Rede von
Horst
Friedrich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen!
- Und Kolleginnen, liebe Lisa. Ich bitte um Entschuldigung. Wir Männer sind vorhin bei der Aufzählung auch durch den Rost gefallen. Deshalb mag es vielleicht nur ein kleiner Fauxpas sein.
Heute steht eine Vielzahl von Punkten zur Beratung, die es aus meiner Sicht unmöglich macht, auf alle Details einzugehen. Deswegen möchte auch ich die Gelegenheit nutzen,
auf die ausgesprochen erfolgreiche Arbeit dieser Koalition, insbesondere auch auf den Anteil der F.D.P., einzugehen
und einen Blick auf das zu werfen, was wir noch zu tun haben. Weil ich überzeugt bin, daß unser Programm beim Wähler besser ankommt als Ihres,
möchte ich den Blick über den Tellerrand des Wahljahres 1998 hinaus werfen: Wir haben die Alternativen klar gesehen.
Frau Kollegin Altmann, über die Qualität Ihrer Aussagen kann man streiten. Zu Ihrem Verhalten bei den Koalitionsverhandlungen in Hamburg kann man nur sagen: Als Tiger losgesprungen und als Bettvorleger gelandet. Ich habe das auch schon einmal anders formuliert: Wenn das die Qualität ist, die Sie meinen, dann ist wirklich Feuer am Dach.
Im übrigen haben Sie klargemacht, wie Ihre Politik aussieht: Tempolimit auf allen Ebenen. Wenn das nicht hilft, müssen die Gebühren drastisch erhöht werden, im Zweifel zu Lasten des Straßenverkehrs. Ohne Rücksicht auf die Verluste macht die Finanzierung anderer Verkehrsträger Sinn. Beim Binnenschiff plädieren Sie nachhaltig dafür, daß sich nicht die Flüsse einigermaßen den Schiffsgrößen anpassen müssen, sondern umgekehrt. Das heißt im Endeffekt:
Zurück zum Ruderboot! Wenn das Ihr Angebot zum Verkehr der Zukunft ist, wird es schwierig.
Ich will mit einigen Stichworten zu erklären versuchen, was wir geleistet haben und wo noch Aufgaben vor uns liegen, die uns in Zukunft fordern. Die Stichworte sind: die Harmonisierung in Europa, die Bedeutung der Infrastruktur für die neuen Bundesländer, ein in sich schlüssiges Flughafenkonzept für Deutschland, die Bahnreform, der Kombiverkehr, der Transrapid, die Infrastruktur und die zukunftsgerichtete Finanzierung derselben und - das ist besonders wichtig - die Kombination von neuen Techniken, der Kommunikationstechniken und der Telematik, nicht im Sinne des Kassierens und Kontrollierens, sondern im Sinne des sinnvollen Vermeidens durch bessere Information.
Zum Stichwort Harmonisierung. Die große Aufgabe der Verkehrspolitik dieser Periode bis zum 1. Juli 1998 besteht darin, die nachweislich noch vorhandenen Harmonisierungsdefizite in Europa zu beseitigen. Wir haben einige Hürden aus dem Weg geräumt, einiges ist noch zu tun. Bisher ist die Arbeit allerdings immer nur durch nationale Absenkungen gelungen. Europa hat hier nach wie vor eine große Aufgabe vor sich. Wenn man will, daß der Verkehr auf europäischer Ebene akzeptiert wird, muß man von Europa erwarten, daß die entsprechende Harmonisierung trotz der Belastungen in den einzelnen Ländern umgesetzt wird.
Unter diesem Gesichtspunkt ist wichtig, was wir beim Führerscheinrecht und beim Berufszugang festgelegt haben. Auf dieser Grundlage wird auch die Behandlung des noch anstehenden Güterkraftverkehrsgesetzes und des Transportrechts zu sehen sein, die bis zum 1. Juli 1998 abgeschlossen sein muß. Ziel der F.D.P. ist es, dem überwiegend mittelständisch geprägten Verkehrsgewerbe in Deutschland den Standort Deutschland zu erhalten. Das ist das Ziel dieser Aussagen.
Zum Stichwort neue Bundesländer: Eine der wesentlichen Grundlagen für den Aufbau einer funktionsfähigen Wirtschaftsstruktur ist ein funktionsfähiges Verkehrsnetz. Wir haben gerade die Verkehrsinfrastruktur der neuen Bundesländer in einem desaströsen Zustand vorgefunden. Dafür trägt die linke Seite des Hauses die entsprechende Verantwortung. Es ist bezeichnend, was wir an Schrott und Zuständen geerbt haben. Jetzt müssen wir uns auch noch anhören, was alles nicht läuft. Fakt ist: 70 Milliarden DM - Dirk Fischer hat es bereits gesagt - sind seit der Einheit in die neuen Bundesländer investiert worden.
Voraussetzung dafür war zunächst einmal die Entrümpelung unserer Planungsvorschriften. In der Kombination neues Planungsrecht und Bevorzugung bei den Investitionen ist es gelungen, in den neuen Ländern ein entsprechendes Infrastrukturnetz als
Horst Friedrich
Grundlage für die Wirtschaftsentwicklung aufzubauen.
Das betrachte ich als ausgesprochen hervorragende Leistung dieser Koalition. Das sind auch weiterhin die Schwerpunkte.
Bei den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit darf man nicht die wegweisenden Hilfeleistungen der Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit bzw. der DEGES für den Straßenbau vergessen. Es ist schon erstaunlich, daß man in fünf Jahren in Deutschland 100 Prozent der Vorhaben planfestgestellt hat bzw. diese kurz vor der Planfeststellung stehen und ein großer Teil - fast 60 Prozent - gebaut wird oder bereits übergeben worden ist. Das gilt insbesondere für die Schienenstrecken. Auch das ist immer noch in Deutschland möglich.
Zum Stichwort Luftfahrt: Es ist unstrittig, daß die Bewältigung des Flugverkehrs in Deutschland nicht zuletzt deswegen funktioniert hat, weil die deutsche Flugsicherung als Nachfolger der früheren BFS in einer Art und Weise an den Markt herangegangen ist, daß man heute sagen kann: Trotz Integration der militärischen Flugsicherung wird mit dem gleichen Personalstand wie vor der Privatisierung ein um seit diesem Zeitpunkt mehr als 30 Prozent gestiegener Luftverkehr organisiert, und zwar im positiven Sinne, was dazu führt, daß wir bei den Start- und Landegebühren bzw. bei den Flugsicherungsgebühren mittlerweile wieder auf das Niveau vor Beginn der Privatisierung zurückfallen. Das ist ein Zeichen ausgewiesenen Erfolges. Wir werden - da bin ich sicher - bei der deutschen Flugsicherung den nächsten Schritt, nämlich den zu einer echten Privatisierung, auf die Reihe bringen. Erst dann wird es, so glaube ich, insgesamt richtig schlüssig.
Die gleiche Story gilt bei der Privatisierung der Lufthansa. Es ist bezeichnend, daß die Lufthansa nach der endgültigen Privatisierung das beste Ergebnis ihrer Geschichte vorlegt und gleichzeitig in der Lage ist, anzukündigen, sie werde neue Stellen schaffen und auch besetzen.
Was wir in Deutschland jetzt noch benötigen - das wird meine Seite auch vorantreiben -, ist ein in sich schlüssiges, integriertes Flughafenkonzept,
mit dem die Vorteile der einzelnen Flughäfen untereinander abzuwägen sind und ein vernetztes System von Verbindungen mit Hochgeschwindigkeitszügen entwickelt wird,
mit dem Ziel, alle Flugbewegungen, die in Deutschland abgewickelt werden sollen, möglich zu machen.
Denn jeder Flieger, der hier startet und landet, sichert Arbeitsplätze, nicht zuletzt auch in Frankfurt.
- Ich weiß ja, Herr Wolf, daß Ihr Programm darin besteht, den deutschen Bürgern vorschreiben zu wollen: Wenn sie einmal ins Ausland geflogen sind, dann haben sie für drei Jahre ihr „Umweltticket" voll, und dann sollen sie mit der Eisenbahn um die Ecke in den Urlaub fahren. Aus unserer Sicht entscheidet immer noch der Bürger - nicht der Politiker -, welches Mittel er nutzt, um sich fortzubewegen.
Dies hat über viele Jahre hinweg Ihre Vorgängerorganisation in den jetzigen neuen deutschen Ländern gemacht: Da ist der Verkehr von der Politik diktiert worden. Das Ergebnis haben wir gesehen; das ist nicht nachahmenswert.
- Ich weiß, daß er aus Baden-Württemberg kommt. Ich habe doch gesagt: die Vorgängerorganisation. Er ist ja nun einmal bei der PDS, und die PDS sieht sich als legitime Nachfolgerin der SED. Man kann nicht immer auf der einen Seite Forderungen stellen, wenn man die andere Seite verleugnet; so geht es nicht.
Zum Thema Bahnreform. Auch die Bahnreform ist nach vielen Anläufen in diesem Hause endlich beschlossen worden, mit allen Konsequenzen. Wenn ich mich recht erinnere, geschah dies mit Zustimmung der SPD-Opposition und vor allen Dingen mit den Ländern.
- Das ist ein tolles Qualitätsmerkmal, Herr Kollege Wolf.
Das gilt insbesondere auch für die Regelung bezüglich der Regionalisierung. Die Regionalisierung ist deswegen gesetzlich verpflichtend festgelegt, Frau Kollegin Karin Zureich, weil die Länder zugestimmt haben. Das Problem dabei war aber: Die Länder haben gesehen, daß sie vom Bund mehr Geld erhalten, und deshalb haben sich einige von ihnen aus der Kofinanzierung zurückgezogen. Auch das muß man einmal sagen: Nicht der Bund hat die Finanzierung des Nahverkehrs reduziert - er hat sie vielmehr gesteigert -, die Länder haben sich aus ihrer Verantwortung zurückgezogen.
Außerdem bedeutet Nahverkehr in der Fläche eben nicht nur Schienenpersonennahverkehr, sondern auch Busnahverkehr, der aus ökologischer Bilanz heraus mindestens ebenso interessant
Horst Friedrich
und in aller Regel noch etwas flexibler ist. Die Wettbewerbssituation wurde auf diesem Felde nicht verbessert. Nicht zuletzt eine Reihe von Ländern hat eine bessere Einbindung privater Busunternehmer verhindert, indem sie das, was wir beschlossen hatten, nämlich die Zuordnung der Busgesellschaften zum Eisenbahnvermögen, verhindert haben.
- Darüber können Sie lachen, aber das sind nun einmal die Fakten.
Beim Kombiverkehr haben wir endlich erreicht, daß nicht nur die Bahn AG, sondern auch Dritte berechtigt sind, Zuwendungen für den Aufbau von Terminals zu erhalten. Das ist, so glaube ich, ein entscheidender Durchbruch, um auch diesem Verkehr Zukunft zu geben.
Stichwort Transrapid. Es gibt ja das böse Wort, daß die letzte Innovation, die mit Zustimmung der SPD in Deutschland umgesetzt wurde, die Einführung des Farbfernsehers war.
Das will ich gar nicht wiederholen.
Zum Transrapid wurde in vielen Debatten fast alles gesagt. Es ist typisch, daß die SPD sagt, sie sei für diese Technik, sie nun aber die Strecke störe. War eine andere Strecke beabsichtigt, hat sie diese Strecke gestört. Ihnen wäre es am liebsten, die Technik zu testen, indem man den Transrapid vom BikeHaus Köln/Bonn zum Terminal Köln/Bonn führt. Das ist doch Unsinn, liebe Kollegen.
Ich glaube, wenn wir weiter in dieser Form diskutieren, dann hat der Karikaturist recht, der eine Zeichnung erstellt hat, auf der der japanische Konkurrent bereits fährt, die Japaner nach unten schauen und einige mit langen Barten und von Spinnennetzen umgeben diskutieren sehen. Die Japaner sagen: Schau mal, die diskutieren in Deutschland noch immer über Sinn oder Unsinn des Transrapid, und die anderen fahren schon damit.
Wir müssen endlich lernen, daß neue Techniken, bei denen wir weltweit federführend sind, auch umgesetzt werden müssen, und zwar zunächst in Deutschland. Nur dann haben sie eine Chance, uns weiterzubringen.
Ich möchte auf den Einsatz und die Kombination neuer Techniken, insbesondere die Telematik, und die daraus abzuleitenden Synergieeffekte zu sprechen kommen.
Zukunftstechnologien wie die Telematik können, wenn sie verantwortungsvoll eingesetzt sind, die Verkehrspolitik maßgeblich beeinflussen. Was ist dazu notwendig? Ich plädiere dafür, zunächst ein eigenes europäisches Satellitensystem zu installieren, um un-
abhängig von anderen Systemen zu sein. Das ist die Grundlage dafür.
Wenn man das schafft, dann kann man das, was bereits jetzt im Detail machbar ist, noch ausbauen, nämlich die Verkehrsinformation in bestimmten Ballungszentren, die Steuerung von Lkw-Flotten über satellitengestützten Funk, den Einsatz von Hilfsflotten zum Beispiel des ADAC mit Hilfe entsprechender Informationssysteme, eine bessere Abstimmung im Bereich des Gütertransports, um Leertransporte, um unnötige Transporte zu vermeiden, die Information im Auto, zum einen, um Ausweichsszenarien zu konstruieren, zum anderen, um bereits bei Fahrtantritt zu wissen, wo man auf andere Verkehrsmittel umsteigen kann, wo man Fahrkarten lösen kann - und das alles relativ schnell und einfach.
Eine vorsichtige Schätzung des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie beschäftigt sich mit dem Einsatz von Telearbeitsplätzen. Nach dieser Schätzung wird es im Jahre 2000 in Deutschland zirka 800 000 Telearbeitsplätze geben. Das ist eine vorsichtige Schätzung. Das Potential liegt theoretisch deutlich höher.
Bei einer durchschnittlichen Entfernung von der Wohnung zur Arbeitsstätte von 15 Kilometern und nur drei Telearbeitstagen pro Woche ergibt das eine Ersparnis von 4000 Kilometern pro Mitarbeiter und Jahr und somit eine Gesamtersparnis von 3,2 Milliarden Kilometern jährlicher Fahrleistung. Das ist eine wahrlich gigantische Zahl. Nicht durch drastische Erhöhung oder konfiskatorische Besteuerung eines Verkehrsmittels, sondern durch intelligenten Einsatz von Technik wird Verkehr sinnvoll vermieden. Selbst beim Dreiliterauto wären das 100 Millionen Liter eingesparten Kraftstoffs.
Das ist eine Technik, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Deutschland in der Welt führend ist. Nur müssen wir den Mut haben, sie in der Kombination anzubieten und umzusetzen. Dann sind wir tatsächlich in der Lage, auch in Deutschland zukunftsgerichtete, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, womit wir das Ausland wieder für Deutschland interessieren können. Das ist die Richtung, in der wir denken müssen.
Das muß mit einem zügigen Infrastrukturaufbau kombiniert werden. Auch dort müssen Denkblockaden aufgehoben werden. Wir müssen in der nächsten Legislaturperiode überlegen, was sinnvoll und notwendig ist.
In der Konsequenz heißt das: Es muß nicht mehr alles gebaut werden. Dabei ist die demographische Komponente zu berücksichtigen. Deutschland ist eine Gesellschaft, die immer älter wird. Es gibt auch Aufgaben, die in einigen Jahren durch Raumordnung oder andere Planungen zu erledigen sind. All das sind Überlegungen, die für die Zukunft gemacht werden müssen.
Diese Überlegungen, meine Damen und Herren, wird diese Koalition machen. Denn ich bin überzeugt: Mit der Arbeit, die wir im verkehrspolitischen Bereich bisher geleistet haben, können wir uns ohne
Horst Friedrich
Scheu vor den Wähler stellen. Wir werden diese Wahl gewinnen.
Ich danke Ihnen.