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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 146. Sitzung Bonn, den 17. Januar 1968 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Gibbert . . . . . 7493 A Die Abg. Baltes und Frau Kleinert treten in den Bundestag ein . . . . . . . 7493 D Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung an die zuständigen Ausschüsse 7493 D Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 7494 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Dr. Kuchtner, Dr. Sinn, Brese, Rock, Meister und Müller (Ravensburg) 7521 D Fragestunde (Drucksachen V/2464, zu V/2464) Frage ,des Abg. Dr. Müller-Emmert: Unterrichtung der Öffentlichkeit über Probleme der Strafrechtsreform . . . 7497 A Frage des Abg. Kubitza: Teilnahme von Berufsschülern an den Bundesjugendspielen Dr. Barth, Staatssekretär 7497 B Kubitza (FDP) . . . . . . . . 7497 C Fragen ,des Abg. Logemann: Verteilung und Verwendung der 560 Mio DM zum Ausgleich der Auswirkungen der Getreidepreissenkung Höcherl, Bundesminister . . . . 7497 D Logemann (FDP) 7498 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 7499 C Ertl (FDP) 7499 D Frage des Abg. Wächter: Sondervereinbarung mit der Sowjetzone über Einfuhr von Bullen in die Bundesrepublik Höcherl, Bundesminister 7500 B Wächter (FDP) . . . . . . . 7500 C Reichmann (FDP) 7501 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 7501 A Fragen des Abg. Wächter: Vorteile für die deutsche und die gesamte europäische Landwirtschaft bei Eintritt Englands, Dänemarks, Norwegens und Irlands in die EWG Höcherl, Bundesminister 7501 C Wächter (FDP) 7501 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 Reichmann (FDP) . . . . . . . 7502 C Logemann (FDP) . . . . . . . 7502 C Ertl (FDP) 7502 D Peters (Poppenbüll) (FDP) . . 7503 A Dr. Reinhard (CDU/CSU) 7503 B Fragen des Abg. Gottesleben: Auftreten der Toxoplasmose bei schwangeren Frauen — Wirksame Behandlung der Krankheit Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . . . . . . . 7503 C Gottesleben (CDU/CSU) 7503 C Frage des Abg. Gottesleben: Schutz der Menschen vor Ansteckung durch erkrankte Tiere Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär 7504 B Frage ides Abg. Josten: Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung des Rheins Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär 7504 B Josten (CDU/CSU) 7504 C Frage des Abg. Josten: Anlage von Freibädern für die Rheinorte nach Entschmutzung des Rheines Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär 7505 A Frage des Abg. Josten: Inanspruchnahme des Entölungsdienstes durch ausländische Schiffe auf dem Rhein Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär 7505 A Josten (CDU/CSU) 7505 B Frage des Abg. Dorn: Blutalkoholuntersuchungen bei Kraftfahrern Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . . . . . . . 7505 D Moersch (FDP) 7506 B Frage des Abg. Haehser: Auslaufen von Treibstoff aus Anlagen des amerikanischen Benzinlagers in Wellen, Kr. Saarburg 7506 C Fragen des Abg. Biechele: Kinderlähmung . , 7506 D Fragen des Abg. Geldner: Anzeigenserie „Der Kumpel zahlt die Zeche nicht!" Diehl, Staatssekretär 7506 D Geldner (FDP) . . . . . . . 7507 A Frage des Abg. Ollesch: Kritik des Stellvertretenden Bundespressechefs Ahlers an Gewerkschaften Diehl, Staatssekretär 7507 D Frage des Abg. Dorn: Bildung eines SPD-Schattenkabinetts Diehl, Staatssekretär 7507 D Moersch (FDP) . . . . . . . 7508 A Frage des Abg. Moersch: Ankauf von 10 000 Exemplaren der Jugenderinnerungen von Bundeskanzler Dr. Kiesinger aus den Mitteln des Titels 300 Diehl, Staatssekretär 7508 A Moersch (FDP) . . . . . . . 7508 B Fragen des Abg. Lenders: Aufklärungsschrift des Bundespresse-und Informationsamtes über das Finanzänderungsgesetz 1967 7508 C Frage des Abg. Felder: Nichtveröffentlichung der „Analyse über das Wahlverhalten der Bundeswehr" Diehl, Staatssekretär 7508 D Felder (SPD) 7509 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 7509 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 7509 C Zur Geschäftsordnung: Mertes (FDP) 7509 D Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 7509 D Aktuelle Stunde Auswirkungen der Getreidepreissenkung Logemann (FDP) 7509 D, 7515 D Ertl (FDP) 7510 C, 7521 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 7511 A Höcherl, Bundesminister 7511 C, 7516 D Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . . 7512 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . . 7513 A, 7520 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Januar 1968 III Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 7514 A Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . . 7514 C Struve (CDU/CSU) :. . . . . . . 7515 A Bauknecht (CDU/CSU) . . . . . . 7517 C Sander (FDP) . . . . . . . . . 7517D Dr. Siemer (CDU/CSU) . . . . . 7518 D D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 7519 C, D, 7520 D Dr. Dahlgrün (FDP) . . . . . . . 7519 D Große Anfrage betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland (Abg. Kühn [Hildesheim], Stingl, Frau Schroeder [Detmold], Dr. Jungmann, Adorno und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksachen V/1198, V/2441) D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 7522 B Kühn (Hildesheim) ((CDU/CSU) . . 7522 B, 7556 C Dr. Heck, Bundesminister . . 7524 B, 7554 D Hauck (SPD) : 7528 A Baier (CDU/CSU) 7530 C Kubitza (FDP) . . . . . . . . 7532 A Frau Stommel (CDU/CSU) . . . 7534 D Dr. Meinecke (SPD) 7536 C Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . 7538 B Jung (FDP) . . . . . . . . 7540 D Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 7542 C Frau Schanzenbach (SDP) . . . . 7544 B Dr. Mommer, Vizepräsident . . 7544 C Burger (CDU/CSU) 7547 B Spitzmüller (FDP) . . . . .. . 7548 A, 7557 A Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . . 7549 C Glombig (SPD) . . . . . . . . 7550 C Dr. Jungmann (CDU/CSU) . . . . 7552 B Frau Meermann (SPD) . . . . . 7553 D Dr. Bayerl (SPD) 7555 D Stingl (CDU/CSU) 7557 B Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder (Drucksache V/2370) — Erste Beratung — Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 7557 C Frau Dr. Kuchtner (CDU/CSU) . . 7561 C Kaffka (SPD) 7563 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 7566 D Köppler (CDU/CSU) 7570 D Frau Kleinert (SPD) 7572 D Dr. Dittrich (CDU/CSU) 7573 D Entwurf eines Gesetzes über die Ablieferung von Pflichtstücken an die Deutsche Bibliothek (Pflichtstückgesetz) (Drucksache V/2400) — Erste Beratung — . . 7575 C Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Kosten beim Bundessortenamt (Drucksache V/2417) — Erste Beratung — 7575 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. März 1967 mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Schutz von Herkunftsangaben und anderen geographischen Bezeichnungen (Drucksache V/2421) — Erste Beratung — . . . . 7575 C Entwurf eines Personalausweisgesetzes (Drucksache V/2438) — Erste Beratung — 7575 D Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache V/2378) — Erste Beratung — 7575 D Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Dienstbezüge der Beamten und der sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften Verordnung des Rats zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst-und Versorgungsbezüge der Beamten Verordnung des Rats zur Festlegung der Höhe der in Anhang VII, Artikel 4 a) des Statuts der Beamten vorgesehenen vorübergehenden Pauschalzulage (Drucksachen V/2198, V/2451) 7576 A Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung Nr. 13/64/EWG bezüglich der Erstattungen für Milcherzeugnisse, die in nach dritten Ländern ausgeführten Milchalbumin enthalten sind (Drucksachen V/2271, V/2452) 7576 A Beratung 'des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks in BerlinMoabit, Kruppstraße 2 bis 4, an das Land Berlin (Drucksache V/2462) . . . . . 7576 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 7576 C Anlagen 7577 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 7493 146. Sitzung Bonn, den 17. Januar 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn a. Rh., 15. Dezember 1967 An den Herrn Bundeskanzler 5300 Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mit mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 318. Sitzung am 15. Dezember 1967 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestage am 8. Dezember 1967 verabschiedeten Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil - Finanzänderungsgesetz 1967 - gemäß Artikel 84 Abs. 1 und 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat die aus der Anlage ersichtliche Entschließung angenommen. 1 Anlage Dr. Lemke Vizepräsident Bonn, den 15. Dezember 1967 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages 5300 Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 8. Dezember 1967 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Lemke Vizepräsident Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 15. Dezember 1967 an den Bundeskanzler Entschließung des Bundesrates zum Finanzänderungsgesetzes 1967 1. Der Bundesrat bedauert, daß dieses wichtige Finanzänderungsgesetz 1967 so rasch verabschiedet worden ist, daß weder im Bundestag geschweige denn im Bundesrat die vom Bundesrat immer wieder gewünschte klare Gesetzesaussage zu erreichen war. Der Bundesrat bedauert insbesondere, daß entgegen seiner wiederholten Forderung, die Fristen der Beratung zu verlängern, in diesem Falle nur eine Woche Frist zur Behandlung dieses außerordentlich wichtigen Gesetzes zur Verfügung gestanden hat, so daß die Ausschüsse des Bundesrates sogar beraten mußten, ohne den endgültigen Text des Gesetzesbeschlusses vorliegen zu haben. Die Folge ist, daß das Gesetz eine Reihe von erheblichen Mängeln aufweist, die nicht nur * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 20. 1. Dr. Althammer 22. 1. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 18. 1. Bading * 19.1. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 17. 1. Dr. Barzel 19. 1. Bauer (Würzburg) ** 18. 1. Prinz von Bayern 19. 1. Böhm 20. 1. Dröscher * 17. 1. Dr. Effertz 17. 1. Frau Dr. Elsner 15. 2. Dr. Erhard 17. 1. Dr. Frey 20. 1. Dr. Häfele 20. 1. Hellenbrock 20. 1. Dr. Kempfler 20. 1. Killat 2. 2. Koenen (Lippstadt) 20. 1. Kriedemann * 19. 1. Kunze 20. 1. Lenz (Brühl) 29. 2. Mauk * 17. 1. Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller 16. 2. Dr. Mülhan 19. 1. Müller (Aachen-Land) * 19. 1. Petersen 20. 1. Sänger 20. 1. Scheel 17.1. Schmidt (Hamburg) 20. 1. Dr. Schmidt (Wuppertal) 20. 1. Dr. Starke (Franken) 17. 1. Stein (Honrath) 17. 1. Dr. Wahl ** 18. 1. Zoglmann 17. 1. b) Urlaubsanträge Arendt (Wattenscheid) 17. 2. Dr. Becher (Pullach) 31. 1. Blachstein 26. 1. Eckerland 16. 2. Hamacher 3. 2. Hölzle 27. 1. Langebeck 31. 1. Matthöfer 26. 1. Schmidt (Würgendorf) 3. 2. 7578 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 seine Durchführbarkeit in der Praxis wesentlich erschweren, sondern die auch zu Unzuträglichkeiten für den Staatsbürger führen. Da in der einen Woche, die praktisch nur noch zur Verfügung steht, eine Behebung dieser Mängel nicht mehr möglich ist, und da insbesondere der Bundestag hat erkennen lassen, daß er nicht bereit ist, an der Behebung dieser Mängel weiter mitzuwirken, bleibt dem Bundesrat nichts anderes übrig, als aus gesamtpolitischer Verantwortung für die Bundesrepublik Deutschland von der Anrufung des Vermittlungsausschusses abzusehen. Der Bundesrat läßt sich bei dieser Entscheidung davon leiten, daß die Bundesregierung den Finanzbedarf der Länder anerkennt und ihre Zusage erfüllt, die Ergänzungszuweisungen an die finanzschwachen Länder zu erhöhen. Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang an seine Forderung auf Anhebung dieser Zuweisungen um weitere 260 Millionen DM auf 520 Millionen DM. Der Bundesrat weist darauf hin, daß eine Folge der unveränderten Verabschiedung dieses Gesetzes darin liegt, daß die von ihm gewünschte weitere Verbesserung der Finanzmasse der Länder nicht eintritt. Infolgedessen werden die Länder voraussichtlich erhebliche Schwierigkeiten haben und zum Teil nicht mehr in der Lage sein, weiteren Wünschen der Bundesregierung nach zusätzlichen Investitionen unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten zu entsprechen. Einzelne Länder werden nicht einmal in der Lage sein, die vorgesehenen Investitionen durchzuführen. 2. Besonders erschwert war die Beratung der Bestimmungen sozialpolitischen und familienpolitischen Inhalts. In die Bereiche der Sozialpolitik und der Familienpolitik wurde unter dem Gesichtspunkt der Kosten und der Entlastung des Bundeshaushalts eingegriffen. Es wurde nicht ausreichend berücksichtigt, daß sich vielfach diese Art der Entlastung des Bundeshaushalts nur als Liquiditätseinengung von Sozialversicherungsträgern und als Mehrbelastung von Trägern der Sozialhilfe auswirkt. Daher müssen diese gesetzlichen Regelungen zur Vermeidung gefährlicher Folgen in sozialpolitischer und familienpolitischer Hinsicht baldmöglichst überprüft werden. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Leistungsverlagerungen und Leistungsbegrenzungen des Gesetzes erfolgt deshalb ausdrücklich, um die derzeitige schwierige finanzielle Lage fristgerecht zu überbrücken; sie bedeutet nicht eine grundsätzliche Zustimmung zu diesen die Sozialpolitik und Familienpolitik betreffenden Maßnahmen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, — sicherzustellen, daß Sozialleistungen im Zusammenhang deutlicher erkennbar werden, so daß künftig Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik sachgerecht aufeinander abgestimmt werden können, — die langfristige Absicherung der Bundeszuschüsse zu den gesetzlichen Rentenversicherungen einzuplanen, — unverzüglich die Liquidität aller Sozialversicherungsträger sicherzustellen, — die Leistungen zur wirtschaftlichen Festigung der Familie zu harmonisieren und — die durch die Sanierungsgesetzgebung entstandenen Verlagerungen der Belastungen zu überprüfen. Anlage 3 Umdruck 349 Antrag der Fraktion 'der SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroeder (Detmold), Dr. Jungmann, Adorno und der Fraktion der CDU/CSU betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache V/1198 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag einen Gesetzentwurf über Gewährung von Unfallversicherungsschutz für Schulkinder vorzulegen, durch den diese während des Unterrichts und auf dem Wege zur und von der Schule kraft Gesetzes versichert werden. Bonn, den 17. Januar 1968 Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 351 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroeder (Detmold), Dr. Jungmann, Adorno und der Fraktion der CDU/CSU betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache V/1198 —. Der Bundestag wolle beschließen: , 1. Der Bundestag hat von der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage Kenntnis genommen. 2. Die Bundesregierung wird ersucht, im Interesse einer Koordinierung und Stärkung der die Entwicklung der Kinder fördernden Maßnahmen den Bundesminister für Familie und Jugend mit der Federführung sowohl innerhalb der Bundesressorts wie gegenüber den Länderregierungen zu beauftragen. 3. Die Bundesregierung wird weiter ersucht, in den Grenzen ihrer verfassungsrechtlichen Möglichkeiten auf die angemessene Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Kinder durch Länder und Gemeinden hinzuwirken und geeignete Maßnahmen, soweit erforderlich, anzuregen. Bonn, den 17. Januar 1968 Rasner und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 7579 Anlage 5 Umdruck 352 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroeder (Detmold), Dr. Jungmann, Adorno und der Fraktion der CDU/CSU betr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache V/1198 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Förderungsmaßnahmen für behinderte Kinder in Tagesstätten und bei Sonderbehandlungen in einer besseren und stärkeren Weise als bisher durchgeführt werden können. Bonn, den 17. Januar 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 15. Dezember 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Krammig (Drucksache V/2333 Fragen 42, 43 und 44) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die sehr erheblichen Lagerbestände in den deutschen Obstverschlußbrennereien (besonders Weinbrennereien) steuerlich höher belastet werden als gleichartige ausländische Erzeugnisse, die sich am 1. Januar 1968 im Inland in Zollaufschublagern befinden, weil die inländischen Bestände mit dem derzeitigen Höchstsatz der Branntweinaufschlagspitze (= dem Monopolausgleich) von 93 DM je Hektoliter reinem Alkohol belastet bleiben, während für die ausländischen Spirituosen in Zollaufschublagern nach den zollrechtlichen Bestimmungen der neue Satz des Monopolausgleichs in Anspruch genommen werden kann, der durch Einführung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 1968 auf 77 DM je Hektoliter reinem Alkohol sinkt? Erkennt die Bundesregierung einen Erstattungsanspruch in Höhe der Differenz zwischen der Belastung der Lagerbestände inländischer und ausländischer Spirituosen an? Wird die Bundesregierung rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen veranlassen, um die in Frage 42 erwähnte unterschiedliche Belastung auszugleichen? Es ist der Bundesregierung bekannt, daß die durch die Einführung der Mehrwertsteuer bedingte Senkung der Monopolausgleichspitze von 93,— DM auf 77,— DM, also um 16,— DM je hl Weingeist auf Grund des § 154 Abs. 1 des Branntweinmonopolgesetzes in Verbindung mit § 46 Abs. 9 des Zollgesetzes auch für die eingeführten Spirituosen in Anspruch genommen werden kann, die sich am 1. Januar 1968 in einem Zollaufschublager befinden. Es ist auch bekannt, daß für den inländischen Obstbranntwein, insbesondere Branntwein aus Wein, der sich in Branntweineigenlagern befindet, eine entsprechende Ermäßigung der Branntweinaufschlagspitze mangels einer Rechtsgrundlage nicht möglich ist. Es trifft jedoch nicht zu, wie man aus der Anfrage entnehmen könnte, daß für allen Obstbranntwein, der sich in Branntweineigenlagern befindet, 93,—DM Aufschlagspitze gezahlt oder aufgeschoben worden sind; denn aus der Staffelung der Branntweinaufschlagsätze (§ 79 Branntweinmonopolgesetz) ergibt sich, daß a) die Aufschlagspitze für die Erzeugung der Obstbrennereien innerhalb des Brennrechts stets niedriger ist als 77,— DM, b) im laufenden Betriebsjahr der durchschnittliche Betrag an Aufschlagspitze in Höhe von 93,— DM z. B. in Brennereien mit einem Brennrecht von 60 hl W erst bei einer Erzeugung von 930 hl W 100 hl W erst bei einer Erzeugung von 1350 hl W 300 hl W erst bei einer Erzeugung von 3000 hl W erreicht wird. Ein dem § 46 Abs. 9 des Zollgesetzes entsprechendes Wahlrecht bei Änderung der Belastung der Ware gibt es im Branntweinmonopolrecht nicht. Mit dem Verband der Weinbrennereien sind die Möglichkeiten einer Billigkeitsmaßnahme erwogen worden, um die unterschiedliche Belastung von eingeführten und inländischen Spirituosen im Lagerverkehr auszugleichen. Die Prüfung hat ergeben: a) Eine Beschränkung auf Obstbranntwein ist nicht möglich; es müßten auch die anderen Branntweine, z. B. Korn, Monopolsprit, einbezogen werden. Die Belastung (und damit der zu erstattende Betrag) für die einzelnen Branntweinsorten und innerhalb dieser Sorten ist sehr unterschiedlich. b) Aus der amtlichen Lagerbuchführung ergibt sich nur die Weingeistmenge, nicht aber die Provenienz und die unterschiedliche Höhe der Aufschlagspitzenbeträge. Selbst wenn der Lagerbesitzer die erforderlichen Angaben machen könnte, wäre für den Steueraufsichtsdienst eine Prüfung nahezu unmöglich, da sie die am 1. Januar 1968 vorhandenen Bestände in ihrer Sortenaufgliederung und mit den darauf entfallenden Spitzenbeträgen innerhalb kürzester Zeit nach dem 31. Dezember 1967 erfassen müßte. Die Schwierigkeiten sind vollends unüberwindlich, wenn es sich um Branntwein handelt, der von einem anderen bezogen worden ist, da dann der Lagerbesitzer die Spitzenbeträge nicht kennen kann. c) Schließlich ist nicht zu übersehen, daß die Bestände außerhalb der Branntweineigenlager, also die Bestände des freien Verkehrs, ebenfalls höher belastet sein können als die eingeführten Spirituosen in Zollaufschublagern. Es wäre nur folgerichtig, daß auch sie in eine Erstattungsregelung einbezogen werden. Hier aber läßt sich die effektive Höhe der Spitzenbeträge überhaupt nicht mehr feststellen. Aus diesen Gründen müssen Billigkeitsmaßnahmen ausscheiden. Auf die gleichen praktischen Schwierigkeiten würde auch die Durchführung eines gesetzlich fundierten Erstattungsanspruchs stoßen, wenn eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen würde. Nach Auffassung der Bundesregierung kann der unterschiedlichen Behandlung des eingeführten 7580 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 Branntweins, der sich im Zollaufschublager befindet, und des sonstigen Branntweins für die Zukunft nur dadurch begegnet werden, daß die Anwendbarkeit des § 46 Abs. 9 des Zollgesetzes auf den Monopolausgleich durch eine Änderung des § 154 des Branntweinmonopolgesetzes ausgeschlossen wird, sofern das Wahlrecht des § 46 Abs. 9 des Zollgesetzes im Zuge der EWG- Zollrechtsharmonisierung bestehenbleiben sollte. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Freiherr von und zu Guttenberg vom 15. Dezember 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Picard (Drucksache V/2371 Fragen 15, 16 und 17) : Wie ist die Auffassung der Bundesregierung zu dem Ergebnis einer Meinungsumfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach zu Fragen der Deutschland- und Ostpolitik vom 5. Dezember 1967? Ist die Bundesregierung bereit, den durch die Eigenart der Fragestellung entstandenen Eindruck über die Auffassung der Bevölkerung insbesondere zur Frage der Anerkennung der OderNeiße- Grenze und der Aufnahme direkter Gespräche zwischen der Bundesregierung Deutschland und der Regierung im anderen Teil Deutschlands auf geeignete Weise zu korrigieren? Hält die Bundesregierung Umfragen wie die in Frage 15 genannten für repräsentativ und förderlich für ihre Bemühungen in der Deutschland- und Ostpolitik? Grundsätzlich ist festzustellen, daß die Bundesregierung die Ergebnisse der öffentlichen Meinungsforschung als eine der ihr zur Verfügung stehenden Informationsquellen zwar mit Sorgfalt verfolgt, jedoch ihre politischen Entscheidungen auf Grund ihrer eigenen Überlegungen und Vorstellungen trifft. Sie hält es daher weder für politisch angezeigt noch für sachlich begründet, die Ergebnisse von Meinungsumfragen öffentlich zu bewerten, zumal sie sich laufend einer Fülle von Resultaten gegenübergestellt sieht, die sich nicht selten widersprechen oder zu widersprechen scheinen. Aus den gleichen Erwägungen hat die Bundesregierung daher auch stets davon Abstand genommen, die Ergebnisse der von ihr in Auftrag gegebenen Befragungen zu veröffentlichen. Hierbei spielt auch die Überlegung eine Rolle, daß die bloße Bekanntgabe von Testergebnissen sehr leicht zu Fehlinterpretationen im In- und Ausland führen kann. Zu den vom Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrage des Südwestfunks in der Zeit vom 15. bis 21. November 1967 ermittelten Resultaten ist generell festzustellen, daß sich diese Untersuchung auf einen Bevölkerungsquerschnitt von nur 305 Personen stützt. Die Zahl der Befragten war somit ungewöhnlich gering. Es ist nicht zu bestreiten, daß Erhebungen auf einer so engen Basis zu Resultaten führen können, die mit einer beträchtlichen Fehlerspanne belastet sind. Zum Resultat der Allensbacher Umfrage zur OderNeiße- Linie muß noch auf die für die Beantwortung entscheidende Bedingung hingewiesen werden, die in der Fragestellung enthalten war. Die gestellte Frage lautete: „Wenn wir durch die Anerkennung der OderNeiße- Linie als endgültige deutsche Ostgrenze ein besseres Verhältnis zum Osten erreichen könnten — wären Sie dann für oder gegen die Anerkennung der Oder- Neiße- Grenze?" Das bedeutet, daß diejenigen, die nach den Ergebnissen dieser Umfrage im zustimmenden Sinne reagiert haben, damit zum Ausdruck gebracht haben, daß sie unter der Voraussetzung der Erlangung eines besseren Verhältnisses zum Osten mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige deutsch-polnische Grenze einverstanden wären. Dabei bleibt offen, was unter der Formulierung „besseres Verhältnis zum Osten" von dem einzelnen Befragten konkret verstanden wurde. Dieser Hinweis erscheint notwendig, wenn man sich der Ergebnisse erinnert, die das Institut für angewandte Sozialwissenschaft Bad Godesberg mit nachstehender Fragestellung im September d. J. ermittelt hat. Die Frage hatte folgenden Wortlaut:" „Die Polen wollen nicht eher diplomatische Beziehungen zu uns aufnehmen, his wir die OderNeiße- Grenze anerkennen. Soll man diese Bedingungen erfüllen oder lieber auf diplomatische Beziehungen verzichten?" Die Ergebnisse lauteten: anerkennen 19 % lieber verzichten 52 % ohne Angaben 29 %. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, daß das Institut für Demoskopie im Oktober d. J. im Rahmen einer Untersuchung, die sich auf 2200 Befragte stützte, auf die einfache Frage: „Meinen Sie, wir sollten uns mit der jetzigen deutsch-polnischen Grenze — der Oder-NeißeLinie — abfinden oder nicht abfinden?" folgende Feststellungen traf: nicht abfinden 43 % abfinden 35 % unentschieden 14 %. Im übrigen wird das Institut für Demoskopie Allensbach diese Frage auf gleicher Basis, sowie die mit einer Bedingung versehene Fragestellung -- nunmehr aber auf Grund eines repräsentativen Querschnitts von 2200 Personen — wiederholen. Damit wird gewährleistet, daß die Bundesregierung laufend und in zweckmäßiger Weise über die in dieser Frage sich in der öffentlichen Meinung abzeichnenden Entwicklungstendenzen unterrichtet bleibt. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. von Manger-Koenig vom 17. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Biechele (Drucksache zu V/2464 Fragen 156 und 157) : Treffen Informationen zu, daß im Jahre 1967 erheblich mehr Fälle von Kinderlähmung aufgetreten sind als im Jahre 1966? Deutscher Bundestag -- 5. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1968 7581 Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um einen weiteren Anstieg der Kinderlähmung zu verhindern? Die Informationen treffen zu. Im Jahre 1966 wurden 17 Erkrankungen an übertragbarer Kinderlähmung registriert. 1967 waren es dagegen nach den vorläufigen Feststellungen des Statistischen Bundesamtes 60. Der Schwerpunkt lag dabei in Hamburg und im norddeutschen Raum. Alle Erkrankten waren nicht oder nicht ausreichend geimpft. Bei einem großen Teil von ihnen traten schwere Lähmungserscheinungen auf. Die Untersuchungen über die Immunitätslage gegen Kinderlähmung ergaben, daß die Immunität besonders bei Kindern lückenhaft und unzureichend ist; da außerdem der Erreger der Kinderlähmung virologisch in verstärktem Maße nachgewiesen werden konnte, habe ich bereits im Mai vergangenen Jahres die Öffentlichkeit auf die Gefahr eines Wiederanstieges der Erkrankungsziffern hingewiesen. Diese Befürchtungen haben sich leider im Laufe des Jahres bestätigt. Im November haben wir deshalb nochmals nachdrücklich auf die in diesem Winter in allen Bundesländern angebotenen kostenlosen Schluckimpfungen hingewiesen und ich möchte auch jetzt von dieser Stelle aus noch einmal dringlich an die Bevölkerung appellieren, die ihr in diesen Wochen gebotene Chance, sich zu schützen, auch rechtzeitig wahrzunehmen. Die Impfung ist das einzige sichere Mittel, der Wiederkehr der spinalen Kinderlähmung zu begegnen. Jede Gleichgültigkeit der Eltern bedeutet eine Gefährdung der Kinder.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rolf Meinecke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen unid Herren! Dies ist heute die erste Plenardebatte ,des Deutschen Bundestages im neuen Jahr, und sie beschäftigt sich mit der Situation der Kinder. Da laut Beschluß der Generalversammlung der Vereinten Nationen dieses Jahr zum Internationalen Jahr ,der Menschenrechte erklärt worden ist, möchte ich einleitend die große Weisheit derjenigen hervorheben und loben, ,die uns diese „Terminsymbolik" ermöglicht haben. So hat die verspätete Beantwortung der Großen Anfrage doch noch etwas Positives gebracht, .das zwar auf 'der einen Seite eine große Verpflichtung bedeutet, uns aber andererseits ermöglicht, vor der Welt darauf hinzuweisen, daß wir dieses Jahr der Menschenrechte mit einer Debatte über die Situation der Kinder begonnen haben.
    In der Europäischen Sozialcharta, die im Zusammenhang 'damit zu sehen ist, heißt es:
    Kinder und Jugendliche haben das Recht auf besonderen Schutz gegen körperliche und sittliche Gefahren, denen sie ausgesetzt sind.
    Oder:
    Jeder Behinderte hat das Recht auf berufliche Ausbildung sowie auf berufliche und soziale Eingliederung oder Wiedereingliederung ohne Rücksicht auf Ursprung und Art seiner Behinderung.
    Weiter:
    Mütter und Kinder haben, unabhängig vom Bestehen einer Ehe und von familienrechtlichen Beziehungen, das Recht auf angemessenen sozialen und wirtschaftlichen Schutz.
    Damit bin ich unversehens schon beim nächsten Punkt ,der Tagesordnung, unid ich möchte mich schnell wieder ein wenig zurückziehen. Diesen Tatbeständen und Maximalforderungen gesellschaftspolitischer Art steht ein bitterböser Satz in der Antwort der Bundesregierung gegenüber, nämlich der Satz, daß Vorbehalte der Gesellschaft gegenüber den Fragen der Behinderten, insbesondere der geistig Behinderten, noch abgebaut werden müssen. Wir sollten uns deshalb heute doch noch einmal fragen: Wie sieht denn nun 'diese „kinderpolitische Landschaft" eigentlich aus?
    Nehme ich ,die Antwort der Bundesregierung, so kann ich nicht umhin, zugeben zu müssen: sie sieht erträglich aus, wenngleich durchaus offenbart wird, daß noch vieles zu tun ist und noch sehr viel in Angriff genommen werden muß, und wenngleich klarwird, daß die nächsten Jahre für uns große Auf-



    Dr. Meinecke
    gaben bringen. Erträglich? Ich weiß es nicht ganz, und ,dieses Nichtwissen ist bei mir das Beunruhigende.
    Es gibt noch eine andere „kinderpolitische Landschaft", und wenn ich die Darstellungen in Funk und Fernsehen sowie die Schilderungen in den Zeitungen und Illustrierten nehme, so bin ich nicht imstande, von vornherein zu behaupten, dieses Bild sei überzeichnet.
    Und es gibt noch eine dritte Darstellung dieser ,;Landschaft", nämlich die Veröffentlichungen rein sachlicher, wissenschaftlicher Art, die sich mit den Säuglingsheimen, mit den Anstalten, mit der Zahl der Sonderschulen und der Plätze in diesen Sonderschulen auf der einen Seite und mit der großen Zahl der sonderschulbedürftigen Kinder auf der anderen Seite beschätigen. Ich muß sagen: dieses Bild stellt sich mir bei rein sachlichem Studium der Unterlagen schwärzer und unerträglicher dar, als es heute hier zum Ausdruck gekommen ist. Deshalb bin ich nicht in der Lage, meinen politischen Auftrag heute so zu erfüllen, wie es mir vorschwebte, nämlich einige gesundheitspolitisch bedeutsame Dinge herauszugreifen und sie ein wenig zu beleuchten. Denn ich würde mir vorkommen wie ein Kuchenbäcker, der aus einer breit ausgewalzten Masse von Teig mit Formen seine Sternchen und Plätzchen herausgestanzt und herausgebohrt hat und nun diese einzelnen Sternchen und Plätzchen kritisch oder auch wohlwollend betrachtet; es fehlt mir aber der verbindende Teig. Mit dem verbindenden Teig meine ich die sozialmedizinische und sozialhygienische Analyse: wie steht unsere Gesellschaft heute zur Welt des Kindes, wie versteht sich unsere Welt der Erwachsenen, und wie läßt sich das mit den Ansprüchen unserer Kinder heute auf einen Nenner bringen?
    Dazu nur einige Beispiele. Wenn hier von den Kindergärten die Rede ist, dann interessiert mich nur eine einzige Zahl: Wie groß ist die Zahl der Kindergärten, die nach der mittelfristigen Finanzplanung der Länder in den nächsten fünf Jahren erstellt werden sollen? Nichts weiter interessiert mich. Über diese Frage werden wir hier bald einmal reden müssen. Ich habe das bitterböse Gefühl, daß alle diese Sektoren in der mittelfristigen Finanzplanung zu kurz kommen.
    Dann sprechen wir hier von Haltungsschäden. Ich habe die Zahlen zur Kenntnis genommen, die auf Grund von Statistiken mitgeteilt worden sind, die bei schulärztlichen Untersuchungen in Berlin erstellt worden sind. Herr Minister, Sie haben zugegeben, daß diese Statistik nicht repräsentativ sei. Sie meinten, es zeichne sich der Eindruck ab, die Zahlen hätten nicht zugenommen. Ich kenne auch andere Statistiken. Ich kenne Statistiken, die auf Grund von Untersuchungen erstellt worden sind, die sehr große Ersatzkassen haben durchführen lassen. Diese Kassen haben seit zehn, fünfzehn Jahren jährlich Taufende von Kindern untersuchen lassen. Ich gebe zu, daß es sich hierbei vielleicht um ein Kollektiv gehandelt hat, das irgendwie erholungsbedürftig war. Aus diesen Statistiken ergibt sich, daß in den Jahren von 1958 bis 1966 die Haltungsschäden von
    etwa 5 auf 18% zugenommen haben, daß 22 % der Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren vegetative und nervöse Störungen hatten und daß diese Störungen bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren — sagen wir — von 3% auf 12 % zugenommen haben. Ich frage mich: wie ist denn das eigentlich möglich, wie kann das sein? Diese Statistiken sollte man auch einmal beleuchten.
    Solange wir hier nicht eine umfassende Gesundheitsstatistik der Jugendlichen von der frühen Kindheit an bis zur Ausschulung haben, die auch mit den Ergebnissen der Musterungsunterlagen vergleichbar ist, bin ich nicht in der Lage, auf der einen Seite zu behaupten, daß sich etwas gravierend verändert hat und daß eine bedrohliche Situation da ist, bin ich aber auch nicht in der Lage, auf der anderen Seite abzustreiten, daß so etwas möglich ist; ich bin auch nicht bereit hinzunehmen, wenn gesagt wird, die Situation sei nicht ernst und kritisch.
    Es wurde hier nach Haltungsschäden bei der Einschulung gefragt. Meine Damen und Herren von der CDU, diese Frage ist falsch gestellt. Vielleicht sind die Haltungsschäden in der ersten Zeit nach der Einschulung völlig unwichtig; vielleicht werden die Haltungsschäden erst in den auf die Einschulung folgenden Jahren gravierend? Auch das müßten wir wissen. Daraus könnten sich vielleicht sehr wichtige Rückschlüsse für uns ergeben, wie die Innenarchitektur unserer Schulen gestaltet sein sollte. Ich weiß das alles nicht. Aber das ist eben das Beunruhigende.
    Wenn wir uns heute über das Schicksal der geistig, seelisch und körperlich behinderten Kinder unterhalten, müssen wir zugleich eine politische Frage stellen: nämlich die Frage nach der Novellierung des Bundessozialhilfegesetzes. Hier sind noch Unzulänglichkeiten zu verzeichnen. Diese Dinge sind ¡seit ein, zwei Jahren im Gespräch. Sie sind auch von Ihnen, meine Damen und Herren, in der Fragestunde immer wieder angebohrt worden. Sie, Frau Blohm, und auch mein Kollege Rollmann aus Hamburg haben immer wieder gebohrt. Es kam dann von der Regierungsbank die Antwort, die Novellierung des Bundessozialhilfegesetzes sei in Arbeit, und diese Novellierung werde demnächst erfolgen. Wir werden heute unsere Forderung wiederholen müssen!
    Ich erinnere an eine äußerst interessante Statistik im Jugendbericht über die Sterbefälle von Jugendlichen im Alter von 1 bis 25 Jahren. Was sagt eine Statistik über Sterbefälle einer Altersgruppe von 1 bis 25 Jahren für unser heutiges Thema aus? Gar nichts. Für uns ist heute interessant, wie stark Kinder beispielsweise von der Zunahme der Verkehrsunfälle betroffen sind; uns interessiert, wie stark Kinder von der Zunahme ,der häuslichen Unfälle durch Apparate, Apparaturen und Vergiftungen betroffen sind. Hier erwarten wir in den nächsten Jahren eine nach Altersgruppen ,differenzierte Statistik, damit entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können. Eine Maßnahme — eine! — schlagen wir Ihnen heute schon vor, obwohl wir bekennen müssen, daß wir damit nur 12% — diese Zahl steht fest — der tödlichen Kinderunfälle erfassen können,



    Dr. Meinecke
    Hause zur Schule oder auf dem Rückweg von der Schule ereignen.
    Wir möchten lobend eine Hamburger Regelung erwähnen, die in der Bundesrepublik einzigartig dasteht, nämlich eine gesamtstaatliche Verantwortung, allerdings subsidiär, aber immerhin. Wir möchten anregen, daß das geprüft wird, und haben einen entsprechenden Antrag vorgelegt, der nachher noch von meinem Kollegen Bayerl begründet werden wird.
    Ich will heute keine langen Ausführungen mehr machen. Ich möchte nur noch eines sagen. Mein Kollege Hauck hat in der letzten Debatte des vergangenen Jahres die Frage gestellt: Leben wir eigentlich in einer kinderfreundlichen Gesellschaft? Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, bedeutende Pädiater in der Bundesrepublik vor diese Frage zu stellen. Sie haben mir ziemlich übereinstimmend den Eindruck vermittelt: Jawohl, wir sind eine kinderliebende Gesellschaft, aber unsere Kinderliebe endet an den Grenzen der eigenen Familie. Die Nachbarkinder schon und die, die uns stören, und die, die wir nicht mögen, und die, die zuviel da sind, — denen gegenüber sind wir schon sehr reserviert. Manche der mißlichen Tatbestände von der Entführung und der Verführung und anderen kriminellen Dingen angefangen bis zu vielen anderen mißlichen Tatbeständen wären heute vielleicht nicht so bedeutsam und so bedrohlich, wenn unsere Bürger ganz allgemein etwas mehr Achtsamkeit, etwas mehr Sorgfalt, etwas mehr Mühe darauf verwendeten, auch dem Fremden und insbesondere dem fremden Kind auf der Straße und in der Öffentlichkeit ihre Beachtung und ihre Aufmerksamkeit zu widmen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Noch eines! Unsere Gesellschaft starrt heute fasziniert auf das Phänomen „Jugend". Sie beschäftigt sich mit den sexuellen Problemen dieser Jugend, mit der Sexualerziehung, sie beschäftigt sich mit den absonderlichen Erscheinungen der Protestaktionen dieser Jugend. Ich kann nur eines 'sagen: vergessen wir über diesem Starren auf das Phänomen nicht die Altersgruppe, bei der wirklich erzieherisch und heilpädagogisch, gesundheitlich und humanitär ganz allgemein die ersten Hebel angesetzt werden müssen, nämlich die Gruppe unserer Kleinen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Karl Mommer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Martin.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Berthold Martin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte wenige Bemerkungen zu drei Punkten machen, 1. zu den Erziehungsberatungsstellen, 2. zu heilpädagogischen Heimen, oder, wie es in dem Bericht heißt, zu den Dauerheimen und 3. zur Sexualerziehung. Es war ja unüberhörbar, ,daß der Minister das Schwergewicht auf diese drei Gegenstände gelegt hat. Ich glaube auch, daß man von hier aus den richtigen Zugang zum Kern ,der Sache hat, um den es heute ganz offensichtlich geht.
    In den Erziehungsberatungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland haben sich Arbeitsgruppen zusammengefunden, die aus Nervenärzten, aus Psychologen, Sozialarbeitern und Pädagogen bestehen, die sich in mehrdimensionaler Diagnostik und in mehrdimensionaler Behandlung mit Kindern und ihren Nöten beschäftigen. Dieser Ansatz ist nicht willkürlich gewählt, sondern ergibt sich 'aus dem Zwang der Sache. Was wir heute von Kindern wissen, ist derart, daß von einer 'einzigen Disziplin her nichts mehr zu erreichen ist. Wenn man sich die Entwicklung eines Menschen ansieht, ist das Auffälligste, daß die Entwicklungskurve in Kindheit und Jugend nicht gradlinig aufsteigend verläuft, sondern daß sie über krisenhafte Wendepunkte zu seelischem Gestaltwandel führt. Das flagranteste Beispiel ist zweifellos der Vorgang der Pubertät, wo wir tiefgreifende biologische Wandlungen und Umwandlungen des Gefühls- und Willenslebens erleben, Umwandlungen im Verhältnis zum Menschen, Ablösung der Autorität und Verselbständigung des Menschen. Aber das ist gar nicht der entscheidende Punkt. Ich möchte hier an 'die Ausführungen des Herrn Kubitza anknüpfen. Die kopernikanische Wende, die Sigmund Freud in der Betrachtung des Menschen und des Kindesalters herbeigeführt hat, besteht in verschiedenen Dingen. Sie besteht unter anderem darin, daß wir heute wissen, daß die Zeit von zwei bis fünf Jahren, Herr Kubitza, nicht primär ,die Intelligenz 'ausprägt, sondern die affektiven Verhaltensmuster, die sich im Umgang mit den Eltern bilden, in Spruch und Widerspruch. Dias ist das, was Freud die „ödipale Phase" nennt. Da sind Sie etwas im Irrtum. Mit der Intelligenz hat es wenig zu tun, vielmehr mit der Grundverfassung, die unsere Affektivität lebenslänglich bestimmt.
    Das ist die eine große Sache, die man kennen muß. Wenn man betrachtet, daß es sich auch dabei um einen biologischen Reifungsvorgang mit dazugehörigem seelischen Wandel, mit Folgen im Verhalten handelt, so ist klar, daß so etwas nur von einem Team aus Fachleuten, wie ich es eben beschrieben habe, beherrscht werden kann. Ich glaube, 'das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man einmal festhalten muß und der für uns als Politiker weitergreifende Folgen hat. Derjenige, den es weiter interessiert, 'sei darauf hingewiesen, daß Mitscherlich in seinem letzten Buch „Die Unfähigkeit zu trauern" diesen Vorgang zum Ausgangspunkt einer politischen Betrachtung gemacht hat, und zwar, wie ich glaube, mit Recht. Er weist darauf hin, daß die autoritären Erscheinungen in einer Gesellschaft und in einem Staat, der formal Freiheit gewährt, nicht durch politische Vorgänge primär, sondern durch die Verhaltensmuster falscher Erziehung in den ersten fünf Jahren entstehen. Das kann nachgelesen werden; ich will es hier nicht noch einmal nacherzählen.
    Ich möchte nur folgendes sagen. Eine Grundbedingung heute ist, daß der antipsychologische Affekt, den es in Deutschland gibt, 'abgebaut wird, weil er hinderlich ist. Ich möchte das nur am Rande sagen.
    Dieser Betrachtungsweise verdanken wir eine neue Sicht bei den Verhaltensstörungen der Ju-



    Dr. Martin
    gendlichen. Wir haben früher von „schwer Erziehbaren" und „Verwahrlosten" gesprochen und haben uns immer im wesentlichen darauf berufen, daß es die Erblichkeit ist, die die Erscheinung hervorruft. Wir wissen heute, daß die Persönlichkeitsbildung in hohem Maße von der Umwelt — Eltern, Familie, soziale Welt — hervorgebracht wird, und wir reden lieber von „Milieuschäden", von „epochalen Schäden", von „Sozialschäden", von „Erlebnisreaktion", von „Neurosen", von „Konflikten", weil wir wissen, daß das Dinge sind, die bei einem jungen Menschen in dier Auseinandersetzung mit seiner Umwelt entstehen und die insofern nicht schicksalhaft sind, weil sie trätabel sind; man kann sie angehen und man kann sie auflösen.
    Ich glaube — und deshalb trage ich das vor —, daß es für das ganze Gebiet entscheidend wichtig ist, den Gesichtspunkt der Teamarbeit organisatorisch endgültig durchzusetzen. Die Darstellung des Ministers, nach der es ungefähr 420 Beratungsstellen in Deutschland geben soll, muß noch einmal kritisch untersucht werden. Tatsächlich gibt es so viele. Aber eine Beratungsstelle im eigentlichen Sinne des Wortes darf nur eine solche genannt werden, die ein komplettes Team aufweist, weil alles andere nach der heutigen wissenschaftlichen Lage Kurpfuscherei ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist anzustreben.
    Zweitens. Ein Überblick über die Zahl der Erziehungsberatungsstellen ist schwer zu gewinnen. Ich beschränke mich zunächst einmal auf mein eigenes Land Hessen. Wir haben in Hessen 23 solcher Erziehungsberatungsstellen, von dienen allein 10 nach Frankfurt gehören. Wenn Sie das umrechnen, sehen Sie, daß in Frankfurt auf 75 000 Einwohner eine Erziehungsberatungsstelle kommt, auf ganz Hessen umgerechnet eine Beratungsstelle auf 200 000 Menschen. Die richtige Zahl, die Richtzahl, die erreicht werden muß, ist 1 : 50 000. Diese Zahl ist nicht willkürlich gewählt. Natürlich sind die Administratoren in Verlegenheit, wenn man ihnen die Frage stellt: wieviel braucht man denn? Dazu ist zu sagen, daß der Bedarf erst sichtbar wird, wenn man die Stelle selber eingerichtet hat.
    Die Zahl 1 : 75 0100 in Frankfurt beinhaltet, daß noch eine Wartezeit von drei bis fünf Monaten besteht. Der Bedarf ist erst sichtbar geworden, nach- dem die Stellen eingerichtet worden waren. Nehmen Sie mir aber bitte ab, daß das Verhältnis bei 1 : 50 000 liegen muß. Das ist das Minimum dessen, was man tun kann.
    Ich will jetzt einmal nüchtern darüber sprechen, was das finanziell und für die ganze Arbeit i bedeutet. Eine Erziehungsberatungsstelle, wie ich sie schildere, kostet dm Jahr rund 150 000 DM. Sie ist in der Lage, 300 neue Fälle zu diagnostizieren. — d. h. jeden Tag einen; die Gruppe braucht einen ganzen Tag, um das durchzuarbeiten —, und kann 200 Rückläufe, Elternbesprechungen und dergleichen durchführen. Wenn ich das zugrunde lege, dann kostet ein Fall 300 DM
    Nun muß man wissen, daß diese Stellen — das hat der Minister mit Recht ausgeführt — von hoher prophylaktischer Intensität sind. Ich habe zufällig gerade heute morgen eine Darstellung des bayerischen Landesjugendamts gesehen, in der für einzelne Bezirke nachgewiesen wird, daß die prophylaktische Tätigkeit der Erziehungsberatungsstellen Heimunterbringungskosten in Höhe von 2,7 Millionen DM in einem Bezirk eingespart hat. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
    Ich will ihn einmal so präzisieren. Wir müssen in der Fürsorge für die schwierigen Kinder rigoros umschalten von der bloßen Heimunterbringung in die Prophylaxe und in die Nähe der Familie.
    ,(Beifall.)

    Es ist einfach nicht einzusehen, daß ein Kind unbedingt in einem Heim schlafen muß, wenn man die therapeutischen, psychagogischen und ärztlichen Mittel in der Hand hat, um den Kindern zu helfen. Glauben Sie mir bitte, ich rede hier nicht vom blauen Himmel, sondern aus einer langen Erfahrung in dieser Arbeit. Ich halte eis für einen kardinalen Punkt, daß hier etwas getan wird.
    Was ist zu tun, meine Damen und Herren? Das Jugendwohlfahrtsgesetz — das ist nicht mein Fach; ich bitte die Fachleute um Entschuldigung, wenn die Paragraphen jetzt im einzelnen vielleicht nicht stimmen — sieht in § 5 Abs. 1 als Pflichtaufgabe der Jugendämter vor, daß sie Einrichtungen zur Beratung zur Verfügung stellen. Sie müssen also beraten können. Es sind aber natürlich nicht die Institutionen für Erziehungsberatung getroffen. Worauf ich hinaus will, ist folgendes. Wir müssen uns überlegen, auf welche Weise wir von einer Kann-Vorschrift zu einer Pflichtaufgabe kommen, entweder indem das Jugendwohlfahrtsgesetz novelliert, präzisiert oder verdeutlicht wird oder indem man die Sache im Bundessozialhilfegesetz unterbringt. Die 'Erziehungsberatungsstellen brauchen einen definitiven Status. Ich möchte sehr darum bitten, daß das in die Ausschußberatungen aufgenommen wird.
    Ich will Ihnen noch einmal verdeutlichen, was das ausmacht. Ich habe eben gesagt, ein solcher Fall kostet 300 DM. Ein gutes Heim verlangt heute — muß es verlangen — für einen Platz im Jahr zwischen 6000 und 9000 DM. Eine heimpädagogische Betreuung kann sich über drei bis sieben Jahre erstrecken. Das heißt, es sind rund 100 000 DM fällig, um ein Schicksal wieder gütig zu bereinigen, ein Schicksal, das man nicht hätte aufkommen zu lassen brauchen, wenn man sich vorher mehrdimensional, aufmerksam und menschlich zugewendet der Sache sorgfältig angenommen hätte. Deshalb bitte ich dringend darum, sich dieser Sache anzunehmen. — Das ist Punkt 1.
    Es gibt eine große Hemmung hierbei. Das ist die Tatsache, daß die Jugendpsychiatrie, die heute eine selbständige Disziplin ist — ich habe versucht, zu umreißen, was dazu gehört —, in Deutschland in einer geradezu katastrophalen Lage ist. Es gibt einen einzigen Lehrstuhl für Jugendpsychiatrie in Marburg — von Herrn Professor Stutte — und ein



    Dr. Martin
    einziges Lehrbuch, das er selber geschrieben hat, es gibt ein Extraordinariat in Frankfurt, und es gibt einen Lehrstuhl in Hamburg, der deshalb verwaist ist, weil Herr Albrecht tragischerweise vor einiger Zeit verstorben ist. Wenn man sich überlegt, was gebraucht wird und was angeboten wird, muß man sagen: Das ist ein Zustand, der eines zivilisierten Staates wirklich nicht würdig ist. Hier muß etwas Entscheidendes geschehen.

    (Beifall.)

    Wir müssen auch einmal in .der Forschungsgemeinschaft darüber reden, ob das nicht wirklich ein Schwerpunkt ist.
    Darf ich Ihnen nebenbei eine Zahl sagen. Die Vereinigten Staaten und ,die Sowjetunion haben schen 14 000 und 15 000 Psychiater dm Land, wir haben 1000. Die Jugendpsychiater, die tätig sind, dürften .die Zahl von 15 ausmachen.
    Meine Damen und Herren, ,das ist ein Punkt, der vordringlich behandelt werden muß und der unsere Aufmerksamkeit verdient. Ich wiederhole noch einmal: Es hängt alles davon ab, daß die Gesichtspunkte der mehrdimensionalen Diagnostik und Therapie gültig werden, daß wir von den Heimen als „Zuchtanstalten" definitiv herunterkommen.

    (Beifall bei allen Fraktionen.)

    Die heilpädagogischen Heime müssen natürlich im Prinzip genauso konstruiert werden, von oben nach unten. Ich möchte dazu nur wenige Bemerkungen machen. Wir sind heute noch nicht aus dem Stadium heraus, daß alles, was anfällig und auffällig ist, in einem Heim versammelt wird. Das ist ein schweres Handicap. Es ist ein Unterschied, ob ich mit oligophrenen Kindern arbeiten muß oder ob ich Kinder vor mir habe, die intellektuell nicht reduziert, aber affektiv schwer gestört sind. Diese zweite Gruppe ist der psychotherapeutischen Behandlung zugänglich, die andere bedarf :strikter pädagogischer Methoden. Wenn man beide Gruppen undifferenziert in einem Heim unterbringt, hemmt man die ganze Arbeit; man kommt zu hohen Kosten und wird im Grunde genommen niemandem gerecht. Das heißt, man muß 'die Heime viel stärker differenzieren und muß sie zielgerecht ansetzen.

    (Beifall auf allen Seiten.)

    Ich möchte sagen — obwohl es eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist —: wir müssen alles daransetzen, daß der moderne Gesichtspunkt der Familiengruppe in den Heimen 'durchgesetzt wird. Klassisch ist .die Gliederung im Waisenhaus des 19. Jahrhunderts, wo man 'die Kinder jahrgangsmäßig zusammenfaßte. Heute wissen wir, daß das eine Torheit ist. Denn die Gruppe, die aus Jungen und Mädchen und aus Kindern jeder Altersgruppe zusammengesetzt ist, bildet ,als Organismus einen pädagogischen Faktor in sich selber; die Kinder tragen sich dann gegenseitig wie in einer Familie. Andererseits sind wieder Gruppen, in denen mehr als zwölf Kinder sind, kaum noch tragbar. Ich würde sagen, eine Gruppe, der mehr ,als neun Kinder angehören, ist eigentlich keine pädagogische Einheit mehr, ist nicht mehrideal durchzustrukturieren. —
    Das sind zwei wichtige Gesichtspunkte, und ich bitte um Nachsicht, wenn ich sie hier noch einmal nenne; dies ist eine köstliche Gelegenheit, das zu tun.
    Ferner geht es um folgenden Punkt, der auch im Bericht angesprochen ist. Wir haben heute ein ungeheures Wissen um die jugendliche Entwicklung: medizinisch, biologisch, psychologisch und soziologisch. Aber es hilft nichts, dieses Wissen zu haben, wenn man nicht die Transmissionsriemen besitzt, um dieses Wissen unmittelbar am Kind umzusetzen. Mit anderen Worten, um es unkompliziert auszudrücken: wir brauchen qualifiziertes Personal, das in der Lage ist, ,die Sprache der Fachleute aufzunehmen und umzusetzen. Das ist zu machen, und man darf .da nicht nachlassen. Ich stelle keine zu hohen Forderungen, aber mit ungelerntem Personal — wie man es weithin hat — läßt sich das nicht durchführen.
    Ich möchte noch eine kurze Bemerkung machen zum Rang der Sexualerziehung, von der in der Antwort auf die Große Anfrage auch die Rede war. Ich bestreite nicht, daß so etwas notwendig ist. Aber man muß sich darüber klarsein, daß jeder Schritt aus dem Kreise ,der Familie heraus Gefahren in sich birgt. Ich kann mich auch nicht des Eindrucks erwehren, daß vieles, was heute öffentlich gesagt wird, im Grunde genommen darauf zurückzuführen ist, daß frustrierte Erwachsene ihre Probleme auf die Kinder übertragen,

    (Zustimmung bei mehreren Abgeordneten)

    während die echte Problematik ganz woanders liegt. Ich würde hier also zu Behutsamkeit raten. Man sollte vor allem dafür sorgen, daß die Eltern imstande sind, diese subtilen Fragen in einer wirklich menschlichen und intimen Atmosphäre zu lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten ,der anderen Fraktionen.)