Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche des Hauses zu Geburtstagen aus, zunächst dem Abgeordneten Borm, der am 7. Juli 1971 76 Jahre alt wurde, dann dem Abgeordneten Dr. Müthling, der am 8. Juli 1971 das siebzigste Lebensjahr vollendete, und dem Kollegen Abgeordneten Wehner, der am 11. Juli 1971 das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendete. Die herzlichen Glückwünsche begleiten sie!
Ich teile ferner mit, daß der Abgeordnete Liehr sein Mandat am 16. Juli 1971 niedergelegt hat. Als ) sein Nachfolger ist am gleichen Tage der Abgeordnete Dr. Dübber in den Deutschen Bundestag eingetreten. Ich begrüße den Kollegen sehr herzlich und wünsche ihm eine erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag!
Ich gebe alsdann bekannt, daß heute am Vorabend des 20. Juli vor dem neuen Hochhaus eine Gedenktafel für die demokratischen Widerstandskämpfer des Deutschen Reichstages, die für Freiheit und Recht in Deutschland einstanden und Opfer der Tyrannei wurden, enthüllt wird. Wir wollten die Enthüllung ursprünglich 15 Minuten nach Ende des Plenums durchführen, da aber davon ausgegangen werden muß, daß die Sitzung bis in die Abendstunden dauert, habe ich den Zeitpunkt auf 18 Uhr angesetzt. Das Plenum wird dazu nicht unterbrochen. Die Dauer des kurzen Aktes wird etwa 10 Minuten betragen. Ich darf die Damen und Herren bitten hinüberzugehen, soweit Sie sich zu diesem Zeitpunkt aus der Plenarsitzung entferner können.
Wir treten ein in die Tagesordnung, die der Ältestenrat heute endgültig festgelegt hat, nachdem ich sie Ihnen in der vorigen Woche in den wesentlichen Punkten telegraphisch bekanntgegeben hatte. Die Tagesordnung ist inzwischen ausgedruckt und müßte Ihnen vorliegen.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes
zu dem Gesetz über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz)
—Drucksache VI /2442 — Berichterstatter: Abgeordneter Russe
Zunächst danke ich dem Berichterstatter für seinen Bericht. Darf ich fragen, ob die Berichterstattung mündlich ergänzt werden soll. — Zur Berichterstattung hat der Berichterstatter, Herr Russe, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Dieses Hohe Haus hat in erster Lesung am 18. März 1970 den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungmaßnahmen in den Gemeinden, Drucksache VI /510, sowie den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von städtebaulichen Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Stadt und Land, Drucksache VI /434, bekanntgeworden als Entwürfe zum sogenannten Städtebauförderungsgesetz, zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages überwiesen. In mehr als einjähriger intensiver Beratungstätigkeit haben die beteiligten bzw. befaßten Ausschüsse dieses Hohen Hauses die beiden vorgenannten Gesetzentwürfe zu einer Vorlage des Entwurfes eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden, also dem Städtebauförderungsgesetz, zusammengefaßt. Der Deutsche Bundestag erhielt diese Vorlage als Drucksachen VI /2204 und zu VI /2204 vom federführenden Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen am 27. Mai dieses Jahres zur zweiten und dritten Lesung zugeleitet. Dieses Hohe Haus hat die zweite und dritte Lesung des Städtebauförderungsgesetzes sodann am 16. Juni 1971 vorgenommen. In der 127. Sitzung dieser Legislaturperiode wurde das Gesetz über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden , Drucksache VI /2204, mit Mehrheit angenommen.Der Bundesrat hat in seiner 369. Sitzung am 9. Juli 1971 demgegenüber beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 16. Juni verabschiedeten Gesetz über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird.
Metadaten/Kopzeile:
7746 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
RusseDer Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes — Vermittlungsausschuß — hat am 15. Juli dieses Jahres getagt und sich im einzelnen mit dem Vermittlungsbegehren des Bundesrates befaßt. Die Ergebnisse der Beratungen darf ich Ihnen als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses wie folgt — zusammenfassend — vortragen.Erstens. Es wurde vom Bundesrat eine Änderung des § 23 Abs. 2, der überschrieben ist „Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen", begehrt. Hierbei handelte es sich im wesentlichen um die Absicht, einen Stichtag für die Wertfeststellung eines Grundstücks bei einer Sanierung einzufügen. Diesem Vermittlungsbegehren entsprach der Vermittlungsausschuß nicht, es wurde abgelehnt.Zweitens. Ebenso verwarf der Vermittlungsausschuß die Änderungsabsicht des Bundesrates, in § 84, der überschrieben ist „Änderung des Einkommensteuergesetzes", für private Bauwillige eine zusätzliche Steuerpräferenz durch die Einführung eines § 7 f des Einkommensteuergesetzes zu gewähren. Ein solcher steuerlicher Anreiz hätte für den Erfolg der Sanierung eine größtmögliche Mobilisierung privaten Kapitals sicherstellen sollen.Drittens. In § 25, überschrieben „Veräußerungspflicht der Gemeinden", sah die vom Hohen Hause beschlossene ursprüngliche Fassung des Gesetzentwurfs vor, Grundstücke in Sanierungsgebieten, die nicht für öffentliche Zwecke benötigt werden, nur denjenigen zum Kaufe anzubieten, die durch Sanierungsmaßnahmen enteignet worden sind. Dem Bundesrat reichte in seiner Mehrheit diese Reprivatisierungspflicht nicht aus. Die früheren Eigentümer würden, so begründete der Bundesrat, wegen der durch die Sanierung eingetretenen Wertsteigerungen vielfach nicht in der Lage sein, wieder Grundstücke zu erwerben, die flächenmäßig den von ihnen hergegebenen entsprächen. Die Restflächen, die nicht der Reprivatisierungspflicht unterlägen, könnten daher einen erheblichen Umfang haben. Soweit diese aber dann nicht für Gemeinbedarf benötigt würden, bestehe kein hinreichender Grund, sie in der Hand der Gemeinde oder der Sanierungsträger zu belassen. Vielmehr werde durch die Veräußerung von Grundstücken an Bauwillige aus weiten Kreisen der Bevölkerung die schnellere Erfüllung des Bebauungsplanes durch private Initiative ermöglicht. Es empfehle sich daher, bei Sanierungsmaßnahmen eine ähnliche Vorschrift wie bei Entwicklungsmaßnahmen in § 59 Abs. 2 zu schaffen.Der Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes, also der Vermittlungsausschuß, einigte sich nach langen, intensiven Beratungen auf folgende Vorschläge:a) § 25 Abs. 1 Satz 2 wird wie folgt gefaßt:Von dieser Verpflichtung sind Flächen ausgenommen, die als Grundstücke für den Gemeinbedarf oder als Verkehrs-, Versorgungs- oder Grünflächen in einem Bebauungsplan festgesetzt sind oder als Austauschland oder zur Entschädigung in Land benötigt werden.b) § 25 Abs. 2 wird wie folgt gefaßt:... — Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, diesbezüglich die Ihnen vorliegende Drucksache nachzulesen; ich verzichte auf ein Verlesen der neuen Fassung des § 25 Abs. 2. — § 25 Abs. 3, § 25 Abs. 4, § 25 Abs. 5 Nr. 2, § 25 Abs. 7, § 25 Abs. 8 erster Halbsatz erfahren weitere Änderungen. Die Änderungen zu den gesamten Absätzen des § 25 ergeben sich aus der beschlossenen Änderung zu § 25 Abs. 2. Ich bitte Sie, auch diese Einzelnormierungen in der überreichten Drucksache VI/2442 nachzulesen.Viertens. In § 54 — überschrieben: Zuständigkeiten und Aufgaben — hatte das Hohe Haus die Gemeinden verpflichtet, in sogenannten Entwicklungsgebieten alle Grundstücke zu erwerben. Eine solche Notwendigkeit hat der Bundesrat in seinem Vermittlungsbegehren verneint. Der Zwischenerwerb eines Grundstückes, für das bereits eine Bebauung entsprechend dem ins Auge gefaßten Bebauungsplan vorgesehen sei, würde zu einer unnötigen finanziellen Belastung der Gemeinde, die keine Entschädigung leisten müsse, führen.Das gleiche gelte, so argumentierte der Bundesrat, erst recht, wenn die Grundstücke schon bebaut und an der baulichen Nutzung keine Änderungen nach Art und Umfang erforderlich seien oder wenn die Durchführung der Entwicklungsmaßnahmen privater Initiative überlassen werden könne. In diesen Fällen solle nach der Vorstellung der Mehrheit des Bundesrates eine Verpflichtung der Gemeinde festgelegt werden, vom Erwerb abzusehen, eine Verpflichtung, die ihr jedoch einen Ermessensspielraum belasse. Es entstünden zudem keine Nachteile, wenn bestimmte Grundstücke nicht erworben würden, vielmehr Bauwilligen belassen blieben, da letztere ohnehin zum Ausgleichsbetrag nach § 54 Abs. 3 Satz 3 herangezogen würden.Schließlich, so bedeutete der Bundesrat, greife die von diesem Hohen Hause in § 54 beschlossene Norm in die Selbstverwaltung der Gemeinden ein.Der Vermittlungsausschuß hat sich nicht vollends diesem Begehren des Bundesrates angeschlossen. Er verstand sich lediglich darauf, Ihnen vorzuschlagen, die ursprünglich verabschiedete Fassung des § 54 dahin gehend abzuändern, die Kaufverpflichtung der Gemeinden durch eine Soll-Vorschrift zu ersetzen und außerdem die Gemeinden anzuhalten, unter bestimmten und aufgezählten Bedingungen vom Erwerb solcher Grundstücke abzusehen. Demzufolge erhielt § 54 Abs. 3 die Ihnen ebenfalls in der Drucksache überreichte Fassung. Ich verzichte auch in diesem Fall auf ein Verlesen der einzelnen Normen.Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen, die ich Ihnen im einzelnen vorgetragen habe, gemeinsam abzustimmen ist. Ich darf Sie bitten, entsprechend zu verfahren, Ihnen im übrigen empfehlen, die im Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes — im Vermittlungsausschuß — zum Städtebauförderungsgesetz angenommenen Änderungen zu beschließen.
Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7747
Präsident von HasselIch danke dem Herrn Berichterstatter. Auf Grund unserer Geschäftsordnung — § 91 — können lediglich Erklärungen abgegeben werden.Zur Abgabe einer Erklärung für die CDU/CSU- Bundestagsfraktion hat das Wort Abgeordneter Erpenbeck. Ihm folgt für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Dr. Karl Ahrens.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich Ihnen zum Ergebnis der Beratungen des Vermittlungsausschusses folgende Erklärung vortragen. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt den am 15. Juli im Vermittlungsausschuß zustande gekommenen Kompromiß zum Städtebauförderungsgesetz. Sie wird deshalb dem Gesetz in der so geänderten Fassung zustimmen.Ich verhehle nicht, daß wir zu einzelnen Bestimmungen des Gesetzes nach wie vor Bedenken haben, die wir in der zweiten und dritten Lesung in diesem Hause deutlich gemacht haben. Die CDU/CSU-Fraktion hat stets die Notwendigkeit eines Städtebauförderungsgesetzes bejaht. Ich erinnere daran, daß der erste Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes schon vor sechs Jahren von dem damaligen Wohnungsbauminister Paul Lücke vorgelegt wurde. Ich erinnere auch daran, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu Beginn dieser Legislaturperiode einen eigenen Initiativentwurf eingebracht hat, der gemeinsam mit dem Regierungsentwurf in den Ausschüssen beraten wurde. Viele Verbesserungen gehen auf unsere Initiative zurück. Der zur endgültigen Verabschiedung vorliegende Entwurf ist also nicht der Entwurf dieser Bundesregierung, er ist eine Gemeinschaftsleistung aller im Bundestag vertretenen Parteien und des Bundesrates.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist stets zu Kompromissen bereit gewesen, um diesem für die künftige Gestaltung unserer Städte und Dörfer bedeutsamen Gesetz eine breite parlamentarische Mehrheit zu sichern. Wenn es dazu erst der Anrufung des Vermittlungsausschusses bedurfte, so tragen dafür diejenigen in Regierung und Koalition die Verantwortung, die einer parteipolitischen Konfrontation den Vorrang vor sachlicher Zusammenarbeit gaben.
Ich bedaure ausdrücklich, das feststellen zu müssen. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit all den damit verbundenen, zum Teil recht unerfreulichen Begleiterscheinungen wäre uns erspart geblieben, meine Damen und Herren.
Ich halte es nicht für meine Aufgabe, hier und heute zu den Pflichten und Rechten des Bundesrates Stellung zu nehmen. Ich komme jedoch nicht umhin, festzustellen, daß der Bundesrat ein eigenständiges politisches Organ ist, daß er nicht nur das Recht,sondern auch die Pflicht zu politischen Entscheidungen hat.
Ich begrüße es nachdrücklich, daß der Präsident des Bundesrates die ebenso taktlose wie unzulässige Schelte der Bundesregierung gegen seine legitimen Entscheidungen vom 9. Juli mit der erforderlichen Deutlichkeit zurückgewiesen hat.
Im Zusammenhang mit den Beratungen des Bundesrates und des Vermittlungsausschusses hat es einen Punkt besonderer politischer Diffamierung gegeben. Wenn das FDP-Präsidium nach der sicherlich für die Koalition ebenso überraschenden wie unangenehmen Anrufung des Vermittlungsausschusses behauptete, die CDU/CSU stelle die Interessen der Bodenspekulanten über die sachgerechte Entwicklung der Städte und Gemeinden, dann haben wir Ihnen dazu zu sagen, daß für uns, meine Damen und Herren der FDP, die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 des Grundgesetzes schon eine bare Selbstverständlichkeit war, als sie bei vielen von Ihnen noch recht klein geschrieben wurde.
Nun zu den einzelnen Abstimmungen im Vermittlungsausschuß. Wir sind verständlicherweise voll befriedigt über die bei § 25 gefundene Lösung. Es ist erreicht, worum es uns immer ging, bei Sanierungsmaßnahmen nicht nur zu re-, sondern auch zu privatisieren, d. h. breiten Kreisen der Bevölkerung auch in Kerngebieten unserer Städte neuen Zugang zu Eigentum an Haus und Boden zu ermöglichen.Für nicht so befriedigend halten wir die bei § 54 gefundene Lösung, nicht nur aus unserer eigentumspolitischen Grundkonzeption heraus, sondern vor allem deswegen, weil diese Regelung letzten Endes Schwierigkeiten für die Gemeinden bringt und damit die Entwicklungsmaßnahmen hemmen kann. Kenner der kommunalen Verhältnisse wissen das. Meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß eine Novelle hier nicht lange auf sich warten lassen wird.Was § 23 angeht, zu dem das Vermittlungsbegehren leider abgelehnt wurde, so wird sich die Praxis ohnehin in Richtung unserer Vorschläge entwickeln. Auch hier werden Sie, meine Damen und Herren der Regierung und der Koalition, sehr bald zum Nachdenken gezwungen sein.Besonders unverständlich ist uns aber die Ablehnung des Vermittlungsbegehrens zu § 84. Man will doch, wie wir gelesen haben, im Hinblick auf den Umweltschutz — vor allem aus rein ökonomischen Überlegungen — steuerliche Anreize schaffen. Ich möchte hier die Frage stellen: Ist gesunder Wohnungs- und Städtebau nicht auch Umweltschutz?Wir alle wissen idoch, daß die großen Wohnungsbauleistungen der Nachkriegszeit ohne die systematische Mobilisierung privaten Kapitals nicht möglich ,gewesen wären. Wir alle wissen doch auch, daß 150
Metadaten/Kopzeile:
7748 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
ErpenbeckMillionen DM an jährlichen Bundeszuwendungen in den ersten drei Jahren für die geradezu gigantischen Aufgaben der Stadt- und Dorferneuerung und -entwicklung nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Wir sind sicher, daß vor allem wegen der großen Erwartungen, die bei den Gemeinden mit diesem Gesetz geweckt worden sind und die die Gemeinden nun an dieses Gesetz knüpten gar keine andere Möglichkeit gegeben ist, als steuerliche Anreize zu schaffen, wenn wir hier nicht alle unglaubwürdig werden wollen. Meine Damen und Herren von Regierung und Koalition, wir werden jedenfalls auch und gerade in dieser Hinsicht in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Wir werden dieses Thema, das für Sie offenbar nicht ohne ideologischen Hintergrund ist, auf der Tagesordnung halten.Meine Damen und Herren, zum Schluß noch folgende Feststellungen. Was wir in den letzten Wochen bei der Beratung dieses so wichtigen Gesetzes alle mitgemacht haben, wäre nicht nötig gewesen, wenn Sie, meine Damen und Herren von Regierung und Koalition, am 16. Juni in diesem Hohen Hause auf den ernsten Appell des Vorsitzenden der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Barzel, gehört hätten, der wörtlich erklärt hat:Warum wollen wir nicht heute vernünftig sein und miteinander heute abend eine breite Mehrheit für dieses fundamentale Gesetz haben?Er sagte weiter:Sollte es vernünftigen Menschen nicht möglich sein, heute den Kompromiß zu schließen, der am Schluß wahrscheinlich ohnehin herauskommt?Meine Damen und Herren, so ist es nun gekommen. Wir können nur hoffen, daß künftig mehr Vernunft waltet, daß statt parteipolitischer Konfrontation und unsinnigen Prestigegedenkens der Wille zu sachlicher Zusammenarbeit auch mit der größten Bundestagsfraktion vorherrscht. Das Städtebauförderungsgesetz ist ein wichtiger Prüfstein für unsere Gemeinden und vor allem für ihre Selbstverwaltungsorgane. Die CDU/CSU-Fraktion gibt der Hoffnung Ausdruck, daß es sich für unsere Bürger in Stadt und Land in seiner Anwendung bewähren wird. Eine entscheidende Hilfe zur Erreichung dieses Zieles wird es sein, daß die Regierung dem Auftrag dieses Gesetzes nach § 14 und § 60, Sanierungs- und Entwicklungsgemeinschaften zu bilden und dafür in einem eigenen Gesetz die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, termingerecht nachkommt. Nur durch diese flankierende Maßnahme wird tatsächlich ein entscheidender Schritt in der Entwicklung und Gestaltung unserer Städte und Gemeinden getan werden können. Nur so kann auch die große gesellschaftspolitische Aufgabe der Vermögens- und Eigentumsbildung in der Hand der Bürger besonders der kapitalschwächeren Bevölkerungskreise — einer guten Lösung zugeführt werden.Die CDU/CSU-Fraktion stimmt den Empfehlungen des Vermittlungsausschusses zu und gibt damit auch dem Gesetz in seiner Gänze ihre Zustimmung.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Ahrens.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gebe ich folgende Erklärung ab: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt dem vorliegenden Vermittlungsvorschlag zu. Durch seine Annahme wird das vom Bundestag beschlossene Gesetz in seiner Wirksamkeit nicht beeinträchtigt.
Auch nach Annahme des Vermittlungsvorschlages werden die Ziele des Gesetzes, insbesondere die Verhinderung der Bodenspekulation in den Sanierungs- und Entwicklungsgebieten, erreicht.
Der Bundesrat und mehr noch der Vermittlungsausschuß haben sich den Auffassungen der Opposition, wie sie sich in den Anträgen anläßlich der zweiten und dritten Beratung im Deutschen Bundestag niederschlugen, nicht angeschlossen. Diese Tatsache ist für uns die Voraussetzung zur Zustimmung.
Der Vermittlungsvorschlag zu § 25 wird die praktische Handhabung des Gesetzes nicht beeinträchtigen. Die von der Gemeinde für öffentliche Zwecke benötigten Grundstücke werden weiterhin in ihrer Verfügung bleiben. Die Übertragung von Grundstücken und Rechten an Private muß sich im Rahmen des Sanierungszweckes halten; der Vorrang des Bebauungsplanes bleibt somit unberührt.Unberührt bleibt auch die Befugnis der Gemeinde, entsprechend dem Sanierungszweck an Stelle der Übertragung von Eigentum an Grundstücken grundstücksgleiche Rechte, insbesondere Erbbaurechte oder andere Nutzungsrechte, einzuräumen. — Die Fassung des Vermittlungsvorschlages wird somit den Bedürfnissen der Praxis gerecht.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bedauert allerdings mit allem Nachdruck das sich hinter den Anträgen zu § 25 verbergende Mißtrauen gegen die frei gewählten Abgeordneten unserer Gemeinden.
Sie ist und bleibt der Auffassung, daß es zum freien Entscheidungsraum der Gemeinden gehören muß, eigenverantwortlich und selbständig darüber zu befinden, wann und in welchem Umfange gemeindeeigene Grundstücke veräußert werden. Insoweit stellt die Annahme des Vermittlungsvorschlages eine Einschränkung der freien Entscheidungsbefugnis der Gemeinden dar. Die Auffassung der Koalitionsfraktionen zu dieser Frage haben wir in der zweiten und dritten Lesung deutlich gemacht.Der Vermittlungsvorschlag zu § 54 bedeutet auch in seiner Neufassung eine Verpflichtung der Gemeinden zum Grunderwerb. Er gibt ihnen allerdings zusätzlich die Möglichkeit, unbebaute Grundstücke,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7749
Dr. Ahrensdie der Eigentümer für ein eigengenutztes Einfamilienheim oder eine eigengenutzte Kleinsiedlung erworben hat und deren Realisierung den angestrebten Entwicklungszielen nicht widerspricht, aus dieser Erwerbsverpflichtung auszunehmen. Diese eng umgrenzte Ausnahme stellt sicher, daß nicht wieder die Möglichkeit der Bodenspekulation durch eine Hintertür eröffnet wird. Die Kann-Vorschrift, wie sie in der zweiten und dritten Lesung im Bundestag von der Opposition gefordert wurde, hätte die Tür für die Spekulanten offengehalten.
Unter Würdigung dieser von mir genannten Gesichtspunkte wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dem Vermittlungsvorschlag zustimmen. Sie stellt mit Genugtuung fest, daß sich auch die Opposition diesem Vermittlungsvorschlag nicht verschließt, und sie kann mit guten Gründen erwarten, daß auch der Bundesrat in seiner Sitzung am 23. Juli durch die Annahme dieses Vermittlungsvorschlages den Städten und Gemeinden endlich das Instrumentarium an die Hand gibt, das sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben dringend benötigen und das ihnen die Möglichkeit geben soll, unsere Städte und Gemeinden menschenwürdiger zu gestalten.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stellt fest, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ein langer Leidensweg beendet wird und daß es einer sozialliberalen Koalition vorbehalten blieb, einem Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen, das unter den von der CDU geführten Regierungen in der Vergangenheit dreimal am Widerstand der Interessenten gescheitert ist.
Diese Bundesregierung und die sie tragende Koalition haben damit erneut ihre Fähigkeit bewiesen, notwendige Reformen durchzusetzen.
Die Städte und Gemeinden sind nunmehr aufgerufen, mit diesem Gesetz die großen Aufgaben der Erneuerung und Entwicklung unserer Städte gemeinsam mit ihren Bürgern zu lösen.
Das Wort für die FDP- Fraktion hat der Abgeordnete Wurbs.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Namens der FDP- Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab. Wir Freien Demokraten stellen mit Befriedigung fest, daß das Städtebauförderungsgesetz nunmehr in Kraft treten kann. Nach langjährigen und intensiven Beratungen ist ein Gesetz verabschiedet worden, das nach unserer Auffassung den Interessen der Betroffenen, der Eigentümer, Mieter, Pächter, sonstigen Nutzungsberechtigten und den Gemeinden gerecht wird und dem Ziele dient, Spekulationsgewinne auszuschalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, von der Fülle der von der CDU/ CSU in der zweiten und dritten Beratung vorgelegten Anträge sind nunmehr nur noch zwei Anträge aufrechterhalten, über die in der dritten Beratung keine Einigung erzielt werden konnte, so daß die CDU/CSU das Inkrafttreten des Gesetzes über den Bundesrat zunächst blockierte und der Vermittlungsausschuß tätig werden mußte. Über dieses Verfahren mag sich jeder einzelne sein Bild machen. Die Argumentation von Herrn Erpenbeck über die Äußerungen des FDP- Präsidiums zeigt, daß diese Äußerungen ins Schwarze getroffen haben, sonst hätte sich Herr Erpenbeck an dieser Stelle nicht so sehr ereifert.
Der Vermittlungsausschuß hat sich den von der Koalition vorgelegten Kompromißvorschlägen angeschlossen. Nach den Ausführungen des Kollegen Erpenbeck ist festzustellen, daß die nunmehr vorliegende Fassung nichts ermöglicht, was nicht auch die im Juni beschlossene Fassung zugelassen hätte.
Wir Freien Demokraten stimmen dem Vermittlungsvorschlag zu.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Sie haben den Ausführungen des Berichterstatters und der Vorlage — das ist im letzten Abschnitt aufgezeichnet — entnommen, daß wir nur geschlossen über die gesamte Vorlage, also nicht über einzelne Vorschriften abstimmen.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem gesamten Vermittlungsvorschlag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 2 unserer Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Anpassung verschiedener Vorschriften über die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern an die Neuregelung der Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz — FAnpG)
— Drucksache VI /2443 —
Berichterstatter: Abgeordneter Höcherl
Zur Berichterstattung hat das Wort Herr Abgeordneter Höcherl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vermittlungsausschuß hat sich mit dem Finanzanpassungsgesetz am letzten Donnerstag zum zweiten Male befaßt. In seiner ersten Beratung am 16. Juni 1971 hatte der Vermittlungsausschuß u. a. eine Neufassung für den Termin ds Inkrafttretens von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 vorgeschlagen. Nach diesem Änderungsvorschlag sollte die bisherige Regelung über die Verteilung der Verwaltungskosten im Lastenausgleichsrecht bis zum 1. Januar 1979 verlängert werden. Der Vermittlungsausschuß war damit über das Petitum des Bundesrates, der nur eine Verlängerung bis zum 1. Ja-
Metadaten/Kopzeile:
7750 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Höcherlnuar 1974 verlangt hatte, weit hinausgegangen. Angesichts der damit verbundenen außerordentlichen Belastung des Bundeshaushalts hat der Bundestag am 24. Juni 1971 diesen Vorschlag abgelehnt. Die Ablehnung hat dazu geführt, daß der Bundesrat dem Gesetz am 9. Juli 1971 die Zustimmung verweigerte. Mit dieser Zustimmungsverweigerung sollte aber das Gesetz nicht endgültig abgelehnt, sondern lediglich die Möglichkeit für ein weiteres Vermittlungsverfahren eröffnet werden. Die Bundesregierung hat am gleichen Tag die Anrufung des Vermittlungsausschusses beschlossen.In der zweiten Beratung des Vermittlungsausschusses am letzten Donnerstag ging es praktisch nur noch um die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die erwähnte Verwaltungskostenregelung im Lastenausgleichsrecht verlängert werden sollte. Der Vermittlungsausschuß hat nunmehr das ursprüngliche Petitum des Bundesrates aufgegriffen und schlägt Ihnen in der vorliegenden Bundestagsdrucksache VI/ 2443 vor, die Verlängerung bis zum 1. Januar 1974 vorzunehmen. Ich glaube, daß dieser Termin einen tragbaren Kompromiß darstellt, der für alle Seiten des Hohen Hauses annehmbar sein dürfte.Namens des Vermittlungsausschusses darf ich Sie bitten, dem Ihnen vorliegenden Änderungsvorschlag zu Art, 17 Abs. 1 Satz 1 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Finanzanpassungsgesetz geht es im Kern um die Verwirklichung eines Verfassungsgrundsatzes. Danach sind Erstattungen von Verwaltungskosten in all den Fällen nicht mehr verfassungsgemäß, in denen der Bund und die Länder Aufgaben wahrnehmen, die ihnen von der Verfassung zugewiesen sind. Der Bundesrat zwingt uns, für zwei Jahre eine verfassungswidrige Bestimmung zu beschließen. Wir tun das, weil sonst die verfassungswidrigen Verwaltungskostenerstattungen unbefristet fortgelten würden. Der Bundesrat stellt kurzfristige finanzielle Erwägungen über Verfassungsnormen, die er selbst beschlossen hat. Die SPD-Fraktion bedauert das unwürdige Schachern um Fristen, wo es um die Beachtung von Verfassungsgeboten geht.
Es ist selbstverständlich, daß bei den Verhandlungen im Herbst über die Verteilung der Finanzmittel zwischen Bund und Ländern die Auswirkungen dieses Gesetzes in die Rechnung einbezogen werden müssen.
Es liegt keine weitere Wortmeldung vor.
Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage VI /2443. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das
Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz) — BAföG —— Drucksache VI/2444 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 131. Sitzung am 24. Juni 1971 das Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung — kurz: Bundesausbildungsförderungsgesetz — beschlossen. Der Bundesrat hat am 9. Juli den Vermittlungsausschuß in elf Punkten angerufen. Das Ergebnis der Beratung des Vermittlungsausschusses liegt Ihnen in der Drucksache VI /2444 vor. Ich darf dazu nur wenige Bemerkungen machen.
Die Überprüfung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurfs hat gezeigt, daß einige verfassungsrechtliche Auswirkungen und einige verwaltungsorganisatorische Fragen der Korrektur bedürfen. Diese Korrektur ist in den einzelnen Ziffern, die Ihnen zur Annahme vorliegen, durchgeführt.
Zu einem Punkt eine besondere Bemerkung: In dem Gesetz ist vorgesehen, daß die Ausbildungsförderungsausschüsse gewählt werden. Es ist verhältnismäßig schwierig, das noch vor dem 1. Oktober durchzuführen. Der Bundesrat hatte deshalb vorgeschlagen, von dieser Wahl abzusehen. Der Vermittlungsausschuß schlägt eine Übergangsregelung vor, wie Sie sie in § 58 a sehen.
Die Anregungen des Bundesrates zur Verbesserung der finanziellen Leistungen konnten vom Vermittlungsausschuß nicht übernommen werden. Ebenso konnte das Anrufungsbegehren, das Verhältnis der Kostentragungspflicht zwischen Bund und Ländern von 65 : 35 in 75 : 25 zu verändern, bei der derzeitigen Finanzlage nicht aufgenommen werden.
Im übrigen ist der Gesamtcharakter des Gesetzes erhalten geblieben. Der Antrag, von Pflichtdarlehen auszugehen, ist nicht aufgenommen worden.
Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Ich darf namens des Vermittlungsausschusses um Annahme des Antrags bitten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.Das Wort zur Abgabe einer Erklärung für die CDU/CSU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Rollmann.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7751
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU- Bundestagsfraktion stimmt den Änderungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses zu. Wir möchten allerdings zum Ausdruck bringen, daß das nichts an unserer ablehnenden Haltung gegenüber diesem Gesetzentwurf insgesamt ändert, weil er keine Reform der Ausbildungsförderung bringt, insbesondere keine Reform der Studentenförderung, sondern bis auf wenige Ausnahmen eine Fort- und Festschreibung des bisherigen Ausbildungsförderungsrechts und der bisherigen Ausbildungsförderungsleistung.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Hauck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion möchte ich zu dem Antrag des Vermittlungsausschusses zum Bundesausbildungsförderungsgesetz folgende Erklärung abgeben.
Die SPD-Fraktion stimmt dem Vermittlungsergebnis zu, weil es die Grundkonzeption des Gesetzes nicht verändert und finanziell in dem festgelegten Rahmen bleibt. Die vom Vermittlungsausschuß aufgenommenen Vermittlungsbegehren beziehen sich, mit einer Ausnahme, auf verfassungspolitische und verwaltungstechnische Fragen, die für die Länder von besonderer Bedeutung sind. Wie bekannt, hat der Bundestag zu Organisations- und Zuständigkeitsfragen im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens neue Formulierungen gefunden und einige neue Paragraphen eingefügt.
Die Länder konnten daher erst nach der Verabschiedung des Gesetzes zu diesen neuen Tatbeständen Stellung nehmen. Deshalb ist es gerechtfertigt und geboten, ihren Anregungen und Wünschen in diesem Bereich zu entsprechen. Die Länder müssen nach § 39 des Gesetzes im Auftrag des Bundes das Gesetz ausführen. Sie sind nach dem Grundgesetz für Schul- und Hochschulfragen zuständig. Daher konnte diesen berechtigten Vermittlungsbegehren nicht widersprochen werden.
In Punkt 2 des Beschlusses des Vermittlungsausschusses wird die Berücksichtigung hoher Fahrtkosten bei Schülern als besondere Aufwendung anerkannt. Die finanzielle Mehrbelastung ist unerheblich und hält sich im Rahmen des Plafonds.
Weitere materielle Verbesserungen hätten jedoch den Finanzrahmen gesprengt und konnten daher nicht berücksichtigt werden. Mit Nachdruck möchte ich in diesem Zusammenhang für meine Fraktion erklären, daß auch wir uns ein materiell besser ausgestattetes Gesetz gewünscht hätten,
wenn dies finanziell möglich gewesen wäre. Wir werden die Ausbildungsförderung fortentwickeln. Deshalb brauchen wir dieses Bundesausbildungsförderungsgesetz, das einen wichtigen Schritt zum weiteren Ausbau und zur Vereinheitlichung der individuellen Ausbildungsförderung darstellt. Die Grundkonzeption des Gesetzes bleibt bestehen.
Die SPD-Fraktion hofft, daß nach der Zustimmung des Bundestages auch der Bundesrat am 23. Juli dem Vermittlungsergebnis zustimmt und damit der Weg frei gemacht wird für ein Gesetz, das sowohl bildungspolitisch wie auch sozialpolitisch von großer Bedeutung ist.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung für die FDP hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Auch die Fraktion der Freien Demokratischen Partei stimmt dem im Vermittlungsausschuß erzielten Ergebnis zu. Die verfassungsrechtlichen und verwaltungsmäßigen Änderungen sind durchaus begründet. Wir freuen uns auch, daß es gelungen ist wenigstens noch eine kleine materielle Verbesserung in Punkt 2 einzubauen.
Wir stimmen diesem Ergebnis in der Hoffnung zu, daß der Bundesrat, vor die Entscheidung gestellt, die Uneinheitlichkeit in unserem Förderungswesen aufrechtzuerhalten oder durch Zustimmung zu diesem so veränderten Gesetz einen Schritt zur Vereinheitlichung hin zu gehen, diesen Schritt zur Vereinheitlichung gehen wird. Wir hoffen, daß die Einmütigkeit in diesem Hause den Bundesrat ein bißchen dazu beflügeln wird
und wir damit doch in dieser wichtigen Aufgabe ein Schrittchen vorwärtsgekommen sind.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage auf Drucksache VI /2444. Ich wiederhole: sie kann nur insgesamt angenommen oder abgelehnt werden.Wer dieser Vorlage zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. —
— Meine Damen und Herren, ich darf Sie um Ruhe bitten. Die Abstimmung ist von uns nur sehr schwer zu übersehen. Bei der vorigen Abstimmung hatten wir zunächst Einstimmigkeit festgestellt. Nachher hat sich ein Kollege gemeldet und gesagt, er habe dagegen gestimmt. Das ist so nicht zu sehen.Wer der Vorlage insgesamt zustimmt, den bitte ich noch einmal um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.Ich rufe Punkt 4 der Tagefordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes
zu dem Gesetz über
Metadaten/Kopzeile:
7752 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Präsident von Hasseldie Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen
— Drucksache VI /2445 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr, Lenz
Ich erteile dem Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Anrufungsbegehren des Bundesrates zum Graduiertenförderungsgesetz ging es primär um die Verteilung der durch das Gesetz entstehenden Aufwendungen auf Bund und Länder. Der Gesetzentwurf des Bundestages sieht vor, daß Bund und Länder die Kosten zur Hälfte tragen. Der Bundesrat verlangt unter Hin-. weis auf die beträchtlichen Aufwendungen der Länder im Bildungsbereich eine Aufteilung im Verhältnis 75 : 25. Der Vermittlungsausschuß ist dem Begehren der Länder insofern gefolgt, als er die Aufteilung der Kosten im Verhältnis 75 : 25 für vier Jahre, nämlich von 1971 bis 1974, vorschlägt. Für die Zeit. danach muß rechtzeitig eine neue gesetzliche Regelung der Kostenverteilung erfolgen.
Im Zusammenhang damit steht die vom Vermittlungsausschuß empfohlene Streichung der Abs. 1 und 2 des § 15, da diese übergangsweise eine andere Kostentragung für die Jahre 1971 bis 1972 vorsehen. Zu dem vorgeschlagenen Kompromiß gehört es auch, daß der Änderungswunsch zu § 13 Abs. 2 Satz 3 nicht aufgenommen wurde. Bei der Abweichung von dem normalen Verteilungsschlüssel wollte der Bundesrat in Gestalt einer zustimmungsbedürftigen Rechtsverordnung ein Mitentscheidungsrecht haben, während der Bundestagsbeschluß insoweit nur vorsieht, daß der Bund im Benehmen mit den Ländern handelt.
Ich darf weiter darauf hinweisen, daß der Vermittlungsausschuß vorschlägt, in § 12 Abs. 1 Nr. 5 die Worte „Einrichtung der Vergabegremien" zu streichen. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Berichtigung, die notwendig wurde, weil in der vom Bundestag beschlossenen Neufassung des § 11 die Einrichtung der Vergabegremien bereits abschließend normiert ist.
Schließlich ist bei der Abfassung des Gesetzes ein Schreib- oder Druckfehler passiert, und zwar müßte es in § 15 Abs. 4 letzter Satz des Gesetzentwurfs an Stelle von „nach Absatz 2 Satz 1" richtig heißen: „nach Absatz 3 Satz 1." Unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Vermittlungsausschusses, nämlich der Streichung der Abs. 1 und 2, muß die Textstelle jetzt richtig lauten: „nach Absatz 1 Satz 1."
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Beschlüssen des Vermittlungsausschusses und der Korrektur des Druckfehlers zuzustimmen.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Slotta.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage der SPD-Bundestagsfraktion habe ich in der dritten Lesung das zur Sache gesagt, was zu sagen notwendig und erforderlich war. Das geschah in der 131. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. Juni 1971. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses für Aufgaben innerhalb der Hochschule und auch die Ausbildung für außerhalb der Hochschulen tätige Forscher sind Probleme, die gelöst werden müssen, wenn den in diesem Zusammenhang anstehenden Sachzwängen entsprochen werden soll, d. h. Hochschule und Forschung in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft mit größerer qualitativer Effizienz arbeiten sollen und quantitative Erschwernisse von gewaltigem Ausmaß in etwa überwunden werden können.
Der Beschluß des Vermittlungsausschusses ändert an der Substanz des Graduiertenförderungsgesetzes nichts. Deshalb stimmt die SPD-Bundestagsfraktion diesen Abänderungsanträgen zu.
Erstens: Die Finanzierung ist dadurch zweifelsfrei gesichert, und zwar, wie vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagen, zunächst bis 1974. Der Bund wird sich mit 75 % beteiligen, damit die vorgesehene Anzahl von Stipendiaten erhalten werden und die Förderung rasch geschehen kann.
Zweitens: Neben dem Hochschulstatistikgesetz ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine zweite wichtige Maßnahme.
Drittens: Die SPD-Bundestagsfraktion legt Wert auf die Feststellung, daß durch dieses Gesetz die Bedeutung der Hochbegabtenförderung nicht eingeschränkt, sondern im Gegenteil verstärkt wird.
Für die SPD-Bundestagsfraktion darf ich die Annahme des Gesetzes mit den Abänderungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses empfehlen, damit die notwendigen Reformen unmittelbar und ohne Verzögerung in ersten Schritten in Angriff genommen werden können.
Die Bundesregierung hat ihren guten Willen bekundet. Dafür ist ihr, insbesondere dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und seinem Parlamentarischen Staatssekretär, zu danken.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage auf Drucksache VI /2445. Wer ihr in der Gesamtheit zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 5 der Tagensordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes Drucksache VI /2446 —
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7753
Präsident von HasselBerichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage des Vermittlungsausschusses darf ich Ihnen folgenden Bericht erstatten.
Der Bundesrat hat in insgesamt sechs Punkten zum Deutschen Richtergesetz den Vermittlungsausschuß angerufen. Von diesen sechs Punkten sind zwei inhaltlicher Bedeutung. Die vier anderen sind Folgeänderungen der beiden ersten Punkte.
Der eine Punkt hiervon betrifft die zwingende Verlängerung der Referendarausbildung auf Antrag des Referendars. Diese Möglichkeit, die der Bundestag vorgesehen hatte, sollte nach dem Willen des Bundesrates gestrichen werden. Der Vermittlungsausschuß hat sich diesem Vorschlag angeschlossen und bittet Sie, heute ebenso zu beschließen. Die Begründung, die der Bundesrat dafür gegeben hat, fand der Vermittlungsausschuß überzeugend. Ich darf mich insoweit auf die entsprechende Drucksache des Bundesrates beziehen.
Der andere Punkt von inhaltlicher Bedeutung, der hier zur Debatte steht, ist, daß der Bundesrat den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel angerufen hat, § 5 d zu streichen. Diese Vorschrift enthielt die Ermächtigung für den Landesgesetzgeber, bestimmte Ausbildungen, die nicht im herkömmlichen Rahmen liegen, bis zur Dauer von einem Jahr auf die Juristenausbildung anzurechnen. In der Öffentlichkeit war diese Vorschrift unter dem Stichwort der sogenannten „privaten Rechtsschulen" bekannt. Ich habe bereits früher ausführen dürfen, daß diese Bezeichnung nicht ganz den Kern der Dinge trifft.
Im Vermittlungsausschuß spielte die Frage eine Rolle, ob es einer inneren Logik entspricht, daß die Länder eine Vollmacht, die ihnen gegeben wurde, nicht nur nicht ausnutzen, sondern sie sogar gestrichen haben wollen. Aber der Vermittlungsausschuß ist dann doch aus zwei Überlegungen heraus zu seiner Empfehlung gekommen, diese Vorschrift zu streichen. Wir sollten nämlich den Ländern nichts andrängen, was sie selbst für bedenklich halten, wenn auch nicht ohne Sorge zu beobachten ist, daß in der Diskussion zwischen den Ländern vielfach geäußert wurde, daß das eine Land andere Länder hindern wolle, bestimmte Konzeptionen auf dem Wege dieser Vorschrift durchzusetzen.
Der zweite Gesichtspunkt ist. folgender. Auf den Vermittlungsausschuß ist die Diskussion in der Öffentlichkeit, die sich nicht nur in der interessierten, sondern in der gesamten Öffentlichkeit um diese Frage gerankt hat, nicht ohne Eindruck geblieben. Der Vermittlungsausschuß hat es mit als ein Argument für die Streichung dieses Satzes angesehen, daß die Öffentlichkeit einhellig so negativ auf diese Formulierung reagiert hat.
Aus diesen beiden Gründen hat der Vermittlungsausschuß Ihnen heute vorzuschlagen, § 5 a Abs. 2 Satz 5 und § 5 d in der Fassung des Beschlusses des
Bundestagens zu streichen und die vier aus der Drucksache des Bundesrates und der Ihnen heute vorliegenden Drucksache VI /2446 sich ergebenden Folgeänderungen so zu beschließen, wie sie Ihnen vorliegen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen zur Abgabe von Erklärungen liegen nicht vor. Bevor wir abstimmen, darf ich bekanntgeben, daß vom Kollegen Dichgans eine Erklärung zur Abstimmung *) abgegeben wird, die auf Grund unserer Geschäftsordnung im Stenographischen Bericht abgedruckt wird.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache VI 2446 in der Gesamtheit seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes
— Drucksache VI /2447 -
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Das Wort hat die Frau Berichterstatterin.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Der Bundestag hat am 18. Juni 1971 das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes beschlossen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 9. Juli 1971 den Vermittlungsausschuß angerufen, und zwar aus folgendem Grund: Während früher für die Entschädigung in den ersten sechs Wochen für die durch das Gesetz betroffenen Personen eine Höchstgrenze von 660 DM enthalten war, hat der Bundestag jetzt in § 49 eine andere Regelung getroffen, und zwar in der Weise, daß den durch diese Vorschrift erfaßten Personen künftig während der ersten sechs Wochen voller Ersatz des Verdienstausfalls und anschließend Ersatz in Höhe des Krankengeldes der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren ist. Die Regelung enthält ferner für den Fall, daß durch die angeordneten Maßnahmen im Bundes-Seuchengesetz — wie Berufsverbot oder Absonderung --- die wirtschaftliche Existenz gefährdet wird, eine Härteklausel, wonach für die Betriebsausgaben oder Werbungskosten in angemessenem Umfang ein Ersatz vorzusehen ist. Es ist also gegenüber früher keine Höchstgrenze festgesetzt, sondern es handelt sich um eine unserem sonstigen Schadensrecht angepaßte individuelle Schadensregelung.Der Bundesrat wollte die entsprechenden Ziffern des Bundes-Seuchengesetzes wieder streichen. In der') Siehe Anlage 2
Metadaten/Kopzeile:
7754 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Frau Dr. Diemer-Nicolausletzten Sitzung des Vermittlungsausschusses wurde ein Vermittlungsvorschlag dahin gemacht, daß man es bei einer Höchstgrenze belassen, aber den Betrag von 660 DM um 50 % aufstocken solle. Dieser Vermittlungsvorschlag fand aber nicht die Zustimmung der Mehrheit des Vermittlungsausschusses. Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen vielmehr vor, entsprechend der Drucksache VI /2447 zu beschließen, die lediglich eine redaktionelle Änderung zum Inhalt hat.
Wortmeldungen zur Abgabe von Erklärungen liegen nicht mehr vor. Ich danke der Berichterstatterin.
Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über technische Assistenten in der Medizin (MTA-G)
— Drucksache VI /2448 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt
Das Wort hat der Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vermittlungsausschuß empfiehlt Ihnen, das vom Deutschen Bundestag in seiner 130. Sitzung am 23. Juni 1971 beschlossene Gesetz über technische Assistenten in der Medizin insoweit zu ändern, als an Stelle der vom Bundestag vorgesehenen dreijährigen Ausbildung nur eine zweijährige Ausbildung vorgesehen wird und dementsprechend auch die. Zusatzausbildung von einem Jahr auf sechs Monate reduziert wird, die in § 8 Satz 2 des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes vorgeschrieben ist.
Der Vermittlungsausschuß ist der Meinung, daß durch die Teilung des bisherigen Berufs der medizinisch-technischen Assistenten in die selbständigen Berufe der medizinisch-technischen Laborassistenten und der medizinisch-technischen Radiologieassistenten in Zukunft eine Ausbildung von zwei Jahren genügt, wenn man bedenkt, daß die einheitliche Ausbildung bisher auch nur zwei Jahre gedauert hat. Darüber hinaus ist der Vermittlungsausschuß der Meinung, die Ausbildung sollte gestrafft werden, zumal bei einer Verlängerung der Ausbildung im Sinne des Bundestagsbeschlusses eine weitere Verknappung der Ausbildungsplätze einträte. Dieses steht nach Meinung des Vermittlungsausschusses im Widerspruch zum öffentlichen Gesundheitsinteresse.
Da die Gesamtlehrgangsdauer durch diesen Beschluß von drei auf zwei Jahre herabgesetzt werden soll, entspricht es der Logik, daß bei übereinstimmender Grundausbildung für jede Fachrichtung eine Zusatzausbildung nach § 8 Satz 2 von sechs Monaten ausreichend ist.
Aus diesen Gründen bittet der Vermittlungsausschuß, daß Sie dem Antrag auf Drucksache VI /2448 in der Ihnen vorliegenden Form zustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur Abgabe einer Erklärung für die CDU/CSU-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Hammans das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU habe ich hier zu erklären, daß wir dem Vorschlag des Vermittlungsausschussses nicht folgen können. Diese Bundesregierung hat im Bildungsplan und in der Regierungserklärung Reformen versprochen. Meine Damen und Herren, das vom Bundestag und vom Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit einstimmig verabschiedete Gesetz war eine Reform des Berufsweges der MTA. Diese Chance ist mit der Annahme des Vorschlages des Vermittlungsausschusses vertan.
Meine Damen und Herren, wir bestehen darauf, daß mit dem Examen der MTA auch die Fachhochschulreife gegeben ist. Wir wollen nicht, daß der Beruf der MTA ein Sackgassenberuf bleibt wie bisher. Zwei Jahre Ausbildung sind zu kurz. Eine naturwissenschaftliche Ausbildung ist in dieser Zeit nicht zu schaffen. Der Bundesrat spricht von einer halbjährigen Grundausbildung.
Meine Damen und Herren, überall in der Welt gibt man sich Mühe, die Ausbildung auf einen einheitlichen level zu bringen, auch in Europa. In Stockholm war vor 14 Tagen deswegen eine Veranstaltung der WHO. Hier aber schickt sich nun der Deutsche Bundestag an, einem Vorschlag zuzustimmen, der dies alles zerschlägt.
Meine Damen und Herren, ich erkläre hiermit für meine Fraktion, daß wir diesem Vorschlag nicht zustimmen können.
Das Wort zu einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Dr. Bardens für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das im Bundestagsausschuß und im Plenum beschlossene Gesetz sah im Grunde eine Verlängerung der Ausbildungszeit für medizinisch-technische Assistenten vor. Wir haben damals diesen Kompromiß gefunden, um überhaupt endlich, nach über sechs Jahren, die Berufsausbildung für medizinisch-technische Assistenten regeln zu können. Wir meinen aber, daß das, was jetzt der Vermittlungsausschuß vorgeschlagen hat, durchaus die Anforderungen erfüllt, die an die Berufsausbildung
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7755
Dr. Bardensder medizinisch-technischen Assistenten gestellt werden müssen, und daß mit dieser Regelung auch die Hinführung zur Fachhochschulreife nicht verhindert wird; es gibt entsprechende Erklärungen der Kultusminister der Länder.Wir werden deshalb dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zustimmen.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Spitzmüller für die Fraktion der FDP.
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Im Ausschuß war es unser Bemühen, sicherzustellen, daß die Ausbildung eine ordentliche ist, daß sie aber nicht über Gebühr verlängert wird. Das Gesetz in der nunmehr vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Fassung bringt zwar eine materielle Verlängerung der Ausbildung, weil es ja eine Teilung des bisherigen Berufs der MTA vorsieht. Vom Fachlichen her läßt das Gesetz natürlich trotzdem Wünsche offen. Die dreijährige Ausbildung, die der Fachausschuß beschlossen hatte, war als Kompromißlösung gedacht, um die Fachhochschulreife sicherzustellen. Wenn nunmehr die Länder, wie das in der Drucksache des Bundesrates zum Ausdruck kommt, erwarten, daß dem Bildungsgesamtplan nicht vorgegriffen wird, dann haben wir Freie Demokraten im gegenwärtigen Zeitpunkt für diesen Wunsch ein gewisses Verständnis. Allerdings muß es überraschen, wenn hier Dr. Hammans für die CDU/CSU-Fraktion gerade auf diesen Bildungsgesamtplan hinweist, während es doch wie bekannt ist, in der Bund-Länder-Kommission die CDU-regierten Länder sind, die dafür sorgen, daß wir mit diesem Konzept des Bildungsgesamtplanes nicht weiterkommen. Hier ist also ein Widerspruch.
Meine Damen und Herren, es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz, und deshalb erscheint es uns Freien Demokraten wichtiger, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen, um wenigstens diese geteilte und gegenüber der heutigen Situation verbesserte MTA-Ausbildung sicherzustellen. Bei Zustimmungsgesetzen muß man sich eben oft, auch als Fachmann, mit dem Möglichen zufriedengeben, weil das Wünschbare nicht zu realisieren ist.
Meine Damen und Herren, ich rufe Ihnen in Erinnerung, was in der Drucksache VI /2323 ausgeführt ist. In der 5. Wahlperiode, also zur Zeit der Großen Koalition, waren zwei Gesetzentwürfe eingebracht worden. Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuß an. Im Bundestag konnte die Vorlage vor Ablauf der Legislaturperiode nicht mehr abschließend beraten werden. Der Sperling in der Hand erscheint uns sinnvoller als die Taube auf dem Dach. Wenn wir das Gesetz so verabschieden, wie es der Vermittlungsausschuß vorschlägt, haben wir wenigstens den Sperling in der Hand, während uns die Taube auf dem Dach, also eine noch verbesserte MTA- Ausbildung, sogar zur Zeit der Großen Koalition vom Bundesrat verwehrt wurde.
Keine weiteren Wortmeldungen. Darf ich Sie bitten, zur Abstimmung Platz zu nehmen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache VI /2448. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über die künstliche Besamung von Tieren (Besamungsgesetz)
— Drucksache VI /2449) —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Lenz
Das Wort hat der Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschluß des Bundestages zu diesem Gesetz sieht vor, daß die Besamungserlaubnis erteilt wird, wenn durch einen Amtstierarzt oder Fachtierarzt für Zuchthygiene die Seuchenfreiheit und Zuchttauglichkeit des Tieres bescheinigt wird.
Der Bundesrat hatte Bedenken, neben dem Amtstierarzt auch einen privaten Tierarzt für zuständig zu erklären. Er ist der Auffassung, daß für die Ausstellung der fraglichen Bescheinigung allein der Amtstierarzt, wie auch im Viehseuchengesetz, zuständig sein soll.
Der Vermittlungsausschuß folgte dem Vorschlag des Bundesrates, die Worte „oder Fachtierarztes für Zuchthygiene" zu streichen. Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich Sie, diesem Vorschlag zuzustimmen.
Wortmeldungen zur Abgabe von Erklärungen liegen nicht vor.
Wer diesem Antrag zustimmt, 'den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen gegen einige Stimmen so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Beratung der Vorlagen des Vermittlungsausschusses.
Wir kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Sondersitzung des Deutschen Bundestages gibt mir Gelegenheit, zu einigen Fragen Stellung zu nehmen, die in den letzten Wochen die Parteien und die Öffentlichkeit in besonderem Maße beschäftigt haben. Ich möchte mich dabei auf die
Metadaten/Kopzeile:
7756 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Bundesminister ScheelProbleme, die mit der Westeuropapolitik zusammenhängen, beschränken.Natürlich verlieren wir nicht aus dem Blick, was in der übrigen Welt vorgeht. Die Besprechungen, die der Herr Bundeskanzler kürzlich mit Präsident Nixon in Washington geführt hat, haben Gelegenheit zu einer weltweiten politischen Bestandsaufnahme geboten. Die Ankündigung der Reise von Präsident Nixon nach Peking für einen Zeitpunkt vor dem Mai 1972 macht die sich anbahnenden weitreichenden Veränderungen des globalen Gleichgewichts in der Welt deutlich. Die Erklärung des Präsidenten zu der beabsichtigten Reise ist ein würdiges Dokument der weltweiten Politik der Entspannung und der Normalisierung, wie sie auch von uns verstanden wird.Die europäische Politik ist in Bewegung; das gilt sowohl für die Politik der Gemeinschaft als auch für die des Atlantischen Bündnisses. Diese Entwicklung wirft Fragen auf, auf die Sie, meine Kollegen, wie die deutsche Öffentlichkeit Antworten erwarten.Darf ich zunächst einmal klarstellen, daß ich heute nicht über Berlin berichten will. Zu den unbegründeten Spekulationen eines Teils der Sonntagspresse hat die Bundesregierung bereits durch eine Veröffentlichung Stellung genommen. Die Fraktionen des Bundestages sind über den bisherigen Verlauf der Verhandlungen der Vier Mächte bis zur Stunde unterrichtet. Die Bundesregierung wird diese Übung auch während der Ferien beibehalten. Wenn der Stand der Verhandlungen es erforderlich machen sollte, wird sie den Bundestag oder seine Ausschüsse jederzeit über die Entwicklung informieren. Heute möchte ich nur sagen, daß wir den verhandelnden Botschaftern dankbar sind, daß sie auch während der Sommermonate zügig weiterarbeiten. Sie tun es im Interesse der Berliner, sie tun es in unser aller Interesse.Nun vorweg einige wenige allgemeine Bemerkungen zur Lage in Westeuropa. Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, daß das zurückliegende Jahr zu einem der erfolgreichsten in der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften geworden ist. Wenn wir das im vergangenen Jahr Geleistete und Erreichte an den Verpflichtungen messen, die uns die Verträge auferlegen, und mit den Zielen vergleichen, die wir uns auf der Haager Konferenz vom Dezember 1969 selber gesetzt haben, so können wir zufrieden sein. Die Bilanz ist gut und voller Perspektiven für die Zukunft. Die bedeutsamsten Ereignisse des Jahres 1970 waren zweifellos die Schaffung einer europäischen Finanzverfassung mit eigenen Einnahmen für die Gemeinschaften, der termingemäße Beginn der Beitrittsverhandlungen, die Lösung der Kernprobleme des britischen Beitritts zu den Europäischen Gemeinschaften und der Beschluß, eine Wirtschafts- und Währungsunion der Gemeinschaft zu bilden.Zur politischen Bedeutung dieser Beschlüsse bedarf es in diesem Hause keiner besonderen Ausführungen. Es gibt hierüber, wie ich dankbar feststellen möchte, auch keine Meinungsverschiedenheiten. Es muß aber doch festgehalten werden, daß diese Ergebnisse nur zustande gekommen sind, weil der Wille zum Erfolg und die politische Entschlossenheit aller Beteiligten sich als stärker erwiesen haben als noch so komplizierte wirtschaftliche oder technische Probleme. Die Gemeinschaft hat bewiesen, daß sie in der Lage ist, große Aufgaben zu bewältigen, und das gibt Kraft und Zuversicht für die weitere Arbeit.Ich darf hierbei ausdrücklich den ausgezeichneten Geist hervorheben, der in den Verhandlungen über den Beitritt der vier künftigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft herrscht. Hier gilt mein besonderer Dank der französischen Delegation, die im ersten Halbjahr 1971 den Vorsitz innehatte und ohne deren Einsatz und Vermittlungsbereitschaft die erfreulichen und schnellen Fortschritte nicht hätten zustande kommen können.Im Zusammenhang mit dem Treffen zwischen Staatspräsident Pompidou und Premierminister Heath ist in der Presse die Besorgnis aufgetaucht, ob das britisch-französische Tête-à-tête nicht eine neue Politik der Erhaltung des Gleichgewichts in der Gemeinschaft einleiten könnte. Das Wort von der Entente cordiale ging um. Nun, wenn es eine Entente cordiale heute gibt, dann ist es nicht die vorn Anfang unseres Jahrhunderts, dann ist es eine Entente cordiale innerhalb der ganzen EWG. Es wäre töricht, zu vermuten, es käme heute ein ernsthafter Staatsmann auf den Gedanken, die Politik einer balance of power in Europa betreiben zu wollen.Der italienischen Präsidentschaft möchte ich für die Erfüllung der jetzt am 1. Juli übernommenen Aufgaben einen vollen Erfolg wünschen und unsere stetige Unterstützung für diese Aufgaben zusichern. Die Aufgabe des Vorsitzes in den Gemeinschaften beschränkt sich ja nicht auf die Tätigkeit in Brüssel, die verantwortungsvoll genug ist. Sie schließt die Aufgabe ein, dafür zu sorgen, daß die Gemeinschaft sich überall einheitlich präsentiert, wo diplomatische Vertretungen in den Hauptstädten der Welt und an den Sitzen internationaler Organisationen tätig sind.Auch die zweite Hälfte dieses Jahres wird für die Gemeinschaft große Aufgaben mit sich bringen. In den Erweiterungsverhandlungen sind zwar große Fortschritte erzielt worden; dennoch ist vieles noch offen. Wir werden uns anstrengen müssen, wenn wir bis zum Ende des Jahres alles unter Dach und Fach haben wollen. Mit großer Anteilnahme und Aufmerksamkeit verfolgen wir die Diskussion, die nun in den beitrittsbereiten Ländern in aller Schärfe entbrannt ist. Die Intensität, ja, die Leidenschaft, mit der diese Auseinandersetzung geführt wird, zeigt erneut die gewaltige politische Bedeutung, die diese Erweiterung der Gemeinschaft nun einmal hat. In den Auseinandersetzungen tauchen viele Argumente wieder auf, die wir aus unseren parlamentarischen Debatten über die Schaffung der EWG noch kennen. Es mag vielleicht für unsere Kollegen in den beitrittswilligen Ländern gut sein, zu wissen, daß sich für uns heute viele Besorgnisse, die wir in diesem Hause im Jahre 1957 zum Ausdruck gebracht haben, anders darstellen. Der mutige Schritt,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7757
Bundesminister Scheelden wir damals gemeinsam mit unseren fünf Partnern getan haben, hat sich gelohnt. Niemand von uns möchte mehr zurück.Wir hoffen also auch zuversichtlich und vertrauensvoll auf einen guten Ausgang der Diskussionen in den vier Ländern, die Mitglied der Gemeinschaft werden wollen.
In den nächsten Monaten werden die Verhandlungen über eine Regelung der Beziehungen zwischen der erweiterten Gemeinschaft und den nicht beitretenden EFTA-Staaten eine wichtige Rolle spielen. Im Haager Kommuniqué haben wir diesen Staaten in Aussicht gestellt, daß wir enge Bindungen zu ihnen suchen wollen. Natürlich darf durch diese Bindungen die Aktionsfähigkeit der Gemeinschaft nicht eingeschränkt werden. Zwischen diesen beiden Zielsetzungen besteht ein gewisses Spannungsverhältnis, mit dein wir in der Zukunft fertig werden müssen. Die Kommission hat nun den Mitgliedstaaten über diesen Komplex Vorschläge unterbreitet, über die in den nächsten Wochen, und zwar erstmals in der Ratssitzung am 26. und 27. Juli, gesprochen werden wird. Wir glauben, daß eine Freihandelsregelung im gewerblichen Bereich den Interessen aller Beteiligten am besten gerecht wird. Eine Regelung mit dieser Zielsetzung, die darüber hinaus entwicklungsfähig sein soll und mit den Regeln des GATT übereinstimmen muß, entspricht der von der Gemeinschaft im November 1970 bekundeten Absicht, daß neue Handelshemmnisse nicht aufgebaut werden sollten. Eine dahin gehende Erklärung habe ich seinerzeit als Präsident des Rates der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Delegationen der betreffenden Staaten abgegeben.Die Bundesregierung wird sich ausdrücklich für eine zügige Behandlung dieser wichtigen Fragen einsetzen, so daß die Verträge mit diesen Staaten gleichzeitig mit den Beitrittsverträgen in Kraft treten können. Sie wird dabei aber auch die Interessen anderer Staaten im Auge behalten, die in ihrem Handel von dem Erweiterungsprozeß betroffen sind. Das gilt vor allem für unsere Partner jenseits des Atlantiks, aber auch für alle anderen Länder, für die die neuen Entwicklungen in Europa möglicherweise handelspolitische Probleme aufwerfen.Während seines Besuchs in den Vereinigten Staaten hat der Bundeskanzler dem amerikanischen Präsidenten erneut versichert, wie sehr wir an einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und dem Gemeinsamen Markt interessiert sind. Viele Probleme, die heute in den USA sehr ernst genommen werden, würden weit weniger schwierig aussehen, wenn der Informationsstand besser wäre und wenn es schon einen intensiven Kontakt zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten und der Kommission und anderen EWG- Gremien gäbe. Aber hier sind wir auf dem Wege.In diesem Zusammenhang, so meine ich, werden es alle Mitglieder des Deutschen Bundestages begrüßen, daß die Gemeinschaft im Bewußtsein ihrer Verantwortung gerade auch gegenüber den Entwicklungsländern als erste unter den Handelsmächten dieser Welt die allgemeinen Präferenzen für Entwicklungsländer mit Wirkung vom 1. Juli dieses Jahres in Kraft gesetzt hat.Hinsichtlich der noch offenen Währungsprobleme mit ihrer eminenten Bedeutung für den Bestand und die Weiterentwicklung der Gemeinschaft werden wir uns auch im Interesse eines funktionsfähigen Agrarmarktes weiter um eine Gemeinschaftslösung bemühen. Dabei, so meine ich, sollten wir Meinungsverschiedenheiten nicht dramatisieren. Schließlich hat die Gemeinschaft mit dem Brüsseler Kommuniqué vom 9. Mai ja die Möglichkeit einer begrenzten Freigabe des Wechselkurses der D-Mark ausdrücklich zugelassen.Die Wirtschafts- und Währungsunion ist ein Zehnjahresprojekt, das in Stufen erreicht werden soll. Die erste Stufe, die gerade begonnen hat, soll vor allem dazu dienen, daß sich die Mitglieder an die Erfordernisse der späteren Abstufungen herantasten. Zu diesen Erfordernissen gehört der Gleichklang in der Zielsetzung der Stabilitätspolitik, denn diese Gemeinschaft will eine stabile Gemeinschaft, eine Gemeinschaft der Stabilität sein — sie sollte es sein. Ist dieser Gleichklang gesichert und wird er mit Erfolg praktiziert, so ist auch der währungspolitische Gleichklang kein Problem mehr. Aber solange das nicht so ist, wird es Probleme geben.Wir sind uns mit unseren Partnern - vor allemauch mit Frankreich — einig, daß sich die Gemeinschaft so bald wie möglich als ein eigenständiger währungspolitischer Faktor in der Welt profilieren sollte. Unsere Vorschläge zur Abwehr spekulativer Kapitalzuflüsse über eine Erweiterung der Bandbreiten nach außen sind in jeder Hinsicht gemeinschaftlicher Natur gewesen. Wir haben sie auch mit konkreten Zusagen untermauert. Wir waren und wir sind bereit, einem gemeinschaftlich abgestimmten Interventionssystem an den Devisenmärkten zuzustimmen und eventuell auch den europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit schon früher verwirklichen zu helfen, obwohl er nach den bisherigen Beschlüssen erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen ist.Wir sind bereit, bei den administrativen Maßnahmen, die die Kommission zur Abwehr von Kapitalzuflüssen vorgeschlagen hat, mitzugehen, freilich im Rahmen unserer marktwirtschaftlichen Grundhaltung.Das gegenwärtige Fehlen des Gleichklangs in der Währungspolitik hat freilich auch ein Gutes gehabt. Wir wissen jetzt alle besser, was nötig ist, damit die Wirtschafts- und Währungsunion funktionieren kann. Es wird hoffentlich aus späterer Rücksicht eine Episode bleiben, eine etwas steinige Strecke auf dem Wege zur Wirtschafts- und Währungsunion.Die Währungsfrage war auch ein wichtiges Thema bei den deutsch-französischen Konsultationen, zu denen Präsident Pompidou, sein Premierminister und die Fachminister am 5. und 6. Juli in Bonn weilten. Gerade in der Währungsfrage hat sich der Wert dieser regelmäßigen Konsultationen erneut gezeigt. Auch wenn wir noch nicht zu konkreten Lösungen gekommen sind, ist es doch gelungen, Miß-
Metadaten/Kopzeile:
7758 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Bundesminister Scheelverständnisse zu beseitigen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen.In der Berlin-Frage haben die Konsultationen völlige Übereinstimmung der Ansichten ergeben. Wir haben diese Gelegenheit benutzt, der französischen Seite für ihre Verhandlungsführung in Berlin zu danken. Präsident Pompidou versicherte uns erneut, daß wir in unserer Politik gegenüber Osteuropa weiter auf die Unterstützung Frankreichs rechnen können.Die Zusammenarbeit mit Frankreich in der Technologie macht Fortschritte. Schließlich haben wir bei diesen Konsultationen unseren Partnern durch Ministerpräsident Filbinger mitteilen können, daß dem französischen Wunsch, ihrer Sprache an den deutschen Schulen eine bessere Stellung im Sprachunterricht einzuräumen, in gewissem Umfang Rechnung getragen wird.Aber nicht nur wegen dieses letzten Punktes waren beide Seiten mit dem Ergebnis der Konsultation vollauf zufrieden. Der Teil der Presse, der Enttäuschung auf der einen oder anderen Seite oder gar auf beiden Seiten feststellen zu können glaubte, hat sich einfach geirrt. Ich bin sicher, daß die deutsch-französische Zusammenarbeit trotz der Schwankungen der Tagespolitik im Prozeß der Einigung Europas weiterhin ein wichtiges, wertvolles und dauerhaftes Element darstellen wird.Meine Damen und Herren, parallel zur Integration in den Europäischen Gemeinschaften und in einer zunehmend enger werdenden Verbindung mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission findet die außenpolitische Zusammenarbeit der Gemeinschaftsstaaten statt. Seit der Verabschiedung des Luxemburger Berichts am 27. Oktober 1970, zu dessen Zustandekommen die Initiativen der Bundesregierung erheblich beigetragen haben, ist als erste Phase der europäischen politischen Einigung ein Mechanismus qualifizierter Konsultationen zwischen den Sechs sowie des Meinungsaustauschs zwischen den Gemeinschaftsstaaten und den vier beitrittswilligen Staaten über wichtige außenpolitische Fragen in Gang gesetzt worden.Darüber hinaus wurden eine Reihe praktischer Maßnahmen ergriffen, die zu einem sich ständig verdichtenden Netz außenpolitischer Zusammenarbeit führen. Durch sie wird der eigentliche Konsultationsmechanismus ergänzt und werden seine Wirksamkeit und Kontinuität gewährleistet. Wenn auch die bisherigen Erfahrungen notwendigerweise noch begrenzt sind, so läßt sich doch heute schon sagen, daß diese Form der außenpolitischen Zusammenarbeit noch für eine lange Zeit der erfolgversprechende Weg bleiben wird, damit Europa mit einer Stimme sprechen kann.In einer deutschen Wochenzeitschrift ist jüngst eine interessante Betrachtung über die Zukunft der europäischen Einigung erschienen. Der Verfasser, der sich durch sein Vornamen-Pseudonym als Deutscher ausweist, macht aus dem Mechanismus der politischen Zusammenarbeit geradezu eine Antisupranational-Ideologie. Ich kann dem Verfasser in einigen, jedoch nicht in allen seinen Folgerungen beitreten. Vor einem Dogmenstreit vor allem sollten wir uns hüten. Wir haben ihn ja Gott sei Dank gerade überwunden. Aber ein zielbewußtes, in der Methode pragmatisches Handeln ist vor allem nach dem Beitritt Großbritanniens der allein erfolgversprechende Weg der politischen Zusammenarbeit. Wir sollten diesen Weg auf die Gemeinschaft hin entwickeln, nicht neben der Gemeinschaft her. Bald wird man auch über erste gemeinsame Institutionen sprechen müssen. Wir vergessen nicht, meine verehrten Kollegen, daß das einige Europa, das wir schaffen wollen, ein Europa ist, das durch eine europäische Regierung handelt.Bei den bisher konsultierten Themen gelang es trotz natürlicherweise bestehender Meinungsunterschiede, zu einem bestimmten Grad außenpolitischer Zusammenarbeit zu kommen. Das gilt auch für die Frage der Abstimmung einer gemeinsamen Nahostpolitik innerhalb der Europäischen Gemeinschaft.Nun hat gerade dieses Thema in den letzten Tagen die deutsche und die internationale Öffentlichkeit lebhaft beschäftigt. Das hat seinen Grund. Zunächst stellt sich nämlich die Frage, ob denn die Mitglieder der EWG, ob denn die Europäer überhaupt ein Recht haben, sich mit dem Konflikt im Nahen Osten zu beschäftigen. Und dann ist es dieses völlig Neue. Da versuchen sechs Länder, von denen jedes natürlich seine eigene Politik im Nahostraum betreibt, und zwar unterschiedliche Politik, wie man weiß, über gemeinsame Analysen zu gemeinsamer Meinung und danach zu gemeinsamem Handeln zu kommen.Lassen Sie mich zunächst ein paar Worte zur Nahostpolitik der Bundesrepublik sagen, um danach zu untersuchen, ob sie mit der sich entwickelnden EWG-Haltung vereinbar ist.Die Bundesregierung tritt in ihrer Außenpolitik allgemein für die Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens in der Welt ein. Das ist der oberste Grundsatz, von dem sie sich insbesondere auch in ihrer Nahostpolitik leiten läßt. Die Frage, ob Krieg oder Frieden im Nahen Osten herrscht, berührt die Interessen Europas und der Bundesrepublik in direkter Weise, und wir unterstützen daher alle Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Nahostkonflikts.Die Nahost-Entschließung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen von 1967 ist nach langwierigen und schwierigen Erörterungen zustande gekommen und stellt nach unserer Auffassung die beste Grundlage für die Herbeiführung einer den Interessen aller Völker dieser Region dienenden friedlichen Lösung des Konflikts dar. Eine Regelung, die den Grundsätzen der Nahost-Resolution Rechnung trägt, müßte in freier Vereinbarung die Zustimmung aller Beteiligten finden. Dafür gibt jetzt die Jarring-Mission den Rahmen ab. Wir sind bereit, jederzeit alles in unserer Macht Stehende zu tun, um zu ihrem Erfolg beizutragen und nach Wiederherstellung des Friedens in diesem Raum bei seiner sozialen und wirtschaftlichen Stabilisierung mitzuwirken.Den Ländern dieser Region gegenüber strebt die Bundesrepublik ein ausgewogenes Verhältnis an.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7759
Bundesminister ScheelDie guten, sich weiter entwickelnden Beziehungen zu Israel haben ihren besonderen Charakter durch das, was im deutschen Namen den Juden angetan wurde. Niemand kann sich aus seiner Geschichte stehlen. Andererseits liegt es sowohl in unserem Interesse als auch im Interesse der Nahostländer, daß wir den Versuch machen, in absehbarer Zeit die diplomatischen Beziehungen zu den arabischen Ländern wiederherzustellen, zu denen sie seit 1965 unterbrochen sind. Manch besonnene Stimme aus der arabischen Welt gerade in den letzten Tagen ist hier mit Aufmerksamkeit beachtet worden.Meine Damen und Herren, der von den Direktoren der sechs europäischen Außenministerien erarbeitete Bericht trägt diesen Grundsätzen, nach denen die Bundesrepublik ihre Nahostpolitik orientiert, Rechnung. Er wurde — das möchte ich hier unterstreichen — von den sechs Außenministern einstimmig gebilligt. Er stellt somit ein gemeinsames Dokument der Sechs dar.Was die leider so häufig diskutierte Frage anlangt, ob den Beratungen die Nahost-Entschließung des Sicherheitsrats im englischen oder im französischen Wortlaut zugrunde lag, so möchte ich sie wie folgt beantworten. EWG-Nahostpapier und Sicherheitsratsentschließung sind klar zu unterscheiden; es sind zwei verschiedene Dinge. Das letzte ist eine Empfehlung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, das erste ein Arbeitspapier der an der politischen Zusammenarbeit der europäischen Staaten beteiligten Regierungen. Es enthält nicht eine Auslegung der Nahost-Resolution des Sicherheitsrats, sondern eine eigene, auf der Resolution aufbauende Konzeption der Sechs, die sich insbesondere von der inneren Ausgewogenheit der Nahost-Entschließung des Sicherheitsrats leiten läßt.Meine verehrten Kollegen, anläßlich meines Besuchs in Israel hatte ich Gelegenheit, die deutsche Nahostpolitik in all ihren Aspekten zu erläutern. Sie zielt, wie ich eben sagte, darauf ab, gute Beziehungen zu allen Staaten dieser Region zu unterhalten. Ich hatte auch Gelegenheit, die Motive darzustellen, von denen sich die beteiligten Minister bei ihrer Erörterung der Lage im Nahen Osten leiten lassen. Ich habe u. a. ausgeführt, daß das Dokument der Sechs natürlich nicht die Haltung eines einzelnen Partners reflektiert, sondern eine gemeinsame Meinung aller an den Konsultationen beteiligten Regierungen. Ich habe ferner das Bemühen der europäischen Regierungen begründet und erläutert, in Fragen gemeinsamen politischen Interesses mit einer Stimme zu sprechen, und deutlich gemacht, daß die Haltung der Sechs oder der Zehn naturgemäß eine andere ist als die unkoordinierte Meinung einzelner Regierungen.Über meine Gespräche in Israel sind die Regierungen der EWG-Länder und der vier beitrittswilligen Länder im einzelnen unterrichtet worden. Es ist daher abwegig, wenn in einzelnen Presseorganen immer weiter spekuliert wird, ob da oder dort vielleicht doch eine Verstimmung eingetreten sein könnte.
Ich glaube, bei meinen israelischen Partnern Verständnis für unsere Haltung gewonnen und damit zur Festigung der deutsch-israelischen Beziehungen beigetragen zu haben. Das war auch das Ziel meiner Reise. Nach meiner Abreise aus Jerusalem hat mein Gastgeber, Außenminister Abba Eban, gesagt, daß manche Besorgnisse der Israelis durch den Besuch zerstreut worden seien.
— Das kann ja gar nicht sein! Oder er hat gesagt, manche Besorgnisse seien offenbar übertrieben gewesen.
Das spricht dafür, meine Damen und Herren, daß in Israel das Verständnis auch für die politische Zusammenarbeit der EWG-Länder wächst.Ich fasse zusammen. Wir haben nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, zum Frieden im Nahen Osten beizutragen. Ein Frieden, der dauerhaft sein soll, muß zwischen den Beteiligten in freier Vereinbarung geschlossen werden. Teillösungen können den Weg zu einem endgültigen Friedensvertrag erleichtern. Jedes Volk soll das Recht haben, in gesicherten Grenzen zu leben.
— Aber ja, Herr Ott. Wer würde das bezweifeln!
Wir haben daran wirklich lange gearbeitet.
Das sich einigende Europa muß schon jetzt dazu beitragen, daß Haß und Krieg von den großen Aufgaben der friedlichen Zusammenarbeit, der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung aller Völker in diesem Raum abgelöst werden können. In diesem Sinne hat sich die Bundesregierung an der politischen Zusammenarbeit der Sechs zu diesem Problem beteiligt, und in diesem Sinne wird sie sich auch weiterhin daran beteiligen.
Ich danke dem Herrn Außenminister für die Abgabe seiner Erklärung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine außenpolitische Regierungserklärung anläßlich einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages aus anderem Grunde in einer veränderten weltpolitischen Lage — verändert u. a. durch die neue Rolle Pekings, durch die Öffnung der Europäischen Gemeinschaft für Großbritannien und andere sowie durch die ernste Lage im Mittelmeer — während 'der Sommerpause mußte Erwartungen auf neue Perspektiven oder mindestens auf neue Informationen wecken. Warum sonst wäre die Regierung mit dem Wunsch an das Haus herangetreten, diese Erklärung abzugeben? Vielleicht nur, um in 'dieser Lage über Berlin ausdrücklich nichts zu sagen? Oder um das zu wiederholen, was der Herr Bundeskanzler unlängst bei der letzten
Metadaten/Kopzeile:
7760 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Dr. BarzelAussprache hier zum Beitritt Großbritanniens gesagt hat? Oder hatte der Außenminister vielleicht andere Gründe, z. B. sich zu rechtfertigen oder die zerstörte Glaubwürdigkeit wiederherzustellen? Wenn ja, wo? In Paris oder in Tel Aviv? Und was ist nun in dieser Lage, Herr Außenminister, die Ostasienpolitik der Bundesregierung? Da sind doch sicher ein paar Sätze mehr notwendig als das, was Sie, Herr Bundeskanzler, unlängst gesagt haben.
Welches also auch immer die Motive für diese Regierungserklärung gewesen sein mögen: sie wurde dieser Stunde nicht gerecht.
In dieser Lage müßte, wie wir meinen, zweierlei geschehen. Zum einen müßte ein Vorstoß auf das politische Europa hin unternommen und sollte nicht nur eine lahme Beschreibung gegeben werden; denn diese Lage zwingt doch die freien Europäer dazu, sich zu vereinigen, ohne sich darin stimmen wir überein - über verbale Positionen zu zerstreiten. Statt dessen — dies halten wir hier fest — ist die Regierung erneut hinter Vorstellungen zurückgeblieben, wie sie z. B. der französische Staatspräsident entwickelt hat. Dieser fordert nicht nur, wie das soeben geschah, eine europäische Regierung, deren Entscheidungen für sämtliche Mitgliedstaaten bindend sind, sondern er fordert auch, daß diese Regierung über eine eigene Verwaltung verfügt, und er fordert schließlich ein wirkliches Europäisches I Parlament, das dieser Regierung gegenübersteht. Dahinter blieb der Herr Außenminister zurück, und zu diesem Punkt schwieg sich die Bundesregierung wieder aus.Zumindest hätte doch dieses Haus hören sollen, daß die Regierung etwa eine Initiative ergriffen habe, alsbald die Auswirkungen der Chinapolitik der USA mit den europäischen Partnern nach dem Verfahren zu erörtern, das Sie hier lobenswerterweise — sich selbst lobend — erwähnt haben, mit dem Ziel, eine einheitliche Auffassung herbeizuführen und sich selbst davon leiten zu lassen — ich sage dies mit Bedacht , daß unsere politische Landkarte prinzipiell von weißen Flecken frei sein sollte. — Das alles ist nicht geschehen.In dieser Lage wäre es zweitens erforderlich, der Sowjetunion deutlich zu sagen, daß sie, wenn sie sich — das begrüßen wir doch alle als eine europäische Macht versteht, gerade jetzt in Berlin ein Zeichen der Verständigung setzen und in Deutschland und damit für Europa einen Beweis der Entspannung geben sollte. Nichts davon ist geschehen. Wir wurden eigentlich nur Zeugen davon, wie sich der Herr Bundesaußenminister bemühte, der eigenen Regierung auch noch Blumen zu streuen. Das war zu wenig für diesen Augenblick.Herr Kollege Scheel, Sie sollten nicht, was das Verhältnis zu Frankreich betrifft, die Presse für alle, wie Sie es nennen, „Mißverständnisse" verantwortlich machen. Immerhin ist es hier in Bonn doch so gewesen, daß auf der offenen Szene einer Bundespressekonferenz der Regierungssprecher, als er interpretierte, statt zu informieren, also wieder einmal die Wahrheit verschönte
— das sind seine Worte; Sie erinnern sich an die Haushaltsdebatte, meine Damen und Herren —, von seinem französischen Kollegen, dem Minister Hamon, berichtigt wurde und eine Klarstellung erfolgte, daß dem nicht so sei, wie Herr Ahlers mitgeteilt habe.
Es ist, Herr Kollege Scheel, doch wohl auch keine „Presseente", daß der Herr französische Außenminister den deutschen Botschafter in Paris zu sich gebeten habe, weil es Unklarheiten gegeben habe. Also so schön einvernehmlich, wie Sie es darstellen, sind die Dinge doch wohl nicht und waren sie wohl auch nicht. Ich glaube, Herr Kollege Scheel, Sie sollten dieses Haus bei dem fortgeschrittenen Stand der europäischen Integration und des Informationsaustauschs zwischen allen nicht für so desinformiert halten, daß Sie glauben können, hier so ein Bild malen zu können.
Aber vielleicht liegt eben darin der Sinn dieser Rede und der Tatsache dieser Regierungserklärung, daß nun in den Fragen, zu denen Sie sprachen, einewie soll ich sagen? — endgültigere Version des zur Zeit Gemeinten hier im Hause mitgeteilt werden soll. Nun, dies werden wir sehen. Auf jeden Fall werden wir Sie später in anderen Debatten an das zu erinnern haben, was Sie heute über die völkerrechtliche Unvereinbarkeit territorialer Gewinne durch Krieg und über die Notwendigkeit von Neuregelungen nur mit Zustimmung der Beteiligten im Wege freier Vereinbarung gesagt haben.
Das, Herr Kollege Scheel, gilt auch für Mitteleuropa und gilt natürlich auch für Deutschland.
Meine Kollegen Birrenbach und Blumenfeld werden zu den Themen Naher Osten und Europa dem Kollegen Scheel im einzelnen antworten. Ich möchte für unsere Fraktion zu dem sprechen, was die Regierung hier ausgeklammert hat, nämlich zu Berlin.Gestern hat es die Bundesregierung unterlassen, Zeitungsmeldungen zurückzuweisen, nach denen die Bundesregierung die Verbündeten zu größerer Nachgiebigkeit gegenüber der Sowjetunion dränge
und zu weiteren sehr wesentlichen Entgegenkommen in Sachen Berlin bereit sei. Heute gibt die Bundesregierung einen außenpolitischen Bericht und klammert dabei Berlin aus.
Der Hinweis des Außenministers auf die baldige interne Information ersetzt, Herr Kollege Scheel, das nötige Dementi nicht. Er verstärkt unsere Besorgnis. Die Zweifel bleiben, weil Klarheit fehlt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7761
Dr. BarzelSo hat die Bundesregierung es niemand anderem als sich selbst zuzuschreiben, nämlich ihrem beredten Schweigen, wenn hier zunächst von Berlin gesprochen wird, weil davon gesprochen werden muß. Denn wir haben hier die Erfahrung machen müssen, daß bei dieser Bundesregierung am wichtigsten ist, was sie nicht sagt.
Sollte es hier den üblichen Einwand geben, das störe die Vertraulichkeit oder das störe den Gang der Verhandlungen, so erinnere ich an unsere Debatte vom 9. Juni.
— Was haben Sie zugerufen?
— Glauben Sie vielleicht, daß Sie das machen können, was Sie nach der Meldung der „Deutschen Zeitung" in Berlin mit dem Vorstand der sozialdemokratischen Fraktion machen konnten?
— Der Herr Bundeskanzler teilt mit, was Herr Wirsing hier schreibt, sei Quatsch.
— Dann wollen wir das nicht in die Debatte hier einführen, meine Damen und Herren.Sie erklären also damit, Herr Bundeskanzler — das ist ganz interessant —, daß Sie keine Termine für die Ratifikation und für das Inkrafttreten der Berlin-Lösung setzen. Sie dementieren damit, daß Sie nicht darauf bestehen, von den drei Westmächten die Zulassung zur Errichtung eines sowjetischen Generalkonsulats in West-Berlin zu erhalten. Sie sagen, dieser ganze Bericht sei „Quatsch". So danke ich für diese Klarstellung, Herr Bundeskanzler. Der Gang der Entwicklung in und um Berlin wird zeigen, ob Herr Wirsing, wie Sie es nennen, „Quatsch" gesagt hat und ob das stimmt, was Ihr Zuruf in diesem Augenblick bedeutet.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Ehmke?
Herr Präsident, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen.
Warum, Herr Bundeskanzler, haben Sie die vielen Meldungen, die es seit Anfang Mai in der deutschen und internationalen Presse zu dieser Frage gibt, dann nicht dementiert?
Es wird Ihnen doch seit Wochen in der deutschen und internationalen Presse gesagt, Sie seien es, der die USA und andere Länder bedränge, der sowjetischen Forderung nach dem Generalkonsulat nachzugeben. Das wird seit Wochen behauptet undnicht dementiert. Herr Bundeskanzler, erklären Sie: „Das stimmt auch nicht!". Dann ist das aus der Welt. Nur, warum sagen Sie jetzt auf so eine eineinzige Bemerkung, dies sei „Quatsch", schweigen aber wochenlang zu Behauptungen, die dann doch offenbar nicht stimmen?Deshalb sage ich: Weil so lange geschwiegen worden ist, bleibt unser Zweifel erhalten. Wir haben nicht vergessen, was Sie in diesem Hause über die Nichtexistenz des Bahr-Papiers gesagt haben, das inzwischen in Dokumenten nachzulesen ist!
Diese Erörterung im Bundestag am 9. Juni, die durch Zwischenrufe etwas angereichert worden ist, sei, so haben es hinterher alle gesagt, hilfreich gewesen, und sie habe zu größerer Klarheit beigetragen. In dieser Junidebatte hat der Herr Bundeskanzler selbst erneut unsere positive Mitwirkung bei der Festlegung der westlichen Position bekräftigt. Aus eben diesem Grund sprechen wir heute von Berlin; denn Klarheit kann doch niemals schaden. Wir alle in diesem Hause wünschen doch ein Verhandlungsergebnis, das wir alle als befriedigend bezeichnen und auch verantworten können. Deshalb muß rechtzeitig, also heute, gesagt werden, daß ein Status quo minus in und um Berlin nicht befriedigend wäre.
Ebenso muß gesagt werden: Mehr Rechte der Sowjetunion, mehr Präsenz der Sowjetunion in West-Berlin bei gleichzeitig weniger Rechten, weniger Präsenz des Bundes in West-Berlin — auch dies wäre— ich hoffe, nicht allein für die CDU/CSU- Fraktion — nicht befriedigend.
Es darf kein Zweifel sein, daß West-Berlin nach außen von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland vertreten wird, mit aller Konsequenz vom Paß bis zur Europäischen Sicherheitskonferenz.Wir haben hier am 9. Juni erneut gesagt — soweit man dies öffentlich tun kann —, was Inhalt einer Berlin-Lösung sein muß, die wir als befriedigend ansehen. Dies gilt unverändert, ebenso wie unsere Meinung, daß es keinen Anlaß gibt, Grundsatzfragen mit der Sowjetunion, mit Polen, mit der DDR vertraglich zu regeln, wenn nicht erstens die ungeschmälerten westlichen Positionen in und um Berlin von der Sowjetunion anerkannt, zweitens unwiderrufliche Fortschritte zur Verbesserung der Lage der Deutschen in Deutschland erreicht und drittens das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen, also die deutsche Frage in der Substanz, zumindest offen und das Selbstbestimmungsrecht unbeeinträchtigt sind.Meine Damen und Herren, die gewachsenen Bindungen zwischen West-Berlin und dem freien Deutschland, die der Präsident der USA als „ganz und gar legitim" bezeichnet, gehören ebenso wie der freie Zugang und die Anwesenheit der Schutz-
Metadaten/Kopzeile:
7762 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Dr. Barzelmachte zur Lebensfähigkeit des freien Berlin. Was der Bund in Berlin tut, gehört zum Status quo. Was der Bund in Berlin tut, ist Rechtens! Nichts davon ist Anmaßung, nichts davon ist vermeintlichen Rechtes. Wenn wir alle hier oft gesagt haben, —
— Herr Kollege, verzeihen Sie, Herr Bundeskanzler — ich will Sie, auch wenn Sie von dort aus einen Zwischenruf machen, doch so nennen —, ich weiß, auf welchen Anlaß Sie anspielen. Die ganze Sache steht in Bundestagsdrucksachen. Es wird immer wieder drohend gesagt: Dann kommen wir und ziehen diese große Sache von eurem damaligen Innenminister im Hinblick auf die Bundesversammlung in Berlin heraus. Ich will jetzt in dieser Frage nicht replizieren, Herr Kollege Brandt und früherer Regierender Bürgermeister damals in jenem Jahr,
aber ich möchte Sie doch bitten, eines ad notam zu nehmen, sich nämlich zu fragen, ob damals die Bundesversammlung in Berlin stattgefunden hat oder nicht. Sie hat in Berlin stattgefunden! Dies ist der Vorgang. Sie sollten nicht glauben, uns durch irgendeinen solchen Zuruf vielleicht in der Meinung zu dieser Frage beeinflussen zu können. Wir sagen das, Herr Bundeskanzler, was wir denken, von dieser Stelle aus, und wir verantworten das auch, was wir dazu sagen.
Meine Damen und Herren, wir haben oft gesagt— und auch Sie mit Ihren Worten —, das freie Berlin und das freie Deutschland gehören zusammen. Wir haben hier gesagt und Sie haben dem zugestimmt: Aus Berlin darf kein drittes Deutschland werden. Wer an diesen beiden prinzipiellen Positionen festhält, und ich hoffe, wir tun dies alle, der darf weder drinnen noch draußen, weder öffentlich noch vertraulich etwa sagen, Berlin sei kein Teil der Bundesrepublik Deutschland, und der darf es nicht zulassen, daß man von Berlin als einem dritten Gebilde auf deutschem Boden spricht.
Dies, meine Damen und Herren, ist unvereinbar. Und wenn Sie dies meinen, kommen Sie hierher; wir hören gerne jede Erklärung, um in dieser Frage wirklich das zu finden, was uns miteinander gut bekommt.Sollte aber jemand zu Schritten drängen, welche— so oder so — im wesentlichen darauf hinauslaufen, eine Viermächteverantwortung allein über West-Berlin zu begründen, noch mit einer Verstärkung der sowjetischen Anwesenheit in West-Berlin, vielleicht noch — ich wehre hier etwas ab — mit irgendwelchen Auflagen des Wohlverhaltens, also nicht mehr der demokratischen Ordnung, dann wäre dies alles doch nicht nur die Verunsicherung Berlins, sondern die Verschiebung der Gleichgewichte in Europa.
Deshalb darf hier eben nichts geschehen, was die Bindungen Berlins zum Bund lockert oder tatsächlich oder auch nur dem Eindruck nach dazu führt, daß Berlin immer mehr als eine selbständige politische Einheit angesehen und auch gewertet werden muß.Ich sage dies im Hinblick auf manche Unklarheit, die ein konkretes Dementi der Regierung leicht hätte vom Tisch wischen können und dadurch diese letzten Ausführungen überflüssig gemacht hätte. Ich hoffe aber doch sehr — trotz dem, was der Regierungssprecher heute mittag erklärt hat —, daß sich der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin immer noch daran erinnert, wie er im Jahre 1962 den Sachverhalt Berlin hinsichtlich der teilweisen — mehr ist es ja nicht — Suspendierung des Grundgesetzes beschrieben hat. Er hat damals zutreffend gesagt:Die unlösliche Zugehörigkeit des Landes Berlin zum Bund ist von Verfassungs wegen entschieden und nur durch bestimmte alliierte Vorbehalte begrenzt.Wir stimmen dem heute noch zu.
Wer so denkt, darf eben nicht zulassen, daß davon geredet wird, Berlin sei „kein Teil" der Bundesrepublik Deutschland, oder es sei ein „drittes Gebilde" auf deutschem Boden.Nun sagt man— und wahrscheinlich ist dies auch so —, es sei unmöglich, eine Berlin-Regelung anders zu erreichen als auf der Basis des gegenwärtigen Status. Wenn das so ist, dann ist doch aber hier besonders scharf zu fragen, ob nicht die eine oder andere Maßnahme jetzt oder in der Folgewirkung den Status verändert, z. B. eine besondere sowjetrussische Behörde in West-Berlin, dann ist doch zu fragen, ob dies sich mit dem gegenwärtigen Status vereinbaren läßt, ob etwa Veränderungen in der Anwesenheit des Bundes in Berlin dem widersprechen und ob nicht das Ganze dann doch dazu führt, daß Geist und Inhalt des Moskauer Vertrages, wie ihn die Bundesregierung darstellt, nach dem ja alle Abreden mit Dritten unberührt sein sollen, doch höchst zweifelhaft ist, weil z. B. die Außenvertretung Berlins in Frage gestellt werden könnte.Wir sehen bis zur Stunde nicht, daß die Sowjetunion in Berlin die Gegenleistung für die Moskauer Unterschrift erbringt. Wir sehen Verhandlungen, in denen erneut Preise gefordert werden aus der Substanz Berlins. Wir sehen die Sowjetunion fordern und den Status quo minus verlangen.Meine Damen und Herren, es geht nicht -- und dies möchte ich noch einmal hier sagen — um irgendeine, sondern um eine befriedigende Berlin-Lösung. Dazu gehört, daß die Verantwortlichkeiten und die Rechte der vier Mächte erhalten bleiben. Auf dieser Basis, und nur auf dieser, könnten natürlich deutsche Stellen mit Zustimmung der Verantwortlichen mit der Durchführung technischer Funktionen beauftragt werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7763
Dr. BarzelBefriedigend ist eine Berlin-Lösung, dieerstens den Berlinern Vertrauen gibt, so, daß junge Menschen nach Berlin gehen, weil nur dadurch Berlin lebensfähig bleibt,
denn die Bevölkerung Berlins ist, wie die jeder Großstadt, überaltert und braucht Zuzug;zweitens die Zugänge unter alliierter Verantwortung störfrei und schikanenfrei macht;drittens die Zusammengehörigkeit des freien Berlin mit dem freien Deutschland garantiert, entsprechend den vorhandenen, gewachsenen politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, finanziellen und kulturellen Bindungen; dazu gehören die Vertretung West-Berlins nach außen durch den Bund und die Anwesenheit des Bundes in West-Berlin;viertens zur Beseitigung der Diskriminierung der Berliner im innerstädtischen und internationalen Verkehr führt.Diesen vier Punkten, Herr Bundeskanzler — sie sind Ihnen nicht unbekannt — haben Sie zugestimmt, zuletzt am 9. Juni dieses Jahres in Ihrer Erklärung hier in diesem Hause. Wir meinen, daß diese Zustimmung und der unterlassene öffentliche Widerspruch gegen die Pressemeldungen dieser Tage nicht miteinander in Einklang stehen.
Wenn diese vier Punkte, Herr Bundeskanzler, so gelten, wie sie gemeint sind, wie sie gesagt sind, wie sie geschrieben sind, dann müssen Sie, so meinen wir, öffentlich Widerspruch anmelden — und zwar selber — gegen das, was hier Mitgliedern Ihrer Regierung unterstellt wird.
Daraufhin sagen Sie: „So sehen sie aus." Deshalb sage ich Ihnen, Herr Bundeskanzler: wir glauben nicht, daß es Aufgabe der deutschen Politik ist, die Besonderheiten Berlins gegenüber Alliierten zu betonen, sondern die Zusammengehörigkeit zu erhalten und durchzusetzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Birrenbach.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion nimmt zur Kenntnis, daß sich der israelische Außenminister am Ende des Besuchs des Bundesaußenministers in Israel über diesen Besuch jedenfalls mit der Einschränkung befriedigt erklärt hat, manche Befürchtungen hätten sich als übertrieben erwiesen. Diese Feststellung ist um so wichtiger, als seit Beginn des Monats Mai in Israel tiefe Besorgnisse erkennbar wurden, die auf der Beurteilung des Nahostproblems durch die sechs Außenminister der EWG beruhten, wie sie im Nahost-Memorandum der politischen Direktoren der Sechs angeblich zum Ausdruck gekommen sein sollte.Dieses Mißtrauen drohte die deutsch-israelischen Beziehungen ernstlich zu belasten.Auf der anderen Seite muß aber ganz klar betont werden — insoweit stimmen wir mit der Bundesregierung überein —, daß der Konflikt im Nahen Osten unmittelbar die europäischen Interessen berührt, was hier und da, wie wir wissen, geleugnet worden ist. Man denke nur daran, daß durch den Einbruch der Sowjetunion in das östliche Becken des Mittelmeers im Zuge des arabisch-israelischen Konfliktes die Südflanke der NATO schwer gefährdet ist und auf der anderen Seite die europäische Wirtschaft in hohem Grade von den Öleinfuhren aus dieser Region abhängt.Da die politische Einigung Europas von Beginn an das Ziel der Europapolitik der CDU/CSU-Fraktion gewesen ist, entspricht auch der Versuch einer Festlegung eines gemeinsamen europäischen Standpunktes zu Fragen des Friedens in der Welt den Intentionen dieser Fraktion. Ob es aber zweckmäßig war, das außerordentlich heikle Problem der Nahostkrise zur zeitlich erstgelösten Aufgabe für die Gewinnung eines europäischen Standpunktes in der Außenpolitik zu machen, ist eine ganz andere Frage. Jedenfalls erscheint es uns zweifelhaft, ob es in diesem Augenblick zweckmäßig war, ein in alle Einzelheiten gehendes europäisches Konzept zu erarbeiten, insbesondere ohne vorherige Konsultierung der unmittelbar beteiligten Staaten.Auch die CDU/CSU-Fraktion ist daran interessiert, daß die Bundesrepublik mit den arabischen Nationen dieses Raumes, soweit heute keine diplomatischen Beziehungen bestehen, wieder ins Gespräch kommt. Aber nach allem, was wir in der Vergangenheit erlebt haben, insbesondere seit 1964, sollte man hier mit Zurückhaltung vorgehen. Nur eine Änderung der Politik dieser Länder, insbesondere in der Deutschlandfrage, kann den Weg für eine neue Gemeinsamkeit eröffnen, und auch erst dann, wenn sie sich im Sinne der Befriedung der ganzen Region auswirken könnte und nicht zu Lasten unserer Beziehungen zum Staate Israel ginge.Abgesehen von der ersten Frage der Opportunität der Erarbeitung eines detaillierten gemeinsamen europäischen Konzepts heute sind im Laufe der letzten Wochen und Monate noch zwei weitere Fragen aufgetaucht, deren Beantwortung die Bundesregierung bisher im unklaren gehalten hat: Ist das Memorandum der Sechs zur Nahostfrage ein unverbindliches Arbeitspapier, wie es immer in der Vergangenheit erklärt worden ist — so noch der Regierungssprecher am 8. Juli dieses Jahres in Jerusalem, siehe „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 9. Juli —, oder ist nur das Kommuniqué verbindlich — so derselbe Regierungssprecher in derselben Zeitung am selben Tage — oder stellt es eine klare politische Vereinbarung, einen „accord" zwischen den Sechs bzw. den Zehn dar?Der Bundesaußenminister hat in seiner heutigen Rede erklärt, der Bericht sei von allen sechs Nationen einstimmig gebilligt worden, er stelle also ein gemeinsames Dokument der Sechs dar. Nur so kann man verstehen, daß der französische Botschafter bei
Metadaten/Kopzeile:
7764 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Dr. Dr. h. c. Birrenbachden Vereinten Nationen dem Generalsekretär U Thant Einsicht in diesen Bericht gegeben hat.Wie verträgt sich aber nun diese Äußerung mit der Erklärung des Außenministers in Jerusalem — vergleiche „Neue Zürcher Zeitung" vom 10 Juli —, der Bericht sei für die einzelnen Regierungen nicht verbindlich, oder der Erklärung des Regierungssprechers am 14. Juli — vergleiche „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 15. Juli —, es handele sich nur um eine Hilfestellung für die Suche nach einer befriedigenden Regelung des Nahostproblems? Um die Klärung dieser Widersprüche müssen wir den Herrn Bundesaußenminister dringend ersuchen.Wenn der Bundesaußenminister erklärt, daß seine Auslegung des Memorandums — wie er sie in Israel gegeben hat — nirgendwo eine Verstimmung ausgelöst habe, so muß diese Erklärung bezweifelt werden, wenn man Einblick — wie Herr Barzel schon sagte — in die französische Presse der vergangenen Woche wirft; ich erinnere an „Le Monde" vom 13. Juli und an Combat vom 11. Juli und andere Zeitungen. Schließlich hat — worauf auch Herr Barzel hingewiesen hat — nicht umsonst der französiche Außenminister den deutschen Botschafter in Paris am 10. Juli, d. h. am Sonnabend, mit nicht zu übersehender Dringlichkeit zu einem Bericht in dieser Frage in den Quai d'Orsay gebeten. Auch das ist kein gewöhnlicher Vorgang.Darüber hinaus erhebt sich eine weitere Frage. Wenn man die Auffassung der israelischen Regierung zur Lösung des Nahostkonflikts kennt — und eine Reihe von Mitgliedern 'dieses Hauses kennen sie —, so ist nicht zu verstehen, wie beispielsweise in den Fragen der Grenzen, der entmilitarisierten Zonen, Jerusalems und der Flüchtlingsregelung eine Übereinstimmung zwischen dem EWG-Papier und der Auffassung der israelischen Regierung herzustellen ist. Anläßlich des Besuchs des französischen Präsidenten Pompidou erklärte der französische Pressesprecher am 6. Juli, zwischen der 'deutschen und der französischen Auffassung gebe es in dieser Frage nicht die geringste Differenz. Sicherlich ist es möglich — bei sehr großzügiger Interpretation —, in dem einen oder anderen Punkt den israelischen Standpunkt der Auffassung der Sechs anzunähern, insbesondere wenn man den vollen Wortlaut der Resolution Nr. 242 der Vereinten Nationen in dieses Konzept einbezieht, obwohl dies keine Interpretation desselben — wie es in der heutigen Rede heißt —darstellen soll. Insofern stellt sich das Problem der Sprache in einem geringeren Umfang.Es ist natürlich auch klar, daß ein Standpunkt der Sechs oder Zehn nicht mit dem des Staates Israel unbedingt in allen Einzelheiten übereinstimmen muß. Wie ist es aber dann möglich — das ist die Frage, die wir stellen müssen —, daß die israelische Regierung von der Erklärung des Bundesaußenministers zu diesem Memorandum befriedigt ist? Oder welche Befürchtungen haben sich dann als unbegründet erwiesen? Daß die israelische Regierung im Nahostkonflikt ihren Standpunkt geändert hat, hat noch niemand behauptet, — wenn sogar eine Übereinstimmung zwischen dem Rogers-Plan, der der israelischen Auffassung näherkommt, und der Regierung Israels bisher nicht einmal voll möglich war. Wenn auch der Bundesaußenminister nicht im Auftrag der Sechs in Jerusalem gesprochen hat, so muß er doch wohl einen Standpunkt eingenommen haben, der sich nicht nahtlos mit dem EWG- Memorandum decken kann.Was gilt denn nun eigentlich? Das müssen wir fragen. Gibt also dieses Memorandum und der diesbezügliche Beschluß der sechs bzw. der zehn Außenminister vom Mai dieses Jahres für einen eigenen Standpunkt der Bundesregierung noch einen hinreichenden Spielraum?Wir kommen damit zu der ersten Frage zurück, ob es sich um einen vollen accord der Sechs bzw. der Zehn oder um ein noch nicht endgültiges, noch einer Änderung zugängliches Arbeitspapier handelt. Ein erneuter Dissens in einer an diplomatischen Dissensen wahrlich nicht gerade armen auswärtigen Politik dieser Regierung könnte höchst bedenklich sein. Die Bundesregierung liefe Gefahr, sich zwischen alle Stühle zu setzen und schlechthin unglaubwürdig zu werden.Wir müssen aber den Bundesaußenminister um Aufklärung darüber bitten, wie er zu diesen hier konkret gestellten Fragen steht. Seine Rede entspricht somit nicht dem legitimen Anspruch dieses Hohen Hauses auf volle Aufklärung. In der Außenpolitik ist Eindeutigkeit der Haltung in so vitalen Fragen ein erstes Gebot. Man kann nun einmal in der gleichen Sache es nicht allen in ihrer Meinung unzweifelhaft divergierenden Parteien gleichzeitig recht machen. Aber alle betroffenen Staaten stehen der Bundesrepublik nahe, unsere Partner in der EWG ebenso wie der Staat Israel. Wir erwarten also von der Bundesregierung eine klare und eindeutige Beantwortung dieser Fragen, und zwar in dem Rahmen, der unter Beachtung der Staatsräson hierfür am geeignetsten erscheint.
Das Wort hat der Abgeordnete Blumenfeld.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU- Fraktion begrüßt natürlich jede Gelegenheit, in diesem Hause über die Europapolitik zu debattieren, denn diese ist wohl von allen Fraktionen dieses Hauses stets als eine der wichtigsten Fragen angesehen worden.Der Außenminister hat zu Beginn seiner Erklärung gesagt, daß sowohl auf Grund der amerikanischen Chinapolitik als auch auf Grund der sowjetischen Europapolitik Bewegung in die Entwicklung der Weltpolitik gekommen ist und daß Fragen aufgeworfen worden sind, auf die sowohl der Bundestag wie die deutsche Öffentlichkeit Antworten erwarten. Herr Außenminister, unser Fraktionsvorsitzender, Dr. Barzel, hat hier schon eine Antwort gegeben. Ich kann nur feststellen, daß die heutige Erklärung von Ihnen unseren Informationsstand nicht erhöht hat. Der substantielle Informationswert Ihrer Erklärung war gering. Herr Außenminister, ich hoffe, daß Sie
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7765
Blumenfeldbei der nächsten Gelegenheit, bei der wir über europäische politische Fragen in der heutigen Weltsituation sprechen, konkreter werden und sich den Fragen, die wir hier zu erörtern und zu diskutieren haben, stellen.Wir sind z. B. der Auffassung — das haben wir auch in unserem Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht —, daß gerade die sich gegenwärtig abzeichnenden politischen Entwicklungen die Schaffung einer handlungsfähigen europäischen politischen Gemeinschaft und ihre Institutionalisierung besonders dringlich machen. Unseres Erachtens gebührt daher der europäischen Integrationspolitik zur Zeit die Prioritätsstufe 1. Es geht vor allen Dingen um die Frage, wie und mit welchen Institutionen die künftige politische Zusammenarbeit funktionieren soll.Herr Außenminister, in den europäischen Versammlungen ist in den letzten Monaten häufiger als hier im Bundestag und in den nationalen Parlamenten über die Zukunft und die zukünftigen Strukturen dieses von uns gewollten Europas debattiert worden. Wir hätten es begrüßt, wenn Sie uns in Ihrer Erklärung eine Initiative angekündigt und eine Zielsetzung dargestellt hätten, die es wirklich Wert gewesen wären, heute schon in Gang gesetzt bzw. diskutiert zu werden. Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen, daß auch wir der Auffassung sind, daß ein dogmatischer Streit etwa darüber, ob die politische Union nun die Form einer Föderation oder einer Konföderation haben soll, uns weder heute noch in Zukunft weiterführt. Wichtig ist vielmehr, daß die Gemeinschaft möglichst bald ein handlungsfähiges Gemeinschaftsorgan erhält.Herr Außenminister, Ihr hohes Lied von dem Erfolg der politischen Konsultationen mutet angesichts der Auseinandersetzungen um das Israel-Papier etwas merkwürdig an. Mein Kollege Birrenbach hat eben schon davon gesprochen. Auch hier liegen die Ursachen wohl etwas tiefer, als Sie es uns in Ihrer Erklärung dargelegt haben. Man kann unseres Erachtens so schwierige Fragen wie z. B. das Nahostproblem nämlich nur dann zum Gegenstand gemeinsamer Berichte und Dokumente machen, wenn man auch in anderen politischen Fragen z. B. in der Frage der wirtschaftlichen Integration, der Demokratisierung, der Währungspolitik, der Osthandelspolitik, um nur einige zu nennen — Fortschritte erzielt und wenn ein Mindestmaß an Übereinstimmung über die Zielsetzung des Integrationsprozesses entsteht.Wenn die gegenseitigen Erwartungen auf diesen Gebieten immer wieder enttäuscht werden, so muß man sich, glaube ich, Herr Außenminister, eben zunächst auf Konsultationen beschränken, ohne schon den Versuch zu unternehmen, zu gemeinschaftlichen Haltungen oder gar Handlungen zu kommen. Mit anderen Worten: Politische Konsultationen führen nur dann zu Fortschritten im Integrationsprozeß, wenn Ziel, Mittel, Wege und Institutionen einigermaßen klar zu erkennen sind und auch ein entsprechender Zeitplan besteht.Die beiden kommenden Jahre sind für den politischen Integrationsprozeß von besonderer Bedeutung, denn erstens soll und ich unterstreiche: soll — im Jahre 1973 die zweite Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion beginnen, in der ein gemeinschaftliches Entscheidungszentrum geschaffen werden soll, und zweitens muß die Europäische Kommission bis dahin entsprechend den Beschlüssen des Ministerrats über die EWG-Finanzverfassung ihre konkreten Vorschläge für die Rolle des Europäischen Parlaments vorlegen, über die dann die Regierungen zu beschließen haben werden. Dabei geht es vor allen Dingen darum, die haushaltsrechtlichen Befugnisse des Parlaments auszubauen und ihm echte legislative Kompetenz sowie parlamentarische Kontrollrechte zuzuweisen.Meine Damen und Herren! Einen Schritt zur Erhöhung der demokratischen und repräsentativen Legitimation dieses Parlaments sieht die CDU/CSU in ihrer vor kurzem ergriffenen Initiative zur Direktwahl der deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Wir beraten diese Initiative mit den beiden anderen Fraktionen des Hauses im Rahmen der interfraktionellen Arbeitsgruppe, um möglichst bald zu einem gemeinsamen Entwurf zu kommen.Herr Außenminister, mit einiger Sorge allerdings betrachten wir die Entwicklung zu der von uns für dringend notwendig gehaltenen europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Es muß mit Bedauern festgestellt werden, daß durch die währungspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung und durch ihr Vorgehen im EWG-Ministerrat für unsere Partner Fragezeichen gesetzt worden und bei einigen Partnern — wer wüßte das besser als Sie, Herr Außenminister? sogar Zweifel am deutschen Willen zur Fortsetzung der bisherigen Integrationspolitik aufgekommen sind. Die „Entente cordiale , von der Sie vorhin gesprochen haben, nicht im Verhältnis zwischen Frankreich und Großbritannien, sondern innerhalb der EWG ist getrübt, und wer wüßte außer Ihnen, Herr Minister Scheel, besser darüber Bescheid als der eben noch auf der Regierungsbank sitzende Minister Schiller?
Aber nicht nur dort innerhalb der Gemein-schaft der Partner — ist Sorge erzeugt worden, sondern auch die deutsche Wirtschaft ist in ihren Dispositionen verunsichert. Die Investitionen und Planungen der deutschen Wirtschaft gingen in den letzten Jahren stets von der zunehmenden Westintegration der Bundesrepublik aus, und dabei ist die deutsche Volkswirtschaft insgesamt ja wohl nicht schlecht gefahren. Die konsequente, ja beschleunigte Fortführung der europäischen Integrationspolitik liegt daher in unserem ureigensten Interesse.Auch unser Ziel, die Stabilität bald wieder zu erreichen, kann nicht mehr allein mit nationalen Mitteln erreicht werden; auch hier bedarf es gemeinsamer Anstrengungen aller EWG-Partner.Koordinierung allein ist nicht mehr in der Lage, die Wirtschafts- und Konjunkturprobleme der Gemeinschaft zu lösen. Vielmehr müssen die gemeinsamen Zielsetzungen institutionell und instrumental abgesichert werden. Ich glaube, Herr Außenminister, daß angesichts der derzeitigen währungspolitischen Schwierigkeiten überhaupt so eine dauer-
Metadaten/Kopzeile:
7766 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Blumenfeldhafte Lösung gefunden werden kann. Die Gefahr einer Renationalisierung muß unter allen Umständen vermieden werden. Die jüngsten Äußerungen — der Fraktionsvorsitzende meiner Fraktion, Dr. Barzel, hat schon darauf hingewiesen — des französischen Regierungssprechers zur deutschen Währungspolitik im Anschluß an das Treffen des französischen Staatspräsidenten mit dem Bundeskanzler zeigen, daß das deutsch-französische Verhältnis entgegen den bagatellisierenden Erklärungen von Ihnen, Herr Minister Scheel, und von Herrn Minister Schiller zur Zeit einer Belastung ausgesetzt ist, die nicht nur die bilaterialen Beziehungen berührt, sondern auch die Schaffung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gefährdet. Wir sagen das hier nicht ohne Grund, Herr Minister Scheel. Ich möchte unterstreichen, was Dr. Barzel gesagt hat, nämlich daß Sie bitte auch in der Zukunft davon ausgehen mögen, daß dieses Haus, zumindest in einigen Teilen, auf einem wesentlich höheren Informationsstand steht, als Sie es heute dem Hause insgesamt vermittelt haben. Wir gedenken auch weiterhin, diesen unseren Informationsstand zu sichern. Wenn Sie das Ganze nicht als eine Plauderei vor dem Bundestag betrachten, sind Sie deshalb gehalten, uns etwas Substantielleres dazu zu sagen.Die unterbrochene Integrationsentwicklung muß möglichst bald wieder fortgesetzt werden. Es ist zu hoffen, daß die EWG auch im internationalen Rahmen auf währungspolitischem Gebiet — so beim internationalen Währungsfonds im September dieses Jahres — gemeinsam wird vorgehen können.Herr Minister Scheel, Sie haben auch auf die Artikelserie in der „Zeit" oder, wie man so schön sagt, in einem großen deutschen Wochenblatt Bezug genommen. Manche vermuten, daß sich unter dem Pseudonym jemand verbirgt, der Ihrer politischen Richtung nicht so ganz fernsteht. Ich will nicht darüber spekulieren, ob der Verfasser dahin oder dorthin gehört, aber zumindest hat der Verfasser des Artikels das kooperative internationale Verfahren nicht nur für politische Konsultationen, sondern auch für die Fragen der wirtschaftlichen Integration vorgeschlagen. Da niemand annehmen kann, daß die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion ohne z. B. unabhängige Notenbank, ohne Gemeinschaftsentscheidungsorgane und ohne Demokratisierung möglich ist, bedeutet der Vorschlag doch wohl, Herr Minister Scheel, daß von „Wieland Europa" praktisch eine Verschiebung aller Pläne einer weiteren wirtschaftlichen Integration auf unbestimmte Zeit, wenn nicht sogar ein indirektes Abgehen von dem Konzept der wirtschaftlichen und politischen Integration zugunsten einer z. B. durch internationale Verfahren angereicherten Zollunion in Kauf genommen wird.Ich bin wie wir alle dafür dankbar, daß Sie einigermaßen deutlich von dieser Konzeption abgerückt sind. Ich meine, daß sich hier in der Tat eine Wegscheide aufzeigt. Meine verehrten Kollegen, wir werden in diesem Hause über diese zukünftige Entwicklung zu diskutieren und unsere Entscheidung zu treffen haben. Es geht nicht an, daß sich das nur in der Exekutive oder in den Beratungen der Exekutive vollzieht, sondern — Herr Minister Scheel, ich hoffe Sie sind mit mir darin einig — das Parlament hat hier eine ganz wesentliche und letzten Endes sogar eine bestimmende Aussage zu machen.Noch ein letztes Wort zur Erweiterung der Gemeinschaft. Die CDU/CSU hat die EWG stets als Grundlage und. Kern bei der Entwicklung zu einem größeren europäischen Bundesstaat betrachtet. Mit Genugtuung stellt sie daher fest, daß der Weg zur Erweiterung der Gemeinschaft nunmehr offen ist. Wir haben immer darauf hingewiesen, daß bei den zu lösenden Problemen zufriedenstellende Regelungen nur möglich sind, wenn der politische Wille dazu bei allen Beteiligten vorhanden ist. Daher kann mit Befriedigung vermerkt werden, daß keiner der Verhandlungspartner bislang am Inhalt der Römischen Verträge gerüttelt hat. Es kommt jetzt allerdings darauf an, daß auch die politische Finalität der Verträge, von der vorhin die Rede war, gemeinsam verwirklicht wird. Wir geben unserer Hoffnung Ausdruck, daß sowohl die Beitrittsverhandlungen als auch die Verhandlungen über etwaige Assoziierungen, von denen Sie gesprochen haben, Herr Scheel, und Sonderverträge zur Gemeinschaft so rechtzeitig abgeschlossen werden, daß sämtliche Verträge zum 1. Januar 1973 in Kraft treten können. Die Fraktion der CDU/CSU wird wie in der Vergangenheit so auch in Zukunft mit allem Nachdruck für die politische und wirtschaftliche Einheit des freien Europas eintreten, denn sie sieht hierin einen entscheidenden Beitrag zu einer europäischen und weltweiten Friedensordnung.Meine Damen und Herren, es sind zwei Entschließungsanträge eingebracht worden, einer von den Koalitionsfraktionen und einer von meiner Fraktion. Ich möchte zu dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen namens meiner Fraktion nur sagen, daß wir in einer Reihe von Punkten mit Ihnen durchaus einig gehen und dieses zur Grundlage einer kurzen und intensiven Beratung im Ausschuß machen sollten und machen werden. Wir sind aber auch der Meinung, daß wir in dem einen oder anderen Punkt Ihren Vorschlägen nicht so ohne weiteres beitreten können. Unser Entschließungsantrag hat die Prioritäten, die ich soeben dargelegt habe, zur Grundlage: politische Union, Wirtschafts-und Währungsunion — und hierbei die Aufforderung an die Bundesregierung, nun ihrerseits grünes Licht zu geben und die Signale so zu setzen, daß wir zu einer Gemeinschaftslösung kommen können. In dem dritten Punkt unserer Entschließung haben wir unsere Zustimmung gegeben zu den auch schon von Ihnen vorgetragenen Notwendigkeiten der Erweiterung.Ich bitte namens meiner Fraktion, die Entschließungsanträge dem zuständigen Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner. Es sind dreißig Minuten beantragt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7767
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinen verehrten Herren Vorrednern möchte ich dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen ausdrücklich dafür danken, daß er mit der Erklärung, die er heute hier abgegeben hat, die Aufmerksamkeit auf die bedeutsamen Entwicklungen gelenkt hat und lenkt, die in Richtung der Erweiterung und des inneren Ausbaus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vor sich gehen.
Man muß ja immerhin mit einem Blick oder dem Sinn für Proportionen, von dem natürlich unstreitig ist, daß nicht alle gleichmäßig damit gesegnet sind, doch den Platz dieser Erklärung des Bundesministers des Auswärtigen in diesem Hause angesichts heftigster Auseinandersetzungen in Ländern, die nun nach der Überwindung zum Teil jahrelang unlösbar erschienener Schwierigkeiten beitrittsfähig und beitrittswillig sind, hier sehen.
Ich bin bestimmt kein Beckmesser, schon gar nicht heute —
Ich bitte Sie, lassen Sie mich doch genauso ruhig und so langweilig reden, wie wir Ihre Herren angehört haben. Genauso, weiter gar nichts!
Sie werden uns doch diesen „Sonntag", diesen Sommernachmittag nicht verderben. — Ihre Dirigentenbewegungen üben Sie innerunionlich und nicht hier im Bundestag, meine Herren!
Mancher wird es enttäuschend finden, daß die CDU/CSU auch nicht das geringste Zeichen von Kooperationswilligkeit gegeben hat oder, wenn schon nicht das — das wäre genauso in Ordnung —, eine Alternative, wie nun ihre wirkliche Lokomotive vorgespannt oder hintendran gehängt wird.
Auch das gibt es bei Ihnen nicht. Sie nölen hier, weil Sie das brauchen. Das ist die Situation.
Ich möchte hier sagen, daß wir ausdrücklich die Bundesregierung und den Bundesminister des Auswärtigen in ihren wahrlich nicht leichten Bemühungen unterstützen, von denen hier vor ganz wenigen Wochen, ehe wir in die sogenannte Sommerpause gegangen sind, gesprochen worden ist, auch vom verehrten Herrn Sprecher der CDU/CSU. Aber das ist der Unterschied bei Ihnen, nicht bei uns, daß Sie gewisse feierliche Gelegenheiten, von denen Sie meinen, da hörten andere mit, dann in getragener Form sich entwickeln lassen, während Sie sich bei anderer Gelegenheit innerunionlich profilieren müssen.
daß die deutsch-französische Zusammenarbeit trotz der Schwankungen der Tagespolitik im Prozeß der Einigung Europas weiterhin ein wichtiges, wertvolles und dauerhaftes Element darstellen wird. Das ist unsere Meinung, und das haben diese schwierigen Jahre seit Den Haag bewiesen.Daß das keine ständigen Flitterwochen sind, haben wir gewußt. Da haben sich wohl jene früheren Bundeskanzler ein wenig getäuscht, die damals an dem berühmten Kamin gesprochen haben. Einer sitzt ja unter uns; ich will ihm nicht zu nahe treten. Ich kann mir vorstellen, in welcher Verfassung er war, als er merkte, wie das ist, wenn Flitterwochen keine Flitterwochen sind.
Es wäre vergeblich, zu hoffen, daß sich die CDU/CSU wenigstens in diesen Fragen kooperativ verhalten würde. Wir hatten vor einigen Monaten einmal mit Entschließungen eine Möglichkeit. Bei den Beratungen ist wenig herausgekommen. Heute liegen wieder zwei Entschließungen vor. Meine Damen und Herren, sehen Sie sich die beiden Entschließungen einmal in aller Ruhe an. Sie müssen es ja nicht hier tun. Keiner will von Ihnen hier irgendwelche Bekenntnisse; die legen Sie untereinander ab, und auch da habe ich meine Zweifel, wie es damit aussieht. Sie wissen doch, daß wir bereit waren, mit Ihnen eine interfraktionelle Entschließung zu fassen. Daß Sie sie nicht gewollt haben, ist Ihre Sache. Gut, das ehrt Sie. Aber wo ist denn der Schneid in Ihrem Papier?
Wo ist in dieser Prothese denn das, was Sie zu sagen haben?
Wir haben Ihnen ja keine Entschließung aufzwingen wollen. Aber das, was Sie hier bringen, ist eineProthese ohne Zähne, und Sie wissen, was das ist!
Immerhin, wir werden uns darüber verständigen, was man aus beiden Entschließungen machen kann. Ich hoffe, daß die Diskussion darüber allmählich in Gang kommt.Herr Kollege Birrenbach, ich muß nur ganz einfach die Frage stellen, ob es nicht besser gewesen wäre, Sie wären, was Ihren heutigen Debattenbeitrag hier betrifft, bei dem geblieben, was Sie gestern haben sagen lassen, nämlich nicht zu reden, nachdem Sie die Ausführungen des Herrn Bundesministers des Auswärtigen vorher gelesen hatten. Aber das ist Ihre Sache. Wer weiß, vielleicht ist auch das eine innerunionliche Angelegenheit. Ich will Sie da nicht bedrücken. Es wäre besser gewesen. Denn irgend
Metadaten/Kopzeile:
7768 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Wehneretwas, woraus auch wir etwas hätten mitnehmen können, fanden Sie nicht.Ich gehöre z. B. nicht zu den Bewunderern dieses Papiers der Sechs. Das weiß man. Ich habe mich öffentlich dazu geäußert. Ich bin — das gebe ich offen zu — in Fragen Israels kein Neutraler. Das ist eine völlig andere Sache.
Aber ich sehe das redliche Bemühen dieser Regierung. Bitte, ich sage Ihnen, wie ich das denke, und das habe ich auch öffentlich gemacht. Ich muß andererseits zugeben, daß diese Regierung das Menschenmögliche und das Regierungsmögliche, was noch viel schwieriger ist — denn das Menschenmögliche ist einfacher als das Regierungsmögliche - getan hat.
— Ach, wissen Sie, Sie sind doch so klug, daß Sie sich auf die Verkehrsdebatten beschränken sollten!
Meine Damen und Herren, es gibt einen Punkt, da reagiere ich allergisch. Herr Kollege Birrenbach hat hier einiges gefragt. Er ist ja bekannt für seine bohrende oder, wenn nicht bohrende, so nervensägende Art, Fragen zu wiederholen; das liegt im Beruf. Israel muß einen Frieden haben, den es zusammen mit anderen zustande bringt und bei dessen Aushandlung es von Anfang an dabei war. Das ist das Entscheidende. Im übrigen glaube ichnicht ich glaube es nicht nur nicht, das wärezuwenig, sondern ich bin davon überzeugt - daßunsere Regierung keine Hand und keinen Finger dazu bieten würde, daß man Israel oder einem anderen Staat etwas aufzwingt.
— Auch nicht den arabischen Staaten! Entschuldigen Sie mal! Sie brauchen mich doch nicht zu belehren. Das sage ich dort, wo es darauf ankommt. Hier schöne Reden zu halten, überlasse ich Ihnen, verehrte Dame.
Im übrigen möchte ich zu Herrn Barzels Introduktion in diese gewaltige Debatte nur sagen: Nicht einmal das, Herr Kollege Barzel, war originell, was Sie hier über die Landkarte gesagt haben: unsere Landkarte sollte prinzipiell von weißen Flecken frei sein. Das hat von dieser Stelle aus einmal ein sehr verehrter Kollege gesagt. Aber er mußte es— es war der Kollege Dr. Pfleiderer — gegen Ihre Regierungschefs und Außenminister, gegen Ihre Doktrinäre sagen, die nicht nur weiße, sondern noch ganz andere — —
— Natürlich! Sie sind doch jetzt plötzlich anderer Meinung, weil Sie glauben, Sie könnten damit den Russen Juckpulver in die Halskrause schütten.
Das wissen wir doch; das brauchen wir doch einander nicht zu verschweigen.
So gewaltig politisch ist Ihre Entdeckung Chinas auch nicht, zumal Sie sich mit der CSU erst darüber klar werden müssen, inwieweit es dabei um Taiwan und inwieweit um Peking geht. Wir haben kürzlich im Fernsehen sehen können, wie Sie dort diese Ihre Mehrpolarität begründet haben. Sympathische Herren hatten Sie dorthin geschickt, große Sachverständige; ich sehe sie noch vor mir. Aber jeder muß einmal reisen können.
— Natürlich, daß sie sich dort einmal ausgeredet haben, um auf diese Weise innerunionlich einem Ihrer Kollegen eins auszuwischen.
- Bitte, fragen Sie sie doch!
— Nein, ich denke in diesem Fall gar nicht, sondern ich vollziehe Ihre Handlungen nach. Dann braucht man nämlich nicht mehr zu denken. Das ist eine ganz einfache Sache.
Was haben denn 1964 der damalige Regierungschef und sein Außenminister für Glanzstücke in der Peking-Frage geleistet? Schwamm drüber, sage ich Ihnen! Es wird einmal die Zeit kommen, daß wir darüber reden.
Heute tun Sie plötzlich so, als könnten Sie nicht anders als aktiv und dynamisch sein, wobei Sie nur noch nicht wissen, bei welcher Abzweigung — ob dort oder dorthin — Sie landen werden. Oder nehmen wir die Anti-Mao-Reden unseres großen
Vorsitzenden! — Aber nicht dessen! Der hat ja kürzlich gesagt — er hat sich hier so ausgedrückt, wie man sich heute auszudrücken pflegt —: Wenn ich gefragt würde — hat er gesagt —, ob ich jetzt irgendeinen Kontakt zu Peking habe, würde ich darauf keine Antwort geben. Das ist ein wahrlich großer Vorsitzender, ,der so redet, der sich so interessant macht.
Ich habe hier von dem anderen geredet, der demnächst Ehrenvorsitzender werden wird. Ich sehe ihn leider nicht mehr vor mir. Herr Rasner sitzt an seiner Stelle, aber nur physisch, sonst nicht.
Ich erinnere daran, wie der 1969 Mao auf die Hörnergenommen hat. Wie wollen Sie das wegkriegen?Das können Sie nur wegkriegen, indem Sie ihn zum
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7769
WehnerEhrenvorsitzenden machen und dann sagen: das gilt für Sie nicht mehr.
Herr Barzel, in einem Punkt werden wir ernsthaft und wanhrscheinlich lange miteinander reden und zwischendurch auch ringen müssen: das ist das Problem europäischer Bundesstaat Staatenbund, aber nicht an und für sich, sondern wie Sie meinen es hier gelegentlich taktisch ausnützen zu können. Ich halte Sie für gescheit, für ,ausreichend gescheit,
um zu wissen, daß es nicht die Schuld der Bundesregierung ist, wenn — um einmal auf Herrn Blumenfeld, der Ihre Rede hinterher als eine Art Fachmann interpretiert hat, zurückzukommen; sonst lohnt es gar nicht — gesagt wird, was wir brauchten, seien starke Organe. Sie wissen doch ganz genau, verehrte Herren, daß es nicht nur — um es sehr milde zu sagen — an der Bundesrepublik, an der Bundesregierung liegt, wie stark die Organe in der EWG sind.Ich habe kürzlich an einer dreitägigen Konferenz von Parteien sozialdemokratischer und demokratisch-sozialistischer Observanz, je nachdem, wie sie sich bezeichnen, in Brüssel teilgenommen.
- Ja, ja, ich weiß, da haben, als Sie auch nur Fetzenbekamen, Ihre Herren Blumenfeld und der große Vorsitzende gleich darauf herumgehackt. Ich habe allen die Rede hinterher in der Bandaufnahme zur Verfügung gestellt. Da habe ich nichts mehr gehört von ihnen. Sie sind Helden, wissen Sie, Sie sind Helden. Sie tun mir aber leid. Sie tun mir leid, weil Sie es so nötig zu haben scheinen, zu picken mit Ihrenentschuldigen Sie, ich meine das jetzt bildlich und nicht wörtlich — Schnäbeln auf das, was Sie entdeckt zu haben glauben, irgendeinen Wurm, der bei uns im Holz wäre.Nein, wir hatten eine Konferenz, und ganz klar ist, daß die Parteien, rdie uns nahestehen, eine starke, wirkliche Exekutive, soweit das die heutige Verfassungsmöglichkeit zuläßt, für bitter notwendig halten. Wir haben auch gesagt, woran das wohl liegt und was wir machen müssen, wie wir von draußen ansetzen müssen, wie wir die Debatte ins Europäische Parlament hineinbringen müssen, wie wir endlich jene verhinderten Debattierer — Herrn Barzel, Herrn Wehner, andere Herren — hinbringen ins Europäische Parlament, damit sie dort mal zeigen und damit in Frankreich und in Italien und in all den Ländern davon Notiz genommen wird, mindestens so viel Notiz wie sonst von den Debatten der nationalen Parlamente. Das sind doch die Fragen, mit denen wir uns ernsthaft befassen müssen.
— Einverstanden.Dann kommen Sie und sagen: Bundesstaat. Sie wissen, wo da die tiefen Unterschiede in bezug auf den Wunsch liegen. Die liegen gar nicht zwischen uns hier, wobei ich mich scheue, weil ich fürchte, es wäre unappetitlich und würde so aufgefaßt, mich Ihnen irdenwie annähern zu wollen. Die eigentlichen Gegensätze liegen doch da zwischen unseren in manchen Dingen nicht völlig zusammenpassenden, aber doch in großen Zügen auf die Vereinigten Staaten Europas hinzielenden Auffassungen auf der einen Seite und jenen staatenbündlerischen Auffassungen auf der anderen Seite. Das wissen Sie doch ganz genau. Es hat doch keinen Sinn, daß wir darüber hier streiten. Das ist eben die derzeitige erklärte französische Politik und nicht nur die derzeitige. Daraus hier nun eine Waffe gegen unsere Regierung machen zu wollen, das ist nicht gut, weil es der Sache nicht dient, und außerdem treffen Sie dann immer den falschen.
Die Ausführungen, die Sie, Herr Kollege Barzel, hier zu Berlin und zu Ostasien gemacht haben, spare ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf.
— Ich weiß, Sie müssen ja Ihre Genugtuung haben. Die sollen Sie auch haben. Ich will Sie nicht bis zu Ende ärgern.
Sie sollen auch noch einen Spaß haben. Aber wissen Sie, daß Sie ernsthaft meinen, Sie könnten erwachsene Leute dazu verlocken oder dazu bedrücken oder bedrängen und mit Ihrem Gerede und mit „Wams" und Barns, und was es sonst noch an Zeitungen dieser Art gibt, den Eindruck erwecken, zwischen der Besprechung, die die Botschafter der Vier Mächte am 16. eben gehabt haben, und der, die sie am 22. erneut führen werden, müßten hier Enthüllungen, müßten hier Kataloge von dem, was eigentlich alles notwendig und möglich sei, vorgebracht werden, das können Sie mit kleinen Kindern machen, aber doch nicht mit uns!
Da frage ich mich nur — aber das ist mein spezifisches Interesse, sozusagen ein sächsisches Interesse —, ob das bei Ihnen Torschlußpanik ist.
— Lassen Sie mich doch erst erklären! Sie können ja noch nicht mal eine Erklärung vertragen. Sie müssen schon vorher schreien; wie das biologisch einzuordnen ist, weiß ich nicht, dazu bin ich zu wenig gebildet.
Nun, gegen Ihre Mauer muß man sich ja behaupten. Das habe ich bisher immer noch gekonnt. Bloß, Sie haben kaum Ohren, Sie haben nur die andere Öffnung.
Ob bei manchen von Ihnen die Meinung sehr stark ist, daß es doch wohl zu einer Regelung, Berlin betreffend, zwischen den Vier Mächten
Metadaten/Kopzeile:
7770 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Wehnerkommt, dem ersten Berlin-Agreement, das es dann nach dem Kriege gäbe —
— Dem ersten Berlin-Agreement, junger Herr, das es nach dem Kriege gäbe! Was für eins, darüber werden wir reden, wenn es vorliegt. Sie müssen es schon vorher madig machen, ohne zugeben zu wollen, daß das Ereignis an sich eine wesentliche Frage ist.
Oder brauchen Sie das alles für die innerunionliche Profilierung?Meine Herren — und Damen natürlich auch —, was sollen denn diese ständigen Klopfereien auf dem Begriff des Generalkonsulats und warum denn der Bundeskanzler dazu nichts anderes sagt als das, was er hier von seinem Abgeordnetenplatz aus gesagt hat, wozu er wohl berechtigt ist, wenn ihm danach zumute ist, auf das zu reagieren, was Sie da oben vorgeführt haben?Wenn Sie meinen, Sie könnten sagen, die Regierung habe nichts Neues, so könnten wir das umkehren: Sie auch nicht! Dann wäre das sozusagen der Ausgleich in bezug auf das, was zu sagen ist. Was das, was gesagt wird, wert ist, ist eine andere Frage.Ich möchte Ihnen sagen: Es ist im Grunde so, daß man Sie bedauert — ich bedauere Sie nämlich —
— zu meinem Bedauern gehört auch, daß Sie so reagieren; das ist ganz klar —,
im Ernst, ich bedauere Sie, daß Sie glauben, zwischen dem 16. und dem 22. Juli müßte man hier eine solche Szene aufführen angesichts einer hochbedeutsamen Erklärung, die der Außenminister über hochbedeutsame Entwicklungen abgegeben hat.
Sie haben geglaubt, Sie müßten diesen Tag hier umfunktionieren, Sie müßten an der Erklärung des Außenministers vorbei mit dieser Ihrer Erklärung etwas werden: Generalkonsulat und was Sie alles nur bringen!Einige von Ihnen wissen -- die anderen schreien, auch ohne es zu wissen —, wie das in Berlin mit den Vertretungen der Sowjetunion und der anderen Staaten ist. Wenn in den Ausschüssen darüber einmal ruhig gesprochen werden wird,
dann werden Sie mindestens zur Kenntnis nehmen, daß Sie unter falschen Voraussetzungen gebrüllt haben!
Ich denke an die Situation von 1959 mit jener Genfer Konferenz und den verhängnisvollen Verhandlungen, bei denen man damals schon abhakte, was die einen dürften oder was, wenn sie es anders täten, die anderen dürften. Diese Heldentaten, 1959 zu einem Berlin-Agreement zu kommen, sind noch nicht vergessen. Ich denke auch an das, was 1961 geschehen und dazu gesagt worden ist. Das ist alles viel zu bitter, als daß man das zum Gegenstand vorwiegend polemisch sich auszeichnender Erörterungen machen könnte.
— Ich weiß, daß Sie das nicht können. Es tut mirauch leid, daß man mit Ihnen über solche Sachen nurso reden kann, wie Sie es können. Das ist leider so.
Nur: Ich resigniere nicht. Ich wünsche, daß die Regierung stärker ist als das, was Sie ihr dauernd anhängen.
Das Wort hat der Abgeordnete Borm.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte innerhalb einer Sondersitzung scheint es mir notwendig zu sein, die Dinge, die Sie bekritteln, auf ihren wahren Gehalt zurückzuführen. Jedes Mitglied dieses Hohen Hauses kennt doch die abwechslungsreiche und von so vielen Rückschlägen betroffene Geschichte der Einigungsbemühungen in und um Europa. Nach dem langen Marsch in dieses geeinte Europa sollten wir uns nicht in Etappenzielen darin ergehen, Dinge, die noch gar nicht spruchreif sind, zu bemäkeln und zu kritisieren, wir sollten uns lieber bemühen, gemeinsam das herauszuarbeiten, was für unser Volk und für Europa von Erfolg und von Interesse sein kann. Wir danken im Gegensatz zu Ihnen dieser Bundesregierung für das, was sie erreicht hat, und für das, was sie getan hat.
Nicht Sie, meine Damen und Herren, waren in der Regierung, als der entscheidende Durchbruch im Haag Ende 1969 erfolgte. Unsere Freude und unsere Genugtuung sind um so größer, als die Startbedingungen, wie Sie selbst ja nur zu gut wissen, für diese Aufgabe denkbar ungünstig waren. Wir wollen uns doch einmal an die länger zurückliegenden Jahre erinnern. Sie waren von einer Stagnation in der europäischen Entwicklung geprägt. Es war die Zeit, in welcher Sie, die von Ihnen geführten Bundesregierungen, zwar immer den europäischen Geist beschworen haben, aber wenig erreicht haben, vielleicht auch nichts erreichen konnten.Wir wollen uns aber auch einmal an die etwas weniger lange zurückliegenden Jahre erinnern. Ich habe noch sehr wohl die immer skeptischen und teilweise immer abwertenden Töne im Ohr, die in den außenpolitischen Debatten in dieser Zeit in diesem Hohen Hause von Ihnen angeschlagen wurden. Dies war besonders so nach der erfolgreichen Gipfelkonferenz in Den Haag im Dezember 1969, als auf Grund einer Initiative dieser Bundesregierung — ich wiederhole es: einer Initiative der jetzigen Bundesregierung eine Aktivierung der europäischen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7771
BormEinigung erfolgte. Dies war so, als die Außenminister der EWG-Staaten im Juli 1970 erfolgreich ihren Bericht über den Ausbau und die Erweiterung der Gemeinschaft abgeschlossen, und Sie bekrittelten es auch, als Bundesaußenminister Scheel im September 1970 den Bericht den beitrittswilligen Staaten Großbritannien, Irland, Norwegen und Dänemark überreichte und als die Verhandlungen mit diesen Ländern begannen. Sie waren ebenfalls nicht zufrieden, als unter Leitung von Bundesaußenminister Scheel die Außenminister der sechs Staaten zu ihrem ersten Treffen in München zusammenkamen, um zu prüfen, was geschehen müsse, damit aus der angestrebten wirtschaftlichen Union auch eine politische Union werden könnte.
Meine Damen und Herren, ich bitte doch Platz zu nehmen!
Eines kann ich Ihnen aber sagen, meine Damen und Herren von der Opposition, was Sie stets in Zweifel gezogen haben, das sind die Dinge, auf die wir heute mit einer erfolgversprechenden Befriedigung hinweisen können.Die politische Einheit in Europa ist in der Tat — daran brauchen Sie uns nicht zu erinnern — eine Notwendigkeit; denn wer sich, wie mancher von uns, der mühsamen Aufgabe unterzieht, dieses Europa in Kleinarbeit zu schaffen, der weiß, daß wir in manchen Richtungen mit wirtschaftlichen Mitteln nicht mehr weiterkommen. Es ist aber ein Unterschied, ob man etwas fordert, was notwendig ist, oder ob man sich der Mühe unterzieht, das zu tun, was notwendig ist, um die Erfüllung dieser Forderung zu erreichen. Das ist Aufgabe der Regierung.Meine Damen und Herren, damit komme ich zu dem, was von Ihnen in die Debatte eingeführt wurde. In einem haben Sie allerdings recht: wenn wir eine gemeinsame Stimme Europas erreichen wollen, so wird es notwendig sein, daß die politische Einigung schneller vorangeht. Sie werden aber nicht bestreiten können, daß durch die Entscheidung von Luxemburg auch in dieser Hinsicht ein großer Schritt vorwärts getan wurde. Nur unter diesen neuen Aspekten, zu denen die Bundesregierung entscheidend beigetragen hat, so und nicht anders wird Europa in bedeutendem Maße an innerer Stärke und weltpolitischer Bedeutung gewinnen. Es wird imstande sein, nicht nur seine eigenen Probleme zu lösen, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung des Friedens und zur Erreichung einer europäischen Friedensordnung zu leisten. Denn, meine Damen und Herren, auch Europa ist nicht Selbstzweck. Dieses Europa hat seine Aufgabe erst erfüllt, wenn es sich in Gesamtheit geeinigt hat und wenn es ein Hort des Friedens wird. Es steht uns nicht an, über die Handlungen anderer, besonders von Großstaaten, unser Urteil zu fällen; aber eines haben wir zu tun: diese Bundesregierung hat ihren Beitrag dazu zu leisten, daß dieses Europa ein friedliches und starkes Europa wird.Die Opposition hat sich veranlaßt gesehen, wieder einmal — die Äußerungen und die Folgen dessen sind bekannt — über Berlin zu reden. Der Vorsitzende der Fraktion der Opposition hat verlangt, daß nunmehr Vorstöße in Richtung Europa erfolgen. Nun, wer sich mit den europäischen Dingen befaßt, der weiß, daß gerade diese Bundesregierung innerhalb der Sechs genügend Vorstöße gemacht hat, damit Europa zusammenwächst.Der Herr Vorsitzende der Opposition hat auch verlangt, daß die UdSSR endlich einmal in Berlin Zeichen setze. Nun, ich glaube, es wäre sehr gut, wenn er diese Aufforderung unmittelbar nach Moskau richten wollte. Was sollen w i r dazu tun, daß die Zeichen gesetzt werden? Wir können doch weiter nichts tun als feststellen — —
— Ja, sollen sie doch mithören!
— Das ist erfreulich. Dann hätte ich mich aber an Ihrer Stelle vielleicht etwas anders ausgedrückt.
Ich kann aber nur eines feststellen: wir vertrauen darauf, daß die Dinge in den Viermächteverhandlungen in und um Berlin einen erfolgreichen Verlauf nehmen. Daß dies geschehen ist, daß die Dinge anscheinend jetzt einer Lösung zustreben, das ist nicht das Verdienst der Opposition, sondern das ist das Verdienst der Arbeit der Bundesregierung, die beharrlich das Mögliche angestrebt und nicht nur immer Unmögliches verlangt hat.
Sie haben uns gesagt, was die CDU als befriedigend ansieht. Ich folge Ihnen in vielen Beziehungen.
Ich glaube aber, daß wir uns zunächst — als ersten Schritt --- mit dem Möglichen begnügen müssen. Diese Bundesregierung hat gezeigt, daß sie genug Realitätssinn besitzt, um das Unmögliche vom Möglichen zu unterscheiden.
Preise, sagte der Herr Vorsitzende der Opposition, würden wieder einmal aus Berliner Substanz entrichtet.
— Na, dann „gefordert". Aber dann, Herr Kollege Barzel, würde ich doch einmal warten, bis die Dinge auf dem Tisch liegen. Ich lehne es einfach ab, von der Bundesregierung zu verlangen, daß sie zu jeder Äußerung, die, bestellt oder nicht bestellt oder aus welchen Gründen immer, in der Presse erscheint, besonders in einer Presse, die sich durch eine bestimmte Richtung auszeichnet, Stellung nimmt.
Dann könnten wir uns ja jeden Montag zusammensetzen und uns über irgendwelche schlammigen Ergüsse in der „Welt am Sonntag" unterhalten.
Metadaten/Kopzeile:
7772 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
BormWir jedenfalls lassen uns nicht provozieren. Wir glauben, daß Berlin am besten gedient ist, wenn wir in Ruhe den Lauf der Dinge abwarten und wenn wir in beharrlicher Kleinarbeit das tun, was im Interesse dieser Stadt notwendig ist.Ich habe dann noch etwas zu dem Kollegen Birrenbach zu sagen. Er verlangt ein gemeinsames europäisches Konzept in Nahost. Wir wissen auch, daß das notwendig ist. Wir bedauern es gerade diejenigen, die in Europa tätig sind —, daß Europaetwa angesichts der Gefährdung der Energieversorgung durch die mögliche Unterbindung von Ölzuflüssen nach Europa nicht mit einer Stimme geredet hat. Wir sind dabei, dieses einstimmige Reden herbeizuführen.Aber lassen Sie mich auch noch etwas sagen über das Verhältnis der Bundesrepublik zu Israel. Wer, wie ich als alter Mensch, die Entwicklung verfolgt hat, die diesem Volk in Deutschland widerfahren ist, der weiß, daß wir eine moralische Verpflichtung haben, diese Dinge zu bereinigen. Aber lassen Sie mich in allem Ernst sagen, daß wir auch hier das Mögliche sehen müssen. Es hat wenig Zweck, unseren Freunden und die Israelis sind unsere Freunde — gegenüber zu verhehlen, daß wir in manchen Fragen die Dinge vielleicht etwas anders sehen. Wir begrüßen es, daß der Herr Bundesaußenminister Gelegenheit gehabt und genommen hat, unsere Ansichten auch unseren israelischen Freunden vorzutragen.Wenn man heute von uns das bedingungslose Einschwenken auf jede Politik Israels in Nahost verlangt, glaube ich nicht, daß das angesichts der Tatsache, daß der israelisch-arabische tragische Konflikt weit über die Interessen der Beteiligten hinausgehoben worden ist, unbedingt den Interessen der Israelis dienlich sein muß.Herr Blumenfeld hat erfreulicherweise andere Töne angeschlagen, weniger polemische Töne. Lassen Sie mich nur auf eines eingehen. Er hat festgestellt — und wer wollte ihm da widersprechen? -- daß die Wiederherstellung der Stabilität Sache der EWG sei. Meine Damen und Herren von der Opposition, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang bitte eine Frage stellen. In der Presse und wo immer sich die Möglichkeit bietet, prangern Sie an, daß sich die Bundesregierung dazu entschlossen hat, den Währungsmarkt eine Zeitlang freizugeben. Wir wußten natürlich genau besonders diejenigen, die in Europa tätig sind —, daß das eine gewisse Verzögerung in den Einigungsbestrebungen wirtschaftlicher Art hervorbringen könnte. Wir wußten ebenso gut, daß auch gewisse Mißverständnisse dadurch genährt werden könnten. Aber lassen Sie mich Sie doch einmal fragen, wie Sie es unter einen Hut bringen wollen, von der Regierung zu verlangen, die Währung zu hüten, auf der anderen Seite aber zu bemäkeln, wenn wir diese Währung aus dem Spiel der Spekulanten heraushalten wollen. Der Schaden, der der EWG erwachsen wäre, wenn die derzeit stärkste Währung innerhalb der EWG ein Spiel der Spekulation geworden wäre, wäre sicherlich größer als eine vorübergehende Freigabe der Wechselkurse und die damit verbundenen vorübergehenden Mißhelligkeiten.
Die Dinge sind viel zu ernst, als daß man sie zum Gegenstand der Polemik machen könnte. Ich bedaure, daß Sie — aus welchen Gründen immer -sich entschlossen haben zu mäkeln und kein Wort gefunden haben über die Tatsache, daß wir im Gegensatz zu Ihnen auf dem Wege nach Europa weiter vorwärtsgekommen sind als Sie.
Ich will da nicht mit Ihnen rechten.
Aber die wirklichen Debatten in außenpolitischen Dingen sind in der Tat nicht Sache des Plenums. Sie sollten in sachlicher Manier in den dafür zuständigen Ausschüssen erfolgen. Wenn ich eine Bitte aussprechen darf, so diese: verlassen Sie Ihre Routine, und kommen Sie auch dort einmal zur Sache!Wir haben Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt. Wir sind damit einverstanden, daß dieser Entschließungsantrag dem zuständigen Ausschuß überwiesen wird. Ich schließe mich der Kritik unseres Kollegen Wehner an. Was wir in unserem Entschließungsantrag sagen, ist substantiiert, was Sie sagen, hat weder Hand noch Fuß.
Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister Scheel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Schluß der Debatte erlauben Sie mir nur ein paar Worte zu dem, was hier sachlich vorgebracht worden ist. Herr Kollege Dr. Barzel ist im Moment nicht im Hause Verzeihung, ich habe Sie weiter rechts vermutet.
Herr Kollege Dr. Barzel, erlauben Sie mir eine sehr ernst gemeinte Feststellung. Ich meine, Sie haben heute in der Debatte eine Chance verpaßt.
Herr Dr. Barzel, diese Debatte hätte eigentlich Anlaß geben können ich glaube, daß es nützlich wäre, wenn alle Kollegen im Bundestag das mit wirklichem Ernst einmal überlegten —, dem deutschen Volk zu beweisen, daß es in diesem Bundestag zu bestimmten Fragen Gemeinsamkeiten gibt, an denen wir festhalten müssen.
In meiner Regierungserklärung waren solche Gemeinsamkeiten, glaube ich, in sehr zurückhaltenderForm dargestellt. Sie haben gesagt, daß in der Re-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7773
Bundesminister Scheelgierungserklärung die Regierung ihre eigenen Leistungen hervorgehoben habe. Das muß sie schon deswegen tun, Herr Dr. Barzel, weil solche Würdigungen ihrer Leistungen von Ihnen kaum zu erwarten sind. Das ist heute wieder einmal bewiesen worden, obgleich man eigentlich bei einer Oppositionsfraktion dieser Größe die Kraft vermuten sollte, auch endlich einmal die Wahrheit zu sagen und dann ja zu sagen, wenn das richtig ist.
Statt dessen haben Sie in den Fragen, die heute zur Diskussion standen, hier wieder das übliche Oppositionsgrusical angeheizt, und da, wo man keine geeigneten Stücke hatte, haben Sie ein neues eingeführt, das Sie irgendeiner Zeitung entnommen hatten. Ich weiß nicht, ob Sie dieses Stück bestellt hatten. Immerhin, Sie hatten es für passend gefunden, hier eingeführt zu werden.Nun muß ich wirklich sagen, Herr Dr. Barzel, in Anbetracht des Verhältnisses zwischen der Bundesregierung und dem Parlament und auch speziell Ihrer Oppositionspartei zu diesem heiklen Thema Berlin — nur darauf will ich jetzt abheben — fand ich die heutige Darstellung der Opposition nicht angemessen. Denn Sie können nicht bestreiten, daß wir uns die allergrößte Mühe gegeben haben, Sie in allen Einzelheiten auf dem laufenden zu halten. Das geht so weit, daß wir alle in Rede stehenden Texte vertrauensvoll mit Ihnen besprechen. Deswegen wissen Sie auch, daß natürlich die Frage, die Sie angeschnitten haben, immer Gegenstand der Verhandlungen der Vier Mächte ist. Das ist Gegenstand der Verhandlungen der Vier Mächte, und wir wollen es da lassen. Sie wissen auch, wie wir in dieser Frage mit den Drei Mächten in engem Kontakt und in völliger Übereinstimmung sind. Daher dient es nicht der Weiterentwicklung der Verhandlungen über Berlin, wenn man einzelne Aspekteaus den Verhandlungen hier herausgreift - so berechtigt, subjektiv, der einzelne das tun mag ,weil wir einfach nicht in der Lage sind, die Ausgewogenheit des Ganzen in einer verständlicherweise zeitlich beschränkten Diskussion umfassend darzustellen. Hier ist ein falscher Eindruck entstanden, weil über einen Punkt diskutiert wurde, aber keine Möglichkeit besteht, alle anderen Punkte, von denen man sagen kann, sie sind positiv zu bewerten, auch zu diskutieren, weil man durch eine solche Diskussion die Möglichkeiten der Vier Mächte zum Verhandeln zweifellos nicht verbessert, sondern eher einschränkt. Ich bitte noch einmal darum, diese Art der Zusammenarbeit, die wir eingeführt haben, auch wirklich ernst zu nehmen. Ich bitte die Opposition, auch einmal darauf zu verzichten, mögliche Polemiken zu ihren Gunsten hier vorzutragen.
— Das Problem ist keine Polemik, aber die Art der Darstellung hatte einen zweifellos geschickt —
— Sie werden doch nicht behaupten, daß in meiner Regierungserklärung auch nur eine polemische Formulierung enthalten war.
Meine Damen und Herren, jetzt aber zu dem Problem, daß Regierungserklärungen Neues bringen sollen. Ich kann ja nicht etwa wegen der Sondersitzung des Deutschen Bundestages eine außenpolitische Initiative entwickeln, ohne daß sie nötig wäre — nur um Ihnen etwas Neues bieten zu können.
Meine verehrten Damen und Herren, was ich Ihnen hier vorgetragen habe, war allerdings wichtig genug. Es handelte sich um zwei Probleme, die für die Bundesrepublik Deutschland und für die europäischen Partner der Bundesrepublik Deutschland von außergewöhnlicher Wichtigkeit sind. Ich bin eigentlich überrascht darüber, daß die Oppositionsfraktion nicht von sich aus die Politik der Bundesrepublik stärker stützt. Ich bin überrascht darüber — ich sage das ganz unpathetisch —, daß sie das patriotische Gefühl, für die Bundesrepublik in der Außenpolitik auch stehen zu müssen, nicht aufbringt,
sondern sich immer und ausschließlich in innenpolitischen Auseinandersetzungen demonstriert. Das ist das, was ich allgemein sagen wollte.Jetzt möchte ich kurz zu den sachlichen Bemerkungen der Kollegen, die zu den einzelnen Teilen gesprochen haben, Stellung nehmen. Herr Kollege Birrenbach, ich beginne mit Ihnen. Man sollte der Deutlichkeit halber wenigstens die Öffentlichkeit darüber informieren, daß sich die Bundesregierung im Hinblick auf den Nahen Osten mit einem ungewöhnlich schwierigen Problem auseinandersetzt, das in seiner Schwierigkeit weiß Gott nicht von dieser Regierung verursacht worden ist.
Man sollte doch einmal auf das Jahr 1965 zurückgehen, als diese Schwierigkeit durch ein besonderes politisches Verhalten der damaligen Regierung, der ich selbst — allerdings nicht in dieser Verantwortung — angehört habe, entstanden ist. Man sollte einmal untersuchen, wie es zu dieser Schwierigkeit gekommen ist. Herr Kollege Barzel hat persönlich einen großen Anteil an der Entscheidung, die uns damals plötzlich vor die Schwierigkeit gestellt sah, mit einem ganzen Teil arabischer Staaten keine diplomatischen Beziehungen mehr zu haben. Das kann ich doch nicht unberücksichtigt lassen, wenn ich mich heute darüber unterhalte, wie wir allmählich und mit großer Behutsamkeit — ohne dabei den einen oder anderen möglicherweise unangemessen in seinen Interessen zu berühren — diese Schwierigkeit wieder ausräumen können.Das ist doch der Hintergrund. Sie, Herr Kollege Dr. Birrenbach, haben das anerkannt, Sie haben diese objektive Schwierigkeit anerkannt; das muß
Metadaten/Kopzeile:
7774 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Bundesminister Scheelich hier sagen. Aber Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich Ihre Fragen, die Sie, sehr ins einzelne gehend, gestellt haben, nicht beantworten kann, zunächst einmal deshalb nicht, weil ich den Text nicht dabei habe, den ich haben müßte, aber zum zweiten auch aus einem allgemeinen Grunde nicht: Die Beantwortung dieser sehr subtilen Fragen würde nicht zur Klarheit über den Punkt, über den wir uns hier unterhalten, beitragen können; sie würde vielleicht eher neue Unklarheit schaffen, weil Sie sich bei Ihren Fragen auf Texte bezogen haben, die in Zeitungen erschienen sind. Dies sind naturgemäß keine authentischen Texte. Es gibt in dieser so schwierigen Frage in allen Zeitungen Texte, die naturgemäß von den Interessen des Landes beeinflußt sind, in dem die Zeitung erscheint, oder von dem Interesse der politischen Gruppierung, der eine Zeitung möglicherweise angehört. So sehen Sie ein unwahrscheinlich differenziertes Bild, in dem Sie hinter jeder Darstellung auch das Eigeninteresse desjenigen erkennen können, der darstellt.Sie können auf diese Vielfalt nicht eingehen; Sie müssen sie sogar hinnehmen. Ich habe hier heute nur dem Deutschen Bundestag als dem Forum, wo das geschehen soll, sehr genau und sehr überlegt die Position der Bundesrepublik dargestellt. Das ist ein authentischer Text, und der kann immer Grundlage für Aufklärungen sein, die nötig sind.Es ist doch gar nicht so sehr etwa zwischen uns und Partnern irgendwo in der Welt ein Mißverständnis entstanden. Wenn Sie von Mißverständnissen z. B. in Frankreich gesprochen haben, so sind sie entstanden auf der Basis nicht korrekter Texte, deren Unkorrektheit sofort nachgewiesen werden könnte. Und das ist einfach aufzuklären. So etwas passiert in einem so diffizilen Bereich selbstverständlich. Wir haben das aufgeklärt, und ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht sagen, daß mir gerade in diesem Augenblick die Antwort des französischen Außenministers in die Hand kommt, die er soeben auf die schriftliche Anfrage des Senators Lecanuet gegeben hat. Ich darf sie einmal verlesen; Sie werden sehen, daß auch aus dieser Antwort hervorgeht, daß die Meinungen unserer französischen Partner und unsere Auffassungen in diesen Fragen sehr dicht beieinanderliegen. Der französische Außenminister sagt:Aus einem Bündel übereinstimmender Texte geht hervor, daß erstens alle Außenminister der Sechser-Gemeinschaft bei ihrer Zusammenkunft in Paris am 13. Mai ihre Einmütigkeit bezüglich des vom Politischen Ausschuß erarbeiteten ersten Berichts über den Nahen Osten festgestellt haben,- das ist das, was ich heute hier gesagt habe; diesist ein Regierungspapier, das von allen Außenministern akzeptiert worden ist —daß zweitens dieser Bericht Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit und gerade deshalb Ausdruck gemeinsamer Überlegungen ist,— der Bericht ist von den politischen Direktoren als Arbeitsgrundlage für die Entscheidungen der Minister zusammengestellt worden daß drittens die allgemeinen Schlußfolgerungen des Berichts— das sind die, die die Minister in dem Kommuniqué vom 13./14. Mai 1971 veröffentlicht haben; das ist die Entscheidung der Minister auf der Basis dieses Berichts, so wie ich meine Entscheidungen auf der Basis von Entwürfen treffe, ohne daß ich mich bei meinen Entscheidungen mit allen Einzelheiten dieser Entwürfe identifizieren müßte —vor zwei Monaten dem Generalsekretär der UNO zugeleitet wurden, und dies in Übereinstimmung mit der Zielsetzung der sechs Regierungen, die darauf ausgerichtet ist, die Mission von Botschafter Gunnar Jarring im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu fördern.Es handelt sich um dieses Kommuniqué, das die Basis für die Information an den Generalsekretär der UNO gewesen ist.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gestatten Sie, daß ich eben diesen Text zu Ende verlese. Dann können gern Fragen gestellt werden.
Zusammenfassend hebt Schuman hervor,
— so heißt es hier in der AFP-Meldung —
er könne nur seine mehrfachen Erklärungen in letzter Zeit wiederholen, und es sei wohl unnötig, zu unterstreichen, daß in diesen Erklärungen immer wieder von dem Recht aller Länder des Nahen Ostens — Israel eingeschlossen — die Rede war, sichere und anerkannte Grenzen zu beanspruchen.
Auch in der Sache ist hier ein hohes Maß an Einigkeit festzustellen. Ich darf daher noch einmal schlußfolgern. Die politische Auffassung der Bundesregierung zu diesem Thema, die ich heute hier zusammengefaßt dargelegt habe, wird durch das gedeckt, was von den politischen Direktoren erarbeitet worden ist, vor allem durch das, was dann von den Außenministern als das Ergebnis ihrer Beratungen veröffentlicht worden ist. Es ist wichtig, das zu wissen. Es ist eine Unsicherheit dadurch entstanden, daß in das Papier der politischen Direktoren von manchen Seiten bewußt oder unbewußt Dinge hineininterpretiert worden sind, die nicht darin stehen.
Gestatten Sie Zwischenfragen?
Bitte sehr!
Zunächst Herr Abgeordneter Dr. Schmidt, dann Herr Abgeordneter Dr. Birrenbach!
Wo und wann ist das Arbeitspapier, das jetzt hier als Bericht bezeichnet wird, einmal veröffentlicht worden?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7775
Herr Kollege Schmidt, es ist eben so kompliziert zu verstehen, wie sechs Länder zu einer gemeinsamen politischen Meinung kommen können. Das entzieht sich der Veröffentlichung. Es ist ein vertrauliches Papier, das nicht veröffentlicht werden wird, weil es keine Entscheidung der Sechs zum Handeln, sondern die Grundlage für das ist, was die Minister dann entscheiden. Ich veröffentliche doch nicht etwa die in meinem Ministerium entwickelten Papiere, die Grundlage der Entscheidungen sind. Das ist ein Arbeitspapier, das technisch von sechs Seiten zusammengeführt worden ist. Wir werden in der Zukunft natürlich immer mit Arbeitspapieren dieser Art in Europa auskommen müssen, wenn wir zu gemeinsamen Analysen und dann zu gemeinsamer Haltung kommen wollen, aber diese können wir doch nicht veröffentlichen.
Herr Minister, ging nicht aus Ihren Ausführungen soeben hervor, daß sich die Ministerentscheidung ausdrücklich auf dieses Arbeitspapier bezogen hat? Wenn sie es ausdrücklich tut, ist sie als Ministerentscheidung nur verständlich, wenn das Arbeitspapier mit veröffentlicht wird.
Nein, Herr Kollege, das Papier, das von den politischen Direktoren der sechs Länder entwickelt worden ist, muß, damit es ein Regierungspapier wird, als solches von den Ministern akzeptiert werden. Das ist geschehen. Das war die Grundlage unserer Diskussion in Paris. Das Ergebnis der Diskussion ist veröffentlicht worden, das ist doch ganz natürlich.
Beruht nicht die ganze Verwirrung in unserem Verhältnis zu Israel gerade darauf, daß über ein Papier geredet wird und geredet werden muß, das im Ergebnis von den Ministern akzeptiert worden ist, aber nicht im Gespräch mit Israelis diskutiert werden kann?
Herr Kollege Schmidt, wir haben in der Öffentlichkeit niemals über das Papier diskutiert. Durch eine Indiskretion sind Teile — nebenbei bemerkt, am Anfang ganz falsche — in die Öffentlichkeit gedrungen, und dann hat man darüber diskutiert. Die Minister haben darüber überhaupt nicht in der Öffentlichkeit diskutiert, sie halten es nach wie vor für ein vertrauliches Papier. Das wird auch so bleiben.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Birrenbach?
Ja.
Herr Bundesminister, darf ich Sie daran erinnern, daß ich Ihnen in Kenntnis einerseits der Einstellung der beiden Regierungen, zum anderen des delikaten Charakters dieses Problems eine Brücke gebaut habe, indem ich im Schlußpassus meiner Rede gesagt habe, daß wir von der Bundesregierung eine klare und eindeutige Beantwortung dieser Fragen in dem Rahmen erwarten, der unter Beachtung der Staatsraison hierfür am geeignetsten erscheint? Diese Brücke hätten Sie ja betreten können! Da wäre z. B. der Auswärtige Ausschuß.
Herr Dr. Birrenbach, niemand sagt, daß ich diese Brücke nicht noch betreten werde, aber heute kommt es darauf an, im Bundestag auf das, was Sie gesagt haben, zumindest auf wichtige Passagen, sofort eine Antwort zu geben. Ich wiederhole noch einmal: Sie müssen die ganzen Schwierigkeiten auf dem Hintergrund sehen, der jahrelang besteht, nämlich auf dem Hintergrund der schwierigen Lage, wie wir sie den Ländern des Nahen Ostens gegenüber nun einmal haben und die wir verbessern wollen. Das ist unser gemeinsamer Wunsch, und ich meine, wir sollten auch gemeinsam an seiner Erfüllung mitwirken. Mit großer Freude habe ich festgestellt, daß einzelne Kollegen das auch so gesehen haben.
Ich will nur noch ganz wenige Bemerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Blumenfeld gesagt hat.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich glaube, daß ich jetzt zu dem Fall Israel weitere Fragen nicht mehr akzeptieren sollte, weil das wirklich nicht der Aufklärung dienen kann;
das kann nur weiteren Unklarheiten, so will ich einmal sagen, dienen. Ich habe in der Regierungserklärung ganz präzise gesagt, welche Politik wir haben und wie sie sich mit der EWG verträgt. Das kann man nachlesen. Darüber hinaus gibt es wirklich nichts mehr, was klärender wirken könnte.
— Dazu habe ich am Anfang schon etwas gesagt.
— Ich habe die Frage nicht verstanden.
— Herr Kollege Dr. Barzel, Sie kennen die Geschäftslage ganz genau. Das ist eine Frage, die nicht zur Entscheidung ansteht, sondern in den Verhandlungen ist.
— Ich habe jetzt nicht die Absicht, dazu etwas zusagen, weil das von den Rednern, die hier soeben
Metadaten/Kopzeile:
7776 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Bundesminister Scheelgesprochen haben, schon ausreichend gewürdigt worden ist.
Wird das Wort noch gewünscht? — Herr Abgeordneter Barzel!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Hinblick auf Ihre Eingangserklärung, Herr Kollege Scheel, nur eines klarstellen. Wir sind ich halte das hier fest, wir haben das j a auch nicht kritisiert — gelegentlich vertraulich informiert und ab und zu auch konsultiert worden in den Berlin-Fragen. Wir haben eine Konsultation in der Frage der Errichtung eines sowjetrussischen Generalkonsulats in West-Berlin nicht gehabt. Wir sind nicht darüber informiert worden, daß die Bundesregierung in dieser Frage andere Länder bedrängt hat. Dies war vor allem der Gegenstand der heutigen Auseinandersetzung. Diese Pressemeldung ist bis zur Stunde nicht zurückgewiesen. Das ist der Sachverhalt; den wollte ist festhalten.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.Es liegen die beiden Entschließungsanträge Umdrucke 216 *) und 222 **) vor. Die CDU/CSU-Fraktion hat beantragt, beide Vorlagen dem Ausschuß zu überweisen. Ich nehme an, das ist interfraktionell abgestimmt. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?Es ist so beschlossen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 10:a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen- Drucksachen VI /1549, zu VI /1549Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache VI /2421 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hauser , Abgeordneter Gnädinger
b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Geisenhofer, Dr. Riedl , Rollmann, Orgaß und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften— Drucksache VI/ 15 —Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache VI /2421 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hauser , Abgeordneter Gnädinger
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Hauser!*) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 4
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7777
Dr. Hauser (CDU %CSU) : Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Hast und Hektik, in der die Beratung der Gesetzesvorlage, die jetzt zur Debatte steht, im federführenden Ausschuß durchgeführt wurde, ergaben sich leider, aber unausbleiblich, wenn man nicht mit Bedacht alle Konsequenzen überdenken kann, eine Reihe von Unstimmigkeiten, die es nun im vorhinein klarzustellen gilt. Ich habe Ihnen sieben Berichtigungspunkte für die Vorlage vorzutragen und bitte Sie, dabei doch die Drucksache VI /2421 zur Hand zu nehmen.Erstens. In der Zusammenstellung finden Sie in der rechten Spalte der Seite 11 unter Art. 2 § i Abs. 2 die Nr. 3 neu formuliert. Im ersten Satz der neuen Nr. 3 ist bestimmt, daß als berechtigtes Interesse an der Kündigung eines Mietverhältnisses auch anerkannt ist, wenn „der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses ... an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde". In diesem Satz finden Sie in der zweiten Zeile die Worte „in anderer Weise", die zusammen mit dem ganzen ersten Satz aus der Regierungsvorlage übernommen worden sind. Die Worte „in anderer Weise" bezogen sich aber in dem Regierungsentwurf auf die beiden dort vorausgehenden Nrn. 3 und 4, in denen es um die Mietzinserhöhung gegangen war. Die Worte bedeuteten im Sinnzusammenhang der Regierungsvorlage, daß der Vermieter berechtigt bleibt zu kündigen, wenn er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses eben „in anderer Weise" als durch Mieterhöhung an einer angemessenen Verwertung gehindert wäre.Da nun diese beiden Nrn. 3 und 4 der Regierungsvorlage durch die Ausschußbeschlüsse entfallen sind, und im neuen § 2 nachstehend eine völlig andere Regelung bezüglich möglicher Mieterhöhungen getroffen wurde, sind die Worte „in anderer Weise" an der genannten Stelle ohne Sinngehalt. Sie müssen daher gestrichen werden. Dies war bei dem D-Zug-Tempo im Ausschuß übersehen worden.Zweite Berichtigung! Nachfolgend auf der gleichen Seite 11 finden Sie in der linken Spalte einen Abs. 4 in § 1 aufgeführt, der in der rechten Spalte als „unverändert" übernommen steht. Ich bitte, dieses „unverändert" zu streichen. Dieser Absatz wurde entsprechend dem Beschluß des Rechtsausschusses in der letzten Sitzung am 24. Juni nicht übernommen. Der dort erfaßte Sachverhalt kehrt im nachfolgenden § 3 Abs. 2 wieder, so daß er sich hier erübrigt. Selbst der sorgsam prüfende Ausschußsekretär und das Ministerium haben das leider bei der letzten Überprüfung übersehen.
Dritte Berichtigung! Auf Seite 13 — ich bitte zu entschuldigen, daß ich Sie damit hinhalten muß —sind in Art. 2 a die allein Berlin betreffenden Sondervorschriften aufgenommen. Am Schluß dieser Seite finden Sie eine Ziffer 3, die mit den Worten beginnt: „In § 4 Abs. 1 wird ..." Hier muß es genau heißen: „In § 4 b Abs. 1." Zur Entschuldigung darf ich sagen: es handelt sich hier um einen Druckfehler, der bereits im ersten Durchgang dem Bundesrat in seiner Stellungnahme -- DrucksacheH/ 1549 unterlaufen ist.Vierte Berichtigung! Hier handelt es sich um eine rein grammatikalische Verschönerung. Auf Seite 14 sollen mit Art. 2 b nun auch in Berlin die bis dahin mieterschutzfreien Mietverhältnisse in das soziale Mietrecht eingefügt werden. Die Eingangsworte lauten hier: „Für das Mietverhältnis über Wohnraum in Berlin ..." Das muß aus gesetzeskosmetischen Gründen in den Plural gesetzt werden und lautet dann: „Für Mietverhältnisse über Wohnraum in Berlin ..." Für diese Korrektur ist ebenfalls der Bundesrat verantwortlich, der seinerseits die weniger schöne Formulierung in den Gesetzgebungsgang eingeführt hat. In aller Reverenz vor dem hohen Sachverstand dieses Gesetzgebungsgremiums hat der federführende Ausschuß diese mit vielen dürren Gesetzesverweisungen aus Sondergebieten versehene Bestimmung übernommen, ohne sie aber auf ihre sprachliche Schönheit zu überprüfen. Erst bei sorgfältiger Nachprüfung nach Abschluß der Ausschußberatungen wurde diese Unebenheit entdeckt. Ich darf bitten, auch diese Korrektur vorzusehen.Fünfte Berichtigung, die im Eifer des Gefechts in den Ausschußberatungen nicht zur Sprache gekommen ist. Auf Seite 15 finden Sie Art. 2 c, der klarstellt, daß mechanisch hergestellte Erklärungen eines Vermieters nicht eigenhändig unterzeichnet werden müssen. In diesem Art. 2 c finden Sie die Ziffer 1 in Littera a und Littera b aufgeteilt. Unter Littera a heißt es in der Vorlage, daß dem Abs. 1 in § 18 des Ersten Bundesmietengesetzes ein neuer Satz 4 angefügt wird; ich betone: angefügt. Damit wird also nur der Abs. 1 ergänzt und nicht ein neuer Absatz in das Gesetz aufgenommen. Aus diesem Grunde fällt die ganze Littera b, nach der die bisherigen Abs. 2 bis 4 zu Abs. 3 bis 5 degradiert werden sollten, weg. Wenn daher dieser ganze Text unter der Littera b gestrichen wird, bedarf es unter Nr. 1 auch keiner Littera a mehr. Es muß also auch hier unter Nr. 1 der Buchstabe a samt Klammer verschwinden.
— Ja, Herr Schmude, Sie lachen. Aber ich glaube, es ist Aufgabe eines Berichterstatters, Punkt für Punkt die Dinge darzulegen. Das geht auf Sie zurück, weil diese Unebenheiten nicht vorher beseitigt werden konnten. Ein schludrigeres Gesetz als dieses konnte man dem Hohen Hause wirklich nicht zumuten.
Sechste Berichtigung. Bei den Wirtschaftsstrafbestimmungen des Art. 4 auf Seite 16 ist eine weitere Richtigstellung notwendig. Ich darf Sie bitten, § 2 b mit dem Tatbestand der Mietpreisüberhöhung zu beachten. Dort erläutert jetzt der gräßliche zweite Bandwurmsatz des Abs. 1, in welchen Fällen ein Mietpreis als überhöht gilt. Dabei wird auf die üblichen Entgelte in vergleichbarer Situation als Maßstab hingewiesen. In der drittletzten Zeile dieses Abs. 1 werden dabei Art, Größe, Beschaffenheit und Lage expressis verbis als Begriffsmerkmale genannt. Hier fehlt lei-
Metadaten/Kopzeile:
7778 Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Dr. Hauser
der die weitere notwendige begriffliche Umgrenzung der „Ausstattung" einer Wohnung, die vorn in Art 2 § 2 Abs. 1 ebenso aufgenommen ist wie im Schriftlichen Bericht, den ich mit Herrn Kollegen Gnädinger zusammen abgefaßt habe. In der Eile der Beratung ist übersehen worden, das Wort „Ausstattung" in Art. 4 § 2 b Abs. 1 aufzunehmen, und zwar es zwischen die Worte „Größe" und „Beschaffenheit" einzufügen. Es muß dort also lauten: „Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage."Siebente und letzte Richtigstellung. In den Schlußbestimmungen des Art. 7 auf Seite 22 finden Sie in § 2 Abs. 2 folgenden Text, der sicher Ihr Amüsement erregen wird:Soweit das Mieterschutzgesetz noch in Geltung ist, tritt Artikel 1 mit dessen Außerkrafttreten in Kraft.
Diese Bestimmung betrifft ausschließlich Berlin. Hier allein gilt noch das alte Mieterschutzgesetz. Es läuft aber in Berlin mit Ende des Jahres 1972 aus, so daß hier klarzustellen bleibt, welche Mietvorschriften nun mit Beginn des Jahres 1973 dort gelten sollen. Nachdem hier mit dem Art. 2 dieser Gesetzesvorlage besonders einschränkende Normen eingeführt werden sollen, und zwar für den ganzen Geltungsbereich des Gesetzes, ist nun auch vorzusehen, daß dann diese Bestimmung des Art. 2 gleichfalls in Berlin in Kraft tritt, so daß es nun in § 2 Abs. 2 künftig lauten muß: „Soweit das Mieterschutzgesetz noch in Geltung ist, treten Art. 1 und 2 mit dessen Außerkrafttreten in Kraft."Das Justizministerium hat ebenfalls noch nachträglich angeregt, Art. 1 a des Gesetzes hier gleichfalls mit aufzuführen. Ich hielt dies deswegen nicht für erforderlich, well sich Art. 1 a mit den Prozeßbestimmungen garantiert nicht mit den materiellen Voraussetzungen des Mieterschutzgesetzes schneidet. Ich habe deswegen diese Anregung des Ministeriums — ich darf zusätzlich sagen: wie manche andere darüber hinaus — nicht übernommen.Ich konnte Ihnen diese Ausführungen wahrhaftig nicht ersparen; ich kann nur ganz allgemein um Entschuldigung bitten, weil dieses Gesetz so miserabel ist.
Ich darf im Auftrag meiner Fraktionskollegen zu der gesamten Vorlage Stellung nehmen, ohne daß meine Redezeit um das, was ich als Berichterstatter voraus darstellen mußte, gekürzt wird.Schon die vorausgehenden Berichtigungen zeigen Ihnen, wie überhastet das Gesetz beraten wurde. Es war aber schon keine Sternstunde der Menschheit, als es im Kabinett geboren wurde; hat man doch — so pfiffen es die Spatzen von den Dächern in der offiziellen Kabinettsitzung den Vorschlag des Herrn Justizministers, wiederum Mieteinigungsämter unseligen Angedenkens zur Prüfung bei Anhebung des Mietzinses einzuführen, nicht akzeptiert und die Vorlage vertagt. Selbst dem Herrn Feuerwehrkommandanten des Kabinetts, Herrn Ehmke, ist es im ersten Rennen nicht gelungen, alle unter einen Hut zu bringen. Erst im zweiten Anlauf, dazu in einem ganz ungewöhnlichen Hau-Ruck-Verfahren, konnte dann die Kabinettvorlage passieren, mußte man doch noch kurz vor den Hessen-Wahlen im vergangenen Herbst die lauter und lauter werdenden Beschwerden über unangebrachte Mieterhöhungen beschwichtigen.Das geschah dann so, wie es in der Presse zu lesen war, nämlich daß zwei unserer Herren Minister durch die Arbeitskreise und die Fraktionen eilten und Unterschriften und Stimmen sammelten. Als dann am Abend überraschend die Ministerrunde einen Konsens erzielte, funktionierte man den gemütlichen Kreis in eine Kabinettsitzung um und faßte einen offiziellen Regierungsbeschluß. Hohe und höchste Beamte erfuhren erst am anderen Morgen durch das Radio von der Entschlußfreudigkeit ihrer hohen Regierung.
Herr Minister Schiller allerdings distanzierte sich von dieser Vorlage
und bezeichnete sie als ordnungspolitisch bedenklich. Herren aus seinem Ministerium ließen sich viel drastischer zu dieser Vorlage aus, wie etwa im „Stern" zu lesen war.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Dr. Hauser, da ich kein abonnierter Stern -Leser bin, gestatten Sie mir die Zwischenfrage, wie denn nun der Mitarbeiter des Ministers das Gesetz wirklich qualifiziert hat. Ich lege großen Wert auf die hohe Meinung des Hauses des Herrn Wirtschaftsministers.
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich einen für das Haus wohl etwas ungewöhnlichen Ausdruck zitieren muß, weil ich ausdrücklich gefragt werde, aber ich zitiere bloß und dazu aus dem „regierungsoffiziösen" „Stern". Dort stand nämlich: „Dieser Entwurf ist beschissen."
Nachdem die Fleißarbeit vor den Landtagswahlen geschafft und auch laut verkündet war sie hatte sich zwar in der Wahl nicht so ausgezahlt, wie man es sich erhofft hatte , war die Eile lange nicht mehr so groß. Die erste Lesung ging über die Bühne, und dann schlummerte der Gesetzentwurf. Keine der beiden Koalitionsparteien packte die Vorlage an, weil man hintennach noch mehr Haare in der Suppe gefunden hatte. Am liebsten hätte man sich wenigstens bis in den Herbst hinein vertagt, wenn nicht die böse „Welt" Mitte Juni mit Balkenüberschrift gebracht hätte, dieses Gesetz solle jetzt auf Eis gelegt werden, weil zwischen den Regierungsfraktionen noch zuviel kontrovers sei. Erneut aufge-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7779
Dr. Hauser
scheucht durch diesen Bericht über die Querelen innerhalb von Regierung und Regierungsfraktionen, raufte man sich in einer Nacht-und-Nebelaktion zusammen, um zu zeigen, daß man sich über diesen Gesetzentwurf nicht, wie behauptet, auseinanderdividiert habe.Man hatte hier ein Gesetz zusammengeschustert, das in der Tat alle denkbaren Mängel zeigt. Auf einmal hat man es aber sehr eilig. Im federführenden Ausschuß kamen die völlig neuen Lichtblitze der Koalition frisch aus der Presse gerade noch vor der anberaumten Beratung auf den Tisch und mußten dann in einer Mammutsitzung richtiggehend durchgepeischt werden. In der ersten Lesung hier im Plenum hatte man eine ausgiebige und erschöpfende Ausschußberatung gelobt. Davon war dann aber im Ausschuß beileibe keine Rede mehr. Was uns CDU/CSU-Mitgliedern hierbei im Rechtsausschuß zugemutet wurde, über eine mühsam im Koalitionsgremium zusammengekleisterte Gesetzesvorlage befinden zu müssen, ohne sie richtig zur Kenntnis nehmen zu können, geschweige denn in Ruhe auf ihre Folgewirkungen zu prüfen, war mehr als des Parlamentes unwürdig. Ich hoffe, daß diese Art und Weise der Behandlung einer Gesetzesmaterie, wie wir sie hier erleben mußten, im Ältestenrat zur Sprache kommt und daß von dort aus künftig ähnliche Vorgänge abgestellt werden. Wir werden uns in der Zukunft auf alle Fälle gegen eine derartige weitere Kujonierung in der gebotenen Weise zur Wehr zu setzen wissen.So ungewöhnlich wie das Verfahren ist aber auch das ganze Gesetz, das in entscheidenden Passagen im Ausschuß die Beratung nur mit der hauchdünnen Mehrheit der Regierungsfraktionen passiert hat.
Selbst wenn der Vorsitzende des Mieterbundes, Herr Nevermann, dabei Pate gestanden hat, waren dies bestimmt nicht seine ergiebigsten Stunden; erhält doch die SPD bereits jetzt Schüsse aus ihrer linken Ecke! Hatte man doch geglaubt, mit der Erfindung einer Vergleichsmiete im Falle der Mieterhöhung das Ei des Kolumbus gefunden zu haben und so wenigstens für diese Legislaturperiode die Mieten sozusagen durch die Hintertüre einfrieren zu lassen! Dies ist doch der harte Kern dieses wohnungspolitischen Koalitionsprogramms; soll doch eine Mieterhöhung nur noch durchgreifen, wenn der bisherige Mietzins seit einem Jahr unverändert besteht und der angestrebte die ortsübliche Miete nicht übersteigt. Nicht zu Unrecht befürchten die Kritiker aus Ihrem eigenen Lager, daß sich diese Lösung mit der Vergleichsmiete nur zum Schaden der Mieter auswirken wird.
Sie haben völlig recht. Denn Vergleichsmieten orientieren sich nie nach unten, sondern stets nach oben hin. Was hier den Mietern nun als Geschenk verkauft werden soll, stellt sich unweigerlich als ein Danaergeschenk heraus. Selbst der Einbau einer ganzen Reihe von Fristen, die praktisch eine Mieterhöhung höchstens alle zwei Jahre zuläßt, wird am Ende einen solchen Trend schwerlich aufhalten.Während die Regierung diese Mietgrenze nur in Gebieten besonderen Wohnungsbedarfs einsetzen wollte — in den Ballungsräumen mag sicherlich ein gewisser Eingriff geboten sein, und die Sprecher beider Koalitionsfraktionen haben diese Konzeption im Plenum bei der ersten Beratung auch mit Verve verteidigt --, schien auf einmal dieser Vorschlag keinen Schuß Pulver mehr wert. Statt dessen ließ man jetzt die Katze aus dem Sack und setzte diese Notbremse im gesamten Bundesgebiet ein, also auch dort, wo wirklich ein ausgeglichener Wohnungsmarkt besteht. Man kann, Herr Minister Lauritzen, auf dem Wohnungssektor nicht schon dadurch schönes Wetter herzaubern, daß man die Barometernadel festschraubt. Den alten Ladenhüter mit dem angeblichen schlechten Erbe, das Sie als Bundeswohnungsbauminister angetreten hätten, nimmt Ihnen heute niemand mehr ab. Wie lange sind Sie nun schon für den Wohnungsbau in der Bundesrepublik verantwortlich?Was darüber hinaus von dem im letzten Sommer eingesetzten Kabinettsausschuß zur Verbesserung des sozialen Mietrechts und zur Förderung des Wohnungsbaues an Vorschlägen vorgelegt worden ist und heute als „Leipziger Allerlei", wie mein Kollege Vogel im Ausschuß zu Recht sagte, zur Abstimmung steht, sieht leider danach aus, als habe man all die Möglichkeiten zur Behandlung der Misere aufgespürt, die zwar irgendwo anerkennenswert sind, aber den eigentlichen Kern der Dinge wahrhaftig nicht treffen.Natürlich ist es richtig, unsaubere Praktiken im Maklergewerbe — Gott sei Dank sind es nicht viele zu unterbinden, wenngleich man sich gewünscht hätte, ein ausgewogenes Gesetz auch hier zu schaffen, das in gleicher Weise die Makler vor unseriösen Kunden schützt. Natürlich ist es richtig, eine bessere Grundlage für die Berechnung der Architektenhonorare zu finden, obwohl bis dahin nicht mehr als ein Forschungsauftrag binnen eines vollen Jahres herausgegeben wurde, nachdem sich anscheinend die rivalisierenden Ministerien, Wirtschaft und Wohnungsbau, erst einmal darüber einig werden mußten, wer das finanzieren soll. Aber wenn dies auch in Ordnung geht, bleiben doch wirklich alle diese Dinge nur Randerscheinungen, die im Grunde die Schlagzeilen nicht verdienen, die sie gemacht haben und womöglich in der kommenden Sauregurkenzeit für die Presse wieder abgeben sollen.
Freilich können derartige Vorschläge draußen im Lande Eindruck machen. Man kann zeigen, wie rührig sich die Regierung an allen Ecken und Kanten bemüht und sich z. B. ganz besonders des Problems der Ersatzraumbeschaffung im Rahmen des sozialen Mietrechts annimmt. Es bedurfte dessen, Herr Minister Jahn, wirklich nicht mehr. Diese Vorschrift in das BGB einzuführen, ist nicht mehr als Augenwischerei.Dieses Maßnahmenbündel, das nun das sommerliche Bonn dem deutschen Volk bescheren will, steht vom Verfahren wie vom Inhalt her wahrhaftig unter keinem günstigen Stern. Die Schwierigkeiten mit
Metadaten/Kopzeile:
7780 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Dr. Hauser
dem Wohnungsmarkt lösen Sie, meine Herren Minister, mit diesem Gesetz wahrhaftig nicht. Vielmehr gilt es, den Bausektor zu beleben und eben genügend Wohnungen zu erstellen.
Mit der ersten Stufe zur Zwangswirtschaft im Wohnungsbereich, wie Sie sie hier versuchen, werden Sie dem Baumarkt keinen guten Dienst leisten.Ich glaube, unsere großen Zeitungen, die sich in den letzten Tagen mit dem Gesetz beschäftigt und auseinandergesetzt haben, bescheinigen Ihnen ja die ganze Unzulänglichkeit. Wie schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung"?Mit dieser Version des Mietstopps dürfte es kurzfristig gelingen, höchste Verwirrung zu stiften, und deshalb gehört dieser rostige Notanker auf den Schuttplatz.
Das Gesetz, überhastet zusammengeschustert, ist so unausgegoren und so stümperhaft, daß sich meine Fraktion mit dieser Vorlage, wie sie jetzt vor uns liegt, nicht identifizieren kann.
Meine Damen und Herren, ich habe den Vorsitz während der Rede des Herrn Kollegen Hauser übernommen. Ich nehme an, daß Sie eine allgemeine Aussprache vereinbart haben, und dart fragen, wer dazu das Wort wünscht. Der Abgeordnete Dr. Schmitt-Vockenhausen sicherlich nicht, den ein Spaßvogel hier eingeschrieben hat; denn er ist jetzt in Berlin.
Das Wort hat der Abgeordnete Gnädinger!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich nicht mit Hau-ruck, Unterschriftensammlung, Unwürde und rostigem Anker, sondern mit dem Gesetz zur Begrenzung des Mietanstiegs und zur Verbesserung des Mietrechts befassen. Dabei muß man mit der Feststellung beginnen, daß auch wir meinen, ein ausreichender umfassender Schutz aller Mieter sei nur bei einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt möglich. Ich glaube, daß es darüber in diesem Hause keinen Streit gibt. Es ist auch unstreitig, daß derzeit in der Bundesrepublik von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt nicht gesprochen werden kann.Wenn das aber so ist, sind zwei Dinge notwendig. Einmal brauchen wir eine Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus, eine Rationalisierung der Bauwirtschaft und eine Eindämmung der Bodenspekulation,
die wir mit dem Städtebauförderungsgesetz begonnen haben. All diese Maßnahmen, die diese Regierung eingeleitet hat, wirken nur langfristig. Deshalb ist es notwendig, kurzfristige Maßnahmen zum Schutz des Mieters zu beschließen; denn er ist nach der gegenwärtigen Marktlage der schwächere Partner.Ich möchte mich nunmehr den Einzelbestimmungen zuwenden und zunächst etwas zur Sozialklausel des BGB sagen. Darin wird ausdrücklich festgelegt, daß eine Härte für den Mieter auch schon dann vorliegt, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Die Einfügung dieses Sondertatbestandes ist notwendig, weil die bisherige Rechtsprechung in diesem Punkte nicht eindeutig, sondern umstritten war. All das, was der Kollege Hauser im Ausschuß dazu gesagt hat, war nicht richtig; denn der Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Karlsruhe zeigt ganz eindeutig, daß die Frage der Ersatzraumklausel in unserer Rechtsprechung nach wie vor umstritten ist.Ich möchte nun zu Art. 2 des Gesetzes kommen und dabei sozusagen vor der Klammer zwei Probleme behandeln. Zunächst, glaube ich, muß etwas dazu gesagt werden, warum wir auf die Formel „marktgerechte Verzinsung des Eigenkapitals" verzichtet haben. Schon in der ersten Lesung des Gesetzes ist von der Sprecherin meiner Fraktion darauf hingewiesen worden, daß sowohl marktgerechte Verzinsung als auch Eigenkapital unklare Begriffe sind und daß diese Begriffe vieldeutig sind. Wir sind der Überzeugung, daß jeder Richter überfordert wäre, wenn er mit diesen Begriffen arbeiten müßte, und daß er laufend Gutachter zuziehen müßte. Aus diesem Grunde haben sich die Koalitionsfraktionen darüber geeinigt, an die Stelle der marktgerechten Verzinsung von Eigenkapital die sogenannte Vergleichsmiete als Maßstab zu setzen.
Ja, dieser Meinung bin ich ganz entschieden. Auch hier muß noch einmal gesagt werden, daß Vergleichsmiete kein Mietstopp und keine Zwangswirtschaft ist, wie es Herr Hauser gesagt hat, sondern daß die Vergleichsmiete nur dazu dienen soll, eine deutliche Verlangsamung des Mietanstiegs zu bewirken.Wir erreichen mit diesen Formulierungen, daß Mietensteigerungen, die auffallend von dem allgemeinen Mietenniveau abweichen, ausgeschlossen werden. Wir sind außerdem der Auffassung, daß eine solche Regelung nicht nur für Ballungsgebiete notwendig und richtig ist, sondern für die ganze Bundesrepublik.Zum anderen - das ist meiner Meinung nachwesentlich - kann man sich nicht vor den Schwierigkeiten verschließen, die eine Abgrenzung dieser Gebiete mit sich bringt. Es kann durch keine Regelung ausgeschlossen werden, daß Teilgebiete, die eines besonderen Schutzes bedürfen, nicht erfaßt werden, und die ganze Vorschrift ist in ihrer Geltung bis zum Jahre 1974 begrenzt. Ich bin der Überzeugung, daß wir in diesem Jahre dann andere Bedingungen auf dem Wohnungsmarkt haben werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7781
GnädigerDie neue Vorschrift des Art. 2 schließt eine Kündigung zur Erlangung eines höheren Mietzinses aus. Der Vermieter kann aber vom Mieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung verlangen und bei Weigerung des Mieters diese gerichtlich erstreiten und nach den Bestimmungen über die Vergleichsmiete festsetzen lassen. Zwei große Vorteile dieser Neufassung sehe ich. Erstens kann der Mieter in eine Auseinandersetzung, ja sogar in eine gerichtliche Auseinandersetzung um die Miethöhe eintreten, ohne befürchten zu müssen, daß er dabei seine Wohnung verliert. Der zweite Vorteil — das, was Herr Hauser als einen Nachteil angesehen hat — ist unserer Ansicht nach jener, daß die vorgesehenen Fristen nicht erlauben, innerhalb kurzer Zeiträume Mieterhöhungen dicht aufeinanderfolgen zu lassen. Insgesamt wird zu diesen Problemen mein Fraktionskollege Dr. Schmude noch Stellung nehmen.Sodann möchte ich noch einige Bemerkungen zur Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen machen. Die überwiegende Mehrheit der Ausschußmitglieder war der Auffassung, daß dem Unwesen, das sich auf diesem Gebiet entwickelt hat, Einhalt geboten werden muß. Dabei folgen wir den zahlreichen Anregungen aus allen gesellschaftlichen und staatlichen Bereichen unseres Bundes. Das Hauptgewicht liegt darauf, daß es in erster Linie darauf ankommt, dem bisherigen Mieter den Besitz seiner Wohnung zu sichern.Besondere Beachtung in der Öffentlichkeit haben auch die Bestimmungen des Gesetzes zum Mietwucher gefunden. Hier geht es darum, zu erkennen, daß die bisherigen Wucherbestimmungen unseres Strafrechts ungeeignet waren, den Mietwucher wirkungsvoll zu bekämpfen. Es ist einfach eine Ungereimtheit, wenn man auf der einen Seite häufig in den Zeitungen von Mietwucher lesen muß und auf der anderen Seite sieht, daß die Verurteilungen recht selten sind. Ich bin der Meinung, daß wir durch diese Neufassung der Mietwucherbestimmungen den Mietwucher in der Bundesrepublik besser als bisher in den Griff bekommen werden. Alle drei in diesem Hause vertretenen Fraktionen waren übereinstimmend der Auffassung, daß wir uns — entsprechend den Zwecken des Gesetzes — auf die Neufassung der Mietwucherbestimmungen beschränken und von dem abgehen sollten, was in der Regierungsvorlage stand, nämlich von der Neufassung, der Wucherbestimmungen insgesamt. Auch diese Ausschußfassung, die mit geringfügigen Änderungen hier vorgelegt wird, wird von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ausdrücklich gebilligt.Bei dem Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung ist die wichtigste Bestimmung die, daß dem Makler in Zukunft nur noch dann ein Honorar zusteht, wenn seine Tätigkeit erfolgreich war. Auch dürfen in Zukunft für Nebenleistungen keine Vergütungen irgendwelcher Art mehr gefordert werden: Allerdings kann dann — das haben wir nachträglich eingefügt ---, wenn die nachgewiesenen Auslagen eine Monatsmiete übersteigen, für den überschießenden Betrag Ersatz verlangt werden. Auch dieseRegelung wird von meiner Fraktion ausdrücklich gebilligt.Ein letzter Punkt. Was die Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen angeht, so haben wir weitgehend den Wünschen der Berufsverbände entsprochen. Insbesondere ist festgelegt worden, daß in den Honorarordnungen Mindest- und Höchstsätze festzusetzen sind und dies nicht nur als eine Möglichkeit gegeben ist.Meine Fraktion stimmt auch der Änderung der Überschrift des sogenannten Artikelgesetzes zu, wodurch noch einmal deutlich gemacht wird, daß die Mieterhöhungen der Vergangenheit nicht von den betroffenen Berufsgruppen, von Ingenieuren und Architekten verursacht sind.Zum Schluß möchte ich noch folgendes sagen. Dieses Gesetz wendet sich nicht gegen den ordentlichen Vermieter, sondern nur gegen jene Minderheit von Vermietern, die die Notsituation der Mieter in schamloser Weise ausnutzt. Es geht darum, den Mieter nicht nur in bestimmten Gebieten, sondern ganz allgemein vor ungerechtfertigten Kündigungen zu schützen. Deshalb werden wir diesem Gesetz unsere Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hauser, Sie nehmen es mir gewiß nicht übel, wenn ich ähnlich drastisch, wie Sie es heute getan haben — teilweise sogar in die falsche Abteilung vorgerutscht , feststelle, daß dieses Gesetz vielleicht einen Fehler mehr hat als die anderen, die im Ausschuß auch des häufigeren die Sorte Änderungen erfahren müssen, die Sie hier in aller Breite vorgetragen und erörtert haben, daß aber bei der Präparation Ihrer Rede in einem eigentlich bedauerlichen Maße Ähnliches geschehen sein muß. Ich habe nämlich sehr sorgfältig darauf geachtet, daß Sie zunächst einmal den Vorwurf erhoben haben, man gaukle den Mietern hier vor, sie würden vor Mieterhöhungen geschützt; tatsächlich sei aber in der Vergleichsmiete ein gewisser aufschaukelnder Effekt enthalten. Anschließend haben Sie erklärt, es gehe nicht an, die Barometernadel — ich verstehe darunter den Mietpreis; ich glaube, so haben Sie es auch gemeint - festzuschrauben. Ganz zum Schluß haben Sie sich dann auch noch den insofern ausgesprochen verfehlten Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", in dem es heißt, hier werde ein Preisstopp vorgenommen, zu eigen gemacht.
Ich habe mich bereits daran gewöhnen müssen, daß verschiedene Herren Ihrer Fraktion aus den dafür eingerichteten Schubladen herausgeholt werden, um dann auf der richtigen Veranstaltung zu sprechen, nämlich die eine Sorte -- ich gucke jetzt auf Herrn Erpenbeck oder Herrn Mick — bei den Veranstaltungen der Mietervereine und die andere Sorte bei den Veranstaltungen der Haus- und Grundstücksbesitzervereinigungen. Daß Sie das
Kleinert
aber jetzt schon in einer Person zustande bringen, ist der Gipfel dieser Entwicklung. Ich hoffe, daß das auch einen vorläufigen Abschluß dieser Entwicklung anzeigt.
Das Entscheidende ist doch folgendes. Wir wissen alle, daß man bei dem Versuch, einem ungeheuer schwierigen Zustand auf dem Wohnungsmarkt zu steuern, keine Ideallösung finden wird. Man wird also immer versuchen müssen, praktikable Regelungen zu finden und dabei so nah wie möglich an das heranzukommen, was möglichst viel Nutzen und fast gar keinen Schaden bringt. Genau das haben wir -- auch das machen Sie uns heute interessanterweise zum Vorwurf ---, die Koalitionsfraktionen, seit der ersten Lesung dieses Gesetzes hier im Hause mit viel Fleiß und Ernst zu erreichen versucht. Sie sprechen nun ganz dramatisch von Nacht- und Nebelberatungen. Herr Erpenbeck hat im Pressedienst Ihrer Fraktion von ungeheuren Zwistigkeiten geschrieben. In Wirklichkeit haben wir nichts anderes getan, als den Dingen, die in erster Lesung hier angesprochen worden sind, einmal auf den Grund zu gehen. Wir haben damals gesagt dazu stehe ich heute noch —: Wir möchten die Anwendung dieser Bestimmungen in Art. 2 auf die Fälle beschränkt wissen, in denen eine Anwendung wegen der jetzigen Notlage erforderlich ist.
Ich komme jetzt darauf; bitte hören Sie zu. Ich kriege Glas, glaube ich, schon hin. Wir haben zunächst geglaubt, man müßte die Gebiete des besonderen Wohnungsbedarfs, der seinerzeit angesprochen war, punktuell herausgreifen und würde bei der punktuellen Anwendung des Gesetzes zu dem gewünschten Ergebnis kommen, nämlich dem, daß bei Notlage geholfen würde und andere Fälle nicht betroffen würden.
Nach Erhebungen, die auch in Ihren Kreisen von Fachleuten gar nicht ernsthaft bezweifelt werden, hat sich herausgestellt, daß jeder Versuch, eine Begrenzung zu finden etwa bei der magischen Zahl 2 % , zunächst dazu führen würde, daß etwa 80 % der Stadt- und Landkreise des Bundesgebietes erfaßt würden. Das ist schon nicht mehr die Einschränkung, die uns in erster Lesung vorgeschwebt hat.
Zweitens würde das eintreten, worauf Herr Gnädinger schon zutreffend hingewiesen hat: es würden große Landkreise mit ihrem Fehlbestand unter 2 % liegen, aber es wären in diesen Landkreisen dennoch einzelne Städte vorhanden, in denen der Fehlbestand weit höher wäre und die Bevölkerung dringend Schutz nötig hätte.
Als wir diese Schwierigkeiten im einzelnen durchleuchtet hatten, kamen wir zu der Meinung, daß das Problem einer vorläufigen Regelung der Notsituation so, wie es zunächst gedacht war, nicht würde gelöst werden können. Deshalb haben wir gesagt: wir wollen den ungeheuren Verwaltungsaufwand und ebenso die ständige Unruhe in weiten Bevölkerungskreisen vermeiden, die durch den dauernden Streit darüber entsteht, ob der Wohnungsfehlbestand erreicht ist oder nicht; ob vielleicht sogar in diesem
Sinne weiße Kreise wieder unter die Zuständigkeit dieses Gesetzes zurückgeführt werden müßten. Wir haben gesagt: wir wollen uns ein zeitliches Limit setzen. Ich glaube, daß wir damit auch den Intentionen näherkommen, die Herr Hauser hier u. a. angesprochen hat; wir wollen nämlich den 31. Dezember 1974 verbindlich als Schlußtermin des Geltens dieses Gesetzes einsetzen.
Damit wird erreicht, daß insbesondere auf den Gebieten, die hier heute gar nicht zur Debatte stehen können etwa bei sonstigen Vorhaben des Bundeswohnungsbauministeriums —, inzwischen Maßnahmen eingeleitet werden können, die zu einer Entspannung führen, welche tatsächlich die Vorschriften des Art. 2 überflüssig macht. Das erscheint uns allerdings nach wie vor vordringlich.
Wir glauben aber, es ist richtig gewesen, hier nicht eine Fülle von Verwaltungsarbeit, die doch nicht zu befriedigenden Ergebnissen würde führen können, einzuplanen, sondern einen Schlußtermin festzusetzen. Darauf haben sich die Koalitionsfraktionen geeinigt, und sie haben damit etwas getan, was einige Ihrer Sprecher auch oft als ein wichtiges Ziel herausgestellt haben: sie haben unnützen Verwaltungsaufwand eingedämmt. Genau das ist geschehen, und ich finde, es steht Ihnen nicht gut an, sich dann jetzt hiergegen zu wehren, während Sie sich anderenfalls mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit - Herr Vogel, ich sehe Sie verschmitzt lächeln; ich sehe das gerne - gegen die
andere Regelung mit den Argumenten gewandt hätten, die ich jetzt für unsere Ansicht in Anspruch nehme. Das wird ja auf die Dauer doch bemerkt und führt in der Sache dann nicht mehr weiter.
Darum habe ich auch den Eindruck, daß wir von Herrn Hauser nicht gehört haben, warum das Gesetz von der Sache her zu kritisieren sein soll. Punkt und Komma will ich jetzt einmal beiseite lassen
es ist ja nun nicht zuletzt dank der Mühen der Herren Berichterstatter, die hier gern auch lobend erwähnt werden sollen, gelungen, hier alles klarzustellen , und in der Sache selbst habe ich keine ernst zu nehmenden Vorwürfe gehört. Es ist nämlich so, daß es Ihnen bei allen Versuchen nicht gelingen wird, etwas zu finden, was einerseits wie die hier eingeführte Vergleichsmiete in der praktischen Handhabung ohne allzu große Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten anwendbar ist und andererseits den Marktmechanismus weitestgehend
wenn auch mit dämpfenden Einschränkungen, die in der jetzigen Lage nur wünschenswert sind — intakt läßt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mick?
Bitte schön, Herr Mick!
Herr Kollege, sind Sie nicht der Meinung, daß man diesen Art. 2, der nun wirklich in einem Husarenritt beraten wurde und zu dem heute fünf Änderungsanträge der Regierungs-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7783
Mickkoalition vorliegen, in den Ausschüssen gründlicher hätte beraten müssen?
Herr Mick, Sie werden zu Ihrer Überraschung erleben, daß wir nach nochmaliger Überlegung zu dem Ergebnis gekommen sind: die hier vorsorglich vorbereiteten Abänderungsanträge sind uns nicht so wesentlich, daß wir nicht im Hinblick auf die Wichtigkeit des Gesamten darauf verzichten könnten.
Das ist das eine, Herr Mick. Im übrigen haben Sie eine Fülle von Abänderungsanträgen vorgelegt, für die früher, nämlich seit der ersten Lesung viel Zeit gewesen ist, so viel, daß Ihr Kollege Erpenbeck wegen der Verzögerung schon Alarm geschlagen hatte. Heute kommen Sie mit einem Bündel von Anträgen, für die Sie in der Zeit Muße hatten, die Herr Erpenbeck als zu lang bezeichnet hat.
Nein! Das ist doch so!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard ?
Bitte schön, Herr Erhard!
Herr Kollege Kleinert, bin ich falsch unterrichtet und könnten Sie mich gegebenenfalls korrigieren, wenn ich aus meinem Gedächtnis herauskrame, daß dieser Art. 2 zunächst offiziell von der Regierung zurückgezogen worden war und daß dann nach dieser merkwürdigen Nachtsitzung auf Grund von Verhandlungen zwischen den Beteiligten der beiden Regierungsfraktionen ein Entwurf vorgelegt wurde, der zum Teil erst in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses verteilt wurde?
Herr Erhard, darin haben Sie recht. Aber die Abänderungsanträge, die Sie hier vorlegen, betreffen nicht das, was an der Sache neu war, sondern zum Teil uralte eigene Anträge von Ihnen aus dem Münchner Raum, z. B. diese Ziffer „y" — wenn ich das hier nur erwähnen darf —, die schon vorher auch in Ihren Kreisen gründlich hätten bearbeitet werden können. Deshalb ist es angesichts des wirklichen sachlichen Anliegens gar nicht richtig, daß wir hier in dieser Weise hin und her argumentieren. Das könnten wir nämlich noch längere Zeit mit zeitweiligen Scheinerfolgen für beide Seiten fortsetzen.
Im übrigen habe ich gehört, daß Ihre Fraktion ursprünglich bereit gewesen wäre, allen Bestimmungen dieses Gesetzes zuzustimmen, wenn nur der Art. 2 noch einmal an den Ausschuß verwiesen würde. Daraus schließe ich, daß Sie im Grunde mit der Fülle von Regelungen, die bei dieser Gelegenheit in den weiteren Artikeln getroffen worden
sind, durchaus einverstanden sind und daß — man konnte das vorhin in dem Zitat von Herrn Hauser nicht ganz genau heraushören — die Äußerung von Herrn Vogel bezüglich des „Leipziger Allerlei" so negativ eigentlich gar nicht aufgefaßt werden muß; denn wenn hier schon eine schwierige Situation besteht, dann ist es doch viel besser, mit einem Bündel von Maßnahmen von allen Flanken her gleichzeitig anzusetzen, anstatt mit einer womöglich in ihrer Auswirkung noch nicht endgültig zu beurteilenden einzigen Maßnahme genau danebenzuzielen und schließlich auch -zutreffen. Wenn das hier gemacht worden ist, dann ist das für die Kürze der Zeit eine ebenso fleißige wie umfassende Aktion aller Beteiligten gewesen, die sicherlich ihre Wirkung nicht verfehlen wird. Darum werden wir nicht nur diesen anderen Artikeln, sondern auf Grund der Entstehungsgeschichte, die ich hier geschildert habe und die auch von Herrn Hauser geschildert worden ist, wobei allerdings der Akzent falsch gesetzt war, mit der Überzeugung dem gesamten Gesetz zustimmen, etwas Vernünftiges vorzulegen.
Das Wort hat der Abgeordnete Erpenbeck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Kleinert, Sie waren richtig unterrichtet, wenn Sie gehört haben, daß die CDU/CSU-Fraktion in der Lage sei – natürlich nach Beratung ihrer Abänderungsanträge —, den vorgesehenen Artikeln mit Ausnahme des Art. 2 zuzustimmen. Darum bittet sie auch jetzt -- ich wiederhole das von dieser Stelle aus die Regierungskoalition, den Art. 2 an den Ausschuß zurückzuverweisen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mick?
Bitte sehr, Herr Mick!
Herr Kollege Erpenbeck, können Sie bestätigen, daß im mitberatenden Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen alle anstehenden Artikel - der Art. 2 war von der Regierung
zurückgezogen worden - einvernehmlich beraten
worden sind?
Herr Kollege Mick, ich bestätige Ihnen als Vorsitzendem des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen gern, daß tatsächlich alle Artikel, die dem Ausschuß überhaupt zur Beratung vorlagen und zu denen er die Möglichkeit der Beratung hatte, einvernehmlich besprochen worden sind und daß ein entsprechendes Votum dem federführendem Rechtsausschuß zugegangen ist, daß wir uns aber einfach nicht in der Lage sahen, den Art. 2 zu beraten, da er zunächst nicht vorlag und uns dann, als er vorgelegt wurde, nicht die Möglichkeit der Information und einer vernünftigen parlamentarischen Beratung dieses Arti-
Metadaten/Kopzeile:
7784 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Erpenbeckkels gegeben war. Das ist die Situation, wie sie sich für den Ausschuß dargestellt hat.Die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages hat bereits in der ersten Lesung deutlich gemacht, daß sie jede Form von Mietwucher auf das schärfste verurteilt. Ihr damaliger Wohnungsbauminister Paul Lücke, auf dessen Initiative das soziale Miet- und Wohnrecht zurückgeht, war der erste Minister, der einen Hausbesitzer mit Erfolg wegen Mietwuchers angezeigt hat. Das sollte man einmal zur Kenntnis nehmen. Die Fraktion war und ist bereit, in sachlicher und konstruktiver Weise an der Schaffung praktikabler Formen zur Bekämpfung des Mietwuchers mitzuwirken.Ebenso eindeutig lehnen wir jedoch jeden Versuch ab, die Wohnungszwangswirtschaft unseligen Angedenkens wieder einzuführen, ob direkt oder durch die Hintertür. Mit dieser Auffassung befinden wir uns in völliger Übereinstimmung mit dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium.Die Geschichte des uns heute zur Verabschiedung vorliegenden Gesetzentwurfs, die hier vom Herrn Kollegen Dr. Hauser dargestellt worden ist, liest sich geradezu wie ein schlechter Kriminalroman. Von der Regierung Ende letzten Jahres verabschiedet, als eilbedürftig deklariert, wurde der entscheidende Art. 2 des Entwurfs während der parlamentarischen Beratung zurückgezogen.
Herr Kollege Erpenbeck, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kleinert?
Herr Erpenbeck, würden Sie so freundlich sein, dem Hause zu sagen, wo Sie auch nur Ansatzpunkte der Wiedereinführung einer Wohnungszwangswirtschaft in dem hier vorgelegten Gesetzentwurf sehen, oder warum Sie sonst dieses Gespenst hier in den Raum zaubern?
Herr Kollege Kleinert, ich glaube, daß Sie durchaus in der Lage sind, den Art. 2, wie er vorliegt, richtig zu lesen, und daß Sie durchaus in der Lage sind, zu beurteilen, wieweit sich der Art. 2 von der marktwirtschaftlichen Ordnung entfernt.
Die beteiligten Ausschüsse — ich komme noch einmal auf die Frage des Kollegen Mick zurück — konnten sich monatelang mit dem Art. 2 nicht befassen, weil die beteiligten Ressorts sich nicht einigen konnten. Ich brauche nicht das zu wiederholen, was Kollege Dr. Hauser dazu bereits gesagt hat. Aber wenige Tage vor dem Beginn der parlamentarischen Sommerpause wurde dann mit heißer Nadel in Verhandlungen zwischen den beiden Koalitionsfraktionen ein neuer Art. 2 zusammengeflickt. Das ist je soeben vom Kollegen Kleinert hier auch durchaus bestätigt worden.
Herr Abgeordneter Erpenbeck, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt?
Herr Kollege Erpenbeck, wären Sie in der Lage, den Unterschied zu erkennen, ob die Bundesregierung einen Artikel zurückzieht oder ob die Koalitionsfraktionen in diesem Hause sagen, sie wollen einen bestimmten Artikel später beraten? Die Bundesregierung hat nämlich nie etwas zurückgezogen.
Herr Kollege Dr. Arndt, ich weiß nicht, wie es in Ihrem Ausschuß begründet worden ist. In unserem Ausschuß ist ausdrücklich gesagt worden, daß dieser Artikel nicht mehr zur Beratung ansteht, da an Stelle des Art. 2 eine andere Formulierung vorgelegt werde. Das ist gar nichts anderes als die Zurückziehung des ursprünglichen Art. 2.
— Das ist in unserem Ausschuß auch von der Regierung so bestätigt worden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Erpenbeck, würden Sie dem Herrn Kollegen Dr. Arndt empfehlen, die Protokolle des Ausschusses zu lesen? Dann würde er diesen Sachverhalt sehr schnell intus haben.
Herr Kollege Mick, ich komme Ihrer Aufforderung gern nach und bitte ihn, es im Protokoll nachzulesen.Selbst der Deutsche Mieterbund, meine Damen und Herren, konnte dem plötzlich unter politischem Druck gefundenen Kompromiß nur sehr mühsam zustimmen, nach dem Motto: Man kann beim Lächeln ja auch die Zähne zeigen.
Daß heißt: Verwirrung im Quadrat. Die beteiligten Ausschüsse wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Für eine sachgemäße Beratung blieb keine Zeit. Der Entwurf wurde über die Hürden gejagt.In dieser schon fast makabren Situation kann ich nur, meine Damen und Herren von der Koalition, an Ihre Vernunft appellieren, und zwar nicht in Ihrem eigenen Interesse — das ist gar nicht meine Aufgabe —, sondern im Interesse der Mieter und Vermieter.Wie wirr und verwirrend dieser Art. 2 ist, mögen Sie schon daraus ersehen, daß der eine vermuten kann, er werde zu einer Preisspirale führen, während der andere gute Gründe dafür angeben kann, er bedeute im Endeffekt einen Mietstopp und ein Dauerwohnrecht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7785
Erpenbeck— Ich stimme Ihnen zu, Herr Gnädinger: es gibt Leute, die glauben, sie könnten alles gleichzeitig haben. Anscheinend gehören Sie dazu.Die Verwirrung ist kaum noch zu überbieten, meine Damen und Herren. Deshalb mein Appell an Sie: Stimmen Sie dem Antrag zu, den ich hier namens der Fraktion der CDU/CSU stelle, Art. 2 aus dem Entwurf auszuklammern und an die beteiligten Ausschüsse zur sachgerechten Beratung zurückzuverweisen. Wir sind zu konstruktiver Zusammenarbeit bereit. Verhindern Sie mit uns gemeinsam, daß die Partnerschaft von Mietern und Vermietern durch Rechtsunsicherheit zerstört wird, daß die Mieter letzten Endes die Zeche zu zahlen haben! Aus vielen Gesprächen weiß ich, wie unwohl auch Ihnen bei diesem Artikel ist. Nicht zuletzt ist darauf ja wohl auch zurückzuführen, daß Sie zumindest überlegt haben, ob Sie hier heute abend bei der Beratung einige Änderungsanträge vorlegen sollten.Ich sagte eingangs, daß wir bereit sind, konstruktiv an einer praktikablen Verbesserung des Miet- und Wohnrechts mitzuwirken. Wir sind bereit, für außerordentliche Situationen zeitlich und örtlich begrenzte Sonderbestimmungen zu schaffen. Wir sind bereit, an einem besseren Schutz der Mieter mitzuwirken. Nur darf er nicht darin bestehen, daß der Mieter dadurch im Endeffekt benachteiligt wird. Das aber würde der Fall sein, wenn durch dirigistische Maßnahmen der Wohnungsbau mit der Folge steigender Knappheitsmieten eingeschränkt würde.Wir sind für Regelungen, die Rechtssicherheit schaffen. Wir sind gegen Regelungen, die die Gerichte mit Prozeßlawinen überhäufen. Vermieter und Mieter sollen möglichst Partner sein und bleiben und nicht zu einem Volk von Prozeßgegnern werden. Wir wollen ein Gesetz, daß die Mieter vor Härten schützt, ohne daß dadurch die Vermieter ungerechtfertigt benachteiligt werden.Meine Damen und Herren, wir haben auch beim Städtebauförderungsgesetz einen, wie ich glaube, guten Kompromiß nach unnötigen Umwegen gefunden. Warum sollten wir nicht auch hier einen Weg finden, der sinnvoll und praktikabel ist, einen Weg, den wir gemeinsam gehen könnten?Ich bitte Sie daher mit allem Ernst, meine Damen und Herren, unserem Antrag auf Rückverweisung des Art. 2 zuzustimmen, damit wir ihn in den Ausschüssen sachlich und ohne Zeitdruck beraten können. Dieser Weg wäre nicht nur im Interesse der Mieter und Vermieter geboten, er wäre, meine ich, auch ein guter parlamentarischer Stil.
Das Wort hat der Abgeordnete Henke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur einige wenige Bemerkungen zu dem machen, was bisher von der Opposition ausgeführt worden ist. In Anbetracht der vorgerückten Zeit sollten wir unsere Redezeit nicht allzuweit ausdehnen.
Zum Problem des Termindrucks, unter dem die Beratungen gestanden haben sollen, möchte ich folgendes sagen. Es ist hier völlig richtig festgestellt worden, daß im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen sämtliche Artikel — mit Ausnahme des Art. 2 — mit ausreichender Gründlichkeit beraten worden sind. Lediglich Art. 2 ist zurückgestellt worden. Ich will hier nicht verhehlen, daß das an den objektiven Schwierigkeiten gelegen hat, einen geeigneten Richtwert zu finden, an dem man sich bei der Bemessung von Mieten orientieren kann. Ich muß allerdings auch feststellen, daß das, was in der Ausschußsitzung als völlig neu dargestellt wurde, nämlich die Vergleichsmiete, den Interessierten sicherlich schon Wochen, wenn nicht gar Monate vorher bekannt war. Diese Form war in der Diskussion, und ich bin sicher, daß sich auch die Kollegen von der CDU/CSU schon vorher mit diesem Komplex beschäftigt hatten.
Im übrigen scheint mir die Tatsache, daß es bis heute von Ihrer Seite keinen Vorschlag gibt, nach welchen Kriterien man nun bewerten soll, dafür zu sprechen, daß auch Sie offensichtlich die Schwierigkeit erkannt haben, in der man sich befindet, wenn man einen solchen Wert sucht.
Herr Abgeordneter Henke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lenz?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege, sind Sie bereit, davon Kenntnis zu nehmen, daß die Papiere im Rechtsausschuß, der federführend war, am selben Tag verteilt worden sind und daß die Beratungen bis 22.45 Uhr gedauert haben?
Herr Kollege Dr. Lenz, das ist mir bekannt. Mir ist aber auch bekannt, daß der Art. 2, weil er sich im wesentlichen mit wohnungswirtschaftlichen Problemen beschäftigt, dem zuständigen Fachausschuß überwiesen worden war. In unserem Ausschuß wurde die Meinung des Rechtsausschusses so interpretiert, daß man sich der Regelung, die wir finden würden, anschließen wolle.
— Ihre Kollegen.
Gestatten Sie eine Zusatzfrage?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, oder sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Art. 2 eine Bestimmung enthielt — ich glaube, es ist jetzt Art. 2 d auf Umdruck 223 — die in der Fassung, in der sie uns vorgelegt worden ist, nach der übereinstimmenden Auffassung des Ausschusses verfassungswidrig war, und sind Sie der Auffassung, daß eine solche Art Vorbereitung von diesem Hause als ausreichend hingenommen werden kann?
Herr Kollege Dr. Lenz, dazu kann ich nur sagen: unter anderem um das festzustellen, finden Beratungen in den Fachausschüssen statt. Sie haben Gelegenheit gehabt, das unter juristischen Gesichtspunkten zu korrigieren.
— Ich möchte jetzt keine weitere Frage zulassen, weil sonst meine Redezeit von Ihnen und nicht von mir ausgedehnt wird. Ich bitte Sie dafür um Verständnis.
Antworten auf Zwischenfragen werden nicht auf die Redezeit angerechnet.
Lassen Sie jetzt noch eine Zusatzfrage zu?
Ja, bitte schön! Aber die Redezeit als solche wird ausgedehnt.
Herr Kollege, sind Sie drittens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß uns das Ergebnis der Meinungsbildung des mitberatenden Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen zu dem von mir angesprochenen Paragraphen nicht mitgeteilt worden ist und wir nur in der Sitzung Gelegenheit gehabt haben, uns eine Meinung zu bilden, was dann auch übereinstimmend geschehen ist?
Herr Kollege, das ist mir völlig unverständlich, weil nämlich der Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen am Vormittag des betreffenden Tages auch über den Art. 2 beraten hat. Allerdings hat — jetzt komme ich zum nächsten Punkt — eine Beratung in dem von Ihnen gewünschten Umfang deshalb nicht stattfinden können, weil die Vertreter der Opposition aus formalen Gründen nicht in die Detailberatungen eingestiegen sind. Der Ausschuß hat aber den Art. 2 mit Mehrheit beschlossen, und das ist meines Wissens auch dem Rechtsausschuß mitgeteilt worden.Jetzt muß ich aber doch noch auf etwas anderes hinweisen. Der Herr Kollege Erpenbeck, der es hier so vehement bedauert hat, daß man nicht ausreichend habe beraten können, und der unter anderem eine Rücküberweisung des Art. 2 an den Fachausschuß beantragt hat, hat kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause durch seine Aussagen dazu beigetragen, daß der Eindruck besonderer Dringlichkeit entstanden ist. Der Kollege Erpenbeck hat damals gesagt, es wäre ein Skandal, wenn es nicht gelingen sollte, dieses Gesetz zugunsten der Mieter vor der parlamentarischen Sommerpause zu verabschieden. Herr Kollege Erpenbeck, hier decken sich unsere Auffassungen. Das war unsere Überzeugung, und deshalb haben wir nachher, wenn Sie so wollen, etwas im Zeitdruck gestanden. Wir glaubten das aber im Interesse der Betroffenen, im Interesse der Mieter hinnehmen zu müssen.
Herr Kollege Erpenbeck, Sie haben hier eben von der „Verwirrung im Quadrat" gesprochen. Ich muß feststellen, daß man in diese Verwirrung sicherlich auch Ihre Person einzubeziehen hat. Sie bringen es fertig, in einer Rede einerseits von einem Rückfall in die Wohnungszwangswirtschaft zu reden und andererseits anzudeuten, daß die Vergleichsmiete ein Instrument sein werde, das auf breiter Front zu Mieterhöhungen führen könne. Was ist denn nun daran eigentlich richtig? Das müßte einmal geklärt werden. Entweder stimmt das eine oder das andere.
Beides kann meines Erachtens doch nicht richtig sein.
Ich finde es auch falsch, wenn der Kollege Hauser hier mit großer Selbstverständlichkeit vorträgt, daß sich die Vergleichsmiete immer nach oben orientiert. Woher will er das eigentlich wissen? Die Vergleichsmiete orientiert sich am Durchschnitt, und wir sind der Auffassung, dieses Orientieren am Durchschnitt wird dazu führen, daß sich der Mietanstieg deutlich in Grenzen hält.Wir werden — da stimme ich Ihnen völlig zu damit den Mietanstieg künftig nicht völlig verhindern können. Dazu spielen eine ganze Reihe anderer Faktoren zu sehr in diesen Bereich hinein. Ich glaube aber, daß wir mit der Orientierung am Durchschnitt erreichen, daß das Ärgernis der Vergangenheit, deutlich aus diesem Rahmen herausragende Mieterhöhungen, künftig unterbleibt. Denn das wollen wir doch hier festhalten: Das Gros unserer Haus- und Grundbesitzer hat auch in den vergangenen Jahren die auf Grund der rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten gegebene Situation nicht ausgenutzt. Ärgerniserregend war doch ein kleinerer Teil der Haus- und Grundbesitzer, dessen Verhalten letztlich dazu geführt hat, daß in der öffentlichen Meinung und insbesondere auch in diesem Hause die Ansicht hochkommen konnte, daß hier rechtlich etwas zu regeln sei.Ich will nicht mehr auf die Problematik der Gebiete mit besonderem Bedarf eingehen. Das hat der Kollege Kleinert schon ausreichend getan. Ich darf mir nur folgenden Hinweis erlauben. Wir haben aus den Beratungen über den Lücke-Plan, aus den Diskussionen insbesondere des vergangenen Jahres
und nach den Erfahrungen, die wir nach Einführung des Lücke-Plans in den betroffenen Gemeinden machen konnten, feststellen müssen, welche Probleme darin stecken, fehlerhafte Statistik usw. Ich will das alles hier nur anreißen. Ich glaube, das ist ein weiterer Einwand gegen die Abgrenzung von Gebieten mit besonderem Bedarf. Wir würden dann sehr schnell wieder in die alten Schwierigkeiten zurückkommen.Lassen Sie mich abschließend folgendes festhalten. Ich bin etwas erstaunt, daß in dieser Diskussion
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7787
HenkeHerr Erpenbeck eine Position bezogen hat, die, wie ich meine, nicht unbedingt mieterfreundlich ist. Ich hätte an sich erwartet, daß in einer solchen Debatte auch die Vertreter der Sozialausschüsse in der Opposition, die im Lande sehr lautstark auf die Notwendigkeit dieses Gesetzes hinweisen und noch schärfere Formulierungen bringen — Herr Orgaß, ich sehe Sie ganz besonders an —, einmal ihre Position zu diesem Gesetz hier etwas kenntlich gemacht hätten. Das würde sicher die Diskussion draußen im Lande etwas klären können.
Ich meine, daß das eine sehr notwendige Sache wäre.Solange wir eine Lücke im Wohnungsmarkt haben, wie sie zur Zeit besteht — die Bundesregierung bemüht sich ja, diese Lücke schneller zu schließen, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist —, ist die Position des Mieters besonders schutzbedürftig. Dieses Gesetz ist dazu geeignet, Härten zu verhindern und den Mietanstieg zu begrenzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wurbs.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Erpenbeck können nicht unwidersprochen hingenommen werden. Ich glaube, es ist erforderlich, hier Klarheit zu schaffen und nicht einen Buhmann aufzubauen. Es dient nicht der allgemeinen Sache, wenn man versucht, neue Gräben aufzureißen.
Ich möchte mich insonderheit auf Art. 2 beziehen. Auf der einen Seite wird der Regierung und den Koalitionsfraktionen vorgeworfen, sie seien untätig. Auf der anderen Seite wird, wenn die Koalitionsfraktionen tätig geworden sind, gesagt, sie handelten zu schnell, so daß sich die Opposition nicht entsprechend auf diese Maßnahmen einstellen könne. Eine ähnliche unterschiedliche Reaktion ist auch in der Öffentlichkeit, insonderheit bei den Interessenverbänden, zu spüren gewesen. Der Mieterverein macht uns den Vorwurf, daß dieses Gesetz nicht dazu angetan sei, den Mietanstieg unter Kontrolle zu bekommen. Der Haus- und Grundbesitzerverein sagt, daß wir die Wohnungszwangswirtschaft wieder einführten.
Zum Verfahren selbst: Dem Ausschuß hat die Drucksache vorgelegen.
Es ist, nachdem Art. 2 zunächst suspendiert war, durchaus logisch — wir haben das bei der Beratung des Städtebauförderungsgesetzes praktiziert —, daß die Fraktionen Änderungsvorschläge unterbreitet haben. Das ist in der Sitzung des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen erfolgt. Auf Grund dieser Änderungsanträge hat die Opposition eine Beratung aus Formalgründen abgelehnt.
Herr Erpenbeck, Ihrem Vorwurf, daß mit diesem Gesetz die Wohnungszwangswirtschaft bzw. der Mietstopp wiedereingeführt werde, muß widersprochen werden; denn wenn wir hier die Vergleichsmiete praktizieren, bedeutet das doch gar nichts anderes, als daß wir ein Marktelement mit in das Gesetz eingebaut haben. Wir verhindern damit allerdings, daß eine explosionsartige Mietanhebung in verschiedenen Bereichen erfolgt.
Ich habe auch keine Alternative von Ihnen gehört. Herr Erpenbeck, es ist selbstverständlich nicht Aufgabe der Opposition, hier Alternativen aufzuzeigen. Aber im Zuge der Beratungen wäre es vielleicht zweckmäßig gewesen zu sagen: Wir bringen eine Alternative!
Wir, die Koalitionsfraktionen, sind der Auffassung, daß, weil sich die marktgerechte Verzinsung nicht praktizieren ließ, diese Formulierung die praktikabelste ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Wurbs, sind Sie in der Lage, einem schlichten. Gemüt, das sich bemüht, seine fünf Sinne beisammenzuhalten, zu erklären, was „Beratung" heißt, wenn Anfang Januar ein Gesetzentwurf mit der Begründung „er ist besonders eilbedürftig" im Bundestag eingebracht wird, die Koalition aber erst am 24. Juni — und keinen Tag früher — überhaupt in der Lage ist, dieses Gesetz zu beraten, weil man in der Zwischenzeit innerhalb der Koalition nicht in der Lage war, eine gemeinsame Linie zu finden? Was verlangen Sie in solch einer Situation von der Opposition, die gar nicht weiß, was Verhandlungsgrundlage ist, wenn die Beratung beginnt? Können Sie das einmal klarmachen?
Sehen Sie, Herr Kollege Vogel, daß zwischen der ersten Einbringung des Gesetzes und der letzten Beratung in den Ausschüssen so viel Zeit vergangen ist, macht doch deutlich, daß die Koalitionsfraktionen sich große Mühe gegeben haben, eine praktikable Lösung vorzulegen.
Die Zahl der Zwischenfrager ist ziemlich groß. Ich weiß nicht genau, wer der nächste ist, ich glaube, Herr Schmude. Geben Sie ihm das Wort?
Ja, bitte sehr!
Herr Kollege Wurbs, könnten Sie dem Herrn Kollegen Vogel in Erinnerung rufen, daß es hier dem Gang der Dinge entspricht, daß Änderungsanträge von Fraktionen in Ausschußsitzungen vorgelegt, beraten und beschlossen werden, und daß hier im Grunde nichts anderes geschehen ist?
Metadaten/Kopzeile:
7788 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Ich stimme Ihnen in vollem Umfang zu. Ich habe eingangs gesagt, daß es die Übung ist, während der Beratungen Änderungsvorschläge einzubringen, und ich habe mich dabei ausdrücklich auf das Städtebauförderungsgesetz bezogen. Die Kollegen aller Fraktionen werden mir zustimmen, daß es hier Übung war und gang und gäbe war, während der Beratung Änderungsanträge vorzulegen. — Bitte sehr!
Herr Dr. Lenz zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Wurbs, sind Sie eigentlich der Auffassung, daß es ein absolut ungehöriges Verlangen ist, wenn die CDU/CSU-Fraktion für die Beratung Ihrer Änderungsanträge so viele Tage in Anspruch nimmt, wie Sie Monate gebraucht haben, um sie vorzulegen?
Ich gebe Ihnen selbstverständlich zu, Herr Kollege Lenz, daß es zweckmäßiger gewesen wäre, vielleicht eine etwas längere Frist zur Verfügung zu haben. Ich habe selbst an den Rechts-ausschußsitzungen teilgenommen; es ist bis 22.45 Uhr getagt worden. Sie haben durch Ihre Verhandlungsführung ermöglicht, daß der Rechtsausschuß noch zu einem Ergebnis gekommen ist. Das muß hier der Objektivität halber festgehalten werden.
Ich darf noch auf zwei Punkte kurz zu sprechen kommen. Ein Anliegen, das, glaube ich, dem ganzen Hause am Herzen lag, war, daß eine Begrenzung im Gesetzentwurf vorgesehen ist. Dies ist im Gesetzentwurf ausdrücklich verankert. Zum Schluß ist in den Beratungen des Ausschusses für Wohnungswesen wie auch des Rechtsausschusses noch eine Passage angefügt worden, die mir sehr wesentlich erscheint. Sie gibt die Möglichkeit zu Mieterhöhungen bei Erhöhung der Bewirtschaftungskosten. Das ist insofern eine wesentliche Verbesserung, als Mietverträge, die aus den Jahren vor 1960/61 datieren, keine Erhöhungsklausel vorsehen. Auch hier besteht jetzt die Möglichkeit, entsprechende Mieterhöhungen auf Grund einer Erhöhung der Bewirtschaftungskosten durchzusetzen.
Die Koalitionsfraktionen haben ausgiebig über Art. 2 beraten. Wir sind uns einig geworden, so daß auch die FDP-Fraktion diesem Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Böhme.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich habe mir des öfteren die Frage nach dem Sinn der heutigen Behandlung dieses Gesetzentwurfes gestellt. Genauso wie ich bei der ersten und letzten Verhandlung im Ausschuß über die Kürze der Einlassungsfrist überrascht war, so, möchte ich sagen, werde ich den Verdacht nicht los, daß mit diesem Gesetzentwurf die Dringlichkeit der heutigen Sitzung motiviert werden sollte. Das ist natürlich schlecht für die Einlassung zu solch einem Gesetz.
Aber selbst dann, wenn ich nach sachlichen Gesichtspunkten suche, kann ich den klaren Sachverhalt im Rahmen des Gesetzes höchstens ahnen. Wenn ich mich bemühe, diesem Gesetzentwurf einen positiven Sinn zu geben, so komme ich dahin, daß Art. 2, den Kollege Wurbs eben angesprochen hat, doch wohl die Anfänge eines Dauermietrechts beinhalten soll. Denn was sollten sonst Beschränkung der Kündigung, vereinfachte einseitige Mietänderungsmöglichkeit und objektivierte Vergleichsskala einer Mietberechnung? Ich glaube, es ist keiner im Saale, der nicht auf die Dauer die Möglichkeit der tariflichen oder vertraglichen Einführung von solchen Dauermietrechten begrüßen würde, wenn sie unter vernünftigen und durchüberlegten Gesichtspunkten durchgeführt würde.
In diesem Zusammenhang ist meines Erachtens die Frage der Vergleichsmiete — der Marktmiete angenähert -- eine Angelegenheit, die in sich positiv zu bewerten ist; positiv, weil sie die marktwirtschaftlichen Grundsätze zumindest weiterhin offen hält, vielleicht sogar auf die Dauer verbessert. Insofern, glaube ich allerdings, ist der Vorwurf an Herrn Erpenbeck, daß er mieterunfreundlich sei — oder habe ich Sie falsch verstanden? — nicht richtig. Im Prinzip ist die Marktmiete in den von der SPD angezogenen Gesichtspunkten des damaligen ersten Gesetzentwurfs bewußt nicht enthalten gewesen, weil man befürchtete, daß bei der nach Meinung der SPD gegebenen Unausgeglichenheit des Marktes die Marktmiete weit über der Kostenmiete liegen würde.
Dennoch, obwohl ich diese Tendenzen erkenne und anerkenne, habe ich im Augenblick Bedenken, dem hier vorgelegten Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung zuzustimmen. Es würde sich nämlich — wenn man meinem Gedankengang folgt um ein neues Rechtsinstrument handeln, ein Rechtsinstrument, das man im Augenblick in der Schweiz durch Tarifverträge behutsam einzuführen versucht. Das Rechtsinstrument, das man in der Schweiz, um Schaden zu verhindern, erst einmal ausprobiert, würde hier für das gesamte Bundesgebiet durch einen gesetzlichen Akt auf drei Jahre festgelegt. Ein solcher Mieterschutz würde statt der nach Meinung der SPD-Fraktion dringenden Neubauten sicherlich eine Abschreckung des Investors zur Folge haben, so daß die erforderlichen Neubauten nicht in der nötigen Menge aus der Investition privaten Kapitals errichtet würden.
Ich möchte deshalb vorschlagen, unter diesem Aspekt — diesem positiven Aspekt der Frage, ob es nicht doch möglich ist, im Rahmen einer vernünftigen Verhandlung und Aushandlung die Voraussetzungen für Dauermietverträge, die ja in diesem Artikel 2 inzidenter enthalten sind, zu klären — den Art. 2 zur erneuten Beratung an den Ausschuß zurückzuverweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmude.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7789
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem hier wiederholten Vorschlag oder war es schon ein Antrag? —, den Art. 2 in den Ausschuß zurückzuverweisen, hier heute also nicht zu behandeln — und das heißt auch, ihn vor September oder Oktober nicht zu behandeln —, möchte ich nachdrücklich widersprechen
und zugleich meinem Erstaunen darüber Ausdruck geben, daß, obwohl uns von Oppositionssprechern nachdrücklich vorgehalten worden ist, daß dieses Gesetz nicht vorangehe und daß dies ein Skandal sei, daß die Hoffnung von Millionen Mietern enttäuscht worden sei, heute offenbar keine Eile mehr besteht, hier zu einer praktikablen Lösung zu kommen.
Wenn Sie uns zum wiederholten Male vorwerfen, Sie hätten die Unterlagen nicht rechtzeitig bekommen, so darf ich Sie daran erinnern, daß es schon mal vorkommt, daß während einer Ausschußberatung Unterlagen auf den Tisch kommen, Änderungsanträge beraten und beschlossen werden müssen. Das ist auch hier geschehen. Nun, wie gesagt, erstaunt es mich, daß Sie keine Eile mehr haben, daß Sie heute ganz pauschal den Art. 2 ablehnen. Wir halten ihn für erforderlich, wir halten ihn für notwendig, und wir meinen, daß er in der jetzigen Fassung auch geglückt ist, daß es sogar gerechtfertigt ist, ihm das zu bestätigen, was Sie in der ersten Lesung vermißt haben, nämlich die Qualität einer echten Reform.
Es ist festgelegt — das ist ja bekannt —, daß in Zukunft für die Kündigung das berechtigte Interesse des Vermieters vorhanden sein muß. Es ist weiter darin die Lösung von der Kündigung des ganzen Mietverhältnisses geregelt. Wenn nur die Zustimmung zur Mieterhöhung begehrt wird. Das halten wir für einen nicht zu unterschätzenden Vorteil.
Wir meinen zusammenfassend, daß es nicht zu verantworten ist, gerade auch gegenüber den Mietern, dem Mieterbund und den Verbraucherverbänden sowie anderen Interessenten, auf die Sie sich in Ihren Presseerklärungen, meine Herren von der Opposition, berufen haben, diese Beratung jetzt zu verzögern, sie hinauszuschieben. Insbesondere ist das nicht zu verantworten angesichts der doch recht unzureichenden sachlichen Gegenargumente, die Sie gebracht haben.
Sie haben der Bundesregierung und den Koalitionsparteien vorgeworfen, es sei ein Skandal und es zeige die mietrechtspolitische Unfähigkeit dieser Regierung und der Koalitionsparteien, daß sie das Gesetz nicht fertiggebracht hätten.
Nun, ich möchte Ihnen die Frage zurückgeben — sie ist heute erledigt und stellt sich an Sie —, ob es nicht eine mietrechtspolitische Instinktlosigkeit ist, so zu tun, als könne man das noch auf die lange Bank schieben, als habe es damit keine Eile.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lenz?
Bitte schön!
Herr Kollege Schmude, Sie haben soeben gesagt, Sie und ihre Fraktion ständen hinter Art. 2 in der Form, wie er in der Drucksache stehe. Wenn das so ist, warum haben Sie uns dann noch zwei Änderungsanträge vorgelegt?
Auch das läßt sich leicht erläutern, Herr Kollege Lenz. Diese Änderungsanträge sollen der Klarstellung einer Rechtssituation dienen, die sich bereits eindeutig aus dem Gesetz ergibt. Nur hätte sich die Möglichkeit geboten, noch zusätzlich eine Klarstellung vorzunehmen. Sie wissen genau, daß es auch an taktischen Überlegungen Ihrer Fraktion scheitert, wenn solche kleinen Verbesserungen und Klarstellungen nicht erfolgen können.
Zusammenfassend widerspreche ich namens der SPD-Fraktion dem Antrag, Art. 2 heute nicht zu behandeln und ihn zurückzuverweisen. . Ich bitte darum, ihm zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, wird in der allgemeinen Aussprache noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Einzelberatung. Ich rufe Art. 1 und den Änderungsantrag Umdruck 211 *) auf. Zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 211 hat der Abgeordnete Dr. Hauser das Wort.
Die Begründung muß ja wohl dem Antragsteller
überlassen werden.
Ich darf es wirklich kurz machen. Unser erster Änderungsantrag auf Umdruck 211 wendet sich dagegen, daß bereits im Kündigungsschreiben sämtliche Gründe aufgeführt sein müssen, sofern sie etwa in einem späteren gerichtlichen Verfahren Berücksichtigung finden sollen. Nach unserer Überzeugung wirkt sich das eindeutig zum Schaden des Mieters aus. Aus dem Grund haben wir vor allem unter Ziff. 2 auf Umdruck 211 auch noch vorgesehen, daß der Mieter vom Vermieter wenigstens verlangen kann, ihm mitzuteilen, ob der Vermieter ihm sämtliche Gründe angegeben hat, die zur Kündigung des Mietverhältnisses führen, oder ob er noch zusätzliche Gründe geltend machen wird.
Herr Präsident, darf ich den Änderungsantrag auf Umdruck 212 **) gleich mit begründen?
Bitte sehr!*) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 6
Metadaten/Kopzeile:
7790 Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Dr. Hauser (CDU, CSU) : Es ist wirklich nicht einzusehen, weshalb der Vermieter als Kläger in einem Räumungsprozeß etwa dafür bestraft werden soll, daß er sich auf einen Kündigungsgrund beruft, der ohne sein Verschulden erst nach der Kündigung in der Person des Mieters entstanden ist. Aus dem Grunde finden Sie auf Umdruck 212 unseren Änderungsantrag.Ich bitte, beide Änderungsanträge anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gnädinger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Änderungsanträge auf Umdruck 211 und Umdruck 212 eingehe, möchte ich eine allgemeine Bemerkung zur Behandlung der Anträge in dieser Debatte machen. Wir, die Koalitionsfraktionen, haben ein Interesse daran, daß heute die zweite und dritte Lesung dieses Gesetzes stattfindet. Ursprünglich war von der Opposition zugesagt worden, keine Fristeinreden zu machen, so daß wir den Gesetzentwurf heute über die Bühne hätten bringen können. Nun ist diese Zusage, die noch heute vormittag im Ältestenrat gegeben worden ist, zurückgezogen worden. Die Opposition hat Fristeinreden angekündigt. Dies zwingt uns, bei der Behandlung der Anträge eine bestimmte Haltung einzunehmen. Wir werden deshalb sämtliche Anträge der Opposition ablehnen und werden unsere eigenen Anträge zurückziehen; denn nur durch dieses Verfahren
— nein, Herr Lenz — ist es möglich, heute auch die dritte Lesung durchzuführen.
Das ist ganz wesentlich, weil sich nämlich viele Mieter schon — nein, Herr Lenz, jetzt möchte ich das ausführen; Sie können nachher das Wort ergreifen ,
weil sich nämlich viele Mieter schon auf das Kommen dieses Gesetzes eingestellt haben. Deshalb ist es nicht zu verantworten, heute nicht die zweite und dritte Lesung dieses Gesetzes durchzuführen.
Nun möchte ich zu dem Änderungsantrag Umdruck 211 nur ganz kurz das eine sagen. Wir sind der Meinung, daß der Vermieter zur rechten Zeit seine Kündigungsgründe angeben sollte. Das führt dazu, daß der Mieter sich rechtzeitig darauf einstellen kann, und das führt auch dazu, daß der Vermieter, der die Kündigung niederschreibt, noch einmal seinen Schritt überdenkt und die Berechtigung seiner Kündigung überprüft. Diesen Erfolg wollen wir beibehalten. Wenn der Antrag Umdruck 211 angenommen würde, würde dieser Erfolg nicht mehr vorhanden sein.
Wir lehnen auch den Antrag Umdruck 212 ab. Hier handelt es sich um die Frage des Ermessensspielraums eines Richters. Wir haben das sehr flexibel gestaltet. Wir meinen, daß die Annahme des CDU-Antrags Schematismus hineinbrächte. Wir sind der Auffassung: der Richter soll nach seinen Gesichtspunkten entscheiden können. Deshalb werden wir auch den Antrag Umdruck 212 ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lenz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis dafür, daß das Haus zu dieser Stunde langsam an den Schluß der Beratungen zu kommen wünscht.
Ich selbst teile diesen Wunsch. Ich habe aber kein Verständnis dafür, daß bei einem Gesetz, das angeblich für Millionen Gutes bringen soll, weder im Ausschuß noch in diesem Hause die Zeit für eine sachgemäße Beratung zur Verfügung steht.
Wenn der von mir hochgeschätzte Kollege Gnädinger eben die Ablehnung der CDU/ CSU-Anträge damit begründet hat, daß er glaubt, wenn einer davon angenommen würde, würde Fristeinrede erhoben, so hat er doch wahrscheinlich am Ziel vorbeigeschossen. Wir haben es bei der Beratung des Städtebauförderungsgesetzes in diesem Hause erlebt, daß Änderungsanträgen aus unseren Reihen widersprochen wurde, obwohl sie in den Ausschüssen mit den Stimmen der Koalitionsparteien angenommen worden waren.
Unter diesen Umständen kann ich das, was eben zur Begründung vorgetragen worden ist, nur als Vorwand betrachten, um eine sachliche Beratung des Gesetzentwurfs zu verweigern.
Zu Art. 1 liegen keine Wortmeldungen mehr vor.Damit kommen wir zu dem Änderungsantrag Umdruck 211. Ich frage die Antragsteller, ob ich über beide Ziffern gemeinsam abstimmen lassen kann. — Gut, dann lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu Art. 1 auf Umdruck 211 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. Das Zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7791
Vizepräsident Dr. JaegerIch lasse nun über Art. 1 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe Art. 1 a auf und komme zu dem Antrag Umdruck 212, der schon begründet ist. — Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 212 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Zweite ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.Wir stimmen dann über Art. 1 a in der Ausschußfassung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 2 auf. Nach der Geschäftsordnung kommt der Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß als erstes zur Behandlung. Dieser Antrag ist begründet. Das Wort dazu wird nicht mehr gewünscht. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU, Art. 2 an den Ausschuß zurückzuverweisen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Zweite ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.Meine Damen und Herren, wir kommen dann zu den Änderungsanträgen. Die Änderungsanträge liegen Ihnen auf den Umdrucken 215 *) 220 **) und 221 ***) vor. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Orgaß das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Gnädinger — ganz sicher gegen seine Überzeugung und Auffassung — hier vor dem Hohen Hause erklärt hat: Wir werden nicht mehr weiterberaten, wir werden alles niederstimmen, und wir werden diesem Gesetz, so schlecht es auch ist, heute die Zustimmung geben, ist eine politische Auseinandersetzung im Grunde nicht mehr möglich. Jetzt geht es nur noch darum, Schwarzer Peter zu spielen. Die nächste Runde wird sicherlich der Bundesrat spielen.
Es ist ja schließlich ortsbekannt, daß ein Teil Ihrer Anträge gerade deswegen gestellt werden, weil sie mit so heißer Nadel genäht wurden und weil die eigenen Genossen aus dem Bundesrat Ihnen angedroht haben, Sie würden im Bundesrat Schwierigkeiten haben, wenn diese Anträge nicht zumindest gestellt würden.
Nachdem diese Anträge in der Urlaubszeit wie Manna vom Himmel kamen — als neue Reformentwürfe! —, ist jetzt dadurch eine neue Reform eingetreten, daß Sie sie wiederum zurückziehen. Das ist doch im Grunde genommen eine Verballhornung der politischen Arbeit dieses Parlaments.
* Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlage 8 ***) Siehe Anlage 9Es geht uns deswegen jetzt auch nicht mehr entscheidend darum, hier zu versuchen, sachlich zu begründen, warum dieses Gesetz besser hätte sein können. Wir selbst sind alle der Überzeugung — das haben wir immer wieder zum Ausdruck gebracht —, daß wir ein solches Gesetz dringend brauchen, allerdings ein gutes Gesetz — und dieses ist kein gutes Gesetz! Man kann hier nur sagen: Nachdem der zuständige Minister dieses Ei schon ein Jahr vorher begackert hat, ist es jetzt doch nur ein krummes Ei geworden. Mittlerweile ist doch die Situation eingetreten, daß Sie von allen Beteiligten, auch vom Deutschen Mieterbund, in härtester Weise kritisiert werden; es heißt, daß dieses Gesetz nicht einmal seine Überschrift zu Recht trägt. In der vorliegenden Fassung ist dieses Gesetz kein Gesetz zur Begrenzung des Mietanstiegs. Dieses Gesetz wird vielmehr für weite Bereiche der Bundesrepublik ein Mieterhöhungsgesetz.
Es ist doch ganz logisch, daß über die Vergleichsmiete jetzt weitere Gruppen einbezogen werden, beispielsweise im frei finanzierten Wohnungsbau in den Bereichen, wo es keine Gebiete mit besonderer Fehlbelegung gibt. In solchen Fällen würde ein Vermieter von sich aus auf Grund der zeitlich befristeten Verträge gar nicht in der Lage sein, fünf oder zehn Jahre lang eine Mieterhöhung durchzusetzen. Aber auf Grund dieses Art. 2, den Sie hier hineingeschustert haben und dessen Konsequenzen Sie sicherlich nicht übersehen, wird es möglich sein, daß der Vermieter jetzt eine einseitige Änderungskündigung ausspricht, mit dem Ergebnis, daß über die Vergleichsmiete nach Ort, Art und Ausstattung eine Anhebung der Miete erfolgen kann. Ein Vergleich nach der Art darf nicht von der jetzigen Situation ausgehen. Wenn beispielsweise die Miete von frei finanzierten Wohnungen, die zu Beginn der 50er Jahre, also unter einer ganz anderen Kostenrelation gebaut worden sind, zu der Ergebnismiete, die auf dem Markt heute gängig ist, in Vergleich gesetzt wird, wird dadurch eine Mieterhöhung Zug um Zug angeheizt. Deswegen sind wir bei unserem Antrag der Auffassung, daß zumindest die frei finanzierten Wohnungen herausgenommen werden müssen. Sie einzubeziehen wäre logisch möglich, wenn Sie dem Gedanken einer Kostenmiete in irgendeiner Form gefolgt wären. So aber geben Sie einem Großteil der Mieter im letzten Steine statt Brot.Und dann wird es von seiten dieses Ministers als ein epochales Reformwerk verkündet, daß jetzt eine Art Dauermietrecht begründet wird. Man kann doch nur kichern, wenn man feststellt: dieses epochale Dauermietrecht endet 1974. Das ist Dauer auf Zeit. Aber länger, so glauben Sie vielleicht, wird Ihre Epoche ja wohl auch nicht dauern.Meine verehrten Damen und Herren, ich glaube, die ganze Ausschußberatung, über die ja eine ganze Reihe von Dingen hin und her gesagt worden sind, hat gezeigt, daß diese Koalition keinen besseren Entwurf vorlegen konnte, weil sie einen Minister hat, der in dieser Frage einfach nicht fähig ist,
Metadaten/Kopzeile:
7792 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Orgaßsondern der Sonntagsreden hält oder Erklärungen seines Ministeriums herausgibt, in denen etwa unter dem 22. Juni 1971 unter Punkt 2 steht: Ähnlich hohl und für jede sachliche Argumentation kaum zugänglich zeigte sich die CDU/CSU während der bisherigen Beratungen über das Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts ... usw. usw. — Auf der anderen Seite ist dokumentarisch festgelegt, daß wir als Parlament überhaupt erst am 24. Juni, also zwei Tage, nachdem diese Meldung herausging, diesen Art. 2 zu beraten hatten; denn vorher war er zurückgezogen.Wenn man glaubt, den Wähler auf diese Art verdummen zu können, wenn dieses und nicht die sachlich fundierte gemeinsame Arbeit das Mittel der Politik ist, dann wird es um den Bestand dieser Koalition ja wohl schlecht bestellt sein.
Deswegen kann man wohl sagen, man kann das — und Sie mögen dies in Pflichtreden verteidigen; daß Sie es aus Überzeugung tun, kann ich mir nicht vorstellen, denn so dumm ist niemand in diesem Hause — nur unter dem Gesichtspunkt tun, daß selbst die Eule ihre Jungen schön findet. Ich glaube aber, daß dem Mieter damit nicht gedient ist, denn es ist auf der anderen Seite auch dort, wo jetzt die Vergleichsmiete eingeführt ist, dem Mieter bedeutet worden, daß für ihn damit keine Kündigung möglich ist. Das ist doch eine Fessel nach zwei Seiten! Denn es hat Ihnen doch der Mieterbund zu Recht ins Stammbuch geschrieben, daß hiermit nicht einmal die Möglichkeit gegeben ist, mit einer außerordentlichen Kündigung — je nach der Länge des Mietverhältnisses innerhalb von drei bis zwölf Monaten — auf eine außergewöhnliche Mieterhöhung zu reagieren. Wenn Sie mir das nicht glauben — und das nehme ich Ihnen nicht einmal übel —, dann lesen Sie doch bitte einmal den Artikel, der in der „Deutschen Mieterzeitung" steht. Und soviel ist selbst mir bekannt: daß die Mieterzeitung nicht stets absolut in unserem Sinne votiert, sondern daß sie schon durch ihren Vorsitzenden sehr stark dafür Sorge trägt, daß diese Koalition nicht gefährdet wird.
Aber auf Grund der Notwendigkeit und auf Grund der Verantwortung der von Ihnen Vertretenen konnten Sie nicht anders als in herber Kritik das zeigen, was Sie mit diesem Gesetz und insbesondere mit Art. 2 fertigbringen: nämlich ausgesprochenen Murks.
Die Fraktionen der SPD und FDP haben alle Änderungsanträge in zweiter Lesung zurückgezogen; das sind die Umdrucke 218, 219, 220, 221 und 223.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Sprechern der
CDU/CSU-Fraktion ist hier heute vieles gesagt worden, aber wir haben verstanden, was sie damit sagen wollten: Sie wollen dieses Gesetz nicht, und deswegen haben sie alle möglichen Vorwände gebracht, um seine Verabschiedung heute zu verhindern.
Wir wollen dieses Gesetz und darum werden wir heute über dieses Gesetz abstimmen.
Keine Zwischenfrage! Herr Kollege Orgaß hat es hier für notwendig erachtet, Minister Lauritzen anzugreifen. Wenn es in diesem Ressort einen unfähigen Minister gab, dann war das Herr Minister Lücke, dem die Mieter es zu verdanken haben, daß wir heute ein solches Gesetz beraten müssen und daß der Mieterschutz aufgehoben wurde.
Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mit etwas Ruhe den Verhandlungen folgten, wir würden dann rascher zu Ende kommen. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lenz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte nur mit einem Satz eine Richtigstellung an dem vornehmen, was der Kollege Schmidt hier soeben gesagt hat. Wir haben nicht alle Möglichkeiten genutzt, Herr Kollege Schmidt, um die Beratung dieses Gesetzes zu verhindern. Wir hatten im Rechtsausschuß die Möglichkeit, Fristeinrede zu erheben. Wir haben davon keinen Gebrauch gemacht.
Das Wort hat der Abgeordnete Geisenhofer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem die Fraktionen der SPD und der FDP den Umdruck 223 zurückgezogen haben, muß ich bezüglich der Zweckentfremdung von Wohnraum ein ganz ernstes Wort sagen. Ich spreche in wenigen Minuten den CDU/ CSU-Gesetzentwurf Drucksache VI /13 an, weil das Problem sehr, sehr ernst ist. Die CDU/CSU hat bereits am 23. Oktober 1969, also zu Beginn der neuen Legislaturperiode, diesen Antrag eingebracht. Wir bedauern zutiefst, daß zwei Jahre ins Land gezogen und dieser Gesetzentwurf immer noch nicht verabschiedet worden ist.
Wegen Fehlens gesetzlicher Maßnahmen werden in München, Hamburg usw. skandalöse Vorgänge bei der Umwandlung von Althäusern in Gastarbeiterschlafstellen und Massenquartiere ausgelöst. Diesem brennenden unter der Bevölkerung viel Ärgernis erregenden Problem hat die Bundes-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7793
Geisenhoferregierung leider viel zu wenig Beachtung und Bedeutung beigemessen. Wie lau und gleichgültig man diese Materie behandelt hat, zeigt sich darin, daß, nachdem Herr Dr. Riedl und ich im Oktober 1969 bei Ihnen, Herr Wohnungsbauminister Lauritzen, gewesen sind, Ihnen das vorgetragen haben und die Erregung der Münchner Bevölkerung mitgeteilt haben, trotzdem seither nichts, aber auch gar nichts geschehen ist.Darüber hinaus haben wir im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen, aber auch hier in der Fragestunde des Deutschen Bundestages immer wieder dieses Problem angesprochen. Geschehen ist nichts. In zunehmendem Maße werden in den Großstädten, z. B. in Hamburg und München, Altbauwohnungen in Gastarbeiterschlafstellen und Massenquartiere umgewandelt. Aus Hamburg kommt eine Meldung, daß sogar Bordelle eingerichtet werden. Es ist eine Tragik, daß alteingesessene Mieter hinausgekündigt und Gastarbeiter finanziell mißbraucht werden.
Meine Damen und Herren, ich darf doch um Aufmerksamkeit für den Redner bitten.
Vier Gastarbeiter in einem 20 qm großen Raum bei einem Mietpreis von 100 bis 150 DM pro Schlafstelle sind keine Seltenheit. Die Mieter der betroffenen Wohngegenden und ganzer Straßenzüge in München sind in Aufregung begriffen, weil die Mieter Angst haben, es könnte auch ihnen so ergehen.
Lassen Sie mich abschließend mit dem letzten Satz folgendes sagen. Es ist ein Skandal und nicht demokratisch, weder sozial noch christlich, wenn Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben werden, weil Massenquartiere, Behörden, Banken und Geschäftshäuser mehr Geld einbringen als Familienwohnungen. Sie können versichert sein, daß wir alles tun werden, damit daß unser Gesetzentwurf VI/ 13 weiterbehandelt wird. Wir werden alles tun, um diese skandalösen Vorgänge in den Griff zubekommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Böhme.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schmidt, wir kennen uns ja schon einige Zeit, und ich bin auch manchmal über Ihr Fachwissen und Ihr Sachwissen erstaunt gewesen. Ich möchte aber sagen, daß das, was Sie hier soeben getan haben, eigentlich — zumindest in der Couleur — zu dem Ehrenkodex eines Staatsanwalts nicht gehört.
Das möchte ich Ihnen hier ausdrücklich sagen. Ich möchte hier jetzt nicht im einzelnen Herrn Lücke rehabilitieren; das hat er gar nicht nötig. Die Zahlen der während seiner Amtszeit gebauten Wohnungen sprechen so sehr für ihn, wie die Zahlen der in
der Amtszeit von Herrn Lauritzen gebauten Wohnungen gegen diesen sprechen.
Meine Damen und Herren, wird zu Art. 2 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zu dem Antrag Umdruck 215. Ich frage die Antragsteller, ob ich über die elf Punkte gemeinsam abstimmen lassen kann.
— Ich lasse also über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 215 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenstimmen. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu Art. 2 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit angenommen.
Ich komme nunmehr zu Art. 2 a und dem Antrag auf Umdruck 213 *). — Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Henke hat für die Koalitionsfraktionen hier erklärt, daß sie alle Änderungsanträge rundweg ablehnen werden, ohne näher zu untersuchen, welche Begründung für diese Anträge eigentlich gegeben wird. Wenn Sie in diese Erklärung Art. 2 a, der ausschließlich Bestimmungen über das nur noch in Berlin geltende Mieterschutzgesetz enthält, einbezogen hätten, dürfte ich mir eigentlich die Begründung der CDU/CSU für den Änderungsantrag ersparen. Das würde uns Zeit sparen. Ich nehme aber an, dieser Antrag war nicht mit gemeint. Ich darf also den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 213 wie folgt begründen.§ 28 a des Mieterschutzgesetzes ist seinerzeit eingefügt worden, um die Modernisierung der Altbauwohnungen auch gegen den Willen der Mieter zu ermöglichen. Die Praxis der Berliner Gerichte hat jedoch gezeigt, daß die geltenden Vorschriften für eine durchgreifende und erfolgreiche Modernisierung der Altbauwohnungen nicht ausreichen. Es wird von den Gerichten immer auf die Frage der Zumutbarkeit abgestellt, wie das ja in § 28 a vorgesehen ist, ohne daß gesagt ist, was zumutbar ist. Wenn z. B. in einem Hause mit 30 Wohnungen neuzeitliche sanitäre Anlagen, Innentoiletten und Bäder geschaffen werden sollen oder eine Umstellung der Heizung von Ofenheizung auf Zentralheizung durchgeführt werden soll, so genügt es unter Umständen, daß ein einziger Mieter Widerstand leistet, um die Maßnahmen zu verhindern, weil eine wirtschaftliche Modernisierung wegen der Versorgungsleitungen und der Abwasserleitungen nur dann durchführbar ist, wenn sie in allen Wohnungen vorgenommen werden kann. Deshalb ist es*) Siehe Anlage 10
Metadaten/Kopzeile:
7794 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Müller
erforderlich, in § 28 a Abs. i festzulegen, welche Maßnahmen für den Mieter als zumutbar anzusehen sind. Nichts anderes enthält dieser § 28 a Abs. 1.§ 28 a Abs. 2 des Mieterschutzgesetzes bedarf aber ebenfalls einer Änderung. Nach der jetzt geltenden Fassung darf das Mieteinigungsamt, wenn es dem Antrag des Vermieters auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen stattgibt, als Mieterhöhung höchstens einen Betrag für die Kosten und Aufwendungen zugrunde legen, der dem Dreifachen der jährlichen Grundmiete — nun hören Sie gut zu! nach § i Abs. 2 und 3 des Zweiten Bundesmietengesetzes, d. h. der Grundmiete vom 1. Juli und 1. August 1960, entspricht. Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist längst überholt. Im übrigen sind, wenn so verfahren wird, diejenigen, die Widerstand leisten, schließlich doch besser als diejenigen, die gern bereit sind, den Maßnahmen für eine Modernisierung der Wohnung nachzugeben.Deshalb bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel. — Also, meine Damen und Herren, jetzt ist zum zehntenmal ein falscher Name eingestellt worden. Ich lasse mich hier doch nicht zum Narren halten! Ich stelle den Apparat aus!
Ich finde es ausgesprochen unkollegial, nicht nur gegenüber dem Präsidium, sondern auch gegenüber dem betroffenen Kollegen, wenn man für ihn eine Wortmeldung anzeigt, ohne daß er etwas davon weiß.
Wird zu Art. 2 a und dem Antrag Umdruck 213 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 213 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Sitzungsvorstand ist sich nicht einig. Ich lasse auszählen. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Berliner Abgeordneten in diesem Fall nicht stimmberechtigt sind.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 213 bekannt. Mit Ja haben 187 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein 231, enthalten hat sich niemand. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über Art. 2 a in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe den Art. 2 b mit dem Antrag Umdruck 214 *) auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU CDU auf Um*) Siehe Anlage 11
druck 214. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über Art. 2 b in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen.
Ich komme nunmehr zu den Art. 2 c und 3. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Artikeln zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zum Art. 4 und dem Antrag Umdruck 217**). Wird das Wort hierzu gewünscht? — Zur Begründung der Abgeordnete Erhard .
— Meine Damen und Herren, ein Abgeordneter hat das Recht, seinen Antrag zu begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehrheiten, die sich vorher festlegen oder Angst vor einer Änderung irgendwelcher Dinge haben, schrecken mich nicht, und ich hoffe, es wird viele Abgeordnete geben, die gleichermaßen denken. Es kommt darauf an, daß wir uns hier wenigstens noch sagen, was wir vielleicht für richtig halten.
Das Ordnungswidrigkeitengesetz ist nach Art. 4 für Wirtschaftsstraftaten anwendbar. Die Änderungen zur Bekämpfung des Mietwuchers und auch die sonstigen Änderungen finden sachlich auch meine und unsere Zustimmung. Ich bin sicher, es würde keine Fristeinrede erhoben, wenn hier eine Änderung wie vorgeschlagen, praktiziert würde; denn ich schlage nur vor, die seitherige langjährig eingefahrene Verwaltungspraxis beizubehalten, weiter gar nichts. Taten, die nichts mit dem Wohnrecht und mit dem Mietwucher, sondern mit den wucherischen Bestimmungen zu tun haben, die nicht nach dem Strafgesetzbuch, sondern nach dem Wirtschaftsstrafgesetzbuch strafbar sind, sollen weiterhin strafbar bleiben, aber sollen als Ordnungswidrigkeiten mit höherer Geldbuße belegt werden. Die Fragen, die hier anstehen und im Einzelfall zu prüfen sind, sind Dinge, die lediglich eine Landesregierung oder eine Landesbehörde beurteilen kann, nämlich die Landesstellen, die im Bereich des sogenannten Kartellrechts wirksam sind. Sie sollen auch künftig die zuständigen Stellen bleiben. Nichts anderes, als den bestehenden Gesetzeszustand beizubehalten, bezweckt der Antrag. Ich bitte, ihn anzunehmen.
Wird des weiteren das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse über den Änderungsantrag der Abgeordneten Erhard und Dichgans auf Umdruck 217 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.**) Siehe Anlage 12
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7795
Vizepräsident Dr. JaegerIch lasse über Art. 4 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Mit der gleichen Mehrheit angenommen.Ich komme zu Art. 5. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Art. 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. —Ich bitte um die Gegenprobe. Mit Mehrheit angenommen.Ich komme zu Art. 6 und Umdruck 224 *). Ich erteile zur Begründung des Änderungsantrags dem Abgeordneten Vogel das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! § 3 des Art. 6 regelt die Frage der Koppelung von Grundstückskaufverträgen mit Ingenieur- und Architektenverträgen und sieht ein Koppelungsverbot vor, soweit es um die Verpflichtung eines Grundstückserwerbers geht, die Leistung eines bestimmten Ingenieurs oder Architekten in Anspruch zu nehmen. Der Änderungsantrag, der Ihnen vorliegt, nimmt eine Anregung aus dem Bundesrat auf, und zwar eine Anregung, die erkennt, daß das, was im vorliegenden § 3 geregelt werden soll, auf dem halben Wege stehenbleibt, und weil er erkennt, daß das eine Regelung ist, die eine Diskriminierung der freiberuflich tätigen Ingenieure und Architekten herbeiführt.
Die Gefahren, die in solchen Koppelungsverträgen gesehen werden, bestehen auch bei anderen Leistungen als den Ingenieur- und Architektenleistungen, z. B. bei Bauleistungen. Die Möglichkeit der Umgehung, die ebenso wie bei Wohnungsbaugesellschaften auch bei solchen Gesellschaften besteht, zu denen sich etwa Architekten, Makler und Bauunternehmer zusammenschließen, macht es erforderlich, über die Fassung der Koalition hinausgehend ein Koppelungsverbot auch für Unternehmen vorzusehen, ganz gleich, in welcher Art und mit welcher Form des Zusammenschlusses diese Unternehmen im Bereich des Wohnungsbaus tätig werden.
Was uns mit Art. 6 vorgelegt worden ist, besonders mit dem § 3 des Art. 6, ist genauso unausgegoren wie fast alles in diesem Gesetz. Hier ist heute wiederholt die Rede davon gewesen, daß die Opposition auf der einen Seite eine schnelle und zügige Beratung dieses Gesetzes verlange, auf der anderen Seite aber nicht bereit sei, das, was hier vorgelegt worden ist, nunmehr auch zügig zu verabschieden. Wenn es uns darum gegangen ist, eine schnelle und zügige Beratung dieses Gesetzes zu erreichen, dann selbstverständlich auf einer vernünftigen Basis, dann selbstverständlich eine Beratung, die das, was in diesem Gesetz in den verschiedensten Bereichen des Rechts angesprochen worden ist, was für Mieter wie für Vermieter von Bedeutung ist, sorgfältig behandelt und nicht in der
') Siehe Anlage 13 Art und Weise, wie es hier geschehen ist. Zu den Korrekturen, die mir erforderlich erscheinen, gehört auch die Hereinnahme - wir haben das bereits im Ausschuß erörtert — von Unternehmen, damit wir nicht auf halbem Wege stehenbleiben.
Nun kommt ein Punkt, meine Damen und Herren, dem Sie ganz einfach zustimmen müssen, wenn Sie dieses Gesetz nicht zu einer halben Sache machen wollen. Wenn Sie ein Kopplungsverbot für Grundstückskaufverträge vorsehen wollen, müssen Sie selbstverständlich, weil das einen großen Teil des Wohnungsbaus betrifft, ein solches Kopplungsverbot auch für Erwerbsgeschäfte einführen, die Erbbaurechte betreffen. Das ist in der Eile der Beratungen im Rechtsausschuß ganz einfach vergessen worden. Das bedeutet, meine Damen und Herren, daß Sie zumindest der Ziffer 2 meines Antrags zustimmen müßten, wenn Sie in der Lage wären, heute überhaupt noch eine sachliche Beratung durchzuführen, weil Sie sonst einen großen Teil derer, die getroffen werden sollen, für die eine Regelung geschaffen werden soll, herauslassen würden. Herr Kollege Gnädinger, überlegen Sie einmal sehr sorgfältig mit Ihren Kollegen, ob es nicht notwendig ist, § 3 auch für solche Gesetze anwendbar zu machen, die Erbbaurechte betreffen, d. h. der Ziffer 2 zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich bedauere außerordentlich, daß es nicht möglich ist, heute abend in dieser Atmosphäre eine sachliche Beratung durchzuführen. Wir hören ständig von Ihnen die Platte, daß die Opposition ihre Alternativen auf den Tisch legen solle. Wenn die Opposition Alternativen auf den Tisch legt, sind Sie nicht einmal bereit zuzuhören, meine Damen und Herren.
Wenn die Opposition Alternativen vorlegt, erklären Sie im vorhinein, daß Sie gar nicht bereit sind zuzuhören, erklären Sie in vorhinein, daß sie sämtliche Anträge unbesehen ablehnen werden. Das ist eine Methode, meine Damen und Herren, die die Atmosphäre hier im Deutschen Bundestag vergiften muß.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus zwei Gründen möchte ich noch einmal kurz das Wort nehmen, erstens um Herrn Vogel ganz ausdrücklich zu bestätigen, daß er in der Sache mit seinem Antrag recht hat, und zweitens um das richtigzustellen, was, sowohl in den Ausführungen des von mir hochgeschätzten Ausschußvorsitzenden, Herrn Lenz, vorhin wie auch jetzt bei Herrn Vogel noch einmal anklingend, gesagt worden ist und was einfach von der Basis her nicht richtig ist. Ihre Herren Vertreter in den zuständigen Gremien hatten den Vertretern der Koalitionsfraktionen zugesagt, auf Fristeinreden bei der Debatte dieses Gesetzentwurfs zu verzichten, Es ist heute von Ihrer Seite ausdrücklich erklärt worden, daß Sie sich daran nicht mehr gebunden halten könnten. Wieweit das bei Ihnen auf Ge-
Metadaten/Kopzeile:
7796 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Kleinertsamtbeschlüssen beruht oder nur von einzelnen vorgetragen ist, wissen wir nicht. Wenn letzteres der Fall sein sollte, wächst für uns um so mehr die Gefahr, daß hier an irgendeiner Stelle überraschend, bloß weil wir aus sachlichen Gründen, die ich z. B. bei Ihrem Antrag, Herr Vogel, gerne hervorgehoben habe — ich unterstreiche alles, was Sie gesagt haben —, die Gefahr laufen, daß zehn Herren aus dem Hintergrund, wo auch immer die geistreichen Zwischenrufe herkommen, auf einmal ihr Gewissen entdecken und sagen: So, jetzt brauchen wir aber eine Fristeinrede, und im übrigen brauchen wir zumindest nach § 88 der Geschäftsordnung erst einmal die neue Drucksache, und dann werden wir morgen weiter sehen. Weil wir das nach den Erklärungen, die Sie abgegeben haben — im Gegensatz zu früherem Verhalten — beim besten Willen nicht verantworten können, und zwar bei der ganzen Entstehungsgeschichte dieses Vorgangs, darum und ausschließlich darum sind wir leider zu unserem großen Bedauern gezwungen, auf einen solchen Antrag wie den, den Sie eben gestellt haben, nicht einzugehen. Zu unserem Bedauern!
Meine Damen und Herren, da Kollege Jaeger die Anlage für die Wortmeldungen ausgeschaltet hatte, frage ich noch einmal ausdrücklich, ob noch eine Wortmeldung aus dem Hause vorliegt. — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Vogel.
— Sie bitten um getrennte Abstimmung. Wer der Ziffer 1 des Änderungsantrages des Kollegen Vogel Umdruck 224 zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei einer Stimmenthaltung ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ziffer 2. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei einer Stimmenthaltung ist auch dieser Antrag abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Art. 6 in der Ausschußfassung. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltung? — Bei zwei Stimmenthaltungen ist Art. 6 in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe Art. 7, Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei einer Stimmenthaltung sind Art. 7, Einleitung und Überschrift angenommen.
Meine Damen und Herren, wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da heute das Parlament zur Stempelmaschine der Koalition degradiert worden ist
und damit ein schlechtes Gesetz in einer unwürdigen Verfahrensweise verabschiedet wurde, ist ein Weg eingeschlagen, der alles andere als ein guter Weg in die Zukunft ist.
Die CDU hat, glaube ich, deutlich gemacht, daß sie bereit ist, in jeder Art und Weise zu einer sinnvollen und guten Besserung der Verhältnisse bei Mietern wie Vermietern mitzuwirken.
Diese Bereitschaft ist zurückgewiesen worden. Das neue Gesetz wird weder dem Mieter noch dem Wohnungsbau helfen. Wohnungsbau zu stabilen Preisen bleibt aber immer noch der beste Mieterschutz. Dieses Ziel wird mit dem zu verabschiedenden Gesetz leider nicht erreicht. Aus diesem Grunde sieht sich meine Fraktion außerstande, dem Gesetz ihre Zustimmung zu geben.
Wir beantragen namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, einen Augenblick! Wir sind noch nicht in der Abstimmung. Das Wort hat zunächst noch der Herr Bundesminister der Justiz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es, daß der Entwurf —
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen, damit der Redner ungestört seine Ausführungen machen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich begrüße es, daß der Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs noch vor der Sommerpause beraten werden konnte.
Es ist eine Lösung gefunden worden, die beiden Parteien des Mietverhältnisses gerecht wird, die ärgsten Mißstände auf dem Gebiet des Wohnungswesens beseitigt und den damit verbundenen sozialen Gefahren entgegenwirkt.Bei der derzeitigen Marktlage muß der Marktmechanismus versagen. Der Vermieter hat jederzeit die sichere Chance der Neuvermietung.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7797
Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Klepsch, ich bitte Sie herzlich, Platz zu nehmen. Es ist unmöglich, wenn alle herumstehen und sich unterhalten.
Herr Bundesminister, fahren Sie in Ihren Ausführungen fort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Vermieter geht mit der Kündigung oder Abweisung eines Mietinteressenten kein Risiko mehr ein. Dagegen ist der Mieter in der Wahrnehmung seiner Mieterrechte, insbesondere in der Abwehr ungerechtfertigter überhöhter finanzieller Forderungen, behindert. Er muß um den Bestand eines existentiellen Bereiches, seiner Wohnung nämlich, besorgt sein.
Es war deshalb notwendig, die Stellung des Mieters durch besondere gesetzliche Schutzmaßnahmen zu verstärken und ihm die ständige Sorge um den Verlust des lebenswichtigen Gutes „Wohnung" abzunehmen.
Eine Verbesserung der Sozialklausel erkennt das Fehlen von Ersatzwohnraum ausdrücklich als soziale Härte an. Durch die Begründungspflicht für die Kündigung des Vermieters soll der Mieter zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition erhalten, damit er rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen veranlassen kann.
Zu Art. 2, meine Damen und Herren, muß ich dem Versuch einer Legendenbildung in aller Entschiedenheit widersprechen. Es gab niemals in irgendeinem der beteiligten Ausschüsse irgendeine Erklärung der Bundesregierung, daß dieser Artikel zurückgezogen werde. Die Bundesregierung hatte ihre Vorschläge vorgelegt; sie hatte sich lediglich damit einverstanden erklärt, daß die später vorgelegten neuen Fassungen zum Gegenstand der Beratungen gemacht wurden. Entgegen den Behauptungen in der heutigen Debatte gibt es kein Protokoll, das Ihre gegenteiligen Behauptungen unterstützt.
Art. 2 des Entwurfes sieht in der nunmehr beschlossenen Fassung einen besonderen Kündigungsschutz für den Mieter vor. Mietverhältnisse über Wohnraum sollen seitens des Vermieters nur kündbar sein, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Gründe, die zu einer Kündigung berechtigen, sind im Gesetz beispielhaft aufgezählt. Damit ist der Mieter im ganzen Bundesgebiet vor willkürlichen und grundlosen Kündigungen geschützt.
Eine wesentliche Verbesserung gegenüber der Regierungsvorlage ist die Regelung, die eine Kündigung zum Zweck der Mieterhöhung künftig ausschließen wird. Durch die an Stelle eines Kündigungsrechts dem Vermieter eingeräumte Möglichkeit, vom Mieter unter den näher bestimmten Voraussetzungen eine angemessene Mieterhöhung zu verlangen, wird einerseits dem Interesse des Vermieters an einem angemessenen Ertrag der Vermietung voll Rechnung getragen, zum anderen erhält damit der Mieter endlich auch die Möglichkeit, die Berechtigung des Erhöhensverlangens notfalls gerichtlich nachprüfen zu lassen, ohne dabei Gefahr zu laufen, die Wohnung zu verlieren.
Eine Verbesserung ist weiter der besondere Kündigungsschutz für die Fälle, in denen Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Diese Regelung wird nicht nur dem einzelnen Mieter, der von einer solchen Umwandlung betroffen ist, zugute kommen, sondern wird auch, wie zu hoffen ist, der in zunehmendem Maße feststellbaren spekulativen und damit mißbräuchlichen Umwandlung selbst Schranken setzen.
Durch die in Art. 3 und 4 des Entwurfs enthaltenen Änderungen des Strafgesetzbuchs wird die Möglichkeit eröffnet, gegen Wucher und Preisüberhöhung auf dem Gebiet der Wohnraummiete wirkungsvoller als bisher einzuschreiten. Damit wird zugleich wucherischen Auswüchsen auf dem Wohnungsmarkt begegnet.
Das Gesetz hat nunmehr eine Form gefunden, die in abgewogener Weise den berechtigten Interessen der Beteiligten entspricht und den Bedürfnissen eines angemessenen sozialen Schutzes im Mietrecht Rechnung trägt. Dafür danke ich im Namen der Bundesregierung den beteiligten Ausschüssen, insbesondere den Herren Berichterstattern, Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, dem Gesetz in der nunmehr vorliegenden Fassung Ihre Zustimmung zu geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist entsprechend unterstützt.Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 226 Mitglieder des Hauses und 10 Berliner Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 189 und 6 Berliner Abgeordnete gestimmt. Insgesamt sind 415 Stimmen abgegeben worden, und 16 Berliner Kolleginnen und Kollegen haben sich an der Abstimmung beteiligt. Meine Damen und Herren, damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung angenommen.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 415 und 16 Berliner Abgeordnete. DavonJa: 225 und 10 Berliner AbgeordneteNein: 187 und 6 Berliner AbgeordneteUngültig: 3 AbgeordneteDr. Arnold Dr. ArtzingerBaierBalkenhol Dr. Barzel Dr. Becher
Dr. Becker
Nein CDU/CSUDr. AbeleinAlberDr. Althammer
Metadaten/Kopzeile:
7798 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971
Becker BerberichBerding BewerungeBiechele BiehleDr. BirrenbachDr. von Bismarck BittelmannBlankBlumenfeldvon BockelbergDr. BöhmeBreidbach Bremer BurgerDr. Czaja Dammvan DeldenDichgans Draeger von EckardtEngelsbergerErhard ErnestiErpenbeckvon FircksFranke
Dr. Franz Dr. FreiwaldDr. FrerichsDr. Früh Dr. Fuchs Dr. Furler Dr. GatzenFrau Geisendörfer GeisenhoferGerlach GierensteinDr. GleissnerGlüsing
Dr. Gölter Dr. Götz GotteslebenFrau GriesingerDr. Gruhl Haase
HärzschelDr. Hammansvon HasselHauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. Heck Dr. HelligeFrau Dr. HenzeDr. Hermesdorf HöcherlHorstmeierHortenDr. HubrigDr. Huys Dr. JaegerDr. JenningerDr. Jobst JostenFrau KalinkeKatzerKiechleFrau Klee Dr. KlepschDr. KleyDr. Kliesing KlinkerKösterKrampeDr. KraskeFrau Dr. Kuchtner LampersbachLemmrich LensingDr. Lenz LenzerLinkDr. LudaLücke
MajonicaMaucherMeister MemmelDr. MendeMickMüller
Dr. Müller-Hermann MurschNiegelDr. von Nordenskjöld OrgaßOttPetersenPfeifer Picard Dr. PingerDr. PohlePohlmannDr. PreißDr. ProbstRainer Rasner RaweReddemannDr. ReinhardRiedel
Dr. Riedl
Dr. RinscheDr. RitgenDr. Ritz RockRöhner Rösing RollmannRommerskirchenRoserRufRussePrinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchlee SchedlDr. h. c. Schmücker Schneider Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. SchoberFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) SchulhoffSchulte Dr. Schulze-VorbergSeitersDr. SiemerSolkeSpilkerDr. SprungStahlbergDr. Stark SteinerFrau StommelStormStruve Stücklen Susset von ThaddenTobaben Frau TüblerDr. UnlandVarelmannVeharVogelVogtVolmerWagner
Dr. Wagner
Dr. WarnkeWawrzikWeber WendelbornWinkelheideWissebach Dr. Wörner Frau Dr. WolfBaron von WrangelDr. Wulff ZieglerDr. ZimmermannZinkZoglmannBerliner AbgeordneteBendaDr. GradlDr. KotowskiMüller
Frau Pieser WohlrabeJa SPDAdamsDr. Ahrens AnbuhlDr. ApelArendt
Dr. Arndt
BaackBaeuchle BäuerleBalsBarcheDr. Bardens BatzBauerBayDr. BayerlDr. Bechert Becker (Nienberge) BergmannBerkhanBerlinBiermann BöhmBörnerFrau von BothmerBrandtBredlBrück BrünenBuchstallerDr. von BülowBuschfortDr. BußmannCorterier CramerDr. von DohnanyiDürrEckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm Dr. Eppler EstersDr. FarthmannFellermaier FiebigDr. Fischer Frau Dr. FockeFolgerFrehseeFrau Freyh FritschGeigerGertzenDr. GeßnerGlombig Gnädinger Grobeker Dr. Haack Haar
Haase HaehserHalfmeier HansenHansing HauckDr. Hauff HenkeHermsdorf HeroldHirschHöhmann
Hörmann HofmannHornFrau Huber Jahn
JaschkeJunghans JunkerKaffkaKahn-AckermannKaterKernKillat-von CorethDr. Koch KoenigKohlbergerDr. KreutzmannKrockert Kulawig LangeLangebeck Dr. LauritzenLautenschlagerFrau LauterbachLeberLempLemperLiedtkeLöbbertDr. Lohmar LotzeMaibaum Marquardt Marx
Matthes MatthöferDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MichelsMöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Dr. Müller
Müller
Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingNeemann Neumann Dr. Nölling Offergeld Frau Dr. OrthFrhr. Ostman von der Leye PawelczykPeiterPenskyPeters
PöhlerPorznerRaffertRavensDr. Reischl
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Montag, den 19. Juli 1971 7799
Frau RengerRichterDr. RinderspacherRohdeRosenthalRoßSäcklSaxowskiDr. SchachtschabelDr. Schäfer Frau Schanzenbach ScheuDr. SchillerSchiller
Frau SchimschokSchirmerSchlagaDr. Schmid Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)Dr. Schmidt Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeSchonhofenSchulte
SchwabeSeefeldSeibertSeidelFrau SeppiSimonDr. SlottaDr. SperlingStaak
Frau StrobelStrohmayrSuckTallertDr. TambléFrau Dr. TimmTönjes UrbaniakVitWalkhoffDr. Weber WehnerWelslau Wende Wendt WestphalDr. WichertWiefel WienandWilhelmDr. de WithWittmannWolfWolframWrede Würtz Wuttke Wuwer Zander ZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt
Bartsch Bühling Dr. DübberHeyen Löffler Mattick Dr. SchellenbergFrau SchleiFDPDr. AchenbachFrau Dr. Diemer-Nicolaus Frau FunckeGeldnerGenscherGrünerHelmsJungKienbaum KirstKleinertKrallFrhr. von Kühlmann-Stumm LogemannMertesMischnick MoerschOlleschPeters
ScheelSchmidt SpitzmüllerWurbsBerliner Abgeordnete BormNeinFDPGallusWir kommen nun noch zu dem Antrag des Ausschusses in den Ziffern 2 und 3. Ich glaube, wir können über die Ziffern 2 und 3 des Ausschußantrages gemeinsam abstimmen. Wer den Ziffern 2 und 3 des Antrags des Ausschusses, den Gesetzentwurf — Drucksache VI /15 und die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Pititionen für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Die Anträge des Ausschusses unter Ziffer 2 und Ziffer 3 sind bei zahlreichen Gegenstimmen und einigen Stimmenthaltungen angenommen worden.Meine Damen und Herren, wir stehen damit am Ende der heutigen Plenarsitzung. Der Termin der ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause wird noch bekanntgegeben. Es ist voraussichtlich Mittwoch, der 22. September 1971, 9 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.