Protokoll:
5146

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 146

  • date_rangeDatum: 17. Januar 1968

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:03 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:14 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 146. Sitzung Bonn, den 17. Januar 1968 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Gibbert . . . . . 7493 A Die Abg. Baltes und Frau Kleinert treten in den Bundestag ein . . . . . . . 7493 D Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung an die zuständigen Ausschüsse 7493 D Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 7494 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Dr. Kuchtner, Dr. Sinn, Brese, Rock, Meister und Müller (Ravensburg) 7521 D Fragestunde (Drucksachen V/2464, zu V/2464) Frage ,des Abg. Dr. Müller-Emmert: Unterrichtung der Öffentlichkeit über Probleme der Strafrechtsreform . . . 7497 A Frage des Abg. Kubitza: Teilnahme von Berufsschülern an den Bundesjugendspielen Dr. Barth, Staatssekretär 7497 B Kubitza (FDP) . . . . . . . . 7497 C Fragen ,des Abg. Logemann: Verteilung und Verwendung der 560 Mio DM zum Ausgleich der Auswirkungen der Getreidepreissenkung Höcherl, Bundesminister . . . . 7497 D Logemann (FDP) 7498 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 7499 C Ertl (FDP) 7499 D Frage des Abg. Wächter: Sondervereinbarung mit der Sowjetzone über Einfuhr von Bullen in die Bundesrepublik Höcherl, Bundesminister 7500 B Wächter (FDP) . . . . . . . 7500 C Reichmann (FDP) 7501 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 7501 A Fragen des Abg. Wächter: Vorteile für die deutsche und die gesamte europäische Landwirtschaft bei Eintritt Englands, Dänemarks, Norwegens und Irlands in die EWG Höcherl, Bundesminister 7501 C Wächter (FDP) 7501 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 Reichmann (FDP) . . . . . . . 7502 C Logemann (FDP) . . . . . . . 7502 C Ertl (FDP) 7502 D Peters (Poppenbüll) (FDP) . . 7503 A Dr. Reinhard (CDU/CSU) 7503 B Fragen des Abg. Gottesleben: Auftreten der Toxoplasmose bei schwangeren Frauen — Wirksame Behandlung der Krankheit Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . . . . . . . 7503 C Gottesleben (CDU/CSU) 7503 C Frage des Abg. Gottesleben: Schutz der Menschen vor Ansteckung durch erkrankte Tiere Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär 7504 B Frage ides Abg. Josten: Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung des Rheins Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär 7504 B Josten (CDU/CSU) 7504 C Frage des Abg. Josten: Anlage von Freibädern für die Rheinorte nach Entschmutzung des Rheines Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär 7505 A Frage des Abg. Josten: Inanspruchnahme des Entölungsdienstes durch ausländische Schiffe auf dem Rhein Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär 7505 A Josten (CDU/CSU) 7505 B Frage des Abg. Dorn: Blutalkoholuntersuchungen bei Kraftfahrern Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . . . . . . . 7505 D Moersch (FDP) 7506 B Frage des Abg. Haehser: Auslaufen von Treibstoff aus Anlagen des amerikanischen Benzinlagers in Wellen, Kr. Saarburg 7506 C Fragen des Abg. Biechele: Kinderlähmung . , 7506 D Fragen des Abg. Geldner: Anzeigenserie „Der Kumpel zahlt die Zeche nicht!" Diehl, Staatssekretär 7506 D Geldner (FDP) . . . . . . . 7507 A Frage des Abg. Ollesch: Kritik des Stellvertretenden Bundespressechefs Ahlers an Gewerkschaften Diehl, Staatssekretär 7507 D Frage des Abg. Dorn: Bildung eines SPD-Schattenkabinetts Diehl, Staatssekretär 7507 D Moersch (FDP) . . . . . . . 7508 A Frage des Abg. Moersch: Ankauf von 10 000 Exemplaren der Jugenderinnerungen von Bundeskanzler Dr. Kiesinger aus den Mitteln des Titels 300 Diehl, Staatssekretär 7508 A Moersch (FDP) . . . . . . . 7508 B Fragen des Abg. Lenders: Aufklärungsschrift des Bundespresse-und Informationsamtes über das Finanzänderungsgesetz 1967 7508 C Frage des Abg. Felder: Nichtveröffentlichung der „Analyse über das Wahlverhalten der Bundeswehr" Diehl, Staatssekretär 7508 D Felder (SPD) 7509 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 7509 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 7509 C Zur Geschäftsordnung: Mertes (FDP) 7509 D Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 7509 D Aktuelle Stunde Auswirkungen der Getreidepreissenkung Logemann (FDP) 7509 D, 7515 D Ertl (FDP) 7510 C, 7521 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 7511 A Höcherl, Bundesminister 7511 C, 7516 D Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . . 7512 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . . 7513 A, 7520 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Januar 1968 III Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 7514 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . . 7514 C Struve (CDU/CSU) :. . . . . . . 7515 A Bauknecht (CDU/CSU) . . . . . . 7517 C Sander (FDP) . . . . . . . . . 7517D Dr. Siemer (CDU/CSU) . . . . . 7518 D D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 7519 C, D, 7520 D Dr. Dahlgrün (FDP) . . . . . . . 7519 D Große Anfrage betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland (Abg. Kühn [Hildesheim], Stingl, Frau Schroeder [Detmold], Dr. Jungmann, Adorno und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksachen V/1198, V/2441) D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 7522 B Kühn (Hildesheim) ((CDU/CSU) . . 7522 B, 7556 C Dr. Heck, Bundesminister . . 7524 B, 7554 D Hauck (SPD) : 7528 A Baier (CDU/CSU) 7530 C Kubitza (FDP) . . . . . . . . 7532 A Frau Stommel (CDU/CSU) . . . 7534 D Dr. Meinecke (SPD) 7536 C Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . 7538 B Jung (FDP) . . . . . . . . 7540 D Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 7542 C Frau Schanzenbach (SDP) . . . . 7544 B Dr. Mommer, Vizepräsident . . 7544 C Burger (CDU/CSU) 7547 B Spitzmüller (FDP) . . . . .. . 7548 A, 7557 A Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . . 7549 C Glombig (SPD) . . . . . . . . 7550 C Dr. Jungmann (CDU/CSU) . . . . 7552 B Frau Meermann (SPD) . . . . . 7553 D Dr. Bayerl (SPD) 7555 D Stingl (CDU/CSU) 7557 B Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder (Drucksache V/2370) — Erste Beratung — Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 7557 C Frau Dr. Kuchtner (CDU/CSU) . . 7561 C Kaffka (SPD) 7563 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 7566 D Köppler (CDU/CSU) 7570 D Frau Kleinert (SPD) 7572 D Dr. Dittrich (CDU/CSU) 7573 D Entwurf eines Gesetzes über die Ablieferung von Pflichtstücken an die Deutsche Bibliothek (Pflichtstückgesetz) (Drucksache V/2400) — Erste Beratung — . . 7575 C Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Kosten beim Bundessortenamt (Drucksache V/2417) — Erste Beratung — 7575 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. März 1967 mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Schutz von Herkunftsangaben und anderen geographischen Bezeichnungen (Drucksache V/2421) — Erste Beratung — . . . . 7575 C Entwurf eines Personalausweisgesetzes (Drucksache V/2438) — Erste Beratung — 7575 D Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache V/2378) — Erste Beratung — 7575 D Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Dienstbezüge der Beamten und der sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften Verordnung des Rats zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst-und Versorgungsbezüge der Beamten Verordnung des Rats zur Festlegung der Höhe der in Anhang VII, Artikel 4 a) des Statuts der Beamten vorgesehenen vorübergehenden Pauschalzulage (Drucksachen V/2198, V/2451) 7576 A Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung Nr. 13/64/EWG bezüglich der Erstattungen für Milcherzeugnisse, die in nach dritten Ländern ausgeführten Milchalbumin enthalten sind (Drucksachen V/2271, V/2452) 7576 A Beratung 'des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks in BerlinMoabit, Kruppstraße 2 bis 4, an das Land Berlin (Drucksache V/2462) . . . . . 7576 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 7576 C Anlagen 7577 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 7493 146. Sitzung Bonn, den 17. Januar 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn a. Rh., 15. Dezember 1967 An den Herrn Bundeskanzler 5300 Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mit mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 318. Sitzung am 15. Dezember 1967 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestage am 8. Dezember 1967 verabschiedeten Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil - Finanzänderungsgesetz 1967 - gemäß Artikel 84 Abs. 1 und 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat die aus der Anlage ersichtliche Entschließung angenommen. 1 Anlage Dr. Lemke Vizepräsident Bonn, den 15. Dezember 1967 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages 5300 Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 8. Dezember 1967 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Lemke Vizepräsident Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 15. Dezember 1967 an den Bundeskanzler Entschließung des Bundesrates zum Finanzänderungsgesetzes 1967 1. Der Bundesrat bedauert, daß dieses wichtige Finanzänderungsgesetz 1967 so rasch verabschiedet worden ist, daß weder im Bundestag geschweige denn im Bundesrat die vom Bundesrat immer wieder gewünschte klare Gesetzesaussage zu erreichen war. Der Bundesrat bedauert insbesondere, daß entgegen seiner wiederholten Forderung, die Fristen der Beratung zu verlängern, in diesem Falle nur eine Woche Frist zur Behandlung dieses außerordentlich wichtigen Gesetzes zur Verfügung gestanden hat, so daß die Ausschüsse des Bundesrates sogar beraten mußten, ohne den endgültigen Text des Gesetzesbeschlusses vorliegen zu haben. Die Folge ist, daß das Gesetz eine Reihe von erheblichen Mängeln aufweist, die nicht nur * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 20. 1. Dr. Althammer 22. 1. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 18. 1. Bading * 19.1. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 17. 1. Dr. Barzel 19. 1. Bauer (Würzburg) ** 18. 1. Prinz von Bayern 19. 1. Böhm 20. 1. Dröscher * 17. 1. Dr. Effertz 17. 1. Frau Dr. Elsner 15. 2. Dr. Erhard 17. 1. Dr. Frey 20. 1. Dr. Häfele 20. 1. Hellenbrock 20. 1. Dr. Kempfler 20. 1. Killat 2. 2. Koenen (Lippstadt) 20. 1. Kriedemann * 19. 1. Kunze 20. 1. Lenz (Brühl) 29. 2. Mauk * 17. 1. Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller 16. 2. Dr. Mülhan 19. 1. Müller (Aachen-Land) * 19. 1. Petersen 20. 1. Sänger 20. 1. Scheel 17.1. Schmidt (Hamburg) 20. 1. Dr. Schmidt (Wuppertal) 20. 1. Dr. Starke (Franken) 17. 1. Stein (Honrath) 17. 1. Dr. Wahl ** 18. 1. Zoglmann 17. 1. b) Urlaubsanträge Arendt (Wattenscheid) 17. 2. Dr. Becher (Pullach) 31. 1. Blachstein 26. 1. Eckerland 16. 2. Hamacher 3. 2. Hölzle 27. 1. Langebeck 31. 1. Matthöfer 26. 1. Schmidt (Würgendorf) 3. 2. 7578 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 seine Durchführbarkeit in der Praxis wesentlich erschweren, sondern die auch zu Unzuträglichkeiten für den Staatsbürger führen. Da in der einen Woche, die praktisch nur noch zur Verfügung steht, eine Behebung dieser Mängel nicht mehr möglich ist, und da insbesondere der Bundestag hat erkennen lassen, daß er nicht bereit ist, an der Behebung dieser Mängel weiter mitzuwirken, bleibt dem Bundesrat nichts anderes übrig, als aus gesamtpolitischer Verantwortung für die Bundesrepublik Deutschland von der Anrufung des Vermittlungsausschusses abzusehen. Der Bundesrat läßt sich bei dieser Entscheidung davon leiten, daß die Bundesregierung den Finanzbedarf der Länder anerkennt und ihre Zusage erfüllt, die Ergänzungszuweisungen an die finanzschwachen Länder zu erhöhen. Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang an seine Forderung auf Anhebung dieser Zuweisungen um weitere 260 Millionen DM auf 520 Millionen DM. Der Bundesrat weist darauf hin, daß eine Folge der unveränderten Verabschiedung dieses Gesetzes darin liegt, daß die von ihm gewünschte weitere Verbesserung der Finanzmasse der Länder nicht eintritt. Infolgedessen werden die Länder voraussichtlich erhebliche Schwierigkeiten haben und zum Teil nicht mehr in der Lage sein, weiteren Wünschen der Bundesregierung nach zusätzlichen Investitionen unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten zu entsprechen. Einzelne Länder werden nicht einmal in der Lage sein, die vorgesehenen Investitionen durchzuführen. 2. Besonders erschwert war die Beratung der Bestimmungen sozialpolitischen und familienpolitischen Inhalts. In die Bereiche der Sozialpolitik und der Familienpolitik wurde unter dem Gesichtspunkt der Kosten und der Entlastung des Bundeshaushalts eingegriffen. Es wurde nicht ausreichend berücksichtigt, daß sich vielfach diese Art der Entlastung des Bundeshaushalts nur als Liquiditätseinengung von Sozialversicherungsträgern und als Mehrbelastung von Trägern der Sozialhilfe auswirkt. Daher müssen diese gesetzlichen Regelungen zur Vermeidung gefährlicher Folgen in sozialpolitischer und familienpolitischer Hinsicht baldmöglichst überprüft werden. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Leistungsverlagerungen und Leistungsbegrenzungen des Gesetzes erfolgt deshalb ausdrücklich, um die derzeitige schwierige finanzielle Lage fristgerecht zu überbrücken; sie bedeutet nicht eine grundsätzliche Zustimmung zu diesen die Sozialpolitik und Familienpolitik betreffenden Maßnahmen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, — sicherzustellen, daß Sozialleistungen im Zusammenhang deutlicher erkennbar werden, so daß künftig Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik sachgerecht aufeinander abgestimmt werden können, — die langfristige Absicherung der Bundeszuschüsse zu den gesetzlichen Rentenversicherungen einzuplanen, — unverzüglich die Liquidität aller Sozialversicherungsträger sicherzustellen, — die Leistungen zur wirtschaftlichen Festigung der Familie zu harmonisieren und — die durch die Sanierungsgesetzgebung entstandenen Verlagerungen der Belastungen zu überprüfen. Anlage 3 Umdruck 349 Antrag der Fraktion 'der SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroeder (Detmold), Dr. Jungmann, Adorno und der Fraktion der CDU/CSU betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache V/1198 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag einen Gesetzentwurf über Gewährung von Unfallversicherungsschutz für Schulkinder vorzulegen, durch den diese während des Unterrichts und auf dem Wege zur und von der Schule kraft Gesetzes versichert werden. Bonn, den 17. Januar 1968 Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 351 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroeder (Detmold), Dr. Jungmann, Adorno und der Fraktion der CDU/CSU betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache V/1198 —. Der Bundestag wolle beschließen: , 1. Der Bundestag hat von der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage Kenntnis genommen. 2. Die Bundesregierung wird ersucht, im Interesse einer Koordinierung und Stärkung der die Entwicklung der Kinder fördernden Maßnahmen den Bundesminister für Familie und Jugend mit der Federführung sowohl innerhalb der Bundesressorts wie gegenüber den Länderregierungen zu beauftragen. 3. Die Bundesregierung wird weiter ersucht, in den Grenzen ihrer verfassungsrechtlichen Möglichkeiten auf die angemessene Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Kinder durch Länder und Gemeinden hinzuwirken und geeignete Maßnahmen, soweit erforderlich, anzuregen. Bonn, den 17. Januar 1968 Rasner und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 7579 Anlage 5 Umdruck 352 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroeder (Detmold), Dr. Jungmann, Adorno und der Fraktion der CDU/CSU betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache V/1198 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Förderungsmaßnahmen für behinderte Kinder in Tagesstätten und bei Sonderbehandlungen in einer besseren und stärkeren Weise als bisher durchgeführt werden können. Bonn, den 17. Januar 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 15. Dezember 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Krammig (Drucksache V/2333 Fragen 42, 43 und 44) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die sehr erheblichen Lagerbestände in den deutschen Obstverschlußbrennereien (besonders Weinbrennereien) steuerlich höher belastet werden als gleichartige ausländische Erzeugnisse, die sich am 1. Januar 1968 im Inland in Zollaufschublagern befinden, weil die inländischen Bestände mit dem derzeitigen Höchstsatz der Branntweinaufschlagspitze (= dem Monopolausgleich) von 93 DM je Hektoliter reinem Alkohol belastet bleiben, während für die ausländischen Spirituosen in Zollaufschublagern nach den zollrechtlichen Bestimmungen der neue Satz des Monopolausgleichs in Anspruch genommen werden kann, der durch Einführung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 1968 auf 77 DM je Hektoliter reinem Alkohol sinkt? Erkennt die Bundesregierung einen Erstattungsanspruch in Höhe der Differenz zwischen der Belastung der Lagerbestände inländischer und ausländischer Spirituosen an? Wird die Bundesregierung rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen veranlassen, um die in Frage 42 erwähnte unterschiedliche Belastung auszugleichen? Es ist der Bundesregierung bekannt, daß die durch die Einführung der Mehrwertsteuer bedingte Senkung der Monopolausgleichspitze von 93,— DM auf 77,— DM, also um 16,— DM je hl Weingeist auf Grund des § 154 Abs. 1 des Branntweinmonopolgesetzes in Verbindung mit § 46 Abs. 9 des Zollgesetzes auch für die eingeführten Spirituosen in Anspruch genommen werden kann, die sich am 1. Januar 1968 in einem Zollaufschublager befinden. Es ist auch bekannt, daß für den inländischen Obstbranntwein, insbesondere Branntwein aus Wein, der sich in Branntweineigenlagern befindet, eine entsprechende Ermäßigung der Branntweinaufschlagspitze mangels einer Rechtsgrundlage nicht möglich ist. Es trifft jedoch nicht zu, wie man aus der Anfrage entnehmen könnte, daß für allen Obstbranntwein, der sich in Branntweineigenlagern befindet, 93,—DM Aufschlagspitze gezahlt oder aufgeschoben worden sind; denn aus der Staffelung der Branntweinaufschlagsätze (§ 79 Branntweinmonopolgesetz) ergibt sich, daß a) die Aufschlagspitze für die Erzeugung der Obstbrennereien innerhalb des Brennrechts stets niedriger ist als 77,— DM, b) im laufenden Betriebsjahr der durchschnittliche Betrag an Aufschlagspitze in Höhe von 93,— DM z. B. in Brennereien mit einem Brennrecht von 60 hl W erst bei einer Erzeugung von 930 hl W 100 hl W erst bei einer Erzeugung von 1350 hl W 300 hl W erst bei einer Erzeugung von 3000 hl W erreicht wird. Ein dem § 46 Abs. 9 des Zollgesetzes entsprechendes Wahlrecht bei Änderung der Belastung der Ware gibt es im Branntweinmonopolrecht nicht. Mit dem Verband der Weinbrennereien sind die Möglichkeiten einer Billigkeitsmaßnahme erwogen worden, um die unterschiedliche Belastung von eingeführten und inländischen Spirituosen im Lagerverkehr auszugleichen. Die Prüfung hat ergeben: a) Eine Beschränkung auf Obstbranntwein ist nicht möglich; es müßten auch die anderen Branntweine, z. B. Korn, Monopolsprit, einbezogen werden. Die Belastung (und damit der zu erstattende Betrag) für die einzelnen Branntweinsorten und innerhalb dieser Sorten ist sehr unterschiedlich. b) Aus der amtlichen Lagerbuchführung ergibt sich nur die Weingeistmenge, nicht aber die Provenienz und die unterschiedliche Höhe der Aufschlagspitzenbeträge. Selbst wenn der Lagerbesitzer die erforderlichen Angaben machen könnte, wäre für den Steueraufsichtsdienst eine Prüfung nahezu unmöglich, da sie die am 1. Januar 1968 vorhandenen Bestände in ihrer Sortenaufgliederung und mit den darauf entfallenden Spitzenbeträgen innerhalb kürzester Zeit nach dem 31. Dezember 1967 erfassen müßte. Die Schwierigkeiten sind vollends unüberwindlich, wenn es sich um Branntwein handelt, der von einem anderen bezogen worden ist, da dann der Lagerbesitzer die Spitzenbeträge nicht kennen kann. c) Schließlich ist nicht zu übersehen, daß die Bestände außerhalb der Branntweineigenlager, also die Bestände des freien Verkehrs, ebenfalls höher belastet sein können als die eingeführten Spirituosen in Zollaufschublagern. Es wäre nur folgerichtig, daß auch sie in eine Erstattungsregelung einbezogen werden. Hier aber läßt sich die effektive Höhe der Spitzenbeträge überhaupt nicht mehr feststellen. Aus diesen Gründen müssen Billigkeitsmaßnahmen ausscheiden. Auf die gleichen praktischen Schwierigkeiten würde auch die Durchführung eines gesetzlich fundierten Erstattungsanspruchs stoßen, wenn eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen würde. Nach Auffassung der Bundesregierung kann der unterschiedlichen Behandlung des eingeführten 7580 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 Branntweins, der sich im Zollaufschublager befindet, und des sonstigen Branntweins für die Zukunft nur dadurch begegnet werden, daß die Anwendbarkeit des § 46 Abs. 9 des Zollgesetzes auf den Monopolausgleich durch eine Änderung des § 154 des Branntweinmonopolgesetzes ausgeschlossen wird, sofern das Wahlrecht des § 46 Abs. 9 des Zollgesetzes im Zuge der EWG- Zollrechtsharmonisierung bestehenbleiben sollte. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Freiherr von und zu Guttenberg vom 15. Dezember 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Picard (Drucksache V/2371 Fragen 15, 16 und 17) : Wie ist die Auffassung der Bundesregierung zu dem Ergebnis einer Meinungsumfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach zu Fragen der Deutschland- und Ostpolitik vom 5. Dezember 1967? Ist die Bundesregierung bereit, den durch die Eigenart der Fragestellung entstandenen Eindruck über die Auffassung der Bevölkerung insbesondere zur Frage der Anerkennung der OderNeiße- Grenze und der Aufnahme direkter Gespräche zwischen der Bundesregierung Deutschland und der Regierung im anderen Teil Deutschlands auf geeignete Weise zu korrigieren? Hält die Bundesregierung Umfragen wie die in Frage 15 genannten für repräsentativ und förderlich für ihre Bemühungen in der Deutschland- und Ostpolitik? Grundsätzlich ist festzustellen, daß die Bundesregierung die Ergebnisse der öffentlichen Meinungsforschung als eine der ihr zur Verfügung stehenden Informationsquellen zwar mit Sorgfalt verfolgt, jedoch ihre politischen Entscheidungen auf Grund ihrer eigenen Überlegungen und Vorstellungen trifft. Sie hält es daher weder für politisch angezeigt noch für sachlich begründet, die Ergebnisse von Meinungsumfragen öffentlich zu bewerten, zumal sie sich laufend einer Fülle von Resultaten gegenübergestellt sieht, die sich nicht selten widersprechen oder zu widersprechen scheinen. Aus den gleichen Erwägungen hat die Bundesregierung daher auch stets davon Abstand genommen, die Ergebnisse der von ihr in Auftrag gegebenen Befragungen zu veröffentlichen. Hierbei spielt auch die Überlegung eine Rolle, daß die bloße Bekanntgabe von Testergebnissen sehr leicht zu Fehlinterpretationen im In- und Ausland führen kann. Zu den vom Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrage des Südwestfunks in der Zeit vom 15. bis 21. November 1967 ermittelten Resultaten ist generell festzustellen, daß sich diese Untersuchung auf einen Bevölkerungsquerschnitt von nur 305 Personen stützt. Die Zahl der Befragten war somit ungewöhnlich gering. Es ist nicht zu bestreiten, daß Erhebungen auf einer so engen Basis zu Resultaten führen können, die mit einer beträchtlichen Fehlerspanne belastet sind. Zum Resultat der Allensbacher Umfrage zur OderNeiße- Linie muß noch auf die für die Beantwortung entscheidende Bedingung hingewiesen werden, die in der Fragestellung enthalten war. Die gestellte Frage lautete: „Wenn wir durch die Anerkennung der OderNeiße- Linie als endgültige deutsche Ostgrenze ein besseres Verhältnis zum Osten erreichen könnten — wären Sie dann für oder gegen die Anerkennung der Oder- Neiße- Grenze?" Das bedeutet, daß diejenigen, die nach den Ergebnissen dieser Umfrage im zustimmenden Sinne reagiert haben, damit zum Ausdruck gebracht haben, daß sie unter der Voraussetzung der Erlangung eines besseren Verhältnisses zum Osten mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige deutsch-polnische Grenze einverstanden wären. Dabei bleibt offen, was unter der Formulierung „besseres Verhältnis zum Osten" von dem einzelnen Befragten konkret verstanden wurde. Dieser Hinweis erscheint notwendig, wenn man sich der Ergebnisse erinnert, die das Institut für angewandte Sozialwissenschaft Bad Godesberg mit nachstehender Fragestellung im September d. J. ermittelt hat. Die Frage hatte folgenden Wortlaut:" „Die Polen wollen nicht eher diplomatische Beziehungen zu uns aufnehmen, his wir die OderNeiße- Grenze anerkennen. Soll man diese Bedingungen erfüllen oder lieber auf diplomatische Beziehungen verzichten?" Die Ergebnisse lauteten: anerkennen 19 % lieber verzichten 52 % ohne Angaben 29 %. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, daß das Institut für Demoskopie im Oktober d. J. im Rahmen einer Untersuchung, die sich auf 2200 Befragte stützte, auf die einfache Frage: „Meinen Sie, wir sollten uns mit der jetzigen deutsch-polnischen Grenze — der Oder-NeißeLinie — abfinden oder nicht abfinden?" folgende Feststellungen traf: nicht abfinden 43 % abfinden 35 % unentschieden 14 %. Im übrigen wird das Institut für Demoskopie Allensbach diese Frage auf gleicher Basis, sowie die mit einer Bedingung versehene Fragestellung -- nunmehr aber auf Grund eines repräsentativen Querschnitts von 2200 Personen — wiederholen. Damit wird gewährleistet, daß die Bundesregierung laufend und in zweckmäßiger Weise über die in dieser Frage sich in der öffentlichen Meinung abzeichnenden Entwicklungstendenzen unterrichtet bleibt. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. von Manger-Koenig vom 17. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Biechele (Drucksache zu V/2464 Fragen 156 und 157) : Treffen Informationen zu, daß im Jahre 1967 erheblich mehr Fälle von Kinderlähmung aufgetreten sind als im Jahre 1966? Deutscher Bundestag -- 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 7581 Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um einen weiteren Anstieg der Kinderlähmung zu verhindern? Die Informationen treffen zu. Im Jahre 1966 wurden 17 Erkrankungen an übertragbarer Kinderlähmung registriert. 1967 waren es dagegen nach den vorläufigen Feststellungen des Statistischen Bundesamtes 60. Der Schwerpunkt lag dabei in Hamburg und im norddeutschen Raum. Alle Erkrankten waren nicht oder nicht ausreichend geimpft. Bei einem großen Teil von ihnen traten schwere Lähmungserscheinungen auf. Die Untersuchungen über die Immunitätslage gegen Kinderlähmung ergaben, daß die Immunität besonders bei Kindern lückenhaft und unzureichend ist; da außerdem der Erreger der Kinderlähmung virologisch in verstärktem Maße nachgewiesen werden konnte, habe ich bereits im Mai vergangenen Jahres die Öffentlichkeit auf die Gefahr eines Wiederanstieges der Erkrankungsziffern hingewiesen. Diese Befürchtungen haben sich leider im Laufe des Jahres bestätigt. Im November haben wir deshalb nochmals nachdrücklich auf die in diesem Winter in allen Bundesländern angebotenen kostenlosen Schluckimpfungen hingewiesen und ich möchte auch jetzt von dieser Stelle aus noch einmal dringlich an die Bevölkerung appellieren, die ihr in diesen Wochen gebotene Chance, sich zu schützen, auch rechtzeitig wahrzunehmen. Die Impfung ist das einzige sichere Mittel, der Wiederkehr der spinalen Kinderlähmung zu begegnen. Jede Gleichgültigkeit der Eltern bedeutet eine Gefährdung der Kinder.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514600000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen.

(Die Abgeordneten erheben sich.)

Am 30. Dezember 1967 verstarb in seinem Geburtsort Moselkern unser Kollege Paul Gibbert im Alter von 69 Jahren nach langer, schwerer Krankheit.
Paul Gibbert wurde am 26. November 1898 geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Trier war er Soldat im ersten Weltkrieg und studierte von 1919 bis 1923 Volkswirtschaft an der Universität Köln. Neben seinem Beruf als Landwirt und Winzer war er vielseitig in Politik und berufsständischen Gremien tätig. 1925 trat er der Deutschen Zentrumspartei bei, arbeitete ehrenamtlich in Berufs- und Genossenschaftsorganisationen und war seit 1929 Mitglied des Gemeinderats, der Amtsvertretung und des Kreistages. Von 1932 bis 1933 gehörte Paul Gibbert als Abgeordneter der Zentrumspartei dem Deutschen Reichstag an. Die Nationalsozialisten entfernten ihn aus allen politischen Ämtern. Als Kämpfer im Widerstand gegen Hitler wurde er nach dem 20. Juli 1944 verhaftet.
Unmittelbar nach Kriegsende stellte sich Paul Gibbert in den Dienst des politischen Wiederaufbaus. Er gehörte zu den Begründern der Christlich-Demokratischen Union in Rheinland-Pfalz, war 1945 Mitglied des Kreistages Cochem, 1946 Mitglied der Beratenden Landesversammlung und später des Landtags von Rheinland-Pfalz. Im gleichen Jahr erhielt er den Auftrag, die Landwirtschaftskammer Rheinland-Nassau in Koblenz aufzubauen.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Paul Gibbert seit 1949, also seit der ersten Stunde an. Er vertrat ununterbrochen als Abgeordneter der ChristlichDemokratischen Union seinen Heimatwahlkreis Cochem. In dem verstorbenen Kollegen hatte der Bundestag einen hervorragenden Kenner für die Fragen der Landwirtschaft im allgemeinen und des Weinbaus im besonderen. Im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Unterausschuß Weingesetz hat Paul Gibbert seine reichen Erfahrungen in den Dienst der Gesetzgebung gestellt. Er wirkte entscheidend an der Uberleitung des deutschen Weinbaus in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit.
Die zahlreichen Verpflichtungen, die er neben seinem Bundestagsmandat auf sich genommen hat, zeigt die Zahl der Organisationen, denen er in führender Stellung angehörte. Er war u. a. Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Nassau, Vizepräsident des Deutschen Weinbauverbandes, Mitglied des Präsidiums des Bauernverbandes Rheinland-Nassau und des Zentralausschusses der deutchen Landwirtschaft.
Der Herr Bundespräsident hat sein Wirken im Dienste der Allgemeinheit mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt.
Ich spreche der Familie unseres verstorbenen Kollegen und der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union die Anteilnahme des Hauses aus.
Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben. Ich danke Ihnen.
Als Nachfolgerin für den verstorbenen Abgeordneten Merten hat die Abgeordnete Frau Kleinert am 14. Dezember 1967 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.
Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Hussong hat der Abgeordnete Baltes am 15. Dezember 1967 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.
Ich begrüße Sie in unserer Mitte und wünsche Ihnen eine gute Zusammenarbeit.

(Beifall.)

Es liegt Ihnen folgende Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnungl den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Vorlage des Bundeskanzlers
Betr.: Vorläufiger Bericht der Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und der Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland (Pressekommission) mit den Empfehlungen für Soforthilfemaßnahmen sowie die Stellung-



Vizepräsident Dr. Jaeger
nahme der Bundesregierung zu den Empfehlungen der Pressekommission
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 11. Mai 1967
— Drucksache V/2403 —
zuständig: Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik (federführend), Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Haushaltsausschuß
Vorlage des Bundeskanzlers
Betr.: Übereinkommen 125, 126 sowie Empfehlung 126, 127 der 50. Tagung der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation im Juni 1966
— Drucksache V/2422
Übereinkommen 125, 126, Empfehlung 126.
zuständig: Ausschuß für Arbeit
Empfehlung 127 zuständig: Ausschuß für Arbeit (federführend), Ausschuß für Entwicklungshilfe
Vorlage des Bundesministers der Finanzen
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung - der Finanzhilfen des Bundes und der Steuerbegünstigungen für die Jahre 1966 bis 1968
Bezug: § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitätsgesetz) vom 8. Juni 1967
— Drucksache V/2423
zuständig: Haushaltsausschuß (federführend), Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Finanzausschuß
Vorlage des Leiters der Deutschen Delegation der Nordatlantischen Versammlung
Betr.: Entschließungen und Empfehlungen der 13. Jahrestagung der Nordatlantischen Versammlung (NATOParlamentarier-Konferenz) vom 20. bis 24. November 1967
— Drucksache V/2429
zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend), Verteidigungsausschuß
Vorlage des Bundesministers des Innern
Betr.: Internationale Polizeikonvention
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 8. Dezember 1966 — Drucksache V/2433 —
zuständig: Innenausschuß (federführend), Auswärtiger Ausschuß
Vorlage des Bundesministers des Innern
Betr.: Wahlrechtsänderungen
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1967
— Drucksache V12434 —
zuständig : Innenausschuß
Vorlage des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
Betr.: Fortführung der Suchdienstarbeiten des Deutschen Roten Kreuzes und der kirchlichen Wohlfahrtsverbände
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 26. Februar 1965
— Drucksache V/2435 —
zuständig: Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, Haushaltsausschuß
Vorlage des Bundesministers des Innern
Betr.: Gesetz zur Änderung des Polizeibeamtengesetzes Bezug: Beschluß des Bundestages vom 17. März 1967
— Drucksache V/2436
zuständig: Innenausschuß (federführend), Haushaltsausschuß
Vorlage des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen
Betr.: Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der EWG für Postgebühren
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 29. Juni 1966 — Drucksache V/2439 —
zuständig: Postausschuß
Vorlage des Bundesministers des Auswärtigen
Betr.: NATO-Truppenstatut und Zusatzvereinbarungen
hier: Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die Durchführung von Manövern und anderen Übungen im Raum Soltau—Lüneburg (Soltau-Lüneburg-Abkommen)

Bezug: Beschluß des Bundestages vom 4. Mai 1961 — Drucksache V/2442 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend), Verteidigungsausschuß, Innenausschuß
Vorlage des Bundesministers des Innern
Betr.: Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes vom 31. August 1965 (BGBl. I S. 1005)

Bezug: Beschluß des Bundestages vom 8. Dezember 1966 — Drucksache V/2443 --
zuständig: Innenausschuß (federführend), Verteidigungsausschuß, Haushaltsausschuß
Vorlage des Bundesministers des Auswärtigen Betr.: Kulturarbeit Im Ausland
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 28. Juni 1967 — Drucksache V/2344
zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend), Innenausschuß,
Ausschuß für Wissenschaft. Kulturpolitik und Publizistik
Vorlage des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Betr.: Bericht der Bundesregierung über den Bildungsurlaub
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 28. Juni 1967 — Drucksache V/2345 —
zuständig: Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik (federführend), Ausschuß für Arbeit
Vorlage des Leiters der Deutschen Delegation der Versammlung der Westeuropäischen Union
Betr.: Bericht über die Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 4. bis 7. Dezember 1967 in Paris
— Drucksache V/2447 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend), Verteidigungsausschuß, Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik
Vorlage des Bundesministers der Finanzen
Betr.: Auswirkungen der Agrarfinanzierung der Europäischen Gemeinschaften (EG) auf den Bundeshaushalt
— Drucksache V/2449 —
zuständig: Haushaltsausschuß (federführend), Finanzausschuß, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Vorlage des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau
Betr.: Zweiter Wohngeldbericht der Bundesregierung
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 11. Mai 1967 — Drucksache V/2399 —
zuständig: Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (federführend), Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Ich stelle fest, daß dies nicht der Fall ist.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Dezember 1967 den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Achtes Änderungsgesetz zum AVAVG)

Gesetz zur Anpassung von Kostengesetzen an das Umsatzsteuergesetz vom 29. Mai 1967
Gesetz zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem
Gebiete der Weinwirtschaft (Weinwirtschaftsgesetz)

Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films
Zehntes Gesetz über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Zehntes Rentenanpassungsgesetz — 10. RAG)

Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
Gesetz zur Ändefung des Gesetzes über die Statistik der Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte
Gesetz über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1968, 1969 und 1970
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Bergmannsprämien
Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes
Drittes Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften
Zweites Gesetz zur Änderung des Schlußtermins für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über weitere Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts
. Gesetz über die Verwendung von Gasöl durch Betriebe der
Landwirtschaft (Gasöl-Verwendungsgesetz-Landwirtschaft)

Gesetz über die ertragsteuerlichen und vermögensteuerlichen Auswirkungen des Umsatzsteuergesetzes vom 29. Mai 1967 und zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Drittes Steueränderungsgesetz 1967)

Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung
des Bundes, I. Teil — Zweites Steueränderungsgesetz 1967 —
Gesetz zu dem Protokoll vom 30. Oktober 1964 und zu dem Zweiten Protokoll vom 17. November 1966 zur Verlängerung der Erklärung vom 13. November 1962 über den vorläufigen Beitritt der Vereinigten Arabischen Republik zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17: Januar 1968 7495
Vizepräsident Dr. Jaeger
Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung
des Bundes, II. Teil — Finanzänderungsgesetz 1967 —
Zum Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil — Finanzänderungsgesetz 1967 — hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.
Der Bundesrat hat weiterhin in seiner Sitzung am 15. Dezember 1967 beschlossen, dem Gesetz über eine Zählung im Handel sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (Handelszählungsgesetz 1968) gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen, und vorsorglich verlangt, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses des Bundestages einberufen wird, falls sich ergeben sollte, daß das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2406 verteilt.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Dezember 1967 verlangt, daß hinsichtlich des Gesetzes über die •Handwerkszählung .1968 (Handwerkszählungsgesetz 1968) der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einberufen wind. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2407 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am .14. Dezember 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Dr. Wilhelmi, Dr. Pohle und Genossen betr. Handelsbilanz und Steuerbilanz — Drucksache V/2308 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2398 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 14. Dezember 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Wehrgerechtigkeit — Drucksache V/2281 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2405 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 13. Dezember 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gewaltverzicht — Drucksache V/2313 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2409 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 19. Dezember 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Erpenbeck, Rawe, Dr. von Nordenskjöld, Dr. Ritz, Hörnemann (Gescher) und Genossen betr. Ausbau der Europastraße 8 — Drucksache V/2319 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2428 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 21. Dezember 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schlager, Burgemeister, Hösl, Niederalt, Röhner, Weigl und Genossen betr. Verbesserung des Regionalen Förderungsprogramms (Zonenrandgebiet, Bundesausbaugebiete) — Drucksache V/2342 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2431 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen hat am 29. Dezember 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Fellermaier, Hirsch, Marx (München), Seidel und Genossen betr. Getreideskandal in Süddeutschland — Drucksache V/2404 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2440 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 5. Januar 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Unterrichtung der betroffenen Personenkreise über die sozialpolitischen Konsequenzen des Finanzänderungsgesetzes 1967 durch eine Broschüre des Presse- und Informationsamtes
— Drucksache V/2415 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2450 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 11. Januar 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Verkehrssicherheit
- Drucksache V/2427 — beantwortet. Sein Schreiben ist ,als Drucksache V/2465 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 12. Januar 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Starke (Franken), Dr. Imle, Dr. Staratzke, Walter und der Fraktion der FDP betr. steuerliche Abschreibung im Zonenrandgebiet — Drucksache V/2392 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2466 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 15. Januar 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Moersch, Dorn, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Busse (Herford) und der Fraktion der FDP betr. Hochschule für Gestaltung Ulm — Drucksache V/2389 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2467 verteilt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat ,am 27. Dezember 1967 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Nachtrag zum Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1967 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Nachtvag liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 22. Dezember 1967 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden Verordnungen keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung Nr. 767/67/EWG des Rates vom 26. Oktober 11967 zur Abänderung der Verordnung Nr. 142/67/EWG über Erstattungen bei der Ausfuhr von Raps- und Rübsensamen sowie von Sonnenblumenkernen
Verordnung Nr. 754/67/EWG des Rates vom 26. Oktober 1967 über die Beihilfe für Olivenöl
Verordnung Nr. 840/67/EWG des Rates vom 14. November 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Mandarinen
Verordnung Nr. 852/67/EWG des Rates vom 14. November 1967 über die Erstattung bei der Erzeugung von Bruchreis, der von der Stärke- und Quellmehlindustrie sowie in der Brauereiindustrie verwendet wird
Verordnung Nr. 918/67/EWG des Rates vom 28. November 1967 über besondere Maßnahmen zum Absatz von Butter aus privater Lagerhaltung zu herabgesetzten Preisen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Einhundertundsechzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Erhöhung des Zollkontingents für Ferrosiliziummangan)

— Drucksache V/2393 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 3. April 1968
Fünfundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 (Tomaten und Seefische)

— Drucksache V/2437 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 3. April 1968
Dreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zoll-

(Zollkontingent für Sulfatoder Natronzellstoff — 1968)

— Drucksache V/2461 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Richtlinien des Rates über die Durchführung der von der FAO empfohlenen allgemeinen Landwirtschaftszählung
— Drucksache V/2418 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im März erfolgen wird
Verordnung des Rates über den Beitrag des EAGFL zur Behebung der in Italien im Jahre 1967 durch die afrikanische Schweinepest verursachten Schäden
— Drucksache V/2419 —
an den• Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich Im März erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Änderung von Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 23 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse
— Drucksache V/2420 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr.
121/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für
Schweinefleisch Im Hinblick auf die Übergangsmaßnahmen
— Drucksache V/2444 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Änderung und Ergänzung der Verordnungen Nr. 3 und Nr. 4 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Änderungen verschiedener Anhänge)

— Drucksache V/2445 —
an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit sowie den Ausschuß für Familien-und Jugendfragen — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar erfolgen wird
Dritte Richtlinie des Rates für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Arzneispezialitäten Entschließung des Rates über die Angleichung der Rechtsvorschriften über Arzneispezialitäten
— Drucksache V/2446 —
an den Ausschuß für Gesundheitswesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Oktober erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Verlängerung der Geltungsdauer von Artikel 2 und 3 b der Verordnung Nr. 127/67/EWG des Rates
— Drucksache V/2454 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar erfolgen wird
Verordnung des Rates betreffend die Verlängerung der Verordnung Nr. 361/67/EWG für Getreide- und Reisverarbeitungserzeugnisse mit Ursprung in den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar oder in den überseeischen Ländern und Gebieten
— Drucksache V/2455 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der end-



Vizepräsident Dr. Jaeger
gültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 213/67/EWG des Rates zur Festsetzung des Verzeichnisses der repräsentativen Märkte für den Schweinefleischsektor in der Gemeinschaft
— Drucksache V12456 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung Nr.
120/67/EWG hinsichtlich der Erstattungen für Erzeugnisse des
Getreidesektors, die in Form von Sorbit ausgeführt werden
Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung Nr. 44/67/EWG hinsichtlich der Erstattungen für bestimmte Erzeugnisse des Zuckersektors, die in Form von Mannit oder Sorbit ausgeführt werden
— Drucksache V/2457 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Änderung und Ergänzung des Artikels 20 der Verordnung Nr. 17/64/EWG über die Bedingungen für die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft
— Drucksache V/2459 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwitrschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Februar erfolgen wird
Verordnung des Rates über die Durchführungsbestimmungen zur Regelung der Einfuhr von aus der Türkei stammenden und eingeführten Zitrusfrüchten
— DrucksacheV/2458 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich Ende Januar erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Verlängerung des Zeitraums, in
dem die Verordnung Nr. 17 des Rates auf den Eisenbahn-,
Straßen- und Binnenschiffsverkehr keine Anwendung findet
an den Verkehrsausschuß mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden
Verordnung Nr. 973/67/EWG des Rates über die in der Gemeinschaft vorzunehmende Durchführung einiger Bestimmungen des Beschlusses des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Durchführung von Artikel 6 des Protokolls Nr. 1 im Anhang zum Abkommen von Ankara
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben. werden
Verordnung Nr. 1028/67/EWG des Rates vom 21. Dezember 1967 zur Änderung der Verordnungen Nr. 111/64/EWG und Nr. 68/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfungsbeträge für bestimmte Käsesorten
Verordnung Nr. 1039/67/EWG des Rates vom 21. Dezember 1967 zur Änderung der in Frankreich während des Milchwirtschaftsjahres 1967/1968 geltenden Schwellenpreise für bestimmte Milcherzeugnisse
Verordnung Nr. 1042/67/EWG des Rates vom 21. Dezembei 1967 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnungen Nr. 214/67/EWG und Nr. 407/67/EWG
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden
Verordnung Nr. 1018/67/EWG des Rates vom 19. Dezembei 1967 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 365/67/EWG über die Regeln für die vorherige Festsetzung der Abschöpfungen für Reis und Bruchreis
Verordnung Nr. 1019/67/EWG des Rates vom 19. Dezember 1967 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 366/67/EWG über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Reis und über die Kriterien für die Festsetzung der Erstattungsbeträge
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten -federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden
Verordnung des Rates Nr. 1026/67/EWG vom 19. Dezember 1967 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 3/63/EWG über die Handelsbeziehungen zu den Staatshandelsländern bei bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnissen
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden
Verordnung des Rates zur Änderung der in Deutschland während des Milchwirtschaftsjahres 1967/1968 geltenden Schwellenpreise für bestimmte Milcherzeugnisse
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden
Zu den in der Fragestunde ,der 144. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. Dezember 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Lenders, Drucksache V/2371 Nrn. 41 und 421, ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Grund vom 15. Dezember 1967 eingegangen:
Zu Frage 41:
Die zugesagte Prüfung konnte noch nicht abgeschlossen werden. Wie Herr Parl. Staatssekretär Leicht in der Fragestunde am 26. Oktober 1967 ausgeführt hat, könnte sich eine Änderung der Vorschriften über die Besteuerung von Personen, die nicht während des ganzen Kalenderjahres unbeschränkt steuerpflichtig, d. h. im Bundesgebiet oder Berlin (West) ansässig sind, nicht auf die ausländischen Gastarbeiter beschränken, sondern müßte aus Gründen der Gleichbehandlung alle Personen einbeziehen, die nur während eines Teils des Kalenderjahres als unbeschränkt Steuerpflichtige Einkünfte bezogen haben. Eine Rechtsänderung, die die Erstattung von Lohnsteuer an nicht ganzjährig beschäftigte Gastarbeiter ausschließen würde, könnte nur darin bestehen, daß bei allen Personen, die nicht während des ganzen Kalenderjahres unbeschränkt steuerpflichtig sind, nicht mehr wie bisher das während der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht bezogene Einkommen als Jahreseinkommen der Besteuerung unterworfen würde, sondern ein auf einen Jahresbetrag umgerechnetes Einkommen. Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage wird die Prüfung, ob eine Rechtsänderung in Erwägung gezogen werden sollte, noch geraume Zeit in Anspruch nehmen, zumal auch die Länder dazu gehört werden müssen.
Zu Frage 42:
Im Bereich der Arbeitnehmerschaft würden außer den nicht ganzjährig beschäftigten ausländischen Gastarbeitern durch eine Rechtsänderung im Sinne der Ausführungen zu Frage 41 deutsche Arbeitnehmer betroffen, die durch Zuzug aus dem Ausland oder Wegzug in das Ausland im Laufe eines Kalenderjahres nur- für einen Teil des Kalenderjahres unbeschränkt steuerpflichtig sind. Weiter könnte durch die Änderung der Besteuerung von Personen, die nicht während des ganzen Kalenderjahres unbeschränkt steuerpflichtig sind, auch eine Überprüfung der Besteuerung von Personen, die zwar während des ganzen Kalenderjahres unbeschränkt steuerpflichtig sind, aber nicht während des ganzen Kalenderjahres laufend steuerpflichtige Einkünfte bezogen haben (z. B. durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit), ausgelöst werden.
Zu .den in der Fragestunde der 144. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. Dezember 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Kempfler, Drucksache V/2371 Nrn. 48 und 491, ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 18. Dezember 1967 eingegangen. Sie lautet:
Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am 13. Dezember 1967 über den Verteilungsmodus der Ausgleichszahlungen für die Getreidepreissenkung bersten und folgendes beschlossen
Im Getreidewirtschaftsjahr 1967/68 stehen 560 Mill. DM für die Verteilung zur Verfügung. Von diesem Betrag sollen 437,5 Mill. DM dem direkten Getreidepreisausgleich nach der Getreideanbaufläche dienen. 22,5 Mill. DM sollen als zusätzlicher Preisausgleich für vermarktete Braugerste verwendet werden. 100 Mill. DM sollen für Maßnahmen zur Förderung von Vorhaben im nationalen Bereich eingesetzt werden, die den Bedingungen entsprechen, die auch für die Finanzierung von Vorhaben aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds — Abteilung Ausrichtung — gelten. Dieser Betrag entspricht der von der Wissenschaft und Praxis einhellig vertretenen Auffassung, daß der Getreidepreis als Eckpreis das ganze landwirtschaftliche Preisgefüge beeinflußt. Gerade in diesen Tagen hat das Ifo-Institut nachgewiesen, wie der Getreidepreis den Rindfleischpreis tangiert.
Vor der Auszahlung der Beträge an die Empfangsberechtigten ist das Verfahren in seinen technischen Einzelheiten mit den Bundesländern abzustimmen und vorzubereiten. Es kann jedoch damit gerechnet werden, daß dfe Auszahlung in der ersten Hälfte des Jahres 1968 erfolgen wird.
Zu den in der Fragestunde der 145. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. Dezember 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Ramms, Drucksache V/2371 Nrn. 74, 75 und 76, ist inzwischen die
*) Siehe 144. Sitzung, Seite 7445 B **) Siehe 144. Sitzung, Seite 7443



Vizepräsident Dr. Jaeger
schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 15. Dezember 1967 eingegangen:
Die Bundesbahn hat seit dem Inkrafttreten der Verkehrsnovellen im August 1961 bis einschließlich 1966 rund 550 Anträge auf Frachtsenkung durch Ausnahmetarife gestellt.
Von den vorgenannten 550 Tarifanträgen der Bundesbahn hat der Bundesminister für Verkehr, soweit erforderlich im Benehmen mit anderen beteiligten Ressorts, 534 Anträge genehmigt. 16 Anträge sind also abgelehnt worden.
Wegen der finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahmen müssen in Zusammenarbeit mit der Bundesbahn die umfangreichen Einzelunterlagen noch für den 51/e Jahre umfassenden Zeitraum der Fragestellung zusammengestellt und im einzelnen überprüft werden. Da dies wegen der kurzen Zeit bis zu dieser Fragestunde nicht möglich war, bitte ich einverstanden zu sein, daß ich Ihnen die Antwort so bald wie möglich schriftlich übermittle.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksachen V/2464, zu 2464 —
Zunächst zu der Frage 1 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz:
In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß die deutsche Öffentlichkeit über die mit der Strafrechtsreform zusammenhängenden Probleme, die wie kaum bei einem anderen Gesetzgebungsvorhaben die Belange der Bürger wesentlich berühren, hinreichend informiert und aufgeklärt wird?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich komme dann zu der Frage 2 des Abgeordneten Kubitza aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend:
Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Maße sich Berufsschüler an den Bundesjugendspielen beteiligen?
Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514600100
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung liegt ein vollständiger Überblick über die Teilnahme von Berufsschülern an den Bundesjugendspielen zur Zeit nicht vor, weil nur ein Teil der Länder bisher auf die Rückfragen der Bundesregierung geantwortet hat. Folgende Zahlen kann ich Ihnen aber mitteilen. Es haben im Rahmen der Sommerspiele 1965 in den Ländern Niedersachsen und Saarland etwa 30 000 Berufsschüler und -schülerinnen an den Bundesjugendspielen teilgenommen. In Niedersachsen waren es rund 10 % aller Schüler und Schülerinnen an berufsbildenden Schulen. Im Lande Bayern konnte die Teilnehmerzahl bei den Berufsschülern von 1,4 % dm Sommer 1965 auf 2,8 % im Sommer 1966 gesteigert werden. Darüber hinaus ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die Landesregierungen zur Zeit bemühen, die Bundesjugendspiele über die Volks-, Real- und höheren Schulen hinaus stärker auf die Berufsschulen und die Sportvereine auszuweiten. Leider sind diesen Bestrebungen gewisse Grenzen gesetzt, weil in den Berufsschulen, wie Sie wissen, nicht überall auch Sportunterricht vorgesehen ist und sich eine Verzahnung des Schulunterrichts mit den Bundesjugendspielen am ehesten und leichtesten ermöglichen läßt, wenn Sportunterricht auch während des Schulunterrichts erteilt wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514600200
Eine Zusatzfrage.

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0514600300
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß gerade diese Teilergebnisse zeigen, wie dringend erforderlich 'die Durchführung eines Sportunterrichts an allen Berufsschulen wäre?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514600400
Ich stimme Ihnen zu, Herr Abgeordneter.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514600500
Eine weitere Zusatzfrage? — Keine weitere Frage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514600600
Wir kommen zu den Fragen ,aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Frage 73 des Abgeordneten Logemann:
Entspricht der von der Bundesregierung beschlossene Verteilungsschlüssel zur Verteilung der 560 Millionen DM zum Ausgleich der Auswirkungen der Getreidepreissenkung dem EWG-Ministerratsbeschluß vom 15. Dezember 1964?
Herr Bundesminister, ich darf bitten.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514600700
Herr Präsident, ich würde 'die drei Fragen, ,die in einem Sachzusammenhang stehen, gern gemeinsam beantworten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514600800
Bitte sehr! Ich rufe auch die Fragen 74 und 75 des Abgeordneten Logemann auf.
Welche Maßnahmen sollen im einzelnen nach den Vorstellungen der Bundesregierung mit den abgezweigten Mitteln in Höhe von 100 Millionen DM gefördert werden?
Welche Beträge entfallen auf die einzelnen Länder, wenn mit den unter Frage 74 genannten 100 Millionen DM die von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen gefördert werden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514600900
Zur ersten Frage: Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die von ihr beschlossene Aufteilung der im Rahmen der Getreidepreisharmonisierung von ,der ,EWG zur Verfügung zu stellenden 560 Millionen DM sowohl dem Geiste wie dem Wortlaut des EWG-Ministerratsbeschlusses vom 15. Dezember 1,964 entspricht.
Zur zweiten Frage: Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen, da die Futterbaubetriebe infolge der Interdependenz der Agrarpreise mittelbar durch die Getreidepreissenkung betroffen werden, 100 Millionen DM vorzugsweise in Grünland-gebieten und in von der Natur benachteiligten Gebieten für folgende Zwecke, die sich in Übereinstimmung mit dem EWG-Beschluß befinden, eingesetzt werden: Verstärkung der Investitionsbeihilfe für landwirtschaftliche Betriebe, wasserwirtschaftliche und kulturbautechnische Maßnahmen, Strukturverbesserung der Molkereiwirtschaft und Förderung von Erfassungs- und Verwertungseinrichtungen für Schlachtvieh, Schlachtgeflügel und Eier.



Bundesminister Höcherl
Zur dritten Frage: Das verwaltungsmäßige Verfahren der Aufteilung der 100 Millionen DM ist zur Zeit in Vorbereitung. Es muß noch mit den Bundesländern abgestimmt werden, sobald die EWG-Kommission auf Grund der von der Bundesregierung vorgenommenen Notifizierung sich geäußert hat. Erst nach der Erörterung mit den Bundesländern läßt sich angeben, welche Beträge auf die einzelnen Länder entfallen, wobei nach meiner Meinung nach 'den entsprechenden Regionen verfahren werden soll, die nach diesen Bedürfnissen besonders hervorragen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514601000
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514601100
Herr Minister, ist es nicht doch so, daß bisher immer eindeutig gesagt worden ist, im Ministerrat sei 1964 beschlossen worden, die aus Brüssel zur Verteilung kommenden Ausgleichsmittel für die Getreidepreissenkung gezielt den Geschädigten zugute kommen zu lassen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514601200
Ja, Herr Logemann, es ist so, daß sie gezielt den Geschädigten zugute kommen sollen. Sie kennen die ganze Diskussion, die vor allem auch vom Berufsstand mit Recht mit dem Argument geführt worden ist, daß durch die Getreidepreissenkung nicht nur diejenigen geschädigt sind, die ihr Getreide verkaufen — das sind 40 bis 50% des ganzen Getreideanteils —, sondern mittelbar auch diejenigen, die es -verfüttern; denn erfahrungsgemäß beeinträchtigen geringere Futterkosten auf die Dauer gesehen die Veredlungspreise. Im ersten Jahr wird das vielleicht nicht in vollem Umfang der Fall sein; aber ein solcher Einfluß ist auf die Dauer wohl nicht zu leugnen.
Es gibt auch keinen Zweifel daran — das ist durch Wissenschaft und Praxis und auch durch die bisherige Auffassung des Berufsstandes bestätigt —, daß gerade Rindfleisch und Schweinefleisch in einer Verbrauchskonkurrenz stehen, die sich besonders im Jahre 1967 angesichts besonderer Umstände nachteilig auf die Preisentwicklung bei Rindfleisch ausgewirkt hat. Um das auszugleichen und den Geschädigtengruppen gerecht zu werden, ist dieser Versuch gemacht worden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514601300
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514601400
Herr Minister, können wir einig werden, wenn ich frage: Ist es nicht doch so, daß die direkt Geschädigten die Getreideerzeuger sind, daß direkt geschädigt durch die Getreidepreissenkung die Getreidefläche ist?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514601500
Nein, Herr Logemann, ich glaube, die Sache ist so: Unmittelbar und direkt geschädigt sind diejenigen, die beim Verkauf ihres Getreides einen geringeren Preis bekommen. Diejenigen, die es erst über die getreideabhängige
Veredlung verwerten, sind mittelbar geschädigt. Deswegen ist ja die Getreideanbaufläche als Anknüpfungspunkt genommen worden. Sie sind mittelbar geschädigt, nicht unmittelbar. Der Schaden tritt erst ein, wenn sich die Preisentwicklung bei ihren Veredlungsprodukten im Rahmen des Futterkostenanteils und des verringerten Außenschutzes nach unten bewegen sollte. Es kann gar kein Zweifel darüber sein — das ist wissenschaftlich und praktisch erhärtet, der Getreidepreis ist der Eckpreis für alle landwirtschaftlichen Preise —, daß eine solche Veränderung sich auch auf die Grünlandbetriebe mit ihren Produkten auswirkt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514601600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514601700
'Herr Minister, sind Sie der Auffassung, daß 'direkte Einkommensschädigungen durch Preissenkung bei einem Erzeugnis durch Strukturmaßnahmen wieder auszugleichen sind?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514601800
Das ist zwar eine Frage, die hiermit nicht unmittelbar zusammenhängt; aber ich bin gern bereit, darauf zu antworten. Strukturhilfen sind vor allem Hilfen, die entweder auf der Einkommensseite oder auf der Kostenseite zu einer besseren Ertragslage führen sollen, so daß mittelbar der Effekt, der angestrebt wird, entweder von der einen oder der anderen Seite oder kombiniert von beiden Seiten erreicht werden kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514601900
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514602000
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß es, wenn man jetzt 100 Millionen DM in Ihrem Sinne — nach meiner Auffassung zweckentfremdet — verwenden würde, nötig wäre, dás EWG-Anpassungsgesetz nun wiederum zu ändern, das ja trotz seiner vielen Änderungen jetzt bei dem Zweiten Finanzänderungsgesetz tatsächlich noch bedeutet, daß die 560 Millionen DM für den Einkommensausgleich bei der Getreidepreissenkung verwendet werden sollen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514602100
Herr Logemann, Sie liefern einen weiteren Grund für den Verteilungsmodus, den die Bundesregierung gefunden hat. Mit Recht erwähnen Sie das EWG-Anpassungsgesetz, das ja im Rahmen einer schmerzlichen Operation — und zwar zur Sanierung der Finanzlage des Bundes —geändert werden mußte. Aber dort findet sich bereits dieser Gesichtspunkt in § 4, und dieser Gesichtspunkt ist bei unserer Lösung mit einbezogen worden, so daß ich meine, daß von dieser Seite her unser Verteilungsmodus unterstützt und ihm nicht entgegengewirkt wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514602200
Eine fünfte Zusatzfrage 'des Herrn Abgeordneten Logemann. Herr Ab-



Vizepräsident Dr. Jaeger
geordneter, Sie haben drei Hauptfragen gestellt, haben also sechs Zusatzfragen.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514602300
Herr Minister, ist es nicht so, daß gerade im EWG-Anpassungsgesetz ,als letzter Rest noch die Verpflichtung der Bundesregierung erhalten geblieben ist, aus Brüssel gezahlte Ausgleichsbeträge entsprechend Ministerratsbeschlüssen weiterzuleiten?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514602400
Das ist nicht ein Ergebnis und eine Konsequenz ,des EWG-Anpassungsgesetzes, sondern .das EWG-Anpassungsgesetz hat einen eigenen Tatbestand begründet, der nach EWG-Recht sogar nicht ganz 'unanfechtbar ist, und zwar war der Tatbestand der, daß über diese Sonderleistungen hinaus noch allgemeine Schäden ausgeglichen werden sollten. Das geschieht ja in einem Umfange von 750 Millionen DM. Es ist nicht wahr, daß der materielle Gehalt ides EWG-Anpassungsgesetzes, das einmal rund eine Milliarde DM im Rahmen der Vorfeldbereinigung umfaßte, ganz aufgehoben wäre, sondern die Operation war nur eine kleine Amputation und keine ganze Aufhebung des Gesetzes.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514602500
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514602600
Herr Minister, was meinen Sie zu dem Hinweis darauf, daß z. B. schon im Haushaltsgesetz 1967 bei den Bindungsermächtigungen Kap. 10 02 Tit. 992 ausdrücklich festgestellt worden war, daß die in Frage kommenden Mittel zum Einkommensausgleich und nicht zu Strukturmaßnahmen verwendet werden sollten?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514602700
Herr Kollege Logemann, wenn ich den Einkommensausgleich ganz eng nehmen wollte, wie Sie es offenbar wünschen, dann hätte ich mich überhaupt nur auf das verkaufte Getreide beschränken müssen und hätte im Veredlungssektor nichts tun dürfen. Ich habe aber den Veredlungssektor mit einbezogen. Wer das tut, gibt damit zu, daß ein 'mittelbarer Schaden ebenfalls ausgleichsbedürftig ist.
Ich verstehe aber folgendes nicht, Herr Kollege Logemann, gerade wenn ich einmal auf Ihre regionalen Verhältnisse anspiele und wenn ich von wasserwirtschaftlichen Maßnahmen gesprochen habe: Sie wissen doch ganz genau, wie sehr wasserwirtschaftliche Maßnahmen — in einem Bereich, der Ihnen von der Heimatregion her ja sehr vertraut sein muß — in der Lage sind, die Betriebsaufwendungen zu vermindern. Ich glaube, daß diese Gesichtspunkte eine richtige Konsequenz aus der Absicht auch 'des EWG-Ministerrates waren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514602800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0514602900
Herr Minister, sind Sie nicht mit uns der Meinung, daß die Maßnahmen, die bei Rindfleisch nach Ihrer Meinung indirekt durch die Getreidepreissenkung eingetreten sind, hätten aufgefangen werden können, wenn die Bundesregierung 'durch die Ausnutzung der von der EWG gesetzten Marge für Rindfleisch und durch Interventionspflicht und frühes Intervenieren den Rindviehpreis trotzdem auf einem besseren Stand hätte halten können?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514603000
Herr Abgeordneter Peters, erstens gibt es keine Interventionspflicht, und zweitens wissen Sie ganz genau, daß es eine gewisse Differenz gegeben hat, wann wir mit den Interventionen einsetzen sollten. Wir haben eine Zeitlang einen anderen Standpunkt vertreten als viele andere Beteiligte, und im Laufe der Preisentwicklung hat sich herausgestellt, daß unser Gesichtspunkt und unser zeitlicher Ansatz richtig waren. Wir haben zwar keinen erfreulichen Rinderfleisch-preis, aber wir haben einen Rinderfleischpreis, vor allem einen Bullenpreis, der sich in einem Krisenjahr, wie es das Jahr 1967 war, einigermaßen gehalten hat. Dafür sind nicht zuletzt die sehr gezielten und wohlüberlegten Interventionen der Bundesregierung mit verantwortlich.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514603100
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0514603200
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag einen gemeinsamen Antrag eingebracht haben, nach dem von den 560 Millionen DM keine Mittel abgezweigt werden sollen, sondern dieser Betrag restlos zur Verteilung nach der Getreidefläche verwandt werden soll? Und ist Ihnen bekannt, daß gerade in diesem Lande die von Ihnen begünstigten Grünlandgebiete liegen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514603300
Ich kenne diesen Antrag speziell nicht. Ich höre es zum erstenmal von Ihnen. Aber ich glaube nicht, daß wir, sosehr wir die Arbeit der Landtage zu achten haben, uns hier . auch noch nach einzelnen Landtagsbeschlüssen richten müssen. Das würde unsere Arbeit noch mehr erschweren.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514603400
Herr Abgeordneter Ertl, eine Zusatzfrage.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514603500
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, daß das EWG-Anpassungsgesetz vom Gesetzgeber beschlossen wurde, um die Zusagen, die der deutschen Landwirtschaft im Jahre 1964 aus Anlaß der aus politischen Gründen beschlossenen Getreidepreissenkung gegeben wurden, 'gesetzlich zu verankern?




Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514603600
Das ist wohl richtig.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514603700
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514603800
Darf ich annehmen, daß diese Zusagen von der Bundesregierung bei dem jetzigen Verteilungsmodus nicht eingehalten werden? Geben Sie das zu?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514603900
Nein, Herr Kollege Ertl, das kann ich Ihnen nicht zugeben. Erstens hat das EWG-Anpassungsgesetz unmittelbar mit dieser Frage gar nichts zu tun. Hier handelt es sich um die Ausführung eines Beschlusses des EWG-Ministerrates. Zweitens ist die Durchführung des EWG-Anpassungsgesetzes deswegen etwas in Schwierigkeiten gekommen, weil die auch von Ihrer Koalitionsverantwortung getragene Entwicklung der Finanzpolitik nicht ganz so erfolgreich war, daß wir ohne härtere Eingriffe über die Runden gekommen wären.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514604000
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 76 des Abgeordneten Wächter auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung eine Sondervereinbarung mit der Sowjetzone zu treffen, wonach ohne eine Ausschreibung von dort Bullen in die Bundesrepublik eingeführt werden können?
Herr Bundesminister, bitte!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514604100
Herr Kollege Wächter, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, Sondervereinbarungen mit der SBZ zu beschließen, nach denen von dort Bullen ohne vorherige Ausschreibung bezogen werden können. Sie kennen den Aufbau dieses Handels. Wir sollten hier das Wort „Einfuhr" nicht verwenden. Hier handelt es sich nicht um Einfuhr, sondern um innerdeutschen Handel. Sie wissen genau, daß diese Unterscheidung von weittragender Bedeutung ist und daß wir großen Wert auf sie legen. Neben der Grundvereinbarung, dem Abkommen über den Interzonenhandel aus dem Jahre 1953, gibt es Sondervereinbarungen, die jährlich geschlossen werden, weil wir, wie Sie auch wissen, einen großen Aktivsaldo aus dem gewerblichen Sektor haben, der in irgendeiner Form ausgeglichen werden muß. Darüber hinaus gibt es auch gesamtdeutsche Interessen, die hier zu berücksichtigen sind.
Im vorliegenden Falle — idas interessiert Sie ja besonders — ist unter der Ausschreibungsposition „Verschiedenes" eine Bezugsmöglichkeit eingeräumt worden. Die Ausschreibungsposition „Verschiedenes" ist deswegen notwendig, weil es einfach nichtmöglich ist, die einzelnen Positionen, so wie es früher bei strenger Kontenführung im Interzonenhandel war, gegenseitig deckungsfähig zu machen. Unter der Ausschreibung „Verschiedenes" wurde dieses Geschäft — es ist über die bayerische Staatsregierung vorgelegt worden — deswegen genehmigt, weil nachgewiesen werden konnte, daß eine interessante Entlastung des etwas angespannten
Bullenmarktes stattfinden werde, was sich dann auch tatsächlich bestätigt hat. Im Rahmen dieser Entwicklung haben sich die Preise regional sogar gefestigt. Das war also ,der Grund. Ich glaube, der Absicht, auf der einen Seite dem Interzonenhandel gerecht zu werden und auf der anderen Seite den Bullenpreis durch einen höheren Export und durch eine interessante Kombination zu festigen, kann im rechten Sinne im Rahmen einer Ausschreibung „Verschiedenes" wohl Rechnung getragen werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514604200
Zusatzfrage.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0514604300
Herr Minister, darf ich aus Ihrer außerordentlich ausführlichen Antwort schließen, daß ,beabsichtigt ist, diese Importe ,aus der Sowjetzone durchzuführen, und sind Sie mit mir nicht der Meinung, daß diese Importe an sich nicht notwendig wären, weil wir ja gegenüber .dem Vorjahr, gegenüber dem Jahre 1966, wenn ich 1967 betrachte, immerhin noch einen Preisrückgang von über 8 DM bei allen Rinderklassen zu verzeichnen hatten?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514604400
Herr Kollege Wächter, wir haben dieses Problem ja schon einmal im Zusammenhang mit einer anderen Frage besprochen. Es geht ja um ,die Gesamtbilanz. Wenn sich bei einem solchen Vorgang als Gesamtbilanz herausstellt, daß mehr über ,die Grenzen hinausgeht als hereinkommt, möchte ich meinen, .daß das im Interesse einer vernünftigen Preispolitik liegt. Deswegen habe ich so ausführlich auf die Frage geantwortet. Ich bitte Sie noch einmal, nicht von Importen, sondern von innerdeutschen Geschäften zu reden.

(Zustimmung in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514604500
Eine zweite Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0514604600
Herr Minister, vertreten Sie nicht den Standpunkt, daß zusätzliche Einfuhren die deutsche Verhandlungsposition gegenüber den EWG-Partnern wegen der Aufrechterhaltung des zollfreien Interzonenhandels erheblich schwächen würden? Das bringt beispielsweise ja auch der Präsident ,des Deutschen Bauernverbandes in seinem Brief Ihnen gegenüber zum Ausdruck.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514604700
Ich habe das mit einiger Verwunderung gelesen. Aber ich darf Ihnen sagen, daß wir durch entsprechende Auflagen vorgesorgt haben, daß keine EWG-Interessen geschädigt werden. Das ist, glaube ich, das, worauf unsere Partner Anspruch haben. Ich habe tauch keine Klage gehört; es sei denn, eine Klage würde durch eine Mitteilung provoziert werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514604800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reichmann.




Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0514604900
Herr Minister, wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen dieser Geschäfte — Verschlechterung der Rinderpreise — auf die schwierige Situation, in der sich die Milchwirtschaft befindet?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514605000
Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß dieser Vorgang dazu geführt hat, daß mehr Rinder über unsere Grenzen gingen, so daß die eigene Fleischbilanz entlastet wurde und sich der Preis gefestigt hat. Die Beurteilung ist also, auf dieses Geschäft bezogen, genauso wie damals auf die Frage der Butter bezogen, positiv.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514605100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0514605200
Herr Minister, betrachten Sie Warenverkehr aus der DDR, der seinen Ursprung in anderen Ostblockstaaten hat, auch als innerdeutschen Warenverkehr?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514605300
Sie haben recht, daß Sie darauf hinweisen, Herr Kollege Peters. Wir geben immer Auflagen, damit, soweit es menschenmöglich ist, verhindert wird, daß auf diese Weise ein Dreiecksverkehr zustande kommt. Wir legen Wert darauf, weil wir ja auch Fleisch in die Ostzone liefern, daß es sich um originäres Fleisch, das dort produziert wird, handelt. Soweit man ,das auf die Entfernung kontrollieren kann, wird das von uns getan.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514605400
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0514605500
Welche Mittel gedenkt die Bundesregierung anzuwenden, um zwischen echter Erzeugung aus dem anderen Teil Deutschlands und über den anderen Teil Deutschlands laufende Importen zu unterscheiden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514605600
Das ist eine sehr schwierige Frage, weil es hier keine institutionellen Mittel gibt. Es gibt nur das Mittel, daß im Rahmen gewisser Handelsbeziehungen die Angaben richtig sind. Ich muß sagen, wir haben hier nicht die schlechten Erfahrungen gemacht, die vielleicht vermutet werden. Es gibt selbst in Bereichen, die vielleicht in ihrer politischen Sprache weniger wählerisch sind, auch Gebiete — z. B. auf dem Handelssektor —, wo eine korrekte Sprache geführt wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514605700
Ich rufe die Frage 77 des Abgeordneten Wächter auf:
Worin bestehen die Vorteile, die nach Ansicht des Bundesernährungsministers Höcherl laut Pressemeldung vom 31. Dezember 1967 „nicht nur für die deutsche Landwirtschaft, sondern für die gesamte europäische Landwirtschaft entstehen, wenn England rasch der Eintritt in die EWG ermöglicht wird"?
Bitte, Herr Bundesminister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514605800
Die beiden folgenden Fragen stehen in einem Sachzusammenhang, und ich möchte sie gern zusammen beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514605900
Bitte sehr! Dann rufe ich noch die Frage 78 des Abgeordneten Wächter auf:
Bestehen die in Frage 77 erwähnten Möglichkeiten auch, wenn neben England Dänemark, Norwegen und Irland Mitglieder der EWG werden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514606000
Ich habe einen raschen Beitritt Englands zur EWG für die deutsche und europäische Landwirtschaft als vorteilhaft bezeichnet, und zwar handelt es sich hier natürlich in erster Linie gar nicht so sehr um landwirtschaftiche Fragen, sondern um allgemeinpolitische Fragen. Die allgemeinpolitischen Fragen haben einen solchen Vorrang, daß sich die Bundesregierung grundsätzlich für diesen Beitritt ausgesprochen hat. Sie kennen ja die Debatte darüber.
Was nun die Landwirtschaft selbst, also die spezifischen Interessen der Landwirtschaft betrifft, so werden meines Erachtens auch hier durch einen Beitritt Englands 'günstige Möglichkeiten eröffnet. Die Agrarüberschüsse der EWG-Länder könnten nach England abfließen, ohne daß wie bisher kostspielige Exporterstattungen für Drittlandexporte von der Gemeinschaftskasse zu zahlen sind. Ihnen ist doch bekannt, Herr Kollege, daß England der größte Verbrauchermarkt Europas ist. Das würde nach den Schätzungen des Bundesfinanzministers im besonderen für Deutschland auch eine erhebliche Verminderung .der deutschen Beitragsleistungen zum EWG-Agrarfonds bedeuten.
Der Beitritt Dänemarks, Norwegens und Irlands würde an diesem Tatbestand nichts Wesentliches ändern, weil diese Länder schon heute den englischen Markt beliefern, ihn aber nicht ausschließlich versorgen.
Darüber hinaus hat der Beitritt Englands und der drei übrigen Länder eine sehr wichtige mittelbare und für die Landwirtschaft sehr interessante Konsequenz. Die Kaufkraft innerhalb des großen Wirtschaftsgebiets würde sich zweifellos verbessern. Die Kaufkraft ist der entscheidende Faktor jeder Landwirtschaft und der entscheidende Faktor für jede Agrarpolitik.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514606100
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0514606200
Glauben Sie, Herr Minister, daß die EWG-Agrarpolitik grundsätzlich unverändert auf eine erweiterte Gemeinschaft übertragen werden kann?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514606300
Ich glaube das sehr wohl. Ich habe Gelegenheit gehabt, hier mit dem englischen Sonderbeauftragten Lord Chalfont zu sprechen. Wir haben auch bei uns innerhalb der Regierung Über-



Bundesminister Höcherl
legungen angestellt. Diese Überlegungen kennen Sie aus den Debatten des Ausschusses. Ich glaube, es müßte durchaus möglich sein, daß England sein System umstellt, das ja ganz anders strukturiert ist, und daß nach der Umstellung — d. h. nach entsprechenden Preisbewegungen sowohl nach oben wie nach unten, je nach den Produkten verschieden — eine technische Angleichung herbeigeführt wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514606400
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0514606500
Sind Sie nicht doch der Meinung, Herr Minister, daß die Probleme, die die einzelnen Länder bei einem Eintritt in die EWG zu bewältigen haben, eine sofortige Übernahme der gemeinsamen Agrarpolitik außerordentlich erschweren und daß man ihnen die Anpassung durch Übergangsmaßnahmen erleichtern müßte?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514606600
Das ist auch vorgesehen, Herr Kollege Wächter. Kein Mensch denkt daran, daß ein solcher Übergang von heute auf morgen möglich ist. Erstens müßte daß System geändert werden, und zweitens müßten die Preisangleichungen vorher stattfinden. Jeder, der sich ernsthaft damit befaßt, weiß doch, daß es zwei Grundfragen gibt, einmal die grundsätzliche Zustimmung zur Aufnahme und zweitens das ganze, wahrscheinlich einen längeren Zeitraum umfassende technische Verfahren zur Angleichung von zwei gerade auf diesem Sektor so unterschiedlichen Systemen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514606700
Zu einer dritten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0514606800
Darf ich ,aus Ihrer Antwort schließen, daß der Selbstversorgungsgrad innerhalb einer Zehnergemeinschaft abnehmen wird?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514606900
Das möchte ich meinen. Allerdings liegen mir hier im Augenblick keine genauen Zahlen vor. Aber ich bin gern bereit, Ihnen die genauen Zahlen, die bereits vorliegen, mitzuteilen. Ich möchte jedenfalls meinen, daß dem so ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514607000
Zu einer letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0514607100
Könnten Sie mir gegebenenfalls sagen, wie sich die Situation des Selbstversorgungsgrades bei Butter, Rind- und Schweinefleisch und bei Eiern und Geflügel auswirkt?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514607200
Der Selbstversorgungsgrad ist bestimmt unterschiedlich. Außerdem ist er fortgesetzt in Bewegung. Aber ich darf Ihnen die genauen Zahlen schriftlich zuleiten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514607300
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0514607400
Herr Minister, wie beurteilen Sie diese Veränderung des Selbstversorgungsgrads in ihrer Auswirkung auch auf die deutsche Landwirtschaft?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514607500
Vorteilhaft.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514607600
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514607700
Herr Minister, darf ich fragen, ob Sie aus Ihren Gesprächen mit Vertretern Großbritanniens den Eindruck haben, daß Großbritannien der EWG auch dann beitreten wird, wenn die Agrarmarktordnung, wenn die im Agrarsektor vereinbarten Grundsätze bestehenbleiben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514607800
Es kann gar keinen Zweifel darüber geben. Die englische Regierung hat ganz klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie keine Sonderrechte und keine Ausnahmen beanspruchen, sondern allenfalls eine Übergangszeit.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514607900
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514608000
Dürfte das dann für Großbritannien besondere Auswirkungen bezüglich der Commonwealth-Einfuhren usw. haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514608100
Das ist nicht zu leugnen. Aber das ist in erster Linie Sorge des Antragstellers.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514608200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514608300
Darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß nach dem Standpunkt des deutschen Landwirtschaftsministers ein großes Interesse daran bestehen muß, daß Großbritannien möglichst bald zur EWG kommt?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514608400
Das ist richtig.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514608500
Darf ich dann annnehmen, daß Sie das auch als Meinung 'des Kabinetts vertreten haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514608600
Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die Meinung des Kabinetts. Aber Sie wissen ganz genau, daß es noch andere Fragen gibt, deren Lösung nicht in unserer alleinigen Kompetenz liegt. Hier ist eine gerechte Interessenabwägung notwendig, und hier werden Verfahrens- und materielle Fragen durcheinandergebracht, die sehr genau geschieden werden müssen.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514608700
Herr Abgeordneter Peters zu einer Zusatzfrage.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0514608800
Herr Minister, würde Großbritannien die Commonwealth-Verträge, die jetzt laufen, bei Eintritt in die EWG nach einem Übergangszeitraum völlig aufgeben, oder würde Großbritannien auf einer Verlängerung oder Erneuerung dieser Verträge bestehen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514608900
Das ist nicht nur eine Frage, die England allein betrifft, sondern auch eine Frage von uns, weil wir mit denselben Commonwealth-Ländern in engen wirtschaftlichen und politischen und freundschaftlichen Beziehungen stehen. Niemand dürfte beabsichtigen, einfach diese Länder total abzuhängen, sondern man wird eine Übergangsform, eine Angleichungsform finden müssen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514609000
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0514609100
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß die Commonwealth-Länder innerhalb einer vergrößerten EWG eine Sonderstellung genießen würden, oder würden sie nach der Abschöpfungsordnung als Ausland gelten?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514609200
Sie greifen schon sehr weit in die Zukunft. Ich möchte mich hier nicht als Prophet betätigen, sondern sagen: lassen wir die Fragen einmal an uns herankommen; dann werden wir sie im einzelnen prüfen, und zwar unter Abwägung unserer und deren Interessen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514609300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard.

Dr. Carl Reinhard (CDU):
Rede ID: ID0514609400
Herr Minister, irre ich mich in der Annahme, daß die Freie Demokratische Partei seinerzeit dem EWG-Vertrag ihre Zustimmung versagt hat, weil England und die nordischen Länder nicht mit aufgenommen wurden?

(Sehr gut! in der Mitte.)


Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514609500
Herr Kollege Reinhard, dem ist so. Sie irren sich nicht.

(Zuruf von der Mitte und Gegenrufe von der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514609600
Keine Zusatzfrage mehr.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Ich rufe die Frage 3 des Herrn. Abgeordneten Gottesleben auf:
Trifft es zu, daß das Auftreten der Toxoplasmose bei schwangeren Frauen in der Bundesrepublik Deutschland am stärksten
ist?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514609700
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet wie folgt: Es trifft nicht zu, daß das Auftreten der Toxoplasmose bei schwangeren Frauen in der Bundesrepublik am stärksten ist. Etwa 50 % der Bewohner der Bundesrepublik Deutschland machen im Laufe ihres Lebens eine Toxoplasmose durch. Schwangere Frauen erkranken nicht häufiger an Toxoplasmose als der Durchschnitt der Bevölkerung, wenn es auch gewisse Hinweise gibt, daß Frauen überhaupt etwas häufiger erkranken als Männer. Allerdings ist eine frische Toxoplasmose-Erkrankung bei einer Schwangeren anders zu beurteilen, weil ja bei ihr die Erkrankung auch das Kind gefährden kann.
Vergleiche mit anderen Ländern, Herr Abgeordneter, sind wegen der sehr unterschiedlichen Verfahren bei der Registrierung und auch bei der Erforschung der Verbreitung und des Infektionsmodus der Toxoplasmose nicht möglich.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514609800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gottesleben.

Leo Gottesleben (CDU):
Rede ID: ID0514609900
Herr Staatssekretär, wie groß ist die Zahl einmal der durch Toxoplasmose Betroffenen und zum anderen der als Folge eingetretenen Tot- und Fehlgeburten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514610000
Da wir keine Morbiditätsstatistik haben und auch die Mortalitätsstatistik darüber nur sehr bedingt Auskünfte gibt, kann diese Frage nicht korrekt beantwortet werden. Ich kann Ihnen nur sagen: es wird geschätzt, daß etwa 50 % der Bevölkerung an Toxoplasmose erkranken.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514610100
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gottesleben.

Leo Gottesleben (CDU):
Rede ID: ID0514610200
Halten Sie, Herr Staatssekretär, mit Rücksicht auf die furchtbaren Auswirkungen nicht eine gesetzliche Regelung zur Abwehr für notwendig, etwa durch in regelmäßigen Abständen durchzuführende Untersuchungen von Hunden und Katzen, die ja meistens doch den Erreger ausscheiden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514610300
Wenn man über das Bundesseuchengesetz hinausgehende gesetzliche Maßnahmen ins Auge fassen will, so kämen zwei in Betracht: einmal ein Verbot des Genusses von rohem Fleisch — Hack- und Schabefleisch —, das nach unseren bisherigen Erkenntnissen die wesentliche Infektionsquelle darstellt, und zweitens ein Verbot, Haustiere zu halten. Es ist erwiesen, daß gerade Hunde und Katzen den Erreger der Toxoplasmose mit Speichel, Nasenschleim und anderen Sekreten ausscheiden, ohne daß ihre Erkrankung bemerkt wird. Von solchen Tieren ausgehende Hausepidemien, insbesondere unter den Kindern, sind häufig beschrieben. Aber



Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig
ich glaube, Herr Abgeordneter, Sie werden mit mir einig gehen, wenn ich sage, daß es kaum praktikabel sein dürfte, den Genuß rohen Fleisches gesetzlich zu verbieten, und daß auch ein Verbot der Haustierhaltung kaum denkbar ist, so wünschenswert es wenigstens in den Städten aus gesundheitlichen Gründen wäre. Ich glaube, daß auch eine Vorschrift, die eine laufende Testung der Haustiere vorsieht, kaum praktikabel sein dürfte, wenn man an die Schwierigkeiten, .diese Vorschrift durchzusetzen, und an die beschränkten veterinärhygienischen Laborkapazitäten denkt. Immerhin — und darauf weisen wir in der Aufklärung hin — sollten Frauen, die ein Kind erwarten, weder rohes Fleisch essen noch zu engen Kontakt mit Haustieren halten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514610400
Jetzt kommt die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Gottesleben:
Gibt es eine wirksame Behandlung gegen die in Frage 3 aufgeführte Krankheit?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514610500
Die Frage 4, Herr Abgeordneter, beantworte ich kurz mit Ja.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514610600
Frage 5 des Abgeordneten Gottesleben:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die Menschen vor Ansteckung durch erkrankte Tiere zu schützen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514610700
Herr Abgeordneter, die Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten bei Menschen und damit auch der Toxoplasmose finden sich im Bundesseuchengesetz vom 18. Juni 1961, auf das ich soeben schon hingewiesen habe. Wenn die dort niedergelegten Verhütungs- und Bekämpfungsmaßnahmen bei der Toxoplasmose in der Praxis nicht immer zu dem gewünschten Erfolg führen, liegt das in erster Linie an unseren doch noch recht unzulänglichen Kenntnissen über diese Krankheit. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat daher schon vor einigen Jahren entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen in ihr großes Schwerpunktforschungsprogramm „Schwangerschaftsverlauf und Kindesentwicklung" aufgenommen. Diese Forschungsarbeiten sind aber noch nicht abgeschlossen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514610800
Wir kommen zur Frage 6 des Herr Abgeordneten Josten:
Wieweit hat sich die Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung des Rheines bisher bewährt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514610900
Herr Abgeordneter, haben Sie bitte Verständnis dafür, daß ich zögere, die Tätigkeit einer Arbeitsgemeinschaft der Länder hier vor diesem Hohen Hause zu bewerten. Die Arbeitsgemeinschaft hat ganz zweifellos Erfolge zu verzeichnen. Sie hat Fragen, die von den einzelnen Rheinanliegerländern nicht allein behandelt und gelöst werden können, koordiniert
und abgeklärt. Sie hat jedoch noch nicht erreicht, daß einheitliche Richtlinien für die Einleitung von Abwässern in den Rhein von den Ländern erlassen wurden und daß eine Reinhalteordnung, wie sie § 27 des Wasserhaushaltsgesetzes vorsieht, für den Rhein erlassen wurde. Beides wäre im Interesse der Reinhaltung des Rheins erstrebenswert.
In der Arbeitsgemeinschaft werden für eine Wiedergesundung des Rheins Brie erforderlichen Maßnahmen abgestimmt und Pläne zur Sanierung des Stromgebietes aufgestellt. Im Rahmen dieser Planung sind bei einer Reihe von großen Städten und Industriebetrieben Maßnahmen eingeleitet, die für die Reinigung der Abwässer und für die Beseitigung der festen Abfallstoffe unbedingt erforderlich sind. Die Aufstellung von Sanierungsplänen und die Anregung von Maßnahmen, die sich auf die Verminderung der Belastung des Rheins richten, sind die zentralen Aufgaben dieser Arbeitsgemeinschaft. Außerdem befaßt sie sich mit der Sammlung und Beseitigung der Schiffsaltöle.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514611000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0514611100
Herr Staatssekretär, kann die Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung des Rheins, welche aus den fünf Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen besteht, von der Bundesregierung nicht mehr unterstützt werden, als dies bisher der Fall war, da das ganze ja ein finanzielles Problem ist?
Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär im Bundesministerium. für Gesundheitswesen: Das ist bei der Kompetenzabgrenzung eine eindeutige Aufgabe der Länder. Wir sehen bei dem Bemühen der Länder, die Finanzierungskompetenz und die Gesetzgebungskompetenz zur Deckung zu bringen — mit diesem Problem wird sich auch die Finanzreform befassen —, zur Zeit keine Möglichkeit, noch weitergehende Hilfestellung zu leisten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514611200
Eine zweite Zusatzfrage Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0514611300
Herr Staatssekretär, halten Sie den gegenwärtigen Zustand für noch länger tragbar, daß praktisch die Mannheimer die Abwässer von Straßburg aufbereiten, die Mainzer sich des Abflusses aus den Mannheimer, Ludwighafener und Frankfurter Kloaken annehmen und es so weitergeht über Koblenz, Bonn, Köln, Düsseldorf und Duisburg?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514611400
Wir halten diesen Zustand keineswegs für tragbar und sind selber lebhaft daran interessiert, daß die Arbeitsgemeinschaft ihre koordinierenden Funktionen zur Abstimmung der Maßnahmen der einzelnen Länder noch erfolgreicher als bisher durchführt.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514611500
Wir kommen zu Frage 7 — des Herrn Abgeordneten Josten —:
Bis wann wird die Entschmutzung des Rheines so weit gediehen sein, daß wieder mit der Herstellung von Freibädern für die Rheinorte begonnen werden kann?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514611600
Herr Abgeordneter, bei der starken Belastung des Rheins mit Abfallstoffen aller Art aus Kommunen, Industrie und Schiffahrt empfiehlt ,sich der Bau von Freibädern im Rhein .auch für die Zukunft nicht. Auch durch die beste Reinigung ,der Abwässer könnten Gefährdungen durch Krankheitserreger nicht ausgeschlossen werden. Zahlreiche Rheinorte haben bereits Freibäder an Land eingerichtet, die mit einwandfreiem Wasser gespeist werden. Eine solche Lösung gestattet die ständige Überwachung des Badewassers und bietet •auch einen ausreichenden Schutz in seuchenhygienischer Hinsicht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514611700
Frage 8 des Abgeordneten Josten:
Was wird getan, damit auch ausländische Schiffe auf dem Rhein den Entölungsdienst in Anspruch nehmen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514611800
Herr Abgeordneter, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr darf ich Ihre Frage wie folgt beantworten.
Die für die deutsche Rheinstrecke erlassene Schiffahrtspolizeiliche Bekanntmachung beruht auf der Rheinschiffahrtspolizeiverordnung aus dem Jahre 1954 und einem von der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt 1961 gefaßten Beschluß, der besagt, daß Rückstände von 01 und flüssigen Brennstoffen an hierfür zugelassene Stellen abzugeben sind. Diese internationale Verordnung ist in allen Rheinuferstaaten und in Belgien erlassen worden. Sie gilt auf der gesamten Strecke des Rheines von Basel bis zum Meer. Sämtliche Fahrzeuge auf dem Rhein müssen auch die als Durchführungsregelung erlassene Schiffahrtspolizeiliche Bekanntmachung beachten und über abgegebenes Altöl und sonstige ölhaltige Abwässer Quittungen an Bord haben. Auf der deutschen Rheinstrecke sind also auch ausländische Schiffe verpflichtet, die Altöle ordnungsmäßig zu beseitigen. Die deutschen Bilgenentölungsboote stehen auch für die ausländischen Schiffe zur Verfügung.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0514611900
Herr Staatssekretär, darf ich Sie —da ja bekannt ist, daß ein Liter 01 eine Million Liter Wasser verschmutzt und jährlich über 10 000 t Öl von der Schiffahrt in den Rhein abgelassen werden — fragen, ob der soeben von Ihnen vorgewiesene Weg zur Behebung dieser Ölpest ausreicht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514612000
Nun, es
werden zur Zeit jährlich etwa 4000 t Altöl gesammelt. Sie wissen, daß wir uns im vergangenen Jahr auch in diesem Hohen Hause über die Frage der schadlosen Beseitigung von Altöl als einer weiteren Maßnahme der Wassersanierung unterhalten haben. Die finanziellen Regelungen sind deshalb für 1967 und 1968 verlängert worden. Wir sind im Augenblick bemüht, eine gesetzliche Regelung zu treffen, ,die •diese Subventionen durch eine Verpflichtung der Stellen ablöst, bei denen Altöle anfallen. Im übrigen kann es lediglich eine Sache der Kontrolle der gegebenen Bestimmungen sein, die Einhaltung der internationalen Vorschriften so gut wie möglich zu überwachen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514612100
Eine zweite Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0514612200
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die Kontrollen durch die Wasserschutzpolizei auf dem Rhein ausreichen, um den Erfolg der Säuberung des Rheins auf diesem Gebiet sicherzustellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514612300
Im Rahmen des Möglichen glaube ich, daß diese Kontrollen ausreichen, zumal sie in der letzten Zeit ganz eindeutig verstärkt worden sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514612400
Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dorn:
Inwieweit ist nach Ansicht der Bundesregierung die Begründung des Deutschen Touring Automobil Clubs für seine Forderung nach sofortiger Einstellung aller. Blutalkoholuntersuchungen bei Kraftfahrern richtig, daß „nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen zwischen dem Blutalkoholspiegel, wie er mit den bisherigen Blutentnahmen ermittelt wurde, und der Fahrtauglichkeit eines Kraftfahrers kein unmittelbarer Zusammenhang besteht"?
Ist Herr Abgeordneter Dorn im Saal?

(Abg. Moersch: Ich übernehme die Frage!) — Sie übernehmen die Frage.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514612500
Herr Abgeordneter, die Formulierung, daß „nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen zwischen dem Blutalkoholspiegel, wie er mit den bisherigen Blutentnahmen ermittelt wurde, und 'der Fahrtauglichkeit eines Kraftfahrers kein unmittelbarer Zusammenhang besteht", ist in dieser Verallgemeinerung nicht richtig. Methode und Wert des Blutalkoholuntersuchungen sind von den Fachwissenschaftlern anerkannt und bisher als zuverlässig beurteilt worden. Die Behauptungen eines Wissenschaftlers über eine andere zuverlässigere Methode müssen und werden überprüft werden.
Das Bundesgesundheitsamt erklärt dazu in einem Schreiben an das Bundesjustizministerium vom 13. Dezember 1967, daß die Einwände des hier wiederholt zitierten Wissenschaftlers allein auf die seit langem bekannte Differenz zwischen dem Blut-und dem Hirnalkoholspiegel vor Erreichung •des Verteilungsgleichgewichts abstellen und sich, soweit



Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig
erkennbar, ausschließlich auf Untersuchungen über die Beeinflussung des Gleichgewichts stützen. Diese Unterschiede zwischen der Alkoholkonzentration im Gehirn und der Konzentration im Blut gleichen sich nach den Feststellungen des Bundesgesundheitsamtes jedoch rasch aus. Dadurch wird — wie das Bundesgesundheitsamt hervorhebt — „ein Verteilungsgleichgewicht" zwischen dem Alkoholgehalt des Blutes und dem der übrigen Organe und damit auch das Gehirns erreicht. Von diesem Zeitpunkt an besteht demnach eine eindeutige Korrelation zwischen dem Alkoholgehalt des Gesamtorganismus und dem des Blutes.
Die Ausführungen des Wissenschaftlers lassen nach der Verlautbarung des Bundesgesundheitsamtes dm übrigen doch wohl die Wirkungen des Alkohols auf die Persönlichkeitsstruktur und die Gesamtverhaltensweise außer Betracht, die heute von allen Sachkennern als wesentlich bedeutsamer für die Fahrtüchtigkeit bzw. Fahruntüchtigkeit angesehen werden als die alkoholbedingten Veränderungen dm Bereich der Psychomotorik.
Die von dem Wissenschaftler aufgeworfenen Fragen sind, Herr Abgeordneter, nicht neu. Das Bundesgesundheitsamt hat sich mit ihnen bereits in seinem Gutachten „Alkohol bei Verkehrsstraftaten" befaßt. Das Gutachten ist schon 1966 veröffentlicht worden.
Die von dem Wissenschaftler jetzt propagierte Nystagmus-Prüfmethode ist eine unter vielen Methoden, um Beeinflussungen der Körperfunktionen nach dem Genuß alkoholischer Getränke festzustellen. Sie kann die Beurteilung auf Grund einer Blutalkoholspiegelfeststellung allenfalls ergänzen, aber keinesfalls ersetzen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514612600
Zusatzfrage!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514612700
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Komplexität des Zusammenhangs zwischen Fahruntüchtigkeit, Verteilung 'der Alkoholmenge im Körper und Beziehung zum Charakter des Fahrers so groß ist, daß es eine wissenschaftliche Begründung für eine starre Promillegrenze, wie sie jetzt wieder vorgesehen ist, gar nicht gibt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514612800
Ich glaube, daß auch in der bisherigen Begutachtungspraxis der Fahrtüchtigkeit neben den objektivierbaren Daten des Blutalkohols eine ganze Reihe anderer Erkenntnismöglichkeiten über die Fahrtüchtigkeit mit herangezogen worden sind.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514612900
Herr Staatssekretär, ist das Bundesgesundheitsministerium in der Lage, das Justizministerium bei seinem Vorhaben fachkundig etwa dahin gehend zu unterrichten, daß es von der Einführung einer starren gesetzlichen Grenze absieht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514613000
Wir wer-
den in dieser Frage sicher in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesjustizministerium alle Erkenntnismöglichkeiten für eine Modernisierung der Beurteilung des Verhältnisses zwischen Alkoholkonsum und Fahrtauglichkeit ausschöpfen und dabei auf .die Arbeit nicht nur des Bundesgesundheitsamtes, sondern auch aller einschlägigen wissenschaftlichen Arbeitsstellen zurückgreifen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514613100
Ich komme damit zur Frage 10 des Abgeordneten Haehser:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Mitte Dezember des vergangenen Jahres aus Anlagen des Benzinlagers der amerikanischen Streitkräfte in Wellen, Kreis Saarburg, 20- bis 30 000 Liter Treibstoff ausgelaufen sind?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. von Manger-Koenig vom 16. Januar 1968. lautet:
Der Bundesregierung ist aus Pressemitteilungen bekanntgeworden, daß Mitte Dezember 1967 in Wellen bei einem amerikanischen Tanklager Treibstoff ausgelaufen ist. Örtliche Maßnahmen, die geeignet sind, Verunreinigungen der Gewässer zu verhindern bzw. zu bekämpfen, obliegen den zuständigen Landesbehörden, die auch in diesem Falle tätig geworden sind.
Ich habe Ihre Anfrage zum Anlaß genommen, das Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten in Rheinland-Pfalz um nähere Auskunft zu bitten. Aus der Antwort ist zu ersehen, daß irgendwelche nennenswerte Schäden bisher nicht eingetreten sind. Eine Schädigung des Grundwassers ist allerdings nicht ausgeschlossen. Am 30. Januar soll ein Ortstermin stattfinden, um den Vorgang genauer zu unteruchen und Folgerungen zu ziehen.
Anläßlich eines ähnlich gelagerten Falles in Rheinland-Pfalz hat sich die Bundesregierung bereits um eine bessere Unterstützung der deutschen Dienststellen durch die amerikanischen Stellen bei der Verhütung und Bekämpfung von Gewässerschäden infolge Unfällen mit Treibstoffen bemüht. Hierbei beziehe ich mich auf die Antwort der Bundesregierung vom 18. April 1966 auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Dr. Hamm (Kaiserslautern) und Genossen (BT-Drucksache V/549).
Sobald mir der nähere Sachverhalt im Anschluß an den Ortstermin bekannt ist, werde ich Sie über die möglicherweise notwendigen Folgerungen unterrichten.
Da die Frau Bundesminister für Gesundheitswesen krank ist, werden die Fragen 156 und 157 ides Abgeordneten Biechele auf Drucksache zu V/2464 ausnahmsweise vorgezogen.
Ist der Abgeordnete Biechele im Saal? — Das ist nicht der Fall. Dann werden .die Fragen schriftlich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich ides Bundeskanzlers und ides Bundeskanzleramtes, zuerst zu den Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Geldner:
In welchen Zeitungen im einzelnen erscheint die Anzeigenserie „im Auftrag der Bundesregierung" unter dem Motto „Der Kumpel zahlt die Zeche nicht!"?
Welche Gesamtunkosten sind mit dieser in Frage 11 genannten Werbeaktion verbunden?
Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514613200
Herr Abgeordneter, im Verlauf der Debatte ides Deutschen Bundestages zur Lage im Steinkohlenbergbau am 18. November 1967 wurde die Bundesregierung von den Herren Abgeordneten Schmidt (Hamburg) und Dr. Menne aufgefordert, die im Bergbau Beschäftigten über die Lage des Kohlenbergbaus und das Hilfsprogramm der Bundesregierung für den Kohlenbergbau besser zu informieren. Das Presse-



Staatssekretär Diehl
und Informationsamt der Bundesregierung hat daraufhin und auf Grund eigener Überlegungen einer Serie von sechs Anzeigen zum Thema „Der Kumpel zahlt die Zeche nicht!" in Auftrag gegeben, die zwischen dem 11. und 23. Dezember 1967 in allen 19 Abonnementszeitungen des Kohlenreviers an der Ruhr und an der Saar sowie im Aachener Gebiet erschienen sind.
Zusätzlich wurden noch die entsprechenden Regionalausgaben der Straßenverkaufszeitungen „Bild" und „Express" belegt. Insgesamt wurde damit eine Auflagenhöhe jeder einzelnen Anzeige von über 3,5 Millionen erreicht.
Zur Frage 12: Die Gesamtunkosten dieser Werbeaktion liegen bei 243 000 DM.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514613300
Eine Zustatzfrage.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0514613400
Herr Staatssekretär, kann es die Bundesregierung verstehen, daß sich ein Abgeordneter Gedanken darüber macht, wenn er Anzeigen, die eine 'spezielle Bevölkerungsgruppe ansprechen sollen, in Zeitungen findet, in deren Verbreitungsgebiet — in diesem Falle Köln—Bonn — diese Leute kaum zu finden sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514613500
Die Streuung 'der einzelnen Tageszeitungen deckt sich natürlich nicht genau mit den Kohlenrevieren, Herr Abgeordneter. Es ist technisch und praktisch unmöglich, nur einen Teil der Auflage zu belegen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514613600
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0514613700
Herr ,Staatssekretär, was bedeutet der ausdrückliche Hinweis in der Anzeige, sie erscheine im Auftrag der Bundesregierung?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514613800
Herr Abgeordneter, wir waren der Auffassung, daß ganz klar und 'deutlich gesagt werden sollte, wer der Träger dieser Anzeige war.

(Abg. Geldner meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514613900
Sie haben schon zwei Zusatzfragen gehabt.

(Abg. Geldner: Nein, ich habe zwei Fragen eingebracht! Der Herr Staatssekretär hat zwei Fragen beantwortet!)

— Das ist mir entgangen. Dann dürfen Sie natürlich vier Zusatzfragen stellen. Bitte!

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0514614000
Herr 'Staatssekretär, was hat die Bundesregierung an derartigen Anzeigenserien für das Jahr 1968 vorausgeplant?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514614100
Wir haben im Augenblick keine festen Planungen für das Jahr 1968. Aber es hat sich bei den Erfolgskontrollen
gezeigt, daß der Aufmerksamkeitswert derartiger Anzeigenserien immer noch sehr hoch ist und daß unter ökonomischen Gesichtspunkten die Anzeige ein sehr wirksames Medium ist. Ich darf deshalb sagen, daß wir mit einiger Sicherheit auch im Jahre 1968 zu diesem Mittel greifen werden, um zu informieren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514614200
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0514614300
Herr 'Staatssekretär, können Sie mit Sicherheit ausschließen, daß sich für die Bundesregierung nicht plötzlich in den nächsten zwei oder drei Monaten die scheinbare Notwendigkeit ergeben könnte, schwerpunktmäßig etwa in Baden-Württemberg ihre Politik zu inserieren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514614400
Das kann ich ausschließen. Scheinbaren Notwendigkeiten folgt die Bundesregierung nicht. Sie folgt nur wirklichen.

(Heiterkeit.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514614500
Wir kommen zur Frage 13 des Herrn Abgeordneten Ollesch:
Liegt es nach Ansicht der Bundesregierung ausschließlich an den Gewerkschaften, daß der Stellvertretende Bundespressechef Ahlers kritisieren zu müssen glaubt, es habe im ersten Jahr der „Großen Koalition" kaum eine positive Stellungnahme der Gewerkschaften zur Bonner Regierungsarbeit gegeben?
Herr Staatssekretär, Sie sind immer noch dran.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514614600
Herr Abgeordneter, die Frage vermittelt den Eindruck, als habe sich Herr Ahlers nur kritisch über die Haltung der Gewerkschaften geäußert. Das trifft nicht zu. Herr Ahlers hat in seinem Vortrag in Dortmund auch festgestellt, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund insgesamt viel dazu beigetragen hat, daß die konzertierte Aktion erfolgreich verlief und daß einzelne Industriegewerkschaften eine positive Haltung zur Regierungspolitik eingenommen haben.
Ausgangspunkt für die kritischen Bemerkungen war für Herrn Ahlers das Verhalten einiger Industriegewerkschaften. Wie bekannt, ist auch die Bundesregierung der Ansicht, daß sie keinen Anlaß für jene scharfe Kritik gegeben hat, die ein Teil der Industriegewerkschaften an ihrer Politik geübt hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514614700
Dann komme ich zur Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dorn:
Welchen politischen Nutzen für ihre Arbeit verspricht sich die Bundesregierung von der Bildung eines SPD-Schattenkabinetts, wie es der Stellvertretende Regierungssprecher Conrad Ahlers vorgeschlagen hat?
Sie übernehmen sie, Herr Moersch? — Bitte sehr!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514614800
Herr Ahlers ist bei seiner Äußerung vor einer SPD-Delegiertenversammlung in Dortmund am 16. Dezember 1967 von der Erwägung ausgegangen, daß eine stärkere Aktivität der SPD im Bereich jener Ressorts, in denen sie nicht selbst den Bundesminister stellt, für die SPD von Nutzen sein könnte. Seine Bemerkun-



Staatssekretär Diehl
gen bezogen sich also auf die SPD, nicht auf die Bundesregierung.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514614900
Herr Staatssekretär, wann ist Herr Ahlers stellvertretender Sprecher der Bundesregierung, und wann ist er Sprecher für die SPD?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514615000
Der Sprecher der Bundesregierung übt seine Funktion aus, wenn er im Auftrage der Bundesregierung spricht. Darüber hinaus hat er wie jeder Bürger das Recht, politische Meinungen zu äußern, insbesondere zu Problemen der Partei, der er angehört oder der er nahesteht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514615100
Keine weitere Zusatzfrage. Dann komme ich zur Frage 15 des Abgeordneten Moersch:
Kann die Bundesregierung erläutern, was unter der Mitteilung des Bundespresseamtes zu verstehen ist betr. den Ankauf von 10 000 Exemplaren der Jugenderinnerungen von Bundeskanzler Dr. Kurt Georg Kiesinger aus den Mitteln des Titels 300: „Das Politikum der Schrift liegt in der Darstellung des glücklichen Miteinanders des katholischen und evangelischen Teiles der Familie Kiesinger"?
Bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514615200
Herr Abgeordneter, es gibt keine Mitteilung des Presse-und Informationsamtes mit dem in der Frage zitierten Text.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514615300
Herr Staatssekretär, wollen Sie damit sagen, daß der Bonner „General-Anzeiger" eine Falschmeldung in wörtlicher Rede gebracht hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514615400
In der Tat.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514615500
Warum hat dann die Bundesregierung kein Dementi oder keine Richtigstellung nach diem Pressegesetz gegeben, wo sie doch sonst so eifrig mit Richtigstellungen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514615600
Der Gegenstand verlangte eine solche Richtigstellung nicht, Herr Abgeordneter. Das Presse- und Informationsamt gibt Mitteilungen an die Presse heraus, und es gibt Materialien an die Presse heraus, die es veröffentlicht, die aber nicht in seiner Verantwortung erscheinen. Außerdem sind Erklärungen des Presse- und Informationsamtes die von seinem Sprecher und seinem Stellvertreter auf dier Bundespressekonferenz abgegebenen Äußerungen. Das Presseamt gibt mündliche Auskünfte als Dienstleistungen an die Presse durch den Chef vom Dienst. Aber ich wiederhole, .es gibt keine Mitteilung des Presseamtes mit dem in der Frage zitierten Text.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514615700
Darf ich daraus schließen, Herr Staatssekretär, das künftig nur der Chef des Presseamtes und sein Stellvertreter offiziöse Äußerungen abgeben können und daß alles andere in der Verantwortung derer ist, die es abdrucken, auch wenn es von Beamten erklärt wird?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514615800
Herr Abgeordneter, das ist Ihre dritte Zusatzfrage, und eine dritte ist nicht zugelassen. Daran kann ich nichts ändern.

(Abg. Moersch: Das ist Pech für den Herrn Staatssekretär!)

Ich rufe die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Lenders auf:
Wann ist mit dem Erscheinen der Aufklärungsschrift des Bundespresse- und Informationsamtes über das Finanzänderungsgesetz 1967 zu rechnen?
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß die in Frage 18 erwähnte Aufklärungsschrift, vor allem was den sozialrechtlichen Teil angeht, nur dann ihren Zweck sinnvoll erfüllt, wenn sie in den ersten Januartagen erscheint?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Diehl vom 16. Januar 1968 lautet:
1. Mit dem Erscheinen der Schrift, die über die mit dem Finanzänderungsgesetz vom 21. Dezember 1967 beschlossenen Änderungen des Sozialversicherungsrechts Auskunft gibt, ist Mitte Februar zu rechnen. Mit der Schlußredaktion des Manuskripts mußte bis zur Verabschiedung der im Finanzänderungsgesetz 1967 enthaltenen zahlreichen Änderungen des Sozialversicherungsrechts durch den Deutschen Bundestag und den Bundesrat gewartet werden. Den Druckangeboten, die jetzt vorliegen, ist zu entnehmen, daß die technische Herstellung vier bis fünf Wochen in Anspruch nimmt. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung wird um Beschleunigung der Herstellung bemüht sein.
2. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die Schrift ist nicht nur in den ersten Januartagen sinnvoll. Die Schrift enthält allgemeine Informationen über das neue Sozialversicherungsrecht und vor allem über die Fragen, die eine Entscheidung der betroffenen Versicherten bis zum 30. Juni 1968 zulassen.
Dann kommen wir zur Frage 20 des Abgeordneten Felder:
Welche Erwägungen haben das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung veranlaßt, eine dem Amt seit einer Reihe von Monaten vorliegende „Analyse über das Wahlverhalten der Bundeswehr" nicht zu veröffentlichen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

(Abg. Dr. Stammberger: Herr Präsident, meine Fragen!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514615900
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat im Dezember 1965 einem Forschungsinstitut den Auftrag erteilt, eine Studie zu dem Thema „Das Wahlverhalten der Bundeswehr an Bundeswehrstandorten" — eine empirische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Bundestagswahl 1965 — zu erarbeiten. Die Studie ist im März 1967 ,dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vorgelegt worden. Fachleute in den Ressorts haben Bedenken hinsichtlich der angewandten Methode erhoben, die den Verfasser veranlaßt haben, eine Überarbeitung .der Studie vorzunehmen. Die Bundesregierung ist gerne bereit, den Bundestagsausschuß für Verteidigung über den Inhalt der Studie zu unterrichten, sobald die Überarbeitung erfolgt ist. Ich werde den Verfasser bitten, die Arbeiten möglichst schnell .abzuschließen.
Was die Frage der Veröffentlichung einer solchen Studie betrifft, so ist allgemein zu sagen, daß in aller Regel vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Auftrag gegebene Untersuchungen nicht veröffentlicht werden, sondern der Regierung und in vielen Fällen auch dem Parlament zur eigenen Information zugänglich gemacht werden.



Staatssekretär Diehl
Im vorliegenden Fall hat der Verfasser aber die Absicht — nach 'dem, was wir wissen —, diese seine Arbeit wissenschaftlich zu verwerten, und es kann sein, daß sie auch zum allgemeinen Gebrauch veröffentlicht wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514616000
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Felder.

Josef Felder (SPD):
Rede ID: ID0514616100
Herr Staatssekretär, welchen Zeitraum wird 'die Überarbeitung dieser Analyse nach Ihrer Meinung in Anspruch nehmen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514616200
Ich habe selber mit dem Verfasser 'darüber nicht sprechen können. Aber ich will mich mit ihm in Verbindung setzen und ihn bitten, die Arbeiten zu beschleunig en.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514616300
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Felder.

Josef Felder (SPD):
Rede ID: ID0514616400
Herr Staatssekretär, nach Überarbeitung der Analyse würden Sie also einige Exemplare dem Verteidigungsausschuß zur Verfügung stellen. Sind Sie mit mir der Meinung, daß gerade dieser Ausschuß von solchen Analysen Kenntnis erhalten muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514616500
Ja, in der Tat, Herr Abgeordneter.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514616600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schultz.
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Herr Staatssekretär, welche Erwägungen haben denn die Bundesregierung veranlaßt, eine solche Studie überhaupt in Auftrag zu geben? Warum muß das Wahlverhalten der Bundeswehrangehörigen besonders durchleuchtet werden, mehr durchleuchtet werden als das Wahlverhalten anderer Bürger?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514616700
Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß es eigentlich eine Art permanenter Diskussion gibt über das Meinungsbild und auch 'über die politische Struktur innerhalb ¡der Bundeswehr. Dabei wurde auch 'die Meinung vertreten, die Tatsache, daß Truppen in einem Ort in Garnison lägen, wirke sich auf das Wahlverhalten der Bürger aus. Das war der Anlaß für diese Studie.
Übrigens kann ich, ohne dem endgültigen Ergebnis vorzugreifen, generell sagen, daß sich 'die Auffassung, das Wahlverhalten innerhalb der Bundeswehr und an Truppenstandorten unterscheide sich wesentlich vom Wahlverhalten anderer Bürger, als nicht zutreffend herausgestellt hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514616800
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schultz.
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Wann ist diese Studie in Auftrag gegeben worden, Herr Staatssekretär?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514616900
Ich hatte, Herr Abgeordneter, schon gesagt, 'daß sie im Dezember 1965 in Auftrag gegeben worden ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514617000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0514617100
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir überein, daß es eine Aufgabe des Bundesministers der Verteidigung ist, Studien dieser Art anfertigen zu lassen, um auch in diesem Hohen Hause auf eine Reihe von Fragen exakte Antwort geben zu können?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514617200
Wir haben diese Studie selber in Auftrag gegeben, aber in Übereinstimmung mit dem Verteidigungsministerium. Ich bin in der Tat Ihrer Meinung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514617300
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir stehen am Ende der Fragestunde.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Mertes.

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0514617400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fragen, die. mein Kollege Logemann heute gestellt hat und die vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantwortet wurden, sind von allgemeinem aktuellem Interesse. Unter Bezugnahme 'auf Anlage 6 Ziffer 2 der Geschäftsordnung beantrage ich daher eine aktuelle Stunde. Mein Antrag wird ausreichend unterstützt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514617500
Meine Damen und Herren, es ist der Antrag 'gestellt, über eine Frage von ,allgemeinem aktuellem Interesse — daß eine solche vorliegt, ist gar keine Frage — eine aktuelle Stunde zu veranstalten. Ein solcher Antrag muß von 30 anwesenden Mitgliedern des Hauses unterstützt werden. Wer den Antrag unterstützt, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist ausreichend.
Wir beginnen also mit der
aktuellen Stunde.
Ich bitte, den Zeitpunkt festzuhalten. Wer spricht als erster? Herr Abgeordneter Logemann!

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514617600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auswirkungen der deutschen Getreidepreissenkung sind für die deutsche Landwirtschaft in einem so hohen Maße eingetreten, daß diese Entwicklung für uns Anlaß ist, uns in dieser aktuellen Stunde damit zu beschäftigen. Dabei darf ich feststellen, daß die Auswirkungen auf die Preise und die Preisausfälle bei den Erzeugern viel höher sind, 'als vorausberechnet worden ist, eben auch auf



Logemann
Grund der Tatsache, daß jetzt sehr viel Getreide in die Bundesrepublik eingeführt worden ist.
Nun haben uns die Antworten des Herrn Ministers heute morgen keineswegs davon überzeugt, daß der jetzige Verteilungsschlüssel für die 560 Millionen DM den bisherigen Vorstellungen entspricht. Ich möchte nicht alles wiederholen, was schon gesagt worden ist. Ich darf nur als unsere Meinung feststellen, daß dieser Verteilungsschlüssel im Gegensatz steht zu den Vereinbarungen im Ministerrat der EWG aus dem Jahre 1964, zu den Aussagen des Staatsekretärs Hüttebräuker, zu den Aussagen des Herrn Ministers selbst, zu den Bestimmungen des EWG-Anpassungsgesetzes und letzten Endes zum Haushaltsgesetz 1967.
Meine Damen und Herren! Es geht um einen Widerspruch von unserer Seite zu der Abzweigung von 100 Millionen von diesen 560 Millionen DM. 100 Millionen DM von 560 Millionen DM sind 20 %, also kein Pappenstiel, sondern ein sehr erheblicher Betrag, der den deutschen Getreideanbauern in dieser Situation durch eine Zweckentfremdung für andere Haushaltstitel genommen werden soll. Herr Minister, wir von der FDP-Fraktion wehren uns gegen Ihren Versuch, mit Hilfe dieses Verteilungsschlüssels mit Brüsseler Ausgleichszahlungen eine Wiederaufstockung vorher gekürzter Haushaltstitel zu erreichen.

(Beifall bei ,der FDP.)

Es ist seit Jahren bekannt, daß eine Disparität in den Grünland- und Futterbaubetrieben vorhanden ist. Die war immer schon da, auch als die Getreidepreise noch nicht gesenkt waren. Wir wehren uns dagegen, wenn Sie heute versuchen, aus Mitteln, die für die Getreidefläche gedacht sind, Beträge abzuzweigen. Die FDP hat einen anderen Vorschlag gemacht. Wir haben einen Antrag eingebracht — Sie haben ihn leider abgelehnt —, der darauf abzielte, gerade die Disparität in Grünland- und Futterbaubetrieben durch gezielte Ausgleichszahlungen nach der Dauergrünlandfläche zu vermindern.
Es ist für uns jetzt sehr interessant zu erfahren, wie sich die Kollegen der CDU/CSU und der SPD äußern werden, die bisher mit uns außerparlamentarisch der völlig gleichen Auffassung waren, die im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes die Hand hochhielten und sagten: „Nur nach der Getreidefläche!"

(Beifall bei der FDP.)

Ich möchte wissen: Was gilt nun dieses Wort dieser Kollegen hier angesichts dieses Hohen Hauses? Stehen sie heute noch zu den Auffassungen, die sie im Bauernverband vertreten haben? Ich bin der Meinung, daß es wichtig ist, hier endlich einmal Farbe zu bekennen.
Ich möchte mit einer Feststellung schließen. Wenn wir unter Bauern etwas absprechen, dann genügt ein Handschlag, und wenn wir es mit anderen absprechen, dann machen wir es schriftlich. Aber ich habe so langsam das Gefühl, daß für die jetzige
Regierung der Großen Koalition nicht einmal gesetzliche Verpflichtungen Anlaß sind, sie zu halten

(Beifall bei der FDP)

und nun das auszuführen, was man jahrelang hier eigentlich schon festgelegt hatte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514617700
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514617800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat zuvor in seiner Antwort auf eine Frage von mir darauf hingewiesen, daß die Freien Demokraten ja mit in der Koalition waren, als die Zusage gegeben wurde. Das stimmt. Wir stehen auch heute noch zu der Zusage, im Gegensatz zu der jetzigen Regierung und den sie tragenden Parteien, die ebenfalls die Zusage gegeben haben, ebenso wie wir, nur daß sie ihr Wort brechen. Das ist der Unterschied.
Wir möchten aber daran erinnern, daß der Finanzminister Dahlgrün sowohl in Koalitionsgesprächen wie auch in Fraktionsgesprächen und in der Öffentlichkeit bereits damals auf die schwierige Haushaltslage hingewiesen hat. Damals hat der Herr Bundeskanzler gesagt: Das ist ein politisches Opfer, und ein politisches Opfer trägt die Regierung und mit der Regierung das gesamte Volk. Das kann unmöglich ein Berufsstand allein tragen.

(Beifall bei der FDP.)

Wir haben diesem Wort geglaubt, und auch die deutsche Landwirtschaft hat diesem Wort geglaubt. Wir müssen feststellen, daß die Mehrheitspartei, die stärkste Partei dieses Hauses, dieses Wort nicht hält und leider auch von dem neuen Koalitionspartner, der ebenfalls die Zusage hier in diesem Hohen Hause gegeben hat, unterstützt wird.
Ich darf hier zitieren und nehme an, daß Herr Kollege Schmidt etwas dazu sagen wird. In einem Pressedienst, der in der Regel aus der SPD sehr gut informiert ist, stand zu lesen, daß er gesagt hat, er wird es nicht mitmachen, daß die CDU hier Agrarhaushaltslücken stopft, indem man Zusagen nicht einhält.
Diese Frage muß geklärt werden. Es handelt sich hier um eine Zusage. Es handelt sich auch um eine Verankerung im Protokoll des Ministerrates in Brüssel. In diesem Protokoll sind die 560 Millionen DM — wenn wir das richtige Protokoll vorliegen haben — expressis verbis verankert. Hier hält sich die Regierung auch nicht an ein Protokoll, das international vereinbart worden ist.
Der Kollege Logemann hat betont, daß wir Freien Demokraten durchaus Verständnis für die Schwierigkeiten und Nöte der Futterbaubetriebe haben. Wir haben bei den Haushaltsberatungen vorgeschlagen, das EWG-Anpassungsgesetz nicht zu kürzen. Wir haben auch auf die sehr zweifelhafte Handhabung der Treibstoffverbilligung hingewiesen. Dort wären Möglichkeiten gewesen, den Grünlandbetrieben zu helfen. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht. Wir haben weiter gesagt, daß wir wissen, wie notwendig eine Förderung der Futterbau-



Ertl
betriebe ist, sei es durch Verbesserung der Einkommenslage, sei es auch, wie von uns vorgeschlagen, durch Ausbau der Wirtschaftswege einschließlich der Almwege. Das wurde von dieser Regierung nicht gemacht, und man tut nun so, als wäre das alles, was hier gemacht worden ist, der Weisheit letzter Schluß. Nein, es ist nur ein Schluß: Gegebene Zusagen hält man nicht, und diese Regierung hat damit die Glaubwürdigkeit verloren.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514617900
Das Wort hat der Abgeordnete Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0514618000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wundere mich sehr, daß sich keine Kollegen aus den anderen Fraktionen zu diesem Thema äußern.

(Zuruf von der CDU/CSU: Warten Sie ab!)

— Ich kann mir nicht denken, daß, wenn Sie sich gemeldet hätten, der Herr Präsident dann drei Redner der FDP nacheinander auffordern würde, hier zu reden.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das müssen Sie doch uns überlassen!)

— Sie wollen uns also die Möglichkeit der wirklichen Diskussion nehmen und wollen nachher noch einige Sprüche dazu sagen, Herr Schmidt.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen]: Nein, Sie sollen erst abspulen! Außerdem machen wir das, wie wir das wollen, nicht, wie Sie das wollen!)

Wir sind der Meinung, daß die 560 Millionen DM nach der Getreidefläche zu verteilen sind. Alle anderen Elemente, wer mittelbar auch geschädigt ist oder wo seit vielen Jahren strukturelle Mängel aufgetreten sind, sind aus anderen Mitteln, aus dem Haushalt zu bedienen. Hier liegt eine völlige Zweckentfremdung vor. Wir sind sogar der Meinung — und 'ich glaube mit Teilen, jedenfalls mit Beamten der Bundesregierung, z. B. mit Herrn Ministerialdirektor Nonhoff —, daß noch in keiner Weise klar ist, ob die EWG-Kommission, einen Verteilungsschlüssel 'genehmigen wird, nach dem 100 Millionen DM von dem eigentlichen Zweck abgezweigt und für Aufgaben verwandt werden, die mit einer unmittelbaren oder einer mittelbaren Entschädigung nichts zu tun haben. Wir 'sind also der Meinung, daß die Bundesregierung ihre Beschlüsse überprüfen sollte, weil die rechtliche Grundlage dafür, 127 Millionen DM anders zu verwenden, nicht gegeben ist und weil deshalb 'die Gefahr besteht, daß auch noch diese Mittel der Landwirtschaft verfallen.

(Beifall dier FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514618100
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514618200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Peters hat sich beschwert, daß er keine Gelegenheit zur Diskussion habe. Diesem Mangel kann abgeholfen werden, und ich will mich gleich dazu bereit finden.
Ich habe nach der sehr intensiven. Fragestunde vorhin zum gleichen Thema und der ewigen Debatte in der Öffentlichkeit 'den Eindruck, daß die verehrliche Opposition versucht, den Wahlkampf etwas vorzuziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der FDP.)

Es ist reichlich früh; aber immerhin, ich habe Verständnis dafür. Das ist eine kleine verzweifelte Gruppe, die nach allen Seiten um sich schlägt und natürlich frühzeitig Lorbeeren an ihre Kopfbedekkungen heften will.

(Zuruf von der FDP: Gehen Sie einmal in die Bauernversammlungen! — Weitere lebhafte Zurufe von der FDP.)

Nun zu den Einzelheiten. Herr Kollege Logemann, ich habe schon wiederholt hier zum Ausdruck bringen können, wie sehr ich Ihre agrarpolitische Tätigkeit schätze. Ich bin aber außerordentlich überrascht darüber, daß Sie nicht das Maß an Solidarität zeigen, das die Landwirtschaft eigentlich verlangen kann. Erfreulicherweise ist es doch 'so, daß, durch die Natur und durch natürliche Umstände bedingt, z. B. die Getreidebauern doch etwas günstiger stehen als die Futterbaubetriebe, die ja immer das Schlußlicht in der gesamten Ertragssituation bilden und auch gar keine Ausweichmöglichkeiten besitzen. Ich hätte gedacht, Herr Logemann, es wäre eine feine und noble Geste, wenn Sie sagen würden: Jawohl, jetzt ist einmal ein Anlaß, daß wir einen gewissen kleinen zusätzlichen Ausgleich durchführen können; wir sind die allerersten, die sich zu einer solchen karitativen Leistung bereit finden. Aber ich finde diese Bereitschaft nicht. Ich hoffe, daß sie im Rahmen 'der Diskussion noch zustande kommt.
Nun zu den einzelnen Punkten, die Sie vorgetragen haben. Herr Kollege Logemann, wenn Sie unseren Informationsdienst, dier Ihnen ja zugeht, genau studieren, werden Sie feststellen, daß die Auswirkungen 'erfreulicherweise nicht ganz das Ausmaß angenommen haben, wie es ursprünglich vermutet worden ist, und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen. So ist es ja auch noch gelungen, in der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Getreides einen gewissen Bonus zu erreichen, der europäischen Gesetzen entspricht und der unseren Getreidelandwirten zugute kommen wird. Insgesamt gesehen haben wir hier eine erwünschte und erfreuliche Verbesserung. Aber der Schaden und der Nachteil sollen nicht verkleinert werden. Es ist Anlaß genug, sich darüber Gedanken zu machen.
Was die Frage selbst betrifft, so ist der Ausgangspunkt für eine Verteilung von 560 Millionen DM -wobei ich gerne feststelle, daß es viel einfacher ist,



Bundesminister Höcherl
Beträge einzubehalten, als sie zu verteilen; das scheint mir nach meinen bisherigen Erfahrungen das weitaus schwierigste Geschäft zu sein — zweifellos der Ministerratsbeschluß vom 15. Dezember 1964. Er spricht, und zwar nicht nur für Deutschland, sondern für Italien, Luxemburg und Deutschland, davon, daß die Beträge einmal zum Ausgleich der nachteiligen Auswirkungen des Getreidepreisbeschlusses verwendet werden sollen und ferner dazu, der deutschen Landwirtschaft den Übergang zu dem niedrigeren Getreidepreisniveau zu erleichtern. Das sind wörtlich die entscheidenden Formulierungen aus dem Beschluß.
Jetzt kommt es darauf an, festzustellen, in welchen Sektoren sich solche Auswirkungen nachteiliger Art zeigen. Es ist kein Zweifel, daß in erster Linie derjenige Getreidelandwirt benachteiligt ist, der sein Getreide auf dem Markt verkauft. In ganz runden Zahlen werden 50% verkauft und 50 % des Getreides verfüttert. Das ist die Situation. Wir brauchen uns also nicht über diejenigen Landwirte zu unterhalten, die ihr Getreide verkaufen. Hier ist der Fall vollkommen klar, hier entsteht ein direkter und unmittelbarer Schaden, der in erster Linie zu berücksichtigen ist.
Anders ist die ganze Situation bei dem verfütterten Getreide. Hier tritt der Schaden ein erstens durch den verringerten Außenschutz, der mit dem Getreidepreis verbunden ist, und zweitens dadurch — das ist eine gesicherte, von der Praxis und der Wissenschaft erarbeitete Erfahrung, die sich zweifellos auch in der Zukunft bestätigen wird und die immer Hauptinhalt der berufsständischen Diskussion war —, daß in der getreideabhängigen Veredlung durch verringerte Fütterungskosten und einen geschmälerten Außenschutz, auf die Dauer gesehen, eine gewisse Ermäßigung des Preisniveaus eintritt, die unter Umständen größer ist als die Ersparnis bei den Futterkosten. Das ist aber eine Frage, die erst nach einem gewissen Zeitraum entsteht.
Wenn wir also nach dem Wortlaut beckmesserhaft bei der Auslegung dieses Beschlusses verfahren wollten, dürften wir eigentlich nur diejenigen berücksichtigen, die einen unmittelbaren Verkaufsschaden haben. Wir sind aber darüber hinausgegangen.
Ich glaube, das wird auch von der FDP-Fraktion gebilligt. Wenn sie das aber billigt, muß sie auch die Grundsätze billigen, die für diesen erweiterten Schadensausgleich maßgebend sind. Damit ist dann schon der mittelbare Schaden einbezogen. Wenn sie nun die Anbaufläche als Maßstab nimmt, dann nimmt sie auch die Anbaufläche, deren Produkte letzten Endes in die getreideabhängige Veredlung hineinreichen. Dieser Widerspruch ist der erste, den die FDP beseitigen müßte. Es kann kein Zweifel sein — und darauf gründet sich auch das berechtigte Anliegen des Berufsstandes und der ganzen agrarpolitischen Diskussion —, daß der Getreidepreis der klassische Eckpreis innerhalb der ganzen landwirtschaftlichen Produktenpreise ist und daß er alles mit in seinen Sog zieht, sei es nach oben, sei es nach unten. Das ist gesichert und ist leider durch eine
bittere Erfahrung aus dem Jahre 1967 noch ganz besonders und aktuell erhärtet worden, weil in der Verbraucherorientierung bei der Konkurrenz der Rindfleischpreise und der Schweinefleischpreise dem Schweinefleisch, das billiger wurde, der Vorzug gegeben wurde, so daß die Rindfleischpreise absackten. Damit ist der Zusammenhang erhärtet. Ich verstehe gar nicht, wie die FDP aus diesem Widerspruch der geistigen Konzeptionen heraus will.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514618300
Herr Bundesminister, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß eine Vereinbarung mit der Bundesregierung besteht, nach der diese sich auf freiwilliger Basis bemüht, sich ebenfalls an die Redezeit von fünf Minuten zu halten.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514618400
Danke sehr. Mir war die Vereinbarung nicht bekannt. Ich nehme sie gern zur Kenntnis. Ich darf nur ganz wenige Bemerkungen anschließen, um mich dann an diese Zeit halten zu können.
Die Zusage ist damals in Gesetzform niedergelegt worden, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern in vielen anderen Gesetzen sind auch weitere Zusagen aus einer günstigen Konjunktur und aus einer günstigen Haushaltssituation heraus niedergelegt worden. Die FDP wird doch nicht ein so kurzes Gedächtnis haben und vergessen haben, daß unter ihrer Mitwirkung noch Haushaltssicherungsgesetze eingeführt werden mußten, die bedauerlicherweise nicht nur hier beim EWG-Anpassungsgesetz, sondern in breiter Front bis hinein in den sozialen Bereich gesetzlich gebundene Zusagen zurücknehmen mußten, um einen Sanierungsprozeß durchführen zu können. Und schließlich — ich muß es wiederholen —: Es ist richtig, die FDP hat das zugesagt. Sie hat uns aber eine leere Kasse hinterlassen, die uns eine weitere Haushaltssicherung notwendig — —

(Lachen und Zurufe von der FDP.)

— Ja, ich kann es nicht ändern. Wir haben sie nach allen Seiten hin umgedreht. Wir haben nicht mehr darin gefunden.

(Zurufe von der FDP.)

Es gab zwei von der FDP mitgestaltete Haushaltssicherungsgesetze. Meine Damen und Herren, wenn ich dem Rentner zumute, 2 % für seine Krankenkasse zu zahlen, wenn ich dem Arbeitnehmer zumuten muß, höhere Sozialbeiträge zu zahlen, und wenn in der Familienpolitik in breiter Front Abstriche gemacht werden müssen, kann es nicht ausbleiben, daß auch hier Opfer gebracht werden, Opfer, zu deren Bereinigung und Beseitigung in der Zwischenzeit 'erfolgreiche Bemühungen angestellt worden sind.
Ich darf an die Bemühungen des Kollegen Struve und seiner Freunde hinsichtlich einer Ergänzung des Agraretats auf kreditmäßiger Basis und an die Bemühungen, die wir in Brüssel zur Verbesserung der Futtergetreidepreise angesetzt haben, erinnern. Ich glaube, wir können mit gutem Gewissen bei diesem schmerzlichen Vorgang antreten und brauchen



Bundesminister Höcherl
uns nicht in Widersprüche zu verwickeln wie die verehrliche Opposition, die es, gerechtermaßen betrachtet, halt etwas schwer hat, weil sie ihre eigene Vergangenheit und die Gegenwart kaum in Deckung zu bringen vermag.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514618500
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer (Wasserburg).

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0514618600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich ist es erfreulich, daß wir heute hier diese Aktuelle Stunde durchführen; denn ich glaube, wir müssen den Freien Demokraten angesichts dessen, was heute hier schon und vorher in der Fragestunde vertreten worden ist, einiges ins Gedächtnis zurückrufen. Herr Logemann, wie sähe es denn eigentlich aus, wenn wir Ihrer Konsequenz folgen würden? Wenn Sie schon glauben, daß die Abzweigung der 100 Millionen DM nicht gerecht ist, frage ich Sie: Wäre es dann nicht genauso ungerecht, wenn wir sagen würden: Schäden sind offensichtlich nur beim verkauften Getreide eingetreten, dann gehen wir ab von der Fläche und stellen nur auf das Verkaufsgetreide um? Dann hätten Sie dieselbe Ungerechtigkeit in diesem Bereich, wie wir meinen, weil wir nicht in der Lage sind, die noch in keiner Weise zu überschauenden Schäden sowohl in der Bodenproduktion als auch bei der Veredlung im Augenblick überhaupt schon in Mark und Pfennig abzuschätzen. Ich glaube, Sie wissen ebenso wie wir, daß, wenn überhaupt jemand schon einen Überblick in dieser Frage hat, die Regierung und niemand anders ihn hat; sie hat hier eine Entscheidung getroffen.
Meine sehr verehrten Herren von den Freien Demokraten, wir sind auch der Meinung, daß bei der Verteilung, wie wir sie jetzt gefunden haben — 460 Millionen DM direkt auf die Fläche und 100 Millionen DM sozusagen auf den in der zweiten Linie berührten Bereich —, die 100 Millionen DM unter Umständen zuwenig sind. Wir werden das ja sehen, wenn wir dann einmal die Abrechnung machen und in der Rückschau feststellen, wie die Auswirkungen gewesen sind und wo die Schäden sich wirklich ergeben haben. Es ist sehr billig, hier vorn hinzustehen und Behauptungen aufzustellen, die im Augenblick überhaupt noch niemand beweisen kann. Ich bin neugierig, ob die nachfolgenden Redner uns endlich sagen, wie der Schlüssel angeblich aussehen müßte; denn ich glaube, das sture System der Verteilung nach der Fläche wird der Sache nicht gerecht und wird vor allen Dingen dem Ansehen der Landwirtschaft nicht gerecht.

(Beifall in der Mitte.)

Ich erinnere Sie noch einmal daran, wieviel „Glück" wir bisher mit dem System hatten, als wir mit der „Gießkanne" über die Landschaft gefahren sind. Wir finden dafür kein Verständnis in den übrigen Bevölkerungskreisen. Ich bin der Meinung, wir sollten Agrarpolitik so betreiben, daß sie von einer möglichst breiten Schicht unserer Mitbürger draußen verstanden und auch mitgetragen wird.

(Beifall in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, zu diesem Ausgleich gab es eine Fülle von Vorschlägen. Ich bin der Auffassung, daß das, was hier jetzt gefunden worden ist, ein guter Mittelweg ist, der allen in irgendeiner Form gerecht wird. Ich neige sogar zu der Meinung, daß — ich sage es noch einmal — das Verhältnis der 100 Millionen DM zu den 460 Millionen DM der kleineren Gruppe möglicherweise nicht gerecht wird.
Herr Logemann, Sie sind hier mit Prozentzahlen angetreten und haben gesagt, 20 % seien zuviel, und das sei nicht richtig. Ich sage Ihnen eines: Wenn wir anfangen, in diesem Berufsstand die Solidarität mit Prozentzahlen zu messen, dann ist dieser Berufsstand am Ende. Haben wir uns eigentlich nicht von hier aus immer wieder bemüht, Nord und Süd, die Getreidebauern ebenso wie die Veredler und die Grünlandbauern möglichst beisammenzuhalten und, wenn es darauf ankam, irgendwelche Situationen gemeinsam und solidarisch durchzustehen? Ich verwahre mich dagegen, daß hier von den Freien Demokraten Solidarität sozusagen in Prozentzahlen errechnet wird und ausgerechnet den Bauern in den Grönlandgebieten Vorhaltungen gemacht werden; dieser Versuch ist hier unternommen worden.

(Zuruf von der FDP.)

Was im übrigen das „Umfallen" der Bauernverbandspräsidenten anlangt, so sind Sie, meine Herren, in dieser Übung besondere Könner. Nach meiner Meinung sollten Sie nicht mit Steinen werfen, wenn Sie im Glashaus sitzen. Sich entweder einer besseren Erkenntnis zu beugen oder zu sagen, daß es eine völlig gerechte Lösung nicht gibt, ist immerhin eine mannhafte Haltung, die mir wesentlich besser gefällt, als sich im Umfallen zu üben. Aber das war — ich sage es noch einmal — bisher eine auf der rechten Seite des Hauses gewohnte gymnastische Übung. Wir denken nicht daran, sie nachzumachen.

(Zurufe von der FDP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Freien Demokratischen Partei, Sünder sind wir allzumal. Und wenn schon Sünder, dann sind Sie es mit uns gemeinsam. Ich meine, in der Frage der Absicherung 'irgendwelcher gesetzlicher Verpflichtungen hätte gerade die Fraktion, die in der entscheidenden Zeit den Finanzminister gestellt hat, mindestens die größere Verantwortung als die übrigen.

(Weitere Zurufe von der FDP. — Glocke des Präsidenten.)

— Ich werde vom Präsidenten bereits gemahnt. — Ich sage Ihnen zu der Frage des Geldes nur — Herr Präsident, ich darf diesen Satz noch zu Ende führen —: In der Politik und auch in der Wirtschaftspolitik gibt es Prioritäten. Wenn wir uns dafür entschieden haben, gesundes Geld, geordnete Finanzen und eine kaufkräftige Bevölkerung derartigen Hilfen vorzuziehen, wie wir sie der Landwirtschaft sicherlich gönnen und auch morgen wieder geben



Bauer (Wasserburg)

wollen, dann haben wir, glaube ich, im Interesse des Ganzen die richtige Entscheidung getroffen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514618700
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Gellersen).

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0514618800
Meine Damen und Herren! Die Kollegen von der FDP machen es mir außerordentlich schwer, hier einige ganz vernünftige Argumente zu verteidigen, zumal sie all ihre Reden heute vormittag unter das Motto gestellt haben: Agrarfeindlichkeit der Koalition. Wenn Sie so verfahren, müssen Sie auch darauf verzichten, daß man Sie in den vernünftigen Anliegen unterstützt.
Nun zur Sache selber. Für meine Freunde und mich galt und gilt auch heute noch der Grundsatz, daß alle Einkommensausfälle, die durch Anordnungen und Beschlüsse der EWG verursacht sind, wenn auch nicht ganz, so doch zumindest annähernd ersetzt werden. Dafür sind auch die 560 Millionen DM vorgesehen. Sie decken den Einkommensausfall nicht ganz, sondern nur zu ungefähr 60%.
Insoweit ist der größte Teil des Vorschlags des Kabinetts durchaus in Ordnung, auch was die Braugerste angeht. In der Tat hat die Braugerste den größten Einkommensverlust zu tragen gehabt, und das sollte auch besonders honoriert werden. Damit also einverstanden!
Nur was die 100 Millionen DM für die Grünlandgebiete angeht, so habe ich einige Zweifel, ich möchte schon sagen: berechtigte Zweifel; denn das Argument, Herr Bundesminister, das hier ständig ins Feld geführt wird, sticht nicht. Sie können andere, auch berechtigte Argumente haben, aber dieses Argument sticht nicht, in .welchem Sie von der Interdependenz der Preise sprechen. Diesem Argument von der Interdependenz der Preise, das auch Sie, meine Herren von der FDP, vertreten, habe ich in diesem Hause seit 10 Jahren immer widersprochen. Ich habe immer gesagt: es gibt nicht nur d e n Eckpreis Getreide, sondern es gibt zumindest zwei Eckpreise. Die Getreidepreisminderung hat jetzt noch keine Auswirkung auf die Rindfleischpreise und die Milchpreise gehabt. Das hat ganz andere Zusammenhänge und steht auf einem ganz anderen Blatt.

(Sehr richtig! rechts.)

— Aber, aber! Wie gesagt, ich will diesen Vorschlag des Kabinetts prüfen, und wenn man — ich habe mit meiner Fraktion darüber noch nicht gesprochen, kann also nur für meine Person reden — die enge Bindung der Ausgabe der 100 Millionen DM für die Verbesserung der Marktstruktur der Grönlandgebiete beseitigt und das auf das Ganze ausdehnt, — einverstanden. Ich war ja auch früher bereit, von diesen 560 Millionen DM zur Verbesserung der Marktstruktur einiges abzuzweigen. Das habe ich jahrelang gegenüber dem Berufsstand und auch gegenüber diesem Hohen Hause vertreten, und ich wäre auch heute noch dafür.
Also das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Das Haus spricht das letzte Wort. Nur um eines möchte ich Sie, meine Herren von der FDP, am Schluß bitten: ein bißchen solider wäre in der Sache besser.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514618900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz.
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eigentlich nur zwei Dinge richtigstellen. Herr Bundesminister Höcherl, der Freien Demokratischen Partei und der Fraktion der FDP hier in diesem Hause geht es weder darum, den Wahlkampf für 1969 vorzuziehen, noch darum, hier augenblicklich den Wahlkampf für Baden-Württemberg zu führen. Vielmehr geht es uns hier darum — das ist die Aufgabe der Opposition —, die Regierung zu kontrollieren und dort, wo wir glauben, daß die Regierung eine falsche Maßnahme vorsieht, ihr rechtzeitig zu sagen, daß wir diese Maßnahme für falsch halten, und zu versuchen, die Regierung zu einer vernünftigeren Maßnahme zu bringen.

(Beifall bei der FDP.)

Es hat also, Herr Bundesminister, gar keinen Wert, mit diesen so leicht und schlenkerartig hingesagten Bemerkungen das Sachanliegen madig zu machen, um das es uns hier geht.

(Zuruf von der FDP: Das war der einzige Grund!)

Sie sind, Herr Bundesminister, ein Meister in diesem Fach. Deswegen muß Ihnen hier auch einmal gesagt werden, daß man auf diese Art und Weise mit der Landwirtschaft keine Politik machen sollte.

(Lebhafter Beifall bei der FDP.)

Zum zweiten. Mir geht es noch um etwas anderes. Ich bin der Meinung, daß wir uns als Abgeordnete bemühen sollten — das haben hier auch meine Kollegen schon gesagt —, sowohl im Bundestag als auch draußen in den Versammlungen und in den Berufsverbänden mit der gleichen Zunge zu sprechen.

(Zustimmung bei der FDP. — Abg. Logemann: Siehe Versammlung in Würzburg!)

Ich habe zu meiner großen Freude in der ersten Reihe der christlich-demokratischen Fraktion den Präsidenten Bauknecht sitzen sehen und sehe ihn noch dort sitzen. Ich sehe ein weiteres Mitglied des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes, den Kollegen Struve, der sich eifrig Notizen gemacht hat. Ich würde wünschen, daß Herr Struve den Widerspruch auflöst, der darin besteht, daß die beiden Herren, die maßgebend im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes tätig sind, dort praktisch die allgemeine Meinung des Bauernverbandspräsidenten Rehwinkel oder anderer Präsidenten unterstützt haben, nämlich daß die Verteilung nach der Fläche gehen soll, aber hier im Bundestag Initiatoren eines anderen Verteilungsmodus sind. Ich möchte jetzt



Schultz (Gaubischofsheim)

gern einmal wissen, was die beiden Herren dazu veranlaßt hat.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514619000
Ihr Wunsch, Herr Abgeordneter Schultz, geht bereits in Erfüllung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Struve.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0514619100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den nicht unmittelbar in der Landwirtschaft Tätigen ist es vielleicht am leichtesten, das Frage-und-Antwort-Spiel aus der Fragestunde nachzulesen, um zu begreifen, worum es bei dieser Verteilung der 560 Millionen DM geht. So nützlich Aktuelle Stunden sind, so groß ist jedoch im vorliegenden Fall die Gefahr, daß die nicht unmittelbar mit den landwirtschaftlichen Problemen befaßten Kollegen den Eindruck bekommen, als seien die Sorgen der deutschen Landwirtschaft auf die Verteilung dieser von Brüssel gegebenen Ausgleichsmittel konzentriert. Das ist nicht so.
Ich möchte Ihnen sagen, daß zwischen den beiden Koalitionsparteien schon Überlegungen angestellt worden sind, im Zusammenhang mit der Grünen Debatte eine ganztägige Agrardebatte zu erbitten, damit wit einmal für uns als Parlament, zum anderen aber auch für die deutsche Öffentlichkeit die Probleme ins rechte Licht rücken können, die sich aus den mehr als fünfzehnjährigen nachweisbaren Entwicklungstendenzen eines ungeheuren Strukturwandels in Verbindung mit der Umstellung der nationalen Agrarpolitik auf die EWG-Agrarpolitik ergeben; diese Darstellung halten wir für notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es handelt sich in der Tat um weit mehr als um wirtschaftliche und um finanzielle Probleme und auch um weit mehr als um einen Streit über eine gerechte Verteilung von Ausgleichsmitteln. Es ist eine politische Entscheidung gewesen, die EWG-Agrarmarktordnung um drei Jahre — von 1970 auf 1967 — vorzuziehen. Das Parlament hat bereits durch die Annahme des Finanzänderungsgesetzes die Vorschläge der Bundesregierung genehmigt, die aus diesem Anlaß im EWG-Anpassungsgesetz vorgesehenen Ausgleichsmittel von über 1 Milliarde DM ganz erheblich zu kürzen.
Die von Brüssel aufgestellten Berechnungsgrundlagen — sie bezogen sich auf 560 Millionen. DM — stimmten nicht mit den Vorstellungen überein, die damals im Bundesernährungsministerium vorhanden waren, wo man Beträge von 800 bis 900 Millionen DM berechnet hatte. Der für die Agrarpolitik zuständige Berufsverband, der Deutsche Bauernverband, hat bei seinen Berechnungen nachgewiesen, daß Ausgleichsmittel in einem Betrag von über 1 Milliarde DM notwendig sein würden, wenn man die direkten und indirekten Schäden einer Getreidepreissenkung ausgleichen wollte. Der Deutsche Bauernverband, Herr Kollege Schultz, ist bei seinen Überlegungen immer 'davon ausgegangen, daß nicht
nur 'die 560 Millionen, sondern mindestens der Betrag zur Verfügung stehen würde, der damals von dem zuständigen Bundesernährungsministerium ausgerechnet wurde; ich habe die letzte Zahl nicht genau in Erinnerung, aber ich meine, sie lag zwischen 800 und 900 Millionen DM.
Der Deutsche Bauernverband, Herr Kollege Schultz, stand und steht zu seinem Wort und zu seinen Beschlüssen. Aber er ist genauso eine demokratische Einrichtung wie jede Partei, und er nimmt nicht für sich in Anspruch, daß Regierungen und Parlamente das alles zu beschließen und zu befolgen haben, was er aus berufsständischer Sicht für richtig hält. Er hat deshalb gestern in seiner Sitzung erneut auf seinen Beschluß verwiesen, aber auch respektiert, 'daß die, Bundesregierung jetzt einen anderen Vorschlag gemacht hat, nämlich den, 460 Millionen DM nach dem bekannten und vom Bundesminister dargestellten Schlüssel zu verteilen. Er hat dann vier verschiedene Überlegungen angestellt, wie nun, nachdem leider nur 560 Millionen zur Verfügung stehen, vielleicht die 100 Millionen am gerechtesten zu verteilen wären. Dabei ist er einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, daß sich dann eine Verteilung auf 'die Futterbaubetriebe mit über 60% Grünlandanteil anbietet, und zwar mit der Begründung, die auch in diesem Hohen Hause eindeutig unwidersprochen geblieben ist: daß es sich hierbei nicht um Subventionen, um öffentliche Zuwendungen oder so etwas handelt, sondern um einen Erstattungsbetrag, der von Brüssel zugunsten 'derjenigen Landwirte kommt, die direkt und indirekt Nachteile durch die vorzeitige und für die Bundesrepublik starke Getreidepreissenkung gehabt haben.
Ich glaube, wenn wir in Ruhe diesen Gründen nachgehen, werden wir zu dem Ergebnis kommen, daß sich eine Verteilung nach der Fläche anbietet und daß man die Mittel individuell den am meisten Geschädigten zukommen lassen soll. Das wäre richtiger, als wenn man für gewisse Verbände oder für begrenzte Zweckbindungen Mittel zur Verfügung stellt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514619200
Herr Abgeordneter Struve, ich freue mich, daß Sie nach Ihrer schweren Erkrankung wieder in unserer Mitte gesprochen haben, und wünsche Ihnen weitere Genesung.

(Allseitiger Beifall.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0514619300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst etwas zur Wahrheit und Klarheit in der Agrarpolitik sagen. Es ist notwendig, daß wir uns in der Agrarpolitik bemühen, auch im Bundestag das zu sagen, was wir draußen vertreten. Es darf nicht mit zwei Zungen geredet werden.

(Beifall bei der FDP.)

Es hat keinen Sinn, draußen, wenn man über Agrarpolitik spricht, auf den Tisch zu hauen und hier in
Bonn Abstinenz zu üben. Das geht nicht. Sondern



Logemann
zur Wahrheit und Klarheit in der Agrarpolitik ge-
hört, daß ich auch hier meine Forderungen vertrete.
Das, was ich jetzt sagen will, ist an Herrn Bauer (Wasserburg) gerichtet. Herr Bauer (Wasserburg), wir haben durchaus den richtigen Verteilungsschlüssel, der bisher unbestritten war, .und zwar den Verteilungsschlüssel nach der Getreidefläche. Sie meinten die „Gießkanne" erwähnen zu müssen. Dazu darf ich sagen: wenn die deutsche Landwirtschaft infolge der allgemeinen Getreidepreissenkung nach dem Gießkannenprinzip geschädigt wird, dann kann sie auch durch ein Gießkannensystem — wenn man es so nennen will; ich nenne es nicht so — entschädigt werden. Auch das sollte man dazu sagen.

(Zuruf von der SPD: Sehr überzeugend!)

Zweitens, Herr Minister: Sie machen es sich wirklich zu billig, wenn Sie meinen, der FDP Wahlkampfmotive unterstellen zu müssen. Wir machen hier keinen Wahlkampf, sondern wir bemühen uns, eine verhängnisvolle Politik für die Landwirtschaft zu verhindern. Und verhängnisvoll war doch die Getreidepreispolitik der Großen Koalition. Sie waren nicht bereit, mit uns den Beschlüssen des Europäischen Parlaments zu folgen. Sie haben nicht die verlangte Anhebung der Getreidepreise bis zum letzten mit aller Sturheit — wie wir es verlangt haben — vertreten.

(Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Herr Logemann, hören Sie doch auf! Sie reden doch wider besseres Wissen!)

Jetzt geht es darum, zu versuchen, zumindest die 560 Millionen DM gerecht zu verteilen, damit die Getreidepreissenkung nicht noch größere Auswirkungen hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was heißt „gerecht"?)

Drittens: Ich bin durchaus bereit, auch für die Grünlandbetriebe Verständnis zu zeigen. Das hat die FDP-Fraktion bisher immer getan. Aber, Herr Minister, es ist doch so, daß die Disparität in den Grünlandbetrieben völlig andere Ursachen hat. Es geht hier in der Tat um zwei sehr verschiedene Probleme. Ich habe vorhin schon gesagt, daß die Disparität in den Grünlandbetrieben bereits vor der Getreidepreissenkung vorhanden war. Die Hauptsache der Disparität oder der vergrößerten Disparität in den Grünlandbetrieben ist, Herr Minister, doch darin zu suchen, daß man nach unserer Auffassung nicht alle Erzeugerpreischancen bei Rindern und Milch genutzt hat. Wie man das hätte tun können, lesen Sie am besten nach in den Reden Ihres Kollegen von Feury von der CSU; der sagt es immer ganz ausgezeichnet.
Ich bin weiterhin der Meinung, daß die Schwierigkeiten in den Grünlandbetrieben dadurch größer geworden sind, daß man im Haushalt gerade diejenigen Mittel so rigoros gekürzt hat, die sehr wohl zur Lastensenkung, z. B. zur Senkung der Wasserlasten, hätten dienen oder als Investitionshilfen oder Zinsverbilligungsmittel hätten wirken können. Dafür hatten wir einen Gegenantrag eingebracht,
der abgelehnt worden ist. Wir sind der Meinung, daß es — wenn Sie, Herr Minister, in Ihrem Etat einmal „Restetag" machten —, jetzt noch möglich wäre, Beträge zusammenzuholen, um auch den Grünlandbetrieben ein Entgegenkommen zu zeigen und eine Erleichterung zu bringen.
Letzter Punkt. Sie, Herr Minister, meinten wieder einmal sagen zu müssen, die „böse" FDP sei mit schuld, vor allem an der „leeren Kasse". Sie sollten das nicht immer wiederholen. Unser Finanzminister Dahlgrün hat vor einiger Zeit von diesem Pult aus sehr deutlich dargelegt, wie die finanzielle Entwicklung bis zum Herbst 1966 wirklich gewesen ist und wer vor allen Dingen an der Finanzmisere schuld war.
Ich darf dazu noch eines zum Schluß sagen, Herr Minister. Wir halten es für ungerecht — das möchte ich hier vor aller Öffentlichkeit erklären —, daß man ausgerechnet den Berufsstand, der in der Endphase des Gemeinsamen Marktes besondere Lasten zu tragen hat, mit 40 % aller Kürzungen, die erfolgt sind, besonders belastet. Gerade das muß doch zurückgewiesen werden.
Ein letztes Wort zur Finanzmisere, Herr Minister. Dazu möchte ich — wenn wir schon darüber reden wollen — sagen: Ich bin der Meinung, daß gerade die Landwirtschaft in all den Jahren maßgehalten hat, und ich möchte behaupten, ,daß wir, wenn in allen Berufszweigen so lange wie in der Landwirtschaft gearbeitet worden wäre, keine Finanzmisere gehabt hätten.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514619400
Das Wort hat 'der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0514619500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann leider die Ausführungen des Herrn Kollegen Logemann nicht in dieser Form im Raume stehenlassen. Ich darf mich punktuell seinen Behauptungen zuwenden. Er spricht zunächst von „Wahrheit und Klarheit" in der Agrarpolitik. Das hört sich so an, als ob er mit seinen Freunden hier die Wahrheit und Klarheit verträte und als ob das bei anderen nicht der Fall wäre. Sonst hätte eine solche Bemerkung doch gar keinen Sinn. Ich glaube nicht, daß das Hohe Haus eine solche Gegenüberstellung akzeptieren möchte. Ich für meine Person aber möchte das schon ganz und gar nicht.
Ich möchte gerne wissen, was draußen von der FDP zur Agrarpolitik gesagt wurde und fortgesetzt gesagt wird und was sie selber in der Agrarpolitik die ganzen Jahre hindurch mitzuverantworten hatte. Ob hier eine einwandfreie Deckung stattfindet, möchte ich sehr bezweifeln.

(Zurufe von der FDP.)

Aber ich will keine Archivforschung treiben. Wenn
ich nur davon ausgehe, daß sich die FDP jetzt von
vielen Dingen, die sie vor wenigen Monaten und



Bundesminister Höcherl
Jahren noch selbst mit entschieden hat, einfach absentiert, so kann ich mir vorstellen, was sich draußen alles abspielt.

(Weitere Zurufe von der FDP.)

Hier ist vom „richtigen Verteilungsschlüssel" gesprochen worden. Das war — damit will ich auch noch Herrn Schultz antworten — nicht nur eine meisterhafte Schlenkerbemerkung. Ich darf Sie auf folgendes aufmerksam machen. Hierzu gibt es wissenschaftliche Aussagen, das Professorengutachten und das Gutachten des Ifo-Instituts aus der jüngsten Zeit, die die Zusammenhänge eindeutig geklärt haben. Diese beiden Gutachten sind allen bekannt. Das eine ist für 'die EWG erstellt worden. Es hat, obwohl es sehr scharf angegriffen worden ist, in vielen Punkten bestätigt: Die Interdependenz der Agrarpreise ist eine gesicherte Erkenntnis, über die hier überhaupt nicht zu diskutieren ist. Das ist ein wissenschaftliches Ergebnis. Das Ifo-Institut hat vor wenigen Wochen in einer genauen Untersuchung gerade die Rindfleischpreise und die Schweinefleischpreise in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und Beeinflussung aus der jüngsten Zeit dargestellt. Auf einmal, wenn das nicht paßt, werden wissenschaftliche Gutachten beiseite gelegt; passen sie, werden sie in die Diskussion eingeführt.
Was die Frage eines richtigen Verteilungsschlüssels betrifft: Herr Kollege Logemann und die übrigen Sprecher der FDP, Sie haben keinen Bezug auf die ganz offensichtliche Behauptung genommen, daß die Verteilung nach der Fläche für Futtergetreide schon ein Abweichen von der direkten Entschädigung ist. Dem wird zwar auch von uns zugestimmt. Aber dem Prinzip nach und dem geistigen Gedanken nach ist das eine Abweichung — eine berechtigte —, die auch auf die Grünlandbetriebe, also die Futterbaubetriebe, erstreckt werden muß, weil auch dort mittelbarer Schaden aktuell eingetreten ist, während dier Schaden bei der getreideabhängigen Veredelung, von der Herr Struve gesprochen hat und der insgesamt einmal durchaus diese Summe erreichen wird, im ersten Jahr noch nicht in dieser Form nachgewiesen werden kann. Aber weil sich der Schaden einmal einstellen wird, waren wir der Meinung, wir sollten diesen Kreis mit einbeziehen. Es geht auch nicht um die Frage dier inneren Disparität insgesamt, sondern es geht um eine unmittelbare kausale Auswirkung eines Beschlusses auf der EWG-Ebene in diese Produktpreise hinein.
Was die Frage der leeren Kassen betrifft — Herr Kollege Logemann, ich wiederhole das nicht, um Ihnen und der Opposition einen Tort anzutun —: Es kann doch gar nicht bestritten werden, daß schon unter Ihrer Stabführung zweimal hintereinander durch Haushaltssicherungsgesetze das EWG-Anpassungsgesetz im Sanierungsprozeß für den Haushaltsausgleich eingeschränkt werden mußte wie 25 andere Gesetze.

(Zurufe von der FDP: Verschoben worden ist!)

— Sie haben es durchgesetzt — und jetzt sage ich
Ihnen etwas Ernstes —, daß in einer Hochkonjunktur, in einer Superkonjunktur Steuerentlastungen
von 3 Milliarden DM gegen jede Konjunkturpolitik durchgeführt wurden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das hat die Koalition damals gemacht. Das war letztlich ursächlich für die ungesunde Entwicklung der Finanzen. Lassen Sie sich das einmal gesagt sein!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich mußte das aus der Vergangenheit herausholen. Es ist halt schwierig, Opposition mit zwei Gesichtern zu treiben.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Aber daß muß einmal gesagt werden.


(Zurufe von der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514619600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0514619700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur zwei Bemerkungen mehr persönlicher Art zu machen.
Zunächst an Ihre Adresse, Herr Kollege Schultz. Ich muß Ihnen sagen, Sie sind einem völligen Irrtum zum Opfer gefallen, wenn Sie geglaubt haben, daß die Initiative zu der Verteilung der 560 Millionen DM, die das Bundeskabinett beschlossen hat, etwa von der CDU ausgegangen ist. Dieser Gedanke ist rein im Schoße der Regierung geboren worden. Das möchte ich hier feststellen.
Herr Kollege Logemann, Sie operieren hier in diesem Hause und auch draußen auf den Versammlungen mit der Behauptung, daß die Präsidenten der Bauernverbände doppelzüngig seien. Ich warte darauf, daß Sie dafür den Beweis antreten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe im Präsidium des Bauernverbandes bis gestern für die Verteilung der 560 Millionen DM nach dier Getreideanbaufläche gestimmt. Aber Sie haben gehört, wie der neue Vorschlag aussieht, nachdem die Regierung jetzt etwas anderes vorgelegt hat. Ich muß mich dagegen verwahren. Denn es gibt keinen schlimmeren Vorwurf für einen Abgeordneten als den der Doppelzüngigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514619800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sander.

Heinrich Sander (FDP):
Rede ID: ID0514619900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kommt in Versuchung, in der Art unseres — Gott sei Dank wieder genesenen — Kollegen Struve zu sprechen. Aber auf Grund Ihrer Ausführungen, Herr Minister, in denen Sie wieder einmal versucht haben, diese Probleme in einer sehr polemischen Art abzutun, muß ich Ihnen sagen, daß ich — nachdem ich Ihnen schon einmal gesagt habe, wie ernst die Situation der Landwirtschaft ist — nicht mehr gewillt bin, so etwas hinzunehmen. Mit dieser Art werden Sie in Zukunft in keiner Versammlung und in keiner Aussprache mehr bestehen;



Sander
das ist Ihnen ja nicht zuletzt aus den Erfahrungen mit meinen Niedersachsen bekannt.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, worum geht es? Es geht hier einzig und allein um die Verteilung der 560 Millionen DM. Die gesetzliche Bestimmung sagt ganz klar — das müßten Sie als Jurist wissen —, daß dieser Betrag den Getreidebauern zukommen soll, nicht indirekt, wie es jetzt beabsichtigt ist, auch den Grülandbauern. Sie, Herr Minister, müßten auch wissen, daß es viele Getreidebauern gibt, die nebenbei auch sehr viel Grünland haben, nicht zuletzt in den Gegenden, die strukturell nicht sehr begünstigt sind, und auch im Lande Niedersachsen sind mindestens etwa 50 % strukturell nicht begünstigt. Aber hier verlangen wir, daß das Geld den Getreidebauern gegeben wird.
Herr Präsident Bauknecht, Ihnen sind doch nun wirklich die Beschlüsse des Bauernverbandes bekannt, ebenso die Beschlüsse in den Landesverbänden. Ich meine, es wäre wirklich angebracht gewesen — das gilt auch für Sie, Herr Minister —, sich diese in tiefer Sorge um die Landwirtschaft gefaßten Beschlüsse des Berufsstandes zu eigen zu machen.
Sie haben wiederum versucht, hier wissenschaftliche Erkenntnisse vorzutragen. Ich glaube, hier sind Abgeordnete, die sich mit diesem Problem Tag für Tag in ihren Betrieben beschäftigen und die dankbar sind, daß sie mit Hilfe der Wissenschaft diese Erfolge in ihren Betrieben haben erzielen können. Nur ist heute auch der beste Betrieb nicht mehr in
der Lage, mit den Problemen fertig zu werden.

(Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

Wir sind die letzten, die Ihnen eine Zusammenarbeit verweigern würden. Ich habe Ihnen bei der letzten Debatte, als es um die Kartoffeln ging, gesagt, daß die FDP wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft jederzeit bereit ist, die Zusammenarbeit mit Ihnen zu pflegen.
Sie haben das Ifo-Institut zitiert. Gerade das IfoInstitut hat in seinen letzten Mitteilungen geäußert, es sei unverständlich, daß die Bundesregierung in dieser Frage eine solche Entscheidung getroffen hat. Von einem Wissenschaftler wissen Sie sehr genau, wie der Trend auf diesem Gebiet verläuft. Es gibt überhaupt kein Moment, das für eine andere Regelung 'spräche als die, dieses Geld den Getreidebauern zukommen zu lassen.
Ich will jetzt nicht näher auf die Art der Verteilung eingehen. Es ist beleidigend, daß bei einem Betrag über 500 DM von dem betreffenden Landwirt der Nachweis verlangt wird, daß dieses Geld wirklich für Investitionen verwandt wurde. Herr Minister, was soll das eigentlich? Glauben Sie, daß Sie der Landwirtschaft so etwas noch zumuten können? Das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit. Lassen Sie uns doch endlich einmal versuchen, die Probleme gemeinsam sehr klar anzusprechen und dann unserer Landwirtschaft die Wahrheit zu sagen!
Ich war erstaunt, daß in Hannover die CDU-SPDKoalition jetzt einen Entschließungsantrag beschlossen hat. Sie haben geantwortet. Ich habe das sehr
genau verstanden. Aber meinen Sie nicht auch, daß es hier wieder eine doppelte Enttäuschung gibt? Das ist doch wirklich eine Art Wahlmache oder Augenwischerei gegenüber der Landwirtschaft. Diesen Weg halte ich für falsch.
Gefreut habe ich mich — das sage ich ehrlich — über Ihre Ausführungen, Herr Kollege Schmidt.

(Zurufe von der Mitte.)

— O ja, ich bin gewohnt, die Dinge sehr nüchtern anzusprechen. Ich kenne auch genau Ihre innere Einstellung, und ich will hoffen, daß es Ihnen gelingt, diesen gerechten Anspruch der Landwirtschaft in der Koalition durchzusetzen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, in dieser Aktuellen Stunde sind die Probleme deutlich geworden. Ich will hoffen, daß diese Aussprache dazu beigetragen hat, daß es Ihnen, Herr Minister, im Kabinett und uns Parlamentariern hier im Hause gelingt, eine gerechte Entscheidung zu fällen.
Die Aussagen hier im Deutschen Bundestag und draußen sind doch oft sehr zweideutig. Glauben Sie mir bitte eines: Die Unruhe in der Landwirtschaft war noch nie 'so groß.
Es ist hier ein Vergleich zur Kohle gezogen worden. Da besteht jedoch ein Unterschied: Die Verschuldung der Landwirtschaft ist so groß, daß sie nicht nur barfuß in die EWG geht, sondern sehr bald erkennen muß, daß sie völlig barfuß ist und dann keine Rücklagen mehr hat, um mit den Schwierigkeiten, die auf sie zukommen, fertig zu werden.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514620000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Siemer.

Dr. J. Hermann Siemer (CDU):
Rede ID: ID0514620100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich deswegen noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich meine, daß es nicht richtig ist, wenn ein Kollege hier vor dem Hohen Hause davon spricht, andere Kollegen redeten mit zwei Zungen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Ich halte das auch aus folgendem Grunde für völlig untragbar. Wenn schon dieser Vorwurf erhoben wird, Herr Logemann, sollte man konkret sagen, was einem mißfällt. Dann können diejenigen, die es angeht, darauf antworten. Wenn Sie aber mit Ihrem Vorwurf meinen, daß innerhalb der Berufsverbände Forderungen aufgestellt werden — und man kann sie aufstellen —, die man dann im Parlament nicht verwirklichen kann, so muß ich Ihnen sagen: Das ist echte Demokratie. Ihr Berufsstand ist ja nicht allein in diesem Hohen Hause vertreten, vielmehr stehen andere Interessen Ihren Interessen wahrscheinlich öfters entgegen, und Sie müssen sich dann anpassen. Eine solche Anpassung kann aber nicht von Ihnen, Herr Logemann, mit dem Vorwurf bedacht werden, man rede mit zwei Zungen. Vor allem aber finde ich es wenig kollegial und auch dem Berufsstand nicht angemessen, wenn man das dann auch in der Öffentlichkeit verkündet, nur um damit Wählerstimmen zu



Dr. Siemer
fangen, wenn man der Bevölkerung sagt: Die Herren des Bauernverbandes reden im Bundestag anders als draußen. Das ist einfach nicht wahr.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die FDP tut jetzt, wo sie in der Opposition ist, immer so, als sei sie überhaupt die Hüterin der landwirtschaftlichen Interessen. Sie wissen zu genau, meine Herren von der FDP, daß gerade in den Jahren der Hochkonjunktur, 1964/65, als Sie das Steueränderungsgesetz, welches der deutschen Wirtschaft Steuervergünstigungen in Höhe von 3 Milliarden DM einbrachte, mit beschlossen haben, mein Kollege Hermann Glüsing hier im Hohen Hause drei Anfragen gestellt hat. Er fragte — ich habe das genau in Erinnerung — den Herrn Finanzminister erstens: Sind Sie in der Lage — ich zitiere das jetzt aus dem Gedächtnis, weil ich den Text nicht vorliegen habe —, den Zuckerrübenpreis von 6,50 DM auf 6,75 DM — glaube ich — anzuheben?

(Zuruf von der CDU/CSU: Durch Ermäßigung der Zuckersteuer!)

— Die Zuckersteuer stand dann im Hintergrund. Die zweite Frage lautete: Sind Sie nicht in der Lage, der deutschen Landwirtschaft denselben Dieselkraftstoffpreis von 18 Pf zu bewilligen, den man auch in den übrigen EWG-Ländern bewilligt hat? Die dritte Frage lautete: Sind Sie nicht in der Lage, der deutschen Landwirtschaft, der es ja nicht gut geht, in dieser Hochkonjunktur einen entsprechenden Lastenausgleichserlaß zu geben? Auf alle drei Fragen hat der damalige FDP-Finanzminister geantwortet: Nein, ich habe kein Geld.

(Zuruf von der FDP: Wer war denn Bundeskanzler?)

Wohl aber hatten wir das Geld — ich darf das doch einmal sagen —, um durch das Zweite Steueränderungsgesetz einen Steuernachlaß von 3 Milliarden DM zu bewilligen.

(Zurufe von der FDP: Das ist doch einstimmig, auch mit Ihrer Zustimmung, beschlossen worden!)

Wo blieben da die Kollegen aus der FDP, die sich heute so sehr einsetzen, die landwirtschaftlichen Interessen zu vertreten?
Meine Damen und Herren! Ich halte die Auseinandersetzung um die 560 Millionen DM, die heute den Kernpunkt der Auseinandersetzung bilden, deswegen für beschämend, weil viele andere große Probleme vor uns liegen. Da könnte die Opposition wirklich ihr Können zeigen und Vorschläge machen. Das tut sie nicht. Ich muß darauf hinweisen, meine Herren von der FDP, daß gerade in diesem Jahr der Herrgott uns eine Ernte geschenkt hat, die genau 21,8% höher ist als im Durchschnitt der Jahre 1960 bis 1965. Das Mehr, das in diesem Jahr infolge der guten Ernte erzielt worden ist, beträgt das Doppelte des Entschädigungsbetrages von 560 Millionen DM, den Sie von Brüssel her bekommen sollen. Wenn man das unterstellt — und das ist der Tatbestand! —, kann man doch nicht, wie Sie, Herr Sander, es getan haben, von einem „unerhörten
Druck" innerhalb der Getreidewirtschaft sprechen. Sie hatte dieses Jahr eine wunderbare Ernte, und der Staat nimmt die Ernte ab. Das ist etwas ganz anderes als auf anderen Gebieten, z. B. im Gemüse-und Obstbau. Wenn dort eine reiche Ernte ist, müssen Sie bei gesunkenen Preisen versuchen, fertigzuwerden. Beim Getreide haben Sie den festen Satz.
Darum meine ich, die Verteilung an die Grünlandwirtschaft — die hinsichtlich ihrer Einkommensverhältnisse in den Grünen Berichten immer an unterstier Stelle steht — ist richtig und wohlabgewogen. Auch ich bin der Meinung, Herr Kollege Dr. Schmidt von der SPD, daß doch eine Interdependenz zwischen Eckpreis Getreide und Rindviehpreisen besteht. Warum? Weil nachgewiesermaßen bei einem gesunkenen Getreidepreis und einem Zusammenbrechen des Schweinefleischpreises durch die Verbilligung und das Massenangebot auch der Rindfleischpreis beeinträchtigt wird. Das ist nun einmal die direkte Interdependenz am Markt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514620200
Herr Abgeordneter, ich muß Sie leider bitten, zum Schluß zu kommen.

Dr. J. Hermann Siemer (CDU):
Rede ID: ID0514620300
So ist es leider. Wenn man spricht, dann paßt man nicht auf und kann das Letzte nicht mehr sagen. — Ich wollte abschließend folgendes feststellen — und damit will ich schließen —: Wenn die FDP wirklich für die Landwirtschaft und nicht aus Werbegründen ihre Opposition betreibt, dann muß sie uns sagen, wie sie es besser machen will.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Anhaltende lebhafte Zurufe von der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514620400
Meine Herren, das ist ja wie in den Anfangszeiten des Bundestages, wie in unseren besten, stürmischsten Zeiten von ehedem!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dahlgrün.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0514620500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem .ehemaligen Bundesminister der Finanzen sei es gestattet, zum landwirtschaftlichen Teil nur zu sagen, daß die Grüne Front quer durch alle ,drei Fraktionen .dieses Hohen Hauses seine Vorschläge als zu weitgehend abgelehnt hat. Auch ,die eigene Fraktion hat eine andere Auffassung gehabt als der Bundesfinanzminister.
Ich bin aus einem anderen Grunde hier heraufgegangen. Es ist wirklich ein starkes Stück, daß Herr Kollege Höcherl, der die Maßnahmen im Steueränderungsgesetz 1964 mitbeschlossen hat, sie heute kritisiert und daß die Fraktion der CDU/CSU seinen Ausführungen und den entsprechenden Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Siemer auch noch Beifall spendet.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der FDP: Unwissenheit oder Gedächtnisschwäche?)




Dr. Dahlgrün
Dieses Haus hat damals unter Ablehnung, wenn ich mich recht erinnere, sogar noch weiter gehender Anträge der SPD und der FDP 'die Steuersenkung einstimmig beschlossen.

(Hört! Hört! bei der FDP.)

Wir haben bewußt in der Hochkonjunktur diese Maßnahme damals durchgeführt; Sie alle!

(Zuruf.)

— Sie war nicht falsch, weil die Beseitigung des Mittelstandsbogens ein jahrelanges Problem für 'den Mittelstand aus der Welt geschafft hat.

(Sehr richtig! bei der FDP.) Das war absolut erforderlich.


(Beifall bei der FDP.)

Darf ich Ihnen heute rückschauend auch noch sagen, daß Sie jetzt in der Talfahrt niemals die Ergänzungsabgabe auf den Mittelstandsbogen drauf hätten beschließen können. Erst die Abflachung der Steuerkurve bei den kleinen und mittleren Einkommen hat eine derartige Maßnahme, die nach Meinung der Regierung notwendig war, überhaupt möglich gemacht. Und, meine Damen und Herren, wir wollen alle doch einmal heute, wo wir mit anderen Problemen ringen, an die damalige Zeit denken! Damals hatten wir Konjunkturhitze, 'das Geld wurde mit vollen Händen von diesem Parlament ausgegeben, und 'die 3 Milliarden wären auch ausgegeben worden, sich kumulierend. Das war ja das Schlimme. Wenn man 3 Milliarden in die Nordsee geworfen hätte, dann wären sie weg gewesen. Aber es wurden ja immer Ausgaben beschlossen, die sich jedes Jahr steigerten, und wenn dieses Geld auch noch unter Belastung des Mittelstandes in die Kassen gekommen wäre, dann hätte die Bundesbank viel früher bremsen müssen, und die Talfahrt mit allem, was dazugehört, hätte noch früher begonnen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514620600
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer (Wasserburg).

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0514620700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich eigentlich nur zu zwei Fragen gemeldet. Die eine, die Frage der Interdependenz, ist, glaube ich, in der Zwischenzeit genügend besprochen worden, und wir werden vielleicht auch noch Gelegenheit haben, uns im Fachausschuß darüber zu unterhalten. Das ist eigentlich der Teil dieser Debatte, der mir am besten gefällt, denn er bewegt sich im sachlichen Bereich. Anders ist es bei dem, was sich hinterher hier abgespielt hat, wo ein bißchen die Qualitäten des einen oder anderen unserer Kollegen oder gar ides Ministers angesprochen wurden; dazu möchte ich Ihnen auch noch etwas sagen. Wenn hier in der Debatte von Doppelzüngigkeit die Rede war oder von „Wahrheit und Klarheit", wie so sehr betont wird, dann sage ich Ihnen mit Bestimmtheit, daß Sie damit vielleicht in einer reinen Bauernversammlung draußen Parteipropaganda machen können; ob Sie aber der Sache der deutschen Landwirtschaft in den übrigen Kreisen unserer Bevölkerung damit wirklich einen Dienst erwiesen haben, das möchte ich mit Fug und Recht bezweifeln.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, man kann dem Ressortminister vielleicht alles vorhalten, nur eines nicht: daß er nicht den Mut gehabt habe, seine für richtig erkannte Politik auf allen Ebenen, auch auf Bauernverbandsversammlungen — und nicht immer gerade zu seinem Vergnügen — zu vertreten, sich zu stellen und sich in der Debatte dort auch mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist etwas, meine sehr verehrten Herren von der FDP, was wir in der Vergangenheit nicht oft erlebt haben.

(Lebhafte Zurufe bei der FDP.)

Deshalb sollte man das anerkennen, und Sie als Superdemokraten, als die Sie sich manchmal geben, sollten eigentlich sehr zufrieden darüber sein, daß Sie einen solchen Ressortminister auf diesem Gebiet haben. Ich bin der Meinung, daß dieser Minister unseren Respekt verdient, denselben Respekt, den er sich in der Zwischenzeit, wie ich weiß und wie Sie genauso wissen, auf der Ebene der Brüsseler Verhandlungen erarbeitet hat. Den bekommt man ja nicht von selbst.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf doch einmal darauf verweisen, daß es dieser Minister immerhin fertig gebracht hat, in einigen fast ausweglosen Situationen das Blatt zugunsten des bäuerlichen Berufsstandes zu wenden. Ich darf schließlich und endlich auch auf die Arbeit dieser Koalition und auf den Einfluß, den er in diesem Kabinett ausübt, verweisen. Ich brauche nur das Stichwort Mehrwertsteuer beim Getreide zu nennen, dann wissen Sie, was ich z. B. damit meine. Das alles abzuwerten, indem man unbewiesen von Zwiespältigkeit und Reden mit zwei Zungen spricht, — ich muß Ihnen sagen: das fällt auf Sie zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist offensichtlich der politische Stil, mit dem Sie hier Opposition machen wollen. Wenn Sie so weitermachen, dann allerdings prophezeihe ich Ihnen, daß die Stunde kommen wird, wo die rechte Seite in diesem Hause nicht mehr vertreten sein wird.

(Lebhafte Zurufe von der FDP.)

Ich sage Ihnen noch einmal: wir führen diese Debatte und haben sie gern mit Ihnen geführt, weil es, wie gesagt, ein sachlich stark umstrittenes Problem war, wie man den besten Weg geht. Ich bin froh, daß wir jetzt die Entscheidung haben. Ich kann die Bundesregierung nur auffordern und ermuntern, nunmehr schnell zu handeln. Darauf wartet unser Berufsstand, darauf hat er einen Anspruch.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514620800
Herr Abgeordneter Ertl, eine Frage: Haben Sie schon das Wort gehabt in dieser Aktuellen Stunde?

(Zurufe.)




Präsident D. Dr. Gerstenmaier
— Meine Damen und Herren, darüber muß ich mir noch — —

(Lebhafte Zurufe von der FDP.)

— Lassen Sie mich bitte ausreden. Ich gebe Ihnen das Wort aus folgendem Grunde. Ich habe auf meiner Liste nicht gesehen, daß der Herr Abgeordnete Bauer (Wasserburg) das Wort schon einmal gehabt hat. Es gibt in der Geschäftsordnung keine präzise Vorschrift, die das völlig unmöglich macht. Aber der Satz, daß der einzelne Redner nicht länger als fünf Minuten sprechen dürfe, impliziert eigentlich, daß er das Wort nur einmal für fünf Minuten haben kann. Aber darüber will ich jetzt nicht nachdenken. Ich sage das nur, damit sich das Haus darüber im klaren ist, daß wir damit heute kein Präjudiz geschaffen haben. Das muß weiter geklärt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514620900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Herrn Präsidenten für sein wohlwollendes Entgegenkommen an 'die Opposition sehr 'danken.
Wenn ich die Redner der Koalition in ,dieser Aktuellen Stunde verfolge, kann ich nur sagen: Höcherl der beste. Ich frage mich nur, was es bedeuten soll, wenn ich die landwirtschaftlichen Wochenblätter lese, die Organe des Bauernverbandes sind. Beispielsweise steht zu Neujahr im bayrischen Wochenblatt: Das kommende Jahr kann große Auseinandersetzungen bringen; die Unzufriedenheit der Bauern mit der Agrarpolitik war noch nie so groß wie jetzt. Ich frage mich, wie das alles kommt. Oder ist das auch wiederum alles folgerichtig, klare Konzeption, alles Übereinstimmung? Nein, meine Herren! Sie haben sich hier beschwert, weil wir sagen, draußen werde ein wenig oder sogar sehr viel anders geredet als hier. Ich bin bereit — wir müßten uns nur hinsetzen —, meine Zitatensammlung zu vervollständigen. Ich darf hier einmal einiges verlesen. Im Agrareurop steht wiederum eine Äußerung des Kollegen Brese, daß die Kollegen der CDU/CSU „nachträglich gebilligt" haben und dergleichen mehr. Wir hören dagegen: Das Parlament wird erst gefragt. Bis gestern haben wir eine Meinung des Präsidiums des Bauernverbandes gehabt und eine Meinung der Landespräsidien der Bauernverbände. Hier sagt man aber, es sei alles in Übereinstimmung. Meines Herren, so geht es nicht. Sie können sagen, Sie seien gezwungen, das zu ändern. Dafür hätten wir Verständnis. Aber Sie können nicht sagen, Sie hätten es so gewollt. Sie können auch nicht sagen, Sie hätten dabei Wort gehalten. Dann müssen Sie sagen: Unser Wort haben wir nicht gehalten.

(Beifall bei der FDP.)

Das ist ehrlich. Das haben wir mit Ehrlichkeit, Klarheit und Wahrheit gemeint. Das sollte in einem Parlament, wo die größte Fraktion außerdem noch das Prädikat „christlich" für sich 'beansprucht, eigentlich selbstverständlich sein. Geben Sie zu, daß Sie Ihre Zusage nicht halten können!
Nun noch einige Bemerkungen zur Solidarität. Wir unterstreichen, daß es notwendig ist, Solidarität zu üben. Es gibt keine Agrarpolitik für Futterbaubetriebe, keine für Getreidebaubetriebe, es gibt auch keine Agrarpolitik für die Kleinen und keine für die Großen. Es gibt nur eine Agrarpolitik, und wenn sie richtig ist, dann nutzt sie den Kleinen wie den Großen, den Grünland- und auch den Getreidebaubetrieben.
Im Mittelpunkt dieser Agrarpolitik, verehrter Herr Kollege Bauer, steht natürlich die Preispolitik. Dazu haben wir auch in der Koalition 'immer zum Teil andere Auffassungen gehabt als die damalige Opposition und ein Teil Ihrer Fraktion. Unter uns wäre der Getreidepreis nicht gesenkt worden. Aber dann kamen 'die 'dramatischen Verhandlungen mit ,dem berühmten Kanzler. Machen Sie es sich nicht gar so einfach! Die SPD muß schließlich zuerst einmal ein wenig darunter leiden. Sie in der CDU sind die Glücksvögel. Solange wir bei Ihnen waren, haben Sie gesagt, wir hätten einen guten Tag gehabt und der Finanzminister habe den Säckel gehabt. Dabei haben Sie aber unterschlagen, daß der Bundeskanzler der Vorsitzende der CDU war. Jetzt sagen Sie: Wir sind ganz gut, und Höcherl ist der beste, aber Schiller ist der böse Mann. Ich weiß, den Sozialdemokraten paßt das nicht ganz so, wenn sie es draußen hören; denn das geht ihnen ganz scharf in die Kehle. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das versteht Ihr taktisch ganz geschickt! Aber eines muß ich sagen: für die Wirtschafts-, Finanz- und Agrarpolitik trägt in der Mehrheit diese CDU mit ihren ganzen Kanzlern die Verantwortung, und für die europäische Entwicklung und für ,die Opferparole trägt primär und allein die CDU die Verantwortung.

(Beifall bei der FDP.)

Sie haben von dem Opfer gesprochen, das wir bringen wollen. Sie haben der Landwirtschaft verschwiegen, ,daß sie selbst das Opferlamm ist. Das gehört auch zur Klarheit und Wahrheit. Wenn es darauf ankommt, sage ich das hier sehr laut und deutlich. Es tut uns leid.
Noch ein Drittes. Es wurde über Kürzungen gesprochen. Wir sind nach wie vor der Meinung —die Kollegen der CDU/CSU sind hier wieder mit uns einer Meinung —, wenn man die Reste ein-mal zusammensammeln würde — und hierher gehört die Frage einer eventuellen Änderung des § 6 der Haushaltsordnung; der Herr Finanzminister sollte sich darüber einmal im Ernährungsausschuß äußern — und diese dann so verteilen würde, wie die FDP es vorgeschlagen hat, für ,die Futterbaubetriebe, für den Wirtschaftswegebau und dergl., machen Sie eine 'großartige Solidaritätsübung. Dann werden .die Getreidebauern nicht um Ihr Wort betrogen, und die Futterbaubetriebe kommen nicht zu kurz. Das ist die Politik, die ,die FDP verfolgt.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514621000
Die Aktuelle Stunde ist zu Ende. Bevor ich den Punkt 2 der Tagesordnung aufrufe, möchte ich die Glückwünsche



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
des Hauses zu Geburtstagen aussprechen. Frau Kollegin Dr. Kuchtner hatte am 20. Dezember Geburtstag.

(Beifall.)

Ich beglückwünsche den Herrn Abgeordneten Dr. Sinn zum 65. Geburtstag am 21. Dezember,

(Beifall)

den Herrn Abgeordneten Brese zum 71. Geburtstag am 28. Dezember,

(Beifall)

den Herrn Abgeordneten Rock zum 60. Geburtstag am 7. Januar,

(Beifall)

den Herrn Abgeordneten Meister zum 65. Geburtstag °am 9. Januar,

(Beifall)

und am 11. Januar 1968 hat der Herr Abgeordnete
Müller (Ravensburg) seinen 71. Geburtstag gefeiert.

(Beifall.)

Wenn ich das so herunterlese, sehe ich, daß wir alle älter werden, sogar die Jüngsten.

(Heiterkeit.)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Große Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroeder (Detmold), Dr. Jungmann, Adorno-und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland
— Drucksachen V/1198, V/2441 —
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort zur Begründung der Großen Anfrage erteile, mache ich darauf aufmerksam, daß diese Große Anfrage noch nach dem alten Ritus oder Stil eingebracht worden ist. Deshalb müssen wir hier das Wort zur Begründung geben, und auch die Regierung, die schon eine schriftliche Antwort vorgelegt hat, wird das Wort zu einer kurzen Ergänzung nehmen. Ich hoffe, daß wir hier dann binnen kurzem das neue Verfahren anwenden können, über das wir uns im Plenum ja schon geeinigt haben. Aber jetzt verfahren wir zunächst noch nach dem alten Stil.
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage gebe ich dem Herrn Abgeordneten Kühn (Hildesheim) .

Friedrich Kühn (CDU):
Rede ID: ID0514621100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als meine Freunde und ich mit Unterstützung unserer Fraktion am 7. Dezember 1966 die Große Anfrage über die Situation der Kinder in der Bundesrepublik einbrachten, konnten wir nicht voraussehen, daß die Antwort darauf erst über ein Jahr später erteilt werden würde. Diese Feststellung bedeutet keine Kritik an der Arbeit des Ministeriums. Im Gegenteil; ich glaube, die Materialsammlung, die uns vom Bundesminister für Familie und Jugend zu der Großen Anfrage in der Drucksache V/2441 vorgelegt worden ist, verdient unsere Anerkennung und unseren
Dank, wenn wir berücksichtigen, welche Fülle von Aufgaben der Minister und sein Haus angesichts der vielfältigen Zersplitterung der Zuständigkeiten und der Schwierigkeiten der Feststellungen zur Beantwortung der einzelnen Fragen zu erledigen hatten. Herr Minister, ich möchte Ihnen und ihrem Hause dafür ausdrücklich danken.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Damals ist die Frage gestellt worden: Was bezweckt diese Große Anfrage? Sie werden sich erinnern, daß in der Presse damals vielfach die Meinung vertreten wurde, die CDU/CSU-Fraktion habe beabsichtigt, eine neue Enquete, eine Kinderenquete, zu initiieren. Das, meine Damen und Herren, war nicht unsere Absicht. Wir waren nicht der Meinung, daß wir eine sehr langandauernde Untersuchung über das anstellen müßten, was an vielen Stellen über die Situation der Kinder zusammengetragen wurde und an Erfahrungen vorliegt, daß das gesichtet und untersucht werden müßte, sondern wir waren der Auffassung, daß wir das, was ist, endlich einmal klar dargestellt bekommen müssen, um daraus die Konsequenzen zu ziehen, was zu tun notwendig ist.
Uns lag auch nicht daran, hier etwa die Vorarbeiten für Gesetzesvorlagen zu leisten, nach denen die Verantwortung der Eltern für die Erziehung womöglich auf den Gesetzgeber und die Regierung hätte übertragen werden sollen. Die Erziehung muß auch in der Zukunft an erster Stelle die Aufgabe der Eltern sein. Aufgabe des Gesetzgebers kann es nur sein, aufmerksam zu beobachten, wo Schwierigkeiten auftreten, wo Hilfestellungen notwendig sind. Denn, meine Damen und Herren, darüber sind wir uns alle einig: in dieser so schwierig, so differenziert und so unübersichtlich gewordenen Welt wird die Situation für den einzelnen immer unüberschaubarer. Es wird sicherlich notwendig werden, daß hier Hilfen auf den verschiedenen Ebenen gegeben werden, von denen wir hier sprechen.
Lassen Sie mich noch einmal deutlich unterstreichen: Das Ziel unserer Großen Anfrage war, deutlich zu machen, daß Erziehung in erster Linie Aufgabe der Familie ist. Es ist Aufgabe der Gesellschaft, dort, wo die Familie in Schwierigkeiten gerät, bei der Erfüllung dieser Aufgabe eine Hilfestellung zu leisten. Wir meinen nicht etwa das müsse aus irgendwelchen emotionalen Gründen gemacht werden — bei der Christlich-Demokratischen Union versucht man ja immer leicht, so etwas zu unterstellen, meine Damen und Herren —, sondern wir meinen, daß das, was wir an Mitteln in die Erziehung und in die Ausbildung unserer Kinder stecken, die beste und zukunftsträchtigste Investition ist, die wir überhaupt vornehmen können, und daß es deswegen eine ganz schlechte Übung wäre, auf diesem Gebiet etwa zu knausern.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Das bedeutet aber, meine Damen und Herren, daß wir uns nun auch einmal darüber unterhalten müssen, wie es auf den verschiedenen Gebieten ist. Wir



Kühn (Hildesheim)

haben in der Materialsammlung der Drucksache V/2441 eine ausführliche Darstellung zu den einzelnen Fragen bekommen. Diese Fragen richten sich, wie es in der Natur der Sache liegt — wir haben einen Jugendbericht, und wir konnten in der Anfrage nur darauf abzielen —, auf das, was mit unseren Kindern vor dem Eintritt in das Jugendalter eigentlich geschieht, wie die Erziehung und die Entwicklung verläuft. Eine noch so gut betriebene Jugendpolitik und eine noch so zielstrebig betriebene Maßnahme würden im Leeren verpuffen, wenn nicht zuvor auch das geordnet wäre, was bei der Erziehung bis zum Heranreifen in das Jugendalter geschieht.
Hier haben wir ganz konsequent begonnen, zunächst danach zu fragen: Wie sieht es mit den Spielplätzen aus? Wie Sie wissen, steht diese Frage in unmittelbarem Zusammenhang mit den Haltungsschäden, aber auch mit der Sicherung der Kinder gegen Unfälle und gegen den vielfach beklagten Mißbrauch. Wir haben geglaubt, hier einmal eine Feststellung treffen zu müssen. Man muß an dieser Stelle einmal darauf hinweisen, daß eine rein schematische Aussage über die Anzahl der Kinderspielplätze nicht genügt. Man muß differenzieren. Das, was an Kinderspielplätzen eingerichtet ist, erfüllt seinen Zweck und ist zweckmäßig für das frühe Jugendalter. Aber diese Kinderspielplätze werden vielfach für die weitere Entwicklung, etwa der Schulkinder, als sogenannte Rangelplätze — andere nennen sie „Bolzplätze"; dort wird nach unserem alten Fachausdruck „gebolzt", also Fußball gespielt, dort werden die Kräfte gemessen — mit benutzt, was dazu führt, daß die 'einen die anderen behindern. Das sollte man in die Überlegungen einbeziehen.
Wir haben ferner die Frage der Wohnraumversorgung der Familien aufgeworfen. Es muß sichergestellt werden, daß die Kinder für ihre Entwicklung einen Raum bekommen, wo sie in Ruhe ihre Arbeiten und ihre Spiele betreiben können und wo sie lernen, Ordnung in ihre eigenen Sachen zu bringen. Diese Frage ist beim sozialen Wohnungsbau nicht immer genügend berücksichtigt worden, weil schnell der notwendige Wohnraum beschafft werden mußte. Damit hängt wiederum die Frage des ganzen Verhältnisses innerhalb der Familien zusammen. Wie soll ein gesundes Verhältnis innerhalb der Familie entstehen, wenn schon aus räumlichen Gründen Schwierigkeiten vorhanden sind.
Wir haben weiter nach der Geschlechtserziehung gefragt. Sie ist 'in erster Linie eine Aufgabe 'der Familien. Wir glauben nicht, daß das auf alle möglichen anderen Stellen übertragen werden sollte. Alle diese Fragen werden wir sicherlich noch im einzelnen diskutieren. Ich will jetzt nur auf 'die einzelnen Punkte hinweisen.
Damit komme ich zu den 'beiden Schwerpunkten, die wir in unserer Anfrage gesetzt haben: erstens die Frage der Förderung des behinderten Kindes und zweitens die Frage 'der Unterbringung in Dauerkinderheimen. Es ist sehr dankenswert, daß sich in den letzten Jahren viele Einzelpersonen und viele Organisationen, auch die großen Meinungsbildner,
insbesondere das Fernsehen, der Problematik der Förderung ides behinderten Kindes in steigendem Maße angenommen haben. Eine Zusammenfassung der Bemühungen scheint mir aber notwendig zu sein. Man sollte einmal überlegen und nachprüfen, ob alles das, was an den einzelnen Orten geschieht, auch dem Zweck entspricht und den Erfolg verbürgt. Vielfach ist doch festzustellen, daß hier oder dort ein Volksschulgebäude nicht mehr als ausreichend empfunden und dann mit wenigen Mitteln in eine Tagesstätte für behinderte Kinder umgewandelt wird. Das entspricht nicht der Aufgabe, die uns gestellt ist. Wir werden uns damit bei der Novellierung des Sozialhilfegesetzes zu beschäftigen haben, weil 'die Frage der Meldepflicht in irgendeiner Form einer Lösung zugeführt werden muß.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wenn 'die behinderten Kinder zur rechten Zeit eine fördernde Ausbildung und Schulung bekommen, können sie zu einem sehr hohen Prozentsatz dazu gebracht werden, sich später im Leben zu behaupten und ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen. Hier stellt sich eine sozialpolitische Aufgabe allerhöchsten Ranges; denn wenn Sozialpolitik überhaupt richtig verstanden wird, kann sie doch nur so betrieben werden, daß sie den einzelnen in die Lage versetzt, für sich selber zu sorgen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dazu ist hier eine gute Möglichkeit gegeben, und darauf sollten wir unser Augenmerk richten. Wir müssen dabei auch beachten, daß man nicht schlechthin behindertes Kind gleich behindertem Kind setzen kann, sondern ,daß man hier differenzieren muß. Man muß sehr sorgfältig unterscheiden, wie das einzelne Kind angefaßt werden kann.
Zur Frage der Dauerkinderheime darf ich nur das eine sagen: Ich fürchte, daß wir durch manche Presseveröffentlichungen ein bißchen das Gefühl bekommen haben, als ob sich die Mißhandlungen von Kindern in der Bundesrepublik in ungeahntem Maße ausbreiteten. Ich bin sehr glücklich, hier feststellen zu können, daß das ein Irrtum ist. Ich glaube, wir sollten die Presse auch bitten, bei Berichten über solche Fälle mit etwas mehr Delikatesse vorzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir mußten uns vor einiger Zeit hier in der Fragestunde darüber unterhalten, ob es richtig ist — und ich habe mir das bestätigen lassen müssen —, daß ein Filmtitel über das Leben des Kindermörders Bartsch eingetragen worden ist. So etwas, meine Damen und Herren, ist das Höchstmaß an Geschmacklosigkeit, das ich mir vorstellen kann.

(Beifall bei den 'Regierungsparteien.)

Wenn wir da schon keine rechtlichen Möglichkeiten haben, vom Parlament aus einzugreifen, dann sollten wir doch alle Verantwortlichen darauf hinweisen, welche Gefahr darin steckt, eine falsche Heroisierung solcher Figuren vorzunehmen. So etwas kann auf labile Naturen verheerend wirken.
Dieses Problem steht natürlich mit hinter der Frage nach der Unterbringung in Dauerkinderhei-



Kühn (Hildesheim)

men. Auch hier wird man nicht generell sagen können: es muß so und so gehandelt werden. Ich glaube, daß Herr Kollege Dr. Martin nachher dazu noch etwas sagen wird. Ich will nur das Problem als solches herausstellen.
Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen. Die lange Behandlung der Anfrage bis zur heutigen Beantwortung hat gezeigt, was denjenigen, die sich mit diesen Fragen laufend zu beschäftigen haben, schon deutlich war: Die Zersplitterung der Zuständigkeit hat ein Maß angenommen, das geeignet ist, eine schnelle und wirksame Hilfe im Einzelfall zu hemmen.

(Abg. Spitzmüller: Sehr richtig!)

Wir haben daher eine Entschließung vorbereitet, die wir — das heißt die beiden Koalitionsfraktionen — am Ende dieser Debatte einbringen werden. Ich bin glücklich darüber, daß — wie sich schon bei der Jugenddebatte herausgestellt hat — über dieses Thema in diesem Hause keine unterschiedlichen Meinungen bestehen. Der von uns eingebrachte Entschließungsantrag zielt darauf ab, hier einen Wan- del zu schaffen. Es soll eine Anlaufstelle geschaffen werden, an die sich alle wenden können. Damit soll in Zukunft eine bessere, schnellere und sachgemäßere Auskunftsmöglichkeit gegeben sein.
Ich habe vorgetragen, was der Sinn der Großen Anfrage ist, die wir gestellt haben. Wir warten auf Ihre Antwort, Herr Minister. Wir werden glücklich sein, wenn wir in einer möglichst konzentriert geführten Debatte die eine oder andere Frage noch erörtern können.

(Beifall.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514621200
Sie haben die Begründung dieser Großen Anfrage gehört. Ich gebe das Wort in der allgemeinen Aussprache dem Herrn Abgeordneten Hauck.

(Zurufe: Antwort des Ministers!)

— Verzeihen Sie, Herr Minister. Ich hatte angenommen, daß Sie sich auf die schriftliche Beantwortung beziehen. Sie wollen sie mündlich noch ergänzen? — Ich -bitte um Nachsicht. Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familie und Jugend.

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0514621300
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Bevor ich die acht Fragen, welche die Große Anfrage über die Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland enthält, im einzelnen beantworte, möchte ich einiges vorweg bemerken. Die Anfrage betrifft überwiegend Sachbereiche, für welche .die Länder zuständig sind. Die Bundesregierung war deswegen für diese Antwort weitgehend auf Informationen angewiesen, die von den Ländern zur Verfügung gestellt worden sind. Das gilt auch für die Tätigkeit der freien Träger, die, wie Sie wissen, sich dafür maßgeblich in die Verantwortung mit den staatlichen Stellen teilen. Das ist der Grund dafür, daß diese Große Anfrage nicht fristgerecht beantwortet werden konnte.
Auch ist vieles statistisch nicht erfaßbar bzw. nicht erfaßt, vieles auch nur teilweise und dann unter verschiedenen Gesichtspunkten. Für die Antwort auf die acht Einzelfragen der Großen Anfrage hätte sich die Form eines Schriftlichen Berichts besser geeignet. Um dem Hohen Hause eine umfangreiche Vorlesung zu ersparen, habe ich Ihnen, meine Damen und Herren, einen ausführlichen Text mit Materialien vorlegen lassen. Ich möchte mich hier darauf beschränken, Ihnen das Wesentliche mündlich vorzutragen. Ich bin dafür dankbar, daß ,der Ältestenrat diesem Verfahren, wie ich meine, sowohl in meinem Interesse wie auch im Interesse des Hohen Hauses zugestimmt hat.
Die Bundesregierung hat sich bemüht, die Fragen so zu beantworten, wie sie gestellt worden sind. Es war nicht beabsichtigt, darüber hinaus einen allgemeinen Bericht zur Lage der Kinder zu erstatten. Überdies wird der erste Familienbericht, der dem Hohen Hause in Kürze zugehen wird, eine umfassendere Darstellung auch der Lage der Kinder enthalten.

(Abg. Kühn [Hildesheim] : Sehr gut!)

Nun zu den acht Fragen. Die erste Frage lautet: Wie groß ist der Fehlbestand .an Kinderspielplätzen? Meine Damen und Herren, das läßt sich mit Zahlen nicht genau beantworten. Dem Goldenen Plan von 1960 lag ein geschätzter Fehlbestand von 31 000 Spielplätzen zugrunde. Die Auswertung einer neueren Erhebung des Statistischen Bundesamtes über den Bestand an Spielplätzen und die Zunahme der Kapazität seit 1960 liegt leider noch nicht vor. Eines läßt sich sagen: für den Bau von Spielplätzen ist in den letzten zwei Jahren viel geleistet worden. Erhebungen in einzelnen Bundesländern haben ergeben, daß wir dort heute viermal so viel Spielplätze haben wie 1960.
Trotzdem muß noch viel nachgeholt werden. Das ist die einhellige Ansicht aller Sachverständigen. Der Bund hat im Rahmen seiner beschränkten Kompetenz in den Einsatzrichtlinien für den sozialen Wohnungsbau und in der Musterbauordnung das Seine getan, damit künftighin, d. h. seit 1962, mehr Spielmöglichkeiten von vornherein eingeplant werden. Die Länder haben in ihren Bauordnungen entsprechende Bestimmungen erlassen. Aber eine andere Frage ist natürlich, in welchem Ausmaß in der Praxis danach verfahren werden kann, danach verfahren wird.
Geeignete Spielmöglichkeiten müssen in den Gemeinden bereitgestellt werden. Hier ergeben sich in vielen Fällen Schwierigkeiten wegen der Finanzierung. Manchmal lassen sich aber auch Probleme kaum lösen, weil für die vielen Bedürfnisse zu wenig Platz da ist. Wir wissen, daß gesetzliche Grundlagen und Richtlinien allein nicht genügen und daß die wirklichen Schwierigkeiten erst bei der Anwendung solcher Bestimmungen sichtbar werden.
Läßt man einmal die Finanzprobleme beiseite — insoweit müssen Länder und Gemeinden zusammenwirken —, so liegen die Verhältnisse örtlich sehr verschieden. Naturgemäß ist der Bedarf an Spielplätzen auf dem Lande nicht so groß wie in den



Bundesminister Dr. Heck
Städten. Ich sagte schon, bei der Erschließung neuer Wohngebiete können Spielplätze von Anfang an eingeplant werden. Ganz anders sieht es in den Stadtzentren mit älterer Bebauung aus. Hier nachträglich Grundstücke für Spielplätze zur Verfügung zu stellen, ist leider oft nicht möglich.
Wo die Einrichtung besonderer Spielplätze unmöglich ist, müssen andere Wege gesucht werden. Dabei ist außerhalb der Unterrichtszeit an Schulhöfe, an Schulsportanlagen, auch an die Freigabe mancher öffentlicher Grünflächen und an sogenannte Spielstraßen zu denken.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es darf jedoch nicht verkannt werden, daß derartige Ersatzspielplätze nicht recht befriedigen können. Gerade deswegen muß ich auch auf manche Mißbräuche hinweisen.
Es geht nicht an, daß einmal angelegte und dem Spiel der Kinder gewidmete Plätze als solche nicht erhalten, sondern alsbald als Abstellplätze für Autos benutzt oder in anderer Weise ihrem Zweck entfremdet werden; und es geht auch nicht an, daß solche Anlagen nicht unterhalten werden und deswegen langsam verwahrlosen. Ein solcher Mißbrauch ist übrigens nur möglich, weil bedauerlicherweise bei vielen Erwachsenen das rechte Verständnis und auch die Einsicht fehlen, daß solche Anlagen für unsere Kinder notwendig sind.
Ich komme zur zweiten Frage: Wie steht es mit den Haltungsschäden bei der Einschulung? Was ist zu tun? — Hier ist es gerade wegen der alarmierenden Äußerungen, die wir von Zeit zu Zeit in der Presse lesen, notwendig, zunächst klarzustellen, was ein Haltungsschaden ist. Haltungsfehler und Haltungsschwächen, die durch Übungen und durch Kräftigung der Muskulatur beseitigt werden können, sind noch keine Haltungsschäden. Erst krankhafte Veränderungen am Skelett und an der Muskulatur, die durch Sport, Gymnastik und eine bewußte Haltungspflege nicht mehr beseitigt werden können, sind im medizinischen Sinne Haltungsschäden.
Dazu muß ich noch darauf hinweisen, daß die schulärztlichen Befunde statistisch leider nicht ausgewertet werden. Das macht es sehr schwierig, eine zuverlässige Aussage über das Ausmaß der Haltungsschäden überhaupt zu machen. Mit diesem Vorbehalt kann man sagen, daß die Haltungsschäden bei unseren Kindern im letzten Jahrzehnt eher zurückgegangen sind. Daß sie zugenommen hätten, wie oft behauptet wurde, ist auf alle Fälle nicht nachweisbar.
Was geschieht nun, um drohenden Haltungsschäden vorzubeugen? Nun, Sie wissen, die Schulgesundheitspflege ist Sache der Länder. Die Bundesregierung bemüht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten darum, daß die schulärztlichen Untersuchungen einheitlich durchgeführt und deren Ergebnisse einheitlich erfaßt werden. Selbstverständlich sind in erster Linie die Eltern berufen, darauf zu achten, daß sich Haltungsmängel nicht zu Haltungsschäden entwickeln, und hier ist viel mehr Aufklärung notwendig.
Daneben geht es um eine Haltungspflege in der Schule allgemein und insbesondere durch einen systematischen Ausbau des Schulsports. Dazu gehört auch, daß die Lehrer der Korrektur von Haltungsschwächen größere Aufmerksamkeit widmen. Wegen weiterer Einzelheiten darf ich Sie, meine Damen und Herren, auf die Materialien zu dieser Frage verweisen.
Zu Frage 3, sie betrifft den Bedarf an Kindergärten und Kindertagesstätten. Dazu zählen Kinderkrippen und Krabbelstuben für die Kleinsten, Kindergärten und Kinderhorte für Schulkinder und schließlich noch die Schulkindergärten. Der Bedarf an Einrichtungen dieser Art ist örtlich sehr verschieden und zahlenmäßig kaum zu bestimmen. Insgesamt jedoch ist der Bedarf an zusätzlichen Plätzen vor allem in den Kindergärten noch sehr groß. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Tagesstätten und die Zahl der darin untergebrachten Kinder beträchtlich erhöht. Insgesamt können die vorhandenen Einrichtungen zur Zeit mehr als 1,1 Millionen Kinder tagsüber aufnehmen und betreuen. Das zahlenmäßige Schwergewicht liegt bei den Kindergärten für die Drei- bis Sechsjährigen, die allein fast einer Million Kindern Platz bieten.
Die Zahl der Kinder, auf die ein Platz in der ihrem Alter entsprechenden Tagesstätte entfällt, ist in den einzelnen Bundesländern bemerkenswert verschieden. Wir haben Ihnen die Zahlen in den Materialien zusammengestellt. Ich möchte aber auch hier betonen, daß bei einem Vergleich aus den dort angegebenen Gründen Vorsicht geboten ist.
Noch schwieriger ist es, internationale Vergleiche zu ziehen. Der Bundesregierung ist es nur in beschränktem Umfang gelungen, zuverlässige Zahlen aus dem Ausland zu erhalten. Danach dürften die Verhältnisse z. B. in Osterreich ungünstiger liegen als bei uns. Dagegen scheint uns Belgien in der Zahl der Kindergärten beträchtlich voraus zu sein.
Daß immer mehr Eltern ihre Kinder in einen Kindergarten schicken, hat verschiedene Gründe. Eine gewisse Rolle spielt sicher die außerhäusliche Erwerbstätigkeit der Mutter, vor allem dann, wenn die Kinder durch Verwandte und Bekannte nicht mehr betreut werden können. Die Behauptung, daß Kindertagesstätten die Berufstätigkeit der Mütter in unerwünschtem Maße anregen und fördern, wird zwar immer wieder aufgestellt. Aber, meine Damen und Herren, sie läßt sich nicht beweisen. Vielleicht erkennen die Mütter auch zunehmend den erzieherischen Wert der Kindergärten. Vielleicht wünschen sie auch, daß ihre Kinder frühzeitig in eine außerfamiliäre Gemeinschaft aufgenommen werden und durch den Umgang mit anderen Kindern die Regeln und Beschränkungen, die außerhalb der Familie gelten, leichter und verständlicher annehmen. Zuverlässige Untersuchungen über die Motive der Eltern liegen nicht vor. Deswegen ist es nicht möglich, die Frage nach den Gründen für den gestiegenen Bedarf genauer zu beantworten.
Sicher brauchen wir mehr Kindergärten und mehr Kindertagesstätten. Aber mit dem Bau neuer Kindergärten allein ist es nicht getan. Ebenso wichtig ist



Bundesminister Dr. Heck
eine gute Betreuung und die erzieherische Einflußnahme auf die Kinder, die solche Tagesstätten besuchen.

(Abg. Kühn [Hildesheim] : Sehr richtig!)

Das aber ist nur noch beschränkt möglich, wo einer einzigen Kindergärtnerin 40 und mehr Kinder anvertraut werden müssen. Die Arbeitsbedingungen in den Kindergärten können und müssen so verbessert werden, daß der Beruf der Kindergärtnerin mehr Mädchen anspricht. Vielleicht könnte die Personalnot auch dadurch wenigstens gemindert werden, daß halbtägige Arbeit ermöglicht wird. Dann würden qualifizierte Kräfte oft nicht gezwungen, etwa schon infolge einer Heirat diesen Beruf wieder ganz aufzugeben.

(Beifall.)

Bei der Beantwortung der Frage 4, die sich mit der Wohnungsversorgung kinderreicher Familien befaßt, möchte ich mich kurz fassen. Die Wohnverhältnisse der Familien werden im Familienbericht ausführlich dargestellt. Dort sind auch die in der Anfrage erwähnten Spezialuntersuchungen über die Wohnverhältnisse kinderreicher Familien, die für einige Städte gesondert durchgeführt worden sind, eingehend ausgewertet worden. Ferner werden dort bisher noch nicht veröffentlichte Ergebnisse einer im Herbst 1965 durchgeführten Wohnungsstichprobe berücksichtigt.
In den Materialien zur Großen Anfrage ist im einzelnen dargelegt, welche Vorschriften der Wohnungsbaugesetze und sonstigen einschlägigen Bestimmungen darauf abzielen, die kinderreichen Familien ausreichend mit Wohnraum zu versorgen, und wie sich im Durchschnitt die Größe und Ausstattung der Neubauwohnungen entwickelt haben. Ich kann darauf verweisen und will hier nur erwähnen, daß der Anteil der Neubauwohnungen mit drei und mehr Zimmern von 54 % im Jahre 1955 auf 75 % im Jahre 1967 gestiegen ist. Aber trotz dieser Verbesserungen sind die kinderreichen Familien immer noch nicht befriedigend mit Wohnraum versorgt.

(Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!)

Das gilt besonders für Mietwohnungen, und gerade auf sie sind die meisten kinderreichen Familien immer noch angewiesen. Auf dem freien Wohnungsmarkt läßt sich ,da mit 'gesetzlichen Maßnahmen wenig erreichen. Die Bundesregierung rechnet aber für die nächsten Jahre damit, daß sich der Wohnungsmarkt allgemein und dann besonders auch für die kinderreichen Familien entspannen wird. Das setzt aber voraus, daß die zahlreichen öffentlichen Förderungsmaßnahmen durch Bund und Länder fortgeführt und auf diese Weise Angebot und Nachfrage einander angenähert werden. Dann wird 'in absehbarer Zeit die Versorgung kinderreicher Familien mit genügend großem Wohnraum als gesichert angesehen werden können.
Zu Frage 5, Geschlechtserziehung. Die Bundesregierung stimmt mit allen Fachleuten darin überein, daß es dabei nicht um das geht, was man 'gemeinhin Aufklärung genannt hat. Die Geschlechtserziehung muß Kindheit und Jugend als Ganzes
umfassen. Sie beginnt schon im vorschulischen Alter. Sie muß dann in der Jugend das biologischphysiologische Wissen uni .die Geschlechtlichkeit des Menschen vermitteln und sie als sittliche Aufgabe begreifen und werten lehren. Diese Aufgabe fällt in der Tat in erster Linie den Eltern zu, und den Eltern muß immer wieder vor Augen gehalten werden, daß es zwar bequem ist, ,das Geschlechtliche zu tabuieren, daß dadurch aber eine notwendige erzieherische Hilfe verweigert wird. Deswegen fördert .die Bundesregierung seit Jahren die Bemühungen der freien Träger, die im Rahmen der Familien- und Elternbildung die Geschlechtserziehung zu einem Kernpunkt ihrer Programme gemacht haben. Auf Anregung meines Hauses beabsichtigen diese Organisationen, sich in Kürze zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenzuschließen, in der gleichfalls einheitliche Grundsätze für die Geschlechtserziehung erarbeitet werden sollen. Die Erziehung im Elternhaus muß in geeigneter Weise durch die Schule und durch andere Bildungsträger unterstützt werden. Hier kann ich lauf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hinweisen, die mit ihren sexualpädagogischen Lehrgängen und mit ihrem Arbeitsmaterial den Unterricht über geschlechtliche Fragen in allen Bereichen fördert.
Die Frage 6 betrifft die Lage der geistig und körperlich behinderten Kinder. Meine Damen und Herren! Wo immer es möglich ist, muß diesen vom Schicksal hart getroffenen Kindern der Wieg zum vollwertigen Mitglied der Gemeinschaft geebnet werden. Erfreulicherweise versteht es sich in unse' rem Land von selbst, daß sich um die behinderten Kinder nicht nur der Staat kümmert. Zahlreiche -Organisationen und Verbände sind mit großer Hingabe am Werk, und der Deutsche Fürsorgetag hat sich im vergangenen Jahr mit Nachdruck dem Thema „Der behinderte Mensch" zugewandt. Trotzdem ist für das behinderte Kind und gerade für das behinderte Kind die Familie besonders wichtig. Aber die Familien, 'in denen ein solches Kind heranwächst, stehen vor ungewöhnlich schwierigen Aufgaben und vor ungewöhnlichen Belastungen. In vielen Fällen ist es für die weitere Entwicklung eines behinderten Kindes geradezu entscheidend, wie ihm seine Eltern begegnen, ob dies gleichgültig geschieht oder mit übertriebener Sorge, ob hilflos oder jeweils mit den richtigen Mitteln und Möglichkeiten der körperlichen, geistigen und seelischen Betreuung. Ohne verständnisvolle Aufklärung und Beratung können viele Eltern beim besten Willen nicht auskommen.
Erfeulicherweise sind die Erkenntnisse der medizinischen, der psychologischen und der pädagogischen Wissenschaft für die Betreuung behinderter Kinder weit fortgeschritten. Es geht also darum, daß diese wertvollen Erfahrungen und Erkenntnisse den Eltern rechtzeitig vermittelt und zur praktischen Anwendung empfohlen werden. Das sollte vor allem durch Ärzte und solche Stellen geschehen, die ihre besonderen Aufgaben darin erblicken, die Eltern behinderter Kinder 'ständig zu beraten und ihnen bei ihrer schweren Erziehungsaufgabe zu helfen. In dem Ihnen vorliegenden Material sind die Hilfen, die in den jeweiligen Entwicklungsphasen gewährt werden können, dargestellt. Sonderkindergärten, Son-



Bundesminister Dr. Heck
derschulen und Tagesstätten bemühen sich, die Behinderten sozial einzugliedern und ihnen praktische Fertigkeiten zu vermitteln.
Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat kürzlich in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Lehrerverbände Grundsätze für die berufliche Ausbildung und Fortbildung behinderter Kinder erarbeitet. Der übernächste Jugendbericht — der nächste wird schon in den nächsten Tagen vorgelegt werden — wird sich übrigens ausschließlich mit der Lage der behinderten Kinder in unserem Lande befassen.

(Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

Wir werden uns alle gemeinsam bemühen müssen, die vielerorts begonnenen Hilfen weiterzuentwickeln, sie materiell und ideell zu fördern und mit allen Kräften dafür zu sorgen, daß sowohl die behinderten Kinder selbst als aber auch ihre Eltern die Überzeugung gewinnen, daß sie nicht allein stehen, sondern jederzeit mit der Hilfe des Staates und mit der Hilfe der Gesellschaft rechnen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren! An der Art und Weise, wie eine Gesellschaft und wie ein Staat für die behinderten Kinder sorgt, wird man eben ablesen können, ob Humanität und mitmenschliche Verantwortung das öffentliche Leben wirklich tragen oder ob sie nur leere Worte sind.
Zur Frage 7! Hier wird nach der Zahl der Erziehungsberatungsstellen und nach dem Ergebnis ihrer Arbeit gefragt. Es gibt zur Zeit in der Bundesrepublik 427 Erziehungsberatungsstellen, die etwa je zur Hälfte von den Gemeinden und von freien Gruppen der Gesellschaft getragen sind. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich das Netz der Erziehungsberatungsstellen noch im Aufbau befindet. Deswegen kann auch nicht zuverlässig beurteilt werden, ob 'sich ihre bisherige Organisation und die Formen ihrer Arbeit bewährt haben.
Die vorhandenen Erziehungsberatungsstellen sind übrigens offenbar sehr verschieden stark in Anspruch genommen worden. Einzelne Beratungsstellen haben für das Jahr 1965 nur rund zwanzig Beratungsfälle gemeldet, andere bis zu tausend. Weiter wird berichtet, daß schon bei zwei Dritteln der vorhandenen Einrichtungen mit Wartezeiten gearbeitet werden muß.
Meine Damen und Herren, die Beratungsstellen sind leider noch viel zu wenig bekannt. Auch weiß man wenig, wie sie helfen wollen und wie sie helfen können. Aber die Erfolge der Erziehungsberatungsstellen lassen sich nachweisen. Sie sind so überzeugend, daß ein weiterer Ausbau der Erziehungsberatung dringend geboten erscheint. -
Hand in Hand damit muß die Öffentlichkeit umfassend über die Hilfen unterrichtet werden, die die Erziehungsberatungsstellen anbieten. Hier müssen wir auch dem Vorurteil entgegenwirken, wer diese Hilfen in Anspruch nimmt, werde dadurch sozial
herabqualifiziert. Erziehungsschwierigkeiten können überall und in jeder Familie eintreten, und die Einholung eines guten Rates zur Überwindung solcher Schwierigkeiten hat mit dem sozialen Status so wenig zu tun wie die Konsultation eines Arztes oder eines Rechtsanwalts.
Wegen weiterer Einzelheiten darf ich auch hier auf die Materialien verweisen.
Nun zur letzten, zur 8. Frage. Bei dieser Frage geht es darum, wieviel Kinder in Dauerkinderheimen untergebracht sind, wie dicht die Heime belegt und aus welchen Gründen die Kinder dort untergebracht sind. Zur Zeit stellen die obersten Jugendbehörden der Länder eine umfassende Erhebung über die Heimerziehung an. Die Ergebnisse dieser Erhebung liegen noch nicht vor. Die Bundesregierung wird das Hohe Haus, sobald dies möglich ist, über die ermittelten Fakten und Zahlen unterrichten. Für heute kann ich nur soviel sagen: 1965 gab es in der Bundesrepublik 1923 Heime mit mehr als 110 000 Plätzen. Sie reichen aber immer noch nicht aus. Von den Trägern der freien Wohlfahrtspflege wird ein erheblicher Nachholbedarf geltend gemacht, und dies nicht nur für die Zahl der Plätze, sondern ebenso für die Ausstattung der Heime mit pädagogischen Hilfsmitteln. Überdies fehlt es an Mitarbeitern und Hilfskräften.
Kinder müssen aber dann in Heimen untergebracht werden, wenn die Eltern vorübergehend oder dauernd für die Erziehung, die Beaufsichtigung und die Pflege ihrer Kinder ausfallen oder wenn sie in ihren allgemeinen Lebensbedingungen oder ihrer Veranlagung nach dieser Aufgabe nicht gewachsen sind. Wenn keine besonderen Erziehungsschwierigkeiten oder Verhaltensstörungen vorliegen, sollte man Kinder nur dann in einem Heim unterbringen, wenn die Erziehung und Pflege der Kinder auf andere Weise, bei Verwandten oder in einer anderen Familie, nicht möglich ist. Kinder in geschlossenen Heimen unterzubringen ist immer eine Notmaßnahme. Trotz aller Hilfsbereitschaft und trotz aller pädagogischer Aufgeschlossenheit — die wir in den meisten Kinderheimen feststellen können — lassen sich Nachteile für die Entwicklung dieser Kinder in den Heimen nicht ganz vermeiden. Kein Heim kann die Erziehung und Entwicklung, die in einer geordneten Familie natürlich und selbstverständlich ist, ersetzen. Deswegen wird in der Praxis zunächst auch alles getan, um eine Unterbringung in einem Heim zu vermeiden. In den Heimen selbst werden heute neue Wege beschritten und neue Möglichkeiten für die Erziehung und Betreuung der in den Heimen untergebrachten Kinder erprobt. Die Bemühungen der Träger dieser Heime werden von der wissenschaftlichen Pädagogik stark gefördert und auch durch Erfahrungen, die im Ausland gesammelt werden, angeregt und befruchtet.
Meine Damen und Herren, diesen Antworten auf die acht Fragen möchte ich noch ein Wort des Dankes und der Anerkennung anfügen. Der Dank gilt den tausend und aber tausend Frauen — es sind überwiegend Frauen —, aber auch den Män-



Bundesminister Dr. Heck
nerv, die ehrenamtlich und beruflich diesen stillen
Dienst an unseren Kindern im ganzen Lande leisten.

(Beifall.)

Dieser Dienst wird öffentlich wenig beachtet, und gerade deswegen ist es geboten, daß Regierung und Parlament diesen Dienst der Menschlichkeit hier gebührend würdigen.

(Beifall.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514621400
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hauck.

Rudolf Hauck (SPD):
Rede ID: ID0514621500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis bitten, gelegentlich auch auf festgelegte Formulierungen meines Gesamtkonzepts zurückzugreifen. Warum ich das einleitend betone, möchte ich mit ein paar Sätzen begründen.
Die hier zu behandelnde Große Anfrage wurde, wie schon erwähnt, am 7. Dezember 1966 eingebracht. Erstmalig stand sie vor genau einem Jahr auf der vorläufigen Tagesordnung des Plenums. Sie wissen selbst, wie oft dieser Punkt dann immer wieder abgesetzt und verschoben wurde. Um die acht Fragen zu beantworten, wurde der ganze Sachverstand der Bundesregierung, der von elf Landesregierungen und der der freien Verbände mobilisiert. Es war leider nicht möglich, die Anfrage gleichzeitig mit dem Jugendbericht zu behandeln. Heute hat nun das Parlament nach diesen umfangreichen Vorarbeiten der Regierung Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Ich sage bewußt: Stellung zu nehmen; denn die lange Laufzeit dieser Vorlage hat natürlich dazu geführt, .daß verschiedene Verbände, Behörden und Einzelpersonen ihre Probleme auch den Fraktionen und den Abgeordneten unterbreitet haben. Man erwartet also von uns heute Aussagen, und das macht ,es notwendig, in manchen Bereichen zu Erklärungen zu kommen, die nicht immer den Charakter der reinen Debatte haben, wie es die Parlamentsreformer immer fordern.
Damit bin ich schon bei einem Kernpunkt der heutigen Beratung. Die Überschrift der Großen Anfrage „Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland" hat in der Öffentlichkeit zum Teil Hoffnungen und Vorstellungen geweckt, die mit der heutigen Beantwortung nicht erfüllt werden können. Herr Kollege Kühn, Sie haben schon darauf hingewiesen. Ich habe hier Pressenotizen, in denen es heißt: „Endlich kommt die Kinderenquete" oder „Erster Bericht über die Lage ,der Kinder in Sicht". Meine Fraktion weist heute noch einmal darauf hin, daß mit den zu beantwortenden Fragen nur ein Teilbereich der Situation unserer Kinder angesprochen wird. Diese Fragen hätten sinnvollerweise mit dem ersten Jugendbericht der Bundesregierung behandelt werden müssen. Sie wären dort eine wertvolle Ergänzung gewesen. Denn es wird ja allgemein anerkannt, daß die Kinderprobleme in diesem
Bericht nicht so berücksichtigt wurden, wie wir es uns gedacht haben.
Wie ich schon in der Debatte über den Jugendbericht erklärt habe, hat die Große Anfrage aber zweifellos die Aufmerksamkeit auf die Kindersituation in unserem Lande gelenkt, obwohl, wie schon erwähnt, wichtige Problemkreise überhaupt nicht angeschnitten wurden. Es waren fast 50 wichtige Einzelpunkte zu Kinderfragen, die ich am 11. Oktober 1967 hier vorgetragen habe. Ich will sie nicht wiederholen. Diesmal bin ich einen anderen Weg gegangen, um aufzuzeigen, welche Schwerpunkte im letzten Jahr in bezug auf die Kinder in der Öffentlichkeit stark diskutiert wurden. Sowohl in der überregionalen Presse wie auch in den Lokalzeitungen meines engeren Bereichs, die ich beide durch Presseauswertung verfolgte, zeigten sich folgende auf die Kindersituation bezogene Schwerpunkte: Kinderunfälle im Verkehr, im Haushalt und beim Spiel, zum Teil auch wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht; verbrecherische Übergriffe auf Kinder, die zum Teil zum Tode oder zu schweren Schädigungen an Leib und Seele führten; Kindesmißhandlungen, vorwiegend leider durch ,die eigenen Eltern verursacht; Einengung des Spielbereichs unserer Kinder auf allen Ebenen; Diskussion über vorschulische Lernansätze im Kindergarten und damit die Erörterung der vorschulischen Erziehung überhaupt; Probleme der behinderten Kinder, insbesondere Früherfassung der Fälle und Meldepflicht; Ernährungsprobleme unserer Kinder von der Fettsucht bis zur Unterernährung. Aus diesen Schwerpunkten sind dann in der Presse die vereinfachenden, zum Teil übertriebenen Schlagworte über unsere Kinder entstanden: überfüttert, unterernährt, mißbraucht, geprügelt, verlassen, überfahren.
Die ebenfalls stark diskutierten Bereiche der Neuregelung des Rechtes für das uneheliche Kind und der Kindergeldleistungen habe ich bei dieser Aufstellung weggelassen, da sie ja heute besonders behandelt werden bzw. materielles Recht sind und in den Komplex der Neuordnung des Familienlastenausgleichs gehören. Sie sehen aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wie unterschiedlich die Akzente gesetzt sind, ohne daß ich damit sagen möchte, daß die von der Presse behandelten Themen unbedingt die jugendpolitischen Prioritäten darstellen.
Da die Antwort der Bundesregierung, insgesamt gesehen, die vordringlichen Aufgaben auf den angesprochenen Gebieten richtig darstellt und anerkennt — das stellen auch wir anerkennend fest, Herr Minister —, will ich in meinen grundsätzlichen Ausführungen nicht weiter auf Einzelheiten eingehen. Gestatten Sie mir aber zu den von mir als brennend ermittelten Komplexen einige Bemerkungen.
Schon bei der Formulierung einiger Fragen der CDU/CSU-Anfrage fällt auf, daß man von der Situation der Eltern ausgeht, um Hilfen für die Kinder zu erlangen. Wir wollen hier keine Diskussion über die Wege oder Formulierungen entfachen. Wichtig ist am Ende immer nur, wie wirkungsvoll dem Kind geholfen werden kann. Trotzdem möchte ich hier wieder sagen, daß nach unserer Auffassung dem



Hauck
Elternrecht, das auch wir vollinhaltlich anerkennen, immer dort Grenzen gesetzt sind, wo es das Wohl des Kindes gebietet. Es wird eine wichtige Aufgabe des Gesetzgebers sein, bei einer Neuregelung des gesamten Jugend- und Familienrechtes das Kind nicht als Objekt des Rechtes, sondern als Subjekt zu behandeln und ihm einen eigenständigen Rechtsanspruch zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit zu sichern.

(Beifall bei der SPD.)

Diese grundsätzlichen Überlegungen für spätere Reformen entbinden uns aber nicht von der Verpflichtung, schon jetzt in Einzelbereichen Verbesserungen anzustreben. Ich denke hier in erster Linie an eine Neufassung des § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die baldmöglichst erfolgen müßte. In der jetzigen Fassung ist ein richterliches Eingreifen, das eventuell zu einem Sorgerechtsentzug führen könnte, nur dann möglich, wenn den Eltern schuldhaftes Verhalten nachgewiesen wird. Dankenswerterweise hat der Bundesrat im Rahmen der Beratung der Neuordnung des Unehelichenrechts einen Vorschlag unterbreitet, der aber nach Beschluß der Regierung nicht in diesem Reformwerk behandelt werden soll. Die Bundesratsfassung lautet — ich zitiere —:
Ist die geistige, sittliche oder körperliche Entwicklung des Kindes bedroht und ist der Vater oder die Mutter nicht gewillt oder nach ihrer Persönlichkeit oder ihren Lebensverhältnissen nicht imstande, dem Erziehungsnotstand abzuhelfen, so hat das Vormundschaftsgericht die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Diese Formulierung trifft den Sachverhalt, und ich appelliere an die Bundesregierung, dieses Problem baldmöglichst aufzugreifen und dabei auch Regelungen zu treffen, wie man den Kindern von geschiedenen und getrennt lebenden Eltern wirkungsvoll helfen kann.
Aber alle gesetzgeberischen Maßnahmen sind nur Stückwerk, wenn es uns nicht gelingt, das Verantwortungsbewußtsein gegenüber unseren Kindern allgemein zu stärken.

(Beifall.)

Ist es nicht beunruhigend, zu wissen, daß z. B. im Jahre 1964 90 Kinder von ihren eigenen Eltern oder nächsten Angehörigen getötet oder ermordet wurden? Es ist für mich heute noch erschütternd, an die Berichterstattung über einen zugegebenermaßen furchtbaren Kindermordprozeß zu denken, der durch eine breitangelegte Berichterstattung die Öffentlichkeit bewegte und in dessen Mittelpunkt ein jugendlicher gestörter Außenseiter der Gesellschaft stand; während einige Jahre vorher die Öffentlichkeit von der Tat einer Mutter, die ihre eigenen zwei Kinder in die eiskalte Oker stieß, wo sie ertranken, kaum Notiz nahm. Ich begrüße diese Zurückhaltung der Presse. Sie ist nachahmenswert. Aber ich weise hier auf die große Diskrepanz in der Berichterstattung und besonders auf die sensationslüsterne Berichterstattung im ersten Fall hin.
Ist es denn allgemein bekannt, daß in den letzten zehn Jahren rund 4000 Erwachsene wegen Kindesmißhandlungen vor dem Richter standen, von denen
rund 2500 verurteilt wurden? Die Zahlen erscheinen manchen gar nicht so hoch, wenn man draußen diskutiert. Aber man muß bei diesen Delikten wissen, daß eine hohe Dunkelziffer zu berücksichtigen ist; denn 95% aller Fälle von Kindesmißhandlung und Kindesmißbrauch bleiben unentdeckt. Was hier zu tun ist, ist doch immer wieder die Frage. Zunächst müßte man die Verantwortlichkeit der Allgemeinheit wecken, damit mehr Verantwortungsbewußtsein da ist und dann auch gelegentlich Anzeigen erfolgen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es ist für mich bedrückend, daß manche Menschen z. B. Tierquälerei sofort anzeigen, vor Kindesmißhandlungen aber die Augen schließen. Dann müßte in der Ärzteschaft häufiger entsprechend der vom Bundesjustizminister am 17. 3. 1967 in der Fragestunde geäußerten Ansicht, daß es kein unbefugtes Offenbaren eines anvertrauten oder bekanntgewordenen Geheimnisses im Sinne des § 300 StGB darstellt, wenn der Arzt schwere Kindesmißhandlungen dem Jugendamt oder der Polizei mitteilt, nach Abwägungen aller Konsequenzen im Einzelfall verfahren werden. Schließlich müßte man eine Schutzklausel für das kindliche Opfer gegen den § 163 a StPO schaffen. Hier handelt es sich darum, daß ein Beschuldigter als gesetzlicher Vertreter eines mißbrauchten oder mißhandelten Kindes die Aussage des Kindes, die ärztliche Untersuchung oder das Fotografieren verweigern kann.
Als Abschluß zu diesem Komplex möchte ich noch einmal unterstreichen, was ich schon in der Jugenddebatte gesagt habe: Wir alle müssen uns ernsthaft Gedanken darüber machen und Entscheidungen treffen, wie wir unsere Kinder vor den verbrecherischen Übergriffen krankhafter, gestörter und triebhafter Außenseiter unserer Gesellschaft wirksam schützen können. Verbleiben in Untersuchungshaft bis zur Aburteilung, Strafverschärfung, Sicherheitsverwahrung nach Strafverbüßung und die Schaffung von Möglichkeiten medizinischer Eingriffe stehen hier u. a. zur Debatte.
Verzeihen Sie bitte, wenn ich mit meinen Ausführungen den Rahmen der Großen Anfrage gesprengt habe. Aber dies alles mußte auch gesagt werden, wenn wir uns über die Situation der Kinder in der Bundesrepublik unterhalten. Wir müssen auf diesem Gebiet baldmöglichst von Programmen, Denkschriften und Ausarbeitungen wegkommen und zu Taten schreiten.

(Beifall im ganzen Hause.)

In der parlamentarischen Beratung befinden sich zur Zeit zwei große Denkschriften, die sich mehr oder weniger ausführlich mit Kinderproblemen befassen. Ich meine die Sozial- und die Frauenenquete. Als Unterlagen stehen außerdem der erste Jugendbericht — in Kürze folgt der zweite Jugendbericht —und die vom Familienministerium ausgearbeiteten Materialien für die heutige Anfrage zur Verfügung. Dazu kommt in Kürze der sehr ausführliche und umfangreiche Familienbericht der Bundesregierung. Die SPD-Fraktion wird nach Vorliegen dieses Berichts alle die Kindersituation betreffenden Aussagen und Fakten, die sich in den genannten Ausarbeitungen



Hauck
befinden, herausziehen und eingehend prüfen mit dem Ziel, baldmöglichst Anregungen • und Vorschläge zu unterbreiten und eigene Initiativen zu entwickeln.
Dabei zeichnen sich schon heute folgende grundsätzliche Schwerpunkte ab:
1. Unterstützung und Förderung aller Maßnahmen, die auf die Stärkung der Erziehungskraft der Familie hinzielen;
2. Ausweitung der Öffentlichkeitsarbeit, um mehr Verständnis für Kinder-, Jugend- und Familienbelange zu wecken;
3. Herantreten an alle Gesetzgebungskörperschaften — vom Stadtparlament bis zum Deutschen Bundestag —, um zu erreichen, daß in unseren Gesetzen mehr kinder- und familienfreundliche Akzente gesetzt werden;
4. Unterbreitung von Vorschlägen für die Organisation der Kinderhilfe in der Bundesrepublik, wobei vor allem an eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen den freien und den öffentlichen Trägern gedacht ist und eine vertretbare Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden angestrebt werden muß. Der gemeinsame Entschließungsantrag Umdruck 351 ist ein solcher Ansatzpunkt;
5. Einführung einer einheitlichen Jugendhilfestatistik, um die Erarbeitung einer Bedarfsfeststellung der benötigten Einrichtungen und Maßnahmen für das nächste Jahrzehnt zu ermöglichen;
6. Sicherstellung der Finanzierung durch einen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Dabei ist auch der Finanzbedarf der freien Träger zu berücksichtigen. Außerdem ist durch die Neuordnung und die Verbesserung des Familienlastenausgleichs die Familie in den Stand zu versetzen, sich angemessen an den Kosten zu beteiligen;
7. Einleitung von Maßnahmen, um die sehr schwierige personelle Situation in allen Einrichtungen zu verbessern;
8. Errichtung eines wissenschaftlichen Instituts, das sich speziell mit Kinderproblemen befaßt und im Zusammenwirken mit schon bestehenden Einrichtungen wissenschaftliche Unterlagen und Materialien zur Verfügung stellt.

(Abg. Dr. Martin: Soviel können wir gar nicht lesen!)

Diese acht Punkte erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie zeigen nur die Plattform auf, von der aus wir an die Bewältigung dieser Aufgaben herangehen müssen. Wir müssen anstreben, daß in Zukunft den Belangen unserer Kinder in familienpolitischer, sozialpädagogischer, gesundheitspolitischer, bildungspolitischer und in allgemein rechtlicher Hinsicht verstärkt Rechnung getragen wird. Lassen Sie uns bei den Bemühungen, dieses Ziel zu erreichen, enger zusammenrücken. Vielleicht gelingt es uns dann, daß wir durch unsere Anstrengungen in den letzten drei Jahrzehnten doch noch erreichen, daß .dieses Jahrhundert ein Jahrhundert des Kindes wird.

(Allseitiger Beifall.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514621600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baier.

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0514621700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf in der Aussprache über die Große Anfrage zwei Punkte besonders hervorheben, nämlich die Frage der Schaffung von Kinderspielplätzen und das Problem der familiengerechten Wohnungsversorgung.
Der Lebensraum ,der Kinder, das Heim, die Wohnung und der Kinderspielplatz, verdient eine besondere Beachtung. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort heute 'darauf hingewiesen, daß noch Kinderspielplätze fehlen und daß dies ein beklagenswerter Mangel ist. Ich habe im Februar 1960 in der Fragestunde des Deutschen Bundestages dem damaligen Wohnungsbauminister Lücke 'die Frage gestellt, was die Bundesregierung bisher getan habe, um bei Neubauwohnungen und bei Altbauwohnungen die , Erstellung von Kinderspielplätzen zu fördern. Damals, also vor acht Jahren, wies der Wohnungsbauminister darauf hin, ,daß in den Förderungsrichtlinien alljährlich die Auflage gemacht werde, Spiel- und Erholungsplätze für Kinder zu schaffen, wenn mehr als drei Wohnungen in. einem Haus erstellt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514621800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0514621900
Herr Kollege, darf ich einmal fragen, was die CDU tut, um ihre eigenen Stadt- und Gemeindevertreter auf die Dringlichkeit dieser Aufgabe .hinzuweisen.

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0514622000
Aber gnädige Frau, ich glaube, wir alle, ob diese oder jene Partei, haben auch auf der kommunalen Ebene zu tun, um das Bewußtsein der Sorge für die Kinder zu heben. Ich meine, wir sollten daraus keine parteipolitische Frage machen, sondern aus der allgemein politischen Verantwortung heraus 'auf allen Ebenen dafür sorgen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514622100
Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage? — Bitte!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0514622200
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß ich vor mehreren Jahren einmal im
Städtetag diese Frage aufgegriffen und mein Lebtag nicht so wenig Echo gefunden habe wie bei diesen versammelten Vertretern der CDU/CSU und der SPD.

(Abg. Dr. Martin: Schlechte Darstellung! Der Vortrag macht ides Redners Glück! — Weitere Zurufe von der Mitte.)





Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0514622300
Ich würde meinen, 'Sie sollten Ihre Bemühungen fortsetzen, Frau Kollegin.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Doch Sie haben in der Tat einen Punkt angeschnitten, verehrte Frau Kollegin, auf den ich jetzt eingehen möchte: Theorie und Praxis! Wir alle bedauern sehr, daß die alljährliche Auflage in den Förderungsrichtlinien und die Musterbauordnung, die verpflichtende Vorschriften haben, offensichtlich nicht immer eingehalten werden; denn der größte Teil der von 1961 bis 1967 gebauten Neubauwohnungen, wobei es sich um 1,5 Millionen Mehrfamilienhäuser handelt, fällt unter .diese Vorschriften, und wir stellen immer wieder fest, daß sie offensichtlich nicht eingehalten werden.
Die Bundesregierung wies darauf hin, daß kein Überblick bestehe, wieviel Kinderspielplätze beim Bau von Wohnungen geschaffen wurden. Man wolle sich um weitere Zahlen bemühen. Ich möchte anregen, beim Wohnungszählungsgesetz, das wohl im nächsten Jahr in der Bundesrepublik durchgeführt werden wird, dieses Problem in Form einer Bestandsaufnahme einmal mit aufzugreifen.
Worum geht es? Erstens geht 'es darum, daß wir alle auf allen politischen Ebenen dafür Sorge tragen, daß die bestehenden Vorschriften, also die Einsatzrichtlinien für den Wohnungsbau und die Musterbauordnung, strikt eingehalten werden. Hier ist auch das Gespräch mit den Ländern notwendig. Ich weise auf unseren Entschließungsantrag hin, der diese engere Zusammenarbeit mit den Ländern fordert.
Das zweite ist, daß wir auch vorbildliche Plätze brauchen. Wir brauchen Beispiele, wie solche Plätze gestaltet und angelegt werden sollen. In den Jahren 1957 und 1958 war vom Bundeswohnungsbauministerium ein Wettbewerb für die Schaffung derartiger Kinderspielplätze ausgeschrieben worden. Ich möchte die Anregung an den Herrn Bundesfinanzminister geben, vielleicht einmal in der Form eines Wettbewerbs die auch aus pädagogischer Sicht geeignetsten Anlagen zu suchen und diese dann bekanntzumachen, damit sie als Beispiel dienen können.
Drittens sollten wir mehr und mehr Altwohnviertel in eine verstärkte Anlegung von Kinderspielplätzen einbeziehen, Besonders bei der kommenden Stadt- und Dorferneuerung wird 'es notwendig sein, bei der Erstellung von Bebauungsplänen auf solche Anlagen Wert zu legen. Ich möchte hier die Anregung wiederholen, die ich der Bundesregierung schon einmal gegeben habe, sich einmal in Dänemark umzusehen. Dänemark hat mit baurechtlichen Vorschriften eine vorbildliche Regelung zur Schaffung von Kinderspielplätzen getroffen. Wir sollten sehen, inwieweit wir das auch in Deutschland praktizieren können.
Als viertes und letztes will ich auf die Antwort der Bundesregierung eingehen und folgendes sagen. Wir sollten fordern und verlangen, daß die Sorge um die Kinder und deren Erziehung auch viel stärker in der Öffentlichkeit — durch die Massenmedien
wie Presse, Rundfunk und Fernsehen — herausgestellt wird. Es wäre sehr verdienstvoll, wenn gerade jene Illustrierten, die immer sehr viel Papier verwenden, um über Verbrechen an Kindern zu schreiben, diese Verantwortung, die wir alle tragen, und das Bewußtsein unserer Gesellschaft für das Kind belebten, 'indem sie auch darüber im positiven Sinne berichteten. Wir alle tragen nämlich diese Verantwortung, weil es dabei um Hilfen für jene Zeit des Lebens eines Kindes geht, die letztlich den Menschen so maßgeblich prägt.
Lassen Sie mich nun noch einige Anmerkungen zur Wohnungsversorgung machen. Der familiengerechte Wohnungsbau ist in der Hektik der modernen Welt besonders wichtig. Das ist heute unumstritten, und alle erkennen es an. Man hat aber oft das Gefühl, daß dies nur ein Lippenbekenntnis ist und daß die Tat häufig fehlt. Die familiäre Abgeschlossenheit ist heute ebenso nötig wie der ausreichende Lebensraum für das Kind. Es ist beklagenswert, daß das Kind heute überall, wo es sich bewegt, Verboten begegnet, in denen gesagt wird, was es alles nicht tun darf.
Darum hat meine Fraktion von Anfang an die Forderung vertreten, den familiengerechten Wohnungsbau und den Familienheimbau in besonderem Maße zu fördern. Dies ist nämlich die geeignetste Wohnform für Familien mit Kindern. Wir haben mit dem Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetz hier sehr vieles geschaffen. 1965 wurde in der Novelle zu diesem Gesetz eine Konzentration der Mittel für kinderreiche Familien und für junge Familien vorgesehen; ebenso haben wir die Familienzulagen beachtlich erhöhen können. Die Antwort der Bundesregierung hat darauf hingewiesen.
Der Hinweis in diesem Punkt ist aber leider veraltet, weil wir im Dezember des letzten Jahres im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes eine Novelle zum Zweiten Wohnungsbaugesetz verabschiedet haben, die in diesem Bereich einen Abbau dieser sehr guten und erfreulichen Förderung gebracht hat. Die Regierungsvorlage hatte einen sehr schmerzlichen Eingriff vorgesehen. Er konnte in diesem Hause zu einem für alle gerade noch tragbaren Kompromiß gemildert werden. Wir hatten die Familienzusatzdarlehen gekürzt, die dazu dienen sollten, gerade kinderreichen Familien leichter zu einem Familienheim zu verhelfen. Ich habe im Dezember dem Herrn Bundeswohnungsbauminister die dringende Bitte der CDU/CSU-Fraktion vorgetragen, doch die frühere Aktion Großfamilie wieder in Kraft treten zu lassen, damit Familien mit fünf und mehr Kindern auf Antrag beim Bau eines Familienheims zur Spitzenfinanzierung noch ein zusätzliches Darlehen erhalten. Wir haben vom Herrn Bundesminister für Wohnungsbau noch keine Antwort, deshalb möchte ich heute noch einmal die sehr dringende Bitte meiner Fraktion an ihn richten.
Wir müssen ein besonderes Augenmerk darauf richten, die Familien familiengerecht unterzubringen, und dafür ist sowohl die Wohnform als auch die Wohnungsgröße entscheidend. Deshalb begrüßen wir es, daß im Bundeswohnungsbauministerium die Pfliditnorm für die Größe und Ausstattung von fa-



Baier
miliengerechten Wohnungen neu und zeitgerecht gefaßt wurde. Denn damit wird auch in der Mietwohnung die Voraussetzung dafür geschaffen, ein familiengerechtes Wohnen zu ermöglichen. Es wird darauf ankommen, in Zusammenarbeit mit den Ländern — der Wohnungsbau ist eine Gemeinschaftsaufgabe — dieser Vorschrift zum Erfolg zu verhelfen.
Zusammenfassend und abschließend möchte ich sagen: die Forderung bleibt bestehen, auch künftig und noch mehr als bisher familiengerecht zu bauen. Diese gesellschaftspolitische Aufgabe ersten Ranges muß auch künftig unverändert im Mittelpunkt der Politik stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514622400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kubitza

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0514622500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten werde ich Teile meiner Rede nicht frei vortragen.
Ich bin dem Herrn Minister sehr dankbar, daß er die Gründe angegeben hat, auf denen die dreizehnmonatige Verzögerung in der Beantwortung dieser Großen Anfrage beruht. Ich hatte schon angenommen, daß die Bearbeitung der Antworten um so länger dauert, je größer die die Regierung tragenden politischen Kräfte sind. Die Materialsammlung hat aber auch gezeigt, wie schwierig es ist, von Ländern, Gemeinden, freien Verbänden selbst in dreizehn Monaten das Material zu erhalten. Es ist enttäuschend, daß teilweise entweder gar keine oder keine zuverlässigen oder noch nicht abgeschlossene Zahlenangaben geliefert worden sind, und vor allen Dingen, daß diese Zahlenangaben nicht zu dem, was noch zu tun ist, oder zu der Zahl der Gemeinden und Landkreise ins Verhältnis gesetzt werden, in denen z. B. Erziehungsberatungsstellen eingerichtet werden müßten.
Ich teile nicht die Meinung, Herr Minister, hinsichtlich der Haltungsschäden. Der Generalarzt Dr. Fingerle

(Zurufe: Finger!)

— Herr Dr. Finger — hat 1965 einen Bericht über das Ergebnis der Wehrpflichtuntersuchungen vorgelegt,

(Abg. Dr. Martin: Herr Kubitza, Sie haben aggressive Tendenzen!)

wonach 75% der Untersuchten in der Vergangenheit Haltungsschäden und Deformitäten des Bewegungs- und Haltungsapparats aufzuweisen hatten. Die Ursache für diese Haltungsschäden wird aber schon im frühen Kindesalter gelegt.
Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß 952 875 Plätze für die Kinder in Kindergärten zur Verfügung stehen, bedeutet, daß nur Plätze für 30 % der Drei- bis Sechsjährigen vorhanden sind. Hier haben wir also noch einen ungeheuren Nachholbedarf. Nun haben Sie, Her Minister, herausgestellt, daß ein internationaler Vergleich nicht möglich sei. Ich werde im weiteren Verlauf Zahlen vortragen,
die ich vom Generalsekretariat der Kultusministerkonferenz bezüglich der Kindergärten bekommen habe und die unterstreichen — Sie haben das hier schon angeführt —, daß es Länder in Europa gibt, die uns weit voraus sind.
Ich hätte erwartet, Herr Minister, daß Sie in Ihrer mündlichen Stellungnahme über das Schriftliche hinausgegangen wären und daß, wie z. B. in der Beantwortung der Großen Anfragen zum Sport, eine Konzeption der Bundesregierung sichtbar geworden wäre, die bei Fortführung des bewährten Alten zugleich auf Neues hingewiesen hätte.
Meine Damen und Herren, über die Kinderspielplätze ist schon viel gesagt worden. Ich muß noch einmal auf meine Ausführungen in der Sportdebatte hinweisen, in der ich gefordert hatte, daß die 'Grünflächen gemäß dem Beispiel einiger Städte als erste Maßnahme von möglichst vielen Städten und Gemeinden freigegeben werden. Zu ,einem typisch deutschen Rasen gehört anscheinend das Schild „Betreten verboten". Es ist enttäuschend, daß Sie, Herr Minister, in Ihrer schriftlichen Antwort sagen, schließlich könnten mancherorts zumindest Teile öffentlicher Grünflächen für bestimmte Kinderspiele freigegeben werden. Ich bin außerdem der Meinung, daß man gar nicht reglementieren kann, welche Spiele gespielt werden sollen. Hier hätte ich mir eine härtere Forderung von Ihnen gewünscht.
Meine Damen und Herren, ich muß noch einmal betonen, wir können uns den Luxus von Grünanlagen allein um der Schönheit willen nicht mehr leisten. Das heißt ja doch nicht, daß ich die Grünanlagen zerstören will, ich möchte sie vielmehr einer doppelten Aufgabe zuführen. Auch das 'ist in der Öffentlichkeit mißverstanden worden.
Ich möchte wie der Kollege Hauck den Rahmen der Fragen sprengen — denn wir wollen ja eine breite Diskussion in diesem Bereich führen —, weil die acht Fragen der CDU/CSU-Fraktion zugegebenermaßen unvollständig sind.
Die Intelligenz ides Kindes erfährt zwischen dem ersten und sechsten Lebensjahr ihre entscheidende Ausprägung. Die Einflußnahme in den ersten Lebensjahren ist 'entscheidender als in den nachfolgenden Jahren. Forschungen haben ergeben, daß die Halbzeit der geistigen Entwicklung bereits im Laufe des vierten Lebensjahres erreicht wird. Solche Erkenntnisse bringen weitreichende Konsequenzen für die Erziehung in Schule und Elternhaus mit sich.
Wir Freien Demokraten fordern deshalb — und das geht insbesondere die Länder an; wie ich sehe, ist ,die Bundesratsbank leer, obwohl der weitaus größte Teil dieser Großen Anfrage Gegenstände der Länderkompetenz betrifft — von dieser Stelle die Länder auf, an die Einführung einer Vorschulstufe im Rahmen von Schulkindergärten zu denken, deren Besuch vom 5. Lebensjahr an zur Pflicht gemacht wird. Sollte der Art. 7 Abs. 6 des Grundgesetzes dem generell entgegenstehen, müssen wir das Grundgesetz entsprechend ändern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU/CSU.)




Kubitza
Die drei Länder Belgien, Frankreich und die Niederlande sind uns hier weit voraus. In Belgien stehen 93% der Vierjährigen und 95 % der Fünfjährigen in der vorschulischen Erziehung, in Frankreich sind es 65% der Vierjährigen und 91,6% der Fünfjährigen und in den Niederlanden 70% der Vierjährigen und 88 % der Fünfjährigen. Meine Damen und Herren, Psychologen und Pädagogen führen bereits seit einiger Zeit die Diskussion um 'die ungenutzten Bildungsfähigkeiten des Kleinkinds und über eine grundlegende Änderung der Kindergartenerziehung und der Grundschulpädagogik.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514622600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage'?

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0514622700
Ja, bitte!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514622800
Frau Dr.
Wex.

Dr. Helga Wex (CDU):
Rede ID: ID0514622900
Herr Kollege, sind Sie wie ich der Meinung, daß wir bei den Überlegungen über die Situation der Kinder in der Bundesrepublik die in der Öffentlichkeit jetzt viel diskutierte Frage der Vorschulzeit und deren Gestaltung nicht außer acht lassen dürfen und vor allem darauf achten müssen, daß das Leistungsprinzip unserer Gesellschaft nicht unüberlegt in die Kindergärten und in die Vorschulzeit übernommen wird?

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0514623000
Ja, gnädige Frau, Sie nehmen mir hier etwas vorweg, was ich gerade beantworten will.
Ich sagte, daß Psychologen und Pädagogen bereits seit einiger Zeit die Diskussion über die ungenutzten Bildungsfähigkeiten des Kleinkinds und über eine grundlegende Änderung der Kindergartenerziehung und der Grundschulpädagogik führen. Während die einen sagen, daß sich das Intelligenzniveau der Vier- und Fünfjährigen durch frühes Lesen-, Schreiben-, Rechnen- und Fremdsprachenlernen wesentlich erhöhen ließe, warnen die anderen vor einem zu frühen, einseitigen Ansprechen der rationalen Kräfte. Das Kind lebe heute in einer veränderten Umwelt, wobei es sich mit immer mehr Reizen und komplizierteren Sachverhalten auseinanderzusetzen habe. Die Folge sei, daß heute bereits 20 his 30 % der Kinder neurotisch seien.
Film, Radio, Fernsehen, Reklame mit ihrem großen Reizangebot drängen das Kind in eine rezeptive, d. h. ständig nur aufnehmende Haltung zurück, die ihm den gesunden Ausgleich zwischen eigenem Probieren und eigenständigem aktiven Handeln und dem bloßen Eindrückesammeln verwehrt. Mangel an Spielraum, ungeeignetes Spielzeug, das den gestaltenden Kräften zu wenig Möglichkeiten bietet, und mangelnde Kenntnisse der Eltern bringen es mit sich, daß unsere Kinder keinen kindgemäßen Lebensraum finden, in dem sie sich auf ihre Art den Lebensbedingungen anpassen können. Die größten Gefahren unseres modernen Lebens für unsere Kinder liegen in der Einengung und Verhinderung der produktiven Eigentätigkeit und der Entwicklung der Phantasiekräfte, die die Voraussetzung zur Heranbildung der Intelligenz sind. Es sollte meines Erachtens möglich sein, beide Vorstellungen zu einem Zusammenklang zu bringen in einer vorschulischen Erziehung, die dann Ziel und Methode der Kindererziehung in Elternhaus und Kindergarten bestimmt.
Meine Damen und Herren, ein Wort zum Schuleintrittsalter. Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, daß die starre administrative Festlegung auf Vollendung des sechsten Lebensjahres nicht mehr zu halten ist, daß wir eine flexible Lösung anstreben müssen, die dem schulreifen Kind den Eintritt schon vorher ermöglicht.
Eine weitere Forderung — das deckt sich mit dem, was Herr Kollege Hauck vorgetragen hat -- gilt der Errichtung eines Forschungsinstituts für Kleinkindpädagogik, das vordringlich folgende Probleme zu 'erforschen hätte: erstens die Grenzen der Erziehung des Kleinkindes in der heutigen Kleinfamilie, zweitens Inhalt und Möglichkeiten des Bildungsauftrags der von uns als obligatorisch geforderten Vorschulstufe im Rahmen der Schulkindergärten, drittens Überprüfung und behutsame Erprobung der von mir bereits angesprochenen Einsichten auf dem Gebiet der Lern- und Kinderpsychologie mit dem Ziel, zu einer Synthese zu kommen.
Die schriftliche Antwort auf die Große Anfrage unterstreicht die von der SPD-Fraktion gestellte und von meiner Fraktion zu stellende Forderung nach einer fortzuschreibenden Jugendhilfestatistik und einer fortlaufenden Bedarfsfeststellung für diesen gesamten Bereich.
Der Katalog dieser Forderungen wäre unvollständig ohne ein paar Worte zur Stellung der Kindergärtnerinnen oder Erzieher, wie dieser Beruf z. B. in einigen Ländern genannt wird, zu sagen. Ihre Zahl ist heute schon zu gering. Der Mangel wird sich ins Katastrophale steigern, wenn wir die Pläne der Vorschulerziehung verwirklichen wollen. Ihre Einstufung in BAT VII trotz der notwendigen qualifizierten Ausbildung dürfte manchen Begeisterten von diesem Beruf abschrecken. Aus einem Gespräch mit einem Sachkundigen habe ich entnommne, daß sich viele Männer für diesen Beruf des. Kindergärtners entscheiden würden, wenn die Entlohnung besser wäre. Wir fordern deshalb eine Anhebung der Besoldung der Kindergärtnerinnen, ihre Einbeziehung in Stipendienmöglichkeiten sowie Werbemaßnahmen und eine bessere Publizierung des Berufsbildes.
Abschließend zur Thematik der Vorschulerziehung ein paar Gedanken zum behinderten Kind. Die Möglichkeiten und Aussichten, einem geistig oder körperlich behinderten Kind zu helfen, sind am größten in der Vorschulzeit, im Alter zwischen dem dritten und dem sechsten Lebensjahr. Eine Nutzung dieser Möglichkeiten setzt eine rechtzeitige Aufnahme in einen Sonderkindergarten voraus. Da die Eltern oft aus Unkenntnis oder Scham es versäumen, ihr Kind einer möglichst frühen Behandlung zuzuführen, fordern wir die Verbesserung der durch das Bun-



Kubitza
dessozialhilfegesetz gegebenen Untersuchungsmöglichkeiten. Wir meinen, daß diese Untersuchung im Alter von drei Jahren erfolgen sollte, wobei ein Team, bestehend aus einem Arzt und einem Psychologen, den Gesundheitszustand und die geistige Entwicklung des Kindes begutachten sollte. Auf Grund dieses Ergebnisses kann dann den Eltern geraten werden, ihr Kind in einem heilpädagogischen Sonderkindergarten behandeln zu lassen.
Meine Damen und Herren, einen letzten Schwerpunkt möchte ich der Frage des Erziehungsziels in unserer heutigen Gesellschaftsordnung widmen sowie den Wegen und Methoden, dieses Ziel zu erreichen. Die Beantwortung dieser Frage durch Eltern und Erzieher wird entscheidend dafür sein, ob die Demokratie nicht nur als Staatsform uns erhalten bleibt, sondern auch als Lebensform angenommen wird.

(Beifall bei der FDP.) -

Die Schwierigkeiten, die uns die Kinder machen — wer könnte hier kompetenter darüber urteilen als ein Vater von fünf Kindern —,

(Zuruf: Einer mit acht Kindern!)

werden immer größer. Die Eltern werden mit ihren Kindern nicht mehr fertig. Sie wissen aber auch nicht, wie sie diesen Schwierigkeiten begegnen können. Sie merken zwar, daß die traditionellen Erziehungsmethoden mit Belohnung und Strafe, mit Befehl und Gehormsam, mit dem Grundsatz: Kinder soll man sehen, aber nicht hören; sie haben sich zu
unterwerfen, oder: du hast zu tun, was ich sage, nicht mehr wirksam sind. Die Fähigkeit, Kinder aufzuziehen, scheint verlorengegangen zu sein. Frühere Generationen brauchten dazu keine Anleitung, weil sie im großen Familienverband mit diesen Kenntnissen aufwuchsen. Woher sollen aber die jungen Eltern von heute wissen, wie man mit einem Kind umgeht und was es zu einem gesunden seelischen Wachstum braucht? Wie man ein Kind aufzieht, haben sie nie und nirgends erfahren. Erst in unserer Zeit wurde es notwendig, an Elternerziehung zu denken.
Warum? — Einer obrigkeitsstaatlichen Gesellschaft entsprach sehr genau ein autoritärer oder doch patriarchalischer Erziehungsstil. Ziel und Mittel waren adäquat. Unserer Gesellschaftsordnung ist es aufgegeben, zur Freiheitsfähigkeit zu erziehen. Und das werden wir nur erreichen, wenn die Erziehungsmittel diesem Erziehungsziel entsprechen. Die zunehmende Demokratisierung unseres Lebensstils setzt voraus, daß wir von den autokratischen und selbstherrlichen Erziehungsmethoden der Vergangenheit zu unserer Zeit gemäßen demokratischpartnerschaftlichen Methoden finden. Leider kennen aber die meisten Eltern noch nicht die neuen, auf demokratischen Grundsätzen beruhenden Methoden.

(Unruhe bei der CDU/CSU.)

Ich bin gerne bereit, allen die Quellen zu vermitteln, aus denen ich selber schöpfe.
Kinder sind für Veränderungen des sozialen Klimas, das sich eben aus der Demokratisierung ergeben hat, sehr empfänglich und empfindlich. Man
meint, sie saugen es mit der Muttermilch ein. Daraus ergibt sich eben die Schwierigkeit, daß die Eltern, die heute gegen diesen Strom zu schwimmen versuchen, allemal Schiffbruch erleiden.
Auch das Aufbegehren der Schüler und Studenten richtet sich in seinem gesunden Kern gegen jenes Autoritätsprinzip, das sich auf Titel und erworbene Rechte gründet. Sie wollen Autorität, die auf geistiger Überlegenheit beruht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Mit Unterschieden, Herr Kubitza!)

Meine Damen und Herren, hier liegt noch ein weites Feld vor uns, nicht nur in der Aufklärung und in der Zurverfügungstellung der vorhandenen Erkenntnisse den Eltern gegenüber, auch in unseren Schulen fehlt es vielen Lehrern an dem Wissen über die neuen Methoden. So werden beide Methoden vermischt, was dann weder eine autokratische noch eine demokratische Erziehung ergibt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend folgendes sagen: Was wir im Kindesalter versäumen, läßt sich später nur unter sehr erschwerten Bedingungen nachholen, führt teilweise zu irreparablen Schäden und kostet ideell und materiell ein Vielfaches von dem, was es kostet, wenn wir es jetzt tun.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514623100
Ich unterbreche die Sitzung bis 15.00 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.11 bis 15.02 Uhr.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514623200
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren fort in der Aussprache zu Punkt 2 der Tagesordnung: Große Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroeder (Detmold) und Genossen betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland. Das Wort hat Frau Abgeordnete Stommel.

Maria Stommel (CDU):
Rede ID: ID0514623300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst ein Wort zu der Zwischenfrage von Frau Funcke sagen. Sie ist leider nicht im Saal. Sie hat heute morgen bezweifelt, daß die Bereitschaft zur Kinderhilfe bei der CDU so stark sei wie z. B. bei der FDP in den kommunalen Parlamenten. Aus meiner langjährigen Tätigkeit in der Kommunalvertretung darf ich hier feststellen, daß Frau Funcke wohl einem Irrtum unterlegen ist. Ich habe in meiner langjährigen Tätigkeit immer wieder erfahren, daß gerade die CDU federführend war, wenn es um Einrichtungen der Kinderhilfe ging. Was die FDP in vielen Kommunalparlamenten gefordert hat — auch das weiß ich aus der Arbeit in den verschiedenen kommunalpolitischen Gremien —, waren immer kommunale Einrichtungen. Dabei hat sie, glaube ich, nicht so recht die große Arbeit erkannt, die die freien Träger für uns geleistet haben. Manche Kommunen stünden heute in noch größeren finanziellen



Frau Stommel
Schwierigkeiten, wenn sie nicht die freien Träger hätten, die ihnen die Kindergärten führten und ihnen dadurch große finanzielle Opfer abnahmen. Das muß man um der Gerechtigkeit willen einmal feststellen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514623400
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0514623500
Frau Kollegin, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß die Kollegin Frau Funcke keineswegs das beanstandet hat, sondern lediglich darauf hingewiesen hat, daß in manchen Gremien gerade im kommunalen Bereich die CDU ihre, Frau Funckes, Aufforderung, z. B. Kinderspielplätze zu bauen, abgelehnt hat? Das hat sie gesagt und nichts anderes.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)


Maria Stommel (CDU):
Rede ID: ID0514623600
Ich glaube, Frau Funcke hat es etwas anders ausgedrückt. Sie hat soeben beanstandet, daß die CDU kein großes Interesse an der Arbeit der Kinderhilfe habe, so wie sie das von ihrer Arbeit her sieht. Wenn sie für die FDP spricht, wird sie ihre Partei dabei natürlich in den Vordergrund stellen. Aus meiner langjährigen Tätigkeit muß ich aber schärfsten Protest einlegen. Die CDU ist es immer wieder gewesen, die Einrichtungen dieser Art gefordert hat, die aber auf der anderen Seite auch die ungeheure Arbeit und die Verdienste der freien Träger auf diesem Gebiete anerkannt hat.

(Zurufe von der FDP: Auch die anderen Parteien!)

— Nein, ich glaube, so war es nicht.
Aber ich darf jetzt zu dem Problem der Kindergärten kommen und darf mich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ab und zu auch einmal an mein Konzept halten. Die Einrichtungen der Kinderhilfe blicken auf eine lange Tradition. In fast 200jähriger Entwicklung haben sie ihre jetzige, zeitgemäße Form gefunden. Vor vielen Jahren waren es Spielschulen und Bewahranstalten. Wer in meiner Jugend in den Kindergarten geschickt wurde, wurde mit einer sozialen Mißdeutung angesehen. Hier hat sich aber ein großer Wandel vollzogen, und ich glaube, Kindergärten sind aus unseren heutigen sozialen Einrichtungen nicht mehr wegzudenken. Sie haben ja einen anderen Charakter bekommen. Es gibt die ergänzende Bildungsarbeit von Kindergarten, Kinderhort und Schulkindergarten. Im Zusammenhang mit den Schulkindergärten ist festzustellen, daß die Zahl der Schulpflichtigen, die nicht schulreif sind, ständig wächst und daß dem Schulkindergarten in erhöhtem Maße eine Bedeutung zukommt.
Man muß sich auch fragen, weshalb die Eltern ihre Kinder heute mehr in die Kindergärten schicken, als das früher der Fall war. Das hat meines Erachtens zwei Gründe. Erstens familiäre Gründe; als familiäre Gründe sind zu nennen die Berufstätigkeit der Mutter, die Überlastung kinderreicher Mütter und der Mütter mit mehreren Kleinkindern sowie
besonders ungünstige Wohnverhältnisse. Als individuelle erzieherische Gründe können sich ergeben Erziehungsschwierigkeiten z. B. bei Einzelkindern, die zu Hause in keiner Gemeinschaft leben, bei gehemmten, unruhigen und unkonzentrierten Kindern, aber weiter auch unzulängliche erzieherische Fähigkeiten der Erziehungsberechtigten. Hier treten Tageseinrichtungen für die Kinder, und zwar nach Lage des Falles entweder Kindergarten, Kinderhort oder Kindertagesstätte entsprechend der jeweiligen Altersstufung, ausgleichend ein.
Es ist deshalb unter Beteiligung aller Verantwortlichen wissenschaftlich klarzustellen, welche Aufgaben z. B. der Kindergarten unter den heutigen Gegebenheiten zu erfüllen hat. Vor allem ist aber auch zu prüfen, wie eine wirklich phasengerechte Vorbereitung auf die Schule am besten erfolgt und wie das Grundprinzip ganzheitlicher Förderung des Kindes gewahrt bleibt.
Nach dem letzten Krieg stieg der Bedarf an Plätzen in erheblichem Umfang, in erster Linie deshalb, weil mehr Kinder als vorher der sozialen und erzieherischen Hilfe durch Kindergarten und Kindertagesstätte bedurften. Die Gründe hierfür waren nicht nur die Aufnahme einer großen Zahl von Vertriebenen, Flüchtlingen und Evakuierten sowie die Ansiedlung von Industrien und der dadurch bedingte Zuzug von Aussiedlern, sondern auch die Umstrukturierung der Städte durch die Entstehung neuer großer Siedlungsgebiete an der Peripherie der Städte, die überwiegend von jungen Familien bewohnt sind. Hier in diesen neuen Siedlungen, die, wie gesagt, meistens von jungen Familien bewohnt sind — man spricht hier von einem Baby-Boom, da es so viele kleine Kinder in diesen Siedlungen gibt —, ist der Andrang zu den Kindergärten dermaßen stark, daß man sich in den Kommunen und bei den freien Trägern überlegen muß, wie man die Kinder überhaupt aufnehmen kann. Und da kommt es dann zu einer gewissen Tragik für die Kleinkinder. Man kann die Drei- bis Fünfjährigen einfach nicht mehr aufnehmen, weil keine Plätze da sind; man nimmt nur die Fünfjährigen auf, um ihnen den Übergang zur Schule zu erleichtern. Das sind Schwierigkeiten, an denen man nicht vorbeisehen darf.
Aber auch die vermehrte Berufstätigkeit der Mütter war ein Grund für den verstärkten Zugang zu den' Kindergärten. Wie der vom Ministerium für Familie und Jugend erstellte Bericht sagt, gab es 1965 im Bundesgebiet einschließlich Berlin rund 950 000 Plätze in Kindergärten und Kindertagesheimen. Davon gehörten aber — das muß hier besonders erwähnt werden — 78% freien Trägern der Jugendhilfe. Diesen Trägern ist ganz besonderer Dank auszusprechen.
Milliardenbeträge wurden bereits investiert, und mehrere hundert Millionen DM werden jährlich als Betriebsaufwand von den Gemeinden aufgebracht. Wie ich eben schon ausführte, können die Gemeinden den freien Trägern immer wieder dankbar sein, daß sie ihnen einen Großteil der Einrichtungen für die Kinderhilfe abnehmen.



Frau Stommel
Die rund 1 Millionen Plätze reichen aber nicht aus. Die Bundesrepublik ist gegenüber anderen europäischen Staaten im Nachteil. Die Plätze reichen nur für etwa 30% der Drei- bis Sechsjährigen aus. Der echte Bedarf an Kindergarten- und -hortplätzen ist schwer abzuschätzen. Er wird von der Wohndichte, der Frauenberufstätigkeit, der soziologischen Struktur und der baulichen Entwicklung beeinflußt. Bezüglich dieses Bedarfs gibt es keine Erfahrungssätze.
Die Bedarfsermittlung ist daher auch nicht eindeutig. So sieht z. B. der Landschaftsverband Rheinland nach seinen Erfahrungssätzen in neuen Siedlungsgebieten mit jungen Familien, in Stadtteilen mit kinderreichen und sozial schwachen Familien für jedes zweite Kind einen Kindergartenplatz und für jedes zwölfte Kind einen Kinderhortplatz vor, während andere Städte im Augenblick noch für jedes dritte Kind einen Kindergartenplatz annehmen, aber ausdrücklich betonen, daß für jedes zweite Kind — entsprechend dem wirklichen Bedarf — ein Kindergartenplatz angestrebt werden sollte.
Wie aus einer Zusammenstellung des. Instituts für internationale pädagogische Forschung hervorgeht, hat z. B. Italien 50% seiner Kinder in Kindergärten und Tagesheimen. Frankreich hat für 70% und Belgien sogar für 91% aller Kinder einen Platz in Kindergärten bzw. Kindertagesstätten.
Aus dem vorgelegten Bericht geht hervor, daß die verfügbaren Plätze in den Kindergärten bei weitem nicht ausreichen. Um so unverständlicher sind uns die starken Kürzungen der Mittel in den verschiedenen Bundesländern, mit denen Neueinrichtungen ermöglicht werden sollen. Darin kann man nur einen weiteren Abbau lebensnotwendiger familienfördernder Maßnahmen sehen.
Der wertvolle und heute so notwendige Beruf der Kindergärtnerin muß in der Öffentlichkeit durch alle Verantwortlichen und Beteiligten, insbesondere durch die Eltern, zu größerem Ansehen gebracht werden. Die immer noch verbreitete Unterbewertung dieses Berufs hindert den Zugang an geeignetem Nachwuchs und zerstört in bedauerlichem Ausmaß die an sich vorhandene Bereitschaft der jungen Menschen.
Es wäre auch zu begrüßen, wenn sich Verheiratete, die als Kindergärtnerinnen ausgebildet worden sind, später den beruflichen Aufgaben wieder zur Verfügung stellen, soweit es die eigene Familie nicht belastet. Hierfür müßten allerdings von seiten des Gesetzgebers geeignete Voraussetzungen in steuerlicher und versicherungsmäßiger Hinsicht geschaffen werden. Wir können immer wieder betonen, daß der Kindergarten nicht die Arbeit der Mutter ersetzen kahn. Der Kindergarten kann immer nur eine Hilfe sein, in der heutigen modernen Welt eine geeignetere Hilfe, als es sie jemals gab.
Die Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge sagt zu diesem ganzen Problem in einem Memorandum, daß die Bundesrepublik, wenn sie den Anschluß an die internationale Entwicklung auf dem Gebiet ,der Vorschulerziehung wiedergewinnen wolle, erhebliche Anstrengungen auf diesem
Gebiet zu machen habe. Die Lösung dieses Problems ist, wie das Gutachten .des Deutschen Ausschusses für Erziehung und Bildungswesen sagt, eine Probe auf die Menschlichkeit in einer Gesellschaftsordnung, ob in ihr diejenigen zu ihrem Recht kommen, die es selber noch nicht fordern können.

(Beifall bei ,der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514623700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0514623800
Herr Präsident! Meine Damen unid Herren! Dies ist heute die erste Plenardebatte ,des Deutschen Bundestages im neuen Jahr, und sie beschäftigt sich mit der Situation der Kinder. Da laut Beschluß der Generalversammlung der Vereinten Nationen dieses Jahr zum Internationalen Jahr ,der Menschenrechte erklärt worden ist, möchte ich einleitend die große Weisheit derjenigen hervorheben und loben, ,die uns diese „Terminsymbolik" ermöglicht haben. So hat die verspätete Beantwortung der Großen Anfrage doch noch etwas Positives gebracht, .das zwar auf 'der einen Seite eine große Verpflichtung bedeutet, uns aber andererseits ermöglicht, vor der Welt darauf hinzuweisen, daß wir dieses Jahr der Menschenrechte mit einer Debatte über die Situation der Kinder begonnen haben.
In der Europäischen Sozialcharta, die im Zusammenhang 'damit zu sehen ist, heißt es:
Kinder und Jugendliche haben das Recht auf besonderen Schutz gegen körperliche und sittliche Gefahren, denen sie ausgesetzt sind.
Oder:
Jeder Behinderte hat das Recht auf berufliche Ausbildung sowie auf berufliche und soziale Eingliederung oder Wiedereingliederung ohne Rücksicht auf Ursprung und Art seiner Behinderung.
Weiter:
Mütter und Kinder haben, unabhängig vom Bestehen einer Ehe und von familienrechtlichen Beziehungen, das Recht auf angemessenen sozialen und wirtschaftlichen Schutz.
Damit bin ich unversehens schon beim nächsten Punkt ,der Tagesordnung, unid ich möchte mich schnell wieder ein wenig zurückziehen. Diesen Tatbeständen und Maximalforderungen gesellschaftspolitischer Art steht ein bitterböser Satz in der Antwort der Bundesregierung gegenüber, nämlich der Satz, daß Vorbehalte der Gesellschaft gegenüber den Fragen der Behinderten, insbesondere der geistig Behinderten, noch abgebaut werden müssen. Wir sollten uns deshalb heute doch noch einmal fragen: Wie sieht denn nun 'diese „kinderpolitische Landschaft" eigentlich aus?
Nehme ich ,die Antwort der Bundesregierung, so kann ich nicht umhin, zugeben zu müssen: sie sieht erträglich aus, wenngleich durchaus offenbart wird, daß noch vieles zu tun ist und noch sehr viel in Angriff genommen werden muß, und wenngleich klarwird, daß die nächsten Jahre für uns große Auf-



Dr. Meinecke
gaben bringen. Erträglich? Ich weiß es nicht ganz, und ,dieses Nichtwissen ist bei mir das Beunruhigende.
Es gibt noch eine andere „kinderpolitische Landschaft", und wenn ich die Darstellungen in Funk und Fernsehen sowie die Schilderungen in den Zeitungen und Illustrierten nehme, so bin ich nicht imstande, von vornherein zu behaupten, dieses Bild sei überzeichnet.
Und es gibt noch eine dritte Darstellung dieser ,;Landschaft", nämlich die Veröffentlichungen rein sachlicher, wissenschaftlicher Art, die sich mit den Säuglingsheimen, mit den Anstalten, mit der Zahl der Sonderschulen und der Plätze in diesen Sonderschulen auf der einen Seite und mit der großen Zahl der sonderschulbedürftigen Kinder auf der anderen Seite beschätigen. Ich muß sagen: dieses Bild stellt sich mir bei rein sachlichem Studium der Unterlagen schwärzer und unerträglicher dar, als es heute hier zum Ausdruck gekommen ist. Deshalb bin ich nicht in der Lage, meinen politischen Auftrag heute so zu erfüllen, wie es mir vorschwebte, nämlich einige gesundheitspolitisch bedeutsame Dinge herauszugreifen und sie ein wenig zu beleuchten. Denn ich würde mir vorkommen wie ein Kuchenbäcker, der aus einer breit ausgewalzten Masse von Teig mit Formen seine Sternchen und Plätzchen herausgestanzt und herausgebohrt hat und nun diese einzelnen Sternchen und Plätzchen kritisch oder auch wohlwollend betrachtet; es fehlt mir aber der verbindende Teig. Mit dem verbindenden Teig meine ich die sozialmedizinische und sozialhygienische Analyse: wie steht unsere Gesellschaft heute zur Welt des Kindes, wie versteht sich unsere Welt der Erwachsenen, und wie läßt sich das mit den Ansprüchen unserer Kinder heute auf einen Nenner bringen?
Dazu nur einige Beispiele. Wenn hier von den Kindergärten die Rede ist, dann interessiert mich nur eine einzige Zahl: Wie groß ist die Zahl der Kindergärten, die nach der mittelfristigen Finanzplanung der Länder in den nächsten fünf Jahren erstellt werden sollen? Nichts weiter interessiert mich. Über diese Frage werden wir hier bald einmal reden müssen. Ich habe das bitterböse Gefühl, daß alle diese Sektoren in der mittelfristigen Finanzplanung zu kurz kommen.
Dann sprechen wir hier von Haltungsschäden. Ich habe die Zahlen zur Kenntnis genommen, die auf Grund von Statistiken mitgeteilt worden sind, die bei schulärztlichen Untersuchungen in Berlin erstellt worden sind. Herr Minister, Sie haben zugegeben, daß diese Statistik nicht repräsentativ sei. Sie meinten, es zeichne sich der Eindruck ab, die Zahlen hätten nicht zugenommen. Ich kenne auch andere Statistiken. Ich kenne Statistiken, die auf Grund von Untersuchungen erstellt worden sind, die sehr große Ersatzkassen haben durchführen lassen. Diese Kassen haben seit zehn, fünfzehn Jahren jährlich Taufende von Kindern untersuchen lassen. Ich gebe zu, daß es sich hierbei vielleicht um ein Kollektiv gehandelt hat, das irgendwie erholungsbedürftig war. Aus diesen Statistiken ergibt sich, daß in den Jahren von 1958 bis 1966 die Haltungsschäden von
etwa 5 auf 18% zugenommen haben, daß 22 % der Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren vegetative und nervöse Störungen hatten und daß diese Störungen bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren — sagen wir — von 3% auf 12 % zugenommen haben. Ich frage mich: wie ist denn das eigentlich möglich, wie kann das sein? Diese Statistiken sollte man auch einmal beleuchten.
Solange wir hier nicht eine umfassende Gesundheitsstatistik der Jugendlichen von der frühen Kindheit an bis zur Ausschulung haben, die auch mit den Ergebnissen der Musterungsunterlagen vergleichbar ist, bin ich nicht in der Lage, auf der einen Seite zu behaupten, daß sich etwas gravierend verändert hat und daß eine bedrohliche Situation da ist, bin ich aber auch nicht in der Lage, auf der anderen Seite abzustreiten, daß so etwas möglich ist; ich bin auch nicht bereit hinzunehmen, wenn gesagt wird, die Situation sei nicht ernst und kritisch.
Es wurde hier nach Haltungsschäden bei der Einschulung gefragt. Meine Damen und Herren von der CDU, diese Frage ist falsch gestellt. Vielleicht sind die Haltungsschäden in der ersten Zeit nach der Einschulung völlig unwichtig; vielleicht werden die Haltungsschäden erst in den auf die Einschulung folgenden Jahren gravierend? Auch das müßten wir wissen. Daraus könnten sich vielleicht sehr wichtige Rückschlüsse für uns ergeben, wie die Innenarchitektur unserer Schulen gestaltet sein sollte. Ich weiß das alles nicht. Aber das ist eben das Beunruhigende.
Wenn wir uns heute über das Schicksal der geistig, seelisch und körperlich behinderten Kinder unterhalten, müssen wir zugleich eine politische Frage stellen: nämlich die Frage nach der Novellierung des Bundessozialhilfegesetzes. Hier sind noch Unzulänglichkeiten zu verzeichnen. Diese Dinge sind ¡seit ein, zwei Jahren im Gespräch. Sie sind auch von Ihnen, meine Damen und Herren, in der Fragestunde immer wieder angebohrt worden. Sie, Frau Blohm, und auch mein Kollege Rollmann aus Hamburg haben immer wieder gebohrt. Es kam dann von der Regierungsbank die Antwort, die Novellierung des Bundessozialhilfegesetzes sei in Arbeit, und diese Novellierung werde demnächst erfolgen. Wir werden heute unsere Forderung wiederholen müssen!
Ich erinnere an eine äußerst interessante Statistik im Jugendbericht über die Sterbefälle von Jugendlichen im Alter von 1 bis 25 Jahren. Was sagt eine Statistik über Sterbefälle einer Altersgruppe von 1 bis 25 Jahren für unser heutiges Thema aus? Gar nichts. Für uns ist heute interessant, wie stark Kinder beispielsweise von der Zunahme der Verkehrsunfälle betroffen sind; uns interessiert, wie stark Kinder von der Zunahme ,der häuslichen Unfälle durch Apparate, Apparaturen und Vergiftungen betroffen sind. Hier erwarten wir in den nächsten Jahren eine nach Altersgruppen ,differenzierte Statistik, damit entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können. Eine Maßnahme — eine! — schlagen wir Ihnen heute schon vor, obwohl wir bekennen müssen, daß wir damit nur 12% — diese Zahl steht fest — der tödlichen Kinderunfälle erfassen können,



Dr. Meinecke
Hause zur Schule oder auf dem Rückweg von der Schule ereignen.
Wir möchten lobend eine Hamburger Regelung erwähnen, die in der Bundesrepublik einzigartig dasteht, nämlich eine gesamtstaatliche Verantwortung, allerdings subsidiär, aber immerhin. Wir möchten anregen, daß das geprüft wird, und haben einen entsprechenden Antrag vorgelegt, der nachher noch von meinem Kollegen Bayerl begründet werden wird.
Ich will heute keine langen Ausführungen mehr machen. Ich möchte nur noch eines sagen. Mein Kollege Hauck hat in der letzten Debatte des vergangenen Jahres die Frage gestellt: Leben wir eigentlich in einer kinderfreundlichen Gesellschaft? Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, bedeutende Pädiater in der Bundesrepublik vor diese Frage zu stellen. Sie haben mir ziemlich übereinstimmend den Eindruck vermittelt: Jawohl, wir sind eine kinderliebende Gesellschaft, aber unsere Kinderliebe endet an den Grenzen der eigenen Familie. Die Nachbarkinder schon und die, die uns stören, und die, die wir nicht mögen, und die, die zuviel da sind, — denen gegenüber sind wir schon sehr reserviert. Manche der mißlichen Tatbestände von der Entführung und der Verführung und anderen kriminellen Dingen angefangen bis zu vielen anderen mißlichen Tatbeständen wären heute vielleicht nicht so bedeutsam und so bedrohlich, wenn unsere Bürger ganz allgemein etwas mehr Achtsamkeit, etwas mehr Sorgfalt, etwas mehr Mühe darauf verwendeten, auch dem Fremden und insbesondere dem fremden Kind auf der Straße und in der Öffentlichkeit ihre Beachtung und ihre Aufmerksamkeit zu widmen.

(Beifall bei der SPD.)

Noch eines! Unsere Gesellschaft starrt heute fasziniert auf das Phänomen „Jugend". Sie beschäftigt sich mit den sexuellen Problemen dieser Jugend, mit der Sexualerziehung, sie beschäftigt sich mit den absonderlichen Erscheinungen der Protestaktionen dieser Jugend. Ich kann nur eines 'sagen: vergessen wir über diesem Starren auf das Phänomen nicht die Altersgruppe, bei der wirklich erzieherisch und heilpädagogisch, gesundheitlich und humanitär ganz allgemein die ersten Hebel angesetzt werden müssen, nämlich die Gruppe unserer Kleinen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514623900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0514624000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte wenige Bemerkungen zu drei Punkten machen, 1. zu den Erziehungsberatungsstellen, 2. zu heilpädagogischen Heimen, oder, wie es in dem Bericht heißt, zu den Dauerheimen und 3. zur Sexualerziehung. Es war ja unüberhörbar, ,daß der Minister das Schwergewicht auf diese drei Gegenstände gelegt hat. Ich glaube auch, daß man von hier aus den richtigen Zugang zum Kern ,der Sache hat, um den es heute ganz offensichtlich geht.
In den Erziehungsberatungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland haben sich Arbeitsgruppen zusammengefunden, die aus Nervenärzten, aus Psychologen, Sozialarbeitern und Pädagogen bestehen, die sich in mehrdimensionaler Diagnostik und in mehrdimensionaler Behandlung mit Kindern und ihren Nöten beschäftigen. Dieser Ansatz ist nicht willkürlich gewählt, sondern ergibt sich 'aus dem Zwang der Sache. Was wir heute von Kindern wissen, ist derart, daß von einer 'einzigen Disziplin her nichts mehr zu erreichen ist. Wenn man sich die Entwicklung eines Menschen ansieht, ist das Auffälligste, daß die Entwicklungskurve in Kindheit und Jugend nicht gradlinig aufsteigend verläuft, sondern daß sie über krisenhafte Wendepunkte zu seelischem Gestaltwandel führt. Das flagranteste Beispiel ist zweifellos der Vorgang der Pubertät, wo wir tiefgreifende biologische Wandlungen und Umwandlungen des Gefühls- und Willenslebens erleben, Umwandlungen im Verhältnis zum Menschen, Ablösung der Autorität und Verselbständigung des Menschen. Aber das ist gar nicht der entscheidende Punkt. Ich möchte hier an 'die Ausführungen des Herrn Kubitza anknüpfen. Die kopernikanische Wende, die Sigmund Freud in der Betrachtung des Menschen und des Kindesalters herbeigeführt hat, besteht in verschiedenen Dingen. Sie besteht unter anderem darin, daß wir heute wissen, daß die Zeit von zwei bis fünf Jahren, Herr Kubitza, nicht primär ,die Intelligenz 'ausprägt, sondern die affektiven Verhaltensmuster, die sich im Umgang mit den Eltern bilden, in Spruch und Widerspruch. Dias ist das, was Freud die „ödipale Phase" nennt. Da sind Sie etwas im Irrtum. Mit der Intelligenz hat es wenig zu tun, vielmehr mit der Grundverfassung, die unsere Affektivität lebenslänglich bestimmt.
Das ist die eine große Sache, die man kennen muß. Wenn man betrachtet, daß es sich auch dabei um einen biologischen Reifungsvorgang mit dazugehörigem seelischen Wandel, mit Folgen im Verhalten handelt, so ist klar, daß so etwas nur von einem Team aus Fachleuten, wie ich es eben beschrieben habe, beherrscht werden kann. Ich glaube, 'das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man einmal festhalten muß und der für uns als Politiker weitergreifende Folgen hat. Derjenige, den es weiter interessiert, 'sei darauf hingewiesen, daß Mitscherlich in seinem letzten Buch „Die Unfähigkeit zu trauern" diesen Vorgang zum Ausgangspunkt einer politischen Betrachtung gemacht hat, und zwar, wie ich glaube, mit Recht. Er weist darauf hin, daß die autoritären Erscheinungen in einer Gesellschaft und in einem Staat, der formal Freiheit gewährt, nicht durch politische Vorgänge primär, sondern durch die Verhaltensmuster falscher Erziehung in den ersten fünf Jahren entstehen. Das kann nachgelesen werden; ich will es hier nicht noch einmal nacherzählen.
Ich möchte nur folgendes sagen. Eine Grundbedingung heute ist, daß der antipsychologische Affekt, den es in Deutschland gibt, 'abgebaut wird, weil er hinderlich ist. Ich möchte das nur am Rande sagen.
Dieser Betrachtungsweise verdanken wir eine neue Sicht bei den Verhaltensstörungen der Ju-



Dr. Martin
gendlichen. Wir haben früher von „schwer Erziehbaren" und „Verwahrlosten" gesprochen und haben uns immer im wesentlichen darauf berufen, daß es die Erblichkeit ist, die die Erscheinung hervorruft. Wir wissen heute, daß die Persönlichkeitsbildung in hohem Maße von der Umwelt — Eltern, Familie, soziale Welt — hervorgebracht wird, und wir reden lieber von „Milieuschäden", von „epochalen Schäden", von „Sozialschäden", von „Erlebnisreaktion", von „Neurosen", von „Konflikten", weil wir wissen, daß das Dinge sind, die bei einem jungen Menschen in dier Auseinandersetzung mit seiner Umwelt entstehen und die insofern nicht schicksalhaft sind, weil sie trätabel sind; man kann sie angehen und man kann sie auflösen.
Ich glaube — und deshalb trage ich das vor —, daß es für das ganze Gebiet entscheidend wichtig ist, den Gesichtspunkt der Teamarbeit organisatorisch endgültig durchzusetzen. Die Darstellung des Ministers, nach der es ungefähr 420 Beratungsstellen in Deutschland geben soll, muß noch einmal kritisch untersucht werden. Tatsächlich gibt es so viele. Aber eine Beratungsstelle im eigentlichen Sinne des Wortes darf nur eine solche genannt werden, die ein komplettes Team aufweist, weil alles andere nach der heutigen wissenschaftlichen Lage Kurpfuscherei ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist anzustreben.
Zweitens. Ein Überblick über die Zahl der Erziehungsberatungsstellen ist schwer zu gewinnen. Ich beschränke mich zunächst einmal auf mein eigenes Land Hessen. Wir haben in Hessen 23 solcher Erziehungsberatungsstellen, von dienen allein 10 nach Frankfurt gehören. Wenn Sie das umrechnen, sehen Sie, daß in Frankfurt auf 75 000 Einwohner eine Erziehungsberatungsstelle kommt, auf ganz Hessen umgerechnet eine Beratungsstelle auf 200 000 Menschen. Die richtige Zahl, die Richtzahl, die erreicht werden muß, ist 1 : 50 000. Diese Zahl ist nicht willkürlich gewählt. Natürlich sind die Administratoren in Verlegenheit, wenn man ihnen die Frage stellt: wieviel braucht man denn? Dazu ist zu sagen, daß der Bedarf erst sichtbar wird, wenn man die Stelle selber eingerichtet hat.
Die Zahl 1 : 75 0100 in Frankfurt beinhaltet, daß noch eine Wartezeit von drei bis fünf Monaten besteht. Der Bedarf ist erst sichtbar geworden, nach- dem die Stellen eingerichtet worden waren. Nehmen Sie mir aber bitte ab, daß das Verhältnis bei 1 : 50 000 liegen muß. Das ist das Minimum dessen, was man tun kann.
Ich will jetzt einmal nüchtern darüber sprechen, was das finanziell und für die ganze Arbeit i bedeutet. Eine Erziehungsberatungsstelle, wie ich sie schildere, kostet dm Jahr rund 150 000 DM. Sie ist in der Lage, 300 neue Fälle zu diagnostizieren. — d. h. jeden Tag einen; die Gruppe braucht einen ganzen Tag, um das durchzuarbeiten —, und kann 200 Rückläufe, Elternbesprechungen und dergleichen durchführen. Wenn ich das zugrunde lege, dann kostet ein Fall 300 DM
Nun muß man wissen, daß diese Stellen — das hat der Minister mit Recht ausgeführt — von hoher prophylaktischer Intensität sind. Ich habe zufällig gerade heute morgen eine Darstellung des bayerischen Landesjugendamts gesehen, in der für einzelne Bezirke nachgewiesen wird, daß die prophylaktische Tätigkeit der Erziehungsberatungsstellen Heimunterbringungskosten in Höhe von 2,7 Millionen DM in einem Bezirk eingespart hat. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Ich will ihn einmal so präzisieren. Wir müssen in der Fürsorge für die schwierigen Kinder rigoros umschalten von der bloßen Heimunterbringung in die Prophylaxe und in die Nähe der Familie.
,(Beifall.)

Es ist einfach nicht einzusehen, daß ein Kind unbedingt in einem Heim schlafen muß, wenn man die therapeutischen, psychagogischen und ärztlichen Mittel in der Hand hat, um den Kindern zu helfen. Glauben Sie mir bitte, ich rede hier nicht vom blauen Himmel, sondern aus einer langen Erfahrung in dieser Arbeit. Ich halte eis für einen kardinalen Punkt, daß hier etwas getan wird.
Was ist zu tun, meine Damen und Herren? Das Jugendwohlfahrtsgesetz — das ist nicht mein Fach; ich bitte die Fachleute um Entschuldigung, wenn die Paragraphen jetzt im einzelnen vielleicht nicht stimmen — sieht in § 5 Abs. 1 als Pflichtaufgabe der Jugendämter vor, daß sie Einrichtungen zur Beratung zur Verfügung stellen. Sie müssen also beraten können. Es sind aber natürlich nicht die Institutionen für Erziehungsberatung getroffen. Worauf ich hinaus will, ist folgendes. Wir müssen uns überlegen, auf welche Weise wir von einer Kann-Vorschrift zu einer Pflichtaufgabe kommen, entweder indem das Jugendwohlfahrtsgesetz novelliert, präzisiert oder verdeutlicht wird oder indem man die Sache im Bundessozialhilfegesetz unterbringt. Die 'Erziehungsberatungsstellen brauchen einen definitiven Status. Ich möchte sehr darum bitten, daß das in die Ausschußberatungen aufgenommen wird.
Ich will Ihnen noch einmal verdeutlichen, was das ausmacht. Ich habe eben gesagt, ein solcher Fall kostet 300 DM. Ein gutes Heim verlangt heute — muß es verlangen — für einen Platz im Jahr zwischen 6000 und 9000 DM. Eine heimpädagogische Betreuung kann sich über drei bis sieben Jahre erstrecken. Das heißt, es sind rund 100 000 DM fällig, um ein Schicksal wieder gütig zu bereinigen, ein Schicksal, das man nicht hätte aufkommen zu lassen brauchen, wenn man sich vorher mehrdimensional, aufmerksam und menschlich zugewendet der Sache sorgfältig angenommen hätte. Deshalb bitte ich dringend darum, sich dieser Sache anzunehmen. — Das ist Punkt 1.
Es gibt eine große Hemmung hierbei. Das ist die Tatsache, daß die Jugendpsychiatrie, die heute eine selbständige Disziplin ist — ich habe versucht, zu umreißen, was dazu gehört —, in Deutschland in einer geradezu katastrophalen Lage ist. Es gibt einen einzigen Lehrstuhl für Jugendpsychiatrie in Marburg — von Herrn Professor Stutte — und ein



Dr. Martin
einziges Lehrbuch, das er selber geschrieben hat, es gibt ein Extraordinariat in Frankfurt, und es gibt einen Lehrstuhl in Hamburg, der deshalb verwaist ist, weil Herr Albrecht tragischerweise vor einiger Zeit verstorben ist. Wenn man sich überlegt, was gebraucht wird und was angeboten wird, muß man sagen: Das ist ein Zustand, der eines zivilisierten Staates wirklich nicht würdig ist. Hier muß etwas Entscheidendes geschehen.

(Beifall.)

Wir müssen auch einmal in .der Forschungsgemeinschaft darüber reden, ob das nicht wirklich ein Schwerpunkt ist.
Darf ich Ihnen nebenbei eine Zahl sagen. Die Vereinigten Staaten und ,die Sowjetunion haben schen 14 000 und 15 000 Psychiater dm Land, wir haben 1000. Die Jugendpsychiater, die tätig sind, dürften .die Zahl von 15 ausmachen.
Meine Damen und Herren, ,das ist ein Punkt, der vordringlich behandelt werden muß und der unsere Aufmerksamkeit verdient. Ich wiederhole noch einmal: Es hängt alles davon ab, daß die Gesichtspunkte der mehrdimensionalen Diagnostik und Therapie gültig werden, daß wir von den Heimen als „Zuchtanstalten" definitiv herunterkommen.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Die heilpädagogischen Heime müssen natürlich im Prinzip genauso konstruiert werden, von oben nach unten. Ich möchte dazu nur wenige Bemerkungen machen. Wir sind heute noch nicht aus dem Stadium heraus, daß alles, was anfällig und auffällig ist, in einem Heim versammelt wird. Das ist ein schweres Handicap. Es ist ein Unterschied, ob ich mit oligophrenen Kindern arbeiten muß oder ob ich Kinder vor mir habe, die intellektuell nicht reduziert, aber affektiv schwer gestört sind. Diese zweite Gruppe ist der psychotherapeutischen Behandlung zugänglich, die andere bedarf :strikter pädagogischer Methoden. Wenn man beide Gruppen undifferenziert in einem Heim unterbringt, hemmt man die ganze Arbeit; man kommt zu hohen Kosten und wird im Grunde genommen niemandem gerecht. Das heißt, man muß 'die Heime viel stärker differenzieren und muß sie zielgerecht ansetzen.

(Beifall auf allen Seiten.)

Ich möchte sagen — obwohl es eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist —: wir müssen alles daransetzen, daß der moderne Gesichtspunkt der Familiengruppe in den Heimen 'durchgesetzt wird. Klassisch ist .die Gliederung im Waisenhaus des 19. Jahrhunderts, wo man 'die Kinder jahrgangsmäßig zusammenfaßte. Heute wissen wir, daß das eine Torheit ist. Denn die Gruppe, die aus Jungen und Mädchen und aus Kindern jeder Altersgruppe zusammengesetzt ist, bildet ,als Organismus einen pädagogischen Faktor in sich selber; die Kinder tragen sich dann gegenseitig wie in einer Familie. Andererseits sind wieder Gruppen, in denen mehr als zwölf Kinder sind, kaum noch tragbar. Ich würde sagen, eine Gruppe, der mehr ,als neun Kinder angehören, ist eigentlich keine pädagogische Einheit mehr, ist nicht mehrideal durchzustrukturieren. —
Das sind zwei wichtige Gesichtspunkte, und ich bitte um Nachsicht, wenn ich sie hier noch einmal nenne; dies ist eine köstliche Gelegenheit, das zu tun.
Ferner geht es um folgenden Punkt, der auch im Bericht angesprochen ist. Wir haben heute ein ungeheures Wissen um die jugendliche Entwicklung: medizinisch, biologisch, psychologisch und soziologisch. Aber es hilft nichts, dieses Wissen zu haben, wenn man nicht die Transmissionsriemen besitzt, um dieses Wissen unmittelbar am Kind umzusetzen. Mit anderen Worten, um es unkompliziert auszudrücken: wir brauchen qualifiziertes Personal, das in der Lage ist, ,die Sprache der Fachleute aufzunehmen und umzusetzen. Das ist zu machen, und man darf .da nicht nachlassen. Ich stelle keine zu hohen Forderungen, aber mit ungelerntem Personal — wie man es weithin hat — läßt sich das nicht durchführen.
Ich möchte noch eine kurze Bemerkung machen zum Rang der Sexualerziehung, von der in der Antwort auf die Große Anfrage auch die Rede war. Ich bestreite nicht, daß so etwas notwendig ist. Aber man muß sich darüber klarsein, daß jeder Schritt aus dem Kreise ,der Familie heraus Gefahren in sich birgt. Ich kann mich auch nicht des Eindrucks erwehren, daß vieles, was heute öffentlich gesagt wird, im Grunde genommen darauf zurückzuführen ist, daß frustrierte Erwachsene ihre Probleme auf die Kinder übertragen,

(Zustimmung bei mehreren Abgeordneten)

während die echte Problematik ganz woanders liegt. Ich würde hier also zu Behutsamkeit raten. Man sollte vor allem dafür sorgen, daß die Eltern imstande sind, diese subtilen Fragen in einer wirklich menschlichen und intimen Atmosphäre zu lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten ,der anderen Fraktionen.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514624100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0514624200
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, in aller Kürze noch einmal auf das Problem des Kindes in der Wohnung und des Kindes im Wohngebiet zurückzukommen. Ich bedauere, ,daß der Herr Bundeswohnungsbauminister soeben die Sitzung verlassen mußte, aber ich bin sicher, daß der Herr Familienminister unser Petitum an ihn weitergeben wird.
Der Herr Bundesfamilienminister hat wohl darauf hingewiesen, daß sich die Situation der familiengerechten Wohnungen in den letzten Jahren gebesfert hat, weil nämlich der Anteil der Drei- oder Vierzimmerwohnungen in der Zwischenzeit auf etwa 75% gestiegen ist, aber er hat auch hinzugefügt, daß die Versorgung im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und insbesondere des Mietwohnungsbaus in den Städten unzureichend und unbefriedigend ist. Nun müssen wir uns natürlich kritisch fragen, was eigentlich die Ursache dafür ist.



Jung
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre falsch, zu glauben, die Drei- oder Vierzimmerwohnung sei das Kriterium für familiengerechtes Wohnen. Es wäre auch eine Illusion, anzunehmen, daß durch Erfüllung der Forderungen, die in der DIN-Norm 18011 aufgestellt sind, wo die Spielfläche für ein Kind mit 1,20 m X 1,80 m angegeben wird, kindergerechte Wohnungen geschaffen würden. Worauf es ankommt, das ist etwas ganz anderes. Wir müßten nämlich durch unsere Gesetze die Voraussetzungen dafür schaffen, daß einfallsreichere Planungen bei der Gestaltung der Grundrisse unserer Wohnungen in den Siedlungsgebieten und auch im sozialen Wohnungsbau der Mobilität der Familien mehr gerecht werden als bisher. Was wir beklagen, ist ja die Tatsache, daß unter dem Vorwand der Wirtschaftlichkeit und der Rationalisierung im Wohnungsbau, insbesondere eben in diesen neuen Wohnsiedlungen, oft recht geistlose Wohnungsgrundrisse verwendet werden.
Schuld daran sind eigentlich die recht starre Obergrenze und die recht starre Handhabung unserer Förderrichtlinien. Hier muß ich vielleicht meinen Kollegen Baier etwas korrigieren, der glaubte, das Zweite Wohnungsbaugesetz komme diesen Forderungen nach einer familiengerechteren Wohnung nach. In den Förderungsrichtlinien ist eben eine Quadratmeterobergrenze festgelegt. Das ist falsch. Wir sollten, um der Phantasie der Gestaltung einer kindergerechten Wohnung mehr Raum zugeben, die in den §§ 39 und 81 festgelegten Grenzen aufheben. Dann könnten die Wohnungsbaugesellschaften oder die Bauträger, auch die freien Einzelbauherren und die Städte ohne die Furcht über die 90, 120 oder 130 qm hinausgehen, daß ihnen dadurch irgendwelche Mittel verlustig gehen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514624300
Herr Abgeordneter Jung, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Meermann?

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0514624400
Selbstverständlich.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0514624500
Herr Kollege, haben Sie nicht den Eindruck, daß die Frage, ob eine Wohnung familiengerecht gebaut wird oder nicht, nicht nur von den öffentlichen Zuschüssen und den Vorschriften über die Größe abhängt, sondern auch von der Phantasie der Architekten, und kommt es Ihnen nicht so vor, Herr Kollege, als wenn manche Architekten zwar häufig sehr schöne Fassaden bauten, sich aber wenig Gedanken darüber machten, wie eine Familie innerhalb dieser Wohnung wohnen soll?

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0514624600
Frau Kollegin Meermann, ich glaube eben gesagt zu haben, daß es gerade darauf ankommt. Nachdem Sie aber nun zweimal darauf hingewiesen haben, daß sich die Architekten bei diesen öffentlich geförderten Siedlungen vielleicht etwas phantasielos betätigen, möchte ich meine Kollegen — ich bin nämlich selber auch Architekt — doch etwas in Schutz nehmen und Ihnen sagen, daß die Furcht, irgendwelche Mittel nicht zu bekommen, gerade bei Trägergesellschaften tatsächlich oft dazu führt, daß die Grundrisse, wie ich soeben sagte, wenig kindgerecht und wenig phantasievoll, sondern, wie Sie soeben sagten, mehr von der Ratio und .der Wirtschaftlichkeit bestimmt sind. Das ist mit ein wesentlicher Grund.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514624700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Baier? — Bitte, Herr Abgeordneter Baier!

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0514624800
Herr Kollege, ich habe das Gefühl, daß Sie das Zweite Wohnungsbaugesetz nicht ganz gelesen haben; denn sonst müßten Sie in § 39 festgestellt haben, daß beim öffentlich geförderten — —

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514624900
Das Fragezeichen, Herr Abgeordneter! Bitte auf das Fragezeichen achten!

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0514625000
Darf ich Sie fragen, Herr Kollege Jung, ob Sie in § 39 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes gelesen haben, daß die Wohnung in ihrer Größe

(Abg. Jung: Ich kann vorweg sagen: ich habe es gelesen; ich kenne es sehr gut!)

sich nach den persönlichen und beruflichen Bedürfnissen zu richten hat und daß beispielsweise für die Unterbringung einer Familie mindestens zwei Kinderzimmer vorhanden sein können und bei kinderreichen Familien im öffentlich geförderten Wohnungsbau für jedes Kind ein Zimmer vorhanden sein darf.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0514625100
Sehr richtig, Herr Kollege Baier. Ich habe das natürlich gelesen. Sie können sich vorstellen, daß ich auf Grund meiner beruflichen Tätigkeit damit immer zu tun habe. Aber ich sage Ihnen ja, daß die Furcht im voraus besteht. Insbesondere da, wo der künftige Wohnungsinhaber noch nicht bestimmt ist, die Zahl der Kinder also nicht bekannt ist, ist die Wohnungsbaugesellschaft oder Trägergesellschaft darauf angewiesen, im Rahmen dieser Obergrenze zu bauen, um nicht der Mittel verlustig zu gehen.

(Abg. Baier: Das liegt dann nicht am Gesetz! Das wollte ich sagen!)

— Gut. Ich habe ja von der Mobilität der Wohnung gesprochen. Sie werden mir zugeben, daß wir darauf in Zukunft mehr Wert legen müssen. Diese Obergrenze für Wohnungen, deren Bewohner noch nicht festliegen, ist eben ein Hindernis auf dem Wege zu einer familiengerechten Wohnung. Sie werden mir das zugestehen.

(Abg. Baier: Ja!)

Die Mehrkosten würden die Träger und Einzelbauherren in den allermeisten Fällen ganz gern tragen; aber die Furcht vor dem Verlust des Förderungsbetrages veranlaßt sie eben doch, die kleinere Wohnung zu bauen, die im Gesetz vorgeschrieben ist.



Jung
Darüber hinaus, meine ich, hätte der Bund auch eine direkte Einwirkungsmöglichkeit, die Möglichkeit, besonders solche Maßnahmen zu fördern — z. B. bei Demonstrativ-Bauvorhaben —, die der Förderung des modernen Städtebaues mehr gerecht werden. Es genügt nicht, daß man nur ein paar Park- und Grünanlagen, vielleicht auch den einen oder anderen Kinderspielplatz und Wasserspielplatz mit einplant. Es muß tatsächlich mehr Wert darauf gelegt werden, all die Anlagen, die Bolzplätze, Robinson-, Werkplätze, Freilichtforen für Kindertheater usw., ja vielleicht sogar — das scheint mir für die Zukunft sehr wichtig zu sein — kombinierte Freizeitanlagen für die Kinder, also für jung, aber auch für alt in solche Städte mit hineinzuplanen, Begegnungsstätten, die dem Kind, aber auch der älteren Generation zur Verfügung stehen. Denken Sie insbesondere an den Winter, an Schlechtwetterzeit, wo die Kinder ja nicht auf den Freiplätzen sein können, wo sie aber ihrem Basteltrieb folgen und da betreut werden können.
Herr Minister Heck hat vorhin gesagt, der Bund habe das Seine getan; auch die Länder hätten Verfügungen erlassen; allerdings seien die Schwierigkeiten in der Praxis eben groß. Nun, ich glaube auch für meine Freunde sagen zu können, daß wir nicht der Meinung sind, daß der Bund nicht noch mehr tun könnte. Herr Baier hat vorhin die schnelle Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes — sicher eine sehr wichtige Voraussetzung für alle diese Maßnahmen — gefordert. Ich möchte das unterstützen, damit insbesondere auch in Altanlagen und insbesondere auch draußen in unseren Dörfern bei der Dorferneuerung diese sehr wichtigen Maßnahmen durchgeführt werden können. Aber der Bund führt auch einen Wettbewerb im Rahmen seiner Bemühungen um eine vernünftige Raumordnung durch: „Unser Dorf soll schöner werden!" Da könnte man auch Anreize dadurch geben, daß solche Maßnahmen in besonderem Maße honoriert werden. Das Familienministerium müßte deshalb meines Erachtens die Forschung für die Stadt der Zukunft wesentlich mehr unterstützen und im Rahmen einer fortschrittlichen Freizeitpolitik besonders die soeben erwähnten kombinierten Freizeitanlagen durchdenken und fördern.
Ein dritter Punkt, in dem der Bund direkt einwirken kann, ist der Sektor Verkehr, weniger im innerstädtischen Bereich zur Schaffung verkehrsfreier Bereiche und gefahrloser Schulwege, wohl aber draußen auf dem flachen Lande bei den Bundesstraßen. Gerade heute, wo es doch darum geht, Mittelpunktschulen zu bilden, wo also die Kinder verschiedener Dörfer zu einer Schule hin müssen und für den Schulweg sehr oft die Bundesstraßen benutzen müssen, wäre das sehr wichtig. Jährlich werden ja Tausende von Schulkindern auf ihrem Weg von der Schule oder zur Schule verletzt, ja sogar getötet. Deswegen wäre es wichtig, daß das Bundesverkehrsministerium Weisung an die Bundesstraßenbauverwaltungen gäbe, daß in einem solchen Bereich keine Bundesstraße gebaut wird, die nicht mindestens den Gehweg, vielleicht auch den Radfahrweg und den Fußgängerüberweg hat, damit die Kinder gerade
draußen auf dem flachen Lande gefahrloser zur Schule gehen können.
Lassen Sie mich diese drei Forderungen zusammenfassen: Das Bundeswohnungsbauministerium sollte sich überlegen, ob nicht die starren Förderungsrichtlinien in dem Zweiten Wohnungsbaugesetz zugunsten einer Wohnung für die Zukunft, insbesondere auch einer mehr kindergerechten Wohnung geändert werden sollten. Das Bundesverkehrsministerium sollte Weisung an die Bundesstraßenbauverwaltungen geben, daß im Bereich von Mittelpunktschulen die Forderungen: Gehweg, Radfahrweg, Fußgängerüberwege auf den Bundesstraßen erfüllt werden. Das Bundesfamilienministerium schließlich sollte sich die Forschung um die Stadt der Zukunft, die progressive Freizeitpolitik angelegen sein lassen und Empfehlungen für kombinierte Freizeitanlagen für die Kinder, aber wahrscheinlich auch in diesem Zusammenhang für die Älteren geben.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514625200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.

Christa Schroeder (CDU):
Rede ID: ID0514625300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu der Frage der Dauerkinderheime noch einige Anmerkungen machen.
Es ist auffallend, daß die öffentliche Meinung über dieses Thema zwischen zwei Extremen schwankt. Auf der einen Seite haben wir ein weitgehendes Desinteresse; man kümmert sich überhaupt nicht sehr viel darum, außer vielleicht zu Weihnachten, man beruhigt sich bei dem Gedanken, daß es ja solche Kinderheime gibt, daß sogar neue gebaut werden, und meint, daß alles in Ordnung sei. Auf der anderen Seite wird manchmal sehr schwarz in schwarz gemalt, ungute Einzelfälle werden unnötig hochgespielt und verallgemeinert. Beides ist, glaube ich, falsch. Wir sollten untersuchen, wie die Situation wirklich ist, welche Chancen unsere Gesellschaft dem Kind gibt, dem eine Kindheit in einer gesunden Familie versagt ist und das mehr oder weniger auf Heimerziehung angewiesen ist.
Dabei muß ich sagen, daß der Prozentsatz der echten Waisen unter diesen Heimkindern geringer wird. Viel höher ist der Prozentsatz der Kinder aus irgendwie gestörten Familien. Wir kennen schon den Begriff der Scheidungswaisen. Es sind zum Teil — wie es immer gewesen ist — uneheliche Kinder. Es sind in großer Zahl Kinder von Eltern, die aus irgendwelchen Gründen ihrer Erziehungsaufgabe nicht nachkommen oder nicht nachkommen können.
Nun ist es ganz sicher so, daß man hier zunächst einmal mit Erziehungsberatung oder mit Vermittlung in eine andere Familie einsetzen sollte. Wir wissen heute besser als früher, welche Bedeutung die Geborgenheit und die Nestwärme in einer Familie für ein Kind und später für einen erwachsenen Menschen besitzt. Aber trotz all dieser Bemühungen werden wir um Heime niemals ganz herumkommen. Wir können solche Heime nur in dem Bewußtsein



Frau Schroeder (Detmold)

haben, daß sie nur Ersatz, nur Behelf für eine gesunde Familie sein können. Aber ohne diesen Behelf werden wir nicht auskommen, wenn jedem Kind das Recht auf Erziehung wirklich zuteil werden soll. Wir sind heute insofern besser daran, als wir die Gefahren des Hospitalismus, also der Schädigung durch Heimunterbringung, für Kinder kennen und weil wir auch wissen, daß er nicht unheilbar ist. Wir kennen heute die Voraussetzungen, diese Schädigungen einzudämmen oder weitgehend zu vermeiden. Wir wissen, daß die Heime nicht allein Aufsicht und Anleitung geben sollen, sondern daß eine möglichst familienähnliche Atmosphäre — Herr Dr. Martin hat schon davon gesprochen — geschaffen werden muß. Wir sollten aber auch nicht übersehen, daß gerade in den letzten zehn, 15 Jahren eine ungeheure Umwandlung in unseren Heimen vor sich gegangen ist. Hier haben, meine ich, gerade die freien Träger eine große Leistung vollbracht. Man kann ihnen nicht genug dafür danken.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Leiter eines bekannten Heimes hat einmal als das ideale Ziel hingestellt, daß ein Heim die Stätte der Geborgenheit sein soll, in der dem einzelnen Kind sein Recht auf Leben, sein Recht auf Freude und sein Recht auf Erziehung zuteil wird.
Wieweit sind wir diesem Ziel genähert, und was ist noch zu tun? Der Bericht der Bundesregierung gibt uns klare Zahlen über den Nachholbedarf, über die Zahl der Pflegeplätze, die noch fehlen. Aber ich stimme dem Satz vollkommen zu, in dem es heißt, allein mit der Schaffung von Plätzen sei es nicht getan; es müsse auch in der Organisation unserer Heime noch einiges geschehen.
Dabei möchte ich einige Punkte ansprechen, die mir besonders wichtig vorkommen. Wir wissen heute, welche Rolle in der Entwicklung eines Kindes die Stetigkeit spielt, die Bindung an die betreuende Person, an die Pflegerin und an die Umwelt, und was es für ein Kind bedeutet, aus seiner vertrauten und manchmal geliebten Umwelt herausgerissen und in eine neue, ihm fremde Umwelt gesetzt zu werden. Trotzdem — es wurde schon einmal angedeutet — haben wir heute noch Säuglingsheime, Heime für vorschulpflichtige Kinder, Heime für schulpflichtige Kinder und Heime für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren. Wenn ein Kind Pech hat, dann kann es bis zum 18. Lebensjahr drei bis vier verschiedene Heime durchlaufen, immer wieder herausgerissen, immer wieder neu eingewiesen.
Wir sollten also die Umstellung auf die Familiengruppe, von der Herr Dr. Martin in seinen Ausführungen gesprochen hat, anstreben und die Heime umorganisieren und den häufigen Wechsel nach Möglichkeit vermeiden.
Das Zweite ist die sorgfältige Einweisung in das richtige Heim. Wir haben soeben von den heilpädagogischen Heimen, von Heimen für schwer Erziehbare usw. gehört. Es wäre notwendig, die Erziehungsberatungsstellen bei der Einweisung eines Kindes in ein Heim einzuschalten, damit es hier
einen Dauererziehungsplatz finden kann, auf den es ein Anrecht hat.
In der Praxis sieht das leider noch sehr anders aus. Die einweisenden Stellen sind häufig gezwungen, bei sechs, sieben Heimen anzufragen. Das Kind wird dann notwendigerweise in dasjenige Heim gesteckt, wo am nächsten ein Platz frei ist. Ob das das passende Heim dafür ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Dies ist wiederum eine Frage der Zahl der Heimplätze. Aber man sollte dieses Ziel nicht aus den 'Augen verlieren.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch einmal auf die Fragwürdigkeit des Daueraufenthalts in den Säuglingsheimen eingehen. Auch hier müßte etwas getan werden. Unsere Psychologen sind sich darüber einig, daß gerade der Daueraufenthalt eines Kindes im jüngsten Kindesalter, als Säugling, in einem Heim selbst bei der besten Pflege später seelische Schädigungen hervorrufen kann. Wir finden in der Bevölkerung immer noch den weitverbreiteten Irrtum, daß eine Mutter, auch eine berufstätige Mutter, daß Eltern sagen: Als Säugling können wir das Kind wohl in das Heim geben; da merkt es noch nicht soviel davon. Hier muß eine ganz nachhaltige Aufklärung einsetzen, um den späteren Schäden wirklich vorbeugen zu können. Für die Kinder alleinstehender Mütter, die auf Berufstätigkeit angewiesen sind, sollte man dem Gedanken der Heime „Mutter und Kind" — wir stehen am Anfang damit — nachdrücklichst nachgehen. Diese Sache sollte man ausbauen. Hier ist etwas geschaffen, was diesen Schädigungen vorbeugen kann.
Meine Damen und Herren, dieses Ziel, die Umwandlung unserer Heime in Familiengruppenheime, bedingt einige Voraussetzungen. Das sind häufig auch bauliche und räumliche Voraussetzungen. Man ist sehr darüber im Zweifel, wie viele unserer Heime veraltet sind, so daß sie eigentlich kaum als Heime gelten können, sondern als Anstalten angesprochen werden müßten. Die Zahlen darüber, die man hier angibt, sind außerordentlich verschieden. Ich glaube, daß wir hier wirklich in einem sehr rasanten Um-wandlungsprozeß begriffen sind, aber besonders auf dem Lande gibt es in manchen Gebieten solche veralteten Heime durchaus noch.
Es ist eine finanzielle Frage, diese Heime umgestalten zu können, sie durch bauliche Veränderungen in einen richtigen Stil bringen zu können. Aber ich glaube, daß es wirklich richtig angelegte Gelder sind, wenn wir uns einmal den hohen Prozentsatz von Kindern vergegenwärtigen, die durch Schädigungen, durch falsche Heimerziehung nachher wieder amtsauffällig werden und dann auch Kosten verursachen. Angesichts dessen kann man die Gelder gar nicht besser ansetzen, als diese Heime in den Stand zu setzen, daß sie den modernen Erziehungsgrundsätzen entsprechen.

(Beifall in der Mitte.)

Die Forderung nach Familiengruppen, kleinen Gruppen, steht natürlich in engem Zusammenhang mit der Frage der Mitarbeiter und der räumlichen Gestaltung. Die gute räumliche Gestaltung in einem Heim ist auch die beste Voraussetzung, um bessere



Frau Schroeder (Detmold)

Mitarbeiter für die Heime zu bekommen. Wir sollten das nicht vergessen. Ein Heim und seine Atmosphäre steht und fällt mit den guten Mitarbeitern. Heute ist hier schon verschiedentlich der Dank an die große Zahl ungenannter Mitarbeiter an dieser Aufgabe ausgesprochen worden. Ich meine, auch sie haben ein Anrecht auf unser Interesse, auch sie haben ein Anrecht darauf, daß auch der Staat möglichst gute Voraussetzungen schafft, damit sie ihrer schweren Aufgabe nachkommen können. Die Not an Personal in unseren Heimen ist ja wie ein Teufelskreis. Wir haben schlechte bauliche Verhältnisse, schlechte räumliche Verhältnisse. Wir haben Personalnot. Dadurch wird der Arbeitsanfall größer und der Anreiz für eventuelle neue Mitarbeiter kleiner. Das bedingt wiederum längere Arbeitszeiten der vorhandenen Mitarbeiter, und so geht der Kreis weiter. Es muß gelingen, diesen Kreis zu durchbrechen und hier Abhilfe zu schaffen. Die abgehetzte und von Hausarbeiten überlastete Erzieherin, Heimleiterin und Pflegerin ist überfordert, wenn sie ihre Erziehungsaufgabe, sich dem einzelnen, meistens doch erziehungsschwierigen Kind zuwenden zu müssen, nun auch noch erfüllen will. Wir brauchen hier die gut ausgebildeten Dauerkräfte. Wir brauchen auch die auf ihre Arbeit vorbereiteten Hilfskräfte. Ich meine, daß die Ausweitung, die weitere Förderung auch des freiwilligen Sozialen Jahres nicht von der Tagesordnung verschwinden dürfte. Wir sollten uns auch überlegen, wie die oft besprochene Frau, die wieder in einen befriedigenden Beruf zurückstrebt, hier vielleicht einzusetzen ist.
Man könnte nun sagen, alle diese Dinge gehen den Bund nicht so viel an. Ich meine aber, im Sinne der Bemühungen um die Chancengleichheit für die Kinder geht es den Bund doch sehr viel an. Im Karlsruher Urteil zum Jugendwohlfahrtsgesetz ist ausgesprochen, daß der Bund durchaus die Kompetenz hat, Neues anzuregen. In diesem Sinne haben wir auch unseren Entschließungsantrag verfaßt. Wir meinen, daß gerade bei der bewunderungswürdigen Arbeit, die von privaten Stellen, von freien Trägern auf diesem Gebiet geleistet wird, bei denen es manchmal an der notwendigen Koordination und an dem notwendigen Rückhalt fehlt, wir hier nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, alles Mögliche zu tun, um eine weitestgehende Chancengleichheit für unsere Kinder in der Bundesrepublik auf diesem Gebiet zu erreichen.
Ich kann abschließend nur die Hoffnung aussprechen, daß aus dieser Debatte und aus dem Bericht der Bundesregierung möglichst viele praktische Konsequenzen gezogen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514625400
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.

Marta Schanzenbach (SPD):
Rede ID: ID0514625500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Da man mit zunehmendem Alter vorsichtiger wird, möchte ich, damit ich mir nicht die Rüge eines liebenswürdigen Präsidenten zuziehe, daraum bitten, daß ich mich an das Konzept halten darf.

(Heiterkeit und Beifall.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514625600
Verehrte Frau Kollegin, selbstverständlich dürfen Sie das.

Marta Schanzenbach (SPD):
Rede ID: ID0514625700
Danke schön.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514625800
Unser Beschluß hier war ein Grundsatzbeschluß. Aber wie ich Sie kenne, unterschätzen Sie sich.

(Erneute Heiterkeit und Beifall.)

Wie ich weiß, sind Sie sehr wohl in der Lage, dieses Papier in die Tasche zu stecken. Verfahren Sie, wie Sie es für richtig halten.

Marta Schanzenbach (SPD):
Rede ID: ID0514625900
Meine Damen und Herren! In der Frauenenquete der Bundesregierung und im Jugendbericht ist nachzulesen, daß nicht genügend Plätze in Kindergräten, -horten und Kindertagesstätten vorhanden sind. Die Große Anfrage der CDU/CSU geht dieser Frage nach, und die Regierung berichtet heute in der Drucksache V/2441 ausführlich über die Tageseinrichtungen für Kinder.
Diese Ausführungen und auch die ganze heutige Debatte zeigen, daß ein großer Mangel an Plätzen in Kindertagesstätten besteht. Aber sowohl in dem Bericht als auch in den heutigen Ausführungen wurde darauf hingewiesen, daß es in all diesen Einrichtungen auch große Schwierigkeiten gibt, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben.
Obwohl der Bund für die Schaffung dieser Einrichtungen nicht zuständig ist, kann es d'em Bundestag nicht gleich sein, wie die Klein- und Schulkinder in der Bundesrepublik versorgt sind.

(Abg. Kühn [Hildesheim]: Sehr wahr!)

Es geht hier nicht nur um ein pädagogisches, sondern auch um ein eminent familienpolitisches Problem.
Bei der Behandlung des Jugendberichts im Parlament ist auf die Situation dier Familie in unserer Zeit eindeutig hingewiesen worden. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang sagen, daß die Familie auch heute noch den entscheidendsten Beitrag zur Erziehung der Kinder leistet. Sie braucht aber, wenn sie ihre Aufgabe voll erfüllen will, Hilfestellungen und Ergnäzungen von außen.

(Zustimmung in der Mitte.)

Sire ist nicht in der Lage, die Erziehungsaufgabe — so wie früher die Großfamilie — allein zu bewältigen; denn die Struktur der Familie ist völlig anders geworden, und an die Eltern wird heute ein weit höherer Anspruch gestellt als früher, wenn sie ihrer Erziehungsaufgabe gerecht werden wollen.
Die Familie braucht deshalb heute ganz dringend als Ergänzung den Kindergarten. Es sollte aus pädagogischen Gründen allen Kleinkindern möglich sein, den Kindergarten zu besuchen. Doch daß das bisher noch ,ein Idealbild ist, wissen Sie, und zwar nach



Frau Schanzenbach
der heutigen Debatte ganz besonders. Meist sind die Kindergärten gezwungen, Kinder aus sozialen Gründen aufzunehmen, und viele Kinder, die den Kindergarten aus pädagogischen Gründen ebenso dringend besuchen sollten, müssen abgelehnt werden. Wie notwendig ist es aber, daß z. B. Einzelkinder den Kindergarten besuchen! Denn ohne die Möglichkeit des Besuchs eines Kindergartens, ohne das Hineinwachsen in die Gemeinschaft — und zwar in frühen Kinderjahren — haben diese Kinder nachher in der Schule ganz besondere Schwierigkeiten, sich einzuleben und sich in der Schulgemeinschaft zurechtzufinden.
Es ist bei uns nicht mehr nötig, die Eltern zu überzeugen, wie wichtig der Kindergartenbesuch für ihre Kinder ist; denn jede vernünftige Mutter schickt ihr Kind dahin, wenn die Möglichkeit gegeben ist. Die Schwierigkeit liegt eben darin; daß trotz der Pflichtaufgaben im Jugendwohlfahrtsgesetz nicht genügend Kindertagesstätten für Kleinkinder und Schulkinder vorhanden sind. Aber das ist heute schon x-mal gesagt worden, wie ja die Debatte überhaupt darunter leidet, daß wir uns in der ganzen Sache so einig sind; es gibt keine kontroversen Auffassungen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Aus der Beantwortung der Großen Anfrage geht auch hervor, daß es ein Gefälle zwischen den einzelnen Ländern der Bundesrepublik gibt. So kommen im Saarland 6 und in Schleswig-Holstein 19 Kinder jeweils auf einen Kindergartenplatz. Noch stärker ist der Unterschied bei den Kinderhorten. In Hamburg kommen 30 Kinder, im Saarland — man höre und staune — 797 Kinder auf einen Hortplatz.
Aus diesen Zahlen ist zu erkennen, daß die bestehenden Einrichtungen der Notwendigkeit, Klein- und Schulkinder aufzunehmen, um die Familie in den Erziehungsaufgaben zu ergänzen, nicht nachkommen können. Bei der Betrachtung dieser Frage kann die stetig zunehmende Frauenerwerbsarbeit nicht außer acht gelassen werden.
In der Frauenenquete wird ausgeführt, daß von den fast 2 Millionen Kindern, deren Mütter im Oktober 1962 den ganzen Tag erwerbstätig waren, rund' 1,8 Millionen — das sind 91 % — ganztägig betreut waren — immerhin eine erfreuliche Zahl —, während 170 000 den halben Tag und 8000 Kinder und Schulkinder ganztägig leider völlig unbetreut waren.
Nur 19 % der Kinder erwerbstätiger Mütter finden Aufnahme in sozialpädagogischen Einrichtungen. Das ist einfach völlig unzureichend. Hinzu kommt, daß gerade für Kinder erwerbstätiger Mütter die Ganztagskindergärten fehlen, in denen die Kinder ein Mittagessen bekommen und sich anschließend ausruhen können. Darin, daß die Kindergärten Mittagspause machen, liegt ein ganz erheblicher Mangel. Was nützt es denn den Kindern von erwerbstätigen Müttern, wenn sie irgendwo zum Mittagessen hingehen müssen und dort vielleicht noch nicht einmal richtig untergebracht sind? Hier muß man zu einer anderen Lösung kommen.
Kinder aus einfachen Lebensverhältnissen haben den Besuch eines Kindergartens deshalb besonders
nötig, weil sie dort viele Anregungen in sprachlicher Hinsicht bekommen, die ihnen das Elternhaus leider nicht bieten kann, und wenn diese Kinder diese Anregungen nicht bekommen, haben sie es nachher in der Schule bei gleicher Intelligenz viel schwerer als jene Kinder, die eben schon als Kleinkind entsprechend gefördert worden sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Von der Notwendigkeit der Kindergärten, der Kinderhorte und der Kindertagesstätten braucht man wohl niemanden mehr zu überzeugen; dieses Bedürfnis wird bis ins hinterste Dorf erkannt. Die Schwierigkeit liegt darin, genügend Einrichtungen zu schaffen, sie finanzell zu halten und sie den pädagogischen Forderungen entsprechend auszugestalten. Wir können mit dem bisher Geschaffenen nicht zufrieden sein. Es ist nicht zu bestreiten, daß die Gemeinden und vor allem die freien Wohlfahrtsverbände sich in den letzten zehn Jahren angestrengt haben; aber die Leistung reicht bei weitem nicht aus.
Zu den fehlenden Plätzen kommt hinzu, daß in den einzelnen Kindergärten die Gruppen zu groß sind, teils aus Personalmangel, teils wegen der hohen Zuschüsse, die ein Kindergarten erfordert. Das bedeutet, daß der Kindergarten die Bildungshilfe nicht geben kann, die er als durchaus eigenständige Erziehungs- und Bildungsaufgabe neben der Familie erfüllen sollte, wenn er entsprechend ausgestattet ist. So aber sind viele Kindergärten heute nicht mehr und nicht weniger als Betreuungsstätten.
Für alle Arten von Kindergärten sind im Augenblick drei Probleme vordringlich:
Erstens. Die Frage der laufenden Finanzierung ist nirgendwo ausgestanden. Kindergärten sind sehr teure Einrichtungen in der laufenden Unterhaltung. Die Träger der freien Jugendhilfe können die Kosten schon heute fast nicht verkraften. Wie soll es werden, wenn die Einrichtungen personell und auch sonst besser ausgestattet werden? Da die Elternbeiträge nicht zu hoch sein können und die Verbände nicht über ausreichende Eigenmittel verfügen — denn soviel kann niemals bei den Sammlungen der freien Verbände zusammenkommen, daß man damit die ganzen Kindergärten unterhalten kann —,

(Sehr richtig! in der Mitte)

müßten mehr öffentliche Mittel eingesetzt werden, als das bisher der Fall ist. Dies ist meiner Meinung nach zu verantworten, denn Kindergärten sind genauso wie Schulen Einrichtungen, die der Erziehung unseres Volkes dienen. Ohne eine wesentlich stärkere Beteiligung der Gemeinden und der Länder an der laufenden Finanzierung der Kindergärten und Kindertagesstätten wird das Problem nicht befriedigend gelöst werden können.
Das zweite Problem ist der Personalmangel. Das Niveau der Kindergärten wird durch diesen Mangel sehr gedrückt, denn die Praxis zwingt dazu, Kindergärtnerinnen statt Jugendleiterinnen und Kinderpflegerinnen oder unausgebildete Helferinnen statt Kindergärtnerinnen einzusetzen. Wie es in manchen Kindergärten aussieht, das haben Sie wahr-



Frau Schanzenbach
scheinlich genauso wie ich durch Zuschriften mitgeteilt bekommen, sofern Sie nicht alle miteinander, die Sie sich wie ich um die Kinderhilfe bemühen, das schon gewußt haben. Mir hat z. B. ein Mann in diesen Tagen geschrieben, als er gehört hatte, daß diese Debatte hier ansteht. Er schrieb, daß seine Tochter mit Begeisterung Kindergärtnerin geworden sei und auch Kindergärtnerin bleiben möchte. Da sie aber seit einiger Zeit in einem Kindergarten arbeite, der von einer siebzigjährigen Schwester geleitet werde, der nur die Kindergärtnerin und eine Hilfskraft zur Verfügung stehen, sei diese idealistische Kindergärtnerin am Ende ihrer Kraft angelangt. Das ist keine Übertreibung. Er schreibt mir das, damit ich das hier sagen kann, damit wir helfen und solche Notstände abstellen. Sie wissen, meine Damen und Herren, die Sie sich mit dieser Frage befassen, daß das keine Übertreibung ist. Wir wissen, daß vielfach die personelle Ausstattung nicht ausreicht, um der pädagogischen Aufgabe gerecht zu werden. Es ist ein Unglück, daß das so ist. Wir müssen hier so schnell wie möglich für Abhilfe sorgen.
Das drtte Problem ist die nicht ausreichende Ausbildung der Kindergärtnerinnen für Aufgaben, die die Tageseinrichtungen für Kleinkinder heute haben. Dies gilt sowohl für den Normalkindergarten als auch für die Sondereinrichtungen und in besonderem Maße für die in Kindergärten so dringend notwendige Elternarbeit. Die heutige Debatte hat schon ergeben, wie dringend notwendig die Mitarbeit der Eltern ist, wenn ein vernünftiges Erziehungsergebnis bei den Kleinkindern herauskommen soll. Dies ist nur möglich, wenn Eltern und Kindergarten eng zusammenarbeiten und die Probleme miteinander besprechen. Das muß von der Kindergärtnerin ausgehen. Sie soll die Eltern einladen, damit sie die Probleme mit ihr besprechen. Das kann sie aber nur, wenn sie eine entsprechende Vorbildung hat. Eine Aushilfskraft ist dazu nicht in der Lage.
Bei aller Kritik möchte ich aber feststellen, daß es eine große Zahl vorbildlicher Kindergärten und Kindertagesstätten gibt, deren Träger Gemeinden oder freie Wohlfahrtsverbände sind. Diese Debatte sollte dazu beitragen, daß dieses Problem deutlicher gesehen wird und daß zwischen den Trägern der Einrichtungen und den Gemeinden und Ländern eine vernünftige Finanzierungsmöglichkeit gefunden wird.
Die weit schwierigere Aufgabe ist die, mehr Mädchen und Frauen für den Beruf der Fürsorgerin, Jugendleiterin, Kindergärtnerin, Kinderpflegerin und Krankenschwester zu finden. Frau Schroeder hat vorhin, als sie über die Heime sprach, auf dieses Problem sehr deutlich hingewiesen. Ich möchte das vertiefen und sagen: diese Berufe verlangen von einer Frau oder von einem Mann, wenn er diesen Berufs ausübt, den Einsatz der ganzen Persönlichkeit. Diese Berufe können viel Freude bringen und dem einzelnen Menschen eine große persönliche Befriedigung geben. Aber leider entscheiden sich heute viel zuwenig Mädchen für diese pädagogischen und pflegerischen Berufe. Das ist ein Zustand, den wir schon seit Jahren kennen und der
bisher nicht behoben werden konnte. Mit Behelfsmaßnahmen wie z. B. dem freiwilligen sozialen Jahr wird dieser Notstand nicht behoben. Hier muß wirklich von einem Notstand gesprochen werden, denn die Pflege und Erziehung der Kinder leidet unter dem Mangel an Fachkräften in ,den familienergänzenden Einrichtungen.
Alle verantwortlichen Stellen in Staat und Gesellschaft müssen gemeinsam überlegen, wie die sozialpädagogischen und pflegerischen Berufe für Mädchen und junge Männer erstrebenswert gemacht werden können. Neben einer entsprechenden Bezahlung müssen moderne Arbeitsverhältnisse geboten werden, in denen auch Raum genug ist, ein privates Leben nach eigener Anschauung zu führen. Die jungen Mädchen haben nämlich Angst davor, daß sie in diesen Berufen in die Zange einer Oberin genommen werden und dadurch ihre persönliche Freiheit weitgehend aufgeben müssen.- Aber man kann doch sagen — ,das werden Sie mir sicher alle bestätigen —, daß gegenüber früher auch in diesen Berufen in vieler Hinsicht vieles besser geworden ist, so daß man mit gutem Gewissen jedem jungen Menschen zureden kann, diesen Beruf zu ergreifen.
Wenn wir mit .den familienpolitischen Problemen in .dieser Zeit fertig werden wollen, brauchen wir Männer und Frauen, die sich dieser Aufgabe ehrenamtlich und hauptamtlich stellen. Aber unsere Aufgabe im Bundestag ist es, ,die Voraussetzungen schaffen zu helfen, unter denen es möglich ist, eine sinnvolle Erziehungsarbeit zu leisten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der Bericht über die Situation der Familien in der Bundesrepublik, den wir, wie der Herr Minister gesagt hat, in den nächsten Tagen erwarten können, wird uns 'im Ausschuß für Familie und Jugend die Möglichkeit geben, über Personalprobleme in, Kindertagesstätten und anderen sozialen Einrichtungen und sozialen Diensten zu beraten. Hoffentlich linden wir dann einen Weg, der uns auf diesem Gebiet ein Stück weiterbringt.
Nun lassen Sie mich noch ein anderes Problem anschneiden. Mein Kollege, Herr Hauck, erwähnte heute morgen das Problem der Kindesmißhandlungen. Zur Vorbereitung auf diese Debatte hatte ich viele Gespräche mit Damen und Herren in den Jugendämtern und in den freien Wohlfahrtsverbänden. Für alle diese Sozialarbeiter ist die Bekämpfung der Kindesmißhandlungen und der Schutz der Kinder eine ganz vordingliche Aufgabe. Sie sind allerdings ohne Mithilfe der Gerichte nicht in der Lage, entscheidend einzugreifen und den Kindern den nötigen Schutz gegen Mißhandlungen durch die Eltern zu geben. Alle sagen mir — und ich weiß das auch aus meiner eigenen fürsorgerischen Erfahrung —: hier versagen zum Teil die Vormundschaftsgerichte und die Staatsanwaltschaften. In der Abwägung von Elternrecht und Kindesrecht treffen viele Richter oft Entscheidungen, die einfach nicht mehr in unsere Zeit hineinpassen. Sie tun so, als ob medizinische und psychologische Erkenntnisse und soziale Verhaltensweisen unserer Zeit sie nicht zu interessieren haben. Die Anwendung der Gesetze entspricht einer Auslegung von vorgestern. Sicher



Frau Schanzenbach
gibt es auch Richter, 'die das Wohl 'des Kindes in den Vordergrund stellen, wenn sie ihre Entscheidungen treffen. Aber Entscheidungen — wie sie mir von Jugendämtern vorgetragen wurden —, die gerade in 'den letzten Monaten gefällt worden sind, dürfen nicht vorkommen. Denn sie zeigen, daß in der Aus- und Fortbildung der Richter und der Staatsanwälte 'einiges nicht in Ordnung ist.
Es wird auch nötig sein, baldmöglichst zu einer umfassenden Jugendrechtsreform zu kommen, damit von der Gesetzgebung her alles getan wird, um Kinder vor körperlichen und seelischen Mißhandlungen zu schützen.
Durch die Berichte der Bundesregierung über die Jugend und Kinder haben wir einen besseren Einblick in die Lage der Jugend bekommen. Es liegt nun an :uns hier im Parlament, Maßnahmen zu treffen, die die aufgezeigten Notstände beseitigen. In dieser Gemeinsamkeit — wie 'die Debatte heute zeigt — sollten wir alle daran arbeiten, damit die Notstände, so weit das überhaupt möglich 'ist, überwunden werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien und Abgeordneten der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514626000
Meine Damen und Herren, Sie haben gehört, wie recht ich hatte, als ich unserer verehrten Kollegin Frau Schanzenbach sagte, daß ich sie unterschätze. § 37 unserer Geschäftsordnung besagt nicht, daß man keine Aufzeichnungen benutzen dürfe. Er ist im Grunde ein Appell an die Abgeordneten, hier die freie Rede zu üben. Im übrigen können sie sich aber natürlich auch der Aufzeichnungen bedienen, die geeignet sind, ihre Ausführungen zu straffen.
In diesem Sinne gebe ich das Wort Herrn Abgeordneten Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0514626100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine kurzen Ausführungen sollen sich mit 'dem Thema Meldepflicht für behinderte Kinder befassen. Der Jugendbericht beginnt in dem Kapitel für behinderte Kinder und Jugendliche mit dem lapidaren Satz, daß die Zahl der behinderten Kinder und Jugendlichen in der Bundesrepublik nicht genau bekannt sei. Nun 'ist aber die Voraussetzung für eine wirksame Hilfe und für eine möglichst frühzeitige Erfassung dieser behinderten Kinder die Kenntnis von diesen Behinderungen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt. Die Früherfassung 'der behinderten Kinder erscheint mir aber dringend verbesserungsbedürftig. Das geltende Recht sieht in § 124 des Bundessozialhilfegesetzes lediglich eine begrenzte Meldepflicht bei körperlichen Gebrechen vor. Lehnen die Eltern aber eine vorgesehene oder vorgeschlagene Behandlung ab, dann besteht keinerlei Verpflichtung für den Arzt, diese Behinderung anzuzeigen. Den Ärzten wird lediglich das Recht zuerkannt, das Amt zu benachrichtigen. Die Entscheidung ist also, kann man sagen, völlig in 'die Hände 'der Eltern gelegt.
Die Eltern unterliegen sicherlich bei behinderten Kindern einer starken seelischen Belastung, die sich
oft in einer großen Liebe zu diesen Kindern, oft in einer übertriebenen Sorge, aber auch dann und wann in einer Gleichgültigkeit gegenüber der Behinderung äußert. Jedenfalls zeigt die Praxis der Erfassung, daß diese nicht voll befriedigend ist. Insbesondere halten die Eltern geistig behinderter Kinder diese oft verschämt zurück.
In der Diskussion ist also eine Erweiterung der bestehenden gesetzlichen Meldepflicht. Hier melden allerdings die Ärzte ihre Bedenken an. Sie machen darauf aufmerksam, daß das persönliche Verhältnis zwischen den Eltern und dem Arzt durch diese Meldepflicht gestört werden könnte. Diesem Argument muß man wirklich größte Beachtung schenken.
Schließlich belastet auch unsere jüngste Vergangenheit, der Mißbrauch des Meldesystems im Dritten Reich, sehr stark diese verbesserungsfähige Meldepflicht. Es gibt aber auch sehr starke Argumente für eine zwingendere gesetzliche Bestimmung. Sie liegen zunächst einmal im Kind selbst. Jedes Kind, das nicht rechtzeitig und frühzeitig einer möglichen Betreuung und Behandlung zugeführt wird, wird in seinen Lebenschancen betrogen.
Schließlich muß auch die Gesellschaft daran interessiert sein, die Kinder zu rehabilitieren, sie einzufügen und in die Gesellschatf einzugliedern, damit sie später ihren Platz ausfüllen können. Ferner brauchen auch die für die Planung verantwortlichen Stellen doch genaue Unterlagen über die Größenordnung des zu bewältigenden Problems. Die Planungen für Sonderkindergärten, Sonderschulen, Bettenplätze in Anstalten oder beschützende Werkstätten benötigen genaue Daten und Zahlen. Eine verbesserte Meldepflicht allein kann dieses Zahlenmaterial liefern und ist eine Grundlage für Hilfsmaßnahmen. Die völlig erfaßten behinderten Blinden zeigen deutlich, was auf diesem Sektor möglich ist und wieweit eine Eingliederung Behinderter in die Gesellschaft erfolgen kann.
Vielleicht gelingt es uns, in den Beratungen des Ausschusses einen tragbaren Kompromiß zu finden, der es auch der Ärzteschaft ermöglicht, hinter einer verbesserten Meldepflicht zu stehen. Ich bin der Überzeugung, daß die Zeit reif ist, dieses heiße Eisen unverzüglich anzupacken, weil gerade jetzt die Bereitschaft groß ist, den behinderten Kindern zu helfen.
Noch ein letztes Wort. Da und dort in der Gesellschaft gibt es immer noch Vorurteile gegenüber dem behinderten Kind, insbesondere gegenüber dem geistig behinderten Kind. Hier ist eine weitere breite Aufklärungsarbeit notwendig. Auch gesunde Kinder können grausam zu behinderten Kindern sein. Auf diesem Gebiet haben Fernsehen, Funk und Presse wirklich viel Positives in ihrer Aufklärungsarbeit geleistet. Wir sollten diese Stellen und Einrichtungen ermuntern, in dieser Arbeit fortzufahren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514626200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.




Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0514626300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich darf eingangs gleich auf die Ausführungen des Kollegen Burger kurz eingehen und sagen: Herr Kollege Burger, die Frage der absoluten Meldepflicht für körperbehinderte Kinder muß sicherlich noch eingehend diskutiert werden, bevor man sich endgültig dazu entscheiden könnte. Was nützt, so muß ich fragen, eine Meldepflicht, wenn wir wissen, daß wir für ein halbes Jahrzehnt, ja, vielleicht sogar für ein Jahrzehnt nicht in der Lage sind, den Kindern oder den Eltern, deren Kinder gemeldet sind, wirkliche Hilfe zuteil werden zu lassen? Es ist eine große Schwierigkeit darin zu sehen, daß, wenn wir eine Meldepflicht einführen, aber nicht in der Lage sind, den Eltern dann auch die notwendige Hilfe für die gemeldeten Kinder zuteil werden zu lassen, das zu Verbitterungen bei den Eltern führen kann. Denn sie werden annehmen, daß sie mit der Erfüllung dieser Meldepflicht ihre Aufgabe zunächst erfüllt haben und daß ihnen nun Hilfe zur Selbsthilfe oder Hilfe in anderer Form gegeben wird. Wir wissen alle miteinander — das ist schon angeklungen —, daß das, was auf diesem Gebiet geleistet wurde, für das behinderte Kind außerordentlich viel ist, aber viel zuwenig im Hinblick auf das, was eigentlich geschehen sollte. Deshalb also ein bißchen vorsichtig mit dem Ruf nach der absoluten Meldepflicht! Es gehört sorgsam überlegt, ob mit der Durchführung einer solchen Meldepflicht, ohne in absehbarer Zeit Hilfe leisten zu können, nicht mehr zerstört wird, als man durch die Meldepflicht tatsächlich erreicht.
Wir wollen als Freie Demokraten auch kurz den Blick dem behinderten Kind zuwenden und uns einmal auf Herrn Prof. Dr. Dr. von Bracken beziehen, der festgestellt hat, daß jährlich etwa 60 000 bis 80 000 körperlich, geistig oder psychisch behinderte Kinder geboren werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man diese Zahl hört, dann wird einem deutlich, wieviel Sorge jedes Jahr in vielen deutschen Familien eintritt; dann wird einem deutlich, daß hier der Gesellschaft eine Aufgabe gestellt ist, die tatkräftiger angegangen werden muß, als das in der Vergangenheit bei allem guten Willen festzustellen ist. Wir haben festzustellen, daß ungefähr 600 000 bis 700 000 behinderte Kinder im weitesten Sinne des Wortes im schulpflichtigen Alter vorhanden sind. In der Antwort des Bundesministeriums für Familie und Jugend wird unter Abschnitt VI — Das behinderte Kind — aufgezeigt, was alles geschieht und was noch in Vorbereitung ist. Man könnte danach den Eindruck haben, daß der Zustand „etwas erträglich" ist, wie ein Kollege von der SPD es nannte. Aber wenn wir tiefer eindringen, müssen wir sagen, daß sich doch noch ein Bild des Notstands auf dem Gebiet der Förderung und der Hilfe für das behinderte Kind auftut.
Wir sind als Bundesgesetzgeber natürlich in einer schwierigen Situation. Wir haben im Grundgesetz die allgemeine Schulpflicht stehen. Aber wir haben gar keine Möglichkeit, innerhalb dieser grundgesetzlich verankerten Schulpflicht besonders initiativ zu werden. Ja, wir sind auf liebenswürdige Bitten an die zuständigen Länder angewiesen. Aber ich glaube, wir haben vom Grundgesetz her doch die
gesellschaftspolitische Aufgabe, uns mit all unseren Möglichkeiten auch für die behinderten Kinder einzusetzen.
Wenn ich richtig unterrichtet bin, haben wir in der Bundesrepublik nicht nur die Schulpflicht, sondern wir haben den freien Schulbesuch für alle Kinder. Mit dem freien Schulbesuch fängt es aber in dem Augenblick an zu hapern, wo es sich um ein behindertes Kind handelt. Dann werden — so wird mir glaubhaft berichtet — die Eltern in Einzelfällen zur Erfüllung dieser Schulpflicht in ganz bestimmten Institutionen mit bis zu 600 DM innerhalb eines Monats herangezogen.
Hier können wir natürlich nicht alles auf einmal bewältigen. Aber ich glaube, wir müssen hier einmal den § 75 des Bundessozialhilfegesetzes betrachten. Dort ist die persönliche Hilfe für den alten Menschen angesprochen, die ohne Rücksicht auf das Einkommen zu geben ist. Eine solche persönliche Hilfe für das behinderte Kind ohne oder unter großzügigerer Berücksichtigung des Einkommens der Eltern haben wir im Bundessozialhilfegesetz nicht.

(Abg. Glombig: Was glauben Sie, was das ist, Her Spitzmüller, diese Hilfe für alte Menschen? Was soll denn das sein?)

— Diese Hilfe für ältere Menschen gibt es in den größeren Städten zweifellos. Das wissen Sie, Herr Kollege, .der Sie aus Hamburg kommen, ganz genau. Sie besteht z. B. im Besuch von Veranstaltungen. Die Städte lassen sich schon etwas einfallen, um die alten Menschen davor zu bewahren, daß sie völlig vereinsamen.

(Zuruf von der SPD: Alten-Klubs!)

— Ja, Alten-Klubs, gemeinsame Theaterveranstaltungen.

(Abg. Glombig: Das ist der Unterschied zur Eingliederungshilfe für Behinderte; die kostet sehr viel Geld!)

— Selbstverständlich, Herr Kollege. Sicherlich können wir hier nicht gleich alles erreichen, aber ich möchte immerhin darauf hinweisen, daß das ein Zielpunkt ist, den wir im Auge behalten sollten, indem wir sagen: Wir haben die Pflicht und die Schuldigkeit, dem behinderten Kind alle Möglichkeiten zu schaffen, sich so auszubilden, wie es seiner körperlichen oder geistigen Behinderung entspricht, so daß es als Erwachsener später möglichst viel zu seinem ferneren Lebensunterhalt beitragen kann. Das ist es, was wir sehen müssen, und wir müssen uns bewußt sein, daß hierfür die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist.
Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, daß beispielsweise rund 90 % der spastisch gelähmten Kinder keine Schule besuchen, daß wir also in der Bundesrepublik noch Analphabeten haben, die nach Tausenden zu zählen sind. Sicherlich ist das ein Analphabetentum, das besondere Begründungen hat. Aber es muß doch unser Ziel sein, dem entgegenzuwirken. Man muß die ganze Problematik dieser Dinge erkennen.
Wir Freien Demokraten glauben, daß das, was nottut, angesprochen werden kann und muß. Das



Spitzmüller
ist ein Aus- und Aufbau der Rehabilitationseinrichtungen für behinderte Kinder. Das heißt, daß die bisherigen Bemühungen noch besser aufeinander abzustimmen sind, daß die fachlichen, personellen, finanziellen, gesetzlichen und organisatorischen Voraussetzungen zu verbessern oder teilweise neu zu schaffen sind. Wir halten das für eine sozialpolitisch und gesellschaftspolitisch entscheidende Aufgabe, die uns hier zugewachsen ist. Wir müssen die sachlichen und ökonomischen Voraussetzungen schaffen, damit diese Kinder, wenn sie erwachsen sind, wenigstens so viel leisten können, daß sie sich zum Teil oder ganz aus eigener Kraft erhalten können. Das Ziel muß sein, für diese behinderten Kinder Sicherungen zu schaffen, um sie zu einer weitreichenden Selbständigkeit zu führen. Diesen Kindern muß mehr als bisher beigestanden werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, die Sie die Initiatoren dieser Großen Anfrage sind, ich glaube, eines hat die Debatte heute auch bewirkt: daß man diese schwierigen und nicht sehr erfreulichen Fragen des behinderten Kindes einmal in das Licht der Öffentlichkeit rücken konnte. Denn diese Kinder stehen nicht auf der Sonnenseite des Lebens, sondern im Schatten, und Brecht hat schon festgestellt, daß man die im Schatten nicht sieht. Wir glauben, daß es auch mit eine Aufgabe von Fernsehen, Rundfunk und der Illustrierten sein könnte — das gilt vor allem für die letzteren —, weniger über Sitten-, Familien-und Scheidungsskandale zu berichten und dafür den Blick der Öffentlichkeit mehr auf solche Verhältnisse zu richten, um Verständnis zu wecken und zu zeigen, daß es Tausende stiller Helden gibt, nämlich die Eltern, die das schwere Schicksal, das sie mit einem behinderten Kind zu bewältigen haben, in aller Stille und mit aller Selbstverständlichkeit meistern. Eine solche fortgesetzte Berichterstattung in Illustrierten würde sicherlich nicht nur zum besseren Verständnis für die körperbehinderten Kinder und ihre Eltern beitragen, sondern würde auch vielen Menschen, die glauben, daß die drei oder vier Kinder, die sie ihr eigen nennen, schon zu einer Last für sie werden, deutlich machen, daß sie eigentlich sagen müßten: Gott sei Dank, in was für glücklichen Verhältnissen sind wir, daß wir drei, vier gesunde Kinder haben; wir wollen als Eltern von gesunden Kindern nicht mehr klagen, nachdem uns bewußt geworden ist, wieviel Mühen die Eltern behinderter Kinder täglich auf sich zu nehmen haben. Welch große Menschen- und Elternpflicht diese Leute erfüllen, das sollte man bei dieser Debatte über die Situation des Kindes auch einmal zum Ausdruck gebracht haben. In diesem Zusammenhang sollten wir all diesen Eltern, .die sich dieser Aufgabe unterziehen, danken, danken aber auch den vielen Organisationen ,die sich in immer stärkerem Maße dieser schwierigen und langwierigen Aufgabe angenommen haben.

(Beifall auf allen Seiten des Hauses.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514626400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hammans.

Dr. Hugo Hammans (CDU):
Rede ID: ID0514626500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann mich auf das beschränken, was noch nicht gesagt worden ist, und kann dabei auch das weglassen, was sowieso bekannt ist. Ich bin mit Herrn Dr. Martin der Meinung — und ich muß wohl an das anknüpfen, was er gesagt hat —, daß dieser Punkt heute in den Beratungen viel zu kurz gekommen ist, vielleicht auch deshalb, weil er ein heißes Eisen ist. Es ist Punkt 5 Ihrer großartigen Materialien, Herr Minister Heck, die Frage der Geschlechtserziehung. Herr Dr. Martin hat einen sehr guten Anfang gemacht, und ich möchte noch ein paar Gedanken hinzufügen dürfen, die eigentlich hier hingehören.
Die Eltern werden für eines der schwierigsten Probleme, das sie in ihrem Leben zu meistern haben, nämlich für die Erziehung ihrer Kinder, viel zuwenig ausgebildet. Das muß man sagen, wenn man einmal damit vergleicht, wie sehr sie für ihren Lebensberuf ausgebildet werden. Um wieviel mehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, gilt dies für die Erziehung ihrer Kinder in Sexualfragen! Wie wichtig sind diese Fragen! Wir sind auch ganz eindeutig der Meinung, daß diese Fragen zu Hause geklärt werden müssen und daß es Aufgabe der Eltern ist, die Geschlechtserziehung durchzuführen. Wie aber sollen die Eltern diese Aufgabe erfüllen, wie sollen sie dieser Aufgabe gerecht werden, wenn sie weder die anthropologischen noch die anatomischen oder physiologischen Gegebenheiten genau kennen und erst recht nicht die Zusammenhänge zwischen geistiger, seelischer und körperlicher Struktur dieser Dinge erklären können? Wie sollen sie dann ein Kind in diesen Fragen richtig und vernünftig erziehen können?
Die geschlechtliche Erziehung eines Kindes beginnt in dem Alter, in dem es seine ersten Fragen stellt, und nicht erst dann, wenn es fünf oder sechs Jahre alt ist. Die Mutter, die auf die Frage ihrer Tochter, warum sie anders aussehe als ihr Bruder, eine ausweichende, falsche Antwort gibt, hat ihre Chance vertan, das Vertrauen ihres Kindes zu erwerben. Das zieht sich bis ins Schulalter hinein. Dort wird es dann besonders kritisch, weil jetzt viele Probleme auf einmal kommen: die Schule, die Mitschüler und der Lehrer.
Die große Frage ist — sie ist heute bisher nicht gestellt worden —: Soll der Lehrer da den Eltern helfen? Ich glaube, es wäre wirklich ein Idealzustand, wenn es nicht notwendig wäre, daß Erziehungsberatungsstellen oder Lehrer helfend eingreifen müssen. Aber es ist notwendig. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß Eltern gesagt haben: Bitte, tun Sie das, Sie können das viel besser; wir sind viel zu sehr Partei. Das ist sicherlich ein sehr falscher Standpunkt. Wenn es aber schon nicht sofort hinzubekommen ist, daß die Eltern diese Erziehung allein übernehmen, dann sollte diese Erziehung wenigstens in Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule erfolgen. Sie sollte wenigstens auch zeitlich so abgesprochen werden, daß die Eltern wissen, wann in der Schule mit ihren Kindern über Sexualfragen gesprochen wird, so daß sie dann wenigstens den Faden aufneh-



Dr. Hammans
men können. Daß das natürlich in der Schule nicht etwa in der Form geschehen kann: „Morgen alle den schwarzen Anzug anziehen, wir haben dann Aufklärungsunterricht!", das weiß inzwischen jeder. Die Zeiten sind längst vorbei.
Aber wenn schon das Elternhaus versagt, müssen die Lehrer wenigstens in der Lage sein, auf die Fragen der Kinder — und diese Fragen kommen! eine richtige Antwort zu geben. Aber sind unsere Lehrer heute so ausgebildet, daß sie dies können? Und wenn sie eine solche Ausbildung haben — haben sie die psychologischen Fähigkeiten, dieses so schwierige Thema mit ihren Kindern zu besprechen?
Gänzlich unmöglich ist es, in einer Klasse, in der etwa Kinder verschiedenen Alters, verschiedener Stadien der Pubertät sind, generell diese Dinge zu besprechen; das ist völlig unmöglich.
Gerade in der Zeit der Pubertät zeigt sich für die Jungen und Mädchen die Welt der Erwachsenen in einem merkwürdigen Zwiespalt. Wir können die Kinder nicht während dieser Zeit — so schön es auch wäre — in den Kleiderschrank hängen und hinterher wieder herausnehmen, wir müssen uns auch in dieser Zeit mit ihnen auseinandersetzen; und dann stellen wir, wenn wir das einmal aus einem gewissen Blickwinkel sehen, fest, welchen Dingen diese jungen Menschen, die in der Akzeleration, in einer körperlichen Reife und Entwicklung sind, geistig-seelisch aber noch weit zurück sind, ausgesetzt werden, z. B. in unseren Massenmedien. Auf der einen Seite sehen sie in den Illustrierten — glauben Sie mir, Ihre Kinder und die Kinder lesen Illustrierte ! — die Abbildungen nackter Menschen, die nicht zum Studium der anatomischen Verhältnisse, sondern aus reinem Sex-Appeal abgebildet werden. Auf der anderen Seite finden sie in der Schule im Biologieunterricht Abbildungen oder einen Torso des Menschen, an dem es keine Geschlechtsorgane gibt. Mit dieser Diskrepanz sollen die Kinder fertig werden. Wie sollen sie das machen? Oder sie sehen Kinoplakate, mit denen die Erwachsenen in die Kinos gelockt werden sollen, auf denen der Körper dargestellt ist, als ob es nichts anderes gäbe als Sex und das, was man so „Liebe" nennt. Und in der Schule wird ihnen dann ein Klassiker vorgesetzt — ich meine jetzt Goethes „Götz von Berlichingen" —, in 'dem ein Nebensatz — Sie kennen ihn alle — durch Pünktchen — Pünktchen — Punkt ersetzt ist. Das sind Diskrepanzen, die, glaube ich, für die Kinder sehr schwer verständlich sind, die sehr schwer verdaulich sind.
Lassen Sie mich zusammenfassen und abschließen. Ich glaube, es sind drei Dinge, die der Staat tun kann, um hier Abhilfe zu schaffen, um mitzuwirken, daß es in dem Punkte besser geht.
Erstens. Er muß, wo immer sich die Gelegenheit bietet, mithelfen, die Familien, die Mütter und Väter in den Stand zu setzen, die Geschlechtserziehung der Kinder voll und ganz zu übernehmen.
Zweitens. Solange dies nicht möglich ist — und wir wissen, daß es zunächst nicht geht —, muß die Ausbildung von Lehrern aller Schulformen so geregelt werden, daß die Lehrer, vor allen Dingen die
Biologie- und Religionslehrer in der Lage sind, die Fragen, die die Geschlechtserziehung betreffen, wahrheitsgemäß, richtig, auch psychologisch richtig eingebettet, zu beantworten. Das dritte, das der Staat tun kann, ist: Es muß ein Höchstmaß an Zusammenarbeit zwischen Eltern, Erziehungsberatungsstellen und Lehrern erreicht werden — zum Wohle unserer Kinder.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514626600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0514626700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe lange überlegt, ob ich zu der Großen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion über 'die Lage der Kinder und damit vor allem auch über die Lage der behinderten Kinder etwas sagen soll. Im Laufe der Debatte bin ich zu der Überzeugung gekommen, ich sollte dazu etwas sagen, und zwar — ich darf das auch ganz offen zum Ausdruck bringen — als Behinderter, und zwar als einer, der früher +auch einmal — es ist einige Jahre her — zu dem Kreis der behinderten Kinder gehört hat. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel: ich habe mitunter den Eindruck gehabt, daß die Ausführungen zu dem Problem des behinderten Kindes doch sehr theoretisch gewesen sind und .daß in dieser Stunde so eine Art „Aktion Sorgenkind" hier durch das Parlament geht. Und vor dieser „Aktion Sorgenkind", meine Damen und Herren, habe ich eine sehr große Sorge. Wenn ich als einer, der selbst zu dem Kreis der Behinderten gehört, mir z. B. die Darstellung der Lebenssituation behinderter Kinder oder behinderter Erwachsener in Rundfunk, Presse und Fernsehen vor Augen führe, dann habe ich ein ungutes Gefühl. Körperbehinderte Kinder werden eines Tages erwachsen, sie sind, bevor sie erwachsen sind, Jugendliche, und auch sie haben doch sehr oft ein beklemmendes Gefühl, wenn über ihre Probleme in der Öffentlichkeit berichtet wird. Warum? Deswegen, weil sie — und nicht nur sie — den Eindruck haben, daß ihre Probleme oftmals nicht so dargestellt werden, wie man sie eigentlich darstellen müßte, wenn dieser Fragenkomplex seriös dargestellt werden soll.
Eine große Zahl karitativer Verbände beschäftigt sich mit dem Problem behinderter Kinder. Ich glaube, das sollten wir anerkennen, und das ist auch bereits anerkannt worden. Aber eine Zersplitterung auf diesem Gebiet ist trotzdem unheilvoll. Ebenso, wie die Ergebnisse der „Aktion Sorgenkind" nicht im Rahmen einer großlinigen Konzeption verwandt werden, wird die Vielzahl der Organisationen und Verbände, die sich mit dem Problem der behinderten Kinder befassen, ihre Aktion nicht in eine großlinige Konzeption einbauen. Warum nicht? Weil diese großlinige Konzeption nicht vorgezeichnet ist! Von wem sollte sie vorgezeichnet sein? Wer ist für die Vorzeichnung einer solchen Konzeption zur Bewältigung dieses Problems in unserem Lande zuständig? Ich habe mich sehr oft danach gefragt; ich habe darauf bisher keine Antwort gefunden.



Glombig
Ich habe in den vergangenen Jahren wiederholt die Schaffung einer Bundesanstalt für Rehabilitation gefordert, und zwar in der Erkenntnis, daß es sich hier nicht nur um ein Problem für behinderte Kinder, sondern auch um ein Problem für behinderte Erwachsene handelt, daß man aber das Problem der behinderten Kinder nicht von dem der behinderten Erwachsenen trennen kann.
Auf der anderen Seite habe ich in der Vergangenheit den Eindruck gehabt, daß der Institutionsegoismus auf diesem Gebiet so groß ist, daß wir alle Mühe aufwenden müssen, ihn zu überwinden.

(Beifall bei der SPD.)

Es ist doch eigenartig, daß sich sogar in den Organen der Selbstverwaltung inzwischen das Gefühl ausgebreitet hat, als wäre man .die Institution selbst und nicht mehr 'die Selbstverwaltung, auch dann, wenn es um die Bewältigung des Problems der Rehabilitation geht. Das, meine Damen und Herren, ist die große Aufgabe, vor der wir stehen.
Bei allem Dank an die Verbände der freien Wohlfahrtspflege — ich habe elf Jahre als Kind in einer ihrer Anstalten zugebracht, und ich glaube, daß ich durchaus prädestiniert bin, diesen Dank an die Verbände der freien Wohlfahrtspflege, vor allem an die konfessionellen Verbände, hier zum Ausdruck zu bringen — muß ich aber doch sagen: Wir müssen 'auf jeden Fall auch die individuellen Voraussetzungen schaffen, damit Hilfe wirksam werden kann. Das können wir nicht allein mit großen Proklamationen tun. Das müssen wir auch tun, indem wir — das ist hier bereits 'angeklungen — das Bundessozialhilfegesetz ändern, und zwar so, daß nicht nur die körperlich Behinderten, sondern auch die geistig Behinderten in vollem Umfange in den Genuß seiner Leistungen kommen und daß auch die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistungen entsprechend verbessert werden. Die Eingliederungshilfe für Behinderte ist aber nun einmal nicht gleichzusetzen mit der Altenhilfe nach dem Bundessozialhilfgesetz. Die Altenhilfe ist ein Problem der Schaffung von Altentagesstätten und Altenklubs. Da wird geraucht und Skat gespielt; das mag gut sein für alte Menschen. Aber das ist nicht das Problem, um .das es sich bei den behinderten Kindern handelt. Hier ist es ein Kostenproblem. Ich stimme trotzdem in vielem mit Ihnen, Herr Spitzmüller, überein. Auch ich halte es für einen Skandal, daß die Schulpflicht, die auch für behinderte Kinder besteht, nicht in jedem Falle ein Recht für behinderte Kinder darstellt, weil der Schulbesuch von der Kostentragung für besondere Einrichtungen abhängig gemacht werden kann.
Es ist ein eklatanter Widerspruch, wenn Sie auf der einen Seite gegen die Einführung der Meldepflicht für behinderte Kinder sind, auf der anderen Seite aber für eine Verbesserung der individuellen Voraussetzungen im Gesetz selbst und damit auch für die Verstärkung der Möglichkeiten, Rehabilitationseinrichtungen zu schaffen. Sie können doch weder von einem Gemeindeparlament noch von einem Landesparlament noch vom Bundesparlament oder von den Regierungen bzw. Verwaltungen verlangen, kostspielige Rehabilitationseinrichtungen zu
schaffen, ohne zu wissen, wie groß der Bedarf ist und wie dieser Bedarf im einzelnen vom Alter und der Art der Behinderung her geartet ist. Dagegen sprechen auch schon die Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung. Ich meine deshalb, man sollte nicht mit solchen Argumenten gegen eine geplante Meldepflicht vorgehen. Aus eigener Anschauung kann ich Ihnen sagen, daß wir in Hamburg erst auf Grund des Nachweises eines Bedürfnisses, und zwar auf Grund der Zahl, die wir ermittelt haben, die Einrichtungen schaffen konnten, die notwendig waren. So wird es auch in allen anderen Gemeinden und Ländern sein. Das ist die wertvollste Voraussetzung zur Lösung dieses Problems, und dagegen sollte nicht Sturm gelaufen werden, auch nicht von seiten der organisierten Ärzteschaft. Ich sage das mit aller Deutlichkeit. Die Meldepflicht, d. h. eine Umwandlung des jetzigen Melderechtes in eine Meldepflicht, ein modifiziertes Melderecht auch für Ärzte, ist ein technisches Planelement für die Rehabilitation Behinderter und damit auch für die Rehabilitation behinderter Kinder. Das ist weder eine Verstaatlichung noch eine Verplanung dieser Kinder, sondern einfach die Voraussetzung dafür, daß getan wird, was geschehen muß, um dieses Problem zu lösen.
Meine Damen und Herren, behinderte Kinder und erwachsene Behinderte, die schon eingegliedert sind, werden wieder ausgegliedert, und solche, die noch nicht eingegliedert sind, können niemals eingegliedert werden, wenn es uns nicht gelingt, die architektonischen und technischen Barrieren in diesem Lande zu überwinden. Es ist doch klar, daß gelähmte und amputierte Kinder und Erwachsene nicht in die Gesellschaft und in das Leben eingegliedert werden können, wenn Treppen und Eingänge für sie unüberwindlich sind. Hier gibt es nicht nur das Problem der Schaffung familiengerechter Wohnungen, sondern auch das Problem der Schaffung behindertenfreundlicher öffentlicher Gebäude. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß z. B. Behinderte in ihren Selbstfahrern und Krankenfahrstühlen vor der Tür öffentlicher Gebäude stehenbleiben müssen und daß die Sachbearbeiter der Sozialämter herauskommen müssen, um sie .auf .der Straße abzufertigen, oder daß diese Menschen keine Möglichkeit haben, ein Kino oder ein Theater zu besuchen, weil es entweder keinen Fahrstuhl in diesem Haus oder nicht die geeigneten Eingänge gibt, damit man mit einem Rollstuhl in dieses Gebäude hineinkommen kann.
In Schweden gibt es das Gesetz Nr. 175.. Dieses Gesetz enthält eine grundlegende Verpflichtung für alle öffentlichen und privaten Bauträger, jeden Bauplan — das gilt auch für den Straßenbau — daraufhin zu überprüfen, ob er auch den Bedürfnissen Behinderter, vor allem Gehbehinderter, Rechnung trägt. Die Lösung dieses Problems dient im übrigen auch den jungen Familien mit kleinen Kindern, denn auch dieses Problem ist bei uns völlig ungelöst. Vor allem hat aber auch die große Zahl der gebrechlichen .alten Menschen sehr viel Mühe, in öffentliche Gebäude hineinzukommen und unsere Verkehrsmittel zu benutzen. Welchem Schwerbehinderten ist es schon möglich, einen Zug oder eine S-Bahn oder eine Straßenbahn oder einen Omnibus



Glombig
zu besteigen, wenn nicht besondere Vorrichtungen getroffen sind? Hier hat der Bundesgesetzgeber ebenso wie bei der Koordinierung der Rehabilitation und bei der Einführung einer Meldepflicht das zu tun, was notwendig ist.
Ich möchte die Bundesregierung zum Schluß von dieser Stelle her auffordern, nun endlich die Novelle zum Bundessozialhilfegesetz vorzulegen, damit wir über das Stadium der Rede und der Anerkennung des ethischen und psychologischen Problems hinauskommen und im Einzelfall auch tatsächlich da, wo es notwendig ist, helfen können. Einkommensgrenzen von 500 DM monatlich lassen Familien verbluten, wenn es sich um ein behindertes Kind handelt,

(Beifall)

für das Eingliederungshilfen für schulische Ausbildung, Berufsausbildung, klinische Behandlung usw. notwendig sind. Ich glaube,. das ist nicht nur eine Aufforderung an _die Regierung, sondern auch an dieses Parlament, an das gesamte Volk, an die gesamte Gemeinschaft, damit auch das psychologische Problem zu lösen: die Aufnahme der Behinderten in dieses Volk, die zur Zeit noch draußen stehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514626800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jungmann.

Dr. Gerhard Jungmann (CDU):
Rede ID: ID0514626900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage beschäftigt sich mit der Situation des Kindes in der Bundesrepublik, und es ist nur zu verständlich, daß sich die Aufmerksamkeit dabei auf diejenigen Kinder richtet, die des Mitgefühls und des Interesses der Öffentlichkeit besonders bedürftig sind. Aber erlauben Sie mir, weil es in der Reihenfolge nun einmal gerade so zustande kommt, doch noch einmal auf einige allgemeine Fragen zu sprechen zu kommen, soweit sie meinen Gesichtskreis besonders betreffen.
Wenn ich mir noch einmal vergegenwärtige, was wir heute gehört haben, so muß ich daran denken, daß ein sehr namhafter Kinderarzt, ein bekannter Professor, vor einigen Jahren seine Antrittsvorlesung, als er seine neue Professur antrat, mit der Feststellung begann, daß der Gesundheitszustand unserer Kinder noch nie so gut gewesen sei. Das bedeutet aber keineswegs, daß unsere Debatte heute gegenstandslos wäre; denn es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die gesundheitliche Lage, die gesundheitliche Situation — Gesundheitszustand ist ein schlechter Ausdruck — unserer Kinder heute besser ist als je zuvor. Das bedeutet aber keineswegs, daß es nun nichts mehr zu tun gäbe. Nachdem die großen Probleme oder viele große Probleme gelöst sind, wendet sich die Aufmerksamkeit jetzt mehr den Einzelfragen zu, deren Bedeutung sowohl für die Kinder als auch für die Allgemeinheit keineswegs geringer ist als die der Gesamtprobleme.
Es ist interessant, daß hier in dem Bericht eine sehr vorsichtige Einstellung gegenüber den Haltungsschäden zum Ausdruck kommt. Vor Jahren ist einmal außerordentlich viel von Haltungsschäden die
Rede gewesen. Herr Kubitza hat heute morgen noch gemeint, es sei bereits ein großer Fortschritt, daß, während vor ein paar Jahren 75 % der Wehrpflichtigen Haltungsschäden aufgewiesen hätten, es heute nur noch ein paar Prozent seien. Das ist ein Beispiel für die statistischen Irrtümer, die bei unzulänglichen Statistiken zustande kommen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

Tatsache ist, daß die öffentliche Aufmerksamkeit für die „schlechte" Haltung der Kinder und Jugendlichen dazu geführt hat, daß man sich nach den Ursachen gefragt hat. Man weiß inzwischen, daß es einmal an einer Erscheinung liegt, die wir Akzeleration nennen, an dem schnelleren und stärkeren Wachstum junger Menschen, und darüber hinaus ganz wesentlich auch daran, daß die Kinder in den Großstädten natürlich nicht die Möglichkeit haben, sich auszutoben unid sich körperlich so zu entwickeln, wie ,das wünschenswert wäre. Bemerkenswerterweise hat man aber auch jahrelang behauptet, daß die Haltungsschäden gerade bei den ländlichen Kindern besonders auffällig seien. Die Statistiken haben das angeblich deutlich gezeigt, diese Pseudostatistiken, die auch hier zugrunde gelegt worden sind. Bei näherem Zusehen hat sich dann aber ergeben, daß sich die jungen Leute, die aus der Stadt kommen, bei der Musterungsuntersuchung vielfach gerader und straffer halten als diejenigen, die vom Lande kommen, so daß hier ein falscher Eindruck enstanden ist. Bei Nachprüfungen gewissenhafterer Art haben sich diese Behauptungen dann nicht mehr halten lassen. Ich übersehe natürlich nicht, daß die jahrelange Beschäftigung der Öffentlichkeit mit dieser Frage dazu geführt hat, daß man der Notwendigkeit von Turn- und Sportplätzen, von Schwimmbädern und allen diesen Dingen vielmehr Beachtung als vorher geschenkt hat. So haben diese Feststellungen dann doch ihre große Bedeutung gehabt, und ich will das nicht nachträglich verkleinern.
Ich möchte in diesem Zusammenhang ein paar Worte zur Schulgesundheitspflege sagen. Wenn ich den Bericht der Bundesregierung richtig verstanden habe, wird auch dort angedeutet, daß unsere Schulgesundheitspflege nicht so ist, wie sie sein müßte. Sie ist alt und traditionsbeladen, aber sie wird den Aufgaben schon lange nicht mehr gerecht. Ich glaube, daß das daran liegt, ,daß sie in die Zuständigkeit ,der Gesundheitsbehörden fällt, die Schulbehörden dafür aber in keiner Weise verantwortlich sind. Das ist keine Bundesangelegenheit, sondern Angelegenheit der Länder.
Aus der Stellungnahme des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen scheint hervorzugehen, daß die organisatorische Seite der Schulgesundheitspflege eigentlich in den Bereich der Schulverwaltung gehört, während die fachliche Seite der Sache selbstverständlich Aufgabe der Gesundheitsbehörden ist. Auch hier muß man vom Ressortegoismus loskommen. Man wird besser zusammenarbeiten müssen.
Sie werden mir sicherlich darin zustimmen, daß es nicht gut ist, nur hauptamtliche Schulärzte haben



Dr. Jungmann
zu wollen und für 10- bis 20 000 Kinder einen solchen Schularzt vorzusehen, wobei hinzukommt, daß es selbst diesen einen Arzt oft nicht gibt. Es gibt ganze Kreise, die keinen einzigen Schularzt haben. Wenn man das für das ganze Bundesgebiet umrechnet, kommen wir nicht auf 10- oder 20-oder 30 000, sondern auf noch viel mehr Kinder, die keinen ausgebildeten Schularzt haben.
Die Forderung geht deshalb schon seit Jahren meines Erachtens mit Recht dahin, daß jede Schule ihren Arzt haben sollte, der .das Vertrauen der Lehrerschaft und der Elternschaft genießt. Das wird aber nur dann möglich sein, wenn an unseren Schulen sehr viel mehr Ärzte wirken. Nur dann kann die individuelle Beobachtung der Gesundheit unserer Kinder ins rechte Lot kommen. Man darf wohl auch nicht vergessen, daß die Schule für manche Kinder eine Gefährdung darstellt, daß manche Kinder eine Gefährdung für ihre Mitschüler darstellen. Es sollen auch Fälle vorkommen, wo die Lehrer eine Gefährdung für ihre Schüler darstellen. Hier kann nur ein guter Schularzt im Zusammenwirken mit der Lehrerschaft und der Schulleitung etwas erreichen. Das geht allerdings nicht nur mit unpersönlichen Reihenuntersuchungen.
Ich bin vor allem deshalb hier heraufgekommen, weil ich zu der Frage der Meldepflicht Stellung nehmen will. Herr Kollege Glombig, Sie wissen aus persönlichen Gesprächen, daß man hier nicht sagen darf, daß die organisierte Ärzteschaft das aus irgendwelchen egoistischen Gründen nicht wolle. Daß die organisierte Ärzteschaft zu diesem heißen Thema Stellung nimmt, ist selbstverständlich. Ich spreche hier aber nicht für die organisierte Ärzteschaft, sondern für mich selbst, was wohl selbstverständlich ist.
Herr Kollege Kühn hat vorhin gesagt, daß eine irgendwie geartete Meldepflicht wohl notwendig sei. Dem kann ich zustimmen. Ich sehe keinen Grund, dem zu widersprechen. Ich widerspreche aber der Forderung, die meines Erachtens viel zu simpel ist — —

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514627000
Herr Glombig möchte eine Zwischenfrage stellen.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0514627100
Herr Jungmann, ist Ihnen aufgefallen, daß ich wohl von der „organisierten Ärzteschaft" gesprochen habe, aber nicht davon, daß diese organisierte Ärzteschaft aus egoistischen Gründen gegen die Meldepflicht ist?

Dr. Gerhard Jungmann (CDU):
Rede ID: ID0514627200
Das habe ich aber auch nicht behauptet. Wenn das aus meinen Worten hervorgegangen sein sollte, so erkläre ich ausdrücklich, daß das nicht meine Absicht gewesen ist, Ihnen das zu unterstellen.
Es ist in jedem Falle eine Gewissensentscheidung, ob man für oder gegen die ärztliche Meldepflicht Stellung nimmt. Ich habe mir vorgenommen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit von dieser Stelle aus meine Meinung dazu zu sagen, obwohl ich jedem, der für eine ärztliche Meldepflicht eintritt,
durchaus zubillige, daß er von den besten Absichten getragen ist.
Meine Damen und Herren, wir sind uns hier darüber klar, daß unsere Sorge insbesondere den behinderten Kindern gelten muß. Ich will hier nicht von den Kindern sprechen, die von ihren Eltern mißhandelt worden sind, weil die Frage der Schweigepflicht dort meist gar nicht besteht. Hier hat jeder Staatsbürger, also auch der Arzt, im allgemeinen und im Grundsatz ,das Recht, wenn nicht sogar .die Pflicht, dafür zu sorgen, daß diese Mißhandlungen unterbleiben. Es wird auch dabei Zweifelsfragen und kritische Fragen geben. Wenn sich irgend jemand aber — auch .ein Arzt — seiner Verantwortung entzieht, indem er sich hinter seiner vermeintlichen Schweigepflicht verschanzt, dann hat der Betreffende und auch der Arzt .den Begriff der Schweigepflicht verkannt, oder .er hat ihn überhaupt nicht richtig verstanden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Hier geht es um etwas ganz anderes. Hier geht es darum, ob der Arzt verpflichtet werden soll, von sich aus und gegebenenfalls hinter dem Rücken der Eltern einer Behörde Meldung zu erstatten. Denn wem sonst sollte man das melden? Der Ausdruck „melden" ist schon bezeichnend, ebenso bezeichnend übrigens, Herr Kollege Burger, wie der Ausdruck „erfassen". Da soll also ein Kind „erfaßt" werden. Ich glaube ,das ist nicht glücklich. Richtig ist aber, daß wir uns alle mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir es erreichen, daß die' Kinder so früh wie möglich alle die Hilfen bekommen, die sie haben müssen, um die Chancen ihres Lebens ausnutzen zu können. Ich könnte für eine Meldepflicht der Eltern sein, obwohl auch das problematisch ist. Ich würde auch dem Arzt die Pflicht zumuten können, die Eltern über ihre Pflichten und Möglichkeiten, zu informieren. Dem Arzt kann man aber nicht die Verpflichtung auferlegen, die Eltern „anzuzeigen", wenn sie die Möglichkeiten, die ihnen oder ihrem Kind geboten sind, nicht ausnutzen oder sogar gröblich vernachlässigen. Der Arzt muß natürlich das Recht haben, im Interesse der Kinder einzuschreiten und einer solchen Verantwortungslosigkeit entgegenzutreten. Aber dieses Recht hat ,der Arzt doch .auch heute schon und seit jeher. Wenn man über diese Dinge diskutiert, sollte man nicht auf der einen Seite die Schweigepflicht und auf der anderen Seite die Meldepflicht gegeneinanderstellen. Das sind zwei Prinzipien, die mindestens den gleichen moralischen und ethischen Wert haben. Ich glaube, wir sollten nicht aneinander vorbeireden, sondern dafür sorgen, daß die Meldepflicht, wenn sie notwendig ist, in der richtigen Weise begründet wird und daß die Meldepflicht nicht gegen die Schweigepflicht des Arztes ausgespielt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514627300
Das Wort hat Frau Abgeordnete Meermann.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0514627400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Es tut mir sehr leid, daß ich die Rede des Herrn Kollegen Jung nur



Frau Meermann
in ihrem letzten Teil habe hören können. Mir wurde aber gesagt, daß er das Problem, das ich jetzt kurz aufgreifen möchte, noch nicht behandelt hat.
Mir geht es um die zweckmäßigste Wohnform für die Familie mit Kindern. Das Eigenheim der Familie mit Kindern hat häufig die Form des EinfamilienReihenhauses. Das ist so entstanden, weil man dazu verhältnismäßig wenig Grundfläche braucht und die Häuser dadurch billiger werden als in dem Fall, daß man z. B. für die kinderreichen Familien generell Bungalows vorsehen würde. Es hat aber den großen Nachteil, daß das Familienleben sich ständig auf mehreren Etagen abspielen muß, daß die Mutter sehr viel Zeit damit verbringt, von einer Etage zur anderen zu gehen. Sie muß manche Zeit, die sie sonst den Kindern widmen könnte, damit verbringen, treppauf, treppab zu springen. Zweifellos gibt es bessere Wohnformen für Familien mit Kindern als diese. Ich möchte beispielsweise die Teppichwohnungen oder auch die Stufenhäuser an Hanglagen anführen.
Der Herr Bundesfamilienminister ist heute sicher schon aufgefordert worden oder wird noch aufgefordert werden, über bestimmte Fragen weitere Untersuchungen anzustellen. Ich möchte ihn darum bitten, daß er, vielleicht zusammen mit dem Bundeswohnungsbauminister, einmal eine Untersuchung darüber anstellt, welches die zweckmäßigste Wohnform für kinderreiche Familien ist, wobei ich mir bewußt bin, daß man dabei nicht nur nach der Zweckmäßigkeit gehen kann, sondern auch kostensparende bzw. in diesem Fall grundstücksparende Lösungen im Auge haben muß. Aber das Einfamilien-Reihenhaus scheint mir eine sehr unzweckmäßige Lösung zu sein. Die Mütter, die mit ihren Kindern in solchen Häusern wohnen, beklagen sich im allgemeinen nicht darüber, weil .sie früher meist schlechter gewohnt haben. Das hängt aber eng damit zusammen, daß viele Frauen nicht wissen, wie sie wohnen wollen, weil ihnen niemand gesagt und gezeigt hat, wie sie wohnen könnten. Damit sie das zukünftig besser wissen, wäre ich für eine Untersuchung in dieser Beziehung außerordentlich dankbar.
Nun nach den Häusern ein Wort zu den Gärten. Die Gärten in der Bundesrepublik werden immer schöner. Wir haben noch niemals so herrliche Gärten gehabt wie zur Zeit. Manchmal kommt es mir so
vor, als ob die Gärten heute in manchen Familien das früher üblich gewesene sogenannte gute Zimmer ersetzten, das schön sein mußte, aber das man um Gottes willen nicht beschädigen durfte.

(Zustimmung in der Mitte.)

Die Gärten, die manchmal auch in Kinderreichensiedlungen zu sehen sind, sind wunderbar geeignet für Kinder, die ununterbrochen artig sind. Aber sie sind nicht so sehr für Kinder geeignet, die sich wie normale Kinder benehmen.

(Zustimmung.)

Das ist mir erst recht zum Bewußtsein gekommen, als ich im vergangenen Jahr einmal eine Kartenserie von UNICEF sah, in der Kinderspiele aus aller Welt gezeichnet waren. Da sah ich, daß die Kinder-
spiele in aller Welt sich gar nicht so sehr unterscheiden. Da waren z. B. Steinchenhüpfspiele gemalt, so wie meine Generation — vielleicht auch noch die, die etwas nach mir kommen — sie in Erinnerung hat. Im Frühjahr waren alle Bürgersteige mit Kästchen bemalt, auf denen die Kinder Steinchenhüpfen machten. Es war auch ein sehr beliebtes Spiel, Ballspiele an der Hauswand oder Reifenspiele auf der Straße zu machen. Alle diese schönen Spiele können die Kinder heute kaum mehr machen. Sie können auch nur noch in den seltensten Fällen Versteck spielen, weil die Gärten mit den verwilderten Hecken, wo man das am besten konnte, heutzutage gar nicht mehr existieren.
Nun weiß ich auch, daß es sehr schwer ist, die Menschen zum Umdenken zu bringen, ihnen z. B. zu sagen, daß bei einer Familie mit Kindern ein schöner Garten gar nicht unbedingt das Ideal sein muß, sondern daß ein Garten, in dem die Kinder ungehindert spielen können, manchmal sehr viel wertvoller ist. Ich meine, die öffentliche Hand sollte da ein bißchen mit gutem Beispiel vorangehen und etwas zur Bildung eines anderen Bewußtseins beitragen.
Ebenso wichtig, wie Spiel- und Sportstätten für die heranwachsenden Kinder sind, ist für die Kleinkinder ein sogenannter „Knödelplatz", ein Platz, der gar nicht schön zu sein braucht, wo sie aber spielen können, wie sie wollen, und wo sie Unordnung machen können.
Mir scheint, daß man in Siedlungen mehr als bisher solche Stätten vorsehen sollte. Gerade vorhin hat mir ein Architektenkollege ein Beispiel von einer Kinderreichensiedlung — wohlgemerkt: einer Kinderreichensiedlung — erzählt, in der nicht ein einziger Spielplatz, geschweige denn ein solcher „Knödelplatz" für Kleinkinder vorgesehen ist. Ich bin die letzte, die unordentliche Städtebilder haben möchte. Unsere Städte sollen schön sein. Aber dennoch möchte ich sagen: was kann denn ein Stadtviertel schöner machen als fröhlich darin spielende Kinder? Dazu sollten wir unseren Teil beitragen.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514627500
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familie und Jugend.

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0514627600
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Aussprache neigt sich dem Ende zu; ich möchte sie weder verlängern noch eine neue Aussprache auslösen. Ich glaube aber, einige Bemerkungen machen zu sollen.
Herr Kollege Kubitza hat einige Worte darüber gesprochen, wie es zur Verzögerung der Beantwortung dieser Großen Anfrage gekommen ist. Ich will dazu nicht deswegen sprechen, weil ich etwa glaubte, dies nach dem Verlauf der Debatte für mein Haus tun zu müssen. Im Gegenteil, ich möchte mich dafür bedanken, mit wieviel Verständnis von allen Seiten diese Verzögerung aufgenommen wurde.
Aber ich muß darauf aufmerksam machen, daß es in der Tat für die Verwaltungen der Länder, der



Bundesminister Dr. Heck
Kommunen und auch für die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft langsam nicht mehr so leicht ist, all den Auskunftersuchen nachzukommen, die wir als Bundesregierung an sie richten. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß ich im abgelaufenen Jahr die genannten Stellen erstens für den Jugendbericht, zweitens für den Familienbericht, drittens für die Beantwortung dieser Großen Anfrage angehen mußte. Ich möchte mich sogar für die Geduld und für die Bereitschaft dieser Verwaltungen sowie dafür bedanken, daß sie dem dann doch, wenn auch mit einiger Verspätung, nachgekommen sind.
Herr Kollege Kubitza, Sie haben eine neue Konzeption dafür vermißt, daß der Sport in den Schulen stärker zum Zuge komme, um den Haltungsschäden entgegenzuwirken bzw. vorhandene Haltungsschwächen zu beseitigen. Wenn die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz über den Schulsport bereits verwirklicht wären, könnten wir heute damit zufrieden sein. Wir sollten mit einem gewissen Nachdruck dahinter her sein, daß diese Empfehlungen durchgeführt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP.)

Herr Kollege Baier, Sie haben gesagt, die Bundesregierung sei dort, wo es darum gehe, genügend Wohnraum für die großen Familien bereitzustellen, eher einen Schritt zurückgegangen. Mein Kollege Lauritzen hat mich gebeten, zu dieser Ihrer kritischen Anmerkung hier folgendes zu sagen. Ihre Anregung, eine besondere Bundesförderungsmaßnahme für große Familien durchzuführen, ist von Herrn Dr. Lauritzen, ich kann nicht sagen, aufgegriffen worden; er hat dieser Anregung vorgegriffen. Es ist zwar richtig, daß im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung Mittel dafür nicht vorgesehen sind; aber er hat mir versichert, daß er bereits vorgesehen habe, im Haushaltsplan 1968 dafür besondere Mittel bereitzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann möchte ich mit Nachdruck den Appell unterstreichen — ich glaube, daß hier das ganze Haus mit dem Kollegen Baier einig geht —, daß es eine wichtige, ja eine unerläßliche Aufgabe und eine große Hilfe für uns alle ist, wenn und daß Rundfunk und Fernsehen und die Presse mit ihren breiten Möglichkeiten dahin wirken, ,daß Sinn und Verständnis für unsere Kinder, für die Nöte unserer Kinder, für die Bedürfnisse unserer Kinder im Volke wachsen. Wenn ich mich recht erinnere, hat Herr Dr. Meinecke darauf hingewiesen, daß die Frage, wie die Deutschen zu .den Kindern stehen, durchaus mit „gut" beantwortet werden könne, wenn man die Kinder der eigenen Familie meine, daß das aber schon nicht mehr so ganz gerechtfertigt sei, wenn es sich um die Kinder des Nachbarn oder der anderene Mietparteien handele. Das ist sehr richtig gesehen. Aber gerade das ermuntert mich, festzustellen, daß in diesem Hause heute in einer sehr ernsten und engagierten Weise zum Ausdruck gekommen ist, daß man das Thema der Sorge für unsere Kinder nicht deshalb behandelt, weil man glaubt, da und dort wird es gern gehört, sondern daß
es wirklich aus einem inneren Engagement heraus behandelt worden ist.
Frau Kollegin Schanzenbach hat festgestellt, daß in dieser Frage eine große Übereinstimmung vorhanden sei. Sie haben recht: das macht natürlich das Diskutieren sehr viel schwieriger. Aber — Sie sind sicher mit mir darin einig — es ist doch das Erlebnis einer glücklichen, einer erfreulichen Übereinstimmung gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese Übereinstimmung beschränkte sich nicht auf ein Übereinkommen, Übereinkünfte oder Einmütigkeit über bestimmte Maßnahmen, sondern sie ging doch sehr ins Grundsätzliche. Alle, die hier gesprochen haben — das war wenigstens mein Eindruck — waren sich. darüber einig, daß dort, wo es um die Kinder gehe, zuallererst die Familie gefragt und gefordert sei.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Alle, die hier gesprochen haben, waren sich auch darüber einig, daß die Familie in unseren Zeiten insgesamt nach allen Seiten hin ,einfach nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgaben allein, ihre Aufgaben ohne die Hilfe der Gesellschaft, ihre Aufgaben ohne die Hilfe des Staates zu übernehmen und durchzuführen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch eines zu sagen: Ich habe diese Aussprache als sehr förderlich empfunden. Aber es wird natürlich über Wert oder Unwert einere solchen Aussprache danach entschieden, wie die Konsequenzen aus ihr gezogen werden. Hier sind vielerlei Anregungen, vielerlei gute Anregungen gegeben worden. Diese Anregungen werden in erster Linie mein Haus und — auch davon bin ich überzeugt — den zuständigen Ausschuß beschäftigen. Wenn wir dann aber zu bestimmten Ergebnissen gekommen sein werden, ist das letzte Wort die Entscheidung in diesem Hause, und dann erst wird die deutsche Öffentlichkeit, glaube 'ich, der Debatte von heute ihren vollen Wert beizumessen und zuzugestehen bereit sein.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514627700
Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 349 1 hat der Abgeordnete Dr. Bayerl.

Dr. Alfons Bayerl (SPD):
Rede ID: ID0514627800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute in der Debatte über die Situation unserer Kinder sehr viel Wissenswertes gehört. Aber dabei empfinden wir alle ein klein wenig Unbehagen darüber, vielleicht ein Unbehagen, weil wir als Bundesgesetzgeber ein bißchen zu wenig darüber geredet haben, was konkret geschehen muß und geschehen kann, um die Situation unserer Kinder zu verbessern. Wir empfinden vielleicht ein wenig Unbehagen deswegen, weil wir einige mit Recht aufgezeigte Not-und Mißstände als Bundesgesetzgeber nicht beseitigen können.
*) Siehe Anlage 3



Bundesminister Dr. Heck
Darum bin ich sehr froh darüber, daß ich den Antrag meiner Fraktion, der sich ganz konkret mit einem Gefährdungstatbestand für unsere Kinder beschäftigt, um hier Abhilfe zu schaffen, begründen kann. Es handelt sich dabei um die Gefährdung unserer Kinder, unserer Schulkinder, durch Unfälle. Sie wissen doch alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß Zigtausende unserer Kinder jährlich in der Schule, auf dem Schulweg Unfälle erleiden und daß Tausende dieser Kinder durch diese Unfälle ein Leben lang geschädigt sind. Trotzdem haben wir nicht genügend gesetzliche Vorsorge getroffen, wie es eigentlich einem sozialen Rechtsstaat anstünde, um diesen Kindern nach den Unfällen zu helfen.
Sie wissen sicherlich, daß z. B. in Nordrhein-Westfalen den unfallgeschädigten Kindern vom Staat überhaupt nicht geholfen wird, in einigen Ländern nur sehr mangelhaft auf privatrechtlicher Ebene, in Hamburg ausnahmsweise sehr großzügig und sehr sozialgerecht. Das ist schon ein merkwürdiger Zustand, wenn wir uns überlegen, daß wir den § 539 bei der Neuregelung unseres Unfallversicherungsgesetzes doch sehr weitgehend, und zwar mit Recht sehr weitgehend, ausgebaut und, .soweit ich sehen kann, alle Personen und Personengruppen in den Unfallversicherungsschutz einbezogen haben, die in irgendeiner Weise ;der Gesellschaft oder ,der Gemeinschaft verpflichtet sind. So haben wir in die Unfallversicherung unsere Fachschüler, 'unsere Berufsschüler 'einbezogen und wir gewähren sogar denjenigen, ,die ganz sporadisch als Zeugen oder Sachverständige oder als Laienrichter zum Gericht gehen müssen, für diesen Weg zum Gericht und für den Heimweg sowie für die Dauer des Aufenthalts im Gericht einen Unfallversicherungsschutz. Unseren kleinen Kindern, unseren -,zigtausend Kindern, unseren 'Schulkindern aber, die doch in einem viel größeren Ausmaß gefährdet sind, versagen wir diesen Unfallversicherungsschutz.
Demzufolge ist meine Fraktion der Auffassung, daß das Hohe Haus die Bundesregierung auffordern sollte, dem Bundestag einen Gesetzentwurf über die Gewährung von Unfallversicherungsschutz für Schulkinder vorzulegen. Das ist nach unserem Dafürhalten die einzig richtige gesetzliche Vorsorge, 'die ein sozialer Rechtsstaat treffen muß. Das sagt nicht nur meine Fraktion. Das hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1967 gesagt, ,als er mit einem sehr tragischen Unfall eines Schulkindes konfrontiert wurde, dessen Eltern jahrelang prozessieren mußten, um jemanden zu finden, der den Schadenausgleich und berufsfördernde Maßnahmen für das Kind ergreift. Nach jahrelangem Prozessieren haben diese Eltern 'diesen Prozeß verloren. Sie mußten die Prozeßkosten zahlen und blieben mit ihrem Unglück allein. In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, daß es einem sozialen Rechtsstaat wohl anstünde, daß er in fürsorgerischer Weise das 'erhöhte Lebensrisiko, dem die Kinder •durch den Besuch der Schule ausgesetzt werden, übernimmt, indem er durch Gesetz den Kindern einen öffentlich-rechtlichen Rechtsanspruch auf Hilfe und auf eine Entschädigung gewährt.
Ich würde meinen, daß 'der Antrag 'der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion diesem berechtigten Anliegen vieler Eltern und Kinder Rechnung trägt. Ich bitte Sie daher, der Überweisung unseres Antrags in den Sozialpolitischen Ausschuß Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514627900
Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD auf Umdruck 3,51 *) hat der Herr Abgeordnete Kühn.

Friedrich Kühn (CDU):
Rede ID: ID0514628000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte haben die beiden Fraktionen, die die Regierung tragen, Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt. Wir möchten Sie bitten, diesen Antrag dem Ausschuß für Familien- und Jugendfragen als federführendem Ausschuß sowie dem Sozialpolitischen Ausschuß und ,dem Gesundheitspolitischen Ausschuß zur Mitberatung und dem Ausschuß für Wohnungsbau und Kommunalpolitik zur gutachtlichen Stellungnahme zu überweisen.
Wir haben zu Beginn, ,als ich die Ehre hatte, die Große Anfrage zu begründen, schon davon gesprochen, daß die Schwierigkeiten zu einem großen Teil darin bestehen, daß die Zuständigkeiten überaus zersplittert sind. Wir versuchen, mit diesem Antrag wenigstens eine Anlaufstelle für alle diejenigen, die genötigt sind, hier die Hilfe des Staates zur Eigenhilfe in Anspruch zu nehmen, zu schaffen. Lassen Sie mich das auch am Schluß sagen — ich betone noch einmal das, womit ich heute morgen beginnen durfte —: wir stellen diese Anträge deswegen, weil wir mit Ihnen allen der Überzeugung sind, die Aufgabe der Erziehung ist und bleibt Aufgabe der Familie. Aufgabe des Staates und der Gesellschaft muß es sein, dort, wo die Familien gehindert sind, diesem Auftrag in vollem Umfang gerecht zu werden, in erforderlichem Maße Hilfestellung zu leisten. In diesem Sinne werden wir auch den von der SPD eingebrachten Antrag im Sozialpolitischen Ausschuß zu prüfen haben.
Ich bitte Sie, der Überweisung unseres gemeinsamen Entschließungsantrags ebenfalls zuzustimmen.
Lassen Sie mich mit einem ausdrücklichen Dank an 'alle diejenigen schließen, die uns das vergangene Jahr hindurch mit ihrem Rat, mit ihrer Hilfe in der Tat, wo Hilfe notwendig war, aber auch mit ihrem Rat für diese Beratungen begleitet haben, an all die vielen Organisationen, Sachverständigen und Einzelpersonen, die hier tätig geworden sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514628100
Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der FDP*) hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
*) Siehe Anlage 4 *) Siehe Anlage 5




Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0514628200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir bitten, den Antrag der Fraktion der FDP dem Ausschuß für Familien- und Jugendfragen zu überweisen, der unter Umständen gutachtlich noch den Sozialpolitischen Ausschuß hören könnte. Das wird sich bei den Beratungen ergeben. Eine ganze Reihe von Anfragen und Zuschriften, die wir bekommen haben, ergeben, daß die Heimbetreuung und daß die Hilfe zur Hauspflege offensichtlich einigermaßen gut funktionieren, daß aber die Hilfe bei Tagesheimstätten, insbesondere bei spastisch gelähmten Kindern, nicht ganz richtig funktioniert und daß hier einige gesetzliche Neuregelungen und Novellierungen notwendig sind. Insbesondere scheint eine unterschiedliche Handhabung in den Städten einerseits und den Landkreisen andererseits vorzuliegen. Ich glaube, es wäre sinnvoll, wenn sich der Ausschuß für Familien- und Jugendfragen einmal mit diesen Fragen befaßte, um gegebenenfalls — wovon wir überzeugt sind — diesem Hause nach der Beratung seine Änderungsvorschläge vortragen zu können.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514628300
Die drei Anträge sind begründet. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.
Zunächst stimmen wir ab über den Antrag der Sozialdemokratischen Partei auf Umdruck 349. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —

(Zurufe: Nein, Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß!)

— Alle Anträge?

(Zurufe: Nein!)

— Der Antrag der SPD soll also an den Sozialpolitischen Ausschuß überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Wir kommen zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 351. Keine Ausschußüberweisung?

(Zurufe: Doch!)


Josef Stingl (CDU):
Rede ID: ID0514628400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag soll an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen — federführend — sowie an den Sozialpolitischen Ausschuß und an den Ausschuß für Gesundheitsfragen — mitberatend -überwiesen werden. Der federführende Ausschuß soll darüber hinaus den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen und den Rechtsausschuß gutachtlich hören.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514628500
Erhebt sich hiergegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Ich komme zum Antrag der Fraktion der Freien Demokraten auf Umdruck 352. Es ist beantragt, diesen Antrag an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen zu überweisen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder
— Drucksache V/2370 —
Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs hat dier Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0514628600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen es nicht als ein böses Omen nehmen, daß die ohnehin so verzögerte Änderung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes auch in unserem Tagesprogramm so in Verzug geraten ist. Das läßt sich in der weiteren Bearbeitung 'der Vorlage aufholen.
Eine gute Fügung ist es, daß wir nach der sehr breiten Aussprache über die Situation der Kinder in der Bundesrepublik jetzt an die Situation einer besonderen Gruppe von Kindern herankommen, die auch behinderte Kinder sind, nämlich der unehelich geborenen. Heute war ja in dem anderen Zusammenhang ausführlich die Rede von behinderten Kindern, und um solche geht es 'auch bei dieser Vorlage.
Mit dieser Vorlage an das Parlament tritt jetzt die Reform eines Rechtsgebietes in ihr entscheidendes Stadium, die schon lange, schon viel zu lange fällig ist. Noch immer gilt für das uneheliche Kind und für 'die Mutter .ein Recht, das von den Vorstellungen einer vergangenen Zeit geprägt ist. Diese Vorstellungen kommen am sinnfälligsten in dem schon fast berühmt-berüchtigten Abs. 2 des § 1589 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Ausdruck, wonach ein außerhalb der Ehe geborenes Kind mit seinem Vater 'als nicht verwandt gilt. Damit ist für die Gesamtregelung des 1896 entstandenen Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Abriegelung, ich möchte sagen, ein cordon sanitaire um den Vater und dessen Familie gelegt, der ein uneheliches Kind in einer so gering wie möglich zu haltenden Rechtsstellung festhalten mußte und festhalten sollte. Wenn denn nun schon 'der im außerehelichen Geschlechtsverkehr liegende Verstoß gegen die Moral in den naturgesetzlichen Folgen nicht ungeschehen gemacht werden konnte, wenn denn also schon ein Kind daraus zur Welt kam, so sollte der Verstoß gegen die Moral wenigstens in seinen rechtsgesetzlichen Folgen so weit wie möglich abgedämmt werden.
Das uneheliche Kind konnte freilich nicht einfach rechtlos gestellt werden, aber es sollte, so sagt das Bürgerliche Gesetzbuch, gegen den, der ,es moralwidrig gezeugt hatte und darum nicht als sein Vater gilt, nur ein Minimum an Ansprüchen haben. Im übrigen sollte es zusehen, wie es seinen Weg findet. Das 'uneheliche Kind ist damit von seiner Geburt an mit der Bürde einer unmoralischen Existenz belastet worden, obwohl es doch wahrlich so schuldlos wie alle Kinder ins Leben tritt.
Auch 'der unehelichen Mutter gebührt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nur ein Minimum an Bei-



Bundesminister Dr. Dr. Heinemann
hilfe für das, was sie mit ihrer unehelichen Schwangerschaft angerichtet hat. Das ist durch das Bürgerliche Gesetzbuch dahin ausgeklungen, daß sie unter dem ständigen Vorwurf des Unmoralischen bleibt.
Im einzelnen, verehrte Damen und Herren, ist aus der jetzt endlich abzulösenden Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches folgendes hervorzuheben.
Erstens. Der Vater und das uneheliche Kind — das sagte ich schon — gelten als nicht verwandt.
Zweitens. Das uneheliche Kind erhält den Namen, den seine Mutter als Mädchen führte, auch dann, wenn sie diesen ihren Mädchennamen wegen Verheiratung nicht mehr führt. Daraus ergibt sich in vielen Fällen eine Diskrepanz zwischen dem Kindesnamen und dem Namen der Mutter.
Drittens. Das uneheliche Kind steht grundsätzlich unter gesetzlicher Amtsvormundschaft, d. h. die Mutter, bei ,der es zumeist lebt, hat keine elterliche Gewalt.
Viertens. Der Vater ist für das Kind unterhaltspflichtig nach Maßgabe der — unter Umständen bescheideneren — Lebensstellung nur der Mutter. Eine Unterhaltspflicht für Abkömmlinge des unehelichen Kindes, wie sie bei ehelichen Abkömmlingen in Betracht kommen kann, besteht nicht.
Fünftens. Die Unterhaltspflicht gegenüber dem unehelichen Kind endet mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ohne Rücksicht darauf, ob das Kind z. B. begabt wäre, ein Studium zu absolvieren, und
ob der Vater leistungsfähig wäre.
Sechstens. Das uneheliche Kind hat weder ein Erbrecht noch ein Pflichtteilsrecht nach dem Vater, mit dem es ja — ich muß es immer wieder sagen — als nicht verwandt gilt. Die Erben des Vaters müssen lediglich die Unterhaltspflicht aus seinem Fehltritt gegebenenfalls wie eine andere Nachlaßschuld abwickeln. Statt dessen können sie auch eine Abfindung anbieten, die aber nicht höher zu sein braucht, als ein Pflichtteilsanspruch wäre, wenn das Kind einen solchen hätte.
Siebentens. Die Mutter hat Anspruch grundsätzlich nur auf Erstattung der Entbindungskosten und auf Unterhalt für sechs Wochen nach der Entbindung.
Achtens. Zahlungspflichtig ist der Mann, der der Mutter beigewohnt hat und nicht bündig als Vater ausgeschlossen werden kann. Waren es mehrere Männer, die der Mutter beiwohnten, so kann unter Umständen keiner von ihnen als Vater in Betracht kommen, und dann zahlt auch keiner. Bei unehelichen Kindern begründet weder ein Anerkenntnis der Vaterschaft noch eine Verurteilung zur Unterhaltszahlung die Rechtsvermutung tatsächlicher Vaterschaft. Eine Feststellung der Abstammung kann das uneheliche Kind nur durch Klage auf Feststellung der Vaterschaft erreichen, wobei es dann in vollem Umfang beweispflichtig ist. Unterhaltsklage und Vaterschaftsfeststellungsklage sind in verschiedenen Verfahren vor verschiedenen Gerichten zu führen, die eine vor dem Amtsgericht, die andere vor dem Landgericht, so daß einander widersprechende Urteile möglich sind.
Meine Damen und Herren! Welches Leid und welche lebenslange Last diese nur in großen Zügen skizzierte Rechtslage nicht wenigen Menschen auferlegt hat, das zu schildern, stelle ich hier bewußt zurück. Ich meine, daß sich Gesetzgebung nicht an Emotionen entzünden darf, die sich etwa an die Schilderung von Lebensschicksalen anknüpfen. Gesetzgebung muß auf einer ruhigen Überlegung dessen gründen, was gerecht ist. Ich meine weiter: Moralische Maßstäbe dürfen, so berechtigt sie sind, nicht zu unerträglichen Konsequenzen führen; denn damit würde auf andere Weise wiederum eine moralisch unvertretbare Situation geschaffen, und genau das ist es, was das bisherige Recht tut.
Aus den moralischen Vorwürfen, die man gegen die Eltern eines unehelichen Kindes wegen ihres außerehelichen Umgangs erheben mag oder erheben kann, werden im bisherigen Recht die Folgerungen gegen die Frau in einer wesentlich schwerwiegenderen Weise gezogen als gegenüber dem Mann. Das ist vom moralischen Standpunkt weder geboten noch vertretbar. Vollends hat es mit Moral nichts mehr zu tun, wenn einem unehelich geborenen Kind Lebenschancen vorenthalten werden, die es als eheliches Kind haben würde.
Es ist vielleicht interessant, an diesem Punkt ein paar Zahlen einzufügen. Im Jahre 1966 wurden nur 47 855 Kinder = 4,56 % aller im Bundesgebiet Lebendgeborenen unehelich geboren. Ich sage bewußt „nur", weil das Jahr 1966 die geringste Zahl unehelich Lebendgeborener in allen Nachkriegsjahren aufweist. In den ersten Nachkriegsjahren lagen die Zahlen wesentlich höher, sie lagen auch vor 1933 höher, sie lagen auch vor 1944 höher. Fast 40 % der unehelich geborenen Kinder bleiben nicht unehelich, sondern werden nachträglich durch Ehe der Eltern legitimiert. Die Zahl der insgesamt im Bundesgebiet lebenden unehelichen Minderjährigen wird auf 850 000 bis 900 000 geschätzt. Zuzüglich der Volljährigen ist die Zahl der Unehelichen noch höher. Aber diese Gesamtzahl verliert sich im Ungewissen.
Die derzeitige Rechtslage ist aus vielerlei Gründen — auch im Hinblick auf die soeben genannten Zahlen — dringend reformbedürftig. Die Reform gebietet zudem unser Grundgesetz. Dazu ein paar besondere Worte.
Verehrte Damen und Herren, wir alle wissen: Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes legt uns, dem Gesetzgeber, die Verpflichtung auf, für uneheliche Kinder die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und für ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen, wie die ehelichen Kinder sie haben. Diese ausdrückliche und spezielle Verpflichtung erwächst folgerichtig aus dem obersten Leitsatz unserer Verfassung von der Würde und dem Eigenwert jedes einzelnen Menschen, von welcher Geburt er auch sei. Unser Bekenntnis zum Sozialstaat bleibt hohl, wenn wir uns vor denjenigen verschließen, die nicht so zur Welt kommen, wie wir es wünschen. Heute morgen ist von Herrn Bundesminister Heck gesagt worden — ich kann es jetzt nur dem Sinn nach wiederholen —: So wie ein Staat für behinderte Kinder sorgt, erweist er, ob er



Bundesminister Dr. Dr. Heinemann
Humanität nur als ein Wort ansieht oder ob darin
eine Tat enthalten ist. Um das geht es auch hier bei
den durch uneheliche Geburt behinderten Kindern.
Wir haben ganz gewiß die Familie zu schützen. Alles andere würde gegen die Verfassung, gegen denselben Art. 6 verstoßen. Aber, verehrte Damen und Herren, indem ich ein und demselben Art. 6 von Familienschutz und gleichwertiger Behandlung der unehelichen Kinder die Rede ist, indem sie beide als ein Gebot ausgesprochen werden, ist es deutlich, daß sie einander nicht ausschließen, sondern unter dem Leitsatz des Art. 1 des Grundgesetzes sich miteinander vereinen.
Der Verfassungsauftrag aus Art. 6 Abs. 5 ist jetzt seit neunzehn Jahren vom Deutschen Bundestag unerfüllt. Voraufgegangen war der Bleichlautende Auftrag in Art. 121 der Weimarer Verfassung von 1919. Mit anderen Worten: an die 50 Jahre haben unsere Vorgänger und wir den Auftrag, dem unehelichen Kind sein Recht zu geben, vor uns hergeschoben. Jedermann wird zugeben, daß das unerträglich ist und daß darin eine schwere Anklage gegen unsere Gesellschaft liegt. Ich kann nur hoffen, daß dieser 5. Deutsche Bundestag sich jetzt und in den nächsten Monaten der ihm obliegenden Aufgabe mit der gebotenen Aufgeschlossenheit und Entschlossenheit unterzieht.
Den Weg für die Lösung der Aufgabe will der vorliegende Entwurf weisen. Dieser Entwurf beruht auf sehr gründlichen Vorarbeiten bis hin zu einem Referentenentwurf, den ich im Dezember 1966 bei der Bildung der Großen Koalition vorfand und der im Mai 1966 der Öffentlichkeit unterbreitet worden war. Meine verehrten Damen und Herren, ich habe mir diesen Entwurf so, wie ich ihn vorfand, nicht zu eigen machen können. Ich fand ihn — der Herr Präsident erlaube mir, das zu sagen — zu konservativ

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

und habe ihn in einigen wichtigen Stücken umarbeiten lassen. Diese Umarbeitung ergab notgedrungen eine Verzögerung der heutigen Vorlage. Ich bin aber um so glücklicher — um auch das anfügen zu dürfen —, daß die Bundesregierung sie im September 1967 einstimmig gebilligt hat und daß ihr auch der Bundesrat, bei einigen Änderungsvorschlägen im einzelnen, in den Grundzügen beigetreten ist. Der Bundestag findet also mit anderen Worten eine Vorlage vor, die sich nach meiner Überzeugung als annehmbar erweisen wird.
Ich möchte auch die leitenden Gedanken dieser Vorlage kurz zusammenfassend darstellen.
Erstens. Die alte Bestimmung, daß das uneheliche Kind mit dessen Vater nicht als verwandt gilt, wird ersatzlos gestrichen.

(Beifall bei der SPD.)

Zweitens. Das uneheliche Kind erhält den Namen, den die Mutter zur Zeit der Geburt führt. Die Unehelichkeit soll also nicht mehr durch etwaige Namensverschiedenheit dauernd in Erscheinung treten.
Drittens. Die Mutter erhält die elterliche Gewalt. Es fällt also die Amtsvormundschaft für das Kind
fort. Wohl aber sieht die Vorlage vor, daß der Mutter ein Beistand bestellt wird, der auch zugleich als Pfleger für das Kind wirkt. Beistand und Pflegschaft haben die besondere Aufgabe, der Klärung der Vaterschaft und der Sicherung der Unterhaltsansprüche des Kindes zu dienen. Mit anderen Worten, Beistand und Pflegschaft sind aus dem Interesse des Kindes an der Klärung seiner besonderen Situation zu verstehen. Nicht alles kann der Mutter allein überlassen werden. Wir wollen bedenken, daß viele uneheliche Mütter unerfahren sind, daß manche dem Vater des Kindes hörig sind oder umgekehrt inzwischen mit dem Vater ihres Kindes verfeindet sind, vielleicht enttäuscht über die Art, wie er sich verhält. Deshalb ist es geboten, daß die Interessen des Kindes in einer unabhängigen und sachgerechten Weise wahrgenommen werden.
Nach der Vorlage sollen aber Beistandschaft und Pflegschaft dann fortfallen, wenn die Mutter es beantragt und dies dem Wohle des Kindes nicht widerspricht. Die Beweislast, daß es dem Wohle des Kindes widersprechen würde, liegt beim Vormundschaftsgericht, so daß jede uneheliche Mutter die uneingeschränkte elterliche Gewalt erlangen kann, wenn oder sobald keine Vernachlässigung von Interessen des Kindes zu besorgen ist.
Viertens. Der Vater wird künftig unterhaltspflichtig nicht nur nach der Lebensstellung der Mutter, sondern auch nach seiner eigenen. Mindestens aber hat der Vater seinem Kind bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres einen Regelunterhalt zu zahlen, dessen Höhe die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates je nach dem Alter des Kindes und den Lebenshaltungskosten durch Verordnung festsetzt. Dieser Regelunterhalt kann aber im Einzelfall unterschritten werden, wenn er den Betrag übersteigen würde, den der Vater einem ehelichen Kinde leisten müßte.
Die Unterhaltspflicht des Vaters wird auf Abkömmlinge des Kindes erweitert. Auch Verwandte des Vaters in aufsteigender Linie können unterhaltspflichtig werden. Umgekehrt wird nun auch eine Unterhaltspflicht des Kindes gegenüber seinem Vater und dessen Eltern entstehen können. Die Vorlage dehnt also das allgemeine Unterhaltsrecht so, wie es zwischen ehelichen Kindern und deren Eltern besteht, auch auf die unehelichen Kinder und deren Verwandte aus.
Fünftens. Die bisherige Altersgrenze von 18 Jahren für den Unterhaltsanspruch eines unehelichen Kindes wird aufgehoben. Je nach den Umständen des Einzelfalles, d. h. insbesondere je nach Bedürftigkeit des Kindes und der Leistungsfähigkeit des Vaters, soll auch das uneheliche Kind künftig grundsätzlich einen unbefristeten Anspruch in gleicher Weise wie ein eheliches Kind haben können, z. B. — ich sagte es schon — zur Durchführung etwa eines Studiums.
Sechstens. Eine besonders bedeutsame Änderung soll im Bereich des Erbrechtes einsetzen. Nach geltendem Recht ist das uneheliche Kind, wie schon ausgeführt, nach seinem Vater und dessen Verwandten nicht zur gesetzlichen Erbfolge berufen.



Bundesminister Dr. Dr. Heinemann
Statt dessen besteht ein Unterhaltsanspruch allenfalls als Nachlaßforderung weiter. Wenn wir den Abs. 2 des § 1589 aufheben, wonach Vater und uneheliches Kind nicht als verwandt gelten, so ergibt sich, daß fortan die allgemeinen Regeln der gesetzlichen Erbfolge unter Verwandten Platz greifen.
Meine Damen und Herren, das ist sicherlich dann unproblematisch — ich glaube, daß das ohne weiteres einzusehen ist —, wenn der Vater außer dem unehelichen Kind keine Ehefrau und keine ehelichen Abkömmlinge hinterläßt. Ist aber das letztere der Fall, hinterläßt er also z. B. eine Ehefrau oder eheliche Abkömmlinge, dann dürfte es angezeigt sein, so meine ich, das uneheliche Kind nicht in die Erbengemeinschaft der nächsten Angehörigen des Vaters hineinzubringen und damit über den Nachlaß verfügungsberechtigt zur gesamten Hand zu machen wie die anderen Miterben, sondern ihm lediglich einen wertgleichen Zahlungsanspruch gegen die Erben zu geben. Das nennt die Vorlage den Erbersatzanspruch. Es ist lediglich eine schuldrechtliche Forderung, aber in wertgleicher Höhe, wie die Halbgeschwister, also die ehelichen Kinder des gleichen Vaters, erben.
Diese Lösung, die die Vorlage vorschlägt, soll dem doppelten Inhalt des Art.. 6 des Grundgesetzes gerecht werden, d. h. sie soll den Familienverband als solchen hinter dem Erblasser unberührt lassen, aber doch zugleich das uneheliche Kind wirtschaftlich vor den Nachteilen seiner unehelichen Geburt bewahren.
Aus der künftigen grundsätzlichen Geltung des allgemeinen Erbrechtes folgt dann aber auch, daß der Vater und dessen Aszendenten ein gesetzliches Erbrecht nach dem unehelichen Kind erhalten sollen.
In jedem Fall aber bleibt die Freiheit zur Verfügung von Todes wegen, die Testierfreiheit, bestehen, so daß in jedem Falle allen Besonderheiten durch letztwillige Verfügung, durch testamentarische Verfügung bis zur Grenze der Pflichtteilsrechte Rechnung getragen werden kann.
Siebtens. Die Vorlage will die Ansprüche der Mutter erweitern. Die Unterhaltspflicht soll jetzt sechs Wochen vor der Entbindung einsetzen und bis acht Wochen nach der Entbindung andauern. Ich sagte schon, daß nach gegenwärtigem Recht nur eine Unterhaltspflicht für die Dauer von sechs Wochen nach der Entbindung besteht. Beide Zeiten können unter besonderen Voraussetzungen verlängert werden. Es ist selbstverständlich, daß die Pflicht des Vaters zur Kostentragung für die Entbindung bestehenbleibt.
Achtens. Wesentliche Voraussetzung, verehrte Damen und Herren, für die Verbesserung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes bis hin zu dem Erbrecht hinter dem Vater ist eine Feststellung der Vaterschaft. Das bisherige Recht ist so, daß es den Schwerpunkt auf die Ermittlung des Zahlvaters legt, also auf die Ermittlung dessen, der mit Unterhaltszahlungen herangekriegt werden kann. Ob dieser sogenannte Zahlvater auch der wirkliche Vater ist oder, wie man sagt, der Istvater ist, kann nach dem bisherigen Recht nicht als sichergestellt ange-
sehen werden, weil eine Zahlungspflicht auch ohne Klärung der wirklichen Abstammung entstehen kann. Künftig soll in Änderung des derzeitigen Rechts die Anerkennung der Vaterschaft auch den Rechtsschein, also die Rechtsvermutung wirklicher Vaterschaft, begründen. Zum Ausgleich sieht der Entwurf vor, daß die Anerkennung angefochten werden kann, wenn ihre Voraussetzungen nicht zutreffen.
Kommt es nach künftigem Recht zum Rechtsstreit, so soll im Verfahren der wirkliche Vater festgestellt werden, damit Rechte und Pflichten sich auf ein wahres Abstammungsverhältnis gründen. Deshalb ist nach der Vorlage die Vermutung, die die Beiwohnung in der Empfängniszeit auslöst, künftig leichter zu entkräften. Handelt es sich um mehrere Männer als mögliche Väter, so will das neue Rcht nur denjenigen als Vater in Anspruch nehmen und gelten lassen, bei dem die Gründe für ein wirkliches Abstammungsverhältnis positiv erheblich überwiegen. Wenn das bei keinem der Männer der Fall ist, wenn das bei keinem der Männer festgestellt werden kann, gehen allerdings die Ansprüche des Kindes ins Leere. Eine relative Wahrscheinlichkeit wirklicher Abstammung reicht nicht aus.
Das klingt vielleicht etwas schockierend, aber, meine Damen und Herren, diese veränderte, nämlich auf das wahre Abstammungsverhältnis zielende Regelung hängt damit zusammen, daß die heutigen Untersuchungsmethoden es ermöglichen, solche Personen, die nicht Vater sind, mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen, aber auch unter Umständen sogar den Vater positiv festzustellen. Gegenüber einem Zeitpunkt, zu dem das Bürgerliche Gesetzbuch geschaffen wurde, also Ende vorigen Jahrhunderts, kann man sich heute einer Reihe von Untersuchungsmethoden bedienen, die in diesen Richtungen Aufschlüsse ergeben können. Das sind die Blutgruppenuntersuchung, die Fermentgutachten, die erbkundlichen Gutachten, die Tragezeitgutachten, die Ermittlungen über Zeugungsfähigkeit oder -unfähigkeit und noch einiges andere. Angesichts dieser heutigen Möglichkeiten nimmt die Vorlage es in Kauf, daß ein uneheliches Kind unter mehreren möglichen Vätern keinen als Vater ausmacht, wenn unter den mehreren Männern keiner mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als der wirkliche Vater angesehen werden kann. Wir rechnen damit, daß eine derartige Lösung nur in seltenen Fällen im Negativen, also in der Unmöglichkeit der Aufklärung einer Vaterschaft, hängenbleibt. Die Vorlage will ausschließen, daß das Kind etwa ein Wahlrecht hätte, wen es als Vater in Anspruch nehmen will, wenn dafür mehrere in Betracht stehen könnten. Das würde ja gerade dem Grundgedanken widersprechen, daß Rechte und Pflichten durch die reale Abstammung bedingt sein sollen. Auch soll .es nicht so werden, daß mehrere mögliche Männer anteilig als Zahlväter in Anspruch genommen werden können. Mit anderen Worten, in den, wie wir annehmen, seltenen Fällen, wo die Ermittlungen nach heutigen Methoden im Negativen stehenbleiben, bleibt letztlich nur die Sozialhilfe übrig.



Bundesminister Dr. Dr. Heinemann
Als letztes im Zusammenhang mit Ziffer 8 will ich noch sagen, daß dem Kind nach dem neuen Recht die Möglichkeit geboten werden soll, in einer einzigen Klage auf Vaterschaftsfeststellung und Unterhalt seine Rechte zu verfolgen, daß also die bisherige Doppelheit verschiedener Rechtswege und entgegengesetzter Urteilsmöglichkeiten ausgeschlossen werden soll.
Verehrte Damen und Herren, damit habe ich Ihnen in Skizze die Grundgedanken der neuen Regelung vorgetragen. Es ließen sich sicherlich hier noch viele Einzelheiten hervorheben, aber ich denke, das muß im Ausschuß erörtert werden.
Über der langjährigen Erörterung der Reform des Rechts des unehelichen Kindes ist eine kaum noch übersehbare Literaturerwachsen. Experten der verschiedensten Erfahrungs- und Lebensbereiche, Verbände aller Art, Kirchen, Weltanschauungsgemeinschaften haben sich geäußert. Aus dem ausländischen Recht — d. h. hier zumal aus dem skandinavischen Recht — konnten Anregungen geschöpft werden. In vielen Einzelheiten besteht Übereinstimmung mit dem, was die Vorlage bringt. Über einige andere Dinge könnten wir noch sehr lange weiterdiskutieren. Aber es ist jetzt an der Zeit, zum Entschluß zu kommen. Dem will diese Vorlage dienen.
Ich kündige an, daß der Entwurf für ein Einführungs- und Übergangsgesetz in Kürze folgen wird. In diesem Übergangs- und Einführungsgesetz ist insbesondere neben dem Verfahrensrecht und dem Jugendwohlfahrtsgesetz Überleitung der alten Rechtsbestimmungen in das neue Recht zu regeln. Das betrifft also die Vaterschaftsfeststellung, den Unterhalt nach altem und neuem Recht, die elterliche Gewalt nach altem und neuem Recht, das Namensrecht, das Erbrecht, das Prozeßrecht. All dies wirft in sich noch einmal allerlei besondere Fragen auf, die im einzelnen angegangen werden müssen. Das wird 'also, wie gesagt, in einem nachfolgenden Einführungs- und Überleitungsgesetz geregelt. Die heute zur Diskussion stehende Vorlage bringt zunächst einmal das Fundament des neuen Rechts.
Wenn ich mir vorstelle, verehrte Damen und Herren, daß dieser 5. Bundestag 'die nun schon 'so unerhört lange rückständige Regelung des Rechts des unehelichen Kindes endlich zustande brächte, 'daß er sie mindestens im Jahre 1969 abschließen würde, dann wäre immer noch das :50jährige Jubiläum, ein trauriges Jubiläum hinter der Weimarer Reichsverfassung, erreicht, die schon genau dieselbe Aufgabe stellte, vor der auch wir von dem Grundgesetz von 1949 stehen. Ich wiederhole deshalb meine Bitte, daß dieser 5. Bundestag mit der gebotenen Aufgeschlossenheit, aber auch Entschlossenheit jetzt an diese Aufgabe herangeht.

(Beifall bei 'den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514628700
Der Gesetzentwurf ist begründet. Wir treten die Aussprache ein.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Kuchtner.

Dr. Edeltraud Kuchtner (CSU):
Rede ID: ID0514628800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Worte des Herrn Bundesjustizministers, der Deutsche Bundestag möge mit der Reform des Unehelichenrechts nun Ernst machen, bringt mich 'darauf, nun doch festzustellen, daß es sich der Deutsche Bundestag seit seinem Bestehen hat angelegen sein lassen, die Reform des Familienrechts voranzutreiben. In der 2. Legislaturperiode wurde das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. Der Gesetzgeber konnte an den Leistungen der Frauen und Mütter in der Drangsal dier Kriegs- und Nachkriegsjahre nicht vorbeigehen und hatdementsprechend auch die rechtliche Situation der Ehefrauen und Mütter in für viele andere Rechtsgebiete beispielhafter Weise geregelt.
Das nachfolgende Familienrechtsänderungsgesetz hat, um die Zahl der elternlosen Kinder zu vermindern und ihre Adoption zu erleichtern, das Adoptionsrecht neu geregelt und verschiedentlich sehrerleichtert, gerade, wie gesagt, um vaterlosen Kindern eine Heimat zu bieten. Das Familienrechtsänderungsgesetz hat es auch 'unternommen, leine sogenannte kleine Reform des Unehelichenrechts vorzunehmen. Der Unterhalt ides unehelichen Kindes wurde vom 16. auf das 18. Lebensjahr ausgedehnt. Das war, da die elterliche Gewalt der ehelichen Mutter erst in den Jahren nach 'dem Kriege — mit dem Gleichberechtigungsgesetz — mit irgendwelchen Machtbefugnissen ausgestattet werden konnte nun doch eine Leistung. Der unehelichen Mutter wurde mit dem Familienrechtsänderungsgesetz die Möglichkeit gegeben, die elterliche Gewalt mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts in geeigneten Fällen zu erlangen. Daß hier erst Versuche gemacht wurden und man nicht in eine Vollösung eingetreten ist, ist doch begreiflich, wenn man ein solches Neuland betritt.
Wir begrüßen, daß sich der Deutsche Bundestag durch den Regierungsentwurf über die Reform des Unehelichenrechts in die Lage versetzt sieht, nun auch dem Recht der unehelichen Kinder die Gestaltung zu geben, die in einem sozialen Rechtsstaat alle Menschen beanspruchen können, auch die unehelich Geborenen, die ja, wie der Herr Minister schon gesagt hat, an der fatalen Situation selber völlig unschuldig sind und in einem Rechtsstaat Anspruch auf Schutz haben.
Anlaß zu dieser Vorlage sind, wie gesagt, die vielfach gewandelten Anschauungen der Zeit zu diesem Problem der Unehelichen, aber auch der klare Verfassungsauftrag. Der Herr Minister der Justiz hat das schon dargelegt. Das Grundgesetz stellt in Art. 6 Abs. 5 die Forderung auf, daß den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die ,gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen seien wie den ehelichen Kindern. Das heißt, daß Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung daran gebunden sind, die zu dieser Gleichstellung erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Was beinhaltet diese Forderung? Nach der überwiegenden Meinung der Verfassungsjuristen nicht eine volle Rechtsgleichheit mit den ehelichen Kindern, jedenfalls nicht insoweit, als diese Rechts-



Frau Dr. Kuchtner
Bleichheit der besonderen schutzbedürftigen Situation der unehelichen Kinder nicht gerecht wird, sich also zu ihrem Schaden auswirken würde, aber auch soweit sich die Interessen des unehelichen Kindes mit denen der ehelichen Kinder stoßen, die gleichfalls das Grundrecht des Art. 6 in Anspruch nehmen können.
Die Entscheidung, welche Reformen zu treffen sind und wie weit sie gehen sollen, ist nicht 'einfach. Der Herr Bundesjustizminister hat die Problematik aufgezeigt. Wir müssen davon ausgehen, daß das BGB, das im Jahre 1900 in Kraft getreten und 1896 geschaffen worden ist, die Rechtsstellung des unehelichen Kindes, jedenfalls gegenüber seinem Vater, nicht familienrechtlich gesehen, sondern eine rein schuldrechtliche Beziehung zwischen Kind und Vater aufgestellt hat. Das ist der Sinn — in Juristendeutsch gefaßt — dieses ominösen § 1589 Abs. 2 BGB, dessen bevorstehende Beseitigung Sie vorhin mit Recht mit Beifall bedacht haben.
Die Weimarer Zeit, die in Art. 121 der Reichsverfassung in gleicher Weise wie das Grundgesetz den Schutz der unehelichen Kinder gefördert hat, hat an diesem Zustand nichts geändert. Insoweit stimme 'ich mit dem Herrn Bundesjustizminister überein. Ich muß aber doch sagen: wir schulden der Weimarer Zeit Dank; denn sie hat beispielhaft die öffentliche Fürsorge und den öffentlichen Schutz für das uneheliche Kind gefördert.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es war meines Erachtens eine 'grandiose Leistung, durch die Einführung der Institution der Amtsvormundschaft und durch die Organisation der Jugendämter den unehelichen Kindern den möglich erscheinenden Schutz zu gewähren. Ohne diese Einrichtungen wäre die Lage der unehelichen Kinder noch sehr viel schlechter gewesen. Wir schulden den damaligen Gesetzgebern wirklich Dank.
Heute ist man nun wohl allgemein zu der Auffassung gelangt, daß allein die öffentliche Fürsorge und die öffentliche Förderung für die Reform des Unehelichenrechts nicht mehr ausreichend ist, sondern daß auch eine familienrechtliche Lösung und Besserstellung des Kindes gefordert werden muß. Insoweit bin ich durchaus einig mit den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers. Wir von der CDU/CSU, für die zu sprechen ich die Ehre habe, begrüßen es, wenn hier nun ein wesentlicher Fortschritt durch die Beratung und Verabschiedung dieses Gesetzes für die unehelichen Kinder erzielt wird.
Wie bisher ordnet der Entwurf das uneheliche Kind der Mutter zu. Das Kind trägt ihren Namen, und zwar, wie Sie soeben gehört haben, ihren jetzigen Familiennamen, nicht wie bisher unter allen Umständen ihren Mädchennamen. Das begrüßen .wir, da wir keine unnötige Bloßstellung von Mutter und Kind in der Gesellschaft wollen.
Die Mutter hat wie bisher die Personensorge, also das Recht und die Pflicht, das Kind zu erziehen. Es liegt vielfach — das möchte ich ausdrücklich betonen — im Wohl des Kindes, wenn die Mutter mehr als bisher in den Genuß der vollen elterlichen Ge-
walt über ihr Kind gelangen kann, da es in vielen Fällen sicherlich die Liebe und Verbundenheit der Mutter zu ihrem Kind nur fördert, wenn sie mehr Verantwortung zu tragen hat.
Allerdings muß die besondere Schutzbedürftigkeit des unehelichen Kindes berücksichtigt werden. Es ist zu fragen, ob die Lösung des Entwurfs, der Mutter regelmäßig einen Beistand zu geben, als für das Wohl des Kindes ausreichend erachtet werden kann, oder ob nicht, wie es viele Jugendorganisationen wünschen, dem Vormundschaftsgericht mehr Möglichkeiten gelassen werden sollen, um dem Einzelfall gerecht zu werden. Der Weg der Entziehung der elterlichen Gewalt über den § 1666 ist lang und dornenreich. Ich weiß nicht, ob Mutter und Kind mit einem solchen Verfahren gedient ist. Aber, wie gesagt, das ist ein Problem, das wir prüfen müssen und gern prüfen werden. Wir werden uns wirklich bemühen — das kann ich für die CDU/CSU-Fraktion versprechen —, das uns als das bestmöglich Erscheinende für das Kind zu finden.
Mit seinem Vater soll das uneheliche Kind nun künftig auch im Rechtssinne verwandt sein. Es hat — ich möchte sagen, seiner Menschenwürde entsprechend — ein Recht auf Feststellung, wer sein Vater ist, nicht nur im Unterhaltsstreit, sondern auch in einem sogenannten Statusverfahren, das in der Tendenz ausgebaut ist, wie für ein eheliches Kind. Es kommt ja nicht auf .einzelne prozessuale Verschiedenheiten an.
Auch das uneheliche Kind muß die Möglichkeit einer seinen Fähigkeiten und Anlagen entsprechenden Ausbildung haben. Es soll nicht, wenn es studieren will oder eine andere länger dauernde Ausbildung in Angriff nimmt, im Alter von 16 oder 18 Jahren mittellos dastehen und der öffentlichen Fürsorge anheimfallen, wenn die Mutter zu seiner Unterstützung nicht in der Lage ist. Ich finde es daher begrüßenswert, wenn entsprechend dem Unterhaltsrecht der ehelichen Kinder nun auch die Unterhaltsansprüche des unehelichen Kindes ohne Begrenzung geregelt werden. Auch für die Höhe der Bezüge soll nicht mehr — wie schon ausgeführt worden ist — allein die Lebensstellung der Mutter, sondern auch die des Vaters in Betracht gezogen werden. Auch das ist ein Erfordernis der Gerechtigkeit.
Der Forderung, den Vater zu seinem Kind finden zu lassen, ist der Entwurf dadurch entgegengekommen, daß er ihm in manchen Fällen Anhörungsrechte und in beschränktem Umfang auch ein sogenanntes Umgangsrecht mit dem Kind gibt. Wenn der Entwurf hier auch zugegebenermaßen in engen Grenzen bleibt, so muß doch geprüft werden, ob nicht schon dadurch das uneheliche Kind, dem nichts so not tut wie eine ruhige und stetige Entwicklung, zum Zankapfel seiner Eltern wird und damit in die bedenkliche Lage der Scheidungswaisen gerät. Man sollte diese Vorschrift zum Wohle des Kindes noch einmal eingehend überprüfen.
Daß die Legitimation und Adoption des unehelichen Kindes erleichtert werden soll, ist zu begrüßen. Wir können ja doch nichts Besseres tun, als das Kind in geordnete Familienverhältnisse zu überfüh-



Frau Dr. Kuchtner
ren. Daß zur Durchführung dieser Legitimation unter Umständen allerdings nicht nur die Zustimmung der Mutter, sondern auch die der Ehefrau des Vaters ersetzt werden kann, stößt — das kann ich nicht verschweigen — auf erhebliche Bedenken. Ich möchte meinen, daß dann, wenn die Mutter einer Familie mit der Aufnahme eines Kindes in ihre Familie nicht einverstanden ist, dem Kind mit einer solchen Legitimation in der Regel nicht gedient ist, andererseits aber doch der Ehefriede in der Familie des unehelichen Vaters doch erheblich gestört ist. Hier möchte ich doch wirklich schwerwiegende Bedenken anmelden.
Ob das nach dem Tod des Vaters geltende Erbrecht oder der Erbersatzanspruch des unehelichen Kindes mit den unter dem Schutz des Grundgesetzes stehenden Rechten der Ehe und Familie in Einklang zu bringen ist, diese Frage begegnet vielfach erheblichen Zweifeln. Es darf nicht verkannt werden, daß die Ehefrau des Vaters und die ehelichen Kinder durch ihre gesetzlich bestehende Verpflichtung zur Mitarbeit in weitgehendem Umfange mithelfen, das Vermögen zu schaffen, das zu vererben ist. Gerade bäuerliche Kreise — und die möchte ich besonders anführen — werden von dieser Bestimmung besonders schwer getroffen. Wir werden hier auch besonderen Widerstand finden.
Auch scheint mir die Regelung prüfungsbedürftig, daß das uneheliche Kind, wenn es sich nach langen Jahren endlich auf eigene Füße gestellt hat, seinem Vater gegenüber, der oft widerwillig gezahlt hat, nun unterhaltspflichtig werden soll und daß es von seinem unehelichen Vater beerbt werden kann. Da diese Fragen und Bestimmungen für die Rechtsstellung des unehelichen Kindes zu Schicksalsfragen für den einzelnen und für die Familien werden können, ist der Gesetzgeber zu einer besonderen Verantwortung und gewissenhaften Beratung aufgerufen. Die Reform des Unehelichenrechts und damit der vorliegende Entwurf soll nicht, wie ich in einer Veröffentlichung gelesen habe, Streitgegenstand, sondern er soll Diskussionsgegenstand unter den Parteien und den Beteiligten werden. Das ist jedenfalls mein dringender Wunsch.
Es stehen noch, wie der Herr Bundesjustizminister gesagt hat, einige Gesetzgebungsarbeiten aus, wie die Anpassung des Jugendwohlfahrtsgesetzes, des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit und der ZPO, sowie ein Einführungsgesetz. Wenn es bei dieser Gelegenheit gelänge, über die Rechtsreform hinaus die gesellschaftlichen Vorurteile durch die Diskussion über die rechtliche Reform des Unehelichenrechts abzubauen, so wäre das meines Erachtens ein besonderer Erfolg. Das uneheliche Kind leidet nicht so sehr unter seiner Rechtsstellung, sondern unter den gesellschaftlichen Nachteilen. In diesem Zusammenhang müßte mehr als bisher geprüft werden — das ist meine Bitte an die Bundesregierung —, ob in öffentlichen Urkunden oder auch in sonstigen amtlichen Schriftstücken der Hinweis auf die uneheliche Geburt unvermeidlich ist. Ich weiß, daß in vielen Fällen die Rechtssicherheit diese Angabe erfordert. Ich glaube aber, daß in vielen Fällen die Erwähnung der unehelichen Geburt schematisch erfolgt. Sie stellt eine Belastung der Betroffenen dar, die durchaus vermeidbar ist.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Es wäre ein großer Erfolg, wenn es der Bundesregierung gelänge, anläßlich der noch ausstehenden Reform auch diese Frage noch einmal zu prüfen.

(Allseitiger Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514628900
Das Wort hat der Abgeordnete Kaffka.

Rudolf Kaffka (SPD):
Rede ID: ID0514629000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seitdem es eine Ehe gibt, werden Kinder ,außerhalb und neben der Ehe gezeugt. Das ist eine Tatsache, und das ist zu allen Zeiten und für alle Kulturen ein Problem gewesen. Wir haben jetzt die Aufgabe, dieses Problem vielleicht ein Stück weiter zu lösen.
Eines ist, wenn man in der Kulturgeschichte zu rückblickt, wohl festzuhalten: alle Kulturen haben der Familie die Aufgabe gegeben, ,den Menschen in das Gemeinschaftsleben einzuführen, und haben damit der Ehe eine wesentliche Aufgabe gestellt, ja, sie zu der Institution bestimmt, in der die Zeugung zu geschehen hat. Wer gegen diese Norm verstößt, gerät unter die Sanktion des Gesetzes der Illegitimität. Das, kann man sagen, ist seit eh und je der Fall gewesen. Nur in Graden bestehen Unterschiede, wie sich dieses Gesetz der Illegitimität auswirkte.
Man kann in die Legenden zurückgehen. Es ist erstaunlich, daß in der attischen Legende von Theseus der unehelich gezeugte Theseus König von Athen werden kann, und es ist eine eigenartige Bewertung, die auch das Alte Testament z. B. dem unehelichen Sohn von Abraham zukommen läßt; er wird nämlich immerhin Stammvater eine neuen Volksstammes. Bezeichnend ist, daß im Neuen Testament überhaupt nichts über das uneheliche Kind steht. Die Differenzierungen und die Wertungen 'kommen eigentlich erst im Rahmen des römischen Familienrechts. Nach der Hineinnahme des römischen Rechts in den christlichen Geistesbereich kam es zusammen mit einer, sagen wir, Moralisierung des theologischen Sündenbegriffes ,dazu, daß zu dem Gesetz der Illegitimität noch der moralische Makel hinzutrat, der im Laufe der Jahre die verschiedensten Auswirkungen und Ausprägungen erfuhr.
Die Unehelichen haben im Laufe der menschlichen Kulturgeschichte ein Schattendasein geführt. Intensiver befaßt man sich mit den Illegitimen im ausgehenden Mittelalter. Da fängt man ,an zu differenzieren, man bestimmt die Art der Zeugung, man unterscheidet zwischen natürlichen Illegitimen, zwischen solchen, die von „verworfenen Frauen" kommen, und man spricht davon, ,daß jene Illegitime als „Unflatskinder" zu bezeichnen sind, die ,aus einer besonders verabscheuungswürdigen Bindung kommen. Es berührt eigenartig, das Erasmus von Rotterdam ein solches „Unflatskind" gewesen ist. Man kann 'darüber hinaus sagen, daß ,die Ober-



Kaffka
schichten mit .diesem Problem relativ gut fertig geworden sind, und zwar ohne Rücksicht auf christliche Moral. Es gibt einen Juan d'Austria, es gibt einen Chevalier de Saxe. Auf der anderen Seite bei der breiten Masse bleiben es gewöhnlich „Niemandskinder". Die Festlegungen bei einigen Kirchenvätern — so besonders Hieronymus —, wonach .das uneheliche Kind nicht schuldig ist, sondern derjenige, der es gezeugt hat, sind allgemeine Programmsätze, so wie Art. 121 der Weimarer Verfassung als Programmsatz angesehen wurde und kaum Konsequenzen hatte.
Die ersten Konsequenzen in der Geschichte finden wir bei einem Mann, der eine durchaus geteilte und differenzierte Wertschätzung erfährt, bei Joseph II. Dieser österreichische Kaiser hat in verschiedenen Punkten durch Hofdekrete in die Gesetzgebung eingegriffen, und darin stehen erstaunliche Sätze zu lesen. — Herr Präsident, Sie gestatten, daß ich hier einiges zitiere. — So läßt er am 24. Juni 1783 bestimmen, „die Makel unehelicher Geburt sei in allen öffentlichen Diensten und Handwerken oder bey was immer für einer Beweisführung gänzlich aufgehoben. Niemand 'solle deswegen, daß er außer der Ehe gezeugt worden sey, irgendeinem Vorwurfe oder Nachteyle an Ehre und einem Hindernisse in seinem, wo auch hingerichteten Fortkommen ausgesetzt sein." Das wurde leider durch den Codex Theresianum nach seinem Tode alles wieder gestrichen. Ich glaube, der österreichische Gesetzgeber von heute wäre froh, wenn er das, was Joseph damals bewirkt hat, im geltenden Recht vorfände.
Aber zur gleichen Zeit, da Joseph II. in Osterreich diese humane Gesetzgebung durchbrachte, wurden in Preußen und in Norddeutschland die unehelichen Mütter noch ausgepeitscht.

(Zuruf des Abg. Glombig.)

— Ja, das ist in Norddeutschland gewesen. — Man sollte auch nicht vergessen, daß zur gleichen Zeit oder etwas danach in Frankreich der Code civil mit seiner doch sehr ominösen Bestimmung, daß die Suche nach dem Vater untersagt sei, fixiert wurde.
Das Bürgerliche Gesetzbuch, das zum Ende des 19. Jahrhunderts fixiert wurde, spiegelt in seinen Bestimmungen über das Unehelichenrecht ganz klar die gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Das Standesdenken spielt in der Formulierung der Bestimmungen des Unehelichenrechts eine ganz erhebliche Rolle. Es erhoben sich damals schon Stimmen, die diese Bestimmungen über die Unehelichen im neuen BGB als einen Anachronismus herausstellten.
Im Laufe der Jahre verdichtete sich das noch um so mehr, als sich im Laufe des ersten Weltkriegs die Verhältnisse wesentlich änderten, nicht nur auf der sozialen Ebene, wo ein Ausgleich der sozialen Unterschiede gesucht wurde. Auch die Frau verselbständigte sich in zunehmendem Maße. Die Emanzipation schritt erheblich voran. Schließlich kam dann noch hinzu, daß der wissenschaftliche Fortschritt für die Vaterschaftsfeststellung eine wesentlich größere Sicherheit erbrachte.
Als letztes kann man sagen, daß im Laufe der Zeit um den zweiten Weltkrieg doch ein tiefgreifender
Wandel in der Moralauffassung vollzogen wurde, und zwar sowohl bei der älteren als auch bei der jüngeren Generation. Man wandte sich von der doppelten Moral ab. Man sollte nicht vergessen, daß gerade auf der Ebene des Unehelichenrechts die doppelte Moral an einigen Punkten fröhliche Urstände feiert.
In unserer Gesellschaft wird das uneheliche Kind im Grunde noch mit einem Makel belegt. Zumindest ist es in weiten Kreisen so. Kürzlich brachte das Fernsehen eine Sendung, wo man an einer Reihe von Beispielen zu definieren suchte, was Mut sei. Eine Oberprimanerin, die in der Schulklasse saß, die befragt wurde, sagte: Mut gehört dazu, ein uneheliches Kind großzuziehen! — Ich muß Ihnen gestehen, mich erschütterte diese Feststellung, getan in einer Zeit, der man nachsagt, daß sie viele Hemmungen und Bindungen abgeworfen habe. Ich glaube, es besteht kein gesellschaftlicher Makel gegenüber dem außerehelichen Geschlechtsverkehr; daran hat man sich gewöhnt, und das wird in unserer Gesellschaft toleriert.

(Unruhe bei der CDU/CSU.)

Aber die Konsequenzen, die daraus entstehen können, werden mit dem Makel belegt.
Es ist bezeichnend, man fürchtet weniger die Abtreibung, das kriminelle Verhalten; das scheint der eine Ausweg. Der andere Ausweg ist, daß man in eine Ehe hineingezwungen wird, die man vielleicht nicht auf sich nehmen möchte. Das sind keine Lösungen.
Ich weiß, daß wir als Gesetzgeber es durch eine Reform im Unehelichenrecht nicht auf der ganzen Linie schaffen werden, den Makel zu beseitigen. Aber das darf uns nicht hindern, dennoch daran zu gehen. Ich bin der Meinung, daß die Bereinigung der gesetzlichen Grundlagen dringend erforderlich ist, wenn wir von der Diskriminierung sowohl der Mutter des unehelichen Kindes als auch des unehelichen Kindes selbst wegkommen wollen.
Als wesentliches Hindernis wird gegenüber dem Reformentwurf immer wieder angeführt, daß jede weitreichende Reform in Konflikt mit dem Verfassungssatz in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes gerate. Es gibt Rechtslehrer, die von einer echten Aporie sprechen, die zwischen Art. 6 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 5 bestehe, und da es einer Wertabwägung bedürfe, könne man sagen, daß das uneheliche Kind nur so weit gleichgestellt werden könne, als das mit dem Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 zu vereinbaren sei, denn das sei der höhere Wert. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß diese Auslegung der verfassungsmäßigen Grundlage nicht gerechtfertigt ist. Ich bin der Ansicht, daß auch das uneheliche Kind und seine Mutter unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 stehen, da sie zwar nicht eine volle Familie bilden, aber doch eine schutzwürdige Gruppenbeziehung, wie sie in Art. 6 Abs. 1 in bezug auf die Vollfamilie geschützt wird. Art. 6 ist ja das Grundrecht, das aus dem Rahmen fällt, insofern nämlich, als dort kein Individualrecht geschützt wird, sondern eine Gruppenbeziehung, und unter diesem Schutz des Art. 6 Abs. 1 steht auch die Be-



Kaffka
ziehung des unehelichen Kindes und seiner Mutter. Von daher verstehe ich nicht recht, wieso man hier ein Konkurrieren ins Feld führen kann. Bezeichnenderweise läßt ein Rechtsvergleich der Lösungen in lateinischen Völkern und der Lösungen in germanischen Völkern erkennen, daß in den lateinischen Völkern die Familie immer viel stärker in den Vordergrund gestellt wird.
Nun zu dem Entwurf! Da hätte ich noch einige Fragen anzusprechen, die mir wichtig erscheinen. Zunächst ist es sehr erfreulich, daß die Anerkennung klargestellt ist und daß die alte Mehrgleisigkeit zwischen „Ist", „Gilt" und „Zahlvater" endlich beseitigt wurde.
Was die elterlichen Rechte und die Rechtsverhältnisse zwischen den Eltern und dem Kind angeht, ist es sehr zu begrüßen, daß das uneheliche Kind unter der vollen elterlichen Gewalt der Mutter stehen soll. Aber ich habe hier die Frage, ob nicht in dem Entwurf mit einer Hand etwas gegeben wird, auf der anderen Seite aber im Grund wieder der Zustand, nur unter anderem Namen, eintritt. Ich glaube, es wird zu diskutieren sein, ob man nicht die Situation genau umdrehen und ein Antragsrecht der Mutter auf Bestellung eines Beistandes in das Gesetz schreiben sollte, statt eines Antragsrechts der Mutter auf Befreiung von dem Beistand. Ich bin hier der Ansicht, daß ein Mißtrauensvotum gegen die uneheliche Mutter vorliegt, und meine, daß unsere Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse durch sogenannte Leitbilder getrübt ist. Es hat sich erwiesen, daß die uneheliche Mutter in ihrer Fürsorge für das Kind keineswegs hinter der ehelichen Mutter zurücksteht. Sie können das bei den Jugendämtern überprüfen: Es gibt bei unehelichen Müttern nicht mehr Sorgerechtsentziehungen als bei ehelichen. Wenn wir also dem Verfassungsgebot gerecht werden wollen, sollten wir versuchen, hier eine etwas beweglichere Lösung zu finden, statt im Grunde genommen den alten Zustand beizubehalten.
Wenn jetzt die Verbände der Vormünder an den Rechtsausschuß appellieren und behaupten, die schon geringfügige Änderung des geltenden Rechts sei unerträglich, so ist das natürlich. Wenn jemand Kompetenzen aufgeben soll, dann wehrt er sich. Aber ich glaube, gerade um der Besserstellung und auch um des Ansehens der unehelichen Mutter willen ist mein Vorschlag des Nachdenkens wert.
Die verehrte Frau Kollegin Kuchtner hat vorhin zu der Frage der Ehelichkeitserklärung Stellung genommen und ihre Kritik an § 1727 Abs. 2 des Entwurfs angesetzt, wonach das Vormundschaftsgericht das Kind gegen den Willen der Ehefrau für ehelich erklären kann. Man verweist immer darauf, daß damit so insgeheim das Konkubinat eine Rechtfertigung durch den Gesetzgeber fände.

(Abg. Frau Dr. Kuchtner: Habe ich nicht gesagt!)

— Ich habe das nicht auf Sie gezielt gesagt.
Meine Damen und Herren! Das gesamte Gesetzgebungswerk und die Reform haben einen sehr breiten Bereich von Fällen zu fassen. Das reicht von
dem Kind, das in einem Notzuchtverbrechen gezeugt wurde, bis zu den Kindern, die in einer sogenannten Onkelehe zur Welt kommen. Dieser Paragraph ist gerade für gewisse Verhältnisse notwendig, die uns unzufrieden lassen. Wenn ich „Onkelehe" sage, dann meine ich nicht nur das Verhältnis, das aus wirtschaftlichen Gründen als Onkelehe belassen wird, sondern ich meine eheähnliche Verhältnisse, die entstanden sind und in der Form des Konkubinats bestehenbleiben, weil die Ehe des Vaters nicht geschieden werden kann, obgleich im Grunde keine Ehe mehr vorliegt. Ich habe manchmal den Eindruck, daß die Entscheidungen des IV. Senats des Bundesgerichtshofs wesentlich härter sind als die der päpstlichen Rota, die gegenüber diesem Senat einen ausgesprochen liberalen Eindruck macht.
Eine Lösung sehe ich allerdings, Frau Kuchtner. Wir können, wie es im Bundesrat von einem Land beantragt wurde, den ganzen Passus über die Ehelichkeitserklärung fallenlassen. Sie ist ohnehin ein Relikt aus jener Zeit, in der man 'dem ehelich geborenen Kind einen höheren Wert gab als dem unehelichen. Es wäre eine gute Lösung — und es wäre wohl auch Ihr Anliegen mit getroffen —, wenn das Gesetz künftig die Möglichkeit gäbe, daß dem Vater die elterliche Gewalt übertragen wird, und die Möglichkeit des Namenswechsels mit darinstände. Dann könnten wir auf dieses obrigkeitsstaatliche Relikt verzichten, in der die Ehelichkeitserklärung als eine Art Gnadenakt erscheint, der die Härte der Diskriminierung der Unehelichkeit im Einzelfall beseitigen soll.
Ähnliches möchte ich zu dem Thema „Adoption" sagen. Auch dahinter steckt ein Relikt. Adoption bedeutet auf künstlichem Wege ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen den Annehmenden und dem Kinde begründen. Das ist unangemessen, wenn man im Blick auf die natürlichen Eltern, auf das natürliche Eltern-Kind-Verhältnis noch die Adoption dazwischenschalten will. Man sollte versuchen, darauf zu verzichten.
Nun aber als letztes das Erbrecht. Da wird es, glaube ich, sehr viele Diskussionen geben. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie sagten, der Entwurf soll kein Streitgegenstand, sondern ein Diskussionsgegenstand sein. Ich kann verstehen, daß es verschiedentlich schwierig ist, das Erbrecht so anzunehmen; wobei man immer klarstellen muß, daß es sich um einen Erbersatzanspruch handelt. Aber ich darf Ihnen dazu doch folgendes sagen. Man macht die Erfahrung, daß sehr viele Ehen geschlossen werden, eben weil ein Kind unterwegs ist. Nach kurzer Zeit wird die Ehe geschieden. Das Kind ist da. Es wächst bei der geschiedenen Frau auf. Der Vater heiratet wieder. Er erwirbt ein gewisses Vermögen. Er stirbt. Das Kind aus der ersten Ehe, die geschieden wurde, ist selbstverständlich erbberechtigt. Der ähnliche Fall, die Frau entschließt sich aber, nicht zu heiraten, weil sie fürchtet, daß die Ehe geschieden wird. In diesem Fall soll das Kind nicht erbberechtigt sein? Ich glaube, das ist eine Differenzierung, hinter der das alte Gesetz der Illegitimität und des Makels wieder sichtbar wird. Wir sollten doch versuchen, hiervon abzugehen.



Kaffka
Es ist — wenn ich das noch anführen darf — in der Diskussion um das Unehelichenrecht an einer bestimmten Stelle gesagt worden: „Aus Unordnung, die die Beteiligten, d. h. die Eltern des unehelichen Kindes, schufen, läßt sich nicht eine uneingeschränkt gute Ordnung entwickeln." Es entsteht hier der Eindruck, als seien unsere Ehen alle intakt und als seien nur die unehelichen Mütter mitsamt ihren Kindern in größerer Gefährdung. Meine Damen und Herren, ich habe etwas gegen Leitbilder. Das Leben ist differenzierter als die sogenannten Leitbilder es zeigen, und wir leben nicht in einer heilen Welt. Unsere Ehen und die Kinder in .den Ehen sind im selben Maße Gefährdungen ausgesetzt, ja mitunter größeren als das uneheliche Kind, das bei seiner Mutter aufwächst. Wir sollten uns also davor hüten, aus vorgefaßten Wertungen die Wirklichkeit zu verfälschen.
Nun schreibt der besagte Verfasser in diesem Zusammenhang aber noch etwas, was mich nachdenklich macht. Der Jurist erstrebt, sagt er, in diesem Gebiet wie anderswo eine sachgerechte, eine sozialadäquate Lösung. Das Wort „sozialadäquat" in diesem Zusammenhang hat mich etwas nachdenklich gemacht, weil ich es.— ich bin allerdings kein Jurist — sonst immer nur im Zusammenhang mit Arbeitsgerichtsentscheidungen hörte. Dort taucht der Begriff der Sozialadäquanz auf. Aber hier stellte sich mir die Frage: Denkt man dabei an den alten Leitsatz „suum cuique", denkt man dabei irgendwie an eine ständestaatlich geordnete Gesellschaft? Ich glaube, solche Erwägungen im Zusammenhang mit dem Unehelichenrecht widerstreiten unserer Verfassung, widerstreiten diem Grundgedanken und der Tendenz unserer Verfassung und sind hier ebenso fragwürdig wie in den Arbeitsgerichtsurteilen.
Wenn — das darf ich zum Schluß sagen — in der Diskussion öfter die Kirchen und die „klerikalen Kreise", die sich hemmend einer Reform in den Weg gestellt hätten, angesprochen worden sind, dann ist das nur zum Teil richtig. Beide Kirchen haben in den letzten Jahren intensiv darauf hingewiesen, daß das Problem der Unehelichen einen Notstand aufzeige, den nur der Gesetzgeber mildern könne. Es hat sehr lange gedauert, und es gereicht vielleicht diesem Bundestag zur Ehre, daß er es schaffen kann, endlich nach 50 Jahren dieses Gesetz zu verabschieden. Es wird aber gerade bei der Verabschiedung dieses Gesetzes deutlich werden, daß auch die Lage der Scheidungswaisen schleunigst aufgegriffen werden muß. Ich bin dem Herrn Justizminister sehr dankbar dafür, daß er schon in Aussicht gestellt hat, daß die Ausführungsgesetze in Vorbereitung seien, damit das, was 50 Jahre gewährt hat, zu einem Ende geführt werden kann.
Gestatten Sie, meine Damen und Herren, daß ich Lie zum Schluß auf einige Sätze aus einer theologischen Ethik zu diesem Thema hinweise, die mich besonders bewogen haben, für diesen Entwurf einzutreten:
Der Ehre der Mutterschaft darf nicht nur, sondern soll sich auch die uneheliche Mutter bewußt sein. Was immer sie sich selbst und was
man ihr von dritter Seite mit Recht oder Unrecht vorzuwerfen haben mag, ,es kann ihr die Würde nicht nehmen, die ihr nicht nur ihrem Kinde, sondern auch allen Dritten gegenüber und damit ipso facto zugefallen ist, daß sie wie jede andere unter Einsatz ihres eigenen Lebens dieses Kindes Mutter geworden ist.
Ob gern oder ungern, verdient oder unverdient, sie ist damit zur Empfängerin einer besonderen Gabe und eines besonderen Auftrages Gottes geworden. Sie soll sich als solche wissen. Sie soll sich diese Würde nicht absprechen lassen. Die uneheliche Mutter mag der ehelichen gegenüber in manchem ernsten Nachteil sein. Sie ist aber keine Mutter zweiten Ranges. . . . Vaterschaft und Mutterschaft ist unter allen Umständen ein character indelebilis, eine nicht mehr rückgängig zu machende Wendung im Leben eines Menschen, die Begründung einer nicht wiederaufzuhebenden Beziehung zu diesem Dritten, dem nun einmal gezeugten und geborenen Kinde. Diese Beziehung impliziert miteinander eben Ehre und Verpflichtung. Die Ehre besteht darin, daß ein Mensch unmittelbar als Zeuge nicht nur, sondern tätig und leidend bei dem erstaunlichen Geschehen dabei sein durfte, wie .ein neuer Mensch, und dieser als Träger des eigenen Fleisches und Blutes, ins Dasein trat. (Karl BARTH, Kirchliche Dogmatik III 4).

(Beifall bei dier SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514629100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0514629200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Herr Bundesjustizminister, Sie haben eine sehr eingehende Darlegung des bestehenden Unehelichenrechts gegeben und klar die Gründe für den jetzt von der Regierung vorgelegten Entwurf aufgezeigt. Ich darf daran erinnern, daß wir Freien Demokraten seit vielen Jahren immer wieder auf die Vorlage eines entsprechenden Entwurfs gedrängt haben, ob ,das in der Fragestunde war oder ob das — gleich im März 1966, also zu Beginn dieser Legislaturperiode — mit einer Kleinen Anfrage war. Deswegen begrüßen wir es natürlich, daß endlich ein entsprechender Entwurf vorliegt.
Sie haben darauf hingewiesen, Herr Bundesjustizminister, daß Ihr Vorgänger im Amt 'im Jahre 1966 einen Referentenentwurf zur allgemeinen Diskussion gestellt hat. Ich darf vielleicht an etwas ierinnern, was in der Öffentlichkeit nicht so bekannt war: Damals, als unser Parteifreund Bucher Justizminister war, lag auch schon ein Referentenentwurf vor. Bei der Vorlage ,dieses so wichtigen Gesetzes hat sich nun gezeigt, daß ein häufiger Wechsel in einem derart wichtigen Amte zu bedauerlichen Verzögerungen von wichtigen Vorlagen führt. Denn es ist selbstverständlich, daß jeder Minister dem Entwurf, wenn er ihn dem Kabinett vorlegt, seine eigene Handschrift gibt. Die hier anwesenden Herren Bundesjustizminister — der jetzige und die früheren — mögen es mir



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
nicht verargen, wenn ich darauf hinweise, daß natürlich die Auffassung eines Freien Demokraten wie des Herrn Bucher eine andere gewesen ist als die des Herrn Bundesjustizministers a. D. Jaeger und jetzt wieder die Ihrige, Herr Bundesjustizminister.

(Abg. Dr. Dittrich: Was soll denn das Ganze? Hätten Sie doch einen eigenen Entwurf vorgelegt!)

— Herr Kollege, Sie sind doch so lange im Bundestag. Da wissen Sie doch ganz genau, daß Abgeordnete mit ihren Arbeitsmöglichkeiten einfach überfordert wären, wenn sie einen Initiativentwurf eines derart wichtigen Gesetzes vorlegen wollten.

(Beifall bei der FDP.)

Ich glaube, Sie meinen das auch gar nicht so ernst, wenn Sie einmal genauer darüber nachdenken.
Herr Bundesjustizminister, ich habe es begrüßt, daß Sie den Entwurf vorgelegt haben. Ich habe mir auch die Begründung angesehen. Es ist eine sehr juristische Begründung. Insofern war es sehr interessant, daß Herr Kollege Kaffka zuerst einmal einen historischen Rückblick auf die Stellung des unehelichen Kindes vom Altertum über das Mittelalter bis zu Joseph II. gegeben hat. Nur die heutige Zeit hat er etwas kurz bedacht. Der Begriff der Sozialadäquanz für unser Recht, Herr Kollege Kaffka, ist doch etwas anders auszulegen. Ich bin der Meinung, daß, wenn wir jetzt ein Recht schaffen, das so weitgehend in so viele Menschenleben eingreift, in so vielen Ehen und gerade auch für die Kinder, deren Eltern nicht verheiratet sind, von Bedeutung ist, kann man nicht daran vorbeigehen, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse nun einmal sind.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Mommer.)

Hier ist nun festzustellen, daß die Begründung zum Entwurf bedauerlicherweise keine Ausführungen über die soziologischen Fakten enthält. Nach meiner Auffassung müssen uns bei den Ausschußberatungen unbedingt mehr Fakten dargeboten werden, als Sie, Herr Bundesjustizminister, es vorhin in Ihrer Begründung getan haben. Ich weise darauf hin, daß der Juristinnenbund zu dem früheren Referentenentwurf im Oktober 1966 eine eingehende Stellungnahme abgegeben hat. Der Juristinnenbund bedauert darin, daß angesichts der Ausführlichkeit — das bezieht sich auf diesen früheren Entwurf, der auch rein juristische Ausführungen enthielt — nicht auch bestimmte soziologische Fakten in die Begründung aufgenommen worden sind. Ich zitiere aus dieser Stellungnahme:
Insbesondere wäre eine Gegenüberstellung der tatsächlichen sozialen Lage der Mütter unehelicher Kinder mit derjenigen ehelicher Kinder aus geschiedenen Ehen wünschenswert gewesen. Außerdem hätten wenigstens kurze Zahlen darüber angegeben werden müssen, wie sich im statistischen Durchschnitt die Schicksale der unehelichen Kinder entwickeln.
Es heißt weiter:
Es ist auch zu bedauern, daß Angaben über die
soziale und wirtschaftliche Lage der unehelichen
Mütter fehlen, ganz zu schweigen davon, daß es offenbar keine eingehende soziologische Untersuchung des Verhältnisses unehelicher Väter zu ihren Kindern gibt.
Es wird weiterhin bedauert, daß auch über die Verhältnisse bei den unehelichen Vätern kein entsprechendes Material da ist.
Für mich war eine Tagung bei der Katholischen Akademie in Berlin — ich glaube, es war im Oktober des vergangenen Jahres — aus dem Grunde von größtem Interesse, weil dort Professor Neundörfer und Herr Dr. Menges, die dem Soziographischen Institut in Frankfurt angehören, gesprochen haben und dabei ganz klar zum Ausdruck kam, daß leider bisher nichts getan worden ist, um die für ein gutes Gesetz so wichtigen Fakten irgendwie zu erstellen. Ich habe da nur die wenigen Zahlen, die auch Sie, Herr Bundesjustizminister, genannt haben, erfahren, daß es vollkommen ungeklärt ist, wie viele Menschen, auch erwachsene Menschen, es heute überhaupt gibt, die außerhalb einer Ehe geboren sind; im Jahre 1966 wurden 4,5 % unehelich geboren.
Bei dieser Tagung wurden aber noch einige Fakten vorgetragen, die uns sehr zu denken geben sollten, und zwar Fakten darüber, inwieweit heute noch eine Benachteiligung der unehelichen Mütter und Kinder vorhanden ist, daß es bei unehelichen Kindern — eine eigenartige Tatsache — zu mehr Totgeburten kommt als bei ehelichen Kindern, daß die Säuglingssterblichkeit größer ist. Eine andere Tatsache ist — das kann man sich natürlich denken —, daß 80% der unehelichen Mütter erwerbstätig sind. Weitere Tatsachen sind, daß sich für die unehelichen Kinder auch vielfach auswirkt, daß sie ohne Geschwister aufwachsen, daß es sich aber meistens nicht um „Schlüsselkinder" handelt, sondern daß die uneheliche Mutter oft mit ihren Verwandten zusammenlebt.
Da ich jetzt gerade von diesen Fakten spreche, möchte ich noch darauf hinweisen, daß unserer Gesetzgebung nun einmal Grenzen gegeben sind, um gesellschaftliche Verhältnisse zu ändern. Wir Juristen wissen um diese Begrenzung. Wir Freien Demokraten sind allerdings der Meinung, daß wir in einem Gesetz nicht den jetzigen Zustand konservieren dürfen, sondern dieses Gesetz im Hinblick auf künftige Entwicklungen machen müssen.
Es ist nun leider so, daß der „Makel" der unehelichen Geburt nach wie vor mehr oder weniger virulent ist. Es gibt heute noch Fälle — das wurde gerade auf der Tagung der Katholischen Akademie in Berlin aus der Praxis heraus berichtet —, wo die Eltern heranwachsender Mädchen sagen: „Komm mir nur nicht mit einem unehelichen Kind nach Hause! Dann fliegst du!" Leider bleibt es nicht immer bei diesen Worten, sondern es geschieht auch tatsächlich.
Frau Kuchtner hat mit Recht darauf hingewiesen, daß heute noch in einer unvorstellbaren Gedankenlosigkeit nach ehelicher oder nichtehelicher Geburt gefragt wird, wo es weiß Gott nicht notwendig ist, nicht nur in Formularen, sondern vor allen Dingen auch in den Schulen. Schon damit kommen die Kinder



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
in eine Konfliktsituation. Hier kann man eine ganze Menge bessern auch ohne Gesetzreform.
Wir wollen ein Gesetz machen, das einer Entwicklung, wie wir sie uns vorstellen, Rechnung trägt und den „Makel" sowohl bei der unehelichen Mutter wie bei dem unehelichen Kind beseitigt.
Die Frage ist: Wie soll ,das gemacht werden? Wir Freien Demokraten haben schon früher wiederholt unsere Grundsätze dargetan. Wir sind der Meinung, daß man bei der Beratung des Gesetzes natürlich auch auf die ausländischen Gesetze zurückgreifen muß. Ich denke dabei nicht nur an die skandinavischen Gesetze, sondern auch an die gesetzlichen Regelungen in Osterreich und in der Schweiz. Wir müssen aber auch daran denken, daß wir das Gesetz für unsere deutsche Bevölkerung und ihre gesellschaftspolitische Auffassung schaffen müssen und nicht für Auffassungen, wie sie vielleicht bei anderen Völkern vorhanden sind. Aber man kann viel aus den ausländischen Regelungen, insbesondere auch in Österreich und in der Schweiz, lernen. Es kommt weniger darauf an, einganz" streng dogmatisches Gesetz zu verabschieden, als auf ein lebensnahes Gesetz.
In dem Regierungsentwurf steht vieles, mit dem wir Freien Demokratien völlig einig gehen. Das betrifft zunächst das Verhältnis zwischen Mutter und Kind. Es ist ein Fortschritt, daß das Kind den Namen der Mutter tragt, auch wenn sie verheiratet ist, also nicht mehr ihren Mädchennamen führt, damit schon nach außen hin die Tatsache einer
außerehelichen Geburt nicht in Erscheinung tritt.
Herr Bundesjustizminister, man muß ganz klar erkennen., daß .die gesellschaftliche Stellung Ides Kindes ganz eng mit der gesellschaftlichen Stellung seiner Mutter verbunden ist. Wenn eine Diffamierung oder eine Herabsetzung der Mutter erfolgt — auch in rechtlicher Hinsicht —, wirkt sich das auch auf das Kind aus.
Die Amtsvormundschaft ist beseitigt. Dazu darf ich zunächst einmal ,das eine sagen: Als Rechtsanwältin hatte ich natürlich sehr viele Scheidungsfragen, Scheidungsprozesse und Kindschaftsprozesse zu behandeln. Ich habe mir manchmal für meine geschiedenen Mandantinnen gewünscht, sie hätten zur Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche eine so starke Stütze, wie sie ein uneheliches Kind durch das Jugendamt hat. Das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen.
Jetzt kommt jedoch noch 'das Aber. Sie beseitigen jetzt die Amtsvormundschaft, aber Sie führen von Gesetzes wegen die Beistandschaft ein. In einer Zeitungsveröffentlichung wurde die Beistandschaft als das Gängelband bezeichnet, an dem die Mutter doch wieder geführt wird.
Auch hier darf ich mich wieder auf die Stellungnahme des Juristinnenbundes beziehen. Dort wird in der Frage der Beistandschaft zuerst auf die Studienkommission für die Teilrevision des Familienrechts in der Schweiz verwiesen und aus dem Bericht dieser Schweizer Studienkommission zitiert. Es heißt dort:
Im übrigen empfindet die Kommissionsmehrheit das geltende Recht als ein gesetzlich verankertes Mißtrauensvotum gegenüber der Mutter des außerehelichen Kindes, deren Unmoral und damit deren Unfähigkeit, die elterliche Gewalt auszuüben, sozusagen a priori und gesetzlich vermutet werden ... Letzten Endes enthüllt sich darin eine Seite der Anschauung vom sogenannten Makel der 'außerehelichen Geburt bzw. Mutterschaft, eines überlebten, aber leider noch nicht ganz überwundenen Kollektivunwerturteils. Diese Verurteilung ... aufrechtzuerhalten, würde übrigens auch dem Grundsatz ... zuwiderlaufen, wonach die Mutter für ihr außereheliches Kind wie für ein eheliches zu sorgen hat. Eine solche Verpflichtung hat normalerweise ihr Gegenstück in der elterlichen Gewalt.
Gemeint ist in dem Fall die uneingeschränkte elterliche Gewalt. Dann fährt der Juristinnenbund in eigenen Ausführungen fort:
Aus der Praxis ist zur Genüge bekannt, daß für eine diskriminierende rechtliche Behandlung der unverheirateten Mutter im Vergleich zur verwitweten oder geschiedenen Mutter keine Veranlassung besteht. Jugendämter bestätigen immer wieder, daß die unverheirateten Mütter insgesamt im Vergleich mit den verheirateten oder verwitweten Müttern eher besser 'als schlechter abschneiden.
Da wird auf den Gesamtbericht über den Deutschen Fürsorgetag 1965 in Köln Bezug genommen.
Die Frage, ob der Vorschlag einer Beistandschaft von Gesetzes wegen mit der Möglichkeit, gegebenenfalls die Mutter daraus zu entlassen, die richtige Lösung ist, muß noch sehr eingehend erörtert werden, damit wir eine richtige Entscheidung treffen. Ich bin allerdings der Auffassung, daß uns auch dafür noch soziologische Fakten genannten werden müssen.
Die weitere Frage ist die Stellung des nichtehelichen Vaters zu dem Kind. Da das Leben verschieden ist, sind natürlich auch die Verhältnisse außerordentlich verschieden. Dadurch, daß auch bei restlos zerrütteten Ehen nach langjähriger Trennung eine Scheidung heute kaum ausgesprochen wird, haben wir sehr viele „Lebensgemeinschaften", die keine Ehe sind, die aber wie eine Ehe geführt werden und Kinder haben. Auf der anderen Seite haben wir die Tatsache, daß gegebenenfalls aus einer flüchtigen Bekanntschaft nachher ,ein Kind entstanden ist, wo aber irgendwie eine stärkere Bindung gar nicht besteht. Hier zeigt sich die ganze Breite der Probleme. In dem einen Fall behandelt der Vater die Kinder aus dieser „Lebensgemeinschaft" mit einer besonderen Liebe und Fürsorge, so daß gegenüber einem ehelichen Kind gar kein Unterschied besteht, in dem anderen Fall hat er vielleicht noch starke Bedenken, ob er auch wirklich der Vater ist, und natürlich keinerlei Bindung an das Kind. Eine der wenigen Zahlen, die ich in diesem Zusammenhang habe lesen können, war die, daß



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
von den außerehelichen Vätern nur 2 % eine Verbindung mit dem Kind wünschen. Es kommt im Augenblick nicht .darauf an, ob man das billigt oder nicht billigt. Das ist eben eine Tatsache, die wir in unsere Überlegungen mit einbeziehen müssen.
Nach meiner Auffassung ist es durchaus richtig, daß der § 1589 Abs. 2 BGB entfällt, diese mißverstandene und mißverständliche Fiktion. Darüber braucht man gar nicht weiter zu diskutieren. Ich habe mich auch immer dafür eingesetzt, daß das Unterhaltsrecht des Kindes ganz wesentlich verbessert wird. Wenn man ,dem nicht in einer Ehe geborenen Kind .die gleichen Lebenschancen geben will, so wie es der Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes verlangt, kann das unter den heutigen Umständen am besten dadurch geschehen, daß man ihm die Möglichkeit gibt, die beste Schul- und Berufsausbildung zu bekommen. Das Unterhaltsrecht, das früher nur bis zum 16. Lebensjahre galt und das heute bis zum 18. Lebensjahre gilt, steht dem einfach noch entgegen. Ich meine aber, daß man hier eine gleiche rechtliche Lage wie bei den ehelichen Kindern in geschiedenen Ehen oder von getrennt lebenden Ehegatten schaffen kann. Herr Bundesjustizminister, insofern sind wir uns im Prinzip zunächst einmal einig.
In Ihrer mündlichen Begründung haben Sie auf etwas nicht hingewiesen, was sich aber aus dem Gesetzestext ergibt. So wie der Entwurf jetzt lautet, wird danach durch Verordnung ein Regelunterhalt unabhängig vom Einkommen und Vermögen des unehelichen Vaters festgesetzt, der nur bei besonderen Verhältnissen herabgesetzt werden kann. Dadurch findet möglicherweise eine Besserstellung der unehelichen Kinder gegenüber den ehelichen Kindern in der Unterhaltsfrage statt. In der Begründung wird gesagt, daß später auch eine entsprechende Besserstellung der ehelichen Kinder, der Scheidungswaisen und auch der Kinder aus getrennt lebenden Eltern erfolgen soll. So, glaube ich, Herr Justizminister, kann man die Dinge nicht regeln. Hier sollte man zuerst die Angleichung an die Regelung für die ehelichen Kinder vornehmen. Wenn das dann nicht befriedigend ist, muß eine weitere Reform erfolgen. Aber ich kann jetzt nicht die unehelichen Kinder besser stellen als die ehelichen. Insofern habe ich Bedenken gegen die Lösung, die der Entwurf vorsieht.
Weiter muß die Frage der Gegenseitigkeit im Unterhaltsrecht eingehend erörtert werden. Dogmatisch ist es zwar durchaus richtig und auch nicht unbillig, wenn ein Vater für sein uneheliches Kind immer gesorgt hat. Aber die Regel ist doch heute noch eine andere. Es gibt viele Väter, die nur mit Hängen und Würgen — wenn überhaupt — und nur bei entsprechenden Zwangsmaßnahmen die Unterhaltszahlungen leisten. Die ganze Last der Erziehung liegt dann bei der Mutter; die Mutter erzieht das Kind ordentlich. Das Kind soll aber dann, wenn es durch seine Mutter und ihre Fürsorge etwas geworden ist, diesem Vater aus seinem Verdienst Unterhalt zahlen. Das muß doch sehr genau überlegt werden. Wie ist es mit dem Verkehrsrecht? Ich bin der Meinung, daß ein derartiges Recht dem
Vater nicht gegen den Willen der Mutter gegeben werden darf.
Jetzt noch ein kurzes Wort zu der Frage der Ehelicherklärung. Herr Justizminister, da bin ich allerdings über Ausführungen etwas betroffen, die zu § 1723 des Entwurfs gemacht worden sind. Im Gegensatz zu Frau Kollegin Kuchtner halte ich es für richtig, daß die Zustimmung der Ehefrau zu der Ehelicherklärung gegebenenfalls durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden kann. Ich denke dabei an Fälle, wo die Betreffenden schon lange, vielleicht gar 20 Jahre getrennt leben und die Kinder aus einer neuen Lebensgemeinschaft darunter leiden, daß sie nicht für ehelich erklärt werden können. Es ist eine Frage des Könnens, des Ermessens und der Lebenserfahrung des Richters, dann die richtige Lösung zu finden.
Überrascht war ich über das, was in diesem Zusammenhang auf Seite 72 des Entwurfs gesagt wird. Es wird ausgeführt, wann das Vormundschaftsgericht nicht statt der Ehefrau die Zustimmung zur Ehelicherklärung geben kann. Es heißt:
Ein solcher Fall könnte etwa vorliegen, wenn die Eltern des Kindes eine mögliche Eheschließung unterlassen, ohne daß hierfür beachtenswerte Gründe gegeben sind.
Nachher heißt es dann:
Die Ehelicherklärung wird bei Konkubinaten in der Regel schon deshalb nicht dem Wohle des Kindes entsprechen, weil die Mutter die Ausübung der elterlichen Gewalt verliert und das Kind im Falle einer bei Konkubination nicht seltenen Trennung der Eltern unter der elterlichen Gewalt des Vaters bleiben würde. Im übrigen
— und das ist jetzt der Kernsatz —
dürfte unabhängig von dieser Erwägung, wenn der verheiratete Vater und die Mutter im Konkubinat leben, im allgemeinen ein triftiger Grund gegen die Ehelicherklärung sprechen, ...
Das hatte mich allerdings in einer von Ihnen, Herr Minister, gebilligten Erklärung außerordentlich überrascht. Dem kann ich nicht folgen.
Das schwierigste Kapitel wird natürlich die Frage des Erbrechts sein. Hier treffen die verschiedenen Interessen am meisten aufeinander: auf der einen Seite die Interessen der ehelichen Familie — denn die unehelichen Väter sind ja meistens verheiratet; entweder waren sie schon verheiratet, als das Kind geboren wurde, oder sie haben nachher geheiratet — und auf der anderen Seite das Interesse des unehelichen Kindes. Aber während sonst im Unterhaltsrecht die Gegenseitigkeit so dogmatisch rein gestaltet wurde, liegt — darauf darf ich hinweisen — beim Erbrecht doch eine Verkennung des Grundsatzes unseres Bürgerlichen Rechts in bezug auf das gesetzliche Erbrecht vor. Grundsatz des gesetzlichen Erbrechts ist, es so auszugestalten, wie es dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht.

(Abg. Köppler: Nicht nur!)




Frau Dr. Diemer-Nicolaus
— Deswegen, Herr Kollege Köppler, als Erben zu-
nächst einmal die Frau und die Kinder in einer Ehe!
Ich darf mich insofern auf Professor Bosch beziehen, der sagte: Das Maßgebliche, das dem Erbrecht zugrunde liegt, ist die gelebte Familiengemeinschaft. Das ist es tatsächlich. Es ist nicht so sehr die Blutsverwandtschaft. Das entspricht auch der tatsächlichen Lebensgestaltung. Wo man in einer Familiengemeinschaft lebt, da kann man das gar nicht auseinanderdividieren, was auf den einen kommt und was auf den anderen kommt. Da geht der Wille der meisten dahin, daß das Vermögen in der Familie bleibt.
Natürlich ist es auch eine verfassungsrechtliche Frage. Im Rechtsausschuß wird eingehend zu prüfen sein, ob die Formulierung des Art. 6 Abs. 5 nicht verfassungsrechtlich ein Erbrecht oder einen Erbersatzanspruch beinhaltet. Das muß eingehend erörtert werden.
Aber dann muß hier auch gefragt werden: Ist die Gegenseitigkeit geboten? Man muß sich auch einmal einen etwas extremen Fall vorstellen: Wenn der Vater sich wenig um das Kind gekümmert hat, aber die Mutter es tat, und wenn von mütterlicher Seite Vermögen da war, das Kind dieses mütterliche Vermögen geerbt hat und eines Tages die Mutter und das Kind vor dem Vater sterben, — soll dann dieser Vater erbberechtigt werden? Das muß man sich einmal überlegen! Man muß auch damit rechnen, daß an derart kritischen Fällen die Kritik . in der Öffentlichkeit einsetzt.
Noch ein Wort zu dem Erbersatzanspruch. Dieses Wort klingt natürlich sehr schön. Aber es ist heute doch eine Erkenntnis der Anwälte — die Kollegen hier im Saal werden es bestätigen —, daß selbst bei den besten familiären Verhältnissen Erbauseinandersetzungen immer eine schwierige Angelegenheit sind. Ob es nun ein Miterbenanspruch ist oder ob es ein Auseinandersetzungsanspruch auch schuldrechtlicher Art ist, — er führt zu Schwierigkeiten. Es führt natürlich noch mehr zu Schwierigkeiten, wenn Vermögen veräußert werden muß, um einen derartigen Anspruch zu erfüllen.
Ich möchte noch auf das eingehen, was Frau Kuchtner in bezug auf Bayern gesagt hat. Ich stelle mir das einmal in ländlichen Verhältnissen vor. Dort tragen vielfach Anerbenrechte dafür Sorge, daß ,der Hof erhalten bleibt, statt daß wegen eines Erbanspruches eines unehelichen Kindes gegebenfalls eine Auseinandersetzung erfolgen müßte. Ich weiß nicht, ob durch eine solche Regelung nicht eine Fülle von Streitigkeiten und Prozessen entstehen, ohne daß wir das Ziel erreichen — außer der rechtlichen Position, aber die ist nicht so sehr das Entscheidende —, dem Kind den Makel zu nehmen. Da sind gute Unterhaltsansprüche viel wesentlicher. Dieser Erbersatzanspruch gibt Möglichkeiten zum Prozessieren und zu Streitigkeiten.
Es muß sehr überlegt werden, ob man dem Erfordernis des Art. 6 Abs. 5 nicht auch in anderer Weise Rechnung tragen kann. Ein Gedanke, den Herr Kollege Busse bei unserer Beratung vorgetragen hat, war die Anregung, zu prüfen, ob man dem Kind nicht statt eines Erbanspruches oder Erbersatzanspruches einen Ausstattungsanspruch geben sollte. Es fragt sich auch, ob man nicht einen Unterschied machen soll: ob das Kind schon eine fertige Berufsausbildung hat und für sich selbst sorgen kann oder ob es noch unversorgt ist. Das sind alles Probleme, die noch sehr weitgehender Überlegungen bedürfen.
Zum Schluß darf ich Ihnen nur noch sagen: Wir Freien Demokraten haben auf die Vorlage eines entsprechenden Gesetzes gedrängt und werden uns deshalb an der Beratung des Gesetzes sehr intensiv und sehr gern beteiligen. Wir sind allerdings der Meinung, daß schwierige Probleme nicht unter Zeitnot und Zeitdruck beraten werden dürfen. Unser Bestreben geht dahin, ein wirklich modernes Gesetz zu schaffen, das einer modernen Gesellschaft ohne Vorurteile aus vergangenen Jahrhunderten entspricht. Dieses Gesetz soll auch dazu beitragen, Vorurteile, sofern sie noch vorhanden sind — was leider der Fall ist —, zu beseitigen. Die Vorurteile gehen nämlich letzten Endes zu Lasten des wirklich schuldlosen Kindes. Nur muß es auch ein lebensnahes Gesetz sein, das entsprechend den Bestimmungen des Grundgesetzes den außerhalb einer Ehe geborenen Kindern tatsächlich die gleichen Lebenschancen — in der Gesellschaft, im beruflichen Leben, in ihrer geistigen und seelischen Entwicklung — wie den ehelichen Kindern gibt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514629300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Köppler.

Heinrich Köppler (CDU):
Rede ID: ID0514629400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der fortgeschrittenen Stunde will ich mich ganz kurz fassen und dem, was gesagt worden ist, nur noch einige Bemerkungen anfügen.
Herr Bundesjustizminister, Sie haben gesagt, daß es an der Zeit sei, diesen Entwurf hier im Hause zu behandeln. Ich möchte hinzufügen: es ist hoch an der Zeit, und es ist in der Tat auch hoch an der Zeit in dieser Legislaturperiode. Wir haben für eine sehr komplizierte Materie — das wird niemand bestreiten, der die Problematik und die Vorarbeiten für diesen Entwurf kennt — ein gutes Jahr zur Verfügung. Wir sollten es nutzen, und ich denke, dieser 5. Bundestag sollte auch den Schlußstrich unter diese Etappe einer notwendigen Reform ziehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ein Wort zu dem langen Zögern. Herr Minister, Sie haben den Gesetzgeber angesprochen. Frau Kollegin Diemer-Nicolaus hat, glaube ich, zu Recht darauf hingewiesen, daß es in einer so schwierigen Frage der Initiative, der verfassungsrechtlich vorgesehenen Initiative der Bundesregierung bedarf. Dieses lange Zögern, das wir seit 181/2 Jahren zu verzeichnen haben, hat sicher nicht zu einer Vereinfachung der Probleme durch Ausdiskutieren geführt. Der einzige Effekt dieses Zögerns war allenfals der, daß die Fachliteratur über die Problematik der Reformgesetzgebung ins Unübersehbare angeschwol-



Köppler
len ist. Wir sollten in der Tat in diesem Parlament jetzt einen Schlußstrich ziehen.
Die Notwendigkeit der Reformregelung kann von niemandem bestritten werden. Es ist in .der Tat so, daß auch die bisherigen Schnitte, von denen Frau Kolelgin Kuchtner gesprochen hat, nicht ausreichen, um der Reformbedürftigkeit nachzukommen. Das, was mit dem Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 erreicht wurde, waren allererste Schritte auf einem Weg, der jetzt etwas stärker der Reform bedarf. Wir sind dabei, hier etwas zu tun, Daß die Regelung unseres Bürgerlichen Gesetzbuches nicht mehr ,den heutigen Auffassungen, den heutigen Lebensverhältnissen in weiten Bereichen, die hier angesprochen sind, entspricht, ist ebenfalls selbstverständlich. Ich bin in der Tat auch der Meinung, daß so etwa wie eine moralische Notwendigkeit für den Gesetzgeber zum Handeln gegeben ist, die, wenn er sie versäumt, auf idas rechtsstaatliche und sozialstaatliche Klima in diesem Staat nicht ohne schwerwiegende negative Folgen bleiben kann.
Der Inhalt unserer Arbeit ist weithin vorgezeichnet durch den Verfassungsbefehl in Art. 6 Abs. 5 unseres Grundgesetzes, der zwar nicht die Gleichheit, aber gleiche Bedingungen fordert. Das, was wir nun als Gesetz zu verabschieden haben, wird weithin an dem Inhalt dieses Verfassungsbefehls zu messen sein. Wir sind in unseren Zweckmäßigkeitserwägungen bei der Gestaltung dieses Reformwerks nicht völlig frei.
Wir müssen natürlich auch folgendes beachten. Ich kann idem Kollegen Kaffka nicht zustimmen, wenn er meint, ein Spannungsverhältnis zwischen dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 und dem Verfassungsbefehl in Abs. 5 des gleichen Artikels bestehe nicht, sondern dies sei irgendwoher juristisch konstruiert. In der Tat, ein solches Spannungsverhältnis besteht. Das Problem des Gesetzgebers besteht darin, durch einen Ausgleich unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zwischen dem Schutzbereich, der in Art. 6 Abs. 1 angesprochen ist, und dem Verfassungsbefehl eine richtige Lösung zu finden.

(Abg. Kaffka: Ich habe gesagt: ,,ideologisch konstruiert"!)

— Auf diese Gleis will ich mich natürlich nicht begeben, sondern ich will einigermaßen auf dem Boden der juristischen und .der verfassungsrechtlichen Tatbestände bleiben. Nur da haben wir Spannungen auszugleichen. Ideologische Spannungen auszugleichen entzieht sich, glaube ich, weithin der Möglichkeit des Gesetzgebers.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Sehr richtig!)

Wir müssen ein richtiges Recht schaffen, ein Recht, das von dieser Rechtsgemeinschaft, über die es gesetzt werden soll, von dieser Gesellschaft auch adaptiert wird. Wir sollten uns dabei — das hat Frau Kollegin Diemer-Nicolaus mit Recht gesagt — der Grenzen bewußt sein und bewußt bleiben, die angesichts des eigentlichen Problems der gesellschaftlichen Wertung, die den Hintergrund unserer Reformarbeit abgibt, dem Gesetzgeber gesetzt sind. Umgekehrt hängt die gesellschaftliche Wertung aber
vielleicht auch weithin davon ab, welche konkreten subjektiven Rechte gegeben sind, welche Rechtsordnungen geschaffen sind. Ich glaube, daß hier doch eine gewisse Abhängigkeit besteht und daß wir auch von daher einigen Mut für das, was zu reformieren ist, schöpfen sollten.
Ich bin der Meinung, daß die Vorschläge, die uns die Bundesregierung mit diesem Entwurf vorgelegt hat, in der Tat überwiegend akzeptabel sind und, wie der Herr Bundesjustizminister gesagt hat, eine annehmbare Basis für die Aufgabe, die jetzt vor dem Parlament liegt, darstellen. Das gilt uneingeschränkt für eine ganze Fülle von notwendigen Reformvorschlägen, angefangen von ,der überfälligen Streichung des ominösen § 1589 Abs. 2 unseres Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verbesserung der Unterhaltsregelungen sowohl hinsichtlich der Altersgrenze als auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage bis hin zu der Erweiterung und Verbesserung der Unterhaltsrechte der Mutter, der Neuregelung der Vaterschaftsfeststellung und -anerkennung und den prozeßrechtlichen Vorschlägen, die gemacht worden sind. Sie sind nur zu begrüßen.
Ich glaube auch, daß die Konzeption für den Kernbereich des Familienrechts, die der Entwurf darbietet, akzeptabel ist. Aber hier ist natürlich eine besonders sorgfältige Prüfung geboten. Ich glaube, daß gerade hier auch das Spannungsverhältnis zu Art. 6 Abs. 1 zu berücksichtigen ist. Ich persönlich halte die Regelung der elterlichen Gewalt, die der Entwurf vorsieht, für vernünftig und für akzeptabel. Ich muß insofern meinen Vorrednern, die hier Bedenken angemeldet haben, widersprechen. Aber ich gebe zu, in diesem Kernbereich der familienpolitischen Reformfragen sollte der Bundestag, sollte der Rechtsausschuß bei seiner Prüfung der einzelnen Reformvorschläge besonders sorgfältig ansetzen. Das gilt auch für das vorgeschlagene Verkehrsrecht des Vaters — eine im Gesamtzusammenhang unserer Familienrechtsordnung wohl nicht ganz unproblematische Sache, aber das wird auch den Vätern dieses Vorschlags bewußt sein —, und das gilt ganz sicher für die Ersetzung bestimmter Einwilligungen durch Erklärungen des Vormundschaftsgerichts im Bereich der Legitimation der Ehefrau, der Mutter. Man sollte diese Vorschläge, die uns hier von der Bundesregierung unterbreitet worden sind, sorgfältig prüfen. Ich bin der Meinung, eine akzeptable Diskussionsgrundlage haben wir damit.
Es ist wiederholt hervorgehoben worden, daß vielleicht der bedenklichste Bereich dessen, was uns hier vorgeschlagen wird, der der neuen erbrechtlichen Regelung ist, und ich möchte dem zustimmen. Ich habe, offen gestanden, einige Bedenken gegen diese Vorschläge, und wir sollten sie uns sehr genau überlegen, weniger unter dem Gesichtspunkt, ob auch hier der Art. 6 Abs. 1 tangiert wäre — ich glaube, daß das kaum der Fall ist —, als einfach unter dem Gesichtspunkt der Systematik unseres Erbrechts selbst. Nun gebe ich zu, daß auch unser Erbrecht selbst reformbedürftig erscheinen mag. Aber wir stehen nun einmal vor der Frage, ob wir bestimmte erbrechtliche Reformmaßnahmen ausgerechnet aus Anlaß der dringend notwendigen und doch so kriti-



Köppler
schen Frage der Reform des Unehelichen-Rechts vornehmen wollen.
Ich bin nicht Ihrer Meinung, Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, daß unser geltendes Erbrecht als so ideal zu schildern wäre, wie das bei Ihnen vielleicht etwas durchklang. Denn der Regelung des BGB können Sie den gleichen Vorwurf machen, den Sie hier erhoben haben, nämlich daß sie weithin auf einer gewissen Blutideologie, auf der Vorstellung von einem reinen Verwandtschaftsverhältnis beruhe.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514629500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Dr. Diemer-Nicolaus?

Heinrich Köppler (CDU):
Rede ID: ID0514629600
Bitte!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0514629700
Herr Kollege Köppler, haben Sie nicht genau wie ich während des juristischen Studiums gelernt, daß man bei der Schaffung der gesetzlichen Erbrechtsbestimmungen vom vermuteten Willen des Erblassers ausgeht und daß dieser in der Regel das Vermögen der Frau und den Kindern überlassen will?

Heinrich Köppler (CDU):
Rede ID: ID0514629800
Es stimmt natürlich, daß bei der Schaffung eines gesetzlichen Erbrechts der vermutliche Wille des Erblassers eine Rolle spielt, — aber nicht die alleinige, sondern darüber hinaus spielt auch eine Rolle die Auffassung der Rechtsgemeinschaft von einer der Wertvorstellung in dieser
1 Gemeinschaft entsprechenden allgemeinen gesetzlichen Regelung. Das ist nicht immer identisch mit dem vermutlichen Willen des Erblassers, und das hat auch beim BGB eine Rolle gespielt.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514629900
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Dr. Diemer-Nicolaus?

Heinrich Köppler (CDU):
Rede ID: ID0514630000
Bitte!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0514630100
Herr Kollege Köppler, könnten Sie mir aber darin zustimmen, daß es — auch wenn man diese beiden Komponenten so sieht wie Sie — für unsere Entscheidung wichtig wäre, Feststellungen darüber zu erfahren, wie der mutmaßliche Wille der Väter unehelicher Kinder in dieser Hinsicht im allgemeinen ist?

Heinrich Köppler (CDU):
Rede ID: ID0514630200
Da bin ich völlig Ihrer Auffassung, und genau auf diesen Punkt will ich auch zu sprechen kommen. Hier habe ich ein völlig ähnliches Bedenken wie Sie gegen die uns vorgelegten Vorschläge. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich prinzipiell der Meinung bin, an einer Bejahung der Nachlaßbeteiligung unehelicher Kinder werden wir nicht vorbeikommen; das ist eine Notwendigkeit. Aber bei einer konkreten Ausgestaltung der Vorschläge, über die wir ja im einzelnen noch reden müssen, taucht das Bedenken auf, ob dieses Erbrecht nicht für weite Bereiche unserer Gesellschaft — für die Arbeitnehmergesellschaft mag es berechtigt sein — einfach als unpassend
empfunden wird. Es sind schon einige Beispiele angedeutet worden. Das gilt nicht nur für den landwirtschaftlichen Bereich, sondern auch für den gewerblichen Bereich, namentlich im unteren, mittelständischen Sektor.
Die Folge könnte sein, ,daß eine solche Regelung in einem doch erheblichen Teil unserer Bevölkerung, unserer Rechtsgemeinschaft, als fremd empfunden und abgelehnt wird, daß sie der Adaption durch die Rechtsgemeinschaft ermangelt und damit dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit — wesentlichen Gesichtspunkten für unsere Aufgabe als Gesetzgeber, gerade bei einer so schwierigen Materie — ein schlechter Dienst erwiesen würde. Denken Sie an das hohe Kompliment, das unsere Bevölkerung dem geltenden Erbrecht trotz der von mir persönlich anerkannten Reformbedürftigkeit immer wieder macht! Denken Sie daran, wie gering der Prozentsatz derer ist, die von ihrer Testierfreiheit Gebrauch machen, gerade .aus der Überzeugung, daß die gesetzliche Erbfolge, die unser Recht vorsieht, vernünftig ist! Wollen wir diesen hohen Rang der Adaption unseres geltenden Erbrechts, unseres sicher reformbedürftigen Erbrechts, aufs Spiel setzen, indem wir unserer Rechtsgemeinschaft eine von ihr von vornherein als zu fremd empfundene Regelung aufoktroyieren, auch wenn wir die besten Absichten dahintersetzen? Herr Bundesjustizminister, wir sind uns ja ,aus anderen Reformbereichen, etwa dem strafrechtlichen Bereich, über die Fragwürdigkeit der sittenprägenden Kraft der Gesetzgebung, glaube ich, einig. Ich glaube, auch dieses Fragezeichen sollte hier bei einer so schwierigen Materie gesetzt werden dürfen.
Ich komme zum Schluß. Gewiß, es ist nur natürlich, daß bei einer so umstrittenen, auch in der Wissenschaft nach wie vor umstrittenen Materie der Entwurf, den uns die Bundesregierung jetzt vorlegt, in dem einen oder anderen Punkt Bedenken weckt. Trotzdem sollten wir für diese Vorlage dankbar sein, auch für ,die darin steckende Arbeit in der Rosenburg, in der deutschen Wissenschaft, die sich mit einer bewundernswerten Akribie um diese Problematik bemüht hat, und in den vielen Kreisen der Praxis, die hier mitgearbeitet hat. Wir sollten an die uns nun bevorstehende Aufgabe mit einer wesentlichen Richtschnur für unser Handeln herangehen. Oberstes Gesetz sollte das Wohl des unehelichen Kindes sein. Wir sollten beachten, daß wir dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit angesichts der Reformnotwendigkeit dienen, und wir sollten da einen gerechten Ausgleich suchen, wo wirklich Interessengegensätze, auch rechtliche Interessengegensätze, zum Ausgleich gebracht werden müssen, etwa im Spannungsfeld des Art. 6 unseres Grundgesetzes.

(Beifall bei allen Fraktionen.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514630300
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kleinert.

Ingeborg Kleinert (SPD):
Rede ID: ID0514630400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Augenblick, zu leider etwas vorgerückter Stunde, beschäftigen wir uns mit einem



Frau Kleinert
Entwurf, der gewissermaßen seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung steht. Es ist hier mit Recht gesagt worden, daß die Stellung des unehelichen Kindes, dessen Problematik eigentlich mehr im Faktischen als im Rechtlichen liegt, im Laufe der Zeit sicherlich etwas besser geworden ist, daß aber die Vorurteile noch längst nicht abgebaut und die Probleme noch sehr groß sind, so daß wir uns mit allem Ernst und mit aller Sorgfalt um dieses uns vorliegende Gesetzeswerk bemühen müssen.
Ich möchte an dieser Stelle dem Justizministerium Dank sagen für die wohldurchdachte Diskussionsgrundlage, die es uns zu diesen sehr schwierigen Problemen gegeben hat. Während die gegenwärtige Rechtssituation des unehelichen Kindes im vergangenen Jahrhundert konzipiert wurde, haben wir es hier mit einem modernen, sachgerechten Entwurf zu tun, der auch neueste Erkenntnisse der Soziologie, der Psychologie, der Pädagogik verarbeitet und Erfahrungen anderer Länder zu Rate gezogen hat, so daß wir alles in allem eine gute Grundlage für die Arbeit im Ausschuß haben werden.
Wir sind hier heute in der ersten Lesung, und es wäre verfrüht und verfehlt, zu sehr in die Einzelheiten zu steigen. Ich will das nicht tun, sondern möchte zu einigen Punkten etwas sagen, zu denen meine Vorredner schon Stellung genommen haben.
Da kann ich nicht umhin, mit dem Kollegen Köppler anzufangen, der zu den Ausführungen meines Fraktionskollegen Kaffka hinsichtlich des Art. 6 des Grundgesetzes und des sich dort angeblich niederschlagenden Spannungsverhältnisses Stellung genommen hat. Meine Damen und Herren, ich begrüße es sehr, daß der Entwurf in Übereinstimmung z. B. mit dem 44. Juristentag deutlich macht, daß die Absätze 1 und 5 des Art. 6 einander keineswegs ausschließen, sondern wertneutral nebeneinander stehen; mit anderen Worten: daß der Schutz der Ehe als Instutition unabhängig ist von der rechtlichen Besserstellung des unehelichen Kindes. Würde man, wie Herr Kollege Köppler es meinte tun zu müssen, einen nicht überbrückbaren Gegensatz zwischen Abs. 1 und Abs. 5 konstruieren, dann wären wir, glaube ich, nicht in der Lage, eine Reform des Rechts des unehelichen Kindes über die Bühne zu bringen.

(Abg. Frau Dr. Schwarzhaupt: Darf ich eine Zwischenfrage stellen?)

— Bitte schön.

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0514630500
Frau Kollegin Kleinert, sollten Sie das Wort „nicht überbrückbar" nicht vielleicht hinzugedichtet haben? Ich glaube, Herr Köppler hat es nicht benutzt.

Ingeborg Kleinert (SPD):
Rede ID: ID0514630600
Das mag sein, daß er den Ausdruck „nicht überbrückbar" nicht benutzt hat. Aber dem Sinn nach habe ich ihn so verstanden.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514630700
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Dr. Schwarzhaupt?

Ingeborg Kleinert (SPD):
Rede ID: ID0514630800
Bitte!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0514630900
Sollten Sie ihn dann nicht vielleicht mißverstanden haben?

Ingeborg Kleinert (SPD):
Rede ID: ID0514631000
Das ist möglich. Irren ist menschlich. Ich mache da leider keine Ausnahme.
Ich möchte nun etwas zu dem sagen, was Frau Dr. Kuchtner hier angeschnitten hat. Frau Dr. Kuchtner hat mit Recht gesagt, daß die Frage, wie weit die Reform des Unehelichenrechts zu gehen hat, nicht ganz einfach zu entscheiden ist. Ich glaube, wenn man aufmerksam zugehört hat, konnte man hier in dieser kurzen Debatte schon feststellen, wie weit der Spielraum eigentlich reicht. Während auf der einen Seite gesagt wurde, daß der Beistand für die uneheliche Mutter nicht als ausreichend angesehen werden könne, sondern es möglicherweise bei der bisherigen Vormundschaft bleiben sollte, hat Frau Diemer-Nicolaus hier zum Ausdruck gebracht, daß man doch vielleicht überlegen sollte, ob nicht der Pflegeschaft der Vorzug zu geben sei. Ich muß sagen, daß ich für diesen Vorschlag große Sympathien habe, möchte aber darauf hinweisen, daß ja die Äußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates deutlich gemacht hat, daß das letzte Wort in dieser Frage noch nicht gesprochen ist. Wir werden uns also auch in dieser Hinsicht im Rechtsausschuß noch eingehend unterhalten.
Meine Damen und Herren! Ich glaube den bisherigen Ausführungen entnehmen zu können, daß Einigkeit im Hohen Hause darüber besteht, daß die Reform des Rechts des unehelichen Kindes vom Wohl des Kindes auszugehen hat. Ich glaube, das ist die entscheidende Grundkonzeption, unter der man die Dinge sehen muß.
Ich sagte schon zu Beginn, daß das ganze Problem sehr stark im Tatsächlichen beruht, und ich möchte an dieser Stelle eigentlich vor einem Perfektionismus 'in dieser Beziehung warnen. Was der Gesetzgeber in diesem Falle tun kann, ist nicht mehr und nicht weniger, als Hilfestellung zu geben, damit dem unehelichen Kind, das nun einmal in einer ganz anderen Situation groß werden muß als das eheliche Kind, sein ohnehin nicht gerade sehr beneidenswertes Los erleichtert wird. Ich glaube, wenn wir uns in diesem Punkte einig sind, wird es möglich sein, die verschiedenen Auffassungen, die noch zu dieser oder jener Frage bestehen werden, im Laufe der Zeit auszugleichen. Wir haben jetzt jedenfalls eine Diskussionsgrundlage in der Hand, die annehmbar ist, über die sich reden läßt, und ich meine, wir sollten uns an die Arbeit machen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514631100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.

Dr. Stefan Dittrich (CSU):
Rede ID: ID0514631200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt richtig gefolgt bin, dann glaube ich, daß man zweierlei feststellen kann: daß sämtliche Redner übereinstimmend



Dr. Dittrich
zum ersten erklärt haben, daß die Reform des Unehelichenrechts dringend erforderlich ist, und zum zweiten, daß der Weg, den der Herr Justizminister, den die Regierung eingeschlagen hat, im großen und ganzen der richtige Weg ist. Ich glaube, keiner der Redner wird dem widersprechen, und niemand wird in diesem Hause sein, der einen anderen Weg gehen will. Man unterscheidet sich lediglich in Nuancen, und das scheint mir nicht schlecht zu sein; denn wären wir alle hier einer Auffassung, wäre unsere Auffassung uniform, und das wäre nicht gut.
Gestatten Sie mir, daß ich an die Anfangsausführungen des Kollegen Kaffka anschließe, der den Versuch unternommen hat, einen geschichtlichen Rückblick über die gesellschaftliche Stellung des unehelichen Kindes in unseren Kulturen zu geben. Diese Überlegungen sind natürlich an die Hand gegeben, und es wäre für mich als Juristen ein leichtes, nun eine rechtsgeschichtliche Betrachtung anzustellen. Sie würden, meine Damen und Herren, aus dieser rechtsgeschichtlichen Betrachtung ersehen, wie uralt das Problem ist, das heute mehrfach angesprochen wurde, nämlich das Problem der Reibung zwischen der Stellung der Familie und der Stellung des unehelichen Kindes. Es wäre für mich verlockend, aus dem Code Napoléon zu zitieren, um zu zeigen, wie die Zeit der Revolution damals zur Anerkennung der gesellschaftlichen Stellung des unehelichen Kindes vorpreschte und wie dann wieder in der Ara Napoleons die Familie in den Vordergrund gerückt und das uneheliche Kind beiseite gelassen wurde. Es wäre auch sehr interessant, meine Damen und Herren, nicht nur die Stellung des unehelichen Kindes in der romanischen Rechtsordnung Europas zu betrachten, sondern auch das Kindschaftsrecht in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und den bemerkenswerten Wandel festzustellen, der dort eingetreten ist. Während früher die Familie in diesem Bereich nichts galt, ist das Familienprinzip jetzt wieder in den Vordergrund gerückt, und die Frage des unehelichen Kindes ist nicht eine Frage der Familie, sondern eine Frage des Staates und der Unterhaltspflicht dieses Staates. Wir sehen damit die Divergenzen zwischen den Auffassungen der sozialistischen Staaten in der Sowjetunion und unserer Auffassung im westlichen Bereich.
Meine Damen und Herren, um was geht es? In der Tat, es geht um die gesellschaftliche Stellung des unehelichen Kindes, dem nach meiner Ansicht in der Geschichte viel Unrecht angetan wurde und auch in unserer gegenwärtigen Gesellschaft Unrecht angetan wird. Wir können aber diese gesellschaftliche Stellung, dieses Hineinwachsen, dieses Hineingestelltwerden in unsere Gesellschaft nicht allein durch diese gesetzlichen Normierungen regeln, die wir jetzt anfangen, sondern wir müssen darauf bedacht sein, jeder an seinem Platze, als Politiker draußen in der Öffentlichkeit dafür zu wirken, daß man dem Kinde, das ja gar nichts für diese uneheliche Geburt kann, die Anerkennung als Persönlichkeit zollt, die es verdient.
Hier ist schon etwas gesagt worden, Herr Justizminister, was Sie sich ganz dick unterstreichen sollten. Es ist geradezu ein Unglück, daß immer wieder die Unehelichkeit des Kindes in den Urkunden, in den Registern und ähnlichen Papieren hervorgehoben werden muß. Beispielsweise müssen auch nach der Adoption eines unehelichen Kindes nicht nur die. Adoptionseltern, sondern auch die illegitime Mutter angegeben werden, wenn sich das Kind verehelicht. Das sind Dinge, die in unserer Rechtsordnung nicht vorkommen dürfen. Sie geben mir sicher recht, meine Damen und Herren, wenn Sie die Schlußbetrachtungen in den Schulklassen sehen. Wenn Sie diese Jahresberichte betrachten, werden Sie feststellen, daß auch dort und gerade dort die Illegitimität eines Kindes gekennzeichnet wird. Dadurch entsteht eine Diffamierung dieses Kindes, um so mehr, wenn man weiß, wie grausam Kinder sein können. Das sind alles Punkte, die wir unbedingt ins Auge fassen sollten, um nun zu einer Lösung zu kommen.
Meine Damen .und Herren, ich möchte nicht Gesagtes wiederholen. Ich möchte mich jetzt nicht mit ,den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes auseinandersetzen. Ich muß ,gestehen, daß ich dem Justizministerium die Anerkennung und den ,Dank nicht versagen kann und nicht versagen darf 'für diesen ausgewogenen Entwurf, der meines Erachtens die Stellung des unehelichen Kindes in unserer Gesellschaft richtig einfängt, trotz mancher Kritik in einzelnen Punkten, die hier zutage getreten ist.
Bei all ,dem, was gesagt wurde, darf man nicht vergessen, ,daß der § 1600 o lediglich eine Vermutung ausspricht, indem er sagt:
Es wird vermutet, daß das Kind von dem Manne stammt, welcher der Mutter während der Empfängsniszeit beigewohnt hat.
Ich habe mir von betagten Richtern sagen lassen, daß sie nicht sicher seien, ob sie in all den Unterhaltsrechtsstreiten und all den Vaterschaftsfeststellungsklagen wirklich Recht gesprochen haben, d. h. den richtigen Vater herausgefunden haben. Das muß man berücksichtigen, wenn man sich mit den Bestimmungen dieses Entwurfs beschäftigt und sie einer Kritik unterzieht.
Ich bin gar nicht gegen die Regelung des Beistandes; denn eine Mutter, die vor der Geburt, während der Geburt und nach der Geburt manche Sorgen zu durchstehen hat, braucht einen solchen Beistand, und sie sollte nicht erst einen Antrag stellen müssen, um einen solchen Beistand zu 'bekommen. Ich bin im Gegenteil der Ansicht, das Vormundschaftgericht wird bei .dem Antrag der Mutter sehr vorsichtig sein müssen, den Beistand zu entlassen und ihr allein die Aufgaben aufzuerlegen, die weiß Gott schwierig genug für eine Mutter, die unehelich geboren hat, sind.
Ich möchte mich hier auch nicht weiter über das Verkehrsrecht mit dem Vater äußern. Dort, wo Harmonie besteht, bedarf es keiner gesetzlichen Bestimmungen, und dort, wo Haß und Zwietracht herrschen, helfen auch diese gesetzlichen Bestimmungen über das Verkehrsrecht, die vom Vormundschaftsgericht angewendet werden sollen, bestimmt nichts.
Das sind die Dinge, ,die meines Erachtens hier bedacht werden müssen, Richtig ist die Ausweitung



Dr. Dittrich
der Unterhaltspflicht des Vaters nicht nur in materieller Hinsicht insoweit, als auch sein Stand zu berücksichtigen ist, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse unter die Lupe genommen werden müssen, und richtig ist auch, daß man diese Unterhaltspflicht über das 18. Lebensjahr hinaus ausdehnt, solange eben das Kind in einem Ausbildungsverhältnis steht.
Meine Damen und Herren, auch ich habe Bedenken — das sage ich ganz offen — hinsichtlich der reziproken Unterhaltspflicht, daß also auch das Kind gegebenenfalls verpflichtet ist, einem bedürftigen Vater ,den Unterhalt zu geben. Aber das ist die Konsequenz aus der Stellung dieses Entwurfs zum Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Vater und dem Kind; dieses Verhältnis hat eben diese Konsequenz. Eine weitere Konsequenz ist der Erbersatzanspruch des Kindes, der nach meiner Ansicht das größte Problem in diesem Entwurf darstellt, weil dieser Erbersatzanspruch oder dieser Erbanspruch im weiteren Sinne gegenseitig bestehen soll: auch der Vater kann das Kind beerben; so steht es in § 1934 a Abs. 2.
Herr Justizminister, die Bedenken sind angesprochen worden. Man wird sich noch einiges überlegen müssen. Ich möchte hier auf verschiedene Rechtsordnungen unserer Nachbarstaaten hinweisen. Man wird gut daran tun, eine Rechtsvergleichung innerhalb unserer europäischen Staaten vorzunehmen, weil man daraus nur lernen kann.
Ich möchte noch anregen, sich bei den Beratungen im Rechtsausschuß auch Sachverständiger zu bedienen, die ich ebenso im sozialen Raum sehen möchte, wie ich sie als erfahrene Richter um ihren Rat angegangen wissen möchte. Es bleibt zu überprüfen, ob bei diesem Erbersatzanspruch nicht ein gewisses Höchstalter Berücksichtigung finden kann. Es bleibt die Höhe dieses Erbersatzanspruches zu überprüfen, die manchem nach der gegenwärtigen Form Schwierigkeiten bereiten kann, wie wir gehört haben. Im großen und ganzen darf man aber feststellen, daß dieser Entwurf zu begrüßen ist, weil er modern ist, weil die Zeit für solche Bestimmungen, wie sie in diesem Entwurf enthalten sind, reif ist und weil dieser Entwurf, wie ich meine, dem wohlverstandenen Interesse des Kindes zu dienen in der Lage ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514631300
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache. Ihnen liegt der Überweisungsvorschlag des Ältestenrats vor. Danach soll der Entwurf an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich bitte noch um einige Minuten Geduld, dann haben wir auch die übrigen Tagesordnungspunkte erledigt.
Punkt 4 wird am Freitag aufgerufen. Ich rufe Punkt 5 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ablieferung von Pflichtstücken an die Deutsche Bibliothek (Pflichtstückgesetz)

— Drucksache V/2400 —
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik — federführend — sowie an den Innenausschuß zur Mitberatung vorgeschlagen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung von Kosten beim Bundessortenamt
— Drucksache V/2417 —
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung vorgeschlagen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
,dem Vertrag vom 7. März 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Schutz von Herkunftsangaben und anderen geographischen Bezeichnungen
— Drucksache V/2421 —
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — sowie an den Rechtsausschuß zur Mitberatung vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 ,der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Personalausweisgesetzes (PAuswG)

— Drucksache V/2438 —
Dieser Gesetzentwurfsoll nach dem Vorschlag des Ältestenrats nur an den Innenausschuß überwiesen werden. — Das Haus stimmt zu.
Punkt 9:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
— Drucksache V/2378 —
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf an den Innenausschuß — federführend —, an den Verteidigungsausschuß — mitberatend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden.



Vizepräsident Dr. Mommer
Ich rufe die Punkte 10 und 11 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses (6. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Dienstbezüge der Beamten und der sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaf ten
Verordnung des Rats zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten
Verordnung des Rats zur Festlegung der Höhe der in Anhang VII, Artikel 4 a) des Statuts der Beamten vorgesehenen vorübergehenden Pauschalzulage
— Drucksachen V/2198, V/2451 —
Berichterstatter: Abgeordneter SchmittVockenhausen
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine
Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung Nr. 13/64 /EWG bezüglich der Erstattungen für Milcherzeugnisse, die in nach
dritten Ländern ausgeführten Milchalbumin enthalten sind
— Drucksachen V/2271, V/2452 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
Auch hier wird das Wort nicht gewünscht. Das Haus ist damit einverstanden, daß wir über diese beiden Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Ausschußanträgen zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung ides Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks in Berlin- Moabit, Kruppstr. 2 bis 4, an das Land Berlin
— Drucksache V/2462 —
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag an den Ausschuß für das Bundesvermögen zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 18. Januar, 14 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.