Rede von
Dr.
Günter
Rexrodt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Mai haben Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften gemeinsam beschlossen, mehr Wachstumsdynamik im Osten zu erzeugen, 1997 das Beschäftigungsniveau zu stabilisieren und in den kommenden Jahren nach Möglichkeit 100 000 neue Arbeitsplätze entstehen zu lassen. Dazu hatten die Gewerkschaften, die Wirtschaft und die Politik ihre Schularbeiten zu machen.
Nachdem wir in diese Gemeinschaftsinitiative eingetreten sind, müssen wir nun feststellen, daß das erste und zugegebenermaßen wichtigste Ziel für 1997, nämlich das Beschäftigungsniveau zu stabilisieren, nicht erreicht worden ist. Ich gehe auf die Gründe ein. Ich will das schlechte Ergebnis auch gar nicht in ein gutes Ergebnis umdeuten, sondern ich will zunächst einmal fragen: Was ist daran schuld? Was hat man gegebenenfalls falsch gemacht? Welche Konsequenzen ziehen wir daraus?
Vor allem kann ich feststellen: Ein solches schlechtes Teilergebnis und nur erstes Ergebnis kann uns nicht dazu veranlassen, daß wir uns aus dieser Initiative zurückziehen.
In diesem Zusammenhang lassen Sie mich noch folgendes sagen: Sie fordern doch immer, daß die Bundesregierung und überhaupt diejenigen, die Verantwortung tragen, quantitative Ziele beschließen. Wenn man quantitative Ziele beschließt, ist man nicht auf der sicheren Seite. Das wissen Sie alle; wir auch. Wir haben nun einmal quantitative Ziele beschlossen und haben sie nicht erreicht. Nun will ich Ihnen nicht unterstellen, daß Sie sich darüber freuen, daß das Ergebnis schlecht ist; das wäre unfair. Aber daß Sie sich darüber freuen, dies allein uns, der Bundesregierung, undifferenziert und in der Gesamtwertung falsch aufs Brot zu schmieren, diese Häme merkt man Ihnen an.
Das kommt draußen nicht an. Denn das, was Sie schildern, was Sie an Horrorszenarien über die Entwicklung in den neuen Ländern darstellen, trifft nicht die Wirklichkeit.
Nun will ich Ihnen zunächst einmal sagen: Der Einbruch bei der Beschäftigung - 165000 Beschäftigte weniger in 1997 - ist darauf zurückzuführen, daß wir einen Einbruch im Baugewerbe hatten, wie das nicht erwartet war. Es war ein Rückgang zu erwarten, aber nicht eine solche Katastrophe.
- Das haben wir nicht provoziert. Nach der Wiedervereinigung mußte doch die Kapazität entstehen, um die Infrastruktur hochzubringen und um Sanierungen durchzuführen!
Das, was wir in den neuen Ländern sehen, ist auf Grund der Beschäftigten in der Bauwirtschaft entstanden. Was reden Sie denn für einen Quatsch? Die
negativen Folgen, die dort auftreten, sind durch die Normalisierung entstanden!
Ich beklage es ja, daß es diese Arbeitsmarktwirkungen gibt. Aber wenn wir den Baubereich ausklammerten - das kann man in der volkswirtschaftlichen Betrachtung nicht; ich gebe das zu -, hätten wir in den anderen Bereichen ein passables, über dem westdeutschen Wachstum liegendes Wachstum in den neuen Ländern.
4,5 Prozent und im nächsten Jahr 5 Prozent, wenn die Bauwirtschaft nicht dabei wäre. Das ist der Punkt. Deshalb sage ich mit Fug und Recht: Der Anpassungsprozeß im Osten kommt weiter voran. Wer das nicht sehen will, geht bewußt blind durch diesen Teil unseres Landes.
- Ich habe doch die ganze Zeit über die Zahlen gesprochen! Ich habe sie auch erklärt und habe gesagt, daß das nicht befriedigend ist. Was wollen Sie denn überhaupt?
Aber schauen Sie sich folgende Zahlen an: Im nächsten Jahr werden wir im Osten trotz der schlechten Lage bei der Bauwirtschaft im Gesamtwachstum wieder eine Entwicklung haben, die dem entspricht, was wir im Westen haben. In den künftigen Jahren erwarte ich wieder ein überdurchschnittliches Wachstum.
- Hören Sie gut zu; ich weiß, was ich sage. Ich mache wieder eine quantitative Aussage, weil sie gemacht werden muß: Dies wird auch auf dem Arbeitsmarkt durchschlagen.
- Hätten Sie Freude daran, wenn das nichts würde?
- Es klingt aber so.
Ich sage Ihnen: Wir werden am Ende nächsten Jahres in den neuen Ländern 80 000 bis 100 000 Arbeitslose weniger haben als am Ende dieses Jahres.
- Hören Sie doch erst einmal zu! Was ist denn gegen eine solche Aussage zu sagen? Sie können sie ja bezweifeln.
Nur, damit das dann im nächsten Jahr nicht mißdeutet wird: Ich sage gleichzeitig, die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in 1998 wird noch einmal über
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
der des Jahres 1997 liegen, und zwar auf Grund der Tatsache, daß wir mit einem hohen Sockel in das Jahr gehen. Wir werden im Jahre 1998 mit großer Wahrscheinlichkeit in den neuen Ländern wie in den alten Ländern die Trendwende am Arbeitsmarkt erreichen, was nicht mit einem rapiden und schnellen Abbau der Arbeitslosigkeit gleichbedeutend ist, aber einen Abbau der Arbeitslosigkeit bedeutet. Das stimmt befriedigend.
Das ganz Wichtige ist - das negieren Sie hier; das wollen Sie einfach nicht wahrhaben -, daß in den neuen Ländern etwas eingetreten ist, das ich so nicht erwartet habe, nämlich daß das verarbeitende Gewerbe, dem es über Jahre am schlechtesten ging, wo die geringsten Zuwächse und sogar Schrumpfung festzustellen waren, wieder Fuß gefaßt hat. Das verarbeitende Gewerbe hat von Januar bis Oktober Auftragszuwächse von 11,4 Prozent zu verzeichnen. Die Exporte sind um 38 Prozent gestiegen.
Das wird auch im nächsten Jahr so sein.
Ich weiß sehr wohl, daß der Anteil der Exporte aus den neuen Ländern an den Gesamtexporten der Bundesrepublik 5,2 Prozent ausmacht und dieser Anteil in den letzten Monaten nicht gewachsen ist. Aber ein Zuwachs von 38 Prozent bedeutet doch, daß sich die ostdeutschen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes auf dem Weltmarkt zurückmelden, im Westen, im Osten, im Ausland. Es ist Ausdruck der gewachsenen Wettbewerbsfähigkeit, daß die Unternehmen wieder Tritt gefaßt haben, meine Damen und Herren.
Nun wird gefragt, was hat denn die Bundesregierung zu dieser Gemeinschaftsinitiative beigetragen. Ich sage Ihnen ganz klar: Wir haben enorm viel beigetragen. Wer in Abrede stellen will, daß die Verankerung des Förderkonzepts auf dem finanziellen Niveau der Vorjahre für die Zeit nach 1999 für Investitionen und Arbeitsplätze jetzt nichts bedeutet, hat keine Ahnung, wie die Wirtschaft läuft. Man investiert nämlich langfristig, man investiert heute, weil man Erträge in der Zukunft haben kann. Das ist ganz enorm wichtig.
Da gibt es die Gemeinschaftsaufgabe Ost, die auf hohem Niveau fortgesetzt wird. Es ist einfach nicht so, wie Sie erzählen, Frau Luft. Es ist einfach falsch, schlicht falsch, Quatsch, daß bei den GA-Mitteln Engpässe in den Ländern aufgetreten sind. Jedes Projekt wird bezahlt. Neue Projekte werden anfinanziert. Es ist sogar so, daß die Gelder aus Gründen, die ich wie Sie beklage, nicht abgerufen werden. Sie erzählen schlechterdings das Gegenteil dessen, was richtig ist. Entweder Sie wissen es nicht, oder Sie tun es vorsätzlich. Ich behaupte immer wieder: Hier ist Häme zu spüren, daß die Entwicklung nicht so gut läuft, wie wir uns das alle wünschen, meine Damen und Herren. Das ist nicht zu akzeptieren.
Dann wird gesagt, die Förderung des zweiten Arbeitsmarktes soll stärker betont werden. Ich darf zunächst einmal sagen, daß die Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt - anders, als die Aussagen hier lauteten - nicht gekürzt worden sind. Die Zahl der Maßnahmen ist zurückgegangen; das ist richtig. Aber ich warne vor einer Uberbetonung der Fördermaßnahmen beim zweiten Arbeitsmarkt. Dieser muß weiter gefördert werden; dort müssen Brücken geschlagen und Härten abgewendet werden. Wer aber glaubt, die Ursachen der Arbeitslosigkeit dadurch beseitigen zu können, daß er die Finanzierung im zweiten Arbeitsmarkt aufbläst und aufstockt, der liegt vollkommen falsch.
Das sehen die Unternehmer so, das sehen sogar zunehmend die Arbeitnehmer so. Keiner hat nämlich Lust, sich von einer AB-Maßnahme zur anderen zu hangeln. Die Leute wollen in den ersten Arbeitsmarkt. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen.
Meine Damen und Herren, leider ist meine Redezeit begrenzt, obwohl es eine höchst interessante Debatte und Diskussion ist. Die Fakten müssen objektiv gewertet werden. Ich bin nicht hier, um die Situation in den neuen Ländern schönzureden, wie Sie immer behaupten. Aber eines sage ich Ihnen: Wer in die neuen Länder geht, mit den Menschen spricht, sich die Städte, Dörfer, Fabriken und den Mittelstand anschaut, dann zurückkommt, sich hier hinstellt und sagt: Da tut sich nichts, die Weichen sind nicht richtig gestellt, der sagt die Unwahrheit. Der macht mies und gibt den Menschen dort keine Hoffnung.
Wir wollen nicht schönreden, wir wollen unsere Arbeit fortsetzen - auch in dieser Initiative. Aber wir wollen nicht miesmachen. Wer miesmacht, nimmt den Menschen die Hoffnung und verhindert den Aufbau. So ist es, meine Damen und Herren.