Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache 10/1979 —
Zunächst wird der Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz behandelt. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Erhard zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Bachmaier auf:
Trifft es zu, daß die Abgabe der Stellungnahme der Bundesregierung zu der UN-Konvention zur weltweiten Bekämpfung der Folter durch die erbetene Bedenkzeit des Bundesministers des Innern blockiert wird, und kann die Bundesregierung sicherstellen, daß der vom federführenden Bundesministerium der Justiz, dem Auswärtigen Amt und allen Bundesländern befürwortete Bericht trotzdem noch rechtzeitig für die Sitzung der UN-Vollversammlung am 17. September 1984 zugeleitet wird?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Bachmaier, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Es trifft zu, daß die Stellungnahme der Bundesregierung gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwischen den zuständigen Ressorts noch abgestimmt wird. Es handelt sich um die Stellungnahme zu dem von der Menschenrechtskommission an die Generalversammlung der Vereinten Nationen überwiesenen Entwurf einer Konvention gegen die Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Der Entwurf der Konvention steht im Dritten Ausschuß der Generalversammlung zur Beratung an. Wann diese Beratung beginnen wird, ist noch nicht bekannt. Vor Mitte Oktober ist nicht damit zu rechnen. Nach einem Fernschreiben, das gestern abgesandt und heute eingegangen ist, ist mit der Entscheidung nicht vor Mitte November zu rechnen.
Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß das in Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltene Verbot der Folter die Signatarstaaten verpflichtet, auch Angehörige von Nicht-Signatarstaaten keinesfalls in Staaten abzuschieben, in denen sie ernsthaft mit Folter zu rechnen haben?
Erhard, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hält sich strikt an ihre internationalen Verpflichtungen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß sich auch aus dem humanitären Völkerrecht, das über Art. 25 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich ist, ein zwingendes Verbot der Abschiebung in Staaten ergibt, in denen der Betroffene mit Folter zu rechnen hat?
Erhard, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß Ihnen meine eben gegebene Antwort wiederholen. Die Bundesregierung schiebt niemanden in Staaten ab, in denen mit einer Folterung des Abgeschobenen zu rechnen ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Herr Staatssekretär, bis wann rechnen Sie denn mit der Entscheidung, die immer noch aussteht, und der abschließenden Abstimmung zwischen den Ressorts?
Erhard, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, das Rechnen mit unbekannten Größen begegnet außerordentlichen Schwierigkeiten, so daß ich Ihnen keinen Termin nennen kann.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Neumann .
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung eigentlich die Auffassung der in Ihrem Ministerium als Expertin beschäftigten Ministerialdirigentin Maier, die einen Aufsatz in der Zeitschrift der Vereinten Nationen geschrieben hat, wonach es fragwürdig ist, ob rechtliche
Metadaten/Kopzeile:
6112 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Neumann
Initiativen zur Abschaffung der Folter auf UN-Ebene und auf europäischer Ebene ergriffen werden sollten?Erhard, Parl. Staatssekretär: Nein.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Bachmaier auf:
Hält die Bundesregierung die Bedenken des Bundesministers des Innern mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes für vereinbar, oder gilt nach Ansicht der Bundesregierung das dort aufgezeigte Menschenwürdegebot nur für deutsche Bürger?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Erhard, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich darf mich auf die eben von mir gegebene Antwort beziehen. Die Stellungnahme der Bundesregierung wird noch abgestimmt. Es ist unüblich, zu internen Überlegungen der Ressorts vor einer endgültigen Abstimmung Stellung zu nehmen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie uns vielleicht mitteilen, worin die Bedenken des Bundesministers des Inneren im Rahmen des Abstimmungsprozesses bestehen?
Erhard, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich will auch nicht über Umwege die soeben gegebene Antwort aufheben. Solange die Abstimmung nicht erfolgt ist, gebe ich über die verschiedensten Elemente, die bei der Abstimmung zu berücksichtigen sind, keine Auskunft.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, haben die deutschen Behörden in der Vergangenheit Personen, die die Gefahr der Folterung geltend machten — darauf lege ich Wert —, in den Staat abgeschoben, von dem diese Foltergefahr ausging?
Erhard, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat, wenn Abschiebungen durchgeführt wurden, sie nur dann durchgeführt, wenn auch die weitere Überwachung des Verfahrens sichergestellt war.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie auf die Frage hin, ob Sie Auskunft erteilen wollen, erklärt haben, Sie gäben dem Parlament keine Auskunft?
Erhard, Parl. Staatssekretär: Ich habe erklärt, daß ich zu der Frage, wie wer innerhalb der Bundesregierung noch denkt, keine Auskunft gebe.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Neumann . — Bitte.
Ich möchte noch einmal auf die eingangs gestellte Frage zurückkommen. Kann ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung weiterhin hinter der grundsätzlichen Zustimmung zu einer UN-Folterkonvention steht und daß sie auch hinsichtlich der in der Beratenden Versammlung des Europarates einstimmig beschlossenen Empfehlung einer europäischen Antifolterkonvention eine zustimmende Haltung einnimmt?
Erhard, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie dürfen von der zustimmenden Haltung ausgehen; sie ist ja auch schon signalisiert.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf.
Die Fragen 5 und 6 des Herrn Abgeordneten Broll sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf.
Auch Frage 7 des Herrn Abgeordneten Hinsken soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Köhler zur Verfügung.
Ich rufe Frage 8 des Abgeordneten Schwenninger auf:
Aus welchen Haushaltstiteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde und wird die Gewerbeschule in Windhoek , die von der Otto-BeneckeStiftung errichtet wird, gefördert, und wird Bundesminister Dr. Warnke der Einladung zur Grundsteinlegung dieser Schule im November 1984 nachkommen (siehe Mainzer „Allgemeine Zeitung" vom 24. Juli 1984)?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schwenninger, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Aus dem Titel 896 03 — bilaterale staatliche Hilfe — hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Mittel für die Projektprüfung des Vorhabens „Berufsbildungszentrum Windhoek" bereitgestellt. Mit dem Abschluß der Projektprüfung ist im Oktober zu rechnen. Mit der Erstellung des Projektgutachtens war die Otto-Benecke-Stiftung beauftragt worden. Eine Grundsteinlegung noch in diesem Jahr zeichnet sich nicht ab.
Eine Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß diese vom BMZ geförderte Gewerbeschule auch von der südafrikanischen Regierung finanziert wird und damit faktisch die illegale Besetzung Namibias durch Südafrika von der Bundesregierung anerkannt wird?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6113
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schwenninger, ich habe soeben schon ausgeführt, daß es sich im gegenwärtigen Moment ausschließlich um eine Projektprüfung handelt, so daß eine Entscheidung darüber, ob das Projekt auch in der Durchführungsphase gefördert wird, noch unabhängig davon zu treffen ist. Damit eilt Ihre Frage den Tatsachen voraus. Mir ist im gegenwärtigen Moment nichts von einer finanziellen Beteiligung südafrikanischer Stellen bekannt.Zum zweiten Teil Ihrer Frage darf ich darauf hinweisen, daß sich die Bundesregierung bei diesen Angelegenheiten gegenüber Namibia im Rahmen der Richtlinien bewegt, die in der Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD zur Politik der Bundesregierung im südlichen Afrika am 21. Dezember 1983 bekanntgegeben worden sind, und sich auch entsprechend den Empfehlungen des Gesprächskreises Namibia, dem Parlamentarier aller Bundestagsfraktionen angehört haben, vom 16. September 1982 verhält. In beiden Zusammenhängen ist klargestellt, daß sich die Bundesregierung durch geeignete Maßnahmen bemühen soll, die Abhängigkeit Namibias von Südafrika zu verringern, den restlosen Abbau rassendiskriminierender Vorschriften zu fördern und schon vor der Unabhängigkeit multirassische Berufsausbildung in Namibia zu unterstützen.
Wünschen Sie eine weitere Zusatzfrage zu stellen? — Nein. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Vogt zur Verfügung.
Ich rufe Frage 9 des Abgeordneten Jungmann auf. — Er ist nicht im Saal. Es wird entsprechend den Richtlinien verfahren.
Ich rufe Frage 10 des Abgeordneten Peter auf:
Aus welchen Gründen werden bei den Arbeitsämtern in den Mikrofilm-Lesegeräten zur Ausweisung offener Stellen diese mehrheitlich nicht geschlechtsneutral ausgewiesen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, in den Mikrofilm-Lesegeräten der Arbeitsämter werden die Stellenangebote so ausgewiesen, wie sie den Arbeitsämtern zugehen. Unter den Stellenangeboten sind viele Angebote, bei denen Arbeitgeber ausdrücklich nur männliche oder nur weibliche Bewerber anfordern, obwohl sie von den Arbeitsämtern auf die Vorschrift des § 611b des Bürgerlichen Gesetzbuches hingewiesen und aufgeklärt wurden, daß geschlechtsspezifische Beschränkungen von Stellenangeboten den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt erschweren.
Die Arbeitsämter weisen in diesen Fällen das Stellenangebot entsprechend dem Wunsch der Arbeitgeber aus. Dadurch wird vermieden, daß sich Arbeitsuchende um Stellen bewerben, für die sie aus der Sicht des Anbieters nicht in Frage kommen.
Die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter muß den Wünschen der Arbeitsuchenden und der Arbeitgeber entsprechen, da ihre Inanspruchnahme freiwillig ist und offene Stellen nicht nur mit Hilfe der Vermittlungsdienste der Arbeitsämter, sondern auch durch Selbstsuche oder durch Aufgabe von Stellenanzeigen besetzt werden können.
Bitte, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir Informationen darüber geben, in welcher Form in der Regel die Aufklärung der Arbeitgeber über § 611b BGB erfolgt, wenn von Arbeitgeberseite ein speziell geschlechtsspezifischer Wunsch an das Arbeitsamt herangetragen wird?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Die Arbeitgeber werden auf diese gesetzliche Grundlage hingewiesen. Aber wir müssen leider immer noch feststellen, daß es zu Anmeldungen kommt, wie ich sie gerade geschildert habe, daß also Plätze geschlechtsspezifisch ausgewiesen werden.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß sich das Ausschreibungsverlangen durch eine intensive mündliche Beratung und Aufklärung der Arbeitgeber ändern könnte?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich könnte mir vorstellen, daß dies durch die intensive Information der Arbeitgeber erreicht werden kann. Es spielen aber auch noch zusätzliche Faktoren eine Rolle wie die jüngsten Urteile in Sachen Gleichbehandlung von Mann und Frau im Arbeitsleben. Möglicherweise wird das Ansprechen dieser Frage im Deutschen Bundestag in der Fragestunde ebenfalls eine Wirkung haben, die in die gewünschte Richtung geht.
Weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Steinhauer.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie in Ihrer ersten Antwort gesagt haben, daß geschlechtsspezifische Ausschreibungen die Arbeitsvermittlung erschwerten? Sind Sie nicht der Auffassung, daß eine Bundesbehörde anzuhalten ist, dafür zu sorgen, daß Bundesgesetze — hier Vorschriften über die Gleichberechtigung im arbeitsrechtlichen Bereich — in Verbindung mit der Rechtsprechung eingehalten werden, und daß nicht nur Hinweise erfolgen dürfen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, das gesetzliche Gebot der geschlechtsneutralen Ausschreibung im engeren Sinne bindet die Arbeitgeber. Wir weisen die Bundesanstalt darauf hin — das ist eine Möglichkeit, die wir haben —, daß sie bei dem Material, das sie herausgibt, auf die geschlechtsneutrale Ausschreibung achtet.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Metadaten/Kopzeile:
6114 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Herr Staatssekretär, werden die Arbeitgeber, die geschlechtsdiskriminierend Arbeitskräfte anfordern, durch Merkblätter mit Hinweis auf die Urteile und durch sonstige intensive Informationen auf die Gesetzeslage hingewiesen, oder erfolgt das nur am Rande eines Beratungsgesprächs oder eines Anrufs, und wird eine Erfolgsstatistik darüber geführt, wer sich denn nun zur Gesetzeslage bekehrt hat und wer nicht?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann -Ihnen jetzt nicht genau die Frage beantworten, mit welchem Instrumentarium die Bundesanstalt auf die Arbeitgeber einwirkt. Aber Sie können davon ausgehen, daß auch wir das Interesse haben, daß geschlechtsneutral ausgeschrieben wird. Aber die Bundesanstalt muß sich natürlich, wenn sie vermitteln will, auch auf die tatsächlichen Gegebenheiten einstellen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der. Meinung, daß es bei der Situation des Arbeitsmarktes mit über 2 Millionen Arbeitslosen entscheidend ist, daß neue Arbeitsplätze geschaffen werden, und daß es sicherlich dem Arbeitgeber, der solche neuen Arbeitsplätze schafft, auch freistehen muß, ob er männliche oder weibliche Arbeitskräfte einstellen will, und daß dies mit Geschlechtsdiskriminierung überhaupt nichts zu tun hat?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich stimme mit Ihnen überein, daß es natürlich vor allem darauf ankommt, das Angebot an Arbeitsplätzen zu erweitern. Aber wir haben auch das Interesse, daß es nicht zu Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt auf Grund unterschiedlichen Geschlechts kommt.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten de With.
Herr Staatssekretär, bejaht die Bundesregierung uneingeschränkt die neueste Rechtsprechung, wonach Schadensersatz nicht nur für Portokosten, sondern weit darüber hinaus gewährt wird?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das Urteil ist bekannt, die Begründung des Urteils liegt jedoch noch nicht vor. Wir werden uns eine Meinung über das Urteil des Hammer Gerichts bilden, wenn die Urteilsbegründung vorliegt.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz.
Herr Staatssekretär, ich darf noch etwas zurückschalten. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß die geschlechtsneutrale Ausschreibung besonders deswegen notwendig ist, weil die Frauen unter den Arbeitslosen am meisten benachteiligt sind und der besonderen Hilfe der Bundesanstalt für Arbeit bedürfen? Ich frage nur, weil vorhin der Eindruck entstehen konnte, bei 2 Millionen Arbeitslosen muß man auf die Frauen nicht besonders Rücksicht nehmen.
Vogt, Par. Staatssekretär: Herr Kollege Lutz, ich möchte doch noch einmal Ihre Aufmerksamkeit auf die Antwort lenken, die ich auf die Frage des Kollegen Eigen gegeben habe. Ich habe ausdrücklich auf zwei Interessen hingewiesen, nämlich einmal auf das Interesse, daß wir zu einer Ausweitung des Angebots an Arbeitsplätzen kommen, aber auch auf das Interesse, daß es auf dem Arbeitsmarkt nicht zu Diskriminierungen auf Grund von unterschiedlichem Geschlecht kommt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe auf die Frage 11 des Abgeordneten Peter auf:
Welche rechtlichen Veränderungen sind nötig, um eine geschlechtsneutrale Ausweisung dieser Stellen sicherzustellen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Für eine geschlechtsneutrale Ausweisung offener Stellen in den Mikrofilm-Lesegeräten wäre eine Gesetzesänderung nicht erforderlich. Eine Änderung der von den Arbeitgebern abgegebenen geschlechtsspezifischen Stellenangebote gegen den Willen der Arbeitgeber wäre jedoch wegen der Vielzahl der dann zu erwartenden Bewerbungen ohne Erfolgsaussichten zweckwidrig.
Eine Zusatzfrage, bitte sehr.
Wenn Sie keinen Regelungsbedarf im Hinblick auf veränderte Richtlinien sehen, wäre dann die Bundesregierung bereit, durch Anweisung an die örtlichen Arbeitsämter sicherzustellen, daß eine mündliche Beratung der Arbeitgeber im Hinblick auf geschlechtsneutrale Ausschreibungen erfolgt?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich habe dieses Interesse vorhin schon bekundet. Aber wir sollten natürlich auch im Auge behalten, daß es nicht zu unnötigen Arbeitsabläufen bei der Arbeitsverwaltung kommt. Wenn nämlich für einen Arbeitsplatz aus der Sicht des Arbeitgebers nur eine weibliche Beschäftigte oder ein männlich Beschäftigter in Frage kommt, dient es sozusagen der Vermittlung, wenn dies auch entsprechend kundgetan wird.
Die letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, und welches ist das Mittel, bei Ihnen festzustellen, ob es zu unnötigen Gesprächen und Beratungen mit den Arbeitgebern kommen kann?Vogt, Parl. Staatssekretär: Es ist so, daß die Arbeitsverwaltung auch in der heutigen Situation engen Kontakt mit dem betrieblichen Arbeitsfeld, insbesondere auch mit den Personalbüros hält und daß sie auf Grund dieser Kontakte sicherlich eine Beurteilungsgrundlage vor Ort hat, ob ein Arbeitsplatz diskriminierend geschlechtsspezifisch ausgeschrieben worden ist oder nicht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6115
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Herr Staatssekretär, kann denn nicht die Arbeitsverwaltung bei diskriminierenden Ausschreibungen den Diskriminierungsversuch einfach übersehen und den entsprechenden Arbeitgebern von sich aus weibliche Arbeitskräfte z. B. für ein Personalgespräch anbieten?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube nicht, daß die Bundesanstalt für Arbeit dafür zuständig ist, endgültig festzustellen, ob eine Diskriminierung, also ein Verstoß gegen § 611b des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt oder nicht. Dies muß nun auf Grund der Gewaltenteilung, die wir haben, den Gerichten vorbehalten bleiben. Wir können nicht die Bundesanstalt sozusagen an die Stelle einer richterlichen Entscheidung setzen.
Weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Steinhauer.
Herr Staatssekretär, Sie gehen sicher mit mir einig, daß Frauen, abgesehen von den bisherigen Schwierigkeiten bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage, noch zusätzliche Probleme haben, Arbeit zu bekommen. Wie wollen Sie denn auf Grund Ihrer bisherigen Stellungnahmen gewährleisten, daß sich die Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen läßt?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, dazu gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen; Maßnahmen, die wir teilweise schon ergriffen haben. Wir werden im Zusammenhang mit dem Arbeitszeitgesetz in diesem Hause darüber diskutieren, wie praktisch bestehende Berufsverbote für Frauen beseitigt werden, was j a auch ein notwendiger Schritt ist, um die Arbeitsmarktchancen von Frauen zu verbessern.
Der beruflichen Fort- und Weiterbildung für Frauen, vielleicht auch in der zweiten Lebensphase, kommt erhebliche Bedeutung zu. Es kommt hinzu, daß wir uns auf Grund der jüngsten Urteile des Hammer Gerichts sicherlich über das Diskriminierungsverbot unterhalten werden. Nur, ich darf Sie darauf hinweisen, daß die gesetzliche Grundlage, die jetzt etwas in Frage gestellt worden ist, von unserer Vorgängerregierung geschaffen worden ist.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten de With.
Ist es nicht geradezu ein Ausfluß der Fürsorgepflicht, daß die Arbeitsämter Arbeitgeber auf die Einhaltung der §§ 611 b ff. BGB hinzuweisen haben, wenn der Verdacht entsteht, daß hier ein Verstoß vorliegt, und zwar sowohl zum Schutz des Arbeitgebers vor Schadensersatzprozessen, als auch natürlich zum Schutz der benachteiligten Frauen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich habe darauf hingewiesen, daß die Arbeitsämter gegenüber den Arbeitgebern eine Informationsaufgabe haben, der sie, soweit ich das überblicken kann, auch gerecht werden.
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Schmidt.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Kritik an der Rechtsgrundlage, die noch von der Vorgängerregierung stammt, so verstehen, daß Sie beabsichtigen, das arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz in dem Sinne des Berichts, der von der Bundesregierung dazu vorgelegt worden ist, zu ändern?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorhin schon auf eine entsprechende andere Frage gesagt: Wir kennen das Urteil; wir kennen noch nicht die Urteilsbegründung. Wir schießen nicht aus der Hüfte, sondern wir werden uns das ganz gründlich ansehen und dann zu überlegen haben, welche Konsequenzen zu ziehen sind.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Die Fragestellerin der Fragen 12 und 13 hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 14 des Abgeordenten Glombig auf:
Ist in Anbetracht der Stellensituation der Bundesanstalt für Arbeit ein aktiver Einsatz der operativen Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gewährleistet, erfolgen insbesondere Betriebsbesuche, Arbeitsberatungen und Begleitungen von Einstellungsgesprächen schwer vermittelbarer Arbeitssuchender in ausreichendem Umfang?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich gerne die Fragen 14 und 15 gemeinsam beantworten.
Sind Sie damit einverstanden, Herr Abgeordneter?
Schweren Herzens.
Ich rufe auch die Frage 15 des Abgeordneten Glombig auf.Beabsichtigt die Bundesregierung, für den Bereich der Bundesanstalt für Arbeit eine Ausnahme von der halbjährlichen Stellenbesetzungssperre mit dem Haushaltsgesetz 1985 zuzulassen?Vogt, Parl. Staatssekretär: Vielen Dank. Die Arbeitsämter kommen auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit den ihnen übertragenen Aufgaben nach. In den ersten acht Monaten des Jahres 1984 meldeten sich bei den Arbeitsämtern rund 5,1 Millionen Arbeits- und Ratsuchende, die beraten und in die Vermittlungsbemühungen einbezogen wurden.Von Januar bis Ende August 1984 konnten rund 1,2 Millionen Arbeitssuchende in Arbeit vermittelt
Metadaten/Kopzeile:
6116 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Parl. Staatssekretär Vogtwerden. Damit hat sich die Zahl der erfolgreichen Arbeitsvermittlungen in den ersten acht Monaten des Jahres 1984 gegenüber 1983 um etwa 13 v.H. erhöht.Die Fachkräfte der Arbeitsämter für Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung führen in verstärktem Umfang Betriebsbesuche durch. Der Außendienst ist die wichtigste Form der Kontaktpflege zu den Betrieben. Nur die genaue Kenntnis der zu besetzenden Arbeitsplätze, der Einblick in die betriebliche Personalplanung und die wechselseitige Information über die Lage am Arbeitsmarkt schaffen die Voraussetzungen für qualifizierte Vermittlungsarbeit. Deshalb hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit die Fachkräfte für Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung angewiesen, 20 v. H. ihrer Arbeitszeit für den Außendienst zu nutzen.Nach § 19 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes 1984 gilt die Stellenbesetzungssperre nur bis einschließlich 31. Dezember 1984. Ab 1. Januar 1985 können also alle freien Stellen wieder besetzt werden, auch wenn die Halbjahresfrist noch nicht abgelaufen ist. Für das Jahr 1985 wird die Bundesregierung keine Stellenbesetzungssperre vorschlagen.
Zusatzfrage, bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, unter Beachtung dieser hervorragenden Erfolgsmeldungen, die Sie hier verbreitet haben und die mit den Meldungen aus den Arbeitsämtern nicht übereinstimmen, lautet meine Frage: Können Sie die Feststellung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Franke, bestätigen, daß zur Zeit etwa 5 000 Kräfte in den Arbeitsämtern der Bundesrepublik Deutschland fehlen, und wie ist unter diesen Umständen das, was ich in der Frage 14 angesprochen habe, überhaupt praktisch möglich?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Glombig, ich muß Sie darauf hinweisen, daß die Angaben, die ich hier gemacht habe, von der Bundesanstalt für Arbeit stammen.
Sie können mit Ihrer Zusatzfrage nicht etwa den Eindruck erwecken, als würden die Bundesanstalt für Arbeit und das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in diesem Punkt mit unterschiedlichen Zahlen arbeiten.
Zum zweiten möchte ich darauf hinweisen, daß die Bundesanstalt nach dem Stand vom 15. April dieses Jahres 2057 Stellen nicht endgültig besetzt hatte. Das sind 4,2 % der Stellen.
Wenn Sie sich auf den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit beziehen, der davon gesprochen haben soll, daß 5 000 Stellen nicht besetzt sind, dann müssen Sie wissen, daß dies nur auf der Grundlage des Personalbemessungssystems der Bundesanstalt als Bedarf festgestellt worden ist. Dieses Personalbemessungssystem ist für den Leistungsbereich drei Jahre alt, für den Bereich der Berufsberatung eineinhalb Jahre. Bei dieser Entwicklung in drei bzw. eineinhalb Jahren ist der Einsatz der Datenverarbeitung bei der Arbeitsverwaltung nicht berücksichtigt, und man hat, aufbauend auf dieses Stellenbemessungssystem, den Personalbedarf an Hand einer Arbeitslosenzahl von 2,3 Millionen im Jahresdurchschnitt festgelegt. Ich muß also hinter diese Angabe, 5 000 Stellen fehlten, ein dickes Fragezeichen machen.
Zusatzfrage, bitte.
Ich habe nicht behauptet, daß die Planstellen nicht besetzt sind — auf diese Frage komme ich noch zurück —, sondern ich habe gesagt, daß diese Kräfte fehlen. Hier geht es um die Frage, ob Sie zustimmen, daß 5 000 Arbeitskräfte der Bundesanstalt fehlen. Das war die Behauptung von Herrn Franke. Alles andere habe ich gar nicht gefragt. Das frage ich jetzt.
Herr Staatssekretär, ich frage jetzt — unabhängig von der Zahl der fehlenden Arbeitskräfte bei der Bundesanstalt für Arbeit, nämlich 5 000 —: Wie viele Planstellen sind denn zur Zeit in den Arbeitsämtern tatsächlich nicht besetzt, und wie viele Stellen fehlen gemessen an dem anerkannten Stellenbemessungssystem der Bundesanstalt für Arbeit? Dies sind ja zwei verschiedene Sachverhalte.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich darf mich noch einmal wiederholen, Herr Kollege. Ich habe darauf hingewiesen, daß laut Stellenplan derzeit — d. h. nach dem Stand vom 15. April 1984 — 2 057 Stellen nicht besetzt sind. Das sind 4,2 % der im Stellenplan enthaltenen Stellen.
Die Aussage, bei der Bundesanstalt fehlten 5 000 Stellen, errechnet sich nach dem Personalbemessungssystem, das ich gerade erläutert habe. Dieses Personalbemessungssystem ist für den Bereich Leistungsgewährung drei Jahre alt, für den Bereich Berufsberatung eineinhalb Jahre. Der Einsatz der Datenverarbeitung ist nicht berücksichtigt. Es ist davon ausgegangen worden, daß sowohl für den Leistungsbereich wie auch für den Bereich der Berufsberatung und der Arbeitsvermittlung im Jahresdurchschnitt 2,3 Millionen Arbeitslose vorhanden sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz.
Herr Staatssekretär, darf ich noch einmal auf Ihre frohgemute Bilanz in der Antwort auf die Frage 14 des Abgeordneten Glombig zurückkommen: Wie erklären Sie sich, daß sämtliche Bedienstete in nahezu allen Arbeitsämtern unter dem Streß, der ihnen zugemutet wird, leiden und daß sämtliche Bediensteten sagen, daß die notwendigen Außenkontakte eben nicht in dem wünschenswerten Umfang durchgeführt werden können, und wie erklären Sie sich, daß Sie diesem Parlament einen ganz anderen Eindruck von der wirklichen Lage vermitteln?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6117
Vogt, Parl. Staatssekretär: Zuerst einmal, Herr Kollege, weiß die Bundesregierung um die hohe Belastung der Mitarbeiter in der Arbeitsverwaltung. Sie erkennt deren Leistung ausdrücklich an. Wir haben allen Grund, den Mitarbeitern der Arbeitsverwaltung für ihren Arbeitseinsatz zu danken, was ich für die Bundesregierung ausdrücklich tue.
Auf der anderen Seite weise ich aber darauf hin — ich brauche ja die Antwort auf die Frage des Abgeordneten Glombig nicht zu wiederholen —, daß die Arbeitsverwaltung auch in der Arbeitsvermittlung und in der Vermittlung von Ausbildungsstellen einen hohen Leistungsstandard hat und daß sie bei der Bearbeitung der Leistungsanträge nicht in Rückstand geraten ist; vielmehr werden die Anträge, die Leistungsberechtigte stellen, genauso zügig bearbeitet, wie es in den letzten Jahren der Fall gewesen ist.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz.
Herr Staatssekretär, ich muß noch einmal nachfragen: Wenn das alles so schön ist, wie erklären Sie sich dann, daß in einem der größten Arbeitsämter Deutschlands zeitweise Polizeiposten aufgestellt werden müssen, weil die Arbeits- und Ratsuchenden wegen der mangelnden personellen Betreuung wild werden?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lutz, ich habe hier gar kein ideales Bild gemalt, ich habe nicht schöngefärbt, sondern ausdrücklich gesagt, daß die Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung vor einer hohen Belastung stehen und daß sie eine hohe Arbeitsleistung vollbringen. Wenn sie das nicht tun würden, bekämen wir Schwierigkeiten bei der Arbeitsvermittlung, bei der Vermittlung von Ausbildungsplätzen und bei der Bearbeitung von Leistungsanträgen.
Ich habe gesagt, daß wir für das Jahr 1985 keine zeitweilige Wiederbesetzungssperre vorschlagen werden. Wir warten derzeit auf den Haushaltsentwurf und den Stellenplan, den die Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit vorzubereiten und vorzulegen hat. Wir werden dann, wenn die Selbstverwaltung der Arbeitsverwaltung ihre Vorschläge für 1985 gemacht hat, diese sorgfältig prüfen und den Personalbedarf unter den Gesichtspunkten beurteilen, unter denen wir dies auch in den letzten Jahren getan haben. Der Beantwortung der Fragen der Frau Kollegin Fuchs werden Sie ja entnehmen können, in welchem Umfang in den letzten Jahren Personalvermehrung stattgefunden hat.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Herr Staatssekretär, muß ich Ihrer Antwort an den Kollegen Glombig entnehmen, daß Sie das gegenwärtig geltende Personalbemessungssystem der Bundesanstalt in Frage stellen, und was haben Sie auf diesem Felde vor, um den Personalbedarf künstlich herunterzurechnen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Wir haben gar nicht vor, den Personalbedarf herunterzurechnen, sondern ich habe hier einige Anmerkungen zu dem Personalbemessungssystem gemacht, die sachlich begründet sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler. Zwar hatten Sie in Ihre Frage bereits zwei Fragen einbezogen, aber bitte!
Herr Staatssekretär, wenn Sie sagen, Sie wollten das Personalbemessungssystem nicht in Frage stellen, sondern nur andere, aktuelle Daten eingeben, zu welchen Ergebnissen kommen Sie denn nach den Daten, die Sie angeben, und welcher Faktor ist darin z. B. enthalten, um die Außen- und Beratungstätigkeit bei den Betrieben angemessen zu quantifizieren?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, entsprechend dem Verhältnis, das zwischen der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit, die eine Einrichtung der sozialen Selbstverwaltung ist, besteht, werden die Selbstverwaltungsorgane der Bundesanstalt für Arbeit für 1985 einen Stellenplan vorschlagen. Wir werden sehen, in welchem Verhältnis dieser Stellenplan zum Personalbemessungssystem stehen wird. Wenn diese Vorschläge vorliegen, können wir uns darüber sicherlich weiter unterhalten. Ich bin nicht in der Lage, ich bin auch gar nicht bereit, hier in dieser Fragestunde den Entscheidungen der Selbstverwaltung vorzugreifen. Das käme einer Mißachtung der sozialen Selbstverwaltung gleich. Dazu werden Sie mich hier nicht bringen.
Weitere Zusatzfragen, Frau Abgeordnete Steinhauer.
Herr Staatssekretär, wenn Sie die Überbelastung der Beschäftigten der Bundesanstalt für Arbeit kennen, werden Sie auch wissen, daß ihnen sicherlich nicht mit Dank hier gedient ist — und erst recht nicht den Arbeitslosen. Sie hatten gesagt, daß das Arbeitsplatzbewertungssystem bei der Bundesanstalt überholt sei. Nach welchem System wollen Sie denn in Zukunft bewerten? Wie wollen Sie den Stellenplan objektiv mit dem Bedarf in Verbindung bringen? Was hat das bisherige Stellenplanbewertungssystem gekostet?Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, das Personalbemessungssystem auf der einen Seite und der Stellenplan der Bundesanstalt für Arbeit auf der anderen Seite waren nie deckungsgleich. Ich hatte Sie schon darauf hingewiesen, daß das Personalbemessungssystem für den Leistungsbereich
Metadaten/Kopzeile:
6118 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Parl. Staatssekretär Vogtjetzt drei Jahre alt ist. Der Regierungswechsel hatte im Herbst 1982 stattgefunden.
Wir sind auch nicht, Frau Kollegin — so achten wir die Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit —, diejenigen, die das Personalbemessungssystem, das die Bundesanstalt für Arbeit in eigener Verantwortlichkeit entwickelt, sozusagen aus einer Position des Vormundes betrachten. Sie entwickelte das Personalbemessungssystem, sie macht uns einen Vorschlag zum Stellenplan, und wir werden den Stellenplan bewerten. Ich mache nur einige Anmerkungen sozusagen zur Aktualität der Zahlen, die aus dem Personalbemessungssystem heraus entwickelt werden.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinhauer.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, Sie seien nicht der Vormund der Selbstverwaltung. Ich selber gehöre der Selbstverwaltung, und zwar auf unterster Ebene, an. Sie haben vorhin selber gesagt, daß die Beschlüsse der obersten Selbstverwaltungsorgane von der Bundesregierung bewertet und, wie ich es auch erlebt habe, korrigiert würden. Wie erklären Sie sich dann solche Korrekturen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Sie wissen, daß der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit auf Grund des Arbeitsförderungsgesetzes von der Bundesregierung genehmigt werden muß. Dies ist seit 1969 so. Auch unsere Vorgänger im Amt standen vor dieser Aufgabe, den Haushalt zu genehmigen oder nicht zu genehmigen oder in Gespräche mit der Selbstverwaltung einzutreten oder solche in der Selbstverwaltung anzuregen, um zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen. Ich gehe davon aus, daß wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft ohne Konflikt zwischen der Bundesanstalt und der Bundesregierung, wenn auch hier und dort mit einigen unterschiedlichen Akzentuierungen, die Haushalte genehmigt werden. Und mit der Genehmigung der Haushalte werden eben auch die Personalhaushalte genehmigt.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin erklärt, Sie seien nicht Vormund. Soviel ich weiß, sind Sie aber Aufsichtsbehörde. Und dies haben Sie indirekt insofern bestätigt, als Sie sagten, der Haushalt müsse genehmigt werden. Da Sie nun den Haushalt genehmigen, darf ich doch einmal fragen, wieviel Prozent der nach dem Personalbemessungssystem erforderlichen Stellen Sie als Planstellen ausweisen. Es ist doch sicherlich richtig, daß dies der Genehmigung der Aufsichtsinstanz unterliegt.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß Sie darauf hinweisen, daß die Bundesregierung
nach dem Arbeitsförderungsgesetz über die Bundesanstalt für Arbeit nur eine Rechtsaufsicht hat, daß ansonsten die Bundesanstalt und natürlich die Gremien der Selbstverwaltung in eigener Verantwortung zu entscheiden haben.
— Wir haben auch den Haushalt zu genehmigen. Ich habe darauf hingewiesen.
Ich habe auch darauf hingewiesen, in welcher Phase wir uns befinden: In der Selbstverwaltung wird derzeit der Haushaltsentwurf für 1985 erörtert. Wir warten die Beschlußfassung der Selbstverwaltungsorgane ab.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Hatte ich Sie richtig verstanden, daß Sie auf der einen Seite sagten, Sie seien Rechtsaufsicht, andererseits aber sagten, Sie genehmigten den Haushalt. Wenn Sie den Haushalt genehmigen, genehmigen Sie doch auch Planstellen. Das ist doch nicht nur eine Rechtsaufsicht. Ist das so richtig?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich habe darauf hingewiesen, daß wir die Rechtsaufsicht haben und den Haushalt genehmigen. Aber wir haben — ich will es einmal konkret sagen — keine Möglichkeit, etwa per Weisung zu sagen: Für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden im Jahre X soundso viele Milliarden und Millionen DM eingesetzt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lohmann.
Herr Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme, daß die Zusatzfragen der Kollegen Glombig, Lutz, Stiegler und der Frau Kollegin Steinhauer exakt die Fragen waren — teilweise in wörtlicher Übereinstimmung —, die auf Wunsch der Abgeordneten Frau Fuchs vom Präsidenten zur schriftlichen Beantwortung vorgesehen waren?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lohmann, ich muß und kann dies bestätigen. Ich habe deshalb auch in der Beantwortung dieser Fragen auf die Antwort an die Kollegin Fuchs Bezug genommen.
Weitere Zusatzfrage, bitte sehr.
Wenn das so ist, könnte es in der Sache weitergehen. Ich habe die Frage, ob über die bisher von Ihnen geschilderten Aktivitäten der Arbeitsämter hinaus noch weitere Anstrengungen zur Gewinnung freier Arbeitsplätze vorgenommen werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6119
Vogt, Parl. Staatssekretär: Wir können nur den Präsidenten der Bundesanstalt ermutigen, die Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung zu drängen, daß sie einen engen Kontakt zu den Personalbüros der Unternehmen halten, damit die Vermittlungstätigkeit verbessert wird.Ich sage ebenso, daß der Vermittlungstätigkeit natürlich dort Grenzen gesetzt sind, wo ein Angebot an Arbeitsplätzen nicht vorhanden ist. Deshalb ist die beste Politik, die wir auch im Interesse der Bundesanstalt für Arbeit betreiben können, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß über eine wirtschaftliche Erholung auch mehr Arbeitsplätze angeboten werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dreßler.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Einschätzung zu, daß ein Arbeitsloser nach drei, vier oder fünf Wochen Arbeitslosigkeit schneller vermittelt werden kann als ein Langzeitarbeitsloser? Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich seit einigen Monaten erheblich gesteigert.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich nehme an, daß wir im Zusammenhang mit einer anderen Frage auf diesen Sachverhalt noch zurückkommen werden. Selbstverständlich ist es so: Je länger ein Arbeitnehmer arbeitslos ist, desto schwieriger ist die Vermittlung. An diesem Sachverhalt hat sich seit Jahren und Jahrzehnten nichts geändert. Deshalb setzen wir ja für diesen Personenkreis auf besondere Maßnahmen. Darum ist auch einer der Adressaten unserer Politik der beruflichen Fort- und Weiterbildung und unserer Politik der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Langzeitarbeitslose, dessen Vermittlungschance geringer ist.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, nachdem wir in dieser Einschätzung übereinstimmen: Können Sie mir auch zustimmen, daß die Arbeit der Vermittler in den Arbeitsämtern gerade bei Langzeitarbeitslosen zeitaufwendig ist, ja, daß diese Vermittler, was die Zeit betrifft, so überfordert sind, daß das Begehren, zusätzliches Personal zu bekommen, um diesen Langzeitarbeitslosen zu helfen, von der Bundesregierung positiver beantwortet werden sollte, als das bis jetzt von Ihnen aus der Fall gewesen ist?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreßler, ich habe ein Anliegen der Arbeitsverwaltung in personeller Hinsicht, in Fragen der Personalausstattung, nicht zurückgewiesen. Ich habe keine Vorlage, zu der ich Stellung nehmen könnte. Die Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit hat den Haushaltsplan für 1985 noch nicht vorgelegt. Das brauchte sie auch nicht. Wir werden auf diese Frage zurückkommen, wenn die Bundesanstalt ihren Vorschlag gemacht hat.
Ich muß Ihre Eingangsbemerkung bestätigen, daß die Vermittlung eines Langzeitarbeitslosen mehr Anstrengungen, mehr Aufwand, auch mehr zeitlichen Aufwand verursacht. Dies liegt auf der Hand. Das ergibt sich aus der Natur der Sache.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten de With.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause mitteilen, welche Weisungen die Vertreter der Bundesregierung in diesen Organen zu jenem Komplex haben, oder haben sie keine Weisungen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies ist nicht der Ort, darüber zu reden.
— Dies ist nicht der Ort, darüber zu reden, weil die Vertreter des Bundes weisungsungebunden sind. Deshalb ist das hier kein Thema. Wegen der Rechtslage und wegen der tatsächlichen Verhältnisse ist Ihre Frage nicht zu beantworten. Die Vertreter sind nicht weisungsgebunden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Weinhofer.
Herr Staatssekretär, können Sie die Kosten des Stellenbemessungssystems quantifizieren?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Nein. Dazu bin ich nicht in der Lage. Wir quantifizieren die Personalpläne, die Stellenpläne der Bundesanstalt für Arbeit, und nicht Personalbemessungssysteme.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Lutz auf:
Wie hoch wird nach den Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeit der Überschuß für das Haushaltsjahr 1984 sein?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesanstalt für Arbeit geht auf Grund eigener Vorausschätzungen zur Zeit davon aus, das Haushaltsjahr 1984 mit einem Überschuß von rund 3,1 Milliarden DM abschließen zu können.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie bei immer noch wachsenden Arbeitslosenzahlen Überschüsse erwirtschaftet werden? Was ist der Grund für diese Überschüsse?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Der Grund liegt in zwei Entwicklungen. Wir haben durch eine doch erhebliche Beitragserhöhung die Einnahmesituation der Bundesanstalt für Arbeit verbessert. Jeder Abbau auch von Arbeitslosigkeit, und sei es nur in
Metadaten/Kopzeile:
6120 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Parl. Staatssekretär Vogtder Form des Abbaus der Kurzarbeit, verbessert die Einnahmesituation der Bundesanstalt für Arbeit. Sie wissen, daß in den letzten Monaten die Zahl der Kurzarbeiter von 1,2 Millionen auf unter 300 000 gesunken ist. Wir haben auf der anderen Seite natürlich das Phänomen, daß sich die Langzeitarbeitslosigkeit auch bei der Bundesanstalt für Arbeit auf der Ausgabenseite dergestalt niederschlägt, daß der Anteil der Bezieher von Arbeitslosengeld unter den Leistungsempfängern zurückgeht und dafür die Quote der Empfänger von Arbeitslosenhilfe steigt. Sie wissen, daß der Aufwand für die Arbeitslosenhilfe der Bundesanstalt für Arbeit vom Bund voll erstattet wird.
Nächste Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, da Sie selber die Situation der Langzeitarbeitslosen sehr bedenklich und betrüblich und bedauerlich sehen, bin ich neugierig, zu erfahren: Wie werden Sie diese Überschüsse einsetzen, um Langzeitarbeitslosen wirksam zu helfen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung wird über diese Frage dann entscheiden, wenn wir es nicht mehr mit Prognosen, mit Schätzungen zu tun haben, sondern wissen, wie die Finanzsituation bei der Bundesanstalt für Arbeit tatsächlich ist. Es ist nicht Politik dieser Bundesregierung, Leistungsverbesserungen auf Grund von Geld anzukündigen, das noch nicht in der Kasse ist. Darin unterscheiden wir uns zum Teil von unserer Vorgängerregierung.
Zusatzfrage des Abgeordneten Feilcke.
Herr Staatssekretär, da Sie auf die Zusatzfrage des Kollegen Lutz so geantwortet haben, frage ich Sie: Übernehmen Sie die Einschätzung der Bundesanstalt für Arbeit hinsichtlich der Höhe des Überschusses des laufenden Jahres?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Wir sind in der Beurteilung der Situation nicht in der Lage, daß wir die Überschüsse für 1984 oder womöglich für die Zukunft wirklich greifen können. Wir haben — ich drücke das einmal vorsichtig aus — einige ungewöhnliche Monate hinter uns.
— Wir haben Monate hinter uns, die deshalb ungewöhnlich waren, Herr Kollege Glombig, weil der Mai und der Juni durch Arbeitskämpfe belastet waren und nach den Arbeitskämpfen die Urlaubsmonate kamen. Wir werden erst im September wieder einen sozusagen „normalen" Monat hinter uns haben. Dann wird sich die Entwicklung etwas konkreter und etwas präziser einschätzen lassen.
Im übrigen muß ich darauf hinweisen, daß wir auf Grund der tarifpolitischen Situation nicht genau einschätzen können, wie etwa 1985 das Vorruhestandsgeld in Anspruch genommen wird. Wir haben zum Glück festzustellen, daß für ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer, für die Tarifverträge abgeschlossen werden, auch Tarifverträge mit Vorruhestandsvereinbarungen abgeschlossen worden sind. Wir wissen noch nicht, ob und in welchem Umfang in diesem Jahr noch Tarifverträge hinzukommen werden. Das Gesetz greift, hat aber dann natürlich auch Konsequenzen für die Finanzlage der Bundesanstalt für Arbeit, weil der Zuschuß zum Vorruhestandsgeld von der Bundesanstalt für Arbeit gezahlt wird. Wir haben also eine Reihe von Faktoren, die sich heute nicht so exakt einschätzen lassen, daß ich die Annahme der Bundesanstalt für Arbeit bestätigen könnte oder auch dementieren müßte.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dreßler.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie sehr viel Wert auf die Unterschiedlichkeit dieser Bundesregierung im Vergleich zur Vorgängerin legen, sind Sie sicherlich imstande, uns mitzuteilen, wie das Verhältnis der Zahl der Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe beim Regierungswechsel, 1. Oktober 1982, war und wie es heute ist.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreßler, im Interesse des Kollegen Buschfort, der exakt diese Frage gestellt hat — sie ist noch nicht aufgerufen worden —, möchte ich von einer Beantwortung dieser Frage jetzt Abstand nehmen. Wir können uns darüber, wenn die Frage aufgerufen ist, ausgiebig unterhalten. Aber ich möchte hier ausnahmsweise die Interessen Ihres Kollegen Buschfort wahren.
Ob die Frage, die jetzt angeschnitten worden ist, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage 16 des Abgeordneten Lutz steht, ist wirklich sehr, sehr fraglich.
— Ich kann hier den Antwortenden nicht zwingen, die Frage zu beantworten.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dreßler, das ist natürlich eine sehr großzügige Interpretation dessen, was mein Verhalten hier bestimmt. Ich
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6121
Parl. Staatssekretär Vogthörte jetzt zufällig aus Ihren Kreisen die Bemerkung, der Kollege Buschfort sei heute nachmittag sowieso nicht anwesend; deshalb könne diese Frage doch jetzt beantwortet werden. Nur, Sie haben eine Serie von Fragen gestellt. Und es macht doch, wenn Sie sich in Ihrer Arbeitsgruppe auf diese Fragen schon vorbereiten, nur dann einen Sinn, wenn sie das so abwickeln, wie Sie es sich vorgestellt haben. Aber wenn Sie es nun unbedingt wissen wollen — —
Meine Damen und Herren, zur Klarstellung muß ich sagen, daß der Abgeordnete Buschfort um schriftliche Beantwortung gebeten hat. Wir haben jetzt über die Fragen 16 und 17 zu befinden. Die schriftliche Antwort wird an Herrn Buschfort ergehen, und er kann, sofern ihm die Beantwortung nicht ausreicht, diese Frage in der nächsten Fragestunde durchaus wieder aufgreifen und nachfragen. Ich glaube, das ist wohl der Sachverhalt, von dem wir auszugehen haben.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Herr Staatssekretär, können Sie quantifizieren, inwieweit der erwartete Überschuß auf Einnahmeverbesserungen, auf Leistungskürzungen und auf das Erschöpfen der Leistungsansprüche wegen Dauerarbeitslosigkeit zurückgeht?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, da wir derzeit den Überschuß nicht quantifizieren können — auf Grund von Faktoren, die ich genannt habe —, wäre es sicherlich etwas verwegen, Ihre Frage zu beantworten, welcher Teil eines nicht quantifizierten Überschusses auf welche Faktoren zurückzuführen ist.
Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, wie hoch ist denn der Teil des Überschusses bei der Bundesanstalt für Arbeit, der dadurch entstanden ist, daß Sie durch Kürzungen der Beiträge der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherung dort ein Loch gerissen haben?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, wir können natürlich auch jetzt in dieser Fragestunde die Schlachten der Vergangenheit weiterführen. Ich darf nur darauf verweisen, daß es der Vorschlag Ihrer ehemaligen Regierung gewesen ist, die Bemessungsgrundlage der Zahlungen der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherung für die Arbeitslosen von 100 % brutto auf 70 % brutto herabzusetzen.
Wir haben dann als Bemessungsgrundlage die
Lohnersatzleistungen genommen. Würde als Bemessungsgrundlage für die Rentenversicherungsbeiträge, die die Bundesanstalt für Arbeit für Arbeitslose zahlt, der letzte Bruttolohn genommen, dann würde dies die Bundesanstalt für Arbeit in der Größenordnung von etwas mehr als 5 Milliarden DM belasten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Heistermann.
Herr Staatssekretär, nach Ihrem Eingeständnis hat sich die Zahl der Arbeitslosenhilfeempfänger erhöht. Gleichzeitig haben sich auch die Zahlen der Sozialhilfeempfänger bei den Gemeinden erhöht, und zwar dadurch,
daß die Bundesanstalt für Arbeit weniger auszahlt. Ist die Bundesregierung bereit, den Gemeinden die Mehrkosten zu erstatten, die auf Grund der Leistungskürzungen entstanden sind?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zuerst einmal: Die Leistungskürzungen, von denen Sie sprechen, haben im Regelfall nicht dazu geführt, daß die Belastungen bei der Sozialhilfe gestiegen sind.
— Nein. Sie beziehen sich möglicherweise auf Angaben, die Sie weder hinsichtlich der Sozialhilfe- noch hinsichtlich der Arbeitslosenhilfebezieher exakt bestimmen können. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes — das ist die letzte verläßliche Zahl, die vorliegt — waren nur 10 % derjenigen, die Leistungen aus der Sozialhilfe nach den Regelsätzen bekamen, Menschen, die auch Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe bekommen haben. Der Prozentsatz war verhältnismäßig niedrig. Im übrigen haben wir bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe für Leistungsempfänger ohne Kinder bewußt darauf geachtet, daß bei einem durchschnittlichen Einkommen auch wirklich eine Leistung herauskommt, die oberhalb der Regelsätze der Sozialhilfe liegt.
Ein anderer Tatbestand — aber den können Sie hier nicht anführen — ist der, daß wir selbstverständlich eine größere Zahl von Berufsanfängern oder Berufswiederanfängern haben, die keine Arbeit gefunden haben, die also auch gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit gar keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen haben begründen können und die dann, wenn für ihren Unterhalt anderweitig nicht gesorgt ist, Ansprüche an die Sozialhilfe haben. Aber dies ist dann nicht Auswirkung von Leistungskürzungen, sondern ist einfach nur Folge der Tatsache, daß es mehr Menschen gibt, die gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit keinen Anspruch auf Leistungen durch Beitragszahlungen begründen konnten.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Reimann.
Metadaten/Kopzeile:
6122 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Herr Staatssekretär, Sie haben sehr weitschweifend
auf die Frage 16 des Kollegen Lutz geantwortet. Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie sagten, daß die 3,1 Milliarden DM Überschuß dadurch zustande gekommen sind, daß die Bundesregierung die Leistungen an die Arbeitslosen erheblich, drastisch zusammengestrichen hat?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe auf die Frage 16 des Abgeordneten Lutz mit drei Zeilen, in einem Satz geantwortet. Dies weitschweifend zu nennen, ist natürlich Ihrem Urteil anheimgestellt. Allerdings mußte ich etwas ausführlicher zu Fragen Stellung nehmen, die im Zusammenhang mit Frage 16 gestellt worden sind. Und auch da waren die Antworten, glaube ich, nicht weitschweifend. Vielmehr habe ich diese Fragen, weil sie so gestellt waren, so präzis beantwortet, daß Sie damit etwas anfangen können, wenn Sie bereit sind, die Antwort auch anzunehmen.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Überschüsse, die erzielt worden sind, von dieser Bundesregierung bereits verplant sind?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich nehme an, daß Sie erst sehr kurz an dieser Fragestunde teilnehmen. Sonst müßte ich ein anderes Urteil fällen. Hier ist aus meinem Mund keine einzige Andeutung über die Verwendung von Überschüssen gefallen, die noch nicht da sind. Ich wiederhole: Über Geld, das noch nicht in der Kasse ist, verfügt diese Bundesregierung nicht.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Glombig.
Herr Staatssekretär, um der unsinnigen Behauptung zu begegnen, daß die sozialliberale Koalition eine Bemessungsgrundlage von 70 % für die Beiträge der Bundesanstalt an die Rentenversicherung beschlossen hätte, frage ich Sie: Ist Ihnen nicht bekannt, daß ich am 10. September 1982 in diesem Hause im Namen der SPD-Fraktion gesagt habe: Diese sozialliberale Bundesregierung ist nicht die vorgesetzte Behörde der SPD-Fraktion, wir werden diesem Sozialabbau nicht zustimmen und auch nicht der Einführung einer Selbstbeteiligung? Ist Ihnen nicht bekannt, daß Sie darüber hinaus dann die Grundlage so verändert haben, daß heute nur auf der Grundlage von Sozialleistungen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Glombig, ich bin gern bereit, Ihnen und dem Hohen Hause die Nummer der Bundestagsdrucksache mitzuteilen, in der das Sechste Rentenversicherungs-Änderungsgesetz — so war wohl der Name — steht. Herr Kollege Glombig, wenn Sie Anfang September 1982 die Meinung vertreten haben, daß sowieso das Ende der SPD-FDP-Koalition genaht hat, und Sie sich deshalb von einer Gesetzesinitiative distanzieren, dann ist das Ihre Bewertung.
Ich kann hier nur feststellen: Diese Initiative hat diesem Hause vorgelegen.
Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Hürland.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben diesen Fragenkomplex hinreichend diskutiert. Man sollte sich jetzt langsam dem Ende zu bewegen und die Zusatzfragen einschränken.
Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident, ich gestatte mir, auf den Punkt der Frage 16 zurückzukommen. Herr Staatssekretär, Sie sind sicher mit mir einer Meinung, daß, wenn wir wie nach der Voraussage der SPD in diesem Jahr drei Millionen Arbeitslose hätten, wir heute nicht von Überschuß der Bundesanstalt für Arbeit, sondern von weiteren Zuschüssen der Bundesregierung an die Bundesanstalt für Arbeit sprechen müßten.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Aber selbstverständlich, Frau Kollegin, wäre dies so, wie Sie es in der Frage beschrieben haben. Aber es ist halt auch hier festzustellen, daß die Kassandrarufe der Sozialdemokraten mit der sozialen Wirklichkeit dieses Landes nichts zu tun haben.
Meine Damen und Herren, es liegen noch zwei Zusatzfragen vor, vom Abgeordneten Schmitt und vom Abgeordneten Weinhofer. Dann wollen wir diesen Fragenkomplex abschließen.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, sich in der Frage der Sozialhilfebelastung der Kommunen durch die Leistungskürzungen der Bundesanstalt und die Dauerarbeitslosigkeit beim Kollegen Dr. Waffenschmidt sachkundig zu machen, damit er Ihnen deutlich machen kann, in welchem Umfang nicht nur die Sozialhilfeleistungen als solche erheblich angestiegen sind, sondern wie sich aus den Kürzungen der Leistungen durch die Bundesanstalt wesentliche, auch verwaltungsmäßige Belastungen der Sozialämter ergeben, und sind Sie nicht der Auffassung, daß sich hier die Bundesanstalt zu Lasten der kommunalen Träger wesentlich entlastet hat?
Herr Abgeordneter, verzeihen Sie, Sie haben mehrere Fragen gestellt. Ich
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6123
Vizepräsident Wurbsbezweifle, ob sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage 16 stehen.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich nehme an, sie konzedieren dem Kollegen, daß diese Frage im Zusammenhang mit der Frage 16 steht. Deshalb will ich noch einmal auf meine Antwort hinweisen. Wir gehen, Herr Kollege, sehr sorgfältig den Berichten nach, daß die Gemeinden über den Anstieg der Leistungen bei der Sozialhilfe belastet werden. Denn wir haben kein Interesse daran, in diesem Bereich zwischen Arbeitsverwaltung, Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe auf der einen Seite und der Sozialhilfe auf der anderen Seite einen Verschiebebahnhof unseligen Angedenkens herzustellen. Wir gehen diesen Dingen sorgfältig nach.Ich muß Sie darauf hinweisen, daß nach den uns vorliegenden Erkenntnissen nur ein geringer Prozentsatz der Sozialhilfeempfänger Sozialhilfe erhält, weil sie Bezieher von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe sind. Deshalb werden Sie mich nicht dazu bringen, ein schiefes Bild von der Wirklichkeit zu malen. Ich muß weiter darauf hinweisen, daß es natürlich einen Anstieg der Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe für die Personen gegeben hat, die — ich wiederhole mich — als Berufsanfänger bzw. als Berufswiederanfänger keine Ansprüche gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit, also weder Ansprüche auf Arbeitslosengeld noch auf Arbeitslosenhilfe, haben. Dieser Personenkreis hat Anspruch auf Sozialhilfe, wenn ansonsten der Unterhalt nicht sichergestellt werden kann. Aber ich sage: Dafür haben wir ja auch den Rechtsanspruch auf Sozialhilfe als letztes Netz in unserem System der sozialen Sicherung geschaffen.
Letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Weinhofer, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben zu Anfang dieser Fragerunde davon gesprochen, durch die Streiks seien Beitragsausfälle entstanden. Durch die Streiks sind zwar 0,18 % der Jahresarbeitszeit ausgefallen, wie beurteilen Sie jedoch die Tatsache, daß dieser Ausfall bereits dreimal wettgemacht wurde mit der Folge, daß die Beitragseinnahmen entsprechend gestiegen sind, was nicht zuletzt aber auch dadurch bedingt war, daß der 17. Juni auf einen Sonntag fiel?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich will hier keine unnötige Kontroverse. Wenn ich mich etwas unklar ausgedrückt haben sollte, dann will ich diesen Punkt noch einmal klarstellen. Ich habe mit Blick auf den Arbeitskampf in den Monaten Mai, Juni nicht davon gesprochen, daß dadurch erhebliche Beitragsausfälle entstanden seien; das stand ja in einem ganz anderen Zusammenhang. Ich habe gesagt: Es waren zwei ungewöhnliche Monate in der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, beeinflußt, verursacht durch den Arbeitskampf. Dann kamen zwei Monate, die ebenfalls wenig über die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt aussagen, weil es Ferienmonate waren. — Ich habe deshalb gesagt: Wir werden erst Ende September, wenn die Zahlen über die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im September vorliegen, genauere, präzisere, konkretere Anhaltspunkte dafür haben, wie sich die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich darstellt. Dies wollte ich nur noch einmal klarstellen. Wenn mir dies — wie ich hoffe — gelungen ist, erübrigt sich Ihre Frage.
Keine weitere Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Lutz auf.
In wie vielen Arbeitsämtern sind die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereits erschöpft?
Bitte sehr.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, aus Gründen, die mit dem Inhalt der Statistik über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zusammenhängen, ist es derzeit nicht möglich, exakt mitzuteilen, in wie vielen der 146 Arbeitsämter die ABM-Mittel bereits ausgeschöpft sind. Wie die Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit mitteilt, waren von den 1,974 Milliarden DM Ausgabemitteln und Verpflichtungsermächtigungen, die nach Abzug der Reserve für Überhangmaßnahmen aus dem Jahre 1983 für neue ABM-Bewilligungen im Jahre 1984 zur Verfügung stehen, Ende August 1984 1,633 Milliarden DM durch Anerkennungsbescheide rechtlich gebunden. Der Differenzbetrag von 341 Millionen DM wird für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, deren Anerkennungs- oder Planungsverfahren noch läuft, benötigt.
In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß im August 1984 fast 82 000 Personen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt waren, die höchste Zahl seit Inkrafttreten des Arbeitsförderungsgesetzes im Jahre 1969.
Zusatzfrage, bitte sehr.
Da wir seit 1969 die höchste Zahl an Arbeitslosen haben, wäre das ja nicht erstaunlich, aber, Herr Staatssekretär, ich habe nicht nach dem Abfluß der Mittel gefragt, sondern ich habe gefragt: In wie vielen Arbeitsämtern sind die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen schon jetzt erschöpft? — Vielleicht können Sie mir, da Sie bisher immer nur sehr ungefähr geantwortet haben, auch eine ungefähre Größenordnung nennen.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur noch einmal darauf verweisen — ich habe Ihre Frage im ersten Satz beantwortet —, daß aus Gründen, die mit dem Inhalt der Statistik über die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zusammenhängen, es nicht möglich ist, exakt mitzuteilen, in wie vielen der 146 Arbeitsämter die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereits erschöpft sind.
Weitere Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, ist es nicht sehr bedauerlich, daß Sie solche Kenntnisse nicht haben,
Metadaten/Kopzeile:
6124 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Lutzwenn man sich vergegenwärtigt, daß wir derzeit tatsächlich weit über drei Millionen Arbeitslose haben, wie Ihnen alle Experten bestätigen werden?Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lutz, auch dies ist natürlich eine Behauptung, die ich nicht einfach so im Raum stehenlassen kann, denn Sie rechnen jetzt natürlich sehr, sehr großzügig das, was als stille Reserve bezeichnet wird, zu den Arbeitslosen dazu. Herr Kollege Lutz, ich unterstelle einmal, daß Ihre Frau ein Arbeitsverhältnis gehabt hat, auf Grund dessen sie Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit gezahlt und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben hat. Ich gehe weiter davon aus — wiederum eine Unterstellung; ich könnte es auch für mich und meine Frau sagen —, daß das Arbeitslosengeld ausgelaufen ist und Ihre Frau den Eindruck hat, daß sie im Augenblick nicht vermittelt werden kann, und daß sie auf Grund Ihres Einkommens nicht berechtigt ist, Arbeitslosenhilfe zu beziehen. Dadurch — ich darf das einmal so formulieren — verschwindet Ihre Frau in die stille Reserve. Sie meldet sich nicht — mindestens jeden dritten Monat — als registrierte Arbeitslose, als vermittlungsfähig, sie ist nicht Leistungsbezieherin, sie ist in der stillen Reserve. Wenn Sie solche Fälle zu den Arbeitslosen dazuzählen, ist das Ihre eigene Angelegenheit, nur dürfen Sie aus dieser stillen Reserve nicht die große Armutsmasse der deutschen Bevölkerung machen, denn dann müßte ich ja auch Ihre Frau zu den Armen in diesem Lande zählen, und Sie wollten doch sicherlich nicht, daß ich dies unterstelle.
Zusatzfrage des Abgeordneten Günther, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die neue Bundesregierung inzwischen jährlich dreimal soviel Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wie die alte Bundesregierung zur Verfügung gestellt hat?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur sagen, daß im August 1982 27 500 Arbeitnehmer in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt worden sind; derzeit sind es 82 000. Auch das macht deutlich, wie ernst diese Bundesregierung die Beschäftigungspolitik nimmt, eine Beschäftigungspolitik, die solide über Beiträge oder Steuern finanziert ist.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Kolb.
Herr Staatssekretär, wie viele Personen sind durch diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen direkt wieder dem Arbeitsmarkt zugeführt worden?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Es sind jetzt 82 000 beschäftigt. Und Ihre Frage war?
Wie viele konnten durch diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wieder vermittelt werden, d. h. dem aktiven Arbeitsmarkt zugeführt werden?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Die Frage kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich bin gern bereit, sie schriftlich zu beantworten.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß wegen Fehlens der Komplementärmittel der Bundesanstalt für Arbeit bei manchen Arbeitsämtern inzwischen nicht einmal mehr die vorhandenen Bundesmittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eingesetzt werden können, und wann endlich wird Ihr Haus darauf drängen, daß der überbezirkliche Mittelausgleich bei den Arbeitsämtern und Landesarbeitsämtern angekurbelt wird?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Dies wird doch, soweit ich informiert bin, gemacht. Der Ausgleich zwischen den einzelnen Landesarbeitsämtern wird vorgenommen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Sielaff.
Herr Staatssekretär, die Frage Nr. 17, um die es ja hier geht, ist sehr exakt gestellt. Deshalb meine Frage: Wissen Sie nicht, in wie vielen Arbeitsämtern die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erschöpft sind, oder wollen Sie dem Parlament hier keine Auskunft erteilen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann hier keine andere Auskunft geben, als ich sie im ersten Satz gegeben habe. Denn weder wir noch die Bundesanstalt für Arbeit können diese Frage, die hier so exakt gestellt ist, so exakt beantworten, wie das der Fragesteller und ich gern wünschen würden.
— Dies ist eben aus Gründen der Statistik so nicht beantwortbar, weder von uns noch von der Bundesanstalt für Arbeit. Sie können mir doch wohl unterstellen, bei einer solchen relativ unpolitischen Frage würde ich sehr gern eine sachliche Antwort geben. Die Bundesregierung hat hier gar nichts zu verbergen, lieber Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Feilcke.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit und in der Lage, zusätzliche Anstrengungen zugunsten von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vorzunehmen, angesichts der Tatsache, daß bei den Arbeitsämtern ABM-Anträge mit einem erheblichen Förderungsvolumen vorliegen, und angesichts der Tatsache, daß es eine große Zahl von Langzeitarbeitslosen und Schwervermittelbaren gibt?Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir werden uns zuerst einmal für das Haushaltsjahr 1985 darauf konzentrieren müssen, daß wir den hohen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6125
Parl. Staatssekretär VogtStand an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen halten können. Dies wird die Finanzen der Bundesanstalt für Arbeit sehr stark in Anspruch nehmen. Das ist unser erstes Ziel. Wenn sich für das Jahr 1984 ein Mehrbedarf herausstellen sollte und wir die entsprechende Mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit bekommen, wird die Bundesregierung entscheiden, ob Mehrausgaben nach den Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung genehmigt werden können. Aber zuerst wäre eine Mittelanforderung durch die Bundesanstalt für Arbeit erforderlich.
Meine Damen und Herren, ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß ich noch drei Fragen zulasse. Ich glaube, dann ist der Fragenkomplex hinreichend diskutiert.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Steinhauer.
Herr Staatssekretär, wenn Sie die Frage 17 schon als unpolitisch ansehen, es aber offenbar als politisch ansehen, wenn Sie hier hypothetisch die Frau eines Kollegen als Beispiel herausstellen, so darf ich Ihnen sagen, daß ich das sehr schlimm finde. Denn diese Frau ist schwerbehindert und ist wohl auf keinen Fall geeignet, hier als Beispiel herausgestellt zu werden. Zum anderen glaube ich, daß es doch wohl bei der Arbeitsverwaltung eine sogenannte Haushaltsüberwachungsliste gibt — —
Darf ich Sie bitten, eine Frage zu stellen.
Ja, ich stelle eine Frage. Ich glaube weiter, daß es auch eine Datenverarbeitung gibt, wonach man jederzeit feststellen müßte — sonst könnte man j a nicht hochrechnen —, welche Mittel noch da sind
bzw. noch vergeben werden können. Wären Sie bereit, wenn Sie das heute zu tun nicht in der Lage sind oder bereit sind, schriftlich zu geben, welche Mittel zur Zeit angesichts des Arbeitsmarktes noch zur Verfügung stehen, um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einzuleiten?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich möchte erst ein Wort dem Kollegen Lutz sagen. Wenn er den Eindruck gehabt hat, daß mit dem Beispiel, das ich gewählt habe, ihm etwas zugemutet wird, dann bitte ich für diese Zumutung um Nachsicht. Sie haben aber vorhin, als ich dieses Beispiel wählte, gehört, daß ich gesagt habe, ich könnte dies genauso als Beispiel für meine Frau sagen. Ich wollte dem Kollegen Lutz nicht zu nahe treten und bitte in dieser Frage um Nachsicht.
Ich will zweitens noch einmal auf folgendes hinweisen, Frau Kollegin. Eine Frage, die, wenn eine Statistik vorläge, sich aus der Statistik beantworten ließe, habe ich deshalb als eine verhältnismäßig unpolitische Frage charakterisiert, weil, wenn es die Statistik gäbe, in der jeder nachschauen kann, es natürlich hirnverbrannt wäre, diese Zahl, dieses
statistische Ergebnis hier nicht zu nennen. Wir haben nichts zu verbergen, sondern wir haben hier kein ausreichendes statistisches Material. Nehmen Sie das bitte mal so zur Kenntnis, wie ich dies hier gesagt habe. Das hat nichts mit bösem Willen oder sonst irgend etwas zu tun, sondern die Statistik liegt nicht vor, die erforderlich wäre, um die hochpolitische Frage des Kollegen Lutz zu beantworten.
Letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, im Nachgang zu der Frage des Kollegen Feilcke: Werden Sie sich als Bundesarbeitsminister bei der unstrittigen Wirksamkeit der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als eines wirksamen Instruments und angesichts der Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit, die in diesem Jahr zu erwarten sind, bei einer anstehenden Entscheidung der Bundesregierung über die Verwendung der Mittel dafür einsetzen, die Anträge für ABM, die vorliegen, zu bedienen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Peter, ich habe zum Ausdruck gebracht, welche Bedeutung nicht nur das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, sondern diese Bundesregierung den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zumißt. Dies ist durch Taten bewiesen. Es sind keine leeren Worte, die ich hier mache. Ich habe vorhin gesagt: Wenn die Bundesanstalt für Arbeit einen Mehrbedarf anmeldet, werden wir dies nach den Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung prüfen und die Frage stellen, ob es genehmigt werden kann. Die Voraussetzungen habe ich genannt.
Der Fragesteller der Fragen 18 und 19, der Abgeordnete Kirschner, hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Weinhofer auf:
Sind der Bundesregierung Überlegungen der Bundesanstalt für Arbeit bekannt, die Berechnungen der Arbeitslosenquoten von der heutigen Basis, der Volks- und Berufszählung bzw. den Mikrozensus-Ergebnissen, auf die Basis der Statistik sozialversicherungspflichtig Beschäftigter umzustellen, und welche Auswirkungen hätte das in der Praxis?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich die Fragen 20 und 21 gerne gemeinsam beantworten.
Sind Sie damit einverstanden?
Ja, gut.
Ich rufe dann auch die Frage 21 des Abgeordneten Weinhofer auf:
Metadaten/Kopzeile:
6126 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Vizepräsident WurbsWäre eine entsprechende Umstellung der Statistik geeignet, die bisher bekanntgewordenen regionalen Verzerrungen der Arbeitslosenstatistik zu beseitigen?Vogt, Parl. Staatssekretär: In der Bundesanstalt für Arbeit wird geprüft, ob durch eine Umstellung der Arbeitslosenquote von der heutigen Basis „Volks- und Berufszählung bzw. den MikrozensusErgebnissen" auf die Basis „sozialversicherungspflichtig Beschäftigte" auf aktuellere Beschäftigungsdaten zurückgegriffen werden könnte. Durch eine Umstellung der Berechnung der Arbeitslosenquoten könnten bisher bekanntgewordene regionale Unausgewogenheiten der Arbeitslosenquote beseitigt werden. Wegen der Datenbasis der Volks- und Berufszählung von 1970 können nämlich inzwischen erfolgte regionale Veränderungen in der Bevölkerungszahl nicht berücksichtigt werden.Allerdings würden sich bei einer solchen Umstellung schwerwiegende Verzerrungen der Arbeitslosenquote ergeben. Bei einer Basis „sozialversicherungspflichtig Beschäftigte" würde die Erfassung der Arbeitslosen am Wohnort, die der Erwerbspersonen am Beschäftigungsort — heute in beiden Fällen Wohnort —, erfolgen. Das bedeutet, daß grundsätzlich die unter Verwendung der Beschäftigtenzahlen ermittelten Arbeitslosenquoten im Vergleich zu den veröffentlichten Quoten in Ballungsräumen mit hoher Arbeitsplatzdichte tendenziell niedriger sind, in ländlichen Gebieten, aus denen eine große Zahl von Arbeitnehmern in die Ballungszentren pendelt, dagegen höher. Die neue Art der Quotenberechnung würde vor allem in den Umlandregionen der Städte ein Arbeitsplatzdefizit nachweisen, das wegen der Pendlerströme dort in Wirklichkeit nicht besteht.
Keine Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Schreiner auf:
Werden die Arbeitslosen regelmäßig in Abständen von nicht länger als drei Monaten zu einer Arbeitsberatung eingeladen, wie es nach § 15 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz vorgesehen ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schreiner, Ziel und Aufgabe jedes Beratungs- und Vermittlungsgesprächs des Arbeitsvermittlers mit einem Arbeitslosen ist die Förderung der beruflichen Eingliederung der Arbeitslosen. Angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage wird die Sollvorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes flexibel gehandhabt. Die Beratung erfolgt entsprechend den Bedürfnissen der Arbeitslosen. Grundsätzlich steht die Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung jedem Arbeitslosen jederzeit zur Verfügung. Von schematischen Routineberatungen dürfen jedoch die Arbeitsämter nach einer Weisung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit absehen, falls kein Beratungsbedarf erkennbar ist, also weder konkrete Stellenangebote vorliegen noch die Möglichkeit zur Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen besteht.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, könnten Sie die flexible Handhabung des entsprechenden Paragraphen des Arbeitsförderungsgesetzes quantifizieren, d. h. Ihre Aussage etwas präziser fassen und mir erklären, in welchen Abständen im Regelfall und in welchem prozentualen Verhältnis der betroffenen Arbeitslosen die Arbeitsämter von den entsprechenden Maßnahmen Gebrauch machen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich müßte, um diese Frage zu beantworten, bei der Bundesanstalt für Arbeit nachfragen. Ich bin gerne bereit, das zu tun und Ihnen die Antwort schriftlich mitzuteilen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dreßler, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie soeben richtig verstanden habe, daß die Beratung nach den Bedürfnissen der Arbeitslosen erfolgt: Können Sie mir dann noch einmal erklären, wie Sie nach Ihren Kenntnissen die Bedürfnisse der Arbeitslosen definieren?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit könnten Ihnen darauf für den Einzelfall jeweils eine konkrete Antwort geben. Das Bedürfnis der Arbeitslosen besteht darin, einen Arbeitsplatz zu finden, ein Arbeitseinkommen zu haben. Darauf ist die Vermittlungstätigkeit der Bundesanstalt für Arbeit abgestellt. Wie dies durch die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit sichergestellt wird oder sicherzustellen versucht wird, hängt jeweils von den örtlichen Gegebenheiten ab.
Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz.
Da die Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner geradezu zu erwarten war, sich notwendigerweise, zwangsläufig aus Ihrer Antwort ergeben mußte, frage ich Sie: Haben Sie mit dieser Eventualität tatsächlich nicht gerechnet, oder war die entsprechende Antwort der Bundesanstalt so verheerend, daß Sie sie uns hier nicht mitteilen wollen?Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lutz, es gibt ab und zu auch den Fall, daß die Bundesanstalt für Arbeit mögliche Zusatzfragen nicht aus dem Stand beantworten kann. Wir halten es bei der Beantwortung der Fragen, die mit dem Arbeitsmarkt zu tun haben, mit dem Grundsatz, daß wir — die Bundesregierung, das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und die Bundesanstalt für Arbeit — uns gegenseitig abstimmen. Die Antwort auf die mögliche Zusatzfrage war nicht so rechtzeitig einzuholen, daß hier eine Beantwortung hätte erfolgen können. Es tut mir leid, aber es gibt halt auch diese Tatbestände. Sie werden auf Grund früherer Tätigkeit sicherlich dafür Verständnis haben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6127
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jansen.
Herr Staatssekretär, die Interessenlage der Arbeitslosen ist doch sicherlich auch aus Ihrer Sicht so zu interpretieren, daß Arbeitsberatung heißt: Hinweisen auf Arbeitsplätze in anderen Branchen, Umschulungen, Mobilität, vielleicht sogar Wechsel eines Landes. All das kann dem Arbeitslosen helfen, wenn die Arbeitsämter personell dafür ausgestattet sind. Glauben Sie deshalb nicht mit mir gemeinsam, daß Ihre Antwort „flexibel vom Arbeitsamt gehandhabt" nicht ausreicht, sondern daß Sie hier wirklich mehr tun müssen?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaubte nicht, daß es erforderlich ist, in der Antwort auf diese Frage darauf hinzuweisen, daß die Bundesanstalt für Arbeit selbstverständlich das gesamte Instrumentarium, das ihr zur Verfügung steht, mit den einzelnen Arbeitslosen bespricht, die vermittelt werden wollen, insbesondere wenn sie deren Vermittlungschancen schlecht einschätzt. Das geschieht etwa unter den Gesichtspunkten: Kommt für den einzelnen eine Maßnahme der beruflichen Fort- und Weiterbildung in Frage? Kann ihm durch einen Einarbeitungszuschuß geholfen werden? Kann ihm vielleicht nur über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geholfen werden? Selbstverständlich wird das gesamte Instrumentarium der Bundesanstalt für Arbeit eingesetzt, um die Vermittlung zu erleichtern. Aber im konkreten Fall vor Ort kommt es für die Arbeitsverwaltung darauf an, einzuschätzen, welcher angebotene Arbeitsplatz für den einzelnen nachfragenden Arbeitnehmer in Frage kommt. In der Antwort auf eine Frage des Abgeordneten Glombig habe ich darauf hingewiesen, in welchem Umfang die Vermittlungstätigkeit in den letzten Monaten stattgefunden hat, und zwar mit Erfolg.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Fragestunde angelangt.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist gemäß Nr. 1 Buchstabe a) der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine
Aktuelle Stunde
Die Verhandlungsposition der Bundesregierung bei der anstehenden Jahresversammlung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank
vereinbart worden.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Beck-Oberdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den kommenden Tagen wird in Washington eine internationale Konferenz abgehalten werden, deren Bedeutung allenfalls für die internationale Finanzwelt durchschaubar ist, die von der Bevölkerung hier jedoch kaum wahrgenommen wird, die Jahresversammlung desInternationalen Währungsfonds und der Weltbank. So ist es auch möglich, daß diese Regierung weiterhin mit ihrem großen Herzen für die Dritte Welt prahlen wird, die geleistete Entwicklungshilfe herausstreicht, von der Eingeweihte wissen, daß man sie besser „Exportförderung für die bundesdeutsche Wirtschaft" nennen würde — ich erwähne nur das Stichwort „Mischfinanzierung" —, und auf diese Weise verschleiern wird, daß durch die Politik des Internationalen Währungsfonds jede Mark, die in die Dritte Welt geht, mehrfach in die USA und auch zu uns zurückfließt und das auf verschiedene Weise:
Erstens findet inzwischen als Folge der hohen Schuldendienstzahlungen ein Nettokapitaltransfer von den armen in die reichen Länder statt. 1983 waren es nach Angaben der Weltbank 21 Milliarden US-Dollar, die vor allem in die Taschen von Privatbanken geflossen sind, wobei sich auch die Banken der Bundesrepublik goldene Nasen verdient haben.Zweitens werden die Länder der Dritten Welt über die Verbindung von Auflagen mit der Gewährung von Krediten in den Weltmarkt zwangsintegriert. „Gürtel enger schnallen im Inland, mehr Export ins Ausland", das ist die Devise des IWF. Was nach außen als finanzpolitisches Problem verkauft wird, ist eigentlich das Herzstück der Entwicklungspolitik, wobei Entwicklungspolitik, hier selbstredend als Entwicklung der sowieso schon überreichen Industrieländer verstanden werden müßte; man könnte das auch finanzpolitischen Neokolonialismus nennen.
Hauptmotor für dieses geradezu teuflische System, in dem die Länder der Dritten Welt keine Chance haben, weil sie von den Entscheidungsprozessen ziemlich ausgeschlossen sind, sind die USA. Gegen die USA gibt es im IWF keine Entscheidung. Ähnlich wie in Fragen der Außen- und der Rüstungspolitik erweist sich auch hier die Bundesregierung wieder einmal als braver Musterschüler, denn ihre Entscheidungen laufen mit denen der USA stets parallel.
Eine Bemerkung möchte ich noch machen, weil morgen in diesem Hohen Hause j a lange darüber debattiert werden wird, wie das Ansehen dieses Hauses wieder gehoben werden kann und wie seine Bedeutung wieder gestärkt werden könnte.
Derweil wird der Herr Finanzminister zur IWF-Jahresversammlung in die USA reisen, ohne daß er sich genötigt gesehen hätte, diesem Parlament oder den Ausschüssen auch nur in irgendeiner Sitzung darzulegen, was für eine Politik er dort beim IWF vertreten möchte.
Metadaten/Kopzeile:
6128 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Frau Beck-OberdorfMan konnte allenfalls über eine AP-Meldung erfahren, daß sich Herr Stoltenberg dort entschieden gegen die Neuschaffung von Sonderziehungsrechten wenden wird. Es ist aber in diesem Hause und mit dem Parlament überhaupt nicht diskutiert worden, was für eine Politik dort vertreten werden soll.
Im Gegenteil, 1978 hat sich der Bundestag quasi selbst entmachtet. Seitdem hat er nämlich bei der IWF-Quotenerhöhung nicht einmal mehr mitzureden. Das heißt, wir haben hier ein wunderbares Beispiel für Entmachtung des Parlaments, und das gehört auch zu der morgigen Debatte.
Entweder wird also morgen nur eine Schaudiskussion stattfinden, mit der der Bevölkerung Sand in die Augen gestreut wird, oder der Herr Minister sieht sich jetzt genötigt, diese Aktuelle Stunde tatsächlich dazu zu nutzen, in diesem Hause darzulegen, was für eine Politik er in Washington zu vertreten gedenkt. Das gleiche gilt für Herrn Minister Warnke, der ja bei der Weltbank ebenso in dieser Weise verfährt, seine Positionen dort unter Ausschluß dieses Hauses darzulegen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Wartenberg.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen der Kollegin Beck-Oberdorf offenbaren das totale Mißverständnis über die Möglichkeiten und Aufgaben des Internationalen Währungsfonds.
Sie offenbaren darüber hinaus aber auch das Strukturdefizit der Partei der GRÜNEN, nämlich den Mangel an Sinn für ökonomische Zusammenhänge und den Verzicht auf Arbeit im Detail.
Mit unverbindlichen Phrasen kann man über ökonomische Wahrheiten nicht hinweggehen.
Sie kritisieren eine IWF-Politik, die es nicht gibt, Sie empfehlen eine IWF-Politik, die insbesondere für die Entwicklungsländer tödlich wäre,
und Sie mißverstehen eine IWF-Politik, die es unbeirrt fortzusetzen gilt.Aufgabe des Währungsfonds ist es, die Anpassungspolitik anpassungswilliger Mitglieder durch kurz- bis mittelfristige Währungskredite zu unterstützen
und damit die ohnehin notwendige Anpassung weniger schmerzhaft zu machen oder sie zu beschleunigen. Im Vordergrund der Aufgabe des Währungsfonds steht also die Hilfe bei der Anpassung an die Realitäten, an die eigene Leistungsfähigkeit und an die weltwirtschaftlichen Realitäten.Der Währungsfonds konnte nicht Ölschocks, sinkende Rohstoffpreise, hemmungslose Schuldenmacherei, verfehlte Planung verhindern; aber er konnte und kann jeder Regierung mit Rat und Geld helfen, die bereit ist, zu einer richtigen Finanz- und Währungspolitik zurückzukehren.
Die vom IWF gewährten Kredite sollen aber nicht dazu dienen, die Anpassung weiter hinauszuzögern, sondern dazu, sie zu ermöglichen.
Die Kreditvergaben des Währungsfonds und die damit verbundenen Stabilisierungsprogramme bestärken darüber hinaus in aller Regel andere Kreditgeber, insbesondere die international tätigen Banken, ihr Engagement zu erhalten und sogar zu erhöhen. Ohne diese Katalysatorwirkung wäre eine Bewältigung des internationalen Schuldenproblems vieler Länder überhaupt nicht denkbar, da öffentliche Mittel in den benötigten Größenordnungen niemals zur Verfügung stehen werden.Meine Damen und Herren, hat man sich die Ziele und Erfolge der IWF-Politik klargemacht, dann kann es nur einen Wunsch an die Verhandlungsposition der Bundesregierung bei der diesjährigen Jahrestagung in Washington geben: positiv, die Rolle des IWF zu stärken und ihn in die Lage zu versetzen, diese Rolle weiterhin auszuüben. Und negativ heißt dies, allen Versuchen entgegenzuwirken, den IWF umzufunktionieren; denn das Ergebnis wäre eine weitere internationale Organisation, die mehr durch forsches Reden als durch praktische Wirkung auf sich aufmerksam machen würde.
Zwei konkrete Entscheidungen stehen nächste Woche in Washington an: die Fortführung der Politik des erweiterten Zugangs zu Fondsmitteln und das Problem der möglichen Zuteilung von Sonderziehungsrechten. Beide Maßnahmen müssen in einem konstruktiven Geist diskutiert werden, im Sinne einer Stärkung des IWF. Wir würden es begrüßen, wenn sich eine Mehrheit für die Fortführung der Politik des erweiterten Zugangs zu Fondsmitteln fände. Skeptisch sind wir, was die von vielen geforderte Zuteilung von Sonderziehungsrechten betrifft. Die uns bekannten globalen Zahlen deuten nicht auf einen weltweiten Mangel an Währungsreserven hin, der eine Zuteilung von unkonditionierter Liquidität rechtfertigen könnte. — Deshalb hoffen wir, daß die diesjährige Jahrestagung zu einem vollen Erfolg wird, damit in unser aller Interesse, nicht zuletzt im Interesse der Entwick-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6129
Dr. von Wartenberglungsländer, das Ziel eines stetigen realen Wachstums erreicht wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mitzscherling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ohne jeden Zweifel wird die Verschuldungsproblematik das Hauptthema der Tagung sein; denn die Schuldenpyramide wächst weiter, und von vielen Entwicklungsländern können Zinsen und Tilgungen nur mit neuen Krediten der internationalen Banken geleistet werden. Diese Kredite sind aber immer schwieriger zu bekommen. Deshalb sind auch „Unfälle" — ich zitiere den Sprecher der Deutschen Bank, Herrn Dr. Guth — auf Grund politischer Entwicklungen in den Schuldnerländern, steigender Zinssätze usw. nicht auszuschließen. Was heißt das, „Unfälle"? — Unfälle wie Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit, Zusammenbrüche von Banken, die nicht genügend Risikovorsorge getroffen haben — das sind insbesondere die Banken in den Vereinigten Staaten — und mögliche Kettenreaktionen —, auch bei uns.
Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank sagen in ihren Berichten, daß die Probleme nur lösbar seien, wenn erstens die Industrieländer ein reales Wirtschaftswachstum von mindestens 3 % jährlich erreichen und so den Entwicklungsländern Exportchancen bieten; wenn zweitens die historisch hohen Realzinsen nachhaltig sinken und wenn drittens ein Auswuchern des Protektionismus verhindert wird.
Das sind drei große Wenn. Erstens. Ein kräftiges Wachstum findet zur Zeit nur in den Vereinigten Staaten und in Japan statt. Wie lange, das weiß niemand. Ob das wachstumsschwache Europa dann plötzlich als Lokomotive für die Weltwirtschaft vorprescht und die anderen ablöst, ist äußerst fraglich. Geschieht dies nicht, dann sieht es, wie Herr Stoltenberg kürzlich in einem Interview erklärte, zappenduster aus. Zweitens. Werden die Realzinsen nachhaltig sinken, insbesondere in den Vereinigten Staaten? Niemand weiß das. Drittens. Freier Welthandel? — Nun, der Protektionismus breitet sich überall aus, vor allem in den Vereinigten Staaten.
Wir haben die Finanz- und Geldpolitik der USA hier schon sehr oft diskutiert und kritisiert, weil sie für die Entwicklungsländer, aber auch für Europa schädliche Folgen hat, nämlich überhöhte Zinsen und einen überhöhten Dollar.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, neigen in letzter Zeit dazu, vor allem die Exporterfolge dieses hohen Dollars zu bejubeln. Der Sachverständigenrat seinerseits hat erklärt, daß per saldo die Nachteile für Europa und für die Entwicklungsländer überwiegen. Es besteht somit kein Anlaß, sich zufrieden zurückzulehnen.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion erwartet von der Bundesregierung bei den anstehenden Verhandlungen erstens, daß sie massiven Druck auf die Vereinigten Staaten ausübt, ihren ausschließlich an eigenen Interessen orientierten Wirtschaftskurs zu ändern, damit weltweit die Zinsen sinken können; denn ohne Realzinssenkung ist eine Lösung der Verschuldungsprobleme nicht möglich, auch nicht eine fortgesetzte wirtschaftliche Erholung in Europa.
Wir erwarten zweitens Druck auf die Vereinigten Staaten, daß sie auf den Protektionismus in ihrem Lande verzichten.
Wir erwarten drittens, daß auf die Regierung der USA auch Druck ausgeübt wird, den US-Banken mehr Risikovorsorge und die Abschreibung fauler Kredite über einen längeren Zeitraum hinweg vorzuschreiben.
Gestatten Sie mir die Anmerkung: Es ist unvertretbar, daß bei uns die Banken riesige Rücklagen bilden und sich mit Hilfe des Fiskus und damit auch auf Kosten der Steuerzahler gegen Risiken absichern, daß aber in Amerika nichts geschieht, weil die Aktionäre bedient werden wollen.
Wir erwarten ferner von der Bundesregierung, daß sie auf die Vereinigten Staaten einwirkt, sich an der Erarbeitung eines langfristig tragfähigen Konzepts zur Lösung der Verschuldungsprobleme zu beteiligen, und zwar gemeinsam mit den Entwicklungsländern.
Die SPD-Fraktion hat mit dem Zukunftsprogramm „Dritte Welt" ihre ersten Vorschläge zur Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Entwicklungsländer vorgelegt.
Von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, haben wir Wegweisendes bisher noch nicht zur Kenntnis nehmen dürfen.
Ich möchte offen sagen — da sollen wir uns auch nichts vormachen —: Was jetzt in Washington geschieht, wenn dort über Sonderziehungsrechte oder Quotenerhöhungen diskutiert wird, sind letztlich doch nur Versuche, mit der Schaffung von neuem Geld die Zahlungsunfähigkeit vieler großer Schuldner aus der Dritten Welt zu verbergen, damit die Finanzwelt der Industrieländer nicht in Unordnung gerät.
Herr Abgeordneter, die Redezeit ist abgelaufen. Darf ich bitten, das Pult freizugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Solms.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Mitzscherling, das Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten hat sicher Auswirkungen. Aber damit können Sie nicht die Verschuldungsprobleme der gesamten Entwicklungsländer und der freien Welt begründen.Frau Kollegin Beck-Oberdorf, wenn Sie so sehr interessiert sind, Ausführungen des Finanzministers zu der Verhandlungsgrundlage in Washington zu hören, dann wundere ich mich, daß Sie in der vorigen Woche, als Herr Tietmeyer eigens Ausfüh-
Metadaten/Kopzeile:
6130 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Dr. Solmsrungen machen und Erklärungen geben wollte, die Versammlung vorzeitig verlassen haben.
— Ich hatte den Eindruck, daß Sie entweder die Sachzusammenhänge schon kennen oder an den Ausführungen nicht mehr interessiert sind.
Die Grundlage der Probleme, über die wir hier diskutieren, sind die Schuldenprobleme im wesentlichen der Entwicklungsländer, aber auch einiger Industrieländer und der Schwellenländer. Es ist ganz klar, daß diese Verschuldungsprobleme auf Einflüsse zurückzuführen sind, die diese Länder nicht allein zu verantworten haben. Ich erinnere an die weltweite Rezession in den 70er Jahren auf Grund des Ölpreisschocks, ich erinnere an die Zinslasten, die durch die gestiegenen Zinsen gewachsen sind, ich erinnere an das Sinken der Rohstoffpreise, das die Exporteinnahmen der Entwicklungsländer sehr beeinträchtigt hat, und ich erinnere an die Verschlechterung der Terms of trade ganz allgemein.Es gibt für diese Verschuldungsprobleme keine globalen Lösungen. Wer solche vorschlägt — durch Schuldenmoratorium oder Schuldentilgungsverzicht —, der lenkt vom eigentlichen Problem ab.
Der IWF tut alles, um diese Verschuldungsprobleme zu entlasten und zu minimieren. Die Bundesregierung tut gut daran, ihn bei dieser schwierigen und verantwortungsreichen Politik zu unterstützen.
Aber es kann kein Zweifel sein: Den wesentlichen Beitrag müssen die Länder, die Ihre Verschuldungsprobleme vor sich herschieben, selber leisten.
Denn der IWF kann dazu nur begleitend beitragen. Auch die westlichen Banken können nur begleitet zu Umschuldungen beitragen. Sie können die Schuldenprobleme nicht aus der Welt schaffen.
Natürlich können die entwickelten Länder und die Industrieländer eines tun: Sie können die Sicherung dauerhaften inflationsfreien Wachstums erreichen und insbesondere dafür sorgen, daß ihre Märkte geöffnet bleiben oder geöffnet werden, und jeder Tendenz zum Protektionismus abschwören.Aber das kann nicht dazu führen, daß der IWF aufgefordert werden soll, ohne Konditionen seine Politik weiter zu betreiben. Eine unkonditionierte Politik würde im übrigen die Anstrengungen der Wirtschaftspolitiker in den Entwicklungsländern unterminieren, die Wirtschaftspolitik auf eine gesündere Grundlage zu stellen. Denn sie können diese Politik oft nur leisten und durchsetzen, indem sie sich gegenüber Ihren eigenen Parteien auf den Ratschlag und die Konditionen des IWF berufen.Ein gutes Beispiel dafür bietet die Türkei. Sie ist in eine erheblich bessere wirtschaftliche Situation im wesentlichen auch deshalb gekommen,
weil sie sich in ihrer Wirtschaftspolitik auf die Konditionen des IWF eingestellt und ihre Wirtschaftspolitik dadurch wesentlich verbessert hat.
Ich kann abschließend nur sagen: Kein Land kann auf Dauer über seine Verhältnisse leben. Sie können die Naturgesetze und die ökonomischen Gesetze nicht außer Kraft setzen.
Und wenn Sie Schuldentilgungsverzicht verlangen, dann dürfen Sie nicht vergessen: Damit entlasten Sie die Regierungen dieser Länder auch davon, daß sie einen Großteil der Mittel, die sie aus den entwikkelten Ländern bekommen haben, für Waffenkäufe benutzt haben. Und das ist ja genau etwas, was auch Sie nicht haben wollen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am vergangenen Mittwoch, dem 12. September, habe ich im Rahmen der Haushaltsrede zu den aktuellen Problemen des Internationalen Währungsfonds und zu den Grundsätzen der Politik der Bundesregierung, die sie im Hinblick auf die internationale Verschuldungskrise hat, Stellung genommen. Ich stelle deshalb fest, daß Ihre Behauptung, Frau Kollegin, die Regierung habe es versäumt, vor der Jahrestagung in Washington dem Hohen Haus zu berichten und zu einer Diskussion einzuladen, eine schlichte Unwahrheit ist.
Ich will das hier nur kommentieren.Ich möchte zu einem zweiten Punkt etwas sagen. Sie haben die Einladung zu der Debatte in der letzten Woche, an den drei Tagen, nicht angenommen, um heute morgen mit einer Pressekonferenz und dann anschließend mit einer Aktuellen Stunde Unrichtigkeiten zu verbreiten. Auch das ist ein bestimmter Stil der Auseinandersetzung, den ich hier nicht unerwähnt lassen will.
Frau Kollegin, was die Mitwirkung des Deutschen Bundestages betrifft, so kann sie bei Entscheidungen über die Quotenerhöhung aus gutem Grund nicht vorgesehen werden. Für die Quotenerhöhung ist die Bundesbank verantwortlich. Der Präsident der Deutschen Bundesbank ist nach ei-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6131
Bundesminister Dr. Stoltenbergner langen Tradition, die wir nicht verändert haben, der Gouverneur der Bundesrepublik Deutschland beim Internationalen Währungsfonds, der Entwicklungsminister der Gouverneur bei der Weltbank, der Finanzminister Delegationsleiter. Das hat seinen guten Grund. Denn das Risiko, die finanzielle Verantwortung für die Quoten, die Mittel, die wir dem Währungsfonds zuführen, trägt die Bundesbank. Sie allein bestimmt auch — natürlich in Konsens, in enger Zusammenarbeit mit der Bundesregierung — über die Frage, ob wir unser Engagement erhöhen. Es ist ein Kennzeichen unserer freiheitlichen Wirtschaftsverfassung, daß wir diese Selbstverantwortung der Bundesbank haben. Wir möchten dieses Element der Liberalität bewahren, und daraus ergeben sich gewisse Grenzen auch für die Entscheidungen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung. Ich möchte das nur zu den elementaren Tatbeständen sagen,
die Sie, wie Ihre Rede zeigt, nicht kennen. Ich empfehle, sie zunächst zur Kenntnis zu nehmen, bevor Sie eine Aktuelle Stunde beantragen und polemisieren.
Mit Formeln wie „ein teuflisches System" und den üblichen schon irrationalen Attacken gegen die Vereinigten Staaten von Amerika sind die hier zugrunde liegenden Probleme nicht zu lösen.
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben im Rahmen der Jahresversammlung und der Beschlüsse des Internationalen Währungsfonds einen Stimmenanteil von 19,2 %. Das entspricht wohl auch etwa ihrem Gewicht und ihrem Beitrag, den sie leisten. Es ist richtig, daß man bestimmte Entscheidungen — das haben einmal sehr bedeutende Persönlichkeiten, zu denen übrigens der oft zitierte Professor Keynes gehörte, als einer der Väter des Währungsfonds in der Nachkriegszeit, in Bretton Woods in den Fundamenten so festgelegt — mit 19,2 % verhindern kann. Man kann mit 19,2 % aber keine Entscheidung herbeiführen. Ich sage das nur zu der törichten Behauptung, das sei eine von den USA beherrschte Organisation. Solche Behauptungen haben wir bisher in der Moskauer „Prawda" gehört, aber nicht in einer ernsthaften Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland.
— Das ist die einzige Zeitung, in der ich es gelesen habe. Wenn Sie mir eine weitere zeigen, will ich sie gerne in meine künftigen Erwähnungen einbeziehen.
Wie verfehlt diese Einschätzung ist, Herr Kollege, wird darin sichtbar, daß in den letzten Jahren kommunistisch geführte Staaten wie Ungarn und die Volksrepublik China Mitglieder dieses Internationalen Währungsfonds geworden sind, der hier als Exponent eines teuflischen Systems bezeichnet wird, und daß zur Zeit ein Land wie Polen sich bemüht, die Mitgliedschaft wieder zu erwerben. Ich kann nach Gesprächen, auch in jüngster Zeit, mit führenden Regierungsvertretern einiger dieser Ostblockländer oder — im weiteren Sinne — kommunistisch geführter Länder nur sagen, daß sie die Mitarbeit in diesen Institutionen außerordentlich positiv beurteilen und daß z. B. Ungarn öffentlich den vom Währungsfonds natürlich auf Grund eines Anpassungsprogramms mit der Regierung Kadar vereinbarten Beistandskredit als eine wesentliche Hilfe zur Überwindung wirtschaftlicher und sozialer Schwierigkeiten gekennzeichnet hat. Das ist die Wirklichkeit und nicht die Scheinwelt, die Sie der deutschen Öffentlichkeit einreden wollen, meine Damen und Herren.
Die Bundesrepublik Deutschland ist kein braver Musterschüler. Das entspricht nicht der Rolle, die Herr Kollege Matthöfer und Herr Lahnstein in den letzten Jahren im Rahmen ihrer Verantwortung gespielt haben, und nicht unserer Rolle.
— Da geben Sie sich einem großen Irrtum hin. Wir haben in den letzten zwei Jahren wesentliche Entscheidungen maßgeblich beeinflußt. Sie konnten in führenden internationalen Zeitungen der westlichen Welt lesen, daß die Bundesrepublik Deutschland in der Frage der Quotenerhöhung, die im Interesse der Entwicklungsländer lag, hinsichtlich des erzielten Ergebnisses eine bedeutsame Rolle gespielt hat, daß wir die Amerikaner bewogen haben, in der Quotenerhöhung wesentlich weiterzugehen, als sie es ursprünglich wollten. Das ist eigentlich nicht das, was ein Musterschüler im allgemeinen tut.Meine Damen und Herren, im übrigen — lassen Sie mich dies noch sagen — kann man Institutionen fairerweise zunächst einmal nur an Hand ihres satzungsmäßigen Auftrages beurteilen.
Der Internationale Währungsfonds hat nach den zugrunde liegenden Verträgen, denen immer mehr Staaten beitreten — ich habe einige genannt —, die Aufgabe, dazu beizutragen, daß die Mitgliedsländer temporäre Zahlungsbilanzschwierigkeiten überwinden können. Dies kann nur in einem Vorgang der Anpassung, koordiniert mit ergänzender Hilfe durch andere, geschehen. Und Anpassung, Herr Kollege, ist j a nun nicht ein schlimmer Begriff; Sie haben das in einem Zwischenruf anklingen lassen.
— Ich bitte um Entschuldigung, aber ich kann in einer Aktuellen Stunde keine Zwischenfragen beantworten. — Anpassung ist, um das einmal volkstümlich zu sagen, das Erfordernis, daß jemand, der seine finanziellen Verpflichtungen leider nicht
Metadaten/Kopzeile:
6132 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Bundesminister Dr. Stoltenbergmehr erfüllen kann und der — aus welchen Gründen auch immer, manchmal auch aus vielleicht nicht selbstverschuldeten Gründen — über seine Verhältnisse lebt, seine Ausgaben und Aufwendungen wieder an die verfügbaren Mittel anpassen muß, um seine internationale Kreditwürdigkeit wiederzugewinnen. Denn ohne internationale Kreditwürdigkeit ist die Rolle der heute betroffenen Schuldnerländer hoffnungslos.
Es gibt, meine Damen und Herren, neben den negativen Beispielen starker sozialer Spannungen, politischer Erschütterungen in hochverschuldeten Entwicklungsländern, verbreiteten Elends doch eine große Zahl ermutigender Beispiele.
— Das will ich hier gerne tun. Es gibt eine Reihe von Ländern in Asien, von Indonesien bis Korea —, aber auch ein Land wie Indien in der jüngsten Phase seiner Entwicklung ist hier zu nennen —, in denen die Zusammenarbeit mit Weltbank und Währungsfonds zur Verbesserung der Situation auch für die Mehrzahl der Menschen in diesen Ländern entscheidend beigetragen hat.
Zum Schluß meiner Ausführungen noch folgendes: Es gibt neue Erfordernisse. Eine der wichtigsten Aufgaben ist, daß die Zusammenarbeit zwischen Währungsfonds und Weltbank weiter intensiviert wird, daß die nach den Statuten so kurz beschriebene Aufgabe des Währungsfonds noch wirksamer verbunden wird mit der Aufgabe der direkten Entwicklungshilfe auch für die Ärmsten der Armen, die die Weltbank wahrnimmt. Uns hierum in einem eigenen, konstruktiven Beitrag — in enger Zusammenarbeit mit den Industrieländern, in guter Partnerschaft mit den Entwicklungsländern — zu bemühen bleibt die Politik der Bundesregierung.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier nicht darum, den Internationalen Währungsfonds einseitig auf die Anklagebank zu setzen.
Denn zu einem Teil überschreitet das, was ihm vorgeworfen, vorgehalten wird, eindeutig das, was er überhaupt leisten kann. Aber heute, einen Tag vor der Abfahrt der deutschen Delegation nach Washington, geht es darum, zu sagen: erstens, worin die Opposition die Regierung unterstützt, zweitens, wo sie versucht, ihr Ratschläge mitzugeben, drittens, wo sie — auch dies ist wichtig — die Position der Bundesregierung scharf zu kritisieren hat.
Wo unterstützen wir die Regierung, Herr Stoltenberg? Wir unterstützen sie z. B. in der Haltung, daß der Fonds keine Mittel auf dem Kreditmarkt aufnehmen sollte. Wir, die SPD-Opposition, sind der Ansicht — Herr Solms, da liegen Sie ganz schief —, bei der Konditionalität sollte es bleiben. Das heißt, Mittel des Fonds sollte es unter Auflagen geben. Denn ansonsten besteht die Gefahr, daß sich Länder z. B. in kriegerische Abenteuer stürzen und dafür noch Geld vom IWF bekommen. Stichwort: Der Falklandkrieg kostete fünf Milliarden. Aber wir meinen, daß die Art und Weise der Auflagenpolitik des Fonds mit schweren Mängeln behaftet ist.
Erstens. In vielen Fällen wirken die Auflagen des IWF depressiv und verschärfen damit die Arbeitslosigkeit in den Schuldnerländern. Der Fonds muß in Zukunft darauf achten, daß bei seinen Auflagen die Arbeitsmarktsituation in den entsprechenden Ländern wesentlich mehr als bisher berücksichtigt wird.
Zweitens. Die Rüstungsetats der Schuldnerländer sind praktisch weitgehend aus der Konditionalität, den Auflagen, ausgenommen. Dies ist angesichts der steigenden Geldausgaben für Rüstung in der ganzen Welt und speziell auch in den Entwicklungsländern ein schwerer Mangel. Nun weiß ich, daß das nicht nur am Fonds liegt, sondern auch an den Supermächten, die der Dritten Welt mit großer Aufrüstung zeigen, wofür man das Geld ausgeben kann. Das liegt also auch an den Industrieländern, Herr Stoltenberg, die ihre Rüstungsexporte ausweiten. In diesem Zusammenhang ist es ein schwerer Fehler, daß die Bundesregierung auf das Vetorecht bei dem Export von Gemeinschaftsproduktionen — Stichwort: Tornado-Lieferung an Saudi-Arabien durch England — verzichtet hat. Sie unterstützen diese Politik.
Wir fordern eine stärkere Einbeziehung der Rüstungsetats in die Auflagenpolitik des Fonds.Ein dritter Mangel: Wie kann es eigentlich hingenommen werden, daß der Fonds etwa den lateinamerikanischen Ländern komplizierte, harte Auflagen für ihre Innenpolitik macht — Anheben der Brotpreise, Absenken der Löhne —, aber den Amerikanern keine Auflagen in bezug auf ihre Zinspolitik machen kann? Was soll ich diesen Ländern antworten, wenn sie mir sagen: Eine Erhöhung der Prime Rate um einen Prozentpunkt in den USA kostet uns zusätzlich 2,5 Milliarden Dollar an Zinsen; zugleich aber sagt der Fonds nichts in Richtung auf die USA, daß sie durch Herabfahren ihres enormen Defizits, überwiegend hervorgerufen durch Rüstungspolitik, die Voraussetzungen für eine Absenkung der Zinsen in den USA und in der ganzen Welt schaffen sollen.
Die Forderungen der SPD an Sie mit Blick auf diese Tagung lauten, was die unmittelbar dort zu entscheidenden Fragen angeht: Verschließen Sie
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6133
Frau Matthäus-Maiersich nicht einer Aufstockung der Sonderziehungsrechte, sei es in diesem oder auch im nächsten Jahr — da sind wir beweglich —, sorgen Sie für eine Verlängerung des erweiterten Zugangs. Aber mindestens so wichtig wie diese aktuell zu entscheidenden Fragen sind die Fragen, die im Umfeld einer solchen Fondstagung besprochen werden, wenn dort 146 Finanzminister versammelt sind, insbesondere die wichtigsten der Welt.Unsere Forderungen lauten: Erstens. Wirken Sie stärker auf die USA ein, daß dort das Haushaltsdefizit zurückgefahren wird, auch vor den Wahlen, oder wenigstens Absichtserklärungen abgegeben werden, damit die Zinsen sinken. Zweitens. Reden Sie nicht nur vom freien Handel, sondern sorgen Sie dafür, daß der Protektionismus in den USA und in der Europäischen Gemeinschaft zurückgeht. Drittens. Sorgen Sie für verbesserte Austauschverhältnisse für die Dritte Welt. Viertens. Unterstützen Sie langfristige Umschuldungsabkommen. Mexiko ist dafür ein Beispiel. Stichwort: Feste Zinsen, Kapitalisierung, Umwandlung von Dollarschulden in andere Währungen usw. Fünftens. Lassen Sie bei solchen Diskussionen den Rüstungswahnsinn auf der ganzen Welt nicht draußen vor.
Tausend Milliarden Dollar an Rüstungsausgaben in der ganzen Welt können bei der Lösung dieser Probleme nicht vor der Tür gelassen werden.Da dies alles der Währungsfonds nicht allein leisten kann — schon nach seinen Statuten nicht —, fordern wir Sie auf, die Forderung nach einer internationalen Schuldenkonferenz zu unterstützen, die noch vor wenigen Tagen erhoben worden ist, damit dort solche Fragen umfassend und langfristig diskutiert und geregelt werden können.Wir danken Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lammert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Matthäus-Maier, mich hat bei Ihrer Rede der Gedanke beschäftigt, was wohl Ihre jetzige Partei vor wenigen Jahren gesagt hätte, wenn die amerikanische Regierung der damals im Amt befindlichen Bundesregierung gegenüber wegen der im Begriff befindlichen massiven Haushaltsverschuldung in der Bundesrepublik mit solchen heftigen Vorhaltungen aufmarschiert wäre, wie Sie nun dem Bundesfinanzminister mit nach Washington geben wollen.
Meine Damen und Herren, zum Markenzeichen der GRÜNEN bei parlamentarischen Debatten istja nicht nur heute die Beharrlichkeit geworden, auf richtige Fragen die falschen Antworten zu geben
und dieses Mißgeschick — wenn überhaupt — eher durch Zurückziehen der Frage als durch Aufgabe der irrtümlichen Antwort aufzulösen. In der Tat ist die richtige Frage nach den Dimensionen der internationalen Verschuldensproblematik, ihren wirtschaftlichen und politischen Implikationen und möglichen Lösungsstrategien mit der Identifizierung internationaler Finanzorganisationen als Brandstifter eben falsch beantwortet.
Es kann überhaupt keinen Zweifel daran geben, daß das oft und nicht ganz zu Unrecht an die Wand gemalte Menetekel eines Zusammenstürzens der internationalen Schuldentürme möglicherweise bei der Erklärung der Zahlungsunfähigkeit Mexikos vor genau zwei Jahren eingetreten wäre, wenn damals nicht der Internationale Währungsfonds mit seinem Problemmanagement eingetreten wäre und den höchst komplizierten Prozeß der Findung eines Einvernehmens, einer Übereinkunft zwischen mehreren hundert privaten Banken in der Weise organisiert hätte, die in der Zwischenzeit bei einer ganzen Reihe von Ländern — es sind mehrere Dutzend — Anwendung gefunden hat. Damals ist das Konzept einer Lösung akuter Finanzierungsprobleme durch massives Eintreten und Engagement des Internationalen Währungsfonds entwickelt worden, das noch heute in immer wiederkehrenden Einzelfällen eine Überwindung akuter Probleme bezüglich der Liquidität dieser Länder ermöglicht.Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß in diesem Zusammenhang zwischen dem beantragenden Land und dem Internationalen Währungsfonds zustande kommende Sanierungsprogramme mit schmerzhaften wirtschaftlichen Einschnitten verbunden sind. Nur: Wenn man hiergegen polemisiert und diese für grundsätzlich oder in der Ausgestaltung vermeidbar hält, dann muß man darauf hinweisen, daß — erstens — die Konditionen — darüber scheint ja zumindest zwischen der SPD und den Regierungsfraktionen Übereinstimmung zu bestehen — schon deswegen notwendig sind, weil es j a nicht reicht, Zahlungsbilanzdefizite zu finanzieren, sondern eine Lösung für diese Zahlungsbilanzdefizite zu finden ist, daß sich — zweitens — die vereinbarten Sanierungsprogramme kaum von den Maßnahmen unterscheiden, die auch ohne Einschaltung des IWF notwendig geworden wären,
daß sie — drittens — einen größeren zeitlichen und sachlichen Spielraum für Anpassungsmaßnahmen eröffnen, als das ohne solche internationalen Vereinbarungen möglich wäre, und daß sie — viertens — die Kreditwürdigkeit der betreffenden Länder wiederherstellen oder mindestens stärken, ohne die der Anpassungszwang noch massiver, noch kurzfristiger und noch radikaler wäre.
Metadaten/Kopzeile:
6134 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Dr. LammertWenn man das einmal ohne Erregung und Leidenschaften von den Fakten und Zahlen her beurteilt, ist im übrigen unübersehbar, daß diese Anpassungsprogramme im großen und ganzen — ich sage bewußt: im großen und ganzen — auch durchaus erfolgreich gewesen sind. Wenn wir nämlich die Entwicklungslinien der nicht ölexportierenden Entwicklungsländer mit und ohne Anpassungsprogramme miteinander vergleichen, dann fällt auf, daß sich das Inflationstempo in den Ländern mit Anpassungsprogrammen verringert hat, daß sich ihre Leistungsbilanzen im Gegensatz zu den anderen Ländern, absolut und relativ gesehen, verbessert haben, daß nach kurzfristigen Wachstumsrückgängen die langfristigen Wachstumsperspektiven in diesen Ländern günstiger sind als in den Ländern ohne solche Programme und daß es entgegen anderslautenden Spekulationen keinen realen Verbrauchsrückgang, sondern einen Zuwachs des realen Verbrauchs in diesen Ländern gegeben hat. Daß darüber hinaus sowohl Schuldenmoratorien als auch Verweigerungsfronten auf diesem Wege vermieden werden konnten, ist ein zu unverzichtbarer Beitrag zur Verhinderung des Chaos, vor dem in anderem Zusammenhang immer wieder gewarnt worden ist.Die Bundesregierung hat in ihrem Jahreswirtschaftsbericht und in Einlassungen beim Weltwirtschaftsgipfel zu Protokoll gegeben, daß Anpassungsmaßnahmen den Gesichtspunkt der sozialen Verträglichkeit im Auge haben müssen. Wir stehen nicht an, auch in dieser Debatte diesen Gesichtspunkt noch einmal ausdrücklich zu betonen. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß die Lösung der Schuldenprobleme auf allen Seiten — bei Gläubigern und Schuldnerländern — Einsicht in Realitäten, Verantwortungsbewußtsein und Augenmaß voraussetzt. Die wortreiche Bekundung des guten Willens ersetzt ökonomischen Sachverstand eben nicht.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Gottwald.
Da hier immer wieder von Strukturanpassungsmaßnahmen geredet wird, die von den Entwicklungsländern gefordert werden, und da heute Worte wie „hemmungslose Schuldenmacherei" fielen, möchte ich doch einmal ein Beispiel erzählen, das ich selbst erlebt habe, um noch einmal die Frage der eigentlichen „Schuld" aufzuwerfen. Wer ist eigentlich schuld an der Verschuldung der Entwicklungsländer? Ich glaube nämlich, daß hier immer wieder der Versuch gemacht wird, die Schuld auf die Seite der Entwicklungsländer zu schieben.
Ich bin im Sommer dieses Jahres in Argentinien gewesen und hatte dort ein Gespräch mit einem Mitglied der argentinischen Regierung über Wirtschaftsfragen und Verschuldung. In diesem Gespräch fragte mich dieses Regierungsmitglied, ob ich Interesse daran hätte, zwei Fregatten zu kaufen. Ich habe daraufhin geantwortet, ich hätte leider kein Interesse, und habe mich erkundigt, warum er mich das fragte.
Er sagte, er habe auch kein Interesse, Fregatten zu kaufen, er habe nur das Übel, welche kaufen zu müssen. Das Problem wäre folgendes. Die Militärs hätten die Fregatten bestellt — bei der Bundesregierung; das weiß jeder —; sie hätten sie auch gebraucht — unter anderem, um einen Krieg wie den Malvinas-Krieg zu führen —; die jetzige Regierung habe allerdings das Problem, weder das Interesse zu haben, sie zu benutzen, noch diese Fregatten bezahlen zu können.
In der Diskussion sagte der Vertreter der deutschen Botschaft in Argentinien zu diesem Regierungsmitglied, er solle sich doch einmal überlegen, ob es nicht für die argentinische Wirtschaft gerade im Bereich des Rüstungsexports notwendig wäre, mit dem Land Brasilien Konkurrenz zu halten, weil nämlich Brasilien auf dem Rüstungssektor einen relativen Vormarsch praktizieren würde,
und Argentinien sei doch in der glücklichen Situation, daß es das Know-how habe — aus der Bundesrepublik selbstverständlich —, mit diesem Konkurrenten Brasilien Schritt halten zu können.Ich wollte das nur einmal als Beispiel erzählen, weil nämlich Argentinien eines der am meisten verschuldeten Länder ist, weil die Bundesrepublik drittgrößter Handelspartner Argentiniens ist und weil die Hälfte der Verschuldung, die Argentinien bei der Bundesrepublik hat, sich auf den Bereich Rüstung und Atomkraftwerke bezieht.In diesem Gespräch, das ich hatte, wurden mir dann zwar nicht Atomkraftwerke angeboten, aber es wurde darauf hingewiesen, daß Argentinien als eines der an natürlichen Ressourcen reichsten Länder in Lateinamerika keine Atomkraftwerke benötige, und es wurde nochmals der Verweis darauf gemacht, daß die Militärs offensichtlich ganz andere Interessen gehabt hätten, diese Atomkraftwerke zu kaufen.
— Versuchen Sie einfach einmal, diesen Gedankengang nachzuvollziehen. Vielleicht können Sie sich die Antwort dann selber geben.Heute verlangt die Bundesregierung von der neuen demokratischen Regierung in Argentinien, daß sie die Schulden der damaligen Militärs bezahlt, d. h. es wird von dieser Seite aus selbstver-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6135
Frau Gottwaldständlich darauf insistiert, daß die alten Verträge eingehalten werden.
Beachtenswert dabei ist, daß die Hälfte der Schulden gegenüber der BRD Rüstungsgüter und AKWs betreffen. Die Goodwilltour, die dann unser Bundeskanzler in Argentinien gemacht hat, schmälert sich in ihrer Bedeutung schon etwas, wenn man sich diesen Hintergrund einmal vor Augen führt.Der Bundeskanzler hat sich dort ganz hilfreich angeboten, selbstverständlich mit dafür Sorge tragen zu wollen, daß Argentinien sein Schuldenproblem lösen könne. Selbstverständlich müsse Argentinien natürlich vorher mit dem IWF verhandeln, und selbstverständlich — so denke ich mir — dachte der Bundeskanzler dabei nicht zuletzt an die Schulden, die Argentinien in der Bundesrepublik für Rüstungsgüter und Atomkraftwerke hat.Ich komme zum Schluß und möchte die Regierung zitieren, um das Ganze noch einmal zu verdeutlichen. Eine Antwort auf eine unserer Großen Anfragen enthält den Satz der Bundesregierung:Wie in der Vorbemerkung angeführt, geht es nicht darum, den Schuldenstand der Schuldnerländer generell zu verringern, sondern darum, wieder zu einer tragbaren Zahlungsbilanz-und Verschuldungsposition zu kommen.Das heißt auf deutsch, es geht der Bundesregierung nicht darum, das Verschuldungsproblem zu lösen, indem eine vernünftige Wirtschaftspolitik dieser Länder konzipiert wird, sondern es geht darum, ausschließlich dafür Sorge zu tragen, daß die Zinsen an die Industrieländer zurückgezahlt werden. Das bedeutet, der Auftrag, den der IWF hat, ist, die Kuh, die man weiterhin melken will, nicht zu schlachten. Unter diesem Motto sollten wir die Diskussion heute führen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rumpf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde ist darauf angelegt, der Bundesregierung nachzuweisen, daß ihre Beteiligung an internationalen Währungsfinanzsystemen nicht zu einer echten Hilfe für die Entwicklungsländer beigetragen habe. Es wird versucht, dies an einem Beispiel aus der ländlichen Entwicklung, an dem sich die Weltbank beteiligt hat, darzustellen. Selbst wenn man einräumt, daß nicht alle Projekte zu dem gewünschten Erfolg geführt haben, muß man doch einmal feststellen, daß keine Alternativen möglich waren und sind, es sei denn, man würde einfach sagen: Nichts zu tun ist das Allerbeste, jeder soll sich selbst helfen. Die meisten vom IWF und der Weltbank geförderten Projekte der ländlichen Entwicklung sind aber sehr erfolgreich gewesen und haben zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen beigetragen, nicht unter dem Motto: Hilf dir selbst, sondern unter dem Motto und dem Grundsatz, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.
Der Anteil der Finanzierungen durch die Weltbankgruppe im ländlichen Bereich — also im Bereich von Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gesundheitsvorsorge und sozialer Infrastruktur — machte über 40% aus und entspricht demnach dem auch vom Deutschen Bundestag geforderten Konzept für die Befriedigung von Grundbedürfnissen. Der Anteil von Strukturanpassungsdarlehen der Weltbank betrug hingegen nur 10 %. Die Finanzierung von Exportförderungsprojekten, ein Hauptkritikpunkt, an dem praktisch ja die gesamte Aktuelle Stunde hier aufgehängt werden sollte, macht nur 2 % des Ausleihevolumens aus. In diesem Zusammenhang müßte man sich beinahe fragen, ob das ausgereicht hat — in Anbetracht der Erfolge bestimmter Ländergruppen, besonders in Asien. Ich nenne Singapur, Korea, Malaysia und Thailand. Der Bundesfinanzminister hat schon darauf hingewiesen.
So stößt die traditionelle projektbezogene Arbeit der Weltbank in manchen Entwicklungsländern an Grenzen. Wenn aber eine gewisse Entwicklungsdynamik erhalten werden soll und diese mit der Verbesserung der Weltkonjunktur eher beschleunigt werden kann, muß der begonnene wirtschaftspolitische Dialog der Weltbank und des IWF mit den Entwicklungsländern intensiviert werden. Es muß ein politischer Dialog sein, in den auch die Fragen der Familienplanung und der Rüstungsexporte und -importe einzubeziehen sind. Die Entwicklungsländer müssen jedenfalls echte Partner bleiben oder die Fähigkeit erhalten oder sie erlangen, selbst auch untereinander Handel zu treiben. Sie müssen in die Lage versetzt werden, daß sie untereinander Handel treiben können. Sie dürfen nicht ewig Almosenempfänger bleiben. Die Bundesregierung kann bei der Konferenz in Washington hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
Auch der Europarat sagt ja in seiner Entschließung —, Herr Schwenninger, Sie haben ihr doch zugestimmt —, daß die Weltbank sich einen größeren Finanzrahmen für die Entwicklungspolitik, für Entwicklungsprojekte zulegen sollte und daß sie ökologische Projekte sozusagen mit weicheren Bedingungen ausstatten sollte. Dem haben Sie zugestimmt, Herr Schwenninger. Sie wissen das offensichtlich schon gar nicht mehr.
Mit Ihrer Ablehnung der internationalen Finanzierungssysteme wollen Sie diese Entwicklung in den Entwicklungsländern verhindern. Ich glaube, die Staaten der Dritten Welt werden sich dafür bei Ihnen bedanken.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Metadaten/Kopzeile:
6136 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Rumpf dankbar, daß er die Diskussion auf die zweite Säule der Bretton-Woods-Einrichtungen, auf die Weltbankgruppe gebracht hat, die mit der Bank selbst, der Internationalen Entwicklungsorganisation — IDA — und der Internationalen Finanzkorporation — IFC — eine der wichtigsten Einrichtungen der multilateralen Entwicklungshilfe ist.Die Weltbank hat in den nun 40 Jahren seit ihrer Gründung ihre Leistungsfähigkeit und ihre Fähigkeit, sich schnell auf neue Herausforderungen einzustellen, unter Beweis gestellt. Lassen Sie mich zwei Fälle zitieren. Zum einen hat eine ganze Reihe von Entwicklungsländern, insbesondere in Südostasien, in ihrer Industrialisierung derartige Sprünge nach vorn gemacht, daß sie heute Schwellenländer sind, daß sie heute die Probleme der Verschuldungskrise nicht kennen und daß sie in den Zukunftsindustrien die Weltspitze erreicht haben.Zum anderen hat die Weltbankgruppe dafür gesorgt, daß wesentliche Beiträge zur Bekämpfung der absoluten Armut und zur Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung geleistet worden sind. Ich möchte an dieser Stelle des früheren Bankpräsidenten McNamara gedenken, der in seiner berühmten Rede am 24. September 1973 zwei Schwerpunkte gesetzt hat, die seitdem die internationale entwicklungspolitische Diskussion und Zielsetzung bestimmt haben, nämlich erstens die Bekämpfung der absoluten Armut und zweitens den Vorrang der ländlichen Entwicklung. Dies ist in dieser Klarheit vom Weltbankpräsidenten McNamara als grundlegende Zielsetzung in die Entwicklungspolitik eingeführt worden.Die Projekte der Weltbankgruppe sind in der Tat wesentlich grundbedürfnisorientiert. Rund ein Viertel aller Mittel fließen in die ländliche Entwicklung. Bei den am wenigsten entwickelten Ländern sind es 40 O/0 der Mittel, die in die ländliche Entwicklung fließen. Das heißt auch Sicherung der Ernährung aus eigener Kraft.
Die Weltbank, Herr Kollege Schwenninger, hat darüber hinaus die Aufgabe — sie erfüllt sie auch —, zusätzliche Mittel aus den Industrieländern in die Länder der Dritten Welt zu übertragen, und zwar zusätzlich zu jener Entwicklungshilfe, die wir von Regierungs wegen geben.
Im Jahre 1984 sind es allein 1,8 Milliarden Dollar. Es sind fast 5,5 Milliarden DM gewesen, die den Ländern der Dritten Welt aus der deutschen Volkswirtschaft über die Weltbank zur Verfügung gestellt worden sind.Wir werden uns im Kreise der Gouverneure — Sie haben gefragt, was in der nächsten Woche in Washington, die Weltbank betreffend, geschehen soll — dafür einsetzen, daß die Sicherstellung der Ernährung aus eigener Kraft Hauptanliegen derWeltbank, insbesondere auf dem akut vom Hunger bedrohten schwarzen Kontinent, bleibt.
Wir werden darüber hinaus für eine behutsame Fortentwicklung der Kreditinstrumente der Bank eintreten, damit diese noch stärker als bisher in Ländern mit Überschuldungsproblemen die Anpassung und eine ausgewogene Entwicklung fördern kann, und zwar für jene behutsame Anpassung, auf die der Finanzminister angespielt hat, als er die Abstimmung zwischen Fonds und Bank hervorhob. In der Tat sehen wir am Beispiel der letzten Entwicklung der Schuldensituation Mexikos, daß der Fonds etwas zurücktritt. Daß neue Aufgaben auf die Bank zukommen, beweist eine gesunde Entwicklung dieses kritischen Schuldnerlandes.
Wir werden uns auch für eine allgemeine Kapitalerhöhung der Weltbank einsetzen, um für die künftigen Aufgaben eine solide finanzielle Grundlage zu gewährleisten.Wir werden schließlich gemeinsame Anstrengungen aller Beitragszahler der Internationalen Entwicklungsorganisation — IDA — zur Erhöhung der Finanzmittel über die bei der letzten Auffüllung erreichten 9 Milliarden US-Dollar hinaus unter Einbeziehung der USA fördern, auf die wir in diesem Zusammenhang nicht verzichten können und nicht verzichten wollen.
Wir wollen auch eine rasche Verwirklichung der bereits vereinbarten Verdoppelung des Grundkapitals der Internationalen Finanzkorporation — IFC —, die nun ihrerseits den privatwirtschaftlichen Sektor in der Entwicklungshilfe zum Tragen bringt.
Die Kollegin Matthäus-Maier hat gefordert, daß nicht nur die Sonderziehungsrechte aufgestockt werden, sondern daß sich der Internationale Währungsfonds auch für die Senkung und Begrenzung der Rüstungsausgaben zuständig erklärt.Frau Kollegin Matthäus-Maier, was die Sonderziehungsrechte angeht, so bin ich der Meinung, wir tun besser daran, mit jenem erweiterten Zugang vorzugehen, der es uns ermöglicht, gezielt denjenigen, die in akuter Liquiditätsnot sind, zu helfen, als auf ein Gießkannenprinzip zurückzugreifen, das weltweit den Gerechten, den Ungerechten, den Bedürftigen und den nicht Bedürftigen zugute kommt.
Was die Funktion des verehrten Herrn De Larosiere als Schiedsrichter bei den Rüstungsnotwendigkeiten beispielsweise Indiens auf der einen Seite und Pakistans auf der anderen Seite angeht, so kann ich das, was hier gesagt worden ist, nur als
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6137
Bundesminister Dr. Warnkeeinen Beitrag zum Buch des unfreiwilligen parlamentarischen Humors betrachten.
Wir wissen, daß wir Besseres tun können, als Gelder für Rüstung auszugeben. Frieden schaffen mit immer weniger Waffen — das ist das Ziel dieser Regierung.
Aber wir wissen, daß der Ort, wo das bewirkt werden muß, nicht der Internationale Währungsfonds in Washington ist, sondern die Verhandlungen in Genf und Wien sind. Dort machen wir unser Gewicht in dieser Richtung direkt oder indirekt geltend.
— Frau Kollegin Gottwald, jetzt komme ich zum Fregattenkauf. Die Fregatten hat die argentinische Regierung nicht von der Bundesregierung gekauft, sondern von der Deutschen Werft.
Es ist nun einmal so: Wenn man eine Regierung übernimmt, haftet man für die Verpflichtungen der Vorgängerregierung. Wir wären froh, wenn wir von unserer Vorgängerregierung nicht mehr überantwortet bekommen hätten als nur zwei Fregatten, für die wir einzustehen haben.
Frau Kollegin Gottwald, ich glaube, Ihnen paßt die gesamte Richtung nicht. Das ist natürlich ein ganz anderes Problem.
Ich habe hier Ihr Interview mit der Zeitung „Analisis" aus Santiago de Chile vom 31. Juli 1984 vor mir. Da haben Sie erklärt — ich zitiere —:Ich bin keine Grüne. Ich benutzte diese Bewegung zum Eintritt in den Bundestag.
Ich bin eine revolutionäre und marxistische Kämpferin.
Dazu kann ich nur sagen: Es gibt leider genug Hunger auf der Welt. Meine Damen und Herren, wer aber Ideologie gibt, statt den Hunger zu bekämpfen, der gibt den Armen dieser Welt Steine statt Brot.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hauchler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwicklungsminister hat in dieser Rede seinem Ruf als Exportförderungsminister alle Ehre gemacht. Herr Warnke, Sie reden hier, wenn es um Probleme der Dritten Welt und ihrer Verelendung geht, wie ein Banker.
Der Finanzminister und die CDU-Kollegen dieses Parlaments reden zynisch. Sie reden über Anpassung, über notwendige Schmerzen, über technische Dinge, aber sie erwähnen hier mit keinem Wort das Elend und das Leid, die durch diese abgestimmte Politik der westlichen Regierungen, die sich im IWF und seinen Auflagen kumuliert, ausgelöst werden.
Sie gehen von einer falschen Beurteilung der Ursachen der Überschuldung und der Verelendung der Dritten Welt aus.Tragende Ursachen der Misere sind auch Faktoren, die von den Industrieländern kontrolliert werden. Dazu gehören explodierende Dollarzinsen, wachsender Protektionismus, schludrige Kreditvergabe der westlichen Banken und ungerechte terms of trade. Durch ungerechte terms of trade wird den Entwicklungsländern jährlich ein Mehrfaches von dem entzogen, was wir jährlich an Entwicklungshilfe geben.
Wer aber mitschuldig ist, darf sich nicht vor der Verantwortung drücken, wie Sie es wollen. Er muß vielmehr — wie der Sachverständigenrat sagt — jene Vorbelastungen abbauen, die die Zahlungsunfähigkeit der Entwicklungsländer verewigen. Das heißt, Sie müssen sich zur Zinssenkung und zu gerechteren Handelsbedingungen bekennen, wenn es Ihnen ernst ist.Der IWF zwingt die Entwicklungsländer, höchste Dollarzinsen aus den Taschen der Armen des Südens an die Reichen des Nordens zu zahlen. Die Auflagen sehen ja vor, daß für Gesundheit und Bildung weniger ausgegeben wird, dafür aber die Brotpreise erhöht werden. Das sind die Fakten. Was da in Washington in gut klimatisierten Räumen kühl ausgeheckt wird, sind Abmagerungskuren mit Todesfolge,
und was da mit der Miene finanzwirtschaftlicher Objektivität einherschreitet, ist auch volkswirtschaftlicher Unsinn.
Die Auflagenpolitik des IWF, hinter der auch Weltbank, Notenbanken und private Geschäftsbanken stehen, erzwingt eine Drosselung von Importen und Zukunftsinvestitionen in Entwicklungsländern. Damit vermindert sie auch Investitionen in den Faktor Arbeit. Dies führt zu einer noch niedrigeren Auslastung und Rentabilität von Kapazitäten, zur Verrottung von kreditfinanzierten Anlagen und auch zur Schwächung von Exportkraft. Woher sollen dann eigentlich noch die Zins- und Tilgungsleistungen kommen?
Metadaten/Kopzeile:
6138 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Dr. HauchlerDie Kapitalerhöhung bei der letzten IDA-Aufstockung lag um 3 Milliarden Dollar unter der von 1979. Laut Weltbank erhalten die ärmsten Länder also real 40% weniger als vorher. Was da eingespart wird, ist ein Bruchteil dessen, was mit Ihrer Genehmigung und Ihrer Billigung jährlich auf die Rüstung draufgelegt wird.Der Vatikan hat recht, wenn er die Entwicklungsländer als Opfer eines neuen ökonomischen Kolonialismus bezeichnet
und die Industrieländer auffordert, umzudenken und ihr System zu verändern.
Ist der weit von der Wahrheit entfernt, der sagt, da werde am grünen Tisch fahrlässige Tötung betrieben? Tod und Verelendung treten heute nicht mehr so sehr durch das Schwert ein, sondern durch die Hungerprogramme abstrakter ökonomischer Modelle, in denen Leben und Leid der Menschen nichts als statistische Größen sind.Die SPD verurteilt die gegenwärtige Auflagenpolitik des IWF und der sie tragenden Regierungen und westlichen Geschäftsbanken. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Vorschläge des Zukunftsprogramms Dritte Welt der SPD-Fraktion aufzugreifen und in die Diskussion auf der bevorstehenden Jahrestagung von IWF und Weltbank einzuführen. Nur eine langfristige Strategie der Entschuldung sowie der gleichzeitigen Handelsförderung und Entfaltung der Basisproduktivität kann die Probleme von der Wurzel her lösen. Es fehlte nicht an Geld, wenn endlich Initiativen zur Entwicklung durch Abrüstung ergriffen würden. Die Bundesrepublik muß hier wie bei der Aufrüstung davon abrücken, sich folgsam im Schlepptau der USA zu bewegen. Herr Stoltenberg und Herr Warnke, Sie sollten sich für eine internationale Schuldenkonferenz stark machen, gegen die Auflagenpolitik stimmen und sich an einem Zusatzfonds der IDA zugunsten der ärmsten Länder beteiligen.
Das Wort hat der Abgeordnete Uldall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Je mehr Redner von der SPD sprechen, desto deutlicher wird das Bild einer zersplitterten SPD.
Hörte man noch bei Herrn Mitzscherling die Fachkenntnis heraus, so war es bei Frau MatthäusMaier halb Ideologie, halb Fachkenntnis, und bei Ihnen, Herr Kollege Hauchler, war das, was hier vorgetragen wurde, nur noch Ideologie.
Ihnen, Frau Kollegin Gottwald, möchte ich sagen: Bevor Sie nach Argentinien fahren und dortGespräche auf dem Niveau eines marxistischen Kämpfers führen,
möchte ich Ihnen doch sehr empfehlen, sich lieber einmal selber die Frage zu stellen, was wir hier in der Bundesrepublik tun können,
um dazu beizutragen, daß die Zahlungsbilanzprobleme der Dritten Welt beseitigt werden.
Eine solche Frage ist viel sinnvoller als falsche Behauptungen und gehässige Kritik.Ich sehe für uns vor allen Dingen zwei Ansatzpunkte: erstens eine Steigerung der Importe aus den Entwicklungsländern und zweitens eine Verringerung der Zinslast dieser Staaten.Zunächst zu den Importen. Je mehr wir in den Entwicklungsländern kaufen, desto mehr Mittel stehen diesen Ländern dann auch zur Verfügung. Unsere Importe sind von der Konjunktur hier in der Bundesrepublik abhängig. Die Politik unserer Regierung zur Belebung des Wachstums wird sich deswegen auch positiv auf die Importe aus den Entwicklungsländern auswirken.Sehen wir uns deswegen einmal an, wie sich die Importzahlen entwickelt haben. Die Importe aus den Entwicklungsländern, ohne OPEC, stiegen vom ersten Halbjahr 1983 bis zum ersten Halbjahr 1984 sprunghaft von 17,5 Milliarden DM auf 20,5 Milliarden DM. Die Exporte erhöhten sich in demselben Zeitraum von — man höre, Frau Beck-Oberdorf —17,6 auf 19,3 Milliarden DM. Damit konnten die Entwicklungsländer das Defizit, das sie bis dahin hatten, in einen Überschuß von immerhin 1,2 Milliarden DM verwandeln. Das ist eine aktive Hilfe für die Entwicklungsländer. Wer aber in der Bundesrepublik gegen das Wachstum wettert, der betreibt eine Politik eben auch gegen diese Entwicklungsländer.
Nun zu den Zinsen. Wichtig für die Entwicklungsländer sind natürlich vor allen Dingen die Zinsen in den USA. Diese sind viel zu hoch und müssen im Sinne einer Entlastung der Schuldnerländer gesenkt werden.
Es bleibt zu hoffen, daß die amerikanische Regierung — da stimmen wir überein — beginnt, die überzogenen Defizite abzubauen und damit eine Entlastung des Kreditmarktes vorzunehmen.
Aber auch der Zinssatz in der Bundesrepublik ist für die Entwicklungsländer wichtig. Die deutschen Zinsen sind zunächst für die Finanzierung der deutschen Exporte wichtig; denn die Finanzierungskosten müssen natürlich in irgendeiner Form von den Käufern getragen werden. Dank der Stabilitätspolitik unserer Regierung ist der Zins heute um ca. 3,5 Prozentpunkte niedriger als noch vor zwei Jah-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6139
Uldallren, als wir die Regierung übernommen hatten. Das sind bei einem Exportvolumen von rund 20 Milliarden DM natürlich keine zu unterschätzenden Beträge, deren Ausgabe den Entwicklungsländern damit erspart bleibt. Wir sollten deswegen alles tun, auch im Interesse der Entwicklungsländer, um das Zinsniveau in der Bundesrepublik niedrigzuhalten. Wer aber bei uns wie die GRÜNEN und die Sozialdemokraten die Konsolidierung des Haushalts für nicht notwendig hält, sorgt für höhere Zinsen und höhere Belastungen der Länder mit schwachen Zahlungsbilanzen.
Unser bester Beitrag für die Entwicklungsländer, meine Damen und Herren, liegt deswegen in einer soliden Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung. Nur so steigern wir unsere Importe, und nur so senken wir auch unsere Zinsen. Wer den Entwicklungsländern wirklich helfen will, der sollte nicht über eine angeblich falsche Politik des IWF oder der Weltbank lamentieren, sondern hier zu Hause anfangen und die Wachstums- und Konsolidierungspolitik der Bundesregierung unterstützen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rapp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hatte Fragen zur Verschuldenskrise zu beantworten. Nicht so sehr die Tatsache fordert Kritik heraus, daß sie die Probleme abwiegelt, nach dem Gehörten bereitet es vor allen Dingen Sorge, daß sie für den Fall der Zuspitzung der Lage gedanklich keine Vorsorge getroffen hat, sondern die Probleme auszusitzen gedenkt.
Dabei ist für ungezählte Menschen in den betroffenen Ländern eine weitere Zuspitzung der Lage kaum noch vorstellbar. Die Konditionenpolitik der Gläubigerinstitutionen im Mix von Finanzierungshilfen und auferlegter Anpassung führte schon zu Hungerrevolten, treibt Schuldnerstaaten in die Depression und die Menschen in die Massenarbeitslosigkeit, sie verhindert die Modernisierung ihrer Wirtschaft. Ich stehe noch voll im Banne dessen, was Kardinal Arns hierzu in Bonn berichtet hat. Mich empört jenseits aller gebotenen Sachbezogenheit in den technischen Fragen diese Attitüde des „business as usual",
mit der die Gläubigerbanken und Staaten an die Dinge herangehen. Dabei ist das noch nicht einmal weiterführende, problembezogene Wahrnehmung des Gläubigerinteresses — wenn schon die Betroffenheiten, die im Schuldnerinteresse involviert sind, so wenig zählen.Hauptursache der Verschuldensmisere war die nach den Ölpreiskrisen über jedes vernünftige Maßhinausgetriebene Roll-over-Finanzierung. Nachher blieb dann das Wachstum aus, aus dem sich die Gewinne der Geldgeber realisieren und die Kredite amortisieren sollten. Die bisherigen Strategien zur .„Bewältigung" des so entstandenen Problems waren nicht viel mehr als die Fortsetzung eines in den Laufzeiten etwas modifizierten roll-over, ergänzt durch eine Konditionenpolitik des kruden Monetarismus. Schon 1986 werden die ersten Umschuldungskredite fällig werden. Wer mit denselben Fehlern, die das Problem verursacht haben, es letztlich auch lösen will, belügt sich selber. Schon die Zinseszinsrechnung ist da ganz unerbittlich.
Mehrere Staaten erwirtschaften trotz forcierter Exportpolitik die Devisen für den Schuldendienst nicht mehr. Dabei sind sie genötigt, die Einfuhren auf das Überlebensnotwendige herunterzufahren, worunter längst ihre Exportfähigkeit leidet. Heute sind die Entwicklungsländer zu Kapitalexporteuren geworden. Es ist die Höhe des Dollarzinses, letztlich des amerikanischen Haushalts- und Leistungsbilanzdefizits und damit wesentlich des Rüstungswahnsinns, die diese Perversität in Gang hält; es ist pervers, daß Entwicklungsländer Kapitalexporteure sind.
Von mir wird der Bundesregierung nicht angeraten, über die Verlängerung des erweiterten Beistands hinaus die Lösung in der Bereitstellung vermehrter internationaler Liqiuidität zu suchen. Es käme dies wohl auch eher den Gläubigerbanken als den verschuldeten Ländern zugute.Hier wird auch nicht für die unkonditionierte Finanzhilfe plädiert, wohl aber dafür, die Anpassungsstrategie auf die Verbesserung der Produktions- und Absatzbedingungen, der Beschäftigungslage und der Sozialstrukturen in den Schuldnerländern zu richten.Es wäre ein gutes Stück Anpassung gewesen, den Militärs in Argentinien die Lust am Kriegsspiel zu nehmen.
Statt dessen verwüstet man die ohnehin rudimentären Strukturen der Sozialstaatlichkeit in diesen Ländern.Da die Schuld am Verschuldensproblem auf die Gläubiger- und Schuldnerstaaten gleichmäßig verteilt ist, widerstrebt es der Gerechtigkeit, wenn die Schuldnerstaaten die Anpassungslast allein tragen müssen. Ohne die effektive Erleichterung der Schuldenlast der Entwicklungsländer wird es letztlich nicht gehen.
Die rechtzeitige Wertberichtigung, bei uns in der Tat ja schon angegangen,
Metadaten/Kopzeile:
6140 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Rapp
ist die billigste. Denkmodelle dafür liegen vor. Mich überzeugt am meisten jenes Modell, demzufolge Zahlungen der Schuldnerländer zunächst wenigstens teilweise zur Rückführung der Schuld verwandt und nur teilweise auf den Zinsendienst angerechnet werden sollten.
Am amerikanischen Bankengesetz mit seiner Betonung des Zinsendienstes kann doch letztlich nicht das Schicksal ganzer Nationen hängen.
Die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie sich die Forderung nach einer internationalen Schuldenkonferenz zu eigen machte. Unser SPD-Zukunftsprogramm „Dritte Welt" wäre die richtige Vorgabe.Es ist wahr: Mit der Beschimpfung der Amerikaner wird das Problem der Lösung nicht nähergebracht. Eine Bundesregierung, die sich dem Problem stellt, wüßte Mittel und Wege zu finden, unsere amerikanischen Partner von der Richtigkeit einer Politik zu überzeugen, die die Anpassungslast nicht einseitig auf die ohnehin Schwachen ablädt. Aber dazu drängen sich einem j a Parallelen aus der deutschen und der amerikanischen Binnenpolitik auf — leider.
Das Wort hat der Abgeordnete Kittelmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hauptantwort auf die Vorwürfe der GRÜNEN in dieser Aktuellen Stunde hat die Konferenz der hochverschuldeten Staaten Lateinamerikas gegeben, die vom 13. bis 14. September in Mare de Plata zusammensaßen. Die Außen- und Wirtschaftsminister der elf Teilnehmerstaaten haben sich auf drei Grundsätze geeinigt: erstens Anerkennung ihrer Schulden, zweitens Einzelverhandlungen mit ihren Gläubigern und dem Internationalen Währungsfonds, drittens Suche nach gemeinsamen Lösungen im politischen Rahmen.Als konkrete Maßnahmen in dieser Richtung befürworten sie Verhandlungen auf höchster Ebene zwischen den Entwicklungsländern und den sieben größten Industrieländern. Als Verhandlungsschema sprechen sie sich für Expertengespräche, Gespräche der Außen- und Wirtschaftsminister und — was jetzt schon mehrfach erwähnt wurde — für das Abhalten einer Gipfelkonferenz aus.Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt grundsätzlich diese Entscheidung und fordert die Bundesregierung auf, diesen Aktionskurs zu überdenken und alles zu tun, um zu prüfen, ob diese Vorgaben in reale Politik umgesetzt werden können.Die Dritte Welt denkt überhaupt nicht daran, ihre Zeit mit sinnloser Polemik über den Währungsfonds oder die Weltbank zu vergeuden, wie es dieGRÜNEN und leider in den letzten Beiträgen auch die SPD hier vorgeführt haben.
Die Taktik, die die GRÜNEN und teilweise auch die SPD nach dem Motto „Haltet den Dieb!" hier verfolgen, ist unsinnig, zumal jede Erzeugung von Katastrophenstimmung und Verunsicherung zu unsagbarem Schaden führen könnte, wobei ich mich damit beruhige, daß das, was Sie hier sagen, über diesen Raum hinaus kaum Geltung haben wird.
Vor allen Dingen: Frau Gottwald, Ihre Reiseerlebnisse in Argentinien sollten Sie nicht dazu benutzen, unüberprüfbare Vorwürfe gegen den diplomatischen Dienst, der in diesen Ländern unerhört gute Arbeit leistet, hier zu erheben.
Es steht außer Zweifel, daß sich einige Industrieländer fragen lassen müssen, ob sie nicht zu großzügige Kreditgewährung in Einzelfällen zu verantworten haben.
Ich glaube auch, daß wir in dieser Frage sehr dazugelernt haben. Ich rate den GRÜNEN, die heutige FAZ zu lesen: „Klagen an die falsche Adresse". Ich gebe zu, daß Frau Carola Kaps bei dem Artikel nicht an Sie gedacht hat; so viel Wertschätzung wird sie nicht empfinden. Was Sie da lesen, ist an sich eine sehr kühle Analyse — wie ich zugebe: aus ihrer Sicht —, wie die Entwicklungsländer in den letzten Jahren ihrerseits sehr viele Fehler begangen haben, über die sie jetzt nachdenken und über die sie, wie die Schuldnerkonferenz bewiesen hat, nicht nur nachdenken, sondern bei denen sie bereit sind, gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank und den sieben führenden Industrieländern Abhilfe zu schaffen.
Wir sind uns darüber im klaren — und wir werden bald Gelegenheit haben, darüber länger zu diskutieren, wenn wir die Große Anfrage der CDU/ CSU zum Protektionismus behandeln —, daß vor allem der Protektionismus erheblich dazu beiträgt, und zwar, Herr Mitzscherling, nicht nur bei den USA, sondern auch bei Japan und vor allem bei der EG, den freien Welthandel einzuschränken. Heute sehe ich im Wirtschaftsausschuß, daß dort eine Vorlage der EG behandelt wird: Die USA hat das und das eingeführt; wir müssen uns revanchieren und unsererseits das und das einführen. Das ist ein Wettrennen des Protektionismus in immer neuen Formen. Dies müssen wir gemeinsam bekämpfen. Ich weiß, daß die Bundesregierung außerordentlich bereit ist, in dieser Frage Spitzenreiter zu sein und gegen den Protektionismus aufzutreten. Unserer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6141
KittelmannUnterstützung in dieser Frage, Herr Dr. Stoltenberg, können Sie sicher sein.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Kittelmann hat zu Recht auf die Ergebnisse der Konferenz in Mar de la Plata hingewiesen. Ich glaube, man sollte bei dieser Debatte doch einmal damit beginnen, was die Entwicklungsländer sich selber zur Lösung dieser Krise vorstellen. Etwas vorzuschlagen, was diesen Vorstellungen nicht entspricht, scheint mir nicht sehr sinnvoll zu sein.Davon ausgehend, kann man eines feststellen — und das ist, glaube ich, eine sehr realistische und auch sehr positive Einstellung —: Die Entwicklungsländer selber sind daran interessiert, diese Verschuldung abzubauen, und zwar nicht nur dadurch, daß ihnen Schulden erlassen werden; sondern sie wollen ihrerseits Schulden zurückzahlen.
Nun ist es natürlich so, daß bei diesem Zurückzahlen die Entwicklungsländer auch die Möglichkeit erhalten müssen, das durch eine entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit erreichen zu können. Da scheint mir das Hauptptoblem zu liegen. Denn selbstverständlich sind Streckung der Schulden, Senkung von Zinssätzen und auch teilweise Erlaß bei einigen Ländern kein Ersatz für eine Rückzahlung der Schulden. Das ist das Hauptproblem bei der Lösung dieser Frage.Dabei sollte man nicht unterschätzen, daß die wirtschaftliche Belebung in den Industrieländern schon jetzt dazu beiträgt, daß die Entwicklungsländer einen eigenen wirtschaftlichen Beitrag zum Abbau ihrer Verschuldung leisten können. Die Zahlen sind nicht unbeachtlich. 1983 sind die Exporte der nichterdölexportierenden Entwicklungsländer immerhin schon um 5,8 % gestiegen, 1984 im ersten Halbjahr um 9,1%.Auch die Bundesrepublik leistet einen erheblichen Beitrag zu diesen Möglichkeiten der Entwicklungsländer. Bei uns ist nämlich im ersten Halbjahr 1984 die Einfuhr aus Entwicklungsländern um 17 % gestiegen. Das sind nicht erdölexportierende Entwicklungsländer, sondern die Entwicklungsländer, die nicht die Möglichkeit haben, Erdöl zu exportieren.
Immerhin sind das Zahlen, die zeigen, daß die Industrieländer einen ernsthaften Versuch unternehmen, um durch die Verstärkung von Wirtschaftsbeziehungen Entwicklungsländern zu helfen. In diesem Zusammenhang muß man auch die Auflagen des Internationalen Währungsfonds sehen.Meine Damen und Herren, wenn bei einigen Entwicklungsländern die Senkung der Inflationsrate auf 100% bereits als ein Riesenerfolg angesehen werden muß, dann zeigt das doch wohl, daß solche Auflagen nicht etwa ein Diktat sind von Kapitalisten, die den Entwicklungsländern den letzten Lebenssaft aussaugen wollen. Das sind vielmehr die Grundtatsachen, auf denen jedes Land in der Welt, Industrie- wie Entwicklungsländer, wirtschaftliche Tätigkeit aufbauen muß, wenn man überhaupt zu realen Erfolgen kommen will.
Deswegen gibt es hier ein Paket. Wir müssen schnell wirkende Umschuldungsmaßnahmen durchsetzen. Wir müssen den Zustrom von Kapital aus Industrieländern in Entwicklungsländer verstärken.Ich darf die verehrlichen Damen und Herren der Opposition nur einmal auf die Berichte einer Organisation hinweisen, die wirklich nicht unter dem Einfluß der Bundesregierung steht, nämlich der Vereinten Nationen. Sie werden sich sicher an die Debatte über die sogenannten Multis erinnern, die vor einigen Jahren geführt worden ist und wo sich Entwicklungsländer und diejenigen, die sie unterstützten, heftigst dagegen wehrten, daß über solche internationale Unternehmungen ein politischer Einfluß entsteht, den man nicht wollte. Heute geht aus den Berichten von Unterorganisationen der Vereinten Nationen hervor, daß sich Entwicklungsländer zunehmend darüber beklagen, daß diese sogenannten Multis, also große internationale Unternehmungen, keine Investitionen mehr in Entwicklungsländern vornehmen. Die Entwicklungsländer sagen: Diese Investitionen haben uns mehr geholfen als alles andere, was manchmal über öffentliche Quellen gelaufen ist. Das sind die Realitäten. Deswegen sollte sich jeder, der sich für die Interessen
Metadaten/Kopzeile:
6142 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984
Bundesminister Dr. Bangemannder Entwicklungsländer einsetzt, zunächst einmal ansehen, was die Entwicklungsländer selber wollen, wünschen, vortragen, und das unterstützen, aber nicht hier irgendwelche Horrorgemälde aufzeigen und daraus dann die falschen Konsequenzen ziehen.
Die Bundesregierung hat alles unternommen und wird auch weiterhin alles verfolgen, was der Bekämpfung des Protektionismus dient. Ich war auf Einladung des brasilianischen Finanz- und Handelsministers am letzten Wochenende zusammen mit anderen für den Handel und die Wirtschaft zuständigen Ministern aus Ländern, die etwa 90% des Welthandels abwickeln, in Brasilien. Bei dieser Konferenz haben wir ganz eindeutig zum Ausruck gebracht — übrigens in großer Übereinstimmung zwischen allen, die dort waren, zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern —, daß wir jede protektionistische Bestrebung bekämpfen werden, die dazu führt, daß sowohl die Entwicklungsländer wie auch die Industrieländer keine Möglichkeit mehr haben, über eine Ausweitung des Welthandels ihre eigenen Interessen zusammenzubringen.Meine Damen und Herren, wenn Entwicklungsländer ihr Budget dadurch sanieren müssen, daß sie ihre Importe senken, dann ist das für sie selber ein Entwicklungshindernis und für die Industrieländer eine Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten. Deswegen brauchen Entwicklungsländer mehr Exportmöglichkeiten, damit sie im gleichen Umfang wie bisher, vielleicht auch noch verstärkt, importieren können, um ihre Wirtschaft an die neuen Verhältnisse anzupassen. Deswegen paßt Protektionismus nicht in eine vernünftige, moderne entwicklungspolitische Konzeption.
Wir werden uns mit Vehemenz darum kümmern, daß diese neuen Möglichkeiten für Entwicklungsländer geschaffen werden. Das — meine Damen und Herren, das möchte ich hier schon ankündigen — wird für uns auch Opfer bedeuten;
denn diese Entwicklungsländer werden ihre Marktchancen in erster Linie im großen Bereich der Agrarproduktion und in einigen sogenannten sensiblen Industriebereichen — ich nenne etwa Textil — suchen, wo dann Sie, die Sie hier diese Forderungen stellen, einmal auf die Nagelprobe gestellt werden, wie Sie es dann mit den Entwicklungsländern halten.Wir jedenfalls, die Bundesregierung, haben diese Diskussion aufgenommen. Die Konferenz in Rio bestätigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Wir werden versuchen, auch unsere Nachbarn in der EG und außerhalb davon zu überzeugen, daß das der richtige Weg ist.Dazu gehört, daß wir unter allen Umständen das multilaterale GATT-System aufrechterhalten. Ein Abgehen von diesem System — es gibt Industrie-länder, die das vorschlagen — zugunsten von bilateralen Vereinbarungen wäre ein Rückschritt des freien Welthandels. Deswegen müssen wir dieses System beibehalten, wir müssen es meiner Meinung nach auch ausbauen. Wir brauchen beispielsweise Sanktionen für die Länder, die sich nicht an die Regeln des Systems halten. Und das, meine Damen und Herren, sind nicht nur Entwicklungsländer, sondern das sind auch Industrieländer, die hier zu Protektionismus neigen.
Wenn wir das auch in der EG durchsetzen, dann haben wir einen richtigen und echten Beitrag zur Entwicklung dieser Länder geleistet. Diese Bundesregierung ist dazu bereit und hat diesen Prozeß bereits eingeleitet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Klose.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur drei Minuten für einige kurze Bemerkungen.Erstens. Wir können bei einer solchen Debatte wohl nicht übersehen, daß das Grundmodell internationaler Entwicklungszusammenarbeit ganz offenbar nicht funktioniert. Das Modell, Wachstum durch Schulden herbeizuführen, unterstellt, daß die Entwicklungsländer durch Zuführung von Geld ihre ökonomische Basis verstärken, Exporterlöse erzielen, Importe substituieren und auf diese Art und Weise später in die Lage versetzt werden, Schulden zurückzuzahlen. Das funktioniert nicht, und zwar aus zwei Gründen.Zum einen: Die Entwicklungsländer — das sollten wir nicht übersehen — verwenden die Kredite in der Tat nicht immer sinnvoll, zum Teil sogar zweckentfremdet. Es gibt hier ein Problem der korrupten, ausbeuterischen inneren Eliten; das sollten wir nicht verschweigen.
Zum anderen: Das Modell funktioniert auch deshalb nicht, weil die Industrieländer ihrerseits das ideale Modell internationaler Arbeitsteilung nicht vollziehen. Statt ihrerseits notwendige Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen, greifen sie immer häufiger zu protektionistischen Maßnahmen, vor allem bei Agrar- und Industrieprodukten.Die zweite Bemerkung gilt den Banken: Die Rolle der Banken bei diesem Elend sollte nicht übersehen werden. Sie haben die Verschuldungsproblematik zwar nicht geschaffen, aber sie haben mit einer unkontrollierten Kreditvergabe, um vorhandene Liquidität loszuwerden, wesentlich zu der Situation beigetragen, die wir gegenwärtig haben —
und das gelegentlich ermutigt von nationalen Regierungen und auch vom Interationalen Währungsfonds. Die Banken sind an dieser Situation jedenfalls mitschuldig und dürfen aus der Verantwortung nicht entlassen werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. September 1984 6143
KloseDritte Bemerkung zum IWF. Insoweit der Internationale Währungsfonds Pressionen auf die Banken ausübt, jetzt nicht auszusteigen, sondern weiter Geld zur Verfügung zu stellen, hat er unsere Unterstützung. Das ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist, daß der IWF die notwendigen Anpassungsmaßnahmen allein den Entwicklungsländern, und zwar genau den breiten Massen in den Entwicklungsländern, aufbürdet.Wie sehen denn die Konditionen aus? Erhöhung der Lebensmittelpreise, Lohnsenkung, Kürzung der sozialen Leistungen, Abwertung der eigenen Währung und Öffnung der einheimischen Märkte für ausländische Produkte. Diese Auflagenpolitik verstärkt den laufenden Prozeß der Verelendung.
für den das Wort Horror, Herr Bundeswirtschaftsminister, eine Untertreibung, nicht eine Übertreibung ist.
Ich will Ihnen einmal sagen, damit das ganz klar ist: Hier, nicht in irgendwelchen subversiven Maßnahmen, liegt die eigentliche Quelle politischer Unruhen. Die werden, fürchte ich, zunehmen, wenn sich diese Politik nicht verändert.
Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, eine politische Lösung zu finden. Nötig ist die Erhöhung — —
Es tut mir leid, Herr Abgeordneter Klose. Den letzten Satz können Sie zu Ende führen, aber nicht mit „und ... und ... und ..."
Nötig ist eine Erhöhung der Entwicklungshilfe in Form verlorener Zuschüsse, Teilerlaß der öffentlichen Kredite, Verstärkung der Bankenkontrolle, Veränderung der Terms of Trade, finanzielle Stärkung des IWF, Veränderung der Konditionenpolitik, die auch die westlichen Länder, die Industrieländer, einbeziehen muß. In diesem Sinne sollten Sie arbeiten.
Vielen Dank.
Herr Abgeordneter Klose, die Veränderung muß ich jetzt vornehmen.
Ich schließe die Aussprache der Aktuellen Stunde.
Meine Damen und Herren, zur Abgabe einer Erklärung nach § 30 unserer Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Gottwald das Wort.
Selbstverständlich möchte ich zu den Worten, die Minister Warnke meiner Person gewidmet hat, eine persönliche Erklärung abgeben. Ich möchte hier noch einmal betonen: Ich habe dieses Interview mit dieser chilenischen Zeitung nie gegeben. Folglich ist die Erklärung, die die „Bild"-Zeitung abgedruckt hat, falsch. Die „Bild"-Zeitung behauptet, ich hätte dieses Interview mit folgendem Wortlaut gemacht. Das ist unrichtig.
Ich habe eine Gegendarstellung an die „Bild"-Zeitung geschickt, woraus ich eine Presseerklärung gemacht habe. Diese hätte dem Minister vorliegen können. Ich gehe sogar davon aus, daß er sie auch gehabt hat. Wenn er ein Interesse an der Wahrheit hat, dann hätte er sich diese Schlammschlacht hier schenken können.
Wenn Sie hier so ein starkes Interesse an meiner Person haben, was mich überaus freut — das möchte ich einmal betonen —, wenn Sie auch so ein starkes Interesse haben, über meine Gesinnung hier zu reden, dann würde ich Sie auffordern, eine Debatte zu diesem Thema zu beantragen. Ich stehe Ihnen, wenn Sie möchten, für diese Fragestellung stundenlang zur Verfügung.
Frau Abgeordnete Gottwald, Sie sind sich doch darüber im klaren, daß ich bei der Abgabe Ihrer Erklärung nach § 30 sehr großzügig verfahren bin?
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20. September 1984, 8 Uhr — meine Damen und Herren, 8 Uhr! — ein.
Die Sitzung ist geschlossen.