Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 22. Oktober 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gerster , Vogel (Ennepetal), Dr. Dregger, Dr. Miltner, Dr. Jobst, Handlos und der Fraktion der CDU/CSU betr. Bundesgrenzschutz — Drucksache 7/4041 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/4112 verteilt.Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 17. Oktober 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:Verordnung des Rateszur Festlegung der Grundregeln für die Lieferung von Milchfetten als Nahrungsmittelhilfe im Rahmen des Programms 1975 zugunsten bestimmter Entwicklungsländer und internationaler Organisationenüber die Lieferung von Milchfetten an bestimmte Entwicklungsländer und internationale Organisationen aus der Nahrungsmittelhilfe im Rahmen des Programms 1975Beschluß des Rates über die Erstellung von Modalitäten für die Durchführung der Nahrungmittelhilfe mit den in vorgenannter Verordnung in Aussicht genommenen Entwicklungsländern und Organisationen (Drucksache 7/3590)Verordnung des Rateszur Festsetzung der Schwellenpreise für geschälten Reis und Bruchreis und des in den Schwellenpreis für vollständig geschliffenen Reis einzubeziehenden Schutzbetrags für das Wirtschaftsjahr 1975/1976zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zu den Preisen für Rohreis und geschälten Reis für das Wirtschaftsjahr 1975/1976
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1192/74 über die Beihilfe für künstlich getrocknetes Futter (Drucksache 7/3924)Verordnung des Rates zur Festlegung besonderer Vorschriften für die Einfuhr von Erzeugnissen des Weinsektors aus bestimmten Drittländern (Drucksache 7/4010)Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2511/69 des Rates vom 9. Dezember 1969 über Sondermaßnahmen zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung von Zitrusfrüchten der Gemeinschaft (Drucksache 7/3965)Überweisungen von EG-VorlagenDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Verordnung des Rates betreffend die Einführung einer Mindestlagermenge für Zucker (Drucksache 7/4155)überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Ratesüber die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisseüber die Einfuhr von Fischereierzeugnissen mit Ursprung in Marokko in die Gemeinschaftüber die Einfuhr von Fischereierzeugnissen mit Ursprung in Tunesien in die Gemeinschaftüber die Einfuhr bestimmter Fischereierzeugnisse mit Ursprung in Marokko in die Gemeinschaftüber die Einfuhr bestimmter Fischereierzeugnisse mit Ursprung in Tunesien in die Gemeinschaftzur Festlegung von gemeinsamen Vermarktungsnormen für bestimmte frische oder gekühlte Fischezur Festlegung gemeinsamer Vermarktungsnormen für Garnelen der Gattung Crangnonüber die Anerkennung der Erzeugerorganisationen der Fischwirtschaftzur Festsetzung der Interventionspreise für frische oder gekühlte Sardinen und Sardellen für das Fischwirtschaftsjahr 1975zur Festsetzung der Orientierungspreise für die in Anhang IAbschnitte A und C der Verordnung Nr.. aufgeführten Fischereierzeugnisse für das Fischwirtschaftsjahr 1975zur Festsetzung der Orientierungspreise für in den Anhang II der Verordnung Nr. ... aufgeführten Fischereierzeugnisse für das Fischwirtschaftsjahr 1975zur Festsetzung des gemeinschaftlichen Produktionspreises für Thunfische, die für die Konservenindustrie bestimmt sind, für das Fischwirtschaftsjahr 1975über die Grundregeln für die Gewährung und die Bemessung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Fischereierzeugnissen
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung in bezug auf die Mittelübertragungen zwischen dem Kapitel „Nahrungsmittelhilfe" und der Abteilung „Garantie" des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatMitteilung an den Rat betreffend ein Aktionsprogramm für die europäische Luftfahrtindustrie und Luftfahrt
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft , Ausschuß für Forschung und Technologie, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur dritten Änderung der Richtlinie des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die spezifischen Reinheitskriterien für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor derendgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über das gemeinschaftliche Versandverfahren (Drucksache 7/4197)überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens in Form eines Briefwechsels betreffend Artikel 3 des Protokolls Nr. 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik (Drucksache 7/4198)überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72 und zur Vereinheitlichung der Regelung für die Zahlung der Familienleistungen an Arbeitnehmer, deren Familienangehörige in einem anderen als dem Beschäftigungsland wohnen (Drucksache 7/3589)überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit
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Verordnung des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in der Bundesrepublik Deutschland dienstlich verwendet werden (Drucksache 7/4156)überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage desBerichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in Geel-Mol (Belgien) dienstlich verwendet werden (Drucksache 7/4157)überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatMeine Damen und Herren, ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes— Drucksache 7/4065 —Berichterstatter:Abgeordneter Erhard
Der Herr Berichterstatter hat das Wort. Bitte, Herr Kollege Erhard.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf auf Drucksache 7/3055 zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes nach Beratungen im Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen sowie im Rechtsausschuß in der Fassung der Drucksache 7/3450 beschlossen. Er war den Empfehlungen des Rechtsausschusses gefolgt.
Das Gesetz sieht vor, dem Bundestag das Recht vorzubehalten, sich mit beabsichtigten Rechtsverordnungen der Regierung zu befassen, wenn Mitglieder des Bundestages in Fraktionsstärke dies verlangen, sowie gegen den Erlaß von Rechtsverordnungen innerhalb von vier Sitzungswochen Einspruch zu erheben. Weiter sieht das Gesetz vor, daß allgemeine Verwaltungsvorschriften gleichzeitig mit der Zuleitung an den Bundesrat auch dem Bundestag zur Kenntnis zu übermitteln sind.
Zur verfassungsrechtlichen Seite hatte der Rechtsausschuß darauf hingewiesen, daß es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 80 Abs. 1 GG freistehe, die Rechtsetzung uneingeschränkt auf die Exekutive zu delegieren oder sich durch Zustimmungsvorbehalte entscheidenden Einfluß auf Erlaß und Inhalt von Rechtsverordnungen vorzubehalten. Auf Grund der Verordnungsermächtigung im Straßenverkehrsgesetz sind so wichtige Regelungen erfolgt wie beispielsweise die ganze Straßenverkehrsordnung, die allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Straßen und die weniger wichtige Verordnung über das Sprechverbot für Taxifahrer.
Der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuß angerufen. Er, der Bundesrat, ist der Meinung, das vorgesehene Mitspracherecht des Bundestages sei verfassungspolitisch unerwünscht. Ein solches Recht des Bundestages könne allenfalls hingenommen werden, wenn es auf solche Rechtsverordnungen beschränkt werde, die verkehrspolitisch oder wirtschaftspolitisch besonders bedeutsam seien. Anderenfalls sei zu befürchten — meint der Bundesrat —, daß der Staat nicht unverzüglich die Regelungen den sich schnell ändernden wirtschaftlichen, sozialen und technischen Erfordernissen anpassen könne. Deshalb hat der Bundesrat begehrt, die beschlossene Mitwirkungsmöglichkeit des Bundestages aufzuheben und nur die Unterrichtung des Bundestages über allgemeine Verwaltungsvorschriften bestehenzulassen in einer geringfügig abgeänderten Textfassung.
Der Vermittlungsausschuß ist dem Begehren des Bundesrates gefolgt und schlägt vor, dem Gesetzentwurf in der von ihm beschlossenen Fassung zuzustimmen.
Danke schön, Herr Berichterstatter. Es waren Erklärungen der Fraktionen angemeldet. Gibt es hier Wortmeldungen? Bitte, Herr Abgeordneter Ollesch.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen aller drei Fraktionen darf ich Sie bitten, den Antrag des Vermittlungsausschusses abzulehnen, weil mit dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses das ursprüngliche Anliegen der antragstellenden Fraktionen, mehr Einfluß auf die Verordnungsgebung des Verkehrsministeriums zu nehmen, nicht erreicht wird.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob wir über alle Anträge gemeinsam abstimmen können. — Danke schön. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 7/4065 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
— Die Gegenprobe! — Danke schön. Enthaltungen?
— Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist einstimmig abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich rufe Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau
— Drucksache 7/4180 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Jahn
Das Wort hat der Herr Berichterstatter Jahn .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau ist Ihnen im Namen des Vermittlungsausschusses folgender Bericht zu erstatten.Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Mai 1975 den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel angerufen, in sechs Punkten eine Änderung des Gesetzes
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13535
Jahn
) herbeizuführen. Diesem Begehren ist der Vermittlungsausschuß in seiner Sitzung am 12. Juni 1975 in zwei Punkten gefolgt.Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 19. Juni 1975 dem Antrag des Vermittlungsausschusses zugestimmt. Demgegenüber hat der Bundesrat am 11. Juli 1975 beschlossen, dem Gesetz nach Art. 84 Abs. 1 GG die Zustimmung zu versagen. Die Bundesregierung hat am 28. Juli 1975 erneut die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt. In seiner Sitzung am 17. Oktober 1975 hat der Vermittlungsausschuß die Vermittlungsvorschläge gemacht, die Ihnen in der Drucksache 7/4180 heute vorliegen.Dazu noch folgende Bemerkungen.Mit der Ziffer 1 seines damaligen Beschlusses zielte der Bundesrat auf eine Neufassung des § 1 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ab. Die besondere Förderungswürdigkeit des Dauerwohnbesitzes sollte gestrichen werden. Diesem Begehren ist der Vermittlungsausschuß zum Teil gefolgt. Durch die Neufassung des Satzes 5 wird der Wohnbesitz neben der Schaffung von Einzeleigentum jedoch besonders hervorgehoben.Mit der Ziffer 2 seines Beschlusses begehrte der Bundesrat die generelle Streichung der Förderungspräferenzen für die Wohnbesitzwohnungen. Diesem Begehren ist der Vermittlungsausschuß gefolgt. Es wird jedoch gewährleistet, daß Dauerwohnbesitz in Form von Wohnbesitz- und Genossenschaftswohnungen gleichrangig mit Mietwohnungen und sonstigen Wohnungen gefördert wird.Ziffer 3 des Vermittlungsbegehrens des Bundesrates verlangte die Gleichstellung der freien Wohnungsunternehmen mit den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen als Betreuungsunternehmen. Um zu vermeiden, daß hier strengere Erfordernisse des § 34 c der Gewerbeordnung umgangen werden, schlägt der Vermittlungsausschuß die Streichung des Art. 1 Nr. 12 Buchst. b vor. Die derzeit geltende Fassung des § 37 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes würde damit wiederhergestellt, die eine Gleichstellung von freien und gemeinnützigen Wohnungsunternehmen enthält. Im übrigen aber würde der Bereich der Gewerbeerlaubnis nach § 34 c der Gewerbeordnung unberührt bleiben.Der in Ziffer 4 des Bundesratsbeschlusses gewünschten Änderung des § 72 f Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, wonach bereits mehr als die Hälfte der Wohnbesitzberechtigten die Umwandlung des Wohnbesitzes in Wohnungseigentum verlangen können, ist der Vermittlungsausschuß zum Teil gefolgt. Er hält es jedoch für erforderlich, daß mindestens 60% der Wohnbesitzberechtigten der Umwandlung von Wohnbesitz in Wohnungseigentum zustimmen müssen. Insgesamt ist mit den jetzt gefundenen Regelungen für den Wohnbesitz ein Instrument geschaffen worden, das wesentlich mehr Bürgern den Zugang zum Volleigentum erschließen wird.Schließlich ist dem Anrufungsbegehren unter den Ziffern 5 und 6 des Bundesratsbeschlusses vom Vermittlungsausschuß nicht gefolgt worden. Die gewünschte Möglichkeit, die in den Mieteinnahmen enthaltenen Beträge für Instandhaltung und Erneuerung der Wohnungen in der Bilanz als zweckgebundene Rückstellungen auszuweisen, begegnet erheblichen steuerrechtlichen Bedenken, da mit der angestrebten Regelung die angesammelten und zunächst nicht verausgabten Beträge von steuerpflichtigen Bauträgern nicht als Einkünfte versteuert werden müssen. Eine Änderung an der Überschrift des Artikels 5 konnte in diesem Zusammenhang unterbleiben.In der Drucksache finden Sie darüber hinaus eine Reihe von rationellen Änderungen, die lediglich Berichtigungen offenbarer Unrichtigkeiten zum Gegenstand, im übrigen keine materiellen Folgewirkungen haben.Ich bitte Sie, den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses auf der Grundlage der Drucksache zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Jahn .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gibt zur Abstimmung folgende Erklärung ab.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bleibt dabei, daß die Wohnungsbauförderung in erster Linie den Interessen unserer Bürger dienen muß und nicht denen der Wohnbaugesellschaften.
Unsere Position zum Wohnbesitzbrief war von Anfang an klar. Wir sagten: Wer 15 % der Bausumme der Wohnung, die er bewohnen will, neben der Kostenmiete auf den Tisch legen soll, dem muß auch eine reelle Chance eingeräumt werden, echtes privates Eigentum zu begründen.
Wir forderten deshalb: Rechtsanspruch auf Umwandlung einer Wohnbesitzwohnung in eine Eigentumswohnung, wenn die Mehrheit der am Fonds beteiligten Wohnbesitzberechtigten dies wünscht.SPD und FDP haben dies während der Beratungen lange Zeit kategorisch abgelehnt. Die Begründung für diese Haltung ist niedergelegt in einer Stellungnahme des Bauministeriums zur ersten Runde des Vermittlungsausschusses. Dort heißt es:Wer Wohnungseigentum erwerben will, kann dies über den Weg des Mietkaufs, durch Nachsparen der Eigenleistung, einfacher, direkter und schneller. Wer sich für Wohnbesitz entscheidet, gibt zu erkennen, daß er kein volles Eigentum anstrebt.Dank des gesunden Menschenverstandes unserer Kleinverdiener stieß die Haltung von SPD und FDP auf Widerspruch. Der sozial schwach gestellte Bürger klagte: Ich zahle mein erspartes Geld, aber „Herr in der eigenen Wohnung" werde ich nicht.
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Dr. Jahn
Nun auf einmal, meine Damen und Herren, in der zweiten Runde im Vermittlungsausschuß wird seitens der SPD und FDP das Hohe Lied von der Durchgangsstufe des Wohnbesitzes auf dem Weg zum privaten Eigentum gesungen. Wahrlich, ein Stimmbruch, eine Kehrtwendung um 180 Grad, dem eigentlichen Sinn und Zweck des Wohnbesitzbriefmodells und der Absicht der Erfinder zuwider, aber nüchtern kalkuliert: Ein Ja zur Möglichkeit der Umwandlung einer Wohnbesitzwohnung in eine echte Eigentumswohnung, aber erst bei einer qualifizierten Mehrheit von 60 %.Gewiß, es trennen uns, meine Damen und Herren, nunmehr nur noch 10 %, und man wird uns sicherlich mangelnde Kompromißbereitschaft vorwerfen wollen. Diese Betrachtungsweise macht es sich jedoch viel zu einfach. Hier geht es um wesentlich mehr als um einen Streit um 10 %. Hier geht es um ein Stück Glaubwürdigkeit in unserer Politik. Wenn — unserer Forderung entsprechend — der Wohnbesitzbrief Durchgangsstufe zum privaten Eigentum sein soll, dann ist es einfach nicht einzusehen, warum SPD und FDP das Begehren der Mehrheit der Wohnbesitzberechtigten, das heißt von mehr als 50 %, nicht respektieren wollen und auf einer qualifizierten Mehrheit von mehr als 60 % beharren. Etwaige Verweise auf andere Rechtsbereiche in diesem Zusammenhang können nicht als repräsentativ bezeichnet werden.Hinzu kommt aber eine neue weitere Erschwernis für die Realisierung eines Umwandlungsbegehrens. Für den Anspruch auf Umwandlung von Wohnbesitz in Wohnungseigentum wird nicht nur gefordert, daß mindestens 60 % aller Wohnbesitzberechtigten dies verlangen, sondern auch, daß sie ihre Eigenleistung erbracht haben. Das muß man so verstehen, daß sämtliche Wohnbesitzberechtigten ihre Eigenleistung erbracht haben, und zwar nicht nur diejenigen, die die Umwandlung in Wohnungseigentum fordern. Dies würde bedeuten, daß die Umwandlung in Wohnungseigentum — trotz der qualifizierten Mehrheit von 60 %, die dies verlangt — auf Jahrzehnte hinausgeschoben wird. Es müßte auf den letzten Zahler gewartet werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält diese Erschwernis für nicht akzeptabel.Fazit: SPD und FDP wollen offenkundig die Umwandlung von Wohnbesitz in Wohnungseigentum erschweren. Dies ist nicht die Politik der CDU/CSU- Bundestagsfraktion. Wir wollen gerade die Umwandlung erleichtern.Meine Damen und Herren, eine sachgerechte Abwägung unserer Kritik mit einigen durchaus positiven Ergebnissen des Vermittlungsausschusses führt uns zu der Feststellung: Kommt dieses Gesetz nicht, bricht die Welt auch nicht zusammen. Es bleibt dann bei der jetzigen Rechtslage. Es bleibt beim Vorrang des privaten Eigentums. Es bleibt beim Mietkauf. Es bleibt beim Wohnbesitzbrief; er ist ja bereits auf dem Markt. Es bleibt sogar bei der öffentlichen Förderung des Wohnbesitzbriefes, denn bei dieser Konstruktion handelt es sich im Rechtssinne ja um eine Mietwohnung. Lediglich die qualitativen Förderungspräferenzen kommen nicht — und damit auch nicht die dem Wohnbesitzbrief künstlich verlieheneAttraktivität als Mittel zur Kapitalbeschaffung für große Wohnbaugesellschaften.Meine sehr verehrten Damen und Herren, um eine ehrliche und wirkliche Vermögensbildung durch Wohnbesitz für unsere Bürger zu erreichen, fordern wir weiterhin den Rechtsanspruch auf Umwandlung einer Wohnbesitzwohnung in eine Eigentumswohnung, wenn die Mehrheit, also mehr als 50 % der Wohnbesitzberechtigten, dies wünscht. Die SPD/ FDP-Mehrheit im Vermittlungsausschuß hat die Chance vertan, eine ehrliche und wirkliche Vermögensbildung zugunsten unserer sozial schwachen Bevölkerungskreise herbeizuführen. Durch Wohnbesitz zum Volleigentum! Dieser Weg wird von SPD und FDP zwar nicht mehr generell abgelehnt, jedoch durch die Forderungen nach einer 60N-Klausel und der vollständigen Erbringung aller Eigenleistungen in nicht zu vertretender Weise erschwert, wenn nicht sogar verhindert. Zur Einräumung einer bloßen Mieterposition aber ist der Wohnbesitzbrief zu teuer. Das Dauerwohnrecht ist am Markt schon längst viel preisgünstiger zu haben.Ich komme zum Schluß. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion tritt weiterhin dafür ein, privates Eigentum für alle zu schaffen. Nicht jedem eine — das haben wir schon häufiger gesagt —, sondern jedem seine eigene Wohnung! Dies ist mehr als eine Politik der bloßen Sicherung des Wohnens, die wir bereits verwirklicht haben. Wir wollen mehr als ein bloßes Nutzungsrecht an einer Wohnung, also mehr als den Wohnbesitzbrief in der jetzt vorliegenden Fassung. Dies ist, wie wir meinen, der bessere Weg für die Zukunft unserer Burger.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Henke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Jahrzehnten ist in der Bundesrepublik sehr viel zur Bildung von Eigentum im Wohnungsbau getan worden. Dies hat dazu geführt, daß breite Kreise der Bevölkerung, so wie wir es alle hier in diesem Hause erstrebt haben, Wohnungseigentum, echtes Eigentum im Wohnungsbau haben bilden können. Es gibt aber eine große Gruppe in unserer Bevölkerung, die die staatlichen Vergünstigungen, die in einem breiten Fächer angeboten wurden, nicht in Anspruch nehmen konnte, weil sie nicht in der Lage war, durch Sparen das notwendige Eigenkapital aufzubringen. Diese Gruppe unserer Bevölkerung soll durch das neue Modell der Eigentumsbildung durch den Wohnbesitzbrief jetzt in den Stand versetzt werden, durch Nachsparen über die Mietzahlung alle staatlichen Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen und so auch einen Weg zu einer Vermögensbildung im Wohnungsbau eröffnet zu bekommen. Wir haben in den vergangenen Debatten mehrfach darauf hingewiesen, daß es ein erheblicher Unterschied ist, ob man über die Miete in das Vermögen eines Dritten zahlt, nämlich des Hausbesitzers, oder ob man über die Miete mittelfristig eigenes Vermögen bilden kann. Genau
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Henkediesen Weg wollen wir über die Wohnbesitzwohnung eröffnen.
Wir bedauern es deshalb sehr, daß die Opposition wegen einer Differenz von nur neun Punkten nunmehr nicht bereit ist, diesem Gesetz zuzustimmen. Diese 9-Punkte-Differenz — ob Sie 51 % oder 60 % sagen — ist unseres Erachtens, wenn man den gesamten Problemkreis und die Chance für sozial Schwächere sieht, wirklich kein ausreichendes Argument mehr, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen, nachdem wir Ihnen in einer Vielzahl von anderen Punkten entgegengekommen sind in einer Weise, wie es an sich dem Gesetzesinhalt kaum noch guttut.Wir bedauern es sehr, daß Sie mit Ihrer Ablehnung des Gesetzentwurfs eine Chance für sozial Schwache vertun, nunmehr auch zu Eigentum über Wohnbesitz zu finden. Wegen einer ganz geringfügigen Differenz von 9 % versagen Sie hier einem Gesetz, das die sozial Schwächeren endlich einmal an den staatlichen Vergünstigungen für den Wohnungsbau teilhaben läßt, Ihre Zustimmung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Böger.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen, meine Herren! Namens der FDP-Fraktion gebe ich zu der Vorlage des Vermittlungsausschusses betreffend das Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau folgende Erklärung ab:
Die Zielvorstellung der FDP im Hinblick auf notwendige Verbesserungen des staatlichen Förderungssystems im sozialen Wohnungsbau werden durch das neue Gesetz weitgehend erfüllt. Die Förderung des Wohnungsbaues soll künftig überwiegend der Bildung von Einzeleigentum — Familienheimen und eigengenutzten Eigentumswohnungendienen. Dies bedeutet in der Praxis den Einsatz von mehr als 50 % der öffentlichen Förderungsmittel für die genannten Eigentumsmaßnahmen. Unserem Hauptanliegen ist damit Rechnung getragen.
Aber auch Wohnbesitz in der Form, wie er durch das neue Gesetz statuiert wird, wird für manche Personengruppen ein erstrebenswertes Ziel sein. Wenn man dieses Rechtsinstitut schafft, dann sollte auch darauf geachtet werden, daß diejenigen, die einen solchen qualifizierten Wohnbesitz wollen, nicht nach einiger Zeit gegen ihren Willen dieses Wohnbesitzes durch Umwandlung in Eigentum verlustig gehen. Die nunmehr gefundene Kompromißlösung der Umwandlung von Wohnbesitz in Wohneigentum auf Verlangen von mindestens drei Fünftel aller jeweiligen Wohnbesitzberechtigten bei gleichzeitiger Fondsvermögensabwicklung wird sich in der Praxis erst noch bewähren müssen. Wir hätten es vorgezogen, daß eine Umwandlung von Wohnbesitz in Wohnungseigentum an die Zustimmung jeweils aller Wohnbesitzberechtigten oder jeweils eines höheren Anteils als drei Fünftel geknüpft worden wäre.
In diesem Zusammenhang haben wir unter anderem auf das Schutzbedürfnis der Minderheit derjenigen Wohnbesitzberechtigten hingewiesen, die vielleicht überhaupt kein Wohnungseigentum erwerben wollen oder erwerben können. Wir haben hierbei an unerwünschte Verdrängungseffekte erinnert, aber auch darauf aufmerksam gemacht, daß wirtschaftliche und rechtliche Risiken bei den jeweiligen Bauträgern im Rahmen der vorgesehenen Vermögensabwicklungen nicht außer acht gelassen werden dürfen. — Es bleibt abzuwarten, wie der Markt nunmehr die neue Wohnbesitzform aufnehmen wird.
Weil wir aus sozialpolitischen und vermögenspolitischen Gründen den Wunsch haben, daß die im neuen Gesetz festgehaltene Vorrangförderung für sparerleichterte Eigentumsmaßnahmen bald Wirklichkeit wird, stimmen wir der Verabschiedung der Vermittlungsvorlage zu.
Meine Damen und Herren, der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die Änderung gemeinsam abzustimmen ist.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 7/4180 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist mit Mehrheit angenommen.Meine Damen und Herren, ich rufe Zusatzpunkt 3 der Tagesordnung auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften— Drucksache 7/2433 —Bericht und Antrag des Innenausschusses
— Drucksache 7/4183 —Berichterstatter:Abgeordneter LiedtkeAbgeordneter Vogel Abgeordneter Dr. Wendig
b) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes, des Deutschen Richtergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten— Drucksache 7/2432 —Bericht und Antrag des Innenausschusses
— Drucksache 7/4183 —Berichterstatter:Abgeordneter LiedtkeAbgeordneter Vogel Abgeordneter Dr. Wendig
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13538 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Präsident Frau Rengerc) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften— Drucksache 7/4187Überweisungsvorschlag: Innenausschuß , RechtsausschußEs ist eine gemeinsame Debatte vorgesehen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Liedtke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Grundgesetz verbürgt das Recht der Menschen, ihren Anspruch auf die Verwirklichung ihrer persönlichen Würde zu ermöglichen, und zwar in Freiheit von der Furcht vor der Not, der Unterdrückung und der Gewalt. Sicher ist vieles in diesen Bereichen noch verbesserungswürdig; aber so weit waren die Grundrechte der Geschichte dieses Landes noch nie manifestiert.Sozialdemokraten haben über hundert Jahre lang für diese Ziele gekämpft, gelitten, und viele sind auch dafür gestorben. So ist es keine Leerformel, wenn ich zu Beginn sage, daß wir mit Leidenschaft diese Verfassung bejahen und bereit sind, sie zu schützen gegen ihre Gegner.
Es gehört auch zu unserem geschichtlichen Wissen, daß diese Verteidigungsbereitschaft nur in einer wehrhaften und nicht in einer wertneutralen Demokratie zu leisten ist. Wir sind aber auch zutiefst davon überzeugt, daß die Festigkeit einer demokratischen Staatsform abhängt vom Vertrauen der Bürger.Lassen Sie mich zu dem hohen Stellenwert, den wir diesem Vertrauen beimessen, einmal Fritz Erler zitieren aus einer Rede, die er im Jahre 1966 hier in diesem Bundestage gehalten hat:Wer dabei hilft, Vertrauen in eine gesunde Zukunft des demokratischen Deutschland zu schaffen, der arbeitet gleichzeitig an der Sicherung dieser Zukunft selbst. Eine Atmosphäre beständigen Mißtrauens würde jedoch die Demokratie in Deutschland zerstören. Wer Mißtrauen sät, kann kein Vertrauen schaffen.Es lohnt sich, darüber eine Weile nachzudenken.Nicht nur mangelnder Verzicht der Demokraten auf die aktive Bereitschaft, Verfassungsfeinde abzuwehren, kann diese Demokratie gefährden; auch derjenige, der das Vertrauen in sie untergräbt, der den demokratischen Gegner verteufelt, der den demokratischen Geist, zu dem das Verhältnis zur Wahrheit gehört, mißachtet, gleichzeitig vorgebend, für ihn zu streiten, stellt sehr wohl diese Demokratie in Frage.Meine Damen und Herren, zu diesem letzten Bereich gibt es auch für den weniger aufmerksamen Beobachter durchaus Elemente und Spuren in diesem Deutschen Bundestag festzustellen. Ich nehme als Zitat, aber nur als Beispiel für Haltungsformen, die bei mir Sorge auslösen, eine Pressenotiz von heute aus der „Esslinger Zeitung", in der ein Kollege dieses Hauses der Koalition unterstellt, sie sympathisiere mit den Gegnern dieser Verfassung und begebe sich auf den gefährlichen Weg, den Rechtsstaat zu zwingen, Verfassungsgegner als Beamte einzustellen und damit seine Existenz zu untergraben.Wer eine Konfrontationspolitik in diesem Hause und draußen so weit treibt, daß sie nur noch in einem immer mehr überzogenen Wortradikalismus darstellbar ist, wer Mißtrauen säen will und dabei selbst sein Verhältnis zur Wahrhaftigkeit zerstört, wer um Vertrauen wirbt, indem er anderen demokratischen Parteien dieses Recht abspricht, der sündigt wider den demokratischen Geist,
der betreibt sehr schnell das Geschäft derer, die er bekämpfen möchte, und der zerstört sehr schnell das, was er erhalten möchte, der benimmt sich wie ein Schaf im Wolfspelz und hilft den Wölfen im Schafspelz; so möchte ich das einmal formulieren.
— Das will ich auch hoffen.Meine Damen und Herren, Sie werden uns stets auf der Seite derer finden, die die Verfassungsgegner ohne Einschränkung bekämpfen und niemanden sehend und wissend in den öffentlichen Dienst hineinlassen. Sie werden uns aber auch auf der Seite derjenigen finden, die unter Freiheit auch immer die Freiheit der Andersdenkenden verstehen und die sich gegen Ansätze wehren werden, ein Duckmäusertum oder gar ein Anpassungsmoment in diese Demokratie hineintragen zu lassen. Eine Demokratie kann sehr wohl auch am Angepaßtsein ihrer Bürger zugrunde gehen.
Wir nehmen sehr ernst, was Amnesty International in einem Brief an den Bundespräsidenten vom 14. Oktober dieses Jahres geschrieben hat. Darin heißt es:Wir stellen fest, daß sich in zunehmendem Maße Bürger unseres Staates scheuen, sich an Unterschriftenaktionen von Amnesty International zu beteiligen, und zwar selbst an solchen, die nicht die politischen Verhältnisse in einem bestimmten Lande betreffen, sondern beispielsweise auf die Abschaffung der Folter in aller Welt gerichtet sind. Als Begründung wird uns entgegengehalten, man sei im Staatsdienst tätig oder beabsichtige, sich um eine Stelle im öffentlichen Dienst zu bewerben, und müsse fürchten, daß einem die Mitunterzeichnung dieser Petition nachteilig ausgelegt werde.— Ich belächele das nicht so einfach. — Amnesty International kommt zu dem Schluß:Offensichtlich haben die Verfahren im Zusammenhang mit der Annahme oder Ablehnung von Bewerbern um den öffentlichen Dienst dazu geführt, daß der Bürger das Recht auf freie Mei-
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Liedtkenungsäußerung nach Art. 5 des Grundgesetzes nicht mehr für gewährleistet hält.Ich folge dieser Schlußfolgerung nicht ihrer Allgemeinheit, vermag jedoch nicht auszuschließen, daß es in der Bürgerschaft schon Teile gibt, die den Art. 5 nicht mehr als selbstverständliches Recht in sich tragen.Der freiheitlich-demokratische Staat setzt das Vertrauen der Bürger in diesen Staat voraus. Das bedeutet aber auch, daß der Staat umgekehrt seinen Bürgern vertrauen muß. Deshalb heißt es in unserer Entschließung:Der freiheitlich-demokratische Staat geht von der Verfassungsloyalität seiner Bürger aus. Zugunsten der Bewerber für den öffentlichen Dienst spricht daher grundsätzlich die Vermutung, daß sie in ihrer Person die Gewähr der Verfassungstreue bieten.Der Normalfall ist also für uns, daß nicht bei jeder Bewerbung eine Verfassungsschutzakte den Eintritt in den öffentlichen Dienst begleitet. Wer diesen Grundsatz ernst nimmt, muß mit uns dafür Sorge tragen und besorgt sein, daß Gesinnungsschnüffelei in diesem Lande nicht zur Normalität wird,
daß Äußerungen und Handlungen eines jungen Menschen, besonders wenn sie längere Zeit zurückliegen, nur in ganz besonders gravierenden Fällen zu einer Bewertung herangezogen werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu im übrigen das Notwendige gesagt.Wir sind uns einig — das unterstelle ich —, daß wir die Auseinandersetzung mit dem Extremismus sehr ernst nehmen wollen. Ich weise aber auch darauf hin, daß es darum geht, nicht die Maßstäbe zu verlieren, die uns der Realitätssinn gebietet. Es ist eine Tatsache, daß die extremistischen Parteien in diesem Lande bei jeder Wahl weit abgeschlagen werden und erkennbar ohne jede Chance sind. Es ist weiter eine Tatsache, daß im gesamten Bereich des öffentlichen Dienstes 0,02 % der Beschäftigten statistisch im Verfassungsschutzbericht als links- oder rechtsextremistisch eingestuft sind. Wir müssen schon lange mit der Laterne des Sokrates suchen, um in der Bundesrepublik einen gestandenen Extremisten zu finden.Wir begegnen dann vielleicht einem in Schleswig-Holstein, der dort zweiter Landesvorsitzender der NPD ist, der neben seiner Beamtentätigkeit einen sechsjährigen Lehrauftrag vom Staate hat und dem auf Anfrage der SPD-Fraktion von Herrn Stoltenberg die Verfassungstreue bescheinigt wird. So schwer ist es, wenn man in die Einzelprüfung eintritt, einem Beamten nachzuweisen, daß er nach selbst gesetzten, genormten Vorstellungen eigentlich längst unter das Negativurteil fallen müßte.
— Herr Vogel, Sie kennen die Anfrage, und Sie kennen auch die Antwort der Landesregierung.
— Dann sind Sie hervorragend informiert. Ich stelle fest: Sie können lesen.
— Herr Kollege Stücklen, Sie schaffen es nie, ohne Mikrophon lauter zu sein als ich.Ich darf für die sozialdemokratische Fraktion als Fazit feststellen: Wir sind bei aller Wachsamkeit überzeugt, daß die Demokratie in diesem Lande verwurzelt ist. Wir sollten das mit Stolz sagen, damit dieser Stolz auch draußen im Lande von den Bürgern aufgenommen und mitgetragen wird.
Wir stellen auch fest, daß es um keinen Reinigungsprozeß im öffentlichen Dienst geht, ja es geht nicht einmal um das Setzen neuer Rechtsnormen. Es geht lediglich darum, bei Überprüfungsverfahren einen einheitlichen Ablauf im gesamten Bundesgebiet sicherzustellen, weil die Gleichbehandlung auch eine wichtige Rechtsnorm in diesem Staate darstellt.Der Bericht der Länder zeigt, daß die Ungleichheit zur Zeit die Norm ist. Auch die Opposition bestätigt uns diesen Zustand fast täglich, freilich wiederum mit dem Lügendreheffekt, indem sie laufend Geschichten auftischt wie: In Bremen kann man als SED-Sympathisant natürlich mit Freuden in die Universität eintreten oder sich an einen Schreibtisch in Kassel setzen. — So in der Erklärung von Herrn Windelen von heute zu finden.Da sollte eigentlich jemand einmal den Versuch machen, dieses Moritatendeutsch der Opposition in ein wahres Deutsch zu übersetzen und darüber ein Lexikon zu erstellen. Vielleicht könnte man dann nachlesen, was Herr Carstens in der ersten Lesung zu diesem Gesetz mit dem „juristischen Klimbim" eigentlich gemeint hat, den er vom Tisch fegen wollte, um an den Kern der eigentlichen Staatsbedrohung freier heranzukommen. Vielleicht könnte man dann die Deutung geben, indem man Herrn Wrangel bemüht, der in der „Bergedorfer Zeitung" am 29. Mai 1974 geschrieben hat: Wir müssen die Sozialisten kaputtkriegen, damit endlich wieder die Ordnung hergestellt wird, die wir brauchen. — Ein ganz wachsamer deutscher Leser würde dann wieder fragen: Was ist nun eigentlich deren Ordnung? Daraufhin könnte man Herrn Strauß aus der „Welt" vom 15. Juli 1974 zitieren— das ist sehr deutlich —: Bayern wird frei bleiben, und Deutschland wird vom Marxismus wieder befreit werden.
Wenn dieser einsichtige Leser dann einen Blick in dieses wundervolle freie Land wirft und dabei feststellt, daß das Herr Strauß Marxismus nennt, dann hat ihn Strauß endgültig zum Marxismus bekehrt. Spätestens hier würde also die Fehlleistung ihres Lexikons eintreten.Meine Damen und Herren, unser Gesetzentwurf geht von folgenden Grundsätzen aus, die wir für unverzichtbar halten:
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13540 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Liedtke1. Jeder Einzelfall muß unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände für sich geprüft und entschieden werden.2. Für die Entscheidung ist allein die oberste Dienstbehörde verantwortlich.3. Vor der Entscheidung ist der Bewerber zu hören, um jede Anonymität auszuschließen.4. Eine ablehnende Entscheidung darf nur auf Tatsachen gestützt werden. Diese Tatsachen müssen in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar sein.5. Auf Verlangen ist diese Entscheidung schriftlich zu begründen. Eine Rechtsmittelbelehrung ist beizufügen. Der Rechtsweg steht offen.Das halten wir für strenge, saubere rechtsstaatliche Kriterien. Alles, was darüber hinausgeht, nimmt dem Einzelbewerber die gleichwertige Chance gegenüber dem Gebilde Staat, der ihm vertrauen soll und dem er vertrauen möchte.Hinzu kommt, daß nach dem Karlsruher Urteil die Zulassung zu einer Berufsausbildung, die Voraussetzung für die Ausübung eines Berufs auch außerhalb des öffentlichen Dienstes ist, zu gewährleisten ist. Wir halten auf Grund der Ausführungen des Karlsruher Urteils eine weitere Präzisierung und Konkretisierung des letzten Satzes in unserem Gesetzentwurf für notwendig und kommen zu dem Schluß, daß eine einheitliche Ausbildung in einem Vorbereitungsdienst ohne Begründung eines Beamtenverhältnisses die beste Gewähr dafür bietet, daß das Gebot der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung der Bewerber am zuverlässigsten gewährleistet sind.Wir haben auch nach Kriterien gesucht, wann selbst diese Ausbildung dem Staat durch das persönliche Verhalten des Bewerbers nicht zumutbar ist. Wir haben hier die Kriterien der Rechtsanwaltsordnung zugrunde gelegt: Die Ausbildung ist zu versagen, wenn der Bewerber in strafbarer Weise die demokratische Grundordnung bekämpft. Die Folgerung ist: wer Rechtsanwalt in diesem Staat sein darf, dem kann man unmöglich die Ausbildung zu diesem Beruf verwehren.Die Oppositionsfraktion hat sich für noch nicht entscheidungsfähig in diesem Bereich erklärt und von ihrem Minderheitenrecht Gebrauch gemacht, ein Hearing dazu zu fordern. Ich erinnere mich daran, daß uns in den letzten Monaten aus den Reihen der Opposition ständig der Vorwurf gemacht wurde, wir verschleppten dieses Gesetz in der Behandlung und Entscheidung, weil uns — nun kommt wieder dieses spezifische Deutsch — inhärente Schwächen — ich weiß nicht, was dabei alles an sehr leicht eingängigen Vokabeln herbeigeholt wurde — daran hinderten. Nun wollen wir entscheiden, aber die Opposition ist noch nicht entscheidungsreif. Ich nehme an, Sie sehen jetzt ein, daß in Ihren Reihen die Möglichkeiten begrenzt sind und daß Sie diesen Vorwurf gegen uns heute zurücknehmen.Um die Behandlung dieses Bereichs zügig fortzuführen, haben wir heute einen Initiativentwurf eingebracht. Flugs sagen Sie nun wieder: Das machen die SPD und auch die FDP plötzlich deshalb so schnell, weil ihre Parteitage vor der Tür stehen.
— Herr Carstens, wir geben sogar gerne zu,
daß wir auch unsere Parteitage nicht aus dem Auge verlieren. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, daß Bundesparteitage demokratischer Parteien von ihren gesetzgebenden Fraktionen in möglichst großem Umfang klare Fakten zur Beurteilung auf den Tisch gelegt bekommen.
Wenn Sie das nicht für selbstverständlich halten,weil es in Ihren Reihen nicht üblich zu sein scheint,
und glauben, auch hier die Zunge des Spottes wetzen zu können, dann haben Sie noch ein bißchen Nachholbedarf in puncto innerparteilicher Demokratie.
Ich will einmal versuchen festzustellen, ob es noch möglich ist, in diesem Hause den Katalog der Gemeinsamkeiten darzulegen. Ich gehe davon aus, daß niemand im Hause Extremisten im öffentlichen Dienst beschäftigen will; ich gehe davon aus, daß niemand Verfassung und geltende Beamtenrechte ändern will; ich gehe davon aus, daß wir lediglich gemeinsam die Gleichbehandlung des Verfahrens und nicht mehr sicherzustellen versuchen. Ich gehe auch davon aus, daß wir im Bereich der Ausbildungsmonopole möglicherweise einen gemeinsamen Nenner finden. Ich gebe sogar der Hoffnung Ausdruck, daß die Gemeinsamkeit bis in den von mir zitierten Grundsatz hineinreicht, wonach der Staat prinzipiell dem Bürger vertrauen muß, wenn er umgekehrt das Vertrauen der Bürger wünscht und benötigt. Diei Folgerung kann nur sein, daß Tatsachen vorliegen müssen, die geeignet sind, dieses Vertrauen in Frage zu stellen, und daß erst dann mit der gebotenen Gründlichkeit Überprüfungsverfahren einsetzen. Ich gehe letztlich davon aus, daß die Ausbildungs- oder Probezeit einer der wichtigsten Lebensabschnitte des Bewerbers ist, in der auch die Prüfung seiner aktiven Verfassungstreue durchgeführt werden muß.Wir unterscheiden uns nur in einem Punkt, der freilich sehr unterschiedlich ausgelegt wird. Sie wünschen, daß die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei oder Organisation in der Regel Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers begründet. Das findet nach unserem Studium des Urteils keine Stütze beim Bundesverfassungsgericht. Die Mitgliedschaft in einer solchen Partei oder Organisation ist zweifellos einer der Gesichtspunkte, die unter anderen als Indiz bei der Einzelfallprüfung und der Berücksichtigung der persönlichen
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LiedtkeUmstände herangezogen werden können und — von mir aus — auch müssen. Eine gesetzliche Regelung „in der Regel Zweifel" nimmt aber global eine Tatsachenwürdigung auch für den Einzelfall vorweg. Aus Ihrer allgemeinen Lebenserfahrung wollen Sie eine gesetzliche Regelvermutung machen. Klar ist dabei doch wohl auch Ihnen, daß extremistische Parteien oder Organisationen, was immer man darunter versteht, graduiert zu sehen sind in der Extensität, wie sie sich von der Verfassung entfernt haben. Bei Ihnen geht das alles über die eine Regel, einen Leisten, gleichwertig und gleichmäßig. Klar dürfte doch auch sein, daß sich die Mitgliedschaft in einer dieser Parteien oder Organisationen dem Betrachter in einer breiten Skala anbietet, die vom Mitläufer bis zu allen möglichen engagierten Verfassungsgegnern reicht. Bei Ihnen wird das alles über den gleichen Leisten geschlagen: „begründet in der Regel Zweifel".Ich sage noch einmal, wir halten diese Regelung nicht für verfassungskonform, und wir sind sicher, daß ein hochkarätiger Verfassungsgegner von die-. ser Formel nicht erwischt wird. Der wird nicht im Traum daran denken, in eine Organisation oder Partei einzutreten, die in diesen Blickwinkel hineinpassen könnte Sorge haben wir, daß ein normaler Student sein Engagement beispielsweise an der Universität zurückstellt, weil er nicht weiß, ob die Vereinigung, der er beitreten möchte, nicht von der Zeit während des Studiums bis zur möglichen Bewerbung um eine Einstellung in den öffentlichen Dienst ohne sein Wissen auf die schwarze Liste geraten sein könnte. Konformes Verhalten, Nichtauffallen sind Verhaltensmuster aus dem anderen Teil Deutschlands. Es wäre sehr schwerwiegend, wenn wir, auch ungewollt, mit derartigen Verhaltensweisen eine gesunde Demokratie ins Kränkeln brächten.Ich will Ihnen zugeben, daß Ihre Lösung bequemer ist als die Lösung der sozialliberalen Koalition. Sie sollten aber bedenken, daß der Rechtsstaat nicht immer bequem ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dregger. Er hat eine Redezeit von 60 Minuten angemeldet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn unser parlamentarisches Regierungssystem innerhalb unserer verfassungsmäßigen Ordnung funktionieren und diese gesichert werden soll, muß es zwischen den demokratischen Parteien Kampf und Gemeinsamkeit zugleich geben. Der politische Kampf innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung ist die motorische Kraft, ohne die wirklicher Fortschritt nicht möglich gemacht und ohne die, was ebenso wichtig ist, scheinbarer Fortschritt in Richtung Abgrund nicht verhindert werden kann. Aus den streitenden demokratischen Gegnern müssen aber Verbündete werden, wenn es gilt, den demokratischen Staat gegen diejenigen zu schützen, die ihn abschaffen wollen.
Einen zweiten Gedanken möchte ich voranstellen. Durch dieses Gesetz soll die demokratische Auseinandersetzung über Ziele und Wege der Politik nicht unterdrückt, sondern geschützt werden. Die Möglichkeit zu verfassungsmäßig bewirkten Änderungen soll nicht beschnitten, sondern offengehalten werden. Ausgeschlossen werden sollen nur solche Veränderungen, die künftige Veränderungen verhindern würden. Es ist ja das reaktionäre Wesensmerkmal aller sozialistischen und faschistischen Regime in der Welt, daß sie von den Machthabern nicht gewünschte Veränderungen durch Gewalt unterdrücken,
während es das freiheitliche Merkmal unserer Ordnung ist, daß sie für Veränderungen, soweit diese von der Mehrheit gewünscht werden, offen ist und daß sie dafür geordnete Verfahren anbietet. Nur diejenigen, die die Freiheiten unserer Verfassung mißbrauchen, um sie abzuschaffen, sollen durch dieses Gesetz auf Grenzen stoßen. Oder, juristisch ausgedrückt, nur der Kernbestand unserer Verfassung, wie er im KPD-Urteil durch das Bundesverfassungsgericht umrissen worden ist, soll geschützt werden, nicht jede Verfassungsbestimmung und erst recht nicht der derzeitige gesellschaftliche oder politische Zustand. Im Gegenteil, diesen ändern zu können, gehört ebenfalls zum Kernbestand unserer Verfassung, der geschützt werden soll.
Meine Damen und Herren, in der Verteidigung dieses Kernbestandes sollten die demokratischen Parteien zusammenwirken. Das war auch zunächst der Fall, nicht nur in der ersten Nachkriegszeit. Das Grundgesetz wurde in dieser Hinsicht in völliger Übereinstimmung von allen demokratischen Parteien als Verfassung einer streitbaren Demokratie ausgeprägt; alle demokratischen Parteien grenzten sich von den rechten und den linken Extremisten in gleicher Weise entschieden ab. Die SPD Kurt Schumachers kämpfte gegen die Kommunisten mit einer Konsequenz, die nicht zu überbieten war. Ein Wandel in dieser Hinsicht kündigte sich am Ende der 60er Jahre an. Aber noch 1972 war es möglich, daß der damalige Bundeskanzler Brandt und die Regierungschefs aller Bundesländer, also Regierungschefs, die beiden großen Parteien angehörten, unter Mitwirkung des Bundesinnenministers, der der FDP angehörte, die heute im Gesetz zu regelnde Frage in völliger Übereinstimmung durch eine Vereinbarung regelten.
Bald danach zerbrach diese Gemeinsamkeit, und zwar keineswegs, wie nacher von Vertretern der Regierungsparteien behauptet wurde, an einer unterschiedlichen Einschätzung der Rechtsgarantien, die im Interesse der Betroffenen zu beachten sind. In der Bereitschaft, diese Rechtsgarantien absolut zu
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Dr. Dreggerrespektieren, stimmen wir völlig überein; ich werde das darlegen. Die Gemeinsamkeit zerbrach auch nicht an der angeblichen Kompliziertheit der Materie. Kompliziert ist nicht der zu regelnde Tatbestand; kompliziert sind allenfalls die Gedankengänge einiger Koalitionspolitiker über diesen Tatbestand,
insbesondere die Begründungen, mit denen sie die Aufgabe der gemeinsamen Position des Jahres 1972 zu. erklären versucht haben.Die Gemeinsamkeit zerbrach an Umständen, die außerhalb der Rechtsproblematik liegen. Sie zerbrach erstens an der neuerdings unterschiedlichen Einschätzung und Wertung der Gefahr, die von den heutigen Verfassungsfeinden — einige bekämpfen ja immer noch ,die verblichenen —, die also insbesondere von den Kommunisten Moskauer Provenienz ausgeht, und zweitens an der inneren Entwicklung der Regierungsparteien, die sich von der zuvor gemeinsamen Position der Demokraten entfernt haben. Sie haben sich geändert, wie der Bundesverteidigungsminister in seinem „Spiegel"-Interview ebenso freimütig wie resigniert feststellte.
Das hat die Regierung daran gehindert, die von der Sache her gebotene Regelung vorzuschlagen oder zu akzeptieren, wozu es im Grunde genügt hätte, die Vereinbarung aller Regierungschefs in das Gesetz zu übernehmen. Die Regierung nahm statt dessen Zuflucht zu Formelkompromissen, die — nach dem ebenso berühmten wie berüchtigten Beispiel ihrer Ostverträge — unterschiedlich auslegbar sind. Meine Damen und Herren, als Gesetzgeber sind wir aber zu eindeutigen Entscheidungen verpflichtet. Verzichten wir darauf, dann gefährden wir mit dem Zweck des Gesetzes zugleich zwei Grundwerte des Rechtsstaats, nämlich die Rechtssicherheit, die eindeutige Regelungen verlangt, und die Gerechtigkeit, die gleiche Behandlung gleicher Tatbestände zur Pflicht macht.
Die Ausschußfassung des Regierungsentwurfs hat, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 17. Oktober kommentierte, die letzten Klarheiten, die es im Regierungsentwurf noch gab, beseitigt, so daß alles das, was ich zum Regierungsentwurf gesagt habe, erst recht für die Ausschußfassung gilt.Lassen Sie mich diese meine Thesen begründen.Erste These: Wir stimmen in der Bereitschaft, rechtsstaatliche Erfordernisse absolut zu respektieren, voll und ganz überein. Koalition und Opposition lehnen, wie aus den beiden Gesetzentwürfen zu § 122 a hervorgeht, eine Pauschalregelung ab und fordern eine Berücksichtigung des Einzelfalles.Der Versuch der Regierungsparteien, uns das Gegenteil zu unterstellen, knüpft an ein anderes Problem an, an das Kernproblem der beiden Entwürfe, ob nämlich die Mitgliedschaft in einer Partei mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung die widerlegbare Vermutung begründet, daß das Mitglied die Ziele seiner Partei teilt und unterstützt und daher selbst verfassungsfeindliche Ziele verfolgt — eine doch nicht willkürliche, sondern außerordentlich naheliegende Vermutung, wie ich meine.
Mit dem Problem der Einzelfallprüfung hat diese Frage nichts zu tun. Einzelfallprüfung und widerlegbare Vermutung schließen sich nicht aus, sondern bedingen einander. Denn wenn die Mitgliedschaft in einer Partei, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, nur Zweifel an der Verfassungstreue des Mitglieds begründet — und das auch nur „in der Regel", wie es im Bundesratsentwurf heißt —, bedarf es eben der Einzelfallprüfung, um die Zweifel bestätigt oder ausgeräumt zu. erhalten.
Wer über diese verwaltungsrechtliche Selbstverständlichkeit hinwegredet, ist entweder nicht informiert oder sucht den Tatbestand zu. vernebeln.
Der Bundesminister des Innern hat es in der ersten Lesung in schlimmer Weise getan. So, wenn er wahrheitswidrig behauptete, der Bundesratsentwurf lasse es zu, daß aus der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung „ohne irgendwelche weitere Nachprüfung oder gar Anhörung auf die mangelnde Verfassungstreue des Bewerbers geschlossen werden könne".
Dabei ist doch das Gegenteil des vom Bundesinnenminister in der ersten Lesung Behaupteten im Bundesratsentwurf ausdrücklich gesagt. Es heißt dort ausdrücklich, dem Bewerber sei Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, die Ablehnung sei schriftlich zu begründen, sie könne nur auf die Tatsachen gestützt werden, die gerichtlich verwertbar sind, und die Entscheidung sei mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. In all diesen rechtsstaatlichen Garantien, meine Damen und Herren, stimmen beide Entwürfe völlig überein.Abweichungen zwischen den beiden Entwürfen ergeben sich jedoch in zwei für die Praxis der Einstellungsbehörden entscheidenden Fragen:1. Wie ist die Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen extremistischen Partei zu bewerten?2. Wer trägt die sogenannte Beweislast?
Der Bundesratsentwurf knüpft in diesen Fragen an die Vereinbarung des damaligen Bundeskanzlers Brandt mit den Ministerpräsidenten aller Bundesländer vom 28. Januar 1972 an und beantwortet diese Frage völlig eindeutig. Ich zitiere:Die Mitgliedschaft in einer Partei oder sonstigen Vereinigung, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, begründet in der Regel Zweifel daran, ob der Bewerber jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten wird, und zwar auch dann, wenn die Partei oder Ver-
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Dr. Dreggereinigung noch nicht verboten ist. Bleiben die Zweifel bestehen, so ist der Bewerber abzulehnen.Regierungsentwurf und Ausschußfassung beantworten diese Frage überhaupt nicht. Das ist der entscheidende gesetzgeberische Vorwurf, der gegen sie zu erheben ist. Die Bundesregierung stand vor der schwierigen Aufgabe, dem erstaunten Publikum zu erklären, warum sie von der gemeinsamen Position des Jahres 1972 abgegangen ist. Der Bundesinnenminister entwickelte bei diesem Versuch in der ersten Lesung geradezu seiltänzerische Fähigkeiten. Er versuchte klarzumachen, daß das in der Entschließung der Ministerpräsidenten Gesagte von der Bundesregierung im Grunde auch gewollt, aber doch wieder nicht gewollt werde und vor allem nicht im Gesetzentwurf gesagt werden solle, und das ist das Entscheidende. Die Mitglieder der Koalitionsfraktionen widersprachen sich in dieser Frage mit Vehemenz.In der Gegenäußerung der Bundesregierung zum Bundesratsentwurf hieß es noch ausdrücklich — ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin —:Der Entschluß, einer Partei oder Vereinigung mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung als Mitglied beizutreten und in ihr zu verbleiben, ist auch nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ein in der Person des Bewerbers liegender Anhaltspunkt bei der Beurteilung, ob ein Bewerber die — nach geltendem Recht vorgeschriebene — Gewähr der Verfassungstreue bietet.So die Bundesregierung in der Gegenäußerung zum Bundesratsentwurf.Diese Aussage war übrigens nicht ganz korrekt, weil das in der Gegenäußerung zum Bundesratsentwurf von der Bundesregierung Gesagte nicht im Gesetzentwurf der Bundesregierung steht, sondern nur das Gegenteil in diesem Gesetzentwurf ausgeschlossen ist.Während Professor Maihofer in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Bundesregierung in der ersten Lesung nochmals ausdrücklich versicherte, Mitgliedschaft sei ein in der Person des Bewerbers liegender Umstand — unter anderen —, erklärte sein Fraktionskollege Dr. Hirsch in derselben Beratung — ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin wörtlich —:Wir sind der Meinung, daß die Parteizugehörig-keit kein praktischer Anknüpfungspunkt füreine Entscheidung in einem Einzelfall sein kann.Meine Damen und Herren, wie soll denn der Gesetzentwurf nun eigentlich ausgelegt werden — nach der Interpretation von Professor Maihofer oder nach der Interpretation von Dr. Hirsch? Oder soll vielleicht unterschieden werden, je nach dem, ob es sich um moskaufreundliche oder um moskaufeindliche Kommunisten handelt?
Während nämlich der jetzige nordrhein-westfälische Innenminister, Dr. Hirsch, die Parteimitgliedschaft als Anknüpfungspunkt ausdrücklich ablehnte, vertrat der nordrhein-westfälische Justizminister, Dr. Posser, jedenfalls im Hinblick auf die moskaufeindliche KPD, bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs im Bundesrat am 10. Mai 1974 folgende Auffassung — ich zitiere ihn wörtlich —:Es ist doch selbstverständlich, daß ein Bewerber, der dieser neuen KPD angehört,— die Zugehörigkeit zu einer Partei war also plötzlich wichtig —völlig unmöglich in den öffentlichen Dienst aufgenommen werden kann.
Meine Damen und Herren, hier wird doch das Argument, es sei rechtsstaatswidrig, die Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei mit verfassungsfeindlichen Zielen als Anknüpfungspunkt zu verwenden, in durchaus vergleichbaren Fällen völlig unterschiedlich gehandhabt. Mitgliedschaft in der moskaufeindlichen KPD weist demnach auf fehlende Verfassungstreue hin, Mitgliedschaft in der moskaufreundlichen DKP dagegen nicht. Meine Damen und Herren, wollen wir uns auch noch bei der Auslegung unserer Verfassung nach Moskauer Maßstäben richten? Diese Frage muß man doch einmal stellen.
Hie Hirsch, hie Maihofer, hie Posser! Was sollen eigentlich die Gesetzesanwender mit einem Gesetz machen, das schon bei seiner Entstehung in Bundestag und Bundesrat von seinen Vätern und Müttern — man könnte besser sagen: von seinen Stiefvätern und seinen Stiefmüttern — so unterschiedlich ausgelegt wird? Ein solches Gesetz ist in der Praxis doch völlig ungeeignet.
Herr Hirsch hat für seine Auffassung, Mitgliedschaft in einer Partei mit verfassungsfeindlichen Zielen sei kein geeigneter Anknüpfungspunkt, eine Begründung gegeben, die auch von vielen anderen Vertretern der Koalition ins Feld geführt wird, die ich aber unbeschadet dessen für völlig falsch halte. Nämlich: nichtorganisierte Verfassungsfeinde seien unter Umständen gefährlicher als organisierte, weshalb es gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung verstoße, wenn auf die Mitgliedschaft als Anknüpfungspunkt abgehoben werde. Meine Damen und Herren, es geht hier doch nicht um die Gefährlichkeit eines anarchistischen Bombenwerfers — bei dem ist es in der Tat völlig gleichgültig, ob er einer politischen Partei angehört oder nicht —, sondern es geht um die Bewertung des politischen Kampfes von Kommunisten und sonstigen Linksoder Rechtsextremisten mit dem Ziel, den Kernbestand unserer freiheitlichen Verfassung zu zerstören und unser demokratisches System durch eine kommunistische oder faschistische Diktatur zu er-13544 •Metadaten/Kopzeile:
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Dr. Dreggersetzen. Daß dieses Ziel ohne eine schlagkräftige Parteiorganisation nicht erreichbar ist, darüber kann doch nicht ernsthaft gestritten werden. Davon geht auch unsere Verfassung aus, die ausdrücklich das Verbot verfassungsfeindlicher Parteien vorsieht. Das soll doch wahrscheinlich nicht geschehen, um Verfassungsfeinde durch Vereinzelung gefährlicher zu machen, wie Sie anzunehmen scheinen.
Es ist doch ganz klar, daß nicht die Einzelkämpfer des Marxismus /Leninismus, die von Herrn Hirsch und dann auch von Herrn Maihofer in der ersten Lesung geradezu als Schreckensbilder an die Wand gemalt wurden, die Gefahr für die freiheitliche Demokratie in unserem Lande darstellen, sondern die organisierten Verfassungsfeinde, und zwar die disziplinierten noch viel mehr als die Chaoten. Davon müssen wir doch ausgehen.
Diese Bewertung, die ausdrücklich an die Parteimitgliedschaft anknüpft, erlaubt es im übrigen, auf Gesinnungsprüfungen, die in der Tat widerwärtig sind, ganz und gar zu verzichten.
Ganz im Gegensatz dazu hat Professor Ehmke in den Ausschußberatungen gemeint, gerade auf die Parteimitgliedschaft nicht verbotener Parteien dürfe nicht abgestellt werden. Diese Mitgliedschaft könne allenfalls Anlaß bieten, den Bewerber auf seine Verfassungstreue zu überprüfen. Die Mitgliedschaft selbst könne aber kein Ablehnungsgrund und, wie er meinte, wohl auch kein Indiz sein. Ich schließe das letztere aus der Tatsache, daß Herr Ehmke in diesem Zusammenhang Zweifel äußerte, ob die Regierung überhaupt das Recht habe, sich über die Verfassungsmäßigkeit einer nicht verbotenen politischen Partei zu äußern.Meine Damen und Herren, hätte Professor Ehmke recht, dann gäbe es nur eine Alternative: Entweder Verbot oder freie Betätigung für jede nicht verbotene Partei und ihre Mitglieder auch im öffentlichen Dienst.
Wenn Sie das wollen, meine Damen und Herren von der Koalition, bitte, dann müssen Sie die DKP eben verbieten; ich habe nichts dagegen. Aber Sie können doch nicht zweierlei hintereinander sagen, nämlich: Wir haben die DKP nicht verboten, weil wir sie in anderer Weise bekämpfen wollen — das war die Begründung für den Verbotsverzicht —, und danach: Wir können sie nicht in anderer Weise bekämpfen, weil wir sie nicht verboten haben. Diese Schizophrenie machen wir nicht mit.
Lassen Sie mich unsere Auffassung zu diesem Punkt wie folgt zusammenfassen.Der Kernbestand unserer Verfassung, um dessen Schutz allein es geht, wird nicht durch Gesinnungen bedroht, sondern durch Aktivitäten, und — da einzelne die Republik nicht gefährden können — weniger durch die Aktivität nicht organisierter Einzelkämpfer als durch die organisierten Aktivitäten extremer Gruppen. Das gilt insbesondere für die Gruppe, die sich auf die massive Unterstützung der SED, des von ihr beherrschten Staates und der hinter ihr und ihm stehenden .Hegemonialmacht, nämlich die Sowjetunion, stützen kann.
Genau zu dieser Frage, zur Unterstützung der DKP aus dem sozialistischen Lager, haben wir der Bundesregierung bereits Anfang August und Anfang September zwei Kleine Anfragen gestellt; sie sind bis heute nicht beantwortet worden. Der Koalition ging es wohl darum, Tatsachen, die nicht in ihr Konzept passen, bis auf einen Zeitpunkt nach dieser Debatte und möglicherweise auch nach den Parteitagen zu verschieben.Meine Damen und Herren, festzuhalten ist, daß die DKP bei der Bekämpfung extremistischer Parteien nicht ausgespart werden kann. Sie muß bekämpft werden, entweder durch Verbot oder zumindest durch politische Isolierung bei gleichzeitigem Ausschluß ihrer aktiven Mitglieder vom öffentlichen Dienst. Das ist der Kernpunkt.
Wer das letztere ablehnt, erzwingt das Parteiverbot. Die Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei, nicht die Gesinnung — um es noch einmal zu sagen — ist der entscheidende Anknüpfungspunkt.Auch die zweite Frage der Praxis an den Gesetzgeber läßt der Regierungsentwurf unbeantwortet, nämlich die Frage nach der sogenannten Beweislast. Ich sage „sogenannte Beweislast", weil dieser Begriff rechtstechnisch aus dem Zivilrecht stammt und in diesem Sinne hier nicht verwendbar ist. Aber auch im öffentlichen Recht muß ein von Amts wegen aufzuklärender Tatbestand die eine oder die andere Rechtsfolge haben, wenn Zweifel nicht ausgeräumt werden können. Da es sich bei der Verfassungstreue des Bewerbers für den öffentlichen Dienst nicht um einen Tatbestand des Strafrechts — dort gilt der Grundsatz „in dubio pro reo", d. h. „im Zweifel für den Angeklagten" —, sondern um eine Eignungsvoraussetzung handelt, müssen verbleibende Zweifel — wie bei jeder anderen Eignungsvoraussetzung auch — zu Lasten des Bewerbes gehen. Das ist völlig klar.
Das war auch die Auffassung von Professor Maihofer, zumindest in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs. Er sagte damals, in Übereinstimmung mit dem Bundesrat sei davon auszugehen, daß nach geltendem Recht der Bewerber seine Eignung nachzuweisen habe, wenn Zweifel an ihr bestünden. Falls er diese Zweifel nicht ausräumen könne, gehe das zu seinen Lasten.Herr Professor Maihofer, wenn Sie dieser Auffassung heute noch sind, müssen sie mit uns gemeinsam dafür sorgen, daß das in den Gesetzentwurf mit der Deutlichkeit hineingeschrieben wird, in der es im Bundesratsentwurf gesagt ist, nämlich mit denDeutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13545Dr. DreggerWorten: „Bleiben die Zweifel bestehen, so ist der Bewerber abzulehnen."Das ist notwendig, weil zahlreiche Politiker der Koalition Ihre Auffassung und Ihre Auslegung des Gesetzentwurfs nicht teilen. Schon in der ersten Lesung sagte Ihre Fraktionskollegin, Frau Schuchardt, wörtlich — ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin —:Rechtsstaatlichkeit erfordert auch, daß die Beweislast für die verfassungsfeindlichen Bestrebungen des Bewerbers bei der Behörde liegt.Das wurde nach der abschließenden Beratung und auch heute von dem Kollegen Liedtke noch einmal ausdrücklich und öffentlich bestätigt. Also bitte, Herr Professor Maihofer, die Position, die Sie in der ersten Lesung eingenommen haben, war rechtsstaatswidrig, jedenfalls nach der Auffassung der beiden Regierungsparteien. Es wäre interessant zu erfahren, ob und in welcher Weise Sie inzwischen bekehrt worden sind.Meine Damen und Herren, bei der politischen Bewertung des Verhaltens von SPD und FDP — ich glaube, sie muß nach dieser Detailuntersuchung nun folgen — ist festzustellen, daß die Regierungsparteien sich als unfähig erwiesen haben, die anstehenden Fragen klar und eindeutig zu regeln.
Die wichtigen Fragen der Einstellungsbehörden sind unbeantwortet geblieben. Damit ist eine gleichmäßige Anwendung der einschlägigen Rechtsnormen nicht sichergestellt. Der von Herrn Leber für die SPD festgestellte Wandel der Regierungsparteien hat Sie daran gehindert. Dieser Wandel macht die Koalition zunehmend regierungsunfähig, nicht nur auf dem Felde der inneren Sicherheit, sondern auch auf dem Felde der äußeren Sicherheit, wo sich der Bundesverteidigungsminister als Ganzes nur noch auf die Opposition verlassen kann, und ebenso auf dem Felde der Wirtschaftspolitik, wo die SPD mutwillig das Vertrauen zerstört, das für den Aufschwung notwendig ist und um das der Bundeskanzler verzweifelt ringt.
Dieser verhängnisvolle Wandel der SPD hat sich unter dem Patronat des Parteivorsitzenden Willy Brandt vollzogen, dessen Haltung in der Abwehr linker Extremisten sich von der einer seiner Vorgänger, Kurt Schumacher, diametral unterscheidet.Mit Brandts Kehrtwendung in der Ost- und Deutschlandpolitik veränderte sich auch die innenpolitische Einschätzung des kommunistischen Gegners. Das ist um so verhängnisvoller, weil gerade eine aktive Ost- und Deutschlandpolitik mit dem Ziel, die außenpolitischen Beziehungen zur Sowjetunion und den sozialistischen Staaten zu verbessern, existenznotwendig zur Voraussetzung hat, daß wir innenpolitisch die Front gegenüber den Kommunisten nicht aufweichen, sondern sie noch verstärken.
Das ist aber nur möglich, wenn wir die Ziele undMethoden kommunistischer Politik auf Grund nüchterner Analyse richtig einschätzen. Kommunistensind keine kritischen Demokraten, wie die Hamburger FDP mit der edlen Unschuld, die aus dem Augen ihrer Vorsitzenden leuchtet, glaubte feststellen zu können.
Die Kommunisten sind auch im Zeitalter der Entspannung und friedlichen Koexistenz geblieben, was sie immer waren, nämlich eine sich ständig im Angriff befindliche Gruppe mit ,dem Ziel, unsere Verfassungsordnung zu zerstören und eine kommunistische Diktatur nach dem Beispiel Moskaus und Ost-Berlins auch in unserem Land einzurichten.
Daran haben weder die Ost-Verträge noch die Konferenz von Helsinki irgend etwas geändert. Die Kommunisten verschweigen das auch gar nicht. Nach Helsinki schrieb zum Beispiel Sarodow, einer der führenden Ideologen der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, in der „Prawda", ausdrücklich an die Adresse der westeuropäischen Kommunisten gerichtet -- ich zitiere mit Genehmigung wörtlich —Die sofortige, nicht auf die lange Bank geschobene Errichtung der Diktatur ,des Proletariats ist die unerläßliche Voraussetzung für den Sieg der demokratischen Revolution.Und weiter:Für Leninisten ist die Volksmehrheit kein arithmetischer, sondern ein politischer Begriff.
So Sarodow in der „Prawda". Man wird sich erinnern, daß das genau die Formel ist, die der portugiesische Kommunistenführer Cunhal verwendet hat.All das ist völlig klar. Das Schlimme ist, daß SPD und FDP es nicht mehr zur Kenntnis nehmen, und wenn schon, daß sie nicht mehr bereit sind, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie verdrängen das Ihnen Unangenehme aus Ihrem Bewußtsein und betrügen damit sich selbst und andere.
Sie folgen damit dem Beispiel derer, die in den 20er Jahren und zu Beginn der 30er Jahre Hitler nicht ernst nahmen, 'was nicht nur auf die Rechte in Deutschland zutraf, sondern auch auf weite Teile des demokratischen Auslands und viele unpolitische Menschen in Deutschland. Dabei hatte Hitler in sei nem Buch „Mein Kampf" die Perspektiven seiner Politik noch vor der Machtübernahme weitgehend enthüllt. Und als die Tragödie zu Ende ging, die die Nationalsozialisten über Deutschland und die Welt gebracht hatten, sagten die einen bei uns: Wir haben das Buch nicht gelesen!, und die anderen sagten: Wir haben es nicht geglaubt! — Das ist dieselbe Haltung, die Sie jetzt gegenüber den Kommunisten einnehmen.
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13546 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Dr. DreggerIch meine, daß das für die freiheitliche Demokratie und für den ganzen Westen lebensgefährlich ist.Die Kommunisten verstehen unter Entspannung und friedlicher Koexistenz etwas grundsätzlich anderes als der Wortsinn es uns nahelegt. Der sowjetische Professor Woslenski, der in unserem Lande im Auftrag der Sowjetregierung eine rege Vorlesungs- und Vortragstätigkeit ausübt, hat ,das unter anderem in der Zeitschrift „Osteuropa", April-Ausgabe 1974, mit zahlreichen Zitaten aus dem Parteiprogramm der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und aus der „Prawda" und in zahlreichen weiteren Vorträgen, Vorlesungen und Interviews, auch im „Spiegel", im einzelnen belegt. Für Kommunisten bedeuten friedliche Koexistenz und Entspannung nicht das Ende der Konfrontation, sondern die Fortsetzung der Konfrontation bis zum Sieg des Kommunismus im Weltmaßstab.„Mit zunehmender Entspannung wird der ideologische Krieg härter", so formulierte der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. In diesem ideologischen Krieg ist den Kommunisten nach eigener Einschätzung alles erlaubt, was ihren Zielen dient: Spionage — wir haben ja auch hier ein sehr interessantes Beispiel in Bonn —, Sabotage, Subversion, politischer und militärischer Druck, auch Bürgerkriege und sogenannte nationale Berfreiungskriege.Für den ideologischen Gegner, für die freiheitlichen Demokraten gibt es demgegenüber keine Chancengleichheit. Während die Kommunisten bei uns vollen Entfaltungsspielraum fordern und von Berufsverboten reden, verschwinden die Anhänger der Bürgerrechtsbewegung in der Sowjetunion und in den sozialistischen Ländern im Zuchthaus, in der Irrenanstalt oder werden, soweit sie durch Nobelpreisverleihung geschützt werden, aus ihrem Vaterland ausgewiesen, wie es Solschenizyn ergangen ist und möglicherweise auch Sacharow ergehen wird.
Vor diesen Tatsachen, meine Damen und Herren, dürfen verantwortliche Politiker in der Bundesrepublik Deutschland ihre Augen nicht verschließen. Gegen die sich daraus ergebenden Gefahren für den Bestand unserer freiheitlichen Demokratie müssen wir rechtzeitig Vorkehrungen treffen. Wir können nicht warten, bis eine extremistische Partei, zum Beispiel die DKP, in unserem Lande so stark geworden ist, daß Gegenvorkehrungen, die nach der Verfassung möglich und geboten sind, aus innenpolitischen oder außenpolitischen Gründen ich denke an Oreanda — nicht mehr durchgesetzt werden können.Die Zahlenspielchen, Herr Kollege Liedtke, mit den wenigen Links- und Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst besagen demgegenüber herzlich wenig. Die DKP, ohne Zweifel eine Ersatz- bzw. Nachfolgeorganisation der vom Bundesverfassungsgericht bereits verbotenen KPD, befindet sich im zügigen Aufbau. Sie hat zur Zeit mehr als 40 000Mitglieder; davon sind mindestens 34 000 aktive DGB-Gewerkschaftler. Nicht wenige von ihnen sind einflußreiche Funktionäre bis in die Bundesvorstände von Einzelgewerkschaften hinein. Während der DGB sich gegen die neue KPD und andere sogenannte Chaoten klar abgrenzt, geschieht das gegenüber der DKP nicht. Ihr bescheinigt zum Beispiel der Vorsitzende der IG Metall ausdrücklich Heimatrecht, „und zwar" — ich zitiere ihn jetzt wörtlich — „so lange, wie sie gemäß gewerkschaftlichen Grundsätzen in der Einheitsorganisaition arbeitet". Meine Damen und Herren, das werden die Kommunisten mit Sicherheit tun, solange es ihnen notwendig erscheint, sich zu tarnen, in den Gewerkschaften wie im Staat. Aber wenn ihnen das nicht mehr notwendig erscheint, dann ist es bereits zu spät, die Konsequenzen zu ziehen und die Abwehr sicherzustellen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund kann sich auf die staatliche Praxis als Beispiel berufen: im Bildungswesen, mehr noch im Hochschulbereich und demnächst auch auf dieses Gesetz, das sicherlich Signalwirkung haben wird. Deswegen ist es vielleicht verständlich und keine Überraschung, wenn der DGB diese Haltung einnimmt, obwohl auch er weiß oder zumindest wissen sollte, daß es in einem von der DKP beherrschten Staat freie Gewerkschaften nicht mehr geben wird, die DKP also auch die Existenz des DGB als einer freien Gewerkschaft untergräbt.
Ein Wort zu Professor Grosser und seiner Friedenspreis-Rede in Frankfurt.
Professor Grosser, meine Damen und Herren, ist heute Franzose und lebt seit frühester Jugend in Frankreich. Die Lage Frankreichs ist gerade in diesem Punkt mit der unseres Landes nicht zu vergleichen. Ich will keineswegs die Probleme verkleinern, die sich aus dem Vorhandensein starker kommunistischer Parteien in Frankreich und Italien für die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie in diesen Ländern ergeben. Sie erschweren zumindest den Ablösemechanismus innerhalb der parlamentarischen Demokratie. In Italien lautet die Alternative für die Democrazia Cristiana nicht: Regierung oder Opposition, sondern: Regierung oder Machtübernahme der Kommunisten. Allein unter diesem Aspekt kann man sich eine ähnliche Situation, kann man sich italienische Verhältnisse in diesem Punkt in Deutschland keineswegs wünschen.Aber im heutigen Deutschland ist noch etwas anderes zu sehen: Unser Land ist geteilt, die Bundesrepublik Deutschland, nur ein Teil des Ganzen, ruht schon aus diesem Grunde, aber auch wegen der geschichtlichen Katastrophen, die hinter uns liegen, nicht in der festen geschichtlichen Tradition z. B. Frankreichs und teilweise auch Italiens. Es kann keine Frage sein: Wenn es in der Bundesrepublik Deutschland eine starke kommunistische Partei geben sollte, dann wird aus der Abgrenzungspolitik
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Dr. Dreggerder DDR eine Wiedervereinigungspolitik unter kommunistischen Vorzeichen.
Die Ostpolitik dieser Bundesregierung hat dafür die Grundlage geschaffen, weil sie nicht nur in der Welt, sondern auch bei unserer Jugend den Eindruck erweckt hat, das freie Deutschland habe die Idee der nationalen Wiedervereinigung aufgegeben. Meine Damen und Herren, wenn sich einmal die nationale Idee der Wiedervereinigung mit der kommunistischen Revolutionsidee verbinden sollte, dann wird das ein Gemisch sein, das nicht nur das freie Deutschland, sondern wahrscheinlich auch das ganze freie Westeuropa zum Einsturz bringen würde.Deshalb darf nach meiner Meinung — das möchte ich an die Adresse von Professor Grosser sagen — unter deutschen, europäischen und demokratischen Aspekten die kommunistische Expansion in diesem Lande — gerade in diesem Lande — nicht verniedlicht werden. Sie ist in ein neues Stadium getreten: eingeleitet an Universitäten und Lehrerakademien, begünstigt durch eine zumindest mißverständliche Ost- und Deutschlandpolitik und den inneren Wandel der Regierungsparteien.Meine Damen und Herren, Wahlergebnisse sind nicht der einzige Maßstab kommunistischer Macht. Die Stärke der Kommunisten und ihrer Sympathisanten im gesamten deutschen Bildungswesen, und in den Massenmedien ist weit größer, als Wahlergebnisse das ahnen lassen. Langfristig wird das politische Schicksal dieses Landes nicht in Parlamenten entschieden werden, die durch Wahlen gebildet werden, sondern an den Schulen, auf den Lehrerakademien, an den Hochschulen, in den Massenmedien, überall dort, wo politische Meinungen geprägt und gebildet werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Professor Schweitzer?
Bitte sehr, gern.
Herr Kollege Dregger, könnten Sie dem Hohen Hause und der deutschen Öffentlichkeit einmal erklären, warum Sie und Ihre politischen Freunde dann keinen Antrag auf Verbot der DKP stellen, wenn Sie diese Partei für so stark und gefährlich in der Bundesrepublik halten?
Ich bedaure außerordentlich, daß Sie nicht zugehört haben. Ich habe dazu Stellung genommen.
Ich habe gesagt, es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine: Alle demokratischen Parteien sind sich darüber einig, daß die Kommunisten politisch isoliert werden und daß ihre aktiven Mitglieder daran gehindert werden, in unseren Staatsdienst einzutreten.Das ist die eine Möglichkeit; mit der sind wir einverstanden, wenn Sie alle mitziehen. Die andere ist das politische Verbot. Wenn Sie bei Ihrer Haltung bleiben, dann provozieren Sie das Parteiverbot; wir haben nichts dagegen.
Meine Damen und Herren, wir können die Auseinandersetzung mit den kommunistischen Systemveränderern sicherlich nicht in erster Linie mit Rechtsnormen und den Machtmitteln des demokratischen Staates gewinnen. Entscheidender ist etwas anderes: daß die Bundesrepublik Deutschland stark und gesund bleibt und, soweit sie es nicht mehr ist, wieder wird: wirtschaftlich, sozial und politisch; daß wir die Auseinandersetzung mit dem ideologischen Gegner offensiv annehmen und wirksam führen. Auf diesem Felde ist in unserem Lande am meisten versäumt worden, und auf diesem Felde wird heute noch am meisten gesündigt. Wenn ich z. B. die Rahmenrichtlinien für Gesellschaftskunde in Hessen als Beispiel nehme, dann ist das genau das Gegenteil dessen, was notwendig ist, Herr Wehner, um diesen Staat und seine freiheitliche Demokratie zu verteidigen.
Auch wenn Sie es noch nicht begriffen haben sollten: Viele früher sozialdemokratische Wähler haben das in der Landtagswahl von 1974 bestätigt, meine Damen und Herren.
Diese beiden Aufgaben sind die wichtigsten.
Aber auch wenn wir diese Aufgaben besser als in der Vergangenheit erfüllen, kann nicht auf das verzichtet werden, worum es in diesem Gesetz geht, nämlich den Staatsapparat des demokratischen Staates intakt zu halten, ihn nicht denen zu öffnen, die, gestützt auf eine feste Parteiorganisation, danach streben, den Kernbestand unserer Verfassung zu zerstören. Ein demokratischer Staat, der das zuläßt, handelt nicht liberal, sondern masochistisch.
Demokratische Politiker, die das zulassen, handeln nicht rechtsstaatlich, sondern verantwortungslos.
Die Tragödie der Weimarer Demokratie, die an der Toleranz gegenüber ihren intoleranten Feinden zugrunde gegangen ist, darf sich nicht wiederholen. Zu ihren erklärten Feinden gehörten damals NSDAP und KPD in gleicher Weise. Daß schließlich die NSDAP siegte und mit den Demokraten und den unpolitischen Deutschen auch die Kommunisten unterdrückte, rechtfertigt die KPD als solche nicht. Todfeinde des demokratischen Systems und zynische Menschenverächter waren sie beide.
Der „Archipel GULag" ist nicht weniger eine Warnung als die Konzentrationslager Adolf Hitlers.Die Väter des Grundgesetzes, Sozialdemokraten, Freie Demokraten und Christdemokraten, waren sich in der Entschlossenheit einig, eine Wieder-
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13548 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Dr. Dreggerholung der Weimarer Tragödie auf jeden Fall zu verhindern. Diese Einigkeit der Demokraten war die Grundlage der inneren Stabilität der Bundesrepublik Deutschland in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens.
Daß SPD und FDP die gemeinsame Position der Demokraten mehr und mehr zu verlassen beginnen, ist eine große und schlimme Gefahr.
Eine Korrektur kann wahrscheinlich nur noch von den Wählern herbeigeführt werden. Wir werden Ihnen, meine Damen und Herren, auf Ihrem verhängnisvollen Weg jedenfalls nicht folgen.
Wir handeln in der Überzeugung, daß Demokratie kämpferischen Einsatz verlangt, besonders in einer bedrohten westlichen Welt. Toleranz ist gänzlich unangebracht gegenüber denen, die jedem Andersgläubigen sofort die nackte Überlebensfrage stellen. Deshalb reicht es nicht, Auflösungserscheinungen der Wachsamkeit apathisch zu erkennen und zu beklagen und anzukündigen, „dann lege man eben den Hobel hin", wie Leber es im „Spiegel"-Interview getan hat. Wir sind verpflichtet, konsequent und kämpferisch für unseren Staat und unsere Freiheit einzutreten, und das deutsche Volk kann sich darauf verlassen, daß die CDU/CSU diese Aufgabe immer ernst nehmen wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wendig.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Herr Kollege Jenninger hat vorgestern in der Geschäftsordnungsdebatte mit sehr starken Worten die Meinung seiner Fraktion vorgetragen, hier solle wider alle politische Vernunft eine Lösung durch die Parlamentsmehrheit durchgepeitscht werden, wo doch eine eingehende Debatte von der Sache her nötig wäre. Herr Jenninger wird sich — und Sie alle, meine Damen und Herren von der Opposition — durch die heutige Debatte belehren lassen müssen, daß das kaum mehr als ein Theaterdonner gewesen ist. Wir werden alle die anstehenden Probleme in aller Ausführlichkeit und Gründlichkeit diskutieren. Niemand wird und soll am Ende dieser Debatte sagen können, er sei unter einen Zeitdruck gesetzt worden. Solche Pauschalurteile sollte man vermeiden. Gestatten Sie mir hier ein Wort aus dem alten Preußen, nämlich von dem Alten Fritz: Niedriger hängen!Nun, meine Damen und Herren, ein paar grundsätzliche Ausführungen, zunächst zu dem Kollegen Dregger. Herr Dregger, wir sind, glaube ich, alle gar nicht uneinig in der prinzipiellen Frage, daß die politischen Kräfte dieses Hauses und dieses Landes gegen diejenigen Kräfte zusammenstehen, die den Staat und seine freiheitliche Grundordnung in Gefahr bringen, ja, verändern wollen, die die Freiheit abschaffen wollen, und was wir sonst sagen. Darüber besteht gar kein Zweifel. Hier wird doch nur — und deswegen muß ich die Debatte auf diese Grundlage zurückführen — darum gestritten, in welchem Verfahren dies auf rechtsstaatliche Weise geschehen sollte.
Auch all Ihre letzten Ausführungen über die Gefahren des Kommunismus, Herr Kollege Dregger, sind im Prinzip richtig. Ich glaube aber nicht, daß dieses Gesetz und dieser Gegenstand Anlaß sind, den Kommunismus im nationalen Bereich zu bekämpfen, so wie wir es für notwendig halten. Ich werde dazu nachher noch einige Worte sagen. Aber ich glaube, das ist einfach die falsche Schlachtordnung, in der wir hier antreten würden.
Nun einige allgemeine Bemerkungen, die bei dieser grundsätzlichen Angelegenheit durchaus am Platz sein müßten. Die Frage nach der Beschäftigung von Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst wird in diesem Land seit mehreren Jahren mit unterschiedlicher Leidenschaft, aber auch großem politischem Engagement diskutiert. Wir hören es heute wieder. Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung und des Bundesrats, die diese Materie regeln sollen, stehen trotz sich verändernder innenpolitischer Szenerie wie selten ein Thema immer wieder im Zentrum des politischen Interesses.Man wird fragen müssen, meine Damen und Herren, ob dies gut ist. Zwei Antworten sind möglich und berechtigt. Die eine Antwort wäre: Die langanhaltende Diskussion in der Öffentlichkeit wie in den politischen Gremien unseres Landes macht über den äußeren Anlaß hinaus Grundpositionen deutlich, auch Grundanschauungen über das Wesen unserer freiheitlichen Demokratie, über das Wesen der staatlichen Gewalt in dieser Ordnung, über die Stellung des Bürgers gegenüber diesem Staat und nicht zuletzt auch über die Beschaffenheit und die Qualität derjenigen, die als Beamte in diesem Staat ihren Dienst verrichten. Darum geht es. Ich sage: Dies ist für die Klarheit und den Meinungsbildungsprozeß in unserem Land gut.Das andere Argument wäre: Es tut der freiheitlichen Demokratie auf Dauer nicht gut, wenn diese Probleme immer wieder wie eine offene Wunde meist in polemischer Diskussion am Leben gehalten werden, und zwar mit all der Unsicherheit und den Verunsicherungen im Detail bei den politisch Verantwortlichen ebenso wie bei den betroffenen Bürgern.Entscheiden wir uns heute noch für die positive Beantwortung dieser Frage in der hoffnungsvollen, wenn auch vielleicht etwas skeptischen Erwartung, daß sich mit einer baldigen Verabschiedung des Gesetzentwurfs in der Fassung der Koalitionsparteien die Rechtssicherheit auch im politischen Bewußtsein unserer Bürger im Lande auf die Dauer festigen wird.Lassen Sie mich eine zweite, ebenfalls allgemein gehaltene Bemerkung anschließen. Wenn wir über die vorliegenden Entwürfe diskutieren, wird sehr oft die Rede davon sein — sie war es ja schon —,
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Dr. Wendigob und inwieweit sie dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts entsprechen oder nicht. Auch ich werde mich von solcher Bezugnahme nicht frei machen können. Aber gerade deswegen muß in dem gegenwärtigen Zusammenhang in aller Nüchternheit und Zurückhaltung einiges zur Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland gesagt werden, und gestatten Sie mir hierzu einige Ausführungen.Die Väter des Grundgesetzes gingen 1949 in vielen Sachbereichen — davon war schon die Rede — von der Grundüberzeugung aus, es komme vorrangig darauf an, Fehler der Weimarer Entwicklung vor 1933 zu vermeiden und die Möglichkeiten einer Gewaltherrschaft ein für allemal auch in den Ansätzen von der verfassungspolitischen Entwicklung unseres Staates fernzuhalten. Hierzu gehört neben anderen Punkten die Einführung des Normenkontrollverfahrens in die Verfassungsgerichtsbarkeit durch das Grundgesetz und seine nähere Ausgestaltung im Gesetz. Diese starke Stellung des Bundesverfassungsgerichts ist im Prinzip positiv zu bewerten. Sie hat in der Rechtsprechung des BVG, insbesondere in den ersten Jahren nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland, ganz wesentlich die verfassungsrechtlichen Grundlagen des neugegründeten Staatswesens gefestigt und gesichert und die Felder abgesteckt, in denen sich die verfassungspolitisch relevanten Kräfte in unserem Land zu betätigen haben.Eine solche Position kann sich in ihren Folgewirkungen auf Staat und Gesellschaft auf Dauer aber auch als nachteilig erweisen, nämlich dann, wenn sie im Ergebnis dazu führt, Rechtsprechung an die Stelle von Politik zu setzen. Das ist eine ganz allgemeine Feststellung, die ich hier treffen möchte. Trotz ihres politischen Gehalts ist die Entscheidung eines Verfassungsgerichts, insbesondere im Normenkontrollverfahren, immer eine Rechtsentscheidung, und ein Mißverständnis über diese Tatsache führt auf die Dauer im Bewußtsein der Bürger zu der Überzeugung, daß im gerichtlichen Urteil eine höhere Stufe der Sachlichkeit gegenüber den „niederen" Stufen des politischen, insbesondere parteipolitischen Machtkampfes zu erblicken ist. Dies kann — ,deswegen sage ich das — vornehmlich der Fall sein, wenn die jeweilige politische Opposition das Bundesverfassungsgericht als letzte politische Instanz für eine im parlamentarischen Raum nicht durchsetzbare Erscheinung behandelt. Es kann dies aber auch der Fall sein, wenn die Verfassungsgerichtsbarkeit dazu zu neigen beginnt, über die Feststellung der Unwirksamkeit von Rechtsnormen hinausgehend positiv zu umschreiben, wie die strittige Materie richtig geregelt werden sollte.Die rechtsprechende Gewalt ist eine neben anderen Gewalten; sie ist ihnen aber nicht generell übergeordnet. Eine solche Funktion wäre auf die Dauer bedenklich, weil sie das Bewußtsein des Bürgers verkümmern läßt, daß die Lebensfragen von Zukunft und Gegenwart unseres Landes, natürlich im Rahmen von Verfassung und Gesetz, doch nur politisch entschieden werden können. Die geringe Bewertung des Politischen hat in unserem Volk ohnehin leider eine lange Tradition in vielen Bereichen, und wir alle sollten alles dazu tun, daß sie nicht fortgesetzt wird. Wir sollten auch die Überlegung vermeiden, alle politischen Fragen durch Gesetze regeln und durch Richtersprüche im Einzelfall lösen zu können. Das gilt auch für den großen politischen Bereich, den Sie mit dem Kampf gegen den Kommunismus hier angesprochen haben.
Wenn ich dies so sage, meine Damen und Herren, dann übe ich weder Urteilsschelte, zu der wir im übrigen von seiten der Koalitionsparteien gar keinen Anlaß haben, noch tangiere ich Grundsätze unserer rechtsstaatlichen Ordnung, die allein die Luft ist, in der wir politisch atmen können. Ich will aber dafür streiten, daß der Rang der politischen Entscheidung dem Bürger bewußt bleibt oder dem Bürger wieder stärker bewußt gemacht wird.
Deswegen habe ich diese Ausführungen gemacht.
Dieser Hinweis ist gerade in bezug auf die hier anstehende Frage der Einstellung von Verfassungsfeinden in den öffentlichen Dienst von großer Bedeutung. An wenigen Stellen der politischen Szenerie wird so stark wie hier deutlich, wie sehr politische Meinung, Staatsauffassung, Verfassungskonformität und rechtsstaatliches Bewußtsein schon in ihren historischen Bezügen von der gegenwärtigen Situation berührt werden. Vielleicht betreibt man hier wirklich ein wenig Vergangenheitsbewältigung, und vielleicht ist dies sogar gut. Es ist jedenfalls so lange gut, als wir nicht über der Interpretation von Verfassungsbestimmungen, die hier zwangsläufig ein wenig nach gestern blicken, vergessen, daß wir ein gegenwärtiges und ein zukünftiges Problem zu lösen haben.Das Berufsbeamtentum hat in unserer Verfassung eine starke, beinahe die einer Institution vergleichbare Stellung erhalten. Sie knüpft an die zurückliegende beamtenrechtliche Entwicklung an, indem sie in Art. 33 des Grundgesetzes auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verweist. Indem diese Grundsätze sowohl Vorrang vor dem Prinzip des Parteienprivilegs als auch Vorrang vor dem Recht auf freie Berufsausübung erhalten, ist, wie ich meine, zu Recht die Stellung des Berufsbeamtentums als eines tragenden Elements unseres Staates anerkannt. Dies wird man im Ergebnis auch dann bejahen müssen, wenn man eine noch heute in der deutschen Verfassungslehre nicht nur gelegentlich auftauchende Meinung nicht teilt, die in dem Berufsbeamtentum die einzige Institution erblickt, die die notwendige Kontinuität gewährleistet, die angeblich bei den politischen Kräften insbesondere im Parlament und in den Parteien nicht mehr gewährleistet ist. Aber bei alledem: die Interessenabwägung, die auch das Verfassungsgericht hier zugunsten der Treuepflicht der Beamten getroffen hat, ist richtig, und ich unterstreiche das.Nur, meine Damen und Herren, muß man dann auch wissen, was dies in der Konsequenz letztlich bedeutet. Das geltende Recht verlangt mit seinen Vorschriften über die Verfassungstreue der Beamten mehr als das frühere Recht. Es genügt nicht
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13550 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Dr. Wendigeine wertneutrale Loyalität gegenüber dem Staat und eine verfassungskonforme Anwendung der Gesetze. Hinzu kommt heute ein Verhalten, das mit einem jederzeitigen Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung dieses Staates — das ist die Norm, um deren Auslegung hier gestritten wird, und nichts anderes — auch außerhalb der dienstlichen Obliegenheiten weite Bereiche des persönlichen Lebens einschließt.Meine Damen und Herren, dies macht das Verfahren im ganzen schwieriger, da die geltende Verfassung keineswegs wertneutral ist. Davon war schon die Rede. Das Eintreten für die Wertordnung des Grundgesetzes muß mithin beim Beamten oder beim Bewerber mehr erkennen lassen als ein objektiv meßbares äußeres Verhalten. Es ist einbezogen in den Bereich der Bekundung bestimmter — sagen wir es einmal so — Gesinnungen. Ich verurteile dies nicht, weise aber darauf hin, daß diese Besonderheit der heutigen Rechtslage jedes Verfahren problematisch macht, will ich nicht einer unerwünschten Gesinnungsschnüffelei die Bahn brechen.Dabei hat nun das Grundgesetz zusätzlich ein besonderes Spannungsverhältnis geschaffen, das auch in Richtung auf die heute zur Entscheidung stehende Frage von Belang ist. Auf der einen Seite sind im Grundgesetz im Gegensatz zur Verfassung von Weimar alle Ansätze einer staatsbürgerlichen Spontaneität genommen, alles Plebiszitäre, d. h. beispielsweise alle unmittelbaren Eingriffsmöglichkeiten des Bürgers wie früher bei der Wahl des Reichspräsidenten, bei Volksentscheid und Volksbegehren. Der Staat des Grundgesetzes ist mithin eine reine repräsentative Demokratie. Auf der anderen Seite enthält natürlich auch das Grundgesetz Bestandteile einer künftigen Entwicklung im Rahmen bestimmter unerläßlicher und unaufgebbarer Grundsätze, die wir alle kennen und bejahen. Die Verfassung ist also — das möchte ich hiermit sagen — nicht nur statisch auf die Erhaltung bestehender Verhältnisse gerichtet, sie enthält auch dynamische Bestandteile, die insbesondere — und das sollte man auch erkennen — für diejenigen Bedeutung gewinnen, die heute als jüngere Menschen in die Verfassungswirklichkeit hineinwachsen.
Diese jungen Menschen fühlen sich von den mehr bewahrenden Elementen weit weniger angesprochen als von den in die Zukunft weisenden. Wer will da bei einem jungen Menschen immer mit dem Zentimetermaß messen, inwieweit solche Vorstellungen bereits unaufgebbare Grundsätze der Verfassung tangieren, und dies bis ins ferne Leben fortschreiben?Damit Sie mich recht verstehen: Ich will hier weder wirklichen noch potentiellen Systemveränderern das Wort reden, wie manche von der Opposition immer wieder meinen. Ich will nur aufzeigen, wie sich aus der Problematik für junge Menschen Konfliktsituationen ergeben können, wollen sie als aktive und kritische Staatsbürger und zugleich als künftige Angehörige des öffentlichen Dienstes ihren beruflichen Weg finden. Dies, meine Damen undHerren, ist der politische und der historische Hintergrund, vor dem wir unser Thema abzuhandeln haben.In der Sache selbst konnten sich die Koalitionsparteien in Würdigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf ein Gesetz beschränken, das lediglich die Regelung eines rechtsstaatlich abgesicherten Verfahrens zum Gegenstand hat. Hier besteht nun ein großes Mißverständnis und hebt ein großes Wehklagen an. Die Koalitionsfraktionen, so sagt man, gingen hier sogar hinter den Entwurf der Bundesregierung zurück.
Wie falsch ist dies doch! Tatsache ist doch folgendes: Nachdem das Bundesverfassungsgericht materiell zweifelsfrei festlegt, welche grundsätzlichen Kriterien für die Entscheidung der Einstellungsbehörden bei potentiellen Verfassungsfeinden maßgeblich sind, konnten die materiell-rechtlichen Elemente aus dem Regierungsentwurf fortgelassen werden. Wenn das Bundesverfassungsgericht weiter ausführt, daß die Zugehörigkeit zu einer verfassungsfeindlichen Partei eines der für die Entscheidung der Einstellungsbehörde maßgeblichen Kriterien sein könne, wird ferner doch ganz eindeutig — und das kann niemand bestreiten — auf die Prüfung jedes Einzelfalles abgestellt. Beides ist in der von den Koalitionsparteien vorgelegten Verfahrensregelung voll befriedigend verwirklicht. Ich komme noch darauf.Daß die Verfahrensregelung eine der möglichen Eingangsvoraussetzungen, nämlich die Verfassungstreue betrifft, kann doch wohl ernstlich ebenfalls nicht als verfassungswidrig angesehen werden. Daß auch die übrigen Eignungsvoraussetzungen für den Eintritt in den öffentlichen Dienst unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze abzuhandeln sind, unterliegt bei niemandem einem Zweifel.
Mit der Verfassungstreue des Bewerbers steht aber ein Eignungsmerkmal in Frage, das im Zusammenhang mit bestimmten Vorschriften des Grundgesetzes über Parteienprivileg und Freiheit der Berufsausbildung der Verwaltung ein besonders hohes Maß an verfassungsrelevanter Kompetenz zufallen läßt. Schon dies sollte doch wohl eine solche besondere Verfahrensregelung für diesen Eignungsbereich rechtfertigen. Diese Besonderheit ist im übrigen auch von der Substanz her im Prinzip dem Entwurf der CDU/CSU eigen.Der Entwurf in der Fassung der Koalitionsfraktionen geht mit der Anhörung des Bewerbers und mit der Mitteilungspflicht hinsichtlich der für die Ablehnung maßgeblichen Tatsachen sicher über das Mindestmaß hinaus, das das Bundesverfassungsgericht für den Fall einer ablehnenden Entscheidung der Entscheidungsbehörde für notwendig erachtet. Niemand kann uns aber daran hindern, ein Recht zu schaffen, das dem einzelnen ein Mehr an rechtsstaatlicher Sicherheit gewährleistet. Und nun komme dann bitte keiner mit der Behauptung, dies bedeute
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Dr. Wendigfreie Bahn für Verfassungsfeinde, insbesondere für Kommunisten!Die CDU/CSU-Fraktion will ja mit der Zustimmung zu den Bundesratsentwürfen eine Regelung erreichen, wonach die Zugehörigkeit zu einer verfassungsfeindlichen Partei in der Regel — ich formuliere einmal so Zweifel an der Verfassungstreue begründe. Dies wäre, wollte man es in das Gesetz aufnehmen, nach unserer Auffassung sowohl verfassungspolitisch bedenklich wie auch in der letzten Konsequenz nicht verfassungskonform. Ich will Ihnen sagen, wie ich das meine.Verfassungspolitisch halten wir es für bedenklich, daß hier e i n mögliches — natürlich nicht unwichtiges — Entscheidungselement als einziges in das Gesetz hineingeschrieben wird. Daß wir dies nicht tun wollen, bedeutet aber doch nicht, daß für uns etwa die Zugehörigkeit zu einer solchen Partei im Entscheidungsverfahren ohne jeden Belang wäre. Nur widerspricht es dem von mir erläuterten Prinzip der Einzelfallentscheidung, diesen einen möglichen Tatbestand als einzigen in das Gesetz aufzunehmen und dann noch mit bestimmten Rechtsfolgen zu verbinden.Verfassungsrechtlich fragwürdig wäre eine solche Bestimmung, da das Bundesverfassungsgericht jede Beweislastregelung mi t überzeugenden Gründen ablehnt. Was soll es aber in der Konsequenz bedeuten, wenn nach dem Entwurf des Bundesrates, den die Opposition übernommen hat, in solchen Fällen in der Regel Zweifel an der Verfassungstreue begründet sein sollen? Muß dies nicht objektiv als eine, wie ich meine, unzulässige Beweislastregelung gewertet werden? Hier gelten die allgemeinen öffentlich-rechtlichen Regelungen wie in anderen Fällen auch.Alle anderslautenden Erklärungen der Opposition — auch gelegentlich in der Presse — gehen hier von einer falschen Voraussetzung aus. Meine Damen und Herren, Sie können bei nüchterner Betrachtung wirklich nicht behaupten, die Koalitionsparteien hätten Sie oder die Öffentlichkeit in irgendeiner Richtung darüber im unklaren gelassen, was mit diesem Entwurf gemeint ist. Es ist einfach zu bequem, so zu tun und so zu reden, als ob die Koalitionsfraktionen, wie man manchmal hört, aus Furcht, aus Schwäche oder in einer unrealistischen Schwärmerei die Realitäten nicht sähen. Wir sehen sie; wir sehen sie nur vielleicht ein wenig anders als Sie von der Opposition.Wir sehen einen ganz klaren Auftrag, nämlich den Auftrag, Verfassungsfeinde vom öffentlichen Dienst fernzuhalten, dies zugleich aber in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren festzustellen und zugleich auch sicherzustellen, daß dem jungen, heranwachsenden Bürger nicht der Mut zu einer freien, offenen Diskussion in unser Gesellschaft genommen wird.
Die Praxis der Überprüfung ist nun in einigen Bundesländern nicht dazu angetan, junge Menschen zumpolitisch-kritischen Engagement zu ermutigen, wennsie die Absicht haben, einmal in den öffentlichen Dienst einzutreten;
auf einige Beispiele komme ich gleich noch zurück.
An dieser Stelle nur so viel zu diesem Punkt: Das Gesetz, das wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, bietet in keiner Hinsicht Anlaß, an dem politischen Willen der Koalitionsfraktionen zu zweifeln, diese rechtsstaatlichen Grundsätze durchzusetzen und dies auch an jeder Stelle offen zu sagen.Was ich hier soeben ausführte, gilt im Prinzip auch für die Polemik,
mit der das Abkoppeln der Bestimmungen über besondere Ausbildungsverhältnisse diskutiert wird. Über diesen Teil soll, wie Sie von der Opposition es für erforderlich gehalten haben, eine Anhörung von Sachverständigen und Vertretern bestimmter Verbände, insbesondere der Referendarverbände, erfolgen. Dies wird geschehen; dies haben wir Ihnen zugesagt. Dies wird geschehen, wenn der von den Koalitionsfraktionen heute neu eingebrachte Entwurf eines § 122 Abs. 3 im Innenausschuß beraten wird.
— Wir haben ja auch gesagt, Herr Vogel, daß wir es tun wollen!
Mit Rücksicht auf die klaren Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts möchte ich aber hier in einer ersten Debatte zweierlei zu diesem Komplex „Ausbildungsverhältnisse" feststellen dürfen. Erstens. Wir halten nur ein einheitliches Ausbildungsverhältnis für alle Bewerber in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis außerhalb des Beamtenverhältnisses für vertretbar. Wie Sie wissen, hält das Bundesverfassungsgericht drei Möglichkeiten offen, von denen dies die dritte ist. Sie ist aber, wie wir meinen, die einzige, die gewährleistet, daß dies ohne Nachteile für die Zukunft eines jeden Bewerbers geschehen kann. Man braucht das Wort „Diskriminierung" hier nicht einmal zu erwähnen; man muß sich doch aber vorstellen können, welche Nachteile für einen Bewerber, der den Weg eines Ausbildungsverhältnisses außerhalb des Beamtenverhältnisses durch besondere Erklärung gewählt hat oder wählen muß, in der Zukunft eintreten können. Und dann wird später niemand mehr fragen, ob solche politischen Gründe noch vorliegen oder ob sie jemals vorhanden waren. Wer weiß, aus welchen Gründen jemand einmal freiwillig eine Ausbildung außerhalb eines Beamtenverhältnisses gewählt hat?Zweitens. Die Anforderungen an einen Beamten, der außerhalb des Beamtenverhältnisses seinen Vorbereitungsdienst leistet, müssen niedriger gehalten werden als die Voraussetzungen, die für einen Beamten gelten. Dies entspricht der klaren
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13552 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Dr. WendigAuffassung des Bundesverfassungsgerichts. Daran ist, glaube ich, gar nicht zu deuteln. Hier halten wir es für notwendig und ausreichend, auf die Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung zurückzugreifen: Zugelassen werden darf also nicht, wer die verfassungsmäßige Ordnung in strafbarer Weise bekämpft.Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu dem Entwurf einer Erklärung der Koalitionsfraktionen zu diesem Fragenkomplex des Entschließungsentwurfs. Diese Erklärung, auf die noch nicht eingegangen wurde, ist keine Gesetzesauslegung, von der man meinen müßte, sie gehöre eigentlich in die Begründung eines Gesetzes. Sie ist weniger und mehr zugleich. Sie ist weniger, weil sie als politische Erklärung natürlich keinen Rechtszwang auf die Exekutive im Bund und auf die Legislative und Exekutive in den Ländern und Gemeinden ausüben kann. Sie ist aber zugleich mehr, weil sie als politische Erklärung des zentralen deutschen Parlaments die Überzeugung wiedergibt, wie im Geiste dieses Gesetzes auch im Verwaltungsvollzug auf allen Ebenen verfahren werden sollte. Sie ist also eine politische Erklärung, die als solche auch politisch verstanden und gewertet werden muß. Ihre Bedeutung und ihr Wert greifen daher weiter, als Sie von der Opposition meinen.
Der politische Kernsatz der Erklärung besteht darin, daß deutlich ausgesprochen wird, daß für alle Bürger generell die Vermutung der Verfassungstreue mit bestimmten Folgerungen spricht, die an das Überprüfungsverfahren bezüglich dieser Feststellung zu knüpfen sind.
Wer kann dabei Zweifel äußern, daß hier etwas wider den Geist des Gesetzes geschehen sollte?Wenn ich mir allerdings die Einstellungs- und Überprüfungspraxis in einigen Ländern ansehe, möchte ich doch meinen, daß ein solcher Satz Gewicht haben sollte. Ich denke da unter anderem an das Land Baden-Württemberg, in dem die Zahl der Überprüfungsfälle ganz verdächtig hoch ist. Herr Kollege Liedtke hat vorhin einige Zahlen generell genannt; sie erschrecken. Man wird manchmal fragen müssen, ob hier in manchen Ländern eine Praxis deutlich wird, durch die beispielsweise der Autor der „Räuber" oder des „Don Carlos" heute kaum Chancen hätte, in seinem eigenen Lande in den Staatsdienst eingestellt zu werden.Ich glaube schon, daß ein klares politisches Bekenntnis zur Handhabung gegenwärtig und künftig anhängiger Verfahren richtig ist. Leider werden hier in der Diskussion häufig Dinge kontrovers diskutiert, die eigentlich — damit komme ich zum Anfang zurück, auch zu dem, was Herr Kollege Dregger sagte — zwischen allen in diesem Hause klar sein sollten.Auch wird deutlich, daß manche der Stabilität unserer bundesdeutschen Demokratie leider nicht sehr viel zutrauen. Damit richte ich meine Mahnung an all jene, die meinen, durch ein sehr restriktives Gesetz eine Entwicklung wie die von Weimar unterbinden zu können. Herr Kollege Dregger ist ja sehr eingehend auf diese Frage zu sprechen gekommen. Ich glaube, Sie verkennen hierbei schon die historischen Tatsachen. Der Staat von Weimar ist nicht zusammengebrochen, weil sein öffentlicher Dienst rechtsradikal unterwandert gewesen wäre; Weimar ist gescheitert, weil die maßgeblichen politischen Kräfte keine Resonanz mehr im Volke fanden und letztlich nur noch wenige vorhanden waren, die diesen damaligen Staat verteidigen wollten, ja, ihm überhaupt nur loyal gegenüberstanden. Das ist doch die historische Tatsache. Auch wenn damals ein Extremistengesetz in der Fassung der Opposition vorgelegen hätte, wäre solch eine Entwicklung nicht im mindesten verhindert worden. Auch darüber müssen wir uns, glaube ich, im klaren sein.
Auch die demokratische Bundesrepublik Deutschland mit dem Grundgesetz von 1949 wäre nur dann ernsthaft in Gefahr, wenn die maßgeblichen politischen Kräfte in diesem Lande sie nicht mehr zu tragen vermöchten, wenn der Bürger diesen Kräften nicht mehr in voller politischer Überzeugung folgte. Das gilt, so meine ich, für alle politischen Kräfte in diesem Hause.Es gehört also zur Glaubwürdigkeit der Demokratie, daß politische Gegner grundsätzlich mit den Mitteln der Politik und im politischen Raum bekämpft werden. Das gilt auch für den Kommunismus, von dem Herr Dregger vorhin so lange gesprochen hat. Auch hier gilt, was ich eingangs gesagt habe: Alle perfekten Gesetze trüben den Blick dafür, was politisch zu entscheiden notwendig ist.Und nun ein letztes Wort: Staat, Demokratie und öffentlicher Dienst in Deutschland haben in den letzten Wochen im Blickpunkt der Diskussion, auch außerhalb dieses Hohen Hauses, gestanden. Es tut gut, auf solche Töne auch dann zu hören, wenn man sie nicht voll übernimmt. Wir sollten aber allesamt in unserem Lande eines wissen: Politische Moralisten sind deswegen nicht schon politische Phantasten. Es ist in diesen Tagen — auch bei Herrn Dregger war es vorhin der Fall — sehr viel die Rede von der Rolle und der Qualität der Demokratie, der Kritikfähigkeit und Urteilsfähigkeit der Demokraten in unserem Lande. Ich will dies nicht vertiefen. Wir alle sind hier sicher gute Demokraten. Ich halte aber nicht unbedingt schon jene immer für nützliche Demokraten, die in dem ständigen Widerstreit zwischen Staatsräson und Bürgerrecht immer und unter jedem Bezug ihr Gewicht nur in die Waagschale einer dann auch noch falsch verstandenen Staatsräson legen.
Meine Damen und Herren, wir alle müssen durch diese Probleme hindurch — wenn möglich, mit einem gemeinsamen Ergebnis. Die Vorlage der Bundesregierung in der Fassung der Koalitionsfraktionen weist Ihnen und uns allen, wie ich meine, den richtigen Weg.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13553
Das Wort hat Herr Bundesminister Professor Maihofer.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist uns in diesen Tagen gesagt worden, daß in letzter Zeit in der Bundesrepublik Deutschland immer mehr von der Verteidigung der Grundordnung durch den Staat die Rede sei und immer weniger von der Verteidigung der Grundfreiheiten gegen den Staat.
Wir sollten diese Meinung — anders kann ich die Rede Alfred Grossers bei der Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels nicht verstehen — nicht leichthin beiseite schieben, schon gar nicht in unserem Lande. Auch ein Staatswesen wie das unsere, das sich nicht nur nach dem Buchstaben der Verfassung, sondern aus innerster Überzeugung der Menschenwürde und der Bürgerfreiheit als obersten Werten verpflichtet weiß, muß sich stets aufs neue befragen lassen, wie es in der Verfassungswirklichkeit mit der Gewährleistung dieser Grundwerte bestellt ist.Bei einem Staat, der wie die Bundesrepublik Deutschland zwar als freiheitliche, zugleich aber auf Grund geschichtlicher Erfahrungen bewußt und gewollt als wehrhafte, als gegen Verfassungsfeinde von rechts und links abwehrbereite Demokratie verfaßt ist, stellt sich diese Frage immer wieder neu: ob bei dieser Verteidigung unserer Demokratie die Freiheit der Demokraten gewahrt bleibt.
Nur — und dies scheint mir bei den Überlegungen Grossers zu kurz zu kommen — sind Verteidigung der staatlichen Grundordnung durch den Staat und Verteidigung der Grundfreiheiten gegen den Staat keine Werte, die sich gegenseitig ausschließen — ganz im Gegenteil!
Das Bundesverfassungsgericht hat schon 1952 in seiner berühmten Entscheidung über das Verbot der Sozialistischen Reichspartei die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes als eine Ordnung gekennzeichnet — man kann es nicht oft genug wiederholen —: „die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt". In dieser Umschreibung kommt knapp und klar zum Ausdruck, daß der Staat des Grundgesetzes im Dienste der menschlichen Freiheit zu stehen hat, daß, wie es in Art. 1 des Herrenchiemseer Entwurfs zum Grundgesetz so klassisch formuliert war: Der Mensch nicht um des Staates willen, sondern der Staat um des Menschen willen da ist!Diese dienende und damit Freiheit ermöglichende und Freiheit gewährende Funktion kann nun freilich nur ein Staat erfüllen, dessen Träger in Legislative,Exekutive und Justiz selbst aus diesem Geiste der Freiheit handelt; der so auch in seiner Exekutive und Justiz auf einer der freiheitlich demokratischen Grundordnung verpflichteten Beamtenschaft ruht und nicht auf Kräften, die unter dem Vorwand, für die Freiheit einzutreten, diese in Wahrheit zu beseitigen suchen.So verstandene Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch den Staat ist nicht nur kein Gegensatz zur Verteidigung der menschlichen Grundfreiheiten gegen den Staat, sie ist im Gegenteil die unaufgebbare Voraussetzung jeder Freiheitsverbürgung durch diesen Staat. Der freiheitlich demokratische Rechtsstaat kann und darf sich, um mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai dieses Jahres zu reden, nicht in die Hand seiner Zerstörer geben. Er kann und darf dies deshalb nicht, weil mit der Zerstörung des Staates zugleich die Freiheitsverbürgungen dieses Staates hinweggefegt würden.Deshalb — und nur deshalb — verlangen unsere Verfassung, die Beamtengesetze in Bund und Ländern, das deutsche Richtergesetz und das Soldatengesetz, daß in ein Beamten-, Richter- und Soldatenverhältnis nur berufen werden darf, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. Diese Eignungsvoraussetzung für den öffentlichen Dienst ist geltendes Recht. An ihr soll sich nach dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf in der vom Innenausschuß dieses Hohen Hauses beschlossenen Fassung nichts, aber auch gar nichts ändern, entgegen allem öffentlichen Anschein, der hier immer wieder erregt wird.
Im Gegenteil, der Gesetzentwurf will das geltende Recht dadurch wirksamer machen, daß er den zuständigen Behörden verbindliche Handhaben und Anweisungen gibt, wie bei der Überprüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst zu verfahren ist.Wenn hier also Herr Dregger — und ich kann dies nicht unterdrücken, Sie werden es mir nachsehen — in einer, wie ich meine, geradezu Gespensterschlacht den Eindruck zu erwecken sucht,
als ob es im Kampf gegen Verfassungsfeinde in diesem Hohen Hause Unterschiede in der Beurteilung etwa des orthodoxen Kommunismus gebe,
dann ist das einfach öffentliche Irreführung,
die ich nur als vorverlegten Wahlkampf verstehen kann und nichts sonst.
— Lassen Sie mich weiterreden. — Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien haben zu keiner Zeit einen Zweifel daran gelassen, daß sie die Ziele der DKP für verfassungsfeindlich halten.
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13554 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Bundesminister Dr. Dr. h. c. MaihoferDie Bundesregierung hat dies wiederholt, zuletzt in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 5. Juni 1975, öffentlich erklärt:
Die Verfassungsfeindlichkeit der Bestrebungen der DKP — das wird auch in einer in diesen Tagen veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage an die Bundesregierung noch einmal dargestellt — ergibt sich aus einem Vergleich ihrer Ziele: Sozialistische Revolution und Diktatur des Proletariats, mit den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts im KPD-Verbotsurteil vom 17. August 1956. Sie wird ferner belegt durch den Vergleich der programmatischen Äußerungen der DKP mit den tragenden Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung, wie sie das Bundesverfassungsgericht definiert hat und wie ich sie eben zitiert habe. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der DKP ergibt sich schließlich aber auch aus ihrer politischen Identifizierung mit dem in der DDR bestehenden Staats- und Gesellschaftssystem.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?
Aber gern.
Herr Minister Maihofer, wenn sich die Auffassung der Bundesregierung nicht geändert hat, wie erklären Sie dann, daß sich die Bundesregierung seit August nicht in der Lage gesehen hat, die Kleine Anfrage der CDU/ CSU-Fraktion zu beantworten?
Weil sich die Antwort auf diese Kleine Anfrage nicht mit den notorischen Zitaten aus dem KPD- Urteil begnügt, sondern eine präzise Analyse der verfassungsfeindlichen Zielsetzungen der DKP unter Offenlegung der Widersprüche mit den einzelnen Grundprinzipien unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung gibt. Das werden Sie schon in wenigen Tagen klar und deutlich nachlesen können. Dann erübrigt sich jede solche, ja wiederum eine Verdächtigung enthaltende Frage, wie Sie sie jetzt hier stellen.
Mit allen diesen Taktiken — das möchte ich Ihnen geradewegs ins Gesicht sagen, Herr Dregger — wird, wie ich meine, in unverantwortlicher Weise der hier feststehende Konsens aller Demokraten künstlich zerredet. Hier wird ganz einfach Parteipolemik über Staatspolitik gestellt.
Deshalb möchte ich Ihnen dies sagen: Solange die CDU/CSU — Sie mögen dies im Wahlkampf für nützlich halten, aber Sie werden sich gründlich täuschen — bei dieser Grundeinstellung bleibt, die Sie,Herr Dregger, uns heute so beispielhaft vorgeführthaben, ist mit Ihnen wirklich kein Staat zu machen!
Ziel des Gesetzes ist es demgegenüber, um wieder auf die nüchternen Sachen zurückzukommen — —
— Keine Rede!
— Mein Gott, ist das ein kindlicher Versuch, bei einem so ernsten Thema von der Sache abzulenken.
Ziel des Gesetzes ist es demgegenüber — wie es der zur Annahme empfohlene Entschließungsantrag noch einmal klar zum Ausdruck bringt , einheitliche Einstellungsverfahren in Bund und Ländern zu gewährleisten und dabei sicherzustellen, daß den Betroffenen ein Höchstmaß an rechtsstaatlicher Sicherheit gewährt wird, das ihr schutzwürdiges Interesse an einem transparenten und fairen Verfahren berücksichtigt. Über diese Zielsetzung müßten sich, wie ich meine, doch alle Demokraten in unserem Lande und in diesem Hohen Hause einig sein.Einigkeit sollte aber auch darüber bestehen, daß es — abgesehen von einer Sonderregelung für die Berufsausbildung im Vorbereitungsdienst materiell-rechtlicher Vorschriften nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai dieses Jahres nicht mehr bedarf. Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf sah demgegenüber ursprünglich vor, daß das Gebot, die in der Person eines Bewerbers liegenden und gegen seine Verfassungstreue sprechenden Umstände in der Begründung der ablehnenden Entscheidung festzustellen, auch für Bewerber gilt, die einer Partei angehören; und daß sich kein Bewerber darauf berufen kann, daß die politischen Ziele, für die er sich einsetzt, von einer Partei oder Vereinigung verfolgt werden, die im Rahmen der Art. 21 oder 9 des Grundgesetzes tätig wird.Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr ausgeführt, daß die Feststellung der Gewähr der Verfassungstreue eine Beurteilung der Persönlichkeit des Bewerbers in Hinsicht auf sein künftiges Verhalten, also eine Prognose voraussetzt, die „sich jeweils auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Elementen und deren Bewertung" gründet. Es hat dabei ausdrücklich klargestellt, daß e i n Tatbestand — aber nur einer unter anderen —, der für die erforderliche Persönlichkeitsbeurteilung erheblich sein kann, auch der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sein kann, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt; wobei die Entscheidungsfreiheit des Dienstherrn bei der Anwendung der die politische Treuepflicht regelnden Vorschriften durch das Parteienprivileg des Art. 21 des Grundgesetzes nicht eingeschränkt wird, unabhängig davon — auch das war eine entscheidende Klarstellung —, ob die Verfassungswidrigkeit der
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13555
Bundesminister Dr. Dr. h. c. MaihoferPartei durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt ist oder nicht.Alle diese Ausführungen decken sich bis in die Einzelheiten, teilweise sogar im Wortlaut, mit den Zielvorstellungen der erwähnten Regelungen in dem ursprünglich von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf, und in allen diesen Punkten ist auch der jetzige Gesetzentwurf mit dem früheren identisch. Sie bringen zugleich diejenige Klarstellung, der diese materiell-rechtlichen Regelungen dienen sollten. Damit aber ist ihre Notwendigkeit entfallen. Eindeutiger als das Bundesverfassungsgericht es getan hat, kann auch der Gesetzgeber das, worum es in dem hier erörterten und vielumstrittenen Punkt geht, überhaupt nicht umschreiben.Mit Recht hat Ihnen deshalb der Innenausschuß des Bundestages vorgeschlagen, auf eine Regelung zu verzichten, die e i n Element aus der Vielzahl der im Rahmen der Einstellungsüberprüfung denkbaren Beurteilungselemente besonders hervorhebt. Weil eine solche Vorschrift zu einer vorweggenommenen Fehlgewichtung führen könnte, unterstützt auch die Bundesregierung diese nunmehr gefundene Fassung. Und aus demselben Grund begrüßt es die Bundesregierung, daß der Innenausschuß eine Bestimmung aus dem Bundesratsentwurf nicht aufgegriffen hat, nach der die Mitgliedschaft in einer Partei oder Vereinigung mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung „in der Regel" Zweifel an der Verfassungstreue eines Bewerbers begründen soll.Gewiß ließe auch eine solche Bestimmung — ich habe das am 15. November letzten Jahres an dieser Stelle bereits betont, und ich wiederhole es hier — Ausnahmen, also abweichende Beurteilungen, zu. Das ist ganz unstreitig. Darüber haben wir uns ja damals auseinandergesetzt, Herr Kollege Carstens; ich erinnere mich daran noch sehr genau. Aber wir müssen doch klar sehen, daß eine solche Regelvermutung — Sie haben etwa vom „gravierenden Indiz" gesprochen — die Gefahr mit sich bringt, in der Verwaltungspraxis zur Automatikregelung verkürzt zu werden, daß man sich mit der Feststellung also der Mitgliedschaft begnügt und darauf verzichtet, eine Gesamtbeurteilung des Bewerbers vorzunehmen, wie sie das Bundesverfassungsgericht eindeutig vorschreibt.In der praktischen Konsequenz würde eine so angewendete Vorschrift sich in nichts von einer Regelung unterscheiden, die allgemein zwingend vorschreibt, daß einzelne konkrete Tatsachen oder Verhaltensweisen die Gewähr der Verfassungstreue eines Bewerbers unwiderlegbar ausschließen. Das eine wie das andere wäre, wie das Bundesverfassungsgericht für den letzteren Fall selbst festgestellt hat, „offenbar verfassungsrechtlich bedenklich", weil dem Bewerber, sei es faktisch, sei es juristisch, die Möglichkeit abgeschnitten wäre, aus undifferenzierten Kriterien hergeleiteten Zweifeln an seiner Verfassungstreue mit Erfolg entgegenzutreten.Die Notwendigkeit, solche Zweifel auszuräumen, wird sich nur bei einer kleinen Zahl von Bewerbern ergeben; Sie brauchen einmal nur die Zahl der Überprüfungsverfahren mit der Zahl der Einstellungsverfahren zu vergleichen. Der Ihnen vorliegende Entschließungsantrag weist darum zu Recht darauf hin, daß der freiheitlich-demokratische Staat von der Verfassungstreue seiner Bürger ausgeht. Von was sollte er denn sonst ausgehen?
Auch der Bewerber für den öffentlichen Dienst als Bürger dieses Staates genießt deshalb, wie ich dies bereits bei der ersten Beratung der von Bundesregierung und Bundesrat eingebrachten Gesetzentwürfe ausgedrückt habe, einen Vertrauensvorschuß. Nur wenn Tatsachen vorliegen, die ernstlich geeignet sind, diese Ausgangsvermutung zugunsten der Verfassungstreue des Bewerbers im Einzelfall zu erschüttern, besteht daher die Veranlassung, aber auch die Verpflichtung der Behörde, die Eignung des Bewerbers im Hinblick auf seine Verfassungstreue einer näheren Überprüfung zu unterziehen. Auch und gerade diese Überprüfung muß — darin weiß ich mich mit diesem Hause wohl im Grundsatz einig — in jeder Hinsicht rechtsstaatlichen Erfordernissen genügen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger?
Wenn es sein muß!
Herr Bundesminister, wenn Sie so argumentieren, gehen Sie dann davon aus, daß Ihr Amtsvorgänger, Bundesminister Genscher, der frühere Bundeskanzler Brandt und sämtliche Ministerpräsidenten unserer Bundesländer, als sie 1972 den Beschluß faßten, der mit dem Bundesratsentwurf im Kernsatz identisch ist, weniger rechtsstaatlich waren als Sie und die jetzige Bundesregierung?
Die Frage können Sie sich mit einem einfachen Blick — ich komme darauf noch im einzelnen — in das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Begründung beantworten: daß nämlich eben das, was aus jener entgegengesetzten Regelung herausgelesen wird, daß es hier eine Beweislast zugunsten des Bewerbers gebe, nun durch das Urteil klargestellt wird. Weshalb alle diese früheren Regelungen, die von einer solchen Beweislastumkehr ausgehen, heute nicht mehr haltbar sind. Aber das werde ich Ihnen im einzelnen noch darlegen.
— Sie werden darauf eine klipp und klare Antwort schon in wenigen Minuten erhalten,
wenn ich hier fortfahren kann.Nur so läßt sich nämlich ausschließen, das es in der Einstellungspraxis zu Fehlentscheidungen und
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13556 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Bundesminister Dr. Dr. h. c. MaihoferMißbräuchen kommt, die die Existenzplanung und Lebenschancen eines Menschen ohne gesicherte Beurteilungsgrundlagen zutiefst beschneiden, seine persönliche Freiheit in der Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs — —
— Entschuldigen Sie, da geht es doch nicht um die „armen Kommunisten" — wenn ich so etwas nur höre! —, sondern um unsere Staatsbürger: ob sie die Gewähr der Verfassungstreue bieten oder nicht.
Deshalb die Konzentration der Zuständigkeit für ablehnende Entscheidungen bei der obersten Dienstbehörde; deshalb das Gebot, daß die Ablehnung einer Bewerbung nur auf solche in der Person des Bewerbers liegende Tatsachen gestützt werden darf, die in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar sind, die die Behörde also gegebenenfalls auch vor Gericht aufrechtzuerhalten bereit und in der Lage ist; deshalb der Begründungszwang für ablehnende Entscheidungen mit der Maßgabe, daß die Ablehnungsgründe dem Bewerber auf Verlangen schriftlich mitzuteilen sind, also nur dann, wenn der Bewerber selbst zu erkennen gibt, daß die schriftliche Begründung von ihm nicht als interessenschädigend empfunden wird; deshalb der Zwang zur Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung; und deshalb aber auch die Verpflichtung, dem Bewerber schon vor der beabsichtigten Ablehnung seiner Bewerbung die Gründe und die entscheidungserheblichen Tatsachen mitzuteilen und ihm Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern.Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seinem Beschluß vom 22. Mai ausgeführt, daß die Einstellungsbehörde über den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis entscheiden könne, ohne verpflichtet zu sein, vorher den Bewerber zu ihren Zweifeln zu hören. Der Bewerber habe erst, so heißt es dort, wenn der Ablehnungsbescheid durch Anfechtungsklage angegriffen werden soll, Anspruch auf Mitteilung der Umstände, auf die die Einstellungsbehörde ihre Ablehnung stützt. Dies ist nach dem derzeit geltenden Recht gewiß richtig, aber genau in dieser Hinsicht wollen wir das derzeit geltende Recht verändern; denn wir alle halten nach den mit den Einstellungsverfahren gemachten Erfahrungen bei Zweifeln an der Verfassungstreue von Bewerbern ein Mehr an Durchsichtigkeit und Rechtsstaatlichkeit bei diesen Verfahren für unerläßlich.Abs. 1 des vorgeschlagenen § 122 a des Beamtenrechtsrahmengesetzes und der Parallelvorschriften im Richter- und im Soldatengesetz, in welchem sich dieses Mehr an Rechtsstaatlichkeit widerspiegelt, ist angesichts des weiten, auch für Unwägbarkeiten und persönliche Eindrücke offenen Beurteilungsspielraums, den das Bundesverfassungsgericht den Einstellungsbehörden ja ausdrücklich zugesteht, unverzichtbar, wie wir meinen. Wie sollte das geforderte prognostische Urteil über die Persönlichkeit des Bewerbers sonst auch nur annähernd gerecht und gesichert getroffen werden können, wenn derBetroffene nicht beizeiten — und das kann doch nur heißen: vor der Entscheidung — Gelegenheit erhält, sich zu den Tatsachen erklärend zu äußern, die Zweifel an seiner Verfassungstreue begründen könnten?! Daß der Bewerber zu einer solchen Anhörung einen Rechtsbeistand unterstützend hinzuziehen kann, ist für mich selbstverständlich. Das geltende Recht gibt ihm diese Befugnis. Eine weitere gesetzliche Regelung ist deshalb hier entbehrlich, die Klarstellung in der vom Innenausschuß vorgeschlagenen Entschließung ausreichend, aber, wie ich meine, auch hilfreich.Notwendig ist vor allem der Appell an die Einstellungsbehörden, die Ausführungen zu beherzigen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 22. Mai zum Stellenwert von Verhaltensweisen gemacht hat, die in die Ausbildungs- und Studienzeit junger Menschen fallen. Dazu habe ich mich schon in meiner damaligen Rede hier vor dem Bundestag in allen Hinsichten im gleichen Sinne geäußert.Die Feststellung des Gerichts, daß sich Äußerungsformen der individuellen Sturm- und Drangzeit, die, wie es dort heißt, „häufig Emotionen in Verbindung mit engagiertem Protest entspringen und Teil von Milieu- und Gruppenreaktionen sind", für die vorzunehmende und auf die Zukunft bezogene Persönlichkeitsbeurteilung — so das Verfassungsgericht wörtlich: — „wenig eignen", entspricht genau dem freiheitlichen Geist, der in dem Einstellungsverfahren herrschen und auch die Entscheidung der Behörde selbst bestimmen muß. Sie macht darüber hinaus deutlich, wie wichtig es hier wie allgemein ist, daß jeder für sich sorgfältig geprüft und nach gründlicher Aufhellung und Bewertung der tatsächlichen Aktivitäten und der persönlichen Motivationen des jeweiligen Bewerbers entschieden wird.Was sicherlich nicht weniger bedeutsam ist — denn das Bundesverfassungsgericht hat eine dreistufige Beurteilung des Bewerbers vorgesehen, im Vorbereitungsdienst, in der Probezeit und danach bei der endgültigen Einstellung —: Die entscheidenden verläßlichen Eindrücke hinsichtlich der Verfassungstreue des Bewerbers sollen — so sagt das Bundesverfassungsgericht — vor allem anderen aus dem unmittelbaren Eindruck im Vorbereitungsdienst selbst gewonnen werden, hinter dem alle anderen früheren Erkenntnisse zurücktreten können und müssen.Erst dort, wo der Staat bei einem Bewerber die konkrete Gefahr läuft, von verfassungsfeindlichen Kräften unterwandert zu werden, muß er dem um der Freiheit seiner Bürger willen — und nichts anderem — begegnen.Diese Gefahrenzone ist nun freilich nicht erst dann erreicht, wenn auf Grund eindeutiger Tatsachen mit Gewißheit feststeht, daß der Bewerber die von ihm geforderte Gewähr der Verfassungstreue nicht bietet, sondern auch dann, wenn in soweit ernsthafte Zweifel verbleiben. Das habe ich ausdrücklich bereits bei der Beratung in erster Lesung festgestellt. Dem ist weder nach der einen noch nach der anderen Richtung etwas hinzuzufügen.
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Bundesminister Dr. Dr. h. c. MaihoferAber hierbei gibt es — und da liegen unsere Auffassungen nun vollkommen auseinander, Herr Kollege Dregger — weder eine Beweislast — in strengem Sinne — der Behörde noch eine des Bewerbers, sondern: beide haben daran mitzuwirken — das habe ich damals bereits eindeutig ausgeführt —,
aufgetretene Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers aufzuklären.
Eben dies hat nun auch das Bundesverfassungsgericht klargestellt, wenn es sagt — ich zitiere aus der BegründungDie Einstellungsbehörde entscheidet über den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Bei dieser Entscheidung gibt es keine „Beweislast", weder für den Bewerber, daß er die geforderte Gewähr bietet, noch für die Einstellungsbehörde, daß der Bewerber diese Gewähr nicht bietet.
„Zweifel an der Verfassungstreue" hat hier nur den Sinn, daß der für die Einstellung Verantwortliche im Augenblick seiner Entscheidung nicht überzeugt ist, daß der Bewerber die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.
Um es Ihnen ganz klar zu sagen: Damit stimmen weder die frühere Praxis nach dem sogenannten Ministerpräsidentenbeschluß noch der Bundesratsentwurf im Grundsatz überein. Das ist der eigentliche Unterschied.
Das sollten wir nicht verkleistern. Hier liegt wirklich der Grundunterschied zwischen dem, was die Regierungskoalition vorlegt — das ist ein streng rechtsstaatlich gesichertes Verfahren ohne die Beweislastumkehr auf den Bewerber —, und dem, was Sie ganz offenkundig anstreben.
Dem Hohen Hause liegt auch — lassen Sie mich darauf abschließend eingehen — ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen vor, der auch die Zulassung zu Berufsausbildungen, die Voraussetzung für die Ausübung von Berufen auch außerhalb des öffentlichen Dienstes sind, zum Gegenstand hat. Daß es insoweit wegen Art. 12 des Grundgesetzes, der hier von ganz besonderem Gewicht ist, einer Sonderregelung bedarf, war bereits die Vorstellung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfes, der mit diesem auch insoweit im Prinzip identisch ist. Das Bundesverfassungsgericht hat auch dies in seinem Beschluß vom 22. Mai dieses Jahres bekräftigt und für die Zugangsregelung im einzelnen verschiedene Möglichkeiten genannt.Die Koalitionsfraktionen haben sich für die Lösung entschieden, die jedwede Diskriminierung von vornherein ausscheidet. Das konnte — das ist auch meine Überzeugung — nur eine Regelung sein, die den Vorbereitungsdienst bei sogenannter Monopolausbildung einheitlich außerhalb des Beamtenverhältnisses vorsieht. Nur eine solche Regelung schafft klare Verhältnisse, vermeidet ein untragbares Nebeneinander verschiedener Statusformen von Beamten und Nichtbeamten bei ein und derselben Ausbildung und erfüllt damit auch die vom Bundesverfassungsgericht gestellten Anforderungen, die ja auch solche der Nichtdiskriminierung von Bewerbern untereinander sind; das ist doch eines unserer grundlegendsten Verfassungsprinzipien überhaupt.
Worauf es der Koalition bei der Regelung dieses Komplexes vor allem ankommt, ist zweierlei: Zum einen zu gewährleisten, daß der junge Mensch, der sich auf einen Beruf vorbereitet, die bestmögliche Ausbildung erhält. Dazu ist ein sachangemessener Status nötig, der ihm auch die Erfüllung von Hoheitsaufgaben ermöglicht. Zum anderen muß unter allen Umständen vermieden werden, daß hier am Anfang eines Berufsweges zwei Kategorien von Auszubildenden und damit Diskriminierungen zwischen zweierlei Bewerbern geschaffen werden. Stellen Sie sich das bitte einmal — jeder hat ja solche Erinnerungen — in der juristischen Praxis etwa bei der Ausbildung am Gericht vor! Da würden dann Leute beim Ausbilder sitzen, von denen jeder weiß, die einen sind die Verfassungstreuen
und die anderen sind solche, bei denen Zweifel an der Verfassungstreue begründet ist. Das wäre ein völlig unmöglicher, zu Verketzerungen und Verhetzungen und zu einer unerträglichen Störung des politischen Klimas führender Zustand.
— Ich weiß gar nicht, warum Sie sich über solche Selbstverständlichkeiten aufregen!
— Aber nein!Beide Ziele sind mit dem Ihnen hier vorgelegten Gesetzentwurf, mit dem auch ich im Grundsatz völlig übereinstimme, erreicht. Einzelheiten der Ausgestaltung dieses neuen, außerhalb des Beamtenverhältnisses in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abzuleistenden Vorbereitungsdienstes bedürfen, wie ich meine, jedoch noch grundsätzlicher Erörterung in den Fachgremien. Sie können nicht Thema der heutigen Debatte sein. Die verschiedenen Ministerkonferenzen, die hier mitbeteiligt sind, die Innenministerkonferenz, die Justizministerkonferenz und die Kultusministerkonferenz haben sich dieser Frage bereits angenommen. Die Beratungen im federführenden Innenausschuß und die vorge-
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13558 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofersehene, von der Opposition beantragte Anhörung von Sachverständigen und Interessenvertretern bieten, wie ich hoffe, die Gewähr für eine sachgerechte gesetzgeberische Lösung dieses Fragenkreises, die nur in der hier angedeuteten Richtung liegen kann, wenn sie mit den Grundsätzen unserer Verfassung in Einklang stehen soll.Lassen Sie mich zum Abschluß noch einmal, diesmal einschränkungslos zustimmend, Alfred Grosser zitieren:Unsere Rechtsordnung im Westen— so hat er in seiner Frankfurter Ansprache gesagt —beruht auf dem Prinzip, daß der Schuldige lieber zuviel Rechtsschutz erhalten soll als der Unschuldige zuwenig.Dieses Prinzip entspricht unserer Verfassung und eben nicht nur, wie Sie meinen, Herr Kollege Dregger, als Unschuldsvermutung — in dubio pro reo dem Strafrecht. Es ist ein Grundprinzip unserer Verfassung überhaupt; das auch außerhalb des Strafrechts gilt
und über dessen allgemeine Gültigkeit und Verbindlichkeit wir alle in diesem Hohen Haus einig sein sollten. Es gilt so auch für die Fälle, in denen es um den Rechtsschutz derer geht, die von belastenden staatlichen Entscheidungen der Verwaltung— und eben nicht nur von gerichtlichen Urteilen im Strafrecht — betroffen werden.
— Nein, darüber kann man nicht streiten.
— Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
— Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Aber darüber können wir hinterher rechten.
— Ich möchte diesen letzten Gedanken hier jetzt zu Ende bringen. Wir können gern darüber sprechen. Ich lasse mich von Herrn Kubel darüber unterrichten.Deshalb appelliere ich an Sie alle: Lassen Sie mit der gemeinsamen Verabschiedung dieses Gesetzes Ruhe und Befriedung in diesem Land einkehren, und machen Sie damit endlich auch dem Evergreen jener politischen Kampagnen gegen sogenannte Berufsverbote ein Ende!
Wir sollten nicht noch weiteren zwei, drei Studentengenerationen und ihren politischen Agiteuren ein billiges Betätigungsfeld liefern. Und lassen Sie uns nach einem solchen Gesetzesbeschluß alsdann darangehen, das Gesetz vor Ort in die einheitliche demokratische Praxis umzusetzen, im Geiste der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom22. Mai und damit in Ausfüllung des Rechtsstaats zum Wohle der Freiheit und der Sicherheit aller Bürger dieser unserer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokratie!
Das Wort hat als Vertreter des Bundesrats Herr Minister Bender aus Baden-Württemberg.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Weil die Länder von dem Geschehen und dem Thema, das uns hier beschäftigt, existentiell mit betroffen sind, möchte ich als baden-württembergischer Landesminister kurz den Standpunkt der baden-württembergischen Landesregierung markieren.Meine Damen und Herren, die Weichenstellung, die sich mit diesem Gesetz vollzieht, wird das Staatsbewußtsein, das staatsbürgerliche Bewußtsein auf weite Sicht sehr entscheidend prägen. Es wird damit die Zukunft unseres Staates, die Zukunft unseres Volkes nach meiner Überzeugung sehr wesentlich mitbestimmen. Mit dieser Gesetzesmaterie ist auch die Frage des Vertrauens in unseren Staat und zu unserem Staat angesprochen, die Frage des Vertrauens in seine innere Stabilität.Die Gefahr, das Vertrauen der Bürger in diesen Staat zu verlieren, liegt meines Erachtens primär keineswegs darin, daß sich in unserem Staat Gesinnungsschnüffelei breitmachte, der wir gemeinsam mit aller Entschiedenheit entgegentreten würden und müßten.Vorhin ist Schiller zitiert worden. In Baden-Württemberg und — dessen bin ich sicher — auch in den anderen Ländern wollen wir das erhalten, was Schiller für uns miterworben hat, nämlich die Freiheit. Schiller — meine Damen und Herren, davon bin ich überzeugt — stünde heute im Lager jener, die die Freiheit erhalten wollen und den Feinden der Freiheit den Kampf ansagen.
Wenn wir schon Schiller für uns reklamieren, dann möchte ich doch das gesagt haben: Schiller stünde im Lager jener, die denen den Kampf ansagen, die unsere Freiheit in der Substanz zerstören wollen.
Meine Damen und Herren, in unserem Staat gibt es Meinungsfreiheit. Hier wird Meinungsfreiheit gelebt, oft bis an die Grenze und gelegentlich auch über die Grenze des Zulässigen.Die Gefahr, das Vertrauen der Bürger in den Staat zu verlieren, liegt meines Erachtens vielmehr in der Tendenz zum Abbau legitimer staatlicher Autorität, in der Tendenz zum Abbau positiven, hinwendenden staatsbürgerlichen Bewußtseins. Das ist die Gefahr, in der wir uns befinden und mit der wir uns auseinandersetzen müssen.Meine Damen und Herren, unsere freiheitliche demokratische Gesellschaftsordnung beruht auf dem Modell des Pluralismus. Sie setzt voraus, daß imDeutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197, Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13559Minister Dr. Benderfreien Spiel und Wettbewerb der Meinungen und der Interessen, daß im Gebrauch der Freiheit, der Freiheiten im privaten wie im öffentlichen Bereich, Grenzen eingehalten werden. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist der Rahmen, der die Freiheit des einzelnen und die Freiheit der Minderheit garantiert. Wenn wir diesen Rahmen nicht zu erhalten vermögen, wenn wir ihn relativieren und ihn damit letztlich — unbewußt vielleicht der Zerstörung preisgeben, haben wir unsere Freiheit verspielt. Aber Erhaltung dieses Rahmens — das ist Ermöglichung von Freiheit — bedeutet nichts anderes als aktives Eintreten, Hinstehen für diesen unseren Staat, Verdeutlichung seiner Aufgaben, Verdeutlichung der Werte, die diesen unseren Staat freiheitlich machen. Darin sind wir uns einig.Wenn das so ist, dann können wir es uns — das ist der Standpunkt der Regierung, der ich angehöre — einfach nicht erlauben, Stellen des öffentlichen Dienstes, Stellen im staatlichen Bereich, mit Feinden eben dieses Staates, mit Feinden unserer Verfassung oder mit Leuten, die sich von der Verfassung und von diesem unserem Staat bewußt distanzieren, zu besetzen.
Wir können nicht denen, die diesen Staat offen oder erkennbar kaschiert bekämpfen, staatliche Machtbefugnisse gewissermaßen als Waffe in die Hand drücken.Meine Damen und Herren, ich meine, daß hier Verfahrensregelungen, über die wir uns im wesentlichen, wenn ich es recht sehe, einig sind, allein nicht ausreichen. Wir müßten deutlich sagen, was wir wollen, wir müßten hier Positionen, möglichst gemeinsame Positionen, beziehen, eindeutig Farbe bekennen, dann aber auch Konsequenzen in die materiell-rechtliche Situation hinein ziehen. Klare Entscheidungen erfordern Mut. Wir alle — ich sage das durchaus selbstkritisch — im demokratischen Lager müssen uns gegen die Versuchung jenes schleichenden Opportunismus wehren, der dem langfristig denkenden, dem strategisch denkenden und beweglich taktierenden Gegner Position für Position überläßt.
Als ein solcher Opportunismus müßte es gewertet werden, wollten wir die offenkundige und in der Lebenserfahrung liegende Tatsache wegdiskutieren oder wegreflektieren, daß derjenige, der einer verfassungsfeindlichen Partei angehört, der sich auch für diese Partei einsetzt und ihre Ziele mitträgt, nicht gleichzeitig für sich in Anspruch nehmen kann, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.Meine Damen und Herren, ist es denn zuviel verlangt, wenn der demokratische Gesetzgeber, ohne eine irgendwie geartete Automatik von Mitgliedschaft, Zweifel und Ablehnung zu konstruieren oder zugrunde zu legen, davon ausgeht, daß der Bewerber diesen letzten Grundwiderspruch klärt und die wichtigste Voraussetzung für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst — das sage ich hier ganz schlicht —, nämlich die Treue zu seinem Staat, seineVerfassungstreue, dargelegt und bekennt? Das ist das Entscheidende, und dort, wo Widersprüche vorhanden sind, müssen sie geklärt werden. Ich bin durchaus der Meinung, daß man hier nicht zivilprozessuale Beweislastregeln heranziehen kann. Hier geht es nicht um zivilprozessuale oder strafprozessuale oder sonstige Beweislastregeln, sondern hier geht es darum, daß eine Sachvoraussetzung nachgewiesen wird. Die Sachvoraussetzung im öffentlichen Dienst ist eben das Bekenntnis zu diesem Staat, die Treue zu dieser konkreten Verfassung.
Auf derselben Linie eines falschen und schädlichen Opportunismus läge es, meine ich, im Vorbereitungsdienst auf das Beamtenverhältnis zu verzichten. Dies würde doch heißen, gerade mit Rücksicht auf die Leute, die diesen Staat angreifen, beseitigen wollen oder sich bewußt von ihm distanzieren, ein bedeutsames Stück Staat zurückzunehmen, und zwar legitimen Staat zurückzunehmen. Die sich daraus ergebenden negativen ausbildungspolitischen Konsequenzen wären darüber hinaus wohl kaum abzuschätzen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ausgangspunkt aller Bemühungen, das Radikalenproblem zu bewältigen, war — das ist heute mehrfach angesprochen worden — der Beschluß vom 28. Januar 1972, den der damalige Bundeskanzler Brandt und die Regierungschefs der Länder gemeinsam gefaßt haben. Diesem Beschluß entspricht der Entwurf des Bundesrats. Wir meinen, daß der Beschluß der Ministerpräsidenten, der Bundesratsentwurf, den Zielsetzungen und den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils entspricht, ja, geradezu die Intention des Bundesverfassungsgerichtsurteils aufnimmt. Wir meinen, daß dieser Entwurf und der Beschluß der Ministerpräsidenten nicht nur sehr deutlich dem Buchstaben unserer Verfassung entsprechen, sondern vor allem auch dem Geist unserer Verfassung. Ich glaube, darüber kann man einfach nicht hinwegkommen.Meine Damen und Herren, die demokratischen Kräfte in unserem Lande sollten und müßten sich trotz der Diskussion, die in vielen Punkten kontrovers gewesen ist, zu einem gemeinsamen überzeugenden Beschluß zusammenfinden können. Dies ist meine Hoffnung. Ich meine, es sei um unseres Volkes und des Vertrauens unseres Volkes in diesen Staat willen notwendig. Darauf warten unsere Bürger draußen im Lande. Das erwarten sie von uns allen, das erwarten sie von Ihnen.Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, die uns verbindende gemeinsame demokratische Überzeugung auch heute und hier deutlich werden zu lassen, auch in den Konsequenzen, auch in unangenehmen Konsequenzen. Es geht doch um unseren freiheitlichen Staat, den wir lieben, der aber offensiv verteidigt werden will, verteidigt werden muß gegen jene, die unter Berufung auf die ihnen von diesem Staat gewährte Freiheit die Freiheit beenden wollen, sie eliminieren wollen. Am Abbau des freiheitlichen Rechtsstaates wollen wir jedenfalls um des humanen Fortschritts willen und damit
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13560 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Minister Dr. Benderum unserer Bürger, um jedes einzelnen Bürgers willen nicht schuldig werden.
Das Wort hat als Vertreter des Bundesrats Herr Bürgermeister Koschnick, Bremen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte die Gelegenheit, Frau Präsidentin, beim letztenmal im Bundesrat zu kritisieren, daß von dieser Bank für den Bundesrat gesprochen wird. Ich will hier nur als ein Mitglied des Bundesrates und für Bremen sprechen.
Das war ein Problem des Bundesrates, nicht dieses Hauses.Ich darf zweitens als einer der Mitverfasser, als Mitbeteiligter der Beschlüsse der Ministerpräsidenten und der damaligen Bundesregierung gleich eine Geschichtsfälschung ein wenig richtigstellen, die Sie, sehr verehrter Herr Kollege Dregger, und eben auch Herr Bender vorgetragen haben. Es ist keineswegs so, daß der Entwurf des Bundesrates mit dem Beschluß der Ministerpräsidenten identisch ist. Allerdings sind viele Inhalte übernommen worden.Ich möchte auch nicht über die Freiheit im Sinne von Schiller sprechen. Wir Bremer sind vergleichsweise ohne Poesie. Ich möchte die Frage etwas nüchterner angehen und muß dabei auf eine Ausführung eingehen, die sowohl Herr Dregger als auch Herr Professor Maihofer vorhin gemacht haben. Sie bezog sich auf eine Rede von Professor Alfred Grosser am 12. Oktober zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in Frankfurt. Ich möchte meine Position etwas abweichend von meinen beiden Vorrednern beziehen. Alfred Grosser hat gesagt, es scheine ihm, als ob in der Bundesrepublik immer mehr von der Verteidigung der Grundordnung durch den Staat und immer weniger von der Verteidigung der Grundfreiheiten gegen den Staat die Rede sei.
— Langsam! — Ich widerspreche hier Herrn Grosser ausdrücklich. Das Grundgesetz konstituiert, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung sagt und wie wir es gemeinsam wollten, eine wehrhafte Demokratie.
Diese Grundentscheidung schließt es aus, daß Bewerber zum Staatsdienst zugelassen werden, die die freiheitliche demokratische rechtsstaatliche und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Hinter dieser Entscheidung, die auf die Erfahrungen der ersten deutschen Republik zurückgeht, stehen auch heute noch die demokratischen Parteien mit ihrem politischen Willen. Ich halte es für eine Unterstellung, wenn hier gesagt wird, es gebe in unserem Lande einige, die bereit wären, den öffentlichen Dienst für Verfassungsfeinde zu öffnen. Genau das ist nicht der Fall!
Zur Erfüllung der Pflicht und Aufgabe, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen, müssen — und das wollen auch wir — staatliche Machtmittel einsetzbar sein.Mit Herrn Grosser bin ich aber darin einig, daß eine der Hauptforderungen dieser Grundordnung die aktive Sicherung der Freiheitsrechte des einzelnen gegenüber dem Staate ist. Auch dies ist eine Lehre aus der jüngsten deutschen Vergangenheit, nämlich aus den Verfolgungen der NS-Zeit und der DDR. Deshalb besteht — und hier bin ich mit Professor Maihofer einer Meinung — kein Widerspruch zwischen dem Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung und der Gewährleistung freier politischer Tätigkeit unserer Bürger.Diese grundsätzliche Position hat der Senat der Freien Hansestadt Bremen von jeher eingehalten. Schon vor dem Ministerpräsidentenbeschluß vom 28. Januar 1972 sind aktive Gegner der Verfassung unter strenger Beachtung verfassungs- und beamtenrechtlicher Grundsätze in Bremen vom öffentlichen Dienst ferngehalten oder aus dem öffentlichen Dienst entfernt worden. Bremen ist seit 1945 niemals ein Domizil brauner oder linksextremistischer Kräfte gewesen.
— Das habe ich wie Sie, Herr Professor Carstens. Leider gehen Sie nicht in die Universität, mit der ich mich regelmäßig herumschlage, um dort ein bißchen Ordnung zu halten.
— Sie müssen nicht immer nur eine Zeitung lesen! Wenn Sie einen Querschnitt hätten, wüßten Sie mehr darüber.
Und es wäre doch einmal ganz gut, wenn die CDU/ CSU-Fraktion nach Bremen käme, um sich einer kritischen Auseinandersetzung zu stellen,
statt daß Sie an diesem Ort über Dinge sprechen, die Sie nicht kennen. Ich lade Sie ein!
Im öffentlichen Dienst hat es jedenfalls in Bremen stets eine klare Abgrenzung gegenüber Leuten gegeben, die unsere Verfassung aktiv — auch wenn es in Wort und Schrift geschieht — bekämpfen. Der Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder hat daher in unserer Einstellungspraxis zu keinen Konsequenzen geführt, die nicht ebenso
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Präsident Koschnickschon vorher zu ziehen gewesen wären und gezogen worden sind.Auf der anderen Seite habe ich schon knapp einen Monat nach diesem Beschluß die bremische Position vor unserem Landesparlament dargelegt und dabei folgendes erklärt:Erstens. Die bloße Mitgliedschaft eines Bewerbers in einer Organisation, die nach Meinung des Senats verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, ist in der Regel geeignet, Zweifel daran zu wecken, ob dieser Bewerber jederzeit für die demokratische Grundordnung eintreten wird.
Der Senat wird deshalb in der Regel zu prüfen haben, ob der Bewerber neben einer bloßen Mitgliedschaft besondere Aktivitäten entwickelt hat, die eine Einstellung ausschließen.Und darauf kommt es an, auf die Aktivitäten!
Zweitens. Der Senat bezieht seine Entscheidung auf jeden Einzelfall. Er begründet seine Entscheidung, und er will bewußt eine rechtliche Überprüfung seines Verwaltungshandelns ermöglichen.
— Herr Dregger sagt „Natürlich", aber die christlich-demokratischen Ministerpräsidenten wollten 1972 keine schriftliche Begründung und keine Überprüfung.
Und jetzt sage ich: Natürlich haben wir deswegen schon damals eine andere Position eingenommen.Mit der Prüfung jedes Einzelfalles und mit der Begründung durch den Dienstherrn— so habe ich damals erklärt —ermöglicht der Senat eine Überprüfung der jeweiligen Entscheidung durch ein unabhängiges Gericht. Dabei hat der Bewerber die Möglichkeit, die beim Dienstherrn vorhandenen Zweifel, die wir begründet haben müssen, über die Bereitschaft, jederzeit für die freiheitliche Grundordnung einzutreten, zu widerlegen und auszuräumen.Drittens. In all den Fällen, in denen der Staat ein Ausbildungsmonopol hat, wie z. B. bei den Lehrern oder den Juristen, ist den Hochschulabsolventen die Möglichkeit zu geben, ihre Ausbildung abzuschließen.Auch das ist 1972 gesagt worden.
So klar und bedenkensfrei diese bremische Haltung und Praxis ist — und sie ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 1975 in vollem Umfange bestätigt worden —, so uneinheitlich und besorgniserregend ist das Gesamtbild in der Bundesrepublik. Auch der Beschluß der Regierungschefs hat nicht die beabsichtigte bundesweite Vereinheitlichung des Verwaltungshandelns bewirkt. Vielmehr zeigt er in der Anwendung gefährliche Folgen.
— Ich komme darauf noch. — Das Verfahren bei der Einstellung wird von den Landesregierungen — oder oft auch von nachgeordneten Beamten — höchst unterschiedlich gehandhabt, wie der Bericht über das Ergebnis der Umfrage zur Praxis der Überprüfung der Gewähr der Verfassungstreue bei Einstellungsbewerbern, den der Bundesminister des Innern kürzlich vorgelegt hat, zeigt. Darüber hinaus haben sich die Kriterien bei der Einstellungspraxis in den einzelnen Ländern auseinanderentwickelt. Dies zeigt die erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die jetzt Grundlage der gesetzgeberischen Bemühungen ist.Der Senat der Freien und Hansestadt Bremen hat z. B. einen Gerichtsreferendar, der in Schleswig-Holstein abgewiesen wurde, übernommen. Die Meinungsverschiedenheit drehte sich im Kern um die Frage, ob es mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar ist, einen Bewerber um die Übernahme in einen Vorbereitungsdienst, der auch die Voraussetzung für den Zugang zu einem Beruf außerhalb des Staatsdienstes ist, die Hürde des Beamtenrechts überwinden zu lassen. Auf diese Problematik in bezug auf den konkreten Fall dieses Referendars hat das Bundesverfassungsgericht in wünschenswerter Deutlichkeit im Sinne Bremens geantwortet.Der Ministerpräsidentenbeschluß hat schließlich nicht verhindern können, daß sich im öffentlichen Dienst an Schulen und an Hochschulen eine Atmosphäre verbreitete, die dazu führt, die Vielfalt von Meinungsäußerungen einzuschränken, und die in die Nähe von Gesinnungsschnüffelei gerät. Das ist nicht die Zielsetzung einer Regierung; das ist leider Praxis, die sich ergibt, weil man oben nicht erkennen kann, wie es unten gehandhabt wird.
In einigen, und zwar vornehmlich CDU/CSU-regierten, Bundesländern verschafft sich dabei ein Verfassungsverständnis zunehmend Geltung, das eine ganz junge Generation schon während der Ausbildungs- und Studienzeit obrigkeitlich diszipliniert.
— Ich bin gern bereit, nach Baden-Württemberg zu kommen, wenn Sie einmal nach Bremen kommen.
— Ich erkläre hier für das Protokoll: Ich halte das Land Baden-Württemberg für eines der freiheitlichsten und liberalsten Länder. Ich erkläre das nichtPräsident Koschnickfür die Regierung und nicht für die CDU, aber für das Land.
— Ich freue mich jedenfalls, daß ein Hanseat noch in der Lage ist, die CDU in Bewegung zu bringen.Tragende Elemente dieser Art von Verfassungsverständnis sind: die Einengung des Gedankens der Demokratie auf den Bereich des Parlaments im Gegensatz zu seiner Förderung auch in anderen Lebensbereichen; die Überbetonung einzelner Verfassungsinstitute zu Lasten anderer, die nach dem Willen des Verfassungsgebers gleichrangig sind, wie z. B. der freien Verfügbarkeit des Eigentums gegenüber der Sozialpflichtigkeit des Eigentums oder die Abwertung all jener zu Verfassungsfeinden, die an gesellschaftlichen Zuständen Kritik üben, über Alternativen nachdenken und für Veränderungen eintreten, auch dann, wenn sie sich dabei auf Verfassungsaufträge berufen können und verfassungsmäßige Wege einhalten.Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, stoppt nach Meinung Bremens der von den Koalitionsfraktionen der SPD und FDP vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften, der sich Satz für Satz mit der bremischen Auffassung deckt. Das vorgesehene einheitlich und unmittelbar für Bund und Länder geltende Recht wird die schutzwürdigen Belange der Betroffenen, insbesondere ihr Interesse an einem fairen und nachprüfbaren Verfahren, und die vom Bundesverfassungsgericht bekräftigten Anforderungen an die Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst wieder in ein ausgewogenes Verhältnis stellen. Der Entwurf übernimmt außerdem die entscheidenden Schlußfolgerungen aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Fällen des Ausbildungsmonopols und garantiert die Zulassung zur Berufsausbildung auch in diesem Bereich.Es ist bedauerlich, daß die Fraktion der CDU/ CSU nicht bereit war, auch den Teil des ursprünglichen Gesetzentwurfs heute zur Abstimmung stellen zu lassen, der in den Fällen des Ausbildungsmonopols einen einheitlichen Vorbereitungsdienst ohne Begründung eines Beamtenverhältnisses in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis vorsah und eine Abweichung nur erlaubte, wenn die Bewerber die freiheitlich-demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpften.
Die Unionsparteien können sich nicht hinter dem Argument verschanzen, ein solches Modell sei dienstrechtlich neu oder gar ein Schritt auf dem Wege zur Abschaffung des Berufsbeamtentums.
— Natürlich. Einen Vorläufer dieses Modells gab es bereits in den Regelungen des Reichsbeamtengesetzes von 1937 und den dazu ergangenen Rechtsverordnungen, etwa über die Ausbildung des mittleren und gehobenen Dienstes. Die von der CDU/CSU-Fraktion praktisch erzwungene Abtrennung des strukturellen Teils des vorliegenden Gesetzentwurfs — —
— Verzeihen Sie, Sie wollen doch verzögern.
Das weiß doch inzwischen jeder, und das ist heute deutlich dargestellt worden. Heute fangen Sie an zu toben, weil es Ihnen nicht gelungen ist, die entscheidenden Dinge hier wegzubekommen. Das ist das Problem.
— Ach du lieber Gott! Etwas mehr Ruhe und Gelassenheit wäre doch ganz gut.
— Wer schreit denn hier so? — Dies ist nicht nur politisch unverantwortlich, sondern läßt sich auch rechtlich nicht plausibel machen.
Denn der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen wählt eine von den drei Regelungsmöglichkeiten, die das Bundesverfassungsgericht aufgezeigt hat, und zwar die nach meiner Meinung überzeugendste. Die vorgeschlagene einheitliche Lösung schließt jede Möglichkeit einer Diskriminierung derjenigen Ausbildungsform aus, die außerhalb des Beamtenverhältnisses angeboten wird. Wir unterstützen den Entwurf aber vor allem deshalb, weil er auch hier eine für Bund und Länder einheitlich und unmittelbar geltende Regelung vorsieht. Jeder andere Vorschlag würde die Entwicklung zu mehrspurigen Systemen auf dem Gebiet der Bildungspolitik und des Bildungsrechts verstärken.Im weiteren Gesetzgebungsverfahren — und hier folge ich Professor Maihofer — wird allerdings geprüft werden müssen, ob die Unterwerfung des neuen Rechtsinstituts eines nichtbeamtenrechtlichen öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses unter die Regeln für Beamte auf Widerruf den Gegebenheiten und Bedürfnissen integrierter Ausbildungsgänge im Bereich der Juristen- und Lehrerausbildung angemessen ist. Um diese Prüfung bitte ich im weiteren Verfahren. Bremen wird sich daran beteiligen.Um zu Grosser zurückzukehren: Ich bin dafür, meine Damen und Herren, daß unser Staat die Stärke zeigt, das vom Bundesverfassungsgericht empfohlene Rechtsinstitut verbindlich für Bund und Länder einzuführen. Wir sollten darüber hinaus gegenüber dem politischen Irrtum heute nicht weniger großzügig und überlegen verfahren als vor 25 Jahren. Die Fraktionen des Deutschen Bundes-
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Präsident Koschnicktages haben die Chance, einen gemeinsamen Beitrag zum inneren Frieden zu leisten.
Ich glaube nicht, Herr Dregger, daß Ihr Plädoyer heute morgen für mehr Gemeinsamkeit in der Abwehr von Verfassungsfeinden — da folge ich gern —, verbunden mit dem Kampf innerhalb der demokratischen Strukturen in diesem Staate um staatliche Macht, letztlich so dargestellt werden kann, als wenn es in dieser Frage um einen Kampf nur gegen die Kommunisten geht und nicht um die Ausformung demokratischer Ordnungen, Freiheiten und gesellschaftlicher Bezüge.
In Europa haben wir einige Beispiele dafür, wie man richtig oder falsch dem Gespenst des Kommunismus begegnen kann.
— Schauen Sie bitte nach Skandinavien, schauen Sie nach Nordeuropa, schauen Sie auch in den westlichen Bereich hinein! Dann stellen Sie fest, daß überall dort, wo aktiv für neue Formen der Gesellschaft, für mehr Gerechtigkeit, für mehr Sicherheit und mehr Freiheit gekämpft wird, der Kommunismus keine Chance hat,
daß aber in konservativen Bereichen der Zustrom zum Kommunismus immer größer wird.
Hier müssen wir uns also doch zunächst einmal gemeinsam verständigen, daß die erste Möglichkeit, aktive Demokratie zu betreiben, darin besteht, daß wir uns gemeinsam bemühen, die gesellschaftlichen Verhältnisse so zu gestalten, daß der Ansatzpunkt für kommunistische Positionen nicht mehr gegeben ist.
Der zweite Punkt ist, daß wir uns alle persönlich, und zwar nicht nur auf den Plattformen von Parlamenten, in die Auseinandersetzung begeben — auch im vorparlamentarischen Raum —, um die Auseinandersetzung aufzunehmen, um draußen zu stehen.
Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe von diesen Typen einige in meinem Lande, und ich bemühe mich um eine solche unmittelbare Auseinandersetzung.Drittens müssen dann, und zwar in dieser Reihenfolge, die Machtmittel des Staates eingesetzt wer um aktiven Verfassungsfeinden entsprechend rechtsstaatlich — ich sage: rechtsstaatlich — zu begegnen. Wir können unsere eigene Demokratie, unseren eigenen Staat verhunzen, wenn wir das preisgeben, was wir als gemeinsame rechtsstaatliche Basis bei der Schaffung des Bundes gehabt haben. Wir geben die Grundrechte und Grundfreiheiten auch nicht preis, wenn wir die Besorgnis haben, daß der eine oder andere vielleicht nicht so loyal zum Staate steht, wie wir es gern haben möchten. Aus diesem Grunde unterstütze ich sehr nachdrücklich das Plädoyer der Bundesregierung, vertreten durch Herrn Maihofer, unsere Bürger nicht von vornherein zu kriminalisieren, sie nicht von vornherein in den Verdacht zu stellen, sie seien keine Verfassungsfreunde.
Wir alle hier haben ein Mandat unserer Bürger wahrzunehmen, die uns doch wohl hoffentlich gemeinsam als verfassungstreue Bürger gewählt haben, damit wir sie hier nicht verdächtigen.
In diesem Sinne kommt es darauf an: Stellen Sie die Dinge auf den normalen Ursprung zurück. Der Bürger hat einen Anspruch, in den öffentlichen Dienst einzutreten.
— Artikel 33! Lesen Sie bitte nach!
— Da beginnt unser grundsätzlicher Unterschied. Wir wollen den Staat öffnen für alle Bürger, die verfassungstreu sind. Er hat also einen Anspruch einzutreten, soweit wir Stellen für ihn haben, natürlich.
— Es gibt mehr als drei Voraussetzungen; es gibt eine ganze Reihe mehr. Dazu gehört auch bei mir eine ganz bestimmte Haltung zu diesem Staat, zu der freiheitlichen Grundordnung und zu den Entwicklungen in diesem Lande. Aber, bitte, keine verklemmte Position, wo von vornherein eine junge Generation — —
— Das will ich Ihnen genau sagen. Ich habe nun 25 Jahre lang Gelegenheit, insbesondere für Angehörige im öffentlichen Dienst zu arbeiten. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn einige Damen und Herren aus Ihrem Bereich einmal nachläsen, was sie in den Jahren 1949, 1950 und 1951 bei der Diskussion über das Gesetz Artikel 131 GG über die Fragen gesagt haben; etwa: Man muß bei der jungen Generation auch ein bißchen Irrtum zubilligen können. Das kann doch nicht nur für eine Gruppe gelten. Das muß doch wohl für alle gelten können.
Ich bin der Auffassung, daß ich jeden, bei dem ich eine begründete Vermutung habe, daß er diesen Staat in Zeiten der Not nicht verteidigen wird, nicht einstelle, und wenn er im öffentlichen Dienst ist, wird er aus dem öffentlichen Dienst entfernt. Im übrigen werden Sie in Kürze eine Aufstellung haben; dann werden Sie feststellen, daß Sie in Bre-
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13564 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Präsident Koschnickmen keine Sorgen zu haben brauchen. Ich erinnere mich jedenfalls so mancher Aufregungen auch in Ihren Landen, wo sich christlich-soziale Politiker, die heute wichtige Funktionen im Freistaat Bayern einnehmen, an uns gewandt haben, wir möchten doch einen Professor auf jeden Fall einstellen, den wir abgelehnt haben; inzwischen haben sie ihn auch abgelehnt. Ich sage nur, hier könnte man einen Austausch von Informationen vornehmen, und dann werden Sie feststellen, daß wir ohne Gesinnungsschnüffelei, aber unter konkreter Abwehr wirklicher Gefahren handeln. Das machen nicht nur Bremer; das können wir in unseren ganzen Ländern nachweisen.
Diejenigen, die hier über den Ministerpräsidentenbeschluß sprechen und sagen, es hätte genügt, diesen Beschluß in Gesetzesform zu gießen, verkennen die Praxis. Sie verkennen nicht nur die Praxis in den sozialdemokratisch-liberal regierten Ländern. Sie verkennen auch die Praxis in den Ländern, wo Sie die Mehrheit haben. Ich will nicht den Fall Lennert in Rheinland-Pfalz oder Rossig in Baden-Württemberg aufgreifen, wo zwei Leute in anderen Ländern aufgenommen sind. In dem einen Fall ist das Mädchen aus dem öffentlichen Dienst entfernt worden, im anderen Fall schwebt noch eine Klage.Ich sage nur, es gibt zwischen einzelnen Ländern kein einheitliches Verständnis hinsichtlich der Entscheidungen, weil wir alle den Beschluß differenziert ausgelegt haben. Die einen taten dies mehr unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Staates, die anderen unter den klaren Gesichtspunkten öffentliches Dienstrecht, die dritten unter Verfassungsgegebenheiten. Das war doch der Grund, warum die Bundesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht hat, der endlich ein einheitliches Handeln ermöglichen sollte. Das war doch die gemeinsame Überlegung: Wir müssen in Bund, Ländern und Gemeinden eine gemeinsame Position haben. Wer heute sagt, es hätte genügt, diesen Beschluß der Ministerpräsidenten umzuformen und in einen Gesetzentwurf umzugießen, der will beispielsweise nicht wahrhaben, was das Verfassungsgericht im Falle Sämisch etwa zum Ausbildungsmonopol gesagt hat, der will nicht wahrhaben, was vorher in einer klaren Definition gesagt worden ist, um welche Prinzipien es geht, und daß es darauf ankommt, nicht nachzuforschen, was vor 20 Jahren war, sondern daß es darauf ankommt festzustellen, ob er morgen oder übermorgen die Gewähr bietet, daß er für diesen Staat eintritt.
Das, meine Damen und Herren, ist im Ziel dieses Entwurfs begründet, und ich sage, Bremen wird im Bundesrat diesen Entwurf unterstützen.
Herr Bürgermeister Koschnick, ich danke für die zutreffende Berichtigung. — Das Wort als Mitglied des Bundesrates hat Herr Minister Hirsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, daß der Abgeordnete Dregger noch im Saal ist, nachdem er mich zu meiner Wortmeldung provoziert hat in dem Versuch, Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesminister Maihofer, mir und dem Ministerkollege Posser aus Nordrhein-Westfalen zu konstruieren. Es ist schon ein beeindruckendes, um nicht zu sagen, ein bedrückendes Bild, ihn mit Friedrich von Schiller in eine Reihe gestellt zu sehen. Dies ist Anlaß, darüber nachzudenken, wie weit wir es mit unseren Freiheitskämpfern gebracht haben.
Eigentlich müßte Ihnen, Herr Abgeordneter Dregger, doch aufgefallen sein, daß Sie, wenn Sie von der Bedrohung dieses Staates reden, sich ausschließlich mit den Verfassungsfeinden von links, den organisierten Kommunisten auseinandersetzen zu müssen meinen.
Sie verschwenden kein Wort auf die Bedrohung, die es in diesem Staat auch von denen gibt, die aus dem Nationalsozialismus keine Konsequenzen gezogen haben.
— Ich werde die Rede nachlesen, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das auch mit meiner Rede täten.
Der Gesetzentwurf — Drucksache 7/4183 —, den die Koalitionsabgeordneten vorgelegt haben, zieht nach meiner Überzeugung in hervorragender Weise die Konsequenzen, die sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergeben. Er trägt der Notwendigkeit Rechnung, den liberalen Gehalt dieser Entscheidung herauszulösen und darzustellen.Wenn man sich demgegenüber den Oppositionsentwurf ansieht, muß man sagen, daß er mit schwachen Formulierungen versucht, ebenfalls einzelne Punkte darzustellen: die Einzelfallprüfung, die Entscheidung der obersten Dienstbehörde, das rechtliche Gehör, die Rechtsförmlichkeit des Verfahrens. In einem ganz entscheidenden Gedankengang sind Sie aber bei dem stehengeblieben, was Sie auch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gesagt haben, die Sie in diesem Punkt offenbar nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Ich meine den Versuch, aus der formalen Mitgliedschaft in einer Partei einen Regeltatbestand mit Beweislastfolgen herzuleiten. Man muß sagen, daß diese Regelung ganz eindeutig dem Gedankengang der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts widerstreitet. Dort ist
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Minister Dr. Hirschausdrücklich gesagt worden, daß es verfassungsrechtlich bedenklich ist, wenn in einem Gesetz allgemein zwingend vorgeschrieben würde, daß einzelne konkrete Verhaltensweisen die Gewähr der Verfassungstreue ausschlössen, und es wird die Mitgliedschaft als e i n Stück des Verhaltens, e i n Element der Beurteilung dargestellt. Dort ist von einer Regelfolge keine Rede.Ein solcher Regeltatbestand ist wirklich nicht vertretbar, weil nicht zu erkennen ist, warum der Verfassungsfeind, der Mitglied einer extremistischen Partei ist, anders behandelt werden sollte als der nichtorganisierte Verfassungsfeind. Ich wüßte nicht, welche rechtlich erheblichen Konsequenzen man in der Verwaltungspraxis daraus ziehen sollte, wenn ein Bewerber einen Tag vor seiner Bewerbung aus einer von Ihnen als verfassungsfeindlich betrachteten Partei austräte. Ein solcher Schritt müßte nach Ihrer Vorstellung doch eine rechtlich erhebliche Konsequenz haben. Genau dieses halte ich für wirklichkeitsfremd.Sie haben sich auf die Rede von Herrn Posser bezogen, um nachzuweisen, daß er von einer Regelfolge zwischen Mitgliedschaft und Zweifeln an der Verfassungstreue ausgeht. Genau das tut er nicht. In der 405. Sitzung des Bundesrates sagte er ausdrücklich:Es gibt keinen Automatismus zwischen Zugehörigkeit zu einer politischen Partei und dem Recht der Möglichkeit, in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland im Bund, in den Ländern oder in den Gemeinden eingestellt zu werden.Er führt dann weiter aus, welche Ziele die KPD verfolgt. Er zitiert einen Satz aus dem Programm:Die proletarische Diktatur zerschlägt die alte Beamtenschaft, löst die bürgerlichen Gerichte auf, verjagt das bürgerliche Parlament, unterbindet jede Form bürgerlicher Propaganda.Er sagt dann: Wenn er— nämlich der Bewerbersolche Äußerungen vertritt und sie sich zu eigen macht, muß er abgelehnt werden, gleichgültig, ob die Partei, die solches auch vertritt, sich ebenso wie er äußert.Wenn Sie also schon Mitglieder der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zitieren, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das vollständig täten und sich nicht Stellen heraussuchen, die Ihnen passen, um andere zu unterdrücken.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?
Wenn es sein muß.
Herr Minister Hirsch, ich darf Ihnen noch einmal diese Stelle vorlesen und Sie dann bitten zu überprüfen, ob das, was Sie hier zitiert haben, identisch ist mit dem, was Herr Posser ausgeführt hat:
Es ist doch ganz selbstverständlich, daß ich, — um ein konkretes Beispiel zu nennen — einem Mitglied der KPD vorhalten kann, daß in dem Parteiprogramm dieser Partei nicht nur ein Bekenntnis zur sogenannten Proletarischen Diktatur steht, sondern sich auch der Satz befindet: „Die proletarische Diktatur zerschlägt die alte Beamtenschaft, löst die bürgerlichen Gerichte auf, verjagt das bürgerliche Parlament, unterbindet jede Form bürgerlicher Propaganda."
Und dann heißt es wörtlich:
Es ist doch selbstverständlich, daß ein Bewerber, der dieser neuen KPD angehört, völlig unmöglich in den öffentlichen Dienst aufgenommen werden kann.
Herr Abgeordneter Vogel, dieses ist der Satz, den nun ausschließlich der Abgeordnete Dregger zitiert hat,
und ich möchte Ihnen nur zu dem vollständigen
Zitat verhelfen; denn es geht weiter — ich darf mit
Erlaubnis der Präsidentin noch einmal verlesen —:
Deshalb hat der Gesetzentwurf der Bundesregierung
— und es war der vorherige —
mit vollem Recht gesagt: Kein Bewerber kann sich darauf berufen, daß die politischen Ziele, für die er sich einsetzt, von einer Partei ... verfolgt werden ...
Er kann sich also nicht damit entschuldigen. Wenn er aber solche Äußerungen vertritt und sie sich zu eigen macht, muß er abgelehnt werden.
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Vogel?
Ich wäre eigentlich dankbar, wenn wir in der Exegese nicht fortfahren müßten. Aber bitte schön!
— Herr Reddemann, daß es bei Ihnen keinen Sinn hat, ist klar;
ich rede ja auch nicht für Sie.
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13566 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Minister Dr. HirschNun, meine Damen und Herren Abgeordneten: Professor Maihofer hat auf einen anderen Umstand hingewiesen, nämlich darauf, daß eine solche Regelvermutung in der Verwaltungspraxis zu einer feststehenden Automatik führe. Ich füge dem hinzu: Wie sollte man eigentlich in der Verwaltungspraxis außerdem feststellen, ob jemand Mitglied einer solchen Organisation ist? Wie sollten wir eigentlich die Mitgliederkarteien solcher Organisationen prüfen können?Es müßte Ihnen doch eigentlich zu denken geben, daß auf die Umfrage des Bundesinnenministers kein einziges Bundesland — kein einziges Bundesland! — erklärt hat, daß es ausschließlich wegen der Mitgliedschaft in einer Partei einen Bewerber abgelehnt habe. Es heißt hier in der Zusammenstellung:In Bund und Ländern ist bisher kein Bewerber ausschließlich wegen seiner Mitgliedschaft in einer Partei oder Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung abgelehnt worden.Drei Länder, nämlich Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz, weisen ausdrücklich darauf hin, daß die Mitgliedschaft nur als e i n — allerdings bedeutsamer Umstand anzusehen ist. Nichts anderes wird nun für diesen Gesetzenwurf versucht: das rechtlich zu fundieren, was von diesen Ländern — auch von diesen Ländern — offenbar in ständiger Praxis geübt wird.Lassen Sie mich auf einen anderen Teil zurückkommen, nämlich auf die Regelung über den Vorbereitungsdienst. Es ist völlig richtig, daß wir darüber in den Ländern ebenso wie Sie hier im einzelnen werden beraten müssen. Eins ist sicher: Das Bundesverfassungsgericht erzwingt eine Regelung für Ausbildungsmonopole. Es sagt in schlichter Deutlichkeit, daß der gegenwärtige Status verfassungswidrig ist, und es ist für mich unerträglich, einen solchen verfassungswidrigen Zustand nun auf Zeit dulden zu müssen.Ich begrüße, daß die Bundestagsdrucksache 7/4187 heute nun wenigstens in erster Lesung behandelt wird, und ich hoffe auf und bitte um eine zügige Behandlung im Interesse einer bundeseinheitlichen Regelung.In allen Bundesländern wird bisher bei der Einstellung in den Vorbereitungsdienst bei sogenannten Ausbildungsmonopolen die besondere Lage der Bewerber berücksichtigt, die gegebenenfalls überhaupt nicht Beamter werden wollen. Dieses geschieht mit verschiedenen Formeln. Man kommt zu einer Einstellung als Widerrufsbeamter, wenn ein Bewerber nicht aktiver Verfassungsfeind ist. Baden-Württemberg — um auch dieses Land noch einmal zu zitieren — stellt in den Vorbereitungsdienst bei Ausbildungsmonopolen dann ein, wenn die gewonnenen Erkenntnisse nicht auch die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ausschließen würden. Hier wird also genau die Formel verwendet, die in dem Gesetzentwurf Ihnen nun vorgelegt worden ist. Überall findet eine Abwägung statt zwischen dem öffentlichen Interesse einerseits und dem Interesse des Bewerbers andererseits, seine Berufsausbildung abschließen zu können.Aber diese bisherige Praxis der Toleranz bei Ausbildungsmonopolen wird durch die jetzige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts so lange nicht mehr möglich, solange wir den bestehenden verfassungswidrigen Zustand dulden, weil das Verfassungsgericht ausdrücklich erklärt, daß auch der Widerrufsbeamte in gleicher Weise zur aktiven und uneingeschränkten Verfassungstreue verpflichtet sei. Daraus folgt, daß wir den nichtbeamteten Vorbereitungsdienst einführen müssen. Ich darf sagen, daß das Land Nordrhein-Westfalen nicht bereit wäre, einen verfassungswidrigen Zustand zu tolerieren, wenn nicht die zügige Behandlung dieser Gesetzesvorlage gesichert ist.Es ist das Problem, ob § 14 des Beamtenrechtsrahmengesetzes die Länder tatsächlich daran hindert, eine landesrechtliche Regelung zu treffen, solange der Bund von seiner Rahmenkompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Meine Auffassung ist, daß der Bundesgesetzgeber bei dem Erlaß des Beamtenrechtsrahmengesetzes die Vorstellung eines nichtbeamteten Vorbereitungsdienstes überhaupt nicht bedacht hat, daß hier also eine echte Regelungslücke besteht, die von den Ländern jedenfalls so lange ausgefüllt werden könnte, wie der Bund von seiner Kompetenz des Rahmenrechtes keinen Gebrauch macht. Ich appelliere an Sie als den Bundesgesetzgeber, uns nicht in den Zwang zu einer individuellen Regelung zu führen, weil Sie sich über einzelne Regelungen nicht verständigen können.Ich bin der Auffassung, daß nur ein einheitlicher nichtbeamteter Vorbereitungsdienst das Ziel unserer Überlegungen sein sollte, denn es ist unvertretbar, durch die Spaltung des Vorbereitungsdienstes in einen beamteten und einen nichtbeamteten die einen zu diskriminieren und die anderen sozusagen zu anständigen Staatsbürgern zu stempeln, und dies in einem Stadium, in dem sie sich am Anfang ihres Berufslebens befinden, also gewissermaßen zu unterstellen, sie hätten lebenslänglich eine irreversible politische Überzeugung; dies wäre ein mechanistisches Menschenbild, von dem sich unsere Generation — das hat der Bürgermeister Koschnick angedeutet — wohl freimachen müßte, wenn sie vor sich selbst bestehen will.
Ich habe mich gewundert, welche gewaltigen Worte die Abgeordneten Klein und Thürk gefunden haben, die erklärten, daß mit diesen Regelungen Dämme eingerissen würden. Lassen Sie uns die Zahlen einmal nüchtern ansehen. Es sind unlängst Zahlen über sogenannte Überprüfungen veröffentlicht worden. Für Nordrhein-Westfalen hat der baden-württembergische Innenminister-Kollege 84 000 angegeben. Von 84 000 Überprüfungen kann natürlich überhaupt keine Rede sein — zumindest nicht in unserem Bundesland —, sondern es handelt sich um Anfragen, ob 84 000 Bewerber irgendwann einmal in der Vergangenheit beim Verfassungsschutzamt als Verfassungsfeinde in Erscheinung getreten seien, wie man so schön sagt.Wie sind die Zahlen wirklich? Ich nehme das Jahr 1975 — Januar bis Juli 1975 —: Es sind 28 705 Anfragen gestellt worden, und zwar nicht nur be-
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Minister Dr. Hirschzüglich der Einstellungen in den Vorbereitungsdienst, sondern hinsichtlich der Einstellung von Beamten in den öffentlichen Dienst überhaupt. Von diesen 28 705 Anfragen lagen bei 203 Bewerbern — das sind 0,7 % — Erkenntnisse irgendwelcher Art vor, und es sind 21 Ablehnungen — 0,07 % — erfolgt. Was für gewaltige Worte angesichts dieses Tatbestandes! Ich halte das für Verbalradikalismen,
hinter denen jedenfalls nicht die Sorge um die Überschwemmung des Staates mit Verfassungsfeinden, sondern der Versuch steht, die Koalitionsparteien zu diskriminieren und Zweifel an ihrer Verfassungstreue zu provozieren.
Herr Abgeordneter Dregger, es tut mir leid, das sagen zu müssen: Jeder Extremist in diesem Lande müßte sich freuen, daß es einen Abgeordneten wie Sie gibt.
— Ja, ja. — Sie verteidigen den Staat nicht, Herr Abgeordneter, sondern Sie würden ihn, ließe man Sie gewähren, in einen Zustand versetzen, der für viele demokratische Bürger dieses Landes bekämpfenswert wäre.
Law and order heißt bei Ihnen nicht Recht und Ordnung, sondern Gesetz und Befehl
und geht darauf aus, staatliche Macht zu Lasten individueller Freiheit zu erweitern.
Ich finde, es ist schockierend, daß man in diesem Lande, wenn man über Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst redet, zunächst immer erst ein Bekenntnis ablegen muß, nämlich das Bekenntnis, daß Verfassungsfeinde nichts im öffentlichen Dienst zu suchen haben und daß Revolutionäre mit Pensionsberechtigung lächerlich sind. Nehmen Sie dieses mein Bekenntnis — ich habe es immer wieder ausgesprochen —, nur, überlegen Sie sich doch einmal, warum Sie einen immer wieder zwingen, etwas Derartiges zu sagen, was pure Selbstverständlichkeit sein müßte.
In welcher Atmosphäre leben wir in diesem Lande, wenn man keine Sachargumentationen mehr anstellen darf, ohne vorher Bekenntnisse auszusprechen! Mit welchem Recht behaupten Sie eigentlich, der von Ihnen vorgeschlagene Weg der Bekämpfung von Verfassungsfeinden sei nicht nur der einzig richtige, sondern auch ,der so einzig mögliche, daß jeder andere, der andere Methoden, Vorstellungen oder Meinungen hat, von Ihnen der vorsätzlichen oder fahrlässigen Verfassungsfeindlichkeit beschuldigt werden könnte.
Das ist das eigentlich Bedrückende an dieser Atmosphäre, und das ist es, was Grosser in seiner Rede hat ausdrücken wollen — wenn auch mit unzulänglichen Mitteln, das räume ich ein.
Wie ist es eigentlich möglich, daß Ihre Kollegen im Innenausschuß die einzelnen Positionen der Resolution niedergestimmt haben, einzelne Positionen, die in Ihrem grünen Umdruck nun selbst erscheinen? Warum stimmen Sie eigentlich nieder, daß der Staat nicht jeden Bürger von vornherein als Verfassungsfeind —
diskriminieren oder betrachten sollte? Warum ,stimmen Sie den Satz in dieser Resolution nieder, daß der Bewerber rechtliches Gehör haben sollte?
Warum stimmen Sie nieder, daß er sich der Anwesenheit eines Rechtsbeistandes bedienen könne, wenn er selbst Zweifel an der Objektivität der Einstellungsbehörde haben sollte?
Warum soll eigentlich das, was an Erkenntnissen lange Zeit zurückliegt, nicht weniger gewertet werden, wie es in der Resolution vorgeschlagen wird? Warum stimmen Sie das alles nieder?
— Jetzt reden Sie von Schmutz. Herr Abgeordneter, Sie haben mich einmal als Typ bezeichnet. Das ist die Sprache der Anarchisten.
Wir werden uns nicht darin beirren lassen, das zu tun, was die Verfassung und das Verfassungsgericht von uns verlangen.
Diese Verfassung findet ihre Kraft in dem Bekenntnis zur Freiheit, in dem Kampf um die Freiheit in Festigkeit und nicht in Hysterie.
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Das Wort hat der Abgeordnete Coppik.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unter Berücksichtigung dessen, was Herr Minister Hirsch soeben gesagt hat, glaube ich, daß es überflüssig ist, wenn ich meinen Diskussionsbeitrag auch mit einem Bekenntnis beginne, mit der Selbstverständlichkeit nämlich, daß wir dagegen sind, daß wirkliche Verfassungsfeinde in den öffentlichen Dienst aufgenommen werden.
Die Art und Weise, wie die CDU/CSU bei der Diskussion dieser Frage und in der Verwaltungspraxis — dort, wo sie die Möglichkeit dazu hat — bereit ist, über Grundrechte der Beamtenbewerber — und da handelt es sich um Grundrechte — hinwegzugehen, die Art und Weise, wie die CDU/ CSU diese Diskussion um die Abwehr von Verfassungsfeinden als Vorwand dazu benutzt, um Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen von Bürgern in den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit zu bringen, ist erschreckend. Da ist es bezeichnend, daß hier ein Vertreter eines Landes gesprochen hat, in dem die CDU/CSU die Regierung stellt — —
— Ich höre, in dem liberalsten Land der Bundesrepublik. Und die Liberalität in diesem Lande zeichnet sich unter anderem dadurch aus,
daß dort selbst eine Putzfrau, die in einem Forstamt eingestellt wird, von den Staatsschutzbehörden überprüft wird.
Das ist die Liberalität, wie Sie sie vielleicht verstehen. Aber wir verstehen unter Liberalität allerdings etwas anderes.Die Art und Weise, wie Sie die Diskussion über diese Frage draußen führen, macht deutlich, daß Sie diese Diskussion nur zum Vorwand benutzen wollen, um uns Sozialdemokraten zu diffamieren; und Herr Dregger hat heute auch die Gewerkschaften einbezogen, Organisationen also, die seit mehr als 100 Jahren für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpfen. Das alles zeigt meines Erachtens ein erschütterndes Verfassungsmißverständnis.Dann kann es auch nicht verwundern, wenn Herr Dregger draußen herumläuft und etwa die Jungsozialisten zur Verfassungsfeinden erklärt, wenn Herr Carstens die Auffassung vertritt, die CDU sei die einzige Partei, die auf dem Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung stehe. Das ist allerdings ein totalitärer Angriff auf die pluralistische Demokratie und damit die eigentliche Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Dann stellt sich Herr Dregger hier hin und spricht zugleich von Kampf und Gemeinsamkeit. Er hat eigentlich sehr wenig zur Sache gesprochen.
Ich möchte auf seinen Exkurs über Prawda und KPdSU hier nicht eingehen, weil er sicherlich selbst nicht glaubt, daß wir unsere Gesetze auf diesem Bereich ausdehnen könnten.Ich möchte etwas zu dem Problem sagen, das uns hier heute beschäftigt. Da muß ich feststellen, daß die bisherige Diskussion gezeigt hat, daß die Vertreter der CDU/CSU überhaupt nicht erkannt haben, um welches Problem es geht, nämlich wie man die persönliche Verfassungsloyalität im öffentlichen Dienst gewährleistet, ohne eine Gesinnungsschnüffelei und eine Einstellungspraxis zu institutionalisieren, die ihrerseits zwangsläufig die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährden, wenn nicht gar zerstören müßten.Zur Lösung dieses Problems haben Sie in der bisherigen Diskussion keinen Beitrag geleistet. Die Art und Weise, wie hier gesprochen wurde, läßt die berechtigte Vermutung aufkommen, daß es Ihnen überhaupt nicht um eine sachgerechte Problemlösung geht. Ihnen geht es um Propaganda. Ihnen geht es darum, mit dieser Frage Ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen, indem Sie in bewährter Manier das Eintreten für mehr Rechtsstaatlichkeit als ein Eintreten für Verfassungsfeinde diffamieren
und auf diese Weise Vertreter der Sozialdemokratischen und der Freien Demokratischen Partei in die Nähe von Extremisten rücken. Das ist eine Methode, die beim Kampf der reaktionären Kräfte gegen die SPD in diesem Lande schon im alten Kaiserreich beliebt war und auf die man immer wieder zurückgreift, wenn die Argumente ausgehen.
Es wäre von Ihnen zu viel verlangt, eine Abwägung der Gesichtspunkte, die bei der Einstellungsfrage eine Rolle spielen, eine Abwägung der Rechtsgüter, die hier zu berücksichtigen sind, zu erwarten. Es ist zu berücksichtigen, daß hier in aller Regel junge Menschen betroffen sind, bei denen die Zerstörung ihres geplanten beruflichen Lebensweges zur Debatte steht, mit allen Folgen, die sich daraus ergeben. Es ist ferner zu berücksichtigen, daß die Angst davor zu einem Klima der Einschüchterung führen könnte, in dem jede demokratische Regung gedrosselt würde, daß Gesinnungsschnüffelei die politische Meinungsvielfalt in unserem Land gefährden könnte.
Das sind Fragen, die Sie offenbar nicht berühren. Für uns Sozialdemokraten wäre es jedenfalls unerträglich, wenn in unserem Staat ein Klima entstünde, in dem jeder Student meinen müßte, sich beizeiten
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Coppikwirklichen oder vermeintlichen obrigkeitlichen Wünschen anpassen zu müssen.
Es wäre unerträglich, wenn die Einstellungsregelung für den öffentlichen Dienst zur Einschüchterung politischer Minderheiten mißbraucht würde, wenn sie zu einem Klima von Denunziation, Verdächtigung und Duckmäuserei führen würde.
Ein demokratischer Staat kann unmündige ängstliche Untertanen nicht gebrauchen.
Deswegen kann es für uns Sozialdemokraten bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst ein Zuviel an Rechtsstaatlichkeit überhaupt nicht geben. Von diesem Grundsatz geht unser Gesetzesvorschlag aus.Im einzelnen möchte ich dazu ganz kurz nur noch einmal folgendes feststellen: Der Gesetzentwurf enthält keine materiell-rechtliche Regelung mehr über die Bedeutung der Mitgliedschaft in einer Partei. Das ist für Sie möglicherweise Anlaß zu Polemik. Wir stellen fest, daß nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Mitgliedschaft in einer für verfassungswidrig gehaltenen Partei für sich allein kein ausreichender Ablehnungsgrund ist. Im übrigen wird in dem Urteil auf mehreren Seiten die Bedeutung der Parteimitgliedschaft erörtert. Aus alledem folgt, daß eine Verwaltungspraxis, die allein die Parteimitgliedschaft als ausreichenden Ablehnungsgrund ansieht, rechts- und verfassungswidrig ist. Wenn Sie durch die Annahme des Bundesratsvorschlags diese Praxis legalisieren wollen, ist das verfassungsrechtlich unzulässig. Wir werden diesen Weg nicht mitgehen.
Nun haben Sie zwar versucht, das zu relativieren und zu sagen, daß es sich nach dem Gesetzentwurf des Bundesrates lediglich um ein Indiz handeln solle und keineswegs die bloße Mitgliedschaft genügen solle. Auch Herr Bender hat sich hier wohl in dieser Richtung geäußert. Dann muß es aber um so mehr überraschen, wenn es im Lande Baden-Württemberg vorkommen kann, daß die weisungsgebundene Landesanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen einen unabhängigen Richter stellt, weil er die bloße Mitgliedschaft nicht für ausreichend für eine Suspendierung aus dem Dienst hält.
Das macht dort die weisungsgebundene Landesanwaltschaft. Das ist wohl auch die Unabhängigkeit der Gerichte, wie sie in Baden-Württemberg verstanden wird.
Dann kommt Herr Benda hierher, spricht von Schiller und nimmt Schiller für sich in Anspruch. Dakann man sich eigentlich nur wundern. Hoffentlichnehmen Sie dann auch die „Räuber" für sich mit in Anspruch.
Meine Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf enthält ausschließlich eine Reihe von Regelungen, die das Verfahren bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst rechtsstaatlicher gestalten und einer wirksameren Kontrolle unterziehen, um politisch motivierte, willkürliche Ablehnungen zu verhindern. Der Bewerber muß zu den Vorwürfen gehört werden, die gegen ihn erhoben werden. Eine Ablehnung kann nur von der obersten Dienstbehörde ausgesprochen werden, d. h., der parlamentarisch verantwortliche Minister muß die unmittelbare Verantwortung für die Ablehnung übernehmen. Die Tatsachen, auf die die Ablehnung gestützt wird, müssen in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar sein und sind auf Verlangen schriftlich mitzuteilen. Die Zulassung zu einer Berufsausbildung ist zu gewährleisten. Das ist der Inhalt des Gesetzentwurfes.Es ist mir deshalb völlig unverständlich, daß es außerhalb dieses Hauses Leute gibt, die heute in der öffentlichen Diskussion behaupten, durch unseren Gesetzesvorschlag würden die Erscheinungen in der Verwaltungspraxis legalisiert, die die Gesinnungsschnüffelei fördern und den demokratischen Staat gefährden. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Was es heute an Bedenklichem und Besorgniserregendem in der Verwaltungspraxis gibt, beruht auf einer dem freiheitlichen Geist unserer Verfassung zuwiderlaufenden Handhabung der bereits seit Jahrzehnten bestehenden und an sich unumstrittenen beamtenrechtlichen Vorschriften. Durch das vorliegende Gesetz soll diese Handhabung, soweit der Bundesgesetzgeber darauf Einfluß nehmen kann, rechtsstaatlicher gestaltet werden. An einer Ablehnung dieses Gesetzes kann deshalb nur derjenige ein Interesse haben, der sich mit den bisherigen Mißständen identifiziert und mehr Rechtsstaatlichkeit in diesen Bereichen nicht will.
Ich will diese Motivation keineswegs allen unterstellen, die in der Offentlichkeit gegen diesen Gesetzentwurf Stellung beziehen. Es gibt darunter viele, die ich auch politisch durchaus achte und schätze; ihre Stellungnahmen können dann aber nur auf Unkenntnis des Gesetzentwurfes beruhen.
Allerdings wäre es verfehlt, den Eindruck zu erwecken, als ob durch das vorliegende Gesetz alle Probleme der Verwaltungspraxis gelöst würden. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Viele Probleme können durch den Gesetzgeber nicht abschließend gelöst werden. Hier können wir nur an die Verantwortlichen in der Verwaltungspraxis appellieren, die geltenden beamtenrechtlichen Vorschriften in dem liberalen Geist anzuwenden, der unserer Verfassung innewohnt.Mit der Entschließung des Bundestages, die heute ebenfalls zur Verabschiedung ansteht und die von
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Coppikuns eingebracht wurde, wollen wir ein Zeichen in dieser Richtung setzen. Der freiheitlich-demokratische Staat, der nicht zu einem Überwachungsstaat deformiert werden will, muß grundsätzlich von der Verfassungsloyalität seiner Bürger ausgehen. Daher heißt es auch in unserer Entschließung, die zu den Materialien des vorliegenden Gesetzentwurfs gerechnet werden muß:Zugunsten der Bewerber für den öffentlichen Dienst spricht daher grundsätzlich die Vermutung, daß sie in ihrer Person die Gewähr der Verfassungstreue bieten.Eine systematische Sammlung von Unterlagen über künftige potentielle Bewerber im Hinblick auf eine mögliche Bewerbung ist damit unvereinbar.
Eine solche Gesinnungsschnüffelei lehnen wir auf das entschiedenste ab. Insbesondere halten wir es für unvertretbar, wenn Prüfungs- und Examensunterlagen den Staatsschutzbehörden zugeleitet werden, um Erkenntnisse aus der Studienzeit zur Entscheidungsgrundlage über die Verfassungstreue des Bewerbers zu machen. Eine solche Praxis gibt es leider z. B. eben in Baden-Württemberg, wogegen dort zahlreiche Hochschullehrer und akademische Senate, etwa in Tübingen und Reutlingen, protestiert haben.
Mit Recht hat das Bundesverfassungsgericht dargelegt, daß Ermittlungen dieser Art die politische Atmosphäre vergiften. Sie irritieren nicht nur die Betroffenen in ihrem Vertrauen in die Demokratie, sie diskreditieren den freiheitlichen Staat, stehen außer Verhältnis zum Ertrag und bilden insofern eine Gefahr, als ihre Speicherung allzu leicht mißbraucht werden kann. Wo die Einstellungsregelung Ansätze in dieser Richtung erkennen läßt, müssen wir dem mit aller Entschiedenheit entgegentreten.
Solche Ansätze gibt es leider. Es gibt leider Fälle, die ein erschreckendes Verfassungsverständnis der Einstellungsbehörden offenbaren. Wenn einer Lehrerin in Rheinland-Pfalz vorgeworfen wird, daß ihr Vater in kommunistischen Organisationen Mitglied sei, wenn das Leben in einer als verdächtig geltenden Wohngemeinschaft oder eine Ehe mit einem Kommunisten oder das Verkehren in einer verdächtigen Kneipe oder die Teilnahme an einer Vietnamdemonstration zu relevanten Vorwürfen erhoben werden, dann wird es höchste Zeit, darüber nachzudenken, ob solches Vorgehen die freiheitlichdemokratische Grundordnung schützt oder zerstört.
Das wäre eigentlich ein Punkt, meine Damen und Herren von der Opposition, um an die Solidarität aller Demokraten zu appelieren, hier Einhalt zu gebieten und auf allen Ebenen dafür Sorge zu tragen, daß die Einstellungsverfahren für den öffentlichen Dienst unter strikter Beachtung der durch die Verfassung geschützten Grundrechte erfolgen.
Was wir als Bundesgesetzgeber dazu beitragen können, wollen wir mit dem vorliegenden Gesetz tun. Darüber hinaus appellieren wir an alle Verantwortlichen, im gleichen Geiste der Liberalität und unter Wahrung konsequenter Rechtsstaatlichkeit ihre Entscheidungen zu treffen und damit die Praxis
in diesem Sinne zu gestalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Gerlach .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bürger draußen im Lande müssen, so meine ich, einen merkwürdigen Eindruck von der Situation bekommen, die das Haus heute bei dieser Debatte bietet.
Sie hören zwar, daß die Gegner der freiheitlichdemokratischen Grundordnung vom öffentlichen Dienst ferngehalten werden sollen, und sie hören, daß sich Regierung und Opposition jedenfalls im Grundsatz einig sind, daß die freiheitlich-demokratische Grundordnung gemeinsam verteidigt werden soll. Zu Recht gehen sie davon aus, daß dies in Übereinstimmung mit den Normen der wehrhaften Demokratie, die uns von den Vätern der Verfassung überliefert wurde und anvertraut ist, die gemeinsame Sache aller Demokraten sein müsse.Um so mehr, meine Damen und Herren, muß es erstaunen — und diese Verwunderung muß auch in diesem Hause zum Ausdruck gebracht werden —, daß ausgerechnet die Prinzipien zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung von der Regierungskoalition hier zu einem Schauturnen mißbraucht werden. Wir, die Opposition, werden in dieser ausweglosen Lage der Regierungskoalition, da ihr die Argumente fehlen, der Gesinnungsschnüffelei und der Hysterie bezichtigt. Ehrenwerte Mitglieder der Opposition werden hier von Mitgliedern des Bundesrates mit kraftmeierischen Ausdrükken herabgesetzt. Dem muß einmal eindeutig widersprochen werden!
Sie verharmlosen die Problematik so, wie Sie früher schon manches verharmlost haben. Damals, als die „Gewalt gegen Sachen" begann, haben Sie das verharmlost
und haben nicht erkannt, daß das mit der Gewalt gegen das Leben enden wird. So, wie Sie in anderen Bereichen, im wirtschafts- und finanzpolitischen Bereich, zunächst alles verharmlost und uns der Hysterie beschuldigt haben, so geht das auch in diesem Falle wieder.
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Gerlach
Man muß dann also doch die Frage stellen: Warum muß diese Problematik so kontrovers behandelt werden, wo es doch — worauf der Kollege Dr. Dregger zu Recht hingewiesen hat — um eine der Grundlagen für die politische Existenz dieser Demokratie überhaupt geht?Der Bürger erwartet auf diese Frage eine klare Antwort, und dies um so mehr, als die Rechtslage eindeutig ist und unter den Demokraten bis zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt auch unstreitig gewesen ist. Mit dem Beschluß des Bundeskanzlers und der Regierungschefs der Länder vom 28. Januar 1972 ist doch keine neue Rechtslage geschaffen worden — ich glaube, darin sind wir uns einig —; es wurde nur vereinbart, die vorhandenen Gesetze auch anzuwenden, und zwar so, wie es nach Text und Sinn der Vorschriften in der gegebenen Situation geboten war und geboten ist.Zur gemeinsamen Anwendung dieser gemeinsamen Erklärung bestand in der Tat Anlaß. Das wird durch die bekannten Fälle bewiesen, in denen kommunistische Lehramtsbewerber in ,dem einen, nämlich dein CDU-regierten Land abgewiesen wurden, während sie in dem anderen, dem SPD-regierten Land eingestellt worden sind.Der Beschluß des Bundeskanzlers — und das will ich ausdrücklich noch einmal betonen: des damaligen Bundeskanzlers — und der Ministerpräsidenten war also nach der politischen Lage notwendig. Es war notwendig, eine Bestätigung des politischen Willens zu finden, die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten zur Sicherung des Staates gegen die Unterwanderung durch Radikale auch nutzen zu wollen und sich nicht nur verbal in dieser Richtung zu äußern.Der von der Opposition vertretene, von Baden-Württemberg und dem Freistaat Bayern vorgelegte Gesetzentwurf des Bundesrates enthält genau das, was Sie gemeinsam mit uns in dem angeführten Beschluß bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vertreten haben. Deshalb, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, sind Sie aufgefordert, in diesem Hause einmal eine Erklärung für Ihren Sinneswandel abzugeben, hinter dem wir doch wohl ein Stück Gesinnungswandel vermuten müssen. Warum haben die SPD und die FDP diese Gemeinsamkeit der Demokraten bei der nach den Grundsätzen der wehrhaften Demokratie gebotenen Abwehr der Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gebrochen? Warum ist die Linke in diesem Hause — und ich meine Linke auf beiden Seiten —
nicht mehr bereit oder nicht mehr fähig, als Gesetzgeber das zu beschließen, was noch vor kurzem gemeinsam für politisch anwendbar gehalten worden ist?
Die Beschlüsse des SPD-Parteitags von Hannover und die entsprechenden Beschlüsse des FDP-Parteitags, in denen die Aushöhlung der zuvor beschworenen Prinzipien gefordert wurde, geben eindeutige Hinweise.
Freilich wirft ihre offenbar totale Befolgung durch die Mitglieder der Regierungskoalitionen ein merkwürdiges Licht auf das Demokratieverständnis von SPD und FDP, das doch ganz offensichtlich an das imperative Mandat erinnert.
— Wenn das nicht so ist, stellen Sie sich hier an dieses Pult und erklären mir und dem Hohen Hause einmal, warum Sie ursprünglich den gemeinsamen Beschluß getragen haben und nach diesen Parteitagen von diesem gemeinsamen Beschluß abgewichen sind. Das kann doch nur die Weisung Ihrer Parteitage gewesen sein!
Sollte der in dem Beschluß des damaligen Bundeskanzlers und der elf Ministerpräsidenten angezeigte gemeinsame Wille bei den Beteiligten gar nicht ernsthaft vorhanden gewesen sein? Ich möchte das behaupten, Herr Professor Schäfer, und insoweit haben Sie recht mit Ihrem Zwischenruf „Keine Ahnung!". Sie wollten von vornherein ganz offensichtlich nicht.Der Parteivorsitzende der SPD, Willy Brandt, wollte nämlich bereits im März 1973 in der Beethovenhalle hier in Bonn vor Mitarbeitern der Sozialdemokratischen Wählerinitiative diese seine Übereinkunft mit den elf Regierungschefs weniger unter dem prinzipiellen Gesichtspunkt der wehrhaften Demokratie als unter dem taktischer Erwägungen gewertet wissen. Er hat dort nämlich erklärt, er habe mit diesem Beschluß einfach verhindern wollen, daß hier der Opposition zusätzliche Angriffspunkte in der politischen Auseinandersetzung geboten würden. Das war seine Erklärung.
Kann sich ein Bundeskanzler denn deutlicher disqualifizieren als dadurch, daß ihm der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung zumindest in dieser Frage nur ein Lippenbekenntnis für den Wahlkampf wert ist? Diese Frage muß ich stellen. Die Art und Weise, wie die Linke dieses Hauses sich heute aus der Verantwortung mogeln und Deklamationen an die Stelle wirksamer Taten setzen will, beweist doch, daß Sie dieses Doppelspiel weiter betreiben wollen, daß Sie sich ein demokratisches Alibi verschaffen wollen, ohne die Radikalen ernsthaft und wirksam am Zugang zum öffentlichen Dienst hindern zu wollen.Die Gründe für dieses eigenartige Verhalten bedürfen der Klärung. Daß die Grenzen der SPD nach links in neuerer Zeit trotz vieler papierner Abgrenzungserklärungen und nur weniger Ausführungsmaßnahmen fließend sind, weiß ein jeder. Wir brauchen nicht auf die Stamokap-Fraktion der Jungsozialisten etwa in Berlin und auch auf die SPD in Münster zu schauen; vor unseren Augen, in Bonn,
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Gerlach
spielt sich die organisierte Zusammenarbeit — ich darf betonen: die organisierte Zusammenarbeit — von Sozialdemokraten und Kommunisten ab, z. B. vor wenigen Tagen, am 12. Oktober dieses Jahres, bei der Demonstration auf dem Bonner Münsterplatz gegen die Hinrichtungen in Spanien. Als diese Demonstration unterstützende Organisationen traten die DKP und die SPD der Bundeshauptstadt neben dazugehörigen Jugendorganisationen gemeinsam auf, meine Damen und Herren.
— Wenn Sie meinen, das stimmt nicht, kommen Sie bitte zu mir; dann zeige ich Ihnen das gemeinsame Flugblatt, auf dem sich die Unterschriften der Vertreter beider von mir genannten Organisationen befinden.
Ich bin überzeugt: Gegen Herrn Maerker, der in Bonn Vorsitzender des Unterbezirks ist, also eines Unterbezirks mit sehr prominenten SPD-Mitgliedern, wird sicher kein Parteiordnungsverfahren eingeleitet werden, wie Ihre Abgrenzungsbeschlüsse es eigentlich zwingend erfordern. Sie können das Gegenteil durch Ihre Aktivitäten beweisen.Oder nehmen wir Ihre Inkonsequenz in der Behandlung des SHB. Sie haben dem SHB auf Bundesebene jede ideelle und finanzielle Förderung entzogen. Sie dulden aber gleichzeitig, daß z. B. der Unterbezirk Münster und der Unterbezirk Bonn diese ideelle und finanzielle Förderung offen und verstärkt fortsetzen. Sie haben — ich gebe zu: sogar mit Erfolg — die Gerichte bemüht, um dem SHB die Führung des sozialdemokratischen Namens wegen der Übernahme kommunistischer Grundsatzpositionen zu untersagen. Aber Sie sehen auf der anderen Seite tatenlos zu, wenn die Mitglieder dieses nach Ihrer eigenen Einschätzung kommunistischen SHB Ihre Partei unterwandern, indem sie Mitglieder und sogar Funktions- und Mandatsträger der SPD werden können. Wenn auch das auf Ihrer Seite bestritten wird, werde ich ebenfalls gern den notwendigen Beweis antreten.Ich will nicht bestreiten, sondern anerkennen, daß die SPD die Mitarbeit ihrer Mitglieder in der Initiative „Weg mit den Berufsverboten" aktiv bekämpft. Man höre aber — und der Kenner ist nicht erstaunt : Hier springt der unentbehrliche Koalitionspartner FDP in die Bresche. Neben bekannten Kommunisten liest man dann die Namen von Professor Theo Schiller sowie der FDP-Parlamentarier Enderlein aus Tübingen und Weber aus Hamburg, die beide stellvertretende Landesvorsitzende der FDP sind. Man muß sich fragen, ob FDP und SPD, selbst wenn sie wollten, unter dem Einfluß ihrer linken Flügelgruppen überhaupt noch die Kraft hätten, sich zu einer klaren Entscheidung im Sinne der Beschlüsse vom Januar 1972 durchzuringen.Es besteht hinsichtlich Ihres Schauturnens, das Sie heute hier gezeigt haben, hinsichtlich dieser Undurchsichtigkeit, so meine ich, auch ein anderer Zusammenhang. Es kann vermutet werden, daß sich für diese Bundesregierung in dieser Frage neben der innenpolitischen, ideologisch bedingten Abhängigkeit zusätzlich noch eine außenpolitische Abhängigkeit ergibt. Ich muß darauf hinweisen, daß die als Ergebnis der Beratungen der kommunistischen Parteien in Karlsbad im April 1967 erhobene Forderung auf Aufhebung des KPD-Verbots in der Bundesrepublik Deutschland die einzige aus dem Forderungskatalog ist, die nicht offiziell in die Ostverträge Eingang gefunden hat. Nun beschreitet man einen anderen Weg. Es kann doch nicht übersehen werden, daß die sogenannte Legalisierung bzw. Neugründung einer kommunistischen Partei unter der neuen Firma DKP vor dem Hintergrund dieses Karlsbader Forderungskatalogs in einen Zusammenhang mit der Ostpolitik dieser Bundesregierung gebracht werden muß.
Über die Einzelheiten der Arbeitsgespräche zwischen Brandt und Breschnew in Oreanda wissen wir im Grunde nichts außer der bedeutsamen Einzelheit — die uns sicher nicht ohne Grund zur Kenntnis gebracht worden ist —, daß der Vorsitzende der SPD dem Ersten Sekretär der KPdSU versichert hat, die DKP in dieser Bundesrepublik sei eine legale Partei. Oder wollen Sie etwa behaupten, daß bei dem trefflichen Informationsstand, den Breschnew ja damals haben mußte und sicherlich auch noch heute über unsere inneren Vorgänge hat, lediglich fragen wollte, ob es hier in der Bundesrepublik eine legale oder illegale, eine verbotene oder nicht verbotene KP gebe. Das doch sicher nicht! Breschnew hat mit dieser Frage, wenn er sie überhaupt so gestellt hat, ohne Zweifel Brandt unter Druck gesetzt, so daß Brandt dieses Versprechen abgeben mußte. Dieses Versprechen des damaligen Bundeskanzlers steht aber in einem unbestreitbaren Widerspruch zu den Feststellungen seines damaligen Innenministers übrigens vor diesem Hohen Hause , daß die DKP verfassungsfeindliche Ziele verfolge.Die Frage, wie eine Partei für legal erklärt werden kann, die nach wiederholten amtlichen Feststellungen verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, ist von Ihnen bis heute nicht geklärt worden.
Darin, meine Damen und Herren, besteht eben Ihr Dilemma. Es ist einfach unverständlich, wenn Sie aus diesem Dilemma, das wir kritisieren, uns den Vorwurf machen wollten, wir würden in Hysterie arbeiten.
Sie sollten einmal klarlegen, wie Sie dieses Dilemma bei sich selbst zu klären haben.
Nicht innenpolitische Klugheit und Umsicht, sondern außenpolitische Rücksichtnahme bestimmen das Verhalten dieser Bundesregierung gegenüber der DKP. Nur um die DKP und ihre Untergliederungen geht es letztlich das wollen wir doch einmal klar sehen —, wenn Sie sich jetzt dafür stark machen, die Mitgliedschaft in einer verfassungs-
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Gerlach
feindlichen Partei solle nicht mehr genügen, um Zweifel an der Verfassungstreue zu begründen.
Sie verschanzen sich hinter der bloßen Tatsache, daß die DKP nicht verboten ist und leiten daraus die Folge ab, daß eine Betätigung innerhalb der oder für die DKP einem Bewerber für den öffentlichen Dienst nicht zum Nachteil gereichen dürfe.
Dann haben Sie, Herr Kollege Arndt, die Debatte heute nicht verfolgt.Sie übersehen einfach dabei, daß das Grundgesetz in seinem Artikel 33, gerade nach den Erfahrungen des Niedergangs der Weimarer Republik, zur Sicherung der Funktionsfähigkeit unserer staatlichen Organe eine aktive Treuepflicht gegenüber den Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung für den öffentlichen Dienst zwingend gebietet. Die geforderte Treuepflicht verlangt die Bereitschaft zur aktiven Verteidigung dieser unserer Verfassungsordnung gegen jede Gefährdung.Das durch die Mitgliedschaft in der DKP bezeugte Bekenntnis zur revolutionären Umwälzung mit dem Ziel der Einrichtung einer Diktatur des Proletariats setzt aber -- das ist klar — begriffsnotwendig den Willen zur Beseitigung der bestehenden Verfassungsordnung voraus. Das gilt auch dann, wenn —wie in dem revidierten aktuell gültigen Programm der DKP der Begriff der Diktatur des Proletariats klugerweise umschrieben wird mit der Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Dabei muß man bedenken, daß die DKP in ihrer inneren Struktur nicht ohne weiteres mit den demokratischen Parteien verglichen werden kann, vor allem deshalb, weil sie ihre Politik auf angeblich wissenschaftliche Erkenntnisse gründet und daraus einen besonderen Führungsanspruch innerhalb der Gesellschaft ableitet, der von ihren Mitgliedern eine besondere enge Bindung an diese ihre Partei verlangt.Die Kommunisten verlangen und erzwingen bedingungslose Disziplin, jederzeitiges Bekenntnis zur Weltanschauung des Marxismus /Leninismus, aktive Mitarbeit innerhalb der Partei und — worauf es gerade in dieser Frage entscheidend ankommt — aktive Verfechtung und Durchsetzung der Grundsätze kommunistischer Politik in allen Lebenslagen, also auch in ihrer beruflichen Tätigkeit.
Da soll einer sagen, das seien Mitläufer! Das sind Aktivisten, die von ihrer Partei darauf eingeschworen werden, in jeder Situation die Ziele ihrer Partei durchzusetzen.Noch ein zweiter Punkt ist wesentlich, in dem sich die DKP von den demokratischen Parteien der Bundesrepublik Deutschland unterscheidet. Sie ist in ihrem Selbstverständnis nicht lediglich eine nationale Partei, sondern nach den Grundsätzen des proletarischen Internationalismus gleichzeitig Teil der internationalen kommunistischen Bewegung. Daher leitet sie ihre Autorität eben nicht aus den gegenwärtigen gering erscheinenden Wähleranteilen ab oder ihren Mitgliederzahlen oder anderen strukturellen, statistischen Beobachtungen, wie sie zum Teil heute vorgetragen worden sind, sondern sie leitet ihre Stärke ab aus der Stärke des sozialistischen Lagers, das unter der Führung, ja, man kann klar sagen, unter der direkten Leitung der stärksten Macht in Europa, der Sowjetunion, steht. Damit muß die DKP von uns auch als ein innenpolitischer Einflußfaktor der Sowjetunion im Rahmen ihrer langfristigen Strategie der sogenannten Koexistenz gegenüber Westeuropa angesehen werden. Koexistenz bedeutet bekanntlich Verschärfung des Klassenkampfes innerhalb der sogenannten kapitalistischen Welt und verstärkte ideologische Auseinandersetzung. Die Väter unserer Verfassung wollten nicht — meine Damen und Herren, auch wir können dies nicht wollen —, daß die Erfüllungshilfen der Interessen einer fremden Macht, zu der wir durchaus wohlgeordnete außenpolitische Beziehungen anstreben, auch noch Eingang in unsere staatliche Exekutivgewalt finden. Sie, meine Damen und Herren von der SPD und FDP, müssen der deutschen Öffentlichkeit nun erläutern, wieso Sie die Mitgliedschaft in einer solchen Partei, wie ich sie hier klar umschrieben habe, als für die Übernahme in den öffentlichen Dienst unbeachtlich erklären wollen, wenn Sie es mit den Prinzipien der wehrhaften Demokratie ernst meinen.Meine Damen und Herren, dieses Haus ist aufgerufen, eine Grundsatzentscheidung darüber zu fällen, ob der Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgebaut werden soll, indem den Feinden dieser Ordnung der legalistisch getarnte Marsch in und durch die Institutionen zum Zwecke der Umwälzung unserer freiheitlichen Ordnung in eine sozialistische erleichtert wird, oder ob wir gemeinsam die Kraft aufbringen, diese Absicht zu vereiteln. So jedenfalls verstehe ich den Auftrag der Verfassung und unsere Verantwortung als Parlamentarier.An Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, liegt es nun, die Vermutung über die parteiideologisch und ostpolitisch bedingte Unfähigkeit, die ich dargestellt habe, durch eine klare und überzeugende Entscheidung für den Schutz der freiheitlichen Grundordnung, also durch die Tat und nicht nur durch verbale Bekenntnisse zu widerlegen, nicht aber mit Spitzfindigkeiten zerreden zu wollen. Kehren Sie zu den Gemeinsamkeiten der Demokraten in einer Frage zurück, die sich schneller und dramatischer, als wir alle ahnen mögen, als eine Lebensfrage dieser Demokratie erweisen könnte.CDU/CSU Zuruf r
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Schoeler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Gerlach, es
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13574 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
von Schoelerfällt mir schwer, auf Ihre Rede zu antworten. Zunächst haben Sie sich hier wie ein Unschuldslamm hingestellt und in den schönsten Tönen gesagt: Gesinnungsschnüffelei, Verdächtigung, Diffamierung — wo gibt es denn so etwas in unserer Republik?! Dann haben Sie aber selbst kräftig in die Trickkiste aus dem CSU-Schulungsbrief gegriffen und genau all das, wogegen Sie sich vorher gewendet haben, hier über uns ergehen lassen. Dies stand auf einem solchen Niveau, daß ich es mir verkneifen möchte, hierauf zu antworten. Das Bestürzende an einer solchen Rede, die ich persönlich eigentlich nicht ernst nehmen könnte, ist, daß das hier eben Gesagte in den Veranstaltungen im Lande — landauf, landab — von Ihnen in diesem Ton und in einem noch viel härteren Ton unter das Volk gebracht wird und daß Sie versuchen, aus der Angst der Leute auch noch parteipolitisches Kapital zu schlagen. Das ist das Bestürzende.
Eine Verständigung über die Fragen, über die wir uns heute in dieser Debatte unterhalten, hätte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eigentlich leichter sein müssen,
als Ihre Reaktion dies heute erscheinen läßt, denn dieses Urteil, das ja auch für Sie verbindlich ist, obwohl ich das aus der Debatte nicht unbedingt immer entnehmen kann, hat doch in einigen wichtigen, hier in diesem Hause in der ersten Lesung noch heftig diskutierten Fragen Klarheit geschaffen. So steht doch heute, unzweifelhaft für uns alle und mit der Autorität des höchsten deutschen Gerichts festgestellt, fest: Ein rechtsstaatliches Verfahren bei der Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers in den öffentlichen Dienst ist nicht nur eine politische Forderung von Freien Demokraten und Sozialdemokraten, sondern ein verfassungsrechtliches Gebot. Jede andere Regelung wäre mit unserer Verfassung nicht vereinbar. Es kann danach keine Diskussion mehr darüber geben, ,daß bei der Abwehr von Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst nur mit rechtsstaatlichen Mitteln verfahren werden darf.Herr Professor Carstens hat in der ersten Lesung von dieser Stelle aus von dem juristischen Beiwerk gesprochen, und er hat gesagt, wir wollten uns mit juristischem Beiwerk um die eigentliche Frage herumdrücken.
Herr Professor Carstens hat damit — er ist jetzt leider nicht da — ein böses Wort ausgesprochen, das er hier heute an dieser Stelle zurücknehmen sollte; denn ohne das juristische Beiwerk, wie er es nennt, kann ein Rechtsstaat nicht existieren,
und wer das juristische Beiwerk nicht will, will den Rechtsstaat nicht.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben hier abfällig von juristischem Klimbim, von Klimmzügen und von ähnlichem gesprochen. Daran können Sie auch mit Ihren Zwischenrufen nichts ändern. Ich kann Ihnen weitere Zitate aus der Debatte vortragen. Ich kann Ihnen nur sagen: Solche Äußerungen und Zwischenrufe werden dem Ernst, mit dem dieses Thema hier von allen Demokraten zu diskutieren wäre, nicht gerecht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Augenblick nicht. Ich möchte zunächst einmal diese Gedanken zu Ende führen.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht ebenfalls fest: Unvereinbar mit der Verfassung ist nicht nur unter anderem die von der DKP vertretene Auffassung, nach der die Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei bei der Entscheidung über die Einstellung überhaupt nicht berücksichtigt werden darf, sondern auch die von der CDU/CSU, allen voran von Herrn Dr. Dregger vertretene Meinung, allein die Mitgliedschaft rechtfertige eine ablehnende Entscheidung. Gerade weil das Verfassungsgericht diesen Ablehnungsautomatismus so deutlich abgelehnt hat, habe ich heute in dieser Debatte von Ihren Vertretern eine Erklärung vermißt, mit der Sie sich von diesen früheren Äußerungen distanzieren.
— Sie beziehen sich mit Ihrem Zwischenruf, Herr Dr. Miltner, wohl auf das, was Herr Dr. Dregger gesagt hat. Ich will Ihnen darauf gerne eine Antwort geben. Ich nehme an, daß der CDU/CSU-Pressedienst die Rede von Herrn Dr. Dregger richtig wiedergibt. Ich habe sehr wohl gelesen und vorhin gehört, daß Herr Dr. Dregger hier ein verbales Bekenntnis zur Einzelfallprüfung gegeben hat; Sie können das nachlesen, es steht auf der Seite 4 des Manuskripts. Nur: Herr Professor Carstens hat uns doch in der letzten Debatte in diesem Hause vorgeführt, was Sie unter Einzelfallprüfung verstehen. Er hat gesagt: Selbstverständlich muß in jedem einzelnen Fall geprüft werden, ob jemand Mitglied der DKP ist! — Meine Damen und Herren, dies verste-
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von Schoelerhen wir nicht unter Einzelfallprüfung, sondern es muß eben auch einbezogen werden: Wie sieht es aus mit der Qualifikation des Mannes? Wie sieht es aus mit seiner Eignung? Wie sieht es aus mit seinem bisherigen dienstlichen Verhalten, z. B. im Vorbereitungsdienst? Und: Aus welcher Zeit stammen die Zweifel, die gegen ihn vorgebracht werden? Damit ist es eben nicht vereinbar, wenn Herr Dr. Dregger — ich zitiere ihn nach seinem Manuskript, über Ihren Pressedienst verbreitet, auf Seite 9 — hier gesagt hat: „Diese Bewertung, die an die Parteimitgliedschaft anknüpft, erlaubt es im übrigen, auf Gesinnungsprüfungen, die in der Tat widerwärtig sind, ganz und gar zu verzichten." Das heißt doch: Er will — und Sie wollen; ich nehme an, daß Sie Ihrem Sprecher nicht widersprechen — damit einen Automatismus: Mitgliedschaft in der DKP führt zur Ablehnung. Anders hat diese Passage überhaupt keinen Sinn. Wenn Sie dies so wollen, dann sagen Sie es doch bitte auch, und geben Sie nicht verbale Bekenntnisse zur Einzelfallprüfung ab.
Dann sagen Sie hier doch deutlich,
daß Sie die Mitgliedschaft automatisch zur Ablehnung führen lassen wollen. Wenn Sie das wollen, dann muß ich Ihnen allerdings auch sagen, daß dies in einem klaren Widerspruch zur Verfassung steht, so wie es das Verfassungsgericht festgestellt hat.
— Wenn Sie der Meinung sind, daß ich Sie falsch interpretiere, dann darf ich Sie bitten, zum Mikrofon zu gehen und dies durch eine Zwischenfrage zu korrigieren.
— Herr Kollege Pfeffermann, vorhin wollte ich einen Gedankengang zu Ende führen. Jetzt haben Sie mir in Zwischenrufen vorgeworfen, daß ich offensichtlich Ihre Position falsch verstanden habe. Ich möchte Ihnen gerne die Gelegenheit geben, dies richtigzustellen. Wenn Sie darauf verzichten, kann ich auch weiterreden.Meine Damen und Herren, das Verfassungsgericht hat nicht nur in den Punkten, die ich eben angesprochen habe — rechtsstaatliche Ausgestaltung des Verfahrens und Forderung nach einer Einzelfallprüfung — die Position der FDP eindeutig bestätigt, sondern es hat auch in den anderen Punkten eindeutig eine rechtsstaatliche Lösung, wie wir Freien Demokraten sie als erste Partei auf unserem Wiesbadener Bundesparteitag im November 1973 gefordert haben, unterstrichen. Manchem mag es heute schon selbstverständlich erscheinen, wenn hier von allen in dieser Diskussion unterstrichen wird, daß einem Bewerber vor der Entscheidung über die Ablehnung seines Einstellungsgesuchs die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden muß oder daß der Bewerber einen Anspruch auf eine schriftliche Begründung einer ablehnenden Entscheidung hat, daß diese nur auf gerichtsverwertbare Tatsachen gestützt werden kann und daß sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen werden muß. Tatsache ist jedoch: Diese rechtsstaatlich unabdingbar notwendigen Bestandteile einer gesetzlichen Regelung sind erstmals von uns Freien Demokraten in die Diskussion eingeführt worden. Wir sind froh darüber, daß diese Vorschläge heute Bestandteil des Gesetzentwurfs sind.Nun einige Bemerkungen zu den beiden heute im Mittelpunkt der Diskussion stehenden Fragen: der Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes in den Ausbildungsmonopolbereichen und der Bedeutung der Mitgliedschaft in einer rechts- oder linksextremistischen Partei bei der Entscheidung über die Einstellung in den öffentlichen Dienst.Zur Frage der Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes haben die Koalitionsfraktionen heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen einheitlich nicht-beamtenrechtlich organisierten Vorbereitungsdienst in allen Bereichen vorschlägt, in denen der Staat ein Ausbildungsmonopol besitzt. Wir waren dazu bereit, die Regelung dieser speziellen Materie zu einem späteren Zeitpunkt endgültig zu diskutieren und in diesem Hause zu verabschieden, und sind sicher, daß in den Ausschußberatungen hier noch fruchtbare Diskussionen möglich sind. Zwei Dinge wollen wir aber schon heute mit aller Eindeutigkeit klarstellen:Erstens. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts hat auch und gerade in diesem Bereich dazu beigetragen, daß in Zukunft eine liberalere Regelung zwingend notwendig ist. Die in einigen Ländern praktizierte Regelung, nach der einem Bewerber z. B. auch der Zugang zum juristischen Vorbereitungsdienst und damit zum Abschluß einer für die Tätigkeit in der Wirtschaft oder als Rechtsanwalt erforderlichen Ausbildung versagt werden konnte, ist mit der Verfassung nach der Karlsruher Entscheidung nicht vereinbar.Zweitens. Wir Freien Demokraten werden einer gesetzlichen Regelung nur dann zustimmen, wenn sie sicherstellt, daß junge Menschen, die vom Staat für ihren weiteren Lebensweg ausgebildet werden müssen, nicht dadurch diskriminiert werden, daß ein Vorbereitungsdienst erster und ein Vorbereitungsdienst zweiter Klasse geschaffen wird und dieser Makel einem jungen Menschen sein Leben lang anhaftet.
Erheblich wichtiger für die heutige Debatte ist die Frage, welche Bedeutung wir in Zukunft der Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei oder Organisation bei der Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers zumessen sollen. Wir Freien
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von SchoelerDemokraten haben dazu in der Vergangenheit eindeutig Position bezogen und wiederholen heute noch einmal: Wer die Grundprinzipien unserer freiheitlichen Verfassung bekämpft,
kann nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt werden. Jeder Beamte muß die Gewähr bieten, daß er sich jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzt. Genauso klar bekennen wir aber auch: Ob der Bewerber einzustellen ist oder nicht, kann nicht ausschließlich danach beurteilt werden, ob er Mitglied einer extremistischen Partei oder Organisation ist. Die Einstellungsbehörden sind vielmehr gezwungen, sich in jedem einzelnen Fall ein Bild von der Gesamtpersönlichkeit des Bewerbers zu machen. Nur eine solche Einzelfallprüfung entspricht unserem liberalen Rechtsstaatverständnis.In diesem unserem Bekenntnis zur Notwendigkeit einer Prüfung jedes einzelnen Falls sehen wir uns durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. Deshalb kann uns keine noch so demagogische Kampagne von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, dazu bringen, bei der Abwehr von Verfassungsfeinden rechtsstaatswidrige Mittel einzusetzen. Wir werden auch nicht dazu bereit sein, um des vermeintlichen Schutzes des Rechtsstaates willen den Rechtsstaat selbst abzubauen.
Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition — das zeigen auch die heutigen Debattenbeiträge Ihrer Redner , geht es offensichtlich darum, ein Geschäft mit der Angst der Bürger zu machen. Diesem Ihrem Versuch werden wir begegnen, indem wir unser Vertrauen in die Stärke dieses freiheitlichen demokratischen Staates darstellen. Wir wissen, daß diese demokratische Grundordnung im Bewußtsein der Bürger fest verwurzelt ist. Aus diesem Bewußtsein heraus vertrauen wir auf die Stärke dieser Gesellschaftsordnung auch und gerade gegenüber Verfassungsfeinden. Wir sehen dabei die Gefahren, die von Verfassungsfeinden selbst für diese Grundordnung ausgehen. Wir begegnen diesen Gefahren. Wir verschließen die Augen aber auch nicht davor, meine Damen und Herren von der Opposition, daß auch Gefahren von denjenigen ausgehen, die diese Grundordnung vermeintlich schützen wollen und zu ihrem Schutze Teile dieser demokratischen Grundordnung abbauen.Ihre Polemik wird uns auch nicht davon abhalten, hier an dieser Stelle kritische Bemerkungen zu der bisherigen Praxis bei der Einstellung von Extremisten im öffentlichen Dienst zu machen. Es stimmt doch bedenklich, daß man einen hoch angesehenen Preis erhalten muß, um undiffamiert kritische Bemerkungen zu diesen Problemen machen zu können. Deshalb sagen wir, es stimmt uns nachdenklich, wenn Amnesty International in einem Brief an den Bundespräsidenten schreibt, daß sich Bürger unseres Staates in zunehmendem Maße scheuen, an Unterschriftenaktionen dieser weltweit angesehenen Organisation selbst dann teilzunehmen, wenn es lediglich um die Forderung nach Abschaffung derFolter in aller Welt geht. Es stimmt uns nachdenklich, wenn an einigen Universitäten Studenten und sogar Bedienstete nicht mehr bereit sind, harmlose Unterschriftenaktionen zu unterstützen, weil sie Angst haben, daß ihre Unterschrift später einmal bei einer Bewerbung gegen sie verwendet werden könnte. Es stimmt uns nachdenklich, wenn an einer deutschen Universität die Studentenschaften Schwierigkeiten haben, einen Kandidaten für den AStA-Vorsitz zu finden, weil potentielle Kandidaten einfach Angst haben, sich um ein Amt zu bewerben. Wir widersetzen uns allen Bemühungen, ein psychologisches Klima zu erzeugen, in dem Radikale, Verfassungsfeinde und Studentenführer automatisch in einen Topf geworfen werden.
Eindringlich müssen wir Liberalen davor warnen, daß wir so weit kommen könnten, daß es Zivilcourage erfordert, eine abweichende Meinung zu äußern. Bei aller Entschiedenheit in der Abwehr von Verfassungsfeinden aus dem öffentlichen Dienst müssen wir darauf achten, daß wir nicht unpolitische, indifferente, ängstliche Duckmäuser erziehen. „Graue Mäuse" sind ebensowenig in der Lage, für diesen Staat einzutreten, wie Verfassungsfeinde.Oft wird in ,der Debatte um diese Frage — so auch heute -- auf die Erfahrungen der Weimarer Republik verwiesen. Herr Kollege Dregger hat dies heute morgen zu Beginn der Debatte getan. Dabei wird immer gesagt, Weimar sei an den Extremisten zugrundegegangen. Das ist sicherlich richtig. Richtig ist aber doch auch, daß die Beamtenschaft der Weimarer Demokratie zu viele „graue Mäuse" hatte, die bereit waren, allen Herren zu dienen. Ich glaube, auch aus dieser Erfahrung sollten wir lernen.
Und auf ein anderes muß jeder Liberale in dieser Diskussion achten. Wir können es nicht zulassen, daß der Begriff „Verfassungsfeind" zunehmend ausufernd verwendet wird und jeder, der eine kritische Meinung äußert, in der Gefahr steht, mit diesem Begriff abgestempelt und verfolgt zu werden. Die Opposition hat durch ihre Sprecher in den verschiedenen Debatten zu diesem Thema hier in diesem Hause deutlich gemacht, daß sie durch eine solche ausufernde Verwendung des Begriffes „Verfassungsfeind" auch Forderungen und Organisationen abwehren will, die sich eindeutig im Rahmen unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewegen.
Ich verweise in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Erklärung von Herrn Ministerpräsident Filbinger, der in der Verfassungsdebatte im letzten Jahre in diesem Hause eine Gleichsetzung zwischen freiheitlich-demokratischer Grundordnung und Marktwirtschaft vorgenommen und damit versucht hat, darzulegen, beispielsweise die Jungsozialisten stünden mit Forderungen nach Verstaatlichung in dem einen oder anderen Bereich außerhalb der Verfassung. Wir Liberalen bekämpfen manche Vorstellungen, die in diesem Zusammenhang auch von Ihnen
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13577
von Schoelerkritisiert werden. Aber wir werden immer dafür eintreten, daß auch solche Vorstellungen in unserem Land frei geäußert werden können.
Hier scheint mir doch das Problem Ihrer Haltung in dieser Diskussion zu liegen. Mit Ihrer Polemik und Ihrer Kampagne der Angstmache setzen Sie sich doch dem Verdacht aus, daß es Ihnen gar nicht um die Abwehr von Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst geht, sondern daß es Ihnen darum geht, jede gesellschaftliche Veränderung mit dem Makel der Verfassungsfeindlichkeit zu stempeln.
- Er hat sich zwar verbal zu dem Gegenteil bekannt, aber er hat im zweiten Teil seiner Rede ganz deutlich gemacht, Herr Miltner, daß dieses Bekenntnis eben nur ein verbales ist, dem keine Taten folgen. Lassen Sie mich das so sagen: Er hat heute morgen zwei Reden gehalten, eine erste für die Fachpresse — die war sachlich, oder ich will sagen: der Versuch einer sachlichen Rede —, und eine zweite enthielt dann die Polemik für die Veranstaltungen draußen. So setzte sich die Rede von Herrn Dr. Dregger heute morgen zusammen.
- Wenn das alles ist, was Ihnen dazu einfällt, Herr Kollege Pfeffermann, ist das wohl etwas wenig.Es wäre verhängnisvoll, wenn als Ergebnis dieser Diskussion in der Jugend unseres Staates oder auch bei anderen Teilen unserer Bevölkerung der Eindruck entstünde, unsere Gesellschaftsordnung sei entwicklungsunfähig. Die Demokratie lebt von der Möglichkeit der Bürger, sich mit dem Staat, mit ihrem Staat zu identifizieren. Wer dazu beiträgt, daß sich Zweifel an der Bewegungsfähigkeit, Zweifel an der Reformbereitschaft unserer Gesellschaft breitmachen, wird unbewußt und ungewollt zum Helfershelfer der Extremisten. Lassen Sie uns daher diese Diskussion zukünftig mehr im Geist der Liberalität, der Toleranz und des festen Vertrauens in die Überlegenheit und Stärke unserer Gesellschaftsordnung führen.
Das Wort hat der Senator Neubauer .
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich noch einmal aus der Sicht der Länder ein paar Bemerkungen zu der heutigen Debatte mache.Die Länderinnenminister waren sich seit Monatenseit Monaten! — darüber einig, daß dem Bundestag zum frühesten Zeitpunkt, zu dem diese Möglichkeit überhaupt besteht, ein Gesetzentwurf vorgelegt werden sollte. Die Innenminister, die den Ländern, die CDU/CSU-regiert werden, angehören, haben nicht selten, ja sogar oft die Bundesregierung kritisch betrachtet, weil sie noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt hatte. Sie drängten. Sie alle kennen den Zeitablauf bis hin zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes.Nun liegt ein solcher Gesetzentwurf auf dem Tisch, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die, die bis zu diesem Zeitpunkt drängten, nun nicht mehr so sehr daran interessiert sind, daß es zu einer möglichst schnellen Beschlußfassung kommt. Das würde ich aufs tiefste bedauern. Das als erstes.Eine zweite Frage ist heute in diesem Hause zu entscheiden: Ist der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vorgelegt hat, praktikabel? Setzt er diejenigen, welche die Entscheidung zu treffen haben, in den Stand, das, was wohl alle gemeinsam wollen— so sagten es jedenfalls alle —, nämlich Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten, durchzuführen: Wer sich mit der Praxis beschäftigt, wer mit dieser Frage ständig zu tun hat, der weiß, daß der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf sowohl praktikabel ist als auch jeden, der mit solchen Entscheidungen zu tun hat, in die Lage versetzt, die Pflicht, Verfassungsfeinde fernzuhalten, zu erfüllen.
— Verehrter Herr Abgeordneter, was das mit weltfremd zu tun hat und das mir, das will ich Ihneneinmal sagen —, verstehe ich überhaupt nicht. Ich kann nur den Schluß daraus ziehen, daß Sie sich mit Entscheidungen in diesem Punkte ernsthaft noch niemals beschäftigen mußten.
Dritte Bemerkung. Die, die nachher im Einzelfall die Entscheidungen treffen müssen, wissen, daß es sich um weittragende und schwerwiegende Entscheidungen gegenüber denen handelt, die davon betroffen sind. Weil das so ist, müssen wir auch den zwar unbequemen, aber eben doch rechtsstaatlichsten Weg suchen, damit diejenigen, die die Entscheidung zu treffen haben, dies auch mit ruhigem Gewissen tun können.
Dieser unser freiheitliche demokratische Staat — das ist mehrfach gesagt worden und kann nicht oft genug wiederholt werden — kann sich glaubwürdig auch den Verfassungsfeinden gegenüber nur verteidigen, wenn seine Entscheidungen jeder gerichtlichen Nachprüfung standhalten.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie wäre die Situation, wenn wir Entscheidungen ermöglichen, die dann in vielfacher Hinsicht von Gerichten korrigiert werden? Würde das nicht eine
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13578 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Senator NeubauerStimmung in der Bevölkerung erzeugen, daß diejenigen, die so schwerwiegende Entscheidungen zu treffen haben, mit der Verfassung und dem Recht in diesem Land leichtsinnig umgehen?
Und würde das nicht Wasser auf die Mühle derer gießen, die tagtäglich draußen zu beweisen versuchen, daß dieser Staat kein Rechtsstaat ist? Das heißt, wer es sich hier nicht schwermacht, wer nicht den unbequemsten Weg geht, spielt im Grunde denen in die Hände, die eine Entscheidung gar nicht wollen.
Das muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden, gerade — ich wiederhole es — weil so schwierige Entscheidungen dahinterstehen.Ich will das einmal an einem Beispiel darstellen. In Berlin haben wir Wahlen gehabt. Dabei hat in einem Bezirk, nämlich in Schöneberg, der Bezirksbürgermeister gewechselt. Das wird Sie freuen; der jetzige Bürgermeister dort ist nämlich einer von Ihnen. Aber eine der ersten Amtshandlungen war — das ist nur ein Beispiel —, daß er seine Dienststellen schriftlich darauf hinwies, den Schwierigkeiten in dieser Frage könne man dadurch aus dem Wege gehen, daß man einfach andere Gründe nenne. Nun, abgesehen von der mangelnden Intelligenz, so etwas auch noch aufzuschreiben, steht dahinter ein Denken, von dem ich meine, daß es sich in dieser Frage nicht um einen wehrhaften Demokraten, sondern um einen Drückeberger handelt.
Das muß ausgeschlossen bleiben. Wir müssen dem, den wir als Verfassungsfeind erkannt haben bzw. von dessen Verfassungsfeindlichkeit wir überzeugt sind, dies auch klar und deutlich sagen und ihm die Möglichkeit geben, dagegen Einspruch zu erheben. Es muß am Ende sichergestellt sein, daß der Staat eine richtige Entscheidung getroffen hat, die dann jedem bekannt ist und jeden dazu zwingt, seine Schlußfolgerungen daraus zu ziehen.Hier ist vorhin eine Frage gestellt worden — da haben einige von Ihnen gelacht —: Wie stellt man eigentlich die Mitgliedschaft in einer solchen Partei fest? Da gab es einige, die sagten: Das muß ein Dummer sein, der solche Fragen stellt. Ja, wie stellt man die Mitgliedschaft denn fest? Natürlich haben wir Institutionen, die auch Mitgliedschaften in bestimmten Organisationen feststellen können. Nur wissen diejenigen, die sich mit der Praxis beschäftigen, daß das in vielen Fällen gar nicht verwendbar ist. Man weiß es dann zwar, aber darf es nicht sagen. Oder man stellt die Mitgliedschaft dadurch fest, daß jemand sich uneingeschränkt zu dieser Mitgliedschaft bekennt, aktiv aus dieser Mitgliedschaft tätig wird. Dann wird er durch die Gesetzentwürfe, die die Bundesregierung hier vorgelegt hat, erfaßt. Dann entschlüpft er nicht, wenn er wirklich als Verfassungsfeind erkannt worden ist. Die Frage war also überhaupt nicht abwegig. Sie entsprach der praktischen Erfahrung derjenigen, die sich damit zu beschäftigen haben.Weil das so ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht Ihr Gegengesetzentwurf in diesem Punkt in erheblichem Maße an den Erfahrungen der Praxis vorbei.
— Natürlich, alles falsch.
Eine dritte Bemerkung. An diesem Pult ist eben festgestellt worden, daß die Rede von Herrn Dregger eigentlich zweigeteilt war. Dem stimme ich zu. Der erste Teil schien die Vermutung aufkommen zu lassen, daß hier der Versuch gemacht wird, sich auf dieses und nur auf dieses Problem zu konzentrieren. Aber dann ging es los: Was ist nun mit diesem Problem alles vermischt worden? Eigentlich alles, was in diesem Hause sonst an politischen Fragen ansteht, alle schwierigen Fragen, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben. Die werden nun in einen Topf mit dem geworfen, was hier im Hause ansteht: Verhinderung der Einstellung von Verfassungsfeinden. Ich sage Ihnen ganz offen, ich werde das Gefühl nicht los, daß dies ganz bewußt geschieht.
Ich werde das Gefühl nicht los, daß dies deswegen bewußt geschieht, weil die anderen politischen Fragen so eng wie möglich an einen Begriff herangerückt werden sollen, der auf Widerstand in der Bevölkerung stößt.
Das ist nämlich genau der Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren.Dazu sage ich Ihnen eines, auch dies aus langer Erfahrung als Innenminister: Genau das ist es, was diejenigen wollen, die die Verfassung bekämpfen, nämlich uns in dieser Art aufeinander zu jagen.
Das ist genau das — ich wiederhole es —, was diejenigen, die diese unsere Verfassung bekämpfen, an Erfolgserlebnis haben wollen. Begreifen Sie doch endlich, daß sich dieses Problem nicht dazu eignet, in andere politische Fragen eingeschnürt zu werden, über die wir uns streiten, über die wir uns auch streiten müssen. Diese unzulässigen Verbindungen, die hier hergestellt werden, vergiften die Atmosphäre
und führen dazu, daß Schritt um Schritt, wie hier gesagt worden ist, die Möglichkeiten von potentiellen Verfassungsfeinden verstärkt werden.Das sagt Ihnen einer, der in der Auseinandersetzung steht und der nicht in dem Verdacht steht — ich hoffe nicht, daß nach mir jemand auf die Bühne kommt und dies zu behaupten versucht —, sich nicht konsequent der Aufgabe, um die es hier geht, zu widmen. Aber auch ich möchte — lassen Sie mich dies abschließend sagen — nach jeder Ent-
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Senator Neubauerscheidung ruhig schlafen können und wissen, daß nach bestem Wissen und Gewissen entschieden worden ist, ohne daß das Problem mit parteipolitischer Polemik vermischt worden ist.
Meine Damen und Herren, in die Fortsetzung unserer Aussprache beziehen wir nunmehr den Änderungsantrag Drucksache 7/4209 und den Entschließungsantrag Drucksache 7/4210 ein.
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst ein Wort an einen Vertreter des Bundesrates richten, nicht an Herrn Neubauer. Ich habe den Eindruck, Herr Senator Neubauer, daß Sie nach der Auseinandersetzung, die es im Frühjahr dieses Jahres während der innenpolitischen Debatte gegeben hatte, den Frieden wiederhergestellt haben. Ich meine den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herrn Hirsch. Ich finde es schon vom Stil her ungewöhnlich, daß ein Mitglied des Bundesrates ein Mitglied dieses Hauses in der Weise abzukanzeln versucht, wie es Herr Hirsch gegenüber meinem Kollegen Dregger heute morgen getan hat.
Das ist aber nicht nur eine Frage des Stils. Ich bin der Auffassung — leider ist Herr Hirsch nicht mehr hier —,
daß es im menschlichen Bereich schäbig gewesenist, wie er hier mit Herrn Dregger umgegangen ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zuvor einiges zu den Ausführungen sagen,
die der Kollege Liedtke heute morgen zu dem Entwurf gemacht hat, der von den Koalitionsfraktionen zu den Ausbildungsverhältnissen hier eingereicht worden ist.
— Darf ich einmal fragen, wo der Herr Bundeskanzler in dieser Debatte ist? Darf ich einmal fragen,
wo andere Mitglieder dieser Bundesregierung — mit Ausnahme des Bundesinnenministers — sind, wenn wir schon so miteinander reden?
: Es fehlt noch der Einstellungsexperte Ehmke! — Weitere Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU/CSU)
Der Herr Kollege Liedtke hat im Zusammenhang mit dem Entwurf, der die Ausbildungsverhältnisse betrifft, zu suggerieren versucht, die Opposition unternehme den Versuch, die Entscheidung darüber zu verzögern. Darf ich dazu einige Fakten nennen, damit das geradegestellt wird.Erstens. Erst durch den in der Sommerpause bekanntgewordenen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts hat sich die Notwendigkeit ergeben, für die Ausbildungsverhältnisse eine Regelung zu treffen.Zweitens. Erst am 24. September ist von dem Kollegen Liedtke im Innenausschuß dazu ein Antrag vorgelegt worden. Erst am 15. Oktober hat die Bundesregierung eine Liste der Ausbildungsverhältnisse vorgelegt, die in Frage kommen.Meine Damen und Herren, hier geht es um wesentliche Änderungen materiell-rechtlicher Art in unseren Gesetzen. Das sind Dinge, deren Verabschiedung wir nicht übers Knie brechen können. Sie bedürfen sorgfältiger Beratung. Wir haben aber Ihrem Wunsch Rechnung getragen, hier heute die Frage zu erörtern, die Gegenstand des Regierungsentwurfs und des Bundesratsentwurfs ist. Ich glaube, da können Sie nicht den Vorwurf der Verzögerung erheben, sondern hier haben wir konstruktiv Ihrem Wunsch Rechnung getragen, heute diese Debatte zu führen.
Zur Frage der Ausbildungsverhältnisse haben wir zwei wichtige Bereiche zu regeln. Dazu bedarf es erheblicher Überlegungen.Die erste Frage: Wie sollen denn diese Ausbildungsverhältnisse gestaltet sein, öffentlich-rechtlich, privatrechtlich, gemischt öffentlich-rechtlich und privatrechtlich, als Beamtenverhältnisse oder als öffentlich-rechtliche Verhältnisse eigener Art? Das sind die Fragen, um die es hier geht. Das sind Fragen, deren Beantwortung man nicht übers Knie brechen kann, sondern bei denen man sich Gedanken machen muß und sorgfältig nachdenken muß. Deshalb können wir dieses Eilverfahren in dieser Frage nicht mitmachen. Das haben wir Ihnen gesagt.Die zweite Frage: Welche Anforderung an die Verfassungstreue haben wir gegenüber denen, die in den Vorbereitungsdienst treten, zu stellen? Sie schlagen in Ihrem Koalitionsentwurf vor, daß es genügen solle, daß sie nicht in strafbarer Weise die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland bekämpfen. Darf ich Ihnen vorlesen, was dazu das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß sagt?Wie immer der Vorbereitungsdienst für Anwärter auf einen Beruf außerhalb des Staatsdienstes ausgestaltet wird, in jedem Falle bleibt unberührt,
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13580 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Vogel
— in jedem Falle --daß der in den Vorbereitungsdienst übernommene Referendar fristlos aus diesem Vorbereitungsdienst entfernt werden kann, wenn er sich verfassungsfeindlich betätigt.Meine Damen und Herren, das ist wesentlich mehr als nur verfassungsfeindliche Betätigung in strafbarer Weise.Es taucht auch gleichzeitig die Frage auf: Wollen Sie künftig bei jedem, bei dem der Verdacht verfassungsfeindlicher Betätigung auftritt, ein Strafverfahren einleiten, und wollen Sie dann die Entscheidung hinausschieben, bis dieses Strafverfahren rechtskräftig abgewickelt ist?
Ich glaube, auch darüber wird nachzudenken sein. Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie bei der Ausarbeitung Ihrer Vorlage die damit zusammenhängenden Fragen so sorgfältig geprüft haben, daß Sie heute in der Lage wären, eine wirklich verantwortliche Entscheidung dazu zu fällen. Tun Sie bitte nicht so, als hätten Sie das bereits alles durchdacht!
Bei der Gelegenheit möchte ich gleich auf zwei Einzelpunkte eingehen.Der eine Punkt: Hier ist verschiedentlich Amnesty International in der Debatte erwähnt worden. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir jedem Punkt, der hier an uns herangetragen wird, sorgfältig nachgehen. Ich würde nur sehr darum bitten, daß sich Amnesty International dann nicht an Aktionen von Linksgruppen in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt, wie kürzlich in Bonn geschehen. Wenn dann auf den gemeinsam formulierten Aufrufen neben den bekannten linken Gruppen auch Amnesty International erscheint, dann bringt sich Amnesty International selbst in eine gefährliche Nähe zu diesen Gruppen.
Ich glaube, sie sollte sich selbst diesem Verdacht entziehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ostman von der Leye?
Ich möchte jetzt weitermachen, Herr Präsident.Das Zweite ist der heute morgen von Herrn Kollegen Liedtke in die Debatte eingeführte Fall eines NPD-Angehörigen in Schleswig-Holstein.
— Dann hat es irgend jemand anders im Laufe derDebatte getan. Meine Erinnerung war, daß Sie inIhrer Rede von einem NPD-Angehörigen gesprochen haben
— ich meine auch, daß es so gewesen ist, Herr Kollege Liedtke —, dem vom Ministerpräsidenten, so haben Sie gesagt, des Landes Schleswig-Holstein seine Verfassungstreue bescheinigt worden sei. Das ist doch richtig.
Herr Kollege Liedtke, können wir uns darauf verständigen? — Schönen Dank!Meine Damen und Herren! Wir haben nun einmal die Schwierigkeit, daß wir auf der einen Seite Bewerber für den öffentlichen Dienst haben, deren Verfassungstreue wir zu überprüfen haben und bei denen bei Zweifeln in die Verfassungstreue die Einstellung in den öffentlichen Dienst nicht erfolgen darf. Wir haben auf der anderen Seite Menschen, die im öffentlichen Dienst sind und die, wenn ihnen Verstöße gegen ihre Verfassungstreue nachweisbar sind, in einem Disziplinarverfahren aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden können. Um einen solchen Fall der zweiten Kategorie, Herr Kollege Liedtke, handelt es sich hier. Ich glaube, es wäre in der Diskussion redlicher, wenn wir beim Zitieren von Beispielen deutlich auseinanderhalten würden, ob es sich um Einstellungen oder um die Notwendigkeit von Disziplinarverfahren gegen Angehörige des öffentlichen Dienstes handelt, weil die rechtlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind.
Im übrigen ist es in dem Fall so, daß ihm nicht die Verfassungstreue bescheinigt worden ist, sondern daß lediglich auf eine Anfrage der SPD mitgeteilt worden ist, daß keine Tatsachen aufgetreten sind, die heute eine andere Beurteilung mit Blick auf ein Disziplinarverfahren ergeben als zu einem früheren Zeitpunkt. Das gleiche gilt für Mitglieder der DKP wie der NPD, die sich bereits im öffentlichen Dienst des Landes Schleswig-Holstein befinden Ich glaube, es wäre gut, wenn wir das doch sorgfältig auseinanderhielten, weil das die Diskussion insgesamt ehrlicher machen würde.Meine Damen und Herren! Mir fällt die Aufgabe zu, den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU sowie den Entschließungsantrag der CDU/CSU- Fraktion zu begründen. Der Ihnen von der SPD/ FDP- Mehrheit des Innenausschusses zur Beschlußfassung vorgelegte Gesetzesantrag spiegelt in exemplarischer Weise die Unfähigkeit beider Koalitionsfraktionen zu unmißverständlichen Entscheidungen in Grundfragen des Demokratie- und Rechtsstaatsverständnisses,
die Konfliktscheu der führenden Repräsentanten des sozialliberalen Machtbündnisses gegenüber den systemverändernden Kräften in ihren eigenen Reihen und die fehlende Bereitschaft von SPD und FDP zu konsequenter Bekämpfung vor allem aller anti-
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demokratischen sozialistischen und kommunistischen Gruppierungen in unserem Lande wider.
— Herr Kollege Wehner, ich habe bisher in meinem politischen Nachhilfeunterricht immer gelernt, daß Sie der Altmeister der Verleumder seien.
— Entschuldigung, glauben Sie denn vielleicht, ich lasse mich in dieser Weise hier angreifen, ohne darauf zu antworten? Das glauben Sie doch wohl selber nicht!
Meine Damen und Herren! Wo der Regierungsentwurf noch bescheidene, wenn auch erheblich hinter den Notwendigkeiten der Praxis zurückbleibende Regelungen für den Fall der Mitgliedschaft in einer Partei vorsah, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, sind in dem Antrag des Innenausschusses selbst diese Regelungen unter den Tisch gefallen. Das wird hier zum wiederholten Male fadenscheinig damit begründet, daß nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 1975 ein Bedürfnis für die gesetzliche Regelung materiell-rechtlicher Fragen nicht mehr bestehe.Der Herr Minister Maihofer hat heute morgen in seiner Rede auch gesagt, daß ja am geltenden materiellen Recht durch den Vorschlag, den die Koalitionsfraktionen hier zur Abstimmung stellen, nichts geändert werden solle. Soll ich das denn dahin gehend verstehen, Herr Minister Maihofer, daß die in der Praxis bestehende Unklarheit und Unsicherheit in der Frage, wie wir es denn mit der Anknüpfung bei der Mitgliedschaft halten wollen, bestehenbleiben soll? Ich glaube, daß das außerordentlich schlecht wäre und daß wir unsere Pflicht hier nicht erfüllen würden, wenn wir diese Frage nicht klar regeln wollten.In Wahrheit stellt die Streichung der sich mit der Mitgliedschaft in einer Partei befassenden Sätze aus dem Regierungsentwurf eine Kapitulation vor den Attacken der linken Flügel von SPD und FDP dar.
Ich sage es ganz bewußt: Es gehört zum Versagen führender Sozialdemokraten und Freier Demokraten in unserem Lande, daß sie mehr mit der Bagatellisierung und Verharmlosung der unsere Freiheit bedrohenden Gefahren und Kräfte beschäftigt sind als mit dem Zeichnen klarer, die Solidarität aller Demokraten unterstreichender Trennungslinien gegenüber allen freiheitsfeindlichen Kräften und Bestrebungen in unserem Lande.
Lassen Sie mich auch das sagen: Sie bringen gegenüber der Opposition in diesem frei gewählten Parlament des deutschen Volkes weniger demokratische Sensibilität, weniger Einfühlsamkeit, weniger Takt und weniger Fingerspitzengefühl auf als gegenüber denen, die wegen ihrer Mitgliedschaft in einer Partei oder Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung Zweifel an ihrer Treue zu unserer freiheitlichen Verfassung begründen.
Man kann leider nur den Eindruck gewinnen, daß es den systemverändernden Kräften in SPD und FDP immerhin schon gelungen ist, vielen aufrechten, demokratisch absolut zuverlässigen Sozialdemokraten und Liberalen, die ihrer Partei auf Jahrzehnte angehören, die Luft abzuschnüren und den Schneid abzukaufen.Vielfach — ich habe das bereits einmal in diesem Hause beklagt — ist die Solidarität der Demokraten bereits unheilvoll überlagert durch eine historisch gesehen für die Freiheit tödliche Solidarität der Sozialisten, zwischen demokratischen Sozialisten und antidemokratischen Sozialisten und Kommunisten, denen bereits das irreführende Etikett „kritische Demokraten" angeheftet worden ist.
— Sie können dieses Beispiel frei Haus geliefert bekommen, Herr Kollege.
— Herr Kollege Arndt, Sie sollten es doch wissen, daß Ihre Koalitionspartner in Hamburg den DKP-Kommunisten in Hamburg das Etikett „kritische Demokraten" angeheftet haben.
Meine Damen und Herren, schon macht sich die Vorstellung von der Verkürzung der demokratischpolitischen Alternativmöglichkeiten auf den Bereich dessen breit, was „sozialistischer Pluralismus" genannt wird. Dahinein paßt genau die Kampfvokabel vom „Rechtskartell", dem CDU und CSU behende zugeordnet werden. „Sozialistischer Pluralismus" in diesem Verständnis wird — davon sind wir überzeugt — in kommunistischer Diktatur enden.Meine Damen und Herren, es ist manchmal sehr schwierig, in diesem sehr diffizilen Bereich auch so zu argumentieren, daß die Unterschiedlichkeiten der Positionen deutlich werden. Ich möchte deshalb etwas zitieren, was der Bundesinnenminister, Professor Ma ih o f er, in der ZDF-Sendung „Kontrovers" am 9. Oktober 1975 gesagt hat. Ich darf das wörtlich zitieren und bitte um Ihre Nachsicht. Er sagte:Nur müssen Sie im einzelnen Fall fragen:— es ging dabei um die Einzelfallprüfung —.. Identifiziert sich nun dieses Mitglied mit diesen Zielsetzungen, ja oder nein? Oder ist hier in der Tat, obwohl eine formale Mitgliedschaft besteht, eine politische Haltung feststellbar, die nun gerade nicht im Widerspruch steht zu diesen Verfassungsgrundsätzen? Das wird in einem Fall wie der DKP möglicherweise sehr selten
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der Fall sein, aber ich möchte ein Beispiel nennen, provokativ. Stellen Sie sich einmal vor, Herr Dubček würde heute bei uns vor einer Einstellungsbehörde stehen, ein Mann, der genau für die Einführung dieser rechtsstaatlichen Errungenschaften seine ganze politische Existenz in der damaligen CSSR auf das Spiel gesetzt hat, als Kommunist, der er damals wie heute ist. Einen solchen Menschen, der nun auch als Kommunist für genau diese Errungenschaften auf die politische Barrikade geht, bei dem können Sie möglicherweise nicht am Ende zur Begründung solcher Zweifel an der Verfassungstreue kommen.Das erinnert mich an das, was Willy Brandt bei seinem gemeinsamen Auftritt mit Soares in Frankfurt gesagt hat: „Wie man einen aufrechten Sozialisten wie Dubček drangsaliert, ist empörend." Nun, meine Damen und Herren, natürlich ist auch in unserer Beurteilung Alexander Dubček persönlich ein tapferer Mann; aber nach unserem Verständnis ist ein Sozialismus des Prager Frühlings noch lange keine Demokratie
und ist Dubček Kommunist und kein Demokrat. Oder vertreten Sie auch die Auffassung, daß sich Dubček „im weitesten Sinne unter den Begriff ,demokratischer Sozialismus' ü einreihen lasse,
daß sich demgemäß auch die KPI und die KPF, nur weil sie vorgeben, sich der Vormundschaft Moskaus nicht unterwerfen zu wollen, „im weitesten Sinne unter den Begriff ,demokratischer Sozialismus'" einreihen? Bedeutet das demgemäß — wenn ich hier an Äußerungen des SPD-Bundesvorstandsmitglieds Rudi Arndt erinnern darf —, daß auch die DKP, wenn sie sich nur aus der Unterwerfung unter die Vormundschaft der KPdSU und der SED löst, unter diesen Begriff einzureihen wäre? In der Tat, meine Damen und Herren, von da her verstünde ich, warum Mitgliedschaft in der DKP allein z. B. keine Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers begründen darf.Ich sagte schon: Alexander Dubček ist gewiß persönlich ein tapferer Mann. Aber er ist ein Kommunist, vielleicht im weitesten Sinne des Begriffs ein demokratischer Sozialist — das ist Ihre Sache—, aber ganz gewiß kein Idol, kein Heiliger der freiheitlichen Demokratie. Wenn ich die Wahl hätte zwischen Dubček-Kommunismus und Breschnew-Kommunismus, würde ich sicher den ersteren wählen. Das ändert jedoch nichts daran, daß DubčekKommunismus, hier bei uns eingeführt, das Ende der Demokratie wäre. Auch eine Reduzierung der Demokratie auf sozialistischen Pluralismus, meine Damen und Herren, wäre das Ende der Demokratie.Kernstück der Auseinandersetzung über die Frage der Beschäftigung von Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst ist seit Beginn die Bewertung der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei oder Organisation. Zugespitzt: Die Kernfrage ist heute, ob die Mitgliedschaft in der DKP Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers begründet und in der Regel als Ablehnungsgrund ausreicht oder nicht. Seit Jahren werden die wahrsten Eiertänze wegen einer Frage aufgeführt, deren Beantwortung, wenn man sich einen klaren Verstand und ein nüchternes Urteil bewahrt hat, nur eindeutig dahin ausfallen kann, daß ein DKP-Mitglied, ein eingeschriebener Kommunist, per definitionem ein Feind unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist.Wenn das Gesetz werden sollte, was SPD und FDP heute hier beschließen wollen, dann werden aus den Eiertänzen von Demokraten im Handumdrehen Freundentänze von Kommunisten. Denn die DKP hat hier ein ganz klares Ziel: Sie will durchsetzen, daß ein Mitglied der DKP ebenso selbstverständlich in den öffentlichen Dienst eintreten kann wie Mitglieder demokratischer Parteien. Alles, was sonst um die Problematik der Beschäftigung von Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst herumgeredet wird, ist Rankenwerk — Herr Kollege von Schoeler ist nicht mehr da; ich würde ihm das gern noch einmal bestätigen — und dient nur der Vernebelung der eigentlichen Frage, die hier zur Entscheidung steht. Hier gibt es, von uns her jedenfalls, nur eine einzige Antwort: Dieses Ziel darf die DKP nicht erreichen. Sie ist kein demokratischer Partner und wird auch keiner werden. Nur Ignoranten können sich darüber täuschen.Wer Mitglied der DKP ist, gehört nicht in den öffentlichen Dienst, den können wir weder in der Bundeswehr noch als Richter, Staatsanwalt oder Polizisten gebrauchen, aber auch nicht als Maschinisten im Wasserwerk oder als Ingenieur im Elektrizitätswerk und schon gar nicht als Lehrer unserer Kinder, auch nicht als Mitarbeiter in einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt.
Die Gegner dieser politisch wie rechtlich sauberen Lösung stimmen immer das Klagelied von der „Gesinnungsschnüffelei" an. Hier werden die rührendsten Geschichten erzählt. Nur wird bewußt verschwiegen, daß die Gesinnungsschnüffelei am ehesten dann vermieden wird, wenn aus der Mitgliedschaft in einer Partei oder Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung die einzige der Lebenserfahrung entsprechende und darum realistische Schlußfolgerung gezogen wird: daß ein solches Mitglied in der Regel nicht in den öffentlichen Dienst gehört. Der Ihnen von der SPD doch besonders nahestehende Kölner Staatsrechtslehrer Professor Kriele hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß es dem Durchschnittsbürger nur schwer plausibel zu machen sei, was gegen den Schluß einzuwenden ist, „jemand gelte deshalb als Kommunist, weil er Mitglied der Kommunistischen Partei sei".
Die Behauptung, die Anknüpfung an die Mitgliedschaft verstoße gegen das Prinzip der Einzelfallprü-
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fang, ist intellektuell unredlich und wird auch wohl nur deshalb aufgestellt, um das Ziel, die Freikämpfung der DKP, um so besser erreichen zu können. Herr Minister Maihofer hat aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts die Sätze zitiert, die sich mit der sogenannten Beweislast beschäftigen, hat aber dabei übersehen, daß das Bundesverfassungsgericht das Wort „Beweislast" in Anführungsstriche gestellt und keineswegs die Unterscheidung getroffen hat zwischen materieller Beweislast und prozessualer Beweislast. Das, wovon Sie sprechen, Herr Minister Maihofer, bezieht sich auf das, was man prozessuale Beweislast nennt, aber nicht auf das, was man materielle Beweislast nennt. Es wäre sicher förderlich, dazu das nachzulesen, was in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht, um dann hier gemeinsam zu der Schlußfolgerung zu kommen, daß selbstverständlich die materielle Beweislast denjenigen trifft, der die Zweifel, die in seine Verfassungstreue begründet sind, nicht auszuräumen in der Lage ist. Auch darüber werden eine Fülle von falschen Ausführungen gemacht.Alles das, was an Fehlentwicklung bei der Überprüfung der Verfassungstreue beklagt wird, stellt sich um so sicherer ein, wenn auf den klarsten und überzeugendsten Anknüpfungspunkt, die Mitgliedschaft, nicht mehr abgestellt werden kann. Ich möchte noch einmal Professor Kriele zitieren — ich identifiziere mich keineswegs damit —: „Die individuelle Methode der Überprüfung von Beamtenbewerbern hat ein Klima des Mißtrauens erzeugt, das die geistige Freiheit an der Wurzel gefährdet."Niemand von uns denkt daran, jemandem ständig seine Jugendsünden vorzurechnen oder Duckmäuser heranzuziehen. Wenn wir an die Mitgliedschaft anknüpfen, dann bedeutet das nicht, daß wir an irgend etwas, was in der Vergangenheit liegt, anknüpfen, sondern dann bedeutet das, daß wir an die im gegenwärtigen Zeitpunkt, im Zeitpunkt der Entscheidung bestehende Mitgliedschaft in einer Partei oder Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung anknüpfen,
und das ist genau das Gegenteil von Gesinnungsschnüffelei. Gerade das stellt sich bei Ihnen bei den Einzelfallprüfungen ein.Es wird gern eingewendet, wenn sich die Mitgliedschaft als Einstellungssperre erweise, würden die Bewerber aus der entsprechenden Partei oder Organisation austreten. Das mag durchaus sein. Gegen subversives Einschleusen und konspiratives Verhalten gibt es kein in jedem Falle wirkendes Kraut. Aber organisierte Verfassungsfeinde sind eben gefährlicher als bloß gesinnungsmäßige Sympathisanten. Die DKP sähe sich in ihrer Strategie empfindlich gestört, mit der sie dahin gelangen will, daß jedes DKP-Mitglied offen und mit erhobenem Haupt in den öffentlichen Dienst marschieren kann,Nun noch einige Worte zu dem Einwand, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai dieses Jahres lasse die Ablehnung eines Bewerbers nur wegen seiner Mitgliedschaft in einer Partei oder Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung nicht mehr zu. Ich habe bereits im Innenausschuß des näheren ausgeführt, daß diese Schlußfolgerung schlechthin falsch ist. Sie ist heute morgen hier wiederholt worden. Auch ein Einzelumstand — das hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht — kann die Eignung für den öffentlichen Dienst ausschließen. Das Bundesverfassungsgericht nennt selbst die Fälle, daß ein Bewerber „uneinsichtig rechthaberisch" ist, daß einem Lehramtsbewerber ein Minimum an Geschick im Umgang mit Schülern abgehe oder daß ein Bewerber dem Erfordernis der Praxis, Entscheidungen zeitgerecht zu treffen, nicht genüge. Für „offenbar verfassungsrechtlich bedenklich" hat es das Bundesverfassungsgericht lediglich erklärt, wenn ein Gesetz allgemein zwingend vorschreibe, daß einzelne konkrete Verhaltensweisen die Gewähr des Bewerbers, er werde jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten, ausschließen. Eine solche Automatik schreiben — auch wenn das immer wieder behauptet wird — der Entwurf des Bundesrates und, ihm folgend, der von uns vorgelegte Änderungsantrag nicht vor. Unser Antrag stellt für den Fall der Mitgliedschaft in einer Partei oder Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung lediglich die der Lebenserfahrung entsprechende tatsächliche, im Einzelfall aber durchaus widerlegbare Vermutung auf, daß dadurch Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers begründet werden. Das ist etwas völlig anderes als Automatik. Wir haben, wie Sie wissen, eine ähnliche Streitfrage im Bereich des Ehescheidungsrechts.Meine Damen und Herren, ich komme nun zu den vorliegenden Entschließungsanträgen. Der von der Koalition vorgelegte Entschließungsantrag ist offensichtlich als ein Instrument zur Abwiegelung mit Blick auf die bevorstehenden Bundesparteitage der SPD und der FDP gedacht.
Dem dient sein alle Klarheiten beseitigender, die Problematik vernebelnder Inhalt, in dem insbesondere Regelungen vorgespiegelt werden, die das zur Verabschiedung vorgelegte Gesetz überhaupt nicht enthält.In dem Gesetz, das uns hier zur Verabschiedung vorliegt, ist nirgendwo gesagt, daß eine Überprüfung der Verfassungstreue eines Bewerbers nur dann und erst dann erfolgen darf, wenn sich im Einzelfall Tatsachen ergeben, die die Verfassungstreue ernsthaft in Frage stellen. Herr Minister Maihofer hat heute morgen geglaubt, die sogenannte Unschuldsvermutung aus dem Bereich des Strafrechts auch in andere Bereiche des Rechts transponieren zu können. Damit führen Sie, Herr Kollege Maihofer, aber, wie ich meine, eine völlig falsche Kategorie in die Diskussion ein; denn hier geht es nicht um Schuld oder Unschuld von Bewerbern, nicht einmal um Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit ihres Handelns, sondern hier geht es allein um den Rechtsbegriff der Eignung. Eine Vermutung im Hinblick auf die Eignung für den öffentlichen Dienst gibt es nun einmal in unserer Rechtsordnung nicht.
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Meine Damen und Herren, nirgends ist die Frage geregelt, ob und unter welchen Voraussetzungen der Bewerber einen Rechtsbeistand hinzuziehen darf, obwohl die Rechtsprechung — das gleiche gilt für die Praxis — dazu kontrovers ist. Der Entschließungsantrag tut aber so, als gäbe es eine solche Regelung.Im Gesetzesvorschlag heißt es ausdrücklich nur, daß in einer ablehnenden Entscheidung die gegen die Verfassungstreue sprechenden Tatsachen anzugeben seien. Die Entschließung behauptet, daß auch die „Bewertung" dieser Tatsachen mitzuteilen sei. Das mag durchaus zweckmäßig und richtig sein. Nur: In dem Gesetzesvorschlag selbst steht davon nichts.So ließe sich die Bewertung des Entschließungsantrags der Koalition fortsetzen. Der Entschließungsantrag der Koalition entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein Dokument der Verzagtheit und der Konfliktscheu zum Zweck der Abwiegelung mit Blick auf die bevorstehenden Parteitage von FDP und SPD.
Dieser Entschließungsantrag ist unredlich — ich sage das bewußt — gegenüber den Mitgliedern in der SPD und der FDP, die diese Frage auf dem Parteitag diskutieren wollen und denen Sand in die Augen gestreut werden soll. Ich kann nur hoffen, daß diese Mitglieder Sie dennoch zwingen werden, sich klar und offen mit Ihnen auseinanderzusetzen.Wenn Sie schon entschlossen sind, Ihren schlechten Gesetzesvorschlag, der nie Gesetz werden darf, mit einer Entschließung zu begleiten, dann empfehle ich Ihnen den Text unseres Entschließungsantrags zur Annahme; denn der ist ehrlich und klar.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schöfberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Vogel hat drei untaugliche Versuche unternommen. Erster Versuch: den Sozialdemokraten vorzuhalten, sie würden die Gefährlichkeit des Weltkommunismus und all seiner kleineren Agenten nicht erkennen oder zumindest unterschätzen. Zweiter Versuch: Sozialdemokraten und Kommunisten in einen Topf zu werfen. Dritter Versuch: nachzuweisen, Sozialdemokraten und Freie Demokraten seien angeblich nicht bereit, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen.Versuche dieser Art sind nicht neu. Neu ist vielleicht immer wieder die Art und Weise, wie sie vorgetragen werden. Ihre ständige Wiederholung rüttelt angesichts der historischen Vorgänge, dem Verhalten der Sozialdemokratie in der Vergangenheit und in der Gegenwart und angesichts praktischer sozialdemokratischer Politik bestenfalls an Ihrer Glaubwürdigkeit, nicht an unserer.
Im übrigen brauchen wir, was die Einschätzung des Kommunismus und seiner Gefährlichkeit betrifft, keine Belehrungen von Ihrer Seite entgegenzunehmen.
Wir sind der Meinung, daß nach dem Grundsatz der wehrhaften Demokratie diese freiheitlich-demokratische Grundordnung geschützt werden muß. Wir wollen ihren Feinden nicht die Mittel der Demokratie an die Hand geben, damit diese so frei sind, die freiheitlich-demokratische Grundordnung auszuhöhlen, aus den Angeln zu heben oder zu vernichten.Unsere Sorge ist es nicht — und ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen —, Kommunisten oder Extremen den Weg in den Staatsdienst zu ebnen. Unsere Sorge am heutigen Tag und auch in der Zukunft ist die Mißbrauchsabwehr nach einer doch erstaunlichen Praxis, die wir auf diesem Gebiet erlebt haben. Der Grundsatz der wehrhaften Demokratie steht nämlich nicht allein im Grundgesetz. Dieser Grundsatz berührt auch andere schützenswerte Wertentscheidungen unserer Verfassung: das Gleichbehandlungsgebot, das Diskriminierungsverbot, die Meinungsfreiheit, die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung und nicht zuletzt das Rechtsstaatsprinzip in all seinen Ausprägungen, von der Verhältnismäßigkeit der Mittel bis zum rechtlichen Gehör. Man kann die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne einer wehrhaften Demokratie nicht schützen, indem man diese verteidigungswerten Grundsätze über Bord wirft.
Und auf der anderen Seite, meine Damen und Herren von der Opposition: Inquisition, Ketzerverfolgung und Hexenverbrennungen sind keine Gebote unseres Grundgesetzes!
Was wir brauchen, ist eine sorgfältige Güterabwägung, eine gewissenhafte Grenzziehung, eine energische Mißbrauchsabwehr und ein rechtsstaatliches Verfahren, das der freiheitlich-demokratischen Grundordnung selbst zur Ehre gereicht.
Gerade um dieses rechtsstaatliche Verfahren geht es beim vorliegenden Gesetzentwurf.
Die Verwertung nicht gerichtsverwertbarer Tatsachen, unwürdige Verhöre, Gesinnungsschnüffelei und seltsame Ablehnungsgründe dürfen keine Zukunft mehr haben.
Auf die Ablehnungsgründe aus der Vergangenheit möchte ich noch kurz eingehen. Herr Kollege Coppik hat dies schon dargelegt.Wir hatten in München einen Fall,
bei dem ein evangelischer Religionslehrer mit Namen Kuder, Mitglied der Sozialdemokratischen Par-
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Dr. Schöfbergertei, durch einen höheren CSU-Beamten aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden sollte, weil er — so wörtlich — „den Gedanken des Friedens in den Mittelpunkt des Religionsunterrichts gestellt" hat und damit seine Pflichten verletzt haben soll. In München wurde bei einem Bewerber, der allerdings nicht Mitglied irgendeiner Partei aber mit einem DKP-Mitglied verheiratet war, die Vorlage eines rechtskräftigen Scheidungsurteils verlangt;
dann stünde seiner Einstellung nichts mehr im Wege. Dies im Freistaat Bayern, wo sonst die hehren Grundsätze der Unauflösbarkeit der Ehe sehr hochgehalten werden!
Hier kann man nur noch wiederholen, was das Bundesverfassungsgerichts dazu auf Seite 28 ausgeführt hat. Das vergiftet in der Tat die politische Atmosphäre, irritiert die Betroffenen in ihrem Vertrauen in die Demokratie und diskreditiert den freiheitlichen Staat.Jetzt darf ich Ihnen noch aus einem Urteil des I. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ein Zitat vorlesen, das in seiner Bedenklichkeit kaum mehr zu übertreffen ist. In diesem Urteil heißt es — ich zitiere mit Genehmigung —:Der Kläger tritt ein für die Entwicklung sozialistischer Alternativprogramme und die Kritik bestehender Verhältnisse und bietet deshalb nicht die Gewähr, jederzeit für die freiheitlichdemokratische Grundordnung einzutreten.Sehen Sie, meine Damen und Herren, an diesem Punkt ist ein Zustand erreicht, bei dem sich alle Sozialdemokraten, die sich zum Godesberger Programm bekennen, betroffen fühlen müssen.Möller [Lübeck] [CDU/CSU] : Dazu gehörennicht mehr viele!)Da wird Mißbrauchsabwehr nicht nur zu einem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch zu einem Gebot der Selbstachtung und der Selbsterhaltung von Sozialdemokraten. Dies muß man einer Partei zubilligen, die in ihrer Geschichte leidvollen und opferreichen Verfolgungen ausgesetzt war und gerade deshalb in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat jedem gefährlichen Ansatz einer neuen Verfolgung nachhaltig widersteht.Wir widerstehen auch einer Begriffsverwirrung, die sich in der Praxis eingeschlichen hat. Hier ist nicht nur von „Extremisten", von „Radikalen" und „Verfassungsfeinden" die Rede, hier werden ganz neue Begriffe kreiert, die ich für äußerst bedenklich halte. Die „Bayerischen Verwaltungsblätter" vorn 15. September 1975 drucken das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ab unter der Überschrift: „Keine Staatsstellung und Ausbildung für nicht systemkonforme Personen".
Dies, meine Damen und Herren, ist ein Ausdruck,der schlaglichtartig kennzeichnet, wohin die Reisegeht, wenn wir hier nicht eine ernsthafte Mißbrauchsabwehr einlegen.
Ich möchte noch auf eine Entwicklung eingehen, die in den Vereinigten Staaten in den 50er und 60er Jahren Platz gegriffen hat, weil wir daraus lernen können. Diese Entwicklung war durch drei Merkmale gekennzeichnet:Erstens durch eine ständige Ausweitung des betroffenen Personenkreises. Während ursprünglich Kommunisten und „subversive elements" gemeint waren, waren es später Pazifisten, Zeugen Jehovas und Gewerkschaftsführer und schließlich alle „gegenüber der Regierung illoyale Personen". Dies wollen wir in der Bundesrepublik verhindern. Zweitens durch die ständige Ausweitung der diskriminierten Verhaltensweisen: Während es ursprünglich kommunistische Betätigung und umstürzlerische Betätigung waren, waren es zum Schluß „unmoralische Verhaltensweisen". Dies wollen wir in der Bundesrepublik verhindern. Drittens durch die ständige Ausweitung der Sanktionen: Während es ursprünglich um das Fernhalten vom öffentlichen Dienst und später um die Vernichtung jeglicher Berufschance in der Privatwirtschaft ging, kam man schließlich zu einem Gesetz, das auch den sozialen Wohnungsbau betraf, nämlich zu dem Gesetz vom 6. Juli 1952, das in den Vereinigten Staaten über lange Zeit angewendet wurde. Dort heißt es wörtlich — ich zitiere mit Genehmigung—:Wohnungen, welche unter Inanspruchnahme von Bundesmitteln gebaut worden sind, dürfen nur von solchen Mietern bezogen werden, die eine eidesstattliche Erklärung abgeben, wonach weder sie selbst noch die mit ihnen in Hausgemeinschaft lebenden Personen Mitglieder einer vom Justizminister als umstürzlerisch bezeichneten Organisation sind.Wir wollen verhüten, daß Sanktionen, die für den öffentlichen Dienst ihren Platz und ihre Berechtigung haben mögen, auf andere Lebensbereiche übergreifen.Wir sehen uns dabei in einer interessanten Kampfgemeinschaft mit einem sehr prominenten Professor, der Ihnen nahesteht. Ich zitiere aus dessen Habilitationsschrift aus dem Jahre 1954, in der dieser Professor die damalige Entwicklung in den Vereinigten Staaten mit Recht geißelt, wenn er — ich zitiere — ausführt:Bei den vorstehend genannten öffentlichen und privaten Maßnahmen gegen den Kommunismus hat sich die Gefahr von zwei schweren Nachteilen ergeben: Einmal können Personen betroffen werden, gegen die der bloße, unbewiesene Verdacht besteht, daß sie Kommunisten sind. Die Rechtsschutzgarantien des Verdächtigten sind gegenüber einigen Maßnahmen schwach. Zum anderen besteht die Möglichkeit, daß eine liberale geistige Einstellung oder die Tatsache, daß ein Amerikaner in einer bestimmten politischen Frage eine von der herrschenden Meinung abweichende Auffassung vertritt, fälschlich als
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Dr. SchöfbergerAusdruck einer kommunistischen Einstellung angesehen wird. Viele Amerikaner— so heißt es weiter —wenden sich daher heute mit Entschiedenheit gegen ein Überhandnehmen der antikommunistischen Tendenzen. Es ist von einer Hexenverfolgung gesprochen worden, die das öffentliche Leben vergifte und insbesondere die Arbeitsfreude der im öffentlichen Dienst stehenden Beamten lähme. Mitglieder des Obersten Gerichtshofs — —
Ich darf um etwas mehr Ruhe bitten.
— — und andere führende Persönlichkeiten des Landes haben ihre tiefe Besorgnis über die mit der Kommunistenbekämpfung verbundene Gefährdung
der liberalen Tradition der USA offen ausgesprochen.
Der Autor dieser Zeilen ist kein geringerer als Ihr heutiger Fraktionsvorsitzender, Professor Dr. Carstens.
Wir hoffen nur — Ihr Beifall verführt dazu —, daß sich diese Gesinnung in der Verteidigungsbereitschaft der Demokratie bis zum heutigen Tage erhalten hat.
Wir Sozialdemokraten wollen Ihnen, Herr Professor Carstens, und Ihrer Mannschaft für Ihre mutigen und engagierten Worte von 1954 danken. Aber wir Sozialdemokraten wollen Ihnen auch heute Gelegenheit geben, sich als Professor — d. h.: als Bekenner — zu Ihrer eigenen Habilitationsschrift zu bekennen und mit uns dafür zu sorgen, daß auf der einen Seite der Grundsatz der wehrhaften Demokratie steht — mit allen Konsequenzen, die nötig sind — und daß auf der anderen Seite durch dieses Gesetzesvorhaben eine Mißbrauchsabwehr geschaffen wird, die unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zur Ehre gereicht.
Meine Damen und Herren, die Rednerliste in der zweiten Beratung ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich darf Sie bitten, die Drucksache 7/4183 und dazu die Drucksache 7/4209 zur Hand zu nehmen. Ich rufe Art. 1 des Gesetzes auf und darf wohl davon ausgehen, daß Übereinstimmung besteht, daß über die Änderungsanträge der CDU/CSU auf Drucksache 7/4209 unter A Ziffern 1, 2 und 3 gemeinsam abzustimmen ist. — Dann rufe ich also zunächst die Änderungsanträge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf Drucksache 7/4209 unter Buchstabe A Ziffern 1, 2 und 3 auf. Wer den Änderungsanträgen unter Buchstabe A Ziffern 1, 2 und 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Änderungsanträge unter Buchstabe A sind gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU abgelehnt.
Die Fraktion der CDU/CSU hat ferner unter Buchstabe B auf derselben Drucksache einen Alternativvorschlag gemacht. Ich rufe die Änderungsanträge unter den Ziffern 1 und 2 unter B — sie betreffen Art. 1 §§ 1 und 3 — auf. Wer den Änderungsanträgen unter B zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Stimmenthaltungen? — Die Anträge sind mit demselben Stimmenverhältnis ebenfalls abgelehnt.
Wir können dann übergehen zur Abstimmung über die Ausschußvorlage Drucksache 7/4183. Können wir über die Vorschriften gemeinsam abstimmen? — Keine Bedenken. Wer in zweiter Lesung den Art. 1, 2 und 3, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Wir treten ein in die
dritte Beratung.
Das Wort zur Aussprache in dritter Beratung hat der Abgeordnete Professor Carstens .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Darf ich Sie um Aufmerksamkeit für den Redner bitten.
Ich stelle mir vor, daß die Korrespondenten der „Prawda" und des „Neuen Deutschland" dieser unserer Debatte heute gefolgt sind, und ich stelle mir vor, was für Schlußfolgerungen sie wohl aus ihr ziehen werden. Da haben die Staaten, die sie hier vertreten haben, nun vor einigen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland eine komunistische Partei gegründet, die von ihnen, von der Sowjetunion und von der DDR, politisch gelenkt und finanziert wird. Die Mitgliederzahl dieser Partei wächst erfreulich; innerhalb von fünf Jahren um 50 %.
Darf ich Sie bitten, Ihre Aufmerksamkeit dem Redner zuzuwenden oder aber die Gespräche, wenn sie unbedingt geführt werden müssen, in der Lobby zu führen.
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— Meine Damen und Herren, ich darf bitten, allseits Ruhe zu bewahren.
Meine Damen und Herren, die Wahlen gehen für diese kommunistische Partei nicht sonderlich günstig aus. Das stimmt. Aber sie hat dafür allerhand nützliche Verbindungen angeknüpft, die sie systematisch weiter ausbaut.Die beiden Gründungsväter, die DDR und die Sowjetunion, haben gerade, am 7. Oktober dieses Jahres, einen Vertrag miteinander geschlossen, in dem sie sich verpflichten, für die Errichtung des Sozialismus und des Kommunismus in den Ländern der Welt einzutreten, in denen diese beiden Gesellschaftssysteme noch nicht errichtet worden sind. Die DKP in unserem Land vertritt den Standpunkt, daß bei uns der Sozialismus nach dem Modell der DDR eingeführt werden sollte.Nun erklären die Vertreter der Regierung sowie die Vertreter der SPD- und der FDP-Fraktion, die hier gesprochen haben, sie wollten zwar keine Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst haben, aber die Mitgliedschaft in der DKP sei für sich allein in der Regel kein Grund, einen Bewerber für den öffentlichen Dienst abzulehnen.Meine Damen und Herren, die Vertreter vom „Neuen Deutschland" und von der „Prawda" werden diese Argumentation zwar nicht verstehen; kein Mensch versteht sie.
Aber sie werden mit dem Ergebnis dessen, was hier von der Regierung und der Regierungskoalition vorgetragen wurde, sehr zufrieden sein.
Ich sagte, kein Mensch versteht die Position der Regierung und der Regierungskoalition; sie ist schlechterdings unverständlich. Das wird dann deutlich, wenn man einen Augenblick die Argumente unter die Lupe nimmt, die zur Unterstützung dieses Standpunkts vorgetragen werden.Da sagt der Herr Bundesminister des Innern, die Vermutung spreche dafür und der Staat müsse davon ausgehen, daß alle seine Bürger verfassungstreu seien. Es bestehe eine Vermutung für die Verfassungstreue der Bürger. Schön, ich will das gar nicht in Abrede stellen, Herr Bundesinnenminister. Aber das ist hier doch nicht der Punkt. Es geht hier doch vielmehr darum, ob eine Vermutung der Verfassungstreue der Mitglieder der kommunistischen Partei besteht.
Davon kann doch wohl schlechterdings nicht die Rede sein. Das haben selbst Sie nicht behauptet. Aber damit ist Ihr ganzes Argument von der vermuteten Verfassungstreue aller Bürger hinfällig.Der Herr Kollege Schöfberger hat mir die Ehre erwiesen, lange Passagen aus meiner Kölner Habilitationsschrift vorzutragen. Herr Kollege Schöfberger, ich stehe unverändert zu jedem Wort, das ich damals geschrieben habe. Aber das ist nicht die Frage, um die es hier geht. Ich wende mich in dieser meiner Schrift dagegen — und ich tue das weiter —, daß man Menschen, ohne Beweise in den Händen zu haben, verdächtigt.
Wenn sich aber ein Bürger unseres Landes entschließt, der Deutschen Kommunistischen Partei beizutreten, dann tritt er doch nicht irgendeinem geselligen Verein bei, meine Damen und Herren, sondern einer organisierten Kampfgemeinschaft, deren Ziel es ist, unsere Ordnung zu beseitigen und an ihre Stelle etwas anderes zu setzen.
Sie sagen immer pauschal: Wir lehnen die Thesen der DKP ab. Aber, meine Damen und Herren von der Oppo — --, von der Koalition
— ich hoffe, Sie werden es demnächst werden, aber man sollte es vielleicht nicht beschwören —,
wissen Sie denn eigentlich, was die Thesen der Deutschen Kommunistischen Partei sind? Wissen Sie, daß eine dieser Thesen die These von der Ausbeutung der Lohnabhängigen durch die Kapitalisten ist? Wissen Sie, daß eine dieser Thesen die These ist, daß die bestehende Gesellschaft nur durch permanenten Klassenkampf verändert werden kann? Und erinnern Sie diese Thesen, meine Damen und Herren, nicht vielleicht an einige Thesen, die auch in Ihren eigenen Reihen unentwegt vertreten werden?
Ich finde, so leicht dürfen wir es uns alle miteinander nicht machen.
Ich habe nie den Standpunkt vertreten, daß die CDU/CSU — wie ich hier fälschlich zitiert worden bin — die einzige politische Kraft in der Bundesrepublik Deutschland sei, die für die freiheitliche Grundordnung eintrete, sondern ich habe gesagt: sie ist die einzige Kraft, die geschlossen für die freiheitliche Ordnung eintritt.
Ich akzeptiere das, was Bürgermeister Koschnick gesagt hat, der allerdings, nachdem er hier eine ziemlich polemische Rede gehalten hat, den Saal leider wieder verlassen hat.
- Nein, ich war die Zeit über hier, als ich angesprochen wurde, Herr Kollege Wehner. Es wäre einguter parlamentarischer Stil auch für den Herrn
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13588 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Dr. Carstens
Bürgermeister Koschnick, dem Sie ja näherstehen als ich
und dem Sie das ruhig mitteilen könnten, wenn er anwesend wäre, wenn man ihm erwidern will.
Ich akzeptiere es, wenn Bürgermeister Koschnick sagt, er stehe zu den Grundsätzen der freiheitlichen Ordnung. Mir ist natürlich auch bekannt, daß die SPD zahlreiche Beschlüsse gefaßt hat, die die Zusammenarbeit von Mitgliedern der SPD mit Kommunisten untersagen. Aber, meine Damen und Herren, manchmal habe ich das Gefühl, diese Beschlüsse sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.
Ich will hier gar nicht von den gemeinsamen Aktionen von Kommunisten und Sozialdemokraten. reden, wenn es sich um Versammlungen oder Veranstaltungen der CDU/CSU handelt.
Aber ich möchte Sie daran erinnern dürfen — das hätte ich gern dem Herrn Bürgermeister Koschnick aus Bremen persönlich gesagt —, daß bei den letzten Hochschulwahlen in Bremen für die Hochschullehrer eine Gemeinschaftsliste präsentiert wurde, die SPD, DKP und Stamokap umfaßte. Was bedeutet unter diesen Umständen, so möchte ich fragen, das Verbot einer Zusammenarbeit, wenn man sich gemeinsam dem Wähler auf einer Wahlliste stellt?
Ich habe auch gehört, daß Herr Bundesminister Franke gemeint hat, in seiner Partei verfolgten manche Ziele, die dem sehr nahekämen, was in der DDR ist; so lautete die Wiedergabe in der Presse. Er hat das hinterher dementiert. Aber wenn man das Dementi genau las, stellte man fest, daß es in Wirklichkeit eine Bestätigung dessen war, was in der Zeitung gestanden hatte.
Ich möchte Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten gerne noch ein weiteres Zitat entgegenhalten, das Sie vielleicht doch etwas nachdenklich stimmen wird. Es ist ein Zitat aus der von Ihrem Parteifreund Steffen herausgegebenen Zeitschrift „Das da", und zwar aus der Aprilnummer dieser Zeitschrift. Dort heißt es zu dem Thema Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten:Wie soll die sozialistische Bewegung im Herrschaftsgefüge der BRD langfristig ein realer Machtfaktor werden können ohne weitgehende politische und materielle Unterstützung durch die DDR? Die antirevisionistische Linke, die heute noch über die DDR die Nase rümpft, weilsie, wie ein chinesisches Sprichwort sagt, an Stelle eines Prinzen nur eine Katze bekommen hat, wird sich damit abfinden müssen, daß sie im Kampf gegen den Hauptfeind, die westdeutschen Monopolherren und ihren Staatsapparat, auf die Unterstützung ihrer Lieblingsfeinde zur Linken, der DKPler und DDR-Revisionisten, noch lange Zeit angewiesen sein werden.
Und wenn ihnen diese politische Notgemeinschaft nicht paßt, weil sie es unter ihrer Würde erachten, mit einem Revi zu marschieren, dann werden sie bald jämmerlich Schiffbruch leiden.
Soweit das Zitat in der von einem maßgebenden prominenten Sozialdemokraten herausgegebenen Zeitschrift „Das da". Meine Damen und Herren von der SPD, setzen Sie sich bitte mit diesen Argumenten und diesen Zitaten und diesen Thesen auseinander und werfen Sie uns nicht pauschal vor, wir verdächtigten Ihre demokratische Zuverlässigkeit! Das tun wir nicht pauschal. Bei demjenigen, der dies geschrieben hat, tun wir es allerdings, und ich glaube, mit Grund.
Was den linken Flügel der FDP anlangt, so geht er zwar in seinen Thesen nicht ganz so weit das will ich gerne einräumen —, aber
— ja, ich versuche immer nett zu sein, Herr Kollege Hoppe — wir können doch schließlich auch nicht an der Tatsache vorbeisehen, daß die Hamburger FDP in einer Resolution vor einiger Zeit die Kommunisten als „kritische Demokraten" bezeichnet hat.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist eben der fundamentale Irrtum: Die Kommunisten sind nur in ihrem Sinne Demokraten, nämlich in volksdemokratischem Sinne, aber nicht in unserem Sinne. Diese Unterscheidung sollten wir deutlich machen.
Ich meine, meine Damen und Herren, es drängt sich die Schlußfolgerung auf, wenn schon die Argumente nicht stechen, die uns hier von der Regierung und der Regierungskoalition vorgetragen werden, daß dann in Wirklichkeit eine andere Ursache, ein anderer Grund für dieses sonst schlechterdings unbegreifliche Verhalten maßgeblich ist, und das ist die Rücksicht jeder der beiden Parteien auf ihren linken Flügel und die Scheu jeder der beiden Parteien, in der Frage der Staatssicherheit eine Auseinandersetzung mit ihrem linken Flügel aufzunehmen.
Denn, meine Damen und Herren, das zweite Argument des Herrn Bundesinnenministers ist doch genauso fadenscheinig wie das erste. Er will unterscheiden zwischen der DKP und ihren Mitgliedern. Er meint, die DKP sei verfassungsfeindlich. Das hat er heute wieder bestätigt. Übrigens sind da andere
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Dr. Carstens
im Lager der Regierungskoalition ganz anderer Meinung. Oberbürgermeister Arndt aus Frankfurt hat der DKP noch vor ganz kurzer Zeit bescheinigt, daß sie verfassungskonform sei. Der Innenminister steht hier aber zu Recht auf dem Standpunkt, sie sei verfassungsfeindlich. Er will dann aber nicht diesen Schluß ziehen, daß dann auch eine Vermutung dafür spricht, daß man aus der Lebenserfahrung heraus davon ausgehen muß, daß auch die Mitglieder einer verfassungsfeindlichen Partei verfassungsfeindlich sind. Das ist der Bruch in der Argumentation, der zeigt, wie schwach die Position ist.Dann hat der Innenminister hier etwas gesagt, was ich nun überhaupt nicht verstehen kann. Er hat zugegeben, daß er unseren Vorschlag, zu sagen, „in der Regel" sollen bei Mitgliedern der kommunistischen Partei Zweifel begründet sein, ob sie für die freiheitliche Ordnung eintreten, verstehe; das sei keine ausnahmslose Regelung, die hier getroffen werde, sondern — das sind jetzt meine Worte — es werde einem Lebenstatbestand Ausdruck verliehen. „Aber", hat der Bundesinnenminister gesagt, „wer sichert uns denn dagegen, daß die Verwaltung in der ihr oft nachgesagten Bequemlichkeit aus dieser Regelbestimmung nicht eine automatische Bestimmung macht? Und weil ich", so sagt der Innenminister, „befürchten muß, daß aus der Regelbestimmung eine automatische Bestimmung wird, deswegen lehne ich sie ab." Verehrter Herr Bundesminister, Sie sollten etwas mehr Zutrauen zur Verwaltung und etwas mehr Mißtrauen gegenüber den Kommunisten haben, dann würden Sie richtig liegen.
Wir wollen ja — ich sage es noch einmal —, daß alles gerichtlich überprüft werden kann, und wir wollen ja, daß nur gerichtlich verwertbare Tatsachen gegen einen Bewerber im öffentlichen Dienst vorgebracht werden sollen. Wir lehnen es ab, die Tätigkeit der Nachrichtendienste als Schnüffelei zu bezeichnen. Das muß auch einmal gesagt werden, meine Damen und Herren. Die Nachrichtendienste leisten unserem Staat einen unschätzbaren Dienst, und wir sollten ihnen dafür auch dankbar sein.
Denn wenn Sie es mit subversiven Staats- und Verfassungsgegnern in Ihrem eigenen Lande zu tun haben, meine Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, dann genügt es nicht, ihnen freundliche Reden zu halten, sondern dann ist es schon notwendig, sich ein Bild davon zu verschaffen, wie stark diese Kräfte sind. Daß das die Verfassungsschutzämter tun, ist ihre Pflicht, und wir haben überhaupt keinen Grund, dies mit herabsetzenden Bemerkungen zu begleiten.
Aber wir wollen ja nicht, daß die Ergebnisse der Überprüfungen und der Recherchen der Verfassungsschutzämter gegen irgend jemanden verwertet werden können, außer wenn sie gerichtlich nachprüfbar sind. Das ist doch eine ganz starke und eindeutige und einwandfreie rechtsstaatliche Garantie. Und wenn ein Mitglied der kommunistischen Partei sagt: ich bin zwar Mitglied der kommunistischen Partei, aber ich glaube nicht an die Ziele dieser Partei, ich setze mich nicht für die Ziele dieser Partei ein, dann soll man ihm Gelegenheit geben, das darzulegen, und vielleicht gelingt es ja einem auch, das plausibel darzulegen. Ich persönlich kann mir das schwer vorstellen, aber ich will ja, daß ihm rechtliches Gehör gegeben wird, ich will ja, daß ihm jede Möglichkeit der objektiven Überprüfung irgendeiner Art eingeräumt wird. Aber dabei nun zu der umgekehrten Folgerung zu kommen, daß man nämlich aus der Mitgliedschaft nicht den selbstverständlichen Schluß ziehen kann, daß hier in der Regel Zweifel begründet sind, das ist das, was ich angreife.Nun sagt der bremische Bürgermeister, Herr Koschnick — das ist das vierte Argument —, man solle doch endlich die Diskussionen über das Berufsverbot beenden, und deswegen solle man den Vorschlag der Regierungskoalition annehmen. Meine Damen und Herren, da muß ich sagen, Herr Koschnick ist ein typisches Beispiel dafür, wie weit die Bewußtseinsveränderung durch die radikale Linke bereits gediehen ist.
Selbstverständlich nicht absichtlich, aber unabsichtlich fällt er auf diesen Trick herein. Meine Damen und Herren, von „Berufsverbot" kann überhaupt keine Rede sein!
Wir setzen uns für eine richtige, sachliche, rechtsstaatlich einwandfreie Behandlung all dieser Fälle ein. „Berufsverbot" ist eines der typischen Schlagworte, einer der typischen Begriffe, mit deren Hilfe der Versuch gemacht wird, das Bewußtsein umzufunktionieren. Begriffe wie „Fremdbestimmung", „Ausbeutung", „Klassenkampf", „Berufsverbot" und „Isolationsfolter" — man könnte sie hier seitenweise vorlesen — dienen dazu, das natürliche Empfinden und die natürliche Urteilsfähigkeit des Bürgers zu verwirren und eine Umkehrsituation entstehen zu lassen, bei der gewissermaßen das Recht zum Unrecht und das Unrecht zum Recht gestempelt werden sollen.Wir wollen niemanden diffamieren, aber — —
— Nein, ich diffamiere auch die kommunistische Partei nicht; ich setze mich mit der kommunistischen Partei auseinander. Wenn Sie das nicht unterscheiden können, meine Damen und Herren, ist das ein bedauerliches Zeichen für Ihren Geisteszustand.
Ich habe noch nie in bezug auf einen Kommunisten ein ähnlich diffamierendes Wort gebraucht, wie es der Vorsitzende Ihrer Fraktion häufig mit Bezug auf Mitglieder meiner Fraktion gebraucht hat. Das möchte ich einmal ganz klar sagen!
Dann kommt das fünfte Argument: Wir wollen kein Duckmäusertum in diesem Lande. Also, meine
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Damen und Herren, wenn ich dieses Argument höre, hört für mich wirklich alles auf. Wie ist es denn in Wirklichkeit an zahlreichen Schulen — ich weiß nicht, ob Herr Hirsch noch da ist; ja, er ist noch da —, wie ist es denn, Herr Hirsch, an zahlreichen Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen — hören Sie sich da einmal um —, in Niedersachsen und in Hessen! Wenn Sie durch die Lande gehen und mit Schülern sprechen, begegnet Ihnen immer wieder die Situation, daß ein Schüler, der bisher sehr gute Noten von seinen linken Lehrern erhalten hatte, plötzlich in seinen Noten herabgestuft wird, weil er es gewagt hat, den politischen Thesen seines Lehrers entgegenzutreten.
— Sie schütteln den Kopf, meine Damen und Herren. Aber diese Reden werden übertragen werden, und es werden Millionen deutscher Eltern das bestätigen, was ich hier sage.
Wir wollen weiß Gott keine Duckmäuser, aber die Gefahr, daß Duckmäuser erzogen werden, ist doch durch die Aktivität der linken Lehrer an unseren Schulen viel größer als durch irgend etwas anderes in. unserem Lande.
Die radikale Linke soll die Meinungsfreiheit haben, die radikale Linke soll die Tausende und Abertausende von Büchern und Broschüren drukken und verteilen können! Es fällt mir nicht leicht, dies zu sagen, meine Damen und Herren; denn es ist zum Teil haarsträubend, was darin steht. Ich weiß nicht, ob Sie das Buch von einem Mann, namens Amendt kennen. Da wird z. B. von der Ehe gesagt: Nur Kinder, die in ihrer Jugend moralisch kaputtgemacht worden seien, seien überhaupt fähig, eine Ehe einzugehen, und in der Ehe würden sie dann endgültig kaputtgemacht.
- Jawohl, das können Sie im Schrifttum der radikalen Linken nachlesen. Es fällt mir schwer, zu sagen, daß die das weiterhin schreiben, drucken und in Deutschland verkaufen sollen. Ich finde es — auf deutsch gesagt — gräßlich. Aber ich bin bereit, mich für die Meinungsfreiheit auch des politischen Gegners, auch des radikalen und extremen politischen Gegners einzusetzen, solange diese Organisationen und Parteien nicht ordnungsgemäß durch das Bundesverfassungsgericht verboten worden sind. Das ist die liberale Haltung, die die CDU/CSU vertritt.
— Jawohl! Aber zur liberalen Haltung gehört eben auch, daß man den Mut hat, die Freiheit und die Meinungsfreiheit gegen diejenigen zu verteidigen, die sie uns wegnehmen wollen. Das sind nämlich zufällig dieselben, meine Damen und Herren.
Dann hat Herr Hirsch davon gesprochen, daß man doch diese kleine Zahl nicht dramatisieren sollte. Immer wieder fällt das Wort von der Hysterie und dann wird von 0,7, 0,8 oder, was weiß ich, wieviel Prozent gesprochen.Herr Kollege Hirsch — vielleicht darf ich das noch einmal sagen —, Ihre beleidigenden Bemerkungen über meinen Kollegen Dregger weise ich zurück.
Sie hätten besser daran getan, sich sachlich mit ihm auseinanderzusetzen, als sich in dieser Form, wie Sie es getan haben, über ihn zu äußern.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob das 0,8 oder mehr oder weniger Prozent sind, aber ich kenne die Schrift- und Druckerzeugnisse, die von dieser radikalen Linken ausgehen, die ihren Eingang in Schulen und in die Kultusministerien der Länder gefunden haben.
- - Das haben Sie schon öfter gehört. Aber es ist ganz gut, daß die deutsche Öffentlichkeit das wiederholt hört, meine verehrten Damen und Herren.
Thomas Nipperdey sagt mit Bezug auf die hessischen Richtlinien — ich zitiere ihn wörtlich —:Solche politpädagogischen Eingriffe in die Eltern-Kind-Beziehungen waren bisher nur von den Nationalsozialisten und den Kommunisten bekannt.
Meine Damen und Herren, Sie wissen alle, daß das Grundgesetz die Ehe und die Familie unter den Schutz des Staates stellt. Wollen Sie ernsthaft behaupten, daß diejenigen, die diese Richtlinien verfaßt und verbreitet haben, auf dem Boden unseres Staates, unserer freiheitlichen Ordnung stehen und für sie eintreten? Das kann doch schlechterdings niemand behaupten.
— Ja, da rufen Sie mir „Verleumder" zu! Aber widerlegen Sie doch mal diese Thesen, meine Damen und Herren. Das wäre doch viel besser. Setzen Sie sich doch einmal mit dem Parteifreund Nipperdey auseinander. Das wäre viel besser, als hier solche Beschimpfungen von sich zu geben.
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Dr. Carstens
Ich möchte Ihnen vorhalten, was vor kurzem ein Mitglied der SPD, der ehemalige Kultusminister von Nordrhein-Westfalen, Herr Holthoff, gesagt hat. Er spricht von kritischen pädagogischen Autoren, zu deren Prinzipien Parteilichkeit der Erziehung, Hinführen zum Klassenkampf und Negation der Gesellschaft gehöre. Er fährt dann fort, die schleichende ideologische Infizierung habe unverkennbar Eingang in verschiedene Richtlinienkommissionen gefunden.
Im Bereich der politischen Bildung seien vorzugsweise jene Normen in Lernziele übertragen worden, die als gegen den Staat gerichtete Individualrechte interpretierbar seien, während Begriffe der Landesverfassungen, die eine Erziehung im Geiste der Menschlichkeit, der Freiheit, der Toleranz, der Liebe zu Volk und Heimat fordern, entweder total ausgeblendet würden oder nach einiger Nachhilfe nur in Kümmerform erschienen.
Wollen Sie ernsthaft behaupten, daß die Verfasser dieser Richtlinien jederzeit uneingeschränkt für die freiheitliche Ordnung im Sinne unseres Grundgesetzes eintreten? Das können Sie doch schlechterdings nicht! Sie werden doch nicht die Texte Ihrer eigenen politischen Freunde widerlegen.
In Bremen — — Ich würde nicht soviel von Bremen sprechen, wenn nicht der Herr Koschnick hier eine so großartige Rede gehalten hätte.
- Den Unterschied zwischen Ernst und Ironie werden Sie auch nie begreifen, meine Damen und Herren.
In Bremen sind nach einem Urteil des -- ich weiß nicht genau, wo er parteipolitisch anzusiedeln ist — zumindest in seinem ganzen Schrifttum als weit linksstehend ausgewiesenen Professors Geiss von 300 Hochschullehrern 50 % dogmatische Marxisten von DKP bis Stamokap.
So sieht die Sache aus, Herr Landesminister Hirsch. Dann kommen Sie nicht mit Ihren Null-Kommasoundsoviel Prozent über die Runden. Mit diesen Erscheinungen in unserem Lande müssen Sie sich auseinandersetzen. Werfen Sie uns bitte, wenn wir das tun, keine Hysterie vor, sondern erkennen Sie bitte an, daß wir darum ringen und uns darum bemühen, diesen Staat für die Freiheit und für die Zukunft unserer Kinder zu erhalten.
Dann kommt schließlich das siebte Argument, das lautet: „Ihr redet immer nur von den Linksradikalen und von den Rechtsradikalen sprecht Ihr nicht." Meine Damen und Herren! Wir sprechen auch von den Rechtsradikalen. Ich sage es hier und habe es unzählige Male gesagt. Ich wiederhole es: Ein rechtsradikaler Verfassungsgegner darf und soll genausowenig wie ein linksradikaler Verfassungsgegner Beamter in diesem Lande werden.
Aber wir müssen doch die Wirklichkeit, die Realität so betrachten, wie sie sich uns darbietet. Lesen Sie doch einmal den Verfassungsschutzbericht des Bundesministers des Innern für das Jahr 1974. Darin wird gesagt, der Einfluß der Rechtsradikalen gehe immer weiter zurück. Es heißt da wörtlich:Sie sind weiterhin eine unbedeutende Randerscheinung in unserem Staat und unserer Gesellschaft.Sie können doch nicht, indem Sie auf den Rechtsradikalismus ablenken, die Schwere der Auseinandersetzung leugnen und vertuschen, die wir alle zusammen gegen den Linksradikalismus führen müssen, weil der Linksradikalismus weit stärker als der Rechtsradikalismus ist und weil der Linksradikalismus massive Hilfe von außen und — Gott sei es geklagt! — auch aus dem anderen Teil unseres Landes erhält.
Meine Damen und Herren, wir, die Christlich Demokratische Union und die Christlich Soziale Union wollen einen freien Staat. Wir haben an der Gründung dieses unseres freien Staates entscheidenden Anteil gehabt, und niemand wird uns übertreffen in dem Einsatz für die Erhaltung der Freiheit in diesem Staat. Das möchte ich zunächst sagen.
Wir wollen, daß in diesem Staat auch die Meinungsfreiheit erhalten bleibt. Gerade weil wir das wollen, setzen wir uns mit denen auseinander, deren erklärtes Ziel es ist, den Sozialismus nach dem Modell der DDR bei uns einzuführen. Es wird doch kein Mensch behaupten wollen, daß in der DDR Meinungsfreiheit herrscht. Also: Wer Meinungsfreiheit will, muß sich mit denen auseinandersetzen, die die Meinungsfreiheit beseitigen wollen.
Wir wollen allerdings auch die Vernebelungsversuche der Koalition und der Regierung durchstoßen; Vernebelungsversuche, die immer wieder darauf hinauslaufen, die eigentliche Frage, um die es geht, in einem Schwall von Argumenten untergehen zu lassen, so daß der Bürger im Lande nachher überhaupt nicht mehr weiß, wovon die Rede ist. Wir wollen — und ich sage es noch einmal mit aller Klarheit , daß ein Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei in der Regel nicht Beamter, nicht Lehrer, nicht Staatsanwalt oder Richter in der Bundesrepublik Deutschland werden soll. Das ist unser Standpunkt!
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache in der dritten Beratung fort. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Schäfer.
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13592 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redner der Opposition haben hier eine doppelte Taktik angewandt, die aber für jeden deutlich sichtbar ist. Sie haben, so wie im Februar letzten Jahres bei der Verfassungsdebatte, die Beratung dieses Gesetzentwurfs versucht zum Anlaß zu nehmen, um den Eindruck zu erwecken, die Sozialdemokratische Partei, die Sozialliberale Koalition sei nicht willens und nicht fähig, diesen freien demokratischen Staat zu führen, sei nicht fähig, ihn zu gewährleisten. Meine Damen und Herren, schauen Sie die Geschichte seit 1945 ehrlich an, und Sie werden feststellen, daß keine Partei so viel an geistiger und tatsächlicher Auseinandersetzung mit dem Kommunismus geleistet hat wie die Sozialdemokratische Partei Deutschlands.
Sie berufen heute Kurt Schumacher
in der üblichen Weise der Angehörigen Ihrer Partei,
daß tote Sozialdemokraten Ihre Zustimmung haben.
Kurt Schumacher hätte keine Freude daran, in dieser Weise von Ihnen zitiert zu werden,
weil er genau wüßte, daß diese Partei seit 113 Jahren für die Freiheit des Menschen, für die Freiheit des Staates kämpft und daß sie das stärkste politische Bollwerk in der Bundesrepublik Deutschland ist.
Meine Damen und Herren, in der Sache sollte man eigentlich meinen, daß man gar nicht so weit voneinander sein könnte. Von keiner Seite sind die Bestimmungen des Grundgesetzes in Zweifel gezogen worden. Von keiner Seite ist die Bestimmung des Beamtenrechtsrahmengesetzes und damit auch die Bestimmungen der Beamtengesetze der Länder in Zweifel gezogen worden, nämlich daß der Beamte jederzeit für diese demokratische Grundordnung eintreten muß. Darüber besteht Einigkeit.
Was wir heute vorlegen — darauf will ich im einzelnen gar nicht eingehen, denn dies wurde ausführlich begründet —, ist ein Gesetzentwurf, der das Verfahren rechtsstaatlich regeln soll und der jeden von vornherein in seiner Position, wie das Grundgesetz sie ihm gegeben hat, respektieren soll. Wir wären froh, Herr Kollege Carstens, wenn Sie Ihre Erkenntnisse, zu denen Sie sich ja heute noch bekennen, in die politische Praxis umgesetzt hätten. Dann hätten Sie unsere Anträge voll unterstützen müssen,
weil wir nämlich genau die Sorgen haben, von denen der Kollege Schöfberger vorhin gesprochen hat.
Herr Abgeordneter Professor Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte erst einige Gedanken entwickeln. Ich muß Ihnen einmal mehr sagen, daß Sie zwei Dinge bewußt vermengen oder daß Sie einen so sterilen Begriff von unserer Gesellschaftsordnung und von unserer politisch-demokratischen Ordung haben, daß es Ihnen nicht möglich ist, diese Dinge zu unterscheiden. Es ist ein Unterschied zu machen zwischen Personen, die gegen die demokratische Grundordnung dieses Staates aktiv kämpfen, und Personen, denen die Gesellschaftsordnung in der Form, wie sie zur Zeit besteht, auf Grund der Verfassung nicht ausreichend erscheint und die sie verbessern wollen. Der frühere Bundespräsident Heinemann hat dazu vor kurzem ganz richtig ausgeführt — ich zitiere aus der „Stuttgarter Zeitung" vom 8. Oktober 1975 —:
Radikale Verfechter von Freiheit und Demokratie würden auch da in den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit gerückt werden, wo sie mit der Verfassung für bessere Freiheit und Demokratie eintreten.
Meine Damen und Herren, genau darum geht es bei vielen jungen Leuten.
Ich komme aus einer kleinen Universitätsstadt, wo man die Verhältnisse überblickt und den einzelnen Menschen vor Augen hat.
Ich wollte Sie besonders darauf hinweisen, welchen gravierenden Fehler Sie machen. Lassen Sie mich vorweg einen Professor aus Tübingen zitieren, der mir vor kurzem sagte: Vor sechs oder acht Jahren ging ich in ein zweistündiges Seminar mit der Sorge, ob ich es bestehe; nach zwei Stunden kam ich angestrengt heraus. Heute komme ich nach zwei Stunden gelangweilt heraus, weil die Studenten gar nicht mehr den Mut haben, ihre abweichenden Auffassungen ernsthaft zur Diskussion zu stellen.
— Ich freue mich, daß Sie auch empört sind. Ich freue mich, daß das ganze Haus dies mit Empörung zur Kenntnis nimmt.
Eine solche Haltung ist die schlimmste Folge von dem, was heute hier wiederholt mit dem Ausdruck „Duckmäusertum" bezeichnet worden ist. Schauen Sie sich einmal die jungen Leute an. Wer im Alter von 20 Jahren mit allen Verhältnissen hier einverstanden ist, wird mit 35 oder 40 Jahren auch kein guter Beamter sein, mit dem man etwas anfangen kann. Er hat dort schon ein gebrochenes Kreuz und andere Bezugspunkte. Wenn wir in unserem Volk nicht ganz bewußt die gestaltenden Kräfte der Jugend animieren und nutzen, um die ältere Genera-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Frei tag, den 24. Oktober 1975 13593
Dr. Schäfer
tion anzuregen, die Verhältnisse neu zu überdenken, dann sind wir ein armes Volk.
Daß die CDU/CSU diese Haltung nicht hat, wissen wir. Damit mögen Sie sich beschäftigen. Wir Sozialdemokraten haben diese Haltung.
Wir gehen auf diese Anregungen ein, auch wenn es anstrengend ist. Wenn es in einem Volk so ist, daß die junge Generation Angst haben muß, photographiert zu werden, registriert zu werden, Angst haben muß, daß ihre Reisen in die DDR registriert werden, Angst haben muß, wenn der Bruder etwas unternimmt oder wenn der Vater etwas unternommen hat, ist Sorge am Platz.
Da ist Sorge am Platz, daß man nicht in eine Richtung verfällt — —
— Wenn Sie nicht zuhören können, dann ist es Ihre Sache. Ich sage trotzdem, was ich für notwendig halte, und es ist sehr notwendig,
Sie zum Schluß noch einmal darauf hinzuweisen. Es ist sehr notwendig.
Ich will Ihnen sagen, was die Wirkung ist — und die ist ganz schlimm —: Wenn der 20jährige, der 22jährige seine Meinung offen sagt und damit in Widerstreit kommt und sich dann — —
— Jetzt sind Sie doch mal still!
— Sie nehmen mir nicht weg, was ich sagen will. Anscheinend ist es für Sie unangenehm. Ich sage es noch einmal:
Wenn der 20- oder 22jährige seine Meinung offen sagt und Sorge haben muß, daß ihn das später belastet, dann kommt bei ihm ganz selbstverständlich die Schlußfolgerung: Das kann ja nicht mein Staat sein, in dem ich in meinem Leben wirken kann, davon muß ich mich ja distanzieren. Sie schieben ja mit dieser Methode die jungen Leute hinaus.
Das Bundesverfassungsgericht hat erkannt und hat deutlich gesagt — ich kann es Ihnen hier vorlesen —, daß die Erregung, die Emotion, die berechtigte Erregung in diesem Alter nicht eine Basis ist, um die Verfassungszuverlässigkeit für die Zukunft zu entscheiden. Sie würden hier etwas machen, wenn wir es nicht verhinderten. Aber dort, wo Sie die Möglichkeit haben, wie z. B. in Baden-Württemberg, da tun Sie es. Da kommt der Justizminister Bender hierher und liest eine nette Rede vor. Und schauen Sie sich mal die Praxis im Lande an! 70 000 Überprüfungen bis jetzt in diesem Lande, 70000 Ermittlungen. Gehen Sie mal hin in die Schulen, in die Gymnasien in Baden-Württemberg und hören Sie sich das an, welche Angst dort herrscht! Und genau das ist schlimm!
Genau das ist schlimm.
Wer die Verfassungsgrundsätze bejaht — und wir hier tun das, hoffe ich, ja alle —, der muß sich trotzdem dem Auftrag der Verfassung gemäß darum bemühen, zum Beispiel die Frage des Eigentums abzugrenzen. So sagt es Artikel 14 Abs. 1 ausdrücklich. Ich habe Sie im Februar vor einem Jahr aufgefordert, Herr Dregger, Sie sollen mir einmal sagen, wo Jungsozialisten Vorstellungen vertreten haben, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Sie sind mir die Antwort bis heute schuldig geblieben.
Herr Abgeordneter Professor Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich will diese Gedanken zusammenhängend vortragen.
Amerika hat seine Verfassung jetzt gerade 200 Jahre. 200 Jahre amerikanische Verfassung. Wollen Sie vielleicht sagen, die amerikanische Gesellschaft sei die gleiche geblieben wie vor 200 Jahren? Wir haben jetzt 25 Jahre — —
— Sehen Sie, Sie begreifen es eben nicht, Herr Dregger. Vielen Dank für Ihren Zuruf.
— Sehr gut; ich komme gleich darauf zurück. Ich komme gleich darauf zurück,
Wir sind uns einig, daß unsere Verfassung eine dynamische Verfassung ist. Was bei Ihnen der Fehler ist, Herr Dregger,
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Dr. Schäfer
das will ich Ihnen sehr deutlich sagen: daß Sie teils bewußt, teils unbewußt das, was sich gegen die Verfassung richtet, und das, was sich gegen Formen der Gesellschaft richtet, zusammenwerfen. Marktordnung ist konform der Verfassung; aber sie ist nicht d i e Verfassung, sondern auch andere Möglichkeiten — —
— Nein, Herr Dregger, das tun Sie!
— Lesen Sie Ihre Rede nach, und Sie werden zu der Feststellung kommen.
Herr Kollege Carstens, Sie haben Herrn Geiss zitiert. Das ist Ihre Sache. Ich weiß, daß Herr Geiss Sie einmal einen Reaktionär genannt hat. Ob er damit recht hat, können auch nur Sie beurteilen.
— Sie kennen ihn gar nicht.
— Ich auch.
— Sehen Sie, Sie zitieren ihn und bezeichnen es als Mist. Vielen Dank! Da sind wir uns in diesem Punkt schon wieder einig, was Sie zitiert haben.Sie sagen, die Mitgliedschaft in der DKP müsse für sich allein eine Entscheidungsgrundlage sein. Soll ich Ihnen Seite 32 des Urteils vorlesen, wo das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich sagt, daß es nur ein Stück ist und daß es — —
— Eben nicht! Dann muß ich es Ihnen doch vorlesen.
— Bundesverfassungsgericht!
— Das interessiert Sie anscheinend nicht. Ich sage es Ihnen wörtlich, damit es im Protokoll steht.
Das Bundesverfassungsgericht sagt:Ein Stück des Verhaltens, das für die hier geforderte Beurteilung der Persönlichkeit des Bewerbers erheblich sein kann, kann auch der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sein, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, unabhängig, ob sie verboten ist oder nicht.
— Sehen Sie! Also ist es doch nahezu unverständlich, meine Herren,
daß Sie diesen Änderungsantrag heute stellen, denn Sie honorieren damit nicht den Urteilsspruch des Verfassungsgerichts.
Wir meinen, daß wir ihn auch in einem anderen Punkt befolgen sollen, nämlich bei der Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes. Wer kein Amt hat, soll auch nicht Beamter sein. Wir wollen eine einheitliche Regelung auf dem gesamten Gebiet und keine Regelung, die einen Teil der Bewerber, einen Teil derjenigen, die im Vorbereitungsdienst sind — —
— Doch, das ist Punkt c der verbundenen Tagesordnung, Herr Dregger. Ich kann nichts dafür, wenn Sie das nicht wissen; aber ich helfe Ihnen gerne. — Wir sind gegen eine Regelung, die sich diffamierend für den einen oder anderen Teil auswirken kann.Meine Damen und Herren, wenn man vom Staat spricht, muß man sich daran erinnern, daß der Staat durch Beamte handelt. Wenn Sie sich das so vorstellen, wie der Staat, handelnd durch einen Beamten, den Bewerber nach Ihrer Vorstellung überprüft und gnädig geruht, ein Wort zu sagen oder nicht zu sagen, dann erinnert man sich sehr an das, was man einst als Obrigkeitsstaat gekannt hat. Genau diese Regelung wollen und werden wir mit diesem Gesetzentwurf verhindern.
Wir werden sie verhindern, und ich kann mir nicht vorstellen, daß der Bundesrat hier seine Zustimmung verweigert. Eine gewissenhafte Überprüfung wird bei jedem ergeben, daß dieser Gesetzentwurf seine Aufgabe erfüllt.Ihr heutiger Versuch, Herr Dregger und Herr Carstens, hier das Ganze unter eine von Ihnen groß aufgebaute antikommunistische Agitation und Abwehrhaltung zu stellen, ist verfehlt. Davon brauchen Sie Sozialdemokraten nicht zu überzeugen. Sozialdemokraten haben von jeher gewußt, wie sie und daß sie den Staat zu verteidigen haben.Wir beantragen deshalb namentliche Abstimmung.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13595
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ausweislich der Ihnen vorliegenden Drucksache haben wir uns über die Frage zu unterhalten, wie der von allen Fraktionen unseres Hauses in gar keinem Fall gewünschte Zugang von Leuten, die nicht die Gewähr bieten, unsere Verfassung zu verteidigen, zum öffentlichen Dienst verhindert werden kann. Das weist die Drucksache meiner Meinung nach sehr deutlich aus.Statt dessen hat die Opposition jetzt mehrere Stunden darauf verwandt, darzulegen, daß die Regierungsparteien in Wirklichkeit das, was in diesem Gesetz steht, gar nicht wollen, und hat versucht, in der nun wirklich schon übersattsam bekannten Weise Mißtrauen gegen die verfassungsrechtliche Zuverlässigkeit der Regierungsparteien auszustreuen. Das ist doch ein Verfahren, das Ihnen die Leute draußen nicht abnehmen werden. Es entgeht dem Wähler nicht, daß die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten seit 1969, seit nunmehr sechs Jahren, die Regierung stellen und alles getan haben, um dafür zu sorgen, daß die Dinge so verlaufen, wie es unserem Grundgesetz und seinen Ansätzen entspricht. Statt dessen geht Herr Carstens her und macht finstere Andeutungen darüber, wie die etwas mehr Linken bei der FDP — bei der SPD sowieso — in Wirklichkeit ja nur versuchen, ihren Helfershelfern die Strickleiter aus dem Fenster zu hängen, damit sie unser Staatsgebäude erklettern können. Genau dies wird mit Sicherheit nicht stattfinden.Herr Carstens, Sie waren mehrfach so freundlich — allerdings nur in Nebensätzen, die bei den mit der Materie nicht unmittelbar befaßten Kollegen wahrscheinlich keine besondere Beachtung gefunden haben —, darauf hinzuweisen, daß die Parteizugehörigkeit „in der Regel" eine Rolle spielen soll, daß die Frage der Beweislast so oder so beurteilt werden soll. Und dann haben Sie noch etwas ganz Wesentliches gesagt, aber meiner Ansicht nach daraus einen falschen Schluß gezogen. Sie haben nämlich gesagt, wir sollten mehr Zutrauen in unsere Verwaltung haben. Das möchte ich allerdings mit Nachdruck unterstreichen. Wir sollten uns hier jedoch nicht vormachen, daß wir mit dem Gesetz und seinen Formulierungen etwa Dinge in Ordnung bringen könnten, wenn sie in der Verwaltung nicht vom Ansatz her in Ordnung sind.
Wer eingestellt oder nicht eingestellt wird, entscheidet die Einstellungsbehörde. Wenn jemand behauptet, der betreffende Bewerber würde etwas unangenehm aus dem Halse riechen,
und ihn mit dieser Begründung nicht einstellt, dann wird das zur Folge haben, daß es dagegen nicht einmal ein Rechtsmittel gibt. Aber Sie zäumen die Sache hier an der rechtlichen Regelung auf. Diese rechtliche Regelung ist das Rückgrat, ist die Basis, die wir der Verwaltung geben müssen — trotzallem —, aber vorweg kommt unser Zutrauen in die Verwaltung überhaupt. Das wollte ich damit gesagt haben.Ihre Schlußfolgerungen, Herr Carstens, kann ich gar nicht teilen, nämlich daß wir hier so ein Gesetz machten, weil wir zuwenig Vertrauen in die Verwaltung hätten. Es ist doch völlig umgekehrt: Weil wir ein erhebliches Vertrauen darin haben, daß diese Leute praktisch und vernünftig denken und sich ein Gesamtbild von dem Bewerber machen, wobei in Ausnahmefällen vielleicht auch gewisse politische Komponenten eine Rolle spielen, können wir uns hier auf ein Minimum an gesetzlichen Regelungen beschränken. Das ist so geschehen. Wir müssen aber das, was Sie selbst gesagt haben, in eine brauchbare rechtliche Form kleiden. Wir müssen nämlich sagen: Grundsätzlich ist die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei eben nicht der Grund, den Bewerber fernzuhalten.
Denn der Gegenbeweis, von dem Sie ja selbst gesprochen haben, muß in diesem Verfahren rechtsstaatlicherweise erst herausgefordert werden, das muß in dem Verfahren angelegt sein. Ich kann nicht umgekehrt mit der nachteiligen Vermutung arbeiten und dann erwarten, daß sich der Mann rechtfertigt. So herum ist die Geschichte rechtsstaatlich einfach nicht sauber.Sie haben auch, Herr Carstens, einige weitere faktische Voraussetzungen schlicht übersehen. Die von Ihnen zitierten Hessischen Rahmenrichtlinien existieren nicht mehr, sie sind längst geändert worden, und gewisse personelle Veränderungen soll es in Hessen auch gegeben haben. Daß Ihnen dieser kleine Irrtum unterlaufen ist, ist noch nicht so schlimm; etwas schlimmer ist schon, daß wir bereits in erster Lesung die Hamburger Verhältnisse hier besprochen haben, Frau Schuchardt hierhergegangen ist, um Ihnen mühsam und ganz sorgfältig auseinanderzusetzen, wie es sich wirklich verhalten hat, und Sie völlig ungeachtet dieser im Plenum des Deutschen Bundestages erfolgten Klarstellung nachweislich falsche — und höflicherweise auch noch richtiggestellte — Behauptungen weiterhin aufrechterhalten. Das gefällt uns überhaupt nicht. Das ist einfach schlechter Stil.
— Es war so, daß die Jungdemokraten in Hamburg einen Antrag etwa des von Ihnen zitierten Inhalts gestellt haben und der Parteitag in seiner Diskussion dann dazu gekommen ist, diesen Antrag ganz wesentlich zu ändern. Der hauptsächlich inkriminierte Satz, nämlich der, daß Kommunisten kritische Demokraten seien — wie Sie gesagt haben —, ist nicht so gefallen, sondern er ist in der Form gefallen, daß es heißt, daß auch unter Kommunisten kritische Demokraten sein könnten. Das ist allerdings unser Denkansatz. Das ist allerdings das, was uns offenbar von Ihnen unterscheidet. Das kommt auch in
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13596 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Kleinertder Art zum Ausdruck, wie dieser Gesetzentwurf konzipiert worden ist.
Wir gehen davon aus, daß es überall Leute geben kann, die sich geirrt haben, die fehlgegangen sind, und daß man als Demokrat alles tun muß, um sie für unsere gemeinsame demokratische Sache wiederzugewinnen. Davon gehen wir allerdings aus. Wir wollen nicht, daß die wenigen Extremisten hinausgedrängt werden und gleichzeitig versucht wird — sei es ausdrücklich oder weniger ausdrücklich —, möglichst viele Leute, die in Wirklichkeit ganz unanfechtbar anständige Demokraten sind, in dieselbe Ecke zu drücken, so wie Sie das den ganzen Tag versuchen.
Herr Vogel hat Herrn Dubcek erwähnt. Ich weiß gar nicht, ob es für irgend jemand im Saale ein Problem ist, daß Herr Dubcek erstens Kommunist ist, daß er zweitens nicht für unsere — warum auch? — freiheitlich-demokratische Grundordnung streitet. Aber ich meine, das Beispiel Dubcek gibt zu etwas weiteren Überlegungen Veranlassung, als Herr Vogel sie angestellt hat. Denn wer in Ihren Reihen, insbesondere wenn er etwas älter ist, möchte sagen, daß er zu Zeiten des Nationalsozialismus nicht eine ganze Menge Leute gekannt hat, die dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstanden, aber nicht doch in dessen Wasser mitgeschwommen wären, sich konform und karrierebewußt verhalten hätten und damit das ganze System getragen, vielleicht sogar überhaupt erst ermöglicht hätten? Das ist doch die Situation, in der sich auf der anderen Seite des Spektrums Herr Dubcek befindet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich doch gerne einmal die uns viel vertrautere andere Spielart ansprechen, nämlich wer alles im Dritten Reich gemeint hat, zwar intellektuell ziemlich kritisch sein zu müssen, im übrigen aber nicht aufzufallen und dadurch die ganze Sache zu tragen. Sehen Sie das doch bitte einmal spiegelbildlich: rechts und links.
Es ist sehr spät geworden, und ich weiß, daß Sie alle Verpflichtungen haben. Es fällt wirklich schwer, einige weitere Anmerkungen zu unterdrücken, nachdem von dieser Stelle aus mindestens mutwillig, aber auch böswillig der Graben zwischen Leuten aufgerissen wird, die in Wirklichkeit dasselbe wollen, aber einen leicht unterschiedlichen Weg zum Ziel suchen, und dann so getan wird, als ob die einen das gar nicht wollten, sondern das Gegenteil, und man selber der Garant dieses freiheitlichen Rechtsstaates wäre. Es fällt sehr schwer.Ich bin am Wochenende im Theater gewesen, im Ballhof in Hannover; ein sehr empfehlenswertes Theater. Ich habe von Arthur Miller das Stück „Hexenjagd" gesehen. In diesem Stück gibt es zwei Pastoren. Der eine Pastor, Herr Carstens, hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit Ihnen:
ein unheimlich wacher, intellektueller Verstand, sehr angenehme Umgangsformen, stets bemüht, nicht gegen das zu verstoßen, was man für den guten Ton hält, und am Ende über das Ergebnis seiner Bemühungen in so völliger Verzweiflung, daß er fast auf Knien das Femegricht, so möchte ich beinahe sagen, bittet, das, was er selbst eingerührt hat, zu verhindern und ein anderes Urteil zu sprechen. Wir möchten das nicht.Deshalb werden wir das Gesetz so beschließen, wie wir es vorgeschlagen haben.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der dritten Beratung.Es ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich gehe davon aus, daß der Antrag entsprechend unterstützt wird. Damit treten wir in die Abstimmung ein. —Meine Damen und Herren, ich schließe die namentliche Abstimmung und bitte Sie, sich auf die Plätze zu begeben, damit wir während der Auszählung in der Tagesordnung fortfahren können.Es ist interfraktionell vereinbart worden, die erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes — Drucksache 7/4206 — noch auf die Tagesordnung zu setzen. Ich frage, ob das Haus damit einverstanden ist. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr die Punkte 4 bis 8 sowie den Zusatzpunkt auf Drucksache 7/4206 auf; es handelt sich um aus der Mitte des Hauses, von der Bundesregierung und vom Bundesrat vorgelegte Entwürfe:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes-- Drucksache 7/4141 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Sonderausschuß für die Strafrechtsreform Ausschuß für Jugend, Familie und GesundheitErste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem AKP-EWG-Abkommen von Lomé vom 28. Februar 1975 sowie zu den mit diesem Abkommen in Zusammenhang stehenden Abkommen- Drucksache 7/4139 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GOErste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes— Drucksache 7/4140 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß
Haushaltsausschuß
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13597
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenErste Beratung des von den Abgeordneten von Bockelberg, Kleinert, Metzger, Dr. Weber , Erhard (Bad Schwalbach) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Partnerschaftsgesetzes— Drucksache 7/4089 —Üherweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
FinanzausschußAusschuß für WirtschaftErste Beratung des von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes und des Einkommensteuergesetzes— Drucksache 7/4194 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für innerdeutsche Beziehungen HaushaltsausschußErste Beratung des von der Fraktion derCDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes— Drucksache 7/4206 —Überweisungsvorschlag des ÄltestenratesAusschuß für Arbeit und Sozialordnung InnenausschußVerteidigungsausschußHaushaltsausschußIch frage, ob das Wort begehrt wird. — Das ist nicht der Fall. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates bitte ich der Tagesordnung zu entnehmen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? -- Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Kreutzmann, Barche, Büchler , Zebisch, Niegel, Böhm (Melsungen), Hösl, Dr. Warnke, Wolfgramm (Göttingen.) und Genossen betr. Förderung des Zonenrandgebietes— Drucksache 7/4117 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Ausschuß für WirtschaftDas Wort wird zur Begründung nicht gewünscht. Das Wort wird auch zur Aussprache nicht gewünscht. Den Überweisungsvorschlag bitte ich der Tagesordnung zu entnehmen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich darf zwischendurch bemerken: über die noch vorliegenden Entschließungsanträge kann erst abgestimmt werden,wenn das Ergebnis der dritten Beratung vorliegtAuch wenn es vorauszusehen ist, muß ich entsprechend der Geschäftsordnung so verfahren, wie ich soeben gesagt habe.Ich rufe Punkt 11 auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Abgeordneten Rollmann, Dreyer, Ey, Schröder (Lüneburg) und Genossen betr.Information ausländischer Kraftfahrer über nationales Verkehrsrecht im europäischen RaumDrucksachen 7/2829, 7/4098 —Berichterstatter: Abgeordneter WendtEine Ergänzung des Berichts wird nicht gewünscht. Das Wort wird ebenfalls nicht begehrt.Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke! Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 12 auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem Bericht der Bundesregierung über die Einführung eines einheitlichen Notrufnummernsystems im Bundesgebiet— Drucksachen 7/2588 , 7/4108 —Berichterstatter: Abgeordneter WendeIch frage den Herrn Berichterstatter, ob das Wort noch begehrt wird. — Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. In der Aussprache wird das Wort ebenfalls nicht verlangt.Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Keine Gegenstimmen, keine Stimmenthaltungen; es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses zu der Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Entwurf des Berichtigungs- und Nachtragshaushaltsplans Nr. 1 der Europäischen Gemeinschaften für das Haushaltsjahr 1975— Drucksachen 7/3621, 7/4126 —Berichterstatter:Abgeordneter Carstens
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und gehe davon aus, daß keine Ergänzung des Schriftlichen Berichts gewünscht wird. Das Wort wird auch in der Aussprache nicht begehrt.Wer dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? —Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses betr. Haushaltsführung 1975 hier: Zustimmung zu überplanmäßigen Haushaltsausgaben bei Kap. 11 11 Tit. 61611 —Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit— Drucksachen 7/3745, 7/4092 — Berichterstatter: Abgeordneter Krampe
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13598 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch frage den Herrn Berichterstatter, ob er seinen Bericht zu ergänzen wünscht. — Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch in der Aussprache nicht begehrt.Wer dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich kann nunmehr Punkt 15 der Tagesordnung aufrufen:Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses betr. Zustimmung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 15 02 Tit. 681 11 des Haushaltsjahres 1975 (Beihilfen an jugendliche Zuwanderer für Schul- und Berufsausbildung)— Drucksachen 7/3903, 7/4093 —Berichterstatter:Abgeordneter Schröder
Der Herr Berichterstatter wünscht keine Ergänzung des Schriftlichen Berichts. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird auch in der Aussprache nicht begehrt.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen.— Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 16 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Benz, Engelsberger, Dr. Franz, Hösl, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Weber (Heidelberg) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Amt zur Bewertung technologischer Entwicklung beim Deutschen Bundestag— Drucksachen 7/468, 7/3802 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Haenschke Abgeordneter HoffieAbgeordneter LenzerDas Wort wird von den Herren Berichterstattern zur Ergänzung des Berichts nicht gewünscht. Das Wort wird auch in der Aussprache nicht gewünscht.Wer dem Antrag des Ausschusses, der auf Ablehnung lautet, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Dem Antrag des Ausschusses ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition stattgegeben.Meine Damen und Herren, ich kann nunmehr das Ergebnis der Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften— Drucksache 7/4183 — bekanntgeben. An der Abstimmung haben sich insgesamt 438 Mitglieder desHauses und 18 Berliner Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 242 Abgeordnete und 12 Berliner Kollegen, mit Nein 196 Abgeordnete und 6 Berliner Kollegen gestimmt.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 438 und 18 Berliner Abgeordnete; davonja: 242 und 12 Berliner Abgeordnete, nein: 196 und 6 Berliner Abgeordnete.JaSPDAdamsAmlingAnbuhlDr. ApelArendt Dr. Arndt (Hamburg) AugsteinBaackBäuerleBarcheBahrDr. Bardens BatzDr. BayerlBecker BlankDr. Böhme BörnerFrau von Bothmer BrandtBrandt BredlBrückBuchstaller Büchler
Büchner
Dr. von Bülow BuschfortDr. BußmannColletConradiCoppikDr. CorterierFrau Däubler-Gmelin Dr. von Dohnanyi DürrEckerland Dr. Ehmke Dr. EhrenbergFrau Eilers Dr. EmmerlichDr. Enders Engholm EstersEwenFellermaier FiebigDr. Fischer FlämigFrau Dr. FockeFranke FrehseeFriedrich GanselGeigerGerstl
Dr. Geßner GlombigDr. Glotz Gnädinger Grobecker Grunenberg Dr. HaackHaarHaase
Haase
HaehserDr. HaenschkeHalfmeier HansenHauckDr. Hauff HenkeHeroldHöhmann Hofmann Dr. Holtz HornFrau HuberImmer
Jahn
JaschkeJaunichDr. Jens Junghans JunkerKaffkaKaterKernKoblitzKonradKratzDr. KreutzmannKrockert Kulawig Lambinus Lattmann Dr. LauritzenLautenschlagerLempLendersFrau Dr. LepsiusLiedtkeLöbbertLutzMahneMarquardt Marschall Matthöfer Frau MeermannDr. Meinecke Meinike (Oberhausen)Metzger MöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Müller
Müller
Müller
Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNeumann Dr.-Ing. OettingFrau Dr. OrthFreiherrOstman von der Leye PawelczykPeiterDr. Penner
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13599
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenPenskyPeterPolkehnPorznerRapp
Rappe
RavensFrau Dr. RehlenReiserFrau RengerReuschenbachRichterFrau Dr. Riedel-Martiny RöhligRohdeRosenthal SanderSaxowskiDr. SchachtschabelSchäfer
Dr. Schäfer SchefflerScheuFrau SchimschokSchinzel Schlaga SchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeDr. Schöfberger SchonhofenSchreiber Schulte
SchwabeDr. SchweitzerDr. Schwencke Dr. Schwenk (Stade) SeefeldSeibertSimonSimpfendörferDr. SperlingSpilleckeStahl
Frau SteinhauerSundTietjenFrau Dr. TimmTönjesUrbaniak Vahlberg VitDr. Vogel VogelsangWaltematheWaltherDr. Weber
Wehner Wendt Dr. WernitzWestphal Wiefel Wimmer WischnewskiDr. de WithWittmann WolfWolfram WredeWürtzWüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch ZeitlerBerliner AbgeordneteBühlingDr. Dübber EgertGrimmingFrau Grützmann LöfflerManningMattickFrau Schlei Schwedler SieglerschmidtFDPDr. AchenbachBaumDr. BögerEngelhard Frau Funcke GallusGeldnerGenscherHölscherHoffieJungKirstKleinertKrallDr.-Ing. Laermann LogemannFrau LüdemannDr. Dr. h. c. Maihofer Mertes MischnickMöllemann MoerschOlleschOpitzPeters Schmidt (Kempten) von SchoelerFrau Schuchardt SpitzmüllerDr. Vohrer Dr. Wendig ZywietzBerliner Abgeordnete HoppeNeinCDU/CSUDr. Abelein Dr. Aignervon Alten-Nordheim Dr. AlthammerDr. Arnold Dr. ArtzingerBaierDr. Becher Dr. Becker
Frau Benedix
BenzBergerBewerunge BiecheleBiehleDr. von BismarckDr. Blümvon Bockelberg Böhm BraunBreidbach BremerBremm BurgerCarstens
Dr. Carstens
Dr. Czaja Dammvan Delden Dr. Dollinger Dr. Dregger DreyerEigenEilers EngelsbergerEntrupDr. ErhardErhard ErnestiDr. Evers Dr. Eyrich Freiherr von FircksFranke
Dr. Franz Dr. FrühDr. Fuchs Geisenhofer Gerlach
Gerster
Gierenstein Dr. GötzDr. Gruhl Haase
Dr. Häfele Härzschel Dr. Hammansvon HasselHauser Hauser (Krefeld)Dr. Hauser HöcherlHöslDr. HornhuesHorstmeier Frau HürlandHussingJäger
Dr. Jahn Dr. Jahn (Münster)Dr. JenningerDr. Jobst JostenKatzerDr. KempflerKiechleDr. Klein
Dr. Klein
Dr. Klepsch Dr. KliesingDr. Köhler
Dr. Köhler KrampeDr. Kraske Kroll-SchlüterFreiherrvon Kühlmann-Stumm Dr. Kunz LagershausenLampersbachLeichtLemmrichDr. Lenz LenzerLinkLöherDr. Luda Dr. Marx Maucher MemmelDr. Mertes MickDr. Mikat Dr. MiltnerMilzMöller
Müller
Dr. Müller-HermannDr. NarjesFrau Dr. NeumeisterNiegelNordlohneDr.-Ing. OldenstädtOrgaßFrau Pack Pfeffermann PfeiferPicardPierothPohlmann Dr. Prassler Dr. Probst RainerRaweReddemannFrau Dr. Riede Dr. Riedl (München)Dr. Ritgen Dr. RitzRöhnerRollmann RommerskirchenRoserRusseSauer
Sauter
Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinDr. SchäubleFrau Schleicher SchmidhuberSchmidt Schmitt (Lockweiler) Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Luneburg)Schulte
Dr. Schulze-VorbergDr. SchwörerSeitersSickSolkeDr. FreiherrSpies von Büllesheim SpilkerSpranger SpringorumDr. Sprung Stahlberg Dr. Stark
Graf StauffenbergDr. StavenhagenFrau StommelStücklen Sussetde Terra ThürkTillmannDr. TodenhöferFrau TüblerDr. UnlandVeharFrau VerhülsdonkVogel
VogtVolmerDr. WaffenschmidtDr. Wagner
Dr. WaigelDr. WallmannFrau Dr. WalzWawrzikWeber Werner
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13600 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenFrau Dr. WexFrau Will-Feld Windelen Wissebach
Meine Damen und Herren, ich kann damit zu den weiteren Ziffern des Ausschußantrages auf Drucksache 7/4183 zurückkehren.Wir haben zunächst über die Ziffern 2 und 3 des Ausschußantrages, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 7/2432 und die zu den Entwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, abzustimmen. Ich schlage vor, daß wir über die Ziffern 2 und 3 gemeinsam abstimmen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Wer den Ziffern 2 und 3 des Ausschußantrags zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Gegen die Stimmen der Opposition mit den Stimmen der Koalition angenommen.Wir kommen zu Ziffer 4 des Ausschußantrages. Hier liegt ein Entschließungsantrag des Ausschusses vor. Das Wort wird dazu nicht begehrt.Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Danke. Stimmenthaltungen? — Damit ist auch der Entschließungsantrag ebenso wie das Gesetz in der dritten Beratung angenommen.Es liegt noch ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4210 vor. Er ist nach dem Vermerk des amtierenden Präsidenten in der zweiten Lesung eingebracht worden. Wird noch das Wort dazu begehrt? — Das ist nicht der Fall.Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Danke. Stimmenthaltungen? — Meine Damen und Herren, der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4210 ist abgelehnt.Wir haben jetzt noch die erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksache 7/4187 — abzuschließen. Das Wort wird dazu nicht mehr begehrt. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Innenausschuß — federführend — und an den Rechtsausschuß — mitberatend — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, damit ist der gesamte Tagesordnungspunkt 3 erledigt. Wir können in der Beratung der anderen Tagesordnungspunkte fortfahren.Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Agrarbericht 1975— Drucksachen 7/3210, 7/3211, 7/4151 — Berichterstatter: Abgeordneter EigenEine Ergänzung des schriftlichen Berichts wird nicht gewünscht. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem Antrag des Ausschusses, von dem Agrarbericht Kenntnis zu nehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Dem Antrag des Ausschusses ist zugestimmt.Ich rufe nunmehr Punkt 18 der Tagesordnung auf:Beratung der Ubersicht 15 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht— Drucksache 7/4090 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Lenz
Eine Ergänzung des vorgelegten Berichts wird nicht gewünscht. Der Ausschuß schlägt vor, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer diesem Vorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe die Punkte 19 bis 33 unserer Tagesordnung auf:19. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Ursprung von Mineralölerzeugnissen— Drucksachen 7/2447, 7/4106 — Berichterstatter: Abgeordneter Scheu20. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Abkommens über den Handel mit Spinnstoffen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Islamischen Republik Pakistan sowie zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu diesem Abkommen— Drucksachen 7/3993, 7/4099 —Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975 13601
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen21. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Abkommens über den Handel mit Spinnstoffen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Indien sowie zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu diesem AbkommenDrucksachen 7/3970, 7/4102 —Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber22. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu der von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Mitteilung der EG-Kommission über die Probleme in der Halbstoff-, Papier- und Pappenerzeugung— Drucksachen 7/2039, 7/4103 — Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber23. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Programm der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für im Bereich der Bauwirtschaft durchzuführende Aktionen— Drucksachen 7/3271, 7/4104 —Berichterstatter: Abgeordneter Junker24. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über die Änderung des Zeitplans für die Ausarbeitung des Jahresberichts über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft— Drucksachen 7/3961, 7/4105 — Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber25. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates über ein gemeinschaftliches Verfahren zur Unterrichtung und Konsultation über die Preise für Rohöl und Mineralölerzeugnisse in der Gemeinschaft— Drucksachen 7/3979, 7/4144 — Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber26. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für Verordnungen und Mitteilungen an den Rat zum Schema der Allgemeinen Zollpräferenzen der Europäischen Gemeinschaften für 1976— Drucksachen 7/3878, 7/4145 — Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber27. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Abänderung der Ratsverordnung Nr. 1056/72 über die Mitteilung der Investitionsvorhaben von gemeinschaftlichem Interesse auf dem Erdöl-, Erdgas- und Elektrizitätssektor an die Kommission— Drucksachen 7/3987, 7/4146 — Berichterstatter: Abgeordneter Scheu28. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Keramikgegenstände, die für die Aufnahme von Lebensmitteln bestimmt sind— Drucksachen 7/3209, 7/4148 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Lüdemann29. Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Entscheidung des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für die Anlage und Fortschreibung eines ständigen europäischen Bestandsverzeichnisses der Informationsquellen auf dem Gebiet des Umweltschutzes— Drucksachen 7/3435, 7/4125 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Gruhl, Abgeordneter Konrad30. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung in bezug auf die Mittel des Europäischen Sozialfonds— Drucksachen 7/3809, 7/4091 —Berichterstatter:Abgeordneter Franke
31. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 und zur Vereinheitlichung der Regelung für die Zahlung der Familienleistungen an Arbeitnehmer, deren Familienangehörige in ei-
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13602 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Oktober 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausennem anderen als dem Beschäftigungsland wohnen— Drucksachen 7/3589, 7/4109 — Berichterstatter: Abgeordneter Augstein32. Beratung des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EGKS, Euratom, EWG) des Rates zur Festlegung der Gruppe der Empfänger, der Bedingungen für die Gewährung und der Sätze der Vergütungen, die den im Schichtdienst im Sinne von Artikel 56 a des Statuts arbeitenden Beamten gewährt werden können— Drucksachen 7/3951, 7/4110 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Schäfer
33. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates über die Erhebung einer Ausfuhrabgabe bei Versorgungsschwierigkeiten mit Zucker für bestimmte Waren außer Anhang II des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die Saccharose enthalten— Drucksachen 7/3701, 7/4152 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Schmidt
Ich danke den Berichterstattern und frage, ob einer von ihnen das Wort wünscht. — Das ist nicht der Fall. Ich frage, ob das Wort zur Aussprache begehrt wird. — Auch das ist offensichtlich nicht der Fall.Ich frage, ob das Haus damit einverstanden ist, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen.
— Ich danke Ihnen. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 4106, 4099, 4102, 4103, 4104, 4105, 4144, 4145, 4146, 4148, 4125, 4091, 4109, 4110 und 4152. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe!— Zwei Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 34 der Tagesordnung auf:a) Beratung der Sammelübersicht 47 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 13. Dezember 1972 bis 30. September 1975 eingegangenen Petitionen— Drucksache 7/4142 —b) Beratung der Sammelübersicht 48 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 7/4166 — Berichterstatterin: Abgeordnete Frau GrützmannIch danke der Berichterstatterin und frage sie, ob das Wort zur Ergänzung gewünscht wird. — Bitte, Frau Kollegin Grützmann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe verständlicherweise gezögert, die Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt aufrechtzuerhalten, weil ich weiß, daß Sie, die Kollegen, nun endlich in Ihre Wahlkreise fahren wollen. Der Petitionsausschuß hat aber ausdrücklich darum gebeten, daß ich mich heute zu Wort melde, weil wir die wenigen Chancen, diese für den Bürger außerordentlich wichtige Arbeit im Plenum darzustellen, nicht ungenutzt lassen können.Mit Recht hat jemand dem Petitionsausschuß einmal die Funktion eines sozialen Frühwarnsystems zuerkannt. Etwas volkstümlicher bezeichnet man diesen Ausschuß als die Klagemauer der Bürger. Er erfüllt also eine ernst zu nehmende Aufgabe. Wenn dennoch dieser Bericht nach dem Punkt „EG-Richtlinien" als vorletzter Punkt auf die Tagesordnung gesetzt wird, macht das nicht nur für uns, die wir im Petitionsausschuß tätig sind, sondern meiner Meinung nach auch nach draußen einen schlechten Eindruck und zeigt deutlich den Stellenwert an, den man diesem Ausschuß beimißt.
Aber keine Sorge: Davon erfährt die Offentlichkeit nichts; denn die so kritischen Medien sind jetzt natürlich mit voller Tasche, wie die Tribüne zeigt, längst auf dem Wege nach Hause.
Jährlich werden rund 12 000 Bitten und Beschwerden der Bürger im Ausschuß behandelt, und es ist zu vermuten, daß schon jeder der 518 Abgeordneten über seine Sprechstunde Zulieferer für den Petitionsausschuß war. Damit hat es dann aber — bitte, entschuldigen Sie diese Offenheit — ganz offensichtlich sein Bewenden. Der Schreibtisch ist um einen Vorgang leichter geworden, und die Kollegen im Ausschuß, die werden es schon machen. Diese Haltung ist nicht nur bedauerlich, sie ist auch unverständlich.
In kaum einem anderen Ausschuß wird dem Bürger in solch einem Maße geholfen, wird die Verwaltung und wird Parkinson kontrolliert. In keinem anderen Ausschuß erfahren wir von den vielen Problemen, den Nöten, die sich aus den von uns beschlossenen Gesetzen oder auch wegen fehlender Gesetze ergeben.Zur Arbeit selbst: Gerade in den letzten Wochen hat sich der Petitionsausschuß erfolgreich mit einer Reihe von Fällen befassen können, die zeigen, daß wir mehr sind als nur eine Lazarettstation mit letzter Hilfe für ausweglose Fälle. Drei Beispiele sollen es verdeutlichen.
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Frau GrützmannErstes Beispiel: Der Ausschuß hat sich ausführlich mit den Problemen beschäftigt, die sich aus dem Rentenzahlverfahren mit dem Ausland ergeben. Das vielzitierte Prinzip der Freizügigkeit in der Europäischen Gemeinschaft ist in diesem Bereich noch recht unvollkommen. In der Praxis wird jemand, der etwa als Rentner nach Italien zieht, schwer benachteiligt. Auf die Auszahlung der ohnehin nur zweimonatlich überwiesenen Rente muß er nicht selten mit einem Verzug von zwei bis drei Monaten warten. Dazu kommen in vielen Fällen Kursverluste.Mit den tragischen Konsequenzen wurde der Petitionsausschuß bereits Ende 1973 befaßt. Ich will Ihnen die Einzelheiten ersparen, meine aber, daß hier umgehend Abhilfe geschaffen werden muß. Der Ausschuß hat Bundesminister Arendt gebeten, die bereits eingeleiteten Gespräche mit den betreffenden Ländern — die Niederlande gehören auch dazu — beschleunigt fortzusetzen und über die Ergebnisse zu berichten, damit dieses Problem endlich zufriedenstellend gelöst wird.Zugleich hat der Ausschuß beschlossen, sich seinerseits an die Europäische Gemeinschaft zu wenden und nachdrücklich eine Änderung der bisherigen Vorschriften zu verlangen. Immerhin sind von den hier aufgetretenen Schwierigkeiten allein in Italien über 32 000 deutsche Rentner betroffen. Es geht also keineswegs um Einzelfälle.Zweites Beispiel: Ein ebenfalls tragischer Fall, über den meine Kollegin Dr. Riede bereits im Juni berichtet hatte, konnte inzwischen ich sage: einigermaßen — befriedigend abgeschlossen werden. Es handelte sich um eine Petentin, die wegen Abhörens eines englischen Senders zur Zeit des Nazi-Regimes zu einer Zuchthausstrafe verurteilt und deren Ehe aus diesem Grunde geschieden worden war. Die Petentin hatte beantragt, ihr aus der Versicherung ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes eine Hinterbliebenenrente zu gewähren.Wegen des in dem Scheidungsurteil von 1943 — wohlgemerkt: 1943 — ausgesprochenen Mitverschuldens der Frau wurde dies zunächst abgelehnt. Ich erinnere daran, daß wir jetzt bereits im Jahre 1975 sind. Inzwischen konnte, nicht zuletzt auf Grund der Bemühungen des Petitionsausschusses, erreicht werden, daß sich die Rentenversicherungsanstalt — im Jahre 1975! — im Vergleichswege bereit erklärte, für die Zukunft die beantragte Rente zu gewähren. Die Versicherungsanstalt sah sich allerdings nicht imstande, eine Nachzahlung ins Auge zu fassen.
Immerhin konnte auf diese Weise verhindert werden, daß die Petentin weiterhin die Folgen eines auf nationalsozialistischem Unrecht basierenden Scheidungsurteils zu tragen hatte.Drittes Beispiel: Hier handelt es sich um ein typisches Problem des oft zitierten kleinen Mannes — im Jahr der Frau vielleicht auch der Bürgerin von der Straße. Nach geltendem Recht wird aus verschiedenen Gründen bei Urteilen der Amtsgerichte in Zivilsachen keine Rechtsmittelbelehrung erteilt. Die Parteien des Rechtsstreits, die hier natürlich besonders oft rechtsunkundig sind, wissen also, wenn sie unterlegen sind, in vielen Fällen nicht, an wen sie sich mit einem Rechtsmittel zu wenden haben und innerhalb welcher Frist dies geschehen muß. Die Folge ist, daß viele Bürger von den ihnen zustehenden Möglichkeiten keinen oder einen zu späten Gebrauch machen, also aus Rechtsunkenntnis einen Rechtsverlust erleiden. Nun werden die Juristen auch dafür sicher eine Begründung parat haben. Der Ausschuß aber war der Meinung, daß hier eine Lösung für den Bürger gefunden werden sollte. Die Petition ist deshalb der Bundesregierung zur Erwägung überwiesen worden. Wir haben insbesondere empfohlen, die verschiedenen Belehrungen der Parteien über ihre Pflichten im Zivilprozeß in einem Grundtatbestand zusammenzufassen. Neben einer Rechtsmittelbelehrung über formale Anfechtungsmöglichkeiten soll eine Belehrung über Befugnisse und Obliegenheiten im Zivilprozeß sowie über die Folgen ihrer Nichtbeachtung vorgeschrieben werden. Damit soll eine klarere und bessere Gestaltung aller Rechtsschutzmöglichkeiten im Zivilprozeß erreicht werden.Lassen Sie mich zum Abschluß noch darauf hinweisen, daß der Ausschuß in einigen Fällen von der ihm durch die Grundgesetzänderung und das dazu ergangene Gesetz endlich zugestandenen Erweiterung seiner Befugnisse, vor allem von dem Recht auf Aktenvorlage, Gebrauch gemacht hat und dies in besonderen Fällen auch weiterhin tun wird.
Es genügt schließlich nicht, eine Petition irgendwann zu erledigen. Wenn wirksam geholfen werden soll — das ist gerade auch bei älteren Petenten wichtig —, muß es schnell gehen. Auf dem Wege zu diesem Ziel gilt es, mit Hilfe des Gesetzes, aber auch durch organisatorische Verbesserungen bei der Petitionsbearbeitung ein weiteres Stück voranzukommen. — Vielen Dank für Ihre Geduld.
Meine Damen und Herren, ich danke der Frau Berichterstatterin sehr und schlage vor, die Punkte 34 a und 34 b gemeinsam zu behandeln.Wer dem Votum des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmg so beschlossen.Meine Damen und Herren, wir haben noch die Punkte 2 und 3 der ursprünglichen Tagesordnung zu erledigen. Ich rufe Punkt 2 auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 2. Dezember 1972 über sichere Container— Drucksache 7/3917 —
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Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenBericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
Drucksache 7/4096 —Berichterstatter: Abgeordneter Dreyer
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Das Wort zur Ergänzung des Schriftlichen Berichts wird nicht gewünscht.Ich rufe in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung Art. 1 bis 11 sowie Einleitung und Überschrift in der Fassung des Ausschußantrags auf. — Das Wort wird auch in der Aussprache nicht begehrt.Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Punkt 3:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen über den Luftverkehr-- Drucksache 7/3821 Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
-- Drucksache 7/4097 —Berichterstatter: Abgeordneter Tönjes
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. — Eine Ergänzung des Schriftlichen Berichts wird nicht gewünscht. — Das Wort wird auch in der Aussprache nicht begehrt.Ich rufe in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung Art. 1 und 2 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Meine Damen und Herren, ich kann nunmehr Punkt 9 aufrufen:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach Artikel 29 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes— Drucksache 7/4167 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß
RechtsausschußZur Begründung der Regierungsvorlage hat der Herr Bundesinnenminister das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hatte zu prüfen, ob eine Wiederherstellung der vormaligen Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe mit den Zielen einer zeitgerechten Neugliederung übereinstimmen oder ob sie ihnen widersprechen würde. Sie ist zu der Überzeugung gelangt, daß dem Ergebnis dieser erfolgreichen Volksentscheide aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden kann:Erstens. Das Grundgesetz fordert in Art. 29 Abs. 1, das durch die Neugliederung Länder geschaffen werden, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Selbständige Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe könnten aber wegen ihrer zu geringen Größe und der sich daraus ergebenden mangelnden Leistungsfähigkeit ihre Aufgaben weniger wirksam erfüllen als das jetzige Land Niedersachsen.Zweitens. Die Verselbständigung der beiden Gebietsteile würde zugleich auch die Leistungsfähigkeit des verbleibenden Landes Niedersachsen erheblich schmälern.Drittens. Die Beibehaltung der gegenwärtigen staatlichen Gliederung begründet darüber hinaus eine günstigere Ausgangslage für jede künftige Neugliederung des Bundesgebiets, als sie entstünde, wenn der Gesetzgeber den Volksentscheiden stattgeben würde.Viertens. Die Bundesregierung ist weiter der Auffassung, daß die landsmannschaftlichen, geschichtlichen und kulturellen Besonderheiten von Oldenburg und Schaumburg-Lippe, die bei den Volksentscheiden vom 19. Januar 1975 eine maßgebliche Rolle gespielt haben, auch im größeren Verband des Landes Niedersachsen gewahrt und gepflegt werden können, ohne daß dessen Fortbestand in Frage gestellt werden müßte. Ich darf hierfür auch auf die im Abschnitt II Nr. 3 der Gesetzesbegründung wiedergegebene Erklärung der Regierung des Landes Niedersachsen verweisen.Die Bundesregierung ist daher der Überzeugung, daß bei der Bestimmung der weiteren Landeszugehörigkeit von Oldenburg und Schaumburg-Lippe nach den Vorschriften des Grundgesetzes keine andere Entscheidung in Betracht kommt, als sie in dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen ist.Uns allen ist bewußt, daß es politisch unbefriedigend ist, über erfolgreiche Volksentscheide hinweggehen zu müssen, ohne daß zugleich eine großräumige Neugliederung des Bundesgebietes in Angriff genommen wird, etwa auf der Grundlage der Vorschläge der Ernst-Kommission, die nach der Auffassung der Bundesregierung den Richtbegriffen des Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes entsprechend und für die Verwirklichung einer zeitgerechten Neugliederung des Bundesgebietes geeignet erscheinen.
Ich glaube, hier Zustimmung zu finden, wenn ich sage, daß die gleichzeitige Vorlage eines Gesetzes zur Neugliederung des Bundesgebietes nach einer umfassenden und gebietsmäßig konkretisierten Kon-
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Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihoferzeption nur dann sinnvoll und vom Verfassungsauftrag des Art. 29 des Grundgesetzes her verantwortbar wäre, wenn die dabei vorgesehenen Änderungen des Gebietsbestands der Länder Aussicht hätten, die mehrheitliche Zustimmung der politischen Parteien und insbesondere der betroffenen Bevölkerung zu finden. Diese Voraussetzungen liegen derzeit nicht vor. Darüber gibt es gar keine Meinungsverschiedenheiten.Daher scheint es jetzt geboten, nach einem Weg zu suchen, wie die Grundgesetzbestimmung des Art. 29 nach Zielen und Verfahren den Bedürfnissen der Gegenwart und Zukunft angepaßt werden kann. Ich habe bereits am 22. Januar 1975 im Innenausschuß des Deutschen Bundestages angekündigt, daß ich darüber Gespräche mit allen verantwortlichen politischen Kräften in Bund und Ländern aufnehmen würde.Inzwischen hat eine Reihe solcher Gespräche und Sitzungen stattgefunden, an denen Vertreter der Regierungsparteien und der Oppositionsparteien sowie Repräsentanten der an der Neugliederungsproblematik besonders interessierten Länder teilgenommen haben. Das Ziel der Besprechungen ist die Schaffung eines Regierungsentwurfs für eine Neufassung des Art. 29 des Grundgesetzes, der Aussicht hat, die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat zu finden. In den Gesprächen ist in allen wesentlichen Grundzügen zwischen den Teilnehmern Übereinstimmung erzielt worden, über die ich beim ersten Durchgang im Bundesrat vor einigen Tagen berichtet habe. Ich gehe somit davon aus, daß ich in Kürze dem Kabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 29 des Grundgesetzes vorlegen kann. Es wird dann Sache des Deutschen Bundestages und des Bundesrates sein, für eine Neufassung des Neugliederungsartikels unseres Grundgesetzes Sorge zu tragen, die den Erfordernissen der Zukunft besser gerecht wird als die derzeitige Regelung.
Meine Damen und Herren, damit ist die Vorlage begründet. Wir treten in die Aussprache ein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Klein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was dem Petitionsausschuß recht ist, ist der Vorlage zu Art. 29 billig. Ich meine, der Bedeutung der Angelegenheit ist es nicht ganz angemessen, diesen Entwurf zu so später Stunde zu beraten. Die Tagesordnung hat es nicht anders ermöglicht, aber ich glaube, aus der Sicht derjenigen, die von dieser Angelegenheit unmittelbar betroffen sind, aber auch aus unserer aller Sicht, weil ja doch sehr prinzipielle Fragen aufgeworfen werden, ist die Bedeutung dieser Vorlage nicht zu unterschätzen.Der Bundesinnenminister hat, wie ich meine, zu Recht darauf hingewiesen, daß wir alle der Verabschiedung dieses uns von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs nicht ganz ohne Unbehagen entgegensehen können. Das Gesetz ist durch die am 19. Januar dieses Jahres in Oldenburg und Schaumburg-Lippe durchgeführten Volksentscheide notwendig geworden, mit denen sich die Bevölkerung dieser Gebietsteile des Bundeslandes Niedersachsen mit den erforderlichen Mehrheiten für die Wiederherstellung der früheren Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe ausgesprochen hat. Das erwähnte Unbehagen resultiert daraus, daß die Verfassung hier — es handelt sich dabei um den einzigen Fall dieser Art — dem Volk Gelegenheit gibt, unmittelbar seinen Willen in einer bestimmten Sachfrage zu äußern. Das Volk hat sich nun geäußert. Wir aber als Gesetzgeber schicken uns an, ihm zu sagen, daß diese Äußerung folgenlos und alles beim alten bleiben werde. Die Problematik dieser evidenten Düpierung des Stimmbürgers liegt, wie ich meine, auf der Hand. Es droht zumindest bei den direkt Betroffenen eine Frustration des demokratischen Staatsbewußtseins.
Deshalb kann es für den Deutschen Bundestag in diesem Fall bei der nüchternen Aussage des Gesetzentwurfs, der Verwaltungsbezirk Oldenburg und der Landkreis Schaumburg-Lippe verblieben beim Land Niedersachsen, sein Bewenden nicht haben, wenn es denn schon mit Rücksicht auf die übrigens ja nicht ganz unumstrittene Verfassungsrechtslage zu der von der Bevölkerung gewünschten Wiederherstellung der alten Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe nicht kommen kann.In der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes heißt es, die Gesichtspunkte der landsmannschaftlichen Verbundenheit und der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge könnten im Vergleich zu den anderen Maßgaben des Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes kein so großes Gewicht beanspruchen, daß dem Wunsch der Bevölkerung zu entsprechen wäre. Ich habe mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß der Innenausschuß in seiner gestrigen Sitzung diese Begründung als nicht zureichend empfunden und die Bundesregierung um eine weitere und eingehendere Begründung in den bevorstehenden Beratungen gebeten hat.Dem Bundestag jedoch verbleibt auf alle Fälle die Verpflichtung, auf andere Weise, wenn schon dem Wunsch der Bevölkerung nicht entsprochen werden kann, das Seine zu tun, um zu gewährleisten, daß diesen Gesichtspunkten entsprechend dem in den Volksentscheiden zum Ausdruck gekommenen Willen der Bevölkerung Rechnung getragen wird. Es ist ja bemerkenswert, daß die zum gleichen Zeitpunkt in einem anderen Bundesland, in RheinlandPfalz, durchgeführten Volksentscheide sämtlich ohne Erfolg geblieben sind. Daran ließen sich einige parteipolitisch interessante Bemerkungen knüpfen. Aber vor allen Dingen ist es eine Angelegenheit von staatspolitischem Rang, daß 30 Jahre nach Gründung des Landes Niedersachsen die Integration seiner Bevölkerung noch nicht gelungen ist. Die Annahme liegt nahe, daß die Behandlung, die die Bevölkerung in Oldenburg und Schaumburg-Lippe seitens der fast ausnahmslos von der SPD getragenen niedersächsischen Landesregierungen erfahren hat,
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Dr. Klein
jenen Unwillen hervorgerufen hat, der sich in den Volksentscheiden artikuliert.
In der Tat ist das Ergebnis der Volksentscheide ein Anzeichen dafür, daß sich die Bürger in Oldenburg und Schaumburg-Lippe im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung, des Ausbaus der öffentlichen Einrichtungen, der Pflege der heimatgebundenen Einrichtungen und bei der Verwaltungs- und Gebietsreform schlecht behandelt fühlen. Dieses Tatbestandes muß sich der Bundestag annehmen. Er muß, gerichtet an die Adresse des Landes Niedersachsen, in geeigneter Weise, etwa in der Form einer Entschließung, der Erwartung Ausdruck verleihen, daß der in einem demokratischen Verfahren geäußerte Wunsch der Bevölkerung in Oldenburg und Schaumburg-Lippe nach einer Veränderung der bestehenden Verhältnisse nicht einfach übergangen wird. Es scheint, als habe auch die Bundesregierung dieses Problem erkannt. Denn anders ist es ja nicht zu erklären, daß sie der Regierung des Landes Niedersachsens Gelegenheit gegeben hat, sich im Rahmen der amtlichen Begründung des Entwurfs zu dieser Frage zu äußern. Diese Äußerung ist nun freilich völlig unzureichend.
Sie erschöpft sich im wesentlichen in einer ziemlich selbstgefälligen und selbstgerechten Schilderung dessen, was bisher für Oldenburg und SchaumburgLippe alles getan worden sein soll. Aber gerade das hat ja die Menschen dort nicht überzeugt. Es kann deshalb auch nicht das vage Versprechen genügen, in der bisherigen Weise fortzufahren. Auch darin weiß ich mich mit dem Innenausschuß des Deutschen Bundestags einig, der die Landesregierung aufgefordert hat, konkrete Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie sie den Belangen der Bevölkerung von Oldenburg und Schaumburg-Lippe Rechnung zu tragen beabsichtigt.Es ist zu sagen: Die in dem Ergebnis des Volksentscheids im Gebiet des ehemaligen Landes Oldenburg zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen und Wünsche müssen bei der im Lande Niedersachsen anstehenden Gebietsreform Berücksichtigung finden.
Die schon bestehende Oldenburgische Landschaft sollte ausgebaut, insbesondere an der Verwaltung kultureller Einrichtungen des ehemaligen Landes Oldenburg beteiligt und zu diesem Zweck auch mit eigenen finanziellen Mitteln ausgestattet werden.Es ist die Errichtung einer am Vorbild der ostfriesischen Landschaft orientierten Schaumburg-Lippischen Landschaft vorzusehen, der die Verwaltung des Domanialvermögens des ehemaligen Landes Schaumburg-Lippe zu übertragen wäre, das heute teilweise durch den Landkreis Schaumburg-Lippe, zum anderen Teil durch das Land Niedersachsen verwaltet wird. Ich möchte im übrigen darauf hinweisen
— mit diesem Zwischenruf werden Sie in Schaumburg-Lippe gut ankommen, Herr Kollege Hansen —, daß, was diesen Punkt angeht, sogar eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Artikel 135 Abs. 4 bzw. Abs. 5 des Grundgesetzes gegeben sein könnte.Der Deutsche Bundestag kann sich im Hinblick auf seine Verantwortung für die Demokratie in Deutschland dieser Verpflichtung nicht etwa unter Hinweis auf gegebene Landeskompetenzen entziehen. Hier geht es nicht darum, Querulanten abzuwimmeln, sondern unter Beweis zu stellen, daß dieser Staat den Willen seiner Bürger achtet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Carstens.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als einer derjenigen, der an dem Volksentscheid in Oldenburg teilgenommen hat, möchte ich zu dieser Frage Stellung nehmen. Ich meine auch, daß es durchaus gerechtfertigt sein müßte, auch zu dieser Stunde vom Grundsatz her etwas auszusagen.Ich möchte Ihnen vorweg erklären, daß ich mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in keiner Weise einverstanden bin und daß ich damit auch in keiner Weise einverstanden sein kann.Am 19. Januar 1975 hat die Bevölkerung des oldenburgischen Gebietes auf Grund eines in Artikel 29 des Grundgesetzes vorgesehenen Verfahrens durch einen mit einer überaus präzisen Fragestellung verbundenen Volksentscheid klar zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht beim Lande Niedersachsen verbleiben will, sondern Oldenburg wieder zu einem selbständigen Land machen möchte. Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang, daß — wie schon mein Kollege Professor Klein zum Ausdruck brachte — nur im Lande Niedersachsen zwei Volksentscheide positiv ausgegangen sind. Hierauf komme ich noch zurück und ebenfalls auf die Frage, ob die Oldenburger überhaupt bei der Abstimmung ihre Selbständigkeit gemeint haben. Das will ich in aller Offenheit hier anschließend noch zum Ausdruck bringen. Ich verbleibe aber zunächst beim Volksentscheid und beim genauen Wortlaut, der zur Abstimmung gestellt wurde und von dem wir auszugehen haben. Wir können doch nur über das reden, worüber auch wirklich abgestimmt wurde.Das Grundgesetz, meine Damen und Herren, sagt eindeutig aus, daß bei einem positiven Ausgang des Volksentscheides der Gesetzgeber innerhalb eines Jahres über die Landeszugehörigkeit des betreffenden Gebietes zu entscheiden hat und daß er grundsätzlich an das Ergebnis des Volksentscheides gebunden ist und daß er nur aus einem ganz genau beschriebenen Grunde hiervon abweichen kann. Wenn der Gesetzgeber diesen einen Grund nicht eindeutig nachweisen kann und trotzdem dem Volksentscheidergebnis nicht nachkommt, handelt
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Carstens
er zumindest gegen den Geist des Grundgesetzes und mißachtet ganz sicher den durch Grundgesetz untermauerten Volkswillen.Dies werfe ich der Bundesregierung vor, die durch den nunmehr vorliegenden Gesetzentwurf Drucksache 7/4167 in von mir nicht für möglich gehaltener Weise Volkswillen und Geist des Grundgesetzes hohnlacht und mißachtet, indem sie lapidar zur Beschlußfassung vorschlägt: „Der Verwaltungsbezirk Oldenburg verbleibt beim Lande Niedersachsen."
Herr Minister Maihofer, wie konnten Sie einen solchen Gesetzentwurf hier zum Vorschlag bringen? Das ist für mich völlig unverständlich.Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, sorgen Sie bitte in den Ausschußberatungen dafür, daß dieser völlig unbefriedigende Entwurf in dieser Form nicht zur Durchführung kommt und nicht zum Gesetz wird! Wenn Sie noch einen Moment Obacht geben wollen, dann werden Sie einsehen, daß man jedenfalls nicht in der Form vorgehen kann, wie es Herr Minister Maihofer vorschlägt.
Dieses neue Gesetz, über das wir heute sprechen, darf laut Grundgesetz nur dann vom Ergebnis des Volksentscheides abweichen, wenn dies zur Erreichung der Ziele der Neugliederung des Landes nach Art. 29 GG erforderlich ist. Was heißt das eigentlich? Als noch niemand daran dachte, daß irgendein Volksentscheid positiv ausgehen könnte, erklärte diese Bundesregierung hierzu in der Begründung des Gesetzentwurfes über den Volksentscheid noch im Juli 1974 sehr selbstbewußt, meine Damen und Herren, daß der Gesetzgeber für die ihm dabei zufallende Entscheidung wohl eine zeitgerechte Gesamtkonzeption für die Neugliederung des Bundesgebietes zugrunde legen müßte. Diese Auffassung hat mir die Regierung am 14. Juli 1975 in Beantwortung einer Mündlichen Anfrage noch ausdrücklich bestätigt. Sie sagt also: wir müssen wohl eine Gesamtkonzeption vorlegen. Aber diese Gesamtkonzeption liegt weder Ihnen noch mir vor, meine Damen und Herren, und Sie werden sie auch bis zur endgültigen Beschlußfassung nicht vorgelegt bekommen. Herr Minister Maihofer, haben Sie sich damals geirrt und wollen Sie das heute zugeben, oder wie wollen Sie sonst Ihr Vorgehen rechtfertigen? Ihre Begründung im Gesetzentwurf gibt darüber keine Auskunft, und eben haben Sie dazu auch nichts gesagt.Wenn Sie aber für die Neugliederung der Länder keine zeitgerechte Gesamtkonzeption vorlegen können — ich betone: zeitgerechte Gesamtkonzeption für die Neugliederung, nicht für das Bestehenbleiben der jetzigen Ländergrenzen —, dann müßten Sie zumindest versuchen, auf die Intention des Volksentscheides einzugehen. Aber nicht einmal das versuchen Sie, vom Erfüllen des Geistes des Art. 29 des Grundgesetzes ganz zu schweigen. Nun kommen Sie mir bitte nicht mit dem Argument, IhrGesetzentwurf sei aus diesen oder jenen Gründen aus juristischer Sicht vertretbar. Der normale deutsche Bürger mit normalem Menschenverstand wird Ihnen sagen, daß man so nicht verfahren kann ohne die Grundsätze unserer Rechtsvorstellungen zur Farce zu machen.Denn was will eigentlich der Art. 29 des Grundgesetzes erreichen? Er fordert in Abs. 1 ganz pauschal eine Länderneugliederung, die Länder schaffen soll, „die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können". Hierfür, um dies zu tun, setzt er keine Frist.
In den Absätzen 2 bis 4 jedoch ist eine Frist von einem Jahr für den Fall eingebaut, daß ein Volksentscheid positiv ausgeht. Diese Vorschrift ist auch in jeder Hinsicht gerechtfertigt.Nehmen wir das Beispiel Oldenburg.
Oldenburg war jahrhundertelang ein Großherzogtum, dann über zwei Jahrzehnte ein selbständiges Land des Deutschen Reiches — es gehörte übrigens nie zu Preußen, falls Sie das noch nicht gewußt haben sollten —, und danach wurde es ohne jedwede demokratische Entscheidung durch die damalige Besatzungsmacht England zu Niedersachsen geschlagen. Gerade deswegen, weil das alles — und nicht nur im Falle Oldenburg — völlig ohne den Willen der Bevölkerung zustande gekommen ist, wurde der Art. 29 Abs. 2 bis 4 ins Grundgesetz aufgenommen. Wenn man nunmehr an diesen Absätzen 2 bis 4 ohne Rücksichtnahme vorbeigehen will, dann weiß ich beim besten Willen nicht, weswegen sie überhaupt jemals ins Grundgesetz hineingekommen sind.Nun noch einige letzte Bemerkungen zum eigentlichen Volksentscheid. Der positive Ausgang des Volksentscheides ist gerade deswegen bemerkenswert, weil sich sämtliche Parteien aus der Meinungsbildung herausgehalten haben und auch ansonsten ein Wahlkampf im üblichen Sinne nicht stattgefunden hat. Obwohl das so war, wurde der erforderliche Stimmenanteil um mehr als 5 % übertroffen.
Meines Erachtens hat eine Reihe von Gründen zu diesem Ergebnis geführt, nicht zuletzt — lassen Sie mich das sagen — auch die grandiose Idee unseres ehemaligen Kollegen und jetzigen niedersächsischen Innenministers Rötger Groß, der in unübertroffener politischer Ahnungslosigkeit ausgerechnet einige Tage vor der Volksabstimmung den umstrittenen Entwurf zur Kreisreform zur Veröffentlichung freigab.Sicherlich wurden auch erhebliche Unmutsbekundungen gegenüber der niedersächsischen Landesregierung wegen der Vernachlässigung oldenburgischer Belange zum Ausdruck gebracht.
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Carstens
Ich denke hier besonders an Fragen der Schulpolitik, der Raumordnung und der regionalen Wirtschaftsförderung.Genauso sicher ist aber auch, daß viele Wähler eine echte Neugliederung der Länder initiieren wollten und daß andere Wähler — wie viele, weiß niemand; das gebe ich ja gerne zu —
— aber die Fragestellung war doch so, Herr Kollege — im wahrste Sinne des Wortes für ein selbständiges Land Oldenburg votiert haben. Obwohl eine echte Quantifizierung des einzelnen Wählerverhaltens nicht vorgenommen werden kann, kann doch verbindlich davon ausgegangen werden, daß die überwiegende Mehrheit die landsmannschaftliche, geschichtliche und kulturelle Verbundenheit der oldenburgischen Bevölkerung bekunden wollte und in vollem Umfang auch in Zukunft gewährleistet wissen möchte. Hieran kann der Gesetzgeber nicht in einer derart unverantwortlichen Weise vorbeigehen, wie es die Bundesregierung jetzt vorschlägt.Meine Damen und Herren, sorgen Sie bitte dafür, daß der Volksentscheid nicht ohne Konsequenzen bleibt. Ein eigens gebildetes Aktionskomitee — völlig überparteilich —, wird sich sicherlich gerne konstruktiv einschalten wollen. Einzelne Vorschläge und Vorstellungen werden Ihnen zu den Ausschußberatungen rechtzeitig unterbreitet werden. Mein Kollege Klein hat bereits einige konkrete Vorschläge hierzu gemacht. Und die Tendenz, die vor einigen Tagen im Innenausschuß zu verzeichnen war — ich habe soeben noch mit Herrn Professor Schäfer gesprochen —, ist ja schon der erste Schritt auf dem richtigen Wege. Seien wir — das möchte ich Ihnen abschließend mit einer Bitte sagen — der Souverän, der wir sind: Achten wir den Geist des Grundgesetzes und die Intentionen des in einer geheimen Abstimmung deutlich gemachten Volkswillens!
Meine
Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Innenausschuß — federführend — und an den Rechtsausschuß — mitberatend — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit stehen wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 4. November 1975, 10 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.