Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 194. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich wieder einmal die Aufgabe, des Todes eines Kollegen zu gedenken.
Heute früh gegen sechs Uhr ist in Bonn an einem Herzschlag der Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses Herr Willy Knothe aus Frankfurt/Main verstorben. Der Verstorbene war schon länger an Herzschwäche leidend. Sein plötzlicher Tod wird auf Überarbeitung zurückgeführt. Ich darf auch darauf hinweisen, daß sicherlich zu diesem plötzlichen Tode auch die Erregungen beigetragen haben, die durch den Vorwurf, im „Dritten Reich" Agent der Gestapo gewesen zu sein, hervorgerufen warden sind. Wir empfinden es als eine freundliche Fügung, daß wenige Tage vor seinem Tode dieser Vorwurf als unbegründet festgestellt wurde.
Herr Abgeordneter Willy Knothe ist am 1. Mai 1888 in Kassel geboren. Er hat in Offenbach die Schule und die kaufmännische Handelsschule besucht und war zunächst als Kaufmann tätig. Im Jahre 1920 wurde er Parteisekretär der SPD für den Unterbezirk Wetzlar. In den Jahren 1921 bis 1933 war er Stadtverordneter und Kreistagsmitglied in Wetzlar. 1934 wurde' er aus politischen Gründen verhaftet und zu zwei Jahren Zuchthaus und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Im Jahre 1945 wurde er Erster Landesvorsitzender der SPD in Hessen. Er war Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung und seit 1946 Abgeordneter des hessischen Landtags und Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Er gehörte auch dem Hauptvorstand der SPD an. Herr Knothe ist in den Bundestag im Wahlkreis 11 in direkter Wahl gewählt. Er war ordentliches Mitglied des Ausschusses zum Schutz der Verfassung und stellvertretendes Mitglied im Organisationsausschuß, im Ausschuß für Wirtschaftspolitik und im Ausschuß für Beamtenrecht.
Meine Damen und Herren, ich darf seiner Fraktion und seinen Angehörigen die herzliche Anteilnahme des Deutschen Bundestages an diesem schweren Verlust zum Ausdruck bringen und das dankbare Gedenken an die Arbeit des Herrn Abgeordneten Knothe in unserem Kreise bezeugen. Sie haben sich zu seinen Ehren von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich erhalte soeben die Nachricht, daß der Abgeordnete Wilhelm Schmidt bei einem Autounfall verunglückt und sehr schwer verletzt worden ist. Ich darf ihm die Wünsche zu seiner Wiederherstellung hier in Herzlichkeit aussprechen.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Morgenthaler für vier Wochen wegen Krankheit, Harig für drei Wochen wegen Krankheit, Dannemann für zwei Wochen wegen Krankheit, Dr. Orth für zwei Wochen wegen Krankheit.
Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß Sie mit der Erteilung des Urlaubs, soweit er über eine Woche hinausgeht, einverstanden sind. — Das ist der Fall.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Gülich, Schill, Henßler, Dr. Doris, Baur , Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz), Dr. Nölting, Dr. Preiß, Feldmann, Dr. Mühlenfeld, Schmidt (Bayern), Onnen.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Junglas, Dr. Menzel, Dr. Bleiß, Frau Heiler, Dr. Henle, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Pfender, Fisch, Vesper, Paul , Reimann, Rische, Frau Thiele, Gockeln. Ferner sind für heute die Mitglieder des Ausschusses für Verkehrswesen entschuldigt, der außerhalb Bonns eine Sitzung abhält.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen bekanntzugeben, daß nach einer Mitteilung der Fraktion der Föderalistischen Union im Deutschen Bundestag Frau Abgeordnete Wessel als Vorsitzende der Fraktion zurückgetreten ist und Herr Abgeordneter Pannenbecker Vorsitzender der Fraktion neben dem gleichberechtigten Vorsitzenden Herrn Abgeordneten Decker ist.
Ferner habe ich mitzuteilen, daß nach einer Vereinbarung im Ältestenrat die Mitgliederzahl des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films von 15 auf 21 erhöht werden soll. Ich darf unterstellen, daß das Haus dieser Erweiterung des Ausschusses zustimmt. — Das ist der Fall.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in das Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Februar 1952 beschlossen, den nachfolgenden Gesetzen seine Zustimmung zu geben:
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin",
Gesetz über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer — Wohnungsbauprämiengesetz.
Zum Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat er beschlossen, gemäß Art. 77 Abs. 2 den Vermittlungsausschuß anzurufen.
Der Herr Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 28. Januar 1952 gemäß dem Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 160. Sitzung über Amnestie für den Besitz von Sport- und Jagdwaffen berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3127 vervielfältigt.
Dann, meine Damen und Herren, können wir in die Fragestunde eintreten. Ich rufe auf Punkt 1 der ' Tagesordnung:
Fragestunde .
Ich habe vor der Fragestunde darauf hinzuweisen, daß nach einem Schreiben des Auswärtigen Amtes der Staatssekretär des Bundeskanzleramtes dem Auswärtigen Amt die Fragen mitgeteilt hat, die das Auswärtige Amt betreffen. Es ist gebeten worden, daß mit Rücksicht auf die erst gestern abend, wenn ich recht weiß, erfolgte Rückkehr des Herrn Staatssekretärs Professor Hallstein die' Beantwortung der Fragen auf einen späteren Sitzungstag verlegt wird. Ich darf annehmen, daß das Haus, da ja die Beantwortung durch das Auswärtige Amt und nicht durch ein anderes Ministerium erwünscht ist, mit dieser Regelung einverstanden ist. — Das I ist der Fall.
— Herr Abgeordneter Reismann hat bereits zum Ausdruck gebracht, daß er Wert darauf legt, die Frage 22 auf jeden Fall aufzurufen. Ich werde das tun. — Ob eine Antwort erfolgt, müssen wir abwarten, Herr Abgeordneter.
Ich stelle fest, meine Damen und Herren: Wir beginnen mit der Fragestunde um 13 Uhr 39 und werden sie in genau 60 Minuten abschließen.
Ich rufe zunächst auf die Frage 1, die Herr Abgeordneter Lampl zu stellen wünscht.
Lampl , Anfragender: Eine Anfrage an den Herrn Bundeswirtschaftsminister:
Was gedenkt der Herr Bundesminister für Wirtschaft zu tun, um sicherzustellen, daß Handwerk, Handel und Herstellerwerke die zur Aufrechterhaltung ihrer Betriebe und zur Versorgung der Bevölkerung, insbesondere auch der Landwirtschaft, notwendigen Eisenmengen und Eisenwaren beziehen können?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Handwerker und Betriebe, die zur Aufrechterhaltung ihrer Produktion und zur Versorgung der Bevölkerung, insbesondere auch der Landwirtschaft, Eisen und Eisenwaren beziehen, erhalten ihre Mengen ausschließlich vom Einzelhandel. Beim Eisenhandel wird unterschieden zwischen Händlern mit einem Umsatz von 30 t und mehr ab Lager und solchen Händlern, die unter diesen 30 t monatlich Eisen und Stahlwaren vertreiben. Die kleineren Händler mit weniger als 30 t monatlichem Umsatz beziehen vom Lager des Handels mit Umsatzmengen von mehr als 30 t.
Dieser Lager haltende Handel mit größeren Umsatzmengen wird auf Grund der Verordnung Eisen I/51 so reichlich versorgt, daß er in der Lage 'sein muß, den kleineren Händlern die angeforderten Mengen zu liefern. Eine genaue Kontrolle der einzelnen Lieferungen ist nur für den Lager haltenden Handel mit mehr als 30 t Monatsumsatz möglich, da nur dieser Handel meldepflichtig ist und insoweit kontrolliert werden kann. Der normale Lagerbestand des Lager haltenden meldepflichtigen Handels beträgt bei einem Durchschnittsabsatz von monatlich 150 000 t üblicherweise einen doppelten Monatsumsatz, also 300 000 t.
Nach der Koreakrise sank der Lagerbestand des Lager haltenden Handels auf 237 000 t und .ist jetzt auf Grund der Lieferungen im Rahmen der Verordnung I/51 wieder auf 302 000 t 'angestiegen.
Es war also dem Lager haltenden Handel möglich, seine Bestände wieder voll aufzufüllen. Infolgedessen müßte der Lager haltende Handel in 'der Lage sein, dem kleineren 'Händler seine entsprechenden Mengen, wie früher üblich, zu liefern. Nach Angaben des Lager haltenden Handels wurde der Handel mit weniger als 30 t Monatsumsatz, der unter dem Begriff „Andere Händler" in der Statistik und den Meldungen des Lager haltenden Handels geführt wird, normalerweise mit 40 600 t monatlich im Jahre 1950 beliefert. Nach den neuesten Erhebungen sind diese Lieferungen auf 28 000 t monatlich gesunken.
Um diese Mißstände auszuräumen, ist die Bundesstelle für den Warenverkehr angewiesen worden, eine Erhebung über die Lieferverpflichtungen und die Lieferansprüche des Lager haltenden Handeis durchzuführen. Ich werde veranlassen, daß die Einhaltung der Verpflichtungen des Lager haltenden Handels gegenüber den anderen Händlern mit weniger als 30 t Monatsumsatz durchgeführt wird und daß Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der Verordnung Eisen I/51 geahndet werden. Sobald das Ergebnis der angeordneten Untersuchung vorliegt, werden entsprechende Schritte unternommen.
Lampl , Anfragender: Darf ich eine ergänzende Frage stellen, Herr Präsident?
Bitte, Herr Abgeordneter!
Lampl , Anfragender: Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat gesagt, wie es sein soll und was er zu unternehmen gedenkt. Ich bin dankbar dafür. Ich weiß auch, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß Sie eine Verordnung vom 15. 10 1951 herausgegeben haben. Ich weiß auch, daß Sie ein Sonderrundschreiben an die Länderministerien, an die Fachverbände usw. herausgegeben haben. Trotzdem ist nach allen Berichten festzustellen, daß bisher keine Verbesserung in der angespannten Versorgungslage bei Eisen und Stahl eingetreten ist, ja daß sogar eine noch größere Spannung aufgetreten ist. Ich darf auf diese Tatsachen hinweisen und bitten, alles zu tun, um sicherzustellen, daß eine ausreichende Versorgung von Handwerk, Gewerbe und Kleinherstellern erfolgt.
Ich darf die Frage stellen, Herr Bundesminister, was Sie darüber hinaus noch zu machen gedenken, um die Versorgung mit Eisen und Stahl endgültig sicherzustellen.
Die Klagen über die Eisenversorgung und die Störungen auf dem Eisenmarkt sind mir hinlänglich bekannt. Ich befinde mich eigentlich in Permanenz in Sitzungen, um diesen Dingen auf den Grund zu gehen. Es sind jetzt neue Vereinbarungen zwischen der Eisen schaffenden und der Eisen verarbeitenden Industrie getroffen worden. Letzte Formen haben diese Besprechungen noch nicht angenommen. Aber es wird alles überhaupt Erdenkliche getan werden, um zu einer größeren Ordnung auf dem Eisenmarkt, vor allen Dingen aber zu einer Steigerung der Eisenproduktion zu gelangen.
Lampl , Anfragender: Danke sehr.
Meine Damen und Herren, der Sinn der Fragestunde wird nur erreicht, wenn lediglich Fragen und Zusatzfragen gestellt werden.
Das, was eine Frage ist, dürfte wohl sämtlichen Abgeordneten des Hauses klar sein.
Zur Frage 2 hat Abgeordneter Walter das Wort.
Walter , Anfragender: Meine Frage an den Herrn Bundeswirtschaftsminister:
Was gedenkt der Herr Bundesminister für Wirtschaft zu tun, damit die deutschen Werften im laufenden Jahr mit monatlich mindestens 31 208 t Blechen — ca 3 % der deutschen Gesamterzeugung — und den dazugehörigen Profileisen beliefert werden.
Bevor ich den Herrn Bundesminister für Wirtschaft bitte, darf ich fragen: Sind Sie damit einverstanden, daß wir uns, da wir alle lesen können, das Vorlesen der Fragen sparen und 'ich einfach die Nummern aufrufe? — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Die Produktion der eisenschaffenden Industrie an Grobblechen für den Schiffbau in Siemens-Martin-
Qualität, die allein für den Schiffbau Verwendung finden kann, betrug in der Zeit von Juli bis Dezember 1951 zwischen 70 000 und 76 000 t. Von dieser Produktion sind 22,2 bis 33,2 % an den Schiffbau gegangen. Es ergibt sich das Bild, daß im Zuge dieser höheren Prozentbeteiligung des 'Schiffbaues die Lieferungen an den Schiffbau sich von Juli bis Dezember 1951 von 15 363 auf 24 478 t gesteigert haben. Eine Steigerung der Belieferung des Schiffbaues über rund 30 % der Gesamtproduktion an Siemens-Martin-Grobblechen ist bei der derzeitigen Lage nicht möglich. Neben dem Schiffbau benötigen Kesselbau, Waggonbau, Stahlbau, Bundesbahn, mandatorische Aufträge und handelsvertragliche Lieferverpflichtungen weitere Mengen an Grobblechen.
Mit Rücksicht auf die besondere Lage des Schiffbaues ist trotz der Widerstände der obengenannten Industriekreise von mir die Durchhaltung des bisherigen Programms erreicht worden. Eine weitere Steigerung der Lieferungen an den Schiffbau würde unweigerlich zu einer Verminderung der Produktion der übrigen Industrien und damit zu Arbeiterentlassungen führen. Desgleichen ist eine Steigerung der Gesamtproduktion an Siemens-
Martin-Blechen nicht möglich, da zur Zeit die vorhandenen Kapazitäten an Grobblechwalzwerken für Siemens-Martin-Qualität voll ausgenutzt sind. Erst mit einer Erweiterung der vorhandenen Kapazität an Walzwerken im Rahmen ides Investitionshilfeprogramms kann ab März dieses Jahres mit einer Erhöhung der Grobblechproduktion gerechnet werden.
Walter , Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Walter.
Walter , Anfragender: Ist dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft bekanht, daß jede Tonne nicht gebauten deutschen Schiffsraums einen Nettodevisenverlust von ca. 13 Dollar im Monat verursacht? Wäre dies nicht Grund genug dafür, eine dringliche Belieferung der Werften sicherzustellen.
Herr Bundesminister für Wirtschaft!
Das ist mir selbstverständlich bekannt. Aber dem wurde auch dadurch Rechnung getragen, daß bei gleichbleibender Produktion der Schiffbau heute ungefähr 9 000 t Bleche im Monat mehr bekommt als Mitte des Jahres 1951. Auch die übrige 'Industrie, die hier mit Grobblechen versorgt werdet muß, ist eine exportintensive Industrie. Es kommt selbstverständlich 'immer darauf an, die richtigen Abstimmungen in den einzelnen Zuweisungen für die verschiedenen Industriezweige zu finden.
Zur Frage 3 Herr Abgeordneter Wirths und zu ihrer Beantwortung Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard.
Wirths , Anfragender:
Wann ist die Liquidation der Staatlichen Erfassungs-Gesellschaft für öffentliches Gut beendet, und wann wird der Bundesminister für Wirtschaft idem Bundestag einen Abschlußbericht vorlegen?
Die Staatliche Erfassungsgesellschaft für öffentliches Gut ist eine Gesellschaft der Länder der fruheren amerikanischen Zone. Sie hat neben anderen Aufgaben im Auftrage der damaligen Verwaltung für Wirtschaft die treuhänderische Verwertung der Güter übernommen, die aus dem Amerikageschäft stammen. Daneben hat sie aus anderen Quellen noch andere Aufgaben, die jedoch ineinem ähnlichen Stadium der bald herannahenden Beendigung stehen wie das Amerikageschäft.
Die Liquidation der StEG kann nur von den Gesellschaftern der StEG beschlossen werden; nach den bisher geführten Verhandlungen ist damit zu rechnen, daß diese bis Mitte des Jahres wirksam wird. Ein Abschlußbericht kann dem Deutschen Bundestag erst vorgelegt werden, wenn die restlose Abwicklung des Amerikageschäfts durch die StEG erfolgt ist und sie ihre Endabrechnung vorgelegt hat.
Für die endgültige Beurteilung des US-Geschäfts ist noch der Abschluß der Schuldenverhandlungen in London abzuwarten.
Wirths , Anfragender: Bitte noch eine Zusatzfrage!
Zu einer Zusatzfrage nochmal Abgeordneter Wirths.
Wirths ,, Anfragender: Herr Minister, ist ein größeres Defizit zu erwarten, und, wenn ja, wer trägt es, die Gesellschafter, also die Länder der amerikanischen Zone, oder der Bund?
Ich bedauere, diese Fragen nicht schlüssig beantworten zu können, weder die erste, ob und in welchem Umfange ein Defizit zu erwarten ist, noch die zweite, welche Regelung in diesem Falle getroffen werden soll.
Wirths , Anfragender: Darf ich fragen, ob Sie uns etwas über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates sagen können?
. Ich werde Ihnen die Frage schriftlich beantworten. Die Namen der Aufsichtsräte können Sie jederzeit erfahren.
Wirths , Anfragender: Schönen Dank.
Meine Damen Lind Herren! Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß ein Grund für die Verlesung der Fragen der sei, daß Bandaufnahme für die Sender stattfinde und es für die Zuhörer der Rundfunkübertragung natürlich sinnlos ist, die Beantwortung von Fragen zu hören, die sie nicht kennen. Ich schlage Ihnen aus diesem Grunde der Publizität unserer Arbeit vor, die Fragen doch verlesen zu lassen. — Sind Sie damit einverstanden?
Bitte schön, Herr Abgeordneter Dr. Frey zur Frage 4!
Dr. Frey , Anfragender:
Der Kreis Kleve hat durch den hohen Grad seiner Kriegsschäden und seine nach dem Kriege verschlechterte Verkehrslage die prozentual höchste Arbeitslosenziffer in Nordrhein-Westfalen.
Ist die Bundesregierung bereit, den Grenzkreis Kleve durch Verlagerung von Industrien zu unterstützen, zumal mehrere überdachte und bezugsfertige Räume mit 3- bis 6000 qm Fläche z. B. in der Stadt Goch zur Verfügung stehen?
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft zur Beantwortung.
Im Grenzkreis Kleve waren im Durchschnitt des letzten Jahres 11,3 % der Arbeitnehmer arbeitslos. Damit weist der Kreis Kleve zwar den höchsten Stand der Arbeitslosigkeit innerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen auf. Er bleibt jedoch weit hinter dem Ausmaß der Arbeitslosigkeit zurück, das in den durch Flüchtlinge übervölkerten Notstandsgebieten im Osten und Norden der Bundesrepublik herrscht.
Hier sind heute noch 20 bis 25 % der Arbeitnehmer ohne Beschäftigung. Die Bundesregierung muß deshalb zwangsläufig das Schwergewicht ihrer Bemühungen darauf richten, zunächst in diesen Gebieten, in denen eine große Anzahl ungenutzter Industrieanlagen und viele arbeitslose Fachkräfte vorhanden sind, neue Industrien anzusiedeln. Dies war bisher noch nicht in dem gewünschten Umfange möglich. Um so mehr muß verhindert werden, daß Betriebe vom Osten nach dem Westen abwandern.
Es wird daher sehr schwierig sein, Bundesmittel für die Ansiedlung im Grenzkreis Kleve bereitzustellen, solange für die durch Arbeitslosigkeit am schwersten betroffenen Gebiete der Bundesrepublik konzentrierte Hilfsmaßnahmen notwendig sind. Dies schließt nicht aus, daß gegebenenfalls mit Hilfe der Landesregierung Nordrhein-Westfalen Möglichkeiten für die Unterbringung von Unternehmen innerhalb der dort vorhandenen Anlagen, beispielsweise bei der Abwicklung des Soforthilfeprogramms, gefunden werden, sofern sich Unternehmer finden, welche diesen Standort für ihre Produktion für geeignet halten.
Der Grenzkreis Kleve kann die Notwendigkeit besonderer Hilfsmaßnahmen nicht damit begründen, daß er zu den sogenannten „Sanierungsgebieten" gehört. Er ist seinerzeit bei der Abgrenzung dieser Gebiete nur auf Grund seiner durch die Kriegszerstörungen schwer notleidenden Landwirtschaft mit einbezogen worden, hat allerdings in diesem Haushaltsjahr, in dem vom Bundesfinanzminister nur 25 Millionen DM für Sanierungszwecke bereitgestellt wurden, innerhalb des Sanierungsprogramms keine Mittel erhalten können.
Dr. Frey , Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Eine Zusatzfrage!
Dr. Frey , Anfragender: Herr Minister, ich würdige die von Ihnen vorgetragenen Argumente; ich möchte aber gerade deswegen die Bundesregierung doch fragen, ob sie nicht die Bedeutung der Westgrenze und die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Gefahren besonders in einigen Westkreisen unterschätzt, zumal der Kreis Kleve heute nicht mehr, wie Sie angeben, 11 %, sondern 14,6 % Arbeitslose, also eine ansteigende Ziffer struktureller Arbeitslosigkeit hat.
Ich glaube nicht, daß wir die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Probleme an der Westgrenze unterschätzen. Wir würden selbstverständlich auch hier gern helfend eingreifen. Aber es ist unverkennbar, daß die gleichen Gesichtspunkte in sehr viel höherem Maße für die deutsche Ostgrenze gelten und daß deshalb vor allen Dingen die konzentrierten Anstrengungen nach dieser Richtung hin aufgewandt werden müssen.
Ich darf die Fragen 5 und nach der Mitteilung, die ich vorhin gemacht habe, übergehen.
Zur Frage 7 Herr Abgeordneter Dr. Schmid.
Dr. Schmid (SPD), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesverkehrsminister:
Aus welchen Gründen ist davon abgesehen worden, die Wasser- und Schiffahrtsdirektion für den Oberlauf des Rheins nach Mannheim zu verlegen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr!
Die Neuordnung der Bundesverwaltung des Rheinstroms hat das Bundesverkehrsministerium seit langem in eingehenden Untersuchungen beschäftigt. Die interessierten Stellen der Verwaltungen und der Wirtschaft hatten eine Fülle von Gesichtspunkten beigetragen, die 'beachtet wurden.
Für die Neuordnung war es günstig, daß die unter inzwischen grundlegend geänderten Verhältnissen entstandene Vorkriegsorganisation der Rheinverwaltung nach dem Kriege zerfallen war. Damit war der Weg frei für eine Lösung, die allen großen Veränderungen in Ausbauzustand, Verkehr und Verwaltung voll gerecht werden wird, welche die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte gebracht hatte.
Die umfassenden Untersuchungen haben zweifelsfrei ergeben, daß unbeschadet der bekannten Sonderregelung für den Bereich der Binnenschifffahrtsverwaltung drei Rhein-Verwaltungsabschnitte zu bilden sind, die je einer Mittelbehörde zuzuweisen sind, nämlich:
1. Der Abschnitt Niederrhein mit seinen eigentümlichen Verkehrserfordernissen, die schon in der Reichsorganisation zur Auslagerung der Verkehrsangelegenheiten in eine Außenstelle der Direktion Koblenz nach dem Ruhrgebiet gezwungen hatten.
2. Der Abschnitt Mittel- und Oberrhein bis zur Lautermündung, also der Rest des ausschließlich auf deutschem Hoheitsgebiet liegenden Rheinstroms, der sich im Zuge der Regulierungsmaßnahmen der Länder und des Reichs zu einem
Stromabschnitt entwickelt hat, in dem durch Feinregulierung nach einheitlichem Plan und einheitlicher Ausführung wesentliche Verbesserungen zur Angleichung an die Ausbauverhältnisse des Niederrheins möglich sind und der daher einen einheitlich zu betreuenden Abschnitt für die strombaulichen Maßnahmen der näheren und weiteren Zukunft bilden wird.
3. Der Abschnitt des Oberrheins von der Lautermündung aufwärts einschließlich des Hochrheins nach dessen Ausbau und Überführung auf den Bund. Dieser Abschnitt steht unter besonderem zwischenstaatlichen Verwaltungsregime und erfordert zur Wahrnehmung der deutschen Interessen bei der Zusammenarbeit mit den Dienststellen des Auslandes in besonderem Maße eine objektnahe Mittelbehörde.
Von der Notwendigkeit dieser Teilung in drei Abschnitte haben sich sämtliche Abteilungen des Bundesverkehrsministeriums nach eingehender Prüfung überzeugen müssen.
Mit dieser grundsätzlichen Entscheidung ergab sich zwangsläufig auch die Entscheidung über den Sitz der mittleren Direktion. Koblenz, alter historischer Sitz' der preußischen Rheinstrombauverwaltung, konnte nach dem Ausscheiden des Niederrheins und der Ausdehnung des Direktionsbezirks bis zur Lautermündung trotz mancher Erwägungen nicht beibehalten bleiben. Es war ein Sitz mehr in der Mitte des Bezirks notwendig. Die Überlegungen führten auf Mainz, wo sich bereits die Binnenschiffahrtsabteilung des Abschnittes befand. Mosel und Lahn liegen noch in erträglicher Entfernung. Die 'beteiligten Landesregierungen sind günstig zu erreichen.
Eingehende Zwischenüberlegungen wurden angestellt, ob nicht auch Mannheim den verwaltungsmäßigen Anforderungen an den Sitz der Direktion gerecht werden könnte. Sie führten zu dem klaren Ergebnis, daß Mainz bei weitem den Vorrang verdient. Von Mannheim sind die Entfernungen zum Mittelrhein, der mit seiner Felsenstrecke verkehrlich und verwaltungsmäßig besondere Aufmerksamkeit erfordert, sowie von Mosel und Lahn bereits zu groß. Auch die Beziehungen zu den Landesregierungen lassen sich von Mainz aus leichter pflegen, nämlich nach Wiesbaden und Mainz. Die am Stromabschnitt hauptsächlich beteiligten Länder Rheinland-Pfalz und Hessen haben sich eindeutig für Mainz und gegen Mannheim ausgesprochen. Die Interessen der Stadtverwaltung und der beteiligten Wirtschaftskreise Mannheims werden von der Direktion in Mainz genau so wirksam wahrgenommen, wie es diese bei der von ihnen vertretenen Lösung Mannheim erhoffen. Auch die in gewisser Hinsicht wohlbegründeten Ansprüche von Karlsruhe konnten hierbei keine Berücksichtigung finden.
Dr. Schmid (SPD), Anfragender: Ich habe eine Zusatzfrage.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter!
Dr. Schmid (SPD), Anfragender: Herr Minister, haben diese Direktionen in erster Linie wasserbauliche Aufgaben oder Verkehrs- und Verwaltungsaufgaben zu erfüllen?
Sie haben beide Aufgaben zu erfüllen, wobei je nach Lage des Stromgebiets die eine oder die andere Aufgabe überwiegt.
Dr. Schmid (SPD), Antragsteller: Warum ist dann, wenn Verwaltungs- und Verkehrsaufgaben eine wesentliche Rolle spielen, der Sitz der Direktion nicht nach Mannheim verlegt worden, dem zweitgrößten Hafen am Rhein und der südlichen Zentrale der Rheinschiffahrt?
Ich habe schon ausgeführt, daß die Aufgaben dieser Direktion in erster Linie auch eine enge Zusammenarbeit mit den Landesregierungen, hier in Mainz und Wiesbaden umfassen, den Sitzen der beteiligten Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hessen, die an dieser Strecke des Mittelabschnitts überwiegend beteiligt sind.
Zur Frage 8 der Abgeordnete Dr. Mommer.
Dr. Mommer , Anfragender: Ich frage die Bundesregierung, warum sie beabsichtigt, die Gebühren für Pässe und Visen zu erhöhen.
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Handhabung der Paßvorschriften ist durch die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse ungemein kompliziert worden und erfordert einen weitaus größeren Personalaufwand und daher auch einen größeren Verwaltungsaufwand als früher. Das ist der Grund, weshalb die früheren Paßgebührensätze bei weitem nicht mehr die Aufwendungen der Paßbehörden decken.
Nun ist zum Ausgleich nicht viel geschehen. Wir haben aus den eben genannten Gründen die Gebühr für die Ausstellung eines Reisepasses von 3 auf 8 DM erhöht. Auf der andern Seite soll im Interesse des Fremden- und Reiseverkehrs die Gebühr für Einreisesichtvermerke von 8 auf 6 DM ermäßigt werden. Die Gebühr für die Durchreisesichtvermerke ist überhaupt nicht erhöht worden.
Dr. Mommer , Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Dr. Mommer , Anfragender: Sollte man aus der Kompliziertheit der Verwaltung nicht den Schluß ziehen, daß man die Verwaltung vereinfachen muß und nicht die Gebühren erhöhen sollte?
Das ist im Gange, soweit wir zuständig sind.
Dr. Mommer , Anfragender: Darf ich weiter fragen: Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß sie mit der Erschwerung des Verkehrs der Personen über die Grenzen hinweg einer Tendenz dieses Bundestags entgegenwirkt, die dahin geht, daß diese Grenzen ja gerade fallen sollen und die Menschen nach den langen Jahren der Einsperrung hier in Deutschland wieder frei über die Grenze gehen sollen?
Soweit wir in der Bestimmung der Paßvorschriften frei sind, bemühen wir uns, so wenig Schwierigkeiten wie möglich zu machen. Es wird nur das im Interesse der Sicherheit unbedingt Notwendige verlangt.
Dr. Mommer , Anfragender: Noch eine kleine Zusatzfrage: Sehen Sie besondere Erleichterungen für Jugendliche vor? Wenn die während der Ferien ins Ausland fahren, haben sie vielleicht 100 Mark, und wenn sie dann 8 DM Paßgebühr plus 12 DM Visumgebühr zahlen müssen, ist schon ein Fünftel ihres Feriengeldes weg.
Wir kämpfen seit langem um die Einführung eines Jugendpasses, womit den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden soll, frei über alle Ländergrenzen hinweg ins Ausland zu gelangen. Leider sind wir beim Ausland nicht auf die nötige Gegenliebe gestoßen. Wir werden aber die Bemühungen unentwegt fortsetzen.
Zur Frage 9 Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Dr. Arndt , Anfragender: Ich frage die Bundesregierung, ob sie Nordhessen oder Teile davon zum Notstandsgebiet im Sinne der Verdingungsordnung erklären wird.
Zur Beanwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Laut Kabinettsbeschlüssen vom 2. Februar 1950 und 9. Januar 1951 gelten als notleidende Gebiete im Sinne der Verdingungsordnung für Leistungen und Bauleistungen : Berlin, der Bayerische Wald, Salzgitter, Wilhelmshaven und Teile von Schleswig-Holstein. Diese Gebiete sind bei der Vergebung öffentlicher Aufträge bevorzugt zu berücksichtigen.
Mir ist bekannt, daß auch im nordhessischen Raum ähnliche wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen wie in den genannten Gebieten. Ich muß aber darauf hinweisen, daß außerdem eine Reihe weiterer Gebiete — dazu gehört vor allem der grenznahe Raum entlang dem Eisernen Vorhang — die Forderung erhebt, ebenfalls zum notleidenden Gebiet im Sinne der VOL und VOB erklärt zu werden. Ich habe jedoch bisher bewußt davon abgesehen, den Umfang der notleidenden Gebiete über den gegenwärtigen Stand hinaus zu erweitern. Solange eine Vergrößerung des Volumens an öffentlichen Aufträgen nicht zu erwarten ist, würde eine solche Ausweitung die Hilfsmöglichkeiten, die mit einer Bevorzugung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen verbunden sind, sehr stark verwässern, wobei für den nordhessischen Raum kaum ein nennenswerter Vorteil zu erwarten wäre.
Zu berücksichtigen ist ferner, daß unabhängig von der territorialen Abgrenzung der notleidenden Gebiete im Sinne der VOL und VOB gemäß Kabinettsbeschluß vom 29. Mai 1951 außerdem auch heimatvertriebene Unternehmer bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt herangezogen werden müssen. Da gerade in den Gebieten entlang der Zonengrenze sehr viele heimatvertriebene Unternehmer ansässig geworden sind, kommt die durch den Kabinettsbeschluß vom 29. Mai 1951 getroffene Regelung gerade diesen Gebieten, d. h. also auch dem nordhessischen Notstandsgebiet, besonders zugute.
Sobald aber in Zukunft eine wesentliche Zunahme des Volumens der öffentlichen Aufträge zu erwarten ist, wäre zu überprüfen, ob und unter welchen Gesichtspunkten eine Neuabgrenzung der Notstandsgebiete im Sinne der VOL oder VOB
zweckmäßig ist. Nach meiner Auffassung dürften die der Zonengrenze am nächsten gelegenen Teile des Landes Hessen die Aussicht haben, im Rahmen einer Neuabgrenzung in den Kreis der notleidenden Gebiete mit einbezogen zu werden.
Dr. Arndt , Anfragender: Eine Zusatzfrage zur Klarstellung: Herr Bundesminister, ist es richtig, wenn ich Ihre Ausführungen in die kurze Antwort zusammenfasse, daß Sie nein sagen?
Für diesen Augenblick nein. Ich sehe aber Möglichkeiten in der weiteren Entwicklung, die es gestatten würden, Neuabgrenzungen, auch Neueinbeziehungen vorzunehmen; denn die öffentliche Auftragsvergebung wird ja nach meiner Überzeugung in nächster Zeit ein größeres Gewicht erhalten.
Dr. Arndt , Anfragender: Danke sehr!
An Stelle des erkrankten Herrn Abgeordneten Dr. Mühlenfeld wünscht Abgeordneter Tobaben Frage 10 zu stellen. — Meine Damen und Herren, ich empfehle, daß sich die Herren Fragesteller möglichst in der Nähe des Rednerpultes aufhalten.
Tobaben , Anfragender:
Anerkennt die Bundesregierung die Notwendigkeit des Erlasses eines Gesetzes zur Regelung des Verkehrs mit Erzeugnissen des Gartenbaus, und wenn ja, wann gedenkt sie, dem Bundestag einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen?
Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Antwort auf Teil 1: Ja! Auf Teil 2: Gesetzentwurf fertig. Für heute geplante Beratung im Bundeskabinett mußte auf Freitag verlegt werden. Weiterleitung an den Bundestag erfolgt infolgedessen quam celerrime — sehr rasch.
Meine Damen und Herren! Darf ich Ihren Beifall so verstehen, daß Sie Ihren Willen zum Ausdruck bringen, nicht nur die Fragen, sondern auch die Antworten sollen möglichst kurz sein?
Frage 11. Herr Abgeordneter Dr. Reismann, bitte!
Dr. Reismann , Anfragender: Ich frage die Bundesregierung, ob die in Norddeutschland umlaufende Nachricht stimmt, daß eine Dienststelle in der Bundesregierung einen Arbeitsdienst vorbereitet.
Der Bundesminister für Arbeit, bitte!
Ich kann es noch kürzer machen und kann sagen: Nein!
Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Dr. Reismann , Anfragender: Nein.
Zur Frage 12 Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Dr. Reismann , Anfragender: Ich möchte wissen, ob die Bundesregierung beabsichtigt, wegen der eingetretenen Entspannung auf dem Kohlenmarkt die Versorgung mit Hausbrandkohle zu verbessern.
Der Bundesminister für Wirtschaft ist dafür zuständig, Herr Abgeordneter.
Im laufenden Kohlenwirtschaftsjahr waren für den Hausbrand und Kleinverbrauch — diese beiden Gruppen müssen als eine Einheit betrachtet werden — rund 21,5 Millionen t vorgesehen. Von dieser Menge wurden in der Zeit vom 1. 4. bis 31. 12. 51 15,9 Millionen t geliefert. Für die Erfüllung des Hausbrand- und Kleinverbraucherplans wäre daher im laufenden Quartal lediglich noch die Bereitstellung einer Menge von rund 5,6 Millionen t erforderlich gewesen. Demgegenüber sind jedoch wie bereits in den beiden voraufgegangenen Quartalen wiederum 6 Millionen t vorgesehen. Damit sind Hausbrand und Kleinverbrauch an der Mehrförderung mit rund 400 000 t gebührend beteiligt worden. Zu der erwähnten ursprünglichen Gesamtmenge von 21, 5 Millionen t kommen noch 1,5 Millionen t Gaskoks, deren Auslieferung sichergestellt ist.
Bezüglich der Versorgung von Hausbrand und Kleinverbrauch im Kohlenwirtschaftsjahr 1952/53 möchte ich mich einstweilen auf den Hinweis beschränken, daß zunächst 2,6 Millionen t mehr vorgesehen sind als 1951/52. Hierbei handelt es sich jedoch noch nicht um eine endgültige Festlegung. Ziel der Bundesregierung ist es jedenfalls, die Brennstoffversorgung für Hausbrand und Kleinverbrauch in vollem Umfang sicherzustellen. Da im übrigen diesmal auch die Vorbereitungen auf der Länder- ' und Kreisebene für eine ordnungsgemäße Verteilung durch den Kohlenhandel rechtzeitig beendet sein werden, können wir ohne Sorge in das nächste Kohlenwirtschaftsjahr eintreten.
Präsident Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage?
Dr. Reismann , Anfragender: Eine Zusatzfrage: Herr Minister, wieviel Millionen Tonnen sind nach Ihrer Meinung erforderlich, um die Versorgung in vollem Umfang wieder überall sicherzustellen?
Die Frage, was „voller Umfang" bedeutet, läßt sich natürlich nicht so eindeutig festlegen. Wir haben in diesem Kohlenwirtschaftsjahr bekanntlich 20 Zentner für den Hausbrand bereitgestellt, und das wird geliefert werden. Ich wage noch keine Prognose, welche Menge wir für das nächste Kohlenwirtschaftsjahr bereitstellen können; aber eine Erhöhung ist unter allen Umständen beabsichtigt.
Dr. Reismann , Anfragender: Halten Sie etwa 21,5 Millionen t oder etwas in der Nähe Liegendes für „in vollem Umfang ausreichend"?
Nein, das halte ich noch nicht für ausreichend.
Noch weitere Zusatzfragen?
Beabsichtigen Sie weiterhin die Gleichstellung von Koks für den Hausbrand mit Kohle für den Hausgebrauch?
Wenn in der Kohlenversorgung von Zuteilungen gesprochen wird — sei es von 20 oder 24 Zentner —, dann bezieht sich das immer auf Kohle. Die Kokszuteilung erfolgt zusätzlich, wie das ja auch aus meiner Antwort bereits hervorgegangen ist.
Dr. Reismann , Anfragender: Danke!
Zur Frage 13 Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Dr. Reismann , Anfragender:
Den Besatzungsgeschädigten werden 12 % der Nutzungsentschädigung für die Instandhaltung der Häuser einbehalten.
Ich frage nun die Bundesregierung:
1. Wer verfügt über diese Gelder?
2. Werden sie für die mit ihnen belasteten Einzelobjekte verwandt, oder
3. sind sie für allgemeine Instandhaltungszwecke bestimmt?
Zur Beantwortung der Bundesminister der Finanzen.
Es handelt sich hier um die Regelung in der britischen Zone. Von einer Verfügung über diese Gelder kann eigentlich überhaupt nicht die Rede sein; denn diese Gelder werden verrechnet. Dadurch, daß sich durch den Abzug der 12 % die Nutzungsvergütungen mindern, mindert sich der Ausgabenbetrag des entsprechenden Etatkapitels I Tit. 32 Einzelplan XXIV. Durch die Inrechnungstellung der Instandsetzungskosten erhöht sich auf der andern Seite diese Etatposition etwa um denselben Betrag. Infolgedessen die Antwort zu Punkt 2 der Frage: Da es sich um Globalverrechnungen handelt, kann die Bundesregierung im Einzelfall nicht feststellen, ob die Ausgabe für das einzelne Gebäude erfolgt und für welchen einzelnen Zweck sie erfolgt ist.
Punkt 3 der Frage: Nach den Angaben, die wir von den Besatzungsmächten — in diesem Fall aus der britischen Zone — erhalten, sind die einbehaltenen Vergütungen für Instandsetzungszwecke verwandt worden.
Dr. Reismann , Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen, Herr Präsident?
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reismann.
Dr. Reismann , Anfragender: Ist die Bundesregierung willens, etwas zu unternehmen, um eine Kontrolle über die Verwendung dieser Gelder zu bekommen?
Selbstverständlich! Die Bundesregierung hat auch schon längst darauf hingewirkt, daß die Verhältnisse in den Zonen möglichst vereinheitlicht werden. Die Regelungen in den drei Zonen sind ganz verschieden. In der französischne Zone haben wir das System, daß die Instandsetzungskosten im Einzelfall verrechnet werden; ein System, das sich nicht bewährt hat, so daß das System der britischen
Zone für den Nutzungsberechtigten noch günstiger' ist. In der amerikanischen Zone haben wir zur Zeit überhaupt keine Regelung, weil die frühere Regelung, die darin bestand, daß 50 % der Nutzungsvergütungen einbehalten wurden, sich als unhaltbar erwiesen hat und aufgehoben worden ist. Wir haben bisher nur im Lande Hessen erreicht, daß dort ein Satz von 8 °/o einbehalten wird. Wir haben in der Zwischenzeit angeregt, es möchte der Satz von 8 °/o allgemein im ganzen Bundesgebiet zur Anwendung kommen. Im übrigen hoffe ich, daß sich diese ganze Regelung der Besatzungskostennutzungsentschädigung ihrem Ende nähert.
Dr. Reismann , Anfragender: Ich danke schön.
Zur Frage 14 Herr Abgeordneter Muckermann.
Muckermann , Anfragender: Die Frage richtet sich an die drei Ministerien für Wirtschaft, Finanzen und Inneres:
Hat der interministerielle Bürgschaftsausschuß zur Gewährung einer Ausfallbürgschaft für deutsche Filmvorhaben die Beratungen
— die vor mehreren Monaten begonnen wurden — über das Kriegsgefangenen-Filmvorhaben „Dawai — Dawai" -
— auf deutsch: marsch, marsch! —
abgeschlossen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis, wenn nein, aus welchen Gründen?
Die Herstellung eines Films, der das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in Rußland behandelt, ist besonders zu begrüßen. In der zur Zeit vorliegenden Fassung des Drehbuchs läßt sich das Filmvorhaben „Dawai — Dawai", das dieses Thema zum Gegenstand hat, jedoch nach Ansicht von Sachverständigen nicht durchführen. Außerdem ist wegen der geringen Finanz- und Filmerfahrung der Produzenten die Beteiligung eines erfahrenen Produzenten erforderlich. Auf Grund der Stellungnahme des im Rahmen der Filmbürgschaftsaktion gebildeten Beirats, dem der Herr Fragesteller ebenfalls angehört, läßt sich die Übernahme der Bürgschaft zunächst nicht verantworten. Es sind jedoch Verhandlungen mit dem Heimkehrerverband mit dem Ziel eingeleitet, den Stoff so zu gestalten, daß er das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in Rußland allen Volkskreisen nahebringt, und einen filmerfahrenen Produzenten an der Herstellung des Films zu beteiligen.
Zur Frage 15 Herr Abgeordneter Jacobs!
Jacobs , Anfragender: Auf Grund aufgetauchter Gerüchte habe ich den zuständigen Herrn Bundesminister zu fragen: Verbleibt die Oberpostdirektion in Trier?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Diese Frage kann ich folgendermaßen beantworten: Soweit es mich betrifft, wird die Oberpostdirektion Trier nicht aufgelöst werden. Aber ich muß Ihnen zu bedenken geben: Im Zuge der Neuordnung des
Bundesgebiets wird es sich wahrscheinlich nicht vermeiden lassen, daß Oberpostdirektionsgrenzen grundsätzlich neu gezogen werden müssen, und zum zweiten wird es Fragen der Wirtschaftlichkeit geben, die wohl beachtet werden müssen, wenn man die Größe einer Oberpostdirektion festzusetzen hat. Ich bitte, zu bedenken, daß Trier mit nur 2 000 Beamten, Angestellten und Arbeitern die kleinste Oberpostdirektion ist. Die nächstkleinste Oberpostdirektion ist Regensburg mit 8 000. Das wirtschaftliche Optimum einer Oberpostdirektion liegt heute bei einem Beamten-, Angestellten- und Arbeiterstab von etwa 17- bis 18 000.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jacobs?
Jacobs , Anfragender: Ist sich der Herr Bundespostminister darüber im klaren, welches die Ursachen der minderen Wirtschaftlichkeit der Oberpostdirektion in Trier sind, nämlich ausschließlich die Folge der willkürlichen Ziehung der Grenzen des Saargebiets, und daß er gegebenenfalls bei Aufhebung ein der derzeitigen Saarregierung erwünschtes Fait accompli schaffen könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir selbst ist nichts daran gelegen; aber es wird im Zuge der Neuordnung des Bundesgebietes auch über die Ziehung der Grenzen von Oberpostdirektionen neu befunden werden müssen.
Jacobs , Anfragender: Sind Sie, Herr Bundesminister, bereit, die jetzige Besetzung der Präsidentenstelle, die nur ein Provisorium ist, in ein Definitivum umzuwandeln?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich muß bemerken: das ist kein Provisorium. Die Geschäfte des Präsidenten werden von einem Abteilungspräsidenten wahrgenommen, und über die Besetzung dieses Postens, glaube ich, darf ich mir die Entscheidung vorbehalten. Sie hängt ja immer auch von der Qualität des Betreffenden ab.
Jacobs , Anfragender: Ich danke sehr.
Zur Frage 16 Herr Abgeordneter Jacobs!
Jacobs , Anfragender: Entspricht es den Tatsachen, Herr Bundesminister für Verkehr, daß auf Ihre Veranlassung hin gelegentlich der Einweihung einer Bahnstrecke Ihr Salonwagen als Sonderzug von Koblenz nach Trier eingesetzt wurde und daß auf den Haltestationen Telephonleitungen an den Wagen gelegt wurden, um Ihnen Gelegenheit zu geben, am Sonntag Telephongespräche mit Bonn zu führen?
Die Sonderwagen der Bundesbahn werden grundsätzlich nur mit Planzügen befördert, und auch an diesem Tage ist zur Einweihung der Strecke in der Eifel der Sonderwagen mit Planzug über Gerolstein und Neuerburg gelaufen. Er sollte über Gerolstein—Euskirchen mit Planzug zurückgeführt werden. Da eine dringende Besprechung mit den Herren Generaldirektor Bauer und Präsident Kerner notwendig war, ist der Sonderwagen mit Planzug nach Trier gelaufen und sollte auf meine Anweisung am nächsten Morgen mit Planzug 409 über Koblenz nach Bonn zurücklaufen, da ich um 9 Uhr Besprechungen im Ministerium angesetzt hatte. Der Eilzug ist, was mir nicht bekannt war, an diesem Sonntag nicht gefahren. Ohne mich zu fragen, hat die Eisenbahndirektion eine Sonderfahrt eingelegt.
Telephonanschlüsse werden an die Sonderwagen nur an den Hauptstationen, wo die Wagen einige Zeit stehen, gelegt. Auf diesen Stationen Sind Kabel vorhanden, die sich ohne Schwierigkeiten sofort in der Kabelmuffe der Sonderwagen befestigen lassen. Es ist notwendig, daß der Verkehrsminister stets telephonisch zu erreichen ist.
Jacobs , Anfragender: Ist sich der Herr Minister darüber im klaren, daß es trotz dieser Darstellung im Interesse der parlamentarischen Reputation sehr zweckmäßig wäre, in der heutigen Zeit von solchen Möglichkeiten, insbesondere den Telephonaten, Abstand zu nehmen?
Ich muß die Auffassung vertreten, — —
Darf ich zunächst darauf hinweisen, daß es sich hierbei nicht um eine Frage handelt. Ich lasse diese Bemerkung nicht als Frage zu. Sie bedarf keiner Beantwortung. — Ich bitte aber doch, meine Damen und Herren, freundlichst mir die Geschäftsführung zu überlassen und sie nicht durch laute Meinungsäußerungen zu unterbrechen.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jacobs?
Jacobs , Anfragender: Dann bitte ich den Herrn Bundesminister, zu veranlassen, daß den Zeitungen eine entsprechende Berichtigung zugeht, was bisher nicht der Fall gewesen ist.
Die Berichtigung ist den Zeitungen sofort durch die Eisenbahndirektion Trier zugegangen. Wenn Sie die Zeitungen verfolgen, würden Sie sie gelesen haben.
Offenbar hat Herr Abgeordneter Jacobs keine Zusatzfrage.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Goetzendorff zur Frage 17.
Goetzendorff , Anfragender: Ich
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Welche Maßnahmen hat der Herr Bundesminister für Vertriebene eingeleitet, um den Treckwilligen aus Schleswig-Holstein und Bayern durch Zurverfügungstellung von Wohnraum und Arbeitsmöglichkeit die Durchführung ihres Vorhabens zu ersparen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe die Führer der Treckvereinigungen zu mir eingeladen und ihnen eingehend Kenntnis von der Lage der Umsiedlung gegeben. Ich habe ihnen gleichzeitig nachgewiesen, daß wir die Finanzierung des Wohnungsbaues für 200 000 umzusiedelnde Menschen bis zum 1. August vollziehen können. Ich habe ihnen versprochen, sie bei der Organisation der Umsiedlung zuzuziehen, und habe ihnen die Frage vorgelegt, ob sie bei Zuweisung einer
sicheren Wohnung zu einem sicheren Termin von ihrer Absicht, zu trecken, Abstand nehmen würden. Darauf haben die Herren, die, wie ich betonen möchte, sehr verständig waren, gesagt: Ja, wenn die Umsiedlung wirklich mit aller Kraft im Frühjahr begonnen wird, dann wollen wir die Treckabsicht gern aufgeben; andernfalls werden wir trecken. Es steht also so, daß wir bis zum Spätsommer mit Sicherheit für 200 000 Umsiedler die Wohnungen geschaffen haben werden. Für den Rest der 100 000 ist die Finanzierung noch nicht ganz gesichert; sie steht aber in nächster Aussicht. Ich glaube also, daß die ungeheure Gefahr, die in der Treckabsicht liegt, vermieden werden kann.
Eine Zusatzfrage?
Goetzendorff , Anfragender: Herr Minister, ist für den Fall, daß die Treckvorhaben verwirklicht werden, für die wirtschaftliche und ärztliche Betreuung der Treckteilnehmer Sorge getragen, oder ist dies den Selbsthilfeorganisationen überlassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Länder führen die Dinge durch und in den Ländern wird dafür Vorsorge getroffen, daß jede gesundheitliche Schädigung beseitigt werden kann.
Zur Frage Nr. 18 Herr Abgeordneter Goetzendorff.
Goetzendorff , Anfragender: Ich
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Was ist seit dem Besuch des Herrn Bundesministers für Verkehr in Niederbayern geschehen, um die niederbayerische Wirtschaft zu fördern und den entlegenen Bayerischen Wald dem Fremdenverkehr zu erschließen?
Der Herr Bundesminister für Verkehr.
Ich bitte, diese Frage etwas ausführlicher beantworten zu dürfen.
Es sind Tarifmaßnahmen für den Güterverkehr durch die Deutsche Bundesbahn geschaffen: Abschwächung der Krisenzuschläge, Abflachung der Entfernungsstaffel zugunsten der Grenzgebiete, Beseitigung der Mehrentfernungen für das Umfahren der Ostzone infolge tarifarischer Durchrechnung über die Werratalbahn, Frachtkürzungen im Rahmen des deutsch-tschechoslowakischen Verbandskohlentarifs und Frachtberechnung über den geschlossenen Übergang Waldsassen, Einführung des Ausnahmetarifs 1 B 1 für Schnittholz und Bauholz, Ermäßigung der Ausnahmetarife 2 B 1 für Kies, Sand usw. und des Ausnahmetarifs 5 B 1 für Steine zum Wegebau.
Im Rahmen der „Frachthilfe" des Bundes und des Freistaats Bayern sind folgende Maßnahmen getroffen: Kürzung der Ladungsfrachten für Holz und Holzwaren, Kürzung der Ladungsfrachten für bestimmte Güter des Ausnahmetarifs 5 B 1, insbesondere für Steine zum Wegebau, Kürzung der Ladungsfrachten für Bruchsteine des Ausnahmetarifs 5 B 1, Kürzung der Ladungsfrachten für Werkstücke aus Stein, Kürzung der Ladungsfrachten für Steinplatten, Kürzung der Ladungsfrachten
für Graphit, Kürzung der Stückgutfrachten für bestimmte Holzwaren über 200 km Entfernung und für Werkstücke aus Stein.
Die Binnenschiffahrt hat trotz des Frachtendrucks unter Verzicht auf an sich gerechtfertigte Frachterhöhungen im gebrochenen Verkehr über den Main ihre Frachten so niedrig gehalten, daß sie mit zu einer fühlbaren Verkehrshilfe der ostbayerischen Wirtschaft beiträgt.
Im Personenverkehr ist diesem Gebiet durch die Ermäßigungsmöglichkeiten der neu eingeführten Rückfahrkarte entgegengekommen worden. Mit Rücksicht auf die Lage der Finanzen der Bundesbahn und die zu erwartenden Berufungen anderer Förderungsgebiete hat sich die Bundesbahn leider nicht entschließen können, dem Antrag auf Einführung einer besonders begünstigten BayerischenWald-Fahrkarte zu entsprechen.
Im Straßenbau sind in den Jahren 1950 und 1951 einschließlich Unterhaltungsarbeiten 11 Millionen DM aufgewandt worden, davon für Umbau, Brückenbau und Neubau 4,7 Millionen, allein für Kriegsschädenbeseitigung an Brücken 2,7 Millionen und für Baumaßnahmen im Zuge der Ostmarkstraße 1,13 Millionen DM.
Im Wasserbau wird jetzt auf Grund des deutschösterreichischen Regierungsabkommens vom 13. Februar 1952 nach Gründung der Aktiengesellschaft Donaukraftwerk Jochenstein mit dem Bau des Großkraftwerks Jochenstein begonnen werden, dessen Leistungsfähigkeit rund 1 Milliarde Kilowattstunden betragen wird. Die Bauzeit beträgt 4 Jahre; die Gesamtinvestition hierfür von 160 Millionen DM wird zur Hälfte von Österreich und zur Hälfte von Deutschland getragen. Es wird Tausenden von Menschen Beschäftigung geben. Sitz der Gesellschaft wird Passau, wo ein Verwaltungsgebäude errichtet wird, in dem laufend, auch für die Zukunft, bis zu 150 Angestellte Beschäftigung finden werden. Durch den sehr billigen Strombezug, für den hier die Voraussetzung geschaffen wird, wird die Industrialisierung des Gebietes weitgehend gefördert. Eine weitere Förderung ist darin zu erblicken, daß für die Niederwasserregulierung der Donau und für die Uferbauten jährlich ein Beitrag von 2 Millionen DM aufgewendet wird und daß zur Unterstützung der bayerischen Donauschiffahrt in den letzten Jahren jährlich 200 000 DM beigesteuert wurden.
Zur Förderung des Fremdenverkehrs im Bayerischen Wald ist folgendes zu sagen: Durch die Stauanlage Jochenstein wird das Donautal unterhalb Passau verkehrsmäßig erschlossen und ein sehr wesentliches Fremdenverkehrsgebiet neu hinzugefügt. Neue Kraftomnibuslinien der Deutschen Bundesbahn zur Erschließung des Fremdenverkehrsgebietes wurden von Regensburg nach Furth im Wald, von Cham nach Balbersdorf, von Neunburg vorm Wald nach Schwandorf, von Eßlarn nach Weiden und von Tirschenreuth nach Bernau eingerichtet. Die Straßenbaumaßnahmen sind vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Autotouristik gefördert worden. Für Sommer 1952 ist die Führung eines Ferienexpreßzuges aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet nach Bayrisch Eisenstein vorgesehen. Im Rahmen der Werbemaßnahmen des Bundesverkehrsministeriums wurden über den Bund Deutscher Fremdenverkehrsverbände ein Werbeblatt für den Bayerischen Wald in einer Auflage von 40 000 Stück und zwei Werbeschriften für Nord- und Südbayern in drei Sprachen in einer Auflage von 160 000 Stück hergestellt, die der Be-
lebung des Fremdenverkehrs besonders im Bayerischen Wald dienen werden. Auch bei den weiteren Werbemaßnahmen, insbesondere bei denjenigen der Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr, wird der Bayerische Wald besonders berücksichtigt. Berücksichtigt werden soll der Bayerische Wald auch durch Ausstellung von Bildern in den deutschen Eisenbahnzügen. In dem kurzfristigen Sanierungsprogramm der Bundesregierung sind seinerzeit 200 000 DM Kredite für die Wiederinstandsetzung zerstörter und zweckentfremdeter Beherbergungsbetriebe im Bayerischen Wald als Kredit gegeben worden.
Bei der bevorzugten Vergebung von Aufträgen der Deutschen Bundesbahn an das Förderungsgebiet „Bayerischer Wald" sind im Jahre 1951 Aufträge in Höhe von 1,74 Millionen DM, fast 10 % der Gesamtsumme der von der Bundesbahn an solche Gebiete verteilten Aufträge, in den Bayerischen Wald gefallen. Da der Bau neuer Eisenbahnen zur Verbindung der blind endenden Strecken im Bayerischen Wald an den Kosten scheitert, hat die Bundesbahn einen neuen Schienen-Straßen-Autobus entwickelt, der es in Zukunft ermöglichen wird, von Schwandorf bis Passau auf Schiene und Straße in demselben Fahrzeug zu fahren und eine einheitliche Verbindung quer durch den Bayerischen Wald, die seit 4 Jahrzehnten gewünscht wird, herzustellen.
Goetzendorff , Anfragender: Ich danke, Herr Minister.
Meine Damen und Herren, ich übergehe die Frage Nr. 19 auf Grund der Mitteilung, die ich zu Anfang gemacht habe.
Zur Frage Nr. 20 Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Dr. Mende , Anfragender: Besteht die Möglichkeit, aus Bundesmitteln die Bundesstraße 1 auch auf dem Gebiet der Stadt Essen bis Kilometerstein 31,5 umzulegen bzw. auszubessern?
Der Herr Bundesminister für Verkehr zur Beantwortung.
Das Bundesministerium für Verkehr ist grundsätzlich bereit, dem nachträglich eingereichten Antrag der Stadt Essen zu entsprechen und in Erweiterung des Antrags Bundestagsdrucksache Nr. 2378 für die Verlegung und den Ausbau der Bundesstraße 1 auch auf dem Gebiet der Stadt Essen von der Stadtgrenze Essen-Mülheim bis zur Wickenburgstraße Mittel im Haushalt der Bundesfernverkehrsstraßen für das Rechnungsjahr 1952 vorzusehen. Über die Kostenverteilung ist inzwischen mit dem Herrn Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Essen grundsätzliches Einverständnis erzielt worden.
Dr. Mende , Anfragender: Danke!
Zur Frage Nr. 21 Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Dr. Reismann , Anfragender: Ich frage die Bundesregierung:
Ist der Bundesregierung bekannt, nach welchen Gesichtspunkten die alliierte Telefon-,
Post- und Telegrammzensur zur Zeit ausgeübt wird? Stichprobenweise, lückenlos, nach
Kategorien der Empfänger oder Absender? Wieviel Prozent der Briefe, Telegramme, Telefongespräche werden zensiert?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt und dem Auswärtigen Amt, wobei letzteres in der Angelegenheit zur Zeit federführend ist, möchte ich dazu folgendes sagen. Wie bereits der Herr Bundeskanzler in Beantwortung einer Interpellation der Fraktion der SPD unter dem 22. Januar dem Hohen Hause schriftlich mitgeteilt hat, wird die Frage der alliierten Überwachungsmaßnahmen im Post- und Fernmeldeverkehr zur Zeit im Rahmen der Verhandlungen über die Ablösung des Besatzungsstatuts besprochen. Ich bitte daher, im jetzigen Zeitpunkt von einer Beantwortung von Einzelfragen absehen zu dürfen, weil dadurch die Verhandlungen sehr gestört werden können.
Dr. Reismann , Anfragender: Ich stelle also fest, daß die Frage nicht beantwortet wird.
Und dazu haben Sie keine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reismann?
Dr. Reismann , Anfragender: Ja, die nächste Frage habe ich schon angekündigt:
Tragen alle zensierten Postsendungen einen Zensurvermerk? Hat die. Zensurtätigkeit im Laufe des Jahres 1951 an Intensität nachgelassen? In welchen Ländern besteht sonst noch eine Postzensur?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das gehört in dieselbe Kategorie der Fragen. Ich möchte darauf im Augenblick nicht eingehen.
Dr. Reismann , Anfragender: Ich darf daraus entnehmen, daß diese Frage verneint ist, weil Sie sie eben nicht beantworten. Hat die Zensurtätigkeit im Laufe des Jahres 1951 an Intensität
nachgelassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicherlich!
Dr. Reismann , Anfragender: In welchen Ländern besteht sonst noch Postzensur? Diese Frage habe ich schon schriftlich gestellt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Außerhalb der Bundesrepublik?
Dr. Reismann , Anfragender: Außerhalb der Bundesrepublik!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich leider nicht sagen. Darüber kann ich keine Auskunft geben.
Dr. Reismann , Anfragender: Aber Herr Postminister, dann können Sie doch nicht sagen, daß es nicht opportun sei mit Rücksicht auf die schweb enden Verhandlungen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich nicht sagen; das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich könnte mir denken, daß es möglich ist; aber ich weiß es nicht.
Dr. Reismann , Anfragender: Gibt es in Westeuropa noch irgendeine solche Zensur?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich weiß es nicht!
Ist die Frage damit abgeschlossen?
Dr. Reismann , Anfragender: Nein! Ich stelle fest, daß sie nicht beantwortet ist.
Herr Abgeordneter Reismann, die Feststellung, was geschehen ist, ist jedem einzelnen Abgeordneten vorbehalten. Sie haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen!
Dr. Reismann , Anfragender: Zufriedengestellt bin ich nicht!
Zur Frage 22 wünscht Herr Abgeordneter Reismann, daß ich sie trotz meiner Mitteilung zu Beginn der Sitzung aufrufe.
Dr. Reismann , Anfragender: Ja, ich habe an die Bundesregierung, nicht an den Außenminister, die Frage gerichtet:
Wann hat die Bundesregierung die Titelveränderung von Herrn Grandval zuerst erfahren, und wann hat sie erfahren, daß eine solche bevorstand?
Nun haben wir gehört, daß der Herr Außenminister und der Herr Staatssekretär gestern von ihrer Reise zurückgekommen sind, — das letztere hier soeben im Bundestag, das erste ist durch den Rundfunk gegangen. Ich sehe nicht ein, warum die Frage nicht beantwortet werden soll. Das wird eine grundsätzliche Frage — —
Die Frage ist so, daß — —
— Nach § 111 der Geschäftsordnung findet keine Erörterung statt, wenn eine Frage beantwortet ist; wenn sie nicht beantwortet wird, findet eine Erörterung statt.
— Es ist nicht abgeschnitten!
Also, meine Damen und Herren, ich stelle fest: die Frage ist gestellt, die Bundesregierung sieht sich im Augenblick nicht imstande, sie zu beantworten. Ich kann das lediglich feststellen. Ich sehe keine Möglichkeit zu weiteren Erörterungen darüber.
Dr. Reismann , Anfragender: Es bleibt also festzustellen, — —
Nein, Herr Abgeordneter, Sie haben nicht die Möglichkeit, festzustellen.
Ich rufe Frage 23 auf. Das Wort hat der, Abgeordnete Ritzel.
Ritzel , Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesfinanzminister:
Ist dem Herrn Bundesminister der Finanzen bekannt, daß minderbemittelte Deutsche als Empfänger von Spenden, die ihnen von amerikanische Verwandten überwiesen werden, dadurch zu Schaden kommen sollen, daß sich der amerikanische Spender in Unkenntnis der deutschen Devisenbestimmungen dazu verleiten ließ, auf Grund von Zeitungsinseraten in den Vereinigten Staaten einen Kurs von 5 DM pro Dollar zu akzeptieren, der nur durch einen nach deutschem Recht ungesetzlichen Überweisungsweg erreicht werden könnte? Hält es der Herr Bundesminister der Finanzen für vertretbar, daß die minderbemittelten deutschen Empfänger durch Beschlagnahme und Einziehung der ihnen zugedachten Beträge bestraft werden, obwohl sie an dem Vorgang nicht die geringste Schuld trifft?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um die Frage des illegalen Zahlungsverkehrs. Dieser illegale Zahlungsverkehr zwischen Deviseninländern und -ausländern hat einen großen Umfang angenommen. Das Volumen läßt sich natürlich nicht statistisch feststellen, geht aber monatlich in die Millionenbeträge. Es handelt sich insofern um eine ernste Gefährdung unserer Zahlungsbilanz und damit unserer Währung. Es ist Pflicht eines geordneten Staates, dieser ernsten Gefahr entgegenzutreten. Deswegen habe ich angeordnet, daß in allen Postanstalten Plakate ausgehängt werden, die die Öffentlichkeit vor der Annahme von illegalen sogenannten Zugunsten-Zahlungen warnen und auf die möglichen strafrechtlichen Folgen hinweisen.
Ich mache darauf aufmerksam, daß der größte Prozentsatz der Absender fingiert ist.
Die meisten geben den wirklichen Namen nicht an. Ich habe in der in- und ausländischen Presse darauf hingewiesen, daß die Mitwirkung an dem illegalen Zahlungsverkehr ungesetzlich und strafbar ist. Dies zur gestellten Frage allgemein.
Was den Einzelfall betrifft, so richtet sich die Beurteilung und die Anwendung des Gesetzes nach dem jeweiligen Tatbestand. Wenn der überwiesene Betrag dem Empfänger noch nicht zugegangen ist, wird der Überweisungsbetrag grundsätzlich eingezogen. Wenn der ausländische Absender des Geldes nachweisen kann, daß er den illegalen Transfer nicht verschuldet hat, sondern daß ein Verschulden des Mittelsmanns vorliegt, so steht ihm die Möglichkeit offen, sich an diesem Mittelsmann schadlos zu halten. Wenn der Betrag der Zugunsten-Zahlung bereits auf das Konto des Empfängers überwiesen oder ihm bar ausgezahlt worden ist, so ist zu unterscheiden, ob der Empfänger schuldhaft gehandelt bzw. mitgewirkt hat oder nicht. Im ersten Fall
wird der Überweisungsbetrag nach dem Gesetz grundsätzlich eingezogen und unter Umständen auch ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Wenn der Empfänger seine Unschuld, seinen guten Glauben nachweisen kann, so kommt lediglich die Einziehung des Kursgewinns, also in diesem Fall des Unterschieds zwischen 5 DM und 4,20 DM, in Frage. Das ist schon aus allgemeinen Gründen notwendig.
Ritzel , Anfragender: Eine kurze Zusatzfrage, Herr Minister. Ist Ihnen bekannt, daß ungeachtet Ihrer zuletzt getroffenen Feststellungen nichtschuldigen kleinen Leuten, Arbeitern und kleinen Bauern der ganze Betrag durch die Zollbehörden weggenommen worden ist?
Wenn solche Fälle vorkommen, hat im geordneten Rechtsstaat der Einzelne den ihm offenstehenden Rechtsweg zu beschreiten. Ob sich der subjektive und der objektive Tatbestand immer decken, läßt sich hier nicht ohne weiteres entscheiden.
Ritzel , Anfragender: Ich danke Ihnen. Ich werde Ihnen das Material übergeben.
Meine Damen und Herren, die für die Fragestunde vorgesehene Zeit ist abgelaufen. Damit entfallen für heute die weiter gestellten Fragen.
Ich habe mitzuteilen, daß der Vorsitzende des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität diesen Ausschuß zu einer Sitzung im Saale 02 des Südflügels sofort einberuft.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Umstellung der Portugal gewährten
Vertragszollsätze auf den neuen deutschen
Wertzolltarif .
Die Regierung verweist auf die schriftliche Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. — Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. — Das Haus ist mit der Überweisung einverstanden.
Ich rufe Punkt 3 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung von Vorschriften auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 3089 der Drucksachen).
Der Ausschuß hat keinen schriftlichen Bericht erstattet. Frau Abgeordnete Kipp-Kaule wünscht, einen mündlichen Bericht zu erstatten.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten für die allgemeine Besprechung vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Frau Abgeordnete!
Frau Kipp-Kaule , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mit Drucksache Nr. 3089 legt Ihnen 'der Ausschuß für Arbeit den Mündlichen Bericht über den Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung von Vorschriften auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes vor. Das Haus hat die Vorlage der Regierung Drucksache Nr. 2952 an diesen Ausschuß verwiesen. Der Ausschuß hat sich in einer Sitzung mit dem Gegenstand beschäftigt und schlägt Ihnen vor, folgende Vorschriften außer Kraft zu setzen:
1. Anordnung des Reichsarbeitsministers, betreffend Ausnahmen vom Arbeitsschutz, vom
11. September 1939 ,
2. Anordnung des Reichsarbeitsministers, betreffend Änderung der Anordnung über Ausnahmen vom Arbeitsschutz, vom 24. Oktober 1939 ,
3. Verordnung über den Arbeitsschutz vom
12. Dezember 1939 ,
4. Anordnung des Reichsarbeitsministers zur Durchführung der Verordnung über den Arbeitsschutz vom 14. Januar 1940 ,
5. Anordnung des Reichsarbeitsministers über die Regelung der Arbeitszeit im Verkehrswesen vom 17. Januar 1940 ,
6. Anordnung des Reichsarbeitsministers, betreffend Ruhezeiten in der Binnenschiffahrt,
7. Nr. 3 der Anordnung des Reichsarbeitsministers, betreffend Freizeit für Gefolgschaftsmitglieder in Gast- und Schankwirtschaften, vom 5. Dezember 1940 ,
8. Anordnung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, betreffend Beschäftigung von Frauen als Führerinnen von Lastkraftwagen, vom 23. März 1943 ,
9. Anordnung des Reichsarbeitsministers, betreffend Arbeitszeit der Wachmänner des Wachgewerbes, vom 1. Juni 1943 ,
10. Anordnung des Reichsarbeitsministers über die Arbeitszeit der auf Bauten beschäftigten männlichen Gefolgschaftsmitglieder vom 16. Juli 1943 ,
11. Anordnung des Reichsarbeitsministers, betreffend Arbeitszeit für Schornsteinfegerlehrlinge, vom 30. August 1943 ,
12. Anordnung des Reichsarbeitsministers über betriebliche Erziehungsmaßnahmen bei Jugendlichen vom 22. Oktober 1943 ,
13. Verordnung über die Sechzigstundenwoche vom 31. August 1944 .
Meine Herren und Damen, alle diese Verordnungen und Anordnungen waren in der Kriegszeit zu dem Zweck erlassen worden, die Arbeitsschutzvorschriften für die Dauer des Krieges aufzuheben, um den totalen Krieg durchzuführen. Der Ausschuß hat Übereinstimmung darüber erzielt, daß dies Verordnungen und Anordnungen entsprechend der Vorlage der Regierung außer Kraft gesetzt werden sollen. Ich habe Ihnen im Auftrage des Ausschusses vorzuschlagen, dem § 2 in der Fassung der Drucksache Nr. 3089, die mit der Fassung der Regierungsvorlage übereinstimmt, Ihre Zustimmung zu geben.
Gegen § 3 der Regierungsvorlage wurden im Ausschuß von Vertretern der Opposition Bedenken geltend gemacht. Es wurde die Meinung vertreten, daß man es dem Parlament überlassen sollte,
welche weiteren Rechtsvorschriften auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes außer Kraft zu setzen sind. Schließlich hat ein Vertreter der Föderalistischen Union den Vorschlag gemacht, § 3 dahin zu fassen, daß der Bundesminister für Arbeit ermächtigt wird, zur Bereinigung des Arbeitsschutzrechts durch Rechtsverordnung weitere Rechtsvorschriften, die vom ehemaligen Reichsarbeitsminister, dem ehemaligen Generalbevollmachtigen für den Arbeitseinsatz oder von anderen Verwaltungsbehörden in der Zeit vom 1. Mai 1933 bis 30. April 1945 erlassen worden sind und als Bundesrecht fortgelten, ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen.
Bei der Debatte um diese Änderung des § 3 ging es darum, daß die Opposition sich nicht bereiterklären konnte, dem Bundesarbeitsminister diese Ermächtigung zu erteilen. Als von der Opposition die Frage gestellt wurde, um welche. Verordnungen es sich noch handle, wurde vom Bundesarbeitsministerium erklärt, erstens handele es sich um die Verordnung über lagermäßige Unterbringung von Arbeitskräften während der Dauer des Krieges, die heute noch fortbestehe — es ist die Lagerverordnung vom 14. Juli 1943 —, zweitens handele es sich um eine Anordnung des Reichsarbeitsministers betreffend Verkauf von Presseerzeugnissen in Verkaufsständen innerhalb Hotels und Gaststätten vom 18. März 1940 (Reichsarbeitsblatt III Seite 108), und drittens handele es sich um die Anordnungen des Reichsarbeitsministers vom 28. September 1940 und vom 3. März 1943 betreffend Beschäftigung Jugendlicher in den Betrieben der Papier- und Pappenerzeugung, veröffentlicht in „Runderlasse des Reichsarbeitsministeriums für die Arbeitseinsatz-, Reichstreuhänder- und Gewerbeaufsichtsverwaltung" 1940 Seite 554 und 1943 Seite 164.
Obwohl Bedenken angemeldet wurden, hat die Mehrheit des Ausschusses beschlossen, den § 3 in der von mir zitierten Fassung zu belassen.
Ferner hat der Ausschuß auf Vorschlag des Bundesrats beschlossen, dem Gesetzentwurf einen neuen Paragraphen anzufügen, und zwar den § 3 a, der besagt:
Dieses Gesetz und die nach § 3 dieses Gesetzes erlassenen und noch zu erlassenden Rechtsverordnungen gelten auch im Lande Berlin, sobald das Land Berlin gemäß Artikel 87 Absatz 2 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes beschlossen hat.
Ich darf Ihnen noch sagen, daß der Bundesrat — die Drucksache zu Drucksache Nr. 2952 liegt dem Hohen Hause vor — außer diesem Änderungsvorschlag betreffend die Geltung des Gesetzes auch für das Land Berlin keine Änderungsvorschläge gemacht hat.
Ich darf Sie im Auftrage des Ausschusses bitten, der Ausschußvorlage Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich rufe auf § 1, — § 2. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 1 und 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; die beiden Paragraphen sind angenommen.
Zu § 3 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 447 vor. — Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist der Auffassung, daß sich der Bundestag ein Armutszeugnis ausstellen würde, wenn er sich nicht in der Lage sähe, die ganze Angelegenheit in kurzer Zeit selbst gesetzlich zu regeln.
Wir wünschen deshalb, daß ein zweiter Gesetzentwurf vorgelegt wird, der alles das enthält, was an bestehenden Gesetzen und Verordnungen bleiben kann, und das, was gesetzlich neu geregelt werden muß. Die zuständigen Ausschüsse haben es ja dann in der Hand, die Einzelheiten zu erörtern. Damit würde der § 3 überflüssig werden. Deshalb verlangen wir seine Streichung. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Umstritten war lediglich die in § 3 enthaltene Ermächtigung. Im Ausschuß wurde die Frage eingehend diskutiert. Es wurden schon Korrekturen vorgenommen, um dem zuständigen Ministerium nicht eine zu weitgehende Ermächtigung zu geben. Zunächst ist hier doch eine zeitliche Begrenzung insofern erfolgt, als es sich nur um Bestimmungen handeln kann, die in der Zeit vom 1. Mai 1933 bis 30. April 1945 geschaffen wurden. In das Protokoll der betreffenden Sitzung des Arbeitsausschusses wurde ausdrücklich als übereinstimmende Auffassung die Erklärung aufgenommen, daß die in § 3 enthaltene Ermächtigung lediglich dazu dienen solle, Rechtsvorschriften aus dieser genannten Zeit zu beseitigen, die einer Einschränkung des Arbeitsschutzes dienen, also all die Bestimmungen, die damals mit Rücksicht auf die Rüstungswirtschaft Einengungen des Arbeitsschutzes zum Ziele hatten.
Nun hat Herr Kollege Ludwig gesagt, die noch offenstehenden Fragen könnten in einem besonderen Gesetz geregelt werden. Hierzu möchte ich sagen, mir scheint es aus Zweckmäßigkeitserwägungen doch besser zu sein, den vom Ausschuß empfohlenen Weg zu wählen, da die offenstehenden Fragen wahrscheinlich nicht in aller Kürze geklärt werden können. In den einzelnen Ländern bestehen noch Meinungsverschiedenheiten. Wir möchten aber doch jede Chance ausnützen, um diese Einengungen baldmöglichst zu beseitigen.
Nachdem alle Sicherungen dafür getroffen sind, daß hier von einer Ermächtigung nicht in einem nichtgewollten Sinne Gebrauch gemacht werden kann, glaube ich doch, daß der vorgeschlagene Weg der geeignetere ist, um baldmöglichst die Einschränkungen des Arbeitsschutzes aufzuheben, auf die wir verzichten müssen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu § 3.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 447, § 3 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, ich bitte, die Abstimmung noch einmal zu wiederholen. Bitte, wer ist für den Antrag? — Wer ist dagegen? — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 3 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren,
die für § 3 in der Ausschußfassung sind, eine Hand
zu erheben. — Ich bitte um die. Gegenprobe. —
Das ist die gleiche Mehrheit; § 3 ist angenommen.
Ich rufe auf 3 a. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die für § 3 a sind, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; § 3 a ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Wir kommen zur allgemeinen Besprechung der
dritten Beratung.
Wer wünscht, das Wort zu nehmen? — Niemand. Ich schließe die allgemeine Besprechung der dritten Beratung. Da zu den Einzelbestimmungen keine Änderungsanträge gestellt sind, entfällt die Einzelbesprechung.
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 1, — 2, - 3, — 3 a — Einleitung und Überschrift und bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Damit wir die Geschäftsordnung auch richtig handhaben, kommen wir nun gemäß § 54 zur Schlußabstimmung durch Aufstehen. Ich bitte die Damen und Herren, die in der Schlußabstimmung für das Gesetz sind, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Herr Abgeordneter Weber, ist das Beharrungsvermögen oder Ihre andere Meinung?
— Enthaltungen? — Ich stelle fest, daß das Gesetz ohne Enthaltungen einstimmig angenommen ist.
Meine Damen und Herren. Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität wird einen Bericht in der Angelegenheit des Abgeordneten Dr. Franz Richter erstatten. Ich habe Ihnen die Mitteilung zu machen, daß mit meiner Zustimmung der Abgeordnete Dr. Franz Richter vorläufig festgenommen ist unter der Beschuldigung, daß er weder Studienrat noch Dr. ist noch Franz Richter heißt, sondern daß er der ehemalige Gauhauptstellenleiter Fritz Rößler der NSDAP, Gau Sachsen, ist.
— Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, von der weiteren Erörterung freundlichst abzusehen, bis der Bericht des Geschäftsordnungsausschusses erstattet wird. Ich hielt mich nur für verpflichtet, Ihnen diese Mitteilung zu machen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (Nr. 3071 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Merten. Der Ältestenrat schlägt vor, auf eine Aussprache zu verzichten.
Bitte, Herr Abgeordneter Merten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Bundestag im Jahre 1950 das Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen behandelte und verabschiedete, tat er das in dem Wunsch, Ida das Gesetz durch die baldige Rückkehr der Kriegsgefangenen von selbst gegenstandslos werden möge. Dieser Wunsch ist leider nicht in Erfüllung gegangen. Fast sieben Jahre nach Beendigung der Feindseligkeiten muß Deutschland immer noch um die Rückkehr seiner Kriegsgefangenen ringen, die sich heute noch in zahlreichen Gewahrsamsstaaten, zum größten Teil jedoch in der Sowjetunion, befinden.
Die Kriegsgefangenschaft von heute hat ihren Sinn, der durch das Völkerrecht festgelegt ist, verloren, nämlich den Kriegsgefangenen am Dienst mit der Waffe gegen den Gegner zu hindern. Daran ändert auch nichts die einseitige Aberkennung der Kriegsgefangeneneigenschaft durch die Gewahrsamsstaaten und die Überführung der Kriegsgefangenen in Untersuchungshaft, in Strafhaft oder in andere Haftarten. Diese einseitige Aberkennung der Kriegsgefangeneneigenschaft widerspricht dem geltenden Recht und wird daher von Deutschland nicht anerkannt.
Die Tatsache der noch bestehenden Kriegsgefangenschaft bringt zahlreiche Probleme materieller und auch psychologischer Natur für die Familien dieser bedauernswerten Opfer menschlicher Willkür mit sich. Die psychologischen Probleme können nur durch die baldige Entlassung der Kriegsgefangenen gelöst werden, um deretwillen auch bei dieser Gelegenheit wieder ein dringender Appell an die Gewahrsamsstaaten gerichtet wird. Die materiellen Probleme der Kriegsgefangenschaft für die Angehörigen in der Heimat sind durch das Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen vom 13. Juni 1950 geregelt worden, soweit dies damals durch den Bund möglich war. Der Grundsatz der damaligen gesetzlichen Regelung war der, daß die Angehörigen der Kriegsgefangenen den Hinterbliebenen der Gefallenen und den Angehörigen der Vermißten in allen Punkten der Versorgung gleichgestellt sein sollten. Diese Bestimmung richtete sich damals nach den in den Ländern für die Versorgung von Kriegsopfern geltenden Gesetzen.
Eine neue Lage ergab sich durch die Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes, weil nunmehr eine neue Rechtsgrundlage geschaffen wurde. Um die Angehörigen der Kriegsgefangenen auch jetzt wieder den Hinterbliebenen gleichzustellen, mußte eine Ergänzung des Gesetzes vom 13. Juni 1950 erfolgen. Diese Ergänzung ergibt sich notwendig daraus, daß es sich bei den Leistungen an die Angehörigen nicht um Fürsorgeleistungen und auch nicht um fürsorgeähnliche Leistungen subsidiären Charakters handelt, sondern um eine echte Versorgungsleistung, da ja die Situation dieser Angehörigen praktisch genau dieselbe ist wie die Situation der Hinterbliebenen. Die Einzelheiten des Gesetzentwurfes liegen Ihnen in der Drucksache Nr. 3071 vor. Ich darf mich darauf beschränken, nur auf einige wichtige Punkte dieser Drucksache hinzuweisen.
Das Gesetz ist in § 1 auch auf Ausländer und Staatenlose ausgedehnt worden, die Angehörige von Kriegsgefangenen sind und unter den Voraussetzungen des Gesetzes in der Bundesrepublik &der in Westberlin leben:
Wesentlich ist auch die Ausdehnung, die in § 2 erfolgt, wo den Kriegsgefangenen diejenigen Personen ,gleichgestellt werden, die noch in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetischen Sektor von Berlin festgehalten werden.
In § 4 ist Abs. 2 gestrichen worden, um den Hinterbliebenen die Angehörigen der Kriegsgefangenen auch dann gleichzustellen, wenn sie anderweitig Rechtsansprüche auf Bezüge aus öffentlichen Mitteln haben. Nach der bisherigen Regelung konnten in diesem Falle Kürzungen erfolgen, vor allen Dingen wurde ihnen die Grundrente genommen. Das soll in Zukunft nicht mehr der Fall sein.
In § 7 ist dem Gesetz die übliche Berlin-Klausel eingefügt worden.
In Art. 2 Abs. 2 wird § 26 b des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung des Heimkehrergesetzes, den wir erst vor kurzer Zeit beschlossen haben, außer Kraft gesetzt, weil dieser Paragraph seinem Inhalt nach nicht in das Heimkehrergesetz, sondern in dieses Gesetz gehört und auch in den §§ 2 Abs. 3 und 5 Abs. 2 dieses Gesetzes Berücksichtigung gefunden hat.
Die Härteklauseln des Bundesversorgungsgesetzes konnten nicht wörtlich übernommen werden, da es ja hier nicht um die Versorgung der Kriegsgefangenen selbst, sondern ihrer Angehörigen geht. Sie wurden daher sinngemäß umgestaltet in dieses Gesetz übernommen. Überall da, wo der Bundesminister für Arbeit erscheint, ist an seine Stelle der Bundesminister für Vertriebene getreten, der die Federführung für dieses Gesetz hat.
Der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen hat sich in mehreren Sitzungen mit dem vorliegenden Gesetz befaßt und ist einstimmig zu idem Beschluß gekommen, dem Hohen Hause die Drucksache Nr. 3071 mit der niedergelegten Fassung des Gesetzes vorzulegen. Ich habe die Ehre, Sie zu bitten, dem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf Art. 1. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der KPD, Umdruck Nr. 450 vor. Wer wünscht ihn zu begründen? — Herr Abgeordneter Renner. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag gestellt, den Abs. 3 ides § 2 zu streichen. Dieser Passus ist vom Ausschuß geschaffen worden; die Regierungsvorlage enthielt ihn nicht. Der Passus lautet:
Den Kriegsgefangenen sind ferner Personen gleichgestellt, die in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetischen Sektor von Berlin festgehalten werden.
Das Gesetz, idas uns heute hier beschäftigt, ist ein Gesetz zur Betreuung der Angehörigen von Kriegsgefangenen. In der Deutschen Demokratischen Republik und im demokratischen Sektor von Berlin gibt es keine deutschen Kriegsgefangenen. Die gibt es einfach nicht.
Sie meinen auch einen ganz anderen Personenkreis,
einen Personenkreis, an dem Sie stark interessiert
sind, weil er eine gewisse Politik im Auftrage vor allem etwa des Herrn Ministers für gesamtdeutsche Angelegenheiten Jakob Kaiser durchzuführen hat. Was Sie hier meinen, das sind die Angehörigen der Agenten, der Diversanten, der Verbrecher, die Sie in die DDR schicken, um dort Attentate zu begehen
und Zersetzungsarbeit zu machen.
Herr Abgeordneter Renner, die Unterstellung, daß in diesem Hause Leute säßen, die Verbrecher zu Attentaten entsenden, ist eine Beleidigung des Hauses. Ich rufe Sie zur Ordnung.
Ja, ja, das ist eben eine Tatsache!
Herr Abgeordneter Renner, ich erteile Ihnen wegen dieser Formulierung einen zweiten Ordnungsruf und mache Sie auf die Folgen eines dritten Ordnungsrufes aufmerksam.
Ich könnte mich ja auf Feststellungen berufen, die ein ehemaliger Minister zu diesem Gegenstand gemacht hat, und ich könnte mich berufen auf die Ergebnisse der Untersuchungen im Laufe der Prozesse gegen diese Agenten, die dort eingesetzt worden sind.
Je mehr sich die Verhältnisse in der DDR konsolidieren, um so mehr sind gewisse Kreise hier im Westen
bemüht, diesen Aufbau aufzuhalten. Was hier geschieht, ist nichts anderes, als den Familienangehörigen dieser Personen, die dort als Agenten eingesetzt sind, eine Garantie zu gewähren. Gar nichts anderes ist es. Es wird hier eine „Funktion", die eigentlich aus den Mitteln des Geheimfonds des Herrn Ministers Kaiser zu bezahlen wäre, in dieses Gesetz übernommen. Um gar nichts anderes handelt es sich! Ich bin der Ansicht, daß die Verquickung dieses Personenkreises mit dem anständigen Teil der Kriegsgefangenen eine Entehrung der Kriegsgefangenen und ihrer Angehörigen darstellt.
Ich bitte im übrigen um getrennte Abstimmung.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu Art. 1.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der KPD, Umdruck Nr. 450. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Herr Abgeordneter Renner wünscht getrennte Abstimmung. Wünscht das Haus getrennte Abstimmung über die einzelnen Abschnitte durchzuführen?
- Offenbar nicht.
— Herr Abgeordneter Renner, ich habe über Ihren Antrag abstimmen lassen und Ihnen damit die Möglichkeit gegeben, Ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. Ich habe keine Möglichkeit, entgegen dem Willen der Mehrheit über Einzelfragen abstimmen zu lassen. Ist das Haus anderer Meinung?
- Offenbar nicht.
Ich bitte die Damen und Herren, die Art. 1 in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Art. 1 ist mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die Art. 2, Art. 3 sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen. Die zweite Beratung ist beendet.
Zur
dritten Beratung
liegen Änderungsanträge nicht vor.
— Sie wollen zur Abstimmung eine Erklärung abgeben, Herr Abgeordneter Renner. Bitte schön!
Die kommunistischen Bundestagsabgeordneten stimmen dem Gesetz an und für sich zu, mit Ausnahme des soeben von mir gerügten Paragraphen, dessen Streichung wir beantragt haben.
Ich bitte die Damen und Herren, die Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, der Vorsitzende des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität bittet um das Wort zur Berichterstattung in der Immunitätsangelegenheit des Abgeordneten, der unter dem Namen Dr. Franz Richter dem Bundestag angehört. Herr Abgeordneter Ritzel hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bestand leider Veranlassung, eine dringliche Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität wegen einer Beschuldigung gegen einen Abgeordneten einzuberufen, die in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus einzig dastehen dürfte. Ich glaube, in der Annahme nicht fehlzugehen, daß ich auch in Ihrem Namen sprechen kann, wenn ich sage: wir bedauern, daß eine solche Beschuldigung gegen einen Abgeordneten des Deutschen Bundestages überhaupt möglich ist, überhaupt erhoben werden kann. Es handelt sich um ein Schreiben des Herrn Bundesministers der Justiz vom 20. Februar 1952. Der Herr Bundesminister der Justiz übersendet einen Bericht des Oberstaatsanwalts in Bonn mit dem Antrag, die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens und zur Verhaftung des Bundestagsabgeordneten Dr. Franz Richter, alias Fritz Rössler, wegen der aus dem Bericht ersichtlichen strafbaren Handlungen herbeizuführen. Der Bericht der Oberstaatsanwaltschaft lautet:
Der Bundestagsabgeordnete Fritz Rössler steht auf Grund des Ergebnisses des seitens des, Bundeskriminalamtes — Sicherungsgruppe — durchgeführten Personenfeststellungsverfahrens in dem dringenden Verdacht, sich durch eine und dieselbe Handlung seit 1945 fortgesetzt a) der Urkundenfälschung (§ 267 StGB), b) der unbefugten Führung einer inländischen Amts- oder Dienstbezeichnung — Studienrat — (§ 6 Abs. 1 Ziffer a des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 1. Juli 1937), c) der unbefugten Führung eines inländischen akademischen Grades — Dr. phil. —
- es kommt noch besser, Herr Renner —(§ 5 Abs. 1 Ziffer a des Gesetzes über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939), d) der falschen Namensangabe (§ 360 Abs. 1 Ziffer 8 StGB), e) der mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 StGB), sowie f) seit 1,946 des fortgesetzten Betruges (§ 263 StGB), g) in den Jahren 1946, 1947 und 1949 der wissentlich falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB), h) im Jahre 1946 der Personenstandsfälschung (§ 169 StGB) schuldig gemacht zu haben.
Der Beschuldigte Fritz Rässler lebt seit 1945 unter dem Namen „Studienrat Dr. Franz Richter".
Er hat sich laufend in mündlichen und schriftlichen Erklärungen Behörden und Dienststellen gegenüber unter diesem Namen ausgegeben mit der Folge, daß er unter dem angenommenen Namen im öffentlichen Leben geführt wird und seine Ausweispapiere und behördenmäßigen Unterlagen auf diesen Namen lauten. So wird der Beschuldigte insbesondere bis in die letzte Zeit vom Deutschen Bundestag als Abgeordneter „Studienrat Dr. Franz Richter" geführt. Er hat 'sich auch bis in die letzte Zeit unter diesem Namen in die Anwesenheitsliste eingetragen
— auch heute! —
und unter diesem Namen die Diäten und Tagegelder liquidiert.
Am 7. November 1946 ging der Beschuldigte mit seiner Ehefrau Ruth Rössler, geborene von Schönberg-Pötting, vor dem Standesamt in Luthe bei Hannover „die Ehe ein", obwohl seine mit Ruth Rössler am 30. Mai 1936 vor dem Standesamt in Gottleuba geschlossene Ehe noch nicht aufgelöst war.
Zum Zwecke der Erreichung der Eheschließung versicherte er fälschlicherweise am 21. Oktober 1946 vor dem Standesamt in Luthe bei Hannover an Eides Statt, daß er nicht verheiratet sei, keine Kinder habe und Zeuge für den Tod des gefallenen Ehemannes „seiner Braut", des Hauptmanns Dr. jur. Fritz Rössler, gewesen
sei.
— Also Zeuge seines eigenen Todes gegenüber seiner Braut, die seine Ehefrau ist. Etwas kompliziert!
Weiter versicherte der Beschuldigte der Wahrheit zuwider gegenüber seiner vorgesetzten Schulbehörde am 1. Juli 1946, am 9. Mai 1947 und am 8. April 1949 an Eides Statt, daß er nach beendigtem Studium und Ablegung der Prüfungen für den Lehrberuf in den Jahren 1932 und 1934 am 1. Oktober 1934 in den Schuldienst getreten und in der Folgezeit mit Ausnahme der Militärdienstzeit bis zum Zusammenbruch als Lehrer tätig gewesen sei und daß er nicht der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen angehört habe.
Bei den Akten, meine Damen und Herren, befindet sich eine Personalkarte mit Fotographie — die Ähnlichkeit ist unverkennbar und unbestreitbar —, lautend auf den Namen Rössler, Fritz, Geburtsdatum, Ortsgruppen-Propagandaleiter, Ortsgruppenleiter, Fachbearbeiter für Ostlandfragen beim agrarpolitischen Apparat der Gauleitung Sachsen, Abteilungsleiter im Gauschulungsamt, Hauptstelle.
In dem Bericht des Oberstaatsanwalts heißt es weiter:
Infolge dieser unrichtigen Angaben wurde der Beschuldigte, obwohl er die beruflichen Vorbedingungen, für den Lehrberuf nicht erfüllte, seit dem 2. April 1946 in Idensen und seit dem 5. Oktober 1946 in Luthe Kreis Neustadt bis zu der im Sommer 1949 erfolgten Entlassung beschäftigt und erhielt demzufolge die bestimmungsmäßigen Bezüge eines Volksschullehrers.
Sowohl gegenüber dem Standesamt in Luthe als auch gegenüber seiner vorgesetzten Schulbehörde erklärte der Beschuldigte, daß er keine eigenen Kinder habe und bezeichnete diese als Stiefkinder,
— ich zitiere aus den Akten —:
„Kinder seiner Braut aus deren erster Ehe mit dem gefallenen Hauptmann Dr. jur. Fritz Rössler".
Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls sind gegeben, da Verdunkelungsgefahr besteht und bei der Höhe der zu erwartenden Strafe Fluchtverdacht gegeben ist.
Hinsichtlich der Einzelheiten der gegen den Beschuldigten Fritz Rössler erhobenen Vorwürfe darf ich auf die in den Akten nebst Anlagen enthaltenen Feststellungen Bezug nehmen.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hatte sich mit diesem glücklicherweise einzig dastehenden Falle
zu befassen und er hat einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause folgenden Beschluß zu empfehlen:
a) die Aufhebung der Immunität des angeblichen Abgeordneten Dr. Franz Richter, um der Justiz die Möglichkeit der Feststellung des Sachverhalts zu geben;
b) die Genehmigung zur Strafverfolgung einschließlich der Verhaftung,
c) die Genehmigung zur etwaigen Vollstreckung einer Haftstrafe und
d) die Empfehlung an den Wahlprüfungsausschuß zu geben, sich ebenfalls so rasch wie
möglich an Hand der Akten mit dem Sachverhalt zu befassen.
Ich habe das zweifelhafte Vergnugen, Sie um die Zustimmung zu diesem Antrag des Ausschusses zu bitten.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Bericht des Ausschusses gehört. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich stelle fest, daß dieser Antrag einstimmig angenommen worden ist.
Damit komme ich zu Punkt 5 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Nrn. 2485, 2464 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (Nr. 3070 der Drucksachen; Umdruck Nr. 448).
Berichterstatter ist Abgeordneter Langer. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit für die dritte Beratung von 40 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden. Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 3070 legt Ihnen der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen das Ergebnis seiner Beratungen über die beiden Anträge der SPD und der Abgeordneten Frau Dr. Probst Drucksache Nr. 2464 und 2485 vor.
Bei der Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes war sich bei der letzten Beratung der Ausschuß bereits darüber im klaren, daß alsbald nach der Verabschiedung des Gesetzes Lücken, die sich im Gesetz nicht vermeiden ließen bzw. in der Durchführung ergäben, baldmöglichst auszufüllen seien. Auch die Antragsteller hatten die Absicht, in der Kriegsopferversorgung eine Lücke zu schließen und auf diesem Gebiete nachzuholen, was bereits bei anderen Gruppen an Teuerungszulagen und Erhöhungen von Unterhaltsbeihilfen erfolgt war. Aber zu Beginn der Debatten war sich der Ausschuß bald darüber klar, daß beide Anträge in dieser Form nicht durchzuführen waren. Während in dem einen Falle nur eine begrenzte Personenzahl zum Zuge kam, war bei dem Antrag der Frau Dr. Probst abzusehen, daß die technischen Schwierigkeiten der Durchführung auch die Annahme dieses Antrags nicht ermöglichen würden.
Der Ausschuß hat sich daher in seinen Beratungen entschlossen, dem Hohen Hause heute einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vorzulegen.
Es geht dabei in erster Linie darum, die Bezüge, die Unterhaltsbeihilfen für Kriegsopfer den Teuerungsverhältnissen, den gestiegenen Preisen anzupassen. Die Konstruktion des Bundesversorgungsgesetzes mußte unter allen Umständen gewahrt werden, und zwar einmal schon deswegen, um
nicht das Prinzip zu durchbrechen, zum zweiten aber, um nicht unnütz neue Schwierigkeiten zu schaffen und bei der Hilfe für die Kriegsopfer Verzögerungen eintreten zu lassen.
In dem heute vorliegenden Entwurf, dessen materieller Gehalt vor allen. Dingen in Art. 1 festgelegt ist, handelt es sich nicht darum, daß die Freigrenzen für das Einkommen mit 5 DM oder irgendeinem anderen Betrage zu Buche schlagen, sondern darum, daß mit dieser Maßnahme der Erhöhung der Einkommensfreigrenzen tatsächlich erreicht wird, daß die Preissteigerungen, die Teuerungen in einem gewissen Umfange abgefangen werden. Es macht in der Berechnung für das Ganze generell doch etwa 10 % aus.
Ich bitte, beim Studium oder bei der Kritik dieses Gesetzes darauf Rücksicht zu nehmen, daß nicht die Zahl, wie sie dort steht, die absolute Rolle spielt. Trotzdem wissen wir vom Ausschuß, daß dieser Entwurf nichts Vollkommenes ist. Er ist ein bescheidener Beitrag zur Fortentwicklung. Aber bei den Hemmnissen, die das Finanzministerium, also der Bundeshaushalt, entgegensetzte, kam uns zustatten, daß wir mit gutem Gewissen z. B. die Frage der Kinderbeihilfen nicht anzuschneiden brauchten. Es liegt vom Sozialpolitischen Ausschuß die Zusicherung vor — und wir wissen das aus interfraktionellen Besprechungen —, daß man sofort, sobald die Probleme der Familienausgleichskasse gelöst sind, selbstverständlich an die Frage der Kinderbeihilfen, der Erhöhung der Kinderzuschläge usw. bei der Gruppe der hier zu Versorgenden herangehen wird. Das ist der einzige Grund, weshalb wir davon abgesehen haben, dies hier mit hineinzubringen.
Die materiellen Schwierigkeiten möchte ich ganz kurz schildern. Der Ausschuß sah sich vor die Aufgabe gestellt, erstens den beiden Anträgen und zweitens damit auch den Wünschen der Kriegsopfer Rechnung zu tragen. Die ersten Beratungen ergaben, daß die Finanzdecke so dünn war, daß wir auf diesem Gebiete fast nichts leisten konnten. Bitte, stellen Sie sich vor, daß die erste Möglichkeit für den Bundeshaushalt bei etwa 19 Millionen DM lag und daß wir Ihnen heute eine Vorlage unterbreiten, die es immerhin ermöglicht, mit 53,4 Millionen DM hier die gröbste Not zu lindern. Die beiden Anträge, die unter Punkt 2 der Drucksache Nr. 3070 aufgeführt sind, haben sich also praktisch in der Ausschußarbeit ergänzt, oder ich will sagen: sie haben sich zu dem Ihnen unter Drucksache Nr. 3070 vorliegenden Gesetzentwurf verdichtet.
Es geht also heute für das Hohe Haus darum, die beiden Anträge, die der Ausschuß selbst abgelehnt hat, ebenfalls abzulehnen — das ist Punkt 2 der Drucksache - und dafür als Ergebnis der Beratungen des Ausschusses den Ihnen vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges anzunehmen.
Ich weise darauf hin, daß alle Fragen, die von den Verbänden als auch von den einzelnen Fraktionen aufgeworfen wurden, erörtert worden sind und daß sich der Ausschuß wohl dessen bewußt war, daß mit dieser Hilfe nicht das Letzte getan ist. Der Ausschuß scheiterte vor allen Bingen an der gegenwärtigen Finanzlage des Bundes. Wir waren gehalten, den Herrn Finanzminister und den Haushaltsausschuß ausdrücklich zu Rate zu ziehen; und ich darf Ihnen versichern, daß der Entwurf in der letzten Form, wie er Ihnen jetzt vorliegt, mit einem Aufwand von 53,4 Millionen DM in vollem
Umfange auch vom Haushaltsausschuß gebilligt worden ist: Ich habe Sie also abschließend zu bitten, dem Antrage des Ausschusses stattzugeben, den Punkt 2 der Drucksache Nr. 3070 abzulehnen und die Vorlage des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, den Gesetzentwurf, anzunehmen.
Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf zur Einzelberatung: Art. I des Ausschußantrages. Dazu liegen Änderungsanträge der KPD vor. Hier wünscht der Abgeordnete Renner zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 452 das Wort. — Wollen Sie gleich alle Anträge, Ziffer 1 bis 3 des Umdrucks, begründen?
Auch zu Art. II?
Ich hatte Art. II noch nicht aufgerufen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, angesichts der Tatsache, daß der Ausgangspunkt, die beiden erwähnten Anträge, in diesem Gesetzentwurf vollkommen untergegangen ist, im Sinne dieser ursprünglichen Anträge in § 33, also bei der Ausgleichszulage für die Schwerbeschädigten, in § 41 Abs. 4, bei der Ausgleichszulage für die Kriegerwitwen, und in § 51 Abs. 2 folgenden Zusatz einzufügen:
Rentenzulagen nach dem Gesetz über die Gewährung von Zulagen in den gesetzlichen
Rentenversicherungen vom
10. August 1951 gelten nicht als Einkommen.
Wir beantragen, angesichts der Tatsache, daß in diesem Gesetzentwurf keine Erhöhungen der Einkommensfreigrenzen für die Ehefrauen und die Kinder der Schwerbeschädigten vorgesehen sind — was man damit zu begründen versucht, daß man vertröstend auf das angeblich kommende Gesetz über die Familienausgleichskasse hinweist —, daß diese Lücke gefüllt wird und demzufolge auch in den § 47 Abs. 3 der eben von mir vorgelesene Zusatz kommt.
Meine Damen und Herren, zwei Sätze über unsere grundsätzliche Haltung zum Bundesversorgungsgesetz.
Wir waren der Auffassung, daß die Rente auf der Basis der Einheitsrente aufgebaut werden müßte. Wir waren darüber hinaus der Auffassung, daß bei der Gewährung der Ausgleichszulage das aus Sozialversicherungsansprüchen erwachsende Renteneinkommen und das Einkommen aus Arbeitsverdienst nicht angerechnet werden solle. Die Mehrheit dieses Hauses, die seinerzeit das Gesetz — gegen uns allein — beschlossen hat, hat sich dieser Auffassung nicht anschließen können. Aber ich darf im Namen einer großen Kriegsopferorganisation, des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten, aussprechen: Der Reichsbund steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Rentenerhöhungen, die im Zuge dieses Zulagegesetzes gewährt worden sind, restlos auch den Kriegsopfern — soweit sie Anspruch auf Ausgleichszulage haben - zugute kommen sollen. Unser Antrag ist also mit der Forderung mindestens eines dieser großen Kriegsopferverbände identisch.
Einen zweiten Antrag haben wir zu dem Problem der Anrechnung des Einkommens von Ehefrauen
und Kindern von Schwerbeschädigten gestellt. Wir beantragen da, den bisherigen Betrag von 15 DM auf 20 DM je Kind und Ehefrau monatlich zu erhöhen. Wir haben weiter, wie ich schon sagte, beantragt, daß bei Halb- und bei Vollwaisen die derzeitigen Beträge von 36 auf 41 bzw. von 60 auf 65 DM erhöht werden sollen.
Im übrigen haben wir darauf verzichtet, Anträge auf Erhöhung 'der Freigrenzen zu stellen, die dieser Gesetzentwurf vorsieht. Wir haben das nicht etwa getan, weil wir die heutigen Einkommensfreigrenzen für ausreichend halten, sondern wir sind von der Erkenntnis ausgegangen, daß von dieser Bundesregierung, von diesem Finanzminister und von den diese Regierung tragenden Parteien ein Mehr nicht herauszuholen ist. Wenn hier lobend ausgesprochen worden ist, das neue Gesetz bringe eine Mehrbelastung von 53,4 Millionen DM und das Letzte in der Versorgung der Kriegsopfer sei damit noch nicht getan, die gegenwärtige Finanzlage mache es aber unmöglich, einen höheren Betrag zu bewilligen, dann erinnere ich nur an die eine Tatsache, daß dieselbe Regierung im Augenblick dabei ist, für das deutsche Kontingent in der sogenannten Europa-Armee den Betrag von 111/4 Milliarden DM zur Verfügung zu stellen.
Ich weise auf die Proteste der Kriegsopfer aller Richtungen hin. Sie wissen, daß die Kriegsopfer seit mehr als dreiviertel Jahren einstimmig und dringend eine Erhöhung der derzeitigen Hungerrenten verlangen. Sie wissen, daß sie auf dem Standpunkt stehen, zuerst müßte die Rentenversorgung für die Opfer des letzten Krieges geregelt werden, ehe Sie daran denken sollten, durch einen neuen Krieg neue Opfer zu schaffen.
Der Reichsbund hat Ihnen eindeutig gesagt, daß er es nicht zu seiner Aufgabe rechnet, seinen derzeitigen Mitgliederbestand durch die neuen Opfer des neuen Krieges auffüllen zu lassen, den Sie planen.
So liegen die Dinge.
Ich bin der Meinung, daß die Kriegsopfer ein Recht haben,
die Bewilligung dieser Forderung zu verlangen.
— Den plant für Sie die Wallstreet.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu Art. I. Sie haben die Begründung der Anträge der kommunistischen Gruppe gehört, eine Ziffer 1 a einzufügen, § 33 Abs. 1 Satz 1 mit einem Zusatz zu versehen, eine Ziffer 2 a einzufügen. Ich lasse über diese Anträge in der Gesamtheit abstimmen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die den Änderungsanträgen der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 452 Ziffern 1, 2 und 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Art. I in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen,
Ich rufe auf Art. II. Hier liegt ein Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Renner, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, Art. II folgendermaßen zu ändern:
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vorn 1. Juni 1951 in Kraft.
Dieses Datum stammt aus dem ursprünglichen Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Es ist wohl nicht zu bestreiten, daß die erbärmlichen Rentenerhöhungen, die in dieser neuen Vorlage gegeben werden sollen, nicht annähernd auch nur die Verteuerung der Lebenshaltung ausgleichen. Deshalb beantragen wir, diesem Gesetz Rechtskraft wenigstens mit Wirkung vom 1. Juni 1951 zu geben, und nicht, wie es in der. Vorlage vorgesehen ist, mit Wirkung vom 1. April des Jahres 1952.
In der Vorlage des Ausschusses ist zudem festgelegt, 'daß die Rentenansprüche, die durch dieses neue Gesetz sowohl bei der Ausgleichszulage als auch bei der Elternrente entstehen, nicht von Amts wegen nachzuprüfen sind, sondern daß dazu ein Antrag der Anspruchsberechtigten notwendig ist. Wir sind der Meinung, daß es Sache der Versorgungsämter sein muß, die seinerzeit gestellten Anträge, die abgelehnt worden sind, weil die Einkommensgrenzen nach der damaligen Regelung zu hoch waren, wieder aufzugreifen, und daß es dazu nicht eines neuen Antrags der Empfangsberechtigten bedarf.
Warum stellen wir diesen Antrag? Wir sind — das steht in unserem Antrag ausdrücklich drin — der Auffassung, daß die Ausgleichsrente und die Elternrente, auf die dieses neue Gesetz einen Anspruch schafft, von dem Tag der Antragstellung an nachgezahlt werden muß, mindestens aber von dem Tag an, von dem an die Voraussetzungen dieses neuen Gesetzes erfüllt sind. Sie beabsichtigen, die Rente nur dann nachzubewilligen, wenn ein neuer Antrag gestellt wird, und auch nur mit Wirkung vom 1. April 1952. Wir Kommunisten sind der Auffassung — und unsere Auffassung deckt sich mit der sämtlicher organisierter Kriegsopfer im Lande, auch mit der Auffassung der Organisation, Frau Kollegin Probst, der Sie angehören; ich sage das, weil Sie mich so hold anlächeln, nicht wahr! —, daß die Kriegsopfer ein Recht darauf haben, 'daß ihnen die Leistungen auch dieser Novelle von dem Tag an gewährt werden, an dem nach dem neuen Gesetz der tatsächliche Anspruch entstanden ist.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Ich darf annehmen, daß der Antrag Umdruck Nr. 448 der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und FU mit der Berlin-Klausel nicht ausdrücklich begründet werden soll. — Das ist der Fall.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den von Herrn Abgeordneten Renner begründeten Änderungsantrag zu Art. II. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
— Abgelehnt; ich bitte um Entschuldigung. Der Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der genannten Fraktionen Umdruck Nr. 448. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Nun lasse ich über Art. II unter Berücksichtigung dieser Änderung abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit, angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wünscht jemand zur allgemeinen Aussprache das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Besprechung. Änderungsanträge zur dritten Beratung liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Der Ausschuß hat Ihnen weiter vorgeschlagen, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges infolge der Beschlußfassung zu Ziffer 1 des Antrags des Ausschusses abzulehnen. Formell muß ich die zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung ides Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges — Nr. 2485 der Drucksachen — eröffnen. Ich rufe also .auf Art. I, — Art. II, — Einleitung und Überschrift. - Wünscht jemand das Wort dazu? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme im Rahmen der zweiten Beratung zur Abstimmung über Art. I, — Art. II, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz entgegen dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt eine dritte Beratung.
Der Ausschuß hat Ihnen weiterhin vorgeschlagen, den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst und Genossen — Nr. 2464 der Drucksachen — ebenfalls abzulehnen. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Probst sind, eine Hand zu erheben.
— Also machen wir es anders. Stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses, den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst abzulehnen.
— Ich habe keine Möglichkeit, von mir aus die Anträge der Ausschüsse abzuändern. Der Ausschuß hat beantragt, Ihren Antrag abzulehnen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Ausschusses — Ziffer 2 Abs. 2 des Antrags Drucksache Nr. 3070 — zuzustimmen wünschen, eine
Hand zu erheben. — Das ist offenbar die Mehrheit. Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen einige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Beratung dieses Gesetzentwurfs und der damit im Zusammenhang stehenden Vorlagen beendet.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Novelle zur Krankenversicherung der Rentner .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von höchstens 60 Minuten vor. Das Haus ist damit einverstanden. Zur Begründung bitte ich Frau Abgeordnete Kalinke das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Kaum eine sozialpolitische Frage in diesem Hause ist auf so außerordentliches Interesse und so viel Teilnahme gestoßen wie gerade unser Antrag und die Diskussion über die Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner.
Die Krankenversicherung der Rentner, die 1941 durch eine Verordnung des Reichsarbeitsministers in Kraft trat, stammt in Form und Inhalt und auch im Charakter der Durchführung aus dem Gedankengut des Krieges. Sie stammt weiter aus den Gedanken und Bestrebungen der nationalsozialistischen Zeit, auf dem Gebiet der Sozialversicherung zu weitgehender Vereinheitlichung zu kommen. Im Geist solcher Gedanken wurde am 4. November 1941 bestimmt, daß die Versicherungsträger, die Orts- und Landkrankenkassen, die Reichsbahnversicherungsanstalt und für die Rentner der Knappschaftsversicherung die Knappschaft, die Krankenversicherung der Rentner durchzuführen haben. Sie beginnt mit dem Tage, an dem der Rentenbescheid ergeht, und endet mit Ablauf des Monats, für den der Rentner eine Rente empfing. Namentliche An- und Abmeldungen der Rentner bei den Krankenkassen finden nicht statt, — eine Handhabung, die in der deutschen Krankenversicherung und Sozialversicherung überhaupt nicht üblich ist. Die Meldungen wurden durch die Landesversicherungsanstalten und die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte nach der Zahl der Rentenempfänger über die Postämter an den Verband der Ortskrankenkassen gemacht, und die Beiträge wurden wiederum nach der Zahl der Rentenempfänger pauschal an die Ortskrankenkassen überwiesen. Der Beitrag für die Krankenversicherung für die Rentner betrug damals 3,30 Mark für jeden Rentner, und zwar für jeden Invaliden-, Witwen- oder Witwerrentner , Waisenrentner, Kranken- oder Altersrentner usw. Durch Verordnung des Bundes-
ministeriums für Arbeit vom 8. Februar 1951 wurde dieser Erstattungsbetrag auf 4,20 Mark heraufgesetzt. Das wurde als erste Reform der Krankenversicherung der Rentner bezeichnet.
Die zweite Reform dieser Art, die nun für die Krankenversicherung der Rentner beabsichtigt ist, soll diesen Erstattungsbetrag von 4,20 Mark auf 5,50 Mark heraufsetzen, — als wäre das Problem der Krankenversicherung der Rentner nur ein Problem der Höhe des Betrages, der für die Auftragsangelegenheit erstattet werden muß! Aber, meine Herren und Damen, es ist ein weitaus größeres Problem; denn die Landesversicherungsanstalten und die Angestelltenversicherung, die von ihnen im Augenblick treuhänderisch verwaltet wird, zahlen für 5 Millionen Rentner Millionenbeträge an die beauftragten Versicherungsträger, in diesem Fall die Orts- und Landkrankenkassen, ohne eine Möglichkeit der Nachprüfung, inwieweit und ob die einzelnen Rentner Leistungen empfangen haben. Der Präsident des Verbandes der Rentenversicherungsträger nannte neulich auf der Tagung, die das Versicherungswissenschaftliche Institut in Köln veranstaltet hat, den für dieses Jahr veranschlagten Betrag mit 400 Millionen.
Übt nun der Rentner eine versicherungspflichtige Tätigkeit aus, so wird abweichend die Krankenversicherungspflicht bei der Kasse durchgeführt, der er angehört. Für diese Rentner wurde damals bei dem Erlaß der Verordnung von 1941 eine Beitragserstattung vorgesehen. Heute wird den Krankenkassen, bei denen der versicherungspflichtige Rentner versichert ist, von der Ortskrankenkasse ein Betrag von 2,80 Mark erstattet. Das war der Satz, der damals 85 % von 3,30 Mark ausmachte. Heute bekommt also die Kasse 4,20 Mark - demnächst soll sie 5,50 Mark bekommen —; die andere Kasse aber, die den versicherungspflichtigen Rentner betreut, erhält weiter 2,80 Mark, — ein Tatbestand, der für die Monopolkassen, die kraft Gesetzes zur Durchführung der Rentenversicherung verpflichtet sind, einen Gewinn zu Lasten der anderen Kassen bedeutet.
Im übrigen hat sich in den einzelnen Ländern sehr unterschiedliches Recht entwickelt, das durch diese Novelle ebenfalls dringend vereinheitlicht werden muß. Aber mit Rücksicht auf Ihre Zurufe und das sicherlich große Interesse, das Sie dem Tatbestand der Neuordnung entgegenbringen werden, lege ich doch Wert darauf, im Hinblick auf die Grundsatzdebatte über die Schaffung der Krankenversicherung der Rentner, die die gleichen Probleme aufgerissen hat, welche auch heute wieder als grundsätzliche Fragen unsere Debatte beherrschen werden, einiges zu sagen. Damals — das war in der nationalsozialistischen Ara — hat sich der Reichsverband der Ortskrankenkassen mit dem Monopolanspruch durchgesetzt. Damals verlangten alle übrigen Versicherungsträger, angesichts der großen Verpflichtung für ihre Rentner, die zeitlebens den Kassen angehört haben, nicht nur aus psychologischen Gründen, nicht nur aus Gründen gemeinsamer Verpflichtung, sondern aus dem Gefühl der selbstverständlichen Verbundenheit mit diesem Versichertenkreis die Versicherung auch dann durchzuführen, wenn sie kein gutes Risiko mehr ist. In der Zwischenzeit hat sich gezeigt, daß die Durchführung der Krankenversicherung der Rentner die Ortskrankenkassen, die sie allein durchführen müssen, samt den Landkrankenkassen finanziell außerordentlich belastet hat.
In der Diskussion draußen wird sehr oft fälschlicherweise darauf hingewiesen, daß es ja die Ortskrankenkassen seien, die ganz allein diese große Belastung und dieses Risiko tragen müssen, und daß es die übrigen Kassenarten seien, die sich dieser Belastung entziehen. Nicht bekannt ist, daß bei den Grundsatzdiskussionen 1941 wie seit 1950 alle übrigen Kassen immer wieder betont und durch ihre Verbände erklärt haben, daß sie bereit seien, diese gemeinschaftliche Aufgabe der Solidarität zu erfüllen. Diese Anträge werden beharrlich abgelehnt, und es ist schwer zu verstehen, daß man ein Risiko als schlecht bezeichnet, sich aber trotzdem nicht dessen entäußern will, wenn die Möglichkeit gegeben ist.
Was die Diskussion um die Grundsatzfragen angeht, so ist es sicherlich im Interesse des Rentners, um den es hier geht — nicht im Interesse der Versicherungsträger —, außerordentlich wichtig, zu wissen, daß es Rentner gibt, die 30, 40 und 50 Jahre, während der Berufstätigkeit ihres ganzen Lebens einer Kasse angehört haben und die nun nach 30 oder 40 Jahren aus ihrer Kasse ausscheiden müssen, um von dem Augenblick an, in dem sie die Rente empfangen, bei der zuständigen Orts- oder Landkrankenkasse versichert zu sein. Viele von ihnen haben unter sehr großen materiellen Opfern, unter Verzicht auf so manches, oft nur mit Verwandtenhilfe die Beiträge aufgebracht, um sich freiwillig bei ihren alten Versicherungsträgern weiterzuversichern. Diese Rentner sind dann doppelt versichert.
Aus der Auseinandersetzung von damals ist interessant, daß es gar nicht darum ging, zu fragen, was denn das echte Bedürfnis des Rentners und der Rentnerin sei, sondern daß es weitgehend darum ging, politische Grundsätze, die im Sinne der einheitlichen Durchführung eines Gesetzes und der Verwaltung lagen, zu verwirklichen. Ich bitte den Herrn Präsidenten, mir zu gestatten, daß ich zitiere, was damals, 1941, der bekannte nationalsozialistische Führer Zimmermann namens des Reichsverbandes der Ortskrankenkassen zu diesem Gesetz begründend geschrieben hat:
Wenn die Krankenversicherung nicht von selbst den Weg der Besinnung beschreitet, wird es zu einer schmerzlich radikalen Lösung kommen. Die Forderung nach der Beseitigung der Zersplitterung ist so tief in der nationalsozialistischen Weltanschauung verankert, die Vorteile der Beseitigung so 'offensichtlich, daß sich die Sache mit der Kraft der Idee früher oder später durchsetzen wird. Die Verwirklichung der in der nationalsozialistischen Weltanschauung verwurzelten Idee der Einheitlichkeit der Krankenversicherung kann durch Unverstand vielleicht aufgehalten werden, sie wird sich aber über kurz oder lang gegen die großen Widerstände durchsetzen.
So weit die politischen Gründe von 1941, die für die damalige Unterstützung eines Monopolanspruchs maßgeblich waren, dem die Rentner in ihrer Vielzahl nicht erfolgreich Widerstand leisten konnten. Der Rentner also, der es wünschte, bei seiner Krankenkasse zu bleiben, mußte es auf sich nehmen, freiwillig wesentliche Beiträge zusätzlich zu zahlen, um seiner alten Kasse anzugehören.
Es war für die heutige Diskussion außerordentlich interessant, daß meine Fraktion in diesen Tagen einen Brief vom Reichsbund bekommen hat — der jetzt eben von Herrn Renner zitiert wurde —, der dieselben Grundsätze vertritt, die auch damals der Grund waren für die Schaffung einer einheitlichen
Versicherung. Meine Freunde wünschen vom sozialpolitischen Standpunkt nicht, daß die Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner nach politischen Gesichtspunkten erfolgt, sondern sie wünschen, daß ein Gesetz so geschaffen wird, daß die Kassenarten, bei denen die Rentner in der Zeit ihrer Tätigkeit im Arbeitseinsatz versichert waren, alle verpflichtet sind, sie auch am Lebensabend gegen Krankheit zu versichern, wenn es die Rentner wünschen.
Der Reichsbund, der auch in den Mitteilungen für seine Funktionäre die Auffassung des Ortskrankenkassenverbandes aufgeriffen und zu der seinen gemacht hat, sprach von dem Prinzip der Solidarität in der Krankenversicherung der Rentner. Ich las in diesen Tagen in einem Aufsatz, daß diese Rentner alle einer Gesellschaftsschicht angehören und nicht in zwei Klassen eingeteilt werden dürfen. Im gleichen Sinn ist auch der Brief des Reichsbunds an meine Fraktion gehalten, in dem er sich als die zuständige Interessenvertretung gegen unseren Antrag ausspricht. Der Reichsbund erklärt, daß wir die soziale Gemeinschaft der Rentner auseinanderreißen wollten. Meine Freunde glauben nicht, daß es Klassen gibt, die sich etwa daraus ergeben, daß jemand eine Rente oder eine Pension bezieht. Wir würden es auch als ein großes Unglück ansehen, wenn der Tatbestand des Rentenbezuges eine Gesellschaftsschicht bilden würde, der nun derjenige angehören soll, der eine Rente empfängt. Wir glauben, daß die Vielfalt der gesellschaftlichen wie sozialen und wirtschaftlichen Situation der Menschen, die an ihrem Lebensabend einen Rentenanspruch aus Versicherung, Vorsorge oder Fürsorge haben, so unterschiedlich, so bunt und so mannigfaltig ist wie das Leben selbst. Wir glauben, daß die Rentner selbst sich am heftigsten dagegen wehren würden, als Klasse der Rentner gekennzeichnet und in einer Einheits- und einheitlichen Gesetzgebung für immer verankert zu sein.
Ist es nicht interessant, sich klarzumachen, daß einer einzigen Krankenkasse 25 000 Rentner freiwillig angehören, die ihre Beiträge aus den oft kärglichen Renten freiwillig entrichten? Auch für diese Rentner erhält die Ortskrankenkasse laufend die Pauschalüberweisung, obwohl sie niemals diese Kasse in Anspruch nehmen. Sie erhält sie weiter für die Rentner, die noch im Erwerbsleben stehen und deren Zahl, wie wir alle wissen, laufend zunimmt. Die Zahlen werden bei der Invalidenversicherung auf etwa 20 bis 30 % geschätzt, bei den Angestellten auf nur etwa 5 %, weil dort die große Zahl der beschäftigungslosen älteren Angestellten ist. Die Einführung der Mindestrente und die höhere Lebenserwartung haben weiter dazu geführt, daß die Zahl der Renten laufend steigt und ein großer Teil nach dem Gesetz Rentenberechtigter trotz dieses Rentenempfangs weiter arbeitet. Wir meinen daher, daß bei der Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner auch auf die tatsächlichen Gegebenheiten Rücksicht genommen werden muß, ferner auf die Beitragserstattung dei freiwillig weiterversicherten und wiederbeschäftigten Rentner. Wenn die Krankenversicherung durch die Krankenkassen der Rentenversicherung als Auftragsangelegenheit durchgeführt wird, dann kann sie doch nur Erstattungen für solche Fälle erhalten, in denen die Krankenkassen nachweisbar in Anspruch genommen worden sind. — Herr Präsident, darf ich Sie noch um eine Minute bitten.
Bitte!
Die Krankenkassen sollen zum Schutz der Rentenversicherung nicht anonyme Beiträge erhalten. Sie sollen aber andererseits auch ausreichende Beiträge erhalten, um die ausreichende Krankenversicherung derjenigen Rentner, die sie nötig haben und in Anspruch nehmen müssen, zu garantieren. Wir glauben weiter, daß im Interesse der Sanierung der Rentenversicherung eine klare und eindeutige Übersicht notwendig ist!
Ich mochte schließlich noch darauf hinweisen, daß in den letzten Jahren die Fürsorge und die öffentliche Hand eine wesentliche Entlastung dadurch erfahren hat, daß die Rentenversicherungsträger ihr diese Aufgaben abgenommen haben. Es wird weiter eine der wichtigsten Aufgaben dieser Reform sein, dafür zu sorgen, daß allgemeine Fürsorgelasten nicht auf die Rentenversicherungsträger und nicht auf die Krankenversicherung abgewälzt werden. Unter den vielen Zugängen zur Rentenversicherung befinden sich nicht nur Empfänger von Mindestrenten, sondern auch eine große Zahl solcher Rentner, die durchaus nicht den Wunsch haben, ihre alte Versicherung in der privaten Krankenversicherung aufzugeben. Auch dieser Kreis sollte sorgfältig überprüft und untersucht und die freiwillige Entscheidung respektiert werden.
Ich möchte noch auf zwei Tatbestände hinweisen, die bei der Kürze der Begründungszeit anzuführen nur noch möglich ist. Das ist die Situation der Rentner, die nach der Verordnung von 1941 als knappschaftliche Rentner von der knappschaftlichen Krankenversicherung versichert sind, die nach dem Reichsknappschaftsgesetz in Verbindung mit den Vorschriften über die . Wanderversicherung dann aus der Knappschaft die Rente bekommen, wenn sie jemals sechs knappschaftliche Beiträge entrichtet haben. Wenn also jemand in der Jugend 6 Monate in der Knappschaft war und dann 40 Jahre in einem andern Beruf, bekommt er im Lebensende die Rente von der Knappschaft und muß nach dem Sprengel-Arzt-System der Knappschaft dann in einer Stadt, in der es keine Knappschaft und keinen Bergbau gibt, als Rentner behandelt werden. Auch diese Frage sollte im Interesse der Rentner und ihrer guten Betreuung überprüft werden.
Wir hoffen — das darf ich zum Schluß sagen —, daß diese Novelle zur Krankenversicherung der Rentner, die der Bundesminister für Arbeit — so glaube ich — recht bald vorlegen wird, unseren besonderen Wünschen insofern Rechnung trägt, als sie jedem Rentner die staatsbürgerlichen Rechte der freien Entscheidung genau so garantiert wie jedem anderen versicherungspflichtigen oder versicherungsberechtigten freien Staatsbürger im Bundesgebiet. Wir hoffen auch, daß der Gesetzgeber die Grenzen der Fürsorge des Staates und die Aufgaben der Rentenversicherungsträger richtig sehen und erkennen wird. Über diese Grenzen haben wir uns zu unterhalten, und zwar zu allererst im Interesse der Rentner, dann im Interesse der Erhaltung leistungsfähiger Rentenversicherungsträger der Angestelltenversicherung, der Invalidenversicherung und der Knappschaftsversicherung. Wir glauben, daß die Gemeinschaft derjenigen, bei denen die Rentner in der Zeit ihres Lebens ihre Beiträge geleistet haben, sich selbst verpflichtet fühlen wird, diese verantwortliche Aufgabe für die Gemeinschaft auch in Zukunft freiwillig zu erfüllen.
Der Antrag ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache. Ich bitte um Wortmeldungen. — Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Auch nach Ansicht meiner
Fraktion sind die gesetzlichen Vorschriften über
die Krankenversicherung der Rentner, die im
Kriege erlassen wurden, reformbedürftig; aber
hinsichtlich der Zielsetzung einer Neuordnung
haben wir andere Vorstellungen als die Antragsteller. Im Antrag wird das Schwergewicht — und
auch aus der Begründung von Frau Kollegin Kalinke ging das hervor — auf die Art der Kasse
gelegt, die die Krankenversicherung der Rentner
durchführen soll. Frau Abgeordnete Kalinke hat
das als eine grundsätzliche Frage bezeichnet. Für
meine Fraktion ist das eine organisatorisch-technische Angelegenheit. Entscheidend ist das gesundheitliche Wohl von über 5 Millionen Rentnern, die
zur Erhaltung ihrer Gesundheit auf die Leistungen
der Rentnerkrankenversicherung angewiesen sind.
Offenbar halten die Antragsteller die Leistungen der Rentnerkrankenversicherung nicht für reformbedürftig. Jedenfalls geht aus dem Antrag bezüglich der Leistungen der Rentnerkrankenversicherung nichts hervor. Meine Fraktion ist jedoch der Ansicht, daß bei der Neuordnung der Rentnerkrankenversicherung die Fragen der Leistungsgestaltung im Vordergrund stehen müssen.
Die Rentnerkrankenversicherung gewährt gegenwärtig den niedrigsten Leistungsstand in der gesamten deutschen Krankenversicherung, obwohl alte Menschen zur Erhaltung ihrer Gesundheit gesundheitliche Leistungen in besonderem Ausmaße benötigen. Das Arzthonorar der Rentnerkrankenversicherung beträgt pro Rente im Jahr nach der gegenwärtigen Regelung 11,40 DM. Es gibt gegenwärtig im Rahmen der Rentnerkrankenversicherung keinen Zahnersatz und keine Gewährung orthopädischer Schuhe oder größerer Hilfs- und Heilmittel. Das Sterbegeld in der Rentnerkrankenversicherung beträgt gegenwartig 75 DM, ein Satz, der niedriger ist als die Kosten einer Armenbeerdigung. Ein solcher Tiefstand der Leistungen der Rentnerkrankenversicherung ist nach Ansicht meiner Fraktion mit der sozialen Verpflichtung des deutschen Volkes gegenüber den Alten und Invaliden nicht zu vereinbaren.
Unbedingt muß deshalb im Zusammenhang mit der Neuordnung der Rentnerkrankenversicherung auch eine Neugestaltung der Leistungen erfolgen. Dabei ist klarzustellen, ob alle Rentner im Bundesgebiet Anspruch auf die gleichen Leistungen der Rentnerkrankenversicherung haben sollen. Nach Auffassung meiner Fraktion haben alle Alten, Invaliden, Witwen und Waisen, die unter die Rentnerkrankenversicherung fallen, ein Anrecht auf gleiche Versorgung entsprechend ihrem Krankkeitszustand. Die Antragsteller sind mit uns der Ansicht — das darf ich dem Kopfnicken von Frau Abgeordnete Kalinke entnehmen —, daß alle Rentner die gleichen Leistungen der Rentnerkrankenversicherung erhalten sollen. Dann ist nach Auffassung meiner Fraktion die Frage der Kassenart der Rentnerkrankenversicherung von untergeordneter Bedeutung.
Wenn nämlich für alle Rentner bei ärztlicher Behandlung die gleiche Gebührentabelle und bei Gewährung der Krankenhausbehandlung die gleichen Leistungsgrundsätze gelten, ist es von geringerem Interesse, welche 'Kassenart diese Leistungen gewährt.
Im Zusammenhang mit der Leistungsgestaltung müssen selbstverständlich auch die Finanzierungsfragen behandelt werden. Über diese Frage geht aus dem Antrag nichts hervor. Frau Abgeordnete Kalinke hat in der Begründung allerdings einige Bemerkungen dazu gemacht, die aber so ausgelegt werden können, daß bei der Gestaltung der Rentnerkrankenversicherung bestimmte Kassen gewissermaßen noch ein Geschäft machen würden. Dem ist in keiner Weise so.
Die grundlegenden Finanzfragen der Rentnerkrankenversicherung sind gegenwärtig unzureichend geregelt. Bis jetzt ist nicht verbindlich geklärt, wer die Kosten der Rentnerkrankenversicherung eigentlich trägt. Die Krankenkassen fordern von der Rentenversicherung den Ersatz der vollen Kosten, dagegen verlangt die Rentenversicherung eine Beteiligung der Kassen und eine Erstattung der Mehraufwendungen durch den Bund. Beim Finanzministerium ergeben sich in dieser Hinsicht allerdings sehr erhebliche Schwierigkeiten. Bei der Finanzierung der Rentnerkrankenversicherung bestehen auch unterschiedliche Auffassungen zwischen den Kassen in den Großstädten und denjenigen in ländlichen Bezirken, da die Höhe der Aufwendungen regional bedingt ist. Meine Fraktion ist deshalb der Ansicht, daß im Zusammenhang mit der Neuordnung der Rentnerkrankenversicherung auch eine Lösung der Finanzierungsfragen erfolgen muß und daß ein Finanzausgleich der Kassen für die Rentnerkrankenversicherung durchzuführen ist.
Erst wenn über die Leistungs- und Finanzierungsprobleme Klarheit geschaffen ist, kann als dritte Frage die Frage der Verwaltungstechnik der Rentnerkrankenversicherung erörtert werden. Hierüber schweben im Bundesarbeitsministerium seit längerer Zeit Verhandlungen. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, daß der vorliegende Antrag bezweckt, diesen Verhandlungen eine bestimmte Richtung zu geben. Nach Ansicht meiner Fraktion ist die Verwaltung der Rentnerkrankenversicherung möglichst einfach und billig sowie möglichst bequem für die Rentner durchzuführen. Das in dem Antrag vorgeschlagene Verfahren bedeutet aber, daß der Verwaltungsapparat erheblich kompliziert würde. Nach Ziffer 6 des Antrags, sollen in der Rentnerkrankenversicherung Mitgliederlisten geführt werden. Das hätte die Registrierung von fünf Millionen Rentnern durch die Krankenkassen zur Folge. Dabei würde es sich keineswegs um eine einmalige Verwaltungsaufgabe, sondern um eine laufende Arbeit handeln, weil infolge des Zugangs und Abgangs ständig Änderungen eintreten. Außerdem wäre eine Kontrolle notwendig, damit nicht Doppelversicherungen, eine Versicherung bei dieser und eine Versicherung bei jener Kasse, eintreten.
In dem Antrag wird ferner eine individuelle Abrechnung. der Rentnerkrankenversicherung nach Invaliden-, Angestellten- und Knappschaftsversicherung gefordert. Das bedeutet eine getrennte Abrechnung des Arzthonorars, der Arznei- und Krankenhauskosten nach den verschiedenen Versicherungsarten, bei der Vielzahl von Kassen, die mit der Rentnerkrankenversicherung betraut wer-
den sollen, von insgesamt fast 2000 Kassen im Bundesgebiet.
Die Verwaltungskosten der Rentnerkrankenkassenversicherung betrugen bisher noch nicht 6 %. Frau Abgeordnete Kalinke hat sich zu der Frage des zukünftigen Verwaltungsaufwands nicht geäußert. Ich persönlich bin der Meinung, daß bei einer organisatorischen Umgestaltung im Sinne des Antrags sich die Verwaltungskosten mindestens verdoppeln werden.
Das wird nicht nur bei der Sozialversicherung in Erscheinung treten. Auch bei den Ärzten, bei den Apothekern und Krankenhäusern entsteht eine zusätzliche Verwaltungsarbeit; denn es müßte nun, getrennt nach Versicherungsarten, mit einer Vielzahl von Kassen eine Abrechnung für die Krankenversicherung der Rentner erfolgen. Es ist sehr die Frage, ob eine solche Komplizierung sinnvoll ist.
Frau Abgeordnete Kalinke hat den Antrag mit dem Wunsch der Rentner nach einer persönlichen Verbundenheit zu ihrer Kasse begründet. Selbst wenn angenommen wird, daß die in Arbeit Stehenden eine solche persönliche Verbundenheit mit ihrer Kasse haben, ist es doch höchst problematisch, ob diese persönliche Beziehung zur alten Kasse bei denjenigen fortgesetzt werden kann, die aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden, also bei den Rentnern. Wenn der Antrag von der Fortsetzung der Versicherung bei derjenigen Kasse, bei der der Rentner während der Zeit seiner Arbeitsfähigkeit versichert war, spricht, so ist offenbar daran gedacht, daß der Rentner bei der Kasse versichert bleiben soll, bei der er zuletzt versichert war. Den Damen und Herren ist bekannt, daß derjenige, der zum Rentenbezug kommt, im Laufe seines Arbeitslebens leider bei einer Vielzahl von Krankenkassen versichert war. Deshalb hätte im Antrag zum Ausdruck gebracht werden müssen, daß an die letzte Kasse in dem Arbeitsleben des Rentners gedacht ist.
Zudem verlegen viele Rentner nach Aufgabe
ihrer Arbeit ihren Wohnsitz an einen anderen Ort.
Sie ziehen zu Angehörigen und stehen deshalb nicht mehr in örtlicher Verbindung zu der Kasse, bei der sie bisher versichert waren. Beispielsweise war der Rentner bei der Betriebskrankenkasse X versichert und verzieht irgendwohin aufs Land. Weiter besteht für eine große Anzahl von Rentnern bei Beginn der Rentenzahlung überhaupt keine eigene Krankenversicherung, die fortgesetzt werden könnte, was der Sinn des Antrages ist. Das betrifft z. B. fast alle freiwillig Versicherten der Rentenversicherung, insbesondere die Frauen, die ihre Beiträge zur Rentenversicherung weiter entrichten.
Eine eigene Pflichtversicherung zur Krankenversicherung besteht ferner nicht für den Bereich der Handwerkerpflichtversicherung und schließlich auch nicht für die Angestellten, die wegen Überschreitung ,der Einkommensgrenze zwar krankenversichert, aber nicht rentenversichert sind. Bei dem Antrag wird also eine gewisse Identität des Personenkreises in der Kranken- und Rentenversicherung unterstellt
- Frau Abgeordnete Kalinke —, die Sie zweifellos nicht bejahen. Für eine große Zahl von Rentnern ist also eine Weiterversicherung 'bei der alten
Kasse überhaupt unmöglich. Zudem sind — und
ich 'glaube, es ist keine Übertreibung, das zu
sagen — für Millionen von Rentnern, die während
der Dauer ihrer Tätigkeit bei den Kassen versichert waren, die heute die Rentnerkrankenversicherung durchführen, die organisatorischen Fragen des Antrages überhaupt ohne jede Bedeutung;
denn diese bleiben bei der Kasse, bei der sie schon ohnehin versichert waren, auch als Rentner versichert.
Bei 'dieser Sachlage ist es nach Ansicht meiner Fraktion höchst fraglich, ob. sich der Aufwand, nämlich für fünf Millionen. Rentner eine verwaltungstechnische Komplizierung zu schaffen, vertreten läßt. Meine Fraktion beantragt Überweisung an 'den Ausschuß für Sozialpolitik, damit im Rahmen der Ausschußarbeit die komplizierten Zusammenhänge, auch bezüglich der Weiterversicherung, der Beitragserstattung usw. und die entscheidenden Punkte, nämlich die Fragen der Leistungsgestaltung und der zweckmäßigsten Finanzierung, erörtert werden können.
Das Wort hat der Abgeordnete Willenberg.
Willenberg , Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag, der eine gesetzliche Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner vorsieht, ist zum Teil berechtigt. Der heutige Zustand ist für die Krankenkassen, die für die Betreuung der Rentner zuständig sind, auf die Dauer unhaltbar. Die zuständigen Krankenkassen haben aus den Beiträgen ihrer Mitglieder bis heute Millionenbeträge zugeben müssen, um die Unkosten zu bestreiten, die notwendig waren. Bei der Verteilung der Beiträge sollte es meines Erachtens selbstverständlich sein, daß ein bundeseinheitlich festgesetzter Beitrag, der auf Grund der Gesamtausgaben im Bundesgebiet ermittelt worden ist, auch entsprechend der unterschiedlichen Belastung der beteiligten Krankenkassen verteilt werden kann. Sonst ist es nicht zu vermeiden, daß die eine Krankenkasse Überschüsse hat, während die andere Krankenkasse Fehlbeträge aufweist.
Der Arzneiverbrauch der Rentner, die in der Schwerindustrie gearbeitet haben, überhaupt derer, die in den Großstädten leben, wird größer sein als bei den Rentnern in ländlichen Gebieten. Was die Verteilung der Rentner auf die verschiedenen Krankenkassen betrifft, so bin ich der Meinung, daß sich das bisherige System bewährt hat. Man sollte diesen Apparat nicht noch ungemein vergrößern. Ich denke daran, daß ein Rentenempfänger, der meinethalben im Ruhrgebiet wohnt, seine Verwandten auf dem Lande aufsucht und dort krank wird, zunächst einmal verzweifelt zu suchen hat, wo die für ihn zuständige Krankenkasse ist. Für diesen ist es viel leichter und viel bequemer, wenn er zur dortigen Landkrankenkasse geht und sich das holt, was er nötig hat.
Dann wird unter Ziffer 4 eine gesetzliche Beitragserstattung verlangt. Dieses Verlangen rüttelt meines Erachtens an die Fundamente unserer Krankenversicherung und kann auch nicht ernst gemeint sein. Angesichts der hohen Fehlbeträge,
die die zuständigen Kassen seit Bestehen der Krankenversicherung der Rentner haben aufbringen müssen, ist der Antrag kaum verständlich. Die Allgemeine Ortskrankenkasse der Stadt Essen hat seit der Währungsreform aus den Mitteln ihrer ordentlichen Mitglieder 2 Millionen DM aufbringen müssen, um die Fehlbeträge in der Krankenversicherung der Rentner zu decken. Das ist fast ebensoviel wie die Rücklage, die sie nach der gesetzlichen Vorschrift haben muß. Wenn nun denjenigen Rentnern, die nicht krankgefeiert haben, auch noch Beiträge zurückerstattet werden sollen, dann weiß ich kaum, wie diese Versicherung sich auf die Dauer halten soll.
Nach dem Vorschlag der verehrten Frau Kalinke müssen dann ferner besondere Individualkonten geführt werden, die den Verwaltungsapparat noch vergrößern und verteuern. Ich bin der Auffassung, wir sollten nicht noch weiter aufblähen, sondern sollten den Verwaltungsapparat so klein wie möglich, aber aktiv genug gestalten. Des weiteren kann eine Beitragsrückerstattung doch dazu führen, daß ärztliche Hilfe in manchen Fällen zu spät verlangt wird. Die Not der Rentenempfänger ist durchweg so groß, daß möglicherweise um finanzieller Vorteile willen die Gesundheit bzw. die Behebung der Krankheit zeitweise vernachlässigt wird. Die Folgen sind dann schlimmer, als wenn die Krankheit sofort bekämpft worden wäre.
Ich bin der Auffassung, daß die Krankenversicherung der Rentner sinnvoll geordnet werden muß. Es wird Aufgabe des Sozialpolitischen Ausschusses sein, sich mit diesem Problem ernsthaft zu beschäftigen und das zu erarbeiten, was im Interesse der versicherten Rentner notwendig ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst dem Antrag des Herrn Kollegen Schellenberg anschließen, diesen Antrag der Fraktion der Deutschen Partei dem Sozialpolitischen Ausschuß zur Einzelberatung zu überweisen, auch weil ich der Meinung bin, daß die Einzelheiten, die Herr Professor Schellenberg zum Teil schon sehr detailliert hier angesprochen hat, im Ausschuß einer gründlichen Erörterung bedürfen. Wir sollten nicht hier im Plenum die Gelegenheit suchen, in diesen Dingen bis ins letzte vorzudringen. Deshalb will ich mich hier auf ein paar grundsätzliche Bemerkungen beschränken.
Auch uns ist ebenso wie Herrn Professor Schellenberg und seinen Freunden bekannt und zweifellos auch der antragstellenden Fraktion, daß über die Neuregelung der Rentnerkrankenversicherung im Bundesarbeitsministerium schon mehrfach Besprechungen mit den beteiligten Krankenkassenverbänden und dem Verband der Rentenversicherungsträger stattgefunden haben. Ich teile nicht die von dem Sprecher der SPD hier vertretene Meinung, der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei lasse nichts von dem erkennen, was in puncto Neuordnung der Rentnerkrankenversicherung als solcher notwendig sei. In Ziffer 1 dieses Antrags wird ja die gesetzliche Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner ausdrücklich gefordert. Es ist eine Unterstellung, das so auszulegen, als habe die antragstellende Fraktion sich damit ausschließlich oder jedenfalls vorwiegend auf die technisch-organisatorische Seite beziehen wollen. Wir sind mit den Verbänden der Krankenversicherung, die diese Erörterungen geführt haben, und auch mit dem Sprecher der SPD hier der Meinung, daß das Gesamtproblem der Rentnerkrankenversicherung einer gründlichen Überprüfung bedarf. Wenn man aber so, wie Herr Professor Schellenberg es getan hat, die ungenügenden Leistungen besonders stark hervorhebt, muß man, damit die Öffentlichkeit, soweit sie die Details nicht kennt, kein falsches End von der Sache bekommt, zumindest doch auch darauf hinweisen, wie es denn mit dieser Rentnerkrankenversicherung damals, als sie geschaffen wurde, gewesen ist. In Wahrheit handelt es sich doch letztlich um eine zusätzliche Leistung der Rentenversicherungen an die Rentner, denn heute sind doch die Rentenversicherungsträger die einzigen, die die Beiträge dafür an die Orts- und Landkrankenkassen abführen. Bis zum Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz des Frankfurter Wirtschaftsrates hatten wir noch die Beteiligung der Rentner selber ám Beitrag in Höhe von monatlich 1 Mark. Das SozialversicherungsAnpassungsgesetz hat diese eigene Beteiligung der Rentner damals gestrichen. Seitdem haben wir nur die Zuweisungen durch die Rentenversicherungsträger und, da diese Mittel zur Befriedigung der anfallenden Bedürfnisse nicht reichen, die zusätzlichen finanziellen Aufwendungen der Orts- und Landkrankenkassen, die bei dem heutigen Leistungsstand in zunehmendem Maße zu diesen uns allen bekannten Fehlbeträgen geführt haben.
Wenn dem aber so ist, dann ist es auch verständlich, daß angesichts dieser Beitragshöhe die Rentnerkrankenversicherung bisher nicht auf das Leistungsniveau der übrigen gesetzlichen Krankenversicherung gebracht werden konnte. Wir sind auch der Meinung, daß die Leistungen einheitlich gestaltet werden müssen. Heute sind es für die stammversicherten Rentner, wenn ich sie einmal so nennen darf, die Regelleistungen der Reichsversicherungsordnung. Bezüglich der Familienleistungen richten sich diese nach den Satzungen der jeweiligen einzelnen Krankenkasse, durch die die Rentner betreut werden. Das ist natürlich durchaus unterschiedlich, und auch hier meine ich, daß man nach einer einheitlichen Regelung auch für die Familienhilfeleistungen in der Rentnerkrankenversicherung suchen sollte.
Wenn man das Leistungsniveau im übrigen heben will — und ich möchte mich durchaus im Grundsatz dafür aussprechen —, dann steht daneben — das hat Herr Professor Schellenberg ja auch gesagt — natürlich sofort die Frage nach der finanziellen Aufbringungsmöglichkeit für die Gewährung solcher erhöhter Leistungen. Dann ist, glaube ich, auch die Frage berechtigt, ob und bis zu welchem Ausmaß dann beispielsweise den Rentenversicherungsträgern zugemutet werden darf, die Beitragsleistung, die ja jetzt schon, wie wir gehört haben, auf 5,50 DM pro Monat und Rentner gesteigert werden soll, zu tragen, und inwieweit sie bpi ihrer finanziellen Lage im übrigen dann noch imstande sind, auch für diese erhöhten Leistungen aufzukommen. Das führt zu der weiteren Frage, inwieweit man die Rentner dann selbst am Beitrag beteiligen müßte. Das sind also alles Probleme, die erörtert werden müssen.
Nun hat Herr Professor Schellenberg gemeint, hier werde in erster Linie die technisch-organisatorische Frage angesprochen. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur eine technisch-organisatorische Frage. Ich bin der Auffassung, daß die damalige von der nationalsozialistischen Regierung ge-
schaffene Regelung nichts anderes war als eine Vergewaltigung des in Frage kommenden Kreises von Personen, die von sich aus gar nicht die Absicht gehabt haben, ihren Krankenversicherungsträgern, denen sie bis dahin angehört haben, untreu zu werden, und die das auch heute noch zu Tausenden und aber Tausenden dadurch bestätigen, daß sie neben der Rentnerkrankenversicherung ihre Mitgliedschaft bei den früheren Krankenversicherungsträgern nach wie vor aufrechterhalten.
Ich bin der Meinung, daß auch der heutige Gesetzgeber sich nicht das Recht anmaßen sollte, gegen den eigentlichen Willen derer, die es angeht, diese ohne weiteres in eine Regelung zu zwingen, die ich persönlich nicht als gerade glücklich ansehen kann. Ich weiß im Augenblick nicht genau die Zahl derer, die sich bei ihren früheren Versicherungsträgern weiterversichert haben. Aber wenn die Ortskrankenkassen, die heute die alleinigen Träger sind, in zunehmendem Maße um die immer stärker anwachsenden Fehlbeträge bekümmert sind und sich dagegen wenden, so wäre hier eine Möglichkeit, ihnen einen Teil dieser Last abzunehmen. Auch gegen diese Reduzierung ihres eigenen Risikos wehren sich heute die Ortskrankenkassen und diejenigen, die den gleichen Standpunkt vertreten, doch aus nichts anderem als aus einem Prinzip heraus, das man nicht aufgeben möchte. Ich bin gar nicht der Meinung des Herrn Professor Schellenberg, daß durch eine Regelung, wie sie etwa hier in diesem Antrage gefordert wird, nun unter allen Umständen eine derartige Komplizierung und Erschwerung des Verwaltungsapparats eintreten müßte. Ich bin durchaus der Meinung, daß man über die Ziffer 6 in einer Form sprechen kann, die eine solche, wie es auf Anhieb scheinen möchte, erhebliche Komplizierung vermeiden könnte. Das läßt sich ohne viel zusätzlichen Verwaltungsaufwand durchaus machen.
Ich möchte mich auf diese Bemerkungen beschränken. Ich bin für eine gründliche Besprechung im Sozialpolitischen Ausschuß und gebe mich im übrigen der Hoffnung hin, daß das Bundesarbeitsministerium, also die Bundesregierung, vielleicht noch, bevor wir im Sozialpolitischen Ausschuß an die Erörterung dieses Problems herankommen können, uns mit einer Gesetzesvorlage dient, die uns dann um so schneller zur Lösung des Problems führen würde.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. — Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Um der guten Diskussionen in diesem Hause willen möchte ich noch auf die einzelnen angeschnittenen Probleme antworten, soweit sie nicht mein Kollege Horn schon beantwortet hat. Es war mir eine wahre Freude, Herrn Professor Schellenberg als den verantwortlichen Mann des Experiments „Versicherungsanstalt Berlin" hier die tiefschürfenden Worte sprechen zu hören, daß die Fragen, die ich als grundsätzliche hier angeschnitten habe, für ihn nur technische Fragen seien, und ich hoffe, daß wir seine Unterstützung bei diesem Tatbestand der nur technischen Fragen demnächst, wenn es um die Angestelltenversicherung in Berlin und um die übrigen Kassenarten, die wieder zugelassen werden sollen, geht,
ja wenn es um die Freiheit der Versicherten in Berlin geht, genau so bestätigt bekommen!
— Aber bitte verstehen Sie: es war für mich eine zu große Freude, und ich hätte es mir nicht versagen können, Ihnen das eben zu sagen.
Ich möchte dann, Herr Professor Schellenberg, auf das eingehen, was Sie von dem großen Anliegen der „umfassenden Versorgung aller Rentner" gesagt haben. Es versteht sich von selbst —und ich habe das auch betont —, daß wir unter einer Novelle nicht nur den Beitragssatz oder die Organisation verstehen, sondern ganz wesentlich die Frage der Leistung, ihre Grenzen, das Notwendige und auch das, was in dieser Novelle verbessert werden muß, wobei die Meinungen in der öffentlichen Diskussion, wie Sie so gut wie ich wissen, sehr unterschiedlich sind. Einer Ihrer Freunde — er ist Geschäftsführer einer Ortskrankenkasse — hat meiner Fraktion sogar in diesen Tagen geschrieben, er sei der Meinung, daß die Leistungen in vernünftiger Weise geregelt und — so schreibt er, ich betone das ausdrücklich — „teilweise gegenüber dem jetzigen Umfang beschränkt werden müssen." — Wir sind nicht dieser Auffassung; wir sind nur der Auffassung, daß wir uns im Ausschuß — nicht hier — sehr ernsthaft darüber unterhalten müssen, warum gewisse Leistungen zu solchen Schwierigkeiten geführt haben Dazu gehört auch die Zusatzversicherung und die Sterbegeldversicherung. Hätte man die Rentner damals bei ihren alten Versicherungsträgern gelassen, bei denen sie einen solchen Anspruch gehabt haben, dann brauchte man sich um das schwierige Gebiet der Schaffung einer Zusatz-Sterbegeldversicherung, die mit dem Wesen der Krankenversicherung der Rentner eigentlich nichts zu tun hat, nicht so viele Sorgen und nicht so viele Ausgaben zu machen.
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß Herr Professor Schellenberg hier doch mit einem etwas gefahrvollen Zungenschlag werbend um die Sympathie der Frauen und derjenigen, die von der Sozialversicherung noch nicht erfaßt sind, an der Wirklichkeit vorbeigeredet hat. Die weiterversicherten Ehefrauen sind entweder freiwillig in einer Versicherung, oder sie haben Familienhilfeanspruch aus der Versicherung ihres Mannes, oder sie haben, wenn es sich um Selbständige handelt, in Berlin, Herr Professor Schellenberg, dank Ihres Experiments sogar das Recht, auch heute noch, sich freiwillig weiterzuversichern. Bei uns haben sie es schon immer! Wer von dieser freiwilligen Weiterversicherung oder einer eigenen Versicherung nicht Gebrauch gemacht hat, der hat halt die große Fürsorgepflicht, die er seiner Familie und sich selbst gegenüber, auch den anderen Staatsbürgern und den übrigen Versicherten gegenüber schuldig ist, versäumt. Wir möchten die in Frage kommenden Personen dazu erziehen, die Sozialgesetzgebung so zu verstehen, daß sie von den Möglichkeiten der freiwilligen Vorsorge so viel als nur möglich Gebrauch machen sollten, damit der Zwang auf das dringend Notwendige beschränkt werden kann.
Sie haben weiter von dem Problem des Wohnortwechsels gesprochen. Ich darf nur für die Sachkenner — und um diese geht es hier wohl — darauf hinweisen, daß der § 313 der Reichsversicherungsordnung selbstverständlich entsprechend gilt und daß alle Versicherungsträger die Möglichkeit haben, überall ihre Versicherten lebensnah zu betreuen.
Wegen der vorgeschriebenen Redezeit bin ich leider nicht mehr in der Lage, auf alle angeschnittenen Fragen einzugehen. Aber ich mochte Herrn Professor Schellenberg doch auf drei Tatsachen hinweisen, zunächst auf den Tatbestand — er wurde mir von dem Verband der Rentenversicherungsträger auf Anfrage höchst sachverständig bestätigt —, daß der ständige Ausschuß des Verbandes sich gegen die Erstattung der Verwaltungskosten, die den Krankenkassen entstehen, ausgesprochen hat, weil es sich ja um eine Auftragsangelegenheit handelt, bei deren rechtlicher Gestaltung eine solche Erstattung nicht in Frage kommt. Wir werden über diesen Punkt im Ausschuß zu sprechen haben. Herr Präsident Ostermeier hat mir bestätigt, daß die Ortskrankenkassen dem durchaus zugestimmt hätten. In Berlin haben Sie selber Ihre großen Erfahrungen. Herr Professor Schellenberg, ich habe vor mir die Mitteilung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin betreffend Vorlage über Krankenversorgung der Rentner in Berlin liegen. Das Abgeordnetenhaus mußte zur Kenntnis nehmen, daß als wirksames Mittel zur Entlastung der VAB vom Senat eine Senkung der Pflegekosten für Rentner und deren Familienangehörige in den städtischen Krankenanstalten anerkannt wurde. Die VAB ersparte dadurch 215 000 bis 370 000 DM monatlich, weil diese Einsparungen mit Rücksicht auf den Haushalt der VAB sicherlich notwendig sind.
— Ja, daß weiß ich! Ich weiß auch, daß Sie diese höchsten Leistungen deshalb haben, weil Sie nicht in der Lage sind, genaue Rechnung zwischen Krankenversicherung, Rentenversicherung, Unfallversicherung und anderen Dingen zu legen. Der Herr Präsident wird mir leider nicht die Zeit für nähere Ausführungen dazu gestatten. Aber bei anderer Gelegenheit werde ich Ihnen darauf antworten, Herr Professor Schellenberg. Wir wollen nicht, daß höchste Leistungen gegeben werden, wenn auf der einen Seite vereinbart wird, daß für das Bett eines Rentners im Krankenhaus 5 DM gezahlt werden, während das sonstige Bett 7 DM kostet, und daß der Betrag, der damit gespart wird, aus dem Säckel der Steuerzahler über Zuschüsse wieder anders herum erstattet wird. Das geht eindeutig aus dem Bericht des Abgeordnetenhauses in Berlin hervor!
Zur Frage der „gleichen Leistungen" lassen Sie mich bitte mit dem schließen, was der Kommentator der Verordnung zur Schaffung der Krankenversicherung der Rentner, der leider so früh von uns gegangene Ministerialrat Grünewald, damals geschrieben hat. Er hat geschrieben:
Eine dem gesetzlichen Krankenversicherungsrecht vollkommen fremde Regelung enthält § 13 der Verordnung mit den Bestimmungen über die Zusatzversicherung. Diese Regelung war notwendig, weil nur so allen auftretenden berechtigten Ansprüchen
— nämlich derer, denen man sie durch den Zwang in der Monopolversicherung genommen hat — entsprochen werden kann. Und das zu tun,
— schreibt Herr Grünewald —
ist Aufgabe der Krankenversicherung, die sich
ja keinen unwirklichen Einheitsbedürfnissen
gegenübersieht, sondern bemüht ist und bemüht bleiben muß, den Bedürfnissen, wie sie nun einmal die verschiedenartigen Verhältnisse und damit das tägliche Leben mit sich bringen, im Rahmen des Möglichen gerecht zu werden.
— Ich danke Ihnen, Herr Präsident!
Ich bitte das Hohe Haus, unseren Antrag dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist der Antrag gestellt, den Antrag Drucksache Nr. 3039 dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beschränkung der Freizügigkeit für den Raum der Insel Helgoland während der Zeit des Wiederaufbaues
;
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Wiederaufbau der Insel Helgoland
.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Berichte entgegenzunehmen, jedoch auf eine Aussprache zu verzichten.
Zu Punkt 7 a) erteile ich das Wort dem Abgeordneten Maier als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat in seiner 187. Sitzung den Entwurf eines Gesetzes über die Beschränkung der Freizügigkeit für den Raum der Insel Helgoland während der Zeit des Wiederaufbaues, Drucksache Nr. 2984, dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zur weiteren Bearbeitung überwiesen. Der vorliegende Gesetzentwurf war, wie schon in der ersten Lesung ausgeführt wurde, notwendig geworden, weil die Landesregierung von SchleswigHolstein, die am 1. März dieses Jahres die Insel wieder in deutschen Besitz übernehmen wird, ein Gesetz über den Wiederaufbau und die Verwaltung der Insel Helgoland im Landtag einbringen will. Dieses Gesetz wird Bestimmungen über Einschränkungen auf dem Gebiete der Freizügigkeit enthalten, und es bedarf deshalb einer Ermächtigung in einem Bundesgesetz.
Wesentliche Voraussetzung für die Durchführung des Wiederaufbaus ist nach Auffassung der schleswig-holsteinischen Landesregierung die Kontrolle des Betretens und des Aufenthalts auf der Insel während einer gewissen Übergangszeit. Die Zerstörung der Insel durch Sprengungen und Bombenabwürfe während des Krieges und nach dem Kriege hat eine Reihe von gesundheitlichen Gefahren im Gefolge gehabt, die eine Wiederbesiedlung nur in dem Umfange zulassen, wie beispielsweise die Beseitigung der Sprengstoffverseuchung, die Wiederherstellung der Sicherungen gegen Ab-
sturzgefahren, weiter die Trinkwasserversorgung und der Wiederaufbau von Wohnungen garantiert sind. Aus diesen Gründen ist die Rückkehr der über 2 000 Bewohner nur Zug um Zug möglich. Gleichzeitig muß aber auch das Betreten der Insel zum vorübergehenden Aufenthalt . gesteuert werden. Daher enthält der Ihnen vorliegende Entwurf in seinem § 1 eine Bestimmung, daß zum Betreten der Insel über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg eine besondere Erlaubnis erforderlich ist und daß das Recht der Freizügigkeit gemäß Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes eingeschränkt wird.
Da dem Bund nach Art. 73 Ziffer 3 des Grundgesetzes das Recht der ausschließlichen Gesetzgebung auf dem Gebiete der Freizügigkeit zusteht, bedurfte das Land Schleswig-Holstein der im § 2 des Entwurfs Drucksache Nr. 2984 ausgesprochenen Ermächtigung zum Erlaß der erforderlichen Rechtsvorschriften. Das Landesgesetz selbst wird lediglich Bestimmungen über die Voraussetzung für die Erlaubniserteilung und das Verfahren zu treffen haben.
Bei der Beratung im Ausschuß, der den Entwurf einstimmig guthieß, wurden geäußerte Bedenken gegen die Beschränkung auf die Dauer von fünf Jahren durch Ausführungen von Regierungsvertretern zerstreut. Der Ausschuß war einmütig der Meinung, daß die Zerstörungen kaum vor Ablauf von fünf Jahren behoben werden könnten und daß im übrigen der Landesregierung ja die Möglichkeit gegeben sei, von dem Recht auf Erteilung besonderer Erlaubnis weitgehend Gebrauch zu machen.
Ich komme deshalb zum Antrag des 24. Ausschusses:
Der Bundestag wolle beschließen:
den Entwurf eines Gesetzes über die Beschränkung der Freizügigkeit für den Raum der Insel Helgoland während der Zeit des Wiederaufbaus unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Ich bitte das Hohe Haus um seine Zustimmung.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Ich erteile das Wort zum Bericht zu Punkt 7 b dem Abgeordneten Diel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat in seiner 187. Sitzung den Ihnen vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 2891 zur weiteren Bearbeitung dem Ausschuß für innere Verwaltung überwiesen. Der Antrag befaßt sich mit dem Wiederaufbau der Insel Helgoland. Der Zustand der Insel ist Ihnen allen bekannt; wir brauchen uns darüber nicht weiter zu unterhalten. In dem Antrag wird die Wiederherstellung des notwendigen Wohnraums verlangt, außerdem Rückführung der früheren Zivilbevölkerung, die Wiederherstellung der kommunalen Einrichtungen, Gebäude, Straßen usw.; der Fischereihafen soll ebenfalls baldmöglichst wieder ausgebaut werden.
Nachdem der 24. Ausschuß sich in seiner Sitzung am 6. Februar mit dem Antrag Drucksache Nr. 2891 befaßt hat, ist er zu dem einstimmig gefaßten Beschluß gekommen, ihn der Regierung als Material zur Berücksichtigung zu überweisen. Sie, meine Damen und Herren, bitte ich, entsprechend dem Vorschlage des Ausschusses beschließen zu wollen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Aussprache soll nicht stattfinden.
Ich rufe zunächst § 1 des Entwurfs Drucksache Nr. 2984 auf, — § 2, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig,
—ich bitte um Entschuldigung: gegen einige Stimmen angenommen. Die zweite Lesung ist damit geschlossen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um das Handzeichen. — 'Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, dies durch Erheben von den Sitzen zu bezeugen. — Gegenprobe! — Gegen zwei Stimmen angenommen.
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung zu Punkt 7 'b der Tagesordnung. Hier liegt der Antrag des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung auf Drucksache Nr. 3086 vor. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht .
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kühn als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat am Schlusse seiner Ausführungen am 16. Januar 1952, als er das Gesetz einbrachte, um das es sich heute handelt, den Wunsch ausgesprochen, daß der Beamtenrechtsausschuß so bald wie möglich zu einer abschließenden Beratung dieses Gesetzes kommen möchte. Der Beamtenrechtsausschuß hat dann unter Zurückstellung anderer wichtiger Beratungen sich dieses Gesetzentwurfs sofort angenommen, so daß wir heute den Beschluß und den Antrag des Beamtenrechtsausschusses vorlegen können.
Ich glaube, ich brauche hier heute zu diesem Gesetz keine Begründung im einzelnen mehr zu geben und darf auf die eingehenden Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers in der 185. Sitzung des Bundestages am 16. Januar 1952 verweisen. Heute handelt es sich um die Drucksache Nr. 3096 mit dem Antrag des Beamtenrechtsausschusses; er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der
Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehö-
rigen des öffentlichen Dienstes mit den aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen zuzustimmen.
Ich darf hierbei kurz ins Gedächtnis zurückrufen, daß dieses Gesetz eine Ausführung zu dem § 4 des sogenannten Inlandsgesetzes ist. Damals war eine Entschließung gefaßt worden, die Bundesregierung möge so bald wie möglich das mit diesem von mir eben genannten § 4 in Aussicht gestellte Gesetz einbringen. Diese Einbringung hat sich wahrscheinlich aus dem Grunde etwas hingezogen, weil man über die im Auslande lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die ja schließlich in der ganzen Welt verstreut sind, erst einige Feststellungen treffen mußte.
Nunmehr darf ich noch auf einige Einzelheiten hinweisen. In der ersten Lesung des Gesetzes hat insbesondere der Herr Kollege Arndt die Fassung des § 3 des Gesetzes gerügt. Der Beamtenrechtsausschuß hat sich sehr eingehend mit der Fassung dieses Paragraphen befaßt und ist, nachdem er auch eine Reihe von Experten auf diesem Gebiete gehört hat, zu dem Ergebnis gekommen, die Ziffer 2 des § 3 wie folgt zu fassen:
Wiedergutmachung wird nur gewährt, wenn
2. die Regierung des Staates, in dem sich der Geschädigte aufhält, mit der Regierung der Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält.
Wir haben im Beamtenrechtsausschuß geglaubt — und idas hat einhellige Zustimmung gefunden —, damit eine Fassung gewählt zu haben, die den Anforderungen in jeder Beziehung Rechnung trägt. Im übrigen darf ich auch darauf hinweisen, daß in dem letzten Absatz des § 3 eine Bestimmung enthalten ist, nach der die Bundesregierung von der Voraussetzung in Nr. 2 Ausnahmen zulassen kann. Damit können wir, glaube ich, allen Fällen, die hier in Frage kommen, Rechnung tragen.
Zum § 4 möchte ich noch einmal hervorheben, daß die Möglichkeit der Wahl zwischen der Wiedereinstellung oder der Belassung im Ruhestande gegeben ist.
Ein Wort zum § 5. Dieser Paragraph enthält eine Lösung der Frage der Überweisung von Gehältern, Ruhegehältern usw. in das Ausland. Selbstverständlich müssen hier die devisenrechtlichen Bestimmungen innegehalten werden. Wir haben uns im Ausschuß eingehend Gedanken auch darüber gemacht, ob dieser Überweisung, die den devisenrechtlichen Bestimmungen gerecht werden muß, auch keine Hinderungsgründe irgendwelcher Art entgegenstehen. Die Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, die wir dazu gutachtlich gehört haben, haben allerdings erklärt, daß in dieser Beziehung keine Befürchtungen bestehen. Ich habe heute bei den Umdrucken, die verteilt worden sind, einen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD gesehen, nach dem die Bundesregierung ausdrücklich gebeten werden soll, die nötigen Devisen für die Überweisung dieser Beträge, die hier in Frage kommen, zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, nach den Erklärungen der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums können wir in dieser Beziehung beruhigt sein. Ich habe hier selbstverständlich auch namens des Ausschusses keine Bedenken gegen diese Entschließung vorzubringen.
Die anderen Bestimmungen des Gesetzes betreffen in der Hauptsache nur redaktionelle Änderungen. Ich darf hierbei noch besonders darauf hinweisen, daß die Berlin-Klausel im § 9 a eingefügt ist und daß überall da, wo bisher das Gebiet der Bundesrepublik irgendeine Rolle spielt, entsprechend anderen Beispielen eingefügt worden ist „im Geltungsbereich des Grundgesetzes ".
Schließlich muß ich noch auf den § 10 Abs. 2 aufmerksam machen, der nicht unmittelbar mit dem vorliegenden Gesetz zusammenhängt. Aber es hat sich bei dem sogenannten Inlandsgesetz herausgestellt — und zwar handelt es sich hierbei um den § 22 dieses Gesetzes —, daß durch die Formulierung „bewirkt worden" Schwierigkeiten entstanden sind. Daraus haben wir dann „stattgefunden" gemacht. Es ist immer gut, wenn derartige Bestimmungen so klar gefaßt werden, daß sich nicht nachher — und darum handelt es sich hier — irgend jemand um die Wiedergutmachung drücken kann. Jetzt hat der Abs. 2 des § 10 diesen Sachverhalt völlig geklärt; er lautet an der fraglichen Stelle:
. . . Hat die Schädigung im Bereich einer Dienststelle des Reichs oder einer sonstigen Gebietskörperschaft oder Nichtgebietskörperschaft stattgefunden.
Im übrigen gelten die einzelnen Bestimmungen des sogenannten Inlandsgesetzes für die Wiedergutmachung.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, diesem Gesetz heute in zweiter und dritter Lesung Ihre Zustimmung zu geben, weil das Gesetz gerade auch dazu dienen soll, einem großen Teil von den in Not befindlichen Menschen draußen in der ganzen Welt zu ihrem Rechte zu verhelfen.
Außerhalb der Berichterstattung habe ich noch zu erklären, daß dieses Gesetz die Zustimmung der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der DP finden wird.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und rufe auf zur zweiten Beratung: § 1,- § 2,- § 3,—§ 4,—§ 5,—§ 6,§ 7, — § 8, — § 9, — § 9a und § 10 sowie Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! — Einstimmige Annahme. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle, glaube ich, wissen dem Ausschuß für Beamtenrecht Dank dafür, daß er dieses Gesetz mit einer derartigen Bevorzugung beschleunigt verabschiedet und uns hier wieder vorgelegt hat. Aber die dritte Lesung dieses Gesetzes gibt doch Veranlassung darauf hinzuweisen, daß mit seiner Verabschiedung im Grunde recht wenig geschehen ist. Eigentlich handelt es sich gar nicht um eine Wiedergutmachung, sondern lediglich darum, daß die verfolgten Beamten, die heute im Ausland leben, weil sie aus Deutschland vertrieben wurden, in ihre alten Rechte wieder eingesetzt sind. Wir haben zwar aus dem Bericht des Herrn Berichterstatters entnommen, daß Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Ausschußberatung die Erklärung abgegeben haben, aller Voraussicht nach würden Devisen für einen
Transfer der Bezüge zur Verfügung gestellt werden, aber ich glaube, daß uns diese im Ausschuß abgegebene Erklärung nicht genügen kann. Wir bitten Sie deshalb, der von uns vorgelegten Entschließung zuzustimmen, wodurch ,die Bundesregierung ersucht wird, dafür zu sorgen, daß für die nach diesem Gesetz den Geschädigten zustehenden Bezüge Devisen zur Verfügung gestellt und den Geschädigten überwiesen werden. Leider war der § 5 des Gesetzes notwendig; die devisenrechtlichen Bestimmungen sind nun einmal für die Überweisung in das Ausland entscheidend und maßgeblich. Aber das kann keine Beruhigung für unser Gewissen sein. Wir müssen fordern, daß in der Verwaltungshandhabung das Devisenkontingent zur Verfügung gestellt wird; denn, meine Damen und Herren, es ist doch unerträglich, zu denken, daß Reisedevisen gegeben werden, solange diese Schuld an die Verfolgten unerfüllt bleibt.
Jeder Deutsche müßte doch Scham empfinden, mit
Reisedevisen in der Tasche im Ausland einem Beamten zu begegnen, der sein Ruhegehalt hier auf
Sperrkonto bekommt und draußen Hunger leidet.
Unter Umständen müßte also auch das Auftreten im Ausland etwas bescheidener werden, solange diese Pflicht hier nicht erfüllt ist.
Aber die dritte Lesung dieses Gesetzes gibt darüber hinaus auch Veranlassung, nicht zu vergessen, daß die Wiedergutmachung — und bei dem Gesetz kann man von Wiedergutmachung kaum sprechen — kein Zahlungsproblem, sondern ein sittliches Gebot ist; denn das unsägliche Leiden der Verfolgten, der Verlust der Heimat und alles, was sie haben erdulden müssen, ist ja nicht dadurch wieder gutgemacht, daß sie in gewisse Bezüge wieder eingesetzt werden. Darum ist es notwendig, bei dieser Gelegenheit auch noch ein anderes Wort zu sagen.
Wir müssen unseren Verfolgten im Ausland sagen, daß wir bereit und willens sind, ihnen ihre deutsche Heimat wiederzugeben.
Mich erfüllt schmerzlichstes Bedauern, daß ich mich nicht imstande sehe, diese Erklärung namens des Bundestags in seiner Gesamtheit abzugeben, weil ich dazu nicht befugt bin. Aber als Sprecher der deutschen Sozialdemokraten erkläre ich: Wir rufen jeden Verfolgten zur Rückkehr, wir freuen uns über jeden Verfolgten, der die Heimkehr wagen will, und werden ihn mit offenen Armen aufnehmen.
Meine Damen und Herren, ich kann diese Aufforderung nicht aussprechen, ohne in tiefer Sorge zwei Gedanken Raum zu geben.
Erstens: Warum hat es die Bundesregierung in den über zwei Jahren ihrer Tätigkeit unterlassen — auch bei der Regierungserklärung zur Judenfrage —, diese Aufforderung zur Rückkehr an die Verfolgten auszusprechen und 'zu sagen, daß sie uns in Deutschland willkommen sind?
Allein mein Parteifreund, der Abgeordnete Kurt Schumacher, hat in der ersten Rede, die er im Bundestag überhaupt gehalten hat, gesagt, wie sehr uns die jüdischen Deutschen für den Wiederaufbau fehlen und wie notwendig ihre Rückkehr wäre. Das war bekanntlich der Anlaß für die Einfelder
Rede des Herrn Hedler mit dem Tenor, daß man die Juden nicht brauche und sie nicht wiedersehen wolle.
Zweitens: Mich erfüllt eine bange Sorge, ob in Deutschland heute noch eine echte Bereitschaft dazu besteht, den Verfolgten wieder eine Heimat zu geben. Der Antisemitismus — und bei einem Großteil der ins Ausland vertriebenen verfolgten Beamten handelt es sich um rassisch Verfolgte -
hat ja nicht mit Hitler begonnen. Seine traurige Vergangenheit reicht sehr weit zurück. Schon Anfang der zwanziger Jahre - um nur ein Beispiel zu erwähnen — mußte Anna von Gierke wegen ihrer jüdischen Mutter wohl oder übel die Deutschnationale Partei verlassen,
der damals und noch lange Zeit danach der gegenwärtige Herr Bundesminister des Innern angehörte.
Es war dies die erste Partei, die für sich in
Deutschland den Arierparagraphen erfunden hat,
und wir haben noch kein Wort der Umkehr gehört.
Aber der Herr Bundesminister des Innern hat kürzlich erst Einladungen versandt, um am 19. Januar in Düsseldorf einen „arteigenen Freundeskreis" für den als antisemitisch bekannten Schriftsteller Wilhelm Schäfer ins Leben zu rufen und erneut gegen die „ Überfremdung des deutschen Schrifttums" anzugehen.
Meine Damen und Herren! Nicht erst mit Hitler, sondern bereits mit dem Arierparagraphen der Deutschnationalen in der Weimarer Zeit und dem Arierparagraphen der waffentragenden Verbindungen in der Studentenschaft hat die Verfolgung begonnen, die dann zur Austreibung der verfolgten Beamten geführt hat.
Hitlers sogenannte „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" fand den Boden bereits vorbereitet vor.
Aus vielen Mordankündigungen, die vor dem Jahre 1933 lagen, will ich nur eine einzige zitieren. Im Jahre 1929 hat Herr Dr. Löpelmann — damals Stadtverordneter der NSDAP in Berlin, später war er Mitglied des Reichstags und Gauinspektor der NSDAP in der Kurmark — in der „Hasenheide" ausgeführt — ich darf es mit freundlicher Genehmigung des Präsidenten wörtlich zitieren —:
Wir werden nicht ruhen und rasten, bis wir
diese Judenrepublik, die aus Verrat, Betrug
und Gemeinheit geboren wurde, dorthin gejagt haben, wo sie hingehört, zum Teufel nämlich. Die jüdischen Drahtzieher aber werden
wir an den Laternenpfählen aufhängen. Wir
haben genug Laternenpfähle für diese Kreaturen.
Das war im Jahre 1929. Dieser gleiche Herr Dr. Löpelmann leitet heute den technisch-theoretischen Teil eines Rednerkurses, den in Berlin der Landesverband der Deutschen Partei veranstaltet.
Meine Damen und Herren, wenn wir die Verfolgten zur Rückkehr auffordern, müssen wir uns fragen, ob es in Deutschland so aussieht, daß wir
ihnen eigentlich die Rückkehr zumuten können. Unerbittlich sehen wir uns vor diese Frage gestellt, ob wir wirklich bereit und in der Lage sind, den Verfolgten wieder eine Heimat zu bieten.
Darum muß ich in diesem Zusammenhang auch auf Vorgänge eingehen, die sich in jüngster Zeit abgespielt haben, und zwar in Freiburg und in Göttingen. In Freiburg wurden nach zuverlässigen Zeugnissen und einem Bericht, den der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen auch allen Abgeordneten zugänglich gemacht hat, auf Grund der Zeugenaussagen, die insbesondere von Seiner Magnifizenz, dem Rektor der Universität Freiburg, Herrn Professor Dr. Johannes Vincke, veranlaßt worden sind, bei Gegendemonstrationen gegen studentische Demonstranten folgende Ausdrücke gebraucht: „Ihr Judenlümmel", „ich habe noch keinen im Gasofen gesehen", „Heil Hitler", „ihr Judenschweine", „es wird Zeit, daß die Hitler-Zeit wieder aufgemacht wird", „ihr gehörtet eigentlich erschossen", „wer bezahlt euch eigentlich, ihr Judensöldlinge".
Das sind Ausdrücke, die — in großer Zahl nachweisbar — in Freiburg in der Öffentlichkeit gefallen sind.
In Göttingen war es nicht anders. Dort hat man auf der Straße das Lied angestimmt: „Wetzt die langen Messer". Man hat gerufen: „Aufhängen", „Juden raus", „Judensöldlinge", „schlagt die Judenlümmel doch zusammen, schlagt sie tot", „es wird Zeit, daß wir wieder eine SS kriegen", „brecht den Judenmenschen die Knochen", „hier sitzt auch noch so eine Judenhure", „wenn Sie den ,Jud Süß' gesehen haben, wie können Sie dann noch für die Juden demonstrieren?!". Das sind Äußerungen, die beweisbar und schon bewiesen sind. Ich entnehme sie einem allgemein bekannten Bericht des überparteilichen Bundes demokratischer Studenten und des Ringes freier Studentenvereinigungen an der Universität Göttingen.
Diese Vorfälle haben einer großen Anzahl von Hochschullehrern mit teilweise europäischem Namen oder sogar mit Weltruf — zu den Unterzeichnern gehören die beiden deutschen Nobelpreisträger Otto Hahn und Werner Heisenberg — Veranlassung gegeben, eine öffentliche Erklärung abzugeben, in der es unter Ziffer 2 heißt:
Noch mehr bedauern wir, daß es in Göttingen ähnlich wie in Freiburg zu zahlreichen antisemitischen Äußerungen und zu Tätlichkeiten gegen Studenten kam, die für den Frieden mit Israel demonstrierten. Insbesondere verurteilen wir die schweren Überfälle offenbar organisierter Schlägertrupps auf Studenten, die noch stundenlang nach dem Ende der Demonstration ausgeführt wurden.
Bei Verabschiedung dieses Gesetzes kann der Bundestag nicht stillschweigend an diesen schmachvollen und traurigen Vorkommnissen vorbeigehen. Vor aller Öffentlichkeit will ich hier erklären: Diese Schmährufe in Freiburg und Göttingen haben nicht die Juden getroffen, auch nicht die Studenten, die mit bewundernswertem Mut und moralischer Ehrlichkeit für eine Aussöhnung mit Israel demonstrierten, sie haben das deutsche Volk ins Gesicht geschlagen!
Für diese Schreier in Freiburg und Göttingen und für alle ihre Helfershelfer und Hintermänner gibt es nur einen Namen: sie sind Landesverräter, die elendesten Verräter, die den deutschen Namen je geschändet haben.
Die wirkliche Wiedergutmachung, die wir den Verfolgten schulden, wird erst damit beginnen, glaubhaft zu machen, daß ihnen ihre Heimat wieder offensteht. Jeder einzelne und die gesamte Öffentlichkeit sollte sich darin einig sein, daß wir unsere ganze Kraft aufzuwenden haben, um geistig und moralisch die Wiederholung aller an den Nationalsozialismus erinnernden Vorkommnisse ein für allemal in Deutschland unmöglich zu machen.
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
Meine Damen und Herren! Die Regierung ist durchaus einig mit dem Herrn Bundestagsabgeordneten Arndt, daß wir jederzeit bereit sind, die im Ausland lebenden Deutschen mit offenen Armen wieder zu uns zurückzunehmen, und unser Interesse an den Auslandsdeutschen beweist ja, daß die Regierung dieses Gesetz ausgearbeitet und Ihnen vorgelegt hat.
Ich darf zu der Frage Wilhelm Schäfer folgendes sagen. Ich habe beinahe 40 Jahre meines Lebens in meiner Wahlheimat Düsseldorf zugebracht und bin deshalb auch durchaus vertraut mit den geistigen Strömungen dieser Stadt, und ich habe mit allen denen, die in den vergangenen Jahrzehnten als Dichter, Schriftsteller oder Erzähler hervorgetreten sind, persönliche, freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Darunter war Wilhelm Schäfer, der zu der Zeit, als ich ihn kennenlernte, noch in den Anfängen seines dichterischen Schaffens stand, der sich vom Lehrer erst auf den Erzähler umstellte, im Laufe seiner dichterischen und schriftstellerischen Laufbahn aber ein Meister der Kurzgeschichte und namentlich der Anekdote wurde und heute in unser Schrifttum als einer unserer hervorragendster Erzähler, als einer der Stillen im Lande, die nicht viel von sich reden machten, eingegangen ist. Während der Zeit, in der er gewisse politische Meinungen bekundete, sind wir nicht in Berührung gewesen. Das liegt alles weit zurück. Er mag selbst bereut und erkannt haben, daß er nicht den richtigen Weg ging. Jedenfalls ist er nachher ausschließlich als Dichter und Erzähler in Erscheinung getreten und in keiner Form als Politiker.
Wenige Tage vor dem Tode dieses Mannes, der inzwischen das 84. Lebensjahr erreicht hatte und schwerkrank am Bodensee daniederlag, ohne daß Hoffnung auf Genesung bestand, sind seine Freunde an mich herangetreten und haben gesagt: Wir wollen diesem sterbenden Mann noch eine Ehrung erweisen, die ihn hoffentlich noch im Leben erreicht; wir wollen eine Gesellschaft der Freunde seiner Dicht- und Erzählkunst gründen. Ich habe den Vorsitz dieser Gesellschaft, die ausschließlich dem dichterischen Schaffen gewidmet ist, übernommen. Mit Bedauern habe ich feststellen müssen, daß diese Ehrung ihn nicht mehr bei Bewußtsein erreicht hat. Er ist in derselben Nacht, in der diese
Gesellschaft der Freunde seines Schrifttums in Düsseldorf gegründet worden ist, verschieden.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleindinst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist, wie der Herr Berichterstatter bereits hervorgehoben hat, ein Ergänzungsgesetz zu dem von diesem Hause am 5. April des vergangenen Jahres einstimmig angenommenen Gesetz über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im öffentlichen Dienst stehenden Personen. Die einzigen zwei Fragen, die den Ausschuß besonders berührt haben, hat der Herr Berichterstatter entwickelt: die diplomatischen Beziehungen zum Ausland und die Berlin-Klausel. Wir werden, wie bereits erklärt worden ist, diesem Gesetz ebenso zustimmen, wie wir seinerzeit dem Hauptgesetz zugestimmt haben.
Die Devisenfrage, die Herr Kollege Arndt berührt hat, ist im Ausschuß besonders behandelt worden, und zwar auch mit Rücksicht auf diejenigen Personen, die unter das Gesetz zu Art. 131 fallen. Nach den dort gemachten Ausführungen ist unbedingt damit zu rechnen, daß die Devisen auch für die Personen bereitgestellt werden, die unter dieses Ergänzungsgesetz fallen. Gleichwohl sind wir gern bereit, dem Entschließungsantrag der SPD zuzustimmen.
Nun wurde bedauert, daß nicht die Bereitschaft bestehe oder die Voraussetzungen dafür bestünden, die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes hier wieder zu verwenden. Die Verweisungen des § 1 auf das Hauptgesetz, glaube ich, beweisen diese Bereitschaft. Wir sind der Überzeugung, daß die Verwaltungen bereit sind, alle diejenigen aufzunehmen, die gewillt sind, aus dem Ausland zurückzukehren und hier wieder in den Dienst zu treten. Wir bedauern, daß soviele Angehörige der Wissenschaft, des Schrifttums und der bildenden Kunst Deutschland damals haben verlassen müssen und daß sie nur besuchsweise oder bisher überhaupt nicht zurückgekommen sind. Wir billigen es durchaus, daß mit diesem Gesetz auch die Bereitschaft zur Wiederaufnahme bekundet wird, und wir verurteilen gleichermaßen alle Störungen, die in den Beziehungen zu Rassen oder in politischer Beziehung eine solche Wiederaufnahme erschweren würden.
Ich bitte, sowohl das Gesetz als auch den Entschließungsantrag der SPD bezüglich der Bereitstellung von Devisen anzunehmen und damit den Willen zu bekunden, dem ich vorhin Ausdruck gegeben habe.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf es begrüßen, daß der Herr Bundesminister des Innern von dieser Stelle aus an die verfolgten Beamten endlich die Aufforderung zur Rückkehr gerichtet hat. Es war reichlich spät, aber es ist nie zu spät, und es ist zu begrüßen, daß dies endlich geschehen ist.
Im übrigen aber, Herr Bundesminister des Innern, ist hier nicht der Ort, sich über den schriftstellerischen Rang von Wilhelm Schäfer zu unterhalten, ein Rang, der unbestritten ist und an dem wir auch nicht rühren wollen. Es handelt sich jedoch darum, daß nach unwidersprochenen Meldungen bei dieser von Ihnen ins Leben gerufenen Veranstaltung, über die die katholische Wochenzeitung „Michael" in ihrer Nummer vom 3. Februar unter der Überschrift „Ein arteigener Freundeskreis — Das Wörterbuch des Unmenschen ist noch immer aktuell" berichtet hat, in Ihrem Beisein immerhin z. B. Herr Otto Doderer gesagt haben soll, „Die dreizehn Bücher der deutschem Seele" seien ein Buch, das dem deutschen Volk das werden sollte, was den Juden die Bibel ist
— in Ihrem Beisein! —, und auch von der verhängnisvollen Überfremdung sowie von der Zeit der Gesinnungsschnüffelei nach 1945 und ähnlichem mehr wieder gesprochen worden ist. Das sind Vorgänge, die nichts mit dem literarischen Rang von Wilhelm Schäfer zu tun haben, der hier überhaupt nicht zur Diskussion steht, auch nicht als Person, sondern mit der Gesellschaft, in die Sie sich als Bundesinnenminister dort begeben haben.
Ich muß aber weiterhin erklären: ich bedauere es auf das tiefste, daß Sie auch bei dieser Gelegenheit kein Wort gefunden haben über die frühere Deutschnationale Partei in ihrer antisemitischen Betätigung und die Schuld, die auch diese Partei an den Austreibungen der rassisch verfolgten Beamten mitträgt.
Vor allen Dingen, man kann doch einmal ein Wort sagen: daß das damals nicht richtig war und daß man es heute bedauert, daß man heute anders darüber denkt, als man damals gedacht hat. Insbesondere kann ich nicht verstehen, wie Sie die Vorgänge in Freiburg und Göttingen „kompetenzmäßig" damit abtun wollen, daß es sich dabei um eine Ländersache handele und Sie nicht zuständig seien.
Göttingen und Freiburg sind deutsche Angelegenheiten
und sind Angelegenheiten der deutschen Moral! Es ist Aufgabe und Pflicht der Bundesregierung, auch hier die politische Führung zu übernehmen, die wir so oft bei ihr vermissen, und an allererster Stelle vor der Öffentlichkeit und der Welt zu sagen, wie schmerzlich uns jene Ausschreitungen waren und wie wir sie einheitlich und mit tiefstem Abscheu verurteilen. Das haben wir vermißt.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Meine Damen und Herren! Die Versammlung, die damals in Düsseldorf stattfand im Beisein von Künstlern, Schriftstellern, Malern, Bildhauern, Freunden Schäfers, war nicht von mir in irgendeiner Weise zusammengestellt. Ich sprach auch nicht als Innenminister, sondern als persönlicher alter Freund, als ehemaliger Düsseldorfer Oberbürgermeister. Im übrigen hatte ich mir natürlich nicht vorher irgendein Konzept eines Teilnehmers vorlegen lassen. Ich denke immer noch, daß unser Grundgesetz gilt,
daß das Recht der freien Meinung in Wort, Schrift und Bild garantiert ist und ich gar keine Veranlassung hatte, vorher in irgendeiner Form eine Zensur auszuüben, bei der ich unter den Freunden der Muse Schäfers unterschiedlich hätte verfahren sollen.
Das Zweite: ich bin auch während meiner Zugehörigkeit zur Deutschnationalen Partei seinerzeit niemals Antisemit gewesen
oder habe mich irgendwie in ihr antisemitisch betätigt.
Aber wenn Sie einmal die Juden Düsseldorfs fragen, dann werden sie Ihnen einstimmig bestätigen, daß ich, solange ich konnte, eine schützende Hand über sie hielt und daß ich meinen jüdischen Freunden bis auf den heutigen Tag die Treue gehalten habe. Als ich angegriffen wurde, sandten meine jüdischen Freunde, die emigriert waren — zum Teil mit meiner Hilfe —, aus dem Ausland freiwillig ihre Bestätigung hier nach Deutschland und gaben ihrer Dankbarkeit Ausdruck, mündlich und schriftlich.
Polizei ist nun einmal Ländersache.
— Ja, Sie sprechen mich doch als Innenminister und nicht als Minister für Gesamtdeutschland an. Ich bin doch der Minister, der die polizeilichen Angelegenheiten zu erledigen hat.
Sie kennen die Empfindlichkeit der Länder in ihrer Zuständigkeit.
Das Vorgehen der Polizei dort ist ausschließlich von der örtlichen Polizei zu vertreten und Sache der Landesregierung, wie sie sich zu diesen Vorgängen stellt. Ich habe verfassungsmäßig nicht das Recht, da hineinzureden.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich wohl gehütet, von dieser Stelle aus mich mit der Polizei des Landes Baden zu befassen. Ich meine, dazu habe ich immerhin noch zu sehr in Erinnerung, wie Herr Präsident Wohleb von dieser Stelle aus gesprochen hat. Also, ob die Polizei sich richtig verhalten hat, steht überhaupt nicht zur Diskussion. Es stehen zur Diskussion — im Rahmen der Wiedergutmachungsfrage —
antisemitische Kundgebungen und Gewaltsamkeiten in Deutschland.
Das geht den Verfassungsminister unbedingt etwas an und auch den Minister, der für die Wiedergutmachung bei Beamtenfragen zuständig ist.
Herr Hasemann, in diesem Falle schweigen Sie lieber.
Ich stelle nochmals fest, daß der Herr Bundesminister des Innern auch in seiner zweiten Rede kein Wort des Bedauerns über die antisemitischen Ausschreitungen in Göttingen und Freiburg gefunden hat.
Abschließend darf ich mit der freundlichen Genehmigung des Herrn Präsidenten etwas ganz Kurzes aus einer früheren Zeit verlesen. Das ist das Amtsblatt der Stadtverwaltung Düsseldorf von Düsseldorf, dem 31. März 1933.
Zur Behebung aller Zweifel
— so heißt es dort —
weise ich noch besonders darauf hin, daß alle Zahlungen an Organisationen, Verbände usw., welche kommunistisch und marxistisch sowie jüdisch eingestellt sind oder in ihrem Sinne arbeiten, verboten sind. In Zweifelsfällen ist durch die Stadtkämmerei meine Entscheidung einzuholen. Der Oberbürgermeister
Dr. Lehr
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Ja, das könnte Ihnen so passen, meine Herren von der äußersten Linken!
Meine Damen und Herren, ein kurzes Wort der Klarstellung ist hier notwendig. Ich werde, seit ich mit dieser Schärfe gegen den Radikalismus links und rechts pflichtgemäß einschreite,
selbstverständlich in jeder Form bekämpft und verleumdet,
soweit es irgend möglich ist.
Zu diesem Vorkommnis im Jahre 1933 in Düsseldorf
darf ich kurz sagen: es ereigneten sich unmittelbar nach der Machtübernahme in Düsseldorf schwere Ausschreitungen, namentlich gegen die Juden und die jüdischen Geschäfte.
Ich wurde aus den Kreisen meiner eigenen jüdischen Freunde bestürmt,
etwas zur Beruhigung zu tun
und zunächst einmal zu sehen, ob sich die Sache nicht von mir aus in Ordnung bringen ließe.
Keiner meiner jüdischen Bekannten aus jener Zeit hat mich mißverstanden. Das bleibt Ihnen auf der äußersten Linken vorbehalten.
Sie wissen, daß ich kurze Zeit danach selber von
meinen politischen Gegnern verhaftet worden bin.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe die §§ 1 bis 10, Einleitung und Überschrift auf. Anträge liegen nicht vor.
Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, dies durch Erheben von den Sitzen zu bezeugen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimme; das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich habe dann noch abstimmen zu lassen über die Entschließung Umdruck Nr. 449. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
- Meine Damen und Herren, wir stimmen ab über Umdruck Nr. 449. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung angenommen. Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht über die Entschließungen der Abgeordneten Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Gaul, Kühn, Dr. Miessner und Genossen, des Auschusses für Beamtenrecht und über den Änderungsantrag der Fraktion der Bayernpartei zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (Nrn. 3097, 2504, 2660 der Drucksachen, Umdrucke Nrn. 330, 332, 335).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kühn
als Berichterstatter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Debatte über das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts, das dann später mit dem Datum vom 6. Dezember 1951 verkündet wurde, wurden bereits in der zweiten Lesung drei Entschließungen vorgelegt, eine Entschließung der Freien Demokratischen Partei, die als Umdruck die Nummer 330 trägt, eine Entschließung, die der Beamtenrechtsausschuß ausgearbeitet hatte, und eine Entschließung der Bayernpartei auf Umdruck Nr. 335. Diese drei Entschließungen wurden damals begründet und besprochen. Der Bundestag hat sie aber nicht unmittelbar angenommen, sondern hat sie dem Beamtenrechtsausschuß zur Beratung überwiesen.
Der Beamtenrechtsausschuß hat sich eingehend mit den Entschließungen befaßt. In ihnen drehte es sich darum, daß man den 20prozentigen Teuerungszuschlag, der damals in dem von mir genannten Gesetz festgelegt wurde, zunächst nicht auf die Pensionäre nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes ausdehnte. Diese Entschließungen wollten nun zu gegebener Zeit die Ausdehnung der 20prozentigen Teuerungszulage auf diesen von mir soeben genannten Personenkreis bewirken. Der Beamtenrechtsausschuß hat dann eine neue Entschließung formuliert, die den aus der Drucksache Nr. 3097 ersichtlichen Inhalt hat.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß auch der Haushaltsausschuß sich mit dieser Frage beschäftigt hat. Er hat in einer seiner letzten Sitzungen gegen den Entschließungsantrag des Ausschusses für Beamtenrecht keine Einwendungen erhoben.
Ich darf also Ihre Aufmerksamkeit zunächst auf den Buchstaben a) dieser Entschließung, wie sie auf der von mir genannten Drucksache steht, lenken und darf weiter darauf hinweisen, daß damit die Entschließungen, die vorgelegt worden sind, ihre Erledigung gefunden haben. Unter b) ist im Wege der Entschließung eine weitere Frage erledigt worden, indem nämlich die Bundesregierung ersucht wird, bei der Vorbereitung des neuen Besoldungsrechts auch eine neue Regelung der Kinderzulagen mit dem Ziele der wirtschaftlichen Stärkung der Familien in Betracht zu ziehen.
Namens des Ausschusses bitte ich um Ihre Zustimmung zu dieser von mir soeben gekennzeichneten Entschließung des Ausschusses, damit ein offensichtliches Unrecht gegenüber dem Personenkreis der Pensionäre nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes wiedergutgemacht wird.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Beratung zu verzichten.
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union vor, der offenbar mit den anderen Fraktionen besprochen worden ist. Soviel ich sehe, bedarf dieser Antrag Umdruck Nr. 453 keiner besonderen Begründung.
— Soll er besonders begründet werden? Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erkennen gerne an, daß der Beamtenrechtsausschuß die Benachteiligung der 131er durch das Bundesgesetz vom 6. Dezember 1951 beseitigt wissen will; aber er verzichtet leider darauf, die Nachholung auch für die zurückliegenden sechs Monate zu beantragen, hält also für diese Zeit die ungerechte, unterschiedliche Behandlung aufrecht. Wir sind für finanzielle Erwägungen nicht unzugänglich; aber der Mehraufwand für die Einbeziehung der sechs Monate wiegt nicht so schwer wie die Einbuße an Vertrauenskapital, der sich die öffentliche Gewalt in den betroffenen und enttäuschten Kreisen gegenübersieht. Im Gesetz vom 6. Dezember vorigen Jahres bleiben, auch wenn die Anpassung der Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der 131er auf den 1. Oktober 1951 bezogen wird, immer noch weitere Differenzierungen bestehen. Man sollte endlich davon ablassen, stets neue verstimmende und verbitternde Kategorisie-
rungen zu schaffen, und darangehen, bestehende aufzuheben.
So unterliegen Pensionisten, deren Versorgungsfall vor der Errichtung der Bundesrepublik eingetreten war, in ihren Bezügen noch den Sparverordnungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, werden Witwen, deren Altersunterschied zu dem Alter des verstorbenen Ehemannes 15 Jahre übersteigt, auch dann, wenn Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind, in ihren Versorgungsbezügen empfindlich gekürzt, erhalten zwar aktive Beamte, nicht aber Pensionisten, mit einem Monatsbezug von nicht mehr als 230 DM ruhegehaltsfähige besondere Zulagen usw. Auch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, auf das ich in diesem Zusammenhang einen Seitenblick werfen darf, enthält in § 21 Absätze 4 und 5, wie in einer Kleinen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion vom 13. des Monats dargetan wird, unterschiedliche Regelungen recht fühlbaren Ausmaßes. Diese kategorisierenden Unterschiede werden von den Betroffenen vielfach nicht nur als Benachteiligungen, sondern geradezu als Diskriminierungen empfunden.
Wir möchten daher das Hohe Haus dringend um Billigung unseres Antrages Umdruck Nr. 453 bitten, dessen Fassung redaktionell wie folgt geändert wird: In Ziffer 1 Buchstabe a werden a) vor den Worten „im Haushaltsplan 1952" die Worte „im Nachtragshaushaltsplan 1951 und" eingefügt, b) die Worte „1. April 1952" durch die Worte „1. Oktober 1951" ersetzt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich komme zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag, der soeben begründet worden ist und sich auf dem verbesserten Umdruck Nr. 453 befindet, abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! Das erste war zweifelsfrei die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Ich lasse nunmehr über den durch den soeben angenommenen Änderungsantrag abgeänderten Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 3097, abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion des Zentrums in Verbindung mit dem Änderungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union (BP-Z) betreffend Einsetzung eines Bundessparkommissars (Nrn. 3085, 2924, 1460 der Drucksachen, Umdruck Nr. 424).
Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Abgeordneten Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte vor kurzer Zeit bereits die Gelegenheit, namens des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion des Zentrums, der seinerzeit die Einsetzung eines Bundessparkommissars forderte, Stellung zu nehmen. Ich habe Ihnen berichten können, der Haushaltsausschuß habe sich dahin geeinigt, dem Hohen Hause auf Grund der Beratungen mit den Vertretern des Bundesministeriums der Finanzen vorzuschlagen, an Stelle der vom Zentrum beantragten Einsetzung eines Bundessparkommissars eine anderweitige
Regelung einzuführen. Diese Einrichtung soll unter der Bezeichnung „Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung" figurieren.
Da die Drucksache Nr. 2924 Zweifel aufkommen lassen könnte, möchte ich zur Vermeidung eines Irrtums ausdrücklich feststellen, daß unter dem Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung der Präsident des Bundesrechnungshofs mit seiner Präsidialabteilung verstanden sein soll. So sind die Ziffern 1 bis 6 der Drucksache Nr. 2924 zu verstehen.
Wir hatten damals im Plenum die Beschlußfassung über den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 2924 zurückgestellt und die Angelegenheit mit Rücksicht auf einen in dieser Sitzung erstmals zur Vorlage gekommenen Antrag der Föderalistischen Union an den Haushaltsausschuß zurückverwiesen. Sie kennen den Antrag der Föderalistischen Union, wonach die Erstattung eines Gutachtens bereits auf Ersuchen eines Viertels der Mitglieder des Bundestags erfolgen soll. Der Haushaltsausschuß hat sich mit dieser Frage eingehend befaßt und ist zu dem Ergebnis gekommen, Ihnen vorzuschlagen, dem Antrag in der ursprünglichen Form, wie er auf Drucksache Nr. 2924 enthalten ist, zuzustimmen und den zusätzlichen Antrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 424 abzulehnen, so daß also für die Bestellung eines Gutachtens durch den Bundestag der Beschluß der Mehrheit des Bundestags erforderlich ist. Ich bitte Sie, in diesem Sinne zu entscheiden.
Für die nachfolgende Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgeschlagen. — Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist das Anliegen unserer Fraktion, den Unterschied zu betonen, der zwischen dem Umdruck Nr. 424 und dem Ihnen vorliegenden Mündlichen Bericht besteht. Sonst könnte es so aussehen, als wäre das Anliegen, das uns zu dem Antrag Veranlassung gab, hier erledigt. Das ist aber nicht der Fall. Der wesentliche Unterschied ist der, daß hier nach der Empfehlung des Ausschusses ein Mehrheitsbeschluß erforderlich sein soll. Dieser Mehrheitsbeschluß bedeutet aber praktisch, daß das Wesentliche vereitelt wird, nämlich das Recht der Minderheit, ein Tätigwerden des Sparkommissars zu verlangen. Wir wünschen ein echtes Recht der Minderheit auf eine 'Kontrolle der Verwaltung hinsichtlich der Sparsamkeit und hinsichtlich der Zweckmäßigkeit ihrer Einrichtungen. Diese Grundforderung wird nicht etwa dadurch erfüllt, daß von der Mehrheit des Hauses, die ja die Verwaltung ohnehin in Händen hat, ein Beschluß gefaßt wird, der an dem bisherigen Zustand nichts ändert. Denn dann wird in all den Fällen, in denen 'die Minderheit berechtigte Beanstandungen hat, diese nicht die Möglichkeit haben, sich durchzusetzen. Unser Wunsch findet — zwar mit einer anderen Mehrheit — eine Parallele in den Untersuchungsausschüssen. Über Zahlen ließe sich reden; wir haben von einem Viertel der Mitglieder gesprochen, man könnte auch von einem Drittel der Mitglieder sprechen. Auch bei den Untersuchungsausschüssen
ist in der Geschältsordnung beabsichtigt, gerade einer Minderheit das Recht auf die Kontrolle der Verwaltung zu geben. Dasselbe Anliegen liegt auch hier zugrunde. Deswegen bitten wir, von dem Umdruck Nr. 424 nicht abzusehen und diesem Antrag der Föderalistischen Union stattzugeben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde haben sich nach einer längeren Diskussion in unserer Fraktion entschlossen, der Drucksache Nr. 3085 zuzustimmen. Es soll in der Öffentlichkeit nicht heißen, wir wären nicht für Sparsamkeit! Aber meine Freunde legen doch Wert darauf, zu diesem Vorgang einige Bemerkungen zu machen.
Zunächst einmal das eine: Es soll gespart werden. Wenn man sich den Antrag und die Entwicklung, die er genommen hat, ansieht und die viele Arbeit bedenkt, die seine Behandlung unserem doch wirklich genug in Anspruch genommenen Haushaltsausschuß verursachte, dann fragt man sich doch, ob das der richtige Weg war, um der Sparsamkeit wirklich zum Siege zu verhelfen. Leider ist der § 96 der Reichshaushaltsordnung, wie ich aus meiner akademischen Erfahrung weiß, eine von den Bestimmungen, die nur allzu wenig beachtet werden. Der Rechnungshof braucht keineswegs nur zu prüfen, ob die einzelnen Rechnungsbeträge sachlich und rechnerisch in vorschriftsmäßiger Weise begründet sind. Das ist die eine Aufgabe.
Aber das Wesentliche ist, daß der Rechnungshof, der auch hier wieder eingespannt werden soll, wie wir es gerade vom Herrn Berichterstatter gehört haben, nach § 96 ausdrücklich die Aufgabe hat — die keineswegs gering geachtet werden sollte! —, besonders darauf zu achten, ob die Mittel auch wirtschaftlich verausgabt sind, ob die gebotene Wirtschaftlichkeit gewahrt ist usw.
Wir haben außerdem, wie es in dem Mündlichen Bericht ausdrücklich steht, dem Bundestag das ihm nach § 8 des Gesetzes von 1950 zustehende Recht vorbehalten, jederzeit unabhängig von der Haushaltsprüfung ein entsprechendes Gutachten zu verlangen.
Alles in allem sind wir also der Ansicht, daß man mit diesem Antrag eigentlich offene Türen einrennt. Es wird kaum -etwas verbessert und nichts Neues geschaffen. Einer meiner Fraktionsfreunde meinte bei der Beratung, es komme ihm so vor wie der Befehl eines Offiziers: Ich befehle, daß meine Befehle auch ausgeführt werden!
Aber noch etwas anderes! Wir sind der Auffassung und haben das wiederholt hier im Hause zum Ausdruck gebracht, daß es in unserer öffentlichen Verwaltung sicherlich eine ganze Reihe von Sparmöglichkeiten gibt. Auch bei dieser Gelegenheit müssen wir wieder darauf hinweisen, daß nach unserem Dafürhalten gerade die Ereignisse der letzten Wochen erneut gezeigt haben, wie wesentlich für eine zweckmäßige und rationelle Bewirtschaftung der Mittel die Einführung der Bundesfinanzverwaltung wäre.
Wir haben die entsprechenden Anträge eingebracht.
Sie schlummern leider in den zuständigen Ausschössen. Gerade in den letzten Wochen konnten wir feststellen, wie verschieden die Ländereinnahmen sich entwickelt haben. Bei dem einen Land sind hohe Einnahmen erzielt worden, die dann zwangsläufig zu mehr oder minder erhöhten Ausgaben führten, während bei anderen Ländern und beim Bund die Mittel fehlen. Gerade das gibt uns Veranlassung, erneut darauf hinzuweisen, daß für die Rationalisierung unserer ganzen Verwaltung die Bundesfinanzverwaltung tatsächlich ein wesentliches Mittel wäre, von dem unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit wirklich etwas zu erhoffen wäre.
Wir werden den Antrag annehmen. Daß damit etwas Neues geschieht und daß viel erreicht wird, glauben meine Freunde allerdings nicht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir glauben, daß der Antrag Drucksache Nr. 2924 nichts absolut Neues bringt. Immerhin darf man doch sagen, daß eine gewisse Änderung gegenüber dem bisherigen Zustand insofern eingetreten ist, als der vorgeschlagene Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, der in Personalunion mit dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu sehen ist, nunmehr aus eigener Initiative Untersuchungen über die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung oder einzelner Verwaltungszweige und Behörden anstellen kann. Ich glaube, das ist doch ein wesentlicher Fortschritt.
In diesem Zusammenhang darf ich aber einige Bemerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Reismann vorgetragen hat. Nach meiner Meinung — und ich spreche da zugleich im Namen meiner Fraktion — handelt es sich hier nicht um die Wahrnehmung eines Minderheitenrechtes und auch nicht um die Wahrnehmung eines Kontrollrechtes des Parlaments, sondern um ein Anliegen, das möglichst vielen im Parlament und auch in der öffentlichen Verwaltung gemeinsam sein sollte, nämlich darum, daß die öffentliche Verwaltung entsprechend den Erfahrungen und den Einsichten der Gegenwart so fortschrittlich, so einfach, so durchsichtig, so klar und so sparsam wie möglich geführt werden möge. Dabei mitzuwirken ist Sache des Parlaments.
Das ist auch in dem Vorschlag auf Drucksache Nr. 2924 zum Ausdruck gebracht. Der Bundestag, d. h. praktisch eine Mehrheit des Bundestags, kann von sich aus den Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit In der Verwaltung ersuchen, bestimmte Aufgaben in Angriff zu nehmen. Aber, meine Damen und Herren, wenn man hier ein Minderheitenrecht einführt, dann begibt man sich auf eine schiefe Bahn insofern, als man dann nämlich den Bundesbeauftragten, der von einer Minderheit beauftragt würde, in einen Konflikt zwischen verschiedenen Loyalitäten bringt. Auf der einen Seite wird zwar gesagt, daß dieser Bundesbeauftragte unabhängig sein soll. Aber er wird selbstverständlich der Tatsache Rechnung tragen, daß eine Minderheit einen Auftrag erteilt, der aus politischen Gründen vielleicht nicht so durchgeführt wird, wie diese Minderheit es wünscht. Dann kommt der Mann aber in eine schiefe Lage, dann wird sein Gutachten entwertet. Ich glaube, in Fragen, bei denen ein großer Teil der Mitglieder des
Bundestags ein Interesse an der Klärung der Wirtschaftlichkeit hat, z. B. bei der Errichtung neuer Behörden, sollten wir alle Wert darauf legen, daß eine möglichst große Mehrheit hinter einem solchen Auftrag steht, wenn der Bundestag erwartet, daß dieser Auftrag im öffentlichen Interesse auch wirklich nach allen Seiten hin objektiv und einwandfrei durchgeführt wird. Deshalb würde nach unserer Ansicht die Etablierung eines Minderheitsrechtes das Gegenteil von dem erreichen, was der Antrag auf Bestellung eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung will. Wir sind daher bereit, dem Antrag Drucksache Nr. 2924 zuzustimmen, weil wir glauben, daß mit seiner Annahme, soweit nach menschlichem Ermessen überhaupt eine Wirkung davon erwartet werden kann, das verwirklicht wird, was möglich ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion geht von der Voraussetzung aus, daß der Haushaltsplan so sparsam wie möglich aufgestellt wird, und hat deshalb von Anfang an die Einsetzung eines Beauftragten begünstigt und begrüßt, der darauf achtet, daß der Haushalt möglichst wirtschaftlich gestaltet wird. Die Regierung hat erklärt, daß sie mit dieser Auffassung konform geht, und sie hat den Präsidenten des Rechnungshofes und seinen Stab dafür ausersehen, den Etat jederzeit auf seine Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen. Wir stimmen dem vollinhaltlich zu, wie es ja auch der Haushaltsausschuß tut. Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag des Haushaltsausschusses auf Einsetzung des Präsidenten des Rechnungshofes und seines Stabes als Prüfer für die Wirtschaftlichkeit des Haushaltsplans Ihre Zustimmung zu geben.
Dagegen können wir dem Antrag der Föderalistischen Union auf Gewährung eines Minderheitsrechtes nicht zustimmen. Wenn der Bundestag ein berechtigtes Anliegen hat, den Präsidenten des Rechnungshofes, also den Beauftragten für die Wirtschaftlichkeit des Haushaltsplans, anzurufen, so kann die Mehrheit dieses Hauses das jederzeit tun. Ein Minderheitsrecht wollen wir nicht etabliert wissen. Deshalb stimmen wir, wie gesagt, dem Antrag der Föderalistischen Union nicht zu.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt vor der Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache Nr. 3085 Ziffer 2, den Änderungsantrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 424 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste ist die Mehrheit; der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Wir stimmen nun ab über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3085 Ziffer 1. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nun zu Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Berichterstattung durch den Untersuchungsausschuß zur Prüfung von Mißständen in der Bundesverwaltung (Nr. 3081 der Drucksachen).
Der Ältestenrat hat für die Begründung 15 Mir nuten und für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. — Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Wer begründet den Antrag? — Herr Abgeordneter Dr. Koch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei über die Berichterstattung durch den Untersuchungsausschuß — den 46. Ausschuß — liegt folgender Sachverhalt zugrunde.
Die sozialdemokratische Fraktion hatte am 5. Oktober 1951 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung von Mißständen in der Bundesverwaltung im Zusammenhang mit dem von Dr. Platow herausgegebenen Nachrichtendienst beantragt. Das Plenum des Bundestages beschloß am 11. Oktober 1951 gemäß Art. 44 des Grundgesetzes die Einsetzung dieses Ausschusses, der dann in vier, fünf Sitzungen beraten und Zeugen vernommen hat. In seiner Sitzung vom 25. Januar 1952 wurde dann nach einem Bericht des Oberstaatsanwalts in Bonn auf Grund eines Antrages der Christlich-Demokratischen Union mit der Mehrheit der Stimmen der Regierungsparteien die Arbeit dieses Ausschusses ausgesetzt.
Dieser Beschluß, meine Damen und Herren, ist um so verwunderlicher, als im Ausschuß grundsätzliche Einmütigkeit darüber herrschte, daß ganz zweifellos neben dem Verfahren vor der Staatsanwaltschaft auch das Verfahren des parlamentarischen Untersuchungsausschusses ohne Bedenken laufen kann. Diese Frage hat seit jeher eine bedeutende Rolle gespielt. Sie wurde in der Zeit der Weimarer Republik wiederholt besprochen, insbesondere auf dem 34. Deutschen Juristentag n Köln. Sie hat also nicht nur eine politische, sondern auch eine streng verfassungsrechtliche Bedeutung, und ich bitte, mir zu erlauben, bei meinen weiteren Ausführungen insbesondere auf die Beratungen des 34. Deutschen Juristentages häufiger Bezug nehmen zu dürfen. Auf diesem Juristentag sagte der Staatsrechtler Professor Dr. Jacobi — und nun bitte ich, zitieren zu dürfen —:
Man bedenke auch, daß auf diese Weise, d. h. durch ein Nachstehen des Untersuchungsausschusses des Parlaments nach dem staatsanwaltschaftlichen Untersuchungsverfahren gerade die erfolgreich arbeitenden Untersuchungsausschüsse nicht zum Ziele kommen würden; denn ihre Aufdeckung von Mißständen würde immer neuen Anlaß zur Einleitung von Strafverfahren geben, und der Ausschuß müßte immer wieder sein Verfahren einstellen. Man braucht noch gar nicht einmal an die Möglichkeit zu denken, daß dann ein Strafverfahren auch mit dem ausgesprochenen Zweck eingeleitet werden könnte, das parlamentarische Untersuchungsverfahren lahmzulegen, um zu erkennen, daß eine Bestimmung des von Rosenberg vorgeschlagenen Inhalts im. Grunde auf eine Verneinung der parlamentarischen Untersuchung herauskommt.
Mit dieser Frage des Nebeneinanders von staatsanwaltschaftlichem Untersuchungsverfahren und den Arbeiten im parlamentarischen Untersuchungsausschuß nach Art. 44 des Grundgesetzes hat sich auch der Parlamentarische Rat sehr eingehend befaßt. Darüber schreibt der bekannte Bonner Kommentar in der Anmerkung 3 zu Art. 44:
In der zweiten Sitzung des Hauptausschusses wurde als neuer Absatz die Bestimmung beantragt, daß die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses keiner richterlichen Nachprüfung unterliegen solle, weil die Untersuchung nach der politischen Seite stattfinde. Deshalb müsse auch vermieden werden, daß sieh irgendein Gericht zur Kontrollinstanz aufwerfe. Der Abgeordnete Walter von der Christlich-Demokratischen Union meinte dazu, daß der Untersuchungsausschuß, wenn der Tatbestand einer strafbaren Handlung festgestellt wird oder wenn bloß dieser Verdacht sich im Laufe der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses ergibt, seine Tätigkeit bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens einstellen müßte.
— Also er dachte etwa an einen Fall, wie er uns heute vorliegt. —
Diese schon im Organisationsausschuß und dann im Allgemeinen Redaktionsausschuß angeschnittene Frage wurde in die Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses nicht mit aufgenommen, weil man der Ansicht war, daß, durch eine solche Vorschrift die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses praktisch lahmgelegt werden könne.
Ich bitte also zu beachten, meine Damen und Herren: der Parlamentarische Rat hat sich bei der Fassung des Art. 44 des Grundgesetzes ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, daß unter allen Umständen der parlamentarische Untersuchungsausschuß neben dem staatsanwaltschaftlichen Verfahren laufen kann. — Es heißt dann im Kommentar ausdrücklich:
Die Forderung, ein Nebeneinander von Gerichts- und Enquêteverfahren gesetzlich zu verbieten, hat in den Debatten des Parlamentarischen Rates eine Rolle gespielt, ist aber abgelehnt worden.
Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich schon aus der völlig verschiedenen Aufgabenstellung von Untersuchungsausschuß des Parlaments und Staatsanwaltschaft. Wir haben politische Fragen zu beantworten, und ich bitte Sie, daraufhin einmal unsern Antrag Drucksache Nr. 2657 anzusehen, in dem die Rede ist von den „Beziehungen zwischen Mitgliedern der Bundesregierung sowie Verwaltungsangehörigen der Bundesministerien und des auswärtigen Dienstes zu dem Nachrichtendienst Platow", in dem die Rede ist von „Fehlern der Personalpolitik", von „Zuwendungen" und so fort. Dabei handelt es sich also ganz zweifellos um politische Fragen, während die Staatsanwaltschaft sich ausschließlich mit der strafrechtlichen Frage zu befassen hat, ob sich Herr Platow und dieser oder jener seiner Mitarbeiter und vielleicht auch einige Angestellte oder gar Beamte der Ministerien strafbar gemacht haben.
Ich möchte aus den Untersuchungen des Juristentages von 1926 nur zwei Sätze des bekannten Professors Rechtsanwalt Dr. Alsberg zitieren, der damals gesagt hat:
Man muß sich darüber klar sein, was der Untersuchungsausschuß will, was seine Aufgabe ist, und muß dahin streben, im Untersuchungsausschuß lediglich das Politische zu behandeln und im Strafverfahren das Kriminelle; und ich glaube, daß unser Parlament, wenn die Institution des Untersuchungsausschusses sich bei uns einmal entwickelt hat,
auch durchaus in der Lage ist, die Grenze zu ziehen.
Ich glaube, wir sollten uns heute nicht weniger zutrauen, als man damals dem Parlament in der Weimarer Republik zugetraut hat. Ich möchte mit allem Ernst darauf hinweisen, meine Damen und Herren: an der Aufklärung dieser politischen Tatbestände, wie sie in unserem Antrage angesprochen worden sind, hat das ganze Volk und hat also auch der ganze Bundestag ein eminentes Interesse, und darum sollten wir ganz zweifellos die Priorität bei den Untersuchungen dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zuweisen.
Der Herr Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Herr Kollege Hoogen, hat im Untersuchungsausschuß in dieser letzten, entscheidenden Sitzung, in der er sich vertagte, selbst gesagt:
Wir stehen also zwischen dem Recht der qualifizierten Minderheit auf Einsetzung des Ausschusses und auf Durchführung der Untersuchungen und auf der andern Seite dem Ermittlungsmonopol der Staatsanwaltschaft. Wir
dürfen weder das eine noch das andere Recht
verletzen.
Diese Sätze waren zweifellos sehr gut gemeint; aber man hat dann eine halbe Stunde später mit der üblichen Mehrheit die Rechte der Minderheit ganz zweifellos verletzt.
Ich habe schon gesagt: das Ziel der parlamentarischen Untersuchung ist die Vorbereitung der parlamentarischen Maßnahmen. Es geht also um Interessen, die das ganze Volk angehen. Bei der gerichtlichen Entscheidung handelt es sich lediglich um die Strafbarkeit einer oder mehrerer Einzelpersonen. Wer kann da noch die Frage aufwerfen, welche dieser Aufgaben bedeutender und wichtiger ist? Derselbe Alsberg, den ich schon zitiert habe, hat auf dem Juristentag dazu das Folgende gesagt:
Das ungleich wichtigere Ziel dieses Staats-
organs des Untersuchungsausschusses geht an-
deren Zwecken und anderen Organen unbedingt vor.
Also schon damals hat man sich genau wie im Parlamentarischen Rat auf den Standpunkt gestellt, daß unter allen Umständen die Zuständigkeit des Untersuchungsausschusses des Parlaments vorzugehen hat. Wir wissen ja, daß auch sonst häufig Fragen, die in einem Verfahren geregelt werden, gleichzeitig auch in einem anderen Verfahren besprochen werden, so daß auch aus diesem Grunde keinerlei Bedenken gegen das, wenn ich einmal so sagen darf, zweigleisige Verfahren erhoben werden können.
Trotzdem wurde nun mit den Stimmen der Regierungsparteien die Aussetzung der Arbeiten bis zum 31. März 1952 beschlossen. Damit hat dieser Untersuchungsausschuß 46 dasselbe Schicksal wie einige Wochen vorher der Untersuchungsausschuß 45 erlitten. Sie erinnern sich an die Aussetzung der Arbeiten des sogenannten Dokumentendiebstahl-Ausschusses gegen unsern Widerspruch und gegen unsere Stimmen. In dieser Aussetzung sehen wir zweierlei: erstens eine Verletzung des Auftrages, den der Untersuchungsausschuß vom Parlament erhalten hat, zweitens eine Verletzung des in dem Grundgesetz garantierten Minderheitenrechts. Ich sprach von einer Verletzung des Auftrages. Das Parlament hat dem Untersuchungsausschuß den Auftrag gegeben, die Fragen, die in der Drucksache Nr. 2657 gestellt worden sind, so schnell
wie möglich durch Beweiserhebungen zu klären. Der Untersuchungsausschuß ist zweifellos ein unselbständiges Organ, also ein Hilfsorgan des Plenums. Er kann also auch niemals Beschlüsse fassen, die ihn vom Plenum des Bundestages unabhängig machen. Er hat vom Parlament den Auftrag, unverzüglich seine Arbeiten aufzunehmen und die Untersuchungen zu einem Ende zu führen. Wenn er diesen Auftrag nicht befolgt, verstößt er gegen Art. 44 des Grundgesetzes.
Herr Professor Dr. Jacobi, der Staatsrechtler, von
dem ich schon gesprochen habe, hat dazu auf dem
Deutschen Juristentag 1926 das Folgende gesagt:
Wenn aber im Anschluß an einen politischen
Skandal Klarheit darüber verschafft werden
soll, ob man Idas persönliche oder sachliche System eines Verwaltungszweiges ändern muß,
so kann der die Parlamentsentscheidung vorbereitende Untersuchungsausschuß mit seinen
Arbeiten nicht warten, bis alle aus dem Skandal sich ergebenden Untersuchungen im Strafverfahren rechtskräftig erledigt sind. Das wäre
gleichbedeutend mit dem Verzicht auf die parlamentarische Untersuchung gerade in den
Fällen, für die sie in erster Linie berufen sind.
Gegen diesen Grundsatz ist im Untersuchungsausschuß mit dem Mehrheitsbeschluß verstoßen worden.
Ich habe gesagt: wir sehen in diesem Beschluß gleichzeitig eine Verletzung des in der Verfassung garantierten Minderheitsrechtes. Ich möchte dazu den bekannten Kommentar von Anschütz zur Weimarer Reichsverfassung zu Art. 34 zitieren, der zu dieser Grundfrage das Folgende sagt:
Dadurch sind die Untersuchungsausschüsse, die nach Art. 82 der preußischen Verfassung einseitig als Kontrollinstrumente der Parlamentsmehrheit gegenüber der Regierung gedacht waren, zugleich auch in den Dienst des Schutzes der Minderheit gegen die Mehrheit innerhalb des Parlaments gestellt. Es ist Abhilfe für den Fall geschaffen, daß eine mit der Regierung zusammengehende Mehrheit es unterläßt, Erhebungen anzustellen, deren Ergebnis ihr oder der Regierung nicht genehm sein könnte.
Diesen Vorwurf aber erheben auch wir: daß eine mit der Regierung zusammengehende Mehrheit es unterläßt, Erhebungen anzustellen, auf die die Minderheit ein Recht hat. Anschütz fährt fort:
Die Mehrheit darf die Erfüllung der ihr durch Abs. 1 auferlegten Pflicht selbstverständlich weder verweigern noch verschleppen, letzteres 'insbesondere nicht dadurch, daß sie die Einsetzung ides von der Minderheit geforderten Untersuchungsausschusses vertagt oder in einem Ausschuß begräbt.
Sie, meine Damen und Herren, sind dabei — jedenfalls war das der Beschluß des Ausschusses —, die Erhebungen in diesem Ausschuß tatsächlich für eine bestimmte Zeit zu begraben.
Weil wir nun der Ansicht sind, daß der Ausschuß sich unter keinen Umständen vertagen darf — damit würde er gegen die von mir genannten Bestimmungen verstoßen —, müssen wir zum mindesten zunächst einmal verlangen, daß der Ausschuß dem Parlament, also seinem Auftraggeber, Bericht darüber erstattet, warum er die Durchführung seiner Aufgabe unterbrochen hat. Dazu ist er auf Grund seines Auftrages, den wir ihm gegeben haben, verpflichtet. Dazu ist er weiter auf Grund seiner Stellung als unselbständiger Teil des Plenums verpflichtet. Es ist also zweifellos die Pflicht des Ausschusses, über seinen Aussetzungsbeschluß hier zu berichten. Es ist seine Pflicht, sich diesen Beschluß sanktionieren zu lassen, obwohl wir der Ansicht sind, daß ein solcher Beschluß des Parlaments ebenfalls ein Verstoß gegen den Art. 44 des Grundgesetzes, gegen das Minderheitsrecht, wäre. Ich zitiere noch einmal und verspreche Ihnen, daß es das letztemal ist. Ich zitiere aus dem bekannten Handbuch des deutschen Staatsrechts von Anschütz-Thoma die folgenden beiden Sätze:
Da die Volksvertretung Herr der Untersuchung
ist, kann sie grundsätzlich auch die Tätigkeit
des Untersuchungsausschusses vor Abschluß
seiner Arbeit durch Beschluß beenden, d. h.
ihm die Einstellung seiner Tätigkeit aufgeben. Damit ist also die Frage dahin beantwortet, daß dieser Untersuchungsausschuß ein unselbständiges Organ des Parlaments ist. Es heißt dann weiter — und darauf kommt es an —:
Rein formal betrachtet, wäre sie
— also die Volksvertretung —
hierzu auch dann in der Lage, wenn sie den Untersuchungsausschuß seinerzeit auf Verlangen der verfassungsmäßigen Minderheit eingesetzt hat, doch wäre eine solche Rücknahme des Auftrags eine Verletzung des Rechts der Minderheit auf Durchführung der Verfassung und daher verfassungswidrig.
Auf diesen Satz, meine Damen und Herren, kommt es an: die Rücknahme des Auftrags, der dem Untersuchungsausschuß erteilt wurde, wäre verfassungswidrig!
Nun bleiben uns die folgenden Fragen: Warum wollte die Mehrheit des Ausschusses denn dem Parlament diesen Bericht über seinen Aussetzungsbeschluß nicht erstatten? Vielleicht aus dem Grunde, weil dies nun schon der zweite Fall ist, daß die Arbeiten eines Untersuchungsausschusses durch Mehrheitsbeschluß abgewürgt werden? Darf ich Sie daran erinnern, mit welcher Begleitmusik die Regierungsmehrheit den sogenannten Dokumentendiebstahl-Untersuchungsausschuß eingesetzt hat? Und darf ich Sie daran erinnern, daß man dann wenige Wochen später gegen unsere Stimmen die Arbeiten dieses Ausschusses ebenfalls ausgesetzt hat? Vielleicht wollte man durch den Verzicht auf den Bericht in unserem Ausschuß verhindern, daß die Rede auch etwa auf die Aussetzung der Verhandlungen des Untersuchungsausschusses 45 käme. Das konnte keiner besser als der Abgeordnete Onnen zum Ausdruck bringen,. der nach der Niederschrift des Protokolls des 46. Ausschusses folgendes gesagt hat:
Und wenn diese Frage tatsächlich im Plenum erörtert würde, dann würde ja auch die Frage zur Erörterung stehen, wie es denn möglich war, daß der Dokumentenausschuß vertagt werden konnte.
Vielleicht war das ein Grund für den Ausschuß, auf eine Berichterstattung, die seine Pflicht gewesen wäre, zu verzichten.
Ich darf Sie daran erinnern, daß es dieselbe Mehrheit gewesen ist, die den Untersuchungsausschuß 46 wie den Untersuchungsausschuß 45 vertagt hat. So, meine Damen und Herren, schützt man nicht die Rechte der Minderheit, die in der Verfassung garantiert werden! Setzt man, so möchte ich
fragen, so die Verfassungskorrektive gegen mißbräuchliche Mehrheitswirtschaft außer Kraft?
Wenn Sie über unseren Antrag abstimmen, dann bitte ich Sie, daran zu denken, daß es bei Ihrer Entscheidung nicht allein auf die Rechte dieser beiden Ausschüsse ankommt, sondern daß es hier um die Grundlagen unserer Verfassung und daß es hier auch um die Rechte des Parlaments geht.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der Regierungskoalition, der CDU/CSU, der FDP und der DP, bitte ich Sie, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr. 3081, der 46. Ausschuß solle über seinen Aussetzungsbeschluß und dessen Gründe dem Bundestag unverzüglich Bericht erstatten, abzulehnen,
und zwar aus folgenden Gründen:
An den Verhandlungen des Ausschusses, d. h. während der Beweisaufnahme, hat der Oberstaatsanwalt, der die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in diesen verschiedenen Verfahren führt, an den Sitzungen teilgenommen. Er ist auch in der ersten Sitzung als Zeuge vernommen worden und hat feststellen müssen, daß der Ausschuß durch seine Ermittlungen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht nur stört, sondern sogar gefährdet, denn es hat sich herausgestellt, daß in den öffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses Personen anwesend waren, die in dem staatsanwaltschaftlichen Verfahren noch nicht gehört waren und die nach dem Fortgang der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter Umständen entweder als Beschuldigte oder als Zeugen noch vernommen werden müssen.
Der Oberstaatsanwalt ist dann an den Vorsitzenden des Ausschusses herangetreten und hat darum gebeten, zu überlegen, ob die Ermittlungen des Untersuchungsausschusses nicht vorübergehend — ich lege Wert darauf, festzustellen: vorübergehend —, für kurze Zeit ausgesetzt werden könnten, weil das im Interesse beider Verfahren das Sach- und Zweckdienliche sei.
Der Oberstaatsanwalt ist dann in der Sitzung, in der die Aussetzung erfolgte, als Zeuge vernommen worden und hat folgendes ausgesagt, was ich Ihnen mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsidenten hier wörtlich mitteilen möchte. Der Oberstaatsanwalt sagte:
Ich habe mir erlaubt, hier den Sitzungen des Untersuchungsausschusses, die bisher stattgefunden haben, beizuwohnen, und mußte immer wieder feststellen, daß Brennpunkte von Fragen, die in meinem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine ganz bedeutsame Rolle spielen, sowohl für die Schuldfrage wie auch für die Strafzumessungsfrage, bei einzelnen Angeschuldigten hier erörtert wurden, ohne daß natürlich Sie, meine Herren Abgeordneten, davon wußten, daß irgendwie mein Verfahren gefährdet werden könnte; denn da Sie den Komplex nicht im einzelnen kennen, den ich zu behandeln habe und den ich im einzelnen durchführe, können Sie natürlich nicht wissen,
inwieweit die Vernehmung dieses oder jenes Zeugen wesentliche Punkte meines Ermittlungsverfahrens tangiert.
Diesen Erwägungen hat sich die Mehrheit des Ausschusses nicht verschlossen.
Es ist naturgemäß auch die weitere von Herrn Kollegen Dr. Koch hier eben erörterte Frage geprüft worden, ob die Aussetzung des Verfahrens zulässig sei, und, wenn diese Frage bejaht werden sollte, ob sie auch begründet sei. Der Ausschuß war mit Mehrheit der Meinung, daß diese Frage bejaht werden muß, und zwar nicht so sehr, weil das irgendwie die gefühlsmäßige Meinung oder gar durch politische Erwägungen bestimmte Meinung der Mehrheit des Ausschusses war, sondern weil das mit den Vorschriften des Grundgesetzes, der Geschäftsordnung des Bundestags und der Strafprozeßordnung, die ja doch nach Art. 44 des Grundgesetzes für die Beweisaufnahme entsprechend anwendbar ist, zulässig ist, denn § 262 der Strafprozeßordnung erklärt die Aussetzung von Verfahren für zulässig. Der im Ausschuß gemachte Hinweis, daß nur die Vorschriften der Strafprozeßordnung, die für die Beweisaufnahme gelten, Anwendung finden sollten, ist nicht durchschlagend, denn der § 262 der Strafprozeßordnung hat seinen Platz gerade in den Vorschriften über die Hauptverhandlung, und zur Hauptverhandlung gehört nun einmal die Beweisaufnahme. Also die Mehrheit des Auschusses hat durchaus den Vorschriften des Gesetzes entsprechend gehandelt, wenn sie die Aussetzung des Verfahrens beschloß, und zwar für die Zeit vom 25. Januar bis 31. März, bis 31. März deswegen, weil der Oberstaatsanwalt bis zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungen im wesentlichen durchgeführt haben wird und weil er uns dann seine Akten zur Verfügung stellen kann.
Ich persönlich bin der Meinung, daß diese Aussetzung das Verfahren letztlich sogar beschleunigen wird;
denn wenn wir die Akten der Staatsanwaltschaft nach dem 31. März ganz oder teilweise — ich denke an die Verfahren, die möglicherweise eingestellt werden, deren Akten wir dann bestimmt zur Verfügung haben werden — unseren Ermittlungen zugrunde legen können, kommen wir weitaus schneller voran, als wenn Wir doch immerhin im Dunklen tappen, weil wir keinerlei Unterlagen haben.
Das waren rein sachliche Erwägungen.
Jetzt zu der Frage, die Herr Kollege Dr. Koch eben angeschnitten hat: Wird durch dieses Verfahren das Recht der Minderheit verletzt? — Auch diese Frage haben wir im Ausschuß geprüft; ich darf hinzufügen: in einer öffentlichen Beratungssitzung; denn wir haben nicht einmal, wie es sogar aus den Kreisen der Herren Kollegen aus der Opposition angeregt war, die Beratungssitzung nichtöffentlich gestaltet, sondern haben sie sogar öffentlich durchgeführt, damit die Offentlichkeit in breitestem Umfange Gelegenheit hatte, über die Presse zu erfahren, was zu dieser Frage gesagt und wie argumentiert worden ist. Wir waren der Meinung, daß die Rechte der Minderheit nicht verletzt werden.
Auch uns sind die Beratungsergebnisse des Deutschen Juristentages zu dieser Frage bekannt. Gerade Herr Kollege Dr. Arndt war es, der diese
Stellen, die Herr Dr. Koch heute hier verlesen hat, im Ausschuß auch vorlas. Ich glaube, mich zu entsinnen, und ich bitte, mich zu berichtigen, wenn mich meine Erinnerung täuscht, daß auf jahrelange Verfahren unter Hinweis auf die in der Weimarer Zeit — gegen Barmat und Kutisker und wie sie damals alle hießen — durchgeführten Untersuchungsausschüsse Bezug genommen war. Meine Damen und Herren, von jahrelangen Aussetzungen kann doch nun wirklich bei einer Aussetzung bis zum 31. März des Jahres 1952 nicht gesprochen werden. Deswegen sind wir auch der Meinung, daß von einer Beeinträchtigung des Rechtes der Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und auf Durchführung der Untersuchung keine Rede sein kann.
Wenn in das Grundgesetz allerdings hineininterpretiert oder hineingelesen wird, daß der Ausschuß unverzüglich handeln soll, dann müßten wir uns erst darüber einigen, was das Wort unverzüglich bedeutet. Aber wir sind dieser Sorge enthoben, denn das Wort unverzüglich steht nicht im Grundgesetz, sondern ich verstehe es so, daß der Ausschuß nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln hat.
Die Gründe, die ihn bestimmt haben, habe ich mir erlaubt, Ihnen vorzutragen.
Im Ausschuß ist abschließend als Begründung für diese Aussetzung bis zum 31. März 1952 gesagt worden, daß er keinen Anlaß sehe, dem Plenum einen Zwischenbericht zu erstatten, da ein Untersuchungsausschuß im Rahmen des Grundgesetzes, der Geschäftsordnung des Bundestages und der Strafprozeßordnung seine Verfahrensweise selbständig regele, daß im übrigen durch die Öffentlichkeit der Ermittlung und der Beratungssitzung die Öffentlichkeit hinreichend über die Argumente und Gründe unterrichtet sei, infolgedessen kein Anlaß bestehe, nunmehr hier im Plenum dieselben Gründe zu wiederholen.
Aus all diesen Gründen bitte ich Sie namens der Regierungskoalition, dem Antrage der SPD nicht zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Dr. Koch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Herrn Kollegen Hoogen mit einem Worte antworten, das der bekannte Rechtsanwalt Alsberg auf dem oft genannten Deutschen Juristentag in Köln sagte:
Und haben Sie doch nicht diesen greisenhaften Respekt vor dieser oder jener strafprozessualen Bestimmung!
_Ich glaube, dieses Wort ist auch hier angebracht; denn es ist gar keine Frage, daß Art. 44 Abs. 2 des Grundgesetzes lediglich davon spricht, daß die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung finden auf „Beweiserhebungen", also lediglich auf die Beweiserhebungen und nicht auf den Gang unseres Verfahrens. Der Gang unseres Verfahrens im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß — ich glaube, das muß hier ganz deutlich gegenüber den Feststellungen des Herrn Kollegen Hoogen herausgestellt werden - bestimmt sich ausschließlich nach Parlamentsrecht.
Den Gang unseres Verfahrens bestimmen wir und nicht die Strafprozeßordnung.
Ich möchte noch ein weiteres hinzufügen: Die Ausführungen, die uns der Herr Oberstaatsanwalt in der entscheidenden Sitzung des Untersuchungsausschusses gemacht hat, waren für uns in keiner Weise nachprüfbar. Es fehlt uns für die Behauptungen des Herrn Oberstaatsanwalts jeder Beweis, und ich glaube unter gar keinen Umständen, daß eine Berichterstattung im Plenum, wie sie für den Untersuchungsausschuß hätte Pflicht sein müssen, das staatsanwaltschaftliche Untersuchungsverfahren irgendwie schädigen könnte. Wir haben ja eben aus dem Munde des Herrn Kollegen Hoogen, der Vorsitzender des Ausschusses ist, gehört, daß wir alle diese Dinge im Ausschuß öffentlich beraten haben. Es konnte also doch durch eine Berichterstattung hier in diesem Hause gar nichts Neues mehr zutage kommen, was die Arbeiten der Staatsanwaltschaft schädigen konnte. Aber das hebt doch nicht die Pflicht des Ausschusses auf, hier dem Plenum, seinem Auftraggeber, Bericht zu erstatten.
Im übrigen interessiert uns im Ausschuß auch nicht ausschließlich das, was die Staatsanwaltschaft jetzt in ihrem Verfahren ermittelt. Wir wollen ja ganz andere Fragen beantworten, als es die Staatsanwaltschaft tut. Diese Fragen könnten wir schon in diesen Monaten bearbeiten.
Wir können die Beweiserhebungen in diesen Monaten, die jetzt durch den Vertagungsbeschluß verlorengehen, durchführen. Darum widerspreche ich den Ausführungen des Herrn Kollegen Hoogen in diesem Punkt. Wir verlieren ganz zweifellos durch die Vertagung Zeit. Aus diesem Grunde verwahren wir uns gegen diese Vertagung und gegen die Verletzung unserer Minderheitsrechte. Es bleibt doch die Tatsache, daß ein Instrument des Bundestages, ein Hilfsorgan des Bundestages, durch einen Mehrheitsbeschluß außer Funktion gesetzt wird. Ich möchte diese Worte des Justizrats Drucker aus Leipzig, die er auf dem Juristentag in Köln sprach, an das Ende meiner Ausführungen setzen:
Wir müssen es dem Staat überlassen, — sagte er —
sich von den Methoden, die dem Staatswohl dienen, Kenntnis zu verschaffen, wie er es für richtig hält. In dieser Ermittlungsbefugnis darf der Staat nicht beschränkt werden. Der Träger der Staatsgewalt ist das Volk. Infolgedessen muß das Parlament unbeschränkt sein. Deshalb komme ich zu dem Ergebnis — und" das war die übereinstimmende Ansicht dieses Juristentages —: Wenn es wahr wäre, daß die Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen gelegentlich auch den Gang von Strafverfahren gefährdete
— was in unserem Falle noch gar nicht bewiesen ist —,
so müßte das Interesse an dem Strafverfahren hinter dem Ermittlungsrecht des Parlaments zurückstehen.
Ihnen allen, dieser Mehrheit des Hauses, möchte ich zum Schluß folgendes zu bedenken geben: Sie müssen wirklich aufhören, die Dinge nur unter dem Gesichtspunkt der Ausübung eines Amtes in einem einzelnen Verfahren zu betrachten, sondern
viele von Ihnen, die es bisher nicht getan haben, müssen doch auch einmal an die allgemeinen, den ganzen Staat betreffenden, das ganze Volk angehenden Gesichtspunkte denken. Diese Gesichtspunkte, meine Damen und Herren, können wir nur im parlamentarischen Untersuchungsausschuß behandeln; die sind nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Staatsanwaltschaft. Darum 'bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag Drucksache Nr. 3081 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Ich mache darauf aufmerksam, daß der Antrag Drucksache Nr. 3088 auf Wunsch .der Antragsteller von der Liste abgesetzt worden ist. Ich bitte diejenigen, die dem interfraktionellen Antrag mit dieser Änderung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich bin noch gebeten worden, darauf hinzuweisen, daß die Fraktion der Deutschen Partei um 18 Uhr 30 eine Fraktionssitzung abhält.
Die nächste, die 195. Sitzung ides Deutschen Bundestags ist am Donnerstag, dem 21. Februar 1952. Die Sitzung ist geschlossen.