Rede von
Matthias
Hoogen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der Regierungskoalition, der CDU/CSU, der FDP und der DP, bitte ich Sie, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr. 3081, der 46. Ausschuß solle über seinen Aussetzungsbeschluß und dessen Gründe dem Bundestag unverzüglich Bericht erstatten, abzulehnen,
und zwar aus folgenden Gründen:
An den Verhandlungen des Ausschusses, d. h. während der Beweisaufnahme, hat der Oberstaatsanwalt, der die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in diesen verschiedenen Verfahren führt, an den Sitzungen teilgenommen. Er ist auch in der ersten Sitzung als Zeuge vernommen worden und hat feststellen müssen, daß der Ausschuß durch seine Ermittlungen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht nur stört, sondern sogar gefährdet, denn es hat sich herausgestellt, daß in den öffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses Personen anwesend waren, die in dem staatsanwaltschaftlichen Verfahren noch nicht gehört waren und die nach dem Fortgang der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter Umständen entweder als Beschuldigte oder als Zeugen noch vernommen werden müssen.
Der Oberstaatsanwalt ist dann an den Vorsitzenden des Ausschusses herangetreten und hat darum gebeten, zu überlegen, ob die Ermittlungen des Untersuchungsausschusses nicht vorübergehend — ich lege Wert darauf, festzustellen: vorübergehend —, für kurze Zeit ausgesetzt werden könnten, weil das im Interesse beider Verfahren das Sach- und Zweckdienliche sei.
Der Oberstaatsanwalt ist dann in der Sitzung, in der die Aussetzung erfolgte, als Zeuge vernommen worden und hat folgendes ausgesagt, was ich Ihnen mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsidenten hier wörtlich mitteilen möchte. Der Oberstaatsanwalt sagte:
Ich habe mir erlaubt, hier den Sitzungen des Untersuchungsausschusses, die bisher stattgefunden haben, beizuwohnen, und mußte immer wieder feststellen, daß Brennpunkte von Fragen, die in meinem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine ganz bedeutsame Rolle spielen, sowohl für die Schuldfrage wie auch für die Strafzumessungsfrage, bei einzelnen Angeschuldigten hier erörtert wurden, ohne daß natürlich Sie, meine Herren Abgeordneten, davon wußten, daß irgendwie mein Verfahren gefährdet werden könnte; denn da Sie den Komplex nicht im einzelnen kennen, den ich zu behandeln habe und den ich im einzelnen durchführe, können Sie natürlich nicht wissen,
inwieweit die Vernehmung dieses oder jenes Zeugen wesentliche Punkte meines Ermittlungsverfahrens tangiert.
Diesen Erwägungen hat sich die Mehrheit des Ausschusses nicht verschlossen.
Es ist naturgemäß auch die weitere von Herrn Kollegen Dr. Koch hier eben erörterte Frage geprüft worden, ob die Aussetzung des Verfahrens zulässig sei, und, wenn diese Frage bejaht werden sollte, ob sie auch begründet sei. Der Ausschuß war mit Mehrheit der Meinung, daß diese Frage bejaht werden muß, und zwar nicht so sehr, weil das irgendwie die gefühlsmäßige Meinung oder gar durch politische Erwägungen bestimmte Meinung der Mehrheit des Ausschusses war, sondern weil das mit den Vorschriften des Grundgesetzes, der Geschäftsordnung des Bundestags und der Strafprozeßordnung, die ja doch nach Art. 44 des Grundgesetzes für die Beweisaufnahme entsprechend anwendbar ist, zulässig ist, denn § 262 der Strafprozeßordnung erklärt die Aussetzung von Verfahren für zulässig. Der im Ausschuß gemachte Hinweis, daß nur die Vorschriften der Strafprozeßordnung, die für die Beweisaufnahme gelten, Anwendung finden sollten, ist nicht durchschlagend, denn der § 262 der Strafprozeßordnung hat seinen Platz gerade in den Vorschriften über die Hauptverhandlung, und zur Hauptverhandlung gehört nun einmal die Beweisaufnahme. Also die Mehrheit des Auschusses hat durchaus den Vorschriften des Gesetzes entsprechend gehandelt, wenn sie die Aussetzung des Verfahrens beschloß, und zwar für die Zeit vom 25. Januar bis 31. März, bis 31. März deswegen, weil der Oberstaatsanwalt bis zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungen im wesentlichen durchgeführt haben wird und weil er uns dann seine Akten zur Verfügung stellen kann.
Ich persönlich bin der Meinung, daß diese Aussetzung das Verfahren letztlich sogar beschleunigen wird;
denn wenn wir die Akten der Staatsanwaltschaft nach dem 31. März ganz oder teilweise — ich denke an die Verfahren, die möglicherweise eingestellt werden, deren Akten wir dann bestimmt zur Verfügung haben werden — unseren Ermittlungen zugrunde legen können, kommen wir weitaus schneller voran, als wenn Wir doch immerhin im Dunklen tappen, weil wir keinerlei Unterlagen haben.
Das waren rein sachliche Erwägungen.
Jetzt zu der Frage, die Herr Kollege Dr. Koch eben angeschnitten hat: Wird durch dieses Verfahren das Recht der Minderheit verletzt? — Auch diese Frage haben wir im Ausschuß geprüft; ich darf hinzufügen: in einer öffentlichen Beratungssitzung; denn wir haben nicht einmal, wie es sogar aus den Kreisen der Herren Kollegen aus der Opposition angeregt war, die Beratungssitzung nichtöffentlich gestaltet, sondern haben sie sogar öffentlich durchgeführt, damit die Offentlichkeit in breitestem Umfange Gelegenheit hatte, über die Presse zu erfahren, was zu dieser Frage gesagt und wie argumentiert worden ist. Wir waren der Meinung, daß die Rechte der Minderheit nicht verletzt werden.
Auch uns sind die Beratungsergebnisse des Deutschen Juristentages zu dieser Frage bekannt. Gerade Herr Kollege Dr. Arndt war es, der diese
Stellen, die Herr Dr. Koch heute hier verlesen hat, im Ausschuß auch vorlas. Ich glaube, mich zu entsinnen, und ich bitte, mich zu berichtigen, wenn mich meine Erinnerung täuscht, daß auf jahrelange Verfahren unter Hinweis auf die in der Weimarer Zeit — gegen Barmat und Kutisker und wie sie damals alle hießen — durchgeführten Untersuchungsausschüsse Bezug genommen war. Meine Damen und Herren, von jahrelangen Aussetzungen kann doch nun wirklich bei einer Aussetzung bis zum 31. März des Jahres 1952 nicht gesprochen werden. Deswegen sind wir auch der Meinung, daß von einer Beeinträchtigung des Rechtes der Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und auf Durchführung der Untersuchung keine Rede sein kann.
Wenn in das Grundgesetz allerdings hineininterpretiert oder hineingelesen wird, daß der Ausschuß unverzüglich handeln soll, dann müßten wir uns erst darüber einigen, was das Wort unverzüglich bedeutet. Aber wir sind dieser Sorge enthoben, denn das Wort unverzüglich steht nicht im Grundgesetz, sondern ich verstehe es so, daß der Ausschuß nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln hat.
Die Gründe, die ihn bestimmt haben, habe ich mir erlaubt, Ihnen vorzutragen.
Im Ausschuß ist abschließend als Begründung für diese Aussetzung bis zum 31. März 1952 gesagt worden, daß er keinen Anlaß sehe, dem Plenum einen Zwischenbericht zu erstatten, da ein Untersuchungsausschuß im Rahmen des Grundgesetzes, der Geschäftsordnung des Bundestages und der Strafprozeßordnung seine Verfahrensweise selbständig regele, daß im übrigen durch die Öffentlichkeit der Ermittlung und der Beratungssitzung die Öffentlichkeit hinreichend über die Argumente und Gründe unterrichtet sei, infolgedessen kein Anlaß bestehe, nunmehr hier im Plenum dieselben Gründe zu wiederholen.
Aus all diesen Gründen bitte ich Sie namens der Regierungskoalition, dem Antrage der SPD nicht zuzustimmen.