Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um dieErste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes über befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit— Drucksache VI/645 —Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; damit ist die Erweiterung der Tagesordnung beschlossen.Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 15. April 1970 mitgeteilt, daß das stellvertretende Mitglied des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt, Abgeordneter Müller , aus dem Kontrollausschuß ausscheidet. Dafür hat — im Einverständnis mit der Fraktion der CDU/CSU — die Fraktion der FDP Herrn Otto Arndt, Worms, benannt. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; damit ist Herr Otto Arndt, Worms, als stellvertretendes Mitglied des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt gewählt.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 17. April 1970 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Gesetz zu dem Vertrag vom 16. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Gabun über dieFörderung und den gegenseitigen Schutz von KapitalanlagenGesetz über die Zulassung von nach § 19 des Zahnheilkundegesetzes berechtigten Personen zur Behandlung der Versicherten in der gesetzlichen KrankenversicherungGesetz zur Sicherstellung der Grundrentenabfindung in derKriegsopferversorgung Rentenkapitalisierungsgesetz — KOV)Gesetz über Straffreiheit
Gesetz zu dem Vertrag vom 8. November 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indonesien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von KapitalanlagenGesetz zu dem Vertrag vom 18. März 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Kongo über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von KapitalanlagenGesetz zu der Langfristigen Vereinbarung vom 9. Februar 1962 über den internationalen Handel mit Baumwolltextilien im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens und des Protokolls vom 1. Mai 1967 zur Verlängerung der Vereinbarung über den internationalen Handel mit BaumwolltextilienGesetz über die am 14. Juli 1967 in Stockholm unterzeichneten Übereinkünfte auf dem Gebiet des geistigen EigentumsDer Bundesrat hat in der gleichen Sitzung beschlossen, hinsichtlich desDritten Gesetzes zur Reform des Strafrechtszu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/632 verteilt.Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 13. April 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Dr. Schmidt , Dr. Hammans und Genossen betr. Tierschutzgesetz — Drucksache VI/524 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/639 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat am 17. April 1970 die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Rechtsstellung der Parlamentarischen Staatssekretäre — Drucksache VI/571 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/642 verteilt.Die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1970 sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung dazu ist als zu Drucksache VI/300 verteilt.Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 20. April 1970 mitgeteilt, daß gegen dieVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1586/69 über konjunkturpolitische Maßnahmen auf dem Gebiet der Landwirtschaft infolge der Abwertung des französischen Frankenseitens des Ausschusses keine Bedenken erhoben worden sind.Der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat am 17. April 1970 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen den in seinem Bericht Drucksache VI/373 ausgeklammerten Verordnungsentwurf zur Änderung von Artikel 5 der Verordnung Nr. 1174/68 aus der Drucksache V/4554 keine Einwände erhoben hat, nachdem der Entwurf inzwischen vom Ministerrat verabschiedet worden ist.Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat am 15. April 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Blumenfeld, Rösing, Orgaß, Zink und der Fraktion der CDU/CSU betr. kostenlose Einrichtung von Fernsprechhaupt- bzw. Zweitanschlüssen im Rahmen der Altershilfe — Drucksache VI/473 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/646 verteilt.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Verordnung des Rates zur Verlängerung des Wirtschaftsjahres 1969/1970 für RindfleischVerordnung des Rates zur Verlängerung des Milchwirtschaftsjahres 1969/1970 — Drucksache VI/618 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Anwendung des Protokolls Nr. 2 zum Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Vereinigten Republik Tansania, .der Republik Uganda und der Republik Kenia— Drucksache VI/619 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Verordnung zur Aufhebung der Verordnung über die Beschränkung der Intervention auf in der Bundesrepublik Deutschland geerntetes Getreide vom 6. April 1970— Drucksache VI/624 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 3. Juni 1970.
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2298 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Präsident von HasselWir treten in die Tagesordnung ein. Zunächst rufe ich Punkt 1 auf:Fragestunde— Drucksache VI/635 —Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern rufe ich die Frage 17 des Abgeordneten Zebisch auf:Was hat die Bundesregierung bisher unternommen und vorbereitet, um die in der Regierungserklärung eingegangene Verpflichtung zu erfüllen, die Personalräte auch in solchen Fragen zu hören, die nach geltendem Recht noch nicht zu deren Zuständigkeitsbereich gehören?Zur Beantwortung Herr Bundesminister Genscher.
Herr Abgeordneter, die Regierungserklärung ist den zuständigen Stellen bekannt. Außerdem hat am 1. Dezember 1969 eine Staatssekretärsbesprechung stattgefunden. Das Ergebnis wurde den Ministerien mitgeteilt. In der Ergebnisniederschrift heißt es u. a.:
Der in § 55 Abs. 1 Personalvertretungsgesetz festgelegte allgemeine Grundsatz, daß Dienststelle und Personalrat vertrauensvoll zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben und zum Wohle der Bediensteten zusammenzuwirken haben, ermöglicht es — unabhängig von einer gesetzlichen Regelung jetzt schon —, mit dem Personalrat auch soziale, personelle und organisatorische Fragen zu erörtern, bei denen eine förmliche Beteiligung im Personalvertretungsgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist.
Ich hätte hier besser sagen müssen: noch nicht vorgesehen ist.
Die Bundesregierung hat darauf verzichtet, einheitliche Richtlinien mit einer kasuistischen Regelung für alle denkbaren Fälle aufzustellen, weil sie damit praktisch die Reform des Personalvertretungsrechts vorweggenommen hätte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Zebisch.
Herr Minister, teilen Sie die Meinung des Postverbandes, der anläßlich der Durchführung der erweiterten Mitbestimmung des Herrn Ministers Leber Bedenken angemeldet hat, weil das angeblich gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen würde?
Herr Kollege Leber hat diese Regelung nach gründlicher rechtlicher Prüfung getroffen. Die Bundesregierung will jetzt nicht noch einmal diese Erwägungen wiederholen, um nicht in das Ihnen bekannte schwebende Verfahren einzugreifen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen auf:
Ist die Bundesregierung zur Prüfung der Frage bereit, ob und inwieweit die im Bundesgrenzschutz und in der Bereitschaftspolizei dienenden Wehrpflichtigen die Möglichkeiten des Wehrbeauftragten in Anspruch nehmen können?
Diese Frage wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie .Wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Müller auf:
Welche Förderung erfahren Spitzensportler, die Bedienstete des Bundes sind, durch den Bund als Arbeitgeber im Hinblick auf Dienstbefreiung unter Fortzahlung für die Teilnahme an Lehrgängen und Wettkämpfen im nationalen und internationalen Bereich?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister.
Nach der Verordnung über Sonderurlaub für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst kann Urlaub unter Fortzahlung der Dienstbezüge gewährt werden für die aktive Teilnahme an den Olympischen Spielen und den dazugehörigen Vorbereitungskämpfen auf Bundesebene, sportlichen Welt- und Europameisterschaften sowie Europapokal-Wettbewerben, ferner an internationalen sportlichen Länderwettkämpfen und Endkämpfen um deutsche sportliche Meisterschaften, wenn der Beamte von einem dem Deutschen Sportbund angeschlossenen Verband oder Verein als Teilnehmer benannt worden ist, sowie für die aktive Teilnahme an den Wettkämpfen beim Deutschen Turnfest.
Der Urlaub darf bis zu 12 Werktage im Urlaubsjahr betragen. Für die aktive Teilnahme an den Olympischen Spielen und den dazugehörigen Vorbereitungskämpfen auf Bundesebene ist die Urlaubsdauer jedoch nicht beschränkt.
Diese Regelung gilt entsprechend für die Arbeitnehmer des Bundes.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Müller auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eine einheitliche Förderungsgrundlage für Spitzensportler und besonders talentierte Sportler im gesamten öffentlichen Dienst anzustreben?
Die Regelung des Urlaubs für Beamte gehört dem Beamtenrecht an und unterliegt, soweit es sich um Beamte der Länder handelt, der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Dem Bund steht insoweit nur eine Rahmenkompetenz zu. Eine Einzelfrage wie die Gewährung von Urlaub für sportliche Zwecke eignet sich nicht für eine rahmenrechtliche Regelung. Eine solche Regelung ist aber auch nicht notwendig, weil schon nach dem in den Ländern geltenden Recht — ebenso wie im Bundesdienst — Urlaub für diesen Zweck gewährt werden kann.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Müller.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, mir zuzustimmen, daß es dennoch sinvoll und wünschenswert erscheint, offenstehende Probleme in diesem Zusammenhang in der Deutschen Sportkonferenz zu klären und auch in empfehlender Form zusammenzufassen?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2299
Ich halte das für ein wichtiges Thema für die Deutsche Sportkonferenz, und ich will meine positive Einstellung zur Gewährung eines solchen Urlaubs auch in der Konferenz der Innenminister der Länder zum Ausdruck bringen.
Keine Zusatzfrage.
Ich mache darauf aufmerksam, daß die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Hussing beim Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung aufgerufen werden.
Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Wagner auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 24 der Abgeordneten Frau Dr. Wolf auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den schnellen erfolgreichen deutschen Hilfsmaßnahmen im Erdbebengebiet der Türkei eine Aufbauhilfe folgen zu lassen?
Zur Beantwortung, Herr Bundesminister.
Frau Kollegin, die Bundesregierung hat unmittelbar nach Bekanntwerden des Erdbebens im Gebiet von Gediz, Türkei, Hilfsmaßnahmen eingeleitet. Mein Haus hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister der Verteidigung dazu beigetragen, daß den zahlreichen Opfern der Katastrophe umgehend und wirksam geholfen werden konnte. Die deutsche Hilfe, an der auch die privaten Hilfsorganisationen großen Anteil hatten, hat in der Türkei hohe Anerkennung gefunden.
Den von mir ins Erdbebengebiet entsandten Leiter des Katastrophenstabes meines Hauses habe ich bei seiner Abreise zugleich beauftragt, mit der türkischen Regierung darüber zu sprechen, welche Möglichkeiten für eine Beteiligung der Bundesregierung an einer Wiederaufbauhilfe bestehen. Diese Gespräche haben ergeben, daß nach Ende der Bergungs- und Aufräumphase die Lösung des Obdachlosenproblems Priorität genießt. Die zuständigen türkischen Regierungsstellen haben hierzu im einzelnen erklärt, daß die Türkei den Wohnraumbedarf grundsätzlich im eigenen Lande decken will, daß sie aber für die Zulieferung von Bedachungs-
und Isoliermaterial, von Baustahl für Fundamente, eventuell auch von Material für die Elektroinstallation, von Kanalrohren und Rohrleitungen dankbar sei. Hier liege ein beträchtlicher Engpaß vor. Die türkische Regierung hat zugesagt, die pro Fertighaus erforderlichen Mengen zu errechnen und der Bundesregierung mitzuteilen.
Der türkische Botschafter in der Bundesrepublik hat außerdem anläßlich eines Besuches im Bundesministerium des Innern den Wunsch geäußert, daß die Bundesregierung die Einrichtung für ein in Gediz zu bauendes Hospital liefern möge.
Die Kosten dieser Hilfsmaßnahmen werden auf insgesamt 6 Millionen DM, davon zirka 1 Million DM für die Ausstattung des Krankenhauses, geschätzt. Auf Grund dieser Feststellungen habe ich das Bundeskabinett gebeten, mich zu ermächtigen, zur Milderung der Folgen der Erdbebenkatastrophe in der Türkei der türkischen Regierung eine Wiederaufbauhilfe durch Sachleistungen im Wert bis zu 6 Millionen DM zu gewähren. Diesem Antrag hat das Bundeskabinett am 16. April 1970 entsprochen. Nach Eingang der noch ausstehenden Unterlagen wird mein Haus unverzüglich die Materiallieferungen für das beschriebene Wiederaufbauprogramm, wozu die Vorbereitungen bereits im Gange sind, durchführen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Wolf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, da so viel über Koordinierungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Erdbeben gesprochen worden ist, würde ich gern wissen, ob an den von Ihnen geplanten Maßnahmen auch der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit beteiligt ist.
Diese Frage ist im Kabinett, da sie der Zustimmung aller Ressorts bedarf, erörtert worden. Die Durchführung dieser Hilfsmaßnahmen im einzelnen wird unter Beteiligung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit stattfinden.
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Wolf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich darüber hinaus fragen, wenn an ein Krankenhaus gedacht worden ist, ob der Gesundheitsminister beteiligt ist.
Frau Kollegin, alle zuständigen Ressorts werden beteiligt werden.
Ich rufe die Frage 25 der Abgeordneten Frau Dr. Wolf auf:
Hat die Bundesregierung die Möglichkeit, eine unsachgemäße Information des Fernsehens über das Erdbebengebiet in der Türkei, die kleine Fehler herausstellt, statt große Erfolge richtig darzustellen, zu verhindern oder zu korrigieren?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.
In den vergangenen Tagen hat es kritische Stimmen im Fernsehen und in der Presse über die Effizienz der deutschen Hilfe für die Opfer des Erdbebens in der Türkei gegeben. Das Echo aus der Türkei, Frau Kollegin, ist entgegengesetzt. Das gilt sowohl für die öffentliche Meinung in der Türkei als auch für die offiziellen Stellungnahmen der türkischen Regierung und des türkischen Botschafters hier. Erst gestern hat mir noch einmal der Oberbürgermeister von Istanbul seinen Dank für die Hilfsmaßnahmen der Bundesrepublik Deutschland, und zwar sowohl für die staatlichen als auch für die privaten, zum Ausdruck gebracht.Ich nehme Ihre Frage, Frau Kollegin, gern zum Anlaß, hier in besonderem Maße den freiwilligen Mitarbeitern unserer Hilfsorganisationen die Aner-
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2300 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Bundesminister Genscherkennung für die Bereitschaft zum Einsatz auszusprechen. Es war in den Ostertagen, wie ich finde, nicht nur eine gute organisatorische, sondern vor allen Dingen auch eine hervorragende menschliche Leistung, daß die Bergungstrupps in kürzester Frist in Marsch gesetzt werden konnten.Die Mitarbeiter meines Hauses sind bemüht, bei den in Frage kommenden Publikationsorganen Verständnis für die positive Seite des Einsatzes zu wecken. Im übrigen ist es nicht Sache der Bundesregierung, Einfluß auf die Berichterstattung zu nehmen.
Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Wolf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, da ich mich in der Türkei selbst von den großen Erfolgen überzeugt habe, würde ich gerne wissen, ob vielleicht daran gedacht ist, nach der Rückkehr der Helfer von Ihnen aus einmal anzuregen, daß diese selber über ihre Beteiligung interviewt werden, damit der hier entstandene Eindruck wirklich korrigiert wird.
Frau Kollegin, ich bin sehr gerne bereit, diese Anregung aufzunehmen, da es hier darum geht, die Mitarbeiter dieser Hilfsorganisationen nicht durch unberechtigte Kritik zu entmutigen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 26 und 27 des Abgeordneten Strauß sind zurückgezogen. Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Bundesminister. Ich danke Ihnen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zunächst die Frage 59 des Abgeordneten Dr. Jungmann:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf Grund des holländischen Gesetzes vom 1. August 1964 betreffend den Handel mit Antibiotika, Hormon-Präparaten, Thyreostatika und Chemotherapeutika illegale Arzneimitteleinfuhren in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgen, und welche Schritte beabsichtigt sie dagegen ggf. zu unternehmen?
Zur Beantwortung Frau Bundesminister Strobel.
Herr Kollege Jungmann, daß Arzneimittel unter Umgehung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften durch Versand aus den Niederlanden in der Bundesrepublik in den Verkehr gebracht werden sollen, wird immer wieder mitgeteilt. Abgesehen von einer entsprechenden Information der für die Durchführung der gesetzlichen Vorschriften und für die Überwachung zuständigen Landesbehörden bin ich über das Auswärtige Amt mehrmals an die niederländischen Behörden mit der Bitte um Abhilfe herangetreten. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes können jedoch auf Grund der niederländischen Rechtsvorschriften derartige
Ausfuhren aus den Niederlanden nicht unterbunden werden. Unabhängig hiervon hat auf meine Veranlassung der Bundesminister der Finanzen die Mitwirkung der Zollbehörden gegen die illegale Einfuhr von Antibiotika und Hormonen in die Wege geleitet. Weitere Maßnahmen sind erst nach der beabsichtigten Änderung der arzneimittelrechtlichen und lebensmittelrechtlichen Vorschriften möglich.
Die Arbeiten zur Vorbereitung der erforderlichen Gesetzesänderungen einschließlich der Durchführung hiermit im Zusammenhang stehender Forschungsaufträge sind im Gange.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jungmann.
Dr. Jungmann .: Frau Minister, darf ich fragen, wo die schon im Jahre 1967 angekündigte Rechtsverordnung gemäß § 34 a des Arzneimittelgesetzes bleibt, durch die festgelegt 'werden soll, welche Arzneimittel Mit Futtermitteln als Trägerstoffen abgegeben werden dürfen.
Herr Kollege Jungmann, im Zusammenhang mit den Maßnahmen und der Rechtangleichung in der EWG finden Verhandlungen statt, bei denen diese Bestimmungen möglichst von vornherein den Bestimmungen der EWG angeglichen werden sollen.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jungmann.
Frau Minister, teilen ,Sie die Meinung, die in letzter Zeit immer stärker, insbesondere von wissenschaftlichen Fachkreisen, 'geäußert worden ist, daß die Verwendung von Antibiotika bei der Tiermast generell verboten werden sollte?
Herr Kollege Jungmann, ich teile voll diese Meinung. Ich habe mich bei der damaligen Reform des Lebensmittelrechts als Abgeordnete in diesem Hause sehr dafür eingesetzt, aber im Bundestag dafür keine 'Mehrheit gefunden.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 60 des Abgeordneten Zebisch auf:
Welche Kosten zur Beseitigung akuter Zahnschäden müssen nach den Informationen der Bundesregierung jährlich in der Bundesrepublik Deutschland aufgewendet werden, und welcher Betrag wird für die Ursachenforschung des Zahnverfalls aufgewendet?
Zur Beantwortung Frau Minister !Strobel.
Herr Kollege Zebisch, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beantworte ich Ihre Frage wie folgt.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2301
Bundesminister Frau StrobelIm Jahre 1968 — ich nenne die letzten uns zur Verfügung stehenden Zahlen — sind zur Beseitigung von Zahnschäden folgende Aufwendungen erfolgt: von der gesetzlichen Krankenversicherung 2078,3 Millionen DM, von der privaten Krankenversicherung 108,9 Millionen DM, von der gesetzlichen Unfallversicherung 4,5 Millionen DM, von der Kriegsopferversorgung 25,5 Millionen DM, von der gesetzlichen Rentenversicherung 146,4 Millionen DM. Auch die Träger der Sozialhilfe haben Mittel für Zahnbehandlung und Zahnersatz aufgewendet, deren Höhe aber auch nicht bekannt ist, da die Mittel von einer Fülle von Leistungsträgern erbracht werden.Die Bundesregierung fördert — das ist der zweite Teil Ihrer Frage — beim Institut für Kariesforschung wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Kariesforschung. 1968 wurden dafür 30 000 DM und 1969 100 000 DM zur Verfügung gestellt. Für 1970 sind 70 000 DM beantragt. Darüber hinaus werden aber auch in den einzelnen Bundesländern Forschungsvorhaben für die Ursachenforschung des Zahnverfalls durchgeführt. Welche Themen dabei im einzelnen bearbeitet und welche Beträge aufgewendet werden, ist der Bundesregierung verständlicherweise nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Zebisch.
Frau Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß, wenn auf der einen Seite Milliardenbeträge ausgegeben und auf der anderen Seite für die Forschung nur einige hunderttausend DM zur Verfügung gestellt werden, hier kein Gleichgewicht besteht?
Herr Kollege Zebisch, ich bin voll Ihrer Meinung und bin auch der Auffassung, daß auf dem Gebiet der Vorsorge im Bereich der Zahnpflege sehr viel mehr getan werden sollte. Bekanntlich habe ich mich in der vorigen Legislaturperiode um eine Grundgesetzänderung bemüht, die dem Bund die Möglichkeit zur Verabschiedung eines eigenen Gesetzes gegeben hätte. Ich bin damit, wiederum wegen der Mehrheitsverhältnisse, aber auch wegen der ablehnenden Haltung der Länder, nicht durchgekommen.
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Zebisch.
Frau Minister, sehen Sie, vielleicht in Zusammenarbeit mit dem Minister für Arbeit und Sozialordnung, eine Möglichkeit, auch andere Versicherungsträger zur Forschung zu verpflichten?
Herr Kollege Zebisch, das ist bekanntlich -Aufgabe der Selbstverwaltung der Versicherungsträger. Der Arbeitsminister kann sie dazu nicht verpflichten. Ich kann Ihnen aber sagen, daß eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Bundesminister für Gesundheitswesen und den in den Ländern dafür zuständigen Ministern stattfindet und wir uns laufend darum bemühen, daß insbesondere auch in den Ländern für den Bereich der Zahnvorsorge das mögliche getan wird.
Ich bin aber gern bereit, den Herrn Arbeitsminister auf Ihren Vorschlag aufmerksam zu machen. Er kann ihn nur in Form einer Anregung weitergeben.
Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Eckerland auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es in der Bundesrepublik Deutschland zu wenig Fachabteilungen für Orthopädie an den Krankenhäusern gibt, die nach Größe und Ausstattung auch mittlere und große Operationen durchführen können, was dazu führt, daß an allen Kliniken mit derartigen Operationsmöglichkeiten bei erforderlichen Operationen von spastisch Gelähmten Wartezeiten von 2'/2 bis 3 Jahren als normal gelten, wobei es bei anderen Operationen in der Orthopädie ähnliche Wartezeiten gibt?
Zur Beantwortung, Frau Minister.
Herr Kollege Eckerland, durch eine strukturelle Fehlentwicklung in der Vergangenheit sind ohne Zweifel in bestimmten Bereichen der Krankenhausversorgung Engpässe aufgetreten, die u. a. auch zu besonders langen Wartezeiten zwischen Anmeldung zur Operation und Krankenhausaufnahme geführt haben. Inwieweit dies besonders für den Bereich mittlerer und größerer Operationen in der Orthopädie, und zwar an allen Kliniken mit derartigen Operationsmöglichkeiten insbesondere für spastisch Gelähmte, gilt, läßt sich vom Bund aus zur Zeit noch nicht übersehen. Wir haben darauf kaum Einfluß.
Die Bundesregierung hat jedoch in Zusammenarbeit mit den obersten Landesgesundheitsbehörden einen Fachausschuß für medizinische und Strukturfragen der Krankenhausversorgung mit dem Ziel gebildet, allgemeingültige Grundlagen einer bedarfsbezogenen Krankenhausplanung zu erarbeiten, und zwar auch im Zusammenhang damit, daß wir jetzt im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung die Möglichkeit zum Erlaß eines Krankenhausgesetzes haben.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Eckerland.
Frau Minister, werden Sie bei Ihren Überlegungen auch daran denken, daß bei der steigenden Lebenserwartung mit einer Zunahme altersbedingter Krankheiten gerechnet werden muß, die nur in Fachabteilungen für Orthopädie behandelt werden können?
Dieses tun wir, Herr Kollege Eckerland, aber der Bund konnte auf diesem Gebiet, insbesondere auch was die innere Organisation der Krankenhäuser anbelangt, nur im Wege der Förderung von Modellvorhaben tätig werden, vornehmlich auch durch Modellvorhaben im Bereiche der Geriatrie.
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2302 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 62 des Abgeordneten Eckerland auf:
Ist die Bundesregierung bereit, in Anlehnung an das schwedische System, wo es an allen Kreiskrankenhäusern Fachabteilungen für Orthopädie gibt, in allen Mittel- und Großstädten an den Krankenhäusern Fachabteilungen für Orthopädie mit etwa 60 bis 70 Betten zu fördern, damit schnellstens dieser Mißstand im Krankenhauswesen beseitigt wird?
Nachdem durch die Änderung des Grundgesetzes im Jahre 1969 der Bund die Befugnis erhalten hat, die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Krankenhauspflegesätze gesetzlich zu regeln, besteht nunmehr die Möglichkeit, Krankenhausinvestitionen mit Mitteln des Bundes zu fördern. Ein Krankenhausgesetz ist in Vorbereitung; 'in der mehrjährigen Finanzplanung ist die Mitfinanzierung des Bundes ab Mitte 1971 vorgesehen.
Von den Ergebnissen der Beratungen des eben genannten Fachausschusses für medizinische und Strukturfragen wird es abhängen, inwieweit Fachabteilungen für Orthopädie in Krankenhäusern bestimmter Größenordnung gefördert werden sollen. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, daß ein Strukturwandel in der bestehenden Krankenhausversorgung nur langfristig zu erreichen sein wird und daß einzelne Schwerpunkte der Förderung nur unter Berücksichtigung der Gesamtstruktur gebildet und die Prioritäten vor allen Dingen regional unterschiedlich gesetzt werden können.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zu den Fragen 63 und 64 des Abgeordneten Löffler:
Wie groß war in den Jahren 1968 und 1969 die Zahl der als Folge staatlicher Impfaktionen anerkannten Impfschäden, und in welchem Verhältnis steht sie zur Zahl derjenigen Fälle, wo die Anerkennung als Impfschaden beantragt, aber nicht genehmigt wurde?
Sieht die Bundesregierung eine objektive Begutachtung im Verfahren um die Anerkennung als Impfschaden gewährleistet, solange gutachtliche Stellungnahmen von staatlichen medizinischen Behörden vorgelegt werden, welche selbst die Impfaktionen durchgeführt haben?
Die Fragen werden ,auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 22. April 1970 lautet:
Für Anerkennung und Entschädigung von Impfschäden sind die Länder zuständig. Die Bundesregierung verfügt daher nicht über hinreichend vollständige Zahlen. Die Bundesländer sind bereits wegen der inhaltsgleichen Frage 3 der Kleinen Anfrage der SPD-und FDP-Fraktion um Hergabe der Zahlen gebeten worden. Diese liegen jedoch erst zum kleinen Teil vor.
Das Bundes-Seuchengesetz wird von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Sie regeln gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich auch selbst die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. Da bisher die Gesundheitsbehörden der Länder sowohl für die Impfaktionen als auch für die Anerkennung und Regulierung von Impfschäden zuständig sind, hat es möglicherweise in Einzelfällen zu Interessenkonflikten, — wie sie von Ihnen aufgezeigt werden, kommen können.
Solche Möglichkeiten einzuschränken ist u. a. das Ziel des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des BSeuchG, der z. Z. im BMJFG erarbeitet wird und noch vor der Sommerpause dem Parlament zugeleitet werden soll. Danach wird künftig bei Impfschäden durch entsprechende Anwendung des BVG — bundeseinheitlich — Versorgung gewährt. Zuständig für die Prüfung und Abwicklung der Impfschadensfälle sollen die Versorgungsbehörden sein, so daß Interessenkonflikte innerhalb der Gesundheitsbehörden künftig vermieden werden.
Die Fragen 65 und 66 des Abgeordneten Dr. Jenninger erscheinen zur Beantwortung im Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung.
Ich rufe die Frage 67 ides Abgeordneten Dr. Haack auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Kindesmißhandlungen im Elternhaus, die offensichtlich immer häufiger werden, vorzubeugen?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung, Frau Minister.
Herr Kollege Haack, in vielen Fällen beruhen Kindesmißhandlungen neben Gefühlsroheit, Haltlosigkeit und Herrschsucht auch auf sozialen Ursachen wie z. B. unzureichendem Wohnraum, Ehestörungen, mangelnder Erziehungskraft der Eltern und anderem mehr. Die Bemühungen der Bundesregierung sind daher auch auf die Behebung solcher Mißstände gerichtet. Den Erziehungsberatungsstellen fällt die wichtige Aufgabe zu, die Ursachen der Störung des Eltern-Kind-Verhältnisses aufzudecken und ,den Eltern bei der Meisterung der Erziehungsprobleme beizustehen. Außerdem kommt es entscheidend darauf an, ,ein stärkeres Engagement der Öffentlichkeit für den Schutz ,der Kinder wachzurufen. Die örtlichen Jugendämter und die freien Jugendschutzorganisationen — z. B. 'der Deutsche Kinderschutzbund mit seinen Landesverbänden und Ortsgruppen — bemühen sich ständig, den Gedanken der Verantwortung aller für das Schicksal wehrloser Kinder einer 'breiten 'Öffentlichkeit bewußt zu machen.
Im April 1968 hat das Deutsche Jugendinstitut in München eine vom Bundesministerium für Familie und Jugend geförderte Forschungsstudie veröffentlicht, die das Problem aus sozialpädagogischer und sozialtherapeutischer Sicht behandelt. Ich bin gern bereit, Ihnen diesen Bericht — er ist ziemlich umfangreich — zur Verfügung zu stellen.
Mit dem Problem der Kindesmißhandlungen hat sich auch die Beratende Versammlung des Europarats befaßt und dem Ministerrat Vorschläge zur Verbesserung der Aufklärung, Koordinierung der Aktionen der verschiedenen Sozialdienste, bessere Überwachung der Familien und zur Einführung einer regelmäßigen ärztlichen Untersuchung aller nicht schulpflichtigen Kinder unterbreitet. Über diese Vorschläge wird zur Zeit noch beraten. Da es mir dringend notwendig erscheint, alle Möglichkeiten zu benutzen, Kindesmißhandlungen wirksam zu begegnen, bin ich bemüht, diese Empfehlungen, an denen wir im Europarat mitarbeiten, auf nationaler Ebene zu verwirklichen.
Keine Zusatzfrage. — Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich darf Ihnen, Frau Minister, für die Beantwortung danken.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Da wir heute morgen sehr schnell vorankommen, habe ich ausrufen lassen, welche Geschäftsbereiche dran sind, damit sich die Kollegen darauf einrichten können.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2303
Präsident von HasselIch rufe die Frage 28 des Abgeordneten Höcherl auf. Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Wolfram auf:Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Rahmen der Neuordnung des Ruhrbergbaus und im Zusammenhang mit der Gründung der Ruhrkohle AG Bergbaustädten und -gemeinden Steuer-, insbesondere Gewerbesteuerausfälle, entstehen, und wie hoch sind diese in den wichtigsten Gemeinden?Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist anwesend.Zur Beantwortung der. Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Reischl.
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen im Zusammenhang behandeln zu dürfen, wenn der Herr Kollege einverstanden ist.
Keine Bedenken. Dann rufe ich auch noch die Frage 30 des Abgeordneten Wolfram auf:
Welche Lösung sieht die Bundesregierung, daß das Land Nordrhein-Westfalen und evtl. auch der Bund den betroffenen Städten und Gemeinden helfen kann, um den Steuerausfall zu ersetzen?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß als Folge des Strukturwandels in den Steinkohlebergbaugebieten bzw. der diesen Strukturwandel begünstigenden Errichtung der Ruhrkohle AG sowie der damit zusammenhängenden anderen Maßnahmen Gewerbesteuerausfälle entstehen. Zu der Höhe der Ausfälle insgesamt habe ich in der Fragestunde am 19. Februar 1970 auf die Frage des Herrn Abgeordneten Niegel Stellung genommen. Ich darf auf diese Ausführungen verweisen.
Bei einer Reihe von Gemeinden werden die Ausfälle durch Gewerbesteuermehreinnahmen aus anderen Betrieben ausgeglichen. Solche Mehreinnahmen werden teilweise von den ehemaligen Muttergesellschaften der in die Ruhrkohle AG eingegliederten Zechen, die weitere Betriebe in der betreffenden Gemeinde unterhalten, aufgebracht. Die verbleibenden Gewerbesteuerausfälle betragen nach Auskunft des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen beispielsweise bei der Stadt Castrop-Rauxel 1 013 000 DM, der Stadt Werne an der Lippe 426 000 DM, der Stadt Datteln 652 000 DM, der Stadt Herne 730 000 DM. Ich kann lediglich Beispiele nennen.
Da sich entsprechend dem Rückgang des Gewerbesteueraufkommens auch die abzuführende Gewerbesteuerumlage vermindert, tragen die Gemeinden nur etwa die Hälfte der Ausfälle selbst. Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, von sich aus Ausgleichszahlungen für die durch den Gewerbesteuerausfall betroffenen Gemeinden zu leisten. Das Problem dürfte aber durch die Ausgleichszahlungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs sowie durch ,die Einnahmeverbesserungen infolge der Gemeindefinanzreform ausreichend gelöst sein. Ich darf hierzu noch einmal auf meine Ausführungen vom 19. Februar 1970 verweisen.
Eine Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Wolfram.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß es Sinn der Gemeindefinanzreform und der Finanzausgleichsgesetze ist, derartige Steuerausfälle auszugleichen?
Nein. Diese Steuerausfälle konnten durch die Gemeindefinanzreform überhaupt nicht erfaßt werden, denn die Gemeindefinanzreform teilt ja bestimmte Steuerquellen den Gemeinden zu. Aber das Abziehen oder Verlegen von Betrieben wäre weder nach der alten Finanzordnung noch nach der neuen Finanzordnung davon betroffen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Jungmann auf:
Hält die Bundesregierung ihre in Drucksache VI/495 erklärte Absicht, die den unselbständig Tätigen in einer Übergangsregelung zu gewährenden steuerlichen Vergünstigungen hinsichtlich der Behandlung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit den selbständig Tätigen und Gewerbetreibenden vorzuenthalten, für vereinbar mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Beschränkung der Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit auf Arbeitnehmer mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Ihnen bekannten Beschluß vom 15. Januar 1969 nur ,die steuerliche Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer gerügt und nur für diesen Personenkreis eine Gleichbehandlung gefordert. Wie die Bundesregierung bereits in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage Drucksache VI/495 erklärt hat, läßt der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts keine Gesichtspunkte erkennen, die etwa aus verfassungsmäßigen Gründen die Einführung entsprechender Steuervergünstigungen für freiberuflich Tätige und Gewerbetreibende notwendig machen würden.
Gleichwohl hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage ihre Bereitschaft erklärt, das Problem bei .der jetzt in Angriff genommenen Steuerreform zu prüfen. Die in Aussicht genommene Übergangsregelung, auf die die Bundesregierung zur Frage 1 der Kleinen Anfrage hingewiesen hat, ist hierfür nicht geeignet. Diese Ubergangsregelung ist ihrem Charakter nach nur als vorläufige Maßnahme gedacht und soll nur solche Regelungen treffen, die eine zeitliche Hinausschiebung bis zum Abschluß der Steuerreform nicht erlauben.
Keine Zusatzfrage.
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2304 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Präsident von HasselIch rufe die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Hauser auf:Welche Überlegungen hat das Bundesfinanzministerium dazu veranlaßt, in Nummer 7 der Dienstanweisung zu §§ 8, 9, 116 bis 117, 218 und 223 b der Brennereiordnung vom 23. Juni 1967 anzuordnen, daß die Übertragung einer Abfindungsbrennerei erst mit Wirkung vom Beginn eines neuen Betriebsjahres zulässig sein soll, sofern der Vorbesitzer im laufenden Betriebsjahr, in dem die Genehmigung zur Übertragung erteilt worden ist, selbst noch Branntwein hergestellt hat?Der .Abgeordnete ist anwesend. Zur Beantwortung, bitte!
Wenn Herr Kollege Hauser einverstanden ist, möchte ich gern die beiden Fragen gemeinsambeantworten.
Keine Bedenken. Dann rufe ich auch die Frage 33 .des Abgeordneten Dr. Hauser ,auf:
Welche Gründe sprechen dagegen, dem Übernehmer einer Brennerei die Möglichkeit einzuräumen, noch im Genehmigungsjahr die vom Vorbesitzer nicht ausgenutzte Kontingentmenge abzubrennen, wie dies auch dem Übernehmer einer Brennerei gestattet ist, in der vorausgehend im Zehn-Jahres-Abschnitt gebrannt worden war?
Die gesetzlichen Bestimmungen sehen für Abfindungsbrennereien nur zwei starre monopolbegünstigte Erzeugungsgrenzen in Höhe von 50 1 oder 300 1 Weingeist für ein Betriebsjahr vor. Diese Kontingente stellen brennrechtsähnliche Vergünstigungen dar. Sie können jeweils nur ungeteilt in voller Höhe auf ein anderes Grundstück übertragen werden. Würde idem Erwerber der Brennerei gestattet, einen nichtgenutzten Teil des Jahreskontingents abzubrennen, so wäre das eine nicht zulässige teilweise Übertragung.
Da es sich bei den monopolbegünstigten Erzeugungsgrenzen um brennrechtsähnliche Vergünstigungen handelt, müssen die für die Übertragung von ' Brennrechtengeltenden gesetzlichen Bestimmungen auch hier angewendet 'werden. Das heißt, wie die Übertragung von Brennrechten ist auch die Übertragung von monopolbegünstigten Erzeugungsgrenzen nur zum Beginn eines Betriebsjahresmöglich.
Im Gegensatz zu dem jährlichen Kontingent einer Abfindungsbrennerei, das ein unteilbares Ganzes darstellt, ist bei einer Brennerei, die im Zehnjahres-abschnitt brennt, diesogenannte Abschnittsweingeistmenge teilbar. Es liegt gerade im Wesen des Abschnittsbrennens, daß die Abschnittsweingeistmenge nach Bedarf beliebig auf einzelne Jahre des Abschnitts verteilt werden kann. Wird eine solche Brennerei übertragen, kann der neue Besitzer deshalb den von seinem Vorgänger noch nicht in Anspruch genommenen Teil der Abschnittsweingeistmenge ausnutzen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hauser .
Herr Staatssekretär, geben Sie mir zu, daß das Monopolrecht in der Tat ein Buch mit sieben Siegeln ist, ,das vom
Kartoffelsalat bis zum Auto reicht, wie ein Fachkundiger einmal treffend dazu sagte, und daß hier doch die Frage zu stellen ist, ob dieses Monopolrecht nun auch wirklichkeitsnah gehandhabt wird?
Herr Kollege Hauser, ich gebe Ihnen auf 'Grund meiner Erfahrungen bei der Vorbereitung auf diese Frage uneingeschränkt 211, daß Idas Monopolrecht ein ziemlich undurchsichtiges Gelände ist und daß es sicherlich ganz nützlich wäre, es eines Tages zu vereinfachen und der modernen Entwicklung anzupassen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Härzschel auf:
Hält die Bundesregierung an ihrer Absicht fest, dem Parlament nunmehr zu empfehlen, die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages am 1. Juli 1970 in Kraft treten zu lassen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Die Bundesregierung verfolgt weiterhin die Absicht, dem Hohen Hause zu empfehlen, die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages am 1. Juli 1970 in Kraft treten zu lassen. Da hierbei die Konjunktlage zu Mitte dieses Jahres zu berücksichtigen ist und dabei die neuesten Konjunkturdaten verfügbar sein sollten, empfiehlt es sich, die Beschlußfassung des Hohen Hauses zum Steueränderungsgesetz 1970 zu einem möglichst späten Zeitpunkt vorzunehmen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Härzschel.
Herr Staatssekretär, falls die Verdoppelung nicht am 1. Juli in Kraft tritt, beabsichtigt dann die Bundesregierung, wenigstens rückwirkend im Lohnsteuerjahresausgleich den Arbeitnehmern diese versprochene Steuererleichterung zukommen zu lassen?
Eine rückwirkende Inkraftsetzung eines solchen Gesetzes wäre ohne weiteres möglich. Wenn man also die genaue Konjunkturlage berücksichtigen will, könnte man das Gesetz auch nachträglich rückwirkend erlassen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung unabhängig von der Konjunkturlage auf diesem Gebiet für die Arbeitnehmer in dem Zonenrandgebiet etwas tun?
In dieser Form — das habe ich, glaube ich, hier schon öfter gesagt —
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2305
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischlist es allein schon deswegen nicht möglich, weil das Steuergrenzen innerhalb des Bundesgebietes schaffen würde. Eine andere Frage ist, ob man anderweitig etwas für die Arbeitnehmer im Zonnenrandgebiet tun kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe dann die Frage 35 des Abgeordneten Härzschel auf:
Wie hoch war die prozentuale Lohnsteuerbelastung des Durchschnittseinkommens der Arbeitnehmer vor fünf Jahren, und wie hoch ist sie augenblicklich?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Die Lohnsteuerquote, also das Lohnsteueraufkommen in v. H. der der Lohnsteuer unterliegenden Bezüge hat sich in dem Fünfjahreszeitraum 1965 bis 1969 von 7,98 v. H. auf 9,95 v. H. erhöht.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Härzschel.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben die Erhöhung genannt. Sind Sie nicht der Meinung, daß gerade aus diesem Grunde eine Steuererleichterung für die Arbeitnehmer dringend geboten wäre?
Daß eine Steuererleichterung an sich dringend geboten wäre, ist ja schon dadurch ausgedrückt, daß die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Daß die Konjunkturlage im Augenblick das Inkraftsetzen noch nicht gestattet, ist eine andere Frage.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Härzschel.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, diese Steuerermäßigung vielleicht vermögenswirksam durch die Arbeitnehmer anlegen zu lassen?
Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Ich bin aber gern bereit, wenn Sie es wünschen, Ihnen darüber schriftlich Auskunft zu geben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Dr. Haack auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Auffassung der Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg zu überprüfen, wonach die Bestimmungen des bayerischen Volksschulgesetzes über die Kcsten der notwendigen Beförderung der Schiller auf dem Schulweg eine Umsatzsteuerfreiheit durch eine Vertragsgestaltung zwischen Schüler und Beförderungsunternehmer ausschließen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Es ist der Bundesregierung nicht bekannt, welche Auffassungen die Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg im einzelnen zur Behandlung der Aufwendungen für die Beförderung von 'Schülern auf dem Schulweg vertreten. Im Augenblick kann ich lediglich darauf hinweisen, daß das Bundesfinanzministerium zur Frage der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Schülerbeförderungen einen Erlaß vom 3. Oktober 1968 herausgegeben hat. Eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Nürnberg vom 10. Dezember 1969 zu der angesprochenen Frage ist dem Bundesfinanzministerium bekannt. Der in dieser Verfügung vertretene Rechtsstandpunkt bewegt sich im Rahmen des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 3. Oktober 1968.
Nach dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 ist es jedoch erforderlich, daß die Bundesregierung die obersten Landesfinanzbehörden an der Auslegung des Umsatzsteuerrechts in Grundsatzfragen beteiligt. Das Bundesfinanzministerium wird sich mit der zuständigen obersten Finanzbehörde, dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, in Verbindung setzen. Ich werde veranlassen, daß Sie über das Ergebnis ,dieser Prüfung unterrichtet werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, .den privaten Omnibusunternehmern die Mehrwertsteuer zu erlassen, soweit ihre Kosten für die Volksschulbusse von den Gemeinden und vom Land bezahlt werden?
Das kann ich dm Augenblick nicht verbindlich sagen, weil die Prüfung nur gemeinsam mit der obersten Finanzbehörde des Landes erfolgen kann. Erst nach Rücksprache mit 'ihr kann eine endgültige Entscheidung getroffen werden.
Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Dr. Sprung auf:Kann die Bundesregierung mitteilen, ob die in der letzten Legislaturperiode zugesagte Prüfung zu einem positiven Ergebnis geführt hat, bei der nächsten Novellierung des Umsatzsteuergesetzes den Mehrwertsteuersatz für Krankenbeförderungen, die private Unternehmen mit Spezialkrankenwagen durchführen, von 1l % auf 5,5 % herabzusetzen?Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister •der Finanzen: Die Bundesregierung neigt der Auffassung zu, daß die Krankenbeförderungen mit Spezialkrankenwagen durch private Unternehmer umsatzsteuerlich begünstigt werden sollten. Die Novelle zum Umsatzsteuergesetz
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2306 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischlist noch nicht von der Bundesregierung verabschiedet worden. Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, daß Einzelheiten noch nicht mitgeteilt werden können.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Dr. Wulff auf. Ist der Abgeordnete im 'Saal? — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende ides Geschäftsbereiches des 'Bundesministers der Finanzen angelangt. Ich darf Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär danken.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Geldner auf:
Ist die Bundesregierung der Artikel in der Main-Post" vom 3. April 1970 „Minister Eisemann unterrichtete MdL Erich Sauer: Erhebliche Nachteile für Bayerns Landwirtschaft — Bundesmittel werden um 220 Millionen gekürzt" bekannt, und welche Stellungnahme kann sie dazu abgeben?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Logemann.
Herr Kollege Geldner, der Bundesregierung ist der am 3. April in der „Main-Post" veröffentlichte Artikel bekannt. Es trifft nicht zu, daß die Bundesmittel um 220 Millionen DM gekürzt worden sind. Gegenüber der alten Finanzplanung sind für das Jahr 1970 die Ansätze für die nationale Agrarpolitik um 389 Millionen DM erhöht worden. Eine weitere Erhöhung des Plafonds für den Einzelplan 10 wäre im Hinblick auf die Geldwertstabilität bedenklich gewesen.
Der in dem Artikel der „Main-Post" genannte Betrag von 220 Millionen DM stellt lediglich die Differenz zwischen den Ansätzen 1969 und 1970 bei den Struktur- und Sozialmaßnahmen — das sind bekanntlich die Blöcke A bis D in der Einteilung des Einzelplans 10 für Kap. 1002 — dar. Wenn dieser Betrag um zwangsläufig eintretende Minderungsanträge, unter anderem z. B. durch Auslaufen der Investitionsbeihilfen, und um zwangsläufig Mehrausgaben bei der Landabgaberente durch sich kumulierende Leistungen erhöht wird, kommt man auf 140 Millionen DM. Nur um diese 140 Millionen DM gehen nach dem Regierungsentwurf 1970 die Leistungen für die nationale Agrarpolitik gegenüber 1969 zurück, sind aber, wie gesagt — das möchte ich noch einmal betonen —, gegenüber der mehrjährigen Finanzplanung der alten Regierung um 389 Millionen DM erhöht worden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Geldner.
Herr Staatssekretär, wie steht die Bundesregierung zur Äußerung des bayerischen Ministerpräsidenten, daß bei der Verteilung des Aufwertungsausgleichs die bayerische Landwirtschaft eindeutig benachteiligt werde?
Dazu darf ich folgendes sagen, Herr Kollege Geldner. Die Äußerung, die bayerische Landwirtschaft werde bei dem Aufwertungsausgleich benachteiligt, trifft nicht zu. Das System des Aufwertungsausgleichs richtet sich sowohl im umsatzsteuerlichen Teilausgleich auf Grund des Aufwertungsausgleichsgesetzes vom 23. 12. 1969 als auch bei dem Direktausgleich der 920 Millionen D-Mark auf Grund des Entwurfes des Durchführungsgesetzes zum Aufwertungsausgleichsgesetz nach objektiven Kriterien der Aufwertungsverluste der Landwirtschaft des gesamten Bundesgebiets. Der nach dem Durchführungsgesetz vorgesehene differenzierte Flächenschlüssel berücksichtigt die Aufwertungsinzidenz bei den einzelnen Erzeugnissen und die Intensität der Bodennutzung im Bundesgebiet. Die bayerische Landwirtschaft partizipiert deshalb an dem Aufwertungsausgleich entsprechend ihrer Produktivität. Dies gilt auch für alle anderen Länder.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Ungeachtet des auch bei Zusatzfragen — wir haben das gerade erlebt — offenbar im Wortlaut vorbereiteten Frage-und Antwortspiels darf ich fragen: Herr Staatssekretär, können Sie bitte spezifizieren, was für Mittel außerhalb des Aufwertungsausgleichs — dieser ist ja, wie wir alle wissen, unzureichend — die 389 Millionen sind, die Sie eben als „zusätzlich" genannt haben?
Der Aufwertungsausgleich wird ja durch zwei Systeme bewerkstelligt, einmal durch eine Begünstigung bei der Mehrwertsteuerlösung, aus der für die Landwirtschaft 780 Millionen DM erwartet werden, und dann durch Verteilung eines Betrages von 920 Millionen D-Mark wahrscheinlich nach einem differenzierten Flächenschlüssel, wie es die Bundesregierung vorgeschlagen hat.
Verzeihung, Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, es hat jeder, der nicht der Fragesteller ist, eine Zusatzfrage. Sie müssen sich eventuell bei der nächsten Frage noch einmal melden.
Zunächst hat zu einer Zusatzfrage das Wort der Abgeordnete Peters.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, hier darzulegen, daß der Ernährungsausschuß inzwischen beschlossen hat, weitere 87 Millionen D-Mark für die nationale Agrarpolitik zur Verfügung zu stellen, und daß bei der Berichterstatterbesprechung für den Einzelplan 10 darüber hinaus noch weitere 35 Millionen aus Marktordnungstiteln
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2307
Peters
freigemacht werden, so daß der Unterschied von 140 Millionen, von denen- Sie sprachen, die für die nationale Agrarpolitik weniger zur Verfügung stehen, also die Strauß-Höcherlsche Kürzung in der mittelfristigen Finanzplanung, nunmehr völlig ausgeglichen sein wird?
Herr Peters, ich bin durchaus bereit, das zuzugeben. Dabei geht es aber um Beschlüsse des Ernährungsausschusses; ich bin hier von der Regierungsvorlage ausgegangen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dasch.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung bei den Beratungen über das Ausgleichsgesetz für die Aufwertungsschäden der Landwirtschaft noch nicht darüber klargeworden, daß weder für den einzelnen Betrieb noch für die einzelnen Länder eine völlig gerechte Lösung vorgeschlagen werden kann?
Herr Kollege Dasch, es ist bekannt, daß wir uns bemühen, eine optimale, gerechte Lösung zu finden. Daß das schwierig sein wird, ist auch uns durchaus bekannt. Wir haben in der Regierungsvorlage einen differenzierten Flächenschlüssel verlangt; leider ist es so, daß im Bundesrat nun ein sehr einfacher Schlüssel eine Mehrheit gefunden hat. Wir bemühen uns wirklich, den Ausgleich gezielt vorzunehmen.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Schröder .
Herr Staatssekretär, Sie haben davon gesprochen, daß, verglichen mit der mittelfristigen Finanzplanung der vorigen Regierung, der Haushaltsansatz um 389 Millionen D-Mark erhöht worden ist. Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, daß eine mittelfristige Finanzplanung ganz allgemein fortgeschrieben werden kann, daß so etwas nicht ausgeschlossen ist? Und wie sieht die mittelfristige Finanzplanung im agrarpolitischen Bereich für die nächsten Jahre aus?
Herr Kollege Schröder, ich darf dazu sagen, daß ich bei der Beantwortung einer anderen Frage noch auf die Fortentwicklung der mittelfristigen Finanzplanung eingehen werde; aber es ist in der Tat so, das möchte ich noch einmal sagen, daß die 389 Millionen DM zusätzlich gegenüber den Vorstellungen der alten Bundesregierung in der mittelfristigen Finanzplanung zur Verfügung stehen.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt mehrfach den Betrag von 389 Millionen DM genannt. Können Sie uns mitteilen, wie sich dieser Betrag zusammensetzt?
Die 389 Millionen DM sind aus Haushaltsmitteln zusätzlich gewährt worden.
Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Geldner auf:
Wie hoch ist der prozentuale Anteil der landwirtschaftlichen Förderungsmittel des Bundes, die nach Bayern fließen, im Vergleich zu den Förderungsmitteln für die übrigen Bundesländer?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Kollege Geldner, möchte ich folgendes sagen: Im Jahre 1969 hat der Bund den Ländern aus dem Agrarhaushalt Förderungsmittel von insgesamt 2 Milliarden 557 Millionen DM zur Verfügung gestellt.
Davon entfallen auf Schleswig-Holstein 297,13 Millionen DM, das sind 11,6 %, auf Hamburg 36,89 Millionen DM, das sind 1,5 %, auf Bremen 16,41 Millionen DM, das sind 0,6 %, auf Berlin 3,73 Millionen DM, das sind 0,1 %, auf Niedersachsen 561,30 Millionen DM, das sind 22 %, auf Nordrhein-Westfalen 395 Millionen DM, das sind 14,1 %, auf Hessen 182,51 Millionen DM, das sind 7,5 %, auf das Saarland 21,32 Millionen DM, das sind 0,8 %, auf Baden-Württemberg 309,45 Millionen DM, das sind 12,1 %, das Land Bayern erhält 577,01 Millionen DM, das sind 22,6 %.
Bei dieser Gegenüberstellung ist zu berücksichtigen, daß in der Zuweisung an das Land Niedersachsen ein Betrag von rund 109 Millionen DM für den Küstenschutz, den Küstenplan und das Emslandprogramm enthalten ist. Eine Aufgliederung der Bundesmittel auf die Länder ist erst nach Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1970 möglich. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die prozentualen Anteile der Länder im Jahre 1970 gegenüber 1969 im wesentlichen unverändert bleiben werden.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete -Geldner.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die Behauptung des bayerischen Ministerpräsidenten zutrifft, daß der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und 'Forsten im Zusammenhang mit der mittelfristigen Finanzplanung nicht zugestimmt hat, daß also die 'bayerische Landwirtschaft damit am Ende der Förderungsmaßnahmen 'steht?
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2308 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Das können Sie aus meiner Antwort durchaus nicht entnehmen. Ich habe schon darauf hingewiesen, wie hoch der Anteil Bayerns an der Gesamtverteilung der Mittel ist. Ich möchte noch einmal betonen, 'daß sich gerade Herr Minister Ertl bemüht hat, durch die Beschaffung der 389 Millionen DM hier eine Aufstockung der Mittel vorzunehmen. Auch daran wird Bayern entsprechend partizipieren.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Dasch.
Herr Staatssekretär, welche Titel sind denn bei der Berechnung der 42,6 % zugrunde gelegt? Es kann sich doch hier nicht nur um Strukturmittel handeln. Es müssen auch andere Mittel dabei sein, die die Bayerische Staatsregierung zugewiesen bekommt, die sie aber in Bayern auch zugunsten anderer Bundesländer auszugeben hat.
Herr Kollege Dasch, ich habe in meiner Antwort schon gesagt: Im Jahre 1969 hat der Bund den Ländern aus dem Agrarhaushalt Einzelplan 10 Förderungsmittel von insgesamt 2,557 Milliarden DM zur Verfügunggestellt. Ich kann es hier bei dieser Gelegenheit nicht im einzelnen aufschlüsseln, aber ich bin gerne bereit, Ihnen eine solche Aufschlüsselung schriftlich zu. geben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, da Sie wiederholt vonzusätzlichen 389 Millionen DM gesprochen haben, den Zusammenhang mit dem Ausgleich der ,Schäden bei der Aufwertung aber bisher nicht deutlich machen konnten, darf ich noch einmal fragen: wie setzen sich die 389 Millionen DMzusammen, und was ist überhaupt außerhalb des Ausgleichs für die Aufwertung zusätzlich geschehen?
Herr KollegeSchulze-Vorberg, wir müssen doch in der Tat auseinanderhalten die 389 Millionen DM, die dem Haushalt zusätzlich zugeflossen sind und jene anderen Mittel, einmal ,die 780 Millionen DM, die wir als Vergünstigung aus der Mehrwertsteuer für die Landwirtschaft erwarten, und die zusätzlichen 920 Millionen DM, 'die nach einem differenzierten Flächenschlüssel gezahlt werden sollen.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dasch auf:
Aus welchen Gründen gibt die Landwirtschaftliche Rentenbank in Frankfurt nur spärlich Zuweisungen an Darlehen für landwirtschaftliche Betriebe, obwohl die Durchführung ihrer Bauvorhaben genehmigt und der Beginn der Arbeiten aus arbeitstechnischen Gründen dringend geboten ist?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege Dasch, ich gehe davon aus, daß sich Ihre Frage auf Vorhaben bezieht, die unter die Richtlinien zur Förderung von Aussiedlungen, baulichen Maßnahmen in Althöfen und Aufstockungen vom 8. Dezember 1966 fallen.
Für diese Maßnahmen stellte das BML den Ländern Mittelkontingente zur Verfügung. Die Bewilligung der Einzelvorhaben erfolgt durch die Länderbehörden. Entsprechend der richtlinienmäßigen Zuständigkeit ist in das Einzelverfahren entweder die landwirtschaftliche Rentenbank oder die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank eingeschaltet. Zur Bedienung bewilligter Vorhaben stehen den genannten Banken zur Zeit ausreichend Mittel zur Verfügung.
Aber, Herr Kollege Dasch, wir müssen dabei berücksichtigen, daß aus den vergangenen Jahren ein großer Antragsüberhang vorliegt. So liegen noch unbewilligte Anträge aus dem Jahre 1968 vor, die richtlinienmäßig sind, aber wegen fehlender Mittel nicht bewilligt wurden. Dadurch sind bei den Antragstellern Hoffnungen erweckt worden, die teilweise schon zu Investitionen unter Inanspruchnahme von Vorfinanzierungsmitteln bei den Hausbanken geführt haben und durch die hohen Zinsen erhebliche Belastungen für die Betriebe mit sich brachten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Mittel für im Jahre 1969 genehmigte Anträge gegenwärtig tatsächlich nicht zur Verfügung gestellt werden können, weil der Rentenbank diese Mittel fehlen?
Herr Kollege Dasch, das wollte ich mit meiner Antwort eben schon sagen. Es ist uns tatsächlich bekannt, daß alte Rechnungen vorliegen, die die neue Bundesregierung im Augenblick finanziell nicht erfüllen, d. h. nicht bezahlen kann.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, darf ich dringend darum bitten, daß hier beschleunigt weitere Mittel freigegeben werden, damit die einzelnen bäuerlichen Betriebsinhaber, die ja jetzt im Frühjahr ihre Bauvorhaben tätigen wollen, tatsächlich mit dem Bau beginnen können und die Mittel möglichst bald bekommen.
Herr Kollege Dasch, im laufenden Jahr
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2309
Parlamentarischer Staatssekretär Logemannwurden den Ländern bisher 61,2 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Wir sind bemüht, nach Verabschiedung des Haushalts für eine Förderung von Aussiedlungen, baulichen Maßnahmen in Althöfen und Aufstockungen ein Jahreskontingent von insgesamt 200 Millionen DM bereitzustellen.
Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Dasch auf:
Gibt sich die Bundesregierung mit der Antwort des belgischen Landwirtschaftsministers Heger im Ministerrat der EWG zufrieden, der erklärte, für die Errichtung eines Hühnermammutbetriebes und dessen Förderung sei nicht er, sondern das belgische Wirtschaftsministerium wegen der Schaffung von 200 zusätzlichen Arbeitsplätzen zuständig?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Auf seiner 108. Tagung am 13./14. April 1970 befaßte sich der Rat der Europäischen Gemeinschaften mit dem Antrag des Eastwood-Konzerns, in der belgischen Provinz Luxemburg einen Großbetrieb zur Erzeugung von Eiern zu errichten, der mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden soll. Nach Auskunft der belgischen Delegation sind die internen Beratungen über eventuelle staatliche Beihilfen für dieses Projekt und ihre Form noch nicht abgeschlossen. Das belgische Kabinett wird über den Antrag in dieser Woche entscheiden. Die belgische Regierung hat zugesagt, diese Entscheidung werde im Einklang mit den Bestimmungen der Art. 92 bis 94 des EWG-Vertrages stehen und der Kommission sowie den übrigen Mitgliedstaaten unverzüglich mitgeteilt werden.
Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung dieser Angelegenheit mit großer Aufmerksamkeit. Sie hat bereits in der vorgenannten Sitzung des Ministerrats auf die Gefahren hingewiesen, die durch die Ansammlung großer Viehbestände in solchen Betrieben auftreten können.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, können Sie die Meinung der Bundesregierung insofern festlegen, als Sie erklären, daß diese Großfarmen mit über einer Million Legehühnern der Zielsetzung der EWG-Agrarpolitik für eine bäuerlich betriebene rationelle Landwirtschaft widersprechen?
, Herr Kollege Dasch, ich kann Ihnen nur sagen, daß solche großen Legehennenbetriebe, sogenannte Tierfabriken mit Millionen von Legehennen, den bäuerlichen Vollerwerbsbetrieben in der Bundesrepublik und in der EWG tatsächlich Chancen in ,der Veredelungswirtschaft nehmen und daß dies nicht das Ziel unserer Agrarpolitik sein darf.
Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, können Sie einen Zeitpunkt nennen, zu dem die Bundesregierung beim EWG-Ministerrat darauf drängt, daß durch eine gemeinsame gesetzliche Festlegung erreicht wird, daß solche Unternehmen, die bäuerlichen Betrieben ihre Existenzgrundlage wegnehmen, in diesen Größenordnungen nicht mehr neu geschaffen werden?
Herr Kollege Dasch, ich kann Ihnen keinen genauen Termin nennen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir diese Berichte abwarten werden und im Ministerrat dann auch entsprechend unsere Meinung vertreten werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung — entweder in der Bundesrepublik selbst oder auch in der EWG — auf eine gesetzliche Regelung zum Schutz der tierischen Veredelungsproduktion in bäuerlichen Betrieben hinwirken?
Herr Kollege, ich möchte Ihnen sagen, daß wir uns bemühen sollten, Gesetze zur Förderung derbäuerlichen Veredelungswirtschaft zu erarbeiten. Ich glaube, das ist schon wiederholt versucht worden. Auch wir werden — gerade im Rahmen der EWG — immer überlegen, wann der Zeitpunkt für eine Initiative der Bundesregierung gegeben ist. Der Zeitpunkt wird für uns wahrscheinlich schon dann gegeben sein, wenn diese Entwicklung in den Beratungen abgeschlossen ist.
Ich rufe die Frage 47 des Abgeordneten Dr. Luda auf. — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 48 des Abgeordneten Jung auf:
Treffen Berichte zu, nach denen das Institut für landwirtschaftliche Bauforschung Völkenrode bei Braunschweig aufgelöst werden soll?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Jung, die für die zukünftige Konzeption des Instituts für landwirtschaftliche Bauforschung der FAL Braunschweig-Völkenrode zuständigen Organe, Senat und Kuratorium, haben sich mit dieser Frage befaßt. Das Institut für landwirtschaftliche Bauforschung soll in jedem Fall erhalten bleiben, wobei wahrscheinlich der Bereich der tierischen Produktion durch Verstärkung des Forschungsbereiches „Tierhaltung" ausgedehnt werden soll. Endgültig wird hierüber erst im Herbst dieses Jahres entschieden.Ich teile die Meinung, daß auf das Arbeitsgebiet „Landwirtschaftliche Bauforschung" nicht verzichtet
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2310 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Logemannwerden kann, zumal gerade bei der derzeitigen Umstrukturierung der Landwirtschaft der Modernisierung und Rationalisierung der landwirtschaftlichen Betriebsgebäude eine entscheidende Bedeutung zukommt.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 49 des Abgeordneten Jung auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung für den Fall seiner Auflösung die Aufgaben des Instituts, insbesondere auf dem Gebiet der bislang unzureichenden Erforschung der Anwendung neuer Baustoffe hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Tierhaltung zur Vermeidung von Bauschäden und Tierverlusten, zukünftig wahrzunehmen?
An einen Wegfall des Arbeitsgebietes „Landwirtschaftliche Bauforschung" bei der FAL Braunschweig-Völkenrode ist nicht gedacht.
Keine Zusatzfrage.
Wir .sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatssekretär. Ich danke Ihnen für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf.
Ist der Herr Abgeordnete Dröscher im Saal? — Ich sehe ihn nicht. Dann werden die Fragen Nr. 55 und 56 schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage Nr. 57 des Abgeordneten Werner ,auf:
Werden auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland israelische Soldaten oder fliegerisches Bodenpersonal ausgebildet?
Zur Beantwortung hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär das Wort.
Auf dem Gebiete der Bundesrepublik Deutschland werden weder israelische Soldaten noch fliegerisches Bodenpersonal ausgebildet.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Niegel auf:
Wird die Bundeswehr Wehrpflichtige, die derzeit einen Vorkurs an einer Ingenieurschule besuchen, im Hinblick auf die Neuordnung der Ingenieurschulen zu Fachhochschulen vom Wehrdienst zurückstellen, weil diese Wehrpflichtigen bei einer Ableistung der Wehrpflicht die Eingangsvoraussetzungen für die Fachhochschule nicht besitzen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Präsident! Herr Kollege Niegel! Ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen. Soweit ,sich ein Wehrpflichtiger noch in einem Vorkurs an einer Ingenieurschule befindet, wird er auf Antrag bis zum Abschluß des Vorkurses zurückgestellt. Dies gilt jedoch nicht für das sich daran .anschließende Studium.
Die Ständige Konferenz 'der Kultusminister der Länder hat am 12. März 1970 Übergangsregelungen für die Umwandlung der Ingenieurschulen in Fachhochschulen beschlossen. Danach werden Wehrpflichtige, die im Zeitpunkt der Errichtung der Fachhochschulen die bisherige Fachschulreife besitzen, aber wegen der Ableistung des Wehrdienstes das Studium an einer Ingenieurschule nicht aufnehmen konnten, nach der Entlassung .aus dem Wehrdienst auch ohne die Fachhochschulreife an die Fachhochschulen 'aufgenommen. Im Rahmen des Studiums sollen 'ihnen nach Möglichkeit Ergänzungskurse angeboten werden. Bei dieser Regelung kann die Einberufung vor Aufnahme des Studiums nicht im Hinblick auf die Umwandlung der Ingenieurschulen 'in Fachhochschulen als eine 'besondere Härte im Sinne des Wehrpflichtgesetzes angesehen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
'Herr Staatssekretär, ist nach Ihrer 'Meinung die Gewähr dafür gegeben, daß ein Wehrpflichtiger, der jetzt zwar noch den Vorkurs besucht, nach eineinhalb Jahren 'aber, wenn 'er zurückkommt, nicht mehr an die Ingenieurschule kann und die neuen Voraussetzungen für .die 'gesteigerten Ansprüche der Fachhochschule nicht erfüllt, trotzdem die Fachhochschule nach eineinhalb Jahren oder zwei Jahren besuchen kann?
Herr Kollege, ich kenne nicht die Übergangsbestimmungen in allen Bundesländern, ich weiß aber, daß sich die Kultusministerkonferenz und die entsprechenden Ausschüsse um Übergangsregelungen bemühen. Ich weiß, daß in einem Land die Übergangsregelungen für fünf Jahre angesetzt sind, so daß ich durchaus davon ausgehen kann, daß ein junger Wehrpflichtiger in diesem Zeitraum eine geordnete Ausbildung erfahren wird.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie erklären, daß Sie nicht alle Bestimmungen kennen. Wird das Verteidigungsministerium zumindest darauf hinwirken, daß die Wehrpflichtigen bei Erlaß der Bestimmungen und bei Rückkehr aus der Wehrpflicht keine Nachteile haben? Das heißt, werden Sie auf 'die Einzelbestimmungen bei den Kultusministern einwirken?
Herr Kollege Niegel, Sie erinnern sich daran, wie häufig wir diese Frage in der Fragestunde beantwortet haben und wie häufig ich darauf hingewiesen habe, daß wir uns in ständigen Verhandlungen befinden. Im übrigen habe ich diese Verhandlungskommission von meinem Vorgänger übernommen, und es wird stetig weiter gearbeitet.Sie können also sicher sein, .daß 'das Interesse junger wehrpflichtiger Soldaten bei Ableistung ihres Wehrdienstes gewahrt wird, sofern sie ein Inge-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2311
Parlamentarischer Stáatssekretär Berkhannieurstudium oder ein anderes Studium aufnehmen wollen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dasch.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in. dieser Übergangszeit den Wehrpflichtigen auch dadurch zu helfen, daß sie, wenn sie z. B. am 1. April 1970 eingezogen werden, am 1. Oktober 1971 entlassen werden, damit ihnen der Verlust nur eines einzigen Bildungsjahres zugemutet wird?
Herr Kollege Dasch, auch diese Frage hat hier wiederholt eine Rolle gespielt. Sie wissen, daß es mehrfach Übergangsregelungen als Ausnahmeregelungen gegeben hat.
Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir jetzt zu einer grundsätzlichen Regelung kommen müssen. Dabei wird in Verhandlungen mit den Kultusministern angestrebt, bei den Fachhochschulen, den Ingenieurschulen, den Ingenieurakademien, sofern es sie noch gibt, und auch anderen Hochschulen und ähnlichen Institutionen den Semesterbeginn so zu legen, daß ein Gleichklang mit dem Abschluß der Wehrpflicht besteht. Ob das gelingt, liegt nicht in meiner, nicht einmal in der Hand der Kultusminister; denn die Universitäten sind ja selbständig, und auch Fachhochschulen werden einen selbständigen 'Status erreichen. Wir werden auf die Mitarbeit aller iGutwilligen im Lande angewiesen sein, auch auf Ihre, Herr Kollege.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan, und auch am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Staatssekretär.Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich darauf aufmerksam machen, daß Punkt 11 — Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. mittelfristige Finanzplanung — heute nachmittag um 15 Uhr aufgerufen wird, da der 'zuständige Wissenschaftsminister vormittags noch in Berlin Verpflichtungen wahrzunehmen hat.Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung mietpreisrechtlicher und wohnungsrechtlicher Vorschriften — Drucksache VI/159 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen
— Drucksache VI/577 — Berichterstatter: Abgeordneter Schmidt
Abgeordneter Geisenhofer
Ich danke den Berichterstattern für die Vorlage des Berichts. Werden zusätzliche Ausführungen gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir treten in die Aussprache ein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1, Art. 2, Art. 3, Art. 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer Art. 1 bis 4 sowie Einleitung und Überschrift zustimmt, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir sind am Ende der zweiten Beratung. Ich rufe auf diedritte Beratung.Wird idas Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung in dritter Beratung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit die Zustimmung gibt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Eine Gegenstimme, eine Enthaltung, im übrigen einstimmig angenommen.Wir müssen dann noch über den Antrag des Ausschusses abstimmen. Sie finden ihn in der Drucksache VI/577 unter Buchstabe B Nr. 2. Wer seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von dier Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Kostenermächtigungen, sozialversicherungsrechtlichen und anderen Vorschriften
— Drucksache VI/329 —Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache VI/604 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schneider
Ich darf den Berichterstattern danken. Wünschen die Berichterstatter das Wort zur Ergänzung? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe zur Abstimmung die Artikel 1, 2, 3, 3 a, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 14 a, 14 b, 14 c, 14 d, 15, 16, 13, 18, 19, 20, 21, 22, 22 a, 23, 24 bis 30, 31, 32 auf. Wird
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2312 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Präsident von Hasseldazu im einzelnen das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich gleichzeitig Einleitung und Überschrift .auf. Wer dem Gesetz Art. 1 bis 32, Einleitung und Überschrift, in zweiter Lesung die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wer diesem Gesetz in der dritten Beratung seine Zustimmung gibt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Wir haben dann noch über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 abzustimmen. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Verwaltungskostengesetzes
— Drucksache VI/330 —Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache VI/605 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schneider
Zunächst auch hier der Dank an die Berichterstatter. Wünchen diese zur Ergänzung das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die zweite Lesung. Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die zweite Lesung. Ich rufe die §§ 1 bis 26 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich rufe auch Einleitung und Überschrift auf. Wer diesem Gesetz, §§ 1 bis 25, Einleitung und Überschrift, seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Wir kommen dann zurdritten Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die dritte Beratung. Ich rufe die Schlußabstimmung auf. Wer dem Gesetz insgesamt zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Wir haben dann über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von den Frak-tionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
— Drucksache VI/429 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
— Drucksache VI/631 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Freiwald
Ich danke dem Berichterstatter. Ich kann mir nicht vorstellen, daß zu Speiseessig noch das Wort gewünscht wird. — Das ist tatsächlich nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung über die §§ 1 bis 4 sowie Einleitung und Überschrift des Gesetzes. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe diedritte Beratungauf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.Wir stimmen in dritter Beratung über dieses Gesetz ab. Wer zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. -- Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. November 1968 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Italienischen Republik über die Erstattung der Aufwendungen für Sachleistungen, welche von den italienischen Trägern der Krankenversicherung in Italien an Familienangehörige in der Bundesrepublik Deutschland versicherter italienischer Arbeitnehmer gewährt wurden, durch die deutschen zuständigen Träger der Krankenversicherung— Drucksache VI/484 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache VI/629 —Berichterstatter: Abgeordneter Becker
Zunächst einen Dank an den Herrn Berichterstatter. Wünscht dieser noch das Wort zur Ergänzung? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache in der zweiten Beratung. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung, gleichzeitig Schlußabstimmung. Wer den Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift dieses Ge-
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Präsident von Hasselsetzes in der Schlußabstimmung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Juli 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malaysia über den Luftverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus— Drucksache VI/307 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache VI/636 —Berichterstatter: Abgeordneter Mursch
Ich danke dem Berichterstatter. Begehrt dieser noch das Wort dazu? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.Wir kommen in zweiter Beratung und damit in der Schlußabstimmung zur Verabschiedung dieses Ratifizierungsgesetzes. Wer den Art. 1 und 2 sowie Einleitung und Überschrift zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Verehrter Herr Kollege Klepsch, das Konditionstraining am früheren Morgen würde uns allen guttun.
— Sie wollten sich der Stimme enthalten? — Also eine Enthaltung des Herrn Klepsch. Meine verehrten Damen und Herren, damit ist dieses Gesetz bei einer Enthaltung angenommen.Wir kommen nun zu einem ähnlichen Gesetz, Punkt 8 der Tagesordnung:Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. November 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kolumbien über den Luftverkehr— Drucksache VI/308 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache VI/637 —Berichterstatter: Abgeordneter Mursch (Erste Beratung 33. Sitzung)Ich danke dem Berichterstatter und darf fragen, ob er mündlich ergänzen will. — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur zweiten Beratung, gleichzeitig Schlußberatung. — Das Wort wird nicht begehrt.Wir stimmen in zweiter Beratung und gleichzeitig in der Schlußabstimmung über Art. 1 und 2 sowie Einleitung und Überschrift des Gesetzes ab. Wer zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 9 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes und anderer Vorschriften— Drucksache VI/614 —Die Vorlage auf Drucksache VI/614 liegt Ihnen vor.Zur Begründung hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Herr Dr. Arndt, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Im Februar hat der Senat von Berlin seinen jährlichen Bericht über die Lage der Berliner Wirtschaft und die Maßnahmen zu ihrer Weiterentwicklung vorgelegt. Es ist der achte Bericht der Reihe.Ich darf aus dem Anfang dieses Berichts zitieren, daß der Senat von Berlin die Lage .der Stadt auf ökonomischem Gebiet wie folgt einschätzt. Erstens wird gesagt, daß Berlin im vergangenen Jahr erstmals seit 1965 das Wachstumstempo der Bundesrepublik erreicht habe. Damit konnte das Minimalziel der Berliner Wirtschaftspolitik, nämlich gleich starkes Wachstum wie in Westdeutschland, realisiert werden.Zweitens zeige, meint der Berliner Senat, das wirtschaftliche Ergebnis des Jahres 1969, daß die- Leistungsfähigkeit der Berliner Wirtschaft, wie er sagt, „im 21. Jahr nach ,der Teilung und Abtrennung der Stadt von ihrem natürlichen Hinterland" ungebrochen ist. Er betont weiter, daß sich gleichzeitig die ausschlaggebende Bedeutung der Wirtschaftsentwicklung im Bundesgebiet für 'die Wirtschaftsentwicklung in Berlin erneut dokumentiert habe. Er sagt wörtlich:Eine erfolgreiche Wachstumspolitik der Bundesregierung erweist sich noch immer als zugleich beste Wirtschaftspolitik für Berlin.Der Senat begrüßt, daß infolge dieses starken Wachstums auch die Entwicklungschancen der Stadt für die kommenden Jahre günstiger einzuschätzen sind. Denn mit hohen Investitionen läßt sich die Kapazitätsgrenze und das Produktionspotential weiter und rascher verändern, als es in Rezessionszeiten der Fall sein kann. Er betontweiterhin, daß das Produktionsergebnis je Erwerbstätigen, d. h. die Produktivität, sich 1969 wie auch in vielen Jahren zuvor 'günstig und stärker als im übrigen Bundesgebiet entwickelt habe.Meine Damen und Herren, die gleiche Kette von Aussagen faßt die Berliner Industrie- und Handels-
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2314 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtkammer in ihrem Geschäftsbericht für 1969 in einem einleitenden Satz wie folgt zusammen: „WestBerlins Zukunft ist gesichert."Einzeldaten und Gesamturteil sind das Ergebnis vieler Kräfte, die in den letzten Jahren in Berlin, an verschiedenen Plätzen des Bundesgebiets und auch shier in Bonn an dieser Entwicklung mittgewirkt haben.Berlin ist ein Sonderfall der regionalen Wirtschaftspolitik; denn Berlin gehört zum Rechts- und Wirtschaftssystem des ,Bundes, es fühlt sich ihm zugehörig, und wir fühlen uns ihm zugehörig. Diese regionale Wirtschaftsförderung kann nur dann funktionieren, wenn die Menschen an Ort und Stelle initiativ werden. Es ist ein Irrglaube, daß von einer allmächtigen oder auch nur halbmächtigen Zentrale aus das Leben an Ort und Stelle geregelt werden unid eine gesunde Basis gefunden werden kann.Ich darf mir in diesem Zusammenhang für die Bundesregierung das Wort erlauben, daß die Berliner Wirtschaftspolitik und die Berliner Wirtschaft, wie beide Berichte zeigen, in guten Händen sind. Sie sind in den Händen von Menschen, die Erfolge erreichen können und die gleichzeitig ihre Erfolge zu würdigen wissen.Selbstverständlich ist die Initiative an Ort und Stelle in Berlin durch einen allgemeinen Ausgleich von Standortnachteilen nötig. Das ist der Sinn des Präferenzsystems des Bundes für Berlin. Dieses Präferenzsystem ist organisch gewachsen. Es hat sich verbessert, an einzelnen Punkten erfuhr es auch Einschränkungen. Wir sind zur Zeit wieder im Stadium einer erneuten Korrektur dieses Präferenzsystems, nachdem ein erster Anlauf vor einem Jahr der Zeitknappheit zum Opfer gefallen ist.Die Bundesregierung legt Ihnen, versehen mit einer Stellungnahme des Deutschen Bundesrates, die Novelle zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vor. Diese Novelle hat folgende Schwerpunkte:Erstens. Die bisher nicht durch eine Umsatzpräferenz geförderten Innenumsätze von Konzernen werden in Zukunft ebenfalls Absatzpräferenzen unterliegen. Damit wird eine Ungerechtigkeit beseitigt, ein Nachteil für die Berliner Teile von Konzernbetrieben aufgehoben. Darüber hinaus hoffen wir, damit das Eigengewicht der Berliner Fertigungsstätten großer Unternehmenszusammenschlüsse nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Führung der Konzerne zu stärken.Zweitens. Dienstleistungen, die bisher durch Absatzpräferenzen nicht oder nur sehr rudimentär gefördert waren, werden in Zukunft in die Präferenz einbezogen. Dies findet eine ausdrückliche Stütze in den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Beraterkommission des Berliner Senats. Sie empfahl, mit der Diskriminierung der Dienstleistungen in einem ehemaligen Dienstleistungs- und Kulturzentrum wie Berlin aufzuhören und dies in Form einer Open-EndListe zu tun, in die jeweils für förderungswürdig anerkannte Dienstleistungen im einfachen Verwaltungsverfahren hinzugenommen werden können.Wenn die Bundesregierung hier einen Vorschlag unterbreitet, der hinter den Empfehlungen dieser Kommission zurückbleibt, dann deshalb, weil die Hoheit des Deutschen Bundestages und des Deutschen Bundesrates bei der Steuergesetzgebung voll erhalten bleiben soll. Statt dessen hat die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat derartige Dienstleistungen im Gesetz vorgeschlagen. Bei ihnen erscheint eine Einbeziehung in die Präferenz ohne Gefahr von Mißbräuchen schon heute als möglich. Die Bundesregierung will nicht ausschließen, daß bei künftigen Novellierungen diese Liste verändert wird.Im einzelnen handelt es sich u. a. um folgende Dienstleistungen:Erstens. Die technische und wirtschaftliche Beratung und Planung für Anlagen, einschließlich der Anfertigung von Konstruktions-, Kalkulations- und Betriebsunterlagen, also Industrieberatung, Anlagenberatung, sogenanntes Consulting.Zweitens. Die Überlassung von gewerblichen Verfahren, Erfahrungen und Datenverarbeitungsprogrammen, die in Berlin-West entwickelt oder gewonnen worden sind, die sogenannte Software der EDV. Damit sollen in Berlin, der Stätte von Universitäten und Hochschulen, also eines guten und zahlreichen wissenschaftlichen Nachwuchses, entsprechende Produktionen entwickelt werden.Drittens. Die Datenverarbeitung selbst.Viertens. Förderung für Graphik und Werbung, d. h. für die Überlassung von in Berlin selbst hergestellten Entwürfen für Werbezwecke, Modellskizzen und Modefotografie.Fünftens. Die unmittelbar mit dem Betrieb Berliner Film- und Fernsehateliers verbundenen Leistungen für die Herstellung von Bild- und Tonträgern.Sechstens. Die Überlassung von Vorabdruck- und Nachdruckrechten.Das ist ein großer Schritt nach vorn in ein für die steuerliche Präferenzierung noch unerforschtes Gebiet. Wir hoffen, daß die leichte Erosion, die wir in den letzten zwanzig Jahren bei diesen für Berlin so wichtigen Berufen zu beobachten glaubten, damit nicht nur zum Stoppen gebracht werden kann, sondern daß es auch hier zu einem starken Wachstum kommen wird.Schließlich enthält die Novelle einen Vorschlag zur Beschlußfassung, der an eine langjährige Kritik andem bisherigen System der Absatzpräferenzen anknüpft. Wir haben in Berlin eine umsatzbezogene Form der Absatzsubventionen. Es ist verschiedentlich — und auch von diesem Hohen Hause — gefordert worden zu überlegen, ob man diese Präferenzen nicht stärker auf den Berliner Anteil am Gesamtumsatz fixieren könnte.Die Bundesregierung legt dazu eine Vorlage vor, die wie bisher von einer Normalpräferenz für alle diejenigen ausgeht, die keine Anträge auf eine höhere Präferenz auf Grund ihres hohen - Wertschöpfungsanteils in Berlin stellen werden. Diese Normalpräferenz erhöht sich von 4,2 auf 4,5 %.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2315
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. ArndtDarüber hinaus enthält sie die Möglichkeit, auf Antrag bei Wertschöpfungsquoten von 50 bis 65 % eine höhere Präferenz — von 5 % des Umsatzes — zu bekommen. Über, 65 % gibt es eine Präferenz von 6 % des Umsatzes. Dementsprechend gäbe es auch Abschläge von der Normalpräferenz für Unternehmen mit einer sehr geringen Wertschöpfungsquote, also von weniger als 10 %. Dabei wird eine Fünfjahresfrist eingeräumt, innerhalb der sich diese Betriebe entsprechend anpassen können.Der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages hatte im Jahre 1967 die Bundesregierung aufgefordert, sich in dieser Richtung etwas zu überlegen. Im Laufe dieser Untersuchungen haben sich eine Menge Widerstände ergeben. Sie liefen im wesentlichen darauf hinaus, ein derartiges System sei zwar richtiger, aber unpraktikabel. Was Ihnen die Bundesregierung jetzt vorlegt, ist kein System der reinen Wertschöpfungspräferenz — ein System, wie es vielleicht langfristig für die Förderung der Berliner Wirtschaft ein Maximum an Effekt hätte. Es ist aber auch nicht mehr das alte System der allein absatzbezogenen Präferenz und damit der Diskriminierung des großen Teils der mittelständischen und stark wertschöpfungsbezogenen Wirtschaft in Berlin. Es ist vielleicht der Versuch, eine Reform in einem ersten wichtigen Schritt einzuleiten. Deshalb die Gewährung von Zusatzpräferenzen für Unternehmen mit einer hohen Wertschöpfungsquote. Wir hoffen, daß von dieser Möglichkeit nach der Beschlußfassung Gebrauch gemacht werden wird. Wir hoffen, mit diesem System neue praxisbezogene Erfahrungen in der Förderung Berlins zu erlangen.Als letztes enthält die Vorlage eine Neuregelung der steuerlichen Arbeitnehmerförderung, die Ablösung des bisherigen Systems einer Kombination aus genereller Lohnsteuerermäßigung um 30 % und entsprechenden Arbeitnehmerprämien für diejenigen, denen die Steuerprogression nicht in dem Maße zugute kommen kann. Hier ist auf Initiative der Berliner Gewerkschaften und der Berliner Industrie- und Handelskammer, unterstützt durch den Berliner Senat, die Bundesregierung zu dem Ihnen vorliegenden Vorschlag gekommen. Die bisherige Kombination wird ersetzt durch eine generelle Förderung von 8 %, gemessen an Lohn und Gehalt. Diese Zulage von 8 %, steuer- und einkommensneutral, wird auch bei geringfügigen Unterbrechungen der Arbeit durch Urlaub, durch Krankheit, durch Besuch von Fortbildungsstätten gewährt. Dies ist eine sozial gerechtere Lösung. Mit dieser Lösung wird zugleich ein weiterer Schritt zur Beseitigung der Arbeiterknappheit in Berlin getan. Diese Arbeitnehmerpräferenz soll freilich — so erlaubt sich die Bundesregierung vorzuschlagen — erst ab 1. Januar 1971 gelten. Bereits rückwirkend zum 1. Januar 1970 wird dagegen eine Kinderzulage von 22 DM je Kind an Berliner Arbeitnehmer gewährt.Das sind .die Schwerpunkte der Novelle. Diese Vorlage ist erstens wachstumsbezogen, zweitens sozial gerecht und dient drittens der Förderung der mittelständischen Wirtschaft in Berlin. Für diese Summe an wichtigen Ergänzungen und Verbesserungen kann man sich erlauben, das Wort „Reformwerk" zu verwenden. Als ein Reformwerk hat es die Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministers 'der Finanzen auch nicht mehr „Berlin-Hilfegesetz" nennen wollen, sondern „Gesetz zur Förderung der Berliner Wirtschaft" : Kein Akt der Hilfe, kein Akt der Karitas für 'die Menschen in Berlin, sondern Förderung eines wirtschaftlichen Zentrums. Förderung eines Zentrums, das nicht nur für die Menschen in Berlin selbst von Wichtigkeit ist, sondern an dessen ökonomischem Gedeihen auch die übrige Bundesrepublik ein eminentes Interesse hat. Berlin ist nach wie vor die größte Industriestadt Europas, in Berlin hat ein Unternehmen sein „zweites Bein". Die Beratung dieses Gesetzes im heutigen Zeitpunkt ist ein Zeichen dafür, daß diese Stadt nicht nur zum Bund steht, isondern 'daß nach wie vor und stärker als zuvor auch der Bund zu Berlin steht.Die Bundesregierung wird das Hohe Haus und wird die Ausschüsse des Hohen Hauses bei der Beratung nach Kräften unterstützen.
Ich danke für die Begründung der Vorlage.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die CDU/CSU-Fraktion der Abgeordnete Wohlrabe. Für ihn sind 15 Minuten angemeldet worden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Novelle zum Berlinhilfegesetz ist für Berlin in zweifacher Hinsicht von sehr erheblichem, ja ich möchte meinen, entscheidendem Interesse. Es geht einmal darum, die vorgesehenen materiellen Veränderungen durchzuführen. Das sind vor allen Dingen die Umsatzsteuerpräferenzen und die Vergünstigungen für die Arbeitnehmer in Berlin und die Verbesserungen für die Berliner Wirtschaft. Damit wird für das künftige Wachstum der Wirtschaft in Berlin ein entscheidender Beitrag geleistet.Daneben aber — diesem Punkt darf ich in meinen Ausführungen besondere Bedeutung zumessen — ist die Novelle zum Berlinhilfegesetz nach ihrer recht wechselhaften Geschichte, die sie erfahren hat, für Berlin auch politisch und psychologisch von großer Bedeutung. Dieser zweite Gesichtspunkt, auf den ich ein Wort mehr verwenden möchte — ich glaube, dies tun zu können, da ich die Verhandlungen in Berlin als damaliger Abgeordneter des Berliner Abgeordnetenhauses recht gut kenne —, ist in Berlin, wenn man einmal alle Beteiligten betrachtet, seien es nun Senat, Arbeitnehmer oder Unternehmer, und ein Fazit zieht, doch mit Enttäuschung zur Kenntnis genommen worden. Ich sage das deshalb, weil in der Vergangenheit mehrfach unterschiedliche Äußerungen gemacht worden sind. Ich glaube, daß auch der Senat von Berlin zu dieser Meinung kommt, wenn er seine eigenen Einlassungen einmal kritisch und ehrlich untersucht.
Nachdem schon während der vergangenen Legislaturperiode die Berlinhilfegesetzgebung aus Zeit-
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Wohlrabegründen nicht mehr zum Zuge kam, entwickelte sich nach Bildung der neuen Regierung leider eine wenig glückliche Handhabung dieser für Berlin so wichtigen Novelle. Ich darf daran erinnern, daß wiederholt Hoffnungen erweckt und dann. später wieder Rückzieher gemacht worden sind; ich darf auch an die Äußerungen erinnern, die der Herr Bundesfinanzminister Möller aus Anlaß seines ersten Besuches in Berlin machte, in denen er sich dafür einsetzte, nicht nur die Neuregelung der Umsatzsteuerpräferenzen, sondern auch die Regelung der Hilfe für die Berliner Arbeitnehmer bereits zum 1. Januar 1970 in Kraft treten zu lassen.
Schon wenige Tage später aber ließ er durch sein Ministerium ganz andere Äußerungen mitteilen. Er ließ wissen, daß die Berlinhilfe — das war Anfang Dezember vergangenen Jahres — nicht so verbessert werden könne, wie wir uns das in Berlin vorstellten.Es begann ein Tauziehen zwischen der Bundesregierung und Berlin, für das die Berliner nur wenig oder gar kein Verständnis aufbringen können. Dieses Hin und Her — das lassen Sie mich doch in aller Ruhe sagen, weil ich glaube, daß auch daran in dieser Debatte einmal erinnert werden sollte — ist deshalb oft als. ein Beweis mangelnder Aufgeschlossenheit der SPD-FDP-Regierung gegenüber Berlin empfunden worden — ein Urteil, das, wie ich meine, sicherlich unbegründet ist.
Aber der Eindruck war zumindest entstanden, und er bewirkte das Gegenteil von dem, was Bundesregierung und Bundestag ursprünglich mit dieser Initiative — die ja aus der letzten Legislaturperiode stammt — bezweckt hatten.Lassen Sie mich zu diesem Punkt noch eines sagen. Wenn wir schon Ausnahmeregelungen trotz haushaltspolitischer Schwierigkeiten gemacht haben, von denen die Regierung sprach — ich erinnere da nur an die Kriegopferversorgung, an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst und auch an Zuwendungen für die Landwirtschaft —, dann, glaube ich, sollte auch Berlin mit Recht ein Platz an der Sonne, und zwar vor allen Dingen aus politischen Gründen, zugestanden werden.
Ich meine, daß wir als CDU/CSU-Opposition einen besonderen Anspruch darauf auch deshalb haben, weil in dieser neuen Bundesregierung ja vier prominente und- in Berlin wohlbekannte Politiker sitzen, nämlich einmal der Herr Parlamentarische Staatssekretär Arndt selbst, der mein Vorredner war, dann der Herr Bundesbevollmächtigte Egon Bahr, schließlich der Bundeswirtschaftsminister Schiller, aber dann ja der Bundeskanzler Willy Brandt selbst, die alle — und ich glaube, meine Damen und Herren, dies hier einmal in aller Ruhe und Höflichkeit doch sagen zu sollen — von Berlin weggingen mit der Aussage, für Berlin mehr in Bonn tun zu wollen, wenn sie erst dort seien.
Nun, wenn man die Äußerungen des Bundesfinanzministers betrachtet und die Bemühungen, die diese vier Herren gemacht haben, um ihn zu bremsen oder zu beeinflussen, dann, glaube ich, sind diese Bemühungen doch recht eigentümlich — ich möchte es einmal so nennen — gewesen, zumindest nicht so, wie wir es uns in Berlin in aller Breite vorgestellt haben. Das ist übrigens keine reine CDU-Meinung, sondern es ist eine Meinung, die Sie allerorten finden, auch in der Presse und sogar bei der Sozialdemokratischen Partei in Berlin. Ich glaube, ich kann das hier sehr gut sagen, denn einem sozialdemokratischen Sprecher fällt das ja immer schwerer.
— Ich erwarte das, Herr Kollege Liehr; ich freue mich darauf.Die CDU/CSU-Fraktion bedauert, daß es hier Schwierigkeiten in dem zeitlichen Ablauf gegeben hat und daß deshalb— dieser Gedanke darf hier noch .geäußert werden — der relativ unstreitige Komplex der Arbeitnehmerförderung nicht vorgezogen und gleich verabschiedet worden ist; denn er hat ja lange auf sich warten lassen.Die CDU/CSU-Fraktion bedauert ferner, daß die neue Bundesregierung sechs Monate gebraucht hat, um diesen Gesetzentwurf, der ja im Grunde genommen in der letzten Legislaturperiode in seinen Grundsätzen fertig war, erneut einzubringen. Ich glaube, sechs Monate waren für Berlin eine recht lange Wartezeit.Erfreulich ist auf der anderen Seite — und ich glaube, auch dazu sollte man 'einmal ein Wort sagen —, daß der Finanzausschuß auf seiner Sitzung in Berlin auf Initiative und unter Vorsitz des Kollegen Dr. Schmidt dieses Berlinhilfegesetz bereits 'beraten hat, ohne daßdieses Haus einen entsprechenden Gesetzentwurf an den Finanzausschuß überwiesen hatte. Diese Initiative ist in Berlin sehr gut vermerkt worden.Wir sind der Auffassung, daß die BerlinhilfegesetzNovelle nunmehr bei genauer Prüfung des materiellen Gehalts möglichst noch vor den Sommerferien verabschiedet werden sollte. Das ist der wichtigste Punkt, der zur materiellen Aussage erst einmal voranzustellen ist. Eine weitere Verzögerung scheint uns unangemessen, und sie entspricht nicht den Erfordernissen der Berliner Situation.Ich möchte es, meine Damen und Herren, nochmals und besonders 'betonen: Das bisherige sehr wechselhafte Schicksal 'der Novelle verträgt unseres Erachtens aus wirtschaftlichen, aber auch aus politischen und psychologischen Gründen weder Abstriche von der Substanz der Verbesserungen noch eine weitere Verzögerung.
Es sollte um so leichter sein, die Beratungen zügig fortzusetzen und bald zu dem erwünschten guten Ende zu bringen, als wir hier im Bundestag uns ja diesmal erstmalig auf ein einheitliches Votum aller Berliner Beteiligten — darauf ist bereits vom Herrn
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Wohlrabe
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— Ich werde es tun.Die wirtschaftliche Sicherung Berlins ist erforderlich. Aber wir sollten daran erinnern, daß endlich auch eine politische Sicherung, eine zusätzliche Sicherung, Berlins notwendig ist. Die Zeit wird zeigen — was bisher geschehen ist, zeigt es ja bereits —, 'daß wir 'auf diesem Gebiet mindestens so tätig sind, wie man es von uns verlangen kann.Was den Zeitaufwand betrifft, so ist gerade bei einem für die Berliner Wirtschaft so wichtigen Gesetz die gründliche Klärung erforderlich; denn Behutsamkeit steht an erster Stelle. Gerade das eine Beispiel, das der Redner der Opposition gebracht hat, tritt seiner eigenen Behauptung entgegen und sagt — damit gibt er es selber zu —, wie notwendig es ist, sehr eindringlich und 'deutlich zu prüfen. Aber darauf kommt es heute gar nicht 'so sehr an.Ich glaube, wir sollten im allgemeinen — und meine Fraktion tut es inbesondere — die verschiedenen Punkte begrüßen, die jetzt gegenüber der bisherigen Praxis eine Änderung gebracht haben, zunächst für die Arbeitnehmer; denn ohne Menschen ist jedes Instrumentarium der Wirtschaft unbrauchbar, und .alles, was dafür dann ausgegeben würde, wäre umsonst. Wir begrüßen es, daß jetzt an Stelle des bisherigen Steuerminderungsprinzips ein Zulageprinzip in Höhe von 8 % tritt. Dies wird sicherlich — und da 'sind wir uns wohl alle einig — dazu führen, daß der Zuzug deutscher Arbeitnehmer nach Berlin gefördert wird und daß dafür Anreiz geboten wird. Ich sage bewußt „deutscher Arbeitnehmer", denn sosehr wir die Tätigkeit unserer Gastarbeiter begrüßen, sie ,sind für die Lebensfähigkeit Berlins auf die Dauer nicht von jener Bedeutung, wie die Tatsache, daß es notwendig ist, deutsche Arbeitnehmer aus 'der Bundesrepublik mit ständigem Wohnsitz nach Berlin zu ziehen. Die steuerfreien Arbeitnehmer waren durch das 'bisherige Prinzip 'benachteiligt, und gerade jene Kräfte, die bei einem verhältnismäßig geringen Einkommen durch eine höhere Kinderzahl nicht steuerpflichtig waren, gingen bisher leer aus. Wir 'begrüßen es, daß jetzt gerade dieser Kreis durch' das neue Zulageprinzip in die Begünstigung einbezogen wird.Allerdings ist meine Fraktion der Meinung, daß ein gewisser Schönheitsfehler 'darin liegt, 'daß dieses erst am 1. Januar 1971 eintreten soll. Ich glaube, wir sollten alle prüfen, ob das nicht schon rückwirkend vom 1. Januar 1970 an einzuführen möglich ist, ebenso wie die Kinderzulage von 22 DM zu begrüßen ist, die auch schon rückwirkend vom 1. Januar an gegeben wird.Nun zur Wirtschaftsförderung selber. Der neue Gedanke, vom Gießkannenprinzip, von der Pauschalierung, abzugehen, und zu einem mehr differenzierten System überzugehen, in dem auch die Struktur der Wirtschaft beeinflußt werden soll, findet imPrinzip unsere volle Billigung, und ich glaube, es war Zeit, daß so etwas geschieht. Nach langen, kontroversen Auseinandersetzungen — die forderten ja auch Zeit — ist dieses Werk zustande gekommen, und es stellt 'in der Tat einen Kompromiß dar. Aber ich glaube, das beste Kriterium, ob dieses Gesetz zweckentsprechend ist und ob es begrüßt wird, ist die Meinung der Betroffenen. Da dürfen wir feststellen, daß die Berliner Wirtschaft, die Berliner Arbeitnehmer, vertreten durch die Gewerkschaften, und 'der Berliner Senat mit der jetzigen Fassung zufrieden sind, und das ist wohl dasjenige Urteil, dem wir uns in erster Linie zu stellen haben; denn unsere Gesetze sind ja kein Selbstzweck, sondern sie dienen jeweils einer besonderen Absicht.Das Ziel, die Berliner Wirtschaft durch Strukturbeeinflussung vielseitig, leistungsfähig, dauerhaft und krisenfest zu machen, steht einwandfrei fest und findet unsere Billigung. Wir 'begrüßen es, daß der Herr Parlamentarische Staatssekretär als Sprecher der Regierung gesagt hat, daß dies ein erster Schritt sei. Wir sind 'uns darüber klar, daß wir Erfahrungen sammeln müssen, und dies wird sehr sorgfältig geschehen, und wir werden danach unsere weiteren Entschließungen treffen.Die FDP begrüßt ebenso die Ausweitung 'der jetzigen Präferenzierungsmöglichkeiten auf geistige und andere Dienstleistungen. Hier war ein Mangel, und wir 'glauben, daß diese Ausweitung dazu führen wird, .daß die bisher zu 'beobachtende Abwanderung der geistigen Kräfte mangels geeigneter Arbeitsmöglichkeiten in Berlin dadurch fühlbar abgebremst wird. Denn Berlin ist eben nicht nur eine verlängerte Werkbank; Berlin ist eine lebendige Stadt, deren Struktur dadurch gekennzeichnet ist, daß gerade die geistigen Leistungen in Berlin auf weiten Gebieten 'bevorrechtigten Rang einnehmen müssen.Allerdings wird man in den Ausschußberatungen sehr eingehend die Praktikabilität dieses neuen Gesetzes, das ja, wie ich noch einmal wiederhole, ein Versuch ist, zu prüfen haben. Manche Frage ist noch offen, und ohne auf Einzelheiten eingehen zu wollen, möchte ich nur darauf hinweisen, daß man zu prüfen haben wird, ob drei feste prozentuale Markierungspunkte zu bevorzugen sind oder ob nicht besser eine etwas gleitende Skala 'eingeführt werden sollte, wofür es durchaus brauchbare Vorschläge gibt. Das mag dem Ausschuß überlassen bleiben.Oberstes Gesetz muß sein, daß die Präferenzierungsmöglichkeiten für die Wirtschaft einfach, aber auch für den Steuerfiskus klar und leicht durchschaubar anzuwenden sind. Daß eine Wahlmöglichkeit zwischen dem bisherigen pauschalen Verfahren bei einer Erhöhung der Präferenzquote und der jetzigen neuen Möglichkeit bestehenbleibt, ist ebenfalls zu begrüßen, 'das stärkt die individuellen Möglichkeiten. Auch die Anpassungsfrist von fünf Jahren, die als Übergangszeit vorgesehen ist, wird sicher ausreichen, den später aus der Präferenz herausfallenden Betrieben 'den Übergang zu erleichtern.Auf eines darf ich jedoch hinweisen. Wir haben das Problem, daß bisher gewährte Vergünstigungen
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Bormjetzt gekürzt werden sollen. Generell ist dazu zu sagen, daß in solchen Fällen scharfe und abrupte Eingriffe stets mit einer sehr großen Problematik behaftet sind. Sie können den Investitionswillen in Berlin beeinträchtigen, und das ist genau eine Wirkung, die nicht eintreten darf. Gegebene Zusagen, auf Grund deren erhebliche Investitionen in Berlin gemacht worden sind, dürfen ohne zwingenden Grund — solche Gründe gibt es in der Tat, das wird auch anerkannt — nicht modifiziert werden; sonst schwindet das Vertrauen in die aus Berlin auf Grund unserer Gesetze gegebenen Zusagen. Auch die nicht unmittelbar Betroffenen werden sich, wenn sich solche Fälle häufen sollten, überlegen, ob sie sich auf einen unsicheren Boden begeben sollten. Berlin ist — das wissen wir alle — in einer Sondersituation und bedarf des Vertrauens, des politischen und des wirtschaftlichen Vertrauens. Infolgedessen muß bei einer Modifizierung zum Nachteil derjenigen, die investiert haben, mit besonderer Sorgfalt vorgegangen werden.Diese Erkenntnis wird meine Fraktion veranlassen, einer Regelung, die etwa bei Tabakwaren eine Kürzung der Bemessungsgrundlage um mehr als 50 Prozent vorsehen sollte, erhebliche Bedenken entgegenzusetzen. Wir glauben, daß durch eine so rigorose Senkung, wie vorgesehen, durchaus unerwünschte Nebenwirkungen eintreten können.Zum Schluß darf ich mich der Bitte meiner Vorredner anschließen, daß die Regierung und die zuständigen Ausschüsse das jetzt im Gesetzgebungsverfahren befindliche Gesetzeswerk zügig verabschieden, damit die Berliner Wirtschaft weiß, wie sie sich in Zukunft zu verhalten hat. Der Ausschußüberweisung stimmt meine Fraktion zu.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Wohlrabe hat in seiner Rede u. a. Ausführungen zur Präsenz Berlins im Bund gemacht. Das ist eine völlig neue Variante, nachdem wir in Diskussionen von uns nicht sehr wohlgesinnter Seite bisher immer nur etwas über die Präsenz .des Bundes in Berlin zu hören bekamen, was wir zu bekämpfen hatten.
— Die Diskussionsäußerungen der Kritik natürlich, Herr van Delden.
Die Präsenz Berlins im Bund ist dagegen ein sehr guter Ansatz. Denn tatsächlich ist in dieser Regierung wie auch schon in der vorigen das Berliner, und nicht nur das Berliner, sondern, sagen wir einmal, das großstädtische Element etwas stärker vertreten als in den Bundesregierungen der 50er Jahre. Das hat sich nicht nur auf die Innenpolitik, sondern auch auf die zentralen Bereiche der Außen- und der Deutschlandpolitik ausgewirkt.
Dabei kommt der dörfliche Gesichtspunkt, der in den 50er Jahren sicherlich ausschlaggebend war, nicht zu kurz. Er hat nur ein anderes Gewicht, und das wird auch Berlin zugute kommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache der ersten 'Beratung.
Der Ältestenrat schlägt vor, den 'Gesetzentwurf an den Finanzausschuß — federführend —, an den Ausschuß für linnerdeutsche Beziehungen und den Ausschuß für Wirtschaft — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Der Überweisungsvorschlag ist gegenüber der ¡ausgedruckten Tagesordnung insofern erweitert worden, als auch die Mitberatung des .Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen vorgesehen ist. Ich bitte, das entsprechend zu berücksichtigen.
Wer dem Überweisungsvorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — 'Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 10:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Horten, Frau Schroeder , Frau Stommel, Maucher und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung sozialer Hilfsdienste
—Drucksache VI/485 —
Zur Begründung hatte sich Herr Abgeordneter Horten zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung sozialer Hilfsdienste, den für die Fraktion der CDU/CSU heute hier zu begründen ich die Ehre habe, betrifft ein Vorhaben, das uns bereits in der 5. Legislaturperiode beschäftigt hat, damals aber aus vielerlei Gründen nicht verabschiedet werden konnte.Es ist, ;glaube ich, unnötig, ausführlicher diie Verhältnisse zu schildern, 'zu denen 'der starke Mangel an ausgebildeten Pflegekräften und Hilfskräften in Krankenhäusern, Altersheimen und Kindertagesstätten geführt hat. Jeder von Ihnen, der auch nur ein wenig Einblick in die Praxis hat oder gar selber einmal in den letzten Jahren in einem Krankenhaus gelegen hat, weiß, wie die Dinge dort stehen, und wird es begreiflich finden, daß die Generaloberin des Deutschen Roten Kreuzes schon seit Jahren von einem offenbaren Notstand spricht. Dabei ist besonders bedauerlich, daß der menschliche Bereich infolge der Überlastung des Personals vielfach zu kurz kommt, weil einfach die Zeit fehlt, sich dem einzelnen Kranken mit der nötigen Sorgfalt zu widmen.Nun wissen wir ,alle, daß sich dieser Zustand noch verschärfen wird. Nur ein 'Beispiel dafür: Die Zahl der lin Pflegeberufen tätigen Ordensschwestern
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Hortenund Ditakonissengeht infolge des Nachwuchsmangels ständig stark zurück. Ich habe erst gestern wieder in meinem Wahlkreis erfahren, daß ein Altersheim geschlossen wird, weil die dort tätigen Ordensschwestern wegen Überalterung zurückgezogen werden mußten.Auf der anderen Seite fordern aber die Sozialenquete und die Frauenenquete mit guten, sicherlich von uns allen befürworteten Gründen die Errichtung weiterer Krankenhäuser und Altersheime, auch Kindertagesstätten, mit der. notwendigen Konsequenz eines erhöhten Bedarfs an Pflegepersonal. Ich will mich auf diese Andeutungen beschränken unid verweise Sie auf die näheren Angaben in der Begründung, die der Drucksache beigefügt ist.Der vorliegende Entwurf zielt nun darauf ab, eine große vorhandene Reserve zur Behebung dieser Mißstände zu mobilisieren. Es gibt in unserem Volk einen großen Kreis alleinstehender Frauen, Rentnerinnen, älterer Frauen, Mütter mit erwachsenen Kindern, Frauen, die früher in Pflegeberufen tätig waren, die bereit und in der Lage wären, sich hier als Hilfskräfte zur Verfügung 'zu stellen, lallerdings nur, wenn ihnen gewisse Voraussetzungen den Entschluß dazu erleichtern würden.Unser Gesetz will dies nun dadurch erreichen, daß da, wo bereits eine 'anderweitige Sicherung gegeben ist, auf Antrag eine Befreiung von der Pflichtversicherung in .der Kranken- und Rentenversicherung möglich ist. Weiter soll bei der Anrechnung der Verdienste aus derartiger Teilzeitarbeit ein Freibetrag eingeführt werden, um zu verhindern, daß diese geringen Verdienste durch Anrechnung gegebenenfalls noch beträchtlich geschmälert werden. Zusammen mit der inzwischen erfolgten, übrigens durch unsere Initiative in der 5. Legislaturperiode bewirkten, Erhöhung der Grenze für die Lohnsteuerpauschalierungwürden damit alle heute noch bestehenden und oft als sehr unangenehm empfundenen Hinderungen beseitigt werden. Erstens. Da bei der Lohnsteuerpauschalierung der Arbeitgeber die Lohnsteuer abführt, ist für die Teilzeitbeschäftigte dafür keine besondere Lohnsteuerkarte notwendig; infolgedessen fallen alle zusätzlichen Steuerbelastungen des sonstigen Einkommens oder des Einkommens des Ehemannes weg.Zweitens führt die Einführungeines Freibetrages dazu, daß praktisch auch keine Schmälerung mehr eintritt durch die ,Anrechnung auf irgendwelche Rentenleistungen oder sonstige soziale Leistungen.Drittens ist kein Wechsel der Krankenkasse mehr notwendig und .auch nicht der damit verbundene und oft als sehr unangenehm empfundene Wechsel des Arztes.Viertens — das darf man in der 'Praxis keineswegs unterschätzen — fällt der Papierkrieg weg. Es sind nicht mehr die heute notwendigen Anträge zu stellen, Besuche zu machen und alle diese Dinge zu erledigen, die den Frauen ganz besonders lästig fallen.Ausführliche Diskussionen mit den Wohlfahrtsverbänden halben nun ergeben, daß 'diese allgemein der Meinung sind, daß durch eine solche gesetzliche Regelung sehr schnell ,eine fühlbare Erleichterung eintreten 'wird, allerdings unter der Voraussetzung, daß eine entsprechende Aufklärung erfolgt und auch die Offentlichkeit in lzweckmäßiger und nachdrücklicher Weise unterrichtet wird.Zur Illustration der tatsächlichen Verhältnisse darf ich vielleicht einen Brief vorlesen, den Frau Kollegin Schroeder gerade jetzt erhalten hat und der typisch für die Menge der Zuschriften ist, die uns in der letzten Zeit zugegangen sind, nachdem diese Initiative bekannt wurde. Da schreibt eine ältere Frau aus Hamburg, die früher im Pflegeberuf tätig war, unter anderem:Ich könnte zwar, was ich drei Jahre lang getan habe, weiter im Einsatz sein. Dann mußte ich alber trotz meiner Alters- und Krankenversorgung, die ja sichergestellt ist, wieder in der AOK sein und Rentenversicherung bezahlen. Mußte ich einmal einen Arzt in Anspruch nehmen, dann gab es so einen Wirrwarr mit unserer eigenen Beamtenkrankenkasse, daß ich dann diese Arbeit 'wieder aufgesteckt habe. Es sind mir viele Fälle bekannt, wo auch Damen in meiner Lage sind, die gerne pflegen wollen, es aber einfach nicht zur Ausführung kommt eben durch diese leidige Renten- und Versicherungsgeschichte.Ich habe diese etwas unbeholfene Ausdrucksweise, die das Wesentliche aber anschaulich macht, wertlich zitiert.Wir sind uns natürlich darüber im klaren, daß dieses Gesetz nur eine Maßnahme ist, um in diesem Notstand Erleichterung zu schaffen. Den Notstand selber zu beseitigen ist nur mit sehr vielfältigen, aufeinander abgestimmten und auf lange Dauer ausgerichteten Maßnahmen möglich, die ihre Zeit brauchen, um überhaupt zur Geltung zu kommen, vor allem in der Frage der Ausbildung der Pflegerinnen usw. Aber, wenn wir das auch wissen, ist das kein Hinderungsgrund, daß es wenigstens auf diesem wichtigen Teilgebiet zu einer fühlbaren Erleichterung und Verbesserung kommt.Gegen diesen Gesetzentwurf werden vor allem zwei Einwände vorgebracht. Man befürchtet, daß, wenn einmal eine Schleuse zur Begünstigung oder, wie man gar behauptet, zur Privilegierung der Teilzeitarbeit geöffnet wird, die Gefahr besteht, daß aus vielen anderen Bereichen sehr schnell gleiche Forderungen mit natürlich entsprechend nachteiligen Folgen für unser gesamtes Versicherungssystem gestellt werden.Weiter sieht man in dem Gesetz einen Verstoß gegen den hohen Grundsatz der Solidarität, der schließlich unser ganzes großes Sozialsystem trägt.Beide Einwände sind nach meiner Meinung in vollem Umfang unberechtigt. Der § 1 des Gesetzes beschränkt die Wirksamkeit auf die Fälle, wo der Verdienst nicht höher als 4,25 DM in der Stunde oder 340 DM im Monat ist. Irgendeine Begünstigung gegenüber den vollbeschäftigten Kräften ist also ausgeschlossen. Die Möglichkeit zur Befreiung von der Krankenversicherungspflicht — § 3 — und von der Rentenversicherungspflicht — § 7 — ist auch kei-
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Hortenneswegs neu. Die Reichsversicherungsordnung kennt schon seit Jahrzehnten die gleichen Regelungen für Sonderfälle, z. B. für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst.Weil diese Einwände in der Diskussion eine große Rolle gespielt haben, muß ich noch einmal sagen: Es handelt sich hier nicht um etwas Neues, sondern nur um die Ausdehnung einer Regelung, die schon seit langer Zeit für viele Gebiete gilt, auf dieses wichtige Gebiet zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit unserer ganzen sozialen Fürsorge.Der Grundsatz „Einer für alle, alle für einen" ist eine großartige Grundlage unseres ganzen Sozialsystems. Wenn aber die Überspitzung dieses Grundsatzes dazu führt, daß Frauen Versicherungen abschließen müssen, die sie gar nicht brauchen, oder die Ärzte wechseln müssen, was sie gar nicht wollen, dann muß doch sehr ernsthaft geprüft werden, ob man diesen Grundsatz der Solidarität nicht etwas elastischer interpretieren sollte, besonders auf einem Gebiet, das für die Aufrechterhaltung der ganzen sozialen Fürsorge wichtig ist. Schließlich ist auch zu bedenken, daß es sich bei dem sozialen Hilfsdienst keineswegs um eine reine Erwerbstätigkeit handelt, sondern daß er auch eine weit darüber hinausgehende Komponente sozialer Hilfe hat. Es ist deswegen sicherlich gerade im Sinne des von uns allen bejahten Grundsatzes der Solidarität, wenn wir in diesem Falle anerkennen, daß der Beitrag zur Solidarität nicht durch zusätzliche finanzielle Zahlungen erbracht wird, sondern durch den freiwilligen persönlichen Einsatz in pflegerischer Tätigkeit.Wahrscheinlich wird ja überhaupt das ganze differenzierte und mit Recht sich noch erweiternde System unserer Sozialfürsorge nur aufrechterhalten und im Sinne der Sozialenquete noch weiter ausgebaut werden können, wenn wir diese Bereitschaft zur freiwilligen Hilfe stärker mobilisieren, wie das in England und den USA bereits in einer nach meiner Meinung beispielhaften Weise geschehen ist. Wir können stolz darauf sein, daß unser Sozialsystem in seinem Umfang und in seiner differenzierten Anpassung an die einzelnen Bedürfnisse einmalig ist. Dann müssen wir aber auch dafür sorgen, daß alle Behinderungen seiner Wirksamkeit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln behoben oder verkleinert werden. Wenn auf der einen Seite Milliardenbeträge aufgewendet werden, dann muß auf der anderen Seite auch garantiert werden, daß den kranken, den alten und übrigens auch den jungen Menschen in den Kindertagesstätten menschenwürdige Pflege und Behütung zuteil wird.Das soll zu einem wirksamen Teil das vorliegende Gesetz erreichen. Ich hoffe deshalb, daß es recht bald verabschiedet werden kann, damit seine Wirkungen schon im kommenden Winterhalbjahr wohltätig zutage treten.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Eilers.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion sieht genau wie .die CDU das Problem des Mangels an Fach- und Hilfskräften im Bereich sozialer Berufe und der entsprechenden Einrichtungen. Sie ist daher bereit, im Rahmen der Ausschußberatungen über die Drucksache VI/485 Wege zu suchen zur Weiterentwicklung der sozialen Arbeit im Interesse der hilfebedürftigen Menschen. Zum vorliegenden Entwurf möchte ich jedoch einige kritische Feststellungen treffen, die mit in dite Ausschußberatungen einbezogen werden sollten.Die CDU brachte am 27. Juni 1967 den Entwurf V/1966 ein, der durch das Arbeitsministerium am 18. April 1969 völlig neu formuliert, neue Beratungsgrundlage wurde. Die Begründung des Entwurfs vom 27. Juni 1967 einschließlich der darin aufgeführten Zahlen und die Umformulierungen des Arbeitsministeriums vom 18. April 1969 bilden praktisch den neuen Entwurf, der uns von der CDU/CSU am 9. März 1970 vorgelegt wurde, — mit einer Ausnahme: der Nichtanrechnung von 100 DM auf die sonstigen Versorgungsleistungen, die meines Erachtens den ,anziehendsten Teil dieses Entwurfs darstellt.Wir müssen, so meine ich, den vom CDU-Entwurf angesprochenen Personenkreis sehr nüchtern betrachten. Sofern es sich um die Frauen handelt, die als Kriegerwitwen und Rentnerinnen von Ihnen als Reservoir der Hilfskräfte angesprochen werden, 'dürften sie zum Teil der Schwere der Aufgaben, die sie erwarten, nicht mehr in vollem Maße gewachsen sein. Daher dürfte dieses Gesetz keine Lösung des Problems bringen, sondern nur vielleicht eine kleine Hilfsstellung. Ich möchte dabei an die Erwartungen erinnern, ,die wir z. B. bei der Schaffung des Gesetzes zur Förderung des freiwilligen sozialen Dienstes hatten, und die sich, so müssen wir ehrlich sagen, nicht in vollem Umfang erfüllt haben.
Unsere verstärkte Kraft muß meines Erachtens darauf verwandt werden, die beruflichen Chancen der im sozialen und pädagogischen Bereich Tätigen und künftig Auszubildenden zu verbessern: einmal durch qualifiziertere Ausbildung; zum anderen durch gesellschaftliche Aufwertung dieser Berufe; zum dritten durch tariflich der Schwere der Aufgabenstellung entsprechende materielle Wertung in diesem Bereich; zum vierten durch die Hereinnahme von männlichen Pflegekräften in die Berufe, um auch im Berufsleben eine längere Kontinuität zu gewährleisten; zum fünften durch ein wenig mehr Phantasie, die auch von den Einrichtungen entwickelt werden muß, um Müttern mit Kindern und teilzeitbeschäftigten Frauen durch das Angebot von Kindergärten und dergleichen eine Möglichkeit zum Wiedereintreten in den Beruf zu geben. Schließlich glaube ich, daß auch noch durch verstärkte Rationalisierung und Modernisierung unserer Einrichtungen und kräfteschonender und sparsamer gearbeitet werden kann.Durch das Arbeitsförderungsgesetz besteht heute die Möglichkeit, Frauen bei Wiedereintritt in das
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Frau EilersBerufsleben, aber auch bei Umschulung gerade in soziale und pflegerische Berufe Hilfen zur Verfügung zu stellen, die sie in den Stand versetzen, im eigenen Interesse, aber auch im Interesse der Allgemeinheit eine fachlich fundierte und qualifizierte weitere Ausbildung zu übernehmen, um in diese Berufe neu eintreten zu können.Den Weg, so hoffe ich wenigstens, wird die jüngere Frauengeneration gehen, die nach der Aufgabenstellung, die sie im Bereich der Erziehung ihrer Kinder gehabt hat, noch einmal iris Berufsleben eintreten will. Sie wird also in diem Sinne nicht durch ,die Mobiliserung von Hlfskräften anzusprechen sein, sondern nach meiner Meinung mehr durch eine aufgestockte qualifizierte Ausbildung. Ich möchte dabei an die Antwort der Bundesregierung auf ,die Anfrage der CDU/CSU erinnern, die ja auch in diesen Bereich hineinzielt und über Umschulung im sozialen und pflegerischen Beruf Auskunft gibt.In der heutigen Zeit muß es uns darauf ankommen, den Ausbau der eigenen Versicherungsansprüche der Hausfrauen weiter auszubauen. Das geschieht nicht, wenn wir bereit sind, eine Gruppe, die wir als ein Arbeitskräftereservoir ansprechen wollen, auf Antrag aus der Versicherungssolidargemeinschaft entlassen. Da sind wir eben unterschiedlicher Meinung, Herr Kollege Horten.Haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, auch einmal überlegt, daß durch den Entwurf, den Sie vorgelegt haben, gegebenenfalls das Gegenteil von dem eintreten kann, was Sie vorgesehen haben, nicht Mobilisierung der Reserven, sondern eventuell ein Überwechseln von Vollzeitkräuften auf Teilzeitarbeit? Ich meine, es muß überlegt werden, ob dieser Effekt eventuell einen ungewollten Nebeneffekt erzielt.Der § 1 Ihres Entwurfs scheint mir in seinen Formulierungen über Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zu verklausuliert zu sein, um von dem anzusprechenden Personenkreis verstanden zu werden. Dort sind nämlich angesprochen Personen über 18 Jahre, „deren Entgelt für diese Tätigkeit monatlich ein Fünftel und je Arbeitsstunden 0,25 vom Hundert der für Monatsbezüge in den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenzen nicht übersteigt". Das heißt doch nach Ihrer eben ausgedrückten Formulierung und dem gegenwärtigen Stand entsprechend: Monatsbezüge bis 340 DM, Stundenlöhne bis 4,25 DM, bei Höchstlohn nicht mehr als 80 Stunden Arbeitszeit. Da iSie die Fachkräfte dn diesen 'Gesetzentwurf einbezogen sehen wollen, frage ich Sie: Halten Sie eine Höchststundenentlohnung von 4,25 DM für qualifizierte Fachkräfte für eine 'angemessene und vertretbare Bezahlung? In Ihrer Begründung zu Ihrem Entwurf sprechen Sie von einer dreijährigen Geltungsdauer dieses Gesetzes. Im Text lassen Sie diese Terminvierung vermissen. Wenn es Ihnen ernst ist mit der Befristung, müßte es doch auch möglich sein, Festbeträge in den Entwurf aufzunehmen, der dann klar und deutlich wäre.Der vorliegende Entwurf kann insoweit begrüßt werden, als er durch eine 'Begünstigung ides Personenkreises einen Anreiz für die Aufnahme einer Tätigkeit sozialer Hilfeleistungen bringen soll. Die Grenzen solcher Maßnahmen sind aber da zu ziehen, wo man einen größeren Einbruch in die Solidargemeinschaft der Sozialversicherten verursacht, in-idem man erhöhte Risikoträger zum Nachteil der Versicherungsgemeinschaft ifinanziell begünstigt.Die vorliegende 'Fassung dieses Gesetzes bringt entgegen Ihrer Begründung, Herr Kollege, keine Vereinfachung im Verfahren, weil beispielsweise die Arbeitgeber zunächst die gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung bei der Krankenkasse vornehmen müssen und erst Befreiungsanträge für die verschiedenen Versicherungszweige unter bestimmten unterschiedlichen Bedingungen zu einer Befreiung führen können. Dreimal tauchen z. B. in Ihrem Entwurf Möglichkeiten der Befreiung auf.Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird versucht, ein zusätzliches Kräftereservoir bei Personen zu gewinnen, die bereits in irgendeiner Form einen sozialversicherungsrechtlichen Schutz genießen. Sein Anreiz liegt, wie ich eben schon sagte, darin, diese Tätigkeit steuer- und sozialversicherungsfrei zu machen und gegebenenfalls den Weg zu einem freiwilligen Beitritt in eine Krankenkasse zu öffnen, sowie idarin, eben 100 DM ides Einkommens aus der Anrechnung sonstiger Versorgungsbezüge herauszunehmen. Da bisher bereits Beschäftigte mit Monatseinkommen bis zu 225 D-Mark ohnehin sozialversicherungsfrei sind, würde 'das Gesetz lediglich bei Bezügen zwischen 225 und 360 DM zum Zuge kommen. Wir sollten uns dafür aussprechen, daß für diesen in § 1 des Gesetzentwurfes vorgesehenen Personenkreis der Anreiz inoweit verstärkt wird, als er von Gesetzes wegen weiterhin steuerlich begünstigt wird.Zu den Beratungen im Ausschuß, so möchte ichanregen, sollten Stellungnahmen der freien Wohlfahrtsverbände — und Sie kennen ja auch zum Teil sehr kritische Außerungen der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände — noch einmal herangezogen werden. Außerdem sollten nach meiner Meinung auch die Gewerkschaften und Berufsorganisationen zu einer Stellungnahme gebeten werden.Uns allen muß daran gelegen sein, im Interesse der Menschen, denen zu helfen wir alle bereit sind, optimale, aber im Gesamtgefüge vertretbare Lösungen anzubieten. Und dazu die richtigen Wege zu finden sollten wir im Ausschuß versuchen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir Freien Demokraten sehen in dem Antrag der Opposition die gute Absicht, ein Problem zu lösen, das uns ja nicht erst seit heute beschäftigt, sondern mit dem wir uns seit vielen Jahren und auch in der letzten Legislaturperiode im zuständigen Ausschuß des öfteren befaßt haben. Es ist also nur eine Neuauf-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2325
Schmidt
lage des alten Wunsches, den, so glaube ich, alle Mitglieder dieses Hauses haben, eine Lösung zu finden, einen noch größeren Kreis von Arbeitskräften erfassen zu können, um vor allem in den pflegerischen bzw. sozialen Bereichen die Mangelstellen besetzen zu können. Insoweit begrüßen wir die Vorlage; insofern sehen Wir in ihr auch eine Teillösung, eine Teilmöglichkeit für unsere, für die von den Freien Demokraten immer vertretene Vorstellung, Teilzeitarbeit günstiger zu gestalten, um zusätzlich Halbtagskräfte ganz besonders in diesen Bereichen in den Arbeitsprozeß eingliedern zu können und ihnen eine echte Chance und einen Anreiz zu geben.Aber auch Sie, Frau Kollegin Eilers, und Sie selbst, Herr Kollege Horten, haben schon die Gegengründe und die Probleme, die mit dieser Vorlage auftauchen, angedeutet. Ich möchte dem nur noch einige Anmerkungen hinzufügen, weil ich glaube, daß wir bei aller Hoffnung und dem Wunsch, recht bald eine solche Lösung zu finden, wie es ja auch erbeten wurde, doch im Ausschuß alle Auswirkungen in allen Richtungen sehr genau überlegen müssen.Hier sehen wir vor allen Dingen ein Problem in der Abgrenzung des Personenkreises. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sprechen von der pflegerischen oder erzieherischen Tätigkeit. Wovon leiten wir das ab, von der Ausbildung oder von der Tätigkeit? Das ist schon ein. schwieriges Problem, um es nur an einem Beispiel zu verdeutlichen: In einem Altenheim oder in einem Krankenhaus kann eine für weitgehende Hilfsarbeiten Angestellte gleichzeitig auch gewisse pflegerische Aufgaben übernehmen, indem sie ältere Sieche mit betreut. Wo ist die Abgrenzung zwischen Ausbildung und Tätigkeit? Das ist das erste Problem.Das zweite Problem der Abgrenzung besteht in folgendem: Können wir nur auf die in entsprechenden Anstalten und Institutionen Tätigen abstellen, oder müssen wir nicht 'beispielsweise auch auf diejenigen Rücksicht nehmen, die eine solche Tätigkeit bei einem alten, kranken Menschen übernehmen, der keine Aufnahme in ein Heim finden kann, weil wir die Heime noch gar nicht haben? Auch darin ist zweifellos ein Problem zu sehen.Es gibt noch mehr Abgrenzungsschwierigkeiten. Natürlich besteht auch die Frage der Präjudizierung für andere Bereiche. Ich glaube, es wäre sehr gut — ich darf den Vertreter des Arbeitsministeriums, Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Rohde, darum bitten —, schon jetzt gewisse Untersuchungen anzustellen, damit wir bei den Ausschußberatungen entsprechendes Material über die rechtlichen Abgrenzungsmöglichkeiten, über die verfassungsrechtlichen Probleme usw. haben, auf Grund dessen wir dann eine Lösung finden können, die den Erfolg garantiert.Ein weiteres Problem muß ebenfalls gesehen werden. Ich möchte es, obwohl es Frau Kollegin Eilers schon angesprochen hat, noch einmal kurz verdeutlichen. Auch wir sind der Meinung, daß man dort, wo ein Versicherungsschutz gar nicht gewünscht wird und nicht notwendig ist, weil ein solcher schon vorhanden ist, Lösungen finden sollte, das zu erleichtern. Aber wir müssen darüber hinaus darauf achten, daß nicht Situationen entstehen, wo überhaupt kein Versicherungsschutz mehr vorhanden ist. Das können 'wir als Gesetzgeber im Ausschuß nicht durchgehen lassen. Auch hier sind die Abgrenzungen sehr genau zu sehen, und es erscheint uns auch notwendig, durch Material vom Ministerium im Ausschuß unterstützt zu werden.Schließlich ein dritter Punkt. Damit komme ich zum Abschluß auf eine alte Vorstellung der Freien Demokraten zurück. Es wäre in diesem Zusammenhang wieder einmal notwendig, die Diskussion darüber aufzunehmen, ob man nicht überhaupt auf dem Wege über eine Hausfrauenrente alle diese Probleme ganz anders lösen könnte. Wir werden uns in den nächsten Jahren mit dem Problem, zumindest im Rahmen einer Weiterführung .der Rentenversicherung, sowieso befassen, ob wir nicht hier an die Frage der Hausfrauenrente allmählich herangehen sollten. Dann hätten wir eine ganze Reihe von hier offenen Fragen sehr rasch gelöst.In diesem Sinne werden wir Freien Demokraten uns an den Ausschußberatungen in einer möglichst zügigen, aber auch all die Probleme vorher klärenden Diskussion beteiligen. Auch wir können nur hoffen, daß es uns allen damit gelingt, mehr pflegerisches Personal zu bekommen und diese große Mangelerscheinung zu beseitigen. Wir hoffen, daß wir das in absehbarer Zeit erreichen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auf die hier vorgetragenen Bedenken noch mit ein paar Sätzen antworten, damit die Absicht und die Vorstellungen der Antragsteller etwas deutlicher werden.Frau Kollegin Eilers, ich stimme mit Ihnen in sehr vielen Punkten überein hinsichtlich dessen, was man zur Linderung und Überwindung der Not an Pflegekräften in Krankenhäusern und Heimen noch tun könnte. Mein Kollege Horten hat ja schon ausgeführt, wir sehen dieses Gesetz durchaus nicht etwa an als das, was ausschlaggebend diese Not überwinden wird, sondern wir sehen es an als einen Schritt, der diese Not lindern kann, indem eben Kräfte hinzugezogen werden, die die Fachkräfte wenigstens in einigen Dingen entlasten können. Hier sind zwei Punkte angeführt worden, die angeblich zu Bedenken Anlaß geben. Das ist einmal unser Vorschlag, die Anrechnung auf andere soziale Leistungen zu mindern, und das ist weiter die Versicherungsfreiheit.Wie sieht es bei der Anrechnung auf andere soziale Leistungen aus? Lassen Sie mich hier ein Beispiel anführen. Eine Kriegerwitwe — ich habe mir das einmal ausrechnen lassen —, die die volle Ausgleichs- und Grundrente und einen Schadensaus-
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Frau Schroeder
gleich in Höhe von etwa 90 DM bekommt — das ist kein Einzelfall, sondern es gibt sehr viel solche Fälle —, erhält jetzt eine Rente von etwa 465 DM. Wenn diese Kriegerwitwe durch ihre Pflegetätigkeit in Teilzeitarbeit zusätzlich etwa 350 DM verdient, hat sie bei ihrer Rente eine Einbuße von etwa 160 DM. Sie können sich doch alle vorstellen, daß eine solche Einbuße die Leute zunächst einmal erschreckt und verärgert. Sie werden dann sagen: Ich mache eben nur so viel, daß ich keine solche Einbuße erleide. — Der natürliche Gedankengang dieser Frauen ist doch folgender: Ich tue hier etwas für die Gesellschaft außerordentlich Notwendiges. Warum bekomme ich dann so viel weniger als andere, die das nicht tun?Das ist jetzt gar keine Kritik an dem Gesetz und an den für den einzelnen manchmal schwer verständlichen und komplizierten Anrechnungsbestimmungen im allgemeinen. Diese Bestimmungen haben durchaus ihren Sinn und ihre Berechtigung, aber hier in diesem speziellen Fall erweisen sie sich als Hindernis und als nicht passend. Ich meine, es ist schade um jede Kraft, die bereit und in der Lage ist, in unseren Heimen und Anstalten zu helfen, und die sich durch solche Dinge davon abhalten läßt.
Ich komme nun zu dem zweiten Bedenken. Es wird immer gesagt, eine Frau könnte dadurch bei ihrer Rente später Nachteile haben. Das kann durchaus zutreffen. Deswegen halben wir ja in unseren Gesetzentwurf hineingebracht, daß sie auf Antrag versicherungsfrei sein soll. Ich bin ziemlich sicher, daß die Frauen heute durchaus wissen, wodurch sie ihre Rente später verbessern können und wann das nicht in Frage kommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sprechen alle — und mit Recht — sehr viel von den Notwendigkeiten und Aufgaben der Gesellschaftspolitik. Zu einer modernen Gesellschaftspolitik gehören große Anstrengungen, die Umweltbedingungen für unsere Menschen zu verbessern. Unter dieser Überschrift bitte ich auch unseren Gesetzentwurf zu sehen, der Vorschläge für die Verbesserung der
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Dr. Müller-HermannVerkehrsverhältnisse in den Gemeinden unterbreitet.Wir haben wahrscheinlich alle die täglichen Erfahrungen vor Augen, wenn wir uns an die Arbeitsplätze oder von dort wieder nach Hause begeben. Wenn wir uns vorstellen, daß sich die Zahl der Personenkraftwagen im Laufe der nächsten zwölf oder fünfzehn Jahre verdoppeln soll, dann liegt die Forderung nahe, daß auf diesem Gebiet unbedingt und dringlich etwas Neues, etwas Zusätzliches getan werden soll, wenn wir mit den Problemen fertig werden wollen. Allein der Verschleiß an Zeit, Material und Nerven, der sich im innerstädtischen Verkehr tagtäglich vollzieht, ist ein deutlicher Hinweis. Leider wird ein Großteil dessen, was wir als gesellschaftspolitischen Fortschritt unter der Überschrift Arbeitszeitverkürzung hinnehmen, zu einem Scheingewinn, weil auf den Wegen zu und von den Arbeitsplätzen sehr viel von der gesparten Zeit wieder verlorengeht.Wir sind der Meinung, daß diese Probleme nicht nur generell angepackt werden müssen, sondern daß auch speziell sehr viel getan werden muß, um die öffentlichen Verkehrsmittel so attraktiv zu machen, daß sich ihnen möglichst viele Mitbürger anvertrauen und auf die Benutzung des eigenen Fahrzeugs im städtischen Bereich verzichten.Aus diesen Überlegungen ergibt sich, meine Damen und Herren, daß es nicht ausreicht, wenn wir uns auf den Bau von Autobahnen und Fernstraßen beschränken. Wir müssen das Verkehrswegenetz immer mehr als eine große Einheit ansehen, und wir müssen die ohnehin immer knapp bleibenden Mittel vorrangig dort einsetzen, wo die größten Engpässe im Verkehr bestehen und die größten Unfallgefahren festzustellen sind. Hier bietet sich gerade in Richtung auf den gemeindlichen Verkehrsausbau eine Aufgabe an, die eine echte Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden ist.Darauf hat auch schon der sogenannte Enquetebericht aus dem Jahre 1964 hingewiesen. Er empfahl, das Schwergewicht der öffentlichen Verkehrsinvestitionen spürbar auf die Brennpunkte des Orts- und Regionalverkehrs zu verlagern. Diese Schwerpunkte, des Orts- und Regionalverkehrs sind leider auch diejenigen Räume, in denen zur Zeit mit Sicherheit viel zu wenig geschieht. Vier Fünftel des gesamten Kraftverkehrs spielen sich in den Städten und den Ballungsgebieten ab. Dort ereignen sich auch zwei Drittel aller Verkehrsunfälle.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich dieser Probleme sehr früh angenommen. Ich verweise auf den von uns seinerzeit initiierten Bericht der Enquete-Kommission; ich verweise auf die Initiative, die wir 1966 ergriffen haben, und zwar gegen verständlichen öffentlichen Widerstand, der nachher im Zuge der Großen Koalition allerdings schnell überwunden wurde; ich verweise auf unseren Vorschlag, die Mineralölsteuer gezielt um 3 Pf anzuheben, um damit im gemeindlichen Bereich mehr als bisher tun zu können. Diese Mittel ermöglichen es zusammen mit dem sogenannten Gemeindepfennig nach § 5 a des Bundesfernstraßengesetzes, daß derBund zur Zeit den Gemeinden jährlich etwa 1 Milliarde DM zur Verfügung stellt.Statistische Untersuchungen des Städtetages ergeben, daß trotzdem für die vor uns liegenden zehn Jahre eine Finanzierungslücke von etwa 30 Milliarden DM bestehen bleibt. Wenn wir uns auf die gegenwärtigen Mittelzuweisungen beschränken, wird nur die Hälfte dieser Finanzierungslücke gefüllt werden können.Meine Damen und Herren, ich verwies schon darauf, daß sich die sozialdemokratische Fraktion, als sie noch in der Opposition war, gegen alle Anhebungen der Mineralölsteuer sehr verwahrt hat und sich dafür um so mehr für eine möglichst totale Zweckbindung der Mineralölsteuer eingesetzt hat.Ich habe hier ein Zitat des Herrn Bundeskanzlers .von einer Verkehrskonferenz der SPD vom 28. Februar 1963. Dort heißt es:Deshalb sind wir der Meinung, daß in den Straßenbau alle Aufkommen spezifischer Verkehrsabgaben fließen müssen. Meine Freunde und ich waren dafür und sind auch jetzt dafür, daß die Zweckentfremdung der Mineralölsteuer beseitigt wird. Wir fordern mehr Hilfe für den Straßenbau in den Städten und Gemeinden. Wir unterstützen die Forderung des Deutschen Städtetages nach einer 15prozentigen Beteiligung am Mineralölsteueraufkommen.Ich verweise auf diese Ausführungen.Auch bei den Haushaltsberatungen 1966 wurde von seiten der SPD-Fraktion — ich glaube, es war damals der Kollege Börner — eine Anhebung der Mineralölsteuer-Zweckbindung von 50 auf 65 O/o gefordert. Leider müssen wir feststellen: Seitdem Bundesverkehrsminister Leber im Amt ist, hat er dieses Herzensanliegen der SPD nicht mehr weiter verfolgt. Initiativen gerade zugunsten des Ausbaus im städtischen Bereich sind bisher jedenfalls von Regierungsseite ausgeblieben.Nach unserem jetzt hier eingebrachten Gesetzentwurf wird der Bund für die vor uns liegenden 15 Jahre, auf die auch der Fernstraßenausbau terminlich abgestellt ist, Zuwendungen zugunsten der Gemeinden in einer Größenordnung von 24,3 Milliarden DM — gegenüber 19,9 Milliarden DM nach der bisherigen Regelung — zur Verfügung stellen, d. h. wir steigern die Bundeszuwendungen an die Gemeinden um 22,1 %Sie werden natürlich fragen: Wie wollen wir das finanziell darstellen, ohne in eine Spiegelfechterei einzutreten oder eine zusätzliche Beanspruchung des Bundeshaushalts zu Lasten anderer Aufgaben vorzunehmen? Unsere Überlegungen basieren auf den neuesten statistischen Berechnungen, die gegenüber den Zahlen aus dem Jahre 1968 für diese 15 Jahre ein Mehraufkommen aus der Mineralölsteuer in einer Größenordnung von 7,3 Milliarden DM ergeben. Diesen Betrag wollen wir teilweise den Gemeinden für ihren Verkehrsausbau zur Verfügung stellen und kommen damit zu dem Ergebnis, daß die für die 15 Jahre für den Fernstraßenbau vorgesehenen 93,3 Milliarden DM nicht angegriffen zu
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2328 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Dr. Müller-Hermannwerden brauchen und auch die nach den bisherigen Schätzungen vorgesehenen Mittelzuweisungen für den allgemeinen Haushalt ,aus den 500/o nicht zweckgebundenen Mineralölsteuermitteln nicht angetastet werden, d. h. daß auch hier die bisher erwarteten 93,35 Milliarden DM in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Wir meinen, daß das eine sehr solide Finanzierungsbasis im Rahmen des Möglichen darstellt, und möglicherweise werden unsere Schätzungen durch die immer schneller wachsende Motorisierung auch noch übertroffen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2329
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2330 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
1964 bzw. noch früher haben wir die erste Initiative ergriffen, diese Probleme einmal in einem Sachverständigenbericht untersuchen zu lassen, um das Parlament in die Lage zu versetzen, darüber zu entscheiden, was getan werden könnte. Von uns ist 1966 die Initiative ausgegangen, die Mineralölsteuer zugunsten der Gemeinden um 3 Pfennige aufzustocken. Damals haben Sie als Opposition mit allen verfügbaren Mitteln dagegen angekämpft. Ich habe hier die Zitate von Herrn Börner, von Herrn Apel, von Herrn Seifriz, die sich mit Entschiedenheit gegen eine Veränderung der Mineralölsteuer zur Wehr gesetzt haben. Der erste Schritt der neugebildeten Großen Koalition im Dezember 1966 war die Verabschiedung dieses Gesetzes mit der Folge, daß Herr Leber dann durch die Lande gezogen ist und gesagt hat: Was haben wir hier für die Gemeinden mit Hilfe dieses Gesetzes alles getan! Das ist doch keine faire Form der Politik, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Müller-Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Herr Kollege MüllerHermann, ist Ihnen nicht bekannt, daß Ihre Fraktionskollegen, als wir im Verkehrsausschuß die Zweckbindung der Zuwendungen bzw. Zuweisungen bei 52 % beschlossen haben, im Verkehrsausschuß mitmachten, daß sie sich aber, als diese Vorlage im Parlament zur Abstimmung kam, nicht der Stimmenmehrheit wie im Verkehrsausschuß angeschlossen haben? Ist Ihnen das entgangen, oder haben Sie das inzwischen vergessen?
Herr Kollege Haage, über die Zweckbindung und die Höhe der Zweckbindung haben wir manchen Strauß ausgefochten. Wir haben damals in einer ähnlichen Haushaltssituation wie auch der heutigen uns dazu durchringen müssen, auch in den Zuwendungen aus der Mineralölsteuer maßzuhalten. Ich könnte Ihnen etwa die Zahlen vorrechnen, was von der 50 %igen Zweckbindung der Mineralölsteuer im Jahre 1970 übrigbleibt, und zwar in Richtung auf den Fernstraßenbau. Sie würden erröten, wenn Sie die Zahlen hörten — Herr Börner mag mich nachher berichtigen —: effektiv wird am Jahresende vielleicht eine Zweckbindungsrate von 42 oder 43 % übriggeblieben sein. Ich würde empfehlen, jetzt die Diskussion nicht auf alte Fährten zu lenken.
Herr Kollege Müller-Hermann, gestatten Sie eine zweite Zusatzfrage?
Von Herrn Kollegen Haage immer.
Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, ist Ihnen nicht bekannt oder ist Ihnen entgangen, daß mein Kollege Haar hier erklärt hat, daß er keinen Abstrich bei der Zweckbindung gestatten würde und daß sich die SPD-Leute im Verkehrs- und Wirtschaftsausschuß strengstens dagegen verwahren würden? •
Davon bin ich überzeugt, aber auch sie werden unter dem Zwang des Herrn Bundesfinanzministers stehen, der aus ganz anderen Erwägungen sagen wird: Ich kann nicht anders, als hier eine Sperrung durchzuführen. Diese Sperrung wäre vielleicht aus Ihrem oder unserem Blickwinkel falsch am Platze. Vor diesem Dilemma steht jede Regierung, die sich in der Verantwortung befindet und die nicht nur für den Straßenbau, sondern auch für die Konjunktursteuerung zuständig ist. Deshalb würde ich empfehlen, daß Sie sich mit Argumenten in dieser Richtung sehr vorsichtig verhalten, sonst könnte ich Ihnen eine Menge von Zitaten vorlesen, die Sie in eine sehr schlechte Position brächten.
— Das ist möglich, aber man sollte nicht mit verschiedenen Zungen sprechen, Herr Kollege Haar, und das haben Sie in diesem Teil reichlich getan.Ich möchte noch eine abschließende Bemerkung zu dem machen, was Sie über das Verkehrspolitische Programm von Herrn Leber gesagt haben. Wir haben ja darüber in der Zeit der Großen Koalition unsere Auseinandersetzungen gehabt und haben dann einen Kompromiß geschlossen. Ich kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren, wenn das ursprüngliche Leber-Programm mit den Beförderungsverboten verwirklicht worden wäre, hätten wir schon im vergangenen Jahr und in diesem Jahr noch verstärkt einen totalen Zusammenbruch unseres Verkehrssystems gehabt. Das Verkehrsprogramm von Herrn Leber ist erst etwas Vernünftiges geworden, nachdem in der internen Koalitionsdiskussion im Sommer des Jahres 1968 der Kompromiß geschlossen worden war.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2331
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haar?
Bitte!
Herr Kollege Müller-Hermann, wie wollen Sie denn diese Behauptung „totaler Zusammenbruch" beweisen?
Das könnte ich Ihnen damit beweisen, daß die Bundesbahn, über deren erfreuliche Auslastung wir natürlich sehr beglückt sind, einfach überfordert gewesen wäre, all das, was unter das Beförderungsverbot gefallen wäre, mit ihrem Waggonpark noch zusätzlich zu transportieren. Das wäre faktisch unmöglich gewesen. Da können Sie auch jeden Bundesbahner fragen. Ich glaube, das Problem ist ausgestanden. Deshalb würde ich auch bei Ihren Formulierungen mit „Leber-Plan" etwas vorsichtig sein. Der heutige Leber-Plan ist etwas anderes als der, der ursprünglich von Herrn Leber der Regierung und dem Parlament vorgelegt worden ist.
Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?
Herr Müller-Hermann, würden Sie mir eine Antwort darauf geben können, wie Sie sich erklären, weshalb die Bundesbahn in den Jahren zwischen 1949 und 1966 in eine so schwierige finanzielle Situation kam, die es ihr nicht ermöglichte, in dem Maße zu investieren, wie das notwendig gewesen wäre?
Ja, sicher, das ist ein sehr schwieriges Problem gewesen, und man hätte sicherlich mehr für Investitionen tun können. Die schlechte Situation, in die die Bundesbahn schließlich hineingeraten ist, war bedingt durch die ungeheure Entwicklung ihrer Kosten, die nicht durch Rationalisierungsmaßnahmen oder über die Preise aufgefangen werden konnten. Wir können nur froh sein, wenn die Bundesbahn jetzt angesichts der Konjunkturentwicklung das Schlimmste überstanden hat und sich in einer erfreulichen Aufwärtsentwicklung befindet. Ich hoffe nur, daß die Bundesbahn nicht übersieht, daß sie nach wie vor erhebliche interne Strukturprobleme zu bewältigen hat, die man am besten in einer Phase der Vollauslastung und der Hochkonjunktur löst. Ich hoffe nur, daß sich die Regierung oder die Leitung der Bundesbahn nicht eines Tages in einer möglichen veränderten Situation werden sagen müssen: Wir haben die guten Jahre nicht genügend genutzt, um diese Strukturprobleme bei uns selbst zu bereinigen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.
Frau Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln hier in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden, kurz: Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Ich habe mir erzählen lassen, daß dieser CDU-Entwurf, der uns so schnell auf den Tisch des Hauses gelegt wurde, eine sehr starke Ähnlichkeit mit einem Referentenentwurf besitzt, der im Hause des Bundesverkehrsministers erarbeitet wurde.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?
Herr Kollege Ollesch, vermögen Sie, der Sie mit verkehrspolitischen Fragen bisher nicht so sehr beschäftigt gewesen sind, sich nicht vorzustellen, daß, wenn verschiedene Kräfte an einem Problem arbeiten, möglicherweise auch von unterschiedlichen Ansatzpunkten her ein ähnliches Ergebnis erreicht wird? Können Sie sich vorstellen, daß wir an diesem Problem und an einer Gesetzesvorlage seit über einem Jahr arbeiten, und zwar nicht nur seit dem Bestehen dieser Regierungskoalition?
Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, ich arbeite erst seit kurzem im Verkehrsausschuß mit. Das gebe ich Ihnen zu. Aber wenn Sie gleich aufstehen, wissen Sie noch gar nicht, was ich sagen wollte. Ich habe Ihnen ja bisher gar keinen Vorwurf gemacht!
— Ich habe den Vorredner leider nicht hören können, weil ich eine andere Verpflichtung hatte. Ich wollte damit nur aufzeigen, daß ähnliche Gedanken, wie Sie sie sich gemacht haben und wie sie sich in dem vorliegenden Entwurf niedergeschlagen haben, auch im Verkehrsministerium angestellt werden, in allen anderen Fraktionen neben Ihrer Fraktion auch, weil uns wie Ihnen natürlich die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse am Herzen liegt, Herr Kollege Müller-Hermann. Von daher brauchen Sie nicht gleich zu intervenieren, wenn ich einen Satz beginne.
Es ist nur die Frage, ob es zweckmäßig ist, einen bestimmten Teil des für den Verkehrswegebau zur Verfügung stehenden Finanzumfanges in Prozentsätzen für einen längeren Zeitraum zu binden und die Bindung so anzusetzen, daß sie einen großen Teil des zu erwartenden Mehraufkommens aus der Mineralölsteuer in Anspruch nimmt, so daß der notwendige Ausbau von Fernstraßen, der uns auch am Herzen liegt, wenn wir an die Zustände denken, die von Zeit zu Zeit in den Sommermonaten auf unseren Straßen herrschen, unter 'Umständen nicht in dem Maße erfolgen könnte, wie wir es vorsehen.
Herr Kollege 011esch, gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?
Herr Kollege 011esch, darf ich unterstellen, daß Sie den Gesetz-
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2332 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Dr. Müller-Hermannentwurf und die Begründung nicht gelesen haben, denn sonst hätten Sie das eben nicht gesagt. Wissen Sie nicht, daß durch diese Gesetzesvorlage dem Fernstraßenbau effektiv sogar mehr Mittel zufließen, nämlich 2,9 Milliarden DM für die kommenden 15 Jahre, weil das, was zur Zeit über den Gemeindepfennig dem Fernstraßenbau entzogen wird, ihm hier zufließt?
Herr Kollege Müller-Hermann, ich weiß, daß ein Teil des Mehraufkommens auch in den Fernstraßenbau einfließt; aber ein großer Teil — und Sie haben ja in Ihrem Gesetzentwurf ausdrücklich erwähnt, daß die mittelfristige Finanzplanung nicht besonders berührt wird — fließt dann durch die Bindung in den Gemeindestraßenbau hinein. Sie haben nämlich die Bindung in den Prozenten so angesetzt, daß ein erheblicher Mehnzufluß die Folge ist.
Wir werden uns natürlich im Verkehrsausschuß darüber unterhalten müssen, ob diese Bindung sehr sinnvoll sein wird. Sicherlich beinhaltet Ihr Gesetzentwurf einige gute 'Gedanken. Die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten abzulösen durch einen Globalansatz, festgelegt in der Höhe des Mineralölsteueraufkommens, kann sehr sinnvoll sein. Aber wir sind nicht in der Lage, hier in der ersten Lesung Ihrem !Gedankengang bis ins letzte !zu folgen.
Aber warum, Herr Müller-Hermann? Weil wir damals der Meinung waren, daß dadurch die Wettbewerbsstellung der deutschen Seehäfen gegenüber den Rheinmündungshäfen weiter verschlechtert würde. Erst Herr Bundesverkehrsminister Leber hat u. a. durch die Begrenzung ,der Freimengen von 100 auf 50 Liter und durch andere Maßnahmen dafür gesorgt, daß diese Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der deutschen Seehäfen erträglicher wurden und damit auch diese zusätzliche Steuerbelastung hingenommen werden konnte.Eine zweite Bemerkung zur Historie: Wenn Sie immer so tun, als sei es der „Leber-Plan" des Bundesverkehrsministers gewesen, dann möchte ich Sie daran erinnern, daß das ganze „Verkehrspolitisches Programm 'der Bundesregierung" hieß, und wer in dieser Bundesregierung den Kanzler gestellt hat, wissen Sie ja noch sehr genau. Wir sollten endlich einmal aufhören mit dieser Art von billiger Argumentation,
als sei ,das ein Plan eines Ministers gewesen. Es war ein Plan der Bundesregierung.
— Ich bitte Sie, das hat doch das Kabinett eingebracht. :So 'kurz darf doch Ihr 'Gedächtnis wirklich nicht sein.
Ich stehe aber gar nicht an, Herr Müller-Hermann, allen Verkehrspolitikern der damaligen Zeit — inklusive Herr Börner und Herr Leber — ein Kompliment zu machen; denn sie haben in mühevoller Arbeit etwas zustande gebracht, das vernünftig ist und das wir in dieser Legislaturperiode, wie Herr Haar das richtig ausgedrückt hat, fortsetzen werden.Nun noch ein paar Bemerkungen zu 'den aktuellen Problemen, • die Sie angesprochen haben. Erstens. Wann merkt man immer, daß Schulkinder vom Nachbarn abgeschrieben haben? Dann, wenn Sie Fehler mit abgeschrieben haben; dann kann der
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2333
Dr. ApelLehrer -das ,am besten nachprüfen. Auf diese Artund Weise, Herr Müller-Hermann, fällt es uns kei-neswegs schwer, Ihnen nachzuweisen, daß Sie sich— sagen wir es einmal vorsichtig — von den Gedankengängen aus -dem Ministerium haben inspirieren lassen. Dazu ist auch gar nichts Böses zu sagen. Warum sollen sie das nicht tun?
— Ja, natürlich Herr Schmidt, das steht Ihnen zu. Nur reagiert Herr Müller-Hermann, als ob er angestochen ist.
— Nein, Herr Müller-Hermann, keineswegs! Hier Hase und Igel zu spielen, überlassen wir Ihnen. Es geht uns um die Sache, nicht darum, daß Sie einmal vier Wochen eher in einem Zweizeiler In der „Welt" gestanden haben. Das gönnen wir Ihnen gerne.
Ich komme zu einer zweiten Bemerkung. Herr Müller-Hermann, wir Sozialdemokraten lehnen es "ab, wenn Sie sagen oder so tun, als hätte Verkehrsminister Leber zur Sanierung der Bundesbahn nichts getan. Es gibt eine ganze Reihe ganz moderner Beschlüsse; ich erinnere nur an Fragen ,der Tarifbildung.
— Sie haben gesagt, Herr Müller-Hermann: Nutzen Sie jetzt die Zeit zur Sanierung der Bundesbahn. In dieser Bemerkung steckt doch ein Vorwurf, und den weise ich zurück.
Ich bin keineswegs allergisch, wir sind heitererLaune.
— Genau! Aber in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen, Herr Müller-Hermann, sagen — jetzt bin ich ganz vorsichtig —, -daß dort schon einiges geschieht: Erstens. Die Verlängerung des 250-Millionen-Fonds. Zweitens. Die Tarifbildungsfragen. Drittens. Die größere kaufmännische Orientierung der Bundesbahn. Natürlich bleibt ein Problem nach: die Organisationsreform der Bundesbahn. Kommen Sie doch einmal hier -ans Rednerpult und machen Sie ein paar Vorschläge. Mich würde interessieren, was Sie dazu zu sagen haben.
— Dann hätte er einen Vierzeiler.Eine letzte Bemerkung, Herr Müller-Hermann. Über eines müssen wir uns im klaren sein. Es geht hier um ein ganz entscheidendes Problem, nämlich um die Frage: Wieviel Geld haben wir für den Straßenbau? Man muß Ihrem Entwurf entgegenhalten, daß doch die Tatsache bestehenbleibt — -selbst wenn Ihre Rechnungen, daß mehr Geld bis 1985 zur Verfügung stünde, stimmen würden —, daß die bestehenden Mittel nur bedingt ausreichen werden, um den Fernstraßenbau zu finanzieren. Insofern ist zu wenig Geld vorhanden. Wenn Sie aber etwas wegnehmen, Herr Kollege Müller-Hermann, haben Sie ein noch größeres Loch beim Fernstraßenbau. Über diese Problematik müssen wir uns also gemeinsam unterhalten. Diese Problematik ist entscheidend, hingegen ist das, was Sie vorgelegt haben, nur bedingt hilfreichMein Kollege Haar hat Ihnen aber schon gesagt, daß wir ,das im Verkehrsausschuß behandeln werden, und zwar sind wir der Meinung: federführend, auch wenn dort ein Sozialdemokrat Vorsitzender ist, was Ihnen nicht paßt. Dieses Problem gehört nicht in -den Bereich des Finanzausschusses, sondern in den Verkehrsausschuß.
Das Wort hat der Herr Parlamentariche Staatssekretär Börner.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung sieht in dem Verkehrsausbau in den Gemeinden eine wichtige politische Schwerpunktaufgabe. Sie wind deshalb innerhalb der nächsten Wochen dem Hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes zuleiten, das sich mit diesen Fragen 'beschäftigt und entsprechende Lösungsvorschläge .anbietet. Sie ist aber, Herr Kollege Müller-Hermann — deshalb habe ich mich gemeldet —, im Gegensatz zu einer Fraktion des Hauses daran gebunden, bei einer solchen Maßnahme auch den Bundesrat im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit zu konsultieren. Sie muß dieses Verfahren durchführen, und sie wird es in den nächsten Tagen einleiten. Ich hoffe sehr, daß der 'Entwurf Ihrer Fraktion dann gemeinsam mit den Vorstellungen der Regierung in den Ausschüssen des Hohen Hauses behandelt werden kann.Ich möchte hier zu idem großen Problem -der Straßenbaufinanzierung nichts sagen, obwohl die Debatte natürlich dazu anreizt. Ich muß nur auf eines hinweisen. Man kann dem Bundesverkehrsminister nicht den Vorwurf machen, daß Initiativen zur Lösung dieses Problems in den vergangenen Jahren ausgeblieben seien. 'Sie alle wissen, daß es eine wichtige Entscheidung der letzten Legislaturperiode war, das durch die Mineralölsteuererhöhung erzielte Aufkommen zweckgebunden für diesen besonderen Punkt unseres Verkehrsausbaus einzusetzen. Wir haben, wenn wir ,das Haushaltsjahr 1970 in die Rechnung mit hineinnehmen, immerhin seit 1967 dafür 3,2 Milliarden 'aufgewendet. Das heißt, daß hier doch Erhebliches in Bewegung gekommen
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2334 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Börnerist und daß wir nicht davon sprechen können, Herr Bundesminister Leber hätte in der vorigen oder in dieser Legislaturperiode vor diesem Problem kapituliert.Wir sind dankbar für jede Unterstützung seitens des Hohen Hauses, die zu einer Ausweitung dieses Bauvolumens führen könnte. Aber Sie alle wissen, welche Probleme sich gegenwärtig auch auf dem Baummarkt durch die, Konjunkturpolitik und die notwendigen restriktiven Maßnahmen der Bundesregierung und des Bundestages ergeben.
Ich darf Sie also schon jetzt bitten, obwohl das. rein geschäftsordnungsmäßig gar nicht möglicht ist, die Überlegungen der Bundesregierung, die — das haben Sie selber zugegeben — von den Ihren nicht allzuweit entfernt sind, in der Ausschußarbeit mit in Ihre Überlegungen aufzunehmen. Und ich nehme den Ausspruch, den Sie hier getan haben, daß dieser Entwurf eine solide Arbeit sei, auch als Lob für die Mitarbeiter unseres Hauses, die sichgroße Mühe gegeben haben, hier die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind am Ende der ersten Beratung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — federführend — und zur Mitberatung an den Innenausschuß und den Finanzausschuß sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Ist das Haus damit einverstanden? —
— Herr Kollege, wollen Sie einen Antrag stellen?
— Dann muß ich abstimmen lassen. Wer für die Überweisung ist, wie sie hier vorgeschlagen ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Gegen eine Stimme und bei einer Enthaltung ist es so beschlossen.Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 13:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes— Drucksache VI/578 —Das Wort zur Begründung wird vom Bundesrat offensichtlich nicht gewünscht. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft — mitberatend —. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Durchführung von Richtlinien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr— Drucksache V1/611 —Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Auch das Wort zur Beratung wird nicht begehrt. Ich schließe die Beratung.Der Vorschlag des Ältestenrates lautet: Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß, Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung
— Drucksache VI/640 —b) Beratung des Berichts über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen nebst dem Gutachten des Sozialbeirats zu den Rentenanpassungen 1971 und zu den langfristigen Vorausberechnungen sowie einer Anlage hierzu— Drucksache VI/581 —Wird das Wort zur Begründung begehrt? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Beratung? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.Der Vorschlag des Ältestenrates für Punkt 15 a: Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Der Bericht unter Punkt 15 b) soll überwiesen werden an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2335
Vizepräsident Frau FunckeIch rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofesbetr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1967— Drucksache VI/559 —Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Haushaltsausschuß. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 und 18 auf:17. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Verlängerung der in Artikel 7 Absatz 1 C) der Richtlinie des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs mit Lebendvieh vorgesehenen Frist— Drucksachen VI/288, VI/623 —Berichterstatter: Abgeordneter Schröder
18. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates über die Einführung gemeinsamer Regeln für den Pendelverkehr mit Kraftomnibussen zwischen den Mitgliedstaaten— Drucksachen VI/371, VI/634 — Berichterstatter: Abgeordneter VeharDie Ausschüsse empfehlen Kenntnisnahme der Vorschläge und darüber hinaus die Annahme von Entschließungen. Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ist das Hohe Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam darüber abstimmen? = Ich höre keinen Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf Drucksache VI/623 und VI/634. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! —Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Wir kommen zum vorletzten Punkt der heutigen Vormittagssitzung, Tagesordnungspunkt 19:Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft über die von der Bundesregierung erlassene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 4/70 — Zollkontingent für Bananen)Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
— Drucksachen VI/398, VI/478, VI/628 — Berichterstatter: Abgeordneter SchollmeyerHier hat das Haus nur vom Bericht des Ausschusses für Wirtschaft Kenntnis zu nehmen. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Dann hat das Haus dies zur Kenntnis genommen.Die Tagesordnung ist auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung noch um folgenden Punkt erweitert worden:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes über befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit— Drucksache VI/645 —Wünscht jemand das Wort hierzu? — Das ist nicht der Fall. Dann haben wir die Überweisung zu beschließen. Sie ist vorgeschlagen an den Rechtsausschuß. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Damit sind wir am Ende unserer Vormittagssitzung. Heute nachmittag steht lediglich der Punkt 11 zur Debatte. Ich berufe das Haus auf 15.00 Uhr wieder ein.
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.
Meine Damen und Herren, nachdem die Tagesordnung heute morgen weitgehend erledigt worden ist, haben wir heute nachmittag nur noch einen Punkt zu erledigen. Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
— Drucksache VI/425 —
Zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Dr. Gölter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich an den Anfang meiner Bemerkungen zwei Sätze aus der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom vergangenen Oktober stelle. Es heißt dort:Der Ausbau der Hochschulen muß verstärkt vorangetrieben werden.An einer anderen Stelle heißt es:Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung stehen an der Spitze der Reformen, die es bei uns vorzunehmen gilt.
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2336 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Dr. GölterBeide Sätze sind ebenso lapidar wie, richtig. Siesind aber in der Regierungserklärung zweifellos nicht nur als neue Erkenntnisse gemeint, sondern ,als besonders signifikante Beispiele und Zielsetzungen einer Politik einer Bundesregierung, die unter dein Anspruch derinneren Erneuerung angetreten ist. Daß die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung in einem Antragauffordert, „im der mittelfristigen Finanzplanung die vorgesehenen Mittel für den Ausbau und Neubau von Hochschulen unverzüglich mit dem Ziel zu überprüfen, in den Jahren 1971, 1972 und 1973 eine jährliche Steigerung der Mittel von mehr als 100 Millionen DM vorzusehen", geht letztlich auf nichts anderes als auf die bedauerliche Tatsache zurück, daß die eingangs zitierten Sätze — insbesondere in der mittelfristigen Finanzplanung — ganz offensichtlich lediglich Erkenntnis geblieben sind und daß die notwendigen Konsequenzen daraus nichtgezogen werden.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung geht in ihren Ankündigungen, in ihren Projektnonen in aller Regel ja sehr weit. Der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat in einer Fülle von Äußerungen sowohl in diesem Hause, aber vor allem außerhalb dieses Hauses darauf hingewiesen, welche Anstrengungen im Jahre 1980 für unser Bildungswesen notwendig sein werden. Auch der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Haushaltsrede auf diese Anstrengungen des Jahres 1980 verwiesen; er hat die Zahl 50 Milliarden DM genannt. Aber er hatgleichzeitig auch zugestanden, daß der Bundeshaushalt 1970 und die mittelfristige Finanzplanung für idie Jahre 1970 bis 1973 den Bereich der Bildung und Wissenschaft nicht ausreichend berücksichtigen.Wenn die mittelfristige Finanzplanung — insbesondere im Bereich der wissenschaftlichen Hochschulen — so bleibt, wie es sich bis jetzt abzeichnet, legt sich der Verdacht nahe, daß mit dem Hinweis auf 'die Zielsetzungen für ein ganzes weiteres Jahrzehnt von den bis jetzt keineswegs überwältigenden Zielsetzungen für die kommenden Jahre bis 1973 abgelenkt werden soll. Bis zur Stunde ist noch nicht einmal klar, in welchem Unifang die Mittel im Jahre 1970 zur Verfügung stehen werden. In der Öffentlichkeit 'argumentiert die Bundesregierung nach wie vor mit Zahlen, bei denen die Konjunktursperre nicht 'berücksichtigt ist.Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine kurze Bemerkung 2u den Auswirkungen der Konjunktursperre auf den Einzelplan 31. Ich weiß sehr wohl, daß der Einzelplan 31 auf Grund der vielen Investitionen, die darin enthalten isind, in sehr hohem Maße konjunkturwirksam ist. Aber trotz dieser Einschränkung, trotz der verhältnismäßig geringen Vergleichbarkeit der 'verschiedenen Einzelpläne bleibt doch die Feststellung — dieser Feststellung kann nicht widersprochen werden —, daß der Einzelplan 31 von der Konjunktursperre in ganz besonderem Maße betroffen worden ist. Ich möchte sagen, er ist bei den Beratungen über die Konjunktursperre hinten heruntergefallen. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß im Einzelplan Arbeit und Sozialordnung bei einer Gesamtsumme von fast 19 Milliarden DM nur 8 Millionen DM unter die Konjuniktursperre fallen, wenn man sich vor Augen hält, daß es in den Bereichen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und ides Innern 3,5 %, im Bereich des Städtebaus und Wohnungswesens 4,2 %, im Bereich von Bildung und Wissenschaft demgegenüber alber ganze 10 % sind, ist es doch äußerst problematisch, vor dem Hintergrund dieser Bilanz von einer Priorität von Bildung und Wissenschaft zu sprechen.Meine Damen und Herren, wir hoffen, daß es durch Sperrenverlagerungen, nicht durch eine Entsperrung — letztere würde den Gesamtbetrag vergrößern, und eine Vergrößerung wollen wir unter gar keinen Umständen — 'gelingt, 'die 75 Millionen DM doch noch freizubekommen.Meine 'Damen und Herren, in der mittelfristigen Finanzplanung ist das Auseinanderklaffen von Theorie und Praxis, von Anspruch und Wirklichkeit im besonderen Maße deutlich. Der Bundesregierung kommt der unseres Erachtens traurige Ruhm 'zu, als eine der ersten innenpolitischen Leistungen in der Hoèhschulpolitik für 1971 in der mittelfristigen Finanzplanung eine Verringerung ,der Mittel um 10 Millionen DM vorgenommen zu haben.
Bei 'dieser Verringerung um 10 Millionen DM sind wir sogar von der günstigeren Zahl ausgegangen. Dieser Zahl liegt nämlich die Aufstellung 'des Ausgabebedarfs zugrunde, die nicht mit dem Funktionenplan identisch ist. Nach dieser Aufstellung, die nicht identisch mit dem Funktionenplan ist, steigern sich die Mittel von 1969 bis 1973 um 242 'Millionen DM. Das ist eine jährliche Steigerung von rund 60 Millionen DM. Nach der Aufstellung, die mit ,dem Funktionenplan identisch ist, ist die Verringerung von 1971 im Vergleich 'zu 1970 auf 20 Millionen DM angesetzt. Hier sieht die Zahlenreihe von 1970 bis 1973 wie folgt aus: 820, 800, 900, 900 Millionen DM. Das würde in den kommenden vier Jahren, den Jahren der mittelfristigen Finanzplanung, eine jährliche Steigerung von noch nicht einmal 50 ;Millionen DM ausmachen.Meine Damen und Herren, es muß hier noch einmal darauf hingewiesen werden, daß das sehr gravierende Auswirkungen auf die Planung der Länder haben muß, zunächst einmal auf das Verhalten in diesem Jahr. Falls eine Verlagerung möglich ist, wird sie in jedem Fall, Herr Bundesminister so spät kommen, daß Sie die Maßnahmen der Länder in diesem Jahr nicht mehr in hohem Maße positiv beeinflussen kann.Wir meinen, daß es sich die Bundesregierung in der Fragestunde am vergangenen Mittwoch etwas zu einfach gemacht hat, als erneut deutlich 'wurde, daß 'die Bundesregierung je nach Bedarf die zur Verfügung stehenden Mittel in Schnellbaumittel umtauft. Das führt in der Öffentlichkeit zweifellos zu falschen 'Schlußfolgerungen.Hinzu kommt, daß die Richtlinien zur Bewilligung als Schnellbaumaßnahme insbesondere in den natur-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2337
Dr. Gölterwissenschaftlichen Fächern doch verhältnismäßig eng gefaßt sind, da sie sich ausschließlich auf die Lehrerbildung richten. Die Richtlinien sind so eng gefaßt, daß eine ganze Reihe von Vorhaben, die im Zusammenhang mit der Beseitigung des Numerus clausus ungeheuer 'wichtig sind, noch nicht einmal zum Teil in den Katalog der Schnellbaumaßnahmen aufgenommen werden kann. Ich darf als Beispiel hierfür den Neubau der 'Fakultät für Chemie an der TH Darmstadt mit 400 .Arbeitsplätzen, den Bau des Zahnärztlichen Instituts an der Universität Gießen mit 250 Arbeitsplätzen oder das Physikalische und das Biologische Zentrum der Universität Kiel anführen.
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2338 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
— Wir haben 100 Millionen gefordert.
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— Herr Kollege, ich wollte der Opposition nach dem Sprecher der Regierungskoalition die Möglichkeit der Antwort geben.
Das ist sehr nobel.Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu einigen Bemerkungen meines verehrten Kollegen Raffert einmal etwas klarstellen.Es handelt sich bei diesem Antrag nicht um Propaganda, sondern um
den Ausdruck der Sorge für die nächsten Jahre. Diese Sorge geht ja nicht nur in der Universität oder bei der CDU um, sondern es ist ja wohl auch eine Sorge, die Leute in der SPD haben. Sie werden doch wohl noch im Ohr haben, daß Ihr Parteifreund Frister in der vorigen Woche für die GEW gesagt hat: „Wenn nichts geschieht, wenn es so bleibt, wie es ist, befinden wir uns bereits in der Stagnation der Bildungspolitik." So wörtlich Frister. Er hat davor gewarnt, sich mit „lichtvollen Ausführungen" zu begnügen. Es war doch wohl auch ein alarmierendes Signal, daß ein Mann wie der Senator Evers — wie immer man über die Motive oder die Zweckmäßigkeit seines Vorgehens denkt — sich gezwungen sah, in einem großen, demonstrativen Akt zu zeigen, daß diese „Regierung der inneren Reform"— wie sich der „Spiegel" in dieser Woche ausdrückt — beileibe nicht die Zäsur in der Bildungspolitik in Deutschland herbeigeführt hat, die sie versprochen hatte, bis zu dieser Stunde nicht! Es hat also keinen Sinn, diesen Antrag abzuqualifizieren mit dem Bemerken, es handle sich dabei um Propaganda.Die andere Bemerkung aber, Herr Raffert, daß es sich um eine ernste Frage handelt, würde ich ernst nehmen. Es handelt sich nämlich um die Frage: Wie geht es in den nächsten vier Jahren weiter? Wir sind beunruhigt, weil der Herr Bundeskanzler in Jülich gesagt hat: Nachdem einmal die Priorität für Bildung und Wissenschaft gesetzt worden ist, wird ,daraus in den folgenden Jahren auch die finanzielle Konsequenz gezogen werden. Gerade hier liegt die Schwierigkeit, meine Damen und Herren; denn die nächsten Jahre — —
— Herr Raffert, geben Sie mir ein bißchen. Zeit, meine Argumentation zu entwickeln, Die Debatte hat sich inzwischen so entwickelt, daß wir uns jetzt ernsthaft über Zahlen und Möglichkeiten unterhalten wollen.Ich möchte deshalb wenigstens einmal die Situation schildern dürfen.
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2340 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Dr. MartinHerr Minister Leussink hat, glaube ich, gesagt — Sie haben es ebenfalls angedeutet —, man könne über die Zahlen, ohne daß ein Gesamtbildungsplan vorliege, nichts Rechtes sagen. Sie haben jedoch dankenswerterweise korrigierend gesagt, das sei nicht der Fall. Schon heute 'gibt es Daten, die für die nächsten Jahre unverrückbarfeststehen. Danach wird es bis 1974 120 000 Studenten mehr geben. Davon werden 80 000 an den wissenschaftlichen Hochschulen studieren. Wir wissen, daß es darauf nur eine einzige Antwort gibt, nämlich die Bereitstellung von neuen Studienplätzen in den nächsten vier bis fünf Jahren, wenn wir nicht von dieser Welle überrollt werden wollen.
Trotz wiederholter Fragen, Herr Raffert, haben wir bis zur Stunde von Ihrer Fraktion keine präzise Auskunft, d. h. eigentlich überhaupt keine Auskunft auf diese wirklich lebenswichtigen Fragen bekommen. Sie müssen, wenn Sie dieses Problem bewältigen wollen — wir haben es jetzt einmal durchgerechnet —, davon ausgehen, daß wir von 1970 bis 1974, wenn wir 150 000 neue 'Studienplätze schaffen wollen, wahrscheinlich einen Betrag von 18 Milliarden DM brauchen werden. Das bedeutet für Bund und Länder einen jährlichen Betrag von 1,6 bis 1,8 Milliarden DM, wenn wir diese Größenordnung beibehalten wollen. Sie haben recht: 100 Millionen DM genügen nicht. Wir brauchten nachmeinen Überlegungen jährlich mindestens 200 Millionen DM.
Nun will ich Ihnen noch sagen, Herr Raffert, wo Sie ebenfalls falsch gerechnet haben. Sie haben gesagt, es seien trotz der Sperre 200 Millionen DM mehr, als Herr Stoltenberg vorgesehen habe. Sie haben dabei aber folgendes vergessen. Durch die Initiative von Herrn Stoltenberg ist der Bereich der Leistungen des Bundes erweitert worden. Wir haben nämlich den Fachhochschulbereich einbezogen und die Beiträge an die Kliniken von 33 auf 50 % erhöht. Der Bund hatte durch seine eigene Initiative wesentlich höhere Leistungen zu erbringen als früher. Die prozentuale Steigerung hätte sich an der Vermehrung der Aufgaben messen lassen müssen, die wir freiwillig übernommen haben. Gemessen an diesen Aufgaben sind Sie weit hinter dem zurückgeblieben, was die Große Koalition hier gefordert und gewollt hat.Wir müssen noch einmal die Frage nach den 75 Millionen DM anschneiden, von denen Herr Leussink immer wieder gesagt hat, sie müßten aus der Sperre herausgenommen werden. Ich möchte zunächst aber noch etwas zu den anderen Argumenten sagen. Herr Raffert, Sie haben sicherlich vergessen,keine Rechnung aufgemacht und auch kein Geld vorgesehen haben.daß die Ansprüche an den Bund schon dadurch größer werden, daß für eine Reihe von neuen Hochschulen, die wir mit finanzieren, mindestens 150 Millionen DM erforderlich sind; ich denke dabei an Dortmund, Konstanz, Regensburg, Bielefeld, Bochum und Bremen. Das alles sind Tatbestände, die Sie überhaupt nicht in Rechnung stellen, für die Sie Ich will Ihnen noch etwas sagen, das uns alle betrifft. Herr Raffert, wir befinden uns in einer furchtbaren Klemme insofern, als wir an einem entscheidenden Punkt der Kulturpolitik stehen und gleichzeitig Konjunkturpolitik treiben müssen. Das ist eine Last, die wir gemeinsam zu tragen haben. Aber in der Frage, wie wir aus dieser Klemme heraus kommen können, werden wir uns sicherlich unterscheiden.Wenn Sie einmal daran denken, Herr Raffert, daß die Baupreise seit Beginn dieses Jahres um 20 bis 30 % gestiegen sind, so wissen Sie gleichzeitig, daß der Spielraum der Bundesregierung um dieselbe Größenordnung zurückgegangen ist. Wenn Sie sich dieses Bild vor Augen führen, so ist es keine Propaganda und keine Übertreibung, sondern eine schlichte Feststellung, daß wir, wenn die Dinge nicht grundlegend geändert werden, und zwar in der Dimension, die ich hier angedeutet habe und die wir auch noch belegen werden, nicht nur eine Stagnation, sondern einen Rückgang im Ausbau der Hochschulen und in der Beschaffung von Studienplätzen haben werden.
Was das für politische Folgen hat, brauche ich keinem Eingeweihten hier noch im einzelnen zu erklären.Meine Damen und Herren, auch der Hinweis auf die Schnellbaumaßnahmen ist nicht überzeugend. Wir haben einen schlechten Winter gehabt, das wissen wir alle. Das sind keine zusätzlichen Maßnahmen, sondern Herr Leussink hat die 110 oder 112 Millionen DM aus den normalen Mitteln des Bundes für den Ausbau der Hochschulen genommen. Es ist also eine Augenauswischerei, zu sagen, es seien zusätzliche Mittel. Ob die Schnellbaumaßnahmen zum schnelleren Bauen führen, werden wir erst am Ende dieses Jahres wissen und nicht vorher. Ein ungeheuer konstruktiver Beitrag zur Lösung der Frage des Numerus clausus ist das, glaube ich, nicht. Ich persönlich bin überzeugt, daß man mit einer Vereinfachung und Beschleunigung der Bewilligungsverfahren genauso weit käme wie mit den Schnellbaumaßnahmen, die jetzt geplant sind.Meine Damen und Herren, ich möchte wie folgt zusammenfassen. Der Antrag, der hier gestellt worden ist, macht zwei Dinge klar.Erstens. Es ist der Bundesregierung bis jetzt auch nicht im Ansatz gelungen, die großen Probleme der Hochschulpolitik finanziell in den Griff zu bekommen oder auch nur Aussagen darüber zu machen, was werden soll.Ich möchte zweitens sagen: Wir kommen nicht darum herum — das geht uns alle an —, in den nächsten Jahren zu viel stärkeren Steigerungen beim Ausbau des Hochschulwesens zu kommen, als sie bis jetzt vorgesehen und geplant sind. Da wir jetzt schon sehr, sehr lange ständig danach fragen, was sich der Minister eigentlich vorstellt, wäre es nützlich, wenn er sich heute dazu äußerte.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2341
Dr. MartinMeine Damen und Herren, Herr Minister Leussink hat gesagt, er rechne bis 1980 mit einem Betrag von 50 Milliarden DM für das Bildungswesen. Der Wissenschaftsrat hat sich zu den Dimensionen geäußert. Wir kennen .die Zahl der Studenten und der benötigten Studienplätze. Es bedarf nicht des Wartens auf einen Gesamtbildungsplan — den wir begrüßen und seit langem fordern — um heute schon die Größenordnungen festzulegen, die wir brauchen.Herr Raffert meinte, daß das nicht allein aus Steuermitteln zu schaffen sei. Ich würde dasselbe denken wie Sie, Herr Raffert. Aber es wäre doch wohl nützlich, wenn die Bundesregierung dazu auch einmal etwas sagte. Herr von Dohnanyi redet von 100 Milliarden DM, der andere von 50 Milliarden DM, der eine von Bildungssteuer, der andere von Bildungsanleihe. All das wird nicht klar, meine Damen und Herren. Niemand von uns denkt, daß man das, was heute kulturpolitisch zu leisten ist, mit einem Schlag wird leisten können. Es muß aber deutlich werden, daß das Wort Priorität keine hohle Phrase und nicht Bestandteil von Festreden wird, sondern daß man ganz klare politische Entscheidungen trifft, und zwar für die nächsten vier Jahre. Denn das ist die Voraussetzung dafür, daß wir mit unseren Studenten und Hochschullehrern wieder reden können, und zwar in der Weise, daß wir an unseren Universitäten wieder Ordnung bekommen, Ordnung in dem Sinne, meine Damen und Herren, daß das Recht auf Bildung für die Abiturienten optimal verwirklicht werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf bei dem beginnen, was Herr Dr. Martin zuletzt behandelt hat, nämlich daß es notwendig ist, hier klar zu sagen, was nun Priorität hat. Herr Dr. Martin, ich halte Sie für einen viel zu erfahrenen Parlamentarier, als daß Sie sozusagen unabsichtlich vergessen haben könnten, zu sagen, was nun nach Ihrer Meinung bei den Geldausgaben des Bundes und des Staates überhaupt künftig weniger vorrangig sein soll, sondern Sie haben mit Ihren Darlegungen wiederum einen Beitrag, ich möchte sagen: zur Vernebelung vergangener Versäumnisse geleistet, die ja vor allem bei Ihren Fraktionen und Ihren Regierungsmitgliedern zu suchen sind. Sie tun so, als ob das, was Sie hier sagen, eigentlich einen großen Neuigkeitswert haben müßte. Für Sie ist es möglichweise ganz neu, daß es in den nächsten Jahren zu dieser Bildungsexpansion kommt. Früher hatten wir jedenfalls in den Planungen davon nichts gemerkt.
Zweitens haben Sie einigen Grund, nicht zu sagen, wo Sie nun kürzen wollen. Ich werde auf einige Punkte noch kommen. Diejenigen von Ihrer Fraktion, die jetzt nicht hier sind — ich weiß nicht warum; vielleicht haben sie dafür einen guten Grund — —
— Lassen Sie mich den Satz zu Ende sprechen. Diese Ihre Kollegen sind eben verschwunden, weil sie sonst auf ihren Widerspruch hätten aufmerksam gemacht werden müssen. Es ist doch so, daß Ihre Verfechter eines höheren Familienlastenausgleichs im Augenblick abwesend sind. Ich hätte sie gern einmal gefragt, wie sie es eigentlich mit dem, was Sie hier gesagt haben, zusammenreimen wollen. — Das nur als Beispiel!
Was die künftigen Finanzen. betrifft, reden Sie in Ihrer Fraktion auf diesem Gebiet nicht nur mit zwei Zungen, sondern ich würde sagen — —
— Ich komme gleich zu dem Punkt, Herr Dr. Martin. Das muß hier jetzt einmal ausgetragen werden; wenn Sie in solchen Anträgen sozusagen eine Dauerbeschäftigung sehen, dann muß doch einmal ausgetragen werden, was Ihre Fraktion an Vorrang wirklich will und was den Nachrang haben soll. Das müssen Sie doch hier einmal sagen können. Dann können Sie doch nicht gleichzeitig urbi et orbi Forderungen auf eine Erhöhung des Familienlastenausgleichs mit entsprechenden Dimensionen, die in die Milliarden gehen, stellen — und sich übrigens auch zur Vorschule bekennen, zu der ich mich auch bekenne —, aber nicht sagen, was Ihnen am Ende lieber ist. Denn beides zusammen, den Fünfer und den Wecken, werden Sie wohl nicht haben können. Das ist nun einmal so. Sie müssen sich dann schon entscheiden, was Sie wirklich wollen. — Das ist das eine.
Das andere ist doch, Herr Dr. Martin, daß es möglicherweise im Sinne einer wirtschaftlichen Haushaltsführung richtig war, zunächst einmal bei ,der Planung der Finanzen von idem Ist auszugehen und zu sagen, .daß es korrigiert wird, wenn man sich: über .die inhaltliche Konzeption Klarheit geschaffen hat. Nun, ich muß Ihnen offen sagen: Wenn Ihre inhaltliche Konzeption weiterhin darin besteht, als Ausgleich Fachhochschulen zu vergrößern oder zu schaffen, dann könnten wir ida nicht mitmachen. Daß sich das in den Größenordnungen am Ende nicht stark unterscheidet, weiß ich.
— Bitte sehr!
Herr Moersch, wäre es der Diskussion nicht dienlich, wenn Sie auf das eingingen, was ich gesagt habe? Ich habe nicht von Fachhochschulen als Entlastung für die Universitäten gesprochen, sondern konkret von neuen Studienplätzen, deren Kosten und Aufgaben in den nächsten Jahren. Es wäre mir lieber, wenn Sie sich mit mir auseinandersetzen würden, weil ich mich nach-
Dr. Martin
her noch -einmal melden möchte, falls es notwendig wird.
Ich bin gern bereit, Ihrer Bitte zu folgen, Herr Dr. Martin. Ich möchte mich mit dem auseinandersetzen, was Sie gesagt haben. Sie haben nämlich gesagt, daß man zwei Drittel der Studenten auf wissenschaftliche Hochschulen und ein Drittel auf die Fachhochschulen schicken soll. Ihr Weltbild ist so festgefügt, daß Sie das gar nicht mehr gemerkt haben, daß Sie wie selbstverständlich von diesem System ausgehen. Ich meine, es ist doch notwendig, einmal von dem zu sprechen, was Sie wohlweislich verschweigen. Das gehört auch zur Debatte. Dann können Sie ja auf das eingehen, was ich hier sage. Denn ich sage noch einmal: Sie müssen hier einmal klären, was Sie eigentlich nun weniger wollen als bisher.
Um es ganz deutlich zu machen. Reden wir doch nicht darum herum. Wenn in den nächsten zehn Jahren die jetzigen Steigerungsraten im Sozialetat und im Verteidigungsetat beibehalten werden, ist das, was wir alle an Bildungsinvestitionen wünschen, eben nicht darzustellen. Das ist doch die Frage, vor der dieses Haus steht. Deswegen ist es wichtig, daß die Bundesregierung versucht, eine Außenpolitik zu betreiben — die Sie ja scheuen, bis jetzt wenigstens noch —,
die es einmal möglich machen soll, daß wir Prioritäten für die Bildung festlegen können. Das ist doch eine langfristige Politik. Das kann man nicht mit 100 oder 200 Millionen oder von mir aus 205 Millionen DM, oder wie immer Sie wollen, hier klären. Das sind doch Zahlenspielereien, die an der Sache vorbeiführen.
Die CDU/CSU-Fraktion wird diesem Hause Rede und Antwort stehen müssen, ob sie den Gedanken für richtig hält, daß man nicht alles auf einmal haben kann, sondern daß man auf andere Dinge verzichten muß, wenn man hier die Priorität der Bildungsinvestitionen feststellt, und zwar auch dort, wo es weh tut. Auch vielen in diesem Hause, ob sie nun der FDP oder der SPD oder der CDU/CSU angehören, wird es weh tun, diese Entscheidung treffen zu müssen. Aber dazu müssen Sie dann einmal Stellung nehmen; sonst machen Sie der Öffentlichkeit etwas vor, und das ist ja wohl im Augenblick auch die Absicht.
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ott?
Bitte sehr!
Herr Kollege Moersch, halten Sie es angesichts dieser Ihrer Ausführungen für richtig, daß die Ergänzungsabgabe für Einkommen von über 40 000 DM jährlich bei einem Aufkommen von über einer Milliarde DM abgeschafft wird?
Herr Ott, es ist sehr schön, daß gerade Sie diese Frage stellen. Ich schätze, Ihre Klienten werden Ihnen dankbar sein. Diese Frage steht auf meinem Zettel; wir müssen sie hier einmal behandeln. Auch in diesem Punkt sind Sie ja in dem, was Sie vertreten, völlig inkonsequent. Ich halte es für richtig, daß wir Steuergerechtigkeit einführen, und ich halte es für richtig, daß wir die Steuerlastquote insgesamt nicht erhöhen. Dann wird dieses Haus mit Mehrheit darüber zu entscheiden haben, wo die Steuergerechtigkeit nach jeweiliger Auffassung beginnt. Aber mit Einzelattacken können Sie das Problem überhaupt nicht lösen.
Ich will Ihnen gleich sagen, wie verschieden Ihre Rezepte auf diesem Gebiet in den letzten Jahren gewesen sind. Herr Dr. Martin hat früher im Namen der CDU/CSU-Traktion — wie ich doch mit Recht unterstellen darf — zum Beispiel das Konzept vertreten, daß man durch Abitur I und II und ähnliche Maßnahmen den Zugang 2u ,den teuren wissenschaftlichen Hochschulen möglichst etwas beschränken solle, 'weil man sonst finanziell das ,Problem im ganzen nicht lösen könne. Die Fachhochschule nach CDU-Lesart ist also als finanzielles Ausweichmanöver und nicht ,als bildungspolitisches Konzept geboren worden. Von diesem Konzept hat die Öffentlichkeit nicht sehr erfreut Kenntnisgenommen. Deshalb sind Sie auch wieder davon heruntergekommen.
— Erzählen Sie doch kein Stück aus der Märchenstunde! Herr Dahrendorf hat die Gesamthochschule vorgeschlagen.
— Sie können von mir aus im Chor singen, dann ist es vielleicht leichter zu verstehen! Ich kann Sie wirklich nicht verstehen, wenn Sie durcheinanderreden. — Wenn Sie heute zu einem anderen Modell kommen — Sie sind sehr vorsichtig gewesen —, müssen Sie begründen, weshalb Sie von Ihrer vorigen Meinung albgegangen sind.Herr Dr. Martin, Sie haben in einer Fernsehsendung, die wir gemeinsam bestreiten und deren Manuskript Sie mir übermitteln ließen, unter anderem sehr deutlich für Steuererhöhungen als Möglichkeit plädiert.
— -Ich frage, ab Herr Ott und Ihre anderen Freunde diese Meinung teilen. Es wäre doch sehr nützlich, zu wissen, daß die CDU für eine Steuererhöhung zur Förderung der Bildungsausgaben eintritt, weil sie sich nämlich nicht getraut, in anderen Etats wirklich zu sparen. Das ist doch das Problem, und idem weichen Sie aus. Früher sind Sie auf das Fachhochschulkonzept ausgewichen, jetzt weichen Sie offensicht-
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Moerschlich auf Steuererhöhungen aus. Dann müssen Sie der Öffentlichkeit deutlich sagen, daß Sie glauben, daß die Steuerlastquote insgesamt zu erhöhen sei. Aber dann lbetreiben Sie natürlich keine Vermögenspolitik im vernünftigen, liberalen Sinn, sondern eine indirekte Enteignungspolitik; dann 'führen Sie konfiskatorische Steuern in unser jetzigesSystem ein.
— Nein, nicht die falscheAdresse! Sie sind nur nicht konsequent im Denken, Herr Ott. Ihr Problem ist, daß Sie alles haben möchten und möglichst niemandem weh tun möchten, und Sie glauben, daß Steuererhöhungen die eleganteste Weise seien, aus Ihren eigenen Schwierigkeiten herauszukommn.Das haben Sie doch 1966 praktiziert. Auf diesem Gebiet haben wir mit Ihnen schlechte Erfahrungen gemacht. Sie haben ja noch Steuererhöhungen verlangt, als die Rezession diese Steuererhöhungen bereits als konjunkturwidrig entlarvt hatte, nur um von Streichungen, die damals für den Haushaltsausgleich nötig gewesen wären, wegzukommen. Jetzt weichen Sie mit Ihrem pluralistischen Parteisystem wieder auf diese leichteste Methode aus. Nur so kann ich das verstehen; denn daß Sie nicht wissen sollten, daß Steuererhöhungen in dieser Art, wie Sie sie vorschlagen, zu einer Vermögensumverteilung führen, die Sie angeblich nicht wünschen, nehme ich Ihnen einfach nicht ab.Sie müssen diesem Deutschen Bundestag schon sagen, wo Sie — —
— Ich habe gesagt, .daß ich bereit bin, der Bildungspolitik auch dort die Priorität einzuräumen, wo es weh tut,
nämlich auf Kosten des Sozialhaushalts und des Verteidigungshaushalts.
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reddemann?
Nein, Herr Präsident!
— Das ist die Meinung der FDP, nämlich daß man hier, wenn man Prioritäten setzt, auch konsequent sein muß und .daß die gleichen Steigerungsraten für alle drei großen Etatblöcke nicht aufrechtzuerhalten sind, wenn Sie einigermaßen eine Wirtschaftlichkeit erreichen wollen.
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Martin?
Ja, bitte.
Herr Moersch, darf ich dieser Einlassung entnehmen, daß Sie während der Haushaltsdebatte Streichungen beim Wehretat und beim Sozialetat zugunsten der Bildungspolitik vornehmen wollen?
Was bei der Etatdebatte vorliegt, werden wir sehen.
— Ich fürchte, Sie werden es nicht sehen, weil Sie darüber lachen. Ich habe Ihnen gesagt, daß langfristig der Verteidigungsetat in Frage kommen könnte, daß die außenpolitischen Aktivitäten langfristig — —
— Sie haben doch vom Jahr 1980 gesprochen; ich spreche jetzt auch von langfristigen Dispositionen.
— Entschuldigung, ich weiß gar nicht, was Sie bei dieser Geschichte so erregt. Sie haben vom Jahr 1980 gesprochen; ich spreche auch vom Jahr 1980. Ich habe Ihnen gesagt, daß ich in diesem Jahr 1970 eine gewaltige Steigerung der Bildungsausgaben deswegen nicht für nützlich halte, weil die Planungen nämlich gar nicht erlauben, daß man das Geld in dieser Größenordnung sinnvoll ausgibt. Ich habe aber auch gesagt, daß man dann in den nächsten Jahren um so mehr tun kann. Das ist unser Konzept. Wir denken doch nicht von jetzt bis Oktober, wir denken da schon ein bißchen weiter. Das müssen Sie uns schon gestatten.
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abg. Dr. Martin?
Ich habe Ihre Frage noch nicht ganz beantwortet, Herr Dr. Martin. Bei der Alternative: Vorrang eines erhöhten Familienlastenausgleichs, wie ihn die CDU/CSU vorschlägt — Sie haben ja wesentlich mehr vorgeschlagen als die Regierung — oder mehr Bildungsausgaben, bin ich immer für mehr Bildungsausgaben eingetreten und werde dafür eintreten, weil ich glaube, daß den Eltern, die vor allem an einer besseren Bildungspolitik in Deutschland interessiert sind, z. B. mit der Möglichkeit, Vorschulen einzurichten, mehr gedient ist als damit, den Familienlastenausgleich um weitere 10 oder 20 DM zu erhöhen. Das ist für mich eine klare Alternative. Ob das auch für Sie eine klare Alternative ist, werden wir in dieser Debatte hoffentlich hören.Wenn Sie diese Debatte, die Sie als Finanzdebatte begonnen haben, auf diesem Gebiet führen, bin ich Ihnen sehr dankbar. Das wird dann möglicherweise auch in Ihrer eigenen Fraktion zur Erhellung der Probleme beitragen; denn ich habe den Eindruck, Herr Dr. Martin, daß viele Ihrer Kollegen die Gesamtsituation keineswegs so klar sehen, wie Sie sie selbstvertändlich als Kenner der Materie sehen — wenn Sie sie auch nur teilweise so dargestellt haben, wie Sie sie sehen. Denn auch Sie wissen doch
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2344 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Moerschganz bestimmt, daß mit Baumaßnahmen und vielem anderen die wirklichen finanziellen Belastungen auf die Dauer nicht zu bändigen sind, auch der Numerus clausus nicht zu beseitigen ist, sondern daß man doch auch zu einer Ökonomie des Bildungswesens u. a. durch einen Druck vom Financier her beitragen kann. Wenn es nicht möglich ist, vor allem die Reformen finanziell zu begünstigen, die auf die Dauer auch ein ökonomisches Bildungssystem gewährleisten, wenn wir also das Geld wahllos ausgeben, ohne zu prüfen, ob unvernünftige Strukturen zusätzlich erweitert werden sollen oder ob man die vernünftigen Reformen begünstigt, — wenn wir das jetzt nicht in die Hand nehmen, werden wir die Finanzierung in den nächsten zehn Jahren überhaupt nicht bewältigen können. Wenn wir nicht das tun, was Ihr Kollege Dichgans mit großem Ernst und, wie ich meine, mit Recht hier schon vorgetragen hat, wenn wir nicht dafür sorgen, daß ein Schulsystem schon die Achtzehnjährigen zur Hochschulreife führt, wenn wir nicht dafür sorgen, daß man mit 23 oder 24 Jahren als Akademiker berufsreif ist, wenn wir nicht dafür sorgen, daß nicht mehr zwei wissenschaftliche Fächer zur Voraussetzung für eine Tätigkeit an der höheren Schule gemacht werden, wenn man es nicht wie anderswo in der Welt bei einem wissenschaftlichen Fach bewenden läßt, um dadurch das Studium zu verkürzen, wenn Ihre Freunde, die die Möglichkeit haben, die Studienordnungen so zu reformieren, wie es auch ökonomisch sinnvoll ist, das nicht tun, — dann allerdings nützen auch noch höhere Geldausgabenanträge nichts.Das heißt, man muß zunächst einmal das Konzept verbessern. Dann kann man nach meiner Ansicht mit gutem Gewissen die Prioritäten durchsetzen, die ich Ihnen hier vorgetragen habe. Ihre Freunde sind eingeladen, sich zu diesem Punkt einmal offen zu bekennen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gölter hat sich eingangs auf den Bundesfinanzminister berufen. Ich finde das sehr hilfreich. Ich möchte nur wiederholen, was der 'Bundesfinanzminister bei seiner Etatrede ausgeführt hat. Er hat gesagt: „Der Wiederaufbau im Bildungswesen war allzu bescheiden und auch noch restaurativ. Dadurch sind völlig falsche Vorstellungen über die absoluten Größen entstanden." Mindestens ein Teil der Debatte zeigt mir, daß diese falschen Vorstellungen über die absoluten Größen noch nicht restlos ausgerottet sind. Weiter hat der Bundesfinanzminister gesagt: „Bildung und Wissenschaft sind in der Finanzplanung noch nicht ausreichend berücksichtigt." Ich meine, wenn ein Finanzminister das in einer Etatrede sagt, sollte man das auch würdigen und darauf vertrauen, daß er zusammen mit seinenFachkollegen daraus die notwendigen Konsequenzen zieht.Der Antrag der Opposition schlägt 'für die Jahre 1971 bis '1973 eine jährliche Steigerung von mehr als 100 Millionen DM vor. Wenn man etwas naturwissenschaftlich angehaucht ist, muß man sich ja fragen: Was heißt „mehr als"? Das ist kein Gleichheitszeichen, sondern das ist ein Ungleichheitszeichen. 'Darin steckt also jede Möglichkeit von 100 Millionen und einer D-Mark bis unendlich viel D-Mark. Praktisch wird man wohl nur 100 Millionen DM gemeint haben. Wenn man z. B. 150 Millionen DM gemeint hätte, hätte man es wohl gesagt; denn das ist doch viel effektvoller. Es ist ja soeben in der Debatte schon etwas mehr herausgekommen. Herr Martin steht offensichtlich auf dem Standpunkt: mehr als 200 Millionen DM. Sie werden gestatten, daß ich das als einigermaßen verwirrend empfinde.
Auf den propagandistischen Effekt, auf den es ja offensichtlich dabei ankommen soll, brauchen wir, glaube ich, hier nicht näher einzugehen.Nun ist mit Recht Bezug darauf genommen worden, daß mein Herr Amtsvorgänger ab 1966 — und er hat ja dabei eine ganze Menge Gesprächspartner gehabt, die ihn 'darin bestärkt haben — propagiert hat: jährlich jeweils mehr 'als 100 Millionen DM für den Hochschulausbau. Das ist so sehr einleuchtend gewesen, und ich glaube, daß er damit zunächst einmal einen gewissen Erfolg gehabt hat. Herr Raffert hat das soeben als „tolle Sache" bezeichnet. Auch ich würde idas als für damalige Zeiten tolle Sache bezeichnen, aber selbst wenn man jetzt à la Martin sagt: 200 plus 200 plus 200 Millionen DM ...bin ich leider nicht 'mehr in der Lage, das auch heute noch als' tolle Sache zu bezeichnen.Wenn wir 'der Sache etwas nähergehen — und das müssen wir ja doch wohl einmal tun; es wird immer so kursorisch über die vergangenen Jahre gesprochen —, so zeigt sich, daß Idas Konzept des Kollegen Stoltenberg nur einmal erreicht worden ist. Im Jahre 1967 haben wir in der Tat mehr als 100 Millionen DM Steigerungsrate gehabt, nämlich genau 152 Millionen DM. Aber das war mindestens zum Teil durch ganz andere Gründe zu erklären, nämlich durch den ,seinerzeitigen konjunkturpolitisch bedingten Eventualhaushalt. 1968 — und das zeigt das deutlich — hatten wir dann nur noch eine Steigerungsrate von 57 Millionen DM und 1969 eine von minus 26 Millionen DM; mathematisch kann man das natürlich noch als Steigerungsrate betrachten.Wie kam es denn 1966 zu der Steigerungsrate in der Größenordnung von 152 Millionen DM? Der Wissenschaftsrat hatte als Anteil des Bundes 530 Millionen DM empfohlen. Die seinerzeitige Bundesregierung hatte nur einen Ansatz von 350 Millionen vorgesehen, d. h. nur eine Steigerung gegenüber 1965 von 78 Millionen. Die SPD-Fraktion beantragte seinerzeit bei der zweiten und dritten Lesung die Erhöhung des Ansatzes der Regierung um die volle Differenz, d. h. um 530 minus 350, also 180 Millionen
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Bundesminister Dr.-Ing. LeussinkDM. Beschlossen wurde seinerzeit — dazu noch vor allem zu Lasten des Einzelplanes 31 — eine Erhöhung von weniger als der Hälfte, nämlich von 77 Millionen DM. Dadurch entstand entgegen jedenfalls den ursprünglichen Absichten der seinerzeitigen Regierung der Steigerungsbetrag von 152 Millionen D-Mark anstatt wie von der Regierung vorgesehen, von 78 Millionen DM. — Wenn man sich nun schon auf die Vergangenheit bezieht, so muß man sich, glaube ich, auf konkrete und richtige Zahlen beziehen.In der Begründung des Antrages der Opposition heißt es, daß in der vergangenen Wahlperiode die Ansätze jährlich im Durchschnitt um mehr als 100 Millionen DM gestiegen seien. Ich weiß nicht, was für eine Rechenmethode da verwandt worden ist. Wenn man die Jahre der Wahlperiode zusammenrechnet, zeigen die tatsächlichen Aufwendungen eine durchschnittliche Steigerungsrate von 86 Millionen DM, und das sind nach meiner Rechnung weniger als 100 Millionen DM, und aus dem soeben Gesagten geht hervor, daß die eigentlichen Ansätze im Mittel noch geringer waren.Noch etwas zu der Begründung des Antrages. Es steht in dem Antrag, daß 1971 in der Finanzplanung — und dazu kann ich immer wieder nur auf die dazu gehörenden Ausführungen des Bundesfinanzministers hinweisen — erstmals seit 1960 eine Verringerung, nämlich von 851 auf 841 Millionen DM, d. h. also von 10 Millionen DM, vorgesehen sei. Ich habe gerade gesagt: Die tatsächliche „Ausgabensteigerung" von 1968 auf 1969 betrug minus 26 Millionen DM. Man kann also kaum behaupten, daß hier erstmalig ein Abfallen des Betrages, also eine negative Steigerungsrate theoretisch überhaupt ins Auge gefaßt worden ist. — So weit, meine Damen und Herren, meine Vorbemerkungen!Ich würde jetzt gern kurz zu dem Antrag Stellung nehmen. Der Antrag zeigt meines Erachtens ganz deutlich — ich wies vorhin schon darauf hin —, daß der Bundesfinanzminister recht hatte, als er sagte: wir haben immer noch falsche Vorstellungen über die hier notwendigen Größenordnungen. Ich halte die Steigerungsrate von 100 Millionen DM und die Steigerungsrate, die hier soeben neu in die Debatte geworfen worden ist, von 200 Millionen DM für weitaus zu gering.
Insofern will ich mich gerne festlegen lassen und gern die Brücken hinter mir abbrechen, und insofern bin ich Ihnen sogar dankbar, daß Sie mir für diese Feststellung die Gelegenheit geben.Nun haben Sie darauf abgehoben, ich hätte immer wieder auf das Gesamtbildungsbudget hingewiesen. Natürlich — das ist zuzugeben — liegt dieses bei den Beratungen des Haushalts 1971, ,die ja schon regierungsintern begonnen haben, im Juni/Juli dieses Jahres noch nicht fertig vor. Aber man sieht, auch wegen der sich in den letzten Wochen immer deutlicher abzeichnenden Vorstellungen unserer Empfehlungsgremien, inzwischen schon deutlicher, welche Größenordnungen, und vor allen Dingen, mit welcher Begründung — und ,das muß doch, wenn man isich über Größenordnungen einigen will, einigermaßen klar sein, wie sie faktisch begründet werden —, sich als notwendig erweisen werden. Wir arbeiten an dieser Planung intensiv, und so bald wie möglich werde ich meine Vorstellungen konkretisieren. Aber ich wäre dankbar, wenn man den Zeitpunkt mir überlassen und nicht von mir verlangen würde, daß ich hier mit Zwischenergebnissen aufwarte. Ich kann Ihnen aber sagen, wir werden rechtzeitig mitteilen, was werden soll. Danach hatten Sie ja gefragt, Herr Martin.Sie haben gesagt, es müßte sich erweisen, daß die Priorität der Bildung und der Aufwendungen für Bildung und Wissenschaft keine „hohle Phrase" sei. Nun, wenn sie es überhaupt sein sollte — was natürlich nicht der Fall sein wird —, dann wäre mindestens zu sagen, daß diese „hohle Phrase" erst ganz wenige Monate alt wäre und nicht bereits Jahrzehnte, wie bei anderen.Aus den genannten Gründen, meine sehr verehrten Damen und Herren, — das ist mein Rat — möchte ich davon abraten, dem Antrag zu folgen, weil ich es einfach für gefährlich halte, mit gegriffenen Größenordnungen in ein so wichtiges Problem — ein Teil meiner Herren Vorredner hat es ausgeführt —, hineinzugehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Raffert und auch Herr Bundesminister Leussink haben es für richtig gehalten, diesem Antrag einen propagandistischen Effekt zu unterstellen. Wir sollten vielleicht, wenn wir die parlamentarische Demokratie ernst nehmen, mit solchen Vokabeln etwas vorsichtig sein.
Denn die Geschäftslage der Bundesregierung und des Bundestages ist doch eine andere. Der Herr Bundesfinanzminister hat vor wenigen Tagen die Termine veröffentlicht, die. für die Erstellung des Etats 1971 und die Fortschreibung der Finanzplanung bis 1975 gelten. Aus diesen Terminen geht hervor, daß die Bundesregierung bereits im Sommer 1970, im Juli gewillt ist, ihre Entscheidung zu treffen. Wann aber soll denn dieser Deutsche Bundestag seine Meinung zu solchen entscheidenden Dingen sagen können, wenn nicht jetzt vor der Sommerpause, d. h. im Mai oder Juni?
Ich glaube, deshalb- wäre es gut, wenn man die Sache selbst, um die es geht, etwas ernster nähme und sich nicht mit Vokabeln abwertender Art oder mit Ausflügen auf andere Probleme, wie Kollege Moersch es tat, um das Votum in der Sache herumbewegte.Der Ausgangspunkt ist die Planung der neuen Regierung, die 1971 erstmals seit dem Jahre 1960 eine Verringerung der von der Bundesregierung
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2346 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Dr. Stoltenberg
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach welchen Kriterien sind denn diese Zahlen gegriffen? 851 Millionen DM! Warum nicht von 850 Millionen, 890 Millionen oder 900 Millionen DM? Warum sind es 841 Millionen DM für das Jahr darauf? Ich unterstelle, daß diejenigen, die das beschlossen und vorgeschlagen haben, sich auch etwas dabei gedacht haben, genauso wie wir bei dem Kriterium: jährlich mindestens 100 Millionen DM mehr in den nächsten Jahren.
Der Vorwurf der gegriffenen Zahlen fällt doch also auch auf Sie zurück, denn wir sind natürlich alle gezwungen — .das ist völlig richtig, darüber besteht Einvernehmen —, vorläufige Größenordnungen zu unterstellen, bevor wichtige Entscheidungen in der Sache gefallen sind. Wichtige Entscheidungen in der Sache — darauf haben meine beiden Vorredner, Herr Gölter und Herr Martin, hingewiesen — sind die endgültigen Regelungen über die Erweiterung der Planung und Finanzierung durch den Bund, die auf Grund eines Antrages der CDU/CSU in diesem Hause hier diskutiert werden, der ja offenbar in den Ausschüssen eine freundlichere Reaktion als hier bei der ersten Lesung gefunden hat, wo man mit abwertenden Bemerkungen etwas schnell bei der Hand war.
Sicher ist es so, daß sich in .der allgemeinen Hochschuldiskussion sowohl die Bundesregierung als auch die Länder und die Hochschulen selbst im Stadium einer Neudefinition von Zielen, Größenordnungen und Inhalten befinden. Dies alles enthebt Sie aber nicht der Verpflichtung, in die Finanzplanung vorläufige Größenordnungen hineinzuschreiben, und es enthebt uns nicht der Verpflichtung, dazu Stellung zu nehmen, wenn wir es mit dieser Priorität ernst meinen. Und was dies angeht, so müssen wir doch sagen, daß die erste konkrete Festlegung ,der Bundesregierung in der vorliegenden Finanzplanung einen deutlichen Rückschritt und eine deutliche Enttäuschung gegenüber den großen Ankündigungen darstellt, ,die wir in den ersten Wochen nach dem Regierungsantritt im Oktober gehört haben.
Meine Damen und Herren, wir wollen nicht mehr so furchtbar viel über die Vergangenheit reden. Der Herr Bundesminister hat es für richtig gehalten, noch einmal Zahlen über die Entwicklung seit 1965 vorzutragen. Ich verstehe diese Zahlen nicht; aber zwei Zahlen kenne ich nun ganz genau: Im Jahre 1965 betrug das Ist bei den Bundesausgaben für die Hochschulen 280 Millionen DM. Nach dem Finanzbericht für das Jahr 1970 der neuen Regierung soll sich das Ist für die Hochschulen im Jahre 1969 auf 719 Millionen DM belaufen. Wenn ich diese beiden Eckdaten nehme, ergibt sich in vier Jahren eine Steigerung von 280 Millionen DM auf 719 Millionen DM; die durchschnittliche jährliche Steigerung beträgt 109 250 000 DM. Vielleicht prüfen der Finanzminister und der Bildungsminister noch einmal ihre verschiedenen Unterlagen, wenn wir überhaupt die etwas müßige Diskussion über Zahlen der Vergangenheit hier weiterführen wollen. Es gibt so manche eigentümlichen Berechnungsmethoden. Offenbar ist bei dem hier errechneten Rückgang der Mittel für ein Jahr der Bereich der sogenannten Sondervorhaben nicht mit eingerechnet worden, der ja auf ausdrücklichen Wunsch des Wissenschaftsrates in den ganzen Jahren als ein Element der Hochschulfinanzierung betrachtet wurde und auch in dem Finanzbericht 1970 der Bundesregierung so ausgewiesen wird. Diese Art der Apologetik und diese Art der Verzeichnung von Zahlen der Vergangenheit ist hier nicht am Platze, weil sie im Grunde dem Erfordernis, für die Zukunft Entscheidungen zu treffen, nicht gerecht wird.
Herr Kollege Moersch meinte im Hinblick auf die Priorität der Bildungsausgaben, nach dem Erfolg der Entspannungspolitik könne eine Senkung der Verteidigungsausgaben und eine entsprechende Steigerung der Bildungsausgaben erfolgen. Man muß den Kollegen Moersch allerdings fragen, an welchen Zeitpunkt er dabei gedacht hat.
Ich glaube, daß wir es uns nicht so einfach machen können.
Wir haben die notwendigen ersten Entscheidungen hier und heute zu treffen. Irgendwelche Ausweichmanöver in Richtung Verteidigungshaushalt helfen Ihnen hier ebensowenig, wie sie Ihnen in der Vergangenheit geholfen haben.
Herr Kollege Raffert, es ist im übrigen nicht ganz richtig, daß wir im Haushaltsausschuß einen Stopp für alle Neubauten im Bundesbereich beantragt haben.Wir haben vorgeschlagen, die Verwaltungsbauten des Bundes in der gegenwärtigen Konjunkturlage nicht in Angriff zu nehmen, und jedermann weiß ganz genau, daß die Hochschulbautitel davon nicht betroffen werden. Das, was wir für erforderlich halten, ist, klare Prioritäten in der gegenwärtigen Konjunkturlage zu setzen. Da meinen wir allerdings, daß Verwaltungsbauten einschließlich gewisser großer Vorhaben in Bonn zurücktreten können gegenüber den vordringlicheren Bildungsinvestitionen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Raffert?
Sehr gerne.
Herr Kollege Stoltenberg, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß das Protokoll des Haushaltsausschusses etwas anderes aussagt als das, was Sie soeben sagten. Nach dem Protokoll war meine Bemerkung gerechtfertigt.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2347
Ich kann mich hier nur auf die Erklärungen der Abgeordneten der CDU/CSU beziehen, die im Haushaltsausschuß nach ihren Erklärungen in der Fraktion einen Antrag bezüglich der Verwaltungsbauten gestellt haben. Das war die klare Absicht, und es wird möglich sein, das auch in einem Protokoll noch nachdrücklich deutlich zu machen.
Im übrigen geht es, glaube ich, hier um ein Grundproblem unserer Bildungs- und Hochschuldiskussion. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder in Ländern und Gemeinden und vielleicht auch gelegentlich beim Bund erlebt, daß die Gefahr eines Auseinanderfallens der Sachplanung und der Finanzplanung besteht. Wer die Begründung für den Rücktritt des Berliner Schulsenators Evers liest, der stellt fest, daß dies genau der Kernpunkt war. Es kann nicht länger so sein, daß wir in einem Wettbewerb der Meinungen große, weitgreifende Reformen und Sachkonzepte entwickeln, ohne auch die Finanzplanung mit ihnen fortzuschreiben.
Wenn das in den Jahren 1971 bis 1975 nicht geschieht, dann werden wir erleben, daß die Spannungen nicht geringer sondern größer werden, weil großen Ankündigungen keine Taten folgen.
Deshalb meinen wir, daß dieser Antrag nach einer Prüfung in den Ausschüssen noch vor der Sommerpause des Bundestags entschieden werden muß, daß die Bundesregierung diesen Hinweis auf die Meinungsbildung des Parlaments braucht, um das nachzuholen, was sie in ihrer ersten Vorentscheidung über die Finanzierung bis zum Jahre 1974 leider versäumt hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lohmar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bereitet einem Abgeordneten der Regierungsfraktion großes Vergnügen, den ehemaligen Bundesminister für wissenschaftliche Forschung wieder mal in der Arena einer solchen Debatte zu sehen, zumal wir, Herr Stoltenberg, im letzten halben Jahr zu unserem Bedauern kein einziges Mal die Freude hatten, Sie im Wissenschaftsausschuß begrüßen zu können.
Sie, Herr Stoltenberg, haben hier die Gelegenheit gesucht und gesagt, die Opposition habe nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, eine solche Gelegenheit zu suchen, die Regierung rechtzeitig, also vor der Festlegung ihrer Finanzplanung, auf ihre Vorstellungen hin nicht nur zu befragen, sondern auch die Vorstellungen der Opposition deutlich zu machen. Das ist völlig richtig. Nur: Ihre eigenen Freunde haben in den letzten Monaten dreimal dieses Thema auf die Tagesordnung des Wissenschaftsausschusses gebracht und mit der Regierung darüber diskutiert. Sie haben aber leider diese Gelegenheiten nicht genutzt, deutlich zu machen, was die Opposition konkret für nötig hält.
Sie haben sich darüber beklagt, daß Herr Kollege Moersch in seinen Bemerkungen Ihren Antrag mit propagandistischen Absichten in Zusammenhang gebracht hat. Wenn es keine propagandistischen Absichten sind, dann muß man den Antrag eben sachlich prüfen, und sachlich ist die Größenordnung, die Sie angedeutet haben, so, daß Sie — wie Ihnen Herr Leussink soeben gesagt hat — weit hinter dem zurückbleiben, was die Bundesregierung und mit ihr die Regierungsfraktionen für notwendig halten. Wenn der Antrag also keine Propaganda darstellt, dann ist er sachlich in so geringen Dimensionen befangen geblieben, daß wir damit eigentlich nichts anfangen können.
Sie haben uns, Herr Exminister, vorgeschlagen, daß wir nicht mehr über die Vergangenheit reden sollen. Ich finde das nicht. Man kann aus der Vergangenheit eine ganze Menge erklären von dem, was im Moment ist. Der jetzige Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat in seinem Hause leider nicht die von Ihnen jetzt geforderte Fortschreibung in der notwendigen qualitativen und quantitativen Planung vorgefunden, wie man sie wohl von Ihnen in Ihrer Amtszeit, wenigtens als Stabsüberlegung, hätte erwarten können.
— Na, hören Sie einmal, solche naiven Fragen dürfen Sie doch nicht mir stellen! Ich habe ja sogar bei Ihnen gewußt, was Sie machen. Warum soll ich das denn nicht bei einem Minister wissen, der unserer eigenen Regierung angehört!
Was wir 1970 gemacht haben, Herr Kollege Stoltenberg, ist im Grunde genommen ein Vollzug dessen, was in den Planungen Ihres früheren Hauses angelegt war. Die qualitative und quantitative Veränderung in den Dimensionen unserer Wissenschaftspolitik wird ab 1971 sichtbar werden. Das Jahr 1970 ist sozusagen das noch auslaufende Jahr, in dem wir die Planungssünden des ehemaligen Wissenschaftsministers mit bezahlen müssen.
Insoweit muß man über die Vergangenheit eben doch einmal reden.— Bitte, Herr Stoltenberg, mit Vergnügen!
Herr Kollege Lohmar, ist Ihnen nicht bekannt, daß nach dem Verwaltungsabkommen von Bund und Ländern und dem von Ihnen mit beschlossenen Hochschulbauförderungsgesetz die Planungsunterlagen für die Bundesregierung Empfehlungen des Wissenschaftsrats dar-
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2348 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Dr. Stoltenbergstellen, die für die kommenden Jahre bis heute noch nicht vorliegen?
Ich verstehe gar nicht, was diese Feststellung mit meiner Anmerkung zu tun haben soll. Dies sind doch zwei verschiedene Ebenen. Ich rede davon, daß Sie in Ihrem Hause keine sachlich und quantitativ zureichenden Planungen gemacht haben, als Sie verantwortlicher Minister waren. Das haben wir als damaliger Juniorpartner in der Großen Koalition zwar immer vermutet, aber wir konnten es Ihnen nicht mit der Klarheit nachweisen wie heute. Ich möchte diese Gelegenheit gern benutzen, diesen Tatbestand festzuhalten, weil man ohne solche Rückbezüge auf das, was war, die Gegenwart nur unzureichend erklären kann. Das mag Ihnen nicht gefallen, gehört aber zur Tatbestandsaufnahme.
Ich finde es auch gut, daß sich Herr Bundesminister Leussink in seiner Stellungnahme zu Ihrem Antrag ausdrücklich auf die Anmerkung bezogen hat, die der Herr Bundesfinanzminister zu diesem Thema gemacht hat. Was Bildung und Wissenschaft angeht, so waren die letzten 15 Jahre immer durch einen Dualismus zwischen den Intentionen des Wissenschaftsministers, solange wir ihn haben, und denen des Bundesfinanzministers gekennzeichnet. Der Bundesfinanzminister war immer eine Bremse, und der Bundeswissenschaftsminister war, jedenfalls am Finanzminister gemessen, in dieser Frage stets der fortschrittliche Teil der Bundesregierung. Auch Sie, Herr Stoltenberg, mit der Unterstützung des ganzen Hauses.
Wir haben jetzt zum erstenmal eine Konstellation in der Regierung, in der sich der Bundesfinanzminister in der Sache eindeutig zugunsten einer Priorität des Bildungs- und Wissenschaftsbereichs geäußert hat. Ich finde es gut, daß wir den Wissenschaftsminister in dieser Regierung nicht mehr als den letzten Wagen am Zug des Bundesfinanzministers sehen, sondern daß sich beide in der Finanzierung der Aufgaben in Bildung und Wissenschaft auf eine gemeinsame Wegstrecke und auch auf ein gemeinsames Tempo festgelegt haben.
— Herr Kollege Gölter, bitte sehr!
Herr Kollege Lohmar, sind Sie der Auffassung, daß Ihre letzten Äußerungen vor dem Hintergrund der Zahlen auf Seite 25 der mittelfristigen Finanzplanung — 820, 800, 900 — Bestand haben können?
Herr Kollege Gölter, ich habe Ihnen soeben gesagt, daß der quantitative und qualitative Sprung in den Planungen und den entsprechenden Maßnahmen der Regierung vom nächsten Jahr an sichtbar werden wird. Dies hat Herr Leussink auch nicht nur heute, sondern wiederholt gesagt. Wenn Sie sich auf die mittelfristige Finanzplanung dieser Art beziehen, dann beziehen Sie sich auf ein Erbe, das im wesentlichen ein Erbe des Herrn Strauß, des ehemaligen Bundesfinanzministers, ist.
Was den Bereich Bildung und Wissenschaft angeht, so gedenken wir dies ab 1971 entschieden zu ändern. Nächstes Jahr können Sie uns auf die Zahlen, die in diesen Ankündigungen liegen, festnageln. Aber es gibt keinen Grund, eine eindeutige politische Absichtserklärung des Bundesfinanzministers hier mit Hinweisen auf eine mittelfristige Finanzplanung in Frage zu stellen, die nicht seine Handschrift trägt.
Im übrigen, meine Damen und Herren, so wichtig Geld ist, so recht hat auch der Kollege Moersch, wie ich meine, mit seinen Hinweisen zum Schluß seines Diskussionsbeitrags, daß das Ausmaß -von Geld, das man braucht, und die Verwendungsarten von Geld von der Entscheidung wesentlicher inhaltlicher Fragen bei der Hochschulreform und bei der Studiengestaltung abhängen. Ich möchte das, was er gesagt hat und worauf uns der Kollege Dichgans in der letzten parlamentarischen Diskussionsrunde schon aufmerksam gemacht hat, noch einmal unterstreichen.
Wir haben uns über viele dieser Aspekte in den fünf ausgedehnten Hearings im Wissenschaftsausschuß in den letzten drei Wochen Gedanken gemacht und informieren lassen, um daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Wenn sich die Opposition darüber beklagt, daß sie keine hinreichende Gelegenheit hat, ihre Vorstellungen vorzutragen, so muß ich darauf hinweisen, sie hätte im Hearing jedenfalls ausreichende Gelegenheit gehabt, die Vorstellungen unserer Partner an den Hochschulen kennenzulernen, und es war kein erhebendes Zeichen, daß die parlamentarische Opposition im letzten Hearing über längere Zeit nicht mit einem einzigen Abgeordneten vertreten gewesen ist. Auch dies, meine Damen und Herren, gehört wohl zur Tatbestandsaufnahme der hochschulpolitischen Wirklichkeit.
Ich möchte den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ausdrücklich ermuntern, sich in dieser Sache nicht in einen Gegensatz zum Bundesfinanzminister manövrieren zu lassen, sondern ihn als einen starken und wichtigen Bundesgenossen in der Sache auch für die Zukunft an seine Seite 'zu ziehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Martin.
Meine Damen und Herren, es gibt eine gute Chance, ,aus dieser Debatte noch etwas zu machen.
Deutscher Bundestag 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2349
Dr. Martin
— Sie wissen ja noch gar nicht, was kommt, Herr Raffert. Was soll denn diese läppische Heiterkeit bei einem so ernsten Thema.
Er läßt mich noch nicht einmal ausreden, Herr
Schäfer. Parlamentarismus heißt doch wohl sprechen. — Na also, fangen wir an.
Meine Damen und Herren, es ist heute das erste Mal, daß der B'undesforschun'gsminister in der Festlegung von Zahlen weitergegangen ist. Er hat auf meine Ausführungen, daß mindestens 200 Millionen DM erforderlich sind, doch wohl angedeutet, daß das etwa seinen Vorstellungen entspricht und daß sie weitergeführt werden müssen. Ich habe hier deutlich gesagt — und möchte es wiederholen —: wenn wir die Aufgaben, die vor uns stehen, bewältigen wollen, brauchen wir nach unserer Berechnung bis 1974 einen Betrag von 1,5 bis 1,6 Milliarden DM bundesseitig. Dann entsteht die Sorge, ob ,die Länder den anderen Teil werden leisten können. Herr Leussink hat hier eine polemische Pointe 'gebracht, indem er davon gesprochen hat, daß in einem bestimmten Jahr 25 Millionen DM weniger geleistet worden sind. Das ist richtig. Er hätte aber hinzufügen müssen, daß das deswegen geschah, weil das Land Hessen und das Land Nordrhein-Westfalen aus guten Gründen nicht in der Lage waren, die vom Bund angebotenen Summen abzurufen. Das Angebot des Bundes hatte sich keineswegs vermindert.
Ich denke, wenn der Minister heute in der Lage ist, zu sagen, daß sein Planungsstab sich in dieser Richtung bewegt, und wenn er Erwägungen darüber anstellt, wie eine Umverteilung der Lasten gegenüber den Ländern erfolgen kann, 'damit sie ihre Anteile leisten können, entweder indem man den 50 : 50- Schlüssel ändert oder den Ländern die Lasten abnimmt, die sie jetzt z. B. auf dem Gebiet des Ausländerstudiums haben, dann würden wir heute einen großen Schritt weiterkommen.
Herr Lohmar, Sie sagen, Ihre Vorstellungen gingen über unsere Vorstellungen hinaus. Wenn Sie das meinen und sagen, dann machen Sie es doch aktenkundig und schreiben es in die mittelfristige Finanzplanung hinein!
Das allein ist nämlich der Grund für diesen Antrag. Herr Minister Leussink, auch darauf sollten Sie noch 'einmal eingehen. Sie kritisierten, daß die 'Steigerungen unter Ihrem Vorgänger nicht so vor sich gegangen 'wären, wie das behauptet wird. Sie müssen doch auch sehen, 'daß wir in den Jahren 1969/70 deshalb vor einen quantitativen und qualitativen Sprung gekommen sind, weil wir durch die Initiative von Minister Stoltenberg den Art. 91 a ausgeweitet haben, weil 'wir die Kliniken und neuen Universitäten besser bedacht haben. Dann mußte doch die Steigerung von da ab neu überlegt und neu festgesetzt werden, dann konnte nicht einfach weitergeschrieben werden, als ob überhaupt nichts geschehen wäre.
Das ist doch die Situation.
— Herr Moersch, ich wollte mich heute mit Ihnen nicht auseinandersetzen, weil Sie mich heute enttäuscht haben, wenn ich das sagen darf. Ich hätte mich gern mit Ihnen auseinandergesetzt, und ich will mich gern mit Ihnen auseinandersetzen, sehr gern; aber heute haben Sie 'mir für mein Gefühl zuviel an der Sache vorbeigeredet. Herr Stoltenberg hat schon darauf geantwortet. Man kann nicht ein Rätsel dadurch lösen, daß man sich andere aufgibt. Das ist nicht zu machen. Sie hätten heute hier sagen sollen, was Sie meinen.
Sie. haben gesagt — ich darf das noch einmal .festhalten —, daß Sie die Verteidigungslasten und die Soziallasten zugunsten 'des Bildungsetats heruntersetzen wollen. Ich hoffe, daß Sie das mit Ihrem Koalitionspartner abgesprochen haben.
Herr Abgeordneter Dr. Martin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch?
Ja.
Darf ich Sie fragen — da es für Sie offensichtlich schwierig ist, die differenzierte Haushaltsvorstellung gleich aufzunehmen —, ob Sie nicht verstanden haben, daß ich gesagt habe, ich würde die relative Zuwachsrate in diesen beiden Bereichen zugunsten einer stärkeren relativen Zuwachsrate der Bildungsinvestitionen verändern wollen? Von einer relativen Zuwachsrate zu sprechen, ist ja wohl eine andere Sache, als zu kürzen.
Herr Moersch, es kann sein, daß ich gerade diese Nuance überhört habe. Ich nehme das gerne zur Kenntnis. Immerhin war Ihre Aussage — wir können das im Protokoll ja noch einmal nachsehen — doch von großem Gewicht.Ich möchte aber noch folgendes zurückweisen. Wenn ich mir in einem Fernsehinterview, Herr Moersch, Gedanken darüber mache, wie die Bildung finanziert werden soll, und von Steuererhöhungen spreche, dann ist das doch eigentlich kein Anlaß, mich gegen andere Leute auszuspielen. Der Fortschritt in der Politik entsteht doch aus der Diskussion von Möglichkeiten, und zwar diskutiere ich nicht nur mit mir selber und mit meiner Partei, sondern auch mit Ihnen und mit der Öffentlichkeit. Das ist doch überhaupt nicht zu beanstanden.
— Laß es gut sein!
Ich möchte zusammenfassend sagen, meine Damen und Herren: Die Debatte hat gezeigt, daß der An-'trag notwendig war.
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2350 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970
Dr. MartinWir brauchen für die Jahre 1970 bis 1974 neue Daten. Wir wünschen, daß die Länder wissen, woran sie sind. Wir möchten die Gewißheit haben, daß die notwendigen Studienplätze geschaffen werden, und wir bitten darum, daß in den Jahren 1971, 1972 und 1973 das Entsprechende veranlaßt und uns hier, soweit das möglich ist, auch gesagt wird.
Herr Abgeordneter Martin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sperling?
Herr Kollege Martin, stimmen Sie der Auffassung Ihres Kollegen Ott zu, daß möglicherweise zugunsten der Erhöhung der Bildungsausgaben die Ergänzungsabgabe nicht gestrichen werden sollte?
Herr Sperling, ich muß Ihnen sagen, daß ich dazu im Augenblick keine Stellung nehmen kann. Ich kann es nicht aus Gründen mangelnder Information. Ich bin aber gerne bereit, darüber nachzudenken und es Ihnen zu sagen. Es tut auch, glaube ich, hier zur Sache nicht viel. Es hätte keinen Sinn, wenn ich Sie hier jetzt mit einer eleganten Wendung abfertigte in einem Problem, in dem ich mich nicht sicher fühle und das ich bitte noch einmal überdenken möchte.
Ich möchte alles in allem sagen, meine Damen und Herren: Seien Sie bitte so freundlich, diesen Antrag als eine Hilfe aufzunehmen für die mittelfristige Finanzplanung und für die Beseitigung der größten Mißstände in unserem Bildungswesen!
Das Wort hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Mein verehrter Herr Vorgänger hat gesagt, die Finanzplanung 1971 sei offensichtlich auch gegriffen. Ich muß ihm recht geben. Sie ist nämlich von ihm gegriffen. Das wird uns eine Lehre sein. Wir werden nichts mehr unbesehen übernehmen, was von dort kommt und gekommen ist.
Immerhin müssen Sie — das ist hier doch nun schon x-mal gesagt worden — berücksichtigen, unter welchen Umständen und in welchem Tempo der Haushaltsentwurf für 1970 und die mittelfristige Finanzplanung erstellt werden mußten.
Ich gebe zu, wir haben uns auf Ihre Zahlen verlassen; denn auch Sie hatten schon die neue Aufgabenstellung einbezogen, die der 5. Bundestag für damals Ihr, heute mein Haus vorgesehen hatte. Man hätte eigentlich erwarten müssen, daß das wenigstens in etwa schon vorgesehen war.
Sie haben gesagt, man solle nicht so viel in der Vergangenheit herumbohren, haben aber Ihrerseits doch wieder darin herumgebohrt. Ich bin absolut dafür, das nicht zu tun; aber dann muß das für beide Seiten gelten.
Sie, Herr Stoltenberg, haben mir den guten Rat gegeben, ich möchte möglichst in Zusammenarbeit mit dem Bundesfinanzminister noch einmal die Zahlen prüfen. Dazu brauchen wir den Bundesfinanzminister nicht; wir haben sie auch so parat. Sie vergleichen entweder Zahlen für den reinen Hochschulbau ohne Sonderfälle außerhalb der Hochschulen oder Sie vergleichen Zahlen für den Hochschulbau plus Sonderfälle. Die Sonderfälle einmal einzubeziehen und dann wieder draußen zu lassen, ist, glaube ich, nicht richtig. Die Tatsache, daß der Wissenschaftsrat, dessen Vorsitzender ich gewesen bin, die Hereinnahme der Sonderfälle propagiert hat, besagt noch nicht, daß sie 'dadurch zu einem Bestandteil der Hochschulen werden. Denn auf welche Institutionen sich die Sonderfälle beziehen, Herr Stoltenberg, wissen Sie so gut wie ich. Wenn wir, wie in den Vorjahresansätzen geschehen, auch 1970 die Sonderfälle mit einbezögen, hätten wir nicht einen Etat von 820, sondern von 870 Millionen DM vor uns.
Die Ausführungen von Herrn Kollegen Lohmar hinsichtlich der Planung und der Einstellung zur Planung, die wir vorgefunden haben, kann ich nur eindeutig bestätigen. Hier kommt es zunächst nicht auf Einzelheiten, sondern darauf an, ob man prinzipiell planungsfreundlich ist oder nicht. Herr Kollege Stoltenberg, seien wir doch ehrlich! Erinnern wir uns einmal an die vielen Unterhaltungen, die wir miteinander gehabt haben! Wie haben Sie uns z. B. beschworen, uns dafür 'einzusetzen, daß möglichst nicht solche Dinge im Schulwesen passieren, damit der Forschung nicht so viel verlorengeht! Wenn wir eine Planung vorlegen sollen, müssen wir doch erst einmal die Dimension den Mitarbeitern meines Hauses bewußt machen. Deswegen dauert das Ganze in der Tat etwas länger. Wir müssen den Gesamtbereich überblicken und können uns nicht wie bisher nur auf einzelne Probleme beschränken. Wir können nicht immer wieder Einzelerfolge — solche hat es, das will ich gar nicht abstreiten, natürlich gegeben — 'darstellen und daraus auch noch Honig saugen.
Ein paar Worte zu dem Beitrag von Herrn Kollegen Martin. Ihre Gedanken zur 50 : 50-Klausel waren sehr interessant für mich. Ich kann nur noch einmal das wiederholen, was ich vorhin schon gesagt habe — Sie haben es auch gesagt —: Die Aufgabenerweiterung hätte auch die vorige Regierung, wenn sie etwas über ein Jahr vorausgeschaut hätte — ich glaube, das hat sie sogar getan —, in ihre mittelfristige Planung einbeziehen können.
Sie haben gesagt, die Debatte sei notwendig gewesen. Ich will das nicht in Abrede stellen, es aber auf die Opposition beschränken. Für uns war sie nicht notwendig.
Herr Minister Leussink, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Martin?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2351
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte schön! Ich bin zwar am Ende meiner Ausführungen, aber trotzdem.
Herr Minister, wären Sie in der Lage und hätten Sie die Freundlichkeit,. sich einmal zu den Zahlen, die ich Für die nächsten Jahre genannt habe und persönlich nach vielen Überlegungen für berechtigt halte, zu äußern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe sie nicht mehr im Ohr. Ich möchte genau dasselbe Mittel anwenden, das Sie angewandt haben, und sagen: Da ich sie nicht mehr im Ohr habe, möchte ich mich als nicht voll im Besitz der Unterlagen befindlich betrachten und dazu keine Aussagen machen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Vielleicht erleichtert es Herrn Stoltenberg nachher seine Darlegungen, wenn ich vorher noch einige Anmerkungen mache.
Nur zur Klarstellung, Herr Dr. Martin: Ich darf also aus der Debatte festhalten, \\daß Sie über die Frage, ob man, wenn man auf der einen Seite Prioritäten festsetze, die sich daraus ergebenden Nachrangigkeiten nicht auch behandeln müsse, nachdenken wollen. Ich halte das für sehr gut. Sie haben die Frage nach dem Dringlichkeitskatalog selbst nicht beantwortet. Da Sie das aber als Anregung betrachten, halte ich es für ein wichtiges Ergebnis, zumindest für Sie.
Zum zweiten möchte ich sagen, daß alle Befürchtungen, die die FDP geäußert hat, nämlich daß die Verfassungsänderungen und Verfassungsergänzungen in sich nicht logisch seien, heute von den Rednern der CDU/CSU geteilt worden sind. In der Tat sind die zusätzlichen Verantwortlichkeiten des Bundes bei der Gestaltung der Finanzreform nicht mit entsprechenden Finanzmitteln kompensiert worden, so daß Schwierigkeiten und Engpässe entstehen, die Sie nicht gesehen haben, weil Sie die Sache nicht als Ganzes betrachtet und nicht zu der klaren Verantwortung gefunden haben, die wir von der FDP damals für den Bund gefordert haben.
Ein Weiteres. Um jeden Zweifel auszuschließen: auch Herr Stoltenberg hat hier meine Ausführungen falsch zitiert. Das will ich zugestehen, das mag hier beim Hören passieren. Ich will noch einmal ganz klar sagen, um was es sich handelt. Es handelt sich darum, daß wir von den zehn Jahren bis 1980 gesprochen haben und daß der Herr Bundeswissenschaftsminister erklären ließ und erklärt hat, daß bis zum Jahre 1980, nach jetzigen Preisen gerechnet, die Bildungsmittel von insgesamt — Bund und Länder — rund 24 Milliarden DM pro Jahr auf 50 Milliarden DM steigen müßten, d. h. eine Verdoppelung der jetzigen Bildungsausgaben bis zum Jahre 1980 notwendig sei, um alle Forderungen, die die Verfassung bezüglich Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit stellt, in einem modernen Bildungssystem einigermaßen erfüllen zu können. Wenn Sie diese Zahl nehmen und dabei die Län- derbelastung insgesamt nehmen — das muß man ja —, dann ist doch klar, daß wir heute Bildungsausgaben haben, die sich im Verhältnis zum Sozialetat und im Verhältnis zum Verteidigungsetat etwa wie 1 : 1 : 1 verhalten — grob gesprochen, der Verteidigungsetat ist etwas geringer, der Sozialetat etwas höher, als der Bildungsetat bei Bund und Ländern im Augenblick ist. Wenn Sie aber die Verdoppelung des Bildungsetats bis zum Jahre 1980 in der Relation zu den beiden anderen Etats für notwendig halten, ergibt sich, daß sich dann jedenfalls der Bildungsetat im Verhältnis von etwa 2 : 1 : 1 zum Verteidigungs- und Sozialetat verhalten könnte. Gewisse Abweichungen sollen da nicht im einzelnen untersucht werden. Das heißt doch, daß die relative Zuwachsrate im Verteidigungs- und im Sozialbereich — das sind nämlich die großen Blöcke neben dem Bildungsetat — geringer sein muß als die Gesamtzuwachsrate der Steuereinnahmen und daß die relative Zuwachsrate bei den Bildungsausgaben entsprechend höher sein muß, daß hier also eine Verschiebung in der Tendenz stattfinden muß. Ich habe gesagt, daß eine wirkliche grundlegende Veränderung in den Prioritäten, wenn ich den Verteidigungsetat betrachte, für mich voraussetzt, daß eine außenpolitische Entlastung eintritt, die dann wirklich erhebliche Umschichtungen auf einmal ermöglicht.
'Deswegen hat ja die Bundesregierung gerade die Außenpolitik an die Spitze ihrer Bemühungen gestellt, um die inneren Reformen zu erleichtern. Nicht, daß man diese Reformen nicht beginnen könnte, wenn man anderwärts nicht erfolgreich wäre, aber ,daß man die inneren Reformen wirklich erfolgreich durchsetzen kann, wenn man außenpolitisch ,die Friedenssicherung so betreibt, daß man sich hierdurch entlastet, ist doch keine Frage. Daß die CDU/CSU sich offensichtlich über diese Zusammenhänge noch nicht genügend im klaren war, hat die Debatte heute gezeigt. Insofern ist die Debatte wirklich nützlich. Ich sehe ein, daß solche Klärung in einer großen Fraktion eine besondere Schwierigkeit ist, aber ich möchte Ihnen einfach vorschlagen, daß Sie sich in Ihrer Fraktion einmal von Sparte zu Sparte darüber unterhalten, was Ihnen nun wirklich wichtig ist, und das Sie Ihren Kollegen einmal erklären, was „Priorität" heißt.
Das ist doch das 'Problem, was offensichtlich nicht überall verstanden wird, denn wenn ich eine Sache für die wichtigste erkläre, können ja alle anderen Dinge nur weniger wichtig sein. Das schreibt die 'deutsche Sprache zwingend vor. Da wir von Bildung sprechen, halte ich das für einen wesentlichen Beitrag zur Klärung der Begriffe.
2352 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Borin, Mittwoch, den 22. April 1970
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß gestehen, daß die Art, wie die Bundesregierung und auch Sprecher der !Koalition hier mit !Zahlen umgehen, mich nicht nur verwirrt, sondern auch unangenehm berührt. Es ist nicht möglich, daß !die Bundesregierung am 12. Februar, unterschrieben vom Bundeskanzler, eine Finanzplanung vorlegt, die auf bestimmten Zahlen beruht, die ich Ihnen hier vorlege, dann der Bundesminister für Bildung in seinen Polemiken gegen Anträge der CDU/CSU !am 25. Februar mit völlig anderen, nämlich abweichenden Zahlen für die gleichen
Sachverhalte !operiert und das hier im Plenum fortgesetzt wird. Die schriftliche Finanzplanung der neuen Bundesregierung mit der Unterschrift des Bundeskanzlers, bei der ich unterstelle, Herr Minister Leussink, daß sie nicht bloß abgeschrieben ist, sondern daß man sich etwas dabei gedacht hat, ergibt nämlich andere Zahlen, als Sie sie vor der deutschen Öffentlichkeit und dem deutschen Parlament nennen. Daraus geht ganz klar hervor — .auf den Seiten 24 und 25 —, daß für wissenschaftliche Hochschulen im Jahre 1969 718,3 Millionen DM ausgegeben worden sind, 'während es im Jahre 1968 650 Millionen DM waren. Die letzte Zahl geht aus der vorhergehenden Drucksache der alten Bundesregierung hervor. Nun müssen Sie wirklich einmal erläutern, wie Sie dazu kommen, aus einem Plus von 68 Millionen DM ein Minus von 26 Millionen DM zu machen. Ich halte es schlechthin für unerträglich, daß die Bundesregierung je nach Bedarf hier mit verschiedenen Zahlen operiert, ,die Öffentlichkeit und das Parlament verwirrt und auch falsch informiert. Den Vorwurf muß ich hier jetzt in aller Deutlichkeit, gestützt auf die Drucksache der Bundesregierung vom 112. Februar, erheben.
Meine Damen !und Herren, das zweite, was hier zu sagen ist, ist folgendes. Die Finanzplanung für 1971 beruht, wie Sie sagen, auf Zahlen der alten Bundesregierungen. Ich habe nicht die Absicht, den Streit über Akten- und Planungsunterlagen hier ins Plenum zu bringen, wenn auch die Polemik vielleicht etwas dazu reizt. Das wäre eine Debatte, bei der nur Aussage gegen Aussage stehen kann und bei der die Art der Polemik doch wohl nur die Schwäche in 'der gegenwärtigen Situation, nämlich bei der Behandlung unseres Antrages, überdecken soll.
Es geht hier primär eben nicht um die Vergangenheit.
Der 'Bundesminister und die Sprecher der Regierung haben gesagt, daß sie selbst auf Grund der neuen Entwicklung noch eine längere Zeit brauchen, um genau für die Zukunft 2u schätzen. Das akzeptieren wir. Das ist eine Lage, in der sich heute jedes Land, unabhängig von der politischen Zusammensetzung seiner Regierung, befindet und in der wir uns auch befinden. Wenn das so ist, dann können
Sie sich doch nicht damit herausreden, daß Sie hier einfach ungeprüfte Zahlen der Vergangenheit übernommen hätten, die zu einem Zeitpunkt formuliert worden sind, Herr Bundesminister, als eben die Entscheidung über die neuen Zuständigkeiten der Bundesregierung noch nicht gefallen war.
Ich widerspreche Ihnen in dem Punkt ganz ausdrücklich, daß vor dem Regierungswechsel nichts veranlaßt worden sei. Von dem damals zuständigen Bundesminister ist bereits im August vergangenen Jahres veranlaßt worden, daß die bis dahin geltende Planung überprüft wird, um aus der Planungsreserve in der alten Finanzplanung, die noch nicht aufgegliedert war, einen dreistelligen Millionenbetrag für die neuen Aufgaben in !den nächsten Jahren zusätzlich zu mobilisieren. Ich widerspreche Ihren Ausführungen insoweit ganz nachdrücklich und lehne es im übrigen ab, frühere Gespräche, 'die wir in anderer Eigenschaft geführt haben, in der Form hier in das Plenum einzuführen, wie Sie es getan haben.
Meine Damen und Herren, hier geht es darum, daß wir eine Einzelplanung in der Bundesregierung, im Bundesministerium für 'Bildung und Wissenschaft, nach dem Verwaltungsabkommen früherer Jahre und nach dem von der großen Mehrheit dieses Hauses beschlossenen Hochschulbauförderungsgesetz nur auf der Grundlage von vorherigen Planungen der Länder und des Wissenschaftsrates für die Hochschulen vornehmen können. Das wissen Sie genausogut wie ich, Herr Kollege Lohmar. Das sollten Sie in Zukunft bei sachbezogeneren Äußerungen zu dieser Frage auch berücksichtigen.
Herr Abgeordneter Dr. Stoltenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage !des Kollegen Dr. Sperling?
Ja.
Mich interessiert in Ihrem Fall, da Sie ja als Wirtschaftsexperte Ihrer Partei gelten, die Frage, ob Sie denn imstande sind, notfalls auf die Ergänzungsabgabe zu verzichten, wenn Sie die Bildungsausgaben erhöhen wollen? Ich frage Sie, ob Sie in bezug auf einen solchen Antrag Ihrer Fraktion irgend etwas unternehmen werden.
Das ist zwar ein ganz anderer Punkt als der, den wir jetzt behandeln. Aber bei manchen Kollegen ist es wie mit der „Kaiserlichen Werft", man kommt immer zum gleichen Punkt zurück. Wir haben — ich kann mich hier auf meine Rede vom 30. Oktober vergangenen Jahres beziehen, Herr Kollege Sperling, ausdrücklich davor gewarnt, sich !aus Gründen des Vorrangs der Investitionen und aus konjunkturpolitischen Gründen so leichtfertig auf Steuersenkungen festzulegen, wie es diese Regierung zum 1. Januar dieses Jahres getan hat.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. April 1970 2353
Dr. StoltenbergSie können das im Protokoll nachlesen. Wir sind in der Tat der Meinung, ,daß man über diese Steuersenkungen abschließend erst dann entscheiden soll, wenn man in der Lage ist, auch die ungefähren Größenordnungen künftiger Investitionen zu übersehen. Dazu bietet die Finanzplanung der Bundesregierung vom 12. Februar keine Grundlage. Es ist schon eine etwas groteske Situation — ich bewundere Ihre Unbekümmertheit, Herr Kollege Lohmar, ich bewundere auch die Unbekümmertheit des Bundesministers —, auf der einen Seite eine solche Finanzplanung vorzulegen, die einen Rückschritt bedeutet, und andererseits gegenüber einem Antrag, der eine spürbare Verbesserung bedeutet, uns vorzuwerfen, diets sei alles noch zu wenig. Das scheint mir für die etwas ungeklärte Bewußtseinslage dieser Regierung und der Koalition symptomatisch zu sein. Insofern war diese Debatte nützlich und notwendig.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung.
Der Altestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu überweisen. Eine Mitberatung im Haushaltsausschuß ist nicht beantragt. Wenn keine weiteren Anträge gestellt werden, ist der Uberweisungsantrag so beschlossen.
Wir stehen damit — —
— Herr Kollege Stoltenberg, ich habe soeben ausdrücklich gefragt, und 'da wurde kein Antrag gestellt. Aber nach § 96 unserer Geschäftsordnung wird der Haushaltsausschuß sowieso mitberatend eingeschaltet. Ich glaube, daß wir so verbleiben können.
Wir stehen damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 23. April 1970, 14 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.