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ID0119413100

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    Deutscher Bundestag — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1952 8323 194. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1952. Nachruf auf den verstorbenen Abg. Knothe 8325C Autounfall des Abg. Schmidt (Bayern) . . 8325D Geschäftliche Mitteilungen . 8325D, 8337A, 8367C Rücktritt der Abg. Frau Wessel als Vorsitzende der Fraktion der FU und Ersatz durch den Abg. Pannenbecker 8326A Erhöhung der Mitgliederzahl des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films (34. Ausschuß) von 15 auf 21 8326A Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" 8326B Gesetz über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer — Wohnbauprämiengesetz — 8326B Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 8326B Bericht des Bundeskanzlers über Amnestie für den Besitz von Sport- und Jagdwaffen (Nr. 3127 der Drucksachen) 8326B Fragestunde, — Behandlung Mündlicher Anfragen gemäß § 111 der Geschäftsordnung (Nr. 3100 der Drucksachen): 1. betr. Sicherstellung von Eisen und Eisenwaren für Handwerk und Herstellerwerke: Lampl (FU), Anfragender . 8326C, 8327A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8326C, 8327B 2. betr. Belieferung der Werften mit Blechen und Profileisen: Walter (DP), Anfragender . . . 8327B, D Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8327C, D 3. betr. Liquidation der Staatlichen Erfassungs-Gesellschaft für öffentliches Gut: Wirths (FDP), Anfragender . . . 8328A, B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8328A, B 4. betr. Arbeitslosigkeit und Industrieverlagerung im Kreis Kleve: Dr. Frey (CDU), Anfragender 8328C, 8329A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8328C, 8329A 5. betr. Beschäftigung von Personal im Auswärtigen Amt mit täglicher Kündigungsfrist: Frage vertagt 8326B, 8329A 6. betr. Prozesse des Auswärtigen Amts vor dem Arbeitsgericht: Frage vertagt 8326B, 8329A 7. betr. Wasser- und Schiffahrtsdirektion für den Oberlauf des Rheins: Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), An- fragender 8329A, D, 8330A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 8329B, D, 8330A 8. betr. Paßgebühren: Dr. Mommer (SPD), Anfragender 8330A, B, C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 8380A, B, C 9. betr. Erklärung Nordhessens zum Notstandsgebiet im Sinne der Verdingungsordnung: Dr. Arndt (SPD), Anfragender 8330C, 8331A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8330C, 8331A 10. betr. Erlaß eines Gesetzes zur Regelung des Verkehrs mit Erzeugnissen des Gartenbaues: Tobaben (DP), Anfragender . . . . 8331A Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 8331B 11. betr. Vorbereitung eines Arbeitsdienstes: Dr. Reismann (FU), Anfragender . . 8331B Storch, Bundesminister für Arbeit . 8331B 12. betr. Versorgung mit Hausbrandkohle: Dr. Reismann (FU), Anfragender 8331C, D, 8332A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8331C, D, 8332A 13. betr. Verwendung der Nutzungsentschädigung der Besatzungsgeschädigten für Instandhaltung von Häusern: Dr. Reismann (FU), Anfragender 8332A, B Schäffer, Bundesminister für Finanzen 8332A, B 14. betr. Ausfallbürgschaft für Kriegsgefangenenfilmvorhaben „Dawai-Dawai": Muckermann (CDU), Anfragender . 8332C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8332C 15. betr. Oberpostdirektion in Trier: Jacobs (SPD), Anfragender . 8332D, 8333A Schuberth, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . . 8332D, 8333A, B 16. betr. Einsatz des Salonwagens der Deutschen Bundesbahn auf der Strecke Koblenz—Trier als Sonderzug: Jacobs (SPD), Anfragender . . 8333B, C, D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 8333B, D 17. betr. Zurverfügungstellung von Wohnraum und Arbeitsmöglichkeit zur Vermeidung des geplanten Vertriebenentrecks: Goetzendorff (Fraktionslos), Anfragender 8333D, 8334A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 8333D, 8334A 18. betr. Förderung der niederbayerischen Wirtschaft und des Fremdenverkehrs im Bayerischen Wald: Goetzendorff (Fraktionslos), Anfragender 8334A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 8334B 19. betr. Zusammenfassung der mit Kriegsgefangenen-, Vermißten- und Heimkehrerfragen betrauten Stellen der Bundesregierung: Frage vertagt 8326B, 8335A 20. betr. Verlegung und Ausbau der Bundesstraße 1: Dr. Mende (FDP), Anfragender . . . 8335B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 8335B 21. betr. alliierte Telefon-, Post- und Telegrammzensur: Dr. Reismann (FU), Anfragender 8335B, C, 8336A Schuberth, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . 8335C, D, 8336A 22. betr. Titelveränderung von Herrn Grandval: Dr. Reismann (FU), Anfragender . . 8326C, 8336A, B 23. betr. Devisenkurs amerikanischer Spenden für minderbemittelte Deutsche: Ritzel (SPD), Anfragender 8336C, 8337A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 8336C, 8337A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Umstellung der Portugal gewährten Vertragszollsätze auf den neuen deutschen Wertzolltarif (Nr. 3083 der Drucksachen) 8337B Ausschußüberweisung 8337B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung von Vorschriften auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes (Nrn. 2952, zu 2952 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) Nr. 3089 der Drucksachen; Umdruck Nr. 447) 8337B Frau Kipp-Kaule (SPD), Berichterstatterin 8337B Ludwig (SPD) 8338B Sabel (CDU) 8338C Abstimmungen 8338B, D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen (Nr. 2866 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) (Nr. 3071 der Drucksachen; Umdruck Nr. 450) . . 8339B Merten (SPD), Berichterstatter . . . 8339C Renner (KPD) . . 8340B Abstimmungen 8340D, 8341A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens und zur Verhaftung des Abg. Dr. Franz Richter (Niedersachsen), alias Fritz Rössler (Nr. 3141 der Drucksachen) . 8339B, 8341B Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8341B Beschlußfassung 8342C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) (Nrn. 2485, 2464 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) (Nr. 3070 der Drucksachen; Umdrucke Nr. 448, 452) 8342C Langer (FDP), Berichterstatter . . 8342C Renner (KPD) 8343C, 8344C Abstimmungen 8344B, D Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Novelle zur Krankenversicherung der Rentner (Nr. 3039 der Drucksachen) 8345C Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 8345C, 8351B Schellenberg (SPD) 8348A Willenberg (FU) 8349C Horn (CDU) 8350B Ausschußüberweisung 8352C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beschränkung der Freizügigkeit für den Raum der Insel Helgoland während der Zeit des Wiederaufbaues (Nr. 2984 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (24. Ausschuß) (Nr. 3087 der Drucksachen); in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (24. Ausschuß) über den Antrag 'der Fraktion der KPD betr. Wiederaufbau der Insel Helgoland (Nrn. 3086, 2891 der Drucksachen) 8352C Maier (Freiburg) (SPD), Berichterstatter 8352D Diel (SPD), Berichterstatter . . . 8353B Beschlußfassung 8353C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 2918 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (Nr. 3096 der Drucksachen; Umdruck Nr. 449) 8353C Kühn (FDP), Berichterstatter . . . 8353D Dr. Arndt (SPD) . . 8354D, 8357C, 8358B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 8356C, 8358A, D Dr. Kleindinst (CSU) 8357A Abstimmungen 8359A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über die Entschließungen der Abg. Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Gaul, Kühn, Dr. Miessner u. Gen., des Ausschusses für Beamtenrecht und über den Änderungsantrag der Fraktion der BP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (Nrn. 3097, 2504, 2660 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 330, 332, 335) 8359B Kühn (FDP), Berichterstatter . . . . 8359B Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 8359D Beschlußfassung 8360A Beratung ides Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion ides Zentrums in Verbindung mit idem Änderungsantrag der Fraktion der FU betr. Einsetzung eines Bundessparkommissars (Nm. 3085, 2924, 1460 der Drucksachen, Umdruck Nr. 424) 8360B Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8360B Dr. Reismann (FU) 8360D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 8361A Schoettle (SPD) 8361C Dr. Leuchtgens (DP) 8362A Abstimmungen 8362B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Berichterstattung durch den Untersuchungsausschuß (46. Ausschuß) zur Prüfung von Mißständen in der Bundesverwaltung (Nr. 3081 der Drucksachen) . . . 8362B Dr. Koch (SPD), Antragsteller 8362C, 8366B Hoogen (CDU) 8365A Beschlußfassung 8367A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 445) 8367A Beschlußfassung 8367C Nächste Sitzung 8367C Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Kaum eine sozialpolitische Frage in diesem Hause ist auf so außerordentliches Interesse und so viel Teilnahme gestoßen wie gerade unser Antrag und die Diskussion über die Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner.

    (Vizepräsident D r. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

    Die Krankenversicherung der Rentner, die 1941 durch eine Verordnung des Reichsarbeitsministers in Kraft trat, stammt in Form und Inhalt und auch im Charakter der Durchführung aus dem Gedankengut des Krieges. Sie stammt weiter aus den Gedanken und Bestrebungen der nationalsozialistischen Zeit, auf dem Gebiet der Sozialversicherung zu weitgehender Vereinheitlichung zu kommen. Im Geist solcher Gedanken wurde am 4. November 1941 bestimmt, daß die Versicherungsträger, die Orts- und Landkrankenkassen, die Reichsbahnversicherungsanstalt und für die Rentner der Knappschaftsversicherung die Knappschaft, die Krankenversicherung der Rentner durchzuführen haben. Sie beginnt mit dem Tage, an dem der Rentenbescheid ergeht, und endet mit Ablauf des Monats, für den der Rentner eine Rente empfing. Namentliche An- und Abmeldungen der Rentner bei den Krankenkassen finden nicht statt, — eine Handhabung, die in der deutschen Krankenversicherung und Sozialversicherung überhaupt nicht üblich ist. Die Meldungen wurden durch die Landesversicherungsanstalten und die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte nach der Zahl der Rentenempfänger über die Postämter an den Verband der Ortskrankenkassen gemacht, und die Beiträge wurden wiederum nach der Zahl der Rentenempfänger pauschal an die Ortskrankenkassen überwiesen. Der Beitrag für die Krankenversicherung für die Rentner betrug damals 3,30 Mark für jeden Rentner, und zwar für jeden Invaliden-, Witwen- oder Witwerrentner , Waisenrentner, Kranken- oder Altersrentner usw. Durch Verordnung des Bundes-


    (Frau Kalinke)

    ministeriums für Arbeit vom 8. Februar 1951 wurde dieser Erstattungsbetrag auf 4,20 Mark heraufgesetzt. Das wurde als erste Reform der Krankenversicherung der Rentner bezeichnet.
    Die zweite Reform dieser Art, die nun für die Krankenversicherung der Rentner beabsichtigt ist, soll diesen Erstattungsbetrag von 4,20 Mark auf 5,50 Mark heraufsetzen, — als wäre das Problem der Krankenversicherung der Rentner nur ein Problem der Höhe des Betrages, der für die Auftragsangelegenheit erstattet werden muß! Aber, meine Herren und Damen, es ist ein weitaus größeres Problem; denn die Landesversicherungsanstalten und die Angestelltenversicherung, die von ihnen im Augenblick treuhänderisch verwaltet wird, zahlen für 5 Millionen Rentner Millionenbeträge an die beauftragten Versicherungsträger, in diesem Fall die Orts- und Landkrankenkassen, ohne eine Möglichkeit der Nachprüfung, inwieweit und ob die einzelnen Rentner Leistungen empfangen haben. Der Präsident des Verbandes der Rentenversicherungsträger nannte neulich auf der Tagung, die das Versicherungswissenschaftliche Institut in Köln veranstaltet hat, den für dieses Jahr veranschlagten Betrag mit 400 Millionen.
    Übt nun der Rentner eine versicherungspflichtige Tätigkeit aus, so wird abweichend die Krankenversicherungspflicht bei der Kasse durchgeführt, der er angehört. Für diese Rentner wurde damals bei dem Erlaß der Verordnung von 1941 eine Beitragserstattung vorgesehen. Heute wird den Krankenkassen, bei denen der versicherungspflichtige Rentner versichert ist, von der Ortskrankenkasse ein Betrag von 2,80 Mark erstattet. Das war der Satz, der damals 85 % von 3,30 Mark ausmachte. Heute bekommt also die Kasse 4,20 Mark - demnächst soll sie 5,50 Mark bekommen —; die andere Kasse aber, die den versicherungspflichtigen Rentner betreut, erhält weiter 2,80 Mark, — ein Tatbestand, der für die Monopolkassen, die kraft Gesetzes zur Durchführung der Rentenversicherung verpflichtet sind, einen Gewinn zu Lasten der anderen Kassen bedeutet.

    (Zurufe links.)

    Im übrigen hat sich in den einzelnen Ländern sehr unterschiedliches Recht entwickelt, das durch diese Novelle ebenfalls dringend vereinheitlicht werden muß. Aber mit Rücksicht auf Ihre Zurufe und das sicherlich große Interesse, das Sie dem Tatbestand der Neuordnung entgegenbringen werden, lege ich doch Wert darauf, im Hinblick auf die Grundsatzdebatte über die Schaffung der Krankenversicherung der Rentner, die die gleichen Probleme aufgerissen hat, welche auch heute wieder als grundsätzliche Fragen unsere Debatte beherrschen werden, einiges zu sagen. Damals — das war in der nationalsozialistischen Ara — hat sich der Reichsverband der Ortskrankenkassen mit dem Monopolanspruch durchgesetzt. Damals verlangten alle übrigen Versicherungsträger, angesichts der großen Verpflichtung für ihre Rentner, die zeitlebens den Kassen angehört haben, nicht nur aus psychologischen Gründen, nicht nur aus Gründen gemeinsamer Verpflichtung, sondern aus dem Gefühl der selbstverständlichen Verbundenheit mit diesem Versichertenkreis die Versicherung auch dann durchzuführen, wenn sie kein gutes Risiko mehr ist. In der Zwischenzeit hat sich gezeigt, daß die Durchführung der Krankenversicherung der Rentner die Ortskrankenkassen, die sie allein durchführen müssen, samt den Landkrankenkassen finanziell außerordentlich belastet hat.
    In der Diskussion draußen wird sehr oft fälschlicherweise darauf hingewiesen, daß es ja die Ortskrankenkassen seien, die ganz allein diese große Belastung und dieses Risiko tragen müssen, und daß es die übrigen Kassenarten seien, die sich dieser Belastung entziehen. Nicht bekannt ist, daß bei den Grundsatzdiskussionen 1941 wie seit 1950 alle übrigen Kassen immer wieder betont und durch ihre Verbände erklärt haben, daß sie bereit seien, diese gemeinschaftliche Aufgabe der Solidarität zu erfüllen. Diese Anträge werden beharrlich abgelehnt, und es ist schwer zu verstehen, daß man ein Risiko als schlecht bezeichnet, sich aber trotzdem nicht dessen entäußern will, wenn die Möglichkeit gegeben ist.
    Was die Diskussion um die Grundsatzfragen angeht, so ist es sicherlich im Interesse des Rentners, um den es hier geht — nicht im Interesse der Versicherungsträger —, außerordentlich wichtig, zu wissen, daß es Rentner gibt, die 30, 40 und 50 Jahre, während der Berufstätigkeit ihres ganzen Lebens einer Kasse angehört haben und die nun nach 30 oder 40 Jahren aus ihrer Kasse ausscheiden müssen, um von dem Augenblick an, in dem sie die Rente empfangen, bei der zuständigen Orts- oder Landkrankenkasse versichert zu sein. Viele von ihnen haben unter sehr großen materiellen Opfern, unter Verzicht auf so manches, oft nur mit Verwandtenhilfe die Beiträge aufgebracht, um sich freiwillig bei ihren alten Versicherungsträgern weiterzuversichern. Diese Rentner sind dann doppelt versichert.
    Aus der Auseinandersetzung von damals ist interessant, daß es gar nicht darum ging, zu fragen, was denn das echte Bedürfnis des Rentners und der Rentnerin sei, sondern daß es weitgehend darum ging, politische Grundsätze, die im Sinne der einheitlichen Durchführung eines Gesetzes und der Verwaltung lagen, zu verwirklichen. Ich bitte den Herrn Präsidenten, mir zu gestatten, daß ich zitiere, was damals, 1941, der bekannte nationalsozialistische Führer Zimmermann namens des Reichsverbandes der Ortskrankenkassen zu diesem Gesetz begründend geschrieben hat:
    Wenn die Krankenversicherung nicht von selbst den Weg der Besinnung beschreitet, wird es zu einer schmerzlich radikalen Lösung kommen. Die Forderung nach der Beseitigung der Zersplitterung ist so tief in der nationalsozialistischen Weltanschauung verankert, die Vorteile der Beseitigung so 'offensichtlich, daß sich die Sache mit der Kraft der Idee früher oder später durchsetzen wird. Die Verwirklichung der in der nationalsozialistischen Weltanschauung verwurzelten Idee der Einheitlichkeit der Krankenversicherung kann durch Unverstand vielleicht aufgehalten werden, sie wird sich aber über kurz oder lang gegen die großen Widerstände durchsetzen.
    So weit die politischen Gründe von 1941, die für die damalige Unterstützung eines Monopolanspruchs maßgeblich waren, dem die Rentner in ihrer Vielzahl nicht erfolgreich Widerstand leisten konnten. Der Rentner also, der es wünschte, bei seiner Krankenkasse zu bleiben, mußte es auf sich nehmen, freiwillig wesentliche Beiträge zusätzlich zu zahlen, um seiner alten Kasse anzugehören.
    Es war für die heutige Diskussion außerordentlich interessant, daß meine Fraktion in diesen Tagen einen Brief vom Reichsbund bekommen hat — der jetzt eben von Herrn Renner zitiert wurde —, der dieselben Grundsätze vertritt, die auch damals der Grund waren für die Schaffung einer einheitlichen


    (Frau Kalinke)

    Versicherung. Meine Freunde wünschen vom sozialpolitischen Standpunkt nicht, daß die Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner nach politischen Gesichtspunkten erfolgt, sondern sie wünschen, daß ein Gesetz so geschaffen wird, daß die Kassenarten, bei denen die Rentner in der Zeit ihrer Tätigkeit im Arbeitseinsatz versichert waren, alle verpflichtet sind, sie auch am Lebensabend gegen Krankheit zu versichern, wenn es die Rentner wünschen.
    Der Reichsbund, der auch in den Mitteilungen für seine Funktionäre die Auffassung des Ortskrankenkassenverbandes aufgeriffen und zu der seinen gemacht hat, sprach von dem Prinzip der Solidarität in der Krankenversicherung der Rentner. Ich las in diesen Tagen in einem Aufsatz, daß diese Rentner alle einer Gesellschaftsschicht angehören und nicht in zwei Klassen eingeteilt werden dürfen. Im gleichen Sinn ist auch der Brief des Reichsbunds an meine Fraktion gehalten, in dem er sich als die zuständige Interessenvertretung gegen unseren Antrag ausspricht. Der Reichsbund erklärt, daß wir die soziale Gemeinschaft der Rentner auseinanderreißen wollten. Meine Freunde glauben nicht, daß es Klassen gibt, die sich etwa daraus ergeben, daß jemand eine Rente oder eine Pension bezieht. Wir würden es auch als ein großes Unglück ansehen, wenn der Tatbestand des Rentenbezuges eine Gesellschaftsschicht bilden würde, der nun derjenige angehören soll, der eine Rente empfängt. Wir glauben, daß die Vielfalt der gesellschaftlichen wie sozialen und wirtschaftlichen Situation der Menschen, die an ihrem Lebensabend einen Rentenanspruch aus Versicherung, Vorsorge oder Fürsorge haben, so unterschiedlich, so bunt und so mannigfaltig ist wie das Leben selbst. Wir glauben, daß die Rentner selbst sich am heftigsten dagegen wehren würden, als Klasse der Rentner gekennzeichnet und in einer Einheits- und einheitlichen Gesetzgebung für immer verankert zu sein.
    Ist es nicht interessant, sich klarzumachen, daß einer einzigen Krankenkasse 25 000 Rentner freiwillig angehören, die ihre Beiträge aus den oft kärglichen Renten freiwillig entrichten? Auch für diese Rentner erhält die Ortskrankenkasse laufend die Pauschalüberweisung, obwohl sie niemals diese Kasse in Anspruch nehmen. Sie erhält sie weiter für die Rentner, die noch im Erwerbsleben stehen und deren Zahl, wie wir alle wissen, laufend zunimmt. Die Zahlen werden bei der Invalidenversicherung auf etwa 20 bis 30 % geschätzt, bei den Angestellten auf nur etwa 5 %, weil dort die große Zahl der beschäftigungslosen älteren Angestellten ist. Die Einführung der Mindestrente und die höhere Lebenserwartung haben weiter dazu geführt, daß die Zahl der Renten laufend steigt und ein großer Teil nach dem Gesetz Rentenberechtigter trotz dieses Rentenempfangs weiter arbeitet. Wir meinen daher, daß bei der Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner auch auf die tatsächlichen Gegebenheiten Rücksicht genommen werden muß, ferner auf die Beitragserstattung dei freiwillig weiterversicherten und wiederbeschäftigten Rentner. Wenn die Krankenversicherung durch die Krankenkassen der Rentenversicherung als Auftragsangelegenheit durchgeführt wird, dann kann sie doch nur Erstattungen für solche Fälle erhalten, in denen die Krankenkassen nachweisbar in Anspruch genommen worden sind. — Herr Präsident, darf ich Sie noch um eine Minute bitten.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Bitte!

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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Die Krankenkassen sollen zum Schutz der Rentenversicherung nicht anonyme Beiträge erhalten. Sie sollen aber andererseits auch ausreichende Beiträge erhalten, um die ausreichende Krankenversicherung derjenigen Rentner, die sie nötig haben und in Anspruch nehmen müssen, zu garantieren. Wir glauben weiter, daß im Interesse der Sanierung der Rentenversicherung eine klare und eindeutige Übersicht notwendig ist!
    Ich mochte schließlich noch darauf hinweisen, daß in den letzten Jahren die Fürsorge und die öffentliche Hand eine wesentliche Entlastung dadurch erfahren hat, daß die Rentenversicherungsträger ihr diese Aufgaben abgenommen haben. Es wird weiter eine der wichtigsten Aufgaben dieser Reform sein, dafür zu sorgen, daß allgemeine Fürsorgelasten nicht auf die Rentenversicherungsträger und nicht auf die Krankenversicherung abgewälzt werden. Unter den vielen Zugängen zur Rentenversicherung befinden sich nicht nur Empfänger von Mindestrenten, sondern auch eine große Zahl solcher Rentner, die durchaus nicht den Wunsch haben, ihre alte Versicherung in der privaten Krankenversicherung aufzugeben. Auch dieser Kreis sollte sorgfältig überprüft und untersucht und die freiwillige Entscheidung respektiert werden.
    Ich möchte noch auf zwei Tatbestände hinweisen, die bei der Kürze der Begründungszeit anzuführen nur noch möglich ist. Das ist die Situation der Rentner, die nach der Verordnung von 1941 als knappschaftliche Rentner von der knappschaftlichen Krankenversicherung versichert sind, die nach dem Reichsknappschaftsgesetz in Verbindung mit den Vorschriften über die . Wanderversicherung dann aus der Knappschaft die Rente bekommen, wenn sie jemals sechs knappschaftliche Beiträge entrichtet haben. Wenn also jemand in der Jugend 6 Monate in der Knappschaft war und dann 40 Jahre in einem andern Beruf, bekommt er im Lebensende die Rente von der Knappschaft und muß nach dem Sprengel-Arzt-System der Knappschaft dann in einer Stadt, in der es keine Knappschaft und keinen Bergbau gibt, als Rentner behandelt werden. Auch diese Frage sollte im Interesse der Rentner und ihrer guten Betreuung überprüft werden.
    Wir hoffen — das darf ich zum Schluß sagen —, daß diese Novelle zur Krankenversicherung der Rentner, die der Bundesminister für Arbeit — so glaube ich — recht bald vorlegen wird, unseren besonderen Wünschen insofern Rechnung trägt, als sie jedem Rentner die staatsbürgerlichen Rechte der freien Entscheidung genau so garantiert wie jedem anderen versicherungspflichtigen oder versicherungsberechtigten freien Staatsbürger im Bundesgebiet. Wir hoffen auch, daß der Gesetzgeber die Grenzen der Fürsorge des Staates und die Aufgaben der Rentenversicherungsträger richtig sehen und erkennen wird. Über diese Grenzen haben wir uns zu unterhalten, und zwar zu allererst im Interesse der Rentner, dann im Interesse der Erhaltung leistungsfähiger Rentenversicherungsträger der Angestelltenversicherung, der Invalidenversicherung und der Knappschaftsversicherung. Wir glauben, daß die Gemeinschaft derjenigen, bei denen die Rentner in der Zeit ihres Lebens ihre Beiträge geleistet haben, sich selbst verpflichtet fühlen wird, diese verantwortliche Aufgabe für die Gemeinschaft auch in Zukunft freiwillig zu erfüllen.

    (Beifall bei der DP.)