für die Bauwirtschaft beschäftigungsfördernde Impulse. Wir brauchen einen verbesserten Marktzugang für ostdeutsche Produkte. Wir brauchen mehr Risikokapital. In diesem Zusammenhang brauchen wir auch den Investivlohn.
Wir brauchen eine Tarifpolitik, die sich an der Leistungsfähigkeit der Unternehmen und an der Produktivitätsentwicklung orientiert.
Die Sicherung von Arbeitsplätzen muß Vorrang vor Lohnsteigerungen haben. Oftmals wird in diesem Zusammenhang nach dem zweiten Arbeitsmarkt gerufen. Der zweite Arbeitsmarkt ist keine Lösung der Probleme; er ist eigentlich verdeckte Arbeitslosigkeit.
Meistens folgt nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wieder Arbeitslosigkeit.
Deshalb haben wir die Arbeitsförderung reformiert und haben ein Instrumentarium geschaffen, das eine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt schlägt. Wer im gewerblichen Bereich jemanden einstellt, der arbeitslos war, erhält in diesem Jahr einen Zuschuß von 1923 DM pro Monat und mit Beginn der Maßnahme im nächsten Jahr einen Zuschuß von 2162 DM - wohlgemerkt: pro Monat und das zwölf Monate lang.
Mehr kann man Arbeit nicht fördern. 70000 Anträge auf Einstellungszuschüsse dieser Art sind gestellt und im wesentlichen genehmigt worden. Das ist das, was wir verantwortlich tun und finanzieren können.
Die Initiative bringt keine Lösung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt; aber sie beinhaltet das, was verantwortbar ist. Wir müssen alle, die an dieser Beschäftigungsinitiative beteiligt sind, in ihre Verantwortung nehmen.
Herr Kollege Rolf Schwanitz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland ist eine gute und eine notwendige Idee. Die SPD teilt den Grundansatz dieser Initiative. Wenn irgendwo vor dem Hintergrund der schwierigen Situation in diesem Land -ich sage wie Herr Schulz, das ist eigentlich auch ein Thema für die alten Bundesländer - die Zeit für eine konzertierte Aktion gekommen ist, dann in Ostdeutschland.
Ich spreche deswegen ausdrücklich meinen Respekt und meine Anerkennung den Arbeitgebern, aber vor allen Dingen den Gewerkschaften, den Betriebsräten und den Belegschaften in den Unternehmen aus, die sich in dieser schwierigen Zeit der ökonomischen und sozialen Bedrängnis und vieler Enttäuschungen - übrigens auch durch Bundespolitik -zusammenfinden, sich mit der Politik an einen Tisch
Rolf Schwanitz
setzen und sich mit entsprechenden Vorhaben auseinandersetzen.
Aber eine solche Initiative kann natürlich nur dann Erfolg haben, wenn die Teilnehmer an dieser Initiative ihre Beiträge leisten - nicht nur die Arbeitgeber beispielsweise im Rahmen der Einkaufsoffensive und nicht nur die Gewerkschaften im Rahmen einer moderaten Lohnpolitik, sondern auch die Politik, insbesondere die Bundesregierung. Deswegen frage ich: Wo ist der Beitrag dieser Bundesregierung zu dieser Initiative?
Herr Rexrodt hat öffentlich erklärt, der Beitrag bestehe darin, daß die mittelfristige Investitionsförderung für Ostdeutschland über 1998 hinaus verlängert worden sei. Herr Rexrodt, ich will jetzt gar nicht polemisieren. Aber ich muß Ihnen sagen, daß dieses Projekt seine maximale beschäftigungsfördernde Wirkung erst 1999 und danach erfüllen kann. Was Sie öffentlich erklärt haben, daß nämlich der Effekt schon 1997 eintrete, können Sie selbst nicht geglaubt haben.
An dieser Stelle sage ich ausdrücklich: Natürlich haben die Sozialdemokraten im Sommer dieses Jahres den entsprechenden Gesetzentwurf aus Ihrem Haus inhaltlich kritisiert. Wir haben gesagt, daß er uns insbesondere im Bereich der Innovation nicht weit genug gehe. Aber zum Schluß stand der Bundesrat in bezug auf diesen Gesetzentwurf Seite an Seite mit Ihnen. Ohne die Zustimmung der Bundesländer, die mehrheitlich sozialdemokratisch regiert werden, hätte dieses Gesetz nicht verabschiedet werden können. Ich bitte also zunächst einmal um mehr Objektivität in der Argumentation.
Ich frage noch einmal: Wo ist der Beitrag dieser Bundesregierung? Die Antwort ist ganz einfach: Es hat keinen Beitrag gegeben. Im Gegenteil: Die Bundesregierung ist wortbrüchig geworden. Sie hat eine ganz andere Politik betrieben, als sie im Mai dieses Jahres öffentlich angekündigt hatte.
Ich will das einmal an zwei Zahlen festmachen: Im November 1996 nahmen in Ostdeutschland noch 672208 Personen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen - inklusive des Bereichs Vorruhestand und Altersübergangsgeld - teil. Ein Jahr später, 1997, ist die Zahl auf rund gerechnet 425 500 gesunken. Die aktiven Beschäftigungsmaßnahmen sind um über 246 000, also um über 36 Prozent, zurückgegangen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat im Mai dieses Jahres große Versprechungen gemacht. Sie hat gleichzeitig an ihrem perfiden Kurs der Einschränkung der aktiven Beschäftigungspolitik in Ostdeutschland - ich erinnere an das Stichwort: Angleichung an das westdeutsche Niveau; das haben wir 1996 hier als Programm gehört - festgehalten. Sie ist wortbrüchig geworden.
Ich fordere Sie auf: Kehren Sie um von dieser Politik! Fahren Sie die aktiven arbeitsmarktpolitischen Instrumente wieder hoch, so wie es die Beschäftigungszahlen in Ostdeutschland erzwingen, und zwar
auf das Niveau von 1995, als wir beispielsweise noch 300 000 ABM hatten!
Sonst verspielen Sie nicht nur die Beschäftigungsinitiative in Ostdeutschland, sondern das letzte bißchen geringen politischen Kredit, das Sie in Ostdeutschland noch haben.
Herzlichen Dank.
Herr Kollege Jürgen Türk.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Schulz, ich glaube, es ist äußerst unseriös, daß Sie hier das Bündnis für Arbeit einklagen und daß Sie, wenn es dann zu einer Initiative kommt,
diese diffamieren. Das ist keine Grundlage.
Ich möchte an den Anfang meiner Ausführungen eine gute Nachricht stellen: In den neuen Bundesländern ist der Außenhandelsumsatz im ersten Halbjahr 1997 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um zirka 10 Prozent gestiegen. Gut die Hälfte dieses Außenhandels entfiel auf westliche Industrieländer.
- Das läßt sich ja wohl nachweisen.
- Er ist ganz genau auf 40,87 Milliarden DM gestiegen. So ist das.
Das ist gerade auch der Initiative des Bundeswirtschaftsministers Rexrodt zu verdanken. Er macht ja seine Auslandsreisen nicht umsonst.
Das ist ein eindeutiges Ergebnis. Sie meinen doch wohl nicht, daß das von alleine zustande kommt. Das wollen Sie nicht wahrhaben, und deswegen schreien Sie das herunter. Es soll wohl nur Mißerfolge geben. So ist das von Ihnen vereinbart und festgelegt. Aber so kommen wir in diesem Lande natürlich nicht weiter.
Allerdings hat sich diese Steigerung des Außenhandelsumsatzes noch nicht auf die Arbeitsplätze ausgewirkt. Dies ist so. Die gemeinsame Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland hat auch noch nicht in dem vorgesehenen Umfang gegriffen. Das muß man hier realerweise so feststellen. Aber hatten
Jürgen Türk
Sie denn gemeint, daß, dann wenn man sich im Mai zusammensetzt und etwas richtiges vereinbart, die Maßnahmen in einem halben Jahr bereits greifen?
- Die Stabilisierung ist versprochen worden und nicht, wie Sie glauben machen wollen, die Vermehrung der Arbeitsplätze um 100000 in 1997. Diese ist nicht gelungen; das muß man hier feststellen. Aber man darf nicht nur feststellen, daß dies nicht gelungen ist; vielmehr müssen die angeschobenen Maßnahmen fortgesetzt werden,
wie zum Beispiel die vom Bundeswirtschaftsministerium vorbereitete Konsumgütermesse. Sie können doch nicht sagen, daß das ein Mißerfolg war. 900 Aussteller haben Geschäftsbeziehungen geknüpft. Natürlich kann es jetzt noch nicht zum Abschluß von Verträgen gekommen sein, bzw. wenn Verträge abgeschlossen wurden, kann sich das noch nicht auf die Produktion ausgewirkt haben. Das ist doch ganz logisch. Aber es wird zu Verträgen und Aufträgen kommen. Dann wird produziert.
- Herr Dr. Küster, das wirkt sich logischerweise auf die Arbeitsplätze aus - das werden Sie feststellen können wenn nicht von Ihrer Seite hier weiterhin total blockiert wird.
Jetzt sage ich etwas zum mittelfristigen Förderkonzept 1999 bis 2004. Sie tun ja gerade so, als ob die Förderung nicht weitergegangen wäre. Es wäre allerdings zu überlegen, ob wir nicht schon ab 1998 die Umstellung von Sonderabschreibungen auf die einklagbaren Investitionszulagen machen sollten, wenn es denn technisch möglich sein sollte. Das wäre tatsächlich eine Überlegung wert.
Natürlich werden diese gemeinsam angedachten und teilweise auf den Weg gebrachten Initiativen positive Wirkungen auf den ostdeutschen Arbeitsmarkt haben. Sie werden 1998 sehen, daß sich das auswirkt.
Aber diese Initiativen reichen natürlich noch nicht. Ich frage mich: Wo steht in dem Papier zur gemeinsamen Initiative - ich habe es wirklich durchgelesen -etwas zur schnellstmöglichen Umsetzung der Steuerreform - das fehlt dort, und das kritisiere ich zur Umsetzung der Rentenreform und der Bildungsreform, und das möglichst im Zusammenhang? Das ge-
hört natürlich zu dieser gemeinsamen Initiative; es ist das Ausschlaggebende.
Wir werden nicht vorankommen, wenn wir weiter so dahindümpeln
bei der Nichtreduzierung der Abgabenlast. Das ist Ihnen doch bewußt. Schauen Sie einmal über die Grenzen. Nicht einmal bis Holland, bis England oder bis Schweden können Sie gucken. Ihr Blick ist verbaut; das wollen Sie nicht sehen. Diese Länder haben Erfolge mit diesen Instrumenten. Sie stellen diese Instrumente hier als liberales Teufelszeug dar. Das kann doch nicht wahr sein. Diese Länder sind damit vorangekommen. Deswegen muß so etwas der erste Punkt der gemeinsamen Initiative sein.
Ich weiß nicht, warum er bisher ausgespart worden ist. Vielleicht hat das auch wieder mit Parteipolitik zu tun, leider.
Das wollte ich hiermit einmal gesagt und eingeklagt haben. Sie werden sehen: Wenn wir die gemeinsame Initiative um den Punkt Reformstauauflösung erweitern und sie endlich umsetzen, dann werden wir wirklich vorankommen.
- Dann werden Sie auf unsere Mittel zurückgreifen müssen, wenn Sie es denn schaffen sollten. Ansonsten wird das nichts.
Frau Professor Luft.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Türk, ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie am zweiten Adventssonntag, also vor ein paar Tagen, mit in Welzow bei den Baumaschinenbauern gewesen wären, die ihren Betrieb besetzt haben. Das ist im übrigen Ihr Wahlkreis.
- Sie waren eingeladen. Sie sind aber nicht gekommen. Ich hätte gerne die Augen der 74 noch Beschäftigten und der 15 Azubis gesehen, wenn Sie die Rede, die Sie hier eben vorgetragen haben, dort gehalten hätten.
Dr. Christa Luft
Stecken Sie Ihre Rede jetzt in ein Kuvert, und schikken Sie sie den Menschen dort; dann werden sie hoffentlich neue Hoffnung schöpfen können.
Wenn der Medienrummel bereits Garantie für Erfolg wäre, dann hätte die vom Bundeskanzler im Mai in Szene gesetzte Beschäftigungsinitiative wahrlich grandiose Ergebnisse bringen müssen. Die erste Zwischenbilanz zeigt nun aber: Auch diese sogenannte Initiative ist geplatzt wie eine Seifenblase. Sie hat ein ganz jämmerliches Ergebnis.
- Ach ja, und Sie haben offenbar getürkte Zahlen.
Die Zahl der offiziell Arbeitslosen, Herr Türk, ist im dritten Quartal 1997 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 196000 gestiegen. Dazu kommen die Familienangehörigen all dieser Menschen, die die Arbeit verloren haben. Ich meine, da kann man nicht mit solchen Dingen kommen wie Sie hier eben; im übrigen trifft das auch auf Herrn Grund zu. Sie können sich doch nicht daran messen, was die Bundesregierung getan hat. Sie müssen sich daran messen, was sich bei den Menschen niederschlägt.
Da sind die Ergebnisse eben traurig.
Die Kürzung der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik hat - das müssen wir festhalten - ganz, ganz leidvolle Spuren hinterlassen. Der Kanzler hat abermals, assistiert von einem sich immer zu Pflichtoptimismus hergebenden Wirtschaftsminister, bei Frauen, bei Männern und bei Jugendlichen, die schon lange arbeitslos sind, Hoffnungen geweckt. Er hat wieder Versprechungen gemacht und wieder etwas angekündigt. Abar alles ist hohl geblieben.
Wenn wenigstens für 1998 die Aussicht anders wäre, könnte man sich heute etwas moderater verhalten. Aber, meine Damen und Herren, Besserung ist doch nicht in Sicht. Die Bundesanstalt für Arbeit hat im Haushalt 1998 eine Milliardenunterdeckung; das wissen wir schon. Die BvS bekommt 1998 800 Millionen DM weniger, als sie in diesem Jahr hatte. Aber aus Unternehmensliquidationen fließen pausenlos Gelder in den Bundeshaushalt zurück. Diese müßten zweckgebunden für die Sanierung sanierungsfähiger Unternehmen eingesetzt werden.
Forschung und Entwicklung werden im kommenden Jahr um 50 Millionen DM weniger als in diesem Jahr gefördert. Für die Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsförderung Ost - das wissen Sie - gibt es erheblich weniger Geld vom Bund, als Länder schon an Verpflichtungen eingegangen sind. Ich weiß nicht, woher Sie den Optimismus nehmen, mit dem Sie hier ans Pult gegangen sind.
Man muß sich doch nicht wundern, wenn es im „Arbeitslosen-Report 1997" heißt, daß 80 Prozent der
Erwerbslosen mittlerweile nicht mehr glauben, daß sich die Situation in einem für die eigene Lebensplanung überschaubaren Zeitraum verbessern könnte. Im Osten vertieft sich damit aber auch die Erkenntnis, meine Damen und Herren von der Koalition, daß ohne existenzsichernde Arbeit Freiheit, die als hinzugewonnener Wert angesehen wird, nur halb gelingen kann bzw. immer eingeschränkter wahrgenommen werden kann. Das ist doch das politische und gesellschaftliche Problem.
Während wir hier debattieren, geht das Firmensterben in diesem Lande munter weiter - auch in dieser Minute. Das Unternehmen in Welzow hat die Gesamtvollstreckung beantragt; sie wird herbeigeführt. Die Pleitewelle erreicht in diesem Jahr einen bisherigen Höhepunkt. Allein in Berlin gab es im ersten Halbjahr 1997 1237 Firmenzusammenbrüche. Bei immer mehr von der Treuhand privatisierten Unternehmen kommen jetzt die kriminellen Aktivitäten aus den Anfangsjahren der Privatisierung zum Vorschein und äußern sich in tödlichen Turbulenzen; die Firma in Welzow ist nur ein Beispiel dafür.
Aber ich möchte vor diesem Forum ausdrücklich sagen, daß ich es für zynisch halte, was BvS-Betreuer den Welzowern in den letzten Wochen dazu gesagt haben, wie sie mit ihrer Kostensituation fertigwerden sollen: Sie sollen aus dem Unternehmerverband austreten, Teile der Produktion nach Polen verlagern, auf Lehrlingsausbildung verzichten und die Lehrlingsentgelte reduzieren. Ich halte es für zynisch, wenn man das zu Menschen sagt, die seit vier Monaten keinen Lohn bzw. kein Entgelt bekommen. Sie kämpfen um den Erhalt ihres Unternehmens, und man sagt ihnen solche Sprüche.
Übrigens könnte dieses Unternehmen, wie manches andere, gerettet werden, wenn die Vorfinanzierung, die mitunter nur einige hunderttausend DM ausmacht, gesichert werden könnte. Die Firma in Welzow hat einen Vertrag mit China und könnte sofort Betonmischanlagen dorthin liefern. Es mangelt aber an der Vorfinanzierung, die sich ungefähr auf 0,5 Millionen DM beläuft. Meine Damen und Herren, das ist für mich eine unvorstellbare Situation.
Frau Luft, kommen Sie bitte zum Schluß.
Ich bin sofort fertig. - Das ist auch ein Problem der BvS, die unter der Hoheit dieser Bundesregierung arbeitet. Der Bundeswirtschaftsminister muß sich hier auch dazu bekennen, wie der Staat seine Aufgaben aus dieser Initiative wahrzunehmen gedenkt; denn bisher ist dort nichts festzustellen.
Danke schön.
Das Wort hat Bundesminister Dr. Günter Rexrodt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Mai haben Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften gemeinsam beschlossen, mehr Wachstumsdynamik im Osten zu erzeugen, 1997 das Beschäftigungsniveau zu stabilisieren und in den kommenden Jahren nach Möglichkeit 100 000 neue Arbeitsplätze entstehen zu lassen. Dazu hatten die Gewerkschaften, die Wirtschaft und die Politik ihre Schularbeiten zu machen.
Nachdem wir in diese Gemeinschaftsinitiative eingetreten sind, müssen wir nun feststellen, daß das erste und zugegebenermaßen wichtigste Ziel für 1997, nämlich das Beschäftigungsniveau zu stabilisieren, nicht erreicht worden ist. Ich gehe auf die Gründe ein. Ich will das schlechte Ergebnis auch gar nicht in ein gutes Ergebnis umdeuten, sondern ich will zunächst einmal fragen: Was ist daran schuld? Was hat man gegebenenfalls falsch gemacht? Welche Konsequenzen ziehen wir daraus?
Vor allem kann ich feststellen: Ein solches schlechtes Teilergebnis und nur erstes Ergebnis kann uns nicht dazu veranlassen, daß wir uns aus dieser Initiative zurückziehen.
In diesem Zusammenhang lassen Sie mich noch folgendes sagen: Sie fordern doch immer, daß die Bundesregierung und überhaupt diejenigen, die Verantwortung tragen, quantitative Ziele beschließen. Wenn man quantitative Ziele beschließt, ist man nicht auf der sicheren Seite. Das wissen Sie alle; wir auch. Wir haben nun einmal quantitative Ziele beschlossen und haben sie nicht erreicht. Nun will ich Ihnen nicht unterstellen, daß Sie sich darüber freuen, daß das Ergebnis schlecht ist; das wäre unfair. Aber daß Sie sich darüber freuen, dies allein uns, der Bundesregierung, undifferenziert und in der Gesamtwertung falsch aufs Brot zu schmieren, diese Häme merkt man Ihnen an.
Das kommt draußen nicht an. Denn das, was Sie schildern, was Sie an Horrorszenarien über die Entwicklung in den neuen Ländern darstellen, trifft nicht die Wirklichkeit.
Nun will ich Ihnen zunächst einmal sagen: Der Einbruch bei der Beschäftigung - 165000 Beschäftigte weniger in 1997 - ist darauf zurückzuführen, daß wir einen Einbruch im Baugewerbe hatten, wie das nicht erwartet war. Es war ein Rückgang zu erwarten, aber nicht eine solche Katastrophe.
- Das haben wir nicht provoziert. Nach der Wiedervereinigung mußte doch die Kapazität entstehen, um die Infrastruktur hochzubringen und um Sanierungen durchzuführen!
Das, was wir in den neuen Ländern sehen, ist auf Grund der Beschäftigten in der Bauwirtschaft entstanden. Was reden Sie denn für einen Quatsch? Die
negativen Folgen, die dort auftreten, sind durch die Normalisierung entstanden!
Ich beklage es ja, daß es diese Arbeitsmarktwirkungen gibt. Aber wenn wir den Baubereich ausklammerten - das kann man in der volkswirtschaftlichen Betrachtung nicht; ich gebe das zu -, hätten wir in den anderen Bereichen ein passables, über dem westdeutschen Wachstum liegendes Wachstum in den neuen Ländern.
4,5 Prozent und im nächsten Jahr 5 Prozent, wenn die Bauwirtschaft nicht dabei wäre. Das ist der Punkt. Deshalb sage ich mit Fug und Recht: Der Anpassungsprozeß im Osten kommt weiter voran. Wer das nicht sehen will, geht bewußt blind durch diesen Teil unseres Landes.
- Ich habe doch die ganze Zeit über die Zahlen gesprochen! Ich habe sie auch erklärt und habe gesagt, daß das nicht befriedigend ist. Was wollen Sie denn überhaupt?
Aber schauen Sie sich folgende Zahlen an: Im nächsten Jahr werden wir im Osten trotz der schlechten Lage bei der Bauwirtschaft im Gesamtwachstum wieder eine Entwicklung haben, die dem entspricht, was wir im Westen haben. In den künftigen Jahren erwarte ich wieder ein überdurchschnittliches Wachstum.
- Hören Sie gut zu; ich weiß, was ich sage. Ich mache wieder eine quantitative Aussage, weil sie gemacht werden muß: Dies wird auch auf dem Arbeitsmarkt durchschlagen.
- Hätten Sie Freude daran, wenn das nichts würde?
- Es klingt aber so.
Ich sage Ihnen: Wir werden am Ende nächsten Jahres in den neuen Ländern 80 000 bis 100 000 Arbeitslose weniger haben als am Ende dieses Jahres.
- Hören Sie doch erst einmal zu! Was ist denn gegen eine solche Aussage zu sagen? Sie können sie ja bezweifeln.
Nur, damit das dann im nächsten Jahr nicht mißdeutet wird: Ich sage gleichzeitig, die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in 1998 wird noch einmal über
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
der des Jahres 1997 liegen, und zwar auf Grund der Tatsache, daß wir mit einem hohen Sockel in das Jahr gehen. Wir werden im Jahre 1998 mit großer Wahrscheinlichkeit in den neuen Ländern wie in den alten Ländern die Trendwende am Arbeitsmarkt erreichen, was nicht mit einem rapiden und schnellen Abbau der Arbeitslosigkeit gleichbedeutend ist, aber einen Abbau der Arbeitslosigkeit bedeutet. Das stimmt befriedigend.
Das ganz Wichtige ist - das negieren Sie hier; das wollen Sie einfach nicht wahrhaben -, daß in den neuen Ländern etwas eingetreten ist, das ich so nicht erwartet habe, nämlich daß das verarbeitende Gewerbe, dem es über Jahre am schlechtesten ging, wo die geringsten Zuwächse und sogar Schrumpfung festzustellen waren, wieder Fuß gefaßt hat. Das verarbeitende Gewerbe hat von Januar bis Oktober Auftragszuwächse von 11,4 Prozent zu verzeichnen. Die Exporte sind um 38 Prozent gestiegen.
Das wird auch im nächsten Jahr so sein.
Ich weiß sehr wohl, daß der Anteil der Exporte aus den neuen Ländern an den Gesamtexporten der Bundesrepublik 5,2 Prozent ausmacht und dieser Anteil in den letzten Monaten nicht gewachsen ist. Aber ein Zuwachs von 38 Prozent bedeutet doch, daß sich die ostdeutschen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes auf dem Weltmarkt zurückmelden, im Westen, im Osten, im Ausland. Es ist Ausdruck der gewachsenen Wettbewerbsfähigkeit, daß die Unternehmen wieder Tritt gefaßt haben, meine Damen und Herren.
Nun wird gefragt, was hat denn die Bundesregierung zu dieser Gemeinschaftsinitiative beigetragen. Ich sage Ihnen ganz klar: Wir haben enorm viel beigetragen. Wer in Abrede stellen will, daß die Verankerung des Förderkonzepts auf dem finanziellen Niveau der Vorjahre für die Zeit nach 1999 für Investitionen und Arbeitsplätze jetzt nichts bedeutet, hat keine Ahnung, wie die Wirtschaft läuft. Man investiert nämlich langfristig, man investiert heute, weil man Erträge in der Zukunft haben kann. Das ist ganz enorm wichtig.
Da gibt es die Gemeinschaftsaufgabe Ost, die auf hohem Niveau fortgesetzt wird. Es ist einfach nicht so, wie Sie erzählen, Frau Luft. Es ist einfach falsch, schlicht falsch, Quatsch, daß bei den GA-Mitteln Engpässe in den Ländern aufgetreten sind. Jedes Projekt wird bezahlt. Neue Projekte werden anfinanziert. Es ist sogar so, daß die Gelder aus Gründen, die ich wie Sie beklage, nicht abgerufen werden. Sie erzählen schlechterdings das Gegenteil dessen, was richtig ist. Entweder Sie wissen es nicht, oder Sie tun es vorsätzlich. Ich behaupte immer wieder: Hier ist Häme zu spüren, daß die Entwicklung nicht so gut läuft, wie wir uns das alle wünschen, meine Damen und Herren. Das ist nicht zu akzeptieren.
Dann wird gesagt, die Förderung des zweiten Arbeitsmarktes soll stärker betont werden. Ich darf zunächst einmal sagen, daß die Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt - anders, als die Aussagen hier lauteten - nicht gekürzt worden sind. Die Zahl der Maßnahmen ist zurückgegangen; das ist richtig. Aber ich warne vor einer Uberbetonung der Fördermaßnahmen beim zweiten Arbeitsmarkt. Dieser muß weiter gefördert werden; dort müssen Brücken geschlagen und Härten abgewendet werden. Wer aber glaubt, die Ursachen der Arbeitslosigkeit dadurch beseitigen zu können, daß er die Finanzierung im zweiten Arbeitsmarkt aufbläst und aufstockt, der liegt vollkommen falsch.
Das sehen die Unternehmer so, das sehen sogar zunehmend die Arbeitnehmer so. Keiner hat nämlich Lust, sich von einer AB-Maßnahme zur anderen zu hangeln. Die Leute wollen in den ersten Arbeitsmarkt. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen.
Meine Damen und Herren, leider ist meine Redezeit begrenzt, obwohl es eine höchst interessante Debatte und Diskussion ist. Die Fakten müssen objektiv gewertet werden. Ich bin nicht hier, um die Situation in den neuen Ländern schönzureden, wie Sie immer behaupten. Aber eines sage ich Ihnen: Wer in die neuen Länder geht, mit den Menschen spricht, sich die Städte, Dörfer, Fabriken und den Mittelstand anschaut, dann zurückkommt, sich hier hinstellt und sagt: Da tut sich nichts, die Weichen sind nicht richtig gestellt, der sagt die Unwahrheit. Der macht mies und gibt den Menschen dort keine Hoffnung.
Wir wollen nicht schönreden, wir wollen unsere Arbeit fortsetzen - auch in dieser Initiative. Aber wir wollen nicht miesmachen. Wer miesmacht, nimmt den Menschen die Hoffnung und verhindert den Aufbau. So ist es, meine Damen und Herren.
Frau Kollegin Sabine Kaspereit.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Bündnisse, Gemeinschaftsaufgaben, Offensiven, Appelle und Pakte scheinen politisch sehr modern zu sein. Wenn ich es richtig verstehe, haben sie Ihren Sinn darin, gesellschaftliche Kräfte zu bündeln und Lösungen für drängende Fragen herbeizuführen, wenn man dies allein nicht bewirken kann.
Das geht nur, wenn konkrete Ziele vereinbart werden und sich auch alle Bündnispartner an die getrof-
Sabine Kaspereit
fenen Vereinbarungen halten. Das geht auch nur, wenn die Partner eines Bündnisses bereit sind, für Erfolge und Mißerfolge die Verantwortung zu tragen
und nicht im nachhinein die angestrebten Ziele zu relativieren. Sie sind eben von Ihrem Ziel, Herr Minister Rexrodt, 100 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, abgerückt. Das wird die Gewerkschaften sehr interessieren. Sie haben das sehr deutlich relativiert.
Lesen Sie das Protokoll! Ich weiß nicht, wie ich Sie sonst verstehen könnte.
Es kann nicht sein, daß man publikumswirksam ein Bündnis schließt, ein Partner sich gutwillig Verpflichtungen zum Lohnverzicht auferlegt und sich dann die andere Seite zurücklehnt und nichts tut.
Es kann auch nicht sein, daß sich die Arbeitgeberseite nur der Rentabilität verpflichtet fühlt, sozialstaatliche Vorzüge wie Bildungswesen, öffentliche Sicherheit, Rechtssicherheit, Infrastrukturen usw. in aller Selbstverständlichkeit unentgeltlich in Anspruch nimmt und schweigend zu schätzen weiß, aber dann mit geballter Lobbymacht Verantwortung für das Gemeinwohl von sich weist. Dies sage ich nicht nur mit Blick auf die neuen Länder.
Es kann und darf angesichts der katastrophalen Arbeitsmarktlage nicht sein, daß die Bundesregierung, blockiert von ihrem marktradikalistischen Minderheitspartner,
keine Anstrengungen unternimmt, die Verantwortung der Unternehmen einzufordern, auch dem Gemeinwohl verpflichtet zu sein.
Meine Damen und Herren, die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften haben in der Beschäftigungsinitiative Ost alles in ihrer Macht Stehende getan, um Arbeitsplätze zu sichern. Die Arbeitnehmer sind es, die mit Blick auf die Ausbildungsplätze und mit Blick auf die Überlebensfähigkeit ihrer Betriebe das Gemeinwohl im Auge haben. Sie haben Kurzarbeit geleistet und Lohnverzicht geübt. Ja, sie sind sogar Beteiligungen eingegangen, um ihre Arbeitsplätze sichern zu helfen.
Dagegen gibt das Verhalten so mancher Unternehmer unseren Befürchtungen Nahrung, daß die neuen Länder nach wie vor als verlängerte Werkbank mißbraucht werden.
Ich rede von den Unternehmern, die sich einst von der Treuhand ein Unternehmen schenken, dann im
zweiten Schritt den Verlustausgleich vom Steuerzahler bezahlen und das ostdeutsche Unternehmen im dritten Schritt finanziell ausbluten ließen, um zum Schluß die Gesamtvollstreckung zu beantragen.
Getroffen hat es immer die Arbeitnehmer, wie es jetzt die 150 Mitarbeiter des Leipziger Werkes Hartmann & Braun treffen könnte. Genützt hat es vielen Arbeitgebern der alten Bundesländer, wie es jetzt Hartmann & Braun mit Sitz in Frankfurt und einem ehemaligen Treuhand-Manager als Chef nützen könnte. Diese Firma betreibt nun nach fehlgeschlagenen Internationalisierungsversuchen massiven Stellenabbau und läßt ihre Fehlentscheidung durch den Osten bezahlen, mit dem sie ja ach so solidarisch ist.
Meine Damen und Herren, ich spreche hier von der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen, Verantwortung, die die Bundesregierung einzufordern hat. Es sind Fehlentscheidungen des Managements, es sind bewußte Konkursstrategien zur Sanierung anderer Niederlassungen, es ist die Ausmerzung von Konkurrenten, und es ist der Tunnelblick der Shareholder-value-Verfechter, die die Menschen mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bitter zu bezahlen haben. Die verfassungsrechtlich verankerte Sozialbindung von Eigentum wird durch diese Strategien mißachtet.
Angesichts der chronisch schlechten Arbeitsmarktlage und der wachsenden politischen Unzufriedenheit der Menschen ist es an der Zeit, daß die Bundesregierung nicht bloß auf die Selbstheilungskräfte des Marktes und auf scheinheilige Selbstverpflichtungen mancher Arbeitgeber setzt, sondern wirtschaftspolitisch gestaltend eingreift, also ihren Teil des Bündnisses trägt, das sie eingegangen ist. Oder war auch die Bundesregierung scheinheilig?
Man könnte zu diesem Schluß kommen, denn die Gesetzgebung dieser Bundesregierung hat dafür gesorgt, daß die Arbeitslosigkeit statt zu schrumpfen nach jedem Gesetzeswerk mit wohlklingendem Reformgetöse ein Stück angestiegen ist. Und dann beklagen Sie es, Herr Minister.
Wie hört sich das dann im Bericht der Bundesregierung an? „Wir haben Teilerfolge erreicht!"
Meine Damen und Herren der Koalition, diese Teilerfolge, wenn es sie überhaupt gibt, haben nicht Sie erreicht, sondern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die es ernst meinen mit diesem Bündnis. Verkaufen Sie nicht Erfolge, an denen Sie nicht beteiligt sind!
Nur ein Politikwechsel kann uns hier noch helfen und eine Wende bewirken, die der Beschäftigungs-
Sabine Kaspereit
politik den ihr gebührenden Rang einräumt. Wir werden es tun.
Herr Kollege Dr. Pohler.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie zunächst eine kurze Bemerkung zu den Ausführungen von Herrn Schulz. Es wundert mich schon etwas, daß Sie den Bundeskanzler kritisieren,
wenn er Höhepunkte in den neuen Bundesländern wahrnimmt, wie zum Beispiel die Einweihung des neuen Hauptbahnhofes in Leipzig, selber aber mitfahren, um bei diesem Höhepunkt dabei zu sein. Ein bißchen mehr Ehrlichkeit auch bei anderen Sachen und auch von diesem Pult aus wäre sicher angebrachter. Man sollte dann schon konsequent sein.
Aber jetzt zum Thema: Trotz vielfältiger Förderung der Wirtschaftsentwicklung in den neuen Bundesländern und der - wie ich meine - unverkennbaren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte konnte sich ein selbsttragender Aufschwung noch nicht entwickeln. Die Arbeitslosenzahlen im Osten Deutschlands liegen weit über den Werten Westdeutschlands. Dieser Tatsache haben die Bundesregierung, die Wirtschaft, die Gewerkschaften und die Kreditwirtschaft durch die Gründung einer gemeinsamen Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland im Mai 1997 in Berlin Rechnung getragen.
Die wichtigsten Zielstellungen waren, die Wachstumsdynamik der ostdeutschen Wirtschaft zu stärken, die Beschäftigung im Jahre 1997 auf dem Niveau von 1996 zu stabilisieren und in den darauf folgenden Jahren einen jährlichen Zuwachs von 100000 Beschäftigten zu erreichen. Dies war ohne Zweifel eine hohe und ehrgeizige Zielstellung, die, wie die Bilanz auf dem 1. Wirtschaftstag Ost am 5. Dezember in Potsdam zeigte, in bezug auf die Beschäftigung nicht erreicht werden konnte. Dies bestreitet niemand.
Es ist jedoch weit gefehlt, deshalb von einem Scheitern der Initiative zu sprechen. Zu dieser Überzeugung sind offensichtlich alle Beteiligten gekommen; denn wie ist es sonst zu erklären, daß sich keiner von ihnen aus dieser Initiative und damit aus der Verantwortung verabschiedet hat?
Eine gründliche Analyse der bisherigen Aktivitäten zeigt, daß die Ursachen für das Nichterreichen der ehrgeizigen Zielstellung neben dem Rückgang in der Bauwirtschaft vor allem darin zu suchen sind, daß die eingeleiteten Maßnahmen erst mittelfristig wirksam werden. So haben die Investitionen in den neuen Bundesländern mit 190 Milliarden DM auch 1997 ein hohes Niveau erreicht. Im Rahmen der Ein-
kaufsinitiative haben über 40 führende Industrieunternehmen ihre Einkäufe in den neuen Bundesländern erheblich gesteigert. Auch Handelsunternehmen berichten über eine Steigerung der Einkäufe bis Ende 1997 um etwa 40 Prozent, bezogen auf 1995. Ohne Zweifel hat dazu auch die Anfang September in Düsseldorf stattgefundene Messe beigetragen.
Doch wir alle wissen, daß eine bessere Auftragslage nicht sofort und unmittelbar zur Einrichtung ständiger Arbeitsplätze führt. Diese Prozesse dauern länger, als uns allen lieb sein kann. Denn verantwortungsvoll geführte Betriebe reagieren auf veränderte Situationen erst dann durch Produktionsausweitung und durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze, wenn sie von der Dauerhaftigkeit des Trends überzeugt sind.
Ebenso wichtig für die Schaffung von Arbeitsplätzen sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die eine hohe Flexibilität und ein verständnisvolles Zusammenwirken zwischen den Tarifpartnern ermöglichen. Wichtige Weichen dafür wurden von den Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung gestellt. Ich denke dabei zum Beispiel an die Öffnung des § 249 h des AFRG für die gewerbliche Wirtschaft. Hierdurch haben Arbeitslose eine bessere Chance des Wiedereinstiegs in den ersten Arbeitsmarkt.
Nach anfänglichem Zögern macht der Mittelstand von dieser gesetzlichen Regelung immer häufiger Gebrauch. Seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 1997 wurden in den neuen Bundesländern über 50000 Einstellungen auf dieser Grundlage vorgenommen. Ich bin davon überzeugt, daß von den verbesserten Konditionen ab dem 1. Januar 1998 noch einmal ein Schub ausgehen wird.
Hauptursachen für den Anstieg der Arbeitslosenzahl sind ohne Zweifel der Rückgang in der Bauindustrie und die Tatsache, daß das produzierende Gewerbe trotz einer Steigerung der Auftragseingänge von 10 bis 12 Prozent in diesem Jahr den Ausfall in der Bauindustrie noch nicht ausgleichen konnte. Auftragseingänge und Absatzzahlen zeigen jedoch, daß mit dem Mittelstand eine solide und gesunde Wirtschaft heranwächst. Wenn diese Entwicklung gezielt weiter gefördert wird, sind wir auf dem richtigen Weg zu einer sich selbst tragenden Wirtschaftsentwicklung. Das haben auch die Partner der Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland erkannt und sich deshalb zur Fortführung entschlossen. Hierzu sollten wir den Initiatoren nicht nur viel Erfolg wünschen, sondern wir sollten sie konstruktiv begleiten.
Der Haushaltsansatz für 1998 für den Aufbau Ost und die Fortführung der Förderprogramme zeigen, | daß dieses Ziel von der Koalition energisch weiterver-
Dr. Hermann Pohler
folgt wird und daß diese Koalition ihren Beitrag dazu leistet.
Danke schön.
Als nächste Rednerin die Kollegin Marieluise Beck.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Schlauch hat mir gestern erzählt, daß er vor zwei Wochen am Sonntag morgen im Magdeburger Hauptbahnhof war, als dort eine Gruppe von 50 rechtsradikalen jungen Männern in Pfeilformation durch den Hauptbahnhof gelaufen ist und die Bevölkerung unwillkürlich Platz gemacht hat, damit diese Leute durchkamen.
- Das gehört in die Debatte, die wir heute morgen führen: Was passiert in den neuen Ländern im sozialen Bereich? Wir haben auch im Westen partiell solche Entwicklungen; es geht nicht nur um den Osten.
Diese Entwicklungen sind im Osten eindeutig stärker, und das demokratische Gefüge ist gerade in bezug auf die junge Generation im Osten labil.
- Ich erinnere nur kurz an die Vorkommnisse im Sommer auf den Zeltplätzen in Mecklenburg; sie gehören auch zu diesem Thema.
Das ist nichts, was man sich gegenseitig zuzuschieben hätte, aber das ist eine Verantwortung und eine Gefährdung, mit der wir uns alle zu befassen haben; denn es wird hinterher nicht gefragt, ob die CDU, die SPD oder die Grünen verantwortlich waren, sondern die Politik wird insgesamt in die Verantwortung genommen.
Was hat das mit dem Thema, über das wir heute sprechen, zu tun? Eine wesentliche Ursache dieser Entwicklung und der Abkehr von der Demokratie ist doch Unsicherheit, das Nichtwissen, was gesellschaftlich eigentlich passiert. Hier ist mein erster Vorwurf an eine Regierung, die sagt „Wir machen ein Bündnis für Arbeit" und es dann platzen läßt, die sagt „Wir werden die Zahl der Arbeitslosen halbieren", die das immer wieder sagt, obwohl sich nichts in diese Richtung entwickelt und die ständig wiederholt „Nächstes Jahr kommt die Trendwende, und es werden 100 000 Arbeitsplätze mehr sein".
Das eigentlich Gefährliche ist; daß die Bevölkerung nicht in die schwierige Debatte über den Osten
- Wie soll es weitergehen? Wie kommen wir aus dem tiefen Loch, in dem sich diese Gesellschaft bezüglich der Arbeitsplätze befindet? - einbezogen wird. Wenn Sie sich nicht endlich dazu durchringen können,
über die Fehler und die Fehlentscheidungen, die getroffen wurden, zu diskutieren und daraus neue Entscheidungen abzuleiten, in die die Bürger als selbständige Subjekte einbezogen werden, dann habe ich wirklich Sorge, ob der Konsens, daß Demokratie ein Zugewinn ist gegenüber den vorherigen Verhältnissen, nicht zunehmend bei Teilen der Bevölkerung im Osten brüchig wird.
Ich nenne ein paar der Themen, um die es geht. Es geht um die Frage: Wie sind die Förderstrukturen gestrickt worden, bei denen auf Abschreibungen gesetzt wurde, obwohl wir wissen, daß ein wesentlicher Teil der Gewinne in die Taschen wohlhabender Menschen im Westen zurückgeflossen ist, und zwar in einem Maß, das die Finanzverhältnisse im Westen ebenso wie den Bundeshaushalt so stranguliert hat, daß wir nicht mehr in der Lage gewesen sind, aus der Bundeskasse für den Osten das zu tun, was wir zum Beispiel im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die jetzt zurückgefahren wird, obwohl sie als Notnagel bitter nötig gewesen wäre, um unter anderem den sozialen Konsens im Osten nicht noch brüchiger werden zu lassen, hätten tun müssen?
Herr Minister Rexrodt, ich habe sehr wohl Kritik am zweiten Arbeitsmarkt geäußert. Ich weiß, daß er keine gesellschaftliche Antwort auf eigentlich notwendige ökonomische Entwicklungen im Osten ist; das weiß jeder von uns. Aber angesichts der jungen Generation oder auch älterer Menschen, die nicht mehr sehen, wo ihre Lebensperspektive liegen könnte, kann man eine aktive Arbeitsmarktpolitik nicht einfach zurückschneiden, ohne daß sich etwas alternativ entwickelt. Es gibt eben nicht die alternative Entwicklung auf dem ersten Arbeitsmarkt in einer Geschwindigkeit und Größenordnung, wie es nötig wäre, um den zweiten entsprechend zurückzufahren. Wenn Sie nicht begreifen, daß es eine Verbindung gibt, dann bröckeln der Glaube an die Zukunft und die Zuversicht. Damit werden die Spielräume für soziale und demokratische Entwicklungen geringer und der Glaube beeinträchtigt, daß dies ein Staat ist, zu dem man gehören möchte.
Meine Sorge ist: Wenn nicht endlich die Türen aufgemacht werden und wahrhaftig diskutiert wird über das, was falsch gelaufen ist und welche Konsequenzen daraus jetzt zu ziehen sind, dann werden wir es mit einer immer schwieriger werdenden politischen Entwicklung im Osten zu tun haben. Es gibt niemanden in diesem Hause, der darüber frohlocken könnte.
Herr Kollege Heinz Schemken.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Beck, ich finde es gut, daß Sie sich mit den Befindlichkeiten der Menschen beschäftigt haben. Nur, einem Trugschluß sollten wir nicht unterliegen - das entspricht
Heinz Schemken
der Erfahrung, die ich auf Grund meiner Aktivitäten in den neuen Bundesländern, in denen ich oft unterwegs bin, und in den alten Bundesländern gemacht habe -: Die Arbeitslosen sind nicht jene, die nach rechts tendieren. Oft sind es vielmehr diejenigen, die im Besitz eines Arbeitsplatzes sind, die im Wohlstand leben, die in besonderer Weise das Besitzstandsdenken pflegen und nicht selten sogar den Nadelstreifenanzug tragen.
Ich sage das ausdrücklich, damit wir die Rollen nicht so verteilen, wie das bei Ihnen anklang, wenn es vielleicht auch nicht so gedacht war. Denn in vielen Bereichen treffen sich unsere Meinungen durchaus, Frau Beck; das darf ich ausdrücklich feststellen.
Auch mir geht es in dieser Diskussion um die Befindlichkeiten der Menschen. Ich möchte deshalb auf den eigentlichen Zusammenhang zurückkommen: Gibt es denn eigentlich einen Unterschied zwischen der Befindlichkeit der Menschen in den jungen Bundesländern und der Befindlichkeit der Menschen in den alten Bundesländern? Ich finde, das Geschenk der Wiedervereinigung sollte uns gerade in dieser vorweihnachtlichen Zeit ein wenig wieder zusammenbringen.
Es kann nicht sein, daß wir die Leistungen für die Menschen in den jungen Bundesländern, die wir in den alten Bundesländern mit leisten, geringschätzen. Das leisten doch weder allein der Kanzler noch allein die Ministerpräsidenten; vielmehr leisten alle Bürgerinnen und Bürger den Transfer im Miteinander. Ich möchte hier keine Lobrede halten, sondern die Solidarität beschwören und die Herausforderung der Wiedervereinigung herausstellen.
Es handelt sich immerhin um Transferleistungen in Höhe von 180 Milliarden DM jährlich; netto sind es 130 Milliarden DM. Ich traue den Menschen in den jungen Bundesländern zu, daß sie mit diesem Geld eine gute Arbeit leisten und auch in Zukunft ein Stück weiterkommen. Auch diese Zuversicht sollten wir hier einmal zum Ausdruck bringen.
Sonst kommen wir in den Verdacht, daß wir am Menschen vorbei diskutieren. Ich füge ausdrücklich hinzu: Das gilt genauso für die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Berlin, Sachsen und Thüringen, es gilt also auch - das kann ich Ihnen nicht ersparen - für Herrn Stolpe und Herrn Höppner.
Wenn wir übereinkommen, daß wir das gemeinsam buckeln wollen, dann hätte ich schon in der ersten Phase der Diskussion mehr Zuspruch in einigen Bereichen, in denen wir vorangehen wollten - so auch bei den schnellen Regelungen zugunsten des
ersten und zweiten Arbeitsmarktes, beim AFRG -, erwartet.
Da hätten wir gemeinsam viel früher ansetzen und reagieren können.
Ich will nicht auf die Mechanismen, die wir eingesetzt haben und die sicherlich auch sinnvoll sind, zu sprechen kommen. Ich will auch nicht darauf zu sprechen kommen, daß wir die AB-Maßnahmen bis zum Jahr 2002 verlängern - aus guten Gründen gerade im gemeinnützigen Bereich, um mehr Brücken zu bauen. Ich möchte hier eigentlich das beschwören, was wir miteinander zu leisten haben. In diesen Punkt binde ich auch die Kommunalpolitiker vor Ort ein.
Wir verfolgen jetzt einen Ansatz, dessen Sinnhaftigkeit auch nicht von den Gewerkschaften bestritten wird. Ob es um den Kombi-Lohn geht, ob es um die Sozialhilfe geht, die Brücke in den ersten Arbeitsmarkt, ob es um die Arbeitslosenhilfe geht, ob es um die vielen Initiativen geht, die den Menschen vor Ort wirklich Arbeit bringen können - in einem sind wir uns einig: Die freiheitliche Gesellschaft, wie wir sie verstehen, muß sich letztlich auch da wiederfinden, wo sich der Mensch verwirklicht, nämlich in der Wirtschaft, in der Arbeit. Darüber sind wir uns einig: Ohne Arbeit ist sicherlich keine freiheitliche Gesellschaft zu erreichen. Dazu trägt auch die Wirtschaft bei, in der sich der Mensch über die Arbeit verwirklichen kann.
Wenn wir dies erreichen wollen, dann müssen wir im Konsens miteinander arbeiten. Es kann nicht sein, daß der Schwarze Peter hier wechselseitig hin und her geschoben wird und die Menschen uns am Ende alle nicht mehr verstehen. Ich bitte alle - bis auf die PDS; sie hat allen Grund, nicht mitzumachen; das liegt in der Vergangenheit begründet -, mitzuwirken. Ich bin fest davon überzeugt: Die Aktuelle Stunde hat es verdient, daß wir über diesen Ansatz miteinander diskutieren.
Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Renate Jäger, SPD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, es geht nicht darum, daß sich irgend jemand aus dieser gemeinsamen Initiative zurückziehen will. Im Gegenteil: Wir verlangen, daß die Ziele dieser Initiative realisiert werden. Aber dazu gehört politisches Handeln. Es gehört politisches Handeln dazu, um das Wachstum in der ostdeutschen Wirtschaft zu stärken, wie Sie es wollen. Es gehört politisches Handeln dazu, um das Beschäftigungsniveau in Ostdeutschland zu stabilisieren und um ab 1998 einen jährlichen
Renate Jäger
Zuwachs von 100 000 Beschäftigten zu erreichen, wie Sie das wollen. Ob das gelingt, ist bisher überhaupt nicht absehbar.
Sie haben die Ziele dieser Initiative benannt. Ich will einen Satz aus dieser Initiative zitieren:
Die aktive Arbeitsmarktpolitik wird unter Berücksichtigung der Fortschritte bei der Stabilisierung der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt fortgeführt.
Der Bundeskanzler gab - ebenfalls im Mai - eine Erklärung zur Vorstellung dieser Initiative ab, in der er sagte - ich zitiere -:
Es wird sichergestellt, daß die gemeinsame Initiative keine unverbindliche Absichtserklärung bleibt, sondern konsequent umgesetzt wird.
Was ist nach diesem halben Jahr zu bemerken? Welche Handlungen hat die Bundesregierung ausgeführt? Welche Aufgaben - Sie sprachen von der Erfüllung der Hausaufgaben - hat sie erfüllt?
In der Mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit vom 9. Dezember dieses Jahres steht unter anderem: „Beschäftigung unverändert rückläufig", „Die Arbeitslosigkeit ist auch im November weiter angestiegen" oder „Die Arbeitsmarktpolitik entlastete den Arbeitsmarkt im November um 225000 Personen weniger als vor einem Jahr". In diesem Sinne hat der Minister das auch akzeptiert.
Vor diesem Hintergrund ist mir der Beschluß der Koalitionsmehrheit im Haushaltsausschuß von dieser Woche völlig unbegreiflich, der besagt, weitere Kürzungen bei ABM, Fortbildung und Umschulung in Höhe von 2,7 Milliarden DM vorzunehmen. Weiter ist mir unverständlich, daß auch bei frei verfügbaren Ansätzen in der Bundesanstalt für Arbeit 700 Millionen DM einzusparen sind - und das bei steigender Arbeitslosigkeit. Herr Rexrodt hat angekündigt, daß die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland auch im kommenden Jahr weiter steigen wird, und trotzdem wird beim Personalhaushalt der Bundesanstalt gekürzt.
Solche Schritte sind angesichts des derzeitigen Trends auf dem Arbeitsmarkt unverantwortlich und nicht zu akzeptieren.
Aus den Stellungnahmen der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute und des Sachverständigenrates geht klar hervor, daß mit der für 1998 geschätzten Wachstumsrate von 2,4 Prozent keinerlei positive Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten sind. Diese Wachstumsrate in Ostdeutschland wird mit 0,4 Prozent hinter der im Westen zurückbleiben. Das ruft die Gefahr eines weiteren Auseinanderdriftens der Ost- und Westländer hervor, insbesondere in den Bereichen der Wirtschafts-, der Infrastruktur- sowie der Arbeitsmarktentwicklung. Dies darf einfach nicht passieren! Hier gehört politisches Handeln her, um der Gefahr der vollständigen Abkopplung der Wirtschaftsentwicklung in Ost und West zu begegnen.
Nun hat ja dieser Wirtschaftstag Ost stattgefunden. Wenn man sich aber genauer ansieht, wie dieses erste halbe Jahr von seiten der Bundesregierung ausgewertet wurde, kommen einem doch ernsthafte Zweifel am Erfolgswillen dieser Bundesregierung. Der Bundeskanzler hat an diesem Wirtschaftstag gar nicht erst teilgenommen; diese Peinlichkeit wollte er sich offensichtlich ersparen. Der Wirtschaftsminister räumte ein: Das Hauptziel, die Stabilisierung der Beschäftigung, ist nicht erreicht worden. Aber eine konkrete Analyse in bezug auf die Gründe und Ursachen des Versagens oder Aussagen dazu, wie denn die nächsten Maßnahmen aussehen sollen, wurden überhaupt nicht gemacht. Das einzige, was Sie heute hier verkündet haben, war: Es gab einen großen Einbruch am Bau; dieser Einbruch wird sich im nächsten Jahr nicht weiter fortsetzen. - Diese Aussage steht aber im Widerspruch zu den Aussagen des Bundesbeauftragten für die neuen Länder, der sagt: Im Bau wird es in den ostdeutschen Ländern weiter abwärtsgehen.
Einzig und allein der DGB legte anläßlich dieser Zwischenbüanz konkrete Eckpunkte darüber vor, was weiter zu tun ist. Die Bundesregierung hat eine Gesellschaft zur Investorenwerbung gegründet. Im Rahmen der Initiative sollte ein Gremium „Finanz- und Wirtschaftsforum Aufbau Ost" zusammentreten, um Finanzierungsfragen der ostdeutschen Wirtschaft zu besprechen, um Schwachstellen aufzuzeigen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Wir hätten doch gern einmal gewußt, was diese Gremien erreicht haben, welche Schwachstellen sie festgestellt haben und welche Lösungsvorschläge sie unterbreitet haben. Angesichts einer Arbeitslosenquote von 18,3 Prozent im Osten - gegenüber 9,5 Prozent im Westen - wäre ein verantwortungsvolles Handeln der Bundesregierung zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West mehr als angebracht. Sie tragen die Verantwortung dafür, daß man auf dem ersten Wirtschaftstag Ost keine Erfolge benennen konnte. Sie tragen auch die Verantwortung, dafür zu sorgen, daß im Interesse der Menschen in den neuen Ländern beim nächsten Wirtschaftstag Ost nicht wieder nur von nicht erreichten Zielen die Rede ist. Wenn Sie jetzt schon sagen, die Arbeitslosigkeit in den ostdeutschen Ländern werde auch im kommenden Jahr weiter steigen, dann muß ich Sie fragen: Was erwarten Sie denn von den Partnern aus Wirtschaft und Gewerkschaft? Wie sollen sie denn ihre Hausaufgaben machen, wenn nicht einmal die Bundesregierung konkrete Maßnahmen zur Beseitigung der Mißstände in Ostdeutschland ergreift?
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Gerhard Schulz, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Beck, der sächsische Innenminister hat uns auf eine entsprechende Frage mitgeteilt: 84 Prozent der straffällig ge-
Gerhard Schulz
wordenen Jugendlichen haben einen Ausbildungsoder einen Arbeitsplatz. Wir sollten mit Schlußfolgerungen vorsichtig sein; manchmal liegen sie völlig daneben. Bei diesem Thema sollte man sehr vorsichtig sein.
Meine Damen und Herren, die „Gemeinsame Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland" wurde - man kann das nicht oft genug sagen, weil es immer wieder vergessen wird - von Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften ins Leben gerufen.
Alle drei Partner sind Verpflichtungen eingegangen, und unter der Voraussetzung, daß alle diese Verpflichtungen erfüllt werden, wurden anspruchsvolle Ziele gesetzt. Es ist nicht meine Aufgabe, hier über die Verpflichtungen der anderen zu reden; es ist meine Aufgabe, über die Verpflichtungen zu sprechen, die von der Politik, von der Bundesregierung und von den Koalitionsfraktionen eingegangen wurden. Herr Schwanitz, ich beantworte damit Ihre Frage, die ja lautete: Was hat die Regierung getan? Gleich vorweg die Botschaft: Alle Verpflichtungen, die die Politik eingegangen ist, sind erfüllt.
Es handelt sich um neun Punkte. Gesetzliche Maßnahmen zur Fortsetzung der steuerlichen Investitionsförderung in Ostdeutschland wurden im Sommer dieses Jahres verabschiedet. Es stimmt, Herr Schwanitz, daß die Oppositionsfraktionen und der Bundesrat zugestimmt haben.
Aber auch das Folgende muß man sagen: Entworfen und beschlossen wurde dieses Gesetz von der Koalition.
Zur Forcierung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik wurde unter anderem das Instrument der Lohnkostenzuschüsse für die gewerbliche Wirtschaft geschaffen.
Seit Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes im April 1997 wurden damit rund 54000 Beschäftigungsverhältnisse im ersten Arbeitsmarkt gefördert.
Es wird also Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit finanziert.
Für die Investitions- und Eigenkapitalförderung wurden das Eigenkapitalhilfe- und Eigenkapitaler-
gänzungsprogramm sowie der Beteiligungsfonds Ost weitergeführt bzw. aufgestockt.
Die erfolgreiche Existenzgründungs- und Existenzfestigungspolitik wird also fortgesetzt. - Ich bedanke mich für die vielen Beifälle; aber das geht von meiner Zeit ab.
Die Nichteinführung der Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland wurde realisiert, indem gegen den erbitterten Widerstand der Opposition diese Steuer in ganz Deutschland abgeschafft wurde.
Zur Förderung der praxis- und wirtschaftsnahen Forschung und Entwicklung stellt die Bundesregierung unter anderem mit den Programmen FUEGO und FUTOUR bis zum Jahre 2001 insgesamt 1,6 Milliarden DM bereit. Flankiert wird das Ganze durch das ERP-Innovationsprogramm für Unternehmen in der Markteinführungsphase.
Die Anwerbung ausländischer Investoren für die neuen Bundesländer durch die Gesellschaft für Investorenwerbung kann mit der Ansiedlung des amerikanischen Automobilzulieferers Turbodyne in Eisenach, der 180 Millionen DM investiert hat, bereits einen ersten Erfolg vorweisen.
Für die Bereitstellung von Bürgschaften und Mitteln aus dem Konsolidierungsfonds zur Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen wurde das Finanzvolumen in diesem Jahr um 250 Millionen DM aufgestockt. Weitere 250 Millionen DM sollen, wenn die Verhandlungen mit den Ländern erfolgreich abgeschlossen sind, noch vor Ende dieses Jahres bereitstehen.
Durch die Fortführung der „Konzertierten Aktion" der BvS beteiligt sich der Bund auch in Zukunft an Unternehmenssanierungen in Ostdeutschland.
Und der letzte Punkt von den neun Punkten: Mit dem Sonderprogramm für zusätzliche Ausbildungsplätze, der „Lehrstelleninitiative 1997", konnte in diesem Jahr 13 700 Auszubildenden in den neuen Ländern ein Ausbildungsplatz zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.
Meine Damen und Herren, das sind die neun Punkte, zu denen sich die Politik verpflichtet hat. Ich werte es als Erfolg, daß alle diese Verpflichtungen erfüllt worden sind.
Daß dabei das angestrebte Ziel, die Arbeitslosigkeit auf dem Niveau von 1996 zu stabilisieren, nicht erreicht wurde, ist mehr als ärgerlich. Wir sind uns einig, daß eine Arbeitslosenquote von 18,3 Prozent in Ostdeutschland unerträglich ist.
Gerhard Schulz
Noch ärgerlicher ist für mich allerdings, daß wir uns bei der Benennung solcher Ziele so kurze Fristen setzen. Das sage ich auch meiner eigenen Fraktion. Die hohe Arbeitslosigkeit ist nämlich die Auswirkung von Beschlüssen, die vor sieben, 15, vielleicht sogar vor 20 Jahren gefaßt worden sind. Keiner, der wirklich nachdenkt, erwartet, daß die Folgen der damit verbundenen strukturellen Verwerfungen innerhalb eines halben Jahres behoben werden können. Diese Vorstellung ist absurd. Deshalb ist es für mich zweifelhaft, daß wir uns so kurze Ziele setzen. Das sage ich ganz deutlich an alle.
Wir müssen dem, was auf den Weg gebracht worden ist, Zeit geben, um wirken zu können. Wir müssen aufhören, das immer wieder zu behindern, indem wir ständig neue Regeln aufstellen.
Durch die gemeinsame Mobilisierung aller Kräfte von Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik haben wir einen Weg eingeschlagen, der uns zum Ziel führen wird. Wir werden das Ziel aber nur erreichen, wenn wir den Weg gehen, ihn vielleicht gelegentlich ein bißchen korrigieren, aber nicht, wenn wir ständig die Richtung ändern. Das gilt für uns alle.
Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Christel Hanewinckel, SPD.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Rexrodt, wenn sich mehrere zusammentun, um eine Initiative zu starten und voranzubringen, dann kann man -und natürlich auch frau - davon ausgehen, daß alle Beteiligten ihren Anteil einbringen. Im vorliegenden Fall haben sich einige Beteiligte zwar mit ins Boot gesetzt, aber sie haben nicht gerudert,
bzw. sie haben die Ruder vorher derart beschädigt, daß das Boot überhaupt nicht in Fahrt kam.
Als sich im Mai Gewerkschaften, Bundesregierung, Landesregierungen und Wirtschaft mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, die Beschäftigung in den neuen Ländern in diesem Jahr zu stabilisieren, also nicht weiter sinken zu lassen, hatte die Bundesregierung mit der Koalition gerade das Arbeitsförderungs-Reformgesetz beschlossen. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Jagoda, der sich meiner Meinung nach, Herr Rexrodt, objektiv geäußert hat - dem werden Sie wohl nicht unterstellen, daß er irgend etwas verdreht hat -, hat sich sehr deutlich über das Ergebnis dieser Novelle geäußert. Vor allem den Anstieg der Langzeitarbeitslosen um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sieht er - und das ist ein Zitat von ihm - „im Zusammenhang mit der Reduzierung der Arbeitsmarktpolitik". Jetzt, ein halbes Jahr nach dem Start, muß auch Minister Rexrodt in den
Chor der Kritiker einstimmen und zugeben, daß die wesentlichen Ziele der Beschäftigungsinitiative nicht erreicht worden sind.
Doch große Verblüffung: 1998 will er im Osten Deutschlands 100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Ist das der Wunschzettel, den Sie für den Weihnachtsmann geschrieben haben? Und ist der Weihnachtsmann dafür eigentlich die richtige Adresse?
Das Arbeitsförderungs-Reformgesetz ist mit schuld an der derzeitigen Rekordarbeitslosigkeit. Die Mittelkürzung bei der Bundesanstalt für Arbeit und die Verschärfung durch das AFRG treffen vor allen Dingen eine Gruppe im Osten Deutschlands, von der hier heute überhaupt noch nicht geredet worden ist. Das sind die Frauen. Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung belegt, daß sowohl beim Beschäftigungsabbau im verarbeitenden Gewerbe als auch bei neu entstandenen Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich die Frauen in den neuen Bundesländern die Verliererinnen sind. Für sie ergibt sich nach jahrzehntelanger hoher Erwerbsbeteiligung eine immer heftigere Ausgrenzung auf dem Arbeitsmarkt - und dies, obwohl der Wunsch nach einer existenzsichernden Arbeit bei Frauen jeder Altersgruppe nach wie vor vorhanden ist und sie die besseren Abschlüsse haben, also bestens qualifiziert sind. Sie haben aber noch etwas, nämlich das falsche Geschlecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, und hin und wieder auch noch Kinder.
Die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit vom November dieses Jahres malen ein deutliches Bild von der Situation im Osten. Der Anteil der Frauen an den Arbeitslosen beträgt 57,7 Prozent. Die Zahl der arbeitslosen Frauen ist gegenüber November 1996 um mehr als 20 Prozent gestiegen.
Herr Rexrodt, die Frauen arbeiten in der Regel nicht im Baubereich. Trotzdem haben Sie ihnen keine Stabilisierung von Arbeitsplätzen oder irgend etwas anderes anzubieten, woran deutlich wird, daß Frauen aus der Arbeitslosigkeit herauskommen. Das Gegenteil ist der Fall. Das ist der eigentliche Beitrag der Bundesregierung zur Beschäftigungsinitiative Ost. Dieser Beitrag der Koalition bringt die Frauen im Osten mehr und mehr in Abhängigkeiten, vor allen Dingen in die Abhängigkeit der Sozialhilfe.
Wohin diese sogenannte Arbeitsmarktpolitik die Menschen führt, macht eine Studie des Diakonischen Werkes der EKD und der Caritas in den neuen Ländern deutlich; Sie alle haben sie auf Ihrem Schreibtisch. Darin wird als Hauptgrund für die steigende Sozialhilfebedürftigkeit die hohe Arbeitslosigkeit, vor allen Dingen die hohe Langzeitarbeitslosigkeit, genannt.
Vielleicht haben Sie, was die 100 000 neuen Arbeitsplätze im Osten angeht, folgende Rechnung aufgemacht, Herr Rexrodt: Vielleicht haben Sie all diejenigen zusammengezählt, die innerhalb des kommenden Jahres in die Sozialhilfe abwandern müssen. Dann allerdings ist dies ein Beitrag zur Steigerung der Zahl der verfügbaren Arbeitsplätze. Vielleicht
Christel Hanewinckel
meinen Sie das so. Darüber haben Sie sich hier heute nicht deutlich geäußert.
Die Frauen erwarten deutliche Schritte, vor allen Dingen von Ihnen, Herr Rexrodt, und der Regierung. Sie erwarten, daß sie endlich gleichberechtigt an dem teilhaben können, was in diesem Land passiert,
und in Zukunft nicht vermehrt an der Arbeitslosigkeit teilhaben müssen; denn da haben sie in der Tat bisher Vorrang.
Sollten vielleicht auch die Frauen einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann schicken? Das werden sie aber nicht tun; denn im Gegensatz zu Ihnen, Herr Rexrodt, glauben sie schon lange nicht mehr daran.
- Wenn es so wäre, wäre die Weihnachtsfrau wahrscheinlich wirklich die richtige Adresse. Denn die Frauen sind in der Regel diejenigen, die zu dem stehen, was sie einmal versprochen haben, und sich mit letzter Kraft dafür einsetzen, daß dies auch wirklich erfüllt wird. Ich glaube aber, daß die Frauen in diesem Fall nicht bereit sind, dem Weihnachtsmann oder Herrn Rexrodt zu glauben; letzterer ist noch weniger in der Lage als der Weihnachtsmann, seine Versprechen tatsächlich einzuhalten.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Erich Fritz, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Schulz - -
Entschuldigung, einen Moment bitte! - Kann mir bitte jemand den Wortlaut des Zwischenrufs wiederholen? -
Hier hörte es sich wie „Weihnachtsgans" an. Kann das sein? - Und ich glaube, Herr Schauerte, das kam von Ihnen. Ich sage Ihnen, Tiervergleiche - welcher Art auch immer - sind in diesem Hause nicht akzeptabel. Deshalb bekommen Sie von mir einen Ordnungsruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Schulz hat die Debatte eröffnet. Er ist ein netter Kollege. Aber immer wenn er an dieses Pult geht, dann wirkt das wie ein Rezept für kollektive Depressionen in Deutschland: Da bleibt aber auch nichts gut; da hat keine Sache Zukunft; da ist alles schlecht. Selbst die großartige Eröffnung des Leipziger Hauptbahnhofs, über die er sich natürlich freut, wird schlechtgemacht und als etwas ganz Mieses dargestellt, das vom Bundeskanzler kommt. Aber der Flug im Hubschrauber mit dem Bundeskanzler hat ihm ganz gut gefallen.
Dieses Verhalten hilft natürlich niemandem in den neuen Bundesländern.
Wenn die Kollegen von der SPD fein säuberlich unterscheiden „Das Gute kommt von den Bundesländern, und das Schlechte kommt vom Bund", dann muß ich sagen: Das hilft niemandem, und das will niemand in den neuen Bundesländern mehr hören.
Wichtig ist doch, daß wir gemeinsam versuchen, die Entwicklung in die richtige Richtung zu lenken. Wenn wir auf diese Weise anfangen, uns zu beschuldigen, dann sind wir ganz schnell beim SchwarzerPeter-Spiel. Dann müßte ich Sie darauf hinweisen, wie in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt die Situation in bezug auf die Arbeitslosigkeit und die Neuverschuldung ist. Wem hilft das denn? Das hilft doch keinem.
Ich finde es großartig - selbst wenn das Ziel nicht erreicht worden ist -, daß es diese Initiative gibt. Im Rahmen dieser Initiative haben Leute gesagt: Wir tun was und reden nicht nur.
Ich finde es großartig, daß die Bilanz, die in Potsdam gezogen worden ist, alles andere als die Depression widerspiegelt, die heute morgen von Ihnen dargestellt worden ist.
Natürlich weiß jeder, daß sich die Probleme mit dieser Initiative nicht in Luft, schon gar nicht in „Gisela" Luft, aufgelöst haben. An ihrer Lösung muß weitergearbeitet werden. Das Entscheidende ist aber, daß die Verantwortlichen nicht auseinandergehen, sondern weitermachen und an dem Ziel festhalten. Frau Kollegin, es ist doch genauso, als wenn Sie mit Sprachunterricht anfangen und nach sieben Monaten sagen würden: Ich spreche noch nicht fließend, also höre ich auf. So sind Sie in Ihrem früheren Beruf nicht vorgegangen, und so gehen wir jetzt ebenfalls nicht vor.
Die erste Bilanz dieser Initiative ist gut. Kritik ist richtig. Klagen hilft manchmal, damit die Probleme überhaupt erkannt werden. Aber Klagen allein löst die Probleme nicht. Deshalb müssen wir hier Mut machen, damit die anderen den Mut nicht verlieren. Wir müssen sie für das loben, was schon geleistet worden ist. Wir dürfen sie nicht durch ständiges Neu-
Erich G. Fritz
vermessen des Abstandes vom Ziel entmutigen. Er ist gut genug bekannt.
Das Verantwortungsgefühl der Beteiligten für die Sicherung und den Ausbau der Beschäftigung in den neuen Bundesländern ist beachtenswert. Ich bin erstaunt, daß hier von Ihrer Seite nicht sehr viel stärker dargestellt wird, wie großartig das ist, was die Tarifparteien in den neuen Bundesländern beim Abschluß der Tarifverträge dieses Jahres gezeigt haben, nämlich Verantwortung für die Beschäftigung, wie sie besser gar nicht sein kann.
In dieser Situation muß man doch sagen: Leute, das habt ihr prima gemacht. Macht so weiter, dann habt ihr das Recht, auch von anderen einen Beitrag zu fordern! Diese Forderung soll ruhig laut gestellt werden. Das halten wir schon aus.
Wir brauchen die Diskussion, aber nicht das Lamentieren.
Die Investitionstätigkeit geht auf hohem Niveau weiter. Das hat auch Beschäftigungswirkung. Natürlich haben wir eine Umlenkung vom Bausektor in den Bereich der Ausstattungsinvestitionen. Das bringt uns Riesenprobleme, weil damit nach so kurzer Zeit ein Strukturwandel verbunden ist.
Aber es zeigt doch, daß die Entwicklung der strukturellen Veränderungen in die richtige Richtung geht.
Wenn man die Einkaufsinitiative betrachtet, dann muß man sagen: Es tut sich etwas. Wenn man die Berichte über die Messen liest, dann kann man sehen, daß sich die Unternehmer in den neuen Bundesländern bewegen. Sie entwickeln ihre Kundenkontakte. Die Abschlüsse zeigen, daß sich die Produkte nach und nach durchsetzen. Trotzdem müssen wir in diesem Bereich noch mehr tun. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in dieser Woche einen Antrag beraten, der sich mit Absatzförderung beschäftigt. Wir können auch im Exportbereich noch mehr tun, indem wir die Instrumente, die wir haben, gezielt einsetzen. Aber das alles soll uns doch nicht depressiv machen. Es besteht für uns vielmehr der Auftrag, auf diesem Weg weiterzugehen. Meine Damen und Herren, wir sollten eher weitere Phantasie freisetzen und dazu beitragen, daß sich alle anstrengen, statt solche Aktuellen Stunden zu beantragen.
Den Existenzgründern, die wir brauchen, damit Arbeitsplätze entstehen, und den Unternehmen, für die etwas getan werden muß, damit sie überleben, liegt sehr viel mehr daran, daß die strukturellen Reformen in Deutschland weiter vorankommen,
daß sie mit Eigenkapital ausgestattet werden, daß sie sich am Investitionsmarkt, auf den Märkten überhaupt bewegen können. All das ist viel wichtiger als das Reden über zusätzliche Programme und zusätzliche staatliche Lenkungsmöglichkeiten. Was im Be-
reich der Arbeitsplätze allein durch neue Tarifverträge gesichert worden ist, ist viel mehr als das, was wir mit Milliardenbeträgen durch staatliche Maßnahmen erreichen könnten.
Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit.
Geben Sie sich deshalb einen Ruck, damit wir für die Unternehmen in Ost und West bei den Rahmenbedingungen weiterkommen. Dann liefern Sie den besten Beitrag für einen Erfolg der Initiative.
Herzlichen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 6.1 bis 6.35 auf:
6. Verkehrsdebatte
6.1 - Zweite und dritte Beratung des vom Bun-
desrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes
- Drucksache 13/1446 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Dagmar Enkelmann, Rolf Kutzmutz, weiteren Abgeordneten und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes
- Drucksache 13/1784 -
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
- Drucksache 13/8537 -Berichterstattung: Abgeordneter Lothar Ibrügger
b) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/8614 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb Hans Georg Wagner Kristin Heyne Jürgen Koppelin
6.2 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zu-
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
sammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen
- Drucksache 13/8685 -
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
- Drucksache 13/9403 -
Berichterstattung: Abgeordneter Lothar Ibrügger
b) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/9415 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Georg Wagner Bartholomäus Kalb Kristin Heyne Jürgen Koppelin
6.3 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Güterkraftverkehrsrechts
- Drucksachen 13/9314, 13/9437 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
6.4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gila Altmann , Albert Schmidt (Hitzhofen) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Blockade beim Kombinierten Verkehr beenden
- Drucksache 13/7520 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuß
6.5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gila Altmann , Albert Schmidt (Hitzhofen), Helmut Wilhelm (Amberg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik I: Eine umfassende Revision des Bundesverkehrswegeplans ist dringend erforderlich
- Drucksache 13/7526 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
6.6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gila Altmann , Albert Schmidt (Hitzhofen), Helmut Wilhelm (Amberg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik II: Verkehr gestalten statt Verkehrschaos verwalten
- Drucksache 13/7527 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
6.7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Winfried Wolf, Eva Bulling-Schröter, Rolf Köhne und der Gruppe der PDS
Luftverkehr und Umwelt
- Drucksache 13/7680 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
6.8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette Faße, Elke Ferner, Monika Ganseforth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Die Förderung von Anlagen des Kombinierten Verkehrs für Dritte öffnen
- Drucksache 13/8089 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuß
6.9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Christoph Matschie, Michael Müller , Klaus Lennartz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Minderung der C02-Emissionen von Pkw
- Drucksache 13/8171 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Verkehr
6.10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gila Altmann , Dr. Uschi Eid, Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Zukunftsfähige Mobilität - weltweit
- Drucksache 13/8654 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
6.11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmannn, Dr. Winfried Wolf, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS
Für ein Umsteuern in der Güterverkehrspolitik
- Drucksache 13/8660 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
6.12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gila Altmann , Albert Schmidt (Hitzhofen), Helmut Wilhelm (Amberg), Egbert Nitsch (Rendsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen und sonstigen Straßen außerorts
- Drucksache 13/8767 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
6.13 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gila Altmann , Albert Schmidt (Hitzhofen), Helmut Wilhelm (Amberg), Egbert Nitsch (Rendsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 km/h in geschlossenen Ortschaften
- Drucksache 13/8768 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
6.14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Fischer , Georg Brunnhuber, Heinz-Günter Bargfrede, weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Horst Friedrich, Lisa Peters, Dr. Klaus Röhl und der Fraktion der F.D.P.
Bilanz und Perspektiven der Verkehrspolitik
- Drucksache 13/9376 -
6.15 Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung 1996 über die Entwicklung der Kostenunterdeckung im öffentlichen Personennahverkehr
- Drucksache 13/7552 -
Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Verkehr
6.16 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Das Bürgernetz - Wege zur Nutzung des Potentials des öffentlichen Personennahverkehrs in Europa, Grünbuch der Europäischen Kommission
- Drucksachen 13/4137 Nr. 2.39, 13/4952 -
Berichterstattung: Abgeordneter Peter Letzgus
6.17 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
Aufstellung eines Bundesverkehrswegeplans für eine Politik der Verkehrswende
- Drucksachen 13/5164, 13/9364 -
Berichterstattung: Abgeordnete Elke Ferner
6.18 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Weißbuch: Flugverkehrsmanagement
Für einen grenzenlosen Himmel über Europa
- Drucksachen 13/4636 Nr. 2.3, 13/5525 -Berichterstattung:
Abgeordneter Michael Jung
6.19 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD
zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Börnsen , Peter Harry Carstensen (Nordstrand), Wolfgang Dehnel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Horst Friedrich, Dr. Klaus Röhl, Lisa Peters, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
Der Kombinierte Verkehr als Mittel zur Vernetzung der Verkehrsträger
- Drucksachen 13/1842, 13/3370, 13/3883, 13/ 3886, 13/5526 -
Berichterstattung: Abgeordneter Roland Richter
6.20 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Dr. Winfried Wolf, Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
Grundsicherung des öffentlichen Personennahverkehrs
- Drucksachen 13/3253, 13/5692 -
Berichterstattung: Abgeordneter Peter Letzgus
6.21 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Jung (Limburg), Dirk Fischer (Hamburg), Georg Brunnhuber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Horst Friedrich, Lisa Peters, Dr. Klaus Röhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im internationalen Luftverkehr
- Drucksachen 13/5060, 13/6526 -
Berichterstattung: Abgeordneter Lothar Ibrügger
6.22 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sozial- und umweltverträgliche Mobilität -eine Gestaltungsaufgabe für die Zukunft
- Drucksachen 13/4703, 13/6873 -
Berichterstattung: Abgeordnete Monika Ganseforth
6.23 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann und der Gruppe der PDS
Integration des Flugverkehrs in die Bundesverkehrswegeplanung
- Drucksachen 13/1297, 13/7004 -Berichterstattung:
Abgeordneter Michael Jung
6.24 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul, Dr. Eckhart Pick, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Sicherstellung der Realisierung des Abzweigs Mainz/Wiesbaden der ICE-Trasse Köln-Rhein/Main
- Drucksachen 13/6096, 13/7478 -Berichterstattung:
Abgeordneter Michael Jung
6.25 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), Helmut Wilhelm (Amberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Für fairen Trassenzugang und marktfähige Trassenentgelte sorgen
- Drucksachen 13/6145, 13/7482 -
Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Dionys Jobst
6.26 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament betreffend die künftige Strategie zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch den Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Auto-Öl-Programms
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Emissionen von Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinien 70/156/EWG und 70/220/EWG des Rates
- Drucksachen 13/5866 Nr. 1.9, 13/8007 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Renate Hellwig Klaus Lennartz Dr. Jürgen Rochlitz Birgit Homburger
6.27 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Halo Saibold, Gila Altmann (Aurich), Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im internationalen Luftverkehr
- Drucksachen 13/4080, 13/6142 -
Berichterstattung: Abgeordneter Lothar Ibrügger
6.28 Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht zum Ausbau der Schienenwege 1997
- Drucksache 13/8889 -
Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
6.29 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr
- zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt , Steffi Lemke, Vera Lengsfeld, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Optimierung des Schienennetzausbaus zwischen Bayern, Sachsen und Thüringen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Heide Mattischeck, Elke Ferner, Annette Faße, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Schienenwegeausbau zwischen Bayern, Thüringen und Sachsen
- Drucksachen 13/4139, 13/7081, 13/8538 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dionys Jobst Heide Mattischeck Horst Friedrich
6.30 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Steffi Lemke, Vera Lengsfeld, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vorzeitige Realisierung und Finanzierung der Eisenbahnstrecke „Mitte-Deutschland-Li-nie"
- Drucksachen 13/4040, 13/8539 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dionys Jobst Heide Mattischeck Horst Friedrich
6.31 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Helmut Wilhelm (Amberg), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Mißbilligung des Bundesministers für Verkehr wegen Nichteinhaltung seiner Verpflichtung nach den §§ 5 und 7 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes
- Drucksachen 13/6857, 13/8735 -
Berichterstattung: Abgeordnete Elke Ferner
6.32 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Albert Schmidt , Gila Alt-
mann , Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht zum Ausbau der Schienenwege 1996
- Drucksachen 13/6929, 13/7512, 13/8736 -Berichterstattung : Abgeordnete Elke Ferner
6.33 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Winfried Wolf und der Gruppe der PDS
Revision des Dreijahresplans für den Ausbau des Schienenwegenetzes des Bundes in den Jahren 1995 bis 1997
- Drucksachen 13/2284, 13/8740 -
Berichterstattung : Abgeordneter Rudolf Meinl
6.34 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Elke Ferner, Roland Kohn, Doris Barnett und weiterer Abgeordneter
Hochgeschwindigkeitsverbindung Paris-Ostfrankreich-Südwestdeutschland
- Drucksachen 13/6988, 13/8741 -
Berichterstattung : Abgeordneter Horst Friedrich
6.35 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr
- zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt , Helmut Wilhelm (Amberg), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Option einer Flächenbahn in Deutschland erhalten
- zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt , Gila Altmann (Aurich), Elisabeth Altmann (Pommeisbrunn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Das Schienennetz in Deutschland sichern
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
Schienenwegesicherungsgesetz
- Drucksachen 13/7240, 13/7283, 13/3762, 13/8902 -
Berichterstattung : Abgeordneter Dr. Dionys Jobst
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Es liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. Höre ich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dirk Fischer, Hamburg.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Uns liegen heute eine Fülle von Entwürfen, Anträgen und Beschlußempfehlungen zur Beratung vor, die die breite Palette der Verkehrspolitik widerspiegeln und die im übrigen auch die Tatsache bekunden, daß der Verkehrsausschuß ein ganz fleißiger Ausschuß ist. In der Vielfalt zeigen sie aber auch die Bedeutung der Verkehrspolitik für unser Land, unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft.
Unser Handeln, unsere Politik ist also wichtig und in diesem Jahrzehnt besonders von einer Reihe von äußeren Einflüssen geprägt, von denen ich nur einige nennen will: die Wiedervereinigung mit der Notwendigkeit der Angleichung der Lebensbedingungen in allen Regionen Deutschlands - in den neuen Ländern heißt das vor allem Wiederherstellung und Neuaufbau der Infrastruktur als Voraussetzung für den Aufbau der Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen —, die Öffnung der Grenzen nach Osten und die Integration der mittel- und osteuropäischen Staaten; die Liberalisierung des europäischen Binnenmarktes und damit die Notwendigkeit, die Eingangsvoraussetzungen für den Wettbewerb zu harmonisieren und die Wettbewerbsposition unserer deutschen Wirtschaft zu stärken; die Rolle Deutschlands als Haupttransitland im zusammenwachsenden Europa und anhaltendes Wachstum auf dem Verkehrsmarkt.
Verbunden mit diesen Herausforderungen haben wir uns in der 13. Legislaturperiode eine Reihe von Zielen gesteckt. Ich darf aus heutiger Sicht mit einer gewissen Zufriedenheit feststellen, daß die Ziele - so ehrgeizig sie auch waren - so gut wie vollständig erreicht sind.
Dies geschah bei gleichzeitig knapper werdenden Kassen und angesichts der Notwendigkeit, auch mit dem Verkehrshaushalt wiederholt zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes beizutragen.
Ich nenne einige Beispiele: eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur durch Ausbau und Nutzungsoptimierung; die Möglichkeit für neue Verkehrsinfrastrukturen durch die Privatfinanzierung mit Hilfe zweier verschiedener Modelle; den Bau und den Betrieb des Transrapid zwischen Hamburg und Berlin -die parlamentarischen Vorarbeiten sind abgeschlossen, Baubeginn im nächsten Jahr —, die Einführung intelligenter und international kompatibler Verkehrsmanagementsysteme; die konsequente Umsetzung der Bahnreform; die Fortführung der Privatisierung
im Verkehrsbereich. - Ich glaube, es gibt keinen Politiksektor, in dem die Politik der Privatisierung so konsequent und erfolgreich durchgeführt wurde wie im Verkehrsbereich.
Außerdem nenne ich das Konzept Gütertransit durch Deutschland, Maßnahmen zur Verbesserung des Umweltschutzes, zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, Maßnahmen zur Stärkung der deutschen Transportwirtschaft und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs.
Ich meine, die Bilanz kann sich sehen lassen. Ich kann hier natürlich nicht alle Aspekte dieser Legislaturperiode darlegen. Das würde allein schon wegen der Vielzahl verwirklichter Vorhaben viel zu lange dauern. Deswegen nenne ich nur einige Schlaglichter.
Die wohl größte Leistung der letzten Jahre sind die enormen Investitionen in die Verkehrswege der neuen Bundesländer. Seit 1990 sind weit über 70 Milliarden DM in die ostdeutsche Verkehrsinfrastruktur investiert worden,
davon allein rund 23 Milliarden DM in die 17 Verkehrsprojekte deutsche Einheit. Sie sind inzwischen alle im Bau. Fünf der neun Schienenprojekte sind sogar schon in Betrieb. Über 5000 Schienenkilometer, über 11 000 Fernstraßenkilometer sind bereits gebaut oder generalsaniert worden. Das ist eine ungeheure Leistung, die dieses Land, die diese Politik zustande gebracht hat.
Meine Damen und Herren, ich nenne das Aktionsprogramm zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Güterkraftverkehrs - in den wesentlichen Teilen umgesetzt -, das Aktionsprogramm Binnenschiffahrt und das 100-Millionen-Programm für die Partikuliere.
Ich nenne die Bahnreform; sie bringt Erfolge. Das Aufkommen im Personen- und jetzt auch im Güterverkehr steigt. Der Konzern macht rund 6 Prozent mehr Umsatz und schreibt schwarze Zahlen. Erfolgreich verlief auch der Start der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs. Es gibt ein besseres Fahrplanangebot und besseres Wagenmaterial.
Ich nenne weiterhin die Lufthansa; sie ist voll privatisiert und macht im Moment kräftig Gewinne. Die Organisationsprivatisierung von Flugsicherung und Autobahn Tank & Rast AG bringen vergleichbare positive Effizienz- und Haushaltswirkungen. Die Luftverkehrssicherheit wurde national und international deutlich verbessert. Die immissionsorientierte Kfz-Steuer hat einen wichtigen Impuls zur Verringerung der Schadstoffbelastung gebracht. Die Umsetzung der Zweiten EU-Führerscheinrichtlinie und die Novelle des Fahrlehrergesetzes wurden vom Bundestag beschlossen.
Für die Verbesserung der Verkehrssicherheit haben wir wichtige Entscheidungen getroffen: die Ein-
Dirk Fischer
führung der Atemalkoholanalyse und die Sanktionierung von Alkoholfahrten bereits ab 0,5 Promille, die Bestrafung von Drogengebrauch im Straßenverkehr, verbesserter Schutz für Kinder und eine Verbesserung der Sicherheit in Reisebussen und der passiven Sicherheit von Pkw. Die neuesten Zahlen ermutigen, wir haben einen weiteren Rückgang der Verkehrstoten. Die Zahlen sind niedriger als 1951, obwohl wir seither einen Anstieg von 3 Millionen auf 51 Millionen Pkw erlebt haben. Das ist eine beispiellose, hervorragende Bilanz.
Deutschland ist führend bei der Anwendung der Telematik im Verkehr.
Offen ist noch die Reform des Ordnungsrahmens des Güterkraftverkehrs. Deswegen findet heute gleichzeitig die erste Beratung des Regierungsentwurfes statt. Sie ist nötig, weil ab Mitte des nächsten Jahres der Güterkraftverkehrsmarkt europaweit im offenen Wettbewerb stehen wird. Wir werden die Novellierung des Transportrechtes und des Güterkraftverkehrsrechtes zu Beginn des kommenden Jahres beraten und beschließen.
Ich meine, daß der Antrag, den wir heute vorgelegt haben, die Bilanz, aber auch die Perspektiven unserer Verkehrspolitik ausführlich und eindrucksvoll darstellt. Wir werden auf dieser Basis die Dinge beraten, um die Legitimation unserer politischen Arbeit auch für die restliche Legislaturperiode durch das Parlament feststellen und beschließen zu lassen.
Angesichts dieser Leistungsbilanz stellt sich die Frage: Was tut eigentlich die Opposition? Die heute vorliegenden Anträge geben quasi schon die Antwort: Sie blockiert, sie verhindert, sie lehnt ab, sie dramatisiert grundlos; konstruktive Vorschläge fehlen weitgehend. Ich nenne als Beispiel die Seeschifffahrt. Herr Wagner, Sprecher der SPD bei der Debatte zum Verkehrshaushalt:
Wie behandeln Sie eigentlich die Menschen? Mit Ihrer Politik werden Sie erreichen, daß es in ein paar Jahren keine deutsche Handelsflotte mehr geben wird ...
Tatsache ist: Die Koalitionsfraktionen haben die Tonnagesteuer und den Lohnsteuereinbehalt im Rahmen der Steuerreform eingebracht und in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Es waren die SPD-regierten Länder, die diese Reform blockiert und verhindert haben. Ich stelle fest: Herr Wagner steht insoweit mit der Wahrheit auf Kriegsfuß.
Frau Ferner meint dazu, man solle nicht dieses winzige Teilstück herausgreifen und der SPD das Scheitern anlasten; das sei zu billig. Ich finde, Frau Ferner, etwas anderes ganz billig: Die Koalition faßt einen guten Beschluß und nimmt das vorweg, was der Bundesrat jetzt einfordert. Dann kommt Herr Wagner erneut und sagt wörtlich:
Ihr Verhalten bedeutet wirklich eine Veräppelung der deutschen Seeschiffahrt.
Ich frage mich, wer hier eigentlich wen veräppelt.
Zum Thema Transrapid: Ich möchte nicht schon wieder Altbundeskanzler Schmidt, Herrn Schröder oder Herrn Voscherau zitieren,
all diejenigen, die sich auch in der SPD positiv geäußert haben. Ich möchte ein ganz neues Zitat nehmen. Herr Scharping sagte in der Sendung „Talk im Turm" am 26. Oktober:
Ich halte den Transrapid für eine vernünftige Technologie.
Weiter sagte er:
Es gibt in Deutschland eine Reihe von Erfindungen, nur gelingt es unseren Unternehmen nicht, für sie die Märkte zu öffnen und sie zu marktfähigen Produkten zu machen. Wir müssen deshalb denen, die ein Risiko, ein unternehmerisches Wagnis eingehen, bessere Bedingungen zur Verfügung stellen;
denn das ist genau das, was unser Land manchmal sehr kompliziert macht. Wenn jemand eine Verantwortung übernimmt, ein Risiko eingeht, dann trifft er auf viele Barrieren der Vorsicht, der Zurückhaltung: Laß es lieber sein, es könnte sich nicht lohnen!
Damit trifft Scharping zwar den Nagel auf den Kopf, nicht aber die Köpfe seiner Fraktionskollegen und auch nicht seinen eigenen; denn sobald er hier im Plenum ist, handelt er anders, als er im Fernsehen redet. Er blockiert mit seiner Fraktion alles. Ich kann nur sagen, es ist ein Hohn, den Leuten im Fernsehen das Gegenteil des eigenen Verhaltens darzulegen.
)
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ist das wirkliche Technologieverständnis der SPD in diesem Hause. Aber auf Ihrem Parteitag reden sie davon, dieses Land brauche Innovationen. Ich empfinde dieses widersprüchliche Verhalten als unglaublich.
Beim Schienenwegeausbau könnte ich viele Beispiele nennen. Einerseits sagen Sie, die zehn Finanzierungsvereinbarungen seien schon längst abgehandelt; andererseits bringen Sie hier Anträge ein, um zwei der Projekte wieder abzulehnen. Das ist völlig widersprüchlich.
Ich will mich gar nicht mit den Grünen befassen.
- Frau Altmann, Sie sind verbal für die Stärkung der Schiene, aber gegen jedweden Neu- und Ausbau.
Dirk Fischer
Sie sind verbal für mehr Verkehr bei der Binnenschiffahrt, aber lehnen alle Infrastrukturprojekte ab.
Mit einer zweiten Eisenbahnreform würden Sie am liebsten die Errungenschaften der ersten Reform rückgängig machen. Ich finde, dies ist wirklich makaber. Dabei spreche ich gar nicht von Ihren Horrorszenarien: eine kräftige Erhöhung der Mineralölsteuer auf 5 DM pro Liter
- Sie machen das Autofahren zu einem Recht der besonders Einkommensstarken in diesem Lande; der normale Arbeitnehmer kann das nicht mehr bezahlen -,
exorbitante Belastungen des Lkw-Verkehrs, überzogene Tempolimits. Diese Linie wird es nicht geben.
In Wahrheit würde Rotgrün ein verkehrspolitisches Desaster bedeuten. Es gibt keine klare Linie. Der Grundgedanke ist nur Blockade, Verhinderung, Kürzung. Drastisch erhöhen wollen Sie nur die Belastung des Autofahrers, dieses Wesens, das angeblich nicht resozialisierbar ist. Für uns ist der Autofahrer Partner von Vernunft und Verkehrssicherheit, aber nicht unser Gegner.
Diese Behinderungspolitik wäre für unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft extrem schädlich. Um es verkehrspolitisch auszudrücken: Rotgrün wäre kein Motor, sondern eine Wegfahrsperre für die Verkehrspolitik. Meine Damen und Herren von der Opposition, seien Sie gewiß, der Wähler wird Ihnen diesen Weg versperren, wenn er sich die klaren Alternativpositionen deutscher Verkehrspolitik deutlich macht.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Karin Rehbock-Zureich, SPD.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! „Ziele vollständig erreicht", sagt der Kollege Fischer. Wir können hier nur staunen. „Zukunftsorientierte Verkehrspolitik" nennen Sie von CDU/CSU und F.D.P. Ihren Antrag. Wir fragen: Wo ist hier der Ansatz für umweltschonende Mobilität, wenn Sie weder Verkehrsvermeidung noch die Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsmittel konsequent vorantreiben?
Wer die Diskussion über die gerechte Kostenanlastung der einzelnen Verkehrsträger abwürgt, der trägt selber dazu bei, daß der Verkehr auf der Straße weiter zunimmt. Wo bleibt Ihre konsequente Strate-
gie der Vermeidung und der umweltverträglichen Abwicklung aller Verkehrsströme? Die Haushalte im Verkehrsbereich zeigen deutlich in eine ganz andere Richtung: Nichts mit Zukunft, wenn die Schienenbaumittel von 1994 bis 1998 von 6,4 Milliarden DM auf 3 Milliarden DM herabgekürzt werden. Solange dies so bleibt, werden Schiene und ÖPNV den Vorsprung des Verkehrs auf der Straße nicht aufholen können. Von Schienenvorrangpolitik kann hier überhaupt keine Rede sein.
Mit der Verlagerung des Verkehrs weg von der Straße sind wir auch - ich möchte mich hier auf ein Gebiet spezialisieren, das in Ihrem sogenannten Zukunftsantrag zu kurz kommt - beim öffentlichen Verkehr. Der spielt in Ihrer Bilanz überhaupt keine Rolle mehr, obwohl er ein Arbeitsmarkt der Zukunft ist. -Herr Friedrich, hören Sie zu, das wird Sie interessieren.
Bereits jetzt ist der ÖPNV mit 30 Milliarden DM Umsatz der größte Verkehrsmarkt und sichert außerhalb der DB AG 150 000 Arbeitsplätze, vor allem in strukturschwachen Gebieten. Rund 10 Milliarden DM werden jedes Jahr investiert. Im Bereich der Schienenfahrzeuge sind bis 2010 Investitionen von 43 Milliarden DM zu erwarten.
Es lohnt sich, diesen Markt zu fördern und zu verbessern. Ihr Hinweis auf die Regionalisierung reicht nicht aus. Damit ist dieses Feld des öffentlichen Verkehrs nicht erledigt.
- Nun werden wir sehen, wer die Verantwortung wohin schiebt, wie es vorhin der Fall war.
Vergessen wir auch nicht, daß ÖPNV nicht nur in Ballungsgebieten stattfinden kann, sondern daß es auch in der Fläche ein attraktives Angebot geben muß; denn 37 Prozent der Menschen leben in der Fläche.
Eine wichtige Voraussetzung ist, daß hier das Qualitätsangebot verbessert wird. Es kommt darauf an, weitere Zuwächse auf der Straße zu vermeiden. Denn wenn der Verband der Automobilindustrie im Vorfeld der Klimakonferenz mitteilt, er halte wegen der Staus nur 6 Prozent der C02-Verminderung bis 2005 für möglich, dann ist hier doch zuallererst die Politik gefragt.
Karin Rehbock-Zureich
Wohlgesetzte Sonntagsreden hören wir von Ihrer Seite genug. Wir brauchen endlich eine Politik, die aufhört, die Straße zu bevorzugen und jährliche Kürzungen im Schienenbautitel zu veranstalten.
Sie müssen endlich Ihre Blockadehaltung aufgeben, um Kostenwahrheit zwischen den Verkehrsträgern realisieren zu können.
Die EU-Kommission wie auch das Umweltbundesamt weisen darauf hin, daß es notwendig ist, die Kosten des Verkehrs den jeweiligen Verkehrsträgern anzulasten. Sie fürchten dieses Thema jedoch wie der Teufel das Weihwasser und gehören auf EU-Ebene zu den Blockierern in diesen Bereichen.
Die Haushalte der Länder und Kommunen werden, wie Sie vorhin festgestellt haben, immer mehr durch Aufgaben belastet, die der Bund nicht mehr wahrnimmt und auf diese abwälzt. Konservativen Regierungen wie zum Beispiel in Baden-Württemberg fällt dann dazu ein, diese Kosten zu Lasten der Familien weiterzugeben, indem sie zum Beispiel die Mittel für die Schülerbeförderung drastisch kürzen.
Dabei sind über ein Drittel der Fahrgäste Schüler und Studenten. Sie werden mit mir sicherlich übereinstimmen, daß dieses Verhalten nicht zu einer Ausweitung des ÖPNV führen kann.
Regionalisierung, so wie Sie es verstehen, kann doch nicht bedeuten, daß wir den Status quo aus anderen Kassen finanzieren. So haben wir, die SPD, bei der Bahnreform nicht gewettet.
Statt den Ländern und Kommunen immer mehr Lasten in allen Bereichen der Politik aufzudrücken, sollte die Bundesregierung besser einmal darangehen, das Schienenwegeausbaugesetz zu realisieren, wo die 20prozentige Quote für Projekte des Schienenpersonennahverkehrs festgeschrieben ist.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Jobst?
Ja, bitte.
Frau Kollegin Rehbock-Zureich, sie sprechen davon, daß der Bund die finanziellen Lasten im Bereich des Verkehrs immer mehr auf die Länder verlagern würde. Sind Sie der Meinung, daß die Mittel für Regionalisierung, die 12,9 Milliarden DM im nächsten Jahr und 12,1 Milliarden DM in diesem Jahr ausmachen, eine unzurei-
chende Größe sind? Oder stimmen Sie mir zu, daß der Bund hier erhebliche Leistungen an die Länder vollbringt?
Wenn Sie gestatten, komme ich sofort noch darauf zu sprechen. Aber ich kann Ihnen sagen: Wir sind der Meinung - und haben dies beschlossen -, daß die 12 Milliarden DM Regionalisierungsmittel ordentliche Mittel für die Länder sind. Wir haben es gemeinsam in Absprache mit den Ländern besprochen.
Aber Sie weisen natürlich nicht darauf hin, daß diese Mittel mehrheitlich für den Schienenpersonennahverkehr ausgegeben werden können, daß gleichzeitig das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz auf eine Summe von 3,2 Milliarden DM festgeschrieben ist und daß hier eben keine Dynamisierung stattfindet.
Die Bahn muß die Aufgaben des Bundes übernehmen, indem sie Investitionen in den Fahrweg tätigen muß, was dazu führt, daß Mittel anderenorts fehlen. Zu den Aufgaben des Bundes - festgeschrieben in der Bahnreform - gehören die Investitionen in den Fahrweg.
Wie ich gerade gesagt habe, sind die Mittel der Regionalisierung für Schienenpersonennahverkehr festgelegt. Aber wir brauchen bei den GVFG-Mitteln eine Dynamisierung dieser Fördermittel; denn die Festlegung auf einen Obergrenzbetrag führt bei der Preissteigerung dazu, daß Mittel für Investitionen in der Zukunft fehlen.
Wir haben uns aktiv dafür eingesetzt, daß die Bahnreform so stattfindet. Es geht jedoch auch darum, den ÖPNV nicht in seinem bisherigen Zustand zu erhalten. Vielmehr muß hier ÖPNV als Qualitätsoffensive angebotsorientiert ein Markt der Zukunft sein, der die Mobilität der Menschen - das sind die Frauen, die Jugendlichen, die Rentner - garantiert.
Ende des Jahres steht die Revision der Finanzvereinbarung an. Da Sie die 12 Milliarden DM so in den Mittelpunkt gestellt haben, gehen wir davon aus, daß der Bund bei diesen 12 Milliarden DM bleibt; ansonsten wäre dieses katastrophal für den öffentlichen Verkehr.
Der öffentliche Verkehr hat eine zentrale Aufgabe der Daseinsvorsorge. Er hat eine soziale Aufgabe.
Karin Rehbock-Zureich
Wir fordern deshalb eine dauerhafte, eindeutig gesetzlich geregelte Finanzierung dieses ÖPNV.
In Zukunft müssen wir auch hier ein Angebot des ÖPNV haben, das nicht rückläufig sein darf, weil die Mittel nicht dauerhaft geregelt zur Verfügung stehen.
- Das stimmt!
Verlassen Sie doch die ausgetretenen Pfade Ihres „Weiter so!", und gehen Sie endlich konsequent den Weg zu einer sicheren umweltverträglichen Mobilität. Das heißt: gesicherte Finanzierung des ÖPNV.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Kollegin Güa Altmann, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fischer, Sie haben darauf hingewiesen, wie fleißig Sie sind. Ich kann dazu nur sagen: Quantität ersetzt nicht Qualität.
Die Kernfrage lautet doch: Wie kann eine zukunftsfähige Verkehrspolitik sozial gerecht, ökologisch verträglich, finanzierbar und auch noch global übertragbar gestaltet werden? Die Politik der Bundesregierung, Infrastruktur nach dem Motto „Immer schneller, immer größer, immer teurer" auszubauen, ist der falsche Weg. Sie macht es, obwohl sie weiß, daß das Auto der Klimakiller Nummer eins ist.
Ich fand es schon beachtlich, wie Frau Merkel, ihres Zeichens Umweltministerin, sich in Kioto ins Zeug geschmissen hat, während sie zu Hause eher als Bremsklotz fungiert. Sie hat zum Beispiel eine Studie zur C02-Minderung im Verkehr vorgestellt, die einen Benzinpreis von 3 DM, Tempo 100 auf Autobahnen und eine Einführung von Straßenbenutzungsgebühren vorsah. Wie es sich bei allen guten Vorschlägen verhält, wurden sie, ehe man sich versah, zu den Akten gelegt. So ist das eben: Die Radikalität der Forderungen wächst mit dem Quadrat der Entfernung zum Kabinettstisch.
Der beste Beitrag zum Klimaschutz wäre, sich zu Hause gegen den Herrn Verkehrsminister durchzu-
setzen; der weiß sehr genau, was eigentlich passieren müßte.
An Ihre Adresse, Herr Fischer, muß ich sagen: Sie kennen Ihre eigene Studie nicht.
Denn schon 1995 wurde in einer Ifo-Studie festgestellt, daß in 10 bis 15 Jahren ein Benzinpreis von 5 DM pro Liter erreicht werden müßte. Diese Studie räumt auch mit dem Vorurteil auf, daß dies Millionen von Arbeitsplätzen gefährden würde. Das ist nämlich das Lieblingsargument von Herrn Wissmann, um zu begründen, warum er so wie bisher weitermachen kann. Ich frage ihn: Wo ist denn Ihr Konzept, um die Verkehrszuwächse einzudämmen und die Umwelt- und Wirtschaftsprobleme in den Griff zu bekommen? Da reicht es nicht, Bundesautobahnen zu eröffnen und rote Bändchen durchzuschneiden
oder den Transrapid zu puschen. Dabei ist wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens, Herr Fischer, daß nächstes Jahr mit dem Bau des Transrapids begonnen werden könnte.
Das täuscht vor allen Dingen nicht darüber hinweg, daß Ihre Verkehrspolitik finanziell am Ende ist. Ihr Umgang mit der Kfz-Steuer ist ja nun wirklich per se eine Lachnummer. Ökologisch und aufkommensneutral sollte sie sein, aber das Ergebnis ist, daß 1,3 Milliarden DM in den Kassen der Länder fehlen, weil Sie übersehen haben, daß mehr Autos als angenommen unter die Euro-3-Norm fallen,
obwohl das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg Sie gewarnt hat.
Aber Sie hören ja noch nicht einmal auf die eigenen Leute. Augen zu, Ohren zu und durch - so lautet Ihr Motto.
Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Das Chaos ist überall. Der Bundesverkehrswegeplan ist unfinanzierbar geworden; mit anderen Worten: Sie sind pleite. Sie können ja noch nicht einmal Ihre Schulden zurückzahlen. 2,8 Milliarden DM zur Tügung der Altschulden der Bundesbahn haben Sie mal so eben auf das nächste Jahr verschoben. Weil das Geld nicht da ist, wird auf Pump finanziert. Privatfinanzierung nennt sich das. Damit machen Sie solche Schwachsinnsprojekte wie den Wesertunnel
Gila Altmann
gegen jede Vernunft und gegen den Rat des Bundesrechnungshofes .
Die Zeche zahlen die Nachfolger. Das sind die Investitionen in die Zukunft à la Wissmann. Das ist nicht nur unseriös, sondern verantwortungslos. Jede Firma hätte schon den Staatsanwalt im Haus oder einen Offenbarungseid leisten müssen, aber Herr Wissmann macht konsequent weiter, obwohl wir eine Fülle von Vorschlägen gemacht und Ihnen zu Füßen gelegt haben.
Ich nenne zum Beispiel ein Konzept für vom Auto unabhängige Mobilität, die sozial gerecht und ökologisch verträglich wäre. Wir haben Ihnen ein Konzept für einen Verkehrsgestaltungsplan vorgelegt, der Mobilitätsziele, Umweltziele und die Verkehrssicherheit miteinander verknüpft.
Dazu gehört auch ein Tempolimit in den Städten. Tempo 30 müßte zur Regelgeschwindigkeit werden. So reduziert man die Verkehrsopferzahlen besonders bei den Kindern sowie Lärm und Abgase. Statt dessen betreiben Sie einseitige Infrastruktur- und Straßenplanung.
Außerdem haben wir Ihnen ein Konzept zur zweiten Bahnreform vorgelegt, bei dem es um die Stärkung der Flächenbahn geht, um die Verlagerung von der Straße auf die Bahn voranzutreiben und ein dichtes Netz zu erhalten. Denn nur so bekommt man ein ökologisches und wirtschaftlich erfolgreiches Verkehrssystem.
Wir haben Ihnen ein Konzept zum Güterverkehr vorgelegt, das überhaupt erst gleiche Wettbewerbsbedingungen für Lkw und die Güterbahn zum Beispiel durch die Einführung einer Schwerverkehrsabgabe regelt.
Um das Ganze auch noch finanzieren zu können -wir kümmern uns darum -, haben wir Ihnen auch noch ein Ökosteuerkonzept vorgelegt, mit dem wir neue Verkehrssysteme fördern, die Umweltbelastungen verringern und auch noch die Lohnnebenkosten senken können, um damit Arbeitsplätze zu erhalten.
Aber was machen Sie? Statt sich damit auseinanderzusetzen, verharren Sie in der Politik der 50er und 60er Jahre. In den nächsten Jahren wollen Sie immer
noch Tausende von Kilometern Straße bauen, Straßen, die keiner mehr braucht und keiner mehr will. Es gibt Planungen seit mehr als 30 Jahren, zum Beispiel für den Venusberg-Tunnel hier in Bonn, und zwar gegen den erklärten Willen von Stadt und Land. Sie wollen das erzwingen, obwohl der Bundesrechnungshof in einer Studie festgestellt hat, daß Straßenneubauten im Wert von über 2,6 Milliarden DM einfach überflüssig sind. Aber als CDU-Minister à la Wissmann braucht man wohl erstens keine Ideen, und zweitens muß man unfähig sein, sie umzusetzen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich entsprechend der Jahreszeit - Weihnachten ist heute schon öfter beschworen worden - schließen:
Eine neue Verkehrspolitik, Herr Jobst, bringt nicht der Weihnachtsmann, obwohl er mit seinem Schlitten beispielhaft ist für eine ökologische Mobilität.
Ich denke, dazu brauchen wir eine neue Regierung, die mit diesem Minister endlich einmal Schlitten fährt, eine Regierung, die eine Verkehrspolitik macht, die ökologisch ist, die sich im Spannungsfeld von Umwelt und Wirtschaftlichkeit bewegt, die aber vor allen Dingen eines tut: die diese Konzepte auch umsetzt.
Schönen Dank.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ehe ich dem nächsten Redner das Wort gebe, unterbreche ich die Beratung zu diesem Punkt für einen kurzen Augenblick, um eine Korrektur vorzunehmen. Wir haben gestern unter anderem über Zusatzpunkt 14 abgestimmt. Dabei ging es um die Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung. Sie erinnern sich sicher, daß wir über Nr. 1 der Beschlußempfehlung einfach und über Nr. 2 der Beschlußempfehlung namentlich abgestimmt haben. Bei der Abstimmung über Nr. 1 der Beschlußempfehlung habe ich - amtierend - festgestellt:
... mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.1)
Die Kollegen Rauen und Schauerte haben mich nachträglich darauf hingewiesen, daß es einige Gegenstimmen im Bereich der CDU/CSU gab. Sie sagen: etwa zehn. Sie legen Wert darauf, daß das im Protokoll festgehalten wird.
1) vgl. 210. Sitzung, Seite 19152
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Deshalb habe ich dies jetzt vorgetragen, denn damit ist es im Protokoll.
- Ich nehme das als Trost für mich. Wir haben es alle übersehen. Aber wir korrigieren es, weil wir nett sind.
Jetzt kehren wir zu diesem Tagesordnungspunkt zurück. Das Wort hat der Kollege Horst Friedrich, F.D.P.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen!
- Und Kolleginnen, liebe Lisa. Ich bitte um Entschuldigung. Wir Männer sind vorhin bei der Aufzählung auch durch den Rost gefallen. Deshalb mag es vielleicht nur ein kleiner Fauxpas sein.
Heute steht eine Vielzahl von Punkten zur Beratung, die es aus meiner Sicht unmöglich macht, auf alle Details einzugehen. Deswegen möchte auch ich die Gelegenheit nutzen,
auf die ausgesprochen erfolgreiche Arbeit dieser Koalition, insbesondere auch auf den Anteil der F.D.P., einzugehen
und einen Blick auf das zu werfen, was wir noch zu tun haben. Weil ich überzeugt bin, daß unser Programm beim Wähler besser ankommt als Ihres,
möchte ich den Blick über den Tellerrand des Wahljahres 1998 hinaus werfen: Wir haben die Alternativen klar gesehen.
Frau Kollegin Altmann, über die Qualität Ihrer Aussagen kann man streiten. Zu Ihrem Verhalten bei den Koalitionsverhandlungen in Hamburg kann man nur sagen: Als Tiger losgesprungen und als Bettvorleger gelandet. Ich habe das auch schon einmal anders formuliert: Wenn das die Qualität ist, die Sie meinen, dann ist wirklich Feuer am Dach.
Im übrigen haben Sie klargemacht, wie Ihre Politik aussieht: Tempolimit auf allen Ebenen. Wenn das nicht hilft, müssen die Gebühren drastisch erhöht werden, im Zweifel zu Lasten des Straßenverkehrs. Ohne Rücksicht auf die Verluste macht die Finanzierung anderer Verkehrsträger Sinn. Beim Binnenschiff plädieren Sie nachhaltig dafür, daß sich nicht die Flüsse einigermaßen den Schiffsgrößen anpassen müssen, sondern umgekehrt. Das heißt im Endeffekt:
Zurück zum Ruderboot! Wenn das Ihr Angebot zum Verkehr der Zukunft ist, wird es schwierig.
Ich will mit einigen Stichworten zu erklären versuchen, was wir geleistet haben und wo noch Aufgaben vor uns liegen, die uns in Zukunft fordern. Die Stichworte sind: die Harmonisierung in Europa, die Bedeutung der Infrastruktur für die neuen Bundesländer, ein in sich schlüssiges Flughafenkonzept für Deutschland, die Bahnreform, der Kombiverkehr, der Transrapid, die Infrastruktur und die zukunftsgerichtete Finanzierung derselben und - das ist besonders wichtig - die Kombination von neuen Techniken, der Kommunikationstechniken und der Telematik, nicht im Sinne des Kassierens und Kontrollierens, sondern im Sinne des sinnvollen Vermeidens durch bessere Information.
Zum Stichwort Harmonisierung. Die große Aufgabe der Verkehrspolitik dieser Periode bis zum 1. Juli 1998 besteht darin, die nachweislich noch vorhandenen Harmonisierungsdefizite in Europa zu beseitigen. Wir haben einige Hürden aus dem Weg geräumt, einiges ist noch zu tun. Bisher ist die Arbeit allerdings immer nur durch nationale Absenkungen gelungen. Europa hat hier nach wie vor eine große Aufgabe vor sich. Wenn man will, daß der Verkehr auf europäischer Ebene akzeptiert wird, muß man von Europa erwarten, daß die entsprechende Harmonisierung trotz der Belastungen in den einzelnen Ländern umgesetzt wird.
Unter diesem Gesichtspunkt ist wichtig, was wir beim Führerscheinrecht und beim Berufszugang festgelegt haben. Auf dieser Grundlage wird auch die Behandlung des noch anstehenden Güterkraftverkehrsgesetzes und des Transportrechts zu sehen sein, die bis zum 1. Juli 1998 abgeschlossen sein muß. Ziel der F.D.P. ist es, dem überwiegend mittelständisch geprägten Verkehrsgewerbe in Deutschland den Standort Deutschland zu erhalten. Das ist das Ziel dieser Aussagen.
Zum Stichwort neue Bundesländer: Eine der wesentlichen Grundlagen für den Aufbau einer funktionsfähigen Wirtschaftsstruktur ist ein funktionsfähiges Verkehrsnetz. Wir haben gerade die Verkehrsinfrastruktur der neuen Bundesländer in einem desaströsen Zustand vorgefunden. Dafür trägt die linke Seite des Hauses die entsprechende Verantwortung. Es ist bezeichnend, was wir an Schrott und Zuständen geerbt haben. Jetzt müssen wir uns auch noch anhören, was alles nicht läuft. Fakt ist: 70 Milliarden DM - Dirk Fischer hat es bereits gesagt - sind seit der Einheit in die neuen Bundesländer investiert worden.
Voraussetzung dafür war zunächst einmal die Entrümpelung unserer Planungsvorschriften. In der Kombination neues Planungsrecht und Bevorzugung bei den Investitionen ist es gelungen, in den neuen Ländern ein entsprechendes Infrastrukturnetz als
Horst Friedrich
Grundlage für die Wirtschaftsentwicklung aufzubauen.
Das betrachte ich als ausgesprochen hervorragende Leistung dieser Koalition. Das sind auch weiterhin die Schwerpunkte.
Bei den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit darf man nicht die wegweisenden Hilfeleistungen der Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit bzw. der DEGES für den Straßenbau vergessen. Es ist schon erstaunlich, daß man in fünf Jahren in Deutschland 100 Prozent der Vorhaben planfestgestellt hat bzw. diese kurz vor der Planfeststellung stehen und ein großer Teil - fast 60 Prozent - gebaut wird oder bereits übergeben worden ist. Das gilt insbesondere für die Schienenstrecken. Auch das ist immer noch in Deutschland möglich.
Zum Stichwort Luftfahrt: Es ist unstrittig, daß die Bewältigung des Flugverkehrs in Deutschland nicht zuletzt deswegen funktioniert hat, weil die deutsche Flugsicherung als Nachfolger der früheren BFS in einer Art und Weise an den Markt herangegangen ist, daß man heute sagen kann: Trotz Integration der militärischen Flugsicherung wird mit dem gleichen Personalstand wie vor der Privatisierung ein um seit diesem Zeitpunkt mehr als 30 Prozent gestiegener Luftverkehr organisiert, und zwar im positiven Sinne, was dazu führt, daß wir bei den Start- und Landegebühren bzw. bei den Flugsicherungsgebühren mittlerweile wieder auf das Niveau vor Beginn der Privatisierung zurückfallen. Das ist ein Zeichen ausgewiesenen Erfolges. Wir werden - da bin ich sicher - bei der deutschen Flugsicherung den nächsten Schritt, nämlich den zu einer echten Privatisierung, auf die Reihe bringen. Erst dann wird es, so glaube ich, insgesamt richtig schlüssig.
Die gleiche Story gilt bei der Privatisierung der Lufthansa. Es ist bezeichnend, daß die Lufthansa nach der endgültigen Privatisierung das beste Ergebnis ihrer Geschichte vorlegt und gleichzeitig in der Lage ist, anzukündigen, sie werde neue Stellen schaffen und auch besetzen.
Was wir in Deutschland jetzt noch benötigen - das wird meine Seite auch vorantreiben -, ist ein in sich schlüssiges, integriertes Flughafenkonzept,
mit dem die Vorteile der einzelnen Flughäfen untereinander abzuwägen sind und ein vernetztes System von Verbindungen mit Hochgeschwindigkeitszügen entwickelt wird,
mit dem Ziel, alle Flugbewegungen, die in Deutschland abgewickelt werden sollen, möglich zu machen.
Denn jeder Flieger, der hier startet und landet, sichert Arbeitsplätze, nicht zuletzt auch in Frankfurt.
- Ich weiß ja, Herr Wolf, daß Ihr Programm darin besteht, den deutschen Bürgern vorschreiben zu wollen: Wenn sie einmal ins Ausland geflogen sind, dann haben sie für drei Jahre ihr „Umweltticket" voll, und dann sollen sie mit der Eisenbahn um die Ecke in den Urlaub fahren. Aus unserer Sicht entscheidet immer noch der Bürger - nicht der Politiker -, welches Mittel er nutzt, um sich fortzubewegen.
Dies hat über viele Jahre hinweg Ihre Vorgängerorganisation in den jetzigen neuen deutschen Ländern gemacht: Da ist der Verkehr von der Politik diktiert worden. Das Ergebnis haben wir gesehen; das ist nicht nachahmenswert.
- Ich weiß, daß er aus Baden-Württemberg kommt. Ich habe doch gesagt: die Vorgängerorganisation. Er ist ja nun einmal bei der PDS, und die PDS sieht sich als legitime Nachfolgerin der SED. Man kann nicht immer auf der einen Seite Forderungen stellen, wenn man die andere Seite verleugnet; so geht es nicht.
Zum Thema Bahnreform. Auch die Bahnreform ist nach vielen Anläufen in diesem Hause endlich beschlossen worden, mit allen Konsequenzen. Wenn ich mich recht erinnere, geschah dies mit Zustimmung der SPD-Opposition und vor allen Dingen mit den Ländern.
- Das ist ein tolles Qualitätsmerkmal, Herr Kollege Wolf.
Das gilt insbesondere auch für die Regelung bezüglich der Regionalisierung. Die Regionalisierung ist deswegen gesetzlich verpflichtend festgelegt, Frau Kollegin Karin Zureich, weil die Länder zugestimmt haben. Das Problem dabei war aber: Die Länder haben gesehen, daß sie vom Bund mehr Geld erhalten, und deshalb haben sich einige von ihnen aus der Kofinanzierung zurückgezogen. Auch das muß man einmal sagen: Nicht der Bund hat die Finanzierung des Nahverkehrs reduziert - er hat sie vielmehr gesteigert -, die Länder haben sich aus ihrer Verantwortung zurückgezogen.
Außerdem bedeutet Nahverkehr in der Fläche eben nicht nur Schienenpersonennahverkehr, sondern auch Busnahverkehr, der aus ökologischer Bilanz heraus mindestens ebenso interessant
Horst Friedrich
und in aller Regel noch etwas flexibler ist. Die Wettbewerbssituation wurde auf diesem Felde nicht verbessert. Nicht zuletzt eine Reihe von Ländern hat eine bessere Einbindung privater Busunternehmer verhindert, indem sie das, was wir beschlossen hatten, nämlich die Zuordnung der Busgesellschaften zum Eisenbahnvermögen, verhindert haben.
- Darüber können Sie lachen, aber das sind nun einmal die Fakten.
Beim Kombiverkehr haben wir endlich erreicht, daß nicht nur die Bahn AG, sondern auch Dritte berechtigt sind, Zuwendungen für den Aufbau von Terminals zu erhalten. Das ist, so glaube ich, ein entscheidender Durchbruch, um auch diesem Verkehr Zukunft zu geben.
Stichwort Transrapid. Es gibt ja das böse Wort, daß die letzte Innovation, die mit Zustimmung der SPD in Deutschland umgesetzt wurde, die Einführung des Farbfernsehers war.
Das will ich gar nicht wiederholen.
Zum Transrapid wurde in vielen Debatten fast alles gesagt. Es ist typisch, daß die SPD sagt, sie sei für diese Technik, sie nun aber die Strecke störe. War eine andere Strecke beabsichtigt, hat sie diese Strecke gestört. Ihnen wäre es am liebsten, die Technik zu testen, indem man den Transrapid vom BikeHaus Köln/Bonn zum Terminal Köln/Bonn führt. Das ist doch Unsinn, liebe Kollegen.
Ich glaube, wenn wir weiter in dieser Form diskutieren, dann hat der Karikaturist recht, der eine Zeichnung erstellt hat, auf der der japanische Konkurrent bereits fährt, die Japaner nach unten schauen und einige mit langen Barten und von Spinnennetzen umgeben diskutieren sehen. Die Japaner sagen: Schau mal, die diskutieren in Deutschland noch immer über Sinn oder Unsinn des Transrapid, und die anderen fahren schon damit.
Wir müssen endlich lernen, daß neue Techniken, bei denen wir weltweit federführend sind, auch umgesetzt werden müssen, und zwar zunächst in Deutschland. Nur dann haben sie eine Chance, uns weiterzubringen.
Ich möchte auf den Einsatz und die Kombination neuer Techniken, insbesondere die Telematik, und die daraus abzuleitenden Synergieeffekte zu sprechen kommen.
Zukunftstechnologien wie die Telematik können, wenn sie verantwortungsvoll eingesetzt sind, die Verkehrspolitik maßgeblich beeinflussen. Was ist dazu notwendig? Ich plädiere dafür, zunächst ein eigenes europäisches Satellitensystem zu installieren, um un-
abhängig von anderen Systemen zu sein. Das ist die Grundlage dafür.
Wenn man das schafft, dann kann man das, was bereits jetzt im Detail machbar ist, noch ausbauen, nämlich die Verkehrsinformation in bestimmten Ballungszentren, die Steuerung von Lkw-Flotten über satellitengestützten Funk, den Einsatz von Hilfsflotten zum Beispiel des ADAC mit Hilfe entsprechender Informationssysteme, eine bessere Abstimmung im Bereich des Gütertransports, um Leertransporte, um unnötige Transporte zu vermeiden, die Information im Auto, zum einen, um Ausweichsszenarien zu konstruieren, zum anderen, um bereits bei Fahrtantritt zu wissen, wo man auf andere Verkehrsmittel umsteigen kann, wo man Fahrkarten lösen kann - und das alles relativ schnell und einfach.
Eine vorsichtige Schätzung des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie beschäftigt sich mit dem Einsatz von Telearbeitsplätzen. Nach dieser Schätzung wird es im Jahre 2000 in Deutschland zirka 800 000 Telearbeitsplätze geben. Das ist eine vorsichtige Schätzung. Das Potential liegt theoretisch deutlich höher.
Bei einer durchschnittlichen Entfernung von der Wohnung zur Arbeitsstätte von 15 Kilometern und nur drei Telearbeitstagen pro Woche ergibt das eine Ersparnis von 4000 Kilometern pro Mitarbeiter und Jahr und somit eine Gesamtersparnis von 3,2 Milliarden Kilometern jährlicher Fahrleistung. Das ist eine wahrlich gigantische Zahl. Nicht durch drastische Erhöhung oder konfiskatorische Besteuerung eines Verkehrsmittels, sondern durch intelligenten Einsatz von Technik wird Verkehr sinnvoll vermieden. Selbst beim Dreiliterauto wären das 100 Millionen Liter eingesparten Kraftstoffs.
Das ist eine Technik, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Deutschland in der Welt führend ist. Nur müssen wir den Mut haben, sie in der Kombination anzubieten und umzusetzen. Dann sind wir tatsächlich in der Lage, auch in Deutschland zukunftsgerichtete, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, womit wir das Ausland wieder für Deutschland interessieren können. Das ist die Richtung, in der wir denken müssen.
Das muß mit einem zügigen Infrastrukturaufbau kombiniert werden. Auch dort müssen Denkblockaden aufgehoben werden. Wir müssen in der nächsten Legislaturperiode überlegen, was sinnvoll und notwendig ist.
In der Konsequenz heißt das: Es muß nicht mehr alles gebaut werden. Dabei ist die demographische Komponente zu berücksichtigen. Deutschland ist eine Gesellschaft, die immer älter wird. Es gibt auch Aufgaben, die in einigen Jahren durch Raumordnung oder andere Planungen zu erledigen sind. All das sind Überlegungen, die für die Zukunft gemacht werden müssen.
Diese Überlegungen, meine Damen und Herren, wird diese Koalition machen. Denn ich bin überzeugt: Mit der Arbeit, die wir im verkehrspolitischen Bereich bisher geleistet haben, können wir uns ohne
Horst Friedrich
Scheu vor den Wähler stellen. Wir werden diese Wahl gewinnen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Winfried Wolf, PDS.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Friedrich, das ist eine Generaldebatte. Dann sollten wir auch Herrn Wissmann und seine Verkehrspolitik an den Maßstäben der drei großen „V" einer alternativen Verkehrspolitik messen: Verkehr vermeiden, Verkehr verkürzen, Verkehr verlagern.
Der erste Programmpunkt - Verkehr vermeiden -findet in der offiziellen Verkehrspolitik erst gar nicht mehr statt. Die Verkehrsleistungen steigen von Jahr zu Jahr - bei gleichbleibender Bevölkerungszahl und trotz des Rückgangs der Erwerbstätigkeit und des damit verbundenen Rückgangs im Berufsverkehr. Statt „vermeiden" gilt das erste „Kontra-V": Verkehr wird vervielfacht.
Auch beim zweiten Programmpunkt ist das Gegenteil Realität. Ganz deutlich wird das dadurch, daß die am schnellsten anwachsende Verkehrsart zugleich die umweltschädlichste ist. Die Personenverkehrsleistung im Binnenflugverkehr stieg zwischen 1991 und 1996 um 46 Prozent: Das sind luftige „Mües & more" - und all das mit steuerfreiem Kerosin. Nicht anders sieht es im Güterverkehr aus: Beim extrem umweltschädigenden Luftverkehr stieg die Frachtmenge von 1991 bis 1996 um 36 Prozent - Stichwort: Ab geht die Post, von der Schiene in die Luft. Beim Straßenfernverkehr liegt die Steigerung des Güterverkehrs gar bei 53 Prozent.
Ihr zweites „Kontra-V", Herr Wissmann, lautet: Verkehre verlängern. Auch der Transrapid ist hierfür charakteristisch. Vorgestern kam sich jemand im Verkehrsausschuß witzig vor, als er argumentierte, der Transrapid könne auch noch als Nahverkehr durchgehen. Gut dreimal mehr Menschen als heute sollen zwischen Berlin und Hamburg tagtäglich pendeln -im „Nahverkehr" mit Tempo 350.
Auch die Schienenverkehrsinvestitionen orientieren sich zu 80 Prozent am Fernverkehr und an der Hochgeschwindigkeit. Dies erfolgt gegen alle Realität. All die Gewinne, die Sie, Herr Wissmann, für den Schienenverkehr reklamieren, fanden ausweislich der druckfrischen Neuausgabe von „Verkehr in Zahlen 1997" allein im Nahverkehr statt. Im Schienenfernverkehr sank die Transportleistung von 1991 mit 33,7 Milliarden Personenkilometern auf 31,2 Milliarden Pkm 1996 oder um 6,5 Prozent. Selbst die mittlere Reiseweite im Fernverkehr sinkt kontinuierlich. Sie lag 1993 bei 232 Kilometer und 1996 bei 216 Kilometer. Damit wird deutlich, wie abstrus die Minutenschinderei im Fernverkehr ist, wenn die Hälfte der Reisenden je Fahrt weniger als 216 Kilometer zurücklegen.
Es bleibt das dritte „V": Verkehre verlagern. Auch hier ist überwiegend Fehlanzeige zu vermerken. Die Verkehrsarten des sogenannten Umweltverbundes, Zu-Fuß-Gehen, Radeln und schienengebundener Nahverkehr in Städten, sinken anteilsmäßig seit 1991.
Wo die Anteile gehalten und - in Punkten hinter dem Komma, Herr Wissmann - leicht gesteigert werden konnten, das ist beim Schienennahverkehr der Deutschen Bahn AG. Just hier allerdings drohen in Bälde Einbrüche durch Streckenstillegungen und Sparmaßnahmen, die dem Ausbau des Fernverkehrs geschuldet sind. Nein, Herr Wissmann, dem Verlagern haben Sie auch hier Ihr eigenes „Kontra-V" entgegengesetzt, das da lautet: umweltschädlichen Verkehr verbilligen, Stichwort: Kfz-Steuerreform. Um 1 Milliarde DM werden 1998 die Steuereinnahmen aus der Kfz-Steuer sinken, worunter vor allem die Länder leiden werden.
Das muß den Kfz-Verkehr steigern. Originalton, Herr Friedrich, des „Spiegel" von dieser Woche: „Hier siegte das kollektive Unbewußte in Deutschland einig Autoland."
Herr Minister Wissmann, am 27. November beendete ich meine Rede zum Haushalt mit dem ironischen Satz:
Wir geben als Parteilinie aus: Lieber Müsli im Mund als Beton im Kopf.
Daraufhin führten Sie aus:
Es ist schon eindrucksvoll, daß in der PDS ... „Parteilinien" ausgegeben werden. Ich muß Ihnen, Herr Wolf, sagen: Die schlimmsten Kommunisten waren schon zur DDR-Zeit nicht diejenigen, die in der DDR mitgelaufen sind,
- hier vermerkt das Protokoll: „Rudolf Bindig : Er ist in Baden-Württemberg geboren!" -
sondern diejenigen, die in Westdeutschland unter freien Verhältnissen den dogmatischen Unsinn der DDR mitgetragen haben.
Herr Wissmann, irgendwie suchen Sie immer, wie wir im Stammesschwäbisch sagen, „a g'mäht's Wiesle" - auf hochdeutsch: Sie wollen „schubladisieren". Sehen Sie, Herr Wissmann: Ich habe nicht nur den „dogmatischen Unsinn der DDR" nie mitgetragen. Von mir wurde vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik - in Zusammenarbeit mit „ÖkoLöwe" in Leipzig - das Buch mit dem Titel veröffentlicht: „Neues Denken oder Neues Tanken - DDR Verkehr 2000". Darin findet sich eine vehemente Kritik der DDR-Verkehrspolitik. Vor allem aber wird darin auf eine DDR-Tradition - die es eben auch gab - Bezug genommen, die sich kritisch mit der Orientierung der SED-Führung auf den Autoverkehr auseinandersetzte und die für eine Orientierung auf den schie-
Dr. Winfried Wolf
nengebundenen Verkehr plädierte. Das war die Verkehrspolitik, die an der Hochschule für Verkehr „Friedrich List" in Dresden und von Umweltgruppen wie „Öko-Löwe" in Leipzig betrieben wurde.
Was waren zum Beispiel unter diesem Aspekt die Folgen durch den Beitritt der DDR? Die Hochschule für Verkehr „Friedrich List" wurde komplett abgewickelt, meines Erachtens auch deshalb, weil sie autokritisch und schienenfreundlich war.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser anarchischen offiziellen Verkehrspolitik und mit Blick auf steigende Arbeitslosigkeit und Krisentendenzen bleibt mir zum Schluß nur, Erich Kästner zu zitieren. Er schrieb auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise:
Die Käufer kaufen. Und die Händler werben.
Das Geld kursiert, als sei es seine Pflicht.
Fabriken wachsen und Fabriken sterben.
Was gestern war, geht heute schon in Scherben.
Der Globus dreht sich. Doch man sieht es nicht.
Die Zeit fährt Auto. Doch kein Mensch kann lenken.
Danke schön.
Ich erteile das Wort dem Bundesminister für Verkehr, Matthias Wissmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, daß wir heute einmal die Chance haben, uns ausführlich mit Bilanz und Perspektiven der Verkehrspolitik zu befassen. Ich glaube, das zeigt die wachsende Bedeutung dieses Themas für die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Land, aber auch darüber hinaus; denn moderne Verkehrspolitik ist immer auch Wirtschafts- und Umweltpolitik, ist immer auch ein Standortfaktor für den Wettbewerb um innovative Unternehmen und um Arbeitsplätze.
Anfang Dezember berichtete die „Wirtschaftswoche" vom wieder zunehmenden Trend ausländischer Unternehmen, in Deutschland zu investieren, und deutscher Unternehmen, wieder mit Betriebsstätten aus dem Ausland nach Deutschland zurückzukehren. Nach Aussage der „Wirtschaftswoche" war ein Hauptargument dieser Firmen für diesen Weg nach Deutschland bei ihren Investitionen und bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze die moderne Verkehrsinfrastruktur in Deutschland.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns dieses Umstands immer bewußt sein: Wer das Verkehrswesen modernisiert, wer die Infrastruktur entwickelt und modern gestaltet, der sorgt damit dafür, daß dieser Standortvorteil „Verkehrsinfrastruktur" gepflegt und gestärkt wird.
Ich glaube, das ist eine herausragende Aufgabe für uns alle. Es gibt gegenwärtig in Europa kein Land, das im selben Umfang in die Verkehrswege investiert. Wir haben das in der letzten Woche ausgetragen, es muß jetzt nicht mehr sehr vertieft werden. Wir haben trotz harter Sparmaßnahmen auch im Verkehrshaushalt die Investitionen nicht gekürzt, sondern wir führen auch 1998 die Investitionen für Straßen, Schienen- und Wasserwege auf einem hohen Niveau - 20 Milliarden DM - weiter. Wir erhöhen sie sogar leicht. Meine Damen und Herren, das müssen wir auch tun, denn umweltverträgliche Mobilität im 21. Jahrhundert zu sichern, das ist, wie ich finde, eine herausragende Aufgabe.
Wir haben eine beachtliche Arbeit - zum Teil gemeinsam, zum Teil in der Auseinandersetzung - hinter uns gebracht. Wir haben seit 1990 in ganz Deutschland in moderne Verkehrswege 170 Milliarden DM investiert, 74 Milliarden DM allein in den neuen Bundesländern.
Meine Damen und Herren, wenn der Bundeskanzler vor wenigen Tagen die Fertigstellung des Telekom-Netzes in den neuen Bundesländern, diese große Infrastrukturleistung Telekommunikation feiern konnte, dann, glaube ich, steht gleichberechtigt daneben, daß wir es in nur sieben Jahren geschafft haben - da sind wir noch nicht fertig, aber weit vorangeschritten -, über 5000 Kilometer Schiene und 11 000 Kilometer Straße in den neuen Bundesländern auszubauen und neu zu bauen. Das ist eine einmalige Aufbauleistung, die wir weiterführen müssen.
Meine Damen und Herren, jeder, der die Zahlen kennt, weiß: Dort geht über die Hälfte aller Investitionsmittel in die Schienenwege. Die ersten fertiggestellten Verkehrsprojekte Deutsche Einheit sind allesamt moderne Schienenwege.
Wir haben die Bahnreform durchgesetzt, wußten aber immer: Mit der Umgestaltung von der Behörde zur AG, mit der Entschuldung am 1. Januar 1994 und mit der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs am 1. Januar 1996 ist die Aufgabe nicht beendet. Jede große Reformaufgabe ist ein dynamischer Prozeß. Deswegen ist es richtig, wenn 1999 die Aufgliederung in Einzelgesellschaften unter einer Holding erfolgt. Die Gesellschaften, die rentabel sind, können dann möglicherweise Anfang oder Mitte des nächsten Jahrzehnts an die Börse geführt werden.
Die wichtigste Veränderung bei der Bahn, die gegenwärtig stattfindet - ich finde, das können wir nicht genügend würdigen ist die Veränderung des Denkens der Mitarbeiter. Sie beginnen, das Unternehmen als Dienstleistungsunternehmen zu begreifen.
Meine Damen und Herren, natürlich sind wir dort noch nicht am Ziel. Wenn wir aber inzwischen wissen, daß der kombinierte Verkehr nach den letzten Zahlen einen Zuwachs von über 8 Prozent und der
Bundesminister Matthias Wissmann
Güterverkehr bei der Bahn das erste Mal einen Zuwachs von über 6 Prozent zu verzeichnen hat, dann ist dies doch das erste Zeichen einer Trendwende in dem schwierigsten Bereich der Umgestaltung, nämlich im Güterverkehr.
Es muß doch unser Ziel sein, diese Entwicklung zu beschleunigen und zu verstärken. Wer eine Verkehrsverlagerung will, der schafft das nicht durch Kommando von oben, sondern durch eine unternehmerische Erneuerung der Bahn als eines wichtigen Teils seiner Strategie.
Meine Damen und Herren, diesen Weg werden wir mit Investitionen weiter begleiten. Wir haben Finanzierungsvereinbarungen geschlossen. Die Mittel für den Ausbau von Containerbahnhöfen, Umschlagbahnhöfen und Terminals des kombinierten Verkehrs fließen jetzt in einem Wert von über 500 Millionen DM ab. An vielen Standorten in Deutschland wird schon gebaut. Das alles soll dem Ziel dienen, den modernen Güterverkehr, auch den kombinierten Verkehr leistungsfähiger und flexibler zu machen und damit Verkehr auf die Schiene zu ziehen.
Auch wenn es mancher nicht gerne hört: Auch im 21. Jahrhundert wird der Lkw als Lastesel im Nah- und im Regionalverkehr seine Rolle spielen. Ich kann nicht vor jeden Betrieb eine Schiene legen lassen. Im Fernverkehr aber müssen die Binnenschiffahrt und die Bahn einen größeren Teil des Verkehrszuwachses an sich ziehen können,
wenn wir mit den Verkehrs- und Wirtschaftsproblemen der kommenden Jahrzehnte umweltverträglich umgehen wollen. Wir tun alles, um diese Weichenstellungen herbeizuführen.
Meine Damen und Herren, wir tun natürlich auch alles für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Straßengüterverkehr, Binnenschiffahrt und Seeschiffahrt. Ich weise auf die entsprechenden Förderkonzepte und Aktionsprogramme als Teil unserer Bilanz hin. Sie sind in jedem Falle weiterzuführen.
Heute legen wir Ihnen mit dieser Debatte den Gesetzentwurf zur Reform des Güterkraftverkehrsrechts vor. Ziele dieser Reform sind die Liberalisierung, die rechtliche Vereinfachung und Vereinheitlichung des Güterkraftverkehrsrechts. Damit wollen wir dem deutschen Güterkraftverkehrsgewerbe rechtzeitig vor der Freigabe der Kabotage in der EU am 1. Juli 1998 den notwendigen Freiraum verschaffen, um auch künftig seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa unter Beweis zu stellen.
Zukünftig wird es zum Beispiel keine Kontingentierung mehr geben, auch keine Unterscheidung zwischen Nah-, Fern- und Umzugsverkehr. Und die Regelungen werden einheitlich für alle Kraftfahrzeuge ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen gelten.
Meine Damen und Herren, es muß unser Ziel sein, in einem künftig liberalisierten Güterverkehrsmarkt für die deutschen Unternehmen durch eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen in Europa gerechtere Voraussetzungen zu schaffen. Ich glaube, mit diesem nationalen Ordnungsrahmen tragen wir dazu bei.
Ich will von einer Sorge berichten, die ich selbst habe und viele, die sich mit dem Thema der modernen Verkehrspolitik in Europa beschäftigen. Nicht zuletzt durch die Initiative der Bundesregierung ist es gelungen, daß wir am 1. April 1997 den Luftverkehrsmarkt in Europa liberalisiert haben. Wir haben den Binnenschiffahrtsmarkt mit gewaltigen Anpassungsschwierigkeiten für die Binnenschiffer, die wir durch ein Förderprogramm abfedern, liberalisiert. Ich hoffe, daß wir im Jahre 2000 das Tour de rôle-Verfahren, also die Frachtzuteilung in anderen europäischen Ländern, ebenfalls beseitigen können.
Wir liberalisieren den Güterverkehrsmarkt und nehmen die alten Protektionen weg, um unwirtschaftliche Abläufe in Zukunft zu vermeiden. Wir haben gestern im Rat der EU-Minister - auch durch deutsche Initiative - beschlossen, für den Eisenbahnverkehr Güter-Freeways durch Europa zu schaffen, also von Skandinavien nach Italien - gestern konnten wir den Vertrag hierüber unterzeichnen -, um eine Schneise durch den bürokratischen Dschungel des noch abgeschotteten Eisenbahnverkehrs in Europa zu schlagen.
Meine Sorge ist: Es darf bei der Öffnung der Märkte des Eisenbahnverkehrs in Europa dabei allein nicht bleiben; denn die europäischen Eisenbahnen würden beispielsweise gegenüber dem Straßengüterverkehr dann keine Chance haben, wenn wir nicht auch dort mehr Wettbewerb herbeiführen, und zwar nicht nur in Deutschland, wo wir dies bereits tun, sondern in ganz Europa.
Das muß unsere gemeinsame Strategie in Europa sein; denn moderne Verkehrspolitik macht nicht an den Grenzen halt, sie muß grenzüberschreitend geplant werden. Deswegen arbeiten wir zusammen mit anderen an einem modernen transeuropäischen Verkehrsnetz, deswegen führen wir mit Frankreich und mit vielen anderen Nachbarn entsprechende Planungen durch, die Zug um Zug in die Realität umgesetzt werden.
Sicher ist die größte Leistung, die wir gegenwärtig erbringen, der Aufbau der Verkehrswege in den neuen Bundesländern als Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Dies sind 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit, in die bisher 25 Milliarden DM geflossen sind. Von den allein neun Schienenprojekten, in die wir bereits 17 Milliarden DM investiert haben, sind bereits die Strecken Hamburg-Büchen-Berlin, Helmstedt-Magdeburg-Berlin, Eichenberg-Halle und Bebra-Erfurt fertiggestellt worden.
Auch bei den Straßenprojekten kommen wir voran. Beim Wasserstraßenprojekt Hannover-Berlin konnten wir 400 Millionen DM investieren, und wir werden im nächsten Frühjahr den ersten Spatenstich für
Bundesminister Matthias Wissmann
die Kanalbrücke über die Elbe bei Magdeburg machen können.
Niemand kann bestreiten, daß ohne unsere erheblichen Investitionen in die Verkehrswege die Entwicklung in den neuen Ländern nicht genügend vorangekommen wäre.
Wir haben uns eines zum Ziel gesetzt: Wir werden die Priorität für den Aufbau der Verkehrswege in den neuen Ländern - bei allem, was es gelegentlich an Kritik im Westen Deutschlands gibt - aufrechterhalten. Hierin liegt der entscheidende Impuls, um eines hoffentlich nicht zu fernen Tages dort einen sich selbst tragenden Aufschwung zu erreichen.
Bei den Schieneninvestitionen - lassen Sie es uns offen aussprechen - haben wir das Problem, daß zwar jeder dafür ist, aber sobald es vor Ort konkret wird, stehen nicht mehr alle auf der Seite der hierfür notwendigen Politik, die ja letztlich auch Arbeitsplätze sichert. Investitionen in Höhe von 1 Milliarde DM stehen für 12 000 bis 15 000 Arbeitsplätze.
Was die Straße angeht, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, finden wir ein völlig zerklüftetes Oppositionslager vor. Im Haushaltsausschuß haben Grüne und SPD zusammen die Kürzung der Mittel für Straßen um 3,7 Milliarden DM vorgeschlagen.
Im Haushaltsausschuß und im Verkehrsausschuß sind moderne private Finanzierungsformen zum Teil auch von Ihnen, von der SPD, abgelehnt worden. Um so mehr freue ich mich, wenn ich im Saarland das erste privat vorfinanzierte Teilstück einer Autobahn freigeben kann, daß neben mir der Ministerpräsident des Saarlandes steht und die private Vorfinanzierung, die Sie hier zum Teil abgelehnt haben, ausdrücklich begrüßt. Es macht ja nicht nur im Saarland Sinn, moderne Finanzierungsformen im Verkehrsbereich zu realisieren.
Meine Bitte ist: Lassen Sie ab von der Verteufelung der Straßeninvestitionen!
Sie können sich darauf verlassen: Ich werde auch in Zukunft alles dafür tun, daß die Schienenwege ausgebaut werden, daß die Verkehrsträger vernetzt werden und daß wir die umweltfreundlichsten Verkehrsträger stärken. Aber ohne Straßeninvestitionen werden Sie keine Mobilität im 21. Jahrhundert sichern können.
Es macht keinen Sinn, die Straße vor Ort zu feiern, in Bonn aber die Mittel für den Straßenbau beschneiden zu wollen. Meine Bitte ist daher, daß wir Innovationen auf diesem Gebiet - wir haben den umweltverträglichsten Straßenbau in Europa - auch in Zukunft ermöglichen.
In den kommenden Jahren geht es darum, daß wir uns neuen Techniken vorurteilsfreier stellen. Ich glaube, daß uns die Nutzung moderner Verkehrstechnologie, der Verkehrstelematik, hilft, unnötige Verkehrsaufkommen zu vermeiden, vorhandene Kapazitäten besser zu nutzen, die Verkehrsträger optimal zu vernetzen und den Verkehrsfluß zu sichern. Beim Welttelematikkongreß in Berlin vor wenigen Monaten ist zu Recht gesagt worden, wir Deutschen seien in der Zusammenarbeit von Wissenschaft, Industrie und Politik bei der Entwicklung der Verkehrstelematik weltweit führend. Wir wollen diese Führungsposition nicht nur halten, wir wollen sie ausbauen.
Wir können auf einige Leistungen in diesem Bereich besonders stolz sein. Ich denke an die Verkehrsmaßnahmen in Berlin. Wir investieren in Berlin 18 Milliarden DM. Wir haben dort ein Logistikkonzept durch telematische Vernetzung verwirklicht, das weltweit seinesgleichen sucht.
Bei 250 Großbaustellen in Berlin müßten wir, wenn die Baustellen nach bekannten logistischen Mustern mit Baustoffen versorgt würden, in der Stadt 2000 Sattelschlepper zusätzlich einsetzen. Durch die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen wurde erreicht, daß wir dort ein Logistikkonzept verwirklichen, durch das der gesamte Baustofftransport zu 100 Prozent auf die Binnenschiffahrt und auf die Bahn gelegt wird, und zwar zu 80 Prozent auf die Binnenschiffahrt und zu 20 Prozent auf die Bahn.
Das ist jene Mischung aus moderner Verkehrspolitik, intelligenter Logistik und zukunftsgewandter Technik, die wir in Zukunft brauchen. Wir brauchen sie im eigenen Land, um Umwelt- und Verkehrsprobleme besser zu lösen. Wir können sie aber auch weltweit industriepolltisch nutzen, um diese Produkte - es sind letztlich Produkte - auf dem Weltmarkt verkaufen zu können.
Deshalb muß es unsere Strategie für die Zukunft sein, solche modernen Technologien wie die Verkehrstelematik konsequent zum Einsatz zu bringen.
Umweltgerechte Verkehrspolitik für das 21. Jahrhundert ist keine Politik der Gebote, der Verbote, der Dirigismen und der Interventionen. Sie ist vielmehr eine Politik des konsequenten und intelligenten Einsatzes der Technologie, die wir auf Grund unseres Potentials haben können.
Um den Einsatz moderner Technik geht es letztlich auch beim Transrapid. Wir arbeiten zur Zeit wie kein anderes Land in Europa an der Entwicklung eines Hochgeschwindigkeitsnetzes der Bahn für das 21. Jahrhundert. Im Jahr 2010 werden alle großen deutschen Metropolen durch ein leistungsfähiges
Bundesminister Matthias Wissmann
Hochgeschwindigkeitsnetz verbunden sein. Wir bauen bereits an vielen Stellen. Die klassischen Techniken kommen beim Bau der ICE-Verbindungen vorrangig zum Einsatz.
Zwischen Hamburg und Berlin nutzen wir allerdings eine Technik, in der wir noch einen Vorsprung vor den Japanern haben. Ich höre es mit Freude, wenn in einer Fernsehdiskussion Herr Scharping meinen Ausführungen zum Thema Transrapid nicht mehr widerspricht oder wenn Herr Schröder im Emsland sagt, er habe noch nie eine so innovative Technologie gesehen. Es reicht aber nicht, nur dann Lippenbekenntnisse abzugeben, wenn es vor Ort opportun ist.
Es kommt vielmehr darauf an, daß man bereit ist, solche Technologien auch gegen Widerstände durchzusetzen. In einem Hochlohnland mit weiterhin vergleichsweise hohen Sozialkosten entstehen Arbeitsplätze in der Industrie nicht auf Grund von Lippenbekenntnissen, sondern auf Grund dessen, daß wir konsequent Produktionen mit höchster Wertschöpfung in Deutschland erhalten und stärken. Dazu gehört eben auch diese moderne Technologie.
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne ist moderne Verkehrspolitik letztlich auch Innovations- und Wirtschaftspolitik, genauso wie moderne Verkehrspolitik Umweltpolitik ist. Hier sind wir, so glaube ich, auf einem guten Weg.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Annette Faße, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wissmann, ich muß sagen, Ihr „Presseclub" hat jedesmal mehr Schwierigkeiten, Ihre Rede vorzubereiten.
Dieses Mal ist es ihm wirklich nicht geglückt. Das war eine so dünne Rede,
daß ich mich eigentlich schäme, solch einen Verkehrsminister die Zukunft weiter planen zu lassen.
Nicht mit einem Wort haben Sie den Begriff „Vermeidung von Verkehr" erwähnt.
Nicht mit einem Wort haben Sie etwas zum öffentlichen Nahverkehr gesagt.
Sie meinen vielmehr, daß Sie diese Diskussion heute aUein mit Hinweisen auf die Telematik und den Transrapid sowie mit Visionen hinsichtlich der Zukunft überstehen können. Herr Wissmann, damit lassen wir Sie nicht durch. Das ist zu dünn. Ich werde Ihnen dies gleich belegen.
Wir brauchen eine grundlegende Neuorientierung der Güterverkehrspolitik mit massiven Anstrengungen zur Kooperation und Vernetzung aller Verkehrsträger - nicht nur aus umweltpolitischer Sicht, sondern auch aus ökonomischen Gründen. Dies ist dringend erforderlich. Hier muß eine neue, zukunftsorientierte Verkehrspolitik erfolgen und nicht die Verkehrspolitik, der Sie hier das Wort geredet haben.
Ganz besonders verstärkt werden müssen alle Kooperationsformen des kombinierten Verkehrs, die auch die Nutzung der Wasserstraßen einbeziehen, zum Beispiel Lkw-Schiff, Bahn-Schiff, Küsten-/Seeschiffahrt-Binnenschiffahrt.
An dieser Stelle ein Wort zu der geplanten Einführung einer Tonnagesteuer, der Veränderung der Lohnsteuer und - das ist heute leider nicht genannt worden - auch zu den Veränderungen bei der Schiffsbesetzung. Die SPD hat in der Haushalts- und Steuerdebatte ganz deutlich gesagt, daß sie für die Einführung von Steuererleichterungen ist. Im Detail können wir uns darüber streiten. Wir sind aber nicht dafür, die Schiffsbesetzungsverordnung zu ändern. Meine Herren vom Ministerium, Sie wissen genau, in welcher Form es auch jetzt möglich ist, hier endlich aktiv zu werden, indem Sie nämlich ein Artikelgesetz auf den Weg bringen. Ich harre der Dinge. Die Ausflaggungen dauern an. An der Küste ist kaum noch jemand in der Lage, nachzuvollziehen, warum Sie in diesem Bereich nicht endlich aktiv werden. Ich bin gespannt, was Sie für die deutsche Seeschiffahrt auf den Weg bringen.
Die Analyse der Verkehrssituation hat Ihr Pressereferat durchaus korrekt dargestellt. Ich will nur eine Kostprobe nennen:
Unbestritten ist daher der hohe Stellenwert einer integrierten Verkehrspolitik auf der Basis einer engen Vernetzung und Zusammenarbeit der Verkehrsträger. ... Daher kann der KV einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Verkehrsinfrastruktur und der Umwelt leisten.
Diese Aussage ist zwei Jahre alt. Da frage ich mich: Was ist in diesen zwei Jahren eigentlich passiert?
Annette Faße
Reden und Handeln sind bei Ihnen zwei verschiedene Paar Schuhe. Aber das scheint Sie offensichtlich gar nicht zu interessieren.
Eines müssen wir festhalten, nämlich daß der kombinierte Verkehr trotz Ihrer Politik Wachstumsraten aufweist, allerdings auf niedrigem Niveau.
Dann fragt man sich: Welche Chancen bestünden für den kombinierten Verkehr, wenn eine effiziente Verkehrspolitik betrieben würde? Für mich sehr viel größere Chancen. Es wird ein Wachstum von 5 Prozent im nationalen und von 6 Prozent im internationalen Verkehr prognostiziert. Auch die DB AG rechnet mit einem höheren Aufkommen.
Ähnlich sieht es auch in der Binnenschiffahrt aus, allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau. 1996 konnten in öffentlichen Binnenhäfen erstmals über 1 Million TEU umgeschlagen werden. Für 1998 wird im kombinierten Verkehr zwar eine verlangsamte, aber immerhin eine Fortsetzung des Mengenwachstums erwartet. Nur, wenn wir in die Zukunft denken, frage ich mich, ob die Binnenschiffahrt überhaupt noch so lange bestehen wird, bis Sie eine Vernetzung auf die Reihe gebracht haben. Man kann ganz deutlich sagen: Sie haben ein wunderbares Aktionsprogramm verabschiedet, in dem die Knackpunkte außen vor gelassen wurden.
Ich warte natürlich darauf, was denn jetzt mit dem Bürgschaftsprogramm passiert. Ich habe bis heute kein Konzept dafür bekommen. Ich habe die Anfrage gestellt, ob es nicht Sinn macht, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich wirklich einmal mit der Umsetzung der Verlagerung auf das Schiff und nicht nur mit Prognosen befaßt. Man hat gesagt: Wunderbar, tolle Idee. Ich harre der Dinge; die Verbände warten darauf, eingeladen zu werden. Ich hoffe, diese Aufgabe nehmen Sie sich für Anfang des nächsten Jahres ernsthaft vor.
Im Vergleich zum prognostizierten überproportionalen Wachstum im Straßengüterverkehr sind die Steigerungen im kombinierten Verkehr allerdings wirklich nur Peanuts. Sie blockieren den Ausbau der Terminals; das ist ganz deutlich geworden. Ich erinnere Sie an ein paar Peinlichkeiten, Herr Minister: Im Herbst 1996 verabschiedet der Verkehrsausschuß einstimmig einen Antrag zur Öffnung der KV-Fördermittel auch für Dritte; im Haushaltsausschuß wird der Antrag niedergestimmt. Im Januar 1997 muß sich das Verkehrsministerium vom Bundesrechnungshof zu Recht folgenden Vorwurf hinsichtlich des kombinierten Verkehrs machen lassen: Es fehlen - ich zitiere -
dem Bundesministerium die grundlegenden Voraussetzungen für die Beurteilung, ob die mit den Ausgaben in Milliardenhöhe verfolgten Ziele erreicht werden oder ergänzende ordnungspolitische Maßnahmen notwendig sind.
Zur Erinnerung: Bis zum Jahr 2012 sind knapp 4,1 Milliarden DM zur Förderung der KV-Infrastruk-
tur vorgesehen. Trotzdem wurden 1994 und 1995 keine neuen Vorhaben begonnen. Im Haushaltsjahr 1996 konnten nur weniger als die Hälfte der vorgesehenen Mittel überhaupt verwendet werden. Immer noch entstehen KV-Terminals trotz Wasserstraßennähe nicht mit Wasserstraßenanschluß. Man stelle sich das einmal vor!
Wir haben Sie daraufhin mit Forderungen der SPD, des Bundesrates und des Bundesrechnungshofes konfrontiert, und endlich ist die Förderung für Dritte gelungen. Daß Sie sich hier als Held hinstellen, ist schon ein bißchen erstaunlich, wenn man bedenkt, wie wir Sie dazu haben jagen müssen.
Viel schümmer aber ist, daß auch im Haushalt 1998 die Förderung lediglich über einen Leertitel, der aus Bahn- und Wasserstraßenhaushalt gespeist werden soll, erfolgt. Das klingt in den Ohren Investitionswilliger wie Hohn; denn Leertitel heißt: Es gibt kein Geld für einen eigenen Haushaltstitel.
Gekrönt wird dieser Leertitel nun durch einen Entwurf der Förderrichtlinien. Darin heißt es:
Zuwendungen für die Infrastruktur der Umschlagplätze an Binnenwasserstraßen oder Anlagen, die für die Be- und Entladung von Binnenschiffen erforderlich sind, dürfen 50 Prozent des Gesamtbetrags der Investition nicht überschreiten.
Die „DVZ" hat es deutlich gemacht: „100 Prozent gibt es nur für Schiene/Straße". Jetzt haben wir die Förderung für Dritte geöffnet, aber zum Teil nur zu 50 Prozent. Ich frage mich, wie Sie das eigentlich rechtfertigen wollen.
Herr Minister, ich hoffe, Sie betrachten die Verpflichtungsermächtigung, die Sie für 1999 angesetzt haben, wie vieles andere auch nur als Makulatur; denn bis dahin werden Sie nicht mehr in der Verantwortung sein.
- Ich warte auch noch ein bißchen länger als bis Weihnachten, Herr Jobst.
Wir haben unsere Alternativen sehr deutlich dargestellt, gerade zur Förderung des kombinierten Verkehrs. Die Schnittstellen zwischen Lkw und Schiff, Bahn und Schiff sowie Küsten- und Seeschiffahrt und Binnenschiffahrt müssen schneller als bisher realisiert werden. Ich fordere Sie auf, die Schwerpunkte Ihrer Verkehrspolitik zu überdenken. Eine Angleichung der Masterpläne für die KV-Terminals von Bahn und Binnenschiffahrt ist schon längst überfällig.
Nun gibt es zwei Gruppen: Die einen erstellen in ihrem Ministerium das Förderprogramm, die anderen versuchen, sich über die Reihenfolge der Terminals
Annette Faße
klarzuwerden. Das ist ein Punkt, den Sie eigentlich schon vor über einem Jahr mit vereinten Kräften hätten bewältigen können.
Die SPD will Verkehre vermeiden, wo es möglich ist. Ansonsten ist Verlagerung für uns das oberste Ziel. Richten Sie die Arbeitsgruppe zur Transportverlagerung auf das Binnenschiff ein! Das wäre ein Zeichen. Ich hoffe, es bleibt nicht nur beim Reden.
Herr Minister, mir wäre wesentlich wohler, wenn Sie Ihre Widersprüche zwischen Reden und Handeln für Ihre künftige Rolle als Oppositionspolitiker aufheben würden. Dann könnte ich nach George Bernhard Shaw guten Mutes sagen: „Er redet, was er redet. Laß ihn reden."
Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Dionys Jobst, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition benutzt die Verkehrsdebatte heute erneut zur Schwarzmalerei. Die SPD spricht von einem Scheitern der Verkehrspolitik. Die Grünen haben sogar beantragt, eine Miß-billigung des Bundesverkehrsministers auszusprechen,
und fordern eine Wende in der Verkehrspolitik.
Bei aller Kritik und bei allen anstehenden Herausforderungen der Verkehrspolitik können wir aber doch eines feststellen: Bundesverkehrsminister Wissmann sowie die CDU/CSU und die F.D.P. können sich mit ihren verkehrspolitischen Leistungen sehen lassen.
Matthias Wissmann verdient Dank und Anerkennung. Er hat die verkehrspolitischen Herausforderungen mit Nachdruck aufgegriffen und weitreichende Weichenstellungen durchgeführt. Wir haben eine gute Infrastruktur sowie leistungsfähige Verkehrsuntemehmen, die sich europäisch und weltweit messen können. Auch hier gilt der Dank allen, die ihren Beitrag dazu geleistet haben.
Was ist die Alternative der Opposition? Die drastische Erhöhung der Mineralölsteuer auf 5 DM pro Liter.
Das Autofahren für die breite Bevölkerung und vor allem für die Pendler soll unmöglich gemacht werden. Die Vernichtung von Arbeitsplätzen insbeson-
dere in der Automobilindustrie wird in Kauf genommen.
Eine Kürzung der Mittel für den Bundesfemstraßenbau wird gefordert.
SPD und Grüne wollen ja offenbar 1998 - das ist der fromme Wunsch - eine Regierung bilden. Ein Grüner würde sicherlich Umwelt- und Verkehrsminister werden. Die SPD scheint bereit zu sein, sich zum Steigbügelhalter der Politik der Grünen zu machen.
Ich frage Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ob dies verantwortungsbewußt ist. Ich bezeichne dies als verantwortungslos. Rotgrüne Verkehrspolitik wäre ein Fiasko für Deutschland; es wäre keine zukunftsfähige Verkehrspolitik.
Wir stehen vor großen Herausforderungen. Wir erleben eine weiter wachsende Verkehrsnachfrage. Die Kapazitätsgrenzen der Straßeninfrastruktur auf bestimmten Strecken und zu bestimmten Zeiten sind überschritten. Wir müssen auch in Zukunft die Mobilität für Menschen und Wirtschaft sichern. Eine moderne Dienstleistungs- und Industriegesellschaft ist eben einfach auf ein hohes Maß an Mobilität angewiesen. Das deutsche Verkehrssystem darf nicht zum Engpaß in Europa werden. Wir brauchen vor allen Dingen Investitionsmittel für unsere Straßen. Eine gute Verkehrsinfrastruktur ist ein maßgeblicher Standortfaktor.
In den nächsten fünf Jahren steht zwar 1 Milliarde DM mehr zur Verfügung. Das ist ein Erfolg des Bundesverkehrsministers, der dies herausgeholt hat. Aber die Verkehrsministerkonferenz am 20./21. November dieses Jahres hat darauf hingewiesen, daß 4 Milliarden DM jährlich mehr für den Bundesferastraßenbau und -ausbau notwendig wären.
Diese Ministerkonferenz setzt sich überwiegend aus SPD-Landesministern zusammen.
Mein Vorschlag, um mehr Geld für den notwendigen Verkehrsausbau zu bekommen, ist, die Vignette einzuführen. Dies wäre eine brauchbare Lösung.
Mein Eindruck ist: Das ist die einzige Abgabenerhöhung in Deutschland, die unter der Voraussetzung, daß sie zweckgebunden ist und daß auch die ausländischen Autofahrer dazu herangezogen werden,
Dr. Dionys Jobst
breit akzeptiert würde, sogar von Anhängern der SPD.
- Herr Wissmann lehnt das nicht grundsätzlich ab. Wenn er auf diesem Wege Geld bekommt, wird er das auch vernünftig einsetzen.
Wir brauchen in der Zukunft alle Verkehrsträger, insbesondere Pkw und Lkw. Aber einen größeren Beitrag bei der Verkehrsbewältigung muß künftig die Schiene leisten. Mehr Verkehr auf die Schiene ist unsere Politik. Die Weichen dafür haben wir gestellt. Jetzt muß die Bahn ihre Aufgaben bewältigen. Wir haben eine leistungsfähige Bahn. Sie muß aber in Zukunft noch mehr leisten. Die Jahrhundertreform für die Bahn war richtig. Sie war ein Erfolg. Dem Steuerzahler sind Milliarden Mark erspart worden. Wir müssen uns schon fragen: In welchem Zustand wäre die Bahn heute und welche zusätzlichen Finanzmittel wären notwendig, wenn die Bahnreform nicht gekommen wäre? Wir können hier eine erfolgreiche Politik vorlegen. Dagegen kommt die Miesmacherei der Opposition nicht an.
Die Bahn kann heute Zukunftsinvestitionen vornehmen. Der Fünfjahresplan von 1998 bis zum Jahre 2002 sieht ein Planungsvolumen für Schieneninvestitionen von über 42 Milliarden DM vor. Dazu wird die Bahn 32 Milliarden DM für Fahrzeuge, für die Erneuerung der Personenbahnhöfe und für Kommunikationstechnologie aufwenden. Ich glaube, dies ist eine stolze Summe.
Schnelligkeit und Pünktlichkeit müssen das Markenzeichen der Bahn sein.
Unsere Verkehrspolitik hat die Bahn mit allem ausgestattet; was sie braucht, um im Wettbewerb zu bestehen. Sie erhält leistungsfähige Hochgeschwindigkeitsstrecken. Der Bundesverkehrswegeplan ist eine vernünftige Grundlage für die Schieneninfrastrukturinvestitionen. Hierzu brauchen wir keine Reform, wie die Grünen meinen.
Die Bahn ist ihrer Struktur und ihren Möglichkeiten nach keine Flächenbahn. In der Fläche ist das Auto unschlagbar und unverzichtbar. Sie muß in erster Linie den ÖPNV in den Ballungsräumen bewältigen und die Ballungsräume untereinander verbinden. Hinzu kommt, daß die Bahn stärker europäisch ausgerichtet werden muß. Das ideologisch gefärbte Rezept einer Flächenbahn, wie wir es im Antrag hier vorliegen haben, mit der Wiedereinführung dirigistischer Maßnahmen würde die Bahn im Wettbewerb zurückwerfen. Nur eine unternehmerische Bahn, die von bürokratischen Fesseln frei ist, kann im Wettbewerb bestehen.
Der verbissene Kampf der Opposition gegen den Bau der Strecke Nürnberg-Erfurt-Berlin wird mit
wirtschaftlichen Gründen geführt. Er entspringt aber letzten Endes einer fortschrittsfeindlichen Ideologie. Die Strecke ist national und international gerechtfertigt und notwendig. Sie ist Teil der transeuropäischen Trasse Verona-Berlin, die erste Priorität hat. Es gibt erhebliche Fahrzeitverkürzungen von neuneinhalb auf vier Stunden. Die Landeshauptstadt Erfurt kann nicht abseits gelassen werden. Die Sachsenmagistrale, die im Bau ist, ist keine Alternative.
Die zweite Stufe der Bahnreform ist im Gang. Dieser Prozeß der Bahnreform ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Die Bahn selbst befindet sich noch immer in einer Sanierungsphase. Ob eine Holding auf Dauer sinnvoll ist, wird später zu entscheiden sein. Die Systemeigenschaft Bahn läßt es aber angezeigt erscheinen, den Verbund der Aktiengesellschaften über die Holding herzustellen. Fahrweg und Betrieb sind bei der Bahn enger als bei den anderen Verkehrsträgern. Gewährleistet werden muß ein diskriminierungsfreier Zugang zum Schienennetz für Dritte.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, der Unternehmensführung der Bahn AG, den Eisenbahnern, den Betriebsräten und Gewerkschaften für die Umsetzung der Bahnreform und für die erbrachten Leistungen herzlich zu danken.
Ein abschließendes Wort. Der Verkehr ist heute ein wirtschaftlicher Produktionsfaktor. Die öffentliche Diskussion wird aber mehr von den Nachteilen und Kosten des Verkehrs beherrscht. Vom Verkehrsnutzen wird wenig gesprochen.
Der Verkehr bringt aber auch einen erheblichen externen Nutzen. Durch den Verkehr wird die gesamte Volkswirtschaft produktiver. Der Verkehr bewirkt eine Markterweiterung und sichert Arbeitsplätze.
Die Anträge der Opposition geben keine Anstöße für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik. Sie sind im Gegenteil unbrauchbar und geradezu schädlich. Wir werden sie deshalb ablehnen müssen.
Danke schön.
Ich erteile das Wort jetzt dem Abgeordneten Albert Schmidt , Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die umweit- und klimapolitische Debatte der letzten Tage und Wochen hat eines deutlich gemacht - ich glaube, das ist nicht bestreitbar; es ist einfach die Zahlenlage -: Das Klimaproblem Nummer eins liegt im Moment im zunehmenden Luft- und Straßenverkehr. Wir haben dort anstatt der versprochenen und notwendigen Reduktionen an Emissionen einen kontinuierlichen Anstieg an C02- und anderen Abgasen. Selbst die technologischen Fortschritte und Verbesserungen, auf die Sie, Herr Minister Wissmann, setzen, werden weitgehend wieder
Albert Schmidt
durch die Zuwächse im Verkehrsaufkommen aufgefressen.
Ich weiß, wovon ich spreche; denn ich bin in den letzten Tagen in Kioto mit vielen Delegationsvertretern und -Vertreterinnen aus anderen Ländern und Erdteilen im Gespräch gewesen.
- Ziehen Sie das bitte nicht ins Lächerliche.
Unser Zivilisationsmodell von einer unbegrenzten Automobilität ist nicht auf die Länder der dritten Welt, auf Länder wie Indien und China übertragbar. Es ist nicht übertragbar auf Schwellenländer. Das wäre eine Katastrophe für diesen Planeten.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt sich allen Ernstes die Frage: Was ist zukunftsfähige Mobilität? Das Ziel einer zukunftsfähigen Mobilität muß sein, Mobilität zu erhalten, aber den damit verbundenen Aufwand und die Emissionen, die sich daraus ergeben, zu reduzieren. Das bedeutet, daß ein zukunftsfähiges Verkehrssystem als Rückgrat Bahn und Bus haben muß. Dazu gehören natürlich auch Effizienzverbesserungen beim Automobil.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit wenigstens stichwortartig versuchen, eine kurze Zwischenblianz der Bahnreform zu ziehen, so wie es auch von Ihnen, Herr Minister Wissmann, versucht worden ist. Ich möchte hier ganz klar und deutlich sagen: Die Bahnreform war ein wichtiger und notwendiger Schritt. Es ist dadurch wieder Dynamik in diesen Verkehrsträger gekommen. Vor allem die Regionalisierung hat zu spürbaren Angebotsverbesserungen für Fahrgäste geführt.
Es wird zum erstenmal seit Jahrzehnten wieder in Strecken und Fahrzeugtechnik investiert. Dies alles erkennen wir ausdrücklich an. Es ist eine gemeinsame Leistung dieses Parlamentes,
ist eine Leistung der Landesregierungen, die mit im Boot saßen, und des Unternehmens Deutsche Bahn AG. Das ist auch mit Ihrem persönlichen Namen verknüpft. Ich stehe nicht an, das hier anzuerkennen.
Aber ich möchte auch hinzufügen: Die Aufgabe, die noch verbleibt, ist gigantisch. Nach wie vor brauchen wir noch einen Quantensprung in der Bahntechnik, um sie wirklich wettbewerbsfähig auf das Niveau des 21. Jahrhunderts zu bringen.
Dieser Aufgabe werden wir nur gerecht werden können, wenn wir die Hauptdefizite - ich möchte in der Kürze der Zeit nur die hauptsächlichen erwähnen -, die trotz Bahnreform verblieben sind, beheben. Es sind aus meiner Sicht drei Defizite. Erstes Defizit:
Trotz Bahnreform erste Stufe haben wir nach wie vor eine falsche Investitionspolitik.
Seit ich Mitglied dieses Hauses bin, seit 1994, wurden die Investitionen im Bundeshaushalt für den Schienenbau von damals 10 Milliarden DM auf jetzt nur noch 6,7 Milliarden DM zurückgeführt, und dies, obwohl der Bericht der Regierungskommission Bundesbahn im Dezember 1991 zum Thema Bahnreform festgestellt hat:
Ohne Chancengleichheit aller Verkehrsträger bei der Verteilung der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen steht auch die DB AG auf verlorenem Posten.
Das war 1991 und ist heute genauso richtig.
Wir brauchen die Verantwortung der Bundesregierung, die wirklich umgesetzt wird. Nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz ist der Bund für die Finanzierung der Infrastruktur zuständig und darf diese Verantwortung nicht auf die Deutsche Bahn AG abwenden. Das hat nämlich zum Ergebnis: Neuverschuldung der DB AG, Investitionskürzungen bei modernen Nahverkehrsfahrzeugen und sogar neuerdings Einsparungen dramatischer Art beim Personal, bei Sicherheit, Sauberkeit und Service. Das kann nicht der Weg in die Zukunft sein.
Deswegen, Herr Kollege Fischer, sind unsere Anträge in den Haushaltsberatungen auf Umschichtung von Mitteln zugunsten der Schiene richtig gewesen; deswegen brauchen wir ein Investitionsprogramm für eine zukunftsfähige Mobilität in diesem Land, gespeist aus Mitteln einer ökologischen Steuerreform.
Zum Thema Investitionen gehört aber auch das Ungleichgewicht, das in der Verteilung der Investitionen zwischen Fernverkehrs- und Nahverkehrsprojekten besteht. Obwohl im Gesetz steht, daß 20 Prozent der Investivmittel in Nahverkehrsprojekte fließen müssen, stellen Sie auf Nachfrage in den Ländern fest - fahren Sie nach Sachsen, Bayern oder sonstwohin daß das Geld bis heute dort nicht angekommen ist. So sieht es aus. Das Geld wird in teuren Prestigeprojekten für den Fernverkehr wie den ICE-Tunnels vergraben, aber draußen, wo es brennt, nämlich im Nahverkehr, in dem 90 Prozent der Fahrgäste unterwegs sind, wird das Bild immer noch von einer veralteten Technologie, von rollenden Schützenpanzern mit hochbetagten Silberlingen dahinter dominiert. Das wird sich nicht ändern, wenn wir die Investitionen nicht umschichten.
Albert Schmidt
- Ich fahre sehr oft mit der Eisenbahn, Herr Kollege Dr. Jobst.
Lassen Sie mich noch etwas zur ICE-Trasse Erfurt-Nürnberg sagen; auch Sie haben es ja angesprochen. Diese ICE-Strecke ist das unwirtschaftlichste und ökologisch verheerendste Bahnprojekt, das bisher geplant worden ist. Es ist völlig überflüssig. Denn ein qualifizierter, für Hochgeschwindigkeitsverkehr tauglicher Ausbau der Sachsenmagistrale, die die wichtigsten Bevölkerungspotentiale wirklich erschließt, anstatt außen herumzufahren, und gleichzeitig ein beschleunigter Ausbau der Mitte-Deutschland-Bahn, der Ost-West-Verbindung, wären eine kostengünstigere, verkehrspolitisch sinnvollere und auch umweltverträglichere Alternative.
Die Frage der Infrastruktur ist das zweite Hauptdefizit bei der Bahnreform. Ich wundere mich schon, Herr Minister Wissmann, daß Sie hier heute sprechen, ohne auch nur mit einem Satz auf die Kritik des Wissenschaftlichen Beirates zur Bahnreform einzugehen, die in den letzten Tagen geäußert wurde.
Der Kernpunkt dieser Kritik war folgender: Der Filz zwischen einer Fahrweg AG und den einzelnen Transport-AGen unter dem Dach einer DB-Holding, wie es sich der Minister vorstellt, ist ein Problem. Dadurch wird Wettbewerb und Kostensenkung verhindert; das ist schädlich.
Deshalb schlagen wir vor, statt dieser Fahrweg AG, die letztlich nur zu mehr Streckenstillegungen führt, eine Infrastruktur GmbH einzurichten, denn das Schienennetz gehört in die öffentliche Hand, in die Verantwortung von Bund und Ländern. Das ist nicht mit einer Staatsbahn gleichzusetzen, denn diese GmbH soll die Bewirtschaftung von Strecken schrittweise an konkurrierende Eisenbahnunternehmen ausschreiben. Das wäre modern, zukunftsfähig und würde die Kosten senken.
Lassen Sie mich als dritten und letzten Punkt noch die Frage der Trassenpreise ansprechen. Warum wird mit der Umsetzung des an sich richtigen Grundsatzes, daß die Verkehrsträger ihre Umwelt- und Wegekosten selber decken müssen, ausgerechnet beim umweltverträglichsten aller Verkehrsträger, der Schiene, angefangen, während man dieses beim Pkw-, Lkw- und Luftverkehr - es gibt ja immer noch keine Kerosinsteuer - noch nicht tut? Wir brauchen deshalb mittelfristig niedrigere Trassenpreise; wir müssen die Mineralölsteuer schrittweise erhöhen; wir brauchen eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe, die auch dem Lkw-Verkehr endlich die von ihm verursachten Kosten anlastet, und entsprechende Abgaben und Steuern für den Luftverkehr.
Abschließend lassen Sie mich sagen: Das Kernproblem, das sich für die Zukunft nach der Ära Wissmann stellen wird, ist folgendes: Man muß endlich Chancengleichheit im Wettbewerb der Verkehrsträ-
ger über eine andere Investitions- und Steuerpolitik schaffen. Dies läuft letztlich auf die Förderung einer modernen und bürgernahen Flächenbahn mit allem, was dazugehört, hinaus.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Dagmar Enkelmann, PDS.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon beeindrukkend, was auf dem vorweihnachtlichen verkehrspolitischen Wunschzettel so alles zu finden ist: Bahnverkehr, Flugverkehr, Eisenbahnkreuzungsgesetz, Güterverkehr, Tempolimit und ÖPNV - die volle verkehrspolitische Bandbreite rauf und runter in gut zwei Stunden. Der Umgang mit den vorliegenden parlamentarischen Initiativen wirft, wie ich glaube, ein ziemlich bezeichnendes Licht auf die Bedeutung, die den drängenden Verkehrsproblemen zugemessen wird.
Aber solange man in Kioto klug daherreden kann und nicht wirklich handeln muß, scheint sich die Bundesregierung mit den berühmt-berüchtigten, nun wohl doch nicht mehr einlösbaren freiwilligen Verpflichtungen der Automobilindustrie zufriedenzugeben. Vielleicht wird irgendwann einmal auch noch der verunglückte Start der neuen A-Klasse zu einer Maßnahme für den Umweltschutz umdeklariert.
Genug der Vorrede. Ich möchte in den wenigen Minuten, die ich habe, nur zu zwei Dingen etwas sagen: zum Güter- und Luftverkehr.
Das Güterverkehrsaufkommen auf der Straße steigt, und es steigt überproportional. Das ist bekannt. Auch die Gründe dafür sind bekannt: Sinkende Transportkosten durch die Liberalisierung, fortschreitende Arbeitsteilung und eine kontinuierliche Verringerung von Fertigungstiefen in der Warenproduktion führen zu mehr Transportaufkommen; und schon dreht sich die Verkehrsspirale.
Aber was für die Straße gilt, gilt nicht auch für die anderen Verkehrsträger. Die Güterverkehrsleistungen auf der Schiene haben sich 1996 mit rund 70 Milliarden Tonnenkilometern gegenüber 1988 - damals waren es 125 Milliarden Tonnenkilometer - fast halbiert. Das leichte Anwachsen 1997 verändert diese Gesamtbilanz nicht. Die Güterverkehrsleistungen der Binnenschiffahrt stagnieren zur Zeit oder sind sogar leicht rückläufig. 1996 sank das Transportaufkommen in der Binnenschiffahrt gegenüber dem Vorjahr um 4,5 Prozent auf 228 Millionen Tonnen. Die Aussichten - vor allem durch die ökologische Brille -sind mehr als düster.
Und die Bundesregierung? Nicht einmal der zarte Versuch der EU-Kommission, die Transportpreise
Dr. Dagmar Enkelmann
stärker am Verursacherprinzip auszurichten - ich rede hier vom Grünbuch -, wird von der Bundesregierung unterstützt. Es heißt, eine gerechte Anlastung der Wegekosten sei vorrangig. Fortschritte hierzu dürften nicht durch eine Diskussion über das komplizierte Thema externer Kosten verzögert werden. Daß Sie, werte Mitglieder der Bundesregierung, mit einer komplizierten Materie nicht umzugehen verstehen, ist so wenig neu wie es ausreichend ist, die Lkw-Vignette ein wenig zu verteuern und sich dann selbstzufrieden zurückzulehnen.
Die Gestaltung des Güterfernverkehrs - speziell zur Verlagerung von der Straße auf die Schiene - bedarf eines Bündels von Maßnahmen, angefangen bei einer längerfristig festgelegten Preispolitik mit spürbar höheren Kostenanlastungen pro Jahr und Lkw über eine strikte Einhaltung und Kontrolle der Sozialvorschriften bis hin zu einer deutlichen Entwicklung von Flexibliität, Effizienz und Kapazitäten bei der Bahn. Daher muß eine weitere Stillegung von Nebenstrecken im Schienennetz unbedingt verhindert werden.
Gleichzeitig müssen regionale Wirtschaftskreisläufe gegenüber der interregionalen und internationalen Arbeitsteilung gestärkt werden. Dazu bedarf es allerdings grundsätzlich veränderter, vor allem politischer Rahmenbedingungen. Das Ziel der regionalen Wirtschaftskreisläufe kann nur zu einem geringen Anteil durch Kostenanlastung erreicht werden. Daher gilt es, die direkte Einflußnahme auf die Standortwahl und die Gestaltung der Kosten von Standorten in Regionalprogrammen auf nationaler und internationaler Ebene zu stärken.
Bei der heute üblichen interregionalen Arbeitsteilung werden zum Beispiel bis zu 95 Prozent der Nahrungsmittel für Großmärkte aus dem allgemeinen EU-Angebot bezogen. 65 Prozent dieser Waren könnten ebensogut und vielleicht sogar noch besser in der Region produziert werden, wenn geeignete Rahmenbedingungen für den Absatz der Produkte geschaffen würden. Die Folge könnte sogar eine Halbierung der jetzt erforderlichen Güterverkehrsleistung sein. Bei einer sinnvollen Vernetzung der Verkehrsträger könnte darüber hinaus ein großer Teil des Güterverkehrsaufkommens auf Bahn und Schiff verlagert werden.
Noch einige wenige Bemerkungen zum Luftverkehr: Es ist schon davon gesprochen worden, daß der Flugverkehr eine der höchsten Zuwachsraten hat und wegen der hohen Verweildauer von Schadstoffen in höheren Luftschichten gleichzeitig die klimaschädlichste Verkehrsart ist. Dies sollte uns endlich zum Handeln zwingen. Ein erster Schritt könnte die Besteuerung von Kerosin sein. Ein Antrag der PDS dazu liegt vor.
Ein ganzes Paket alternativer Maßnahmen für die so dringend notwendige und von einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger geforderte Verkehrswende liegt auf dem Gabentisch. Greifen Sie zu, bedanken Sie sich, und machen Sie endlich etwas daraus.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Georg Brunnhuber, CDU/ CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Für einen Abgeordneten der Koalitionsfraktionen ist es ein gutes Gefühl, diese Debatte zu erleben. Damit wird heute wieder einmal bestätigt, wie rückwärtsgewandt, ja geradezu altbacken sich die Verkehrspolitik der Opposition darstellt. Von moderner Verkehrspolitik können Sie wirklich nur träumen. Wir sind stolz und froh, daß wir einen Verkehrsminister haben, der die modernste Verkehrspolitik in Europa vertritt. Ihn beneiden alle Kollegen in Europa, insbesondere auch die sozialistischen Kollegen, weü sie alles nicht so umsetzen können, wie wir das hier in der Bundesrepublik Deutschland machen.
Weil wir eine so moderne Verkehrspolitik betreiben, ist die Bundesrepublik Deutschland das Land mit den größten Innovationen in der Verkehrspolitik. Vom Transrapid bis hin zur Telematik sind wir weltweit spitze.
Über das, was Sie heute über den Transrapid gesagt haben, kann man sich nur wundern. Ich bin überzeugt: Nächstes Jahr, wenn der Spatenstich erfolgt, drängeln sich die SPD-Ministerpräsidenten derart, daß der Minister bald keinen Platz mehr hat, seinen Spaten zu setzen, weil Sie alle mit auf dem Bild sein wollen, da Sie modern sein wollen.
Ich bin überzeugt davon, daß wir, die wir jahrelang für den Transrapid gekämpft haben, dann, wenn der erste Transrapid zwischen Hamburg und Berlin fährt, keinen Platz bekommen werden, weil Sie bereits in der ersten Klasse sitzen werden. Das ist das bekannte Muster.
Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland auch durch die Politik dieser Regierung und dieser Koalition im Bereich des umweltbewußten Verkehrsverhaltens einiges erreicht, insbesondere im Bereich der modernen Technik. Sie haben offensichtlich noch gar nicht mitbekommen, daß der Lkw in der Bundesrepublik Deutschland durch unsere politischen Forderungen und die Einführung der Euronormen inzwischen erheblich weniger Energie verbraucht.
Sie sagen immer: Der Lkw ist ein Umweltverschmutzer. Sie müssen sich jetzt sagen lassen: Heutzutage fahren bereits Lkws, die pro Kilogramm weniger Energie verbrauchen als der Schienenverkehr. Ich sage das, damit Sie sehen: Wir haben eine moderne umweltbewußte Verkehrspolitik in diesem Land eingeführt.
Georg Brunnhuber
Daß wir in Deutschland das Dreiliterauto bauen und auch in der Zukunft verstärkt bauen werden, zeigt die Entscheidung von Audi, in Neckarsulm ein Werk zu errichten, in dem ausschließlich das Dreiliterauto gebaut wird. Man kann nur mit Stolz sagen: Der Fortschritt in diesem Land schwätzt schwäbisch. In Baden-Württemberg werden moderne technische Innovationen umgesetzt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt?
Nein, die Kolleginnen und Kollegen wollen beizeiten nach Hause in den Wahlkreis.
Dann können wir die Frage leider nicht zulassen.
Meine lieben Freunde, was am Entscheidendsten ist, ist die Tatsache, daß der Durchbruch in der Telematik in diesem Land erreicht wurde. Ab dem neuen Jahr bieten zwei Firmen in der Bundesrepublik Deutschland - die Mannesmann Autocom und eine Tochter der Telekom, Tegaron - flächendeckend Verkehrsmanagement und Verkehrsinformationen an, und zwar quer durch die Bundesrepublik. Wir sind das erste Land auf der Welt, in dem flächendeckend Verkehrsinformationen gesammelt und dem Autofahrer zur Verfügung gestellt werden. Das ist einmalig auf der Welt. Hier haben wir wirklich einen Durchbruch erzielt, von dem wir selber - das gebe ich zu - noch vor einem Jahr geträumt haben.
Das ist eine Situation, die durch das Bundesverkehrsministerium und unseren Verkehrsminister herbeigeführt wurde, weil er die Industrie und die Politik vor drei Jahren an einen Tisch brachte und die Industrie heute Geld in die Hand genommen hat, um in der Bundesrepublik Deutschland an den Autobahnen Verkehrssensoren zu bauen, um damit den Verkehrsfluß zu messen und dem Autofahrer zielorientiert dynamisch zu sagen, wo er fahren muß.
Der nächste Schritt ist, daß wir die Informationen über den Nahverkehr und die Schiene in dieses System einspeisen. Hier müssen sich noch die Länder bewegen. Ich meine, auch dies ist ein großartiger Erfolg unserer Verkehrspolitik. Auch wenn die Opposition ständig versucht, die Telematik nicht als modernes Zielführungsinstrument, sondern eher als Verhinderungsinstrument zu sehen,
meine ich, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland mit dieser Politik, mit der Politik unseres Verkehrsministeriums und unseres Verkehrsministers Matthias Wissmann und den Koalitionsfraktionen gut gefahren sind.
Ich bedaure ausdrücklich, daß die deutschen Autofahrer die heutige Debatte nicht miterleben können; sonst würden sie wissen, wen sie auf gar keinen Fall wählen dürfen; denn Sie haben heute bewiesen, daß Sie die Autofahrer nicht mögen, daß Sie sie geradezu hassen. Sie verfolgen sie.
Deswegen, glaube ich, können wir mit dieser Verkehrspolitik beruhigt in die Zukunft schauen; denn diese Verkehrspolitik wird auch den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Albert Schmidt das Wort.
Lieber Herr Kollege Brunnhuber, es hat mich als Ingolstädter sehr gefreut, daß Sie ausgerechnet die Firma Audi ins Gespräch bringen, die in der Tat noch vor Ende des Jahres 1999 ein Dreiliterauto auf den Markt bringen will. Das Fahrzeug wird ein Fünfsitzer mit großem Kofferraum sein und das volle Sicherheitsprogramm umfassen. Zudem wird es auch weniger als 30 000 DM kosten.
Da Sie gerade uns Haß auf die Automobilfahrer vorgeworfen haben, möchte ich Ihnen, Herr Kollege Brunnhuber, folgendes sagen: Man kann zur Markteinführung dieses Dreiliterautos nichts Besseres tun, als die Mineralölsteuer schrittweise und berechenbar zu erhöhen. Denn wenn man durch eine gestaffelte Steuererhöhung Nachfrage nach diesem Spritsparfahrzeug erzeugt, wird sich das Mitleid mit den Automobilfahrern in Grenzen halten können. Wenn Sie in zehn Jahren vielleicht den dreifachen Preis für Benzin bezahlen, Ihr Auto aber nur noch ein Drittel dessen verbraucht, was es heute verbraucht, frage ich mich: Wo ist da die „unerträgliche Mehrbelastung"? Das Autofahren wird nach Adam Riese durch das moderne Dreiliterauto eben nicht teurer.
Diese zwei Aspekte gehören zusammen. Das wissen auch Sie, Herr Minister Wissmann. Sie wagen es vor der Wahl nur nicht zu sagen.
Eine Antwort wird nicht gewünscht. Dann erteile ich das Wort jetzt dem Abgeordneten Wieland Sorge, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Minister, ich bin genau wie Sie der Meinung, daß es richtig war, wieder einmal eine solche Verkehrsdebatte zu führen. Sowohl für die Koalition als auch für die Opposition gilt es, einmal zwischen dem, was geleistet wurde, und dem, was noch zu leisten ist, zu vergleichen.
Wieland Sorge
Wenn nun die Koalition - das ist ihr Recht - nur all das darstellt, was erreicht wurde, und den anderen Teil vergißt, dann muß die Opposition tätig werden und all diese Mängel darstellen, damit Sie, Herr Minister, für das verbleibende Jahr noch Arbeit haben und wir von der Opposition uns langfristig darauf vorbereiten können, was wir nach 1998 alles zu regeln haben.
Herr Minister, Sie haben gesagt, Grüne und SPD wollten einen Benzinpreis von 5 Mark.
- Ach so. Lieber Herr Kollege Jobst, können Sie uns irgendeinen Programmbeschluß eines SPD-Parteitages oder sonstwo irgendeine Stelle zeigen, die belegen, daß es Beschlüsse gegeben hat, die dies beinhalten?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich hat der Kollege Sorge das Wort. Wir sollten ihn sprechen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich möchte von Seiten der Opposition nicht nur kritisieren.
Das, was im Bereich des Fernverkehrs in den neuen Bundesländern geleistet wurde, verdient wirklich volle Beachtung, und das anerkennen wir auch.
Es geht aber darum, den Regionalverkehr, den Fernverkehr und den kommunalen Verkehr als Einheit zu sehen. Wenn eine Störung in einem Bereich eintritt, sind auch die anderen betroffen, und es fehlt das schlüssige System.
Deshalb möchte ich heute unseren Antrag zum Eisenbahnkreuzungsgesetz begründen. Im Jahre 1993 hat der Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, daß die Kommunen in den alten Bundesländern ab 1. Januar 1994 insofern in die Verantwortung genommen werden, als die Eisenbahnbrücken von der Trägerschaft der Bahn auf die Kommunen übertragen werden. Gesetzgeber, Regierung und Bahn sind dabei davon ausgegangen, daß diese Brücken in einem ordnungsgemäßen Zustand sind.
Das war ein großer Irrtum. Wenn das so, wie man es sich vorgestellt hat, gewesen wäre, dann hätten die Verhandlungen zwischen den Kommunen und der Bahn innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre ein Ergebnis gebracht. Als aber die Kommunen die Brükken besichtigten und Gutachten über ihren Zustand anfertigen ließen, stellte man fest, daß es riesige Mängel gibt und manche Brücken nicht nur saniert, sondern grundlegend neu aufgebaut werden müßten.
Aus diesem Grunde konnten die Kommunen, die die Brücken eigentlich nur unterhalten sollten, mit dem dafür vorgesehenen Betrag von jährlich 6 Millionen DM nicht auskommen, was der Fall gewesen wäre, wenn die Brücken in einem ordnungsgemäßen Zustande übergeben worden wären. Aber schon die ersten Untersuchungen ergaben, daß von dem vorgesehenen Betrag weit abgewichen werden mußte.
Die Bahn und die Kommunen ließen unabhängig voneinander Gutachten anfertigen. Ein Vergleich dieser Gutachten in den Verhandlungen ergab, daß die Gutachten der Bahn von den Gutachten der Kommunen um bis zum Zehnfachen voneinander abweichen. Das zeigt, warum man hier keine Einigung erzielen konnte.
Noch heute liegt uns keine aktuelle Liste vor, der zu entnehmen ist, wie viele der 1200 Brücken vertraglich noch nicht geregelt sind. Die Spitzenverbände der Kommunen sagen, daß noch über 600 Verträge offen sind. Wir warten auf eine aktuelle Liste.
Weder die Koalition noch die Opposition wollen, daß der Verkehr in den Kommunen durch Brückensperrungen beeinträchtigt wird. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß der Verkehr fließen kann.
Wir wollen auch dafür sorgen, daß es nicht zu einem jahrelangen Rechtsstreit kommt, der uns in diesem Bereich handlungsunfähig machen würde. Es gibt eine ganze Reihe von Kommunen, die das tun wollen. Aber - auch das muß ich sagen - es gibt auch eine ganze Reihe von Kommunen, die entsprechende Verträge unterzeichnet hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, können Sie sich vorstellen, unter welchen Druck eine Kommune in den Verhandlungen gerät, die nur ein oder zwei Brücken über Eisenbahnen hat, die den gesamten innerstädtischen Verkehr aufnehmen müssen, wenn ihnen angedroht wird, daß diese Brücken, wenn die Sicherheitsmängel nicht behoben werden, gesperrt werden? Was sollen diese Kommunen machen? Sie müssen diese Verträge unterschreiben. Das ist natürlich nicht im Sinne des Gesetzgebers.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem Rechtsstaat wird alles genau geordnet und festgelegt. Es wird zum Beispiel festgelegt, wer die Kontrollen an den Brücken durchführt, wer die dazu angelegten Bücher führt, wer die Beschlüsse faßt, die notwendig sind, um die festgestellten Mängel zu beseitigen. Wenn das aber schon in den alten Bundesländern nicht klappt, wie ist es dann erst in den neuen Bun-
Wieland Sorge
desländern, wo an den Brücken viele Jahrzehnte lang nichts gemacht wurde?
Wir haben vom Wirtschaftsministerium in Thüringen eine Untersuchung vornehmen lassen. Danach sind von 176 Brücken 140 Brücken über hundert Jahre alt. Bei dem heutigen Verkehr und der Bauweise von damals können Sie sich vorstellen, wie schnell hier Mängel auftreten können und wie hoch das Sicherheitsrisiko ist.
Gestatten Sie mir, noch auf einige Unterschiede zwischen Ost und West einzugehen. Im Jahre 1953 ist den Kommunen durch eine Vereinbarung zwischen den zuständigen Ministerien in der damaligen DDR die Baulastträgerschaft übertragen worden. Warum das so war, kann heute, glaube ich, keiner mehr sagen. Man nahm vielleicht an, daß die Kommunen auf Grund der örtlichen Nähe die Kontrollen an den Brücken besser durchführen können.
Diese Kontrollen sind von den Leuten, die dazu beauftragt waren, sehr ernst genommen worden. Aber was war das Ergebnis? Sie haben diese jährlichen Kontrollen durchgeführt, Mängel festgestellt und eine Bilanz aufgestellt: Wie teuer wird das Ganze werden? Das wurde der Stadt gemeldet. Die dort Zuständigen sagten: Dafür haben wir jetzt kein Geld. Wir müssen das noch zurückstellen. Sie hatten ja keine Finanzhoheit, konnten also keine selbständigen Entscheidungen treffen, so daß das Ganze wieder nach vorn geschoben wurde. Wenn die Sicherheitsrisiken immer größer wurden, dann wurde in der Not der Schaden entsprechend bilanziert, und es wurde schnell ein Antrag an den Rat des Kreises, an den Rat des Bezirkes oder, wenn es sich um eine sehr hohe finanzielle Belastung gehandelt hat, an das zuständige Ministerium gerichtet.
Nun könnten Sie vielleicht glauben, daß das alles jetzt funktioniert hätte. Aber es funktionierte immer noch nicht. Denn der Mangel an Stahl und Beton, der für die DDR charakteristisch war, hat eigentlich immer das Aus für die Sanierung bzw. den Neubau einer Brücke bedeutet. Die Erledigung dieser Anträge wurde wiederum über Jahre hinausgezögert. Das Ergebnis war, daß erst nach Jahren eine Sanierung erfolgte oder daß man Verkehrsbeschränkungen zunächst für Lkw eingeführt und später die betreffende Brücke nur noch für den Fußgängerverkehr freigegben hat.
Das macht auch heute noch vielen Kommunen in den neuen Bundesländern zu schaffen. Mit dieser Angelegenheit hat man sich im Einigungsvertrag nicht befaßt. Auch nach dem Jahr 1990 waren die Kommunen in den neuen Bundesländern verantwortlich für die Brücken. Seit dieser Zeit hat sich nicht sehr viel getan. In bezug auf den Fernverkehr und den Straßenverkehr ist - das muß ich sagen - sehr viel bewegt worden, aber in dem Bereich, von dem ich spreche, nur wenig.
Ich kann ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Meiningen nennen. Sie hat 26 000 Einwohner und wird durch die Bahn geteilt. Die einzige Brücke, die über die Schienen führte, wurde im Krieg zerstört. Weil sie so wichtig war, hat die Bevölkerung unmittelbar
nach dem Krieg gesammelt, um die Brücke wieder errichten lassen zu können. Wo dieses Geld geblieben ist, weiß keiner. Die Brücke wurde nie gebaut. Erst nach der Wende - darüber sind wir alle froh - ist diese Brücke völlig neu errichtet worden. Dadurch kann der innerstädtische Verkehr heute wieder gut fließen.
Ich möchte noch einige Bemerkungen zu einem spezifischen Problem der neuen Bundesländer machen. Innerhalb von sieben Jahren mußten die Kommunen in den neuen Bundesländern vieles nachholen. Das bezieht sich auf alle Bereiche. Ich nenne die Gesundheitspolitik, die vielen Wasser- und Abwasserleitungen, die gelegt werden mußten, und Maßnahmen der Jugendpolitik. Das stellte für sie eine so hohe Belastung dar, daß sie für den Straßenverkehr nur wenig Geld erübrigen konnten. In dieser Situation müssen sie obendrein noch die Brücken erneuern.
Deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern: Unterstützen Sie bitte unseren Antrag! Wir wollen, daß diese Brücken erst einmal untersucht werden, daß also klipp und klar erklärt wird, wie teuer das Ganze wird, und daß wir dann darüber befinden. Ziel sollte sein, daß diese Brücken in einen Zustand versetzt werden, daß sie für die nächsten Jahre zu benutzen sind. Wir bitten Sie, daß Sie unseren Antrag unterstützen, wonach die eine Hälfte der Kosten der Bund und die andere Hälfte die Deutsche Bahn AG tragen sollen. Wenn die Brücken dann in Ordnung gebracht sind, sollen sie wieder in die Trägerschaft der Kommunen übergehen. Dann sind die Kommunen auch gern bereit, das zu übernehmen.
Was die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit anbelangt, gab es nie einen Streit darüber, daß die Kommunen ein Drittel der Kosten für den Neubau von Brücken selbst tragen müßten. Man kann Verhandlungen zwischen den Kommunen und den Ländern beginnen, weil die Kommunen dazu stehen. Aber was Verkehrsmaßnahmen im kommunalen Bereich angeht, da gibt es leider keinen Konsens zwischen den Kommunen und den Ländern. Unterstützen Sie unseren Antrag, damit die Kommunen handlungsfähig werden!
Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Manfred Heise, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern ist eine einmalige Erfolgsgeschichte. Das war nach 40 Jahren Mißwirtschaft auch erforderlich. Wir können stolz auf das sein, was von 1990 bis heute erreicht worden ist. Diesen Stolz lassen wir uns auch nicht von denjenigen verleiden, die dem Bundesver-
Manfred Heise
kehrswegeplan bisher nur mit Ablehnung begegnet sind.
Der Bund hat in den vergangenen sechs Jahren -das ist schon gesagt worden - über 70 Milliarden DM für Verkehrsbaumaßnahmen in Ostdeutschland investiert; das sind 43 Prozent aller Verkehrsinfrastrukturinvestitionen in Deutschland. Das ist eine großartige Leistung, die uns so schnell kein Land in Europa oder vielleicht sogar der Welt nachmachen kann.
38 Milliarden DM davon wurden in den Schienenbereich, 19 Milliarden DM in Bundesfernstraßen und
1 Milliarde DM in die Bundeswasserstraßen investiert. Man darf nicht vergessen, hinzu kommen 14 Milliarden DM, die die neuen Bundesländer für den ÖPNV und den kommunalen Straßenbau erhielten.
Wichtig ist - der Herr Minister hat es gesagt -, daß alle VDE-Projekte im Bau sind. Da wird nichts angehalten und nichts zurückgestellt, wie manchmal behauptet wird.
Vor diesem Hintergrund danke ich besonders dem Bundesverkehrsminister, der trotz aller Haushaltszwänge an der Priorität der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit unbeirrt festhält, wohl wissend, daß das Gesamtinvestitionsvolumen Verkehr auch 250 000 bis 300 000 Arbeitsplätze bedeutet.
Dabei muß - das sage ich als Vertreter der neuen Bundesländer - durch die Auftragsverwaltungen in Zukunft jedoch gewährleistet werden, daß ostdeutsche Planungsbüros, Vermessungsunternehmen und Bietergemeinschaften stärker als bisher am Bauvorhaben zu berücksichtigen sind.
Von den neun Schienenprojekten wurden nach Ausbau, Umbau und Elektrifizierung bereits fünf in Betrieb genommen. 1998 werden zudem die Hochgeschwindigkeitsstrecken Hannover-Stendal-Berlin und 1999 Uelzen-Stendal in Betrieb genommen.
Im September 1998 ist ferner der durchgehende Ausbau zwischen Leipzig und Riesa der Strecke Leipzig-Dresden mit einer Fahrzeit unter einer Stunde realisiert. Mit dem VDE Nr. 8 Nürnberg-Berlin wurde 1996 begonnen. Allein für die Strecke Nürnberg-Erfurt-Berlin sind zwischen 1998 und 2002 3,5 Milliarden DM für die Realisierung geplant. Wenn dieses Projekt zwischen 2005 und 2007 abgeschlossen sein wird, wird die Fahrzeit zwischen Berlin und Nürnberg von etwa 8 Stunden 1990 auf
2 Stunden und 40 Minuten verkürzt.
Wir kommen auch bei den VDE-Projekten Straße gut voran. Hier erwähne ich zum Beispiel den sechs-spurigen Ausbau der A 2/A 10, A 4 und A 9. Bis Ende 1997 werden 350 Kilometer fertiggestellt sein; rund 350 Kilometer sind im Bau.
Auch die Neubaustrecken A 14, A 20 und A 38 sind bereits in einer Länge von 60 Kilometern realisiert; weitere 120 Kilometer sind im Bau.
Es muß hierbei allerdings auch betont werden, daß wir größten Wert auf den Umwelt- und Naturschutz legen. Daß wir zum Schutz von 35 Trappen Millionenbeträge für die Umfahrung eines Nist- und Brutgebietes eingesetzt haben, sollte entsprechend gewürdigt werden.
Auch bei der Ostseeautobahn A 20 ist ein zweistelliger Millionenbetrag für umweit- und wasserwirtschaftliche Gutachten ausgegeben worden. Das ist sehr beachtlich.
Ich habe als Mitglied des Petitionsausschusses Demonstrationen beim Havelausbau, beim Projekt Nr. 17 der Wasserstraßen, erlebt. Gute Argumente dafür wurden überhaupt nicht angenommen. Für mich war dabei aber bemerkenswert, daß ein Feuerwehrfahrzeug am Rande stand, das vermutlich Demonstranten und Transparente dort hingebracht hatte.
Zum Schluß - die Zeit rennt davon - möchte ich sagen: Auf welch gutem Weg sich die Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern befindet, zeigt das in Erfurt-Vieselbach entstehende Güterverkehrszentrum. Das GVZ, dessen Terminal 1998 durch die Deutsche Bahn AG in Betrieb genommen wird, hat knapp 1 Million Quadratmeter Grundstücksfläche. Dort werden einmal 45 Investoren zirka 1600 Arbeitsplätze schaffen und dabei Investitionen von 400 Millionen DM tätigen. Das GVZ steht an der Spitze aller Projekte in Deutschland und zeigt eine erfolgreiche Politik in dieser Richtung. Das ist nicht zuletzt auch mit der Verleihung des Innovationspreises der Thüringer Volks- und Raiffeisenbanken in der vergangenen Woche gewürdigt worden.
Vielleicht noch ein ganz kurzes Wort zu Ihnen, Kollege Wieland Sorge. Ich stimme in vielen Punkten mit dem überein, was Sie zum Eisenbahnkreuzungsgesetz sagen. Wir müssen, denke ich, hier gemeinsam vorgehen.
- Wir werden schon etwas tun. - Ich will Ihnen aber folgendes sagen: Einige unserer Bürgermeister schreiben Briefe ab, die sie vom Städte- und Gemeindebund geschickt bekommen, und geben dabei an, sie hätten fünf Brücken. Dann fahre ich hin und stelle fest, daß da gar keine einzige ist. Das sind Tatsachen.
- Nein, das sind keine Ausnahmen.
Ich habe bis heute vom Unstrut-Hainich-Kreis und vom Wartburgkreis noch nicht die richtige Anzahl der Brücken. Es haben Leute geschrieben, die keine Brücken haben. Wir müssen feststellen, wie der Zu-
Manfred Heise
stand dieser Brücken ist. Da muß das Land irgendwo helfen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist beendet. Bitte, kommen Sie zum Schluß.
Ein einziger Bürgermeister hat es fertiggebracht, nach GVFG bzw. Investitionsförderungsgesetz sein Brückenbauwerk zu beantragen. Das war der einzige, der recht hatte, der richtig gehandelt hat. Diesen Weg müssen wir gehen.
Danke schön.
Ich erteile jetzt der Abgeordneten Heide Mattischeck, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Liebe Kolleginnen! Herr Kollege Heise, wenn Sie schon Fliegenbeine zählen, dann sollten Sie selber entsprechend korrekt bleiben. Sie haben eben davon gesprochen, daß der Zug von Nürnberg nach Berlin im Jahr 1990 acht Stunden gebraucht habe. Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal in den Fahrplan gesehen haben. Selbst 1990 ist der Zug von Nürnberg nach Berlin nur knapp sechs Stunden gefahren. Sie sollten vielleicht einmal bei der Realität bleiben.
Nicht nur weil Weihnachten vor der Tür steht, ist von unserer und auch von anderer Seite nicht Kritik geübt worden, daß der Verkehrsminister in bezug auf die Verkehrspolitik insgesamt in den letzten sieben Jahren nur Unsinn gemacht habe; denn das kann selbst diese Regierung nicht. Vieles ist einvernehmlich durchgeführt worden; das hat vorhin auch der Kollege Albert Schmidt deutlich gemacht. Ich erinnere an die Bahnreform. Aber leider läuft nicht alles so, wie wir es uns vorstellen; darauf werde ich noch eingehen. Auch in den neuen Bundesländern -darauf ist von unserer Seite schon hingewiesen worden - ist sehr viel gemacht worden, was notwendig war.
Dies ist allerdings nicht nur eine Leistung des Verkehrs- oder des Finanzministers, sondern ebenso eine Leistung der beteiligten Landesregierungen und vor allen Dingen - darauf möchte ich einmal hinweisen - eine Leistung der vielen Millionen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen in unserem Lande,
also derjenigen, die pünktlich und ordentlich ihre Steuern zahlen, leider aber nicht derjenigen, die auf Grund der deutschen Einheit nur Gewinne gemacht
haben, abgeschrieben und keine Steuern gezahlt haben und zahlen. Vielleicht sollte man auch das einmal erwähnen.
- Darauf gehe ich jetzt nicht ein.
- Stellen Sie eine Zwischenfrage! Die kann ich außerhalb meiner Redezeit beantworten.
Ich zitiere:
Die Verkehrspolitik der Bundesregierung verfolgt das Ziel, Mobilität für Personen und Güter im vereinten Deutschland ... umweltgerecht zu sichern, um damit eine wichtige Voraussetzung für anhaltendes Wirtschaftswachstum zu schaffen. Dabei nimmt die Bahn als umweltfreundlicheres Verkehrsmittel eine besondere Rolle ein.
So heißt es im Bericht der Bundesregierung zur Überprüfung des Bedarfsplanes für die Bundesschienenwege vom August 1997. - Wir meinen allerdings, daß dies mit der Realität und der Politik der Bundesregierung leider wenig zu tun hat.
Wie ernst es die Bundesregierung mit der besonderen Rolle der Bahn als umweltfreundlichem Verkehrsträger nimmt, kann man leicht aus den Zahlen des Haushalts herauslesen. Darauf ist schon hingewiesen worden; ich brauche dies also nicht zu wiederholen. Sie haben das im übrigen gerade noch einmal bestätigt, indem Sie gesagt haben, daß 5000 Kilometer Schienen und 11 000 Kilometer Fernstraßen neu gebaut worden sind. Das spricht doch Bände und zeigt, wo die Schwerpunkte bei dieser Bundesregierung liegen.
Man muß hinzufügen: Die Investitionen für die Schienen haben abgenommen, und die Straßenbaumittel bleiben unverändert. Sie liegen seit Jahren konstant bei 8,3 Milliarden DM. Auch dies ist immer wieder deutlich zu machen.
Nun wird hier - manche Argumentationen sind an Schlichtheit nicht zu überbieten -
die Menschheit in Deutschland wieder eingeteilt in Autofahrer, Bahnfahrer, Radfahrer, Fußgänger und was es noch so alles gibt. Das ist doch völliger Blödsinn. Die meisten Menschen - ich nehme an, 90 Prozent - fahren mal Auto, mal Bahn, mal Rad und gehen ab und zu auch einmal zu Fuß, was man manchen nicht ansieht, auch hier in diesem Raume nicht.
Heide Mattischeck
Es ist doch Unsinn, solche Differenzierungen vorzunehmen. Verkehrspolitik ist keine Spartenpolitik; Verkehr ist Dienstleistung. Ich wünsche mir, daß auch die Bundesregierung endlich begreift, daß Verkehr kein Selbstzweck ist, sondern eine Dienstleistung, genauso wie wir alle, so glaube ich, inzwischen begriffen haben, daß Energieversorgung kein Selbstzweck ist, sondern eine Dienstleistung. Vor diesem Hintergrund sollten wir Verkehrspolitik betreiben.
Wir haben uns an der Bahnreform konstruktiv beteiligt. Vieles bei dieser Bahnreform wäre nicht so gelaufen, wenn wir das nicht getan hätten. Ich weise nur auf die Regionalisierung hin.
Es ist kein Verdienst von Herrn Verkehrsminister Wissmann, daß die Länder so gut - ob es ausreicht, das werden wir erst sehen - ausgestattet wurden; es ist vielmehr ein Ergebnis der Verhandlungen mit den Bundesländern. An diesen Verhandlungen waren wir mehrheitlich beteiligt. Vielleicht sollten wir das einmal festhalten.
Trotzdem haben wir die Angelegenheit gemeinsam abgeschlossen.
Ich hätte gerne von Ihnen noch etwas dazu gehört, wie Sie künftig mit der Ausstattung der Bahn umgehen wollen. Mit der Bahnreform selber ist dieser Prozeß ja wohl nicht abgeschlossen. Herr Wissmann, ich muß Ihnen sagen, daß Ihre Antwort, die Sie mir in der letzten Sitzungswoche zu geben versucht haben, gründlich mißlungen ist. Ich möchte gerne auf diese Debatte kurz eingehen, weil sie mir für die Informationspolitik, die Sie hier gegenüber uns betreiben, charakteristisch zu sein scheint.
Der Herr Kollege Schmidt und ich haben nachgefragt, wie es denn mit den versprochenen, in der Presse angekündigten Finanzierungsvereinbarungen für die zehn Schienenprojekte stehe, die ja in den nächsten zwei oder drei Jahren angeblich fertig sein sollen und 100 000 Arbeitsplätze schaffen sollen. Daraufhin haben Sie gesagt, Sie seien schneller gewesen als die Opposition; Sie hätten am Abend zuvor - das bezieht sich auf die vorletzte Woche - die zehn Finanzierungsvereinbarungen mit dem BMF und mit der Bahn abgeschlossen. Auf meine konkrete Nachfrage haben Sie gesagt, daß Sie uns die Antwort am nächsten Tag zustellen würden. Ich bekam dann am nächsten Tag von Ihnen einen Brief, den ich hier aus Zeitgründen nicht vorlesen kann. In diesem Brief steht alles Mögliche drin, aber kein einziges Wort über Finanzierungsvereinbarungen.
Herr Minister, ich muß es jetzt einmal ganz deutlich sagen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder haben Sie keine konkreten Finanzierungsvereinbarungen abgeschlossen - dann haben Sie hier nicht die Wahrheit gesagt -, oder Sie haben sie abgeschlossen
- was ja durchaus möglich ist -, dann mißachten Sie die Rechte des Parlaments. Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten, darauf zu antworten.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wissmann?
Ja.
Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich Ihnen, wie versprochen, am Tage nach der Debatte mitgeteilt habe, daß wir in den Finanzierungsvereinbarungen zu 100 Prozent auf Baukostenzuschüsse umgestellt haben. Liegt es vielleicht an Ihrem mangelnden Verständnis dieses Briefes, daß Sie dann noch einmal geschrieben haben?
Herr Minister Wissmann, ich bin natürlich bereit, das, was Sie sagen, zur Kenntnis zu nehmen. Ich kann ja gar nichts anderes tun, wenn ich mir meine Ohren nicht zuhalte. Aber auch Kolleginnen und Kollegen haben diesen Brief bekommen; vielleicht sind sie nachher in der Lage, mir das zu erklären. Ich habe diesen Brief sogar mehrmals gelesen.
Um Ihre Frage zu beantworten: Unter einer Finanzierungsvereinbarung verstehe ich etwas anderes. Ich erwarte, daß in einer Finanzierungsvereinbarung
- ich spreche mal das Projekt München-Augsburg an
- steht, was das Projekt kostet, wann es gemacht wird und wer was bezahlt, und zwar minutiös nach Jahren aufgeschlüsselt.
Das, was Sie abgeliefert haben, halte ich für eine Dreistigkeit. Wenn das die Politik dieser Bundesregierung ist, dann ist das wirklich nicht mehr zu übertreffen.
Es besteht der Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage durch die Abgeordnete Ferner.
Ja, bitte.
Frau Mattischeck, Herr Minister Wissmann hat eben erklärt, daß komplett auf Baukostenzuschüsse umgestellt worden ist. Leider habe ich nicht mehr die Gesamtsumme aller zehn Projekte im Kopf. Ich schätze einmal, daß die Summe bei 15 bis 17 Milliarden DM liegt. Das heißt, wenn komplett auf Baukostenzuschüsse umgestellt würde, dann müßten, wenn man von einer Bauzeit von vielleicht fünf oder sechs Jahren ausgeht, sämtliche Schienenbaumittel in Höhe von 3 Milliarden DM, die derzeit im Haushalt mit enthalten sind, komplett auf Baukostenzuschüsse umgestellt werden. Können Sie diese Einschätzung teilen, oder hege ich da mit meiner Annahme falsch?
Nein, so in etwa habe ich mir das auch ausgerechnet. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, dieses jetzt nachzurechnen; vielmehr ist es Aufgabe der Bundesregierung, die Fakten auf den Tisch zu legen.
Wir werden in jeder Sitzung des Verkehrsausschusses danach fragen. Sie werden noch viele Briefe von uns dazu bekommen. Vielleicht sind Sie ja dann doch mal in der Lage, dieses konkret zu beantworten. Wir werden uns jedenfalls nicht auf die Antworten verlassen, die uns von Ihnen gegeben wurden.
Ich will jetzt diesen Punkt nicht vertiefen. Aber ich muß sagen - ich neige nicht zu Übertreibungen -: Ich halte es für einen Skandal, wie Sie in dieser Angelegenheit mit dem Parlament umgehen.
Ich will noch einmal auf ein paar Dinge hinweisen, die in diesem Zusammenhang - Zwischenbilanz, Bundesbahn, Bahnreform - eine Rolle spielen. Ich will überhaupt nicht an der Bahn herummäkeln und schon gar nicht an den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bahn, die sich anstrengen, ein modernes Dienstleistungsunternehmen aufzubauen.
Ich will auch nicht - dazu habe ich überhaupt keine Veranlassung - an Herrn Ludewig, dem neuen Vorsitzenden der DB AG, herummäkeln. Er hat uns vorgestern in der Sitzung des Verkehrsausschusses Perspektiven aufgezeigt und Bereiche genannt, wo Handlungsbedarf besteht und etwas getan werden muß. Er hat aber auch darauf hingewiesen, wo politischer Handlungsbedarf besteht.
Politischer Handlungsbedarf besteht bei der Infrastruktur. Herr Wissmann und meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie sind gerade dabei, den gemeinsamen Weg der Bahnreform zu ver-
lassen, indem Sie bei der Finanzierung der Infrastruktur einen neuen Weg gehen.
Die Infrastruktur ist nach dem Grundgesetz - vielleicht sollten Sie sich das Grundgesetz ab und zu ansehen - Aufgabe des Bundes. Es ist uns zu verdanken, daß diese Aufgabe so präzise im Grundgesetz steht. Sie sollten sich ab und zu einmal die alten Unterlagen anschauen. Sie verlassen den gemeinsamen Weg dieser Bahnreform, indem Sie der Bahn Finanzierungszwänge auferlegen, deren Kosten sie woanders wieder herausholen muß. Das geht zu Lasten der Pünktlichkeit. Wir haben im Ausschuß gemeinsam die mangelnde Pünktlichkeit der Bahn beklagt. Bis zu 30 Prozent der Verbindungen, so glaube ich, sind unpünktlich. Es geht ferner zu Lasten der Sauberkeit in den vielfach überfüllten Zügen.
Wir können den Zustand unserer Bahn, dieses modernen Dienstleistungsunternehmens, nicht immer nur als ICE-Nutzerinnen und -Nutzer der 1. Klasse beurteilen. Der richtige Blickwinkel zur Beurteilung dieses Dienstleistungsunternehmens wäre vielleicht die Sicht der Wochenendheimfahrerinnen und -heimfahrer oder der Pendlerinnen und Pendler, die jeden Morgen und jeden Abend in den überfüllten Zügen sitzen. Dort geht es teilweise zu - ich meine nicht, daß ich übertreibe - wie kurz nach dem Krieg. Ich selbst habe noch erlebt, daß man kaum in die Züge hineinkam.
Sosehr ich mich darüber freue, daß die Bahn so gut ausgelastet ist, ich muß doch feststellen, daß vor allem jüngere Leute versuchen werden, schnell auf das Auto umzusteigen, weil sie dort bequemer und in einer saubereren Umgebung sitzen, auch wenn sie unter Umständen im Stau stehen.
In der restlichen mir verbleibenden Zeit will ich noch kurz auf unseren Antrag eingehen, über den heute abgestimmt wird und der sich mit der vorhin genannten ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt-Berlin beschäftigt. Ich wül noch einmal darauf hinweisen, daß es vielleicht den Italienern egal ist, ob sie über Erfurt fahren. Möglicherweise bevorzugen sie eine andere Strecke. Ich denke aber nicht, daß dies die richtige Diskussion ist, die wir im Moment führen.
Wir haben in mehreren Diskussionen und auch in unseren Anträgen immer wieder darauf hingewiesen, daß wir meinen, daß die Bundesregierung und auch Sie, Herr Wissmann, unflexibel auf neue Entwicklungen und vor allen Dingen auf neue Technologien reagieren, die wir doch nutzen wollen. Sie sind immer so sehr für neue Technologien. Dann nutzen Sie sie doch! Denken Sie neu über die Zahlen nach, die auf dem Tisch liegen und die wir in der Anhörung von allen Seiten, auch von der Bahn, bestätigt bekommen haben! Wir merken inzwischen, daß diese Strecke Schwierigkeiten macht; ansonsten wäre sie ja nach sieben Jahren deutscher Einheit schon längst fertiggestellt. Wir warten immer noch auf eine schnellere Verbindung, auch wenn die bisherige Reisezeit nicht acht Stunden, sondern fünfeinhalb Stunden beträgt. Herr Heise hat es vorhin gesagt.
Heide Mattischeck
Wir wünschen uns, daß die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen in ihrer Politik etwas flexibler werden. Sie, Herr Friedrich, haben vorhin einmal etwas Richtiges gesagt.
Sie haben in Ihrem Schlußwort darauf hingewiesen, daß es notwendig ist, sich auch mit Raumordnung zu beschäftigen, daß es notwendig ist, sich mit neuen Technologien zu beschäftigen, und daß es notwendig ist, Innovationen durchzuführen. Innovation - es ist ein ganz interessanter Begriff - bedeutet nicht nur neue Technologien; Innovation bedeutet auch neue Verhaltensweisen.
Sie haben den Bundesverkehrswegeplan in einer Situation, in der unser Land vorher nie war, für zwanzig Jahre beschlossen. Dies spricht dafür, daß Sie der Meinung sind, daß man an einem bestimmten Tag einen Bundesverkehrswegeplan für 20 Jahre festlegen kann und dann nichts mehr daran zu verändern braucht.
Es ist höchste Zeit, darüber nachzudenken, ob der richtige Weg eingeschlagen worden ist oder ob wir andere Wege gehen müssen. Auch darum bitte ich Sie herzlich. Aber, ich denke mir, diese Bitte wird vergeblich sein. Ihre Erfüllung durch Sie wird auch nicht mehr notwendig sein. Wir werden das dann selber erledigen.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Als letzte Rednerin in der Verkehrsdebatte hat jetzt das Wort die Abgeordnete Renate Blank, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Ende der äußerst wichtigen Verkehrsdebatte stelle ich fest, daß Verkehrsinfrastruktur eine wesentliche Voraussetzung zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze ist. Ohne vernünftige Verkehrsanbindung investiert kein Unternehmen und entsteht kein neuer Arbeitsplatz. Wann begreifen Sie das endlich, meine Damen und Herren von der Opposition?
Mobilitätsfeindlichkeit können wir uns nicht leisten.
Kollegin Altmann - Sie haben das vorhin angesprochen -, es ist leider sehr schwierig, im Sommer etwas mit dem Schlitten zu transportieren.
Die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind nicht gekürzt worden. Im Gegenteil: In den nächsten fünf Jahren wird rund 1 Milliarde DM mehr zur Ver-
fügung gestellt. Damit kann eine Reihe von wichtigen Projekten - insgesamt 35 - in Angriff genommen werden. 33 Projekte sind Ortsumgehungen, was für mich aktiver Umweltschutz und aktiver Menschenschutz ist.
Kollegin Mattischeck, der Bundesverkehrswegeplan ist ein Bedarfsplan und kein Finanzplan.
Das sollten Sie endlich einmal verinnerlichen.
Wir haben einen hohen Finanzbedarf für den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur. Deswegen haben wir das Konzessionsmodell eingeführt. Diese private Vorfinanzierung ermöglicht immerhin die Realisierung von zwölf Straßenprojekten und einem Schienenprojekt mit einem Volumen von insgesamt 8,5 Milliarden DM.
Kollegin Ferner, hinsichtlich der A 8 im Saarland hat Minister Wissmann die zwiespältige Haltung der SPD schon aufgezeigt. In Bonn lehnt sie es nämlich ab, und vor Ort ist sie begeistert und schneidet Bänder durch.
- Kollegin Altmann, wir wollen zum Ende kommen. Ich lasse keine Zwischenfragen zu.
Aber auch Sie kommen jetzt an die Reihe, und zwar im Rahmen der Planungen zum Wesertunnel. Dort - dabei gibt es ebenfalls eine private Vorfinanzierung - kann die Vergabe erfolgen. Sie haben versucht, das im Verkehrsausschuß zu verhindern.
- Vielleicht sollten Sie zur Kenntnis nehmen, daß auf Grund der privaten Vorfinanzierung durch ein Superangebot Baupreise zum Tragen gekommen sind, die wesentlich niedriger sind, als in den Planungen ursprünglich veranschlagt war.
Der absolute Gipfel der Heuchelei ist ja, daß Sie, als Sie in Niedersachsen noch mitbestimmen konnten, dieses Projekt unterstützten und daß Sie jetzt, nachdem Sie in Niedersachsen nicht mehr mitregieren, gegen dieses Projekt sind.
Meine Damen und Herren, wir haben auch in der Verkehrspolitik einiges gemeinsam gemacht, speziell im Bereich der Binnenschiffahrt. Wir haben für die Binnenschiffahrt mit der EU-Abwrackaktion, mit dem 100-Millionen-Programm und der Eishilfe gemeinsam etwas geleistet. Allerdings fehlt natürlich
Renate Blank
um eine ganzjährige Befahrbarkeit der Flüsse zu gewährleisten noch, der Ausbau von Elbe und Donau. Denn wir können nicht ständig von der Verlagerung von Gütern auf das Binnenschiff sprechen, wenn wir keine ganzjährige Befahrbarkeit erreichen.
In diesem Zusammenhang möchte ich - denn wir sollten im Rahmen von Fördermitteln nicht nur von Geld sprechen, sondern auch nicht vergessen, daß es um Menschen, Familien und Schicksale geht - auch einmal der Binnenschiffer-Seelsorge danken, die sich ganz intensiv mit dem Thema „Binnenschiffahrt" und mit den Partikulierschiffern befaßt. Wir hatten in Bonn mit dem Binnenschiffer Conrad bereits ein gutes Gespräch darüber, wie man die betroffenen Familien und die Binnenschiffahrt insgesamt weiter unterstützen kann.
Die Anträge der Opposition, die heute vorhegen, sind eigentlich Rückschritts- und keine Fortschrittsanträge. Ich erlaube mir den Hinweis auf einige unsinnige Anträge, zum Beispiel auf den zur feministischen Verkehrspolitik im Bundestag.
Sie tun so, als ob es eine männliche oder weibliche Verkehrspolitik gäbe. Es gibt nur eine gute oder eine schlechte.
Der Antrag der Grünen im Verkehrsausschuß, daß wir einen Selbstversuch zum Thema Drogen vornehmen sollen,
entbehrt jeglicher Realität und ist sogar rechtswidrig.
Im Interesse des Standorts Deutschland brauchen wir Befürworter, ja sogar Liebhaber unserer sachgerechten und wirtschaftsfreundlichen Verkehrspolitik; denn 1 Milliarde DM Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur bedeuten den Erhalt bzw. die Schaffung von zirka 10 000 Arbeitsplätzen.
Wer also, wie die Opposition, ständig nur blockiert und gleichzeitig über fehlende Arbeitsplätze jammert, ist unglaubwürdig und schadet unserem Gemeinwesen.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Altmann.
Ja, das muß sein, Herr Kollege Jobst, well die
Opposition der Koalition anscheinend immer wieder Nachhilfeunterricht geben muß.
Frau Kollegin Blank, wenn Sie hier sagen, der Bundesverkehrswegeplan sei überhaupt nicht in Gefahr, er sei lediglich ein Bedarfsplan ohne Finanzierung, dann frage ich Sie: Kennen Sie eigentlich die Anmerkung aus dem Bundesverkehrsministerium, in der es heißt, daß heute schon klar sei, daß der Bundesverkehrswegeplan - wie gesagt, das gibt das Ministerium selbst zu - zu 20 Prozent unterfinanziert sei und daß alle Projekte, die im vordringlichen Bedarf aufgelistet sind, leider nicht bis zum Jahre 2012 realisiert werden könnten?
Warum man den Plan trotzdem nicht fortschreibt, was in diesem Jahr eigentlich notwendig gewesen wäre, begründet man erstens damit, daß man - auch das ist eine offizielle Begründung, Frau Kollegin Blank - die Befürchtung hat, daß dann die ganzen Ortsfürsten vor der Tür stehen, beunruhigt, ob denn ihr Projekt zu denen gehöre, die nicht realisiert werden; zweitens damit, daß man - man höre und staune - davon ausgehe, daß sich der Finanzhaushalt kurzfristig wieder bessere. Ich weiß nicht, woher diese Hoffnung kommt, daß sich die Finanzsituation kurzfristig wieder ändern sollte. Drittens begründet man es damit, daß man den Forschungsbedarf nicht stören wolle, da man ja weiß, daß der Bundesverkehrswegeplan eine „olle Kamelle" ist, die den Anforderungen überhaupt nicht mehr gerecht wird. Ich finde, das ist ein Offenbarungseid. Das, was Sie hier gemacht haben, ist Pfeifen im dunklen Wald.
Lassen Sie mich noch eines zu Ihren Ausführungen zur feministischen Verkehrspolitik sagen; diese haben Sie ja nun schon öfter gemacht. Liebe Kollegin Blank, nicht jede ist so privilegiert wie Sie, die Sie von Ihrem Mann zum Flugplatz gefahren und dann auf den Ride-and-Kiss-Plätzen verabschiedet werden.
Wir denken dabei viel eher an die Frauen auf dem Land, die immer noch mehr als die Hälfte ihrer Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen, und vom öffentlichen Personennahverkehr abgehängt sind. Da hilft es auch nicht, wenn Sie davon ausgehen, daß die Frauen eine längere Lebenserwartung haben, weü sie öfter an der frischen Luft sind.
Zum letzten. Hinsichtlich der Geschichte mit dem Joint denke ich: Vielleicht täte er einigen Leuten einmal ganz gut.
Frau Kollegin Blank.
Frau Kollegin Altmann, eigentlich wäre es gut, nicht auf jede Kurzintervention zu antworten.
Renate Blank
Aber eines muß ich noch richtigstellen. Ich sage es Ihnen noch einmal: Der Bundesverkehrswegeplan ist ein Bedarfsplan. Die Grünen können anscheinend nie zuhören. Im Bundesverkehrswegeplan stehen natürlich mehr Projekte, weil die Grünen vor Ort so viele Projekte, seien es Schienen- oder Straßenprojekte, blockieren. Der Bedarfsplan muß also mehr Projekte enthalten, damit einiges realisiert werden kann.
Ich schließe die Aussprache. Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, gibt es zwei Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung, und zwar zunächst von dem Kollegen Dr. Uwe-Jens Rössel, PDS.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mein Abstimmungsverhalten zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes begründen. Dazu liegen eine Beschlußempfehlung des federführenden Ausschusses, Gesetzesnovellen des Bundesrates und der Gruppe der PDS im Deutschen Bundestag sowie ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion vor.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des federführenden Verkehrsausschusses,
weil hier versucht wird, sich mit formaljuristischen Tricks einer finanziellen Mitverantwortung des Bundes für jahrzehntelang vernachlässigte, in Einzelfällen sogar abrißreife Straßenbrücken über Bahnanlagen im Altbundesgebiet zu entziehen.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlungen und bin nicht damit einverstanden, daß Kommunen im Altbundesgebiet jetzt an den aufgelaufenen Kosten einer verfehlten Verkehrspolitik der Bundesregierung beteiligt werden sollen, in deren Folge die Infrastruktur der früheren Bundesbahn bzw. der Deutschen Bahn AG zumindest teilweise vernachlässigt worden ist.
Nunmehr fällige Sanierungsmaßnahmen in dreistelliger Millionenhöhe - das wurde von der Deutschen Bahn AG selbst so beziffert - sind eben kein Pappenstiel für die ohnehin schon mit insgesamt 142 Milliarden DM am Kreditmarkt verschuldeten Kommunen in den Altbundesländern.
- Ich spreche vom Altbundesgebiet, Herr Kollege. Bitte hören Sie zu!
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des Verkehrsausschusses, weil als sogenannte Rechtfertigung für die finanzielle Beteiligung von ostdeutschen Kommunen an der Sanierung maroder Brücken eine formale DDR-Verwaltungsvereinbarung aus dem Jahre 1953 aus dem Hut gezaubert wird. Es handelt sich um eine Verwaltungsvereinbarung, die im übrigen schon damals nichts als ein Windei war.
Dieses Windei ist sie heute noch, und Sie versuchen, dieses Windei in eine Rechtsgrundlage zu gießen.
Herr Kollege Rössel, Sie denken daran, daß Sie eine persönliche Erklärung zur Abstimmung abgeben?
Aber ich bleibe doch beim Thema.
Ja, aber wenn Sie einmal in die Kommentarlage zu § 31 gucken, dann werden Sie feststellen, daß es eine sachliche Darlegung sein muß, warum Sie anders stimmen, und Sie müssen sich jeder Polemik und ähnlicher Dinge enthalten. Das steht darin. Ich muß darauf achten, daß die Ordnung eingehalten wird.
Bloß, ich werde herausgefordert. Da werde ich mich natürlich wehren.
Nein, Sie dürfen sich nicht herausfordern lassen. Dafür sind Sie promoviert.
Jetzt bringen Sie es ganz sachlich zu Ende.
Ich fahre fort. Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung, weil nicht nachvollziehbar ist, daß Ostkommunen Zuwendungen aus dem Investitionsförderungsgesetz „auch für Brückensanierungen verwenden können", wenn sie nur wollten, wie es im Bericht des federführenden Ausschusses heißt. Die ostdeutschen Städte sind eben in der Finanzausstattung nicht aus dem Schneider, weil deren Nachholbedarf bei der infrastrukturellen Ausstattung bei weitem ihre Finanzkraft übersteigt.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung, weil mit der darin bekräftigten derzeitigen Fassung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes für nicht wenige Städte und Gemeinden in Ostdeutschland Forderungen von jeweils zwischen 600 000 und 1 Million DM aufgemacht werden. Sie beanspruchen vor allem kleinere Gemeinden unverhältnismäßig stark und würden - ich nenne beispielhaft die Gemeinde
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dormbock in Sachsen-Anhalt - fast den gesamten Gemeindehaushalt aufzehren.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung, weil darin eben die Verpflichtung der Bahn, beim Übergang der Baulast von Straßenüberführungen auf Kommunen für den ordnungsgemäßen Erhaltungszustand der Bauwerke angemessen einzustehen, verwischt wird.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung, weil sie sich vehement gegen eine Restnutzungsdauer der Straßenüberführungen von mindestens zehn Jahren wendet. Diese Forderung in den Anträgen des Bundesrates und der PDS dient der Rechtssicherheit. Sie erspart den Kommunen, die nicht ordnungsgemäß unterhaltene Brücken in ihre Baulast übertragen bekamen, langwierige Rechtsstreitigkeiten mit der Bahn.
Sie müssen jetzt aufhören.
Ich stimme deshalb gegen die Beschlußempfehlung des federführenden Finanzausschusses und bedanke mich ausdrücklich für die Aufmerksamkeit.
Das Wort zu einer Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung hat jetzt die Kollegin Elke Ferner.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte nach § 31 der Geschäftsordnung mein Abstimmungsverhalten zu dem Gruppenantrag zu der Bahnstrecke Paris-Ostfrank-reich-Südwestdeutschland deutlich machen.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des Ausschusses, weil ich mich im Gegensatz zu den Kollegen der CDU, die entlang der Strecke wohnen, für das Anliegen der Region einsetze, das von den Handwerkskammern, den Industrie- und Handelskammern, den Gewerkschaften, den Landesregierungen, den Parteien und auch von Bundeskanzler Kohl unterstützt wird.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des Ausschusses, weil entgegen den Aussagen der Koalition, die im Ausschußbericht nachzulesen sind, in diesem Jahr nicht mehr mit dem Ausbau der Strecke von Saarbrücken über Kaiserslautern nach Mannheim begonnen wird.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des Ausschusses, weil die Bundesregierung unter immer neuen fadenscheinigen Argumenten den Abschluß
einer Finanzierungsvereinbarung verzögert. Das letzte Argument war, daß irgendein Teilgrundstück noch nicht erworben worden ist. Nach Auskunft der Bundesregierung ist das aber bei keinem der zehn Projekte, für die jetzt Finanzierungsvereinbarungen abgeschlossen worden sind, der Fall.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des Ausschusses, weil die Finanzierung der Strecke durch die erneuten Kürzungen im Schienenbautitel und wegen des Abschlusses anderer Finanzierungsvereinbarungen in immer weitere Ferne gerückt wird. Ich halte es deshalb für unverantwortlich, daß sich die anderen Kollegen hier nicht für die Region einsetzen.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des Ausschusses, weil ich mich im Gegensatz zu den Kollegen der CDU entlang der Strecke nicht mit den falschen Versprechungen der Bundesregierung zufriedengebe und weil ich auch glaube, daß nur, wenn man jetzt noch einen Fuß in die Tür bekommt, wirklich begonnen werden kann.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des Ausschusses, weil ich im Gegensatz zur Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Auffassung bin, daß man Flugverkehr auf der Strecke von Frankfurt nach Paris nur dann in nennenswertem Umfang auf die Schiene verlagern kann, wenn man eine attraktive Fahrzeit, wie sie in der Vereinbarung von La Rochelle zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich vorgesehen ist, wirklich realisiert.
Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des Ausschusses, weil ich ebenso wie die anderen Unterzeichner und Unterzeichnerinnen des Gruppenantrags keine der Forderungen, die aufgestellt worden sind, für erledigt halte. Ich wünsche mir, daß die Kollegen und Kolleginnen aus der Region heute diesem Abstimmungsverhalten folgen.
Wir kommen jetzt zu einer ganzen Latte von Abstimmungen, zunächst über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes. Das sind die Drucksachen 13/1446 und 13/ 8537 Nr. 1. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor, über den wir zunächst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/9417? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt.
Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Abstimmung über den Gesetzentwurf der Gruppe der PDS zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes auf Drucksache 13/1784. Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 13/8537 unter Nr. 2, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse jetzt über den Gesetzentwurf der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/1784 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD abgelehnt. Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen, Drucksachen 13/8685 und 13/9403. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit angenommen, Mehrheitsverhältnisse wie zuvor.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen, die unter dem Tagesordnungspunkt 6.3 bis 6.13 aufgeführt sind, an die in der Tagesordnung genannten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur Bilanz und zu Perspektiven der Verkehrspolitik auf Drucksache 13/9376. Wer stimmt für diesen Antrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Interfraktionell wird Überweisung des Berichts der Bundesregierung über die Entwicklung der Kostenunterdeckung im öffentlichen Personennahverkehr auf Drucksache 13/7552 an den Ausschuß für Verkehr vorgeschlagen. Einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zum Grünbuch der Europäischen Kommission zur Nutzung des Potentials des öffentlichen Personenverkehrs in Europa, Drucksache 13/4952. Wer stimmt für
diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ 9399. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Aufstellung eines Bundesverkehrswegeplans für eine Politik der Verkehrswende, Drucksache 13/9364. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5164 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? -Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zum Weißbuch der Europäischen Union zu einem Flugverkehrsmanagement: Für einen grenzenlosen Himmel über Europa, Drucksache 13/5525. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von Koalition, Bündnis 90/Die Grünen und SPD gegen die Stimmen der Gruppe der PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Großen Anfrage zum kombinierten Verkehr als Mittel zur Vernetzung der Verkehrsträger, Drucksache 13/5526 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/3883 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage zum kombinierten Verkehr als Mittel zur Vernetzung der Verkehrsträger, das ist die Drucksache 13/5526 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/3886 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? -Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Grundsicherung des öffentlichen Personennahverkehrs, Drucksache 13/5692. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3253 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im internationalen Luftverkehr, das ist die Drucksache 13/6526. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5060 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? -Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer sozial- und umweltverträglichen Mobilität, Drucksache 13/6873. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4703 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Integration des Flugverkehrs in die Bundesverkehrswegeplanung, das ist die Drucksache 13/7004. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/1297 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? -Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Sicherstellung der Realisierung des Abzweigs Mainz/Wiesbaden der ICE-Trasse Köln-Rhein/Main, Drucksache 13/7478. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6096 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD und der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für einen fairen Trassenzugang und für marktfähige Trassenentgelte, Drucksache 13/7482. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6145 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? -Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Mitteilung und den Richtlinienvorschlägen der Europäischen Union zur Bekämpfung der Luftverunreinigung
durch den Straßenverkehr, zur Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen sowie zu Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Emissionen von Kraftfahrzeugen, Drucksache 13/8007. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist bei Stimmenthaltung der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im internationalen Luftverkehr, Drucksache 13/6142. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4080 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? -Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.
Interfraktionell wird Überweisung des Berichts der Bundesregierung zum Ausbau der Schienenwege 1997 auf Drucksache 13/8889 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Optimierung des Schienennetzausbaus zwischen Bayern, Sachsen und Thüringen, Drucksache 13/ 8538. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4139 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion der SPD zum Schienenwegeausbau zwischen Bayern, Thüringen und Sachsen, Drucksache 13/8538. Dazu gibt es eine Erklärung zur Abstimmung des Kollegen Wieland Sorge zu Protokoll. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7081 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und einer Stimme aus der Fraktion der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer vorzeitigen Realisierung und Finanzierung der Eisenbahnstrecke „Mitte-Deutschland-Linie", Drucksache 13/8539. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4040 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
zur Mißbilligung des Bundesministers für Verkehr wegen Nichteinhaltung seiner Verpflichtung nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz, Drucksache 13/8735. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6857 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zum Bericht der Bundesregierung zum Ausbau der Schienenwege 1996, Drucksachen 13/6929 und 13/ 8736 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Bericht zum Ausbau der Schienenwege 1996, Drucksache 13/8736 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7512 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Revision des Dreijahresplanes für den Ausbau des Schienenwegenetzes des Bundes in den Jahren 1995 bis 1997, Drucksache 13/8740. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/2284 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Elke Ferner, Roland Kohn, Doris Barnett und weiterer Abgeordneter zur Hochgeschwindigkeitsverbindung Paris-Ostfrankreich-Südwestdeutschland; das ist die Drucksache 13/8741 . Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6988 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Erhalt der Option einer Flächenbahn; das ist die Drucksache 13/8902 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7240 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Sicherung des Schienennetzes in Deutschland; das ist die Drucksache 13/8902 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7283 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Gruppe der PDS zu einem Schienenwegesicherungsgesetz; das ist die Drucksache 13/ 8902 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3762 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zu den Zusatzpunkten 19 a bis 191:
Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
Ich rufe Zusatzpunkt 19 a auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 262 zu Petitionen
- Drucksache 13/9423 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 262 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 19 b auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 263 zu Petitionen
- Drucksache 13/9424 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 263 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 19 c auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 264 zu Petitionen
- Drucksache 13/9425 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 264 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung des Hauses im übrigen angenommen.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Ich rufe Zusatzpunkt 19 d auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 265 zu Petitionen
- Drucksache 13/9426 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 265 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 19 e auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 266 zu Petitionen
- Drucksache 13/9427 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 266 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 19 f auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 267 zu Petitionen
- Drucksache 13/9428 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 267 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 19 g auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 268 zu Petitionen
- Drucksache 13/9429 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 268 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 19 h auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 269 zu Petitionen
- Drucksache 13/9430 -
Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? -Die Sammelübersicht 269 ist angenommen; Mehrheitsverhältnisse wie zuvor.
Ich rufe Zusatzpunkt 19 i auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 270 zu Petitionen
- Drucksache 13/9431 -
Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? -Die Sammelübersicht 270 ist angenommen; Mehrheitsverhältnisse wie zuvor.
Ich rufe Zusatzpunkt 19j auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 271 zu Petitionen
- Drucksache 13/9432 -
Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? -Die Sammelübersicht 271 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 19 k auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 272 zu Petitionen
- Drucksache 13/9433 -
Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? -Die Sammelübersicht 272 ist gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 191 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 273 zu Petitionen
- Drucksache 13/9434 -
Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? -Die Sammelübersicht 273 ist angenommen; Mehrheitsverhältnisse wie zuvor.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 18 a und b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank
- Drucksachen 13/7493, 13/7728 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
- Drucksache 13/9413 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Friedrich Merz Volker Kröning
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses
- zu dem Antrag der Gruppe der PDS
Neubewertung der Goldreserven für ein Programm gegen Massenarbeitslosigkeit einsetzen
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Erklärung der Bundesregierung zu Fragen der Finanzpolitik
- Drucksachen 13/7791, 13/7804, 13/9413 -Berichterstattung:
Abgeordnete Friedrich Merz Volker Kröning
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Friedrich Merz, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 4. Juli 1957 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz über die Deutsche Bundesbank verabschiedet. Das Protokoll dieses Tages verzeichnet einstimmige Zustimmung. Ich hoffe, daß uns das auch heute gelingt - zumindest mit breiter Zustimmung -, wo wir das 6. Bundesbankänderungsgesetz zu beraten und zu verabschieden haben.
Dieses Gesetz verändert die Aufgabenstellung der Deutschen Bundesbank von Grund auf. Die Bundesbank wird mit dem Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, voraussichtlich am 1. Januar 1999, weitgehend ihre Selbständigkeit verlieren und Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken werden. Wir haben im Deutschen Bundestag und im Bundesrat die verfassungsrechtliche Grundlage dafür, daß die Verantwortung für die Währungspolitik auf die Europäische Zentralbank und auf das Europäische System der Zentralbanken übergeht, bereits vor einiger Zeit geschaffen, nämlich durch Änderung des Art. 88 unseres Grundgesetzes.
Wir stehen heute vor der Anpassung der einfachgesetzlichen Vorschriften des Bundesbankgesetzes an den Maastricht-Vertrag und hier insbesondere an die Vorschriften der Satzung über die Europäische Zentralbank und über das Europäische System der Zentralbanken. Diese Anpassung erfolgt in enger Abstimmung mit dem Europäischen Währungsinstitut, dem Vorläuferinstitut der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Wir erwarten, daß auch die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die sich voraussichtlich für den Euro qualifizieren werden, diese notwendige Anpassung ihrer nationalen Notenbankgesetze baldmöglichst leisten.
Der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages hat sich in Form einer ad hoc eingesetzten Arbeitsgruppe intensiv und außergewöhnlich detailorientiert mit dieser Anpassungsgesetzgebung befaßt. Wir haben dabei jederzeit auf den sachkundigen Rat des Parlamentarischen Staatssekretärs im Finanzministerium und seiner Beamten zurückgreifen können. Dafür danken wir sehr herzlich.
Ich möchte an dieser Stelle den Vertretern der Bundesbank einen besonderen Dank abstatten, die sich
ebenfalls an den Beratungen beteiligt haben, insbesondere den beiden Bundesbankdirektoren Wolfgang Leue und Berthold Wahlig, die uns häufig in eine sehr schwierige Rechtsmaterie einführen konnten.
Mit der heutigen Änderungsgesetzgebung zum Bundesbankgesetz verabschieden wir eine Rechtsgrundlage, die die Bundesbank auf ihre zukünftige Funktion und ihre zukünftige Arbeit in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion optimal vorbereitet und ausstattet. Das Grundkapital der Bundesbank wird von 290 Millionen DM auf 5 Milliarden DM aufgestockt. Die Rücklagen der Bundesbank werden neu geordnet. Die Bundesbank wird die neuen Vorschriften schon bei dem Jahresabschluß anwenden können, der dem Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion vorangeht, also wahrscheinlich im Jahr 1998.
Wie wird es weitergehen? Meine Damen und Herren, für uns ist unstreitig, daß wir heute den Antrag der PDS auf Neubewertung der Goldreserven ablehnen werden. Es macht keinen Sinn, ein Programm gegen Massenarbeitslosigkeit mit einer solchen Neubewertung zu finanzieren.
Wir waren uns aber auch darüber im klaren, daß der Aufbau und die Organisation der Bundesbank etwa zwei bis drei Jahre nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion im Lichte der Erfahrungen, die wir gemacht haben und die die Kreditwirtschaft mit der Bundesbank gemacht hat, einer Überprüfung unterzogen werden.
Zum Abschluß dieser Woche, zum Abschluß der Beratungen zum Bundesbankänderungsgesetz können wir heute sagen: Wir haben mit der ersten Lesung des Euro-Einführungsgesetzes, mit der heute stattfindenden zweiten und dritten Lesung des Bundesbankänderungsgesetzes und - wenn ich dies vorwegnehmen darf - mit den Beratungen am kommenden Wochenende beim Europäischen Rat in Luxemburg einen großen Schritt in Richtung Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion gemacht. Die Bundesrepublik Deutschland hat die ihr gesetzlich vorgegebenen Aufgaben in diesem wichtigen Bereich angepackt. Mit dem Änderungsgesetz zum Bundesbankgesetz beenden wir sie.
Es verdient eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit, daß wir dieses Gesetz im Finanzausschuß in so großem Einvernehmen beraten haben und, wie ich hoffe, hier im Plenum verabschieden werden.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Jörg-Otto Spiller, SPD.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlaß für die Novellierung des Bundesbankgesetzes ist - wie der Kollege Merz schon gesagt hat - die notwendige Anpassung an die Vorgaben des Maastrichter Vertrages.
Jörg-Otto Spiller
Das ist ein großer Schritt. Wir tun ihn in breitem Einvernehmen.
Es muß aber daran erinnert werden, daß es im Frühjahr dieses Jahres einen Versuch gegeben hat, die notwendige Änderung des Bundesbankgesetzes zu mißbrauchen. Der Versuch der Bundesregierung, die Bundesbank mitten im Jahr zu zwingen, ihre Gold- und Devisenreserven höher zu bewerten, eine außerordentliche Bilanz zu erstellen und die darin ausgewiesen außerordentlichen Erträge auszuschütten, war ein massiver Eingriff in die Unabhängigkeit der Bundesbank.
Dieser Versuch ist gescheitert, weil es in der gesamten Fachwelt einhellige Ablehnung gab, weil es bei der Opposition im Deutschen Bundestag einhellige Ablehnung gab, weil es eine sehr deutliche Stellungnahme des Zentralbankrates der Bundesbank gab, mit der er sich gegen diesen unkeuschen Versuch massiv gewehrt hat,
und weü sogar der Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung es für notwendig erachtet hat, ein Sondergutachten vorzulegen, in dem er sich in aller Klarheit gegen dieses Ansinnen der Bundesregierung ausgesprochen hat.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, in dem wir uns die Erklärung des Zentralbankrates zu eigen gemacht haben. Ich darf einen Absatz aus der Erklärung des Zentralbankrates vom 28. Mai 1997 vorlesen:
Die im Konzept des Bundesfinanzministeriums bisher vorgesehene detaillierte Sonderregelung für die Jahre 1997 und 1998 kann als Eingriff in die eigenverantwortliche Aufstellung und Feststellung der Bilanz und insoweit in die Unabhängigkeit der Bundesbank angesehen werden.
Ich danke im Namen der SPD-Fraktion allen, die dazu beigetragen haben, diesen unsachlichen Versuch der Bundesregierung abzuwehren.
Die nunmehr vorgesehene Neufassung des Gesetzes, die Ihnen vorliegt, wird es der Bundesbank ermöglichen, im Rahmen eines abgestimmten Verfahrens - auch mit anderen Notenbanken in Europa - zu einer Neubewertung der Gold- und Devisenreserven zu kommen. Das wird sicher eine marktnähere Bewertung sein. Aber es ist ein Unterschied, ob die Bundesbank in der eigenen Verantwortung des Zentralbanksystems zu einem von ihr gewählten Zeitpunkt zu einer solchen Entscheidung kommt oder ob das auf Druck der Bundesregierung passiert.
Kern des vorüegenden Gesetzes ist die Eingliederung der Bundesbank in das künftige Europäische System der Zentralbanken. Der harmlose Satz „Die
§§ 15 und 16 werden aufgehoben" bedeutet, daß die Zuständigkeit für die Diskont-, Kredit-, Offenmarkt- und Mindestreservepolitik von der Bundesbank auf die Europäische Zentralbank übergeht. Alle wichtigen geldpolitischen Entscheidungen werden nach Errichtung der Europäischen Währungsunion von der Europäischen Zentralbank getroffen werden.
Die Europäische Zentralbank wird sich das Vertrauen, das sich die Bundesbank über Jahrzehnte erworben hat, selbst erst noch erwerben müssen. Aber das eine kann man heute schon sagen - ich finde, es sollte bei der Gelegenheit auch gesagt werden -: Die Europäische Zentralbank ist nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank so konstruiert, daß von Seiten der Zentralbank alle Vorkehrungen getroffen sind, damit der Euro wirklich eine gute und stabile Währung wird. Die Europäische Zentralbank wird vorrangig auf das Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet sein, weil inzwischen in Westeuropa Konsens ist, daß man eine starke Wirtschaft nicht auf das wacklige Fundament einer schwachen Währung bauen kann.
Die Europäische Zentralbank wird - wie die Bundesbank - von politischen Weisungen unabhängig sein. Es gibt ein ausdrückliches Verbot an die Europäische Zentralbank, öffentlichen Stellen - seien es Stellen der Gemeinschaft, seien es nationale Regierungen, seien es Gebietskörperschaften oder sonstige öffentliche Einrichtungen - Kredite zu gewähren. Von daher sind alle Voraussetzungen gegeben, daß der Euro eine gute Währung wird.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch zwei Bemerkungen machen. Einmal möchte ich einen Hinweis geben, den auch der Kollege Merz in ähnücher Form schon gegeben hat: Das Europäische Währungsinstitut hat kürzlich einen Bericht über den Stand der rechtlichen Konvergenz vorgelegt, aus dem hervorgeht, daß zwar eine Reihe von Partnerländern ähnlich weit wie Deutschland ist, was die Anpassung ihrer nationalen Notenbankgesetze entsprechend den Vorgaben des Maastrichter Vertrages betrifft, daß es aber eine Reihe anderer Länder gibt, die dieses noch zu tun haben. Ich hoffe, daß im Frühjahr nächsten Jahres tatsächlich alle Länder, die beabsichtigen, in die Europäische Währungsunion aufgenommen zu werden, diese Vorgaben auch erfüllt haben werden.
Zweite Bemerkung: Es ist in bezug auf das Verhältnis der künftigen Europäischen Zentralbank zu den Regierungen zu Debatten gekommen. Dabei wird immer wieder die Frage gestellt, ob vielleicht die Unabhängigkeit der europäischen Notenbank beeinträchtigt werden könnte. Es wird dabei zu oft übersehen, daß es eine Pflicht zum Zusammenwirken auch in anderer Richtung gibt. Die deutschen Erfahrungen sind ziemlich eindeutig: Die Bundesbank hätte wiederholt ihre geldpolitischen Instrumente nicht so massiv einsetzen müssen, wenn sie sich nicht von anderen Trägern der Wirtschaftspolitik, insbesondere der staatlichen Finanzpolitik, allein gelassen gefühlt hätte. Wir hätten in der Hochzinsphase 1991/93 vielleicht andere, schwächere Restriktionen der Bundesbank gehabt, wenn die Finanzpolitik der Bundesregierung solider gewesen wäre.
Jörg-Otto Spiller
Wir haben mit der Verabschiedung dieses Gesetzes jetzt die rechtlichen Voraussetzungen, daß die Bundesbank ein integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken wird. Eine weitere Voraussetzung, nämlich eine solide staatliche Finanzpolitik auf seiten des Bundes, wird allerdings erst im Herbst 1998 zu erreichen sein.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Heyne, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über das Bundesbankgesetz, über das wir heute in dritter Lesung zu entscheiden haben, wird erfreulicherweise im Konsens entschieden werden. Ich denke, das hat auch erhebliche Bedeutung für die Bildung von Vertrauen in die neue Währung.
Es ist in diesem Gesetz vorgesehen, daß die Gewinne, die sich durch die Neubewertung der Devisen- und Goldreserven ergeben werden, in eine Neubewertungsreserve einfließen, so wie es das Europäische Währungsinstitut vorschlägt. Das ist auch notwendig, weil die marktnahe Bewertung ein größeres Schwankungsrisiko schafft, und dieses Risiko soll durch die Neubewertungsreserve ausgeglichen werden.
Bedauerlich bleibt allerdings, daß die Bundesregierung nicht der Versuchung widerstanden hat, aus der Währungsumstellung Kapital für ihre Haushaltssanierung zu schlagen. Zumindest hat sie diesen Versuch unternommen, und das hat - neben der unsinnigen 3,0-Prozent-Debatte, die wir in Deutschland geführt haben - dem Vertrauen in den Euro deutlich geschadet.
Die Bundesbank hat nun im vergangenen Frühjahr einen Kompromiß angeboten, in dem es heißt, daß noch im Jahre 1997 innerhalb des geltenden Bewertungsprinzips eine Wertaufholung bei den Devisen vorgenommen und der Gewinn, der daraus entsteht, teilweise an den Bundeshaushalt bzw. an den Erblastentilgungsfonds ausgeschüttet werden soll.
Diese Aktion hinterläßt aber doch den unangenehmen Beigeschmack, daß sie eine Notlösung ist, die zumindest eine minimale Gesichtswahrung für den Finanzminister bringen und gleichzeitig Schadensbegrenzung wissentlich des Verlustes von Vertrauen in die Unabhängigkeit der Bundesbank betreiben soll. Vertrauen in die Unabhängigkeit der Bundesbank wirkt sich natürlich auch auf das Vertrauen in die D-Mark wie auch in den Euro aus. Eine Zurückhaltung der Bundesregierung bis zur gesetzlichen Regelung, die wir heute auf den Weg bringen, wäre sehr wünschenswert gewesen.
Die Konsensfindung zur Änderung des Bundesbankgesetzes ist inzwischen erreicht. Die Konsensfindung für die praktische Einführung des Euro ist noch nicht erreicht. Kollege Merz hat darauf hingewiesen, daß gestern die erste Lesung des Euro-Ein-
führungsgesetzes stattgefunden hat. Ich muß sagen, es hat Mängel an Sensibilität, die vergleichbar sind mit den Mängeln der Goldfinger-Aktion.
Die verbreitete Befürchtung, mit der neuen Währung Geld zu verlieren, kann nur entkräftet werden, wenn der Umstellungsprozeß von der einen Währung auf die andere mit größtmöglicher Transparenz stattfindet. Die Gestaltung dieses sensiblen Prozesses soll aber nach Vorstellungen der Bundesregierung dem Handel und den Unternehmen überlassen werden. Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Koalition: Woher nehmen Sie die Überzeugung, daß der Handel der Versuchung, hier ein bißchen mehr zuzulangen, widerstehen wird, wenn selbst die Bundesregierung dieser Versuchung nicht widerstanden hat?
Die nötige Konsensfindung zwischen Verbrauchern und Wirtschaft bezüglich der Umstellung der Währung hat in Österreich in einem längeren Prozeß inzwischen stattgefunden. Ergebnis dieses Prozesses war, daß man sich geeinigt hat, zumindest drei Monate, vor Inumlaufbringen der neuen Währung, eine doppelte Preisauszeichnung vorzunehmen. Das soll bewirken, daß sich das Preisgefühl für den Euro allmählich entwickeln kann, daß die Menschen im Umgang mit der neuen Währung Sicherheit finden und Vertrauen zu ihr fassen. Die Einführung selbst kann nach unserer Meinung sogar in wenigen Tagen vorgenommen werden, wenn die Banken und vor allem die Automatenwirtschaft das hinbekommen. Aber die Preisauszeichnung muß über mehrere Monate in beiden Währungen erfolgen, damit das Vertrauen in die neue Währung wachsen kann. Das Vertrauen der Bevölkerung in die gemeinsame neue Währung ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum gemeinsamen Europa. Ich denke, übermäßig großer Pragmatismus ist hier fehl am Platze.
Meine Damen und Herren von der Koalition, wir werden über das Euro-Einführungsgesetz in den Ausschüssen diskutieren. Ich hoffe, daß es in diesen Debatten möglich sein wird, Konsens zu finden, auch im Sinne der Verbraucherinteressen, und eine Einigung darüber zu erzielen, wie der Übergang zur konkreten Währung in den Jahren 2001 und 2002 gestaltet wird.
Das Wort hat die Kollegin Professor Gisela Frick, F.D.P.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gehört, daß es sich bei diesem Gesetzentwurf um eine notwendige Anpassung an den Maastricht-Vertrag handelt. Das heißt: Die Entscheidungen sind eigentlich schon vorher gefallen. Wir haben auch gehört, daß es hinsichtlich des heute zu verabschiedenden Gesetzentwurfs einen großen Konsens gibt. Insofern möchte ich mich kurzfassen.
Für die F.D.P.-Fraktion erkläre ich, daß wir diesem Gesetz zustimmen, weil wir es in allen Einzelregelun-
Gisela Frick
gen für notwendig halten. - In Anbetracht der Zeit möchte ich es für heute dabei bewenden lassen.
Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Barbara Holl, PDS.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Rahmen der Konsensbildung muß ich hier doch etwas durchbrechen; denn die Konsensbildung bezieht sich nur auf die Fraktionen. Die Gruppe der PDS, der demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten, wird diesem Gesetz nicht zustimmen.
Wir haben uns im Ausschuß enthalten, um deutlich zu machen: Gesetzestechnisch ist sicher alles in Ordnung; es ist eine notwendige Anpassung. Politisch aber haben wir doch sehr große Einwände. - Das werden wir auch heute ausdrücken, indem wir Ihren Entwurf ablehnen. Wir haben gesagt: So kann es den Euro nicht geben. Wir werden uns Ihnen deshalb in der Frage der Umsetzung nicht anschließen. Wir können es nicht.
Der extreme Ausbau der Konstruktion einer weitgehenden Unabhängigkeit der Bundesbank und
ihre Übertragung auf die Europäische Zentralbank -das ist ja der Inhalt dieses Gesetzentwurfes - sind unserer Meinung nach nicht einfach die Übertragung eines bewährten Konstrukts auf eine höhere Ebene; denn bei der europäischen Variante fehlt das politische Äquivalent.
Seit dem Bestehen der Bundesbank und der Existenz des Bundesbankgesetzes gab es jahrzehntelang eine klare Kompetenzverteilung zwischen Zentralbank und Legislative. Die Bundesbank war zwar weitgehend unabhängig, hatte aber gemäß § 12 des Bundesbankgesetzes die Verpflichtung, unter Wahrung ihrer Aufgabe die allgemeine Wirtschaftspolitik zu unterstützen. Ein wesentlicher Mangel in der Konstruktion, die jetzt angegangen wird, besteht in ebendiesem fehlenden Einfluß der nationalen und europäischen Legislative, des Europäischen Rates auf die Politik der Europäischen Zentralbank. Art. 107 des EG-Vertrages gewährleistet die bedingungslose Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Danach darf sie keine Weisungen von Regierungen oder Organen entgegennehmen. Das heißt aber im Klartext, daß letztendlich einzelne Mitgliedstaaten, gleich, wie es um ihre wirtschaftliche Entwicklung bestellt ist, keinerlei Mitwirkungsrecht mehr haben; denn im Europäischen Zentralbankrat sitzen eben nicht die Regierungsvertreter, sondern Mitglieder des Direktoriums und die Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Es gab den Vorschlag der französischen Regierung, auch Regierungsvertreter in den Rat einzubeziehen und damit eine sogenannte Wirtschaftsregierung einzurichten. Dieser Vorschlag aber wurde bereits im April dieses Jahres von den europäischen Finanzministern abgelehnt.
Mit der nun geschaffenen Konstruktion sind die nationalen Regierungen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, deren Konzept bis heute nicht geklärt ist - und das ist wichtig -, ausgeliefert und können faktisch keine eigenständige Geldpolitik mehr verwirklichen - und damit natürlich auch nur noch eine sehr eingeschränkte Wirtschaftspolitik.
Ein zweites Problem im Zusammenhang mit dem heute zur Verabschiedung anstehenden Gesetz ist die Neubewertung der Devisen- und Goldbestände,
die bei der Bundesbank eingelagert sind. Damit sind mehrere Aspekte verbunden, von denen einige schon angesprochen wurden. Ich möchte auf einen dieser Aspekte eingehen. Es stellt sich die Frage: Was geschieht mit den durch die Umbewertung entstehenden zusätzlichen Gewinnen? Laut Gesetz werden 7 Milliarden DM in den Bundeshaushalt fließen. Der darüber hinausgehende Betrag wird in den Erblastentilgungsfonds eingespeist. Nun muß allerdings festgestellt werden, daß die Einspeisung dieser zusätzlichen Gewinne in den Erblastentilgungsfonds auf Grund dessen, was wir hier erst vor kurzem verabschiedet haben, dazu führen wird, daß die Entschuldung im Rahmen des Erblastentilgungsfonds im nächsten Jahr weiter gestreckt werden kann, so daß die zusätzlichen Gewinne nur dazu dienen, die Waigelschen Haushaltslöcher zu stopfen. Dagegen wenden wir uns nicht erst seit heute; vielmehr haben wir einen entsprechenden Vorschlag bereits vor zwei Jahren im Rahmen der Haushaltsdebatte eingebracht, auch im Rahmen der „Aktion Goldfinger" des Herrn Finanzminister Waigel.
Wir sind der Meinung, daß diese zusätzlichen Gewinne - es ist unstrittig, daß sie erzielt werden - zielgerichtet für eine aktive Arbeitsmarktpolitik eingesetzt werden müssen.
Das ist der Kern unseres Antrages, der sich in diesem politischen Anliegen eben nicht erledigt hat, sondern weiter diskutiert werden muß. Wenn Sie heute über diesen Antrag abstimmen und ihn ablehnen, dann ist das ein Signal in die falsche Richtung.
Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Hansgeorg Hauser.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bedauerlich, daß ein Thema, das im Ausschuß mit außerordentlicher Sachkunde und Sachlichkeit behandelt worden ist, insbesondere von Ihnen, Herr Kollege Spiller, in dieser öffentlichen Debatte für Fensterreden mißbraucht wurde, indem man jede mögliche Polemik mit ins Spiel bringt und derart maßlose Übertreibungen anbringt. Man kann sich wirklich nur wundern.
Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser
Trotzdem darf ich besonders Ihnen, Herr Kollege Spiller, und auch den anderen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich für die wirklich hervorragende Arbeit, die wir in der Arbeitsgruppe geleistet haben, danken. Natürlich geht mein Dank auch an die Vertreter der Bundesbank, die uns vorzüglich unterstützt haben.
An unserer heutigen Debatte kann man eines sehr deutlich festmachen: Wenn wir hier den Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank mit zwei Handvoll von Kolleginnen und Kollegen behandeln und mit Mehrheit annehmen, dann wird es künftig eben nicht mehr möglich sein, die Statuten der Europäischen Zentralbank auf eine ähnliche Weise zu ändern. Dieser Vertrag ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der nur noch einstimmig von den Mitgliedsländern geändert werden kann. Das ist der ganz zentrale Punkt dafür, daß wir wirklich eine stabile, unabhängige Zentralbank bekommen.
Auch wenn die PDS, die in dieser Frage vollkommen schiefliegt, das nicht so sieht, wird es keine politische Einflußnahme auf diese Bank geben. Sie wird unabhängig sein. Folgende Säulen garantieren die Stabilität der künftigen Währung: die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank sowie die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen vor und nach dem Beitritt zur Europäischen Währungsunion.
Es ist schon erwähnt worden, daß man drei Teile dieses Gesetzes unterscheiden kann. Diese drei Teile betreffen Anpassungen, mit denen wir die Bundesbank für die Wirtschafts- und Währungsunion fitmachen wollen.
Erstens. Die rechtliche Anpassung an den EG-Vertrag. Damit stellen wir die rechtliche Konvergenz her. Zweitens. Wir müssen die Kapitalstruktur anpassen. Drittens. Wir brauchen die Anpassung der Rechnungslegungsvorschriften.
Die Herstellung der rechtlichen Konvergenz ist einfach notwendig, weil die Bundesbank ein integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken ist und sein wird. Deshalb muß diese Anpassung vollzogen werden. Konsequenterweise muß deshalb beispielsweise auch das aufschiebende Veto der Bundesregierung nach § 13 des Bundesbankgesetzes entfallen; denn theoretisch hat er immer die Möglichkeit geboten, auf die Entscheidungen der Bundesbank Einfluß zu nehmen. Das ist, wie gesagt, künftig nicht mehr möglich.
Es ist auch darauf hinzuweisen, daß die zeithchen Untergrenzen für Verträge von Mitgliedern des Zentralbankrates entsprechend den Vorschriften der Satzung des ESZB auf fünf Jahre angehoben werden. Auch dieser Teil des Gesetzes ist wie das gesamte Gesetz intensiv mit dem Europäischen Währungsinstitut abgestimmt worden.
Die Anpassung der Kapitalstruktur bewirkt, daß wir das Grundkapital von derzeit 290 Millionen DM auf 5 Milliarden DM erhöhen. Auch die gesetzliche Rücklage wird auf 5 Milliarden DM festgelegt. Diese Bestimmungen werden erstmals auf die Bilanz des Jahres 1998 angewendet. Die dafür notwendigen
Mittel stehen aus dem jetzigen Eigenkapital zur Verfügung.
Der dritte Anpassungsbereich betrifft die Rechnungslegungsvorschriften. Das bedeutet - das ist schon erwähnt worden - eine marktnähere Bewertung der Devisen- und Goldreserven. Es ist einfach nicht richtig, was hier verbreitet wird, daß nämlich die Goldreserven verkauft werden sollten oder daß ihre Neubewertung zum Defizitausgleich verwendet werden sollten. Es ging um die Devisenreserven. Dieser Streit beruhte nicht auf Differenzen in der Sache, sondern es ging nur um den Zeitpunkt. Die aufgelösten stillen Reserven sollen in eine Neubewertungsrücklage überführt werden, um - Frau Heyne hat das richtig gesagt - die künftigen Wertschwankungen ausgleichen zu können. Das ist eine gebotene Maßnahme.
Gerade im Hinblick auf das Vertrauen und die Akzeptanz in die künftige einheitliche europäische Währung kommt - das muß man immer wieder betonen - der Unabhängigkeit der im Europäischen System der Zentralbanken verbundenen nationalen Notenbanken ein hoher Stellenwert zu. Nicht umsonst ist die Unabhängigkeit eine der sechs Voraussetzungen für den Eintritt in die Währungsunion. Sie ist in gleicher Weise ein Kriterium wie die Schwellenwerte für Zinsen und Preise, wie die Mitgliedschaft im EWS und wie die entsprechenden Haushaltskriterien.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch eines sagen. Wir begrüßen es sehr, daß der Bundesrat unserer Bitte um Fristverkürzung entsprochen hat und dieses Gesetz auf die Tagesordnung der Sitzung am nächsten Freitag, also am 19. Dezember, gesetzt hat. Es ist in unser aller Interesse, daß wir möglichst rasch bei der Europäischen Kommission in Brüssel und beim EWI in Frankfurt die fristgerechte Erfüllung dieses Kriteriums anzeigen können. Wir würden es natürlich begrüßen, wenn auch die anderen Teilnehmerstaaten so frühzeitig wie möglich dieses Signal geben könnten.
Im Bericht des Europäischen Währungsinstituts und auch in dem Bericht der Europäischen Kommission, die beide Ende dieses Jahres veröffentlicht werden, findet dieser wichtige Punkt Berücksichtigung. Es ist schon moniert worden, daß es einige Länder gibt, die die Umsetzung noch nicht so weit vorangebracht haben. Deshalb richten wir die Bitte an unsere Partner, dies möglichst bald zu tun.
Nach Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschaftsund Währungsunion im Jahre 1999 werden wir eine erneute Bestandsaufnahme vornehmen, um auf dieser Basis über die dann notwendigen Änderungen entscheiden zu können. Wir waren uns bei den Beratungen im klaren, daß es durchaus weiteren Beratungsbedarf gibt. Die Beratungen können wir im Rahmen der neuen Erkenntnisse über die Währungsunion durchführen.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. sowie der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank auf den Drucksachen 13/7493 und 13/7728. Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 9413 Nr. 1, den Gesetzentwurf in der zusammengestellten Ausschußfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit angenommen, Mehrheitsverhältnisse wie vor.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Neubewertung der Goldreserven auf Drucksache 13/ 9413 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7791 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Wir kommen jetzt zur Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Regierungserklärung zu Fragen der Finanzpolitik auf Drucksache 13/9413 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7804 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b sowie den Zusatzpunkt 10 auf.
19. a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Regina Schmidt-Zadel, Brigitte Adler, Gabriele Fograscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Beschneidung von Mädchen und Frauen -Menschenrechtsverletzungen in Entwicklungsländern und Industrieländern
- Drucksachen 13/6937, 13/8281 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Amke DietertScheuer, Dr. Angelika Köster-Loßack, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Genitialverstümmelungen ächten, Mädchen und Frauen schützen
- Drucksache 13/9335 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Auswärtiger Ausschuß Innenausschuß Ausschuß für Gesundheit
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
ZP10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christina Schenk, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
Anerkennung geschlechsspezifischer Fluchtursachen als Grund zur Gewährung von Asyl bzw. Abschiebeschutz
- Drucksache 13/9384 -
Überweisungsvorschlag: Innenausschuß
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Zur Großen Anfrage liegt ein Entschließungsantrag der SPD-Fraktion vor. Nach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Widerspruch gibt es nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Regina Schmidt-Zadel, SPD.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorgestern, am 10. Dezember, war der Internationale Tag der Menschenrechte. Da paßt es sehr gut, wenn wir heute im Deutschen Bundestag über eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen an Frauen und Mädchen reden. Wenn wir heute über die sogenannte Beschneidung sprechen, dann rücken wir dieses schwerwiegende Unrecht zugleich in das Licht der Öffentlichkeit.
Die SPD hat die Große Anfrage zur Beschneidung auch deshalb gestellt, um diese bei vielen noch kaum bekannten Menschenrechtsverletzungen endlich auch auf politischer Ebene zu thematisieren. Laut UNICEF gibt es weltweit rund 130 Millionen Frauen, die von der Genitalverstümmelung betroffen sind. Jährlich droht 2 Millionen Mädchen im Alter von wenigen Wochen bis zu 18 Jahren dieses grausame Ritual der Beschneidung. Die genitale Verstümmelung wird in 28 Ländern der Erde, vor allem in Afrika und in Teilen Asiens, aber auch in Migrantengruppen in Australien, Amerika und Europa praktiziert. In einigen afrikanischen Staaten sind 90 Prozent aller Mädchen und Frauen beschnitten, in anderen sogar annähernd alle.
Die Genitalverstümmelung ist nicht mit kulturellen oder religiösen Traditionen zu rechtfertigen.
Sie wird in keiner Religion ausdrücklich vorgeschrieben.
Meine Damen und Herren, ich will mich bemühen, den Begriff „Beschneidung" zu vermeiden. Denn an-
Regina Schmidt-Zadel
gesichts der Qualen, die die betroffenen Frauen und Mädchen ertragen müssen, ist dieser Begriff eine unglaubliche Verharmlosung.
Die Beschneidung von Jungen, die einen relativ kleinen operativen Eingriff bedeutet, ist mit der weiblichen Beschneidung überhaupt nicht zu vergleichen. Denn die weiblichen Genitalien werden in den meisten Fällen regelrecht verstümmelt. Bei der schlimmsten und gleichzeitig auch verbreitetsten Form der Beschneidung, der Pharaonischen Beschneidung, werden die Klitoris und die inneren Schamlippen entfernt. Die äußeren Schamlippen werden ausgekratzt und deren Reste anschließend bis auf eine winzige Öffnung mit Dornen zugenäht. Ich hoffe, schon diese sachliche Schilderung macht die ganze Grausamkeit dieses Rituals deutlich.
Hinzu kommt, daß dieser grausame Eingriff meist unter den desolatesten hygienischen Bedingungen und ohne Betäubung durchgeführt wird. Die Instrumente, die benutzt werden, reichen von Rasierklingen über Steine und stumpfe Messer bis hin zu Glasscherben. Meistens werden gleich mehrere Mädchen beschnitten, wobei dasselbe Instrument ohne Reinigung oder gar Desinfektion weiterbenutzt wird.
Nach dieser unmenschlichen Prozedur werden die Mädchen teilweise wochenlang in ein Tuch gewikkelt, bevor sie überhaupt in der Lage sind, wieder erste Gehversuche zu machen. Unmittelbar nach dem Eingriff können schwere Blutungen und Infektionen auftreten; meistens tritt auch ein Schock auf.
Viele der kleinen Mädchen verbluten. In manchen Regionen sterben bis zu 30 Prozent der Frauen und Mädchen an den Folgen dieses grausamen Rituals. Hinzu kommt - ich denke, auch das dürfen wir nicht übersehen - die große Gefahr der Übertragung von Aids. Die Genitalverstümmelung führt darüber hinaus auch zu erheblichen langfristigen Schäden. Sie nimmt den Frauen jegliches sexuelle Empfinden; Geburten entwickeln sich für die genitalverstümmelten Frauen regelmäßig zu einem traumatischen Erlebnis. Der brutale Eingriff hat - ganz klar - auch Auswirkungen auf die Psyche der Frauen und Mädchen. Sie leiden oft ein Leben lang unter Depressionen, Angstzuständen oder gar Psychosen.
Ich glaube, wir können uns hier kaum ein Bild von der Grausamkeit dieser Tradition machen. Wie entsetzlich muß sich das kleine Mädchen fühlen, das eben noch von seinen weiblichen Verwandten und von den Nachbarinnen gefeiert und mit neuer Kleidung und Goldschmuck beschenkt wurde, wenn es plötzlich von ebendiesen Frauen festgehalten wird, während die Beschneiderin seine Klitoris mit einer Glasscherbe entfernt. Wie entsetzlich muß es sich fühlen, wenn selbst die Mutter mit Gesang und Geschrei seine Schmerzensschreie und Hilferufe übertönt. Wie furchtbar muß sich dieses Mädchen, nachdem es herangewachsen und verheiratet ist, fühlen, wenn in der Hochzeitsnacht die Vernähung wieder aufgeschnitten wird. Wieder wird sie festgehalten,
und wieder übertönen Gesänge und Geschrei ihre Schmerzensschreie. Eine Frau, die diesem grausamen Ritual der Beschneidung unterzogen wird, muß also nicht nur einmal damit fertig werden. Nein, sie muß ihr Leben lang körperliche und seelische Qualen erleiden.
Die Frauen in diesen Ländern sehen meist überhaupt keine Chance, sich diesem traditionellen Akt zu entziehen. Obwohl die Beschneidung nicht unbedingt an die Pubertät der Mädchen geknüpft ist, stellt sie sozusagen deren geistige Pubertät dar. Dort, wo Mädchen beschnitten werden, ist es den Männern meist verboten, unbeschnittene Frauen zu heiraten. Nur die Beschneidung garantiert nach ihrer Ansicht die „Reinheit" der Frau vor der Ehe. Ohne Heirat kann die Frau aber keine legitimen Kinder bekommen und entsprechend auch keinen Status in der Gesellschaft erlangen. Aus diesem Grunde - und nur aus diesem Grunde - beharren auch viele Frauen immer noch auf der Tradition der Beschneidung.
Die UN-Sonderbotschafterin kommt zu dem Ergebnis, daß die Beschneidung tendenziell in Beziehung mit dem Grad der Unwissenheit, der Armut und dem niedrigen Sozialstatus der Frauen steht. Der Ansatz zur Bekämpfung der Beschneidung muß daher in erster Linie in der Unterstützung von Aufklärungskampagnen durch einheimische Nichtregierungsorganisationen liegen, die den Mädchen und Frauen klarmachen, daß zwischen der Genitalverstümmelung und ihren gesundheitlichen Problemen ein Zusammenhang besteht und daß ihre Gesundheit ein Wert an sich ist.
Dies hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion durchaus erkannt. Überhaupt muß ich sagen, daß die Antwort der Bundesregierung in vielen Punkten, Frau Staatssekretärin, ihre Bereitwilligkeit zeigt, die Genitalverstümmelung zu bekämpfen, wenngleich es - ich denke, Sie gestatten mir, das zu sagen - auch einige Mängel gibt.
Den Worten müssen Taten folgen. Wenn der Bundesregierung keine Initiativen gegen die Genitalverstümmelung auf EU-Ebene bekannt sind, wie das der Antwort auf die Große Anfrage zu entnehmen ist, ist sie hier und heute aufgefordert, in der europäischen Menschenrechts- und Entwicklungspolitik selbst Initiativen anzuregen.
Bei bilateralen Regierungsverhandlungen ist die Bundesregierung aufgefordert, der Menschenrechtssituation von Frauen höhere Priorität beizumessen und die Genitalverstümmelung ausdrücklich als schwerste Menschenrechtsverletzung anzusprechen.
- Eine Schande ist es, genau. - Auf die im Kairoer Aktionsprogramm von 1994 eingegangenen Verpflichtungen müssen die betreffenden Entwicklungsländer, meine Damen und Herren, immer wieder hingewiesen werden.
Regina Schmidt-Zadel
Die vom 24. März bis 16. April stattfindende 54. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission muß die Bundesregierung dazu nutzen, um auf eine Resolution gegen die Praxis der Genitalverstümmelung hinzuwirken.
Die Genitalverstümmelung ist aber bei weitem kein Problem mehr, das ausschließlich Entwicklungsländer betrifft, und das ist besonders Schümm. Schätzungen gehen davon aus, daß auch in Deutschland 20000 beschnittene Frauen leben. Die Menschenrechtsorganisation „Terre de femme" geht davon aus, daß in Deutschland lebende Mädchen entweder in ihr Heimatland zur „Beschneidung" geschickt werden oder daß sie hier beschnitten werden. Die Öffentlichkeit muß daher unbedingt weiter aufgeklärt werden; Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Lehrer und Rechtsanwälte müssen weiter sensibilisiert werden.
Aufklärungsarbeit ist aber auch innerhalb der ethnischen Gruppen notwendig, damit diese sich von ihrem traditionellen Frauenbild lösen und die Frauen sich gegen den Brauch der Beschneidung zur Wehr setzen. Hier gilt es klarzustellen, daß die Genitalverstümmelung in Deutschland eine strafbare Handlung ist.
Mehr noch, der Straftatbestand der schweren Körperverletzung ist explizit auf die Verstümmelung der weiblichen Genitalien durch die sogenannte Beschneidung auszudehnen.
Ich fordere deshalb die Bundesregierung an dieser Stelle auf, hierzu einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
Auch die deutschen Gerichte werden zunehmend mit der Problematik der Genitalverstümmelung konfrontiert. Im März dieses Jahres hat das Verwaltungsgericht Magdeburg erstmals dem Asylantrag einer 17jährigen von der Elfenbeinküste stattgegeben. Das Mädchen war nach Deutschland geflüchtet, weil es keine andere Möglichkeit sah, der drohenden Genitalverstümmelung zu entgehen.
In ihrer Antwort auf die Große Anfrage sieht die Bundesregierung zu Recht in der genitalen Vestümmelung eine Verletzung der Menschenrechte und vergleicht sie mit Folter. Trotzdem hält sie daran fest, die genitale Verstümmelung nicht als Asylgrund zu akzeptieren. Ich frage Sie deshalb: Wie können Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren,
Mädchen und junge Frauen, die es geschafft haben, sich gegen dieses Ritual zu wehren und gegen ihre Familien zu stellen, der Genitalverstümmelung wieder schutzlos auszuliefern? Ich appelliere eindringlich an Sie: Geben Sie endlich Ihren Widerstand gegen die Anerkennung der geschlechtsspezifischen Verfolgung als Asylgrund auf und gewähren Sie den Frauen und Mädchen - Herr Bundesminister Blüm,
hören Sie bitte auch einmal zu -, denen in ihrer Heimat die Genitalverstümmelung droht, den notwendigen Schutz in der Bundesrepublik.
Das ist das Wichtigste; denn wir dürfen der Menschenrechtsverletzung der genitalen Verstümmelung nicht tatenlos zusehen. Ich bitte Sie, sich unserem Entschließungsantrag anzuschließen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Ilse Falk, CDU/CSU.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grausamkeit dessen, was bei uns eher harmlos „Beschneidung" von Mädchen und Frauen heißt, ist hier gerade von der Kollegin Schmidt-Zadel ausführlich angesprochen worden. Deswegen möchte ich mich direkt dem zuwenden, dem die heutige Debatte auch dienen soll, nämlich der Frage, wie wir den potentiellen Opfern bzw. den betroffenen Frauen und Mädchen überhaupt helfen können. Dabei ist es aus meiner Sicht unerheblich, um welche Fallzahlen es sich in Deutschland tatsächlich handelt, solange unbestritten ist, daß Genitalverstümmelungen nicht nur weltweit millionenfach stattfinden, sondern auch Frauen, die diese Tortur als Kind über sich haben ergehen lassen müssen und unter Umständen schon lange in westlichen Kulturen leben, dennoch glauben, es sei für ihre Töchter das beste, nicht mit derartigen Traditionen zu brechen. Daß sie dafür Mittel und Wege finden, entweder durch Verschleppung der Töchter in die Heimatländer oder aber durch willige Ärzte auch bei uns, sollte uns Verpflichtung sein, Licht in dieses finstere Kapitel zu bringen.
Ich will zu drei Schwerpunkten der vorgelegten Anträge Stellung nehmen.
Erstens: Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.
Beides ist sicher besonders wichtig und wurde bereits vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgegriffen. Daß es besonders schwierig ist, an eine einigermaßen gesicherte Datenlage zu kommen, wird niemanden verwundern. Aber die Informationsbroschüre des Ministeriums, die vor genau einem Jahr vorgestellt wurde, die ausführlich Stellung zur Sache und zur Rechtslage nimmt und die an vielen Stellen zugänglich ist - das hoffe ich jedenfalls; das wird vielleicht in der folgenden Zeit zu überprüfen sein -, ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sollte bei einer Neuauflage - das klang eben schon an - darauf geachtet werden, daß das Strafrecht bei schwerer und schwerster Körperverletzung inzwischen verschärft wurde und das Kapitel, das sich mit der Rechtslage in Deutschland befaßt, entsprechend korrigiert wird.
Ebenfalls mit Informations- und Öffentlichkeitsarbeit befaßte Nichtregierungsorganisationen finanziell zu unterstützen ist sicher eine nachvollziehbare
Ilse Falk
Forderung und sollte sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene Thema von Finanzberatungen sein. Daß in die aufklärende Arbeit besonders auch betroffene Frauen einbezogen werden sollten, halte ich für ganz wichtig; denn gerade sie werden noch am ehesten die Chance haben, gehört zu werden. Nicht vergessen sollten wir, daß wir - wie bei so vielen Themen, die sich mit Verbesserungen für Frauen befassen - gerade die Männer als eine ganz wichtige Zielgruppe für Aufklärungsarbeit ansprechen müssen.
Ebenfalls wichtig zur Enttabuisierung des Themas sind die Förderung von Beratungsangeboten für betroffene Mädchen und Frauen in der Bundesrepublik und die Unterstützung bereits existierender Frauenberatungsstellen und Notrufgruppen. Die evangelische Frauenarbeit berichtet über Fälle bei uns, in denen sich Mädchen aus Angst vor Beschneidung in der Familie hilfesuchend an ihre Lehrerinnen wandten, die damit aber völlig überfordert waren. Da es in der Regel an Erfahrung im Umgang mit solchen Konflikten fehlt, herrscht in der Tat dringender Aufklärungs- und Fortbildungsbedarf bei Ärzten und Ärztinnen, bei Hebammen, Lehrern und Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie bei den Jugendämtern. Auch über die medizinischen Möglichkeiten zur Behebung der Folgeschäden von Genitalverstümmelung müßte mehr bekannt sein.
Zweitens ein Wort zu den Herkunftsländern. Die Unterstützung von Aufklärungskampagnen und Mo-dellprogrammen in den betroffenen Ländern, ist im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sicher die Chance überhaupt, das Übel an der Wurzel zu bekämpfen. Dabei sollten wir aber niemals außer acht lassen, daß Versuche, von außen Einfluß zu nehmen - so steht es auch in der Großen Anfrage -, oft als Einmischung in die jeweiligen Traditionen abgelehnt werden. Viele Frauen und Mädchen aus Kulturkreisen, wo Genitalverstümmelungen üblich sind, leben in dem Bewußtsein, daß die Beschneidung etwas Gutes sei, um rein zu sein, um zu einer richtigen Frau zu werden, um die Familienehre zu bewahren. Aus diesem Grund muß Aufklärung von innen heraus erfolgen. Wir sollten einheimische Frauengruppen und Organisationen unterstützen, die durch sensibles und einfühlsames Vorgehen vor Ort versuchen, eine Bewußtseinsänderung zu erreichen.
Beim dritten Punkt geht es um Anerkennung von Genitalverstümmelung als Asylgrund oder als Abschiebungshindernis nach dem Ausländergesetz. Um sich einen Begriff von der Dimension dieser Frage zu machen und zugleich Befürchtungen entgegenzuwirken, daß hier ein neues Einfallstor geöffnet werden könnte, seien folgende Zahlen genannt. In Deutschland sind überhaupt nur 30 Prozent aller Asylsuchenden Frauen. Fast alle diese Frauen erhalten Familienasyl, das heißt, das Aufenthaltsrecht der Frau wird von dem Asyl des Ehemannes abgeleitet. Eigene Asylgründe werden nur von einem verschwindend geringen Anteil von Frauen geltend gemacht; der Anteil liegt unter 1 Prozent - damit wir überhaupt wissen, wovon wir reden und ob da eine Gefahr für uns liegen könnte.
In wie vielen Fällen drohende Genitalverstümmelung als Asylgrund vorgetragen wurde, ist nicht erfaßt. Allerdings ist ein Fall bekannt, in dem wegen einer drohenden, gegen den Willen der Betroffenen durchzuführenden Genitalverstümmelung eine Asylberechtigung zuerkannt wurde. Grundsätzlich ist daraus zu folgern, daß unser Asylrecht einer Anerkennung wegen eines derartigen „Eingriffes in die physische und psychische Integrität", wie es im Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg heißt, nicht entgegensteht. Eine Klarstellung wäre aber auf jeden Fall hilfreich.
Zu fragen bleibt allerdings, warum erstens Genitalverstümmelungen in Asylanträgen kaum vorgebracht werden und zweitens mit welcher Begründung und wieviel entsprechende Anträge von Frauen bislang abgelehnt wurden. Der Grund dafür, daß Beschneidungen nur so selten als Asylgrund vorgebracht werden, mag zum einen daran liegen, daß die sogenannte Beschneidung in aller Regel im Alter zwischen zwei - oder noch jünger - und 18 Jahren vorgenommen wird, also dann, wenn ein Kind oder junges Mädchen noch gar nicht in der Lage ist zu flüchten. So wird es realistischer sein, daß eher Mütter mit ihren Töchtern fliehen, um sie vor der Verstümmelung, besser: vor Tradition und Familiendruck, zu schützen.
Das mag auch die Erklärung dafür sein, daß es selbst in Kanada, den USA und in Australien, wo geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe durch entsprechende Richtlinien im Asylverfahren anerkannt werden, bisher nur vereinzelt Fälle gegeben hat, in denen - meist alleinerziehende - Frauen mit ihren Töchtern aus afrikanischen Ländern geflüchtet waren und Asylanträge stellten mit der Begründung, daß sie ihre Töchter vor der Verstümmelung bewahren wollten.
Der Grund dafür, daß Beschneidungen als geschlechtsspezifische Verfolgung in der Rechtspraxis bisher kaum relevant wurden, mag aber auch in unseren Asylverfahren begründet sein.
Zentrale Forderung besonders der Frauen in unserer Fraktion ist deshalb auch, die Verfahren daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie Frauen überhaupt die Möglichkeit geben, Genitalverstümmelungen und andere geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe als Grund des Asylantrags oder als Abschiebungshindernis vorzubringen. Beobachtung und Auswertung von Entscheidungsverfahren lassen daran zweifeln, daß hier den Frauen und ihrer spezifischen Situation in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird.
Erstens. Nach wie vor sind die organisatorischen Voraussetzungen hinsichtlich der Verfügbarkeit von
Ilse Falk
weiblichen Befragerinnen und Dolmetscherinnen unbefriedigend, wobei allerdings nicht unerwähnt bleiben sollte, daß sich das Bundesamt doch inzwischen intensiv bemüht, hier zu Verbesserungen zu kommen und verstärkt Schulungsmaßnahmen anbietet, die sich an Sonderbeauftragte für die Befragung unbegleiteter Minderjähriger, geschlechtsspezifisch verfolgter Frauen, von Folteropfern und traumatisierten Antragstellerinnen wenden.
Zweitens. Frauen bringen erlittene oder drohende sexuelle Gewalt aus psychologischen Gründen oft erst später ins Verfahren ein, was dann als unglaubwürdig angesehen wird. Die Beschleunigung der Asylverfahren richtet sich insofern gegen die in dieser Weise betroffenen Frauen.
Drittens. Beschneidungen oder sexuelle Übergriffe werden als privates Handeln abgetan. Die Frage nach der staatlichen Verantwortung wird nicht gestellt oder mit dem Hinweis auf kulturelle Normen des Heimatlandes als asylrechtlich unbeachtlich eingestuft.
Viertens. Die größte Schwierigkeit für Frauen im Asylverfahren ist, daß die Verfolgung dem Staat zuzurechnen sein muß. Hier sollten wir versuchen, ein humanitäres Bleiberecht zu definieren, das bei drohender schwerwiegender Menschenrechtsverletzung wie bei der Genitalverstümmelung greift, ohne daß es hierbei auf eine explizite staatliche Verfolgung ankommt.
Meine Damen und Herren, dies war ein Einstieg in das Thema. Wir werden in den weiteren Beratungen auf Einzelheiten eingehen. Ich kann mir gut vorstellen, daß wir auch in dieser Frage interfraktionell zu einem guten Ergebnis kommen können. Es besteht ja nun absolute Einigkeit darüber, daß bei diesem schrecklichen Thema, mit dem wir uns nun gerade noch in der letzten Sitzung dieses Jahres und vor Weihnachten befassen, Handlungsbedarf angesagt ist. Vielleicht können wir dadurch aber Gutes für die Frauen und Mädchen erwirken, die davon betroffen sind.
Das Wort hat die Kollegin Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit Afrikanerin beginnen:
Ich hebe mein Land, ich liebe meine Kultur, aber ich sage: Genitialverstümmelung macht die Frauen krank. Und was krank macht, kann nicht unsere Kultur sein. Gott hat die Menschen so gemacht, wie sie aussehen. Wenn er einen Teil ihres Körpers nicht gewollt hätte, hätte er die Frau so nicht geschaffen.
Das sagt Zara Yacoub.
Sie wurde wegen ihrer Aufklärungsarbeit gegen Genitalverstümmelung im Tschad mit der Fatwa, dem offiziellen Todesurteil, belegt.
Das Thema, das wir heute beraten, eignet sich nicht für einen Parteienstreit. Es erfordert aber Parteilichkeit für Frauen und für Menschenrechte,
und zwar ohne europäische Überheblichkeit. Wenn aber weltweit täglich 6000 Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt werden, wenn viele von ihnen das nicht überleben, die meisten lebenslange schwere gesundheitliche Schäden davontragen, dann dürfen wir in Deutschland nicht einfach wegsehen und schweigen.
Wir haben uns auch zur Hilfe verpflichtet: Im Abschlußdokument der Pekinger Weltfrauenkonferenz wird die Verstümmelung weiblicher Geschlechtsorgane als Menschenrechtsverletzung definiert. Die internationale Staatengemeinschaft - so auch Deutschland - hat sich 1995 verpflichtet, Maßnahmen gegen die Genitalverstümmelung zu ergreifen. Während Länder wie Dänemark, Norwegen, Schweden, Frankreich, Großbritannien und die Schweiz diese Selbstverpflichtung bereits eingelöst haben, blieb die Bundesregierung - bis auf das Erstellen der Broschüre, die vorhin diskutiert wurde - untätig. „Sprecht das Unaussprechliche aus!", haben uns die Afrikanerinnen in Peking gesagt, „Helft uns in unserem Kampf gegen die Genitalverstümmelung." Das wollen wir tun! Hier müssen wir uns einmischen, Frau Falk; hier ist Einmischung wirklich gefragt.
Drei Argumente werden denen, die sich auf diesem Gebiet engagieren, immer wieder vorgehalten. Diese möchte ich hier widerlegen.
Erstens. „Das ist doch ein afrikanisches Problem", wird häufig gesagt, „damit haben wir doch nichts zu tun". Ganz so einfach ist es nicht. Denn wir leben in einer Welt, und der Kampf für Menschenrechte darf nicht vor Ländergrenzen haltmachen. Zum anderen leben immer mehr Menschen aus Ländern, in denen Genitalverstümmelung praktiziert wird, in Deutschland und schicken ihre Töchter zur Beschneidung, wie es so heißt, in ihr Heimatland oder lassen sie hier durchführen. Von 20 000 spricht das Deutsche Ärzteblatt. Diesen Menschen müssen wir deutlich machen, daß Genitalverstümmelung bei uns verboten und eine strafbare Handlung ist.
„Das sind doch religiöse Riten, in die wir uns nicht einmischen dürfen", lautet das zweite Argument. Tatsächlich ist es jedoch so, daß diese Praktik von keiner der Weltreligionen gefordert wird. Genitale Verstümmelung ist vielmehr Ausdruck und gleichzeitig Mittel zur Unterdrückung von Frauen. Sie ist ein massiver Angriff auf das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit.
Irmingard Schewe-Gerigk
Eine Betroffene sagte dazu:
Zweifellos wird dieses System von den Männern am Leben gehalten, gestützt von patriarchalischen Strukturen, die in den betroffenen Ländern existieren. Diese Praxis wäre innerhalb einer Generation ausgerottet, sobald die Männer ankündigen würden, unbeschnittene Frauen zu heiraten.
Das dritte Argument lautet: „Wir können doch hier nichts tun!" Unser Antrag beweist das Gegenteil. Von den umfangreichen Maßnahmen will ich nur einige nennen: Wir müssen endlich Mädchen und Frauen asylrechtlichen Schutz bieten, die vor drohender Genitalverstümmelung nach Deutschland füehen, weil sie in ihrem Heimatland nicht davor geschützt werden können. Dabei geht es nicht nur um die Verfolgung durch den Staat, sondern auch darum, daß manche Staaten nicht in der Lage sind, diese Frauen und Kinder zu schützen. Frauenspezifische Fluchtgründe müssen endlich insgesamt auch als solche anerkannt werden. Dazu sind das Asylverfahrensgesetz und das Ausländergesetz zu ändern. Hier stimme ich ausdrücklich mit den Anträgen der SPD und der PDS überein.
In Deutschland gibt es bisher leider erst ein Urteil -es wurde vorhin angesprochen - vom Verwaltungsgericht Magdeburg, das sagt, daß eine
... gegen den Willen der Betroffenen durchgeführte Genitalverstümmelung als asylrechtlich relevanter Eingriff in die physische und psychische Integrität...
zu werten ist und aus diesem Grunde den Frauen und Mädchen Asyl zu gewähren ist. Ich hoffe, es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Richter und Richterinnen, die solches Recht sprechen.
Zur Verdeutlichung bedarf es gesetzlicher Klarheit: Die USA und Kanada haben uns das vorgemacht.
Daß Genitalverstümmelung schon jetzt bei uns verboten ist, ist leider viel zuwenig bekannt. Darum müssen die Initiativen, die Aufklärung und Beratung anbieten, finanziell unterstützt werden.
Ich will hier exemplarisch auf eine Aktion von „Terre des femmes" hinweisen, die in diesem Jahr in vielen deutschen Städten läuft und die auch wir unterstützen sollten. Aber auch die Regierung ist hier gefordert. Sie soll eine Koordinierungsstelle im Ministerium einrichten, um die Dimension des Problems zu verdeutlichen. Sie muß auch Informationen erarbeiten, die alle Einreisenden bekommen sollen, damit sie wissen, daß die Genitalverstümmelung bei uns verboten ist und eine strafrechtliche Relevanz hat. Das muß deutlich gemacht werden.
Natürlich können auch die Bundesländer nicht außen vor bleiben. Frauenzentren und Notrufgruppen
gibt es schon jetzt in vielen Städten. In Berlin und Kiel existieren Zentren für traumatisierte Frauen.
Diese können durch Betroffene auch auf dem Gebiet der Genitalverstümmelung Hilfe anbieten.
Daß Ärzte und Ärztinnen hier eine besondere Verantwortung haben, liegt nahe. Sie selbst haben bereits erkannt, daß genaue Kenntnisse notwendig sind, um die betroffenen Frauen im Falle einer Krankheit oder einer Schwangerschaft besser behandeln zu können und um ihren Töchtern die Verstümmelung zu ersparen. Der 99. Deutsche Ärztetag hat zudem beschlossen, daß die Beteiligung von Ärzten an der Durchführung dieses Eingriffs berufsrechtlich zu ahnden sei. Ich glaube nicht, daß der 99. Deutsche Ärztetag einen solchen Beschluß gefaßt hätte, wenn das überhaupt kein Problem wäre.
Aber auch das Strafrecht bietet schon jetzt die Möglichkeit, Genitalverstümmelung als gefährliche Körperverletzung zu bestrafen, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD hervorgeht. Dies ist bisher jedoch noch nicht im Bewußtsein der Menschen. Darum fordern wir ausdrücklich eine Ergänzung des Strafrechts. Es müssen aber auch diejenigen bestraft werden, die ihren Lebensmittelpunkt bei uns in Deutschland haben und die Kinder zum Zwecke der Verstümmelung ins Ausland bringen. Genitale Verstümmelung ist nicht nur eine einmaüge Kindesmißhandlung, sondern wird zu einer lebenslangen Traumatisierung.
Wie wir wissen, ist das Strafrecht allerdings immer nur die allerletzte Möglichkeit. Prävention im In- und Ausland und Hilfe für die in Frage kommenden Länder sind sicher wirkungsvoller. Darum wollen wir die Länder und die Initiativen, die es dort gibt, die sich für die Abschaffung dieser menschenverachtenden Praxis einsetzen, durch staatliche Entwicklungszusammenarbeit besonders fördern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen wir die betroffenen Länder, lassen wir die betroffenen Frauen mit ihrem Problem nicht allein! Verständigen wir uns in den kommenden Ausschußberatungen auf einen gemeinsamen Antrag, um Frauenrechte durchzusetzen! Frauenrechte sind Menschenrechte, haben wir in Peking gehört. Fangen wir damit an, sie auch bei uns umzusetzen.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Irmgard Schwaetzer, F.D.P.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Beschneidung von Mädchen und Frauen oder besser gesagt, die Verstümmelung der Genitalien an Mädchen und Frauen ist nicht nur ein Problem der Entwicklungsländer, sondern es ist - und wird möglicherweise zunehmend - auch ein Problem in Deutschland.
Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD eine Schätzzahl von 20 000 Mädchen und Frauen, die in Deutschland leben und
Dr. Irmgard Schwaetzer
diesem grausamen Ritual ausgesetzt gewesen sind, angegeben, wobei wir nicht wissen, wo es gemacht worden ist. Nach allem, was wir auch aus anderen europäischen Ländern wie Großbritannien und Frankreich und über die Anzahl der Familien aus afrikanischen Ländern, aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens oder auch Asiens wissen, in denen Beschneidungen praktiziert werden, müssen wir davon ausgehen, daß Beschneidungen auch hier in Deutschland durchgeführt werden. Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir in der Tat nicht schweigen. Hier müssen wir handeln, und hier muß die Bundesregierung handeln.
„Es ist Folter" sagen betroffene Frauen, die sich in Gruppen engagieren und in den Ländern, in denen heute noch die Beschneidung praktiziert wird, für Aufklärung und dafür sorgen, daß dieses Thema endlich enttabuisiert wird.
Die Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 hat ausdrücklich - übrigens nach langen Kämpfen - das Verbot der Verstümmelung weiblicher Geschlechtsorgane als Vorgabe an alle Länder aufgenommen. Auch die Länder, in denen heute noch Beschneidung praktiziert wird, haben dieser Aktionsplattform zugestimmt. In Peking wurde dieses Thema explizit im Gesundheitsbereich erwähnt und nur in umschriebener Form im Kapitel über Menschenrechtsverletzungen. Dennoch ist diese grausame Verstümmelung selbstverständlich ein Akt der Gewalt gegen Kinder, ein Akt der Gewalt gegen Frauen und darf damit keine Rechtfertigung in Gebräuchen, Traditionen oder Religionen finden. Das muß ganz klar sein.
Wir wissen, wie schwer es ist, das Thema zu enttabuisieren, sowohl in den Ländern, in denen das praktiziert wird, als auch innerhalb der ethnischen Gruppen, die bei uns leben. Dennoch müssen wir Mittel und Wege finden, hier zu agieren.
Es gibt verschiedene Wege: zum einen nach außen. Ich denke, wir müssen erwarten, daß das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in noch intensiverer Form Unterstützung für die mutigen Männer und Frauen gibt, die in ihren Ländern Aufklärung über die gesundheitlichen und psychischen Folgeschäden der Beschneidung durchzusetzen versuchen und für eine Abschaffung dieser Praktiken plädieren.
Wir müssen erwarten, daß das Auswärtige Amt dieses Thema bei der nächsten Sitzung der UN-Menschenrechtskommission in Genf im April des nächsten Jahres als Thema auf die Tagesordnung hebt.
Wir müssen aber vor allen Dingen natürlich sehen, daß Menschenrechtsschutz zu Hause beginnt. Es gibt in Deutschland - geschätzt - 20 000 Frauen und Mädchen, die so verstümmelt sind. Da es richtig ist, daß § 223a des Strafgesetzbuches gefährliche Körperverletzung als eine Strafvorgabe formuliert, muß man sich doch fragen, warum es in Deutschland nicht ei-
nen einzigen Prozeß - weder gegen eine Frau, die im Auftrag einer ethnischen Gruppe eine solche Verstümmelung vorgenommen hat, noch gegen Eltern, die ihre Töchter dieser Prozedur ausgesetzt haben -gibt.
In Frankreich haben solche Prozesse eine sehr große öffentliche Aufmerksamkeit erregt und damit erheblich zur Enttabuisierung des Themas beigetragen. Das ist dort inzwischen ein öffentliches Thema. Wir müssen dafür sorgen, daß es das auch hier wird.
Ich glaube, daß die Schaffung eines besonderen
Straftatbestandes, zum Beispiel in § 224 des Strafgesetzbuches, so wie es auch die Frauenärzte auf ihrem Kongreß 1996 der Bundesregierung vorgeschlagen haben, eine gute Möglichkeit wäre, Mädchen besser vor ihren Peinigern zu schützen.
Frau Dr. Schwaetzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Nickels?
Meine Zeit ist leider sehr begrenzt. Ich möchte noch zwei Punkte anführen.
Der nächste Punkt ist der eigenständige Asylanspruch von Mädchen und Frauen, die dieser Gewalt ausgesetzt werden. Wir müssen uns klar sein, daß vor allen Dingen in den Ländern, in denen entgegen der Vorgabe von Peking noch kein Verbot der Verstümmelung gesetzlich ausgesprochen ist, Frauen staatlicher Gewalt natürlich ausgesetzt sind. Das trifft meines Erachtens auf Länder wie zum Beispiel Ägypten zu, wo es zwar eine staatliche Strafnorm gibt, aber die religiösen Führer mit staatlicher Billigung einen solchen Einfluß in der Gesellschaft haben, daß hier ebenfalls eine solche Verfolgung angenommen werden muß. Deswegen plädiere ich dafür, daß wir tatsächlich einen eigenständigen Asylanspruch für diese Frauen und Mädchen formulieren und durchsetzen.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich erwarte von der Frauenministerin, vom Gesundheitsminister und vom Justizminister, daß sie auf den nächsten Bund-Länder-Konferenzen dafür sorgen, daß es genügend Unterstützung für aufklärende Arbeit in den ethnischen Gruppen in Deutschland gibt, daß genügend Ansprechpartner für beschnittene Frauen und Mädchen vorhanden sind, aber auch für Mütter, die ihren Töchtern diese Folter ersparen wollen, und genauso für Mädchen, die aus dem Tabu ihrer Familie ausbrechen wollen. Das muß jetzt sein.
Ich wünsche mir, daß wir zu einem gemeinsamen Antrag kommen. Ich denke, daß der Antrag der SPD dafür eine gute Grundlage sein kann.
Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke, PDS.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden die vorliegenden Anträge unterstützen; denn natürlich meinen wir, wie es meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben, daß die genitale Verstümmelung eine schwere Körperverletzung darstellt und strafrechtlich verfolgt werden muß.
Sie haben sehen können, daß wir einen eigenen Antrag eingebracht haben. Wir wollen mit diesem Antrag erreichen, daß auch weitere frauenspezifische Verfolgungsgründe als Asylgründe anerkannt werden.
Gerade die Kollegin von der Union möchte ich daran erinnern, daß wir dafür 1990 eine breite Mehrheit in diesem Bundestag zusammenhatten und bereits Beschlüsse in einem Entschließungsantrag vereinbart wurden, die aber leider nie umgesetzt wurden.
Hier ein konkreter Fall, der sich nicht auf genitale Verstümmelung bezieht, sondern die Geschichte einer ehemaligen Oppositionspolitikerin aus Zaire aufzeigt, die es geschafft hat, nach Deutschland zu fliehen - ich zitiere sie -:
Sie schlugen mich, bis ich ohnmächtig wurde. Sie gossen mir Wasser ins Gesicht, damit ich aufwachte. Sie warfen mich in einen Raum, wo schon andere Frauen waren. Sie sagten mir, ich solle nur warten, bis die Nacht komme. Am nächsten Tag waren wir nur noch zehn. Drei Frauen hatten die Soldaten umgebracht. Wir wurden geschlagen und vergewaltigt.
Der Asylantrag dieser Frau aus Zaire wurde in der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt. Ihre Anhörer und Dolmetscher waren ausnahmslos Männer. Damit will ich nicht sagen, daß nicht auch Frauen unsensibel sein können. Aber ich meine, eine wichtige Forderung wäre auch die, traumatisierte oder vergewaltigte Frauen durch Frauen anzuhören bzw. sie von Frauen behandeln zu lassen und ihnen das Recht auf eine psychosoziale Betreuung zu gewähren.
Wie Sie wissen, hat in diesem Land nur noch derjenige Grund für einen Asylantrag, der staatliche Verfolgung nachweisen kann. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Frauen von Bosnien-Herzegowina erinnern, die im Krieg vergewaltigt wurden, nun in einem traumatisierten Zustand sind, aber heute trotzdem vor einer Abschiebung stehen.
Zirka 50 Millionen Menschen auf dieser Welt sind - das sagt jedenfalls der UNHCR - auf der Flucht. Es gibt viele Frauen und Kinder, die davon betroffen sind. Wir meinen, es ist wichtig, in das Asyl- bzw. Ausländerverfahren einzubeziehen, daß weitergehende frauenspezifische Fluchtgründe akzeptiert werden. Das können wir nur durch eine gesetzliche Änderung erreichen.
Nicht nur die Weltfrauenkonferenz - sie wurde hier schon erwähnt -, sondern auch der UNHCR und
andere Menschenrechtsorganisationen fordern dies seit langem. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß gerade im „Europäischen Jahr gegen den Rassismus" von diversen Asyl- und Flüchtlingsorganisationen eine Kampagne mit dem Titel „Frauen schützen" geführt wird, in denen genau diese Fälle öffentlich gemacht werden.
Es geht - um noch einige Beispiele zu nennen - dabei um die sexuellen Übergriffe, es geht um Zwangsabtreibung, insbesondere von weiblichen Föten, es geht um Zwangsverheiratung und um die in manchen Ländern zwangsweise vorgeschriebene Kleiderordnung. Das alles ist Grund genug, sich weitergehend weltweit umzuschauen, wo gegenwärtig Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen vorgenommen werden, damit sie hier Zuflucht finden können.
Wenn ich davon spreche, daß 50 Millionen Menschen auf der Flucht sind, dann wissen Sie genauso gut wie ich, daß es nur sehr wenige Menschen bis hierher schaffen. Insbesondere sind es wenige Frauen. Denn die meisten Frauen haben gar nicht das Geld, um einen solch weiten Fluchtweg überhaupt anzutreten.
Ich hoffe ebenso wie meine Kolleginnen und Kollegen, daß wir zu einem parteiübergreifenden Antrag kommen. Aber ich bin der Meinung, daß wir nicht ausschließlich über die sexuelle Verstümmelung beraten sollten, sondern auch über weitergehende Delikte wie Vergewaltigung - all das, was ich hier angesprochen habe.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Rudolf Bindig, SPD.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ist die Debatte zum Thema Beschneidung bisher von Frauen geführt worden, so ist es wichtig, daß sich jetzt auch ein Mann zu diesem Thema zu Wort meldet. Die mit dem Begriff Beschneidung verharmlosend umschriebene Verstümmelung der weiblichen Genitalien ist nicht nur ein Frauenthema; es geht auch die Männer an, es ist eine Menschheitsfrage und ein Menschlichkeitsanliegen.
Wichtig ist auch, daß sich in dieser Debatte die Abgeordneten zu Wort melden, die sich mit Menschenrechtsfragen befassen. Beschneidung ist eine besonders schwere Form der Menschenrechtsverletzung, eine Tortur, die nur mit Folter zu vergleichen ist.
Dies betrifft sowohl die zu durchleidenden Qualen während und noch lange nach der Prozedur als auch das Trauma, das die Opfer der Prozedur ein Leben lang begleitet.
Rudolf Bindig
Der Foltercharakter bezieht sich dabei auf alle vier Arten der Beschneidung, selbst auf die angeblich gemäßigten Formen und ganz besonders auf die pharaonische Beschneidung, bei der die Genitalien verstümmelt und mit Dornen zusammengeheftet und zusammengenäht werden. Die Frauen werden im Verlauf ihres Lebens immer wieder aufgetrennt und zusammengenäht - ein grausames Ritual lebenslanger Folterung.
Auch für Jungen und Männer kennen verschiedene Kulturen schmerzhafte Mannbarkeitsrituale. Was mit den verschiedenen Formen der Beschneidung jedoch Mädchen und Frauen an körperlicher und seelischer Verletzung angetan wird, übertrifft dies alles bei weitem.
Angesichts der Schwere der Menschenrechtsverletzung kann es nur verwundern, daß sich der Deutsche Bundestag erst jetzt intensiv mit diesem Problem befaßt. Offensichtlich konnte sich auch der Bundestag nicht ganz von der weitverbreiteten Praxis befreien, Beschneidung einem Tabubereich zuzuordnen und eine „Kultur des Wegsehens" zu betreiben. Angesichts des täglichen Leidens von Millionen Mädchen und Frauen weltweit darf das Thema aber nicht verdrängt und verschwiegen werden, sondern es muß klar und offen angesprochen werden.
In der internationalen Menschenrechtspolitik fehlt dazu oftmals noch die Bereitschaft oder der Mut. Zwar ist Beschneidung zum Thema der Beratung internationaler Konferenzen geworden - so der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz und insbesondere der Weltfrauenkonferenz in Peking und in deren Dokumenten doch sprachlich nähert man sich diesem Thema noch immer eher behutsam, zögerlich und umschreibend.
Im Schlußdokument der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz wird betont, wie wichtig es ist, für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen im öffentlichen und privaten Leben einzutreten und - ich zitiere - „auf die Ausmerzung aller Konflikte hinzuwirken, die sich zwischen den Rechten der Frau und den schädlichen Auswirkungen bestimmter traditioneller oder üblicher Praktiken, kultureller Vorurteile und des religiösen Extremismus ergeben". So wird das Thema Beschneidung eher umgangen als beschrieben.
Die von den UN eingesetzte Sonderberichterstatterin arbeitet beispielsweise zum Thema „traditionelle Praktiken, die die Gesundheit von Frauen und Kindern beeinträchtigen".
Herr Kollege Bindig, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Nickels?
Ja, bitte.
Herr Kollege, danke schön, daß Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie sagten, daß diese schrecklichen
Menschenrechtsverletzungen teilweise noch immer beschwichtigend mit den Argumenten verharmlost werden: traditionell, religiös, anderer kultureller Kontext. Meine Frage an Sie: Stimmen Sie mit mir überein, daß sich die Aufklärung auch auf unsere Medien- und Presselandschaft beziehen muß, wenn ich Ihnen mitteile, daß ich heute morgen einen Kommentar im Radio gehört habe, der genau in diese Richtung ging, der diese Menschenrechtsverletzungen dahin gehend verharmloste, daß sie in einem kulturellen Kontext stünden, daß sie traditionsbedingt seien? In diesem Kommentar wurde gefragt, was wir hier in Europa sagen würden, wenn Afrikaner uns unsere Tradition, alte Menschen in Sterbehäuser, sprich: Altenheime abzuschieben, vorhalten würden. Wenn ich Ihnen das so sage, würden Sie mir dann zustimmen, daß auch in den Rundfunkräten und in der Presselandschaft noch einiges an Aufklärung zu leisten ist?
Ja, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu. Ich hoffe, daß wir auch heute ein bißchen Aufklärungsarbeit in Richtung Medien hier leisten können.
Erst die Dokumente der Weltfrauenkonferenz in Peking sprechen von der Verstümmelung der weiblichen Genitalien. Ein Bewußtsein hinsichtlich der Schwere der Menschenrechtsverletzungen kann in den meist von männlichen Diplomaten besuchten Menschenrechtsgremien nur geschaffen werden, wenn es gelingt, die grausame Realität in klarer Sprache zu benennen. Warum sollten Worte geschont werden, wo Frauen nicht geschont werden?
Aufklärungs- und Informationsbedarf in bezug auf die grausamen Praktiken der Beschneidung besteht aber nicht nur auf den internationalen Menschenrechtskonferenzen; er besteht mittlerweile auch in unserem Land. Er besteht natürlich in den Ländern, in denen die genitale Verstümmelung praktiziert wird. Insbesondere besteht er bei den geistlichen und kulturellen Führern, die für die Beschneidung eintreten.
Was in dem Fernsehmagazin „Mona Lisa" neulich ein islamischer Geistlicher aus Ägypten als Begründung für die Notwendigkeit der Beschneidung von Frauen angegeben hat, gehört zu dem Naivsten oder Erschreckendsten, das ich seit Jahren gehört habe. Nach der Ansicht dieses Würdenträgers würde eine Frau, die nicht beschnitten ist, ständig sexuell stimuliert, und um sie vor einer solchen ständigen Erregung zu schützen, müßte sie beschnitten werden. Das Beispiel zeigt, gegen wieviel Unwissenheit und wie viele Vorurteile anzukämpfen ist.
Ziel unserer heutigen Debatte muß es sicherlich sein, nicht nur über das Problem der Beschneidung zu sprechen, sondern Möglichkeiten einer Handlungsstrategie aufzuzeigen, wie Beschneidung auch
Rudolf Bindig
durch politisches Handeln aus Deutschland heraus und in Deutschland bekämpft werden kann. Dazu enthält unser Entschließungsantrag Vorschläge. Darin fordern wir zunächst die Bundesregierung auf, sich im Rahmen ihrer multilateralen Menschenrechtsaktivitäten verstärkt dafür einzusetzen, daß diese spezifische Form der Gewalt gegen Frauen konsequenter als bisher verurteilt und geahndet wird. Insbesondere - das wurde auch von anderen vorgeschlagen - sollte bei der 54. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission auf eine Resolution gegen die Praxis der genitalen Verstümmelung von Frauen und Mädchen hingewirkt werden.
Weiter sollte die Bundesregierung der Menschenrechtssituation von Frauen höhere Priorität in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit beimessen. Im politischen Dialog mit den Regierungen von Entwicklungsländern, in denen die Beschneidung praktiziert wird, sollte immer wieder auf die Verpflichtungen hingewiesen werden, die die meisten Länder mit dem Aktionsprogramm der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz von 1994 eingegangen sind.
Das Thema der genitalen Verstümmelung sollte bei Regierungsverhandlungen ausdrücklich als Menschenrechtsverletzung angesprochen werden, und über die Durchführungsorganisationen sollten entsprechende Projekte lokaler Frauenorganisationen gefördert werden.
Wir fordern die Bundesregierung weiter auf, auch innerhalb der Europäischen Union entsprechende Initiativen der Menschenrechts- und der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft vorzuschlagen und spezielle Anti-Beschneidungsprogramme von UNICEF und WHO verstärkt zu fördern. Auch an die privaten und kirchlichen Träger der Entwicklungszusammenarbeit möchten wir appellieren, die spezifische Problematik der Beschneidung von Frauen und Mädchen vermehrt in Projekte einzubeziehen, die dann über lokale Organisationen umgesetzt werden.
Politisches Handeln darf sich allerdings nicht nur an andere Länder und andere Kulturen richten, sondern muß auch Maßnahmen in Deutschland einbeziehen. Im Bereich der Rechtspolitik fordern wir eine Änderung des Strafgesetzbuches dahin gehend, den Tatbestand der schweren Körperverletzung auf die Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsorgane durch die sogenannte Beschneidung auszudehnen. Wir fordern die Bundesregierung weiter auf, im Ausländerrecht zu regeln, daß Flucht vor genitaler Verstümmelung als Asylgrund anerkannt wird. Wir halten es weiterhin für erforderlich, daß in Deutschland lebende Frauen und Mädchen Beratung, Unterstützung und Schutz erhalten. Dies sollte zum einen durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Gesundheits- und Sozialdienst und zum anderen in Flüchtlingsheimen sowie in Beratungs- und Begegnungszentren erfolgen.
Mit den Bundesländern sollte ein Konzept entwikkelt werden, mit dem Beratung und Unterstützung in
Einzelfällen, die Entwicklung und Verbreitung von Aufklärungs- und Informationsmaterialien in den verschiedenen Sprachen sowie die Entwicklung und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen und die Verbreitung von Fachinformationen sichergestellt werden. Besonders sollte geprüft werden, ob spezielle Beratungsstellen auf Länder- oder Bundesebene hilfreich sein können.
Schließlich ermuntern wir die Bundesärztekammer, Berufsverbände und medizinische Fachgesellschaften, sich noch intensiver mit der Problematik der Verstümmelung weiblicher Genitalien zu beschäftigen und ihre Öffentlichkeitsarbeit in dieser Hinsicht weiter zu verstärken. Ein solches Handlungsprogramm sind wir den betroffenen Frauen schuldig. Es ist überfällig.
Es kann und sollte neben unserer Diskussion über ein Menschenrechtsinstitut in Deutschland unser diesjähriger Beitrag zum Tag der Menschenrechte sein.
Die Bekämpfung der Beschneidung muß verstärkt aufgenommen werden. Beschneidung ist Genitalverstümmelung und Schnitt in die Seele zugleich. Wir, Frauen und Männer, sollten uns verstärkt daranmachen, für das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit von Mädchen und Frauen einzutreten.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Erika Schuchardt, CDU/CSU.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Das Thema, um das es heute geht und das ganz gewiß nicht von dem Gedanken an die Weihnachtszeit verdrängt werden darf, sondern - gerade weil es als letztes auf unserer Tagesordnung steht - ein besonderes Gewicht erhält, betrifft den intimsten Bereich des menschlichen Zusammenlebens in unserer Welt. Es ist erschütternd; denn es ist ein Thema, das brennt und schmerzt, und dies ein ganzes Leben lang. Es geht um die traditionelle sexuelle Folter an Neugeborenen, an Mädchen und an Frauen.
Wir, die wir hier sitzen, leben in einer Kultur, in der wir uns bemühen, Kindertränen zu vermeiden und Unglück und Schmerz von unseren Kindern fernzuhalten. Aber in anderen Kulturen und Ländern, mit denen wir auch in wirtschaftücher Beziehung stehen, ist die grausame Beschneidung von kleinen Mädchen und von Frauen noch immer an der Tagesordnung. In 20 afrikanischen Staaten ist die Verletzung des weiblichen Körpers weit verbreitet: Ägypten, Sudan, Benin, Elfenbeinküste, Ghana, Kenia, Liberia, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, Obervolta, Senegal, Sierra Leone, Somalia, Tansania, Togo, Tschad, Zentralafrikanische Republik und Äthiopien. Auch in Teilen von Asien und Brasilien und zunehmend - durch Einwanderer praktiziert - in Europa, finden diese verbrecherischen Eingriffe ständig statt, tagtäglich an über 4000 Betroffenen.
Dr. Erika Schuchardt
Um zu verstehen, nein, zu fühlen, worum es hier geht und warum wir eine christliche, eine Pflicht als Menschen haben, alles gegen diese Form von Folter zu tun, lassen wir eine Ägypterin zu Wort kommen, die weiß, wovon sie spricht.
Ich war damals sechs Jahre alt.
- So berichtet die Ägypterin Dr. Nawel el Saadawi. -
Eines Tages, ich lag in meinem warmen Bett, fühlte ich plötzlich eine große, rauhe Hand unter der Decke. Eine andere Hand hielt mir den Mund zu. Sie schleppten mich ins Bad. Ich weiß nicht, wie viele sie waren. Alles, woran ich mich erinnern kann, ist, daß sie mich festhielten, ich konnte mich nicht bewegen. Unter mir die nackten Kacheln. Ich hörte, wie sie ein Messer schliffen. Dann rissen sie meine Beine ganz weit auseinander, und eine scharfe Klinge schnitt etwas aus mir heraus. Ich schrie vor Schmerz, obwohl sie mir den Mund zuhielten. Denn dieser Schmerz war für mich nicht irgendein Schmerz, sondern eine glühende Flamme, die durch meinen ganzen Körper schoß. Nach wenigen Augenblicken bildete sich unter mir eine rote Blutlache.
Ich wußte nicht, was sie mir weggeschnitten hatten, wollte es auch nicht wissen. Ich weinte und rief nach meiner Mutter. Der größte Schock war, als ich sah, daß sie
- ihre eigene Mutter -
zwischen diesen Fremden stand. Meine Mutter redete mit ihnen und lächelte, als ob nichts passiert wäre.
Sie trugen mich zurück in mein Bett. Dann packten sie meine um zwei Jahre jüngere Schwester. Ich schrie, so laut ich konnte: Nein! Aber es half nichts - sie taten ihr das gleiche an wie mir ...
Die Frau, die diese bewegenden Worte an uns richtet, ist eine sehr mutige Frau. Sie gehört zu den wenigen Frauen Ägyptens, die über diese Tortur sprechen und die es trotz dieser Eingriffe, die für uns alle unvorstellbar sind, geschafft haben, eine Ausbildung durchzustehen; sie ist heute Ärztin.
Die grausamen Eingriffe, mit denen weltweit 130 Millionen Frauen leben müssen, zerstören nicht nur unmittelbar die empfindlichste Region des weiblichen Körpers. Der Angriff auf die zarte kindliche Seele ist ungeheuerlich. Das Gefühl, sich wehren zu können, wird total eliminiert. Auch die spätere körperliche Liebesfähigkeit wird für immer vernichtet.
Doch darüber hinaus gibt es einen Punkt, der alle Gesellschaften dieser Welt berührt. Denn auch in die Seelen dieser Frauen sowie ihre Kreativität und Schaffenskraft in der Familie, in der Gesellschaft werden bleibende Wunden geschlagen, die niemals verheilen. Mädchen und Frauen sind an Leib und Seele verletzt, oft ihr Leben lang. Sie sind verletzt als Personen, als Individuen. Dadurch entfällt weitgehend eine aktive, selbstbewußte Beteiligung an demokratischen, an wirtschaftlich stabilen Gesellschaften.
Meine Damen und Herren, sexuelle Übergriffe wie die rituelle Beschneidung vertiefen die Kluft zwischen den Geschlechtern. Von Chancengleichheit oder Gleichberechtigung, von Fürsorge und Nächstenliebe kann in solch einem Land nicht die Rede sein. In Ägypten beispielsweise kann nur jede vierte Frau lesen und schreiben. Sexuelle Beschneidung beschneidet auch die gesellschaftliche Möglichkeit von Frauen; denn die brutalen Übergriffe - viele Frauen werden in der Hochzeitsnacht mit dem Messer defloriert und anschließend wieder zugenäht -führen zu den schwersten körperlichen und seelischen Schäden. Ich erinnere an den aktuellen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung" vom 10. Dezember.
Bei der furchtbarsten Form der Beschneidung, der Infibulation, der sogenannten pharaonischen Beschneidung, werden Klitoris und Schamlippen mit Glasscherben oder Rasierklingen weggeschnitten und anschließend mit Fäden oder Dornen zusammengeheftet. Jeder von Ihnen kann ohne medizinische Kenntnis nachvollziehen, was das für katastrophale körperliche Folgen hat: Menstrualblut wird gestaut und entzündet sich. Chronische Entzündungen der Harnwege, der Scheide und der Gebärmutter sind der Normalfall. Immer wieder geschieht es, daß ein Ehemann in der Hochzeitsnacht seine Frau wegen des vernarbten und vollkommen unelastischen Gewebes nicht einmal mit dem Messer öffnen - deutlicher gesagt: aufschneiden - kann.
Beachtlicherweise zeigt sich folgendes: Je höher das Niveau der Ausbildung der Frauen, desto weniger häufig wird diese Grausamkeit praktiziert. Die Beschneidung der Frauen ist in großen Städten auf Grund von Aufklärung sogar leicht rückläufig. Katastrophal dagegen sind die Verhältnisse auf dem Land. Das Voranschreiten des islamischen Fundamentalismus bewirkt, daß sich diese traditionelle Folter gerade in Ländern wie Ägypten ausbreitet, obwohl die Beschneidung von Mädchen und Frauen im islamischen Recht unbekannt ist und auch der Koran kein einziges Wort, keine Sure darüber verliert.
Es gilt vor allem, die NGOs, die Nicht-Regierungsorganisationen, in ihrer Aufklärungsarbeit zu unterstützen. Bei vielen Frauen herrscht auch eine erschreckende biologische Unkenntnis vor. Gesellschaften, die ihre Frauen beschneiden, haben Angst vor der weiblichen Sexualität, insbesondere vor den weiblichen Sexualorganen. Man glaubt dort, daß sie unsauber seien.
Allerdings ist den Frauen dieser Länder der direkte Zusammenhang zwischen ihren ständigen Erkrankungen und der Beschneidung oft gar nicht klar. Wird in Aufklärungskampagnen in ländlichen Gebieten durch Schautafeln der verheerende Zusammenhang deutlich, fängt ganz langsam ein Umdenken an.
Hanny Lightfoot-Klein hat sich als internationale Expertin zum Thema Frauenbeschneidung etabliert. Sie beschreibt in ihrem Buch mit dem Titel „Das grausame Ritual", wie sie eine Nacht in einem sogenannten Flitterwochenhotel verbracht hat. Aus allen Zimmern hörte sie die durchdringenden Schmerzens-
Dr. Erika Schuchardt
schreie. Und nicht ohne Grund lag unmittelbar neben dem Hotel ein Krankenhaus.
Wie sich die Kindsgeburt bei einer sexuell verstümmelten Frau abspielt, meine Damen und Herren, können Sie sich lebhaft ausmalen. Mutter und Kind sind jedesmal in höchster Lebensgefahr, jedesmal muß neu geschnitten werden. Die meisten sterbenden Mütter sind Opfer traditioneller Rituale.
Die körperliche Liebe mit einer beschnittenen Frau ist, außer für Sadisten, kein Vergnügen. Durch Informationskampagnen auch bei den Männern dürfte es gelingen, die unsinnige, von keiner Religion vorgeschriebene Verstümmelung von Menschen zurückzudrängen.
Gesunde, stabile Demokratien brauchen gesunde, stabile Frauen. Wenn wir, die Bundesrepublik Deutschland, erfolgreiche Außenwirtschaft betreiben wollen, dann tun wir dies mit demokratischen und wirtschaftlich stabilen Partnern. Es zeigt sich, daß in stabilen Demokratien die Rechte von Frauen und Kindern einen hohen Stellenwert haben. Nur Frauen, die vor schwerwiegenden sexuellen Traumatisierungen sicher sind, entwickeln ein gutes Selbstwertgefühl. Sie nehmen eine gute Ausbildung für sich in Anspruch und behaupten sich in Wirtschaft und Politik.
Demokratische Strukturen sind die Voraussetzung schlechthin für langfristige Stabiiltät. Körperliche Verstümmelungen von kleinsten Mädchen, Kindern und Frauen stehen zum demokratischen Gedanken und zu unserem christlichen Glauben in absolutem Widerspruch.
Nun aber stellt sich die zentrale Frage: Haben wir ein Recht auf Einmischung, dürfen wir auf dem Weg von Entwicklungshilfe und politischem Druck das Recht der Frauen, über ihren Körper selbst zu bestimmen, unterstützen, oder üben wir damit eine neue Form von Kolonialismus aus? Die Antwort ist ein enschiedenes Nein. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt die Vorstellung von Anthropologen ab, die Initiative zur Vermeidung von Verstümmelung müsse von den Opfern selbst kommen. Wir sind der Überzeugung, daß nur intensive Aufklärung vor Ort und bei uns durch Massenmedien - ich erinnere an die Arbeit von NGOs, UNO und UNICEF - dazu beitragen können, diese grausame Politik einzudämmen und schließlich abzuschaffen. Ich erinnere an eine Plakataktion „Ein herrliches Fest - täglich 6000 betroffene Kinder".
Die grausamen Beschneidungsrituale finden übrigens möglicherweise - ich erinnere noch einmal an den aktuellen Bericht der „Süddeutschen Zeitung" vom 10. Dezember 1997- nicht nur im fernen Ausland statt. Durch Zuwanderer aus afrikanischen Ländern und in Deutschland ansässige moslemische Familien ist die Welle der Verstümmelung wahrscheinlich auch schon längst zu uns nach Deutschland vorgedrungen, obgleich die Ärzteorganisationen dies trotz mehrfacher Umfragen der Bundesregierung noch nicht bestätigen können. Ärzte, Seelsorger und Jugendämter stehen darum diesem tabuisierten Phänomen hilflos gegenüber. Hier besteht
dringender, wohl noch wenig erkannter Handlungsbedarf in Form von wissenschaftlicher Aufklärung und Abklärung.
Auch in Deutschland sehen wir die dringende Notwendigkeit, diese schwerwiegenden Übergriffe gegen Mädchen, die nach deutschem Recht selbstverständlich schwerwiegende Körperverletzungen darstellen, als ernsthafte Straftatbestände bewußt zu machen. Daß langsam ein solches Bewußtsein entsteht, nämlich daß traditionelle Strukturen niemals so weit gehen dürfen, Kinder und Frauen zu foltern, wird unter anderem daran deutlich, daß in den USA und Kanada sexuelle Verstümmelung als Asylgrund anerkannt worden ist. Auch in Deutschland erhalten Frauen Asyl, wenn sie politisch, das heißt staatlich verfolgt werden. Schon heute stellen Menschenrechtsverletzungen ein Abschiebehindernis dar, wenn die betroffene Person individuell und ganz konkret bedroht ist.
Gerade nach dem furchtbaren Anschlag in Luxor können wir erkennen, wie gefährdet die ägyptische Gesellschaft durch Extremisten ist. Um so mehr müssen gerade wir Christen von unserer Pflicht auf Einmischung Gebrauch machen; denn in Ägypten zum Beispiel wurde das vom Gesundheitsministerium erlassene Beschneidungsverbot im Sommer dieses Jahres durch das Verwaltungsgericht in Kairo wieder aufgehoben.
Wir sehen es als Teil unserer ethischen Verantwortung an, Gelder des Außenhandels und der Entwicklungshilfe an christliche Prinzipien, an das Menschenrecht, an die Unterstützung weiblicher Selbstbestimmung und Forderungen nach Demokratie zu koppeln.
Danke.
Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Gertrud Dempwolf.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir alle in diesem Hause sind uns darüber einig - das hat die Debatte wieder ganz deutlich gezeigt -, daß jede Form von Verstümmelung von Menschen eine Menschenrechtsverletzung ist; denn sie schädigt den Körper und den Geist der Betroffenen. Viele Frauen - wir haben das heute sehr eindrucksvoll gehört - leiden in zahlreichen Gesellschaften unter psychischer und physischer Gewalt.
Die Gewaltanwendung gegenüber Frauen durch die Verstümmelung ihrer Genitalien ist eine ganz besonders schwerwiegende Menschenrechtsverletzung, gleichgültig woher sie kommt. Kulturelle oder religiöse Traditionen können diese Form der Verach-
Parl. Staatssekretärin Gertrud Dempwolf
tung weiblichen Lebens und Empfindens niemals rechtfertigen.
Deshalb verurteilt die Bundesregierung solche Praktiken auf das schärfste. Sie hat sich international verschiedentlich dazu verpflichtet - zuletzt bei der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking; wir haben es heute sehr oft gehört -, Anstrengungen zur Bekämpfung der Beschneidung von Mädchen und Frauen zu unterstützen. Ich möchte betonen: Wir haben dieses Thema in Peking auf die Tagesordnung gebracht.
So klar wir diese frauenfeindliche Praxis verurteilen, so klar müssen wir aber auch bereit sein, zuzugeben, daß die Bekämpfung dieser Beschneidung nicht einfach ist. Denn die Bedingungen, die in den entsprechenden Ländern zum Fortbestand dieses Brauches beitragen, sind sehr vielfältig und tief in der jeweiligen Gesellschaft verwurzelt. Wer dies ignoriert, wird den betroffenen Frauen nicht helfen können.
Versuche, durch äußeren Einfluß diese Praktiken in Frage zu stellen, werden meist als Einmischung in die Tradition und als Diktat westlicher Lebensweisen und Anschauungen abgelehnt. Bei der Bekämpfung der Beschneidung von Mädchen und Frauen in afrikanischen und asiatischen Ländern müssen wir daher sehr sensibel vorgehen.
Für die Bundesregierung heißt das: Vor Ort sollten keine Mitarbeiter westlicher Projekte oder Frauengruppen in Erscheinung treten. Die notwendige Aufklärungsarbeit muß durch einheimische Gruppen und Organisationen erfolgen. Nur sie werden von der Bevölkerung akzeptiert und können so eine Verhaltensänderung erreichen. Nur die einheimischen Mädchen und Frauen können darüber befinden, wie sie sich am besten und am ehesten von diesen Traditionen befreien.
Das heißt im Umkehrschluß aber nicht, daß wir heute schon die betroffenen Frauen und Mädchen alleine lassen dürfen. Entscheidend ist, daß wir den richtigen Zugang zu diesem tabuisierten Thema finden. Internationale Organisationen wie WHO und UNICEF verpacken daher dieses Thema in allgemeine Aufklärungsaktionen zu Gesundheits- und Hygienefragen. Die guten Erfahrungen, die zwischenzeitlich gemacht worden sind, bestätigen diese Vorgehens weise.
Die Bundesregierung unterstützt solche Projekte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Dies gilt sowohl für Treuhandprojekte der UNICEF als auch für Projekte deutscher Nicht-Regierungsorganisationen, die in ihrer Menschenrechtsarbeit mit einheimischen Frauengruppen schon heute zusammenarbeiten.
Meine Damen und Herren, wir haben uns schon oft gefragt, wie viele beschnittene Frauen in Deutschland leben. Darüber liegen der Bundesregierung tatsächlich keine Aussagen vor. Auch nach mehrmaligen Umfragen bei den Bundesländern, bei den zuständigen Fachgesellschaften und bei den Be-
ratungsstellen gibt es darüber keine Erkenntnisse. Es ist auch nicht bekannt, ob und gegebenenfalls wie viele Mädchen in Deutschland heimlich beschnitten wurden oder beschnitten werden sollen. Das gleiche gilt für Fälle, in denen Mädchen aus Deutschland in ihre Herkunftsländer verbracht wurden, um dort beschnitten zu werden.
Es ist leider nicht auszuschließen, daß es diese Fälle auch in Deutschland gibt. Daß nach Informationen der WHO die Zahl der Genitalverstümmelungen in den ausländischen Bevölkerungsgruppen in Europa, Kanada und auch in den USA zunimmt, haben wir gehört. Ich möchte aber ausdrücklich davor warnen, sich in Statistiken und Zahlen zu verlieren. Damit ist keiner einzigen Frau geholfen.
Neben der Aufklärung vor Ort, um diese Verletzungen von Anfang an zu verhindern, steht die Bestrafung dieser Unrechtstat. Dies ist nicht nur in Deutschland so, sondern in allen EU-Ländern. Außerdem verstößt die Genitalverstümmelung gegen die ärztliche Berufsordnung.
In Deutschland ist die Beschneidung von Mädchen und Frauen zumindest als Körperverletzung strafbar. In der Regel dürfte gefährliche Körperverletzung vorliegen. Auch schwere bzw. besonders schwere Körperverletzung kann dabei in Betracht kommen.
Das vom Bundestag am 24. November 1997 beschlossene Strafrechtsreformgesetz sieht im übrigen bei den Körperverletzungsdelikten erhebliche Strafverschärfungen vor, so daß vorsätzliche Verstümmelungen weiblicher Genitalien mit Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahre geahndet werden können. Ich denke, das müssen wir noch sehr viel mehr in die Öffentlichkeit bringen.
Wenig bekannt dürfte sein, daß sich auch die ausländischen Eltern, die ihre Tochter ins Ausland bringen und dort beschneiden lassen, nach deutschem Recht strafbar machen. Aber auch die konkrete Planung des Transportes, um die minderjährige Tochter im Ausland zu beschneiden, kann rechtlich und tatsächlich unterbunden werden: In solchen Fällen kann das Jugendamt auch ohne vormundschaftsgerichtliche Regelung aktiv werden und das Mädchen in Obhut nehmen.
Wichtig erscheint mir auch noch die Frage - das ist mehrfach angesprochen worden -, ob weibliche Beschneidung als Asylgrund anerkannt wird. Sie alle kennen die grundsätzliche Rechtslage: Menschenrechtsverletzungen an Frauen können dann zur Asylberechtigung führen, wenn sie Ausdruck politischer, das heißt staatlicher Verfolgung sind. Dies bedeutet, daß die Verfolgungshandlungen zumindest einem Staat zugerechnet werden müssen.
Gewalt gegen Frauen kann daher heute nur dann als Asylgrund in Betracht kommen, wenn sie vom Staat oder von Dritten, gegen die der Staat die ihm an sich verfügbaren Mittel nicht einsetzt, als Mittel politischer Verfolgung ausgeübt wird. Aber ich denke, wir haben gerade im Rahmen des Magdeburger Urteils erfahren, daß unser Staat diese Form von Gewalt als Asylgrund anerkennen kann.
Parl. Staatssekretärin Gertrud Dempwolf
Sind die Menschenrechtsverletzungen nicht dem Staat anzulasten, so geben sie heute noch keine Asylberechtigung; sie können aber gleichwohl ein Abschiebungshindernis darstellen. Die Zuerkennung solcher Abschiebungshindernisse steht allerdings unter der Voraussetzung einer individuell und konkret drohenden Gefährdung.
Ich möchte abschließend noch auf die Broschüre unseres Hauses zur Beschneidung von Mädchen und Frauen hinweisen, die heute schon angesprochen wurde. Sie enthält alle Informationen und wurde an Multiplikatoren und Multiplikatorinnen, besonders aus der Ärzteschaft, und in den Beratungsstellen verteilt. Daß wir in einer Neuauflage die gesetzlichen Bestimmungen mit einfügen, ist klar.
Die Bundesregierung wird diese schwere Form von Menschenrechtsverletzungen gegenüber Mädchen und Frauen nicht dulden und international wie national ihr möglichstes tun, um diese Praktiken wirkungsvoll zu bekämpfen. Ich wünsche mir, daß wir uns alle darin einig sind und im nächsten Jahr mit der Arbeit beginnen werden.
Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
Es ist beantragt worden, den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/9401 zu überweisen, und zwar zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß, den Rechtsausschuß und den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sind Sie damit einverstanden?
- Das ist von der SPD nicht beantragt worden.
Dann wird das beantragt. Dem wird nicht widersprochen. Der Entschließungsantrag wird an die vorgelesenen Ausschüsse plus dem Innenausschuß übertragen.
Die Vorlage auf Drucksache 13/9335 soll an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse über-
wiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein.
Anders als in der Tagesordnung aufgeführt soll der Antrag der PDS, das ist die Drucksache 13/9384, nach den Vorstellungen der PDS federführend an den Sozialausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß überwiesen werden.
Die anderen Fraktionen haben dem widersprochen. Infolgedessen muß ich darüber abstimmen lassen. Wer dem Überweisungsantrag der PDS folgen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Doch, das ist ziemlich klar. Ich habe das mit den Fraktionsgeschäftsführern besprochen.
Anders, als in der Tagesordnung aufgeführt, will also die PDS ihren Antrag federführend an den Sozialausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß überwiesen haben. Weil dem widersprochen worden ist, lasse ich jetzt noch einmal darüber abstimmen. Wer dem Antrag der PDS folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Mehrheit hat dem Antrag widersprochen. Dann bleibt es bei den Überweisungen so, wie in der Tagesordnung vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 14. Januar 1998, 16 Uhr ein.
Ich danke Ihnen allen, die Sie bis zum Schluß an dieser Debatte teilgenommen haben. Ich nutze die Gelegenheit der letzten Sitzung in diesem Jahre, um mich bei all denen zu bedanken, die uns bei unserer Arbeit sichtbar hier im Plenarsaal oder nicht sichtbar in den Büros helfen.
Ich wünsche Ihnen allen schöne Weihnachten und ein erfolgreiches und gutes Neues Jahr. In diese Wünsche beziehe ich die Besucher auf den Tribünen mit ein. Alles Gute!
Die Sitzung ist geschlossen.