Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Ich darf dem Haus zunächst einige Mitteilungen machen. — Am 12. November 1967 hat die Abgeordnete Frau Enseling einen runden Geburtstag gefeiert.
Gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll die Vorlage des Bundesministers der Finanzen betr. Belastungsveränderungen bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch die Einführung der Mehrwertsteuer — Drucksache V/2250 — an den Finanzausschuß überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist die Überweisung beschlossen.Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 8. November 1967 für den verstorbenen Abgeordneten Erler den Abgeordneten Brück — Holz in diesem Falle als Herkunftsbezeichnung — als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates benannt. Das Haus ist einverstanden? — Damit ist der Abgeordnete Brück (Holz) als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt.Ferner soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung die Empfehlung der Versammlung der Westeuropäischen Union während der Sitzungsperiode vom 13. bis 15. Juni 1967 — Drucksache V/2093 — in Abänderung des Beschlusses vom 4. Oktober 1967 nicht an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen — federführend — und an den Innenausschuß — mitberatend —, sondern an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik — federführend — und an den Auswärtigen Ausschuß und den Haushaltsausschuß — mitberatend — überwiesen werden. Das Haus ist mit diesem Vorschlag einverstanden. — Es ist so beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10. November 1967 zu den nachstehenden Gesetzen einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Neuntes Gesetz zur Änderung des ZollgesetzesGesetz über den rechtlichen Status der Rhein-Main-DonauGroßschiffahrtsstraße zwischen dem Main und Nürnberg und über die damit zusammenhängenden EigentumsverhältnisseDer Bundesminister der Justiz hat am 13. November 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Jaeger, Stücklen, Schlee, Wagner, Memmel und Genossen betr. Sittlichkeitsverbrechen an Kindern — Drucksache V/2220 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2274 verteilt.Zu den in der Fragestunde der 121. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. Oktober 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Biechele, Drucksache V/2124 Nrn. 1 und 2 *), ist inzwischen die ergänzende schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 8. November 1967 eingegangen. Sie lautet:Der Bundesregierung sind die Gründe, die zum Bruch des Öltanks führten, so weit bekannt, wie sie vom Herrn Minister für Wirtschaft in Stuttgart in der Landtagssitzung vom 22. September 1967 dargelegt wurden. Inzwischen hat sich die Staatsanwaltschaft in die Ermittlungen eingeschaltet. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.Hinsichtlich der Berücksichtigung allgemeiner Sicherheitsmaßnahmen darf ich auf die Antwort des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft auf die mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Fellermaier in der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 5. Oktober 1967 hinweisen . Darin wird u. a. ausgeführt, daß sich die Zulassung der Tätigkeit auf einem Erdölfeld nach den bergrechtlichen Vorschriften der Länder regelt.An diesem Verfahren sind u. a. auch die wasserwirtschaftlichen Dienststellen beteiligt, deren Aufgabe es ist, die notwendigen Auflagen zum Schutz der Gewässer festzulegen.Ich teile Ihre Auffassung, daß im Hinblick auf die Trinkwasserversorgung aus dem Bodensee örtlich besondere Sicherheitsvorkehrungen geboten sind. Der Zweckverband Bodenseewasserversorgung hat übrigens zum Schutz seiner Wasserentnahmen Sicherheitszonen vorgeschlagen. Durch einen besonderen Sicherheitsabstand vom Bodensee soll möglichen Gefahren der Erdölgewinnung begegnet werden. Die Lage der Bohrstelle bei Deggenhausen ist entsprechend ausgewählt worden.Da sich Betriebsunfälle, deren Ursache oftmals auch menschliches Versagen sein kann, nicht mit absoluter Sicherheit verhindern lassen, müssen vor allem auch die „Ölwehren" derart ausgerüstet und einsatzbereit sein, daß eine Ausbreitung von Öl über die eigentliche Schadensstelle hinaus zuverlässig bekämpft werden kann.Die zusätzlichen Fragen Ihres Schreibens vom 6. Oktober 1967 werde ich Ihnen mit getrennter Post beantworten.Zu den in der Fragestunde der 131. Sitzung des Deutschen Bundestages am 8. November 1967 gestellten Fragen der Abgeordneten Frau Kurlbaum-Beyer, Drucksache V/2236 Nrn. 39 und 40 5*) ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 10. November 1967 eingegangen. Sie lautet:1. Der Bundesregierung ist die Spendenaktion des HermannGmeiner-Fonds Deutschland e. V. — Verein zur Förderung der SOS-Kinderdörfer — für ein Kinderdorf in Go Vap bei Saigon sehr gut bekannt. Der Hermann-Gmeiner-Fonds hat sich gerade auf eine Anregung der Bundesregierung hin mit den Möglichkeiten zur Errichtung von Kinderdörfern in Südvietnam befaßt. Er errichtet nunmehr ein Kinderdorf in Go Vap bei Saigon.*) Siehe 121. Sitzung, Seite 6115 B **) Siehe 131. Sitzung, Seite 6626 A
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Vizepräsident Schoettle2. a) Die Bundesregierung hat dem Projekt Co Vap bisherschon jede mögliche Unterstützung gewährt.Zu erwähnen sindaa) die Hilfe der Deutschen Botschaft Saigon in rechtlichenund konsularischen Angelegenheiten;bb) der Transport der Fertigteile für die Häuser, die mit anderen Gütern für deutsche Hilfsorganisationen in Sammeltransporten zu ermäßigten Frachtsätzen nach Saigon befördert werden;cc) die Beratung und Mithilfe der Bundesregierung bei der Bauplanung und der Ausbildung der zu entsendenden Helfer.h) Eine zusätzliche finanzielle Unterstützung des Projektes stieß zunächst auf Schwierigkeiten, weil der HermannGmeiner-Fonds von den Wünschen der Bundesregierung abgewichen ist. Insbesondere entspricht die geographische Lage des Kinderdorfes nicht der Forderung, im Interesse der Zusammenfassung der deutschen Hilfsprojekte im Norden Südvietnams tätig zu werden, wo zudem auch die größte Not unter der Bevölkerung herrscht.c) Dessenungeachtet wird im Hinblick auf die Eigenleistungen des Hermann-Gmeiner-Fonds z. Z. geprüft, ob auch eine finanzielle Förderung des Kinderdorfes Go Vap erfolgen soll. Dabei wird berücksichtigt, daß derartigen Hilfsmaßnahmen wegen der großen Zahl elternloser oder verlassener Kinder in Südvietnam besondere Bedeutung zukommt und das Projekt Modellcharakter für weitere Selbsthilfemaßnahmen in Südvietnam erlangen kann.Zu den in der Fragestunde der 118. Sitzung des Deutschen Bundestages am 30. Juni 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Lenders *), Drucksache V/1943 Nrn. 52, 53 und 54, ist inzwischen die ergänzende schriftliche Antwort des Bundesministers Katzer vom 14. November 1967 eingegangen. Sie lautet:Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung eine Sperrfrist festsetzen, wenn ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Lohnänderungskündigung das neue tarifgerechte Vertragsangebot des Arbeitgebers abgelehnt hat und deshalb arbeitslos geworden ist.Die Bundesregierung verkennt nicht, daß die Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er auf die Änderungskündigung eingehen will, durch die drohende Verhängung einer Sperrfrist beeinflußt wird. Die Arbeitsverwaltung kann aber bei der Festsetzung der oben erwähnten Sperrfrist nicht nach freiem Ermessen handeln, sondern ist an die Vorschriften des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gebunden. Einschlägige Bestimmung ist im vorliegenden Fall § 80 AVAVG. Danach muß eine Sperrfrist u. a. dann festgesetzt werden, wen ein Arbeitnehmer seine Arbeitsstelle ohne berechtigten Grund aufgegeben oder den Verlust seiner Arbeitsstelle grobfahrlässig herbeigeführt hat. Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hält die Voraussetzung des § 80 AVAVG in den von Ihnen erwähnten Fällen für gegeben. Bei der Beantwortung dieser Rechtsfrage wird es darauf ankommen, ob der auf die Änderungskündigung nicht eingehende Arbeitnehmer „seine Arbeitsstelle aufgibt" oder den Verlust seiner Arbeitsstelle „grobfahrlässig" herbeiführt. Weniger prolematisch dürfte dagegen die Frage sein, ob ein „berechtigter Grund" zur Aufgabe der Arbeitsstelle vorliegt; denn insoweit verweist § 80 Abs. 1 AVAVG auf § 78 Abs. 2 AVAVG, und nach dieser Vorschrift liegt ein berechtigter Grund nur vor, wenn die Arbeit untertariflich bezahlt wird. Das ist hier aber gerade nicht der Fall.Ob die Voraussetzungen des § 80 AVAVG in den vorliegenden Fällen gegeben sind, haben abschließend die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden. Mir ist bekannt, daß bereits einige Verfahren zur Klärung der im vorstehenden kurz umrissenen Rechtsfrage anhängig sind. Um sich nicht dem Vorwurf einer unzulässigen Einflußnahme auf die Gerichte auszusetzen, möchte die Bundesregierung zur Zeit zu der von Ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage nicht abschließend Stellung nehmen, sondern den Ausgang dieser Verfahren abwarten.Wir kommen dann zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde— Drucksache V/2268 —
Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach den Plänen des „Zweckverbandes für die Errichtung eines Nationalparkes im Bayerischen Wald" der Ausbau dieses Nationalparkes über 10 Jahre lang jährlich 600 000 DM erfordert und der Bund 2/3 dieses Betrages finanzieren soll?
*) Siehe 118. Sitzung, Seite 5926 A
Die Frage wird von Herrn Schwörer übernommen. — Bitte, Herr Minister, wollen Sie antworten!
Darf ich die beiden Fragen verbinden, da sie in einem Sachzusammenhang stehen?
Dann rufe ich noch die Frage 107 des Abgeordneten Dr. Schmidt auf:
Sind Haushaltsmittel für die in Frage 106 erwähnten Pläne einmalig oder in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen?
Die Bundesregierung weiß aus der Presse, daß das Projekt eines Nationalparks im Bayerischen Wald existiert und daß es auf etwa 6 bis 7 Millionen DM veranschlagt ist. Der Zweckverband, der offenbar gegründet wurde, ist bisher noch nicht an die Bundesregierung herangetreten. Das ist auch der Grund dafür, daß über Haushaltsmittel oder eine haushaltsmäßige Erledigung noch gar nicht entschieden werden konnte.
Herr Schwörer, bitte!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß der Bayerische Forstverein Bedenken gegen dieses Projekt erhoben hat, und sind Sie bereit, im Ernstfall auch diese Bedenken zu prüfen?
Ich habe diese Bedenken studiert. Ich glaube, man könnte den Beteiligten bei all diesen Fragen einen großen Dienst erweisen, wenn man eine Sprachbereinigung durchführte. Über Naturschutzpark, Nationalpark, Landschaftsschutzgebiete gibt es hier so wenig Detailkenntnisse, daß es der Diskussion außerordentlich dienlich wäre, wenn man einmal die Begriffe, die im übrigen gesetzlich definiert sind, klarstellte.
Herr Abgeordneter Fritsch!
Herr Minister, nachdem die Vereinigung zur Gründung dieses Nationalparks keinen Zweifel daran gelassen hat, daß es sich um einen Nationalpark im Sinne der Londoner Konvention von 1933 handeln solle und werde, frage ich Sie: Gibt es auf Grund dieses Sachverhalts eine Absicht der Bundesregierung, mit der Bayerischen Staatsregierung über dieses Projekt zu verhandeln und gegebenenfalls ein Benehmen mit dem Ziel möglicher Unterstützung dieses Vorhabens herzustellen?
Ich glaube, es steht der Bundesregierung gut an, wenn sie einmal die Initiatoren an sich herankommen läßt.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6791
Herr Fritsch!
Herr Minister, würden Sie nicht bei dem Umfang, den die Diskussion über dieses Vorhaben schon angenommen hat, Veranlassung sehen, das Vorhaben, das sich im Kerngebiet des Bayerischen Waldes befindet, einmal aus land- und forstwirtschaftlicher Sicht zu beurteilen?
Darüber gibt es eine Meinung in unserem Hause, aber sie ist nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. In erster Linie sind die Interessen der Beteiligten, die Interessen der dortigen Bevölkerung und die Auffassungen des Landes zu berücksichtigen, und dann erst ist, glaube ich, der Bund berufen, sich dazu zu äußern.
Sie haben keine Fragen mehr, Herr Fritsch; es tut mir leid. Damit sind die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Schmidt beantwortet.
Die Fragen 108, 109 und 110 des. Herrn Abgeordneten Logemann sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf:
Auf Grund der schriftlichen Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Benda vom 27. Oktober 1967 auf meine mündliche Anfrage frage ich, ob angesichts der geringen Geschäftsbelastung nicht eine Verringerung der Zahl der Disziplinarsenate angestrebt werden sollte?
Bitte, Herr Staatssekretär Benda!
Schon vor der Novellierung der Bundesdisziplinarordnung war bei den Beamtensenaten des Bundesdisziplinarhofs ein Rückgang der Belastung zu erkennen. Es ist auch anzunehmen, daß das neue Disziplinarrecht zu einem weiteren Rückgang führen wird. Sein genauer Umfang läßt sich heute noch nicht absehen. Insgesamt gesehen dürfte es aber bereits jetzt gerechtfertigt sein, eine Verringerung der Zahl der Senate von drei auf zwei sicherzustellen. Zu diesem Zweck wird der Herr Bundesminister des Innern bei den Beratungen im Haushaltsausschuß über den Haushalt 1968 bitten, die für die Verringerung erforderlichen haushaltsmäßigen Voraussetzungen zu schaffen. Tatsächlich wird die Reduzierung allerdings, soweit sich dies gegenwärtig übersehen läßt, nicht vor 1969 möglich sein. Erst 1969 erreichen mehrere Richter des Bundesverwaltungsgerichts die Altersgrenze.
Keine weiteren Fragen. Dann rufe ich die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung im Rahmen des Zivilschutzes den praktischen Wert des Technischen Hilfswerks?
Ist der Abgeordnete anwesend? — Ja.
Wenn der Herr Kollege Horstmeier einverstanden ist, würde ich alle drei Fragen wegen des. Sachzusammenhangs gemeinsam b e antworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe ferner die Fragen 76 und 77 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Stehen nach Ansicht der Bundesregierung der Aufwand und die Hilfemöglichkeiten des Technischen Hilfswerks in einem angemessenen Verhältnis?
Wie vollzieht sich bei Notständen der Einsatz des Technischen Hilfswerks?
Zunächst zur ersten Ihrer drei Fragen. Sowohl nach dem Gesetz über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung als auch nach dem neuen Entwurf eines Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes soll das Technische Hilfswerk im Zustand der äußeren Gefahr im Rahmen der örtlichen Hilfsdienste eingesetzt werden und vor allem die Bergung und Instandsetzung übernehmen. Das Technische Hilfswerk ist für die Wahrnehmung dieser wichtigen Aufgabe geeignet, da die Leistung technischer Hilfe bei Katastrophen- und Unglücksfällen größeren Ausmaßes auch im Frieden zu seinen Aufgaben gehört. Der Erlaß über die Errichtung des Technischen Hilfswerks von 1953 sieht daher bereits die Leistung technischer Dienste im Zivilschutz als Aufgabe des Technischen Hilfswerks vor. Seine über 40 000 aktiven Helfer verfügen über eine geeignete Ausbildung und Ausrüstung sowie über entsprechende Erfahrungen. Eine Reserve von über 25 000 Helfern macht es möglich, seine Kräfte nötigenfalls noch zu verstärken. Die Bundesregierung mißt daher 'der Mitwirkung des Technischen Hilfswerks im Zivilschutz entscheidende Bedeutung zu. Soweit zur ersten Frage.Nun zur zweiten. Gerade in diesem Jahr ist angesichts der Haushaltskürzung im Bereich ,der Zivilverteidigung der Kostenaufwand der mitwirkenden Organisationen und Einrichtungen eingehend untersucht worden. Dabei hat sich gezeigt, daß die Kosten des Technischen Hilfswerks im Verhältnis zu seiner Stärke und seiner Effektivität besonders niedrig sind. Bei Aufwendungen für .das Technische Hilfswerk von noch nicht 20 Millionen DM jährlich betragen die Kosten je einsatzbereiten Helfer weniger als 500 DM jährlich.Der Einsatzwert des Technischen Hilfswerks für den Zivilschutz im Verteidigungsfall läßt sich in etwa nach seinen Friedenseinsätzen abschätzen. Bei der Unberechenbarkeit der Katastropheneinsätze besteht ein wesentlicher Teil des Einsatzwertes in der steten Bereitschaft und Verfügbarkeit von ausgebildeten und ausgerüsteten Helfern in den Elektrizitäts-, Gas-, Wasser- und Katastrophenzügen. Allein im Jahre 1966 ist das Technische Hilfswerk in 947 Fällen der Katastrophenhilfe und der technischen Hilfe im Inland eingesetzt worden. Davon waren 82 Großeinsätze. Bei den Einsätzen sind rund 150 000 Arbeitsstunden geleistet worden. Hin-
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6792 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Bendazu kommen Auslandseinsätze in der Türkei und in Italien mit rund 32 000 Einsatzstunden.Schließlich zur dritten Frage: Das Technische Hilfswerk wird in der Regel auf Anforderung der zur Gefahrenabwehr zuständigen Behörden tätig. Bei Gefahr im Verzug kann das Technische Hilfswerk auch ohne eine solche Anforderung Hilfe leisten. Sowohl zur Vorbereitung seiner Hilfeleistung ,als auch im Einsatz stimmt sich das Technische Hilfswerk stets mit den zur Gefahrenabwehr und Hilfeleistung zuständigen Behörden ab.
Haben Sie eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, da die Beseitigung von Folgen aus Notständen jeglicher Art als eine gesetzliche Pflichtaufgabe der kommunalen Feuerwehr angesehen werden muß, frage ich, ob die Bundesregierung bereit ist, zu überprüfen, wie eine bessere Konzentration aller Kräfte und möglichst eine Vereinheitlichung der Hilfsdienste zu erreichen ist.
Über diese Frage, Herr Kollege Horstmeier, enthält der dem Bundestag demnächst zugehende Entwurf eines Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes sehr klare Vorstellungen. Ich darf mir erlauben, der Kürze halber auf den Inhalt dieses Entwurfs zu verweisen, der die Frage unmittelbar anspricht. Die Beratungen im Hohen Hause werden Gelegenheit geben, einzelne Punkte dann weiter zu überprüfen.
Keine weitere Zusatzfrage mehr.
Die Fragen 78, 79 und 80 stellt der Abgeordnete Dr. Hudak. Ist Herr Hudak anwesend? — Das ist nicht der Fall. Die Fragen werden nicht übernommen. Sie werden schriftlich beantwortet.
Frage 81 stellt die Abgeordnete Frau Meermann:
Wie viele der. in den Bundesministerien und der Bundestagsverwaltung tätigen Boten, Pförtner und Vervielfältiger sind Beamte, wie viele Angestellte und wie viele Arbeiter?
Bitte, Herr Staatssekretär!
In den Bundesministerien einschließlich Bundespräsidialamt, Bundeskanzleramt und Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sowie in der Bundestags- und der Bundesratsverwaltung sind zur Zeit 1271 Bedienstete als Boten, Pförtner und Vervielfältiger tätig. Davon sind 610 als Beamte, 289 als Angestellte und 372 als Arbeiter beschäftigt.
Kann die nächste Frage gleich mit beantwortet werden?
Gern, Herr Präsident.
Wenn die zweite Frage gleich mit beantwortet wird, können wir auch die Zusatzfragen zusammen erledigen.
Ich rufe also auch die Frage 82 der Abgeordneten Frau Meermann auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die derzeitige Regelung, wonach die gleiche Arbeit der in Frage 81 erwähnten Bediensteten sehr unterschiedlich entlohnt wird, beizubehalten?
Es trifft zu, daß die von Ihnen, Frau Kollegin Meermann, angesprochenen Bediensteten entsprechend der unterschiedlichen Ausgestaltung des Besoldungs-, Vergütungs- und Entlohnungssystems für ihre Tätigkeit unterschiedlich hohe Bezüge erhalten können, wobei allerdings zwischen den Bezügen der im Beamten- und der im Angestelltenverhältnis Tätigen nur ein geringerer Unterschied besteht.
In früherer Zeit sind alle Boten, Pförtner und Vervielfältiger im Arbeiterverhältnis beschäftigt worden. Alsdann sind in zunehmendem Maße für diese Tätigkeiten Beamtenplanstellen eingerichtet worden. Aus beamtenrechtlichen Gründen ist allerdings die Beschäftigung aller Boten, Pförtner und Vervielfältiger im Beamtenverhältnis nicht möglich.
Um bewährten Kräften, die die Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis nicht erfüllen, einen Aufstieg zu ermöglichen, hat die Bundesregierung vor einigen Jahren zugelassen, daß ein Teil dieser Arbeitnehmer in das Angestelltenverhältnis übernommen werden kann. Dabei wurde, weil es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, im Interesse der gleichen Handhabung in allen Bundesverwaltungen die Zahl der im Angestelltenverhältnis tätigen Boten, Pförtner und Vervielfältiger auf 40 % dieses im Arbeitnehmerverhältnis beschäftigten Personenkreises begrenzt.
Ob diese Grenze richtig ist, darüber kann man natürlich verschiedener Meinung sein. Der Bundesminister der Finanzen hat meinem Hause vor kurzer Zeit mitgeteilt, daß er im Interesse einer weiteren Förderung qualifizierter Kräfte gegen eine Heraufsetzung der Grenze keine Einwendungen erheben werde.
Wenn die Anhebung bereits für das Haushaltsjahr 1968 wirksam werden soll, wird es Sache des Hohen Hauses sein, die entsprechenden Stellenumwandlungen in dem Ihnen im Entwurf bereits vorgelegten Haushaltsplan 1968 zu beschließen.
Frau Meermann.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, daß zur Zeit keine Bestrebungen dahin gehen, zu einer einheitlichen Besoldungsgrundlage für die gleiche Tätigkeit der genannten Gruppen zu kommen?
Eine vollständige Vereinheitlichung wird sich aus den von mir herausgestellten Gründen leider nicht erreichen lassen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6793
Parlamentarischer Staatssekretär BendaAber ich habe den Weg dargestellt, auf dem wir versuchen, jedenfalls eine möglichst weitgehende Angleichung zu erreichen.
Frau Meermann!
Darf ich noch fragen, Herr Staatssekretär: wird durch Zusatzversorgungsversicherungen dafür gesorgt, daß wenigstens bei der Altersversorgung eine Annäherung der Bezüge erfolgt? Und wie wirkt sich der für die Angestellten mögliche Bewährungsaufstieg aus, der ja für die Arbeiter wegfällt?
Zum ersten Teil Ihrer Frage möchte ich folgendes sagen. Ab 1. Januar 1967 ist für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine Neuregelung der zusätzlichen Altersversorgung eingeführt worden. Auch die Arbeitnehmer des Bundes erhalten seitdem eine sogenannte Gesamtversorgung, die sich an die Grundsätze des Beamtenversorgungsrechts anlehnt. Diese Neuregelung bewirkt, daß die Arbeitnehmer im Ergebnis eine der Beamtenversorgung entsprechende Gesamtversorgung erhalten.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage, Frau Kollegin Meermann, möchte ich folgendes sagen. Ich glaube, daß eine Angleichung im Rahmen des von mir dargestellten Bestrebens — jedenfalls die bisher als Arbeiter Beschäftigten in das Angestelltenverhältnis zu überführen — eine gewisse faktische Angleichung an die Verhältnisse der Beamten herbeiführen wird.
Herr Westphal!
Herr Staatssekretär, beruht die Mitteilung, die Sie über die Bereitschaft des Finanzministers machen konnten, auf die 40 %-Klausel zu verzichten und bei der Umwandlung der Angestelltenstellen nach oben zu gehen, darauf, daß der Herr Finanzminister eingesehen hat, daß die Tarifpartner des Bundes annehmen konnten, diese 40 %-Klausel bestehe seit der letzten tariflichen Regelung überhaupt nicht mehr?
Ich bedauere sehr, über die Motive, die den Herrn Bundesminister der Finanzen zu seiner von uns begrüßten Einstellung bewogen haben, keine Auskunft •geben zu können. Da müßte der Herr Bundesminister der Finanzen gefragt werden.
Herr Westphal!
Herr Staatssekretär, aus dem Hinweis, daß das Hohe Haus an diesen Dingen etwas ändern kann, leite ich die Frage an Sie — wegen des Zusammenwirkens mit dem Bundesfinanzminister — ab, ob es möglich wäre, dem Haushaltsausschuß, der sich ja mit diesen Fragen zu befassen hat, Unterlagen für die bald bevorstehenden Beratungen darüber vorzulegen, welche finanziellen Auswirkungen sich ergeben würden und welche Umwandlungen von Arbeiterstellen in Angestelltenstellen in diesem Bereich notwendig sind?
Herr Kollege, wie Sie wissen, setzt natürlich die Behandlung dieser Fragen gegenüber dem Parlament ein Einvernehmen zwischen den beteiligten Ministerien voraus. Ich glaube zuversichtlich, daß sich auch ein Einvernehmen insoweit herstellen läßt, als versucht werden wird — und ich hoffe, daß es erreicht werden kann —, Ihrem Wunsche zu entsprechen.
Frage 83 stellt Herr Abgeordneter Biechele.
Auch hier würde ich, Herr Präsident, vorschlagen, daß die Fragen 83 und 84 zusammen aufgerufen und beantwortet werden.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also auf:
Bis wann werden die Verhandlungen über die Überarbeitung des Abkommens über den kleinen Grenzverkehr vom 25. Januar 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz abgeschlossen sein?
Ist damit zu rechnen, daß Möglichkeiten von Grenzübertritten von Wandergruppen außerhalb von Grenzübergangsstellen in das in Frage 83 erwähnte Abkommen aufgenommen werden?
Herr Staatssekretär, bitte!
Die Prüfung eines inoffiziell übermittelten Schweizer Entwurfs, an dem auch die Länder Baden-Württemberg und Bayern zu beteiligen sind, ist noch im Gange. Es besteht jedoch berechtigte Hoffnung, daß das neue Abkommen im Sommer nächsten Jahres in Kraft treten kann.
Zu Ihrer zweiten Frage darf ich sagen, daß eine solche Regelung, nach der Sie fragen, von beiden Seiten in Aussicht genommen worden ist.
Herr Biechele!
Herr Staatssekretär, wird bei den Verhandlungen darauf geachtet, daß die neuen Regelungen den unteren Instanzen auf beiden Seiten die Möglichkeit geben, vernünftige und praktikable Entscheidungen für den Grenzübertritt von Wandergruppen außerhalb von Grenzübergangsstellen mit einem Minimum an Papierkrieg zu treffen?
Ja, in der Tat. Wir stellen uns vor — und es besteht begründete Aussicht zu der Hoffnung, daß es erreicht werden kann —, daß bestimmte landschaftlich besonders reizvolle Wanderwege in Grenzgebieten freigegeben werden, ohne daß im Einzelfall eine Erlaubnis für den Wanderer notwendig sein wird.
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6794 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Die Fragen 85 und 86 stellt Herr Abgeordneter Dichgans. Können wir auch diese Fragen zusammen beantworten?
— Dann rufe ich diese Fragen zusammen auf:
Hat die Bundesregierung erwogen, gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen die Errichtung und Finanzierung eines größeren Distriktes Bundeshauptstadt zu betreiben, um eine einheitliche Planung sowie eine einheitliche Durchführung dieser Planung zu ermöglichen?
Ist sich die Bundesregierung klar darüber, daß die Unfähigkeit, mit dem Problem der Bundeshauptstadt fertig zu werden, ein Problem, das die Weimarer Republik für Berlin damals binnen eines Jahres gelöst hat, das Ansehen des Staates schwer schädigen muß?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung hat die Frage, ob sich die Bildung eines Großdistrikts Bundeshauptstadt — etwa nach dem amerikanischen Vorbild des Washington District of Columbia -
empfiehlt, geprüft. Im Hinblick auf den föderativen Aufbau der Bundesrepublik, der bundesunmittelbare Gebilde nicht kennt, wäre die Schaffung eines solchen bundesunmittelbaren Distrikts „Bundeshauptstadt" nur durch eine Änderung des Grundgesetzes möglich. Eine solche Verfassungsänderung sollte nach Ansicht der Bundesregierung zur Vermeidung einer weiteren Zersplitterung des Verwaltungsaufbaues und des Kommunalverfassungsrechts vermieden werden.
Die kommunal-organisatorische Neuordnung des Raumes Bonn gehört in die ausschließliche Zuständigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen. Da die Bundesregierung aber selbstverständlich an einer möglichst zweckmäßigen Neuordnung dieses Raumes interessiert ist, hat sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten seit Jahren insbesondere im Interministeriellen Ausschuß für Raumordnung mit diesem Fragenkomplex befaßt.
Die Vertreter aller beteiligten Bundesressorts haben im April dieses Jahres Vertretern des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen ihre Überlegungen und Wünsche zur Neuordnung des Bonner Raumes vorgetragen. Sie haben dabei die Notwendigkeit und Eilbedürftigkeit einer möglichst zweckmäßigen organisatorischen Zusammenfassung dieses Raumes aus Gründen einer einheitlichen Planung und einer Koordinierung der Durchführung dieser Planung unterstrichen. Das Ergebnis dieser Sitzung ist als Stellungnahme der Bundesregierung dem Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 21. Juni 1967 übermittelt worden.
Nach Mitteilung des Innenministeriums in Düsseldorf wird der Vorschlag zur Neuordnung des Raumes Bonn Anfang des kommenden Jahres den beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbänden zugehen und, sobald diese gehört worden sind, als Gesetzentwurf noch im Laufe des kommenden Jahres der Landesregierung zur Verabschiedung vorgelegt werden. Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen rechnet fest damit, daß das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode des Landtages verkündet wird.
Zur zweiten Frage darf ich zunächst darauf hinweisen, daß nach Auffassung der Bundesregierung die Neuordnung des Bonner Raumes auch dann notwendig wäre, wenn Bonn nicht vorläufiger Sitz der Bundesregierung wäre. Die Bundesregierung glaubt in der Tat, daß das Ansehen des Staates Schaden leiden könnte, wenn die Neuordnung des Bonner Raumes noch längere Zeit hinausgeschoben würde.
Ich darf mir aber erlauben, Ihren Hinweis, daß die Weimarer Republik das Problem der Neuordnung Berlins binnen eines Jahres gelöst habe, zur Vermeidung von Mißverständnissen doch etwas differenzierter zu behandeln. Die kommunalverfassungsrechtliche Neuordnung Berlins nahm etwa ein Jahrzehnt in Anspruch. Das Königreich Preußen versuchte bereits durch Gesetz vom 19. Juli 1911 das Problem der Institutionalisierung dieser industrialisierten Großstadt, deren städtischer Kern sich in steigendem Maße in das Umland ausdehnte, durch Bildung eines „Zweckverbandes Groß-Berlin" zu lösen. Dieser Weg einer Anpassung der kommunalen Organisation .an die veränderte räumliche Struktur und die städtebauliche Entwicklung Berlins erwies sich jedoch als nicht ausreichend, so daß das Land Preußen mit Gesetz vom 27. April 1920 — also zehn Jahre später die Einheitsgemeinde Berlin schuf. Ich darf Ihnen als bisheriger Bewohner des Bezirks Berlin-Spandau mitteilen, daß bis zum heutigen Tage Diskussionen, jedenfalls innerhalb einiger Bezirke Berlins, über die Zweckmäßigkeit der damaligen Regelung im Gange sind. Die Neuordnung Berlins war mithin Landessache, in erster Linie auch auf die städtebauliche Entwicklung, dagegen weniger auf die Tatsache zurückzuführen, daß Berlin Reichshauptstadt war.
Herr Dichgans!
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es auch im Rahmen des geltenden Grundgesetzes Möglichkeiten zu einer Zusammenarbeit zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen geben sollte, wie wir sie in vielen anderen Bereichen, z. B. im Bereich der Universitäten, wo es ähnliche Zuständigkeitsprobleme gibt, seit langem gefunden haben?
Selbstverständlich gibt es diese Möglichkeiten, und ich habe eingehend dargestellt, Herr Kollege Dichgans, daß ein ständiger enger Kontakt zwischen den zuständigen Stellen der Bundesregierung und den zuständigen Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen in dieser Frage besteht.
Herr Dr. Kliesing!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir widersprechen, wenn ich mir erlaube, aus einer, wie ich meine, detailierten Kenntnis der hiesigen Probleme die Behauptung aufzustellen, daß bereits auf Grund der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten — ich erwähne hier vor
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6795
Dr. Kliesing
allen Dingen das Bundesbaugesetz — die meisten anstehenden Probleme, wenn nicht sogar alle, gelöst werden könnten, wenn sich alle beteiligten Gemeinden bereitfänden, auf freiwilliger Grundlage diese von mir erwähnten Möglichkeiten auszunutzen?
Herr Kollege Dr. Kliesing, ich möchte Ihnen höchst ungern widersprechen; aber ich bitte mein Nichtwidersprechen so auszulegen, daß ich mich keinesfalls in die Angelegenheiten der beteiligten Gemeinden einmischen möchte; vielmehr ist es eine Höflichkeit Ihnen gegenüber.
Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, Ihnen ist aber doch wohl bekannt, daß die Stadt Bonn nur deshalb in einer besonders schwierigen finanziellen Situation ist, weil sie eine Reihe von kommunalen Aufgaben deswegen übernehmen mußte, weil der Bund und seine Behörden sich hier niedergelassen haben und die Bundesbediensteten untergebracht werden mußten.
Daß die Umwandlung Bonns als Sitz der Bundesregierung sowohl Vor- als auch Nachteile für die beteiligten Gemeinden mit sich bringt, ist selbstverständlich. Eine Abwägung der Vor- und Nachteile möchte ich im Augenblick nicht vornehmen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht doch der Meinung, daß auf Grund der vielfachen Verpflichtungen, die auf die Stadt Bonn zugekommen sind, auch eine verstärkte finanzielle Hilfeleistung für die Stadt Bonn — in Zusammenwirken mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen — sobald als möglich ins Auge gefaßt werden sollte?
Sie wissen sicher, Herr Kollege Dorn, daß darüber seit langer Zeit Gespräche zwischen den beteiligten Stellen der Gemeinden, des Landes und des Bundes stattfinden. Der Bund hat auch seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt. Über die finanziellen Möglichkeiten muß schließlich dieses Hohe Haus im Rahmen der Haushaltsberatungen entscheiden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Hübner.
Herr Staatssekretär, würden Sie es für möglich halten, daß dem Kollegen Dichgans bei seinem Vorwurf, die Bundesregierung sei unfähig, mit dem Problem der Bundeshauptstadt fertigzuwerden, entgangen ist, daß ein Unterschied
darin besteht, daß Berlin für die Weimarer Republik die endgültige Hauptstadt war, während für die Bundesrepublik Bonn eine provisorische Hauptstadt ist und vorläufig bleiben wird?
Ich hatte mir erlaubt, auf diesen Punkt hinzuweisen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, könnten Sie, wenn hier von einem Distrikt Bundeshauptstadt die Rede ist, den die Bundesregierung für erwünscht hält, für den sie aber verfassungsrechtlich nicht zuständig ist, sagen, welche Städte und Gemeinden nach der Meinung der Bundesregierung diesem Distrikt zuzurechnen wären?
Herr Kollege Schulze-Vorberg, erstens habe ich nicht gesagt, daß ein solcher Distrikt nach dem Muster des Washington District of Columbia an sich wünschenswert sei. Darüber könnte man sehr streiten. Auch in Amerika gibt es über den Washington District of Columbia, der eine Reihe von besonderen Problemen aufwirft, eine Diskussion. Zum weiten Punkt darf ich Sie bitten, auf die Beantwortung einer verständlichen Frage zu verzichten. Keinesfalls wird die Bundesregierung den Wunsch haben, den Anschein zu erwecken, als ob sie sich 'in die Angelegenheiten der beteiligten Gemeinden ungebührlich einmischen möchte.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, wie sich die Bundesregierung vorstellt, daß eine Ordnung des Bonner Raumes möglich ist, ohne daß man in die Angelegenheiten der beteiligten Gemeinden eingreift.
Die Bundesregierung hat wiederholt und ständig darauf hingewiesen, daß ihr Interesse dahin geht, die Verwaltungsgliederung zweckmäßig und funktionsgerecht zu gestalten. Welcher Weg aus der Sicht der beteiligten Gemeinden im einzelnen der beste ist, ist Sache dieser Gemeinden. Der Bund hat an bestimmten Punkten ein legitimes Interesse; das hat er immer zum Ausdruck gebracht. Er hat es im übrigen aber den beteiligten Gemeinden überlassen, die Entscheidung im einzelnen zu treffen. Dies halte ich für ein angemessenes Verhalten des Bundes gegenüber den Gemeinden.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Dr. Hofmann.
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6796 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Herr Staatssekretär, darf ich Sie auf Grund der Vorfragen des Kollegen Dorn fragen, ob Ihnen entgangen ist, daß der Bund in seinem Haushalt schon erhebliche Mittel für die Stadt Bonn bereitgestellt hat und bereitstellt, eben wegen der Sonderbelastung dieses Raumes.
Das ist mir, Herr Kollege Hofmann, natürlich keineswegs entgangen. Ich bitte, es auf meine Bescheidenheit zurückzuführen, daß ich das hier nicht im einzelnen dargelegt habe.
Ich rufe die Frage 87 des Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Wie groß ist zur Zeit die Lagerungskapazität für Treibstoff zur Gewährleistung des Notstandsprogramms?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Das Notstandsprogramm sieht eine Lagerung von Treibstoff nicht vor. Im Notstandsfall müßte auf die friedensmäßige Bevorratung von Treibstoff zurückgegriffen werden, wie sie das Gesetz über Mindestvorräte an Erdölerzeugnissen vom 9. September 1965 vorsieht. Über die nach diesem Gesetz gegenwärtig zu haltenden Pflichtbestände wird Sie, wie ich annehme, der Herr Parlamentarische Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Beantwortung der Frage 102 unterrichten.
Ich rufe dann die Frage 88 des Abgeordneten Ollesch auf:
Warum hat die Bundesregierung den Bericht über Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerung an bestehenden Anlagen und Einrichtungen, bei denen durch Kampfeinwirkungen erhebliche mittelbare Gefahren für die Umgebung auftreten, noch nicht vorgelegt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Ich beantworte diese Frage im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft wie folgt.
§ 28 des Schutzbaugesetzes sah die Neuerrichtung von Anlagen und Einrichtungen, bei denen durch Kampfeinwirkungen erhebliche mittelbare Gefahren für die Umgebung auftreten, vor, daß geeignete bauliche Vorkehrungen gegen mittelbare Gefahren zu treffen sind. Durch das Haushaltssicherungsgesetz vom 20. Dezember 1965 wurde das Inkrafttreten der Bestimmung über baulichen Betriebsschutz hinausgeschoben. Die weitere Entwicklung des Schutzbaugesetzes zeigte, daß der bauliche Betriebsschutz, insbesondere der Schutz gegen mittelbare Gefahren, aus Haushaltsgründen in der ursprünglich vorgesehenen Form nicht zu verwirklichen ist. Das Bundeswirtschaftsministerium hat daher davon abgesehen, die sehr kostspieligen Untersuchungen in dieser Angelegenheit fortzuführen.
Keine Zusatzfrage? —
Die Frage 89 soll vom Bundesminister für Arbeit beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 90 des Herrn Abgeordneten Ollesch:
Warum hat die Bundesregierung noch nicht eine Gesamtkonzeption auf dem Gebiet der zivilen Verteidigung vorgelegt und ihr Mindestprogramm bekanntgegeben?
Die Bundesregierung ist bestrebt, dem Hohen Hause so bald wie möglich einen Bericht über die Gesamtkonzeption der zivilen Verteidigung vorzulegen. Dieser Bericht wird auch eine Darstellung des in Angriff genommenen Mindestprogramms in seiner finanziellen Auswirkung bis 1971 enthalten. Der Bericht läge bereits vor, wenn nicht die mehrfachen Haushaltskürzungen der letzten Monate zu wiederholten Umplanungen und Änderungen des Entwurfs gezwungen hätten. Von einem ursprünglich vorgesehenen jährlichen Gesamtansatz der zivilen Verteidigung in Höhe von 650 Millionen DM sind schließlich nur 450 Millionen DM übriggeblieben. Kürzungen dieses Ausmaßes können nicht im Rahmen einer linearen Reduzierung der einzelnen Titel aufgefangen werden; sie machen vielmehr eine von Grund auf neue Planung erforderlich, die auf viele dringliche Vorhaben verzichten muß, um wenigstens die dringlichsten durchführen zu können. Das erfordert, wofür ich Sie um Verständnis bitte, vor allem auch Zeit.
Wesentliche Teile unserer Konzeption lassen sich jedoch schon den Gesetzentwürfen entnehmen, die vor vier Wochen vom Bundeskabinett beschlossen worden sind. Das gilt vor allem für die Absichten im Bereich der örtlichen und überörtlichen Hilfskräfte und des Selbstschutzes, aber auch für unsere. Vorstellungen über die Deckung des personellen Kräftebedarfs. Offengeblieben ist allerdings die Frage des Schutzbaues. Daß hier ein Schwerpunkt des Zivilschutzes liegt, hat das Bundeskabinett schon am 19. Januar dieses Jahres ausdrücklich festgestellt. Der Herr Bundesminister des Innern hat dies in der Pressekonferenz am 20. Oktober dieses Jahres nochmals bestätigt.
Die Bundesregierung sieht sich wegen dieser noch schwebenden Frage zur Zeit noch nicht in der Lage, den Gesamtbericht über die Konzeption der zivilen Verteidigung vorzulegen; denn ohne Ausführungen über das Kernstück des Zivilschutzes wäre dieser Bericht unvollständig. Ich habe jedoch die Hoffnung, daß die Frage des Schutzbaues recht bald geklärt sein wird. Dann wäre auch die Voraussetzung für die Vorlage des erbetenen Berichts gegeben.
Herr Ollesch!
Herr Staatssekretär, Sie führten eingangs aus, daß wegen der Haushaltskürzungen und wegen der Tatsache, daß die Höhe der Mittel nicht feststeht, die Bundesregierung nicht in der Lage sei, den Bericht vorzulegen. Nachdem aber für einen längeren Zeitraum die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel im Rahmen der mittelfristi-
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Olleschgen Finanzplanung feststeht, wäre es doch nunmehr möglich, alsbald einen solchen Bericht zu erstellen. Können Sie den ungefähren Zeitpunkt angeben, bis zu dem der Bericht dem Bundestag zugeleitet werden könnte?
Voraussetzung, Herr Kollege Ollesch, ist, wie ich bereits sagte, die Verabschiedung des Schutzbaugesetzes durch das Bundeskabinett, von der ich hoffe, daß sie bald erfolgen wird. Wenn diese Voraussetzung, die ich für einen elementaren Bestandteil des Berichts halte, gegeben ist, wird die Bundesregierung in der Lage sein, alsbald in sehr naher Zukunft den Bericht vorzulegen.
Darf ich fragen, ob das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vertreten ist? — Das ist 'offenbar nicht der Fall. Dann kann ich die Fragen, die in dieses Ressort fallen, aber unter dem Ressort des Innenministers aufgeführt sind, jetzt nicht aufrufen. Das gilt für die Frage 91 des Abgeordneten Schmidt , nicht aber für die nächste Frage.
Ich rufe daher die Frage 92 des Abgeordneten Dr. Bucher auf:
Warum hat die Bundesregierung den zum 1. Oktober 1967 fällig gewordenen Bericht über die Konzentration und Meinungsfreiheit im deutschen Pressewesen noch nicht vorgelegt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Pressekommission sollte nach übereinstimmendem Wunsch des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung tunlichst zum 1. Oktober 1967 einen ersten Bericht vorlegen, der vor allem Vorschläge für Soforthilfemaßnahmen zugunsten wirtschaftlich gefährdeter Presseunternehmen enthalten sollte. Am 14. September 1967 hat die Pressekommission ihre Empfehlungen für Sofortmaßnahmen und am 13. November 1967 ihren ersten Bericht der Bundesregierung vorgelegt. Dieser Bericht ist also vor zwei Tagen vorgelegt worden, Herr Kollege Dr. Bucher.
Die Empfehlungen haben zum Teil erhebliche steuer-, wirtschafts- und sozialpolitische Auswirkungen. Sie bedürfen deshalb sorgfältiger Prüfung durch die beteiligten Ressorts der Bundesregierung. Nach Abschluß dieser Prüfung wird die Bundesregierung — voraussichtlich in der ersten Dezemberhälfte — ihre Stellungnahme zu den Empfehlungen der Pressekommission dem Bundestag zuleiten.
Herr Bucher!
Nachdem, Herr Staatssekretär, in dem Beschluß des Bundestages, der die Bundesregierung auffordert, den Bericht vorzulegen, das Wort „tunlichst" nicht enthalten ist, wäre es dann nicht angebracht, daß die Bundesregierung den Bundestag von einem solchen Sachverhalt unterrichtet, damit man weiß, weshalb eine Verzögerung eintritt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Man kann in der Tat der Meinung sein, daß dieses tunlich oder vielleicht sogar tunlichst wäre, Herr Kollege Dr. Bucher. Ich bitte aber, mit zu verstehen, daß es sich um die Arbeit einer von der Bundesregierung eingesetzten, aber nach den Persönlichkeiten unabhängigen Kommission handelt, die nach dem Urteil der Bundesregierung sehr intensiv und sehr konzentriert gearbeitet haben. Aber natürlich ist die Bundesregierung aus verständlichen Gründen nicht in der Lage, einer solchen Kommission nun einen genauen Zeitplan beinahe im Sinne eines Ultimatums nahezulegen. Dies ist der Gesichtspunkt, der zu der bisherigen Verzögerung geführt hat, von der ich glaube, daß sie die Vorlage dieser Materie an das Hohe Haus nicht ungebührlich oder untunlich verzögern wird.
Herr Schmitt-Vockenhausen!
Herr Staatssekretär, erinnern Sie sich, daß in der Debatte Anfang Oktober, als über die Fragen der Pressekonzentration gesprochen wurde, schon zum Ausdruck gebracht wurde, daß sich die Vorlage des Berichts im Hinblick auf die Begründung der Kommission, die damals noch ausstand, verzögern würde?
Ich erinnere mich in der Tat daran, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Kubitza auf:
Warum hat die Bundesregierung den zum 30. September 1967 fällig gewesenen Bericht über die Gesamtfinanzierung der Olympischen Spiele 1972 in München noch nicht vorgelegt?
Sie wissen, Herr Kollege, daß der Bundesminister des Innern dem Hohen Hause am 5. Mai 1967 einen Bericht über die Gesamtfinanzierung der Olympischen Spiele 1972 vorgelegt und ihn in der Sitzung des Innenausschusses am 22. Juni 1967 erläutert und ergänzt hat. In diesem Bericht ist bereits festgestellt worden, daß der Zeitpunkt zu früh sei, um abschließende Aussagen zuzulassen. Dies gilt auch heute noch. Die ersten Maßnahmen, mit denen für die Finanzierung der Spiele eigene Einnahmen erschlossen werden sollten — die Olympia-Lotterie, der Verkauf der offiziellen Gedenkmedaillen —, sind erst im Oktober angelaufen. Über den gegenwärtigen Stand der Maßnahmen zur Finanzierung der Olympischen Spiele 1972 hat der Finanzausschuß des Organisationskomitees am
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6798 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Benda20. Oktober 1967 beraten. Der Schatzmeister des Komitees und Vorsitzende des Ausschusses, Staatsminister a. D. Präsident Dr. Eberhard, gab einen Gesamtüberblick. Er bestätigte, daß die Finanzplanung sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite noch weitgehend offen ist. Die Niederschrift dieser Sitzung liegt dem Bundesinnenministerium noch nicht vor. Ihr Eingang und einige andere Verhandlungen, die in Kürze bevorstehen, werden es mir ermöglichen, wenigstens auf Teilgebieten konkrete Informationen zu geben.Aus diesem Grunde wurde der zweite Bericht kurzfristig zurückgestellt. Das Bundesministerium des Innern hofft jedoch, dem Hohen Hause einen Bericht Anfang nächsten Monats erstatten zu können.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Gleissner.
Herr Staatssekretär, bezugnehmend auf den Bericht, daß Olympiade-Ausgaben und -Einnahmen offen sind, frage ich: wird die Bundesregierung darauf sehen, und ist sie in der Lage, darauf zu achten, daß die Kosten für die Olympischen Spiele, die beschlossen wurden, in .einem Rahmen bleiben, der möglich ist und der bereits abgesteckt ist?
Ja, selbstverständlich, Herr Kollege, ich hoffe das.
Jetzt kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Frage 3 stellt der Abgeordnete Schwabe:
Warum sind die Einwurfschlitze der Postbriefkästen so klein, daß man weder größere Geschäftsbriefe noch z. B. Sendungen mit Filmrollen einstecken kann?
Herr Minister!
Aus Sicherheitsgründen dürfen die Einwurfschlitze der Briefkästen eine bestimmte Größe nicht überschreiten. Die Größe der Einwurföffnungen an Briefkästen ist im Laufe der Jahre bis an die oberste, im Hinblick auf die Sicherheit der Postsendungen noch vertretbare Grenze erweitert worden. Dies geschah nicht zuletzt im Hinblick auf den wichtigen Versand von Blutproben und anderem medizinischem Untersuchungsmaterial.
Bei Wandbriefkästen .beträgt die Höhe des Einwurfschlitzes 35 mm und die Breite 250 mm. Für Säulenbriefkästen konnte sogar eine Schlitzhöhe von 42 mm zugelassen werden.. Somit können in Wandbriefkästen großflächige Umschläge vom Format DIN C 4 oder Filmbüchsen mit nicht mehr als 33 mm Außendurchmesser und in Säulenbriefkästen sogar Briefe vom Format DIN B 4 (250 X 353 mm) oder dickere Filmbüchsen eingeworfen werden. Eine weitere Vergrößerung der Einwurföffnungen von Briefkästen ist nicht möglich, weil -dann nicht mehr verhindert werden könnte, daß jemand in den Briefkasten hineinfaßt und Briefsendungen entwendet.
Herr Schwabe!
Wenn ich mir auch auf Grund der Gefahr, die Sie angedeutet haben. die Frage unterdrücke, ob schon jemand hineingefallen sei,
möchte ich Sie aber doch fragen: Haben Sie denn in Ihrem Geschäftsbereich nicht festgestellt, daß immer wieder über diese Normalbriefkästen — die anderen gibt es gar nicht überall — geklagt wird, und haben Sie nicht wenigstens versucht, an den Postämtern stationär größere Einwurfmöglichkeiten schaffen zu lassen?
Solche Überlegungen wurden angestellt. Ich muß dabei feststellen, daß eine gewisse Vergrößerung — bei 110 000 Stück wären 35 000 Stück abzuändern — einen Betrag von 400 000 DM erfordern würde. Im übrigen hat das Posttechnische Zentralamt bereits seit einigen Jahren im Benehmen mit Firmen auch der Filmindustrie, der Filmhersteller geprüft, ob die Filmbüchsen anders gestaltet werden können. Darüber sind die Untersuchungen noch im Gange.
Herr Schwabe!
Hat sich die Bundespost einmal mit dem größten Postabfertiger, dem Generalpostmeister der Vereinigten Staaten, ins Benehmen gesetzt, ob in diesem Lande, in dem ja da und dort zwangsläufig eine gewisse Kriminalität gegeben ist, diese großen Briefkästeneinwurfschlitze wirklich eine solche Gefahr bedeuten?
Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich will das gerne prüfen und Ihnen Bescheid geben.
Frage 4 des Abgeordneten Peiter:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, den Postreisedienst der Deutschen Bundesbahn zu übertragen?
Bitte, Herr Bundesminister!
Ihre Anfrage steht im Zusammenhang mit dem Gutachten der Deutschen Revisions-und Treuhand-AG über Möglichkeiten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Omnibusbetrieb der Deutschen Bundespost und der Deutschen Bundesbahn. Dieses Gutachten liegt dem Bundeskabinett noch nicht vor. Im jetzigen Zeitpunkt ist daher weder eine Stellungnahme zum Inhalt des Gutachtens noch eine Erklärung zu den Absichten der Bundesregierung in dieser Angelegenheit möglich.Ich darf aber zu Ihrer Information darauf hinweisen, daß der Postverwaltungsrat bei der von Ihnen angesprochenen Frage ein gewichtiges Wort mitzusprechen hat. Am 9. November faßte der Post-
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Bundesminister Dr. Dollingerverwaltungsrat in seiner 8. Sitzung zu diesem Fragenkomplex eine Entschließung, die ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zur Kenntnis bringen darf. Der Wortlaut dieser Entschließung lautet:Zu der in Prüfung befindlichen Frage der Zusammenführung von Postreisedienst und Bahnbusdienst in einer Hand sind in den letzten Wochen und Tagen in der Öffentlichkeit Stellungnahmen abgegeben worden, die sich voreilig und einseitig für eine Vereinigung dieser Dienste bei der Deutschen Bundesbahn aussprechen.Der Postverwaltungsrat muß angesichts dieser Stellungnahmen, aber auch mit Rücksicht auf seine Verantwortung gegenüber den in diesem Dienstzweig tätigen — ca. 8000 — Angehörigen der Deutschen Bundespost, bei denen verständlicherweise große Unruhe aufgetreten ist, in aller Form darauf hinweisen, daß gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 Postverwaltungsgesetz allein der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost für die Aufgabe von Dienstzweigen zuständig ist.Kraft dieser Rechtslage ersucht der Postverwaltungsrat hiermit den Herrn Bundespostminister,1. alle Beteiligten unmißverständlich auf dieseZuständigkeitsregelung hinzuweisen und2. das zu dieser Frage erstattete Gutachten derTreuarbeit unverzüglich dem Postverwaltungsrat vorzulegen.Der Postverwaltungsrat beschließt ferner:a) das Gutachten wird unverzüglich nach Eingang dem Arbeitsausschuß überwiesen,b) der Dringlichkeit wegen wird nach Abschluß der Beratungen im Arbeitsausschuß eine Sondersitzung anberaumt.
Herr Dröscher!
Herr Minister, würden Sie bereit sein, in bezug auf diesen. Sachverhalt Ihren nachgeordneten Dienststellen eine Information zu geben, damit Protestversammlungen, wie sie schon stattgefunden haben, sich wenigstens auf vorhandenes Material stützen können, das über den Umfang der Absichten und über den heutigen Stand Aufschluß gibt?
Die Protestresolutionen, die uns zugegangen sind, werden beantwortet, und es werden zusätzlich auch Informationen an die Oberpostdirektionen gegeben.
Herr Fritsch!
Herr Minister, wie erklären Sie sich die regionalen, unabhängig voneinander aufgetretenen Vermutungen — sowohl in Bayern wie auch in Rheinland-Pfalz z. B. —, daß der Postreisedienst der Bundesbahn zugeordnet werden solle, wenn, wie Sie hier vor acht Tagen bereits ausgeführt haben, das Gutachten der Revisions- und Treuhand-AG noch nicht feststeht und Sie sich außerstande sehen, in so wichtigen Fragen irgendwelche Auskünfte über die Ergebnisse dieses Gutachtens zu geben?
Herr Kollege, es ist wohl allenthalben bekannt, daß gewisse Dinge, wenn ein größerer Personenkreis damit vertraut ist, nicht mehr geheimgehalten werden können und daß damit auch die Öffentlichkeit Bruchstücke davon erfährt und Kombinationen anstellt. Aber ich kann keine Stellung nehmen zu einem Gutachten, das mir nicht vorliegt.
Herr Fritsch!
Herr Minister, würde es nicht angesichts der Unruhe, die bei Bediensteten des Postreisedienstes aufgetreten ist, zweckmäßig erscheinen, etwas gegen diese Vermutungen zu tun und ihnen nicht weiterhin Raum zu lassen?
Ich kann nichts anderes erklären, als was ich hier gesagt habe. Ich glaube, der Postverwaltungsrat, der ja für die Aufhebung von Dienstzweigen zuständig ist, hat mit seiner Erklärung sehr klar herausgearbeitet, daß an die Beschäftigten und deren Sorgen und Nöte gedacht ist.
Herr Josten!
Herr Minister, können Sie eine gegenüber der Beantwortung der gleichen Frage in der letzten Woche wesentliche neue Mitteilung machen?
Herr Kollege Josten, die wesentliche neue Mitteilung, die ich heute gemacht habe, war die Bekanntgabe der Stellungnahme des Postverwaltungsrats.
Noch eine Frage.
Eine weitere Änderung, Herr Minister — das kann ich daraus entnehmen — hat sich inzwischen nicht ergeben?
Das Gutachten ist bei mir bis zur Stunde noch nicht eingetroffen.
Herr Schwabe!
Herr Minister, würden Sie in Ihre Überlegungen auch einbeziehen, daß die im letzten Jahr angeordnete Verdoppelung der Gepäckbeförderungsgebühr im gebrochenen Verkehr — Schiene auf Postomnibus — es sehr vielen Leuten
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Schwabenaheliegend und konsequent erscheinen läßt, den gebrochenen Verkehr abzuschaffen und die Busse in die Bahn einzubeziehen, wobei man erhebliches Geld spart, weil man dann für den gebrochenen Verkehr nicht so sehr viel mehr zahlen muß?
Herr Kollege, das ist eine Detailfrage, die ich nicht beantworten kann, weil ich nicht weiß, ob sie in dem Gutachten behandelt wird.
Die Fragen aus diesem Geschäftsbereich sind beantwortet.
Darf ich nunmehr eine Frage einschalten, die der Herr Staatssekretär Benda für das Bundesministerium des Innern noch beantworten wird. Ich rufe die Frage 89 des Herrn Abgeordneten Graaff auf:
Warum hat die Bundesregierung den Bericht über die Ergebnisse und Erfahrungen des ersten Lehrgangs zur Ausbildung von deutschen Beamten für internationale Aufgaben noch nicht vorgelegt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Der erste Lehrgang zur Ausbildung von deutschen Beamten für internationale Aufgaben war der erste Versuch der Bundesregierung, Nachwuchskräfte auf eine Verwendung bei internationalen und europäischen Organisationen vorzubereiten. Gewisse Anlaufschwierigkeiten und Mängel hinsichtlich Programmgestaltung, Didaktik und Veranstaltungsform waren dabei angesichts der verhältnismäßig kurzen Vorbereitungszeit unvermeidbar. Der einjährige Lehrgang endete am 31. März 1967. Die für die Gesamtbeurteilung wichtigen Erfahrungs- und Leistungsberichte der Lehrgangsteilnehmer, der Dozenten und der Organisationen, bei denen die Teilnehmer das Praktikum ableisteten, lagen vollzählig erst im Sommer dieses Jahres vor. Zu diesem Zeitpunkt war der zweite Lehrgang für internationale Aufgaben bereits angelaufen und in seinem wissenschaftlich-theoretischen Teil fast beendet. Es erschien daher zweckmäßig, den dem Hohen Hause vorzulegenden Bericht bis zum Abschluß des zweiten Lehrgangs zurückzustellen, um dann die in beiden Lehrgängen gesammelten Erfahrungen darzustellen und zugleich die Fortentwicklung und Verbesserung der Fortbildungsmaßnahmen aufzeigen zu können.
Nun rufe ich auf die Frage des Abgeordneten Porsch aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau:
Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Reform des Rechts der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vorlegen, zu dessen Verabschiedung sie vom Deutschen Bundestag am 30. Juni 1965 aufgefordert wurde?
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten. Die vom Deutschen Bundestag am Ende der letzten Legislaturperiode gewünschte Reform betreffend die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen gestaltet sich außerordentlich schwierig. Sie hat sich vor allem deswegen verzögert, weil sich zahlreiche rechtliche, wirtschaftliche, steuerliche und soziale Probleme stellen. Die gesamte Wohnungswirtschaft befindet sich gegenwärtig in einer Periode des Übergangs. Eine allgemeine Reform muß jedoch auf Dauer angelegt sein, wenn sie die weitere Zukunft der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft bestimmen soll. Sie muß insbesondere auch die Verhältnisse am künftigen Wohnungsmarkt auf die Bedingungen der künftigen Wohnungsbaufinanzierung und nicht zuletzt auch auf die neuen städtebaulichen Aufgaben, die uns in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen werden, ausrichten.
Wie vielschichtig und schwierig die mit einer Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes zusammenhängenden Probleme sind, ergibt sich aus den Referaten und Diskussionsbeiträgen eines Sachverständigenbeirates meines Hauses, die jetzt in der Schriftenreihe des Ministeriums veröffentlicht worden sind. Ich werde mir erlauben, den Mitgliedern des federführenden 9. Bundestagsausschusses je ein Exemplar dieser Veröffentlichung zu überreichen. Darüber hinaus sind Sachverständige der Länder unter Beteiligung von Mitarbeitern meines Ministeriums ebenfalls mit der Reform befaßt.
Die Reform des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes ist von meinem Hause für den Katalog der Gesetzesvorlagen angemeldet worden, die noch in dieser Legislaturperiode vom Kabinett verabschiedet werden sollen. Dieser Katalog wird zur Zeit wegen der Überlastung der gesetzgebenden Körperschaften durch eine Kommission des Kabinetts auf die Dringlichkeit der einzelnen Vorlagen überprüft.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Ertl auf:
Warum hat die Bundesregierung den Bericht über den Umfang der Fortsetzung des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes noch nicht vorgelegt?
Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat es wegen der politischen und menschlichen Bedeutung des Suchdienstes für notwendig gehalten, zunächst den Herrn Präsidenten des Bundesrechnungshofs als Beauftragten der Bundesregierung für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung um eine Untersuchung über die vom Suchdienst in den letzten Jahren erzielten Erfolge und zugleich um eine gutachtliche Stellungnahme darüber zu bitten, ob und in welchem Umfange der Suchdienst im Interesse der weiteren Schicksalsklärung der im Zusammenhang mit den Ereignissen des zweiten Weltkrieges noch vermißten Personen fortgesetzt werden sollte.
Die Untersuchung konnte erst Mitte 1966 abgeschlossen werden. In der gutachtlichen Stellungnahme zu den Ergebnissen kommt der Herr Präsident
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Bundesminister von Hassel
des Bundesrechnungshofs als Beauftragter der Bundesregierung für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu dem Schluß, daß auch in Zukunft noch mit nicht unerheblichen Folgen bei der Schicksalsklärung zu rechnen ist und deshalb die Suchdienstarbeiten für die nächsten Jahre im bisherigen Umfange fortgesetzt werden sollten.
Die Bundesregierung stimmt mit dieser Auffassung weitgehend überein. Sie würde es sogar für wünschenswert halten, wenn der Suchdienst in dem bisherigen Umfange noch bis zum Jahre 1972 fortgeführt werden könnte. Die Frage, ob dies möglich sein wird, ist jedoch davon abhängig, ob die dafür erforderlichen Mittel im Rahmen der Finanzplanung des Bundes bis 1971 bereitgestellt werden können.
Die Fortsetzung der Suchdienstarbeiten in dem bisherigen Umfang erfordert jährlich rund 6 Millionen DM. Ein entsprechender Betrag ist im Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1967 ausgewiesen und auch im Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 eingestellt. Ungeklärt ist dagegen noch, ob auch die ab 1969 in gleicher Höhe für erforderlich gehaltenen Mittel im Rahmen der in der Finanzplanung des Bundes ausgewiesenen Ausgabenplafonds verfügbar gemacht werden können. Die positive Entscheidung darüber ist jedoch nunmehr in Kürze zu erwarten.
Es war die Absicht der Bundesregierung, dem Bundestag den von ihm angeforderten Bericht erst dann vorzulegen, wenn auch über die Bereitstellung der für die Fortführung der Suchdienstarbeiten bis 1971 erforderlichen Mittel verbindlich entschieden ist. Dafür, daß diese Entscheidung wegen der besonderen Finanzsituation des Bundes bislang noch nicht getroffen werden konnte und sich dadurch die Vorlage des Berichtes über Gebühr hinausgezögert hat, bittet die Bundesregierung um Ihr Verständnis.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Jung auf:
Warum hat die Bundesregierung die Vorschläge zur Finanzierung des Ausbauplans zur Förderung der Wissenschafts-
und Bildungspolitik und über Form und Umfang neuer Hochschulen noch nicht vorgelegt?
Bitte, Herr Bundesminister!
Ein Ausbauplan zur Förderung der Wissenschafts- und Bildungspolitik und über Form und Umfang neuer Hochschulen ist der Bundesregierung nicht bekannt. Beabsichtigt ist vielmehr die Ausarbeitung eines Gesamtplans für die Förderung der Wissenschaft. Daran arbeitet der Wissenschaftsrat zur Zeit. Mit dem Programm zur Förderung der Weltraumforschung, dem deutschen Atomprogramm und den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der Hochschulen bis zum Jahre 1970 sind wesentliche Teile dieses Gesamtplans vorgelegt. Außerdem wird das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zur Förderung von Wissenschaft und Forschung in Kürze offiziell verlängert werden. Über die Finanzierung neuer Hochschulen haben die Länder am 4. Juni 1964
ein Abkommen ohne Beteiligung des Bundes an den Verhandlungen abgeschlossen. Der Bund hat seine finanzielle Beteiligung angeboten. Hierüber wird seit einiger Zeit verhandelt.
Herr Jung!
Herr Minister, Sie haben soeben erklärt, daß der Bundesregierung dieser Antrag nicht bekannt sei. Darf ich Sie darauf hinweisen, daß dieser Antrag am 10. Februar 1966 mit der Drucksache V/239 gestellt wurde.
Ich glaube, man muß einen Unterschied machen zwischen dem Auftrag des Bundestages an die Bundesregierung, im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Möglichkeiten an der Ausarbeitung eines solchen Plans mitzuwirken, und der Frage, ob ein solcher Plan vorliegt. Ein solcher Gesamtplan wird nach den verfassungsmäßigen Zuständigkeiten für die Bereiche der Wissenschaftsförderung und der Bildungsförderung getrennt vorgelegt. Für den Bereich der Bildungsförderung liegt die Zuständigkeit ausschließlich bei den Ländern.
Keine weitere Frage, Herr Jung? —
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Jung auf:
Warum hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf über die Förderung der wissenschaftlichen Forschung nach Artikel 74 Nr. 13 des Grundgesetzes noch nicht vorgelegt?
Bei der dynamischen Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung haben sich neue Formen der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft entwickelt. Hierbei kann der einstweilige Verzicht auf gesetzliche Regelungen einer praktikablen und wirkungsvollen Forschungsförderung zugute kommen.
Ferner legte es die verfassungsrechtliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern nahe, pragmatische Formen des kooperativen Handelns zu entwickeln, als welche sich namentlich Verwaltungsvereinbarungen und gemeinsame Bund-Länder-Einrichtungen wie der Wissenschaftsrat bewährt haben.
Zur Zeit sind weite Gebiete der Forschungsförderung, insbesondere die naturwissenschaftliche Großforschung und der Hochschulbau, Gegenstand der Verhandlungen über die Reform der Finanzverfassung. Aus diesem Grunde sollte nach Auffassung der Bundesregierung ein Forschungsförderungsgesetz erst nach Verwirklichung der Finanzverfassungsreform in Betracht gezogen werden.
Herr Jung!
Herr Minister, wäre nicht die Beratung über die mittelfristige Finanzplanung Anlaß gewesen, einen entsprechenden Gesetzentwurf ebenfalls vorzulegen bzw. in die Diskussion mit einzuschalten?
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6802 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Ich glaube nicht, daß dies der Fall ist. Ich halte den Weg für richtig, zunächst auf der Grundlage des Gutachtens der Finanzkommission, der sogenannten Troeger-Kommission, das Gesetzgebungsverfahren zur Finanzverfassungsreform einzuleiten und die Reform von Bundestag und Bundesrat beschließen zu lassen. Wenn die gesetzgebenden Körperschaften ihre Entscheidungen über die Neuregelung der Finanzbeziehungen und der Zuständigkeiten getroffen haben, ist eine klare Basis da, um dem Problem eines Forschungsförderungsgesetzes näherzutreten.
Frau Freyh!
Herr Minister, spricht nicht die augenblickliche Handhabung der Forschungsförderung dafür, daß es sich hier um Probleme handelt, die offensichtlich von den Ländern in Einzelgesetzen nicht geregelt werden können?
Aus diesem Grunde strebt die Bundesregierung in Übereinstimmung mit dem Gutachten der Finanzkommission eine grundlegende verfassungsrechtliche Neuregelung an. Aber diese verfassungsrechtliche Neuregelung, vor allem durch die Verwirklichung des Prinzips der Gemeinschaftsaufgaben beim Ausbau der Hochschulen und bei der Förderung der Forschung, ist gerade die Voraussetzung dafür, daß wir die Aufgabe eines wirkungsvollen, sinnvollen Förderungsgesetzes regeln können.
Frau Freyh!
Herr Minister, wie weit sind die Vorgespräche mit den Ländern gediehen, um in der von Ihnen angedeuteten Richtung zu einer Übereinkunft zu gelangen?
Über die Frage der Finanzverfassungsreform, die aus den genannten Gründen zeitlich und sachlich vorher geregelt werden muß, finden jetzt bekanntlich regelmäßige Besprechungen der sogenannten Bundeskommission bzw. Bund-Länder-Kommission unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers unter Beteiligung der Ministerpräsidenten statt. Darüber hinaus sind Arbeitsausschüsse eingesetzt, die Einzelfragen behandeln. Die Bund-Länder-Gespräche über ein eventuelles Forschungsförderungsgesetz werden erst dann sinnvoll geführt werden können, wenn diese verfassungspolitische Vorentscheidung getroffen ist.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen.
Die Frage 55 stellt der Abgeordnete Peiter:
Sieht der Bundesgesundheitsminister eine Möglichkeit, auf den Bundesverteidigungsminister einzuwirken, daß künftig
Tiefflüge von Düsenflugzeugen über deutschen Heilbädern im Interesse der dort Erholung und Genesung Suchenden unterbleiben?
Bitte, Frau Ministerin, wollen Sie antworten.
Über die Frage, wie Kur- und Badeorte möglichst weitgehend vor dem Lärm tieffliegender Luftfahrzeuge geschützt werden können, verhandelt mein Haus schon seit geraumer Zeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung. Wir haben dem Bundesminister der Verteidigung — nach Rückfrage bei den Ländern — die Orte genannt, die vom Überfliegen ausgenommen werden sollten. Die Verhandlungen hierüber sind zwar noch nicht abgeschlossen. Doch hat mir der Herr Bundesminister der Verteidigung bereits mitgeteilt, daß die von mir benannten Orte, soweit sie in Tieffluggebieten liegen, in die Tiefflugkarte eingetragen werden und die Flugzeugführer Anweisung erhalten, diese Orte nach Möglichkeit nicht zu überfliegen.
Herr Abgeordneter Peiter!
Frau Minister, können Sie die Namen der Orte sagen, die Sie angegeben haben?
Herr Kollege Peiter, das sind 235 Orte. Die sind in eine Flugkarte eingetragen worden.
Herr Peiter!
ist die Flugkarte in Ihren Händen, oder können die Abgeordneten die Karte auch einmal sehen oder erhalten?
Ich bin gern bereit, den Abgeordneten, die eine solche Karte einsehen wollen, diese zur Verfügung zu stellen.
Herr Fellermaier!
Frau Minister, besteht nicht, wenn hier 235 Orte ausgespart werden, die Gefahr, daß nach der Devise „Heiliger Florian" verfahren wird, daß dann nämlich andere Städte, die zwar nicht als Bäder klassifiziert sind, in denen es aber vielleicht in konzentriertem Maße Krankenanstalten, Universitätskliniken usw. gibt, zwangsläufig in das Tieffluggebiet mit einbezogen werden müssen oder daß sich der Flugbetrieb in jenen Gebieten durch diese Verlagerung stark erhöht?
Herr Kollege Fellermaier, die günstigste Lösung wäre ohne Zweifel die Einbeziehung der Frage der Militärflüge in das Fluglärmgesetz, das vom Bundestag zur Zeit beraten wird. Abgeordnete
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6803
Bundesminister Frau Strobelhaben ja die Möglichkeit, das in ihren Ausschüssen zu beantragen.
Frage 56 stellt der Abgeordnete Ollesch:
Bis wann beabsichtigt die Bundesregierung, den ersten Bericht über den Stand und die Entwicklung der Luftverunreinigung vorzulegen?
Herr Kollege Ollesch, nach dem Gesetz über Vorsorgemaßnahmen zur Luftreinhaltung aus dem Jahre 1965 hat die Bundesregierung jährlich einen zusammenfassenden Bericht über den Stand und die Entwicklung der Luftverunreinigung vorzulegen. Diese Berichtspflicht beginnt jedoch erst zwei Jahre, nachdem die für die Durchführung erforderlichen Vorschriften erlassen sind. Diese Vorschriften sind noch nicht erlassen; sie sind in der Vorbereitung. Sie setzen zeitraubende wissenschaftliche Untersuchungen und Entwicklungen voraus. Wir haben sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Probestation errichten lassen. Das Ergebnis der Vorarbeiten läßt hoffen, daß wir bis Mitte des nächsten Jahres den Entwurf der Durchführungsvorschriften vorlegen können.
Bei der Beratung des Gesetzes im Deutschen Bundestag und im Bundesrat war man sich durchaus darüber im klaren, daß es bis zur Durchführung des Gesetzes noch eines guten Stückes wissenschaftlicher Vorarbeit bedarf. Ich bin aber gern bereit, dem Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages inzwischen einen detaillierten Bericht über den Stand der Vorarbeiten zu geben.
Herr Ollesch!
Frau Minister, die Luftverunreinigung hat ja in bestimmten Gebieten in der Bundesrepublik in der Vergangenheit nicht zuletzt auch in Wahlkämpfen eine erhebliche Rolle gespielt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Bericht über die Entwicklung und den Stand — —
Herr Ollesch, würden Sie bitte fragen!
Ja, ich frage.
Sie geben Erklärungen ab.
Nein, ich frage.
Sie isollen fragen! Ollesch : Ich frage Sie, Frau Minister, ... Vizepräsident Schoettle: Ja, jetzt kommt sie.
... ob bei ,dem derzeitigen Stand der Luftverunreinigung die erforderlichen Maßnahmen einen so langen Zeitraum in Anspruch nehmen müssen, vor allen Dingen, ob so umfangreiche wissenschaftliche Vorarbeiten notwendig sind, um einen Bericht über den jetzigen Stand zu geben.
Herr Kollege Ollesch, es handelt sich bei diesem Gesetz ja um ein Vorsorgegesetz, und das beruht auf einer neuartigen Konzeption, nämlich auf der Konzeption, daß mit Hilfe von fortlaufend registrierenden Meßgeräten eine Vielzahl luftverunreinigender Stoffe gemessen werden sollen, und zwar — und das ist das besondere daran — gleichzeitig mit den meteorologischen Verhältnissen. Dazu sind neuartige Apparate und auch Erfahrungen über die Reichweite der Stationen erforderlich. Das alles verlangt eben eine gewisse Zeit.
Herr Ollesch!
Sind Sie, Frau Minister, in der Lage — Sie haben sich vorhin bereit erklärt, im Gesundheitsausschuß einen Bericht zu geben —, einen derartigen Bericht vor 1970 vorzulegen?
Herr Kollege Ollesch, das kann ich nicht hundertprozentig mit Ja oder Nein beantworten. Der Bericht wird vorgelegt, so früh dies überhaupt möglich ist.
Herr Jacobi!
Frau Minister, würden Sie bereit sein, in Ihrem Hause dafür Sorge zu tragen, daß die Prüfung der steuerlichen Ungleichbehandlung von Blockheizwerken und Heizkraftwerken möglichst beschleunigt zu Ende geführt wird, damit der Versucht gemacht wird, hier zusätzliche Maßnahmen zur Zurückdämmung der Luftverunreinigung zu treffen?
Herr Jacobi, soweit mein Haus dazu in der Lage ist, gern. Aber aus Ihrer Frage schließe ich, daß daran auch das Finanzministerium beteiligt werden muß.
Das ist richtig, Frau Minister. Es ist das Finanzministerium mitbeteiligt. Aber Ihrem Hause liegt ein Brief vor — —
Sie sollen keine Auskünfte erteilen, Herr Jacobi, sondern allenfalls Fragen stellen. Bitte!
Danke sehr.
Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Reichmann auf:Warum hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf über den Verkehr mit Kosmetika und Vorlage einer Verordnung gemäß § 5 Nr. 1 des Lebensmittelgesetzes noch nicht vorgelegt?
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6804 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Herr Kollege Reichmann, die vom Bundestag mit Entschließung vom 29. April 1964 gewünschte Verordnung über kosmetische Erzeugnisse konnte noch nicht erlassen werden, weil die vorhandenen wissenschaftlichen Unterlagen hierfür noch nicht ausreichen. Dies gilt z. B. für die Stoffe, die als Arzneimittel verschreibungspflichtig ,sind; denn die Bedenklichkeit bei Arzneimitteln beruht in den meisten Fällen darauf, daß sie innerlich eingenommen werden, während bei kosmetischen Erzeug' nissen die Voraussetzungen ja andere sind. Das Bundesgesundheitsamt hat im Jahre 1965 in einer Liste diejenigen Stoffe zusammengestellt, gegen deren Verwendung bei der Herstellung von kosmetischen Erzeugnissen gewisse theoretische Bedenken bestehen. Bei der Diskussion dieser Liste mit den obersten Landesgesundheitsbehörden hat sich aber, wie nicht anders zu erwarten war, 'gezeigt, daß die gesundheitliche Bedenklichkeit der einzelnen Stoffe noch viel zu ungesichert ist, als daß ein allgemeines Verwendungsverbot dieser Stoffe ausgesprochen werden könnte. Ich habe deshalb das Bundesgesundheitsamt beauftragt, eine Kommission zu bilden, in der die für kosmetische Erzeugnisse benötigten wissenschaftlichen Erkenntnisse erarbeitet werden. Auf das Ergebnis der Arbeiten dieser Kommission muß ich warten.
Für das vom Bundestag in derselben Entschließung gewünschte Gesetz über den Verkehr mit kosmetischen Erzeugnissen konnte 'ein Entwurf bisher nicht erstellt werden. Für einen Gesetzentwurf für den Verkehr mit Kosmetika gibt es bis jetzt keine Vorarbeit außer den genannten Vorarbeiten für die Verordnung und die Erörterung im Rahmen der Gesamtreform des Lebensmittelrechts. Die hierfür zuständige Abteilung meines Hauses ist leider — das muß ich ganz offen sagen — personell, gemessen an ihren Aufgaben, unterbesetzt. Dazu kommt die starke Inanspruchnahme durch die EWG. Wir haben beispielsweise für diese Abteilung allein 50 einschlägige Verordnungen und Richtlinien der EWG zu bearbeiten. Das ist die hauptsächliche Ursache dafür, daß das Kosmetikgesetz bis jetzt nicht in Angriff genommen wurde.
Herr Reichmann!
Frau Minister, bis zu welchem Zeitpunkt glauben Sie, daß die Problematik abgeklärt ist und dann die Verordnung erlassen werden kann?
Wenn die Problematik der Fremdstoffe abgeklärt ist, kann die Verordnung erlassen werden. Ich kann Ihnen im Augenblick keinen Zeitpunkt dafür nennen. Die Kommission ist erst von mir eingesetzt worden. Ich weiß, daß das eine unbefriedigende Antwort ist, aber ich kann wissenschaftliche Arbeiten jetzt nicht irgendwie formell begrenzen.
Herr Reichmann!
Frau Minister, war es nicht möglich, diese entscheidende Kommission früher einzusetzen?
Das war erst möglich, nachdem sich die Meinungsverschiedenheiten herausgestellt hatten.
Die Fragen ,aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes werden im Einverständnis mit den Fragestellern schriftlich beantwortet. Es sind dies zunächst die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Dr. Lohmar:Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die für die Öffentlichkeitsarbeit im Inland zur Verfügung stehenden Mittel in einem angemessenen Verhältnis auch der parlamentarischen Opposition zur Verfügung gestellt werden sollten?Die Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 14. November 1967 lautet:Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat nach der Vorbemerkung zu Kapitel 04 03 die Aufgabe, die Politik der Bundesregierung gegenüber den Organen des Nachrichtenwesens zu vertreten und die deutsche Bevölkerung über die politischen Ziele und die Arbeit der Bundesregierung zu unterrichten. Zur Erfüllung dieser Aufgabe stehen im Kapitel 04 03 verschiedene Titelansätze zur Verfügung; in erster Linie Titel 314, der die Bezeichnung Öffentlichkeitsarbeit Inland" trägt. Die Erläuterung zu Titel 314 im Haushaltsplan stellt fest, daß die Mittel der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung dienen. Mittel aus den Titeln des Presse- und Informationsamtes können daher politischen Parteien nicht, also auch nicht der parlamentarischen Opposition, zur Verfügung gestellt werden. Bei dieser Rechtslage ist zu berücksichtigen, daß die Bundesregierung als selbständiges Verfassungsorgan nicht Ausführungsorgan der sie tragenden Parlamentsmehrheit ist, sondern auch in ihrer Öffentlichkeitsarbeit dem Gesamtparlament gegenübersteht.Dann die Fragen 62, 63 und 64 des Herrn Abgeordneten Borm:Trifft es zu, daß die Bundesregierung eine Jubiläumsschrift zum einjährigen Bestehen der Großen Koalition vorbereitet?Wie wird diese in Frage 62 erwähnte Schrift finanziert?Gedenkt die Bundesregierung, im Inhalt dieser in Frage 62 erwähnten Schrift zu berücksichtigen, daß es in der Bundesrepublik immer noch eine Opposition gibt?Die Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 14. November 1967 lautet:1. Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer im Haushaltsplan festgelegten Aufgabe, die Bevölkerung über ihre Arbeit, ihre Ziele und Absichten zu informieren, einen kurz gefaßten Rechenschaftsbericht in Form einer Zeitungsbeilage herausgeben, der sich mit der Tätigkeit der Bundesregierung und ihrer Politik seit Bildung der Großen Koalition befaßt.2. Die Beilage wird aus Mitteln des Titels 314 im Einzelplan des Presse- und Informationsamtes finanziert, nach dessen Erläuterung im Haushaltsplan die Mittel „fur die Unterrichtung der Bevölkerung über das Programm der Bundesregierung, insbesondere auf dem Gebiet der Finanz-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik bestimmt" sind.3. Die Schrift gibt einen Rechenschaftsbericht über die Politik der Bundesregierung seit der Bildung der Großen Koalition. Es ist nicht Aufgabe der vom Presse- und Informationsamt herausgegebenen Veröffentlichungen, die Öffentlichkeit über Absichten und Ziele der im Parlament vertretenen Parteien, also auch der Opposition, zu unterrichten. Nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen hat das Presse- und Informationsamt die Aufgabe, die Politik der Bundesregierung zu vertreten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Bundesregierung ein selbständiges Verfassungsorgan und nicht Ausführungsorgan der sie tragenden Parteien ist; sie steht vielmehr dem Gesamtparlament gegenüber.Die Bundesregieerung muß ihre Politik vor dem Gesamtparlament und gerade auch vor der parlamentarischen Opposition rechtfertigen. Auch diesem Auftrag dient die geplante Veröffentlichung.Damit ist die Fragestunde beendet.Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:a) Große Anfrage der Fraktion der FDPbetr. die Lage der Landwirtschaft— Drucksache V/2099 —
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6805
Vizepräsident Schoettleb) Große Anfrage der Fraktion der SPDbetr. EWG-Marktordnung für Milch und Milchprodukte— Drucksache V/2133 —c) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Erzeugerrichtpreis für Milch— Drucksache V/1967 —d) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Getreidepreisausgleich— Drucksache V/1968 —e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wächter, Dr. Effertz, Logemann, Ertl, Sander, Reichmann, Walter und Genossen und der Fraktion der FDPbetr. Gemeinsame Marktordnung für Milch und Milcherzeugnisse— Drucksache V/2100 —f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Reichmann, Dr. Rutschke, Jung, Mauk, Schultz , Freiherr von Gemmingen und der Fraktion der FDPbetr. EWG-Marktordnung für Rohtabak— Drucksache V/2175 —g) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Erhöhung der Brennrechte bei Kartoffeln— Drucksache V/2193 —Wir kommen zunächst zu den Punkten 2 a und 2 b. Die Anträge, die unter Punkt 2 der Tagesordnung aufgeführt sind, werden während der Aussprache über die beiden Großen Anfragen begründet.Zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP hat das Wort der Herr Abgeordnete Logemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP sah sich zur Einbringung ihrer Großen Anfrage durch die Tatsache veranlaßt, daß sich die Große Koalition, die fast ein Jahr regiert, bisher noch nicht zur Agrarpolitik geäußert hat.
Weder in der Regierungserklärung noch in anderen Aussagen des Bundeskanzlers finden wir Hinweise auf die agrarpolitischen Vorstellungen des Kanzlers, der für die Richtlinien der Politik dieser Regierung die Verantwortung trägt.Dabei hat die deutsche Landwirtschaft nach unserer Auffassung besonderen Anspruch darauf, zu erfahren, was die Bundesregierung agrarpolitisch für die Gegenwart und die Zukunft denkt und plant. Die Landwirte in den sechs Partnerländern der EWG sind als Vorreiter in den Gemeinsamen Markt geschickt worden. Die Harmonisierung anderer Wirtschaftsbereiche wie der Verkehrs-, Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik liegt demgegenüber noch weit zurück. Das gibt den deutschen Bauern in der Endphase des Gemeinsamen Markts das Recht, zu fragen: Wie soll es agrarpolitisch weitergehen?Wir erwarten deshalb, daß die Bundesregierung den von uns gestellten Fragen nicht ausweicht, sondern mit ihren Antworten der deutschen Agrarpolitik wieder Ziel und Richtung gibt. Allein schon, meine Damen und Herren, daß eine Große Anfrage notwendig wurde, zeigt, welche Bedeutung die Bundesregierung ihr bisher zuteil werden ließ. Wir können ihr Schweigen nur negativ werten angesichts der Ausführlichkeit, mit der sie laufend schwierige Probleme in anderen Wirtschaftsbereichen behandelt. Uns drängt sich deshalb die Frage auf: Schweigt der Herr Bundeskanzler, schweigt die Bundesregierung, weil sie agrarpolitisch keine Konzeption hat oder sich nicht auf eine solche einigen kann? Das lange Hinauszögern der Beantwortung unserer Großen Anfrage ist dafür eigentlich schon Beweis.Ich habe mich sehr gefreut, Herr Bundeskanzler, als ich im Sommer von Ihrem Urlaub auf einem Bauernhof am Bodensee erfuhr und Bilder erschienen, die Sie als Erntehelfer zeigten.
Sicherlich war Ihre Erntehilfe, Herr Bundeskanzler, für den betreffenden Bauern sehr nützlich. Aber verstehen Sie bitte, daß alle in der deutschen Landwirtschaft von Ihrer agrarpolitischen Hilfe profitieren möchten.Leider ist das bisher in keiner Weise der Fall. Wir haben vielmehr den Eindruck, meine Damen und Herren, daß diese Große Koalition uns agrarfremde Mehrheiten bescherte und damit zu einer agrarpolitischen Sterilität führt, die in der Geschichte des Deutschen Bundestages als einmalig bezeichnet werden muß und die im krassen Gegensatz zu der agrarpolitischen Aktivität in den Koalitionen zwischen CDU/CSU und FDP steht.
Durch Ihre agrarpolitische Abstinenz, Herr Bundeskanzler, im ersten Jahr Ihrer Regierungszeit wurde unserer Landwirtschaft, durch die Beschleunigung im Gemeinsamen Markt mit bedingt, nicht wiedergutzumachender Schaden zugefügt. Sie kommen, Herr Bundeskanzler, aus dem schönen Land am Bodensee. Das erinnert mich an die Sage von dem Reiter vom Bodensee, der nach einem Ritt über den verschneiten See, als ihm bewußt wurde, in welch tödlicher Gefahr er sich befunden hatte, vor Schreck tot vom Pferd fiel. Ich weiß, Herr Bundeskanzler, daß die deutschen Bauern gute Nerven haben, und hoffe, daß sie nicht tödlich erschrecken, wenn sie eines Tages erkennen, in welch große Gefahr ihre Höfe durch die Regierung der Großen Koalition gebracht wurden.
Die heutige Agrardebatte, meine Damen und Herren, die ich als eine agrarpolitische Bilanz nach der ersten Halbzeit der alljährlichen Agrardebatte zum Grünen Bericht werte, bekommt eine besondere Bedeutung durch die neuesten agrarpolitischen Erklärungen des Vizepräsidenten Mansholt in Agrarrat in Luxemburg und des Herrn Bundesfinanzministers Strauß in diesem Hause, auf die ich noch eingehen werde.
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LogemannDamit darf ich überleiten zur ersten Frage:Welche Aufgaben hat nach Auffassung der Bundesregierung die deutsche Landwirtschaft in der nationalen Volkswirtschaft und in der EWG künftig zu erfüllen?Die Formulierung dieser Frage ist allgemein gehalten und muß konkretisiert werden. Es fehlt dazu, wie gesagt, vom Bundeskanzler noch jegliche Aussage. Dabei muß ich hinzufügen, Herr Bundeskanzler, daß ich Pressemeldungen nach einem Gespräch des Herrn Bundeskanzlers und des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes nicht als agrarpolitisch verbindlich zu werten vermag. Bei den Vorgängern im Amt des jetzigen Bundeskanzlers gab es immer bei Regierungserklärungen und von Zeit zu Zeit Aussagen zur Agrarpolitik. Sie wurden zwar oftmals nicht realisiert,
konnten aber als agrarpolitische Absichtserklärungen der jeweiligen Kabinette angesehen werden.
Bundeskanzler Adenauer — das haben wir noch alle in Erinnerung — verstand es, seine agrarpolitischen Absichten besonders klar zu formulieren.
Ich erinnere beispielsweise an das berühmte Rhöndorfer Paritätsversprechen — 1953 — mit der Feststellung: die landwirtschaftlichen Preise und Löhne müssen in Parität zu den Preisen und Löhnen der gewerblichen Wirtschaft gehalten werden, oder an das Versprechen, die deutsche landwirtschaftliche Produktion müsse bei der Versorgung unserer Bevölkerung mit Nahrung den Vorrang haben. 1955 folgte unter Kanzler Adenauer das Landwirtschaftsgesetz. Die agrarpolitischen Versprechungen des Bundeskanzlers Erhard 1964 vor der Agrarpreisharmonisierung sind noch in frischer Erinnerung.
— Deshalb waren sie auch so gut.
Die einstimmige Verabschiedung des EWG-Anpassungsgesetzes im Bundestag, die Zustimmung der Opposition und der Gesamtbevölkerung gab den Bauern die Hoffnung, im vorzeitig beginnenden Gemeinsamen Markt mit der gemeinsamen Bereitschaft aller zur Unterstützung bestehen zu können. Dabei gebe ich zu, daß es ungerecht wäre, alle agrarpolitischen Schwierigkeiten der Regierung Kiesinger anzulasten.
Unter der Kanzlerschaft Erhards waren die Agrarprobleme auch nicht restlos gelöst.
Aber in der Koalition mit der FDP war Vorsorgefür eine reibungslose Überleitung unserer Landwirtschaft in die EWG getroffen. Die FDP hat in der Opposition und in der Regierungsverantwortung vor den heute deutlich werdenden Schwierigkeiten eines Gemeinsamen Agrarmarktes gewarnt.
Uns war klar, daß gleiche Agrarerzeugerpreise von Sizilien bis zur Nordsee bei Unterschieden in Boden, Klima und Kosten den Landwirten der Partnerländer Probleme der schwierigsten Art bescheren würden und daß dabei die deutsche Landwirtschaft besonders betroffen sein würde. Die FDP bemühte sich deshalb bis zuletzt um die Koordinierung nationaler Marktordnungen und warnte vor EWG-Agrarmarktordnungen.In diesem Zusammenhang muß auf das Verhalten unseres Herrn Bundesfinanzministers Strauß hingewiesen werden. Herr Bundesfinanzminister Strauß war als damaliger CSU-Politiker, als es um den Beginn des Gemeinsamen Marktes ging, ein fanatischer Verfechter der EWG, etwa so nach dem Motto: Wir brauchen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft schneller denn je, koste es was es wolle. Aber heute, wo es nun gilt, als Finanzminister aus dem, was damals beschlossen wurde, die Konsequenzen zu ziehen, hört man von ihm etwas ganz anderes, so daß ich die Befürchtung habe, unser Finanzminister beginnt jetzt schon das Gebäude der EWG von unten her einzureißen, nämlich von der EWG-Agrarmarktfinanzierung her, wobei er in Gefahr kommt, alles zu Fall zu bringen.Unter Bundeskanzler Kiesinger gibt es, wie ich schon ausführte, bisher weder Aussagen noch Taten zur Agrarpolitik. Herr Bundeskanzler, die Enttäuschung darüber in der Landwirtschaft wird von Tag zu Tag größer. Sie wurde zum erstenmal in der Öffentlichkeit deutlich, als Minister Höcherl auf dem Deutschen Bauerntag in München Grüße des Kanzlers übermitteln wollte und dafür statt Beifall Pfiffe und Protest für den Bundeskanzler ernten mußte. Das ist eine Reaktion darauf, Herr Bundeskanzler, daß Sie die Bauern bisher noch nicht zur Kenntnis genommen haben. Die Bauern fühlen sich auch heute noch als fünftes Rad am Wagen und werden künftig weiter entsprechend reagieren.Bei der Eingliederung der Landwirtschaft in die Volkswirtschaft — darauf darf ich jetzt zurückkommen — verlangen die deutschen Bauern keine Sonderrechte, sie verlangen nicht mehr als die Gleichberechtigung. Die enge Verflechtung der modernen Industriegesellschaft mit der modernen Landwirtschaft wird auch in landwirtschaftlichen Kreisen erkannt. Die Landwirtschaft braucht die Kaufkraft der Industriegesellschaft. Wir sind an einer hohen Massenkaufkraft interessiert. Umgekehrt ist die Landwirtschaft mit 21 Milliarden DM Betriebsausgaben jährlich ein wichtiger Partner in dieser Volkswirtschaft. Ich finde, das sollten vor allem auch die deutschen Arbeitnehmer erkennen. Die gesenkten deutschen Getreidepreise und die Kürzung der landwirtschaftlichen Investitionshilfen führten schon im Laufe der letzten Monate zu spürbaren Kaufrückgängen bei der Landmaschinenindustrie und in anderen Bereichen. Hohe Maschinenhalden auf Fabrikhöfen der
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Logemanndeutschen Landmaschinenhersteller sind dafür sichtbare Anzeichen.Ich stimme aber meinem Fraktionskollegen Dr. Menne voll zu, wenn er kürzlich auf einer Tagung der Verbindungsstelle Industrie/Landwirtschaft in Höchst verlangte, daß das gegenseitige Verständnis zwischen Industrie und Landwirtschaft — und ich möchte hinzufügen, auch mit den Gewerkschaften — vertieft werde. Er stellte weiter fest, daß Industrie und Landwirtschaft aufeinander angewiesen seien und verbunden seien .in dem Bekenntnis zu Eigentum und freier, eigenverantwortlicher Unternehmertätigkeit als einem bestimmenden Merkmal unserer Gesellschaftsordnung. Seine weitere Forderung, in der EWG müsse es zu einem Produktionsausgleich zwischen den landwirtschaftlichen Erzeugerkosten in den Partnerländern kommen, wird von der Landwirtschaft sicherlich sehr begrüßt, ebenfalls wird es begrüßt, wenn er dafür die volle Unterstützung der deutschen Industrie ankündigt. Die Einordnung einer gleichberechtigten Landwirtschaft in die Industriegesellschaft bedingt die Einordnung der landwirtschaftlichen Erzeugung in den Nahrungsverbrauch. Die Einfügung des landwirtschaftlichen Produktionsvolumens in die Versorgung unserer Bevölkerung mit Nahrung ist in der Bundesrepublik mit nur zirka 70 % Nahrungsversorgung aus eigener Landwirtschaft einer politischen Willensentscheidung der Regierung unterworfen.Wir bitten Sie deshalb, Herr Bundeskanzler, selber dazu hier etwas zu sagen.Die deutsche Landwirtschaft ist, das möchte ich hinzufügen, wenn sie in Zukunft bestehen will, auf Chancen zur Steigerung ihrer Produktion angewiesen. Nur mit Höchsterträgen und höchster Arbeitsproduktivität in der Bodenproduktion und in der Veredelungswirtschaft sind die Belastungen, die auf der Landwirtschaft ruhen, verkraftbar. Meine Damen und Herren, die 21 Milliarden DM Gesamtverschuldung der deutschen Landwirtschaft und die Investitionen, die zur Rationalisierung unserer Betriebe gemacht worden sind, sind eben nur dann verkraftbar, wenn wir die Chance zur Mehrerzeugung behalten, und vor allem sind Investitionen und Rationalisierung nur dann kostenmindernd, wenn die deutsche Landwirtschaft die Chance zur Mehrproduktion erhält.Dabei unterstellen wir, daß es im Gemeinsamen Markt keine Garantie für deutsche Marktanteile geben kann und eine Produktion für die Intervention, die uns Finanzminister Strauß unterstellt — so ist seinen Ausführungen zu entnehmen — finanziell zu schweren Belastungen führt. Es geht uns vielmehr um eine Erzeugung im Rahmen der Bedarfsdeckung. Wir sehen eine Möglichkeit dazu in der verstärkten Förderung des deutschen Agrarexports. Untersuchungen der FAO ergeben immer wieder, daß in den Entwicklungsländern ein Fünftel der Bevölkerung schlecht ernährt ist, ein Drittel unter Eiweißmangel leidet und mehr als die Hälfte generell mangelhaft ernährt ist. Der stellvertretende Generaldirektor der FAO, Dr. Glesinger, erklärte kürzlich: Neben der Steigerung der Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern komme derNahrungsmittelhilfe weiterhin besondere Bedeutung zu. Die Auswirkungen der seit zwei Jahren herrschenden ausgeprägten Nahrungsmittelknappheit in Indien und Pakistan seien durch die Lieferung von 10 Millionen t Weizen gemildert und damit Millionen Menschen vor dem Hungertode gerettet worden. Nun aber müßten die schrumpfenden Vorratsläger wieder aufgefüllt werden.Eine zweite Möglichkeit, die Produktionschancen auch in der EWG zu steigern, liegt in der Zunahme des Nahrungsverbrauchs. Die Frage dazu: Ist die Bundesregierung bereit, mit den Partnerländern dafür Sorge zu tragen, daß sie den EWG-Landwirten oder auch — das will ich gleich sagen — den Landwirten einer erweiterten EWG reserviert wird? Die ganz entscheidende Frage ist aber: In welchem Umfange bejaht die Bundesregierung die agrarische Selbstversorgung der sechs Partnerländer und eines vergrößerten Gemeinsamen Marktes?In der Frage 2 fragen wir nach der Einfügung unserer Landwirtschaft in die mittelfristige Finanzplanung. Im Haushaltsjahr 1968 soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung eine Kürzung um 500 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr erfolgen. Die nach dem EWG-Anpassungsgesetz fälligen Zahlungen sind, wenn wir hier alles umrechnen, fast völlig eingestellt. Die Kürzung dieser Finanzmittel für die deutsche Landwirtschaft bringt den deutschen Bauern in der Endphase des Gemeinsamen Marktes nicht wiedergutzumachenden Schaden. Dabei waren die jetzt zur Auszahlung kommenden Beträge Voraussetzung für das Ja der deutschen Landwirtschaft zur vorzeitigen Preisharmonisierung in der EWG. Die Nichterfüllung der im EWG-Anpassungsgesetz eingegangenen Verpflichtungen wird von der Landwirtschaft als ein Wortbruch des Kanzlers und seiner Regierung angesehen.
Die Verweigerung der Erfüllung gegebener Versprechen stärkt draußen im Lande das Mißtrauen gegen Parlament und Regierung. Die Bildung einer immer stärker werdenden außerparlamentarischen Opposition auf dem Lande ist in der Tat die Reaktion auf nicht eingehaltene Kanzlerzusagen.Die Einkommenseinbußen der deutschen Landwirtschaft werden dabei noch verstärkt durch von der Regierung nicht genutzte Chancen der Erzeugerpreispolitik. Die Regierung war bisher in keiner Weise bemüht, die Kürzung finanzieller Zuwendungen durch preispolitische Maßnahmen auszugleichen. Ein typisches Beispiel für diese Behauptung ist das Verhalten der Regierung bei der Festsetzung der Agrarpreise, vor allem der Getreidepreise, für das nächste Wirtschaftsjahr. Unter Zugrundelegung des bis zum 1. Juli 1967 gültigen bisherigen deutschen Getreidepreises erleidet die Landwirtschaft durch die Senkung der Getreidepreise in diesem Jahr einen Preisverlust von, alles zusammen gerechnet, rund einer Milliarde DM. Dabei hätte die Bundesregierung die Möglichkeit gehabt, in letzter Zeit den ersten Schritt zur Wiederherstellung des gesenkten nominellen deutschen Getreidepreises in der EWG zu tun. Dazu wären notwendig gewesen erstens die Unterstützung der Beschlüsse des Europäischen Par-
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Logemannlaments und des Deutschen Bundestages auf Anhebung des Getreidepreises und zweitens die Bereitschaft der Bundesregierung, die aus dem EWG- Fonds zu zahlenden 560 Millionen DM für den Ausgleich der deutschen Getreidepreissenkung den Getreideanbauern nach der Getreidefläche zu zahlen.Wir fragen die Bundesregierung: Wann endlich wird sie ihre Vorstellungen zur Auszahlung dieses Betrages bekanntgeben? Die FDP vertritt bekanntlich die Auffassung, daß diese Ausgleichszahlungen den Getreideanbauern nach der Getreidefläche zu leisten sind. Ein entsprechender Antrag liegt dem Parlament vor. Wir lehnen alle Vorstellungen ab, Beträge von dieser Summe für andere Zwecke abzuzweigen. Ich darf hinzufügen, daß uns das schwierige Problem der landwirtschaftlichen Betriebe mit Dauergrünland in der Bundesrepublik durchaus bekannt ist; aber dieses Problem darf nicht irgendwie mit Ausgleichszahlungen für Getreide gelöst werden, sondern dazu kann man andere Vorschläge machen, für die ich jetzt im Rahmen meiner Ausführungen keine Zeit habe. Mit der Berücksichtigung der von mir soeben genannten beiden Forderungen wäre die Bundesregierung in der Lage gewesen, ohne eigene finanzielle Belastungen und ohne Belastung der Verbraucher den bisherigen nominellen deutschen Erzeugerpreis für Getreide wiederherzustellen.Die mit Zustimmung der Bundesregierung jetzt in Luxemburg beschlossenen Getreidepreise, die ja nicht nur von uns kritisiert werden, sondern auch gerade aus Kreisen der CDU-Kollegen eine noch viel schärfere Kritik erfahren, so möchte ich fast sagen, liegen weit unter den von uns gemachten Preisvorschlägen und unter den von Minister Höcherl im Ernährungsausschuß genannten Preisvorstellungen der Bundesregierung selbst. Alle Äußerungen deuten darauf hin, daß die deutschen Vertreter keine Anhebung der Brotgetreidepreise beantragt haben. Mit dem Mut zur Anwendung von Methoden, die z. B. Frankreich mit der „Politik des leeren Stuhles" erfolgreich anwendet, um seine Forderungen durchzusetzen, wäre die Bundesregierung in der Lage gewesen, die vom Bundesrat, vom Europäischen Parlament und von der FDP verlangten Preisvorstellungen zu realisieren. Die deutsche Delegation ging wieder einmal den Weg des geringsten Widerstandes und einigte sich auf Minipreise.
Interessant ist für uns in diesem Zusammenhang das Lob des Bundeswirtschaftsministers Schiller anläßlich der Eröffnung der „Woche des Verbrauchers und der Hausfrau" am 6. November 1967 in Bad Godesberg. Dem Landwirtschaftsminister Höcherl wurde vom Wirtschaftsminister Schiller bescheinigt, daß er sich bei den jüngsten Luxemburger Agrarpreisbeschlüssen darum bemüht habe, den Aufschaukelungsprozeß bei den Agrarpreisen zu bremsen. Höcherl, so versicherte der Wirtschaftsminister, sei eben wie er ein Verbraucherminister. Ich hoffe, Herr Kollege Dr. Schmidt , daß Sie den Wirtschaftsminister Schiller deshalb nichtaus der SPD ausschließen. Ich weiß, daß Sie hier völlig anderer Meinung sind.
Die zweite Preischance, die nicht genutzt wurde, war bei Rindfleisch gegeben. Der deutsche Rindfleischpreis liegt an der untersten Stelle der EWG-Rindfleischpreise. Dabei steht fest, daß die deutschen Erzeugungskosten dafür besonders hoch liegen, bei Bauten z. B. 100 % über denen der Partnerländer. Weiter ist unbestritten, daß bei Rindfleisch noch auf Jahre hinaus ein Bedarf in der EWG vorhanden ist. Auch bei Rindfleisch hätten durch zeitgerechte Interventionen höhere Orientierungspreise und ohne empfindliche Verbraucherbelastungen bessere Erzeugerpreise erreicht werden können.Der in Aussicht gestellte Erzeugerrichtpreis für Milch wird im Jahre 1967 nicht erreicht, sondern wahrscheinlich um 1 bis 2 Pf unterschritten werden. Mit einem Anteil von 28 % der gesamten Verkaufserlöse der deutschen Landwirtschaft kommt der Milcherzeugung besondere Bedeutung zu. Die Milchgelde:innahmen bestimmen den Lohn in den bäuerlichen Familienwirtschaften. Deshalb ist es unverantwortlich, wenn die Bundesregierung zur Entwicklung der deutschen Milcherzeugerpreise keine konkreten Pläne vorlegt, sondern es den Bauern überläßt, sich an den sich laufend widersprechenden Aussagen des Herrn Landwirtschatfsministers zu orientieren. Der Katalog der Widersprüche, Herr Minister, zeigt ein Hin und Her Ihrer Aussagen, das mich an den plattdeutschen Dichter Fritz Reuter und sein Gedicht „De Wedd" erinnert, in dem er den Bäcker Swenn sagen läßt: „Hie geiht'e hen, do geiht'e hen".
Herr Minister, ich bin gern bereit, Ihnen das vom Plattdeutschen ins Hochdeutsche zu übersetzen. Wenn Sie das Gedicht lesen wollen: es steht in dem Band „Läuschen un Rimels". Bei einer Übersetzung ins Bayerische könnte ich Sie allerdings nicht unterstützen.
Die FDP-Fraktion hat zur Lage in der Milchwirtschaft Anträge gestellt. Wir erwarten, daß die Bundesregierung die Widersprüche des Bundesministers Höcherl klärt und ihre Ziele bezüglich der weiteren Entwicklung auf milchwirtschaftlichem Gebiet bekanntgibt.Bei Kartoffeln führte das gute Ernteergebnis zu erheblichen Preisverlusten für die kartoffelanbauenden Landwirte. Nach Berechnungen der niedersächsischen Landwirtschaftskammer und des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums in Hannover muß trotz guter Ernte mit einem Verlust für die Erzeuger von Kartoffeln von etwa 250 DM je ha gerechnet werden. Der Gesamtverlust in der Bundesrepublik wird auf zirka 350 Millionen DM zusammengerechnet. Die Bundesregierung unternahm keine Versuche, den Preisverfall bei den Erzeugerpreisen für Kartoffeln zu verhindern. Im Gegensatz dazu bemühte sich die Bundesregierung der Klei-
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Logemannnen Koalition 1964, als es eine ähnliche Überschußsituation bei Kartoffeln gab, sofort um Sondermaßnahmen, die dann auch zu einer Marktentlastung durch Einführung einer Silierprämie führten.
— Ich habe — Herr Dr. Schmidt , gut, daß Sie danach fragen — schon Vorschläge gemacht. Wir haben auch einen Antrag vorgelegt, der wahrscheinlich heute noch dem Ernährungsausschuß überwiesen wird. In diesem Antrag verlangen wir z. B. — da sind wir mit Ihnen einig, glaube ich —, die Erhöhung der Brennrechte. Das wäre schon eine Marktentlastung.
— Das macht in einigen Gebieten doch eine entscheidende Entlastung beim Erzeuger aus. Ich könnte Ihnen noch eine Reihe weiterer Vorschläge aufführen. Aber das würde jetzt zu weit führen.Durch preispolitische Maßnahmen, meine Damen und Herren, wie sie von der FDP vorgeschlagen werden, wird der Verbraucher nicht überfordert. Im Jahre 1967 ist ein Rückgang der Preise für Ernährung um 0,8 % festzustellen. Der Anteil der Kosten für Nahrung an den Lebenshaltungskosten beträgt in der Bundesrepublik noch 35,4%. In allen anderen EWG-Ländern mit Ausnahme Belgiens liegt er höher.Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise zeigt eine Tendenz, die beweist, daß der Anteil der Landwirtschaft an den Ausgaben der Konsumenten für Nahrungsmittel von 1950 bis 1966 von 64 auf 53 % zurückgegangen ist. Das Statistische Amt der Gemeinschaften hat die Preise für Nahrung in allen EWG-Ländern unter die Lupe genommen und dabei festgestellt, daß die Einführung gemeinsamer Agrarpreise entsprechend den EWG-Marktordnungen, wie sie festgelegt sind, die deutschen Lebenshaltungskosten theoretisch nur um 0,137 % zu erhöhen brauchten.Die von der Bundesregierung vorgesehene mittelfristige Finanzplanung muß auch in ihrer Auswirkung auf die Landwirtschaft gesehen werden. Bei der Konzertierten Aktion des Herrn Bundeswirtschaftsministers Schiller werden jährliche Lohnerhöhungen im gewerblichen industriellen Bereich von 5,5 % für die Periode von 1966 bis 1971 unterstellt. Das Netto-Einkommen bei den Arbeitnehmern soll durchschnittlich jährlich um 4,4 bis 4,8% steigen, der Netto-Gewinn der Unternehmer um 3,1 bis 4,6%.Unsere Frage an die Bundesregierung lautet dazu: Wie steht sie zu diesen Entwicklungen im industriellen gewerblichen Bereich? Wie beurteilt die Bundesregierung im Vergleich dazu die landwirtschaftliche Einkommensentwicklung? Hierbei bleibt zu berücksichtigen, daß Lohnerhöhungen im gewerblichen Bereich entsprechende Kostenerhöhungen für landwirtschaftliche Betriebsmittel bedeuten und daß nach den Vorstellungen des Landwirtschaftsministeriums selbst die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse in der Bodenproduktion und in der Veredelungswirtschaft im gleichen Zeitraum um zirka 10 % sinken werden.Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, wenn sie in dieser Situation
— darauf komme ich noch — noch zusätzlich die Finanzzuwendungen für den Einzelplan 10 und das EWG-Anpassungsgesetz kürzt, um ihre Verpflichtungen nach dem Landwirtschaftsgesetz und dem EWG-Anpassungsgesetz zu erfüllen? Das ist die ganz entscheidende Frage, die wir hier von der Opposition her zu stellen haben.
— Nein, aber es kommt jetzt die letzte Frage: Bleibt der bäuerliche Familienbetrieb entsprechend der Entschließung der Agrarkonferenz von Stresa 1958, der Definition des Agrarstrukturausschusses des Bundesernährungsministeriums von 1956 und der bisherigen Aussagen der deutschen Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Leitbild der künftigen Agrarpolitik der Bundesregierung?Meine Damen und Herren, diese Frage ist für uns besonders interessant, aber auch besonders aktuell nach den Äußerungen von Vizepräsident Mansholt und von Bundesminister Strauß in seiner Etatrede hier in diesem Hohen Hause. Die FDP — das darf ich vorweg sagen — ist seit eh und je ein leidenschaftlicher Verfechter des bäuerlichen Familienbetriebes. Das bedeutet allerdings nicht, daß wir hier bezüglich der Definition dieses Leitbildes als kalte Krieger der Agrarpolitik für eine landwirtschaftliche Betriebsform kämpfen, die in einer modernen landwirtschaftlichen Entwicklung überholt ist. Grundsätzlich erscheint uns die Familienwirtschaft nach den Aussagen früherer Jahre auch als Leitbild für die künftige Agrarpolitik geeignet. Eine Definition nach der idealen Betriebsgröße, also nach Hektaren, lehnen wir ebenso ab wie den Versuch Mansholts, ihn nach optimalen Kuh-Zahlen abzugrenzen. Ausschlaggebend ist für uns, daß durch eine entsprechende landwirtschaftliche Nutzfläche bzw. durch Veredlung für zwei vollbeschäftigte Arbeitskräfte Einkommenschancen vergleichbarer Berufe zu erreichen sind.
Dabei unterstützen wir alle Bemühungen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit dieser Betriebe, z. B. durch die Förderung von Erzeugergemeinschaften zur Verbesserung und Konzentration des Marktangebotes, von Maschinenringen oder Maschinengemeinschaften und von Zusammenschlüssen zu Betriebsgemeinschaften oder Gemeinschaftshaltungen. Allerdings erwarten wir — auch das darf ich dazu sagen — von derartigen Kooperationen — das zeigen die bisherigen Erfahrungen — keine überwältigenden betriebswirtschaftlichen Vorteile. Unter Berücksichtigung dieser Merkmale kann die Familienwirtschaft gegenüber anderen Betriebsformen bestehen. Sie produziert nicht teurer als sogenannte Agrarfabriken oder Schweine- und Rinderkombinate. In diesem Zusammenhang ist eine Auseinanderset-
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Logemannzung mit den Aussagen des Herrn Mansholt und des Herrn Finanzministers Strauß notwendig. Wer die Äußerungen des Vizepräsidenten der EWG und des deutschen Finanzministers vergleicht, kommt zu dem Ergebnis, daß sie in vielen Punkten einig sind.Zur künftigen landwirtschaftlichen Strukturpolitik in der EWG stellt Mansholt fest:Erstens. Der Verbesserung des landwirtschaftlichen Lebensstandards über die Preispolitik sind vom Finanziellen her Grenzen gesetzt.Zweitens. Eine Besserung allein über Produktionssteigerung ist gleichfalls nicht möglich.Drittens. Durch eine sinnvolle allgemeine Regional- und Infrastrukturpolitik muß die Verminderung der Zahl der landwirtschaftlichen Erwerbstätigen beschleunigt werden, damit der Abstand zu anderen Wirtschaftsbereichen vermindert wird.Viertens. Vom einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb her gesehen — meine Damen und Herren, das ist das Schwerwiegende — sind Vorstellungen vom Einfamilienbetrieb mit vielleicht 30 ha oder 30 Kühen überholt. Ziel könnte vielleicht ein bäuerlicher Betrieb von 80 bis 100 Kühen und 2 bis 3 Arbeitsplätzen sein.Bundesfinanzminister Strauß verlangt in seiner Etatrede:Erstens. Die Überprüfung der bisherigen Agrarkonzeption mit dem Ziel der Schaffung auf Dauer wettbewerbsfähiger Betriebsstrukturen. Herr Minister, Sie sagten dabei nicht, wie sie aussehen sollen. Vielleicht können wir das heute noch hören.Zweitens. Die beschlossenen Marktordnungen mit dem automatischen Zwang zur Intervention und zur Erstattung führten zur finanziellen Überforderung und reizten zur Überproduktion an. Herr Minister, Sie erwähnten in diesem Zusammenhang den Butterberg. Deshalb sei nach Ihrer Auffassung eine sinnvolle Neuordnung nach 1969 erforderlich.Die dritte Feststellung, Herr Minister, war: Die agrarpolitischen Beschlüsse müssen künftig in einem tragbaren Rahmen gehalten werden. Mit dieser Äußerung zielt der Herr Minister nach meiner Auffassung zweifellos auf eine Senkung der EWG- Richtpreise.Die FDP widerspricht diesen Auffassungen des Vizepräsidenten Mansholt und des Finanzministers Strauß.
Für die Preispolitik in der EWG — darauf wurde hingewiesen — bestehen für die Zukunft noch Möglichkeiten. Die Preise in den EWG-Agrarmarktordnungen, meine Damen und Herren, dürfen doch nicht für alle Zeiten zementiert sein. Es gibt Revisionsklauseln, um die Preise entsprechend der Kostenentwicklung verändern zu können.Zur Erhöhung der Produktivität und der Verbesserung des Lebensstandards durch beschleunigte Verminderung der Bauern entgegnen wir: Die Erhöhung der Produktivität der Arbeitskraft ist in der deutschen Landwirtschaft seit Jahren weithöher als in anderen Bereichen. Während die Produktivität seit 1950 in der Industrie um 85 0/o gestiegen ist, ist sie in der Landwirtschaft um 200 bis 250 gestiegen. Die Arbeitskraft ist damit weit produktiver als in anderen Bereichen. Das ist erreicht worden durch einen stetigen, ich möchte sagen, geräuschlosen Abgang landwirtschaftlicher Erwerbspersonen in Höhe von 100 000 bis 120 000 Menschen im Jahr in Verbindung mit einer längeren Arbeitszeit der in der Landwirtschaft verbliebenen Menschen.Mansholts Rezept des beschleunigten Gesundschrumpfens ist durch die Entwicklung der Landwirtschaft in den USA längst widerlegt. Trotz immer größerer Farmen, immer weniger Menschen in der Landwirtschaft und höherer Subventionen vergrößert sich bekanntlich in Amerika die Disparität zu anderen Berufen. Die Disparität in der Bundesrepublik, möchte ich behaupten, ist weder ein Betriebsgrößen- noch ein agrarstrukturelles Problem, sondern vor allem ein Agrarpreisproblem.
Den Beweis für diese Behauptungen liefern Untersuchungen in einem niedersächsischen Landkreis, von dem wir, Herr Dr. Schmidt , nicht weit entfernt wohnen, einem Landkreis, der durch eine gesunde Agrarstruktur sowie durch gute und mittlere Böden ausgezeichnet ist und der nach meiner Auffassung als Musterkreis in der EWG gelten kann. Denn die Bauern dieses Kreises nutzten den agrarwirtschaftlichen Fortschritt, folgen modernem Rat und bewirtschaften auf guten Böden mittlere und größere Höfe. Trotzdem — es, ist wichtig, das dabei zu sehen — stieg die Verschuldung in diesem EWG-Musterkreis von 1200 DM je Hektar 1960 auf 1800 DM 1966/67.Durch dieses Beispiel bestätigt, haben wir von der FDP weniger Sorgen um die Existenz der kleinen Betriebe, aber ernste Befürchtungen um die Existenz größerer Höfe. Von meinen Sorgen nehme ich auch die Nebenerwerbs- und Zuerwerbsbetriebe aus. Auch diese Betriebsformen verdienen gefördert zu werden. Dazu wird der Kollege Ertl nachher noch etwas sagen. Denn diese Betriebsformen werden sich mit Sicherheit als krisenfest erweisen.Ein letztes Wort zur Mansholtschen Aussage, statt 30 ha und 30 Kühen sollte die Haltung von 80 bis 100 Kühen das Ziel sein. Hier bescheinigen wir Herrn Mansholt, daß er mit dieser Aussage radikal abrückt vom Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs.
Von den Kuhhaltern in der EWG, die im Durchschnitt ,sechs Kühe halten, hätte künftig nach Mansholt nur noch jeder 15. eine Überlebenschance. Auch in dem als landwirtschaftliches Musterland bezeichneten Dänemark würde die Überlebenschance der Kuhhalter kaum größer sein.Mansholt läßt die Finanzierungsmöglichkeiten seiner Vorschläge ungeklärt. Nach Professor Weinschenk bringt schon eine relativ kleine Vergrößerung unserer landwirtschaftlichen Betriebe einen zusätzlichen Finanzbedarf in der Bundesrepublik von
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Logemann155 bis 180 Milliarden DM für die nächsten 15 bis 20 Jahre. Für die EWG würden sich finanzielle Belastungen ergeben, die für alle Partner untragbar wären.Wer sich bemüht, die Mansholtschen Vorschläge zu Ende zu denken, endet bei Betriebsformen östlicher Nachbarn, bei den landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften oder der Kolchose. Wenn ich an das Leitbild 80 bis 100 Milchkühe denke, rieche ich schon in der Bundesrepublik die Rinder- und Schweinekombinate Mitteldeutschlands.Wir wiaren sehr überrascht, meine Damen und Herren, daß in der Fragestunde des Deutschen Bundestages Minister Höcherl um eine positive Interpretation der Aussage Mansholts zum künftigen Familienbetrieb und zur Preispolitik bemüht war. Was dabei herauskam, glich dann dem Versuch einer Bagatellisierung. Die Aussagen des Finanzministers Strauß bedeuten in letzter Konsequenz, daß er dort endet, wo Vizepräsident Mansholt endet: mit dem Opfer der bäuerlichen Familienbetriebe in der EWG und mit dem Anstreben von landwirtschaftlichen Betriebsformen, die nicht leistungsfähiger sind als das, was zerschlagen werden soll.
Zum Schluß darf ich darauf verweisen, daß die Fraktion der Freien Demokraten zu den vorgetragenen agrarpolitischen Vorstellungen im Bundestag Anträge vorgelegt hat *). Wir hoffen, daß die deutsche Landwirtschaft in der heutigen Agrardebatte erfährt, welchen agrarpolitischen Kurs die Regierung der Großen Koalition zu steuern gedenkt. Soll ,die 'deutsche Landwirtschaft die ihr zustehende Bedeutung in der Volkswirtschaft erhalten, oder soll der Weg der letzten elf Monate mit laufend gesteigerten einseitigen Belastungen unseres Berufsstandes 'fortgesetzt werden? Das ist die entscheidende Frage, auf die wir eine Antwort erhoffen.
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Welslau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD zur EWG-Marktordnung für Milch und Milchprodukte möchte ich im Auftrage meiner Fraktion folgendes darlegen.Die Probleme der strukturellen Überproduktion in bestimmten Bereichen, wie sie auch in der vergangenen Woche dieses Hohe Haus beschäftigt haben, sind kennzeichnend für moderne Volkswirtschaften. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß diese Probleme für viele Menschen, die die Zeiten des Mangels und der Not noch in lebendiger Erinnerung haben, oft schwer zu begreifen, wenn nicht sogar unverständlich sind. Ich meine, dies macht um so mehr unsere Verpflichtung deutlich, dieses Problem in diesem Hohen Hause eingehend zu diskutieren.*) Siehe Anlage 2Die Situation auf dem Milchmarkt ist angesichts des stetig wachsenden Butterberges und steigender Aufwendungen für die EWG-Marktorganisation für Milch und Milchprodukte außerordentlich schwierig geworden. Die sozialdemokratische Fraktion hat deshalb Anfang Oktober eine Große Anfrage eingebracht, um der Bundesregierung Gelegenheit zu geben, eine ausgewogene Konzeption zur Lösung dieses Problems hier und heute dem Deutschen Bundestag wie der breiten Öffentlichkeit darzulegen. Das ist insbesondere zur Vorbereitung der Verhandlungen im EWG-Ministerrat erforderlich. In den nächsten Monaten muß als entscheidender Schritt die EWG-Marktordnung für Milch und Milchprodukte erarbeitet und beschlossen werden. Sie soil am 1. April 1968 in Kraft treten. Das geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem die bisherige EWG-Agrarpolitik sehr kritisch diskutiert und sogar von ihrem ureigensten Gestalter zum Teil in Frage gestellt wird. An diesem 1. April 1968 werden die Weichen für den endgültigen Zusammenbau der EWG-Agrarwirtschaften gestellt werden, und daraus ergeben sich vielfältige Auswirkungen.Nun konkret zur Situation! Über 25 % des landwirtschaftlichen Einkommens entstehen aus dem Verkauf von Milch. Das wurde soeben schon von dem Kollegen Logemann unterstrichen. Ja, in einigen Betrieben sind es sogar 40 bis 50%. Damit wird jede Maßnahme, die den Milchpreis beeinflußt, zu einem Dreh- und Angelpunkt landwirtschaftlicher Einkommenspolitik überhaupt.Am 24. Juli 1966 wurde im EWG-Ministerrat der gemeinsame Richtpreis für Milch mit 3,7 % Fett auf 41,2 Pf je Kilogramm frei Molkerei festgesetzt. Damit wurde eine Erhöhung des bis dahin in der Bundesrepublik bestehenden Preises angestrebt. Hier soll allerdings zugegeben werden, daß diese Fiktion unter dem entschiedenen Druck der Regierungen Belgiens und Italiens zustande kam. Dennoch: diese Fiktion wurde bis vor wenigen Monaten von manchem Politiker als im Markt erzielbar vertreten und auch in der Öffentlichkeit verkauft.Meine Damen und Herren, wozu hat das geführt? Preis- und Ertragserwartungen sind der entscheidende Beweggrund für die Produktionsrichtung, auch für jede Umlenkung der Produktion. Für die Landwirtschaft stellen diese Preisfiktionen Daten dar. Daraus entstehen Arbeitseinsatz und Investitionen, im menschlichen Bereich Hoffnungen und auch Enttäuschungen.Zu Frage 1 a ist festzustellen: Ja, es sind Enttäuschungen geworden, der Richtpreis wird im Markt nicht erzielt. Deshalb fragen wir die Bundesregierung, ob sie der Ansicht ist, daß die bisher zur Verfügung stehenden Instrumente der Marktorganisation ausreichen, um den angestrebten Richtpreis Wirklichkeit werden zu lassen.Was ist noch geschehen, meine Damen und Herren? Das Problem des Butterberges ist in aller Munde. Die Vorratshaltung an Butter ist in der Bundesrepublik auf annähernd 80 000 t und in der EWG auf 225 000 t angestiegen. In der Hochsaison lag dieser Betrag noch erheblich höher. Sicher, in den aller-
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6812 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Welslauletzten Wochen ist die Menge in der Bundesrepublik wieder etwas zurückgegangen. Das geschah saisonbedingt durch die Butterschmelzaktion des Ernährungsministeriums und durch eine statistische Manipulation, wie das ja oft mit Statistiken gemacht wird. Aber das ist ganz sicher kein echter Saisonausgleich. Zur unmittelbaren Sicherstellung der Versorgung ist in Deutschland lediglich eine Vorratshaltung von 35 bis 40 000 t und in der EWG von zirka 100 000 t Butter erforderlich. Meine Damen und Herren, die weit überhöhte Lagerhaltung kostet sehr viel Geld und macht die EWG-Agrarpolitik unpopulär und wenig glaubhaft. Wir entnehmen das den vielen Publikationen, auch wenn Sie nicht immer von vollem Sachverstand zeugen.Langfristig müssen wir eine strukturelle Überproduktion vermeiden. Die Nachfrage nach Ernährungsgütern ist weder sehr einkommenselastisch noch von den Konjunkturschwankungen abhängig, so daß das augenblickliche Zurückbleiben der Nachfrage gegenüber der Produktion etwa mit der Talsohle erklärt werden könnte. Bereits im vorigen Wirtschaftsjahr, 1965/66, ist der Prokopfverbrauch von Butter auf 8,4 kg abgesunken, während er im Jahre 1961/62 noch 8,8 kg betrug. Auch wenn die Überproduktion in der EWG zur Zeit nur 5 % beträgt und in der Bundesrepublik mit zur Zeit 96 Vo die völlige Selbstversorgung noch nicht erreicht ist, so erfordert die Vorratshaltung doch finanzielle Aufwendungen von beachtlicher Höhe.Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die Möglichkeiten des Exports, gemessen an den Überschüssen, doch sehr begrenzt sind. Bei einem völlig manipulierten Preis von unter 2 DM pro Kilogramm Butter haben die Erstattungen eine Höhe erreicht, die Laien tatsächlich zu zweifelndem Kopfschütteln verleiten muß. Dennoch sind die Absatzchancen so gering. Vielmehr liegt hier die Gefahr, meine Damen und Herren, daß, da die Erstattungen zum Teil aus dem EWG-Agrarfonds gewährt werden, einige EWG-Partnerländer Agrarpolitik auf Kosten anderer betreiben.Wir fragen deshalb die Bundesregierung, ob die 2,24 Milliarden DM, die vor gut einem Jahr als Kosten für die gemeinsame Marktorganisation auf unsere Kleine Anfrage hin genannt wurden, auch heute noch als ausreichend angesehen werden. Meine Damen und Herren, in Brüssel — die Beamten der Bundesregierung sind ja häufig dort — geistern bereits weit höhere Schätzungen von 3 Milliarden DM und mehr durch die neuerbauten Räume und Flure.So wie unsere erste Frage darauf abzielt, ob die Instrumente des bisher erarbeiteten EWG-Konzepts ausreichen oder ob der sogenannte Instrumentenkasten nicht ergänzt werden müßte, möchten wir in der zweiten Frage wissen, ob die schon beschlossenen Instrumente die richtigen sind, um einkommens-, versorgungs- und finanzpolitisch die angestrebten Ziele zu erreichen.Ab 1. April 1968 soll eine Prämie für die Verfütterung von Magermilch in Höhe von 5,5 Pf je Kilogramm gewährt werden. Das stellt sicher vordergründig einen durchdachten Ansatz dar, um zu einer vernünftigen Bewertung und Bezahlung des Milcheiweißes gegenüber dem Milchfett zu kommen. Ich muß hier ergänzend hinzufügen, daß in der Bundesrepublik die Verwertung des Milcheiweißes noch wesentlich geringer ist als in den anderen EWG-Ländern. Aber welche Wirkung wird durch die Gewährung der Prämie von 5,5 Pf je Kilogramm eintreten? Die Molkereianlieferung wird stark ansteigen. Sie ist bisher in den einzelnen EWG-Partnerländern auf Grund der historischen Entwicklung noch sehr unterschiedlich. Sie reicht von 60 % der Milchproduktion in Frankreich bis über 90 % in den Niederlanden.Ich würde auch erwarten, daß sich die Molkereianlieferung mit gewissen regionalen und auch von der Molkereistruktur bestimmten Unterschieden langfristig in den Partnerländern prozentual etwa angleichen wird. Aber jetzt wird doch gerade ein Instrument angesetzt, um die Molkereianlieferung sprunghaft ansteigen zu lassen. Besonders in Frankreich, aber auch in Belgien und in Italien, wird natürlich eine schnelle Umstrukturierung der Produktionsverwendung vor sich gehen, die wiederum zusätzliche Überschüsse und zusätzliche finanzielle Belastungen auch des deutschen Steuerzahlers nach sich ziehen wird.Wir fragen die Bundesregierung: Wie soll diese beschleunigte Zunahme der Molkereianlieferung verhindert werden? Liegt hier nicht die Gefahr, daß die erdachten Instrumente nun gleich wieder stumpf werden oder gar ganz versagen? Darüber hinaus sehen wir die Gefahr, daß bei dem unterschiedlichen Entwicklungsstand mit der Molkereistatistik in den EWG-Ländern Mißbrauch getrieben werden kann, der dann zu ungerechtfertigten Zahlungen führt und die wache Öffentlichkeit mit Recht heftige Kritik üben läßt.Ich nannte bereits die Zahlen für die Butterlagerung in der Bundesrepublik und in der EWG. Ich betonte auch die Unmöglichkeit, diese Überschüsse jetzt etwa durch den Export entscheidend abbauen zu können. Unter der Ziffer 3 unserer Anfrage fragen wir die Bundesregierung, was sie zu tun gedenkt, um diese Überschüsse auf ein erträgliches Maß . abzubauen. Werden die Bestimmungen des Milch- und Fettgesetzes laufend mit dem Ziele überprüft, neue und erweiterte Absatzmöglichkeiten z. B. für Trinkmilch zu schaffen? Dazu gehört z. B. der Verkauf in Schulen, in Gaststätten, an Kiosken und Sportstätten. Ist daran gedacht, z. B. durch eine Produktdifferenzierung bei der Milch- und Butterproduktion, d. h. Schaffung unterschiedlicher Qualitäten, den Absatz zu erweitern? Wird daran gearbeitet, bei der Käseproduktion, insbesondere bei speziellen Käsesorten, den offensichtlichen Rückstand der Bundesrepublik gegenüber einigen Partnerländern aufzuholen? Wir verfügen über etliche hervorragende wissenschaftliche Einrichtungen, die auf dem Gebiet der Milchforschung arbeiten, und wir sollten doch die von dort kommenden Anregungen und Vorschläge schnell aufgreifen und auch neue Aufträge erteilen, um die Möglichkeiten des Marktes zu erkunden und auszuschöpfen.
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WelslauWir haben in der Bundesrepublik ein sehr fortschrittliches und international anerkanntes Lebensmittelrecht. Strenge Hygiene- und Qualitätsvorschriften führen dazu, daß der Verbraucher erstklassige Produkte angeboten bekommt, die der berechtigten Forderung nach Ausschließung jeglicher Gesundheitsgefährdung voll gerecht werden, jedenfalls nach dem heutigen wissenschaftlichen Stand. Das bringt für alle Beteiligten finanzielle Belastungen mit sich. Wir fragen die Bundesregierung, wie sichergestellt werden soll, daß nach dem 1. April 1968 beim grenzüberschreitenden Warenverkehr die Produkte aus Partnerländern ebenfalls diesen Anforderungen genügen. Dies ist ein Teil der fehlenden Harmonisierung in der EWG. Es wird noch lange dauern, bis wir hier wie auch auf anderen Gebieten zu gleichen Bedingungen und Anforderungen in allen EWG-Ländern kommen.In der Frage 5 haben wir die Verzahnung von EWG-Agrarpolitik und verbleibenden Möglichkeiten der nationalen Wirtschaftspolitik angesprochen. Diese Frage steht auch im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten finanziellen Mehraufwendungen, die wahrscheinlich alle Vorausschätzungen übertreffen werden. In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir für die Einzelhaushalte Plafonds beschlossen. Beim Einzelplan 10 sind die geschätzten Belastungen für die EWG-Agrarpolitik den für nationale Maßnahmen verfügbaren Mitteln summarisch hinzugefügt. Ich erinnere hier noch einmal an unseren Vorschlag, einen besonderen EWG-Agrarhaushalt auszuweisen. Die schon angedeutete Fehleinschätzung der für den EWG-Agrarfonds erforderlichen Mittel führt möglicherweise — um den Gesamtplafonds nicht zu überschreiten — zu einer völlig unvertretbaren Kürzung der für die nationale Agrarpolitik verbleibenden Mittel. Damit wird deutlich, wie sehr dieses Hohe Haus eines seiner hervorragenden Rechte, nämlich das zur Gestaltung des Haushalts, eingeschränkt hat.Die preispolitischen Entscheidungen der EWG müssen zu ganz unterschiedlichen Reaktionen der Erzeuger in den einzelnen Staaten führen. Das ist bedingt durch unterschiedliche Kostenstrukturen und Wettbewerbsverzerrungen verschiedenster Art. Wenn auf diese Weise in einigen Ländern zu Mehrproduktionen unübersehbaren Ausmaßes angereizt wird, führt das zu einem Verdrängungswettbewerb, der außerdem noch vom Staat und von der EWG organisiert und vom deutschen Steuerzahler entscheidend mitfinanziert wird. So sieht nun in der Tat die EWG-Wirklichkeit aus, eine immer fataler werdende Situation.Ich habe in dieser Begründung unserer Großen Anfrage versucht, die sich durch den Milchsektor .für die deutsche Landwirtschaft, für die gesamte Öffentlichkeit wie auch für jeden verantwortungsbewußten Agrarpolitiker ergebenden Sorgen darzutun. Die strukturelle Überproduktion bei Milch in der Gemeinschaft macht zum erstenmal die Grenzen der EWG-Agrarpolitik entscheidend deutlich. Es ist keine unrealistische Vision, ähnliche Probleme schon bald auch bei anderen Produkten zu erwarten.Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie bei den kommenden Verhandlungen im EWG-Ministerrat über die neue Milchmarktordnung alle Möglichkeiten ausschöpft und die bisherigen Erfahrungen in die endgültige Konzeption einfließen läßt. Wahrheit und Klarheit und Verantwortungsbewußtsein müssen im Mittelpunkt stehen. Der Landwirt als Erzeuger muß erfahren, ob und welches Risiko die Milchwirtschaft in Zukunft zu tragen hat. Dazu soll in der heutigen Aussprache ein Anfang gefunden werden.
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfragen hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der sehr verehrte Herr Kollege Logemann hat eine spritzige und lebendige Einführungsrede gehalten,
daß ich zunächst auf einige seiner Bemerkungen eingehen möchte, bevor ich mich der eigentlichen Beantwortung der Anfrage zuwende.
Zunächst einmal hat er die Erinnerung an die kleine Koalition der CDU/CSU auf der einen und der FDP auf der anderen Seite beschworen. Er hat daran erinnert, welch große Leistungen diese Koalition vor allem auch für die Landwirtschaft gezeigt habe.
Nun, auch ich erinnere mich sehr gut an diese kleine Koalition. Ich war Mitglied dieser kleinen Koalition. Aber ich muß folgendes sagen. Dort war es mit der koalitionsewigen Treue nicht so' übermäßig gut bestellt.
Der Partner FDP ist gelegentlich fremd gegangen.
Sonst wäre es dieser Koalition vielleicht gelungen, größere Leistungen zu vollbringen. Das war der entscheidende Grund.
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Herr Bundesminister, würden Sie dann wenigstens die Güte haben und mir bestätigen, daß z. B. der Landwirtschaftsminister vom Finanzminister mehr Hilfe gehabt hat als jetzt?
Nein, auch das kann ich nicht bestätigen.
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Bundesminister HöcherlIch erinnere mich an bittere Auseinandersetzungen.Aber ich erinnere mich auch an etwas anderes. Dieser FDP-Partner in dieser kleinen Koalition hatte eine gewisse Bewußtseinsspaltung. Auf der einen Seite war er offiziell im Kabinett vertreten, und zwar sehr, sehr kräftig, weit über die Parität hinaus, also in einer Disparität zum Nachteil der CDU/CSU. Aber er hat immer so kleine und geheime Kommandounternehmungen auf dem agrarpolitischen Gebiet gemacht, die sich mit der Koalitionslinie nicht vertragen haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wächter?
Ja.
Herr Bundesminister, entsinnen Sie sich der Äußerungen des Kollegen Dr. Reinhard, der vor wenigen Wochen einmal gesagt hat, die Agrarpolitik in der Großen Koalition klappe deswegen nicht, weil der Koalitionspartner eine andere Einstellung habe?
Ich weiß nicht, ob Herr Dr. Reinhard das gesagt hat. Wenn er es so gesagt haben sollte, dann würde ich ihm gern einige Informationen zur Verfügung stellen, damit wir die Dinge in Ordnung bringen. In der neuen großen Ehe gibt es gelegentlich auch einen Flirt, aber keine Ehebrüche.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Minister, halten Sie es wirklich für richtig, daß wir bei dem Ernst der Situation in der Landwirtschaft diese Probleme so auf diese leichte Art behandeln?
Herr Kollege Sander, ich würde hinter dem Scherz den Ernst suchen, der da verborgen ist. Ich würde das an Ihrer Stelle tun. Das ist sehr deutlich zum Ausdruck gekommen.
Aber man muß Ernst und Unfreundlichkeit nicht verwechseln.
Nun hat Herr Kollege Logemann eine ganze Reihe von Bemerkungen gemacht, die nicht in den Anfragen selbst enthalten waren. In erster Linie beanstandet er, daß sich der Regierungschef und die Große Koalition über die agrarpolitische Konzeption bisher nicht geäußert hätten. Ich glaube, daß der Herr Bundeskanzler noch Gelegenheit nehmen wird, im Verlauf der Debatte einzugreifen und das auch förmlich nachzuholen. Aber es gibt auch eine andere Konzeption, die sich nicht in Formen und nicht in Definitionen erschöpft. Das, was wir in der EWG in Brüssel zum Teil in nächtelangen Verhandlungen für die Landwirtschaft tun und herausgeholt haben, bei den Übergangsbestimmungen, bei der Zuckermarktordnung, bei den Preisfestsetzungen, auch im Rahmen der Großen Koalition, das ist praktische und erfolgreiche Landwirtschaftspolitik, die dem Landwirt mehr nützt als die schönste Konzeption, in feinem Lack aufgetragen.
Ferner will ich noch etwas anderes und sehr Ernstes sagen. Die Große Koalition hat weil aus den bereits dargestellten Gründen die Effizienz der Kleinen Koalition nicht bis zu dem Grade gesteigert werden konnte, zu dem die CDU/CSU bereit gewesen wäre es unternommen, konjunkturpolitische Fehler in Ordnung zu bringen, und sie ist daran, und zwar in ernsthafter Form und auf ganz großen Gebieten, finanzpolitisch und wirtschaftspolitisch den Konjunktureinbruch zu beseitigen. Sie hat das bereits mit Erfolg getan und damit eine auch agrarpolitisch wichtige Position, vielleicht sogar die entscheidendste und wichtigste Position, wiederhergestellt, nämlich die Massenkaufkraft, die der Landwirt braucht, um für seine Qualitätsprodukte eine Chance zu haben.
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Herr Minister, würden Sie mir bestätigen, daß bis zur Großen Koalition ein CDU-Mann das Wirtschaftsressort geführt hat und somit die Verantwortung für die Konjunkturpolitik getragen hat, und daß Sie dem eben bestätigt haben, daß er das nicht fertiggebracht hat?
Nein, keineswegs. Genau das Gegenteil! Wenn Sie mehr bei der Stange geblieben wären, dann wäre es dem Kollegen Schmükker gelungen, für seine guten Vorschläge, die schon auf dem Tische waren — für die jetzt die Genehmigung und Bewilligung durch das Parlament nachgeholt werden muß —, damals schon das Plazet zu bekommen.
Ferner hat der Kollege Logemann, wie das schon pauschal geschehen ist, beanstandet, wir hätten auch die Beantwortung dieser Anfrage hinausgezögert. Es wurde damals erklärt, 10 Anfragen seien gestellt worden, und keine werde beantwortet. Ich darf hier doch zur Richtigstellung darauf verweisen, daß ich
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Bundesminister Höcherlmich seit mehr als drei Wochen bereit erklärt habe, diese Große Anfrage zu beantworten. Ich glaube, daß ich innerhalb der Frist geblieben bin. Ich werfe anderen nicht gern vor, daß sie sich nicht mit äußerstem Fleiß bemühen, möchte aber auch ungern selber einen solchen Vorwurf einstecken.
Herr Kollege Logemann, Sie sind nicht nur ein anerkannter Agrarpolitiker, sondern Sie sind auch — das weiß jeder — ein hervorragender praktischer Landwirt, mit großem Erfolg. Das stelle ich hier gern fest. Es paßt aber ganz und gar nicht zu Ihrer weiteren Behauptung, durch die Politik der Bundesregierung sei eine Gefahr für die Höfe entstanden. Das paßt nicht zu Ihren eigenen Leistungen, und das entspricht auch nicht einer genauen Analyse, — obwohl wir die Sorgen nicht unterdrücken wollen, ernste und berechtigte Sorgen. Wir wollen uns gemeinsam geistig anstrengen und nach Lösungen suchen.Dann haben Sie wieder das Thema der Mansholt- Rede behandelt, das bereits. Gegenstand einer Fragestunde war. Ich darf ganz kurz wiederholen: ich glaube, daß die Agrarpolitik des Vizepräsidenten Mansholt, die weitgehend von ihm definiert und formuliert ist, einen Schutz nach innen und nach außen aufgebaut hat, zu dem wir aus eigener Kraft — wenn wir noch die frühere Situation ohne die EWG-Gemeinschaft hätten — wahrscheinlich nicht in der Lage wären. Ganz bestimmt wären wir dazu aber bei einem Konjunktureinbruch nicht in der Lage, weil dann andere Interessen überwiegen würden.Er hat keineswegs das so vereinfacht dargestellte Flächenprinzip aufgestellt, das sich überhaupt nicht als entscheidender und ausschlaggebender Maßstab für die Beurteilung der landwirtschaftlichen Kapazität eignet. Vielmehr ist hier nach dem Betriebspotential zu gehen, das sich aus vielen ganz verschiedenen Komponenten, je nach der Lage usw. — das wissen Sie alles ganz genau —, zusammensetzt. Das war seine Sorge, welchen Weg die vielen kleinen Betriebe — 6 bis 7 Millionen innerhalb der Gemeinschaft — gehen, wo die wirtschaftlich bleiben sollen. Das ist eine Sorge, die wir alle teilen, um die wir uns alle bemühen und die sich aus sozialpolitischen, soziologischen, wirtschaftlichen und vielen anderen Komponenten zusammensetzt.Er hat etwas erklärt, was wir jeden Tag erleben, daß nämlich die Landwirtschaft ebenso wie die Industriegesellschaft in einer unerhört revolutionären Entwicklung begriffen ist. Heute gibt es die Sicherheiten von damals nicht mehr, sondern die Umdrehungszahl unserer Entwicklung ist so gewachsen, daß immer mehr, vor allem kleinere Einheiten auch auf dem gewerblichen und industriellen Sektor, aus der Bahn geworfen werden und daß man bei der Massenversorgung immer mehr nach dem bekannten Prinzip: „Große Umsätze, geringere Stückkosten usw." zu verfahren hat. Sie können diese Tendenz, die in anderen Bereichen, mit denen wir heute schon in starker Konkurrenz stehen und morgen in der Gemeinschaft unmittelbar konfrontiert sein werden, die im amerikanischen Bereich zu Größenordnungengeführt hat, die ein Vielfaches der Größenordnungen bei uns betragen. Was z. B. die gesamte chemische Industrie bei uns bedeutet, wird dort von Einzelfirmen weit überboten. Sie kennen das bekannte Beispiel, daß der Gewinn einer einzigen amerikanischen Automobilfirma die Umsatzzahlen unseres größten Automobilwerks übersteigt. Das sind die Größenordnungen!Es besteht die Tendenz zu immer größeren Einheiten. Sie hat auch die Landwirtschaft erfaßt, weil die Mechanisierung den Menschen die Möglichkeit gibt, mit besseren und stärkeren Aggregaten in die Bewirtschaftung zu gehen und auf diese Weise zu einem höheren Einkommen zu gelangen, und weil auf dieser Ebene auch der Facharbeiter, der Lohnempfänger sich einen Raum schaffen und eine Einkommensentwicklung durchmachen konnte, die es dem gewerblichen Mittelstand und der Landwirtschaft außerordentlich schwer macht zu folgen. Diese Situation hat Herr Mansholt angesprochen. Sie bildet unsere ständige Sorge, und sie ist Gegenstand unserer ständigen Arbeit. Ich glaube nicht, daß er deswegen Tadel verdient. Ich werde dafür Sorge tragen, daß das Haus endlich einmal mit jedem Wort dieser Rede Mansholts vertraut gemacht wird, damit nicht, ich möchte einmal sagen, in einer gewissen Verkürzung, vielleicht mit Absicht, die Arbeit dieses Mannes und die Arbeit im Integrationsausschuß innerhalb der Gemeinschaft in einen ungerechten Verdacht gerät.Sie haben auch die Äußerungen des Herrn Bundesfinanzministers in seiner Haushaltsrede angesprochen. Herr Minister Strauß wäre Manns genug, um sich selber hier zu verteidigen. Wenn Sie seine Rede nachlesen, werden Sie folgendes finden: Daß er als Finanzminister dafür Sorge zu tragen hat, daß wir im finanziellen Gleichgewicht bleiben, damit nicht Währungsschäden und wirtschaftspolitische Schäden eintreten, ist nicht nur sein gutes Recht, nicht nur seine Pflicht als Ressortminister, sondern ist die gemeinsame Aufgabe. Die hat er zunächst zu vertreten, und die wirkt sich natürlich in allen Bereichen, die Landwirtschaft nicht ausgenommen, haushaltsmäßig aus. Ich glaube sogar, daß eine politisch sich selbst gut verstehende Landwirtschaft bei einem solchen Sanierungsprozeß zur Wiederherstellung des finanzpolitischen Gleichgewichts gar nicht ausgenommen werden möchte, weil sie sich niemals von schwierigen und harten Aufgaben selber ausgeschlossen hat, meistens sogar die schwersten Lasten getragen hat, wie das hier in diesem Zusammenhang der Fall ist. Und wenn der Bundesminister Strauß in der Haushaltsrede erklärt, wir müßten dafür Sorge tragen, daß wir leistungsfähige Höfe, und zwar in möglichst großer Zahl, stärken und ausstatten helfen, dann ist damit genau das ausgedrückt, was seit 1955/56 im Landwirtschaftsgesetz steht; er geht von einem leistungsfähigen Betrieb aus, der der Familie die Möglichkeit gibt, ein modernes Einkommen zu erzielen in diesem Entwicklungsprozeß, der ja keine festen Daten kennt, sondern jeden Tag fortgeschrieben werden muß. Ich glaube, dazu war er berechtigt und verpflichtet, und er verdient keinen Vorwurf, sondern Anerkennung dafür, daß er das, was Ihnen damals
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Bundesminister Höcherlnicht ganz gelungen ist, fest in die Hand nimmt, um das Gleichgewicht zu schaffen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß das finanzielle Gleichgewicht in der EWG hergestellt werden soll, indem man auf die Agrarpreise drückt, das heißt entweder die Agrarpreise der EWG nicht steigen läßt oder sogar senkt, wie es der Finanzminister vorgeschlagen hat, oder indem die finanziellen Zuführungen an Brüssel und die Rückflüsse von Brüssel in ein Gleichgewicht gebracht werden?
Ich weiß nicht, woher Sie die Behauptung nehmen, daß einer von uns, daß der Finanzminister Strauß oder irgendein anderer die Meinung vertreten hätte, das müßte auf diesem falschen Wege geschehen.
Wir wissen doch selber genauso wie Sie, daß wir hier nicht auf die Preise drücken wollen. Ich werde hier noch Tatsachen auf den Tisch legen, die für sich selber sprechen. Wir wollen gar nichts drücken, aber wir wollen für finanzielle Ordnung auch in der EWG sorgen, wollen auch dafür eintreten, daß unser Defizit innerhalb der EWG so eng begrenzt wird, wie es überhaupt möglich ist, weil sonst die Marktordnungen wegen der Fülle der Ansprüche gefährdet werden. Das ist der Grund. Aber wir wollen die Dinge nicht auseinanderziehen, ich komme noch auf diese Fragen zurück.
Herr Minister, wie können Sie folgenden Satz von Herrn Finanzminister Strauß interpretieren — ich darf ihn kurz verlesen —:
Mit der Einführung weiterer Marktordnungen oder mit künftigen Beschlüssen des EWG-Ministerrates über neue Agrarpreise kann sich auf diesem Gebiet ein zusätzliches Ansteigen der Ausgaben ergeben, das jedes vertrebare Maß übersteigt.
Das ist angesichts der Wünsche, die einige Partner dort äußern, durchaus möglich, das ist eine berechtigte Gefahr, die wir selbst auch vom gutverstandenen landwirtschaftlichen Standpunkt aus einzuschränken versuchen, weil wir bei den Hauptmarktordnungen sehen wollen, daß wir sie erhalten können und daß wir die Last nicht übersteigern.Herr Kollege Logemann hat ferner behauptet, daß ,ein Gespräch zwischen dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes und seinem Generalsekretärauf der einen, dem Finanzminister und dem zuständigen Ressortminister auf der anderen Seite kein Ersatz für eine agrarpolitische Konzeption der Bundesregierung sei. Das hat ja auch niemand behauptet. Richtig ist, daß diese Aussprache notwendig war, daß sie von beiden Seiten gewünscht war, daß sie gut verlaufen ist und daß beschlossen wurde, sie so oft zu wiederholen, wie es der Anlaß und die Umstände gebieten. Ich glaube, damit sollten auch Sie zufrieden sein.Dann haben Sie sich als Historiker und als Geschichtsforscher mit der Vergangenheit beschäftigt und haben die Rhöndorfer Gespräche ausgepackt. Ich will Ihnen dazu folgendes sagen: Die Agrarpolitik, an der Sie 14 Jahre beteiligt waren — soweit Sie sich an die Kabinettsdisziplin, die Koalitionsdisziplin gehalten haben —,
war nicht ganz so schlecht. Man hat nämlich auf eine Größe spekuliert, und zwar auf die Tüchtigkeit unserer Landwirte, und diese Spekulation ist in einem Maße in Erfüllung gegangen, daß wir uns nach dem verlorenen Krieg vom letzten Platz auf einen sehr guten Platz innerhalb der Gemeinschaft hinsichtlich der Leistungsfähigkeit unserer Höfe und der Produktivität unserer Landwirtschaft vorarbeiten konnten.
Ich weiß gar nicht, was Sie an Ihrer eigenen Mitarbeit auszusetzen haben. Oder Sie wollen — wofür ich Verständnis hätte — zugeben, daß Sie agrarpolitisch nicht immer ganz bei der Stange geblieben waren und daß es eigentlich der Rest der Koalition, der koalitionstreue Teil war, der das ermöglicht hat. Das könnte ich verstehen.
Sie haben auch den Münchener Bauerntag, eine sehr interessante und lebhafte Veranstaltung, zitiert. Ich darf aber folgendes sagen: Ich habe für musikalische Veranstaltungen viel Verständnis, höre sie mir aber lieber in klassischer Form an. Ich rege mich allerdings auch nicht auf, wenn gepfiffen wird. Sie haben aber eines übersehen, Herr Kollege Logemann: Dort waren sehr viele DFU-Mitglieder, und die haben draußen schon Plakate verteilt. Es war gar nicht der Kernbestand der Delegierten, sondern es waren fremde Bestandteile, die diese Gelegenheit ausgenutzt haben.
Das hätten Sie noch dazusagen müssen, dann wäre Ihr Zitat richtig gewesen.Ferner haben Sie von der Kaufzurückhaltung, die sich zeigt, gesprochen. Es ist richtig, Herr Kollege Logemann, die allerneuesten Zahlen, die wir über den Betriebsmittelaufwand haben, zeigen, daß nicht mehr ganz die Zahlen erreicht werden, die wir aus den letzten Jahren kennen. Aber Sie wissen doch auch, daß es nicht nur hier, sondern auch in allen anderen Bereichen so aussieht. Ich nenne einmal die Automobilindustrie mit ihrer Absatzentwicklung. Ich könnte Ihnen auf dem gewerblichen Sektor eine
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Bundesminister Höcherlganze Liste von Branchen vorlegen, die im letzten Jahr einen geringeren Umsatz hatten. Warum? Es gibt u. a. neben der Konjunkturlage auch den Zustand einer gesättigten Volkswirtschaft. Es gibt also einmal eine obere Grenze, wo die Dinge dann in einem Modernisierungs- und Erneuerungsbedarf auslaufen. Das sind Pobleme, die sich hier ebenfalls niederschlagen, wenn auch nicht alles auf sie zurückzuführen ist.Ich sage Ihnen ganz offen: So schwierig die Lage der landwirtschaftlichen Maschinenindustrie ist und so sehr wir bedacht sein müssen, hier keine Entwicklung abzustoppen, vor allem was die neuen Entwicklungen betrifft, so sehr muß man auch sagen, daß eine vorsichtige Kaufpolitik innerhalb der Landwirtschaft doch der Ausdruck einer vernünftigen, vorsichtigen Haltung ist. So haben z. B. die Ersparnisse gerade in diesen Monaten einen Wellenberg, so möchte ich einmal sagen, erklommen, und auch das muß man hier sehen. Das deutsche Volk handelt in dieser Frage mit einer volkswirtschaftlichen Vernunft, die Anerkennung verdient. Die Landwirtschaft macht als ein Teil, der so vielen Gefahren und so vielen Unsicherheiten ausgesetzt ist, keine Ausnahme. Im Gegenteil, sie beteiligt sich an diesem Trend, und ich wüßte nicht, was daran zu beanstanden wäre.Sie haben von der Verschuldung gesprochen und die Zahl von 21 Milliarden DM genannt. Ich bin der allerletzte, der diese Zahlen bagatellisieren möchte. Es sind ernste und schwierige Zahlen, die einen Niederschlag der unerhörten Entwicklung darstellen, die wir hinter uns haben. Es Ist ganz klar, daß in einer Branche, die nur beschränkt zur Eigenkapitalbildung in der Lage ist, und zwar nicht nur bei uns, sondern in allen Ländern — das hängt mit dem Kapitalumschlag und mit den administrativen Preisverhältnissen zusammen, die man ihr mit Rücksicht auf die kaufschwachen Konsumenten immer wieder zumutet —, eine Verschuldung eintritt. Aber man darf hier nicht nur von Verschuldung reden, sondern muß zunächst einmal von Fremdkapital sprechen.Es ist klar, daß selbst die stärkste und leistungsfähigste Branche nicht in der Lage war, nach dem Kriege neu aufzubauen und sich zu modernisieren, ohne Fremdkapital in Anspruch zu nehmen. Es gibt überhaupt keine Branche, die nicht Schulden hätte. Nur sind die Einzelheiten und die Entwicklungen in jeder Branche unterschiedlich. Nehmen Sie das Handwerk, nehmen Sie die großen Industrien! Wir müssen — ganz gleich, welchen Bereich Sie nehmen wollen — hier zunächst einmal von Fremdkapital sprechen und dieses Fremdkapital nach seiner wirtschaftlichen Verwendung beurteilen. Da gibt es interessante Gesichtspunkte.Sie haben dann später das Beispiel SchleswigHolstein mit seiner hohen Hektar-Verschuldung gebracht. Das ist ein interessantes Beispiel, das wir genau untersucht haben. Dabei hat sich folgendes herausgestellt. Die schleswig-holsteinische Landwirtschaft gehört in vielfacher Beziehung zu der modernsten und leistungsfähigsten, und die Verschuldung in Schleswig-Holstein hat im übrigen auch — und das ist eine Bestätigung meiner Auffassung — in besonderer Weise den Charakter des Fremdkapitals deutlich gemacht. Dort sind nämlich auch die Arbeitseinkommen pro voller Arbeitskraft am stärksten gestiegen; das alles natürlich cum grano salis und in Pauschalurteilen. Es ist aber ein Zeichen dafür, daß dieses Fremdkapital zum allergrößten Teil ökonomisch außerordentlich vernünftig und richtig eingesetzt wurde, um so schnell wie möglich den Anschluß zu bekommen. Bei der dortigen Gesindeverfassung sind die Leute mit einem Schwung ausgeschieden, und es waren sofort Investitionen notwendig.Allerdings gibt es auch andere Zeichen. Es gibt einen hohen Prozentsatz von Leuten, die in diesem Prozeß nicht die richtige Mitte gefunden haben. Das wird es immer wieder geben, und dort, wo so etwas unverschuldet eingetreten ist, meine Damen und Herren, sind wir verpflichtet, Hilfestellung zu leisten. Wir haben bisher für über 12 Milliarden DM dieser Verschuldung oder dieses Fremdkapitals Zinsverbilligung gewährt. Wir werden auch in diesem Jahre wieder 1,2 Milliarden DM in der bekannten Teilung nach öffentlichen Krediten und nach privaten Hofkrediten in die Zinsverbilligung einbeziehen können.Vielleicht gibt es. — und ich höre davon — noch weitere Vorschläge, das eine oder das andere auf diesem entscheidenden Sektor zu tun. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Die Übergangszeit läuft ab. Ich glaube, daß wir zunächst einmal auf dem Kreditsektor verstärkt etwas tun müssen, weil eine außerordentliche und rasch vorübergehende Situation vor uns liegt.Sie haben den Agrarexport angesprochen, eine Einrichtung, die wir pflegen, wie Sie wissen, die wir unterstützen und die in diesem Jahr unter der Leitung des Herrn Fahrre schon eine ganz besonders kräftige Zunahme mit über 25 °/o erreicht hat. Ich glaube, das ist ein Zeichen, daß sich alle Beteiligten, die dafür eine Verantwortung tragen, dieser Aufgabe bewußt geworden sind.Wenn Sie meinen, in der Entwicklungshilfe würden wir den agrarpolitischen Sektor übersehen, dann muß ich auf die Formulierung der Entwicklungspolitik der Bundesregierung hinweisen. Herr Kollege Wischnewski hat bei der Beratung der letzten Großen Anfrage deutlich zum Ausdruck gebracht, daß bei der Entwicklungspolitik, von der deutschen Seite aus gesehen, soweit sie auf bilateraler Basis beruht — und das ist nach dem Wunsch der deutschen Regierung der bei weitem überwiegende Prozentsatz —, die landwirtschaftliche Entwicklungshilfe den Prioritätsplatz Nr. 1 einnehmen soll.Sie haben von Selbstversorgung und solchen Fragen gesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehen Sie es mir nach, wenn ich sage, daß Begriffe wie Selbstversorgung nicht mehr in unsere Landschaft passen.
Wir haben eine andere Welt. Wir befinden uns in einer industriellen Verzahnung und Interdependenz; wir haben 80 Milliarden DM Export, der ja gerade in diesen Monaten so entscheidend war, weil
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6818 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Bundesminister Höcherler die stärkste Nachfragequelle dargestellt hat, nachdem die innerdeutsche Nachfrage nachgelassen hat.
Hier können wir nicht von Selbstversorgung reden. Wenn wir etwas ansteuern, dann muß das eine große und immer größer werdende internationale Arbeitsteilung mit vernünftigen, behutsamen Übergängen sein. Das ist die Aufgabe. Ich glaube, da geht es nicht nur um den rein ökonomischen Bereich, sondern hier werden Verbindungen und Bindungen angesprochen, die weit darüber hinaus reichen und in die große Politik hineingehen.Sie sagten, wir, die deutsche Delegation — ich kann als derzeitiger Ratsvorsitzender darüber berichten — hätten nicht alle Anstrengungen unternommen, bei dem letzten Brüsseler Gespräch die Chancen auszunutzen. Ich weiß nicht, Herr Kollege Logemann, was für Chancen Sie meinen. Die Chancen, die ich an diesem Tisch angetroffen habe, waren absolut gleich Null. Ich darf sie ganz kurz ansprechen. Die Italiener erklärten sich zunächst zu ganz und gar nichts bereit. Sie erklärten, sie seien mit Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Preissituation nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Schritt nach vorn zu machen. Hier besteht ein Widerspruch zu den Abstimmungen im Europäischen Parlament und zu Äußerungen, die man aus den Kreisen der COPA hören konnte. Aber die verantwortlichen Minister haben an diesem Tisch erklärt, sie könnten zunächst nichts unternehmen. Wir haben dreimal ansetzen müssen, und wir haben ein viertes Mal 26 Stunden lang lau und nachlässig und faul verhandelt, weil es uns einfach Spaß gemacht hat, 26 Stunden nichts zu tun und eine schwache Stellung zu beziehen.
Herr Kollege Logemann, ich. will Ihnen etwas sagen, ich maße mir nicht an zu sagen, daß der Zeitfaktor hier etwas Entscheidendes sei. Aber wenn 26 Stunden verhandelt wird, dann möchte ich meinen, daß hier eine Energieleistung vorliegt, die allein schon zum Ausdruck bringt, was dort geschehen sein muß.Die französische Delegation wollte nur den Maispreis anheben und war an allen anderen Fragen nicht interessiert. Die holländische Delegation, die aus einer ganz anderen Wirtschaftslandschaft kommt, wollte auch nur eine ganz bescheidene Bewegung der Futtergetreidepreise.Meine Damen und Herren, diese Große Koalition, die immer als landwirtschaftsfeindlich bezeichnet und draußen schlechtgemacht wird, hat mir die größten Vollmachten gegeben. Es bestand Übereinstimmung im Kabinett, getragen vor allem auch von dem Mann, der die Richtlinien dieser Politik zu bestimmen hat und der sich hierfür eingesetzt hat, und vom Wirtschaftsminister bis zum Außenminister und bis zum Gesundheitsminister — um nur einige herauszugreifen.
Alle Mitglieder des Kabinetts, die der CDU/CSUangehören, haben sich hinter diese große Vollmachtgestellt, auch der deutsche Delegätionsleiter, Staatssekretär Hüttebräuker, von dem ich immer sage, er sei der letzte Preuße, den ich kenne.
Ihm konnte aber noch niemand vorwerfen, daß er irgendwie einen Standpunkt nachlässig und schwachvertreten hätte. Ich habe selber viel Proben in meinem eigenen Hause erlebt, wie sehr er seinen Standpunkt wahrnimmt, und ich muß viele bayerische Anstrengungen verbinden, um mich hier durchzusetzen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, darf ich Ihnen eine kleine Schnaufpause gönnen. Sind Sie nicht mit mir der Meinung: wer sich so rechtfertigt, klagt sich auch gleichzeitig an, und sind Sie wirklich der Auffassung, daß ein Beschluß .des Europäischen Parlaments für Sie null und nichtig ist und auch keine Unterstützung bedeutet?
Einen Augenblick! Ichmache darauf aufmerksam, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten noch bei der Beantwortung einer Großen Anfrage ist und daß der Bundestagspräsident bis jetzt durch die Finger gesehen hat, denn Zwischenfragen sind erst erlaubt — ich bitte, das in der Geschäftsordnung nachzulesen —, wenn die Aussprache eröffnet ist. Das andere war Toleranz, die wir uns gestattet haben.
Herr Bundesminister, ich mache darauf aufmerksam, daß Sie das Recht haben, Zwischenfragen abzulehnen. Bis jetzt haben wir die Sache ja konziliant gehandhabt. Ich würde aber doch bitten, den Minister jetzt erst einmal mit seiner Beantwortung zu Ende kommen zu lassen. Ich habe noch sehr viele Meldungen für die Aussprache. Es gibt eine sehr lange Rednerliste. Ich glaube, 'daß in der Aussprache noch Gelegenheit genug besteht, die Fragen zu beantworten.
Herr Präsident, ich möchte von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Ich möchte Sie auch bitten, die Konzilianz fortzusetzen, damit die Opposition nicht den Eindruck bekommt, wir hätten Angst vor ihren Fragen.
Insofern, Herr Minister, kann ich Sie beruhigen. Hier brauchen Sie sich für 'die Opposition den Kopf nicht zu zerbrechen, denn ;die Opposition hat bis jetzt schon zwei Redner gemeldet und weitere drei angekündigt.
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Ich trete gern für das Recht der Opposition ein. Das ist noch eine alte versteckte Liebe aus der Zeit der Kleinen Koalition.
Herr Kollege Ertl, ganz kurz: Ich halte die Beschlüsse .des Europäischen Parlaments für sehr wichtig, und ich halte sie für eine kräftige Unterstützung unserer Position. Leider haben unsere Partnerstaaten nicht .die Möglichkeit gehabt, bei ihren eigenen Vorschlägen diesen Standpunkt zu vertreten. Ich hätte es sehr gerne gesehen, wenn wir mit einem besseren Ergebnis nach Hause gekommen wären. Ich hatte auf jeden Fall die Vollmachten, und wir sind so weit gegangen, als es nur irgendwie möglich war. Wir haben vor allem zwei Dinge erreichen können, und die waren ganz und gar nicht 'einfach. Wir haben z. B. den Roggenpreis, der ja für die mageren Böden eine große Rolle spielt, doch sehr gut placieren können, und wir haben den sehr, sehr komplizierten Außenschutz für den Rindfleischpreis, der uns heute soviel Sorgen macht, verbessern können. Hier handelt es sich auch um eine Angelegenheit, die gerade dem Teil der Landwirtschaft hilft, der immer etwas auf der Schattenseite steht, nämlich den Futterbaubetrieben und den Grünlandbetrieben.Sie haben dann beanstandet, daß die Frage der 560 Millionen noch nicht geklärt ist. Ich halte mich strikt an das Haushaltsrecht. Und im Haushaltsrecht steht, daß wir noch in diesem Jahr den ganz und gar nicht einfachen Verteilungsmodus bekanntgeben müssen. Sie werden doch Verständnis dafür haben, daß wir zumindest sehen wollen, wie sich das neue Getreidewirtschaftsjahr anläßt. Es wäre doch eine sinnlose Anstrengung, schon am ersten Tag des Inkrafttretens ohne Übersicht über den praktischen Verlauf eine so schwierige Frage im voraus prognostizierend lösen zu wollen. Wir haben durch den bisherigen Ablauf sehr viele und interessante Kenntnisse gewonnen, und ich darf Ihnen versichern, sie werden sich niederschlagen.Sie haben die alte Frage wiederholt, ob wir denn ganz streng bei der Getreideanbaufläche bleiben oder ob wir gar — ganz ungerechterweise, wie Sie meinen — für die Futterbaubetriebe etwas tun würden. Ich habe Ihnen schon einmal sagen müssen, daß ich mehr auf die Solidarität innerhalb der Landwirtschaft vertraue. Aus volkswirtschaftlicher und preispolitischer Sicht bin ich der Meinung, daß der Getreidepreis viele Funktionen und viele Auswirkungen hat. Er hat Auswirkungen beim verkauften Getreide und bei der getreideabhängigen Veredlung. Er hat als Eckpreis mit all seinen Folgen und mit seinen Auswirkungen auf das ganze agrarpolitische Preisniveau eine sehr erhebliche Bedeutung. Ich glaube nicht, daß es gerecht wäre, wenn wir diese Wirkungen einfach unterschlagen wollten. Aber Sie werden noch viele Gelegenheiten haben, die endgültige Lösung zu kritisieren.Sie haben weiter beanstandet, daß man den sehr verehrten Kollegen Dr. Schiller, der für die Konjunkturpolitik so gewaltige Anstrengungen machenmuß, die der Landwirtschaft zugute kommen werden bei der Eröffnung der Verbraucherwoche als einen Verbrauchsminister bezeichnet hat. Meine verehrten Damen und Herren, hier ein ernstes Wort. Es gibt kaum ein Ressort, das nicht in einer Spannung lebt. Mein Ressort lebt z. B. in der Spannung zwischen Erzeugern und Verbrauchern; -dazu kommen andere Fragen handelspolitischer Art, die hier eine Rolle spielen und die nur im Kompromiß gelöst werden können. Oder nehmen Sie die vielen divergierenden Interessen und Konflikte, die der Verkehrsminister zu bewältigen hat. So ist es fast in jedem Ressort, nicht zuletzt auch bei Professor Schiller, der die Produktion auf der einen und die billige Versorgung auf der anderen Seite auf einen gemeinsamen Nenner bringen soll mit den politischen Maßnahmen und Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen. Mein Ressort nennt sich Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium. Beides hat seine Berechtigung. Dieses Amt ist schwierig in einer Zeit, wo so vieles zusammenkommt, wo sich die Preisbeschlüsse, ein Konjunktureinbruch, eine mangelhafte Kaufkraft und fiskalische Schwierigkeiten kumulierend verbinden. Ein Landwirtschaftsminister, der nicht sieht und nicht sichtbar und deutlich macht, daß er sich dem Verbraucher verpflichtet fühlt, hätte seinen Beruf verfehlt. Er würde der Landwirtschaft Schaden zufügen.
Ich darf es bei diesen Bemerkungen zur Einleitung bewenden lassen und darf nun auf die Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD durch den Herrn Kollegen Welslau erwidern. Er meint zunächst, der Milchpreis sei eine Fiktion. Ich möchte nicht so weit gehen. Herr Welslau, Sie haben eine sehr vorsichtige und sehr verantwortungsvolle Interpretation gewählt: der Milchpreis, so wie er formuliert worden ist. Sie haben auch die anderen genannt, die es sehr schwer hatten, hier eine Bewegung zu vollziehen; Sie nennen Belgien und Italien. Das ist historisch richtig. Aber die Struktur des Milchpreises beruhte auf Berechnungen der Kommission, die damals angestellt wurden. In der Zwischenzeit sind die Dinge in Bewegung geraten.Meine Damen und Herren, die Debatte heute erweckt den Anschein, als ob wir über eine statische Situation, über eine Gleichung mit höchstens einer oder zwei Unbekannten zu reden hätten. Das ist ein großer Irrtum. In dem Augenblick, in dem wir sprechen, bewegt sich ein großer Teil der Faktoren und der Elemente, die bei unserer Entscheidung eine Rolle spielen. Hier gibt es so viele Unbekannte von draußen und von drinnen, ein keineswegs vorauszusehendes Verhalten der Produzenten und der Verbraucher, die von vielen Einflüssen mitbestimmt werden, daß wir es uns nicht erlauben können, mit festen Größen zu operieren. Deswegen ist auch kein Vorwurf an die Kommission erlaubt.In der Zwischenzeit — das werde ich noch bei der Einzelbeantwortung ausführen — hat die Produktion eine Entwicklung genommen, mit der der Verbrauch nicht Schritt gehalten hat. Es erhebt sich das ganz große, aber keineswegs neue und immer wiederkehrende Problem der landwirtschaftlichen Über-
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6820 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Bundesminister Höcherlschüsse. Sie haben gegenüber den gewerblichen Überschüssen eine besondere Schwierigkeit, weil sie nicht stapelbar sind und weil sie viel schneller verderben und deswegen eine andere Behandlung beanspruchen.Ich möchte nicht von Fiktionen reden, aber einige Größen, einige Daten, die in dieser Vorausberechnung, in diese Prognose eingebaut waren, haben sich in der Zwischenzeit sehr verändert. Wer glaubt, politische Beschlüsse allein seien in der Lage, eine Überschußsituation zu meistern, verkennt die Wirklichkeit. Erzeuger, Verarbeiter, Verbraucher und politische Kräfte zusammen müssen helfen, ein solches Programm auszuführen.Hier wurde wieder vom „Butterberg" gesprochen. Diese Wortbildung kehrt ja auch in anderen Zusammensetzungen ständig wieder. Ich mag diese Art Alpinismus nicht.
Ich könnte von Automobilberg und allen möglichen anderen Bergen sprechen. Ich weiß nicht, ob das die richtige Art und Weise ist, das Problem zu kennzeichnen. Schließlich ist es nach der letzten Zählung immer noch so, daß unsere Buttererzeugung noch nicht einmal den eigenen Verbrauch voll deckt. Was sich hier nachteilig auswirkt, ist der Überhang aus der Vergangenheit, der auf das Jahr 1953, als die Käseeinfuhr liberalisiert wurde, zurückgeht. Niemand hat das im Jahre 1953 voraussehen können, aber die Wirkungen verspüren wir heute, ebenso wie die Auswirkungen vieler Beschlüsse, die wir heute fassen, erst in vielen Jahren eintreten werden. Deswegen ist eine gewisse Vorsicht am Platz.Ich weiß nicht, ob es uns angesichts des Hungers in der Welt überhaupt erlaubt ist — Herr Kollege Welslau hat darauf hingewiesen —, in Zusammenhang mit wertvollen Nahrungsmitteln von Bergen zu sprechen, die rasch abgebaut werden müssen. Dabei muß auch bedacht werden, daß sich die Landwirtschaft in ihrer Erzeugung nicht so ohne weiteres umstellen kann. Sie ist viel mehr als andere Wirtschaftszweige von klimatischen und anderen unveränderlichen Faktoren abhängig. Sie kann sich also schon deswegen nicht von heute auf morgen umstellen. Außerdem könnte das nicht auf nationaler Basis geschehen, sondern nur auf der der EWG.Wir, die wir an verantwortlicher Stelle stehen, sollten also darauf hinwirken, daß das, was in den Diskussionen draußen zu diesem Thema gesagt wird, richtiggestellt wird. Wir beobachten ja, daß man sich zu diesen Fragen oft leichtfertig äußert, ohne die Zusammenhänge darzustellen und auf den Kern der Probleme einzugehen. Auf diese Weise kann man das Problem freilich glänzend demagogisch behandeln. Dabei scheuen sich diejenigen, die das tun — ich könnte interessante Beispiele anführen —, nicht, jedes zusätzliche Kostenelement, das ihnen entsteht, sofort auf den Verbraucher abzuwälzen. Bei sich halten sie das für erlaubt, bei den anderen sehen sie das als Todsünde an. Wenn hier mehr Objektivität Platz greift, dann werden wir die richtige Linie finden.
Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich der eigentlichen Beantwortung der Großen Anfrage diese Einleitung vorangeschickt habe. Ich mußte das deshalb tun, weil hier einige Bemerkungen gefallen waren, die nicht unwidersprochen bleiben durften und auf der Stelle beantwortet werden mußten, damit sie nicht als unbestritten im Gedächtnis der Kollegen haften bleiben. Im übrigen enthielten sie ja nicht viel Neues; was da gesagt wurde, kennen wir längst. Aber nach altem deutschen Recht muß sich Rede und Antwort unmittelbar begegnen, damit die Argumente kein falsches Gewicht erhalten.Ich wende mich nun zunächst der Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP zu.Die Frage Nr. 1 lautet:Welche Aufgaben hat nach Auffassung der Bundesregierung die deutsche Landwirtschaft in der nationalen Volkswirtschaft und in der EWG künftig zu erfüllen?Ich könnte hier mit einem biblichen Zitat beginnen und sagen: Warum fragst du mich?
Das weiß natürlich jeder von uns, das weiß auch die FDP; aber sie möchte es nun einmal von der Bundesregierung hören, und diesen Gefallen möchten wir ihr tun.Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der deutschen Landwirtschaft in der nationalen Volkswirtschaft unter rein ökonomischen Aspekten unverändert die Aufgabe zufällt, qualitativ hochwertige Ernährungsgüter zum unmittelbaren Verzehr und zur Weiterverarbeitung zu Nahrungs- und Futtermitteln zu erzeugen. Sie hat sich dabei moderner wissenschaftlicher Methoden der Landbautechnik und der neuesten betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse bei marktgerechtem Verhalten unter Ausnutzung aller Gemeinschaftseinrichtungen zu bedienen. Diese Aufgabe erfährt durch den Einschluß der deutschen Landwirtschaft in die Gesamtwirtschaft der EWG keine Veränderung.Mit Sicherheit werden an die deutsche Landwirtschaft im Gemeinsamen Markt mit dem verstärkten Wettbewerb höhere Anforderungen sowohl an die Qualität ihrer Produkte als auch bei der Senkung der Betriebskosten gestellt. Zum Ausgleich stehen verbesserte Absatzmöglichkeiten im Großraum der EWG und die bleibende Hilfestellung der Bundesregierung zur Verfügung.In den ersten Nachkriegsjahren standen die Ausweitung der landwirtschaftlichen Produktion zur Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung und damit zwangsläufig die Erhöhung des Produktionsvolumens im Vordergrund. Heute hat die marktgerechte Erzeugung bei höchster Wirtschaftlichkeit den Vorrang.Die zweite Frage lautet:Wie beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung und angesichts des sich vollziehenden gemeinsamen Agrarmarktes die ihr durch das Landwirtschafts-
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Bundesminister HöcherlBesetz, insbesondere die §§ 1 und 4, und das EWG-Anpassungsgesetz auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen?Die Antwort darauf lautet folgendermaßen:Im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung sind für den Ernährungsbereich folgende Bundesmittel vorgesehen: 1967 4,44 Milliarden DM, 1968 5,43, 1969 5,30, 1970 4,66, 1971 4,47 Milliarden DM. In dem Ansatz für 1967 sind die Aufwendungen im Rahmen der Investitionsprogramme in Höhe von rund 320 Millionen DM nicht enthalten.Die Mittel des Einzelplans 10 dienen direkt und indirekt dazu, die Aufgaben zu erfüllen, die der Bundesregierung nach den beiden Gesetzen erwachsen. Dazu kommen noch Mittel aus der Abteilung Ausrichtung des EWG-Agrarfonds, die unmittelbar den Begünstigten zufließen und die ab 1969 voraussichtlich eine Größenordnung von mehr als 200 Millionen DM je Jahr erreichen werden. 1968 werden etwas mehr als 100 Millionen DM erwartet.Um die sich insbesondere aus § 1 des Landwirtschaftsgesetzes ergebende Verpflichtung, der Landwirtschaft die Teilnahme an der fortschreitenden Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft zu ermöglichen und der Bevölkerung die bestmögliche Versorgung mit Ernährungsgütern zu sichern, erfüllen zu können, wird die Bundesregierung auch weiterhin neben hohen Ausgaben zur Verwirklichung der preispolitischen Zielsetzungen der Brüsseler Marktordnungen erhebliche Mittel für die in der nationalen Zuständigkeit verbleibenden Daueraufgaben aufwenden. Dazu rechnen insbesondere Mittel zur Verbesserung der Agrarstruktur, für die Modernisierung der Betriebsausstattung, der Rationalisierung der Vermarktung und zur Verbesserung der sozialen Lage in der Landwirtschaft.Im Entwurf des Einzelplans 10 für das Rechnungsjahr 1968 ist eine Ubersicht aufgenommen, in der die einzelnen Förderungsmaßnahmen den folgenden Ausgabeblöcken zugeordnet worden sind: Verbesserung der Agrarstruktur, Modernisierung der betrieblichen Ausstattung, landwirtschaftliche Sozialpolitik, Rationalisierung der Vermarktung, Verbesserung der Einkommenslage der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Ich darf hier ergänzen: eine vernünftige, nach allen Seiten hin gerechte Preispolitik auf dem Feld der EWG.Unter die Verbesserung der Agrarstruktur fallen u. a. die bekannten Projekte der Flurbereinigung, die wir verstärken werden und die wir mit den Richtlinien des kommenden Jahres auch in größenmäßig andere Formen bringen werden, ferner die Betriebsaufstockung und Aussiedlung, die Förderung der benachteiligten Gebiete und die Kreditverbilligung für die Landwirtschaft, wozu ich schon einigte Bemerkungen machen konnte.Zur Modernisierung der betrieblichen Ausstattung, die der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe in der EWG dient, werden Investitionsbeihilfen nach Betriebsentwicklungsplänen gewährt, die bisher nach allgemeinem Urteil außerordentlich gut eingeschlagen haben und die in die Förderung der Betriebe endlich einmal eine Grundrichtung gebracht haben, die als Einheit gesehen werden muß.Zur Verbesserung der sozialen Lage in der Landwirtschaft leistet der Bund auf Grund der im Altershilfegesetz vorgeschriebenen Defizitdeckung erhebliche Zuschüsse an die landwirtschaftlichen Alterskassen. Auch hier ist es möglich, Vorschlägen, die aus dem Bereich der Koalition kommen, entgegenzukommen und die Belastung mit Beiträgen vielleicht etwas zu verkürzen — in Richtung der Vorschläge des Regierungsentwurfs — und trotzdem das gleiche Ziel zu erreichen.Ferner gibt der Bund nicht gesetzlich normierte Zuschüsse zu den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften für die Verbesserung des Unfallschutzes in der Landwirtschaft.Zur Rationalisierung der Vermarktung wird die Bundesregierung die Maßnahmen im Rahmen der in der EWG bestehenden Möglichkeiten weiterführen, die sie z. B. im Rechnungsjahr 1967 mit 205 Millionen DM gefördert hat.Zur Verbesserung der Einkommenslage der landwirtschaftlichen Bevölkerung sollen weiterhin u. a. auch Mittel für die Gasölverbilligung bereitgestellt werden. Sie kennen die Gesetzesvorlage und Sie kennen die günstige Entwicklung, die die Beratungen tuber den Landwirtschaftshaushalt genommen haben, die mit Zustimmung des Finanzministeriums so weit entwickelt werden sollen, daß in einem Jahr dreimal Vorauszahlungen geleistet werden, so daß der unmittelbare verbilligte Einkauf möglich ist. Ich glaube, das ist nach 16-, 17jahrelangen Bemühungen nun doch schließlich etwas, und wir sollten alle Anstrengungen darauf konzentrieren, wie wir die Schwierigkeiten dieses Jahres und der ersten Monate des nächsten Jahres, die finanzpolitisch notwendig waren, in irgendeiner Form ausgleichen können.Weiter will die Opposition wissen:Welche Preiseinbußen muß die deutsche Landwirtschaft im laufenden Wirtschaftsjahr gegenüber dem Vorjahr bei pflanzlichen und tierischen Erzeugnisse hinnehmen?Jedermann weiß — das ist die Antwort der Bundesregierung —, daß die Preisbildung auf dem Ernährungssektor besonders schwierig abzuschätzen ist, weil zahlreiche und zum Teil divergierende Faktoren eine beträchtliche Rolle spielen. Vom laufenden Wirtschaftsjahr sind erst vier Monate vergangen. Diese kurze Zeitspanne läßt noch kein abschließendes Urteil über die Preisentwicklung für das ganze Wirtschaftsjahr zu. Auf dem Sektor der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise sind zwei Bereiche zu unterscheiden: die Preise, die durch politische Entscheidungen festgelegt werden, und die Preise, die durch das freie Spiel von Angebot und Nachfrage zustande kommen.Die Senkung der deutschen Getreidepreise im Rahmen der Getreidepreisharmonisierung in der EWG ab 1. Juli 1967 ist ein derartiger administrativer Eingriff in .das landwirtschaftliche Preisgefüge
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6822 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Bundesminister Höcherlim laufenden Wirtschaftsjahr. Nach vorsichtigen Schätzungen auf Grund der bisherigen Preisentwicklung und der geernteten Mengen kann bei den Getreideverkäufen mit einem rechnerischen Einnahmeausfall von rund 280 Millionen DM gerechnet werden.Die Getreidepreissenkung hat unmittelbare Auswirkungen auf das verkaufte Getreide und auf die Preise der getreideabhängigen Veredelung. Wegen der bekannten allgemeinen Interdependenz der landwirtschaftlichen Preise, die sich am Getreidepreis als Eckpreis orientieren, sind noch weitere mittelbare Einbußen auf dem landwirtschaftlichen Preissektor zu erwarten.Zum Ausgleich der direkten Einkommensminderung bei Getreide und bei den getreideabhängigen Veredelungsprodukten, aber auch für die indirekten Folgeerscheinungen werden im laufenden Wirtschaftsjahr über die EWG 560 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden.Welchen Einfluß die Mehrwertsteuer auf die landwirtschaftlichen Preise und damit auf das Einkommen der Landwirtschaft haben wird, läßt sich noch nicht voll übersehen. Ich glaube, ich brauche den Standpunkt des Bundesernährungsministeriums nicht darzulegen. Wir werden hier versuchen, eine vernünftige und nach vorn gerichtete Lösung zu suchen und zu finden, und ich rechne sehr auf die kollegiale Mitwirkung meiner Kollegen Schiller und Strauß.
Wie weit die Auffassungen, was die Einkommensschätzung betrifft, auseinandergehen, zeigt sich daran, daß ernst zu nehmende Prognosen zu dem Ergebnis kommen, daß auf Grund der bisherigen Preisentwicklung und 'der einmalig guten Ernte im Wirtschaftsjahr 1967/68, für die wir alle dankbar sein müssen und die wir nicht wegen der Preisauswirkungen in Verdacht bringen sollten, keine Mindereinnahmen — insgesamt gesehen — gegenüber dem Vorjahr erwartet werden. Ich meine hier die Mindereinnahmen zunächst einmal global. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß auf Grund der guten Futtererträge dieses Jahres die Ausgaben für Zukauffuttermittel wahrscheinlich geringer werden.Die nächste Frage lautet, ob der bäuerliche Familienbetrieb entsprechend der Entschließung usw. nach wie vor das Leitbild der bundesrepublikanischen Landwirtschaft und der EWG-Landwirtschaft bleibe. Auch das ist keine ganz neue Frage, eine Frage, die ganz neue Tatbestände anspricht. Ich darf sie deswegen etwas kurz behandeln und folgendes sagen.Die Auffassung der Bundesregierung zum bäuerlichen Familienbetrieb hat sich nicht geändert. Der bäuerliche Familienbetrieb ist und bleibt das Leitbild der gegenwärtigen und zukünftigen nationalen Agrarpolitik. Das gilt auch für die Agrarpolitik der EWG. Die Regierungen der Mitgliedstaaten der EWG haben sich 1958 in Stresa hierauf festgelegt. Das entspricht auch dem ganzen Strukturbild ihrer Landwirtschaft, nach dem sich ja jede Politik zu orientieren hat. Wir haben ja nicht etwas im freien Raum zu schaffen; wir haben uns nach der Wirklichkeit zu orientieren. Die Mitgliedstaaten haben diesen Grundsatz auch in der Ausgestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik immer wieder bestätigt. Es gibt dafür viele Beweise, die Sie alle kennen. Der Begriff des 'bäuerlichen Familienbetriebes ist im übrigen nicht statisch, sondern dynamisch zu sehen, und zwar dynamisch im Zuge der revolutionären Entwicklung aller Lebensbereiche, auch der Landwirtschaft in der Industriegesellschaft. Hier sind für die Bundesregierung nicht nur ökonomische, sondern ebensosehr soziologische, raumordnungsmäßige und allgemein politische Gesichtspunkte entscheidend.Wie beurteilt die Bundesregierung nun die zukünftigen Chancen der Familienwirtschaften a) in der Bodenproduktion und b) in der Veredelungswirtschaft? Das möchte ich folgendermaßen formulieren.Zunächst ist festzustellen, daß die künftigen Chancen der Familienwirtschaften in der Bodenproduktion und in ,der Veredelungswirtschaft nicht getrennt beurteilt werden können. Die Bodenproduktion ist in den Familienwirtschaften in der Regel die Vorstufe der Veredelungsproduktion, so daß eine Trennung, wie sie in der Frage enthalten ist, in .der Praxis keine besondere Bedeutung besitzt.Die Familienbetriebe, die ausschließlich Bodenproduktion betreiben, fallen zur Zeit zahlenmäßig nicht ins Gewicht. Ihre Chancen hängen weitgehend von der Bonität des Bodens, der Gunst des Klimas und vom Umfang der bewirtschafteten Fläche ab. Bei Familienbetrieben, die ausschließlich vom Verkauf von Bodenprodukten leben, handelt es sich in der Hauptsache um Sonderkulturbetriebe.Unter durchschnittlichen Produktionsbedingungen ist der Familienbetrieb auf Grund seiner Arbeitsverfassung und anderer betriebswirtschaftlicher Gegebenheiten geradezu prädestiniert, seine eigene Bodenproduktion nach konventionellen Methoden über 'die tierische Veredelung zu verwerten. Auf diesem Gebiet ist der Familienbetrieb bei entsprechenden tierischen Bestandsgrößen allen anderen Produktionssystemen heute überlegen. Ich glaube, das wird auch in Zukunft so sein. Das reicht schon fast hinein in den Bereich der Dienstleistung, die ja in der Industriegesellschaft einen besonderen Rang hat.Die Chancen des Familienbetriebes werden .allerdings vom Markte her begrenzt, auf dem auf Grund zersplitterten und zeitweise überhöhten Angebots — wir haben bittere Erfahrungen aus der Gegenwart — eine unbeschränkte Konkurrenz herrscht. Deswegen werden wir alle Anstrengungen unternehmen, um das Marktstrukturgesetz, das von dieser Seite des Hauses vorgelegt worden ist, zu forcieren
im Gleichschritt mit den EWG-Bemühungen auf derselben Ebene. — Ich sehe soeben den Kollegen Unertl in etwas bitterer Miene wegen des Marktstrukturgesetzes. Um es zum zehntenmal zu sagen: der Handel soll dabei nicht vergessen werden; aber das Problem ist ein berechtigtes Anliegen.
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Bundesminister HöcherlDie künftigen Chancen der Familienwirtschaften stehen allerdings auch unter dem Einfluß der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der Auswirkungen der gemeinsamen Agrarpolitik und der Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion im europäischen Großraum.Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung in Zukunft den Zu- und Nebenerwerbsbetrieben im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion bei? Der Kollege Logemann hat sich von jeder besonderen Bemühung und Anstrengung für die Zu- und Nebenerwerbsbetriebe freigesprochen. Er meint, sie hätten es relativ leicht. Nun, ich weiß es nicht, ob es die Zu- und Nebenerwerbsbetriebe so sehr leicht haben. Sie haben es leicht, wenn sie einen guten Zuerwerb haben. Ob sie ihn aber haben, das ist die Frage.
Wenn der Nebenerwerbsbetrieb einen guten Haupterwerb hat, gehört er nicht zu unseren Sorgenkindern. Aber ob er ihn hat und ob er ihn auf die Dauer haben wird und wie der ländliche Raum aussehen wird, das ist eine andere Frage. Wir haben doch gar kein Recht mehr, allein ökonomische Maßstäbe anzusetzen. Der ländliche Raum und diese Siedlungsstruktur, alles das ist mit dem Psychologischen und Ethischen verbunden. Das ist doch der Kern unseres Anliegens. Das geht weit über das rein Ökonomische hinaus. — Sie haben es sehr schwer, meine Herren von der FDP. Ich sehe auch Ihre Marktpolitiker und Ihre liberalen Streitkräfte hier gar nicht beisammen. Diese Fragen werden Ihnen nicht geringe Schwierigkeiten machen.
Im Zuge der wirtschaftlich-technischen Entwicklung und der steigenden, durch die industrielle Umwelt bestimmten Einkommenserwartungen als eines ganz entscheidenden Faktors der landwirtschaftlichen Erwerbspersonen kommt dem Problem der Zu- und Nebenerwerbsbetriebe eine wachsende, auch zahlenmäßig wachsende Bedeutung zu. Das gilt ungeachtet der Tatsache, daß die Zahl der landwirtschaftlichen Kleinbetriebe von 1949 bis 1966 um mehr als 500 000 Einheiten abgenommen hat. Das sei einmal denjenigen ins Stammbuch geschrieben, die sagen: Die Landwirtschaft bewegt sich nicht, sie erkennt die Zeichen der Zeit nicht. Nennen Sie mir irgendeinen anderen Bereich, in dem eine so gewaltige Umwälzung ohne Erschütterung vor sich gegangen ist.
— Ja, das ist vergleichbar. Ich komme zum Schluß noch ganz kurz darauf zurück.Da einer flächenmäßigen Aufstockung wegen der geringen Bodenmobilität, die wir auf dem Pachtsektor etwas vergrößern wollen, in der Bundesrepublik enge Grenzen gesetzt sind und eine innere Aufstockung auf dem Sektor der flächenunabhängigen Veredelungsproduktion, weil es uns leider nicht gelingen will, vernünftige Grenzen zu ziehen, damit ein klassisches Vorbehaltsgut der bäuerlichen Produktion in bäuerlichen Händen bleibt, besonderen Schwierigkeiten begegnet, müssen neue Wege beschritten werden.So ist die Bundesregierung bemüht, außerlandwirtschaftliche Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Hier wirken regionale Wirtschaftspolitik und das Arbeitsförderungsgesetz des Kollegen Katzer zusammen, das hier ein breites Bildungsangebot für den ländlichen Raum zur Verfügung stellen will.
Das sind Maßnahmen, die nicht allein der Landwirtschaftsminister hier zu vertreten hat. Das ist eine Gesamtverantwortung, die sich arbeitsteilig eben in Ressortverantwortung auflöst. Dieses außerlandwirtschaftliche Arbeitsangebot soll es den Inhabern von Zu- und Nebenerwerbsbetrieben ermöglichen, ein angemesssenes Einkommen aus kombinierter landwirtschaftlicher und gewerblicher Tätigkeit zu erreichen. Dabei unterliegt es der freien Entscheidung eines jeden einzelnen, welchen Weg er einschlägt. Möglicherweise wird eine arbeitsextensive Betriebsorganisation der Zu- und Nebenerwerbsbetriebe unter Ausschöpfung kostensparender Gemeinschaftseinrichtungen diese Entscheidung erleichtern.Ich bin gerade der Meinung, daß die Strukturmaßnahmen den ganzen Raum, auch den mit sehr bescheidener Flächenstruktur, erfassen müssen, damit dort eine arbeitsextensive Wirtschaft durch größere Flurstücke möglich wird, damit das Einsetzen und das Überwechseln oder das Ergänzen auf dem gewerblichen Sektor von nicht ausgenutzter Arbeitskraft oder frei gemachten Arbeitskraft erleichtert und verbessert wird. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Entwicklung nur durch die gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen, insbesondere durch Verbesserung der Infrastruktur in Gebieten mit ausgesprochen kleinbäuerlicher Struktur, gefördert werden kann.Nun darf ich mich der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD zur EWG-Marktordnung für Milch und Milcherzeugnisse zuwenden. Ich darf vielleicht, damit ich nicht so viel Redezeit in Anspruch nehme, gleich mit den Antworten zur ersten Frage mit den Unterteilen a), b) und c) beginnen.Die EWG hat bisher in der Verordnung 13/64 nur eine Regelung für Milcherzeugnisse geschaffen. Die Regelung für Trinkmilch und Frischmilcherzeugnisse steht noch aus. Daß sich die Bundesregierung diese Dinge angelegen sein läßt und daß sie nicht übermütig an alten Zahlen und Daten festhält und glaubt, einen Justament-Standpunkt einnehmen zu können, mögen Sie daran ersehen, daß wir gestern erreichen konnten, daß am 11. Dezember innerhalb der EWG das Milchproblem aufgeworfen wird, und zwar mit all seinen Bestandteilen. Wir haben darauf gedrängt. Ich kenne die Sorgen dieses Hohen Hauses und ich kenne die öffentliche Diskussion. Wir wollen hier die politische Meinung des Parlaments und die öffentliche Diskussion und unsere eigenen Überlegungen verwenden, um dort zu einer Lösung zu kommen. Es kommt daher darauf an, daß wir in all den Teilen, die hier eine Rolle spielen, zusammen-
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6824 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Bundesminister Höcherlwirken, gegenseitig Vertrauen setzen und nicht überall jede Bemerkung, jede Äußerung oder irgendwelche archäologischen Bestandteile früherer Bemerkungen gegenseitig als Material verwenden, um uns einen Guerilla-Krieg zu leisten, zu dem wir gar keine Zeit und gar keine Muße haben.In der Entschließung vom 24. Juli 1966 sind einige Grundsätze hinsichtlich der gemeinsamen Regelung ab 1. April 1968 festgelegt worden. Es können noch Änderungen notwendig werden. Das sei in aller Offenheit gesagt. Die endgültige Gestaltung . muß bis zum 1. April 1968 beschlossen sein. Bis dahin ist alles noch im Fluß. Ich darf Sie von der Opposition bitten, moderne Opposition zu machen und hier mit Vorschlägen zu kommen und sie auf den Tisch zu legen und uns mit besseren Überlegungen in den Schatten zu stellen. Wir werden sie dankbar aufgreifen. Aber Sie haben uns hier reichlich geizig und reichlich zurückhaltend behandelt.
Der gemeinsame Richtpreis ist ebensowenig wie der augenblickliche nationale Richtpreis ein Garantiepreis — Sie wissen, welche Unterschiede wir in der Gegenwart haben —, sondern gilt als Ziel für die Landwirtschaftspolitik der EWG und ist Maßstab für die Festsetzung des Außenschutzes. Hier lassen Sie sich gleich einen Grundsatz mitteilen. Ich bin der Meinung, daß jede Regelung, ganz gleich wie sie aussehen mag, dafür sorgen muß, daß die Grönlandbetriebe, die nicht ausweichen können, daß Futterbaubetriebe, die nicht ausweichen können, daß die bäuerlichen Betriebe, die die Milchproduktion zur Ergänzung ihres Sortimentes brauchen, daß diese drei Faktoren bei jeder Milchmarktordnung erste Priorität haben.
Der gemeinsame Richtpreis von 41,2 Pf frei Molkerei ist am 24. Juli 1966 in einem interessanten großen Paket, in dem auch die Zuckermarktordnung enthalten war, festgelegt worden. Er hat selbst bei den Kollegen der Opposition — damals waren sie ja noch Regierungspartei — nur maßvollen Widerspruch gefunden, also den obligaten Widerspruch und nicht den fundierten und ernsthaften.
Die Voraussetzungen, unter denen damals diese Beschlüsse gefaßt wurden, waren vor allem, daß die Konjunktur weiter ansteigt, sich also günstig entwickelt, und daß die Milcherzeugung und der Milchverbrauch sich in gleicher Weise entwickeln. Der Verbrauch von Milch und Milcherzeugnissen in der EWG ist dagegen erheblich hinter der Milcherzeugung zurückgeblieben. Zum Beispiel betrug 1967 das Milchangebot plus 4 bis 5 %, der Verbrauch plus 1 bis 2 %, die Bevölkerung plus 0,9 %. Es ist selbstverständlich, daß bei der endgültigen Festlegung der Marktorganisation — hier gibt es keine Trennung zwischen Trinkmilchmarktordnung und allgemeiner Milchmarktordnung, sondern hier gibt es nur ein einheitliches Ganzes —, die bis dahin vorliegenden Ergebnisse der Entwicklung und die Erfahrungen aus der bisherigen Anwendung der Marktordnung berücksichtigt werden. Gegebenenfalls wird hierdurch eine Ergänzung und Änderung der bisherigen EWG-Konzeption notwendig, um langfristige Milcherzeugung und Milchverbrauch in Einklang zu halten.Ich darf Ihnen sagen: alle diese technischen Lösungen sind für mich Mittel zum Zweck und kein Zweck an sich.
Die strukturellen Überschüsse natürlich, insbesondere bei Butter und Magermilch, sind nach Lage der Dinge und auf Grund der derzeitigen Regelung und bisherigen Erfahrungen einfach nicht auszuschließen, — bei Produktion und Verbrauch, wie sie heute vor uns stehen.Was nun die Kosten der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse betrifft, so sind seinerzeit von der Kommission 2,24 Milliarden DM als jährlicher Betrag geschätzt worden. Neuberechnungen zwischen dem Bundesernährungsministerium und dem Bundesfinanzministerium haben 2,73 Milliarden DM ergeben — genau weiß die Zahl niemand —, mit all dem Vorbehalt, der mit solchen Schätzungen verbunden ist. Die tatsächliche Entwicklung hängt entscheidend von dem Inhalt der endgültigen Regelung und der Entwicklung der Produktion und des Verbrauchs innerhalb der EWG ab.Was nun die nächste Frage — Frage 2 — betrifft, möchte ich zunächst folgendes sagen. In einigen Mitgliedstaaten der EWG ist die Molkereianlieferung im Verhältnis zur Milcherzeugung relativ niedrig, sie war z. B. 1966 in Belgien zirka 66%, in Deutschland 80 %, jetzt 81 %, in Frankreich zirka 60 %, in Italien zirka 70 % und in den Niederlanden 91 %. Es muß deshalb mit einer beschleunigten Zunahme der Molkereianlieferung gerechnet werden, wenn die Stützung für Magermilch und Magermilchpulver zu Futterzwecken eingeführt wird. Dieser Zunahme, die aus anderen Gründen bereits zu verzeichnen ist, steht eine schwer quantifizierbare Einschränkung der Herstellung von Milcherzeugnissen im landwirtschaftlichen Betrieb gegenüber. Um einer aus dieser Entwicklung entstehenden Tendenz von Überschüssen bei Butter und Magermilchpulver und einer dadurch bedingten Kostensteigerung in der EWG entgegenzuwirken, wird das Preissystem vielleicht auch geringere Erlöse für diese Erzeugnisse vorsehen müssen. Die EWG-Kommission hat die Zunahme der Molkereianlieferung bei ihren Schätzungen bereits in Rechnung gestellt. Ob sie der Wirklichkeit entsprechen, wird die Praxis zeigen.Über die endgültige Durchführung der Stützung für Magermilch und Magermilchpulver zu Futterzwecken ist noch nicht entschieden. Auch hier werden die bisherigen Erfahrungen berücksichtigt werden müssen. Die Stützung für Magermilch und Magermilchpulver zu Futterzwecken soll in der EWG nur an Molkereien und verarbeitende Betriebe gewährt werden. Die Stützung läßt sich z. B. an buchmäßige Nachweise binden, so daß insgesamt gesehen eine ordnungsgemäße Durchführung gesichert ist. Die Einführung einer — an und für sich erwünschten — amtlichen Molkereistatistik in allen
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Bundesminister HöcherlMitgliedstaaten ist hierfür nicht unbedingt erforderlich.Zu Frage 3: Die Probleme des Butterüberschusses sind nur über gemeinsame Maßnahmen im Rahmen der EWG zu lösen. Dafür kommen u. a. in Betracht: Verbesserung der Qualität der Trinkmilch durch Erhöhung des Fettgehaltes von 3,0 % auf 3,5 % , Maßnahmen zur Steigerung des Verbrauchs von Butter in der EWG, Abbau aller preislichen Anreize zur Butterproduktion, Veränderung der Relation zwischen Milchfett und Milcheiweiß zugunsten von Milcheiweiß und viele andere Maßnahmen.Meine Damen und Herren, wir zerbrechen uns im Hause zusammen mit den Sachverständigen, mit der Praxis, mit dem Berufsstand seit Monaten den Kopf darüber, welche Form die beste ist. Es gibt hier kein entscheidendes und ausschlaggebendes Mittel, sondern nur ein Bündel von Mitteln auf EWG-Basis und nationaler Basis. Ansatzpunkt ist sowohl Erzeuger wie Verarbeiter und Verbraucher. Es ist ein Bündel von Mitteln, das wir gemeinsam beraten und am 11. Dezember auf den Tisch legen müssen. Dann erst — wir sind so frei, das offen zu sagen — wollen wir sehen, ob die Praxis unsere Prognose bestätigt. Wir sind sogar bereit, jeden Tag einen neuen Entschluß zu fassen, wenn wir etwas Neues, etwas Besseres erfahren. Darum darf ich die Opposition, die ja ganz besonders dazu berufen ist, um ihrer Kritik im modernen Sinne gerecht zu werden, ganz kräftig aufrufen.Alle diese Maßnahmen wirken nur langfristig und sind abhängig von der Konjunkturentwicklung. Deswegen dieser Schwerpunkt in der Konjunkturpolitik. Eine Beschränkung der Butterbestände auf die Mengen des jährlichen Saisonausgleichs ist im Rahmen dieser Maßnahmen mit einer gewissen Marge möglich, die in allen landwirtschaftlichen Bereichen mit mindestens 10 % angesetzt werden muß. Dabei haben wir die geringsten Bestände. Wir sind in der Milchpolitik neuer Art Neulinge, während andere, beispielsweise Holland, auf ganz andere Erfahrungen zurückgreifen können. Sie alle haben höhere Bestände als wir — über uns will man herfallen.Zur Frage 4: Milch und Milcherzeugnisse aus Mitgliedländern müssen im Zeitpunkt des Verbringens in die Bundesrepublik den in der Bundesrepublik bestehenden hygienischen und sonstigen lebensmittel- und milchrechtlichen Vorschriften genügen. Hier, meine Damen und Herren, auch ein Wort zu unseren Qualitätsleistungen. Wir haben mit die beste Milch und die besten Milchprodukte. Das sei einmal in aller Offenheit hier gesagt.
Verhandlungen über die Angleichung der einschlägigen Vorschriften in den Mitgliedstaaten sind zur Zeit im Gange. Bis zum Inkrafttreten dieser Vorschriften gelten die nationalen Bestimmungen. Eingeführte Lebensmittel unterliegen in gleicher Weise wie inländische der amtlichen Lebensmittelüberwachung.Zur fünften und letzten Frage: Es kann nicht bestritten werden, daß bei der angespannten Haushaltslage eventuelle Mehraufwendungen zu Lasten der nationalen Förderungsmaßnahmen im Einzelplan 10 gehen. Die Bundesregierung wird deshalb bemüht bleiben, solche Mehraufwendungen zu verhindern. Es kommt dabei entscheidend darauf an, daß die Mitgliedstaaten der EWG ihre Milcherzeugung nicht weiter im bisherigen Maße ausweiten. Aber hier kann nur gemeinsam vorgegangen werden — nicht, daß sich einige besonders Tüchtige und Schnelle auf Kosten unserer eigenen Marktposition zusätzlichen Gewinn verschaffen.Das, meine Damen und Herren, waren die Antworten auf die gestellten Fragen. Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar dafür, daß hier auf dem halben Wege zum nächsten Grünen Bericht landwirtschaftliche Fragen in aller Breite diskutiert werden. Ich bin deswegen dafür dankbar, weil diese Diskussion noch im Spannungsfeld der Diskussion über die Kohlefrage steht, die hier in so verantwortungsbewußter Form geführt worden ist und die so viel Zustimmung im Hause gefunden hat. Es besteht hier eine große Verwandtschaft; es gibt ein Strukturproblem Kohle und Energie insgesamt, und es gibt ein Strukturproblem Landwirtschaft. Sie unterscheiden sich dadurch, daß das eine regional auf zwei Länder konzentriert ist, um die herum sich ein ganzer Bereich von sekundären und tertiären wirtschaftlichen Einrichtungen gruppiert, daß es sich dagegen bei dem Strukturproblem der deutschen Landwirtschaft um 4 Millionen Menschen und 1,4 Millionen Einheiten handelt, die über den ganzen deutschen Raum verstreut sind, von denen die Landwirtschaft jährlich 100 000 Menschen zum Einsatz in der Volkswirtschaft abgibt. Das sind zwei in ihrer Struktur und ihrer Thematik etwas verschiedene, dem Kern nach aber gleiche Dinge. Ich bekenne mich zu dem Strukturproblem Kohle und seinen Lösungsnotwendigkeiten, weil ich weiß, daß nur ein solches Bekenntnis und eine gerechte Beurteilung dieser Fragen auch die Stimmen glaubwürdiger macht, daß wir nicht mehr verlangen, als was dort gewährt wird, und daß wir den anderen die Gerechtigkeit gewähren wollen, die wir selber in Anspruch nehmen. Ich bin dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, dem Kollegen Barzel, besonders dankbar dafür, daß er schon bei der Kohledebatte diese Zusammenhänge herausgestellt hat.Ich darf Ihnen noch einmal dafür danken, daß heute Gelegenheit zu dieser Aussprache ist. Ich hoffe, im Verlaufe der Aussprache oder am Schluß bei der Zusammenfassung noch den einen oder anderen Zweifel ausräumen und Sie ermuntern zu können zu einer gemeinsamen Agrarpolitik, zusammen auch mit dem Berufsstand, mit der deutschen Landwirtschaft, die in ihrer bisherigen Leistung etwas so Einmaliges hingestellt hat, daß ich sagen muß: Wenn es einen Vertrauensfaktor gibt, dann ist es die deutsche Landwirtschaft und ihre bisherige Leistung. Das ist eine Basis, von der aus wir arbeiten können.
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6826 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Sie haben die Antwort auf die Großen Anfragen gehört. Ich eröffne die Aussprache. — Ich gebe das Wort zu einer zusätzlichen Erklärung dem Herrn Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich auch nicht gescheut, die Aussprache zu eröffnen. Aber ich bin ausdrücklich von Herrn Kollegen Logemann gebeten worden, als Kanzler, d. h. als der Mann, der die Richtlinien der Politik zu bestimmen hat, eine prinzipielle Antwort auf seine Anfrage zu geben. Ich hätte diese Antwort auch dann geben müssen, ich hätte in dieser Debatte das Wort auch dann nehmen müssen, wenn ich nicht dazu aufgefordert worden wäre. Denn, meine Damen und Herren, ich konnte nicht kürzlich in der Kohledebatte das Wort nehmen und bei dem mindestens ebenso wichtigen Bereich der Landwirtschaft in der heutigen Aussprache schweigen.
Beide Bereiche unserer Volkswirtschaft sind, wie wir wissen, dringend auf die Hilfe des Staates angewiesen, wenn auch beide aus ganz verschiedenen Gründen, und für beide Bereiche gilt, was ich in der Kohledebatte gesagt habe: daß wir eine ebenso ökonomisch sinnvolle wie politisch-menschlich gute Lösung finden müssen. In beiden Bereichen ist es notwendig, der betroffenen Bevölkerung klar zu sagen, was ist, was werden kann und was nach unserem Willen werden soll. Nur so können wir den Betroffenen das Vertrauen in ihre eigene Zukunft und das Vertrauen zu uns geben und stärken.In der Regierungserklärung — das ist von vielen in der bäuerlichen Bevölkerung beachtet worden — ist auf die Landwirtschaft nicht eingegangen worden. Die Regierungserklärung hat, wie Sie sich erinnern werden, darauf verzichtet, in der bis dahin üblichen Weise die ganze Breite der politischen Aufgaben aufzufächern. Sie hat die nicht behandelten Probleme keineswegs deswegen nicht erwähnt, weil sie sie nicht für bedeutsam gehalten hätte. Ganz im Gegenteil! Hier handelt es sich — denken Sie an den weiten Bereich der Gesellschaftspolitik — gerade um Problemkreise, die so schwierig sind, daß sie mit ein paar Sätzen in einer kurzen Regierungserklärung nicht abgetan werden konnten.
Wir alle erinnern uns daran, daß im Vordergrund unserer Sorgen — abgesehen von der Außenpolitik und der Deutschlandpolitik — damals die Überwindung der Wirtschaftsflaute und die Ordnung der öffentlichen Finanzen standen. Ich habe in der Regierungserklärung, meine Damen und Herren, auf die sehr ernste wirtschaftliche und finanzielle Situation in der Bundesrepublik hingewiesen, und ich meine, manchmal sollten wir uns daran erinnern, wie es damals aussah.Ich will bei dieser Gelegenheit nicht dramatisieren. Ich habe gehört, was der Vorsitzende der SPD zu der damaligen Situation gesagt hat. Er hat nach meiner Meinung dramatisiert. Meine Damen und Herren, es war eine kritische Situation, und ichmeine, auch die Christlich-Demokratische Union und auch die Freien Demokraten sollten ihr Maß an Mitverantwortung für die damalige Lage nicht abstreiten. Aber auch die Sozialdemokratische Partei sollte wissen und zugeben, daß jene Situation durch einen jahrelangen Prozeß herbeigeführt wurde, in dem wir über unsere Verhältnisse gelebt und disponiert haben.
Damit will ich es mit meiner Antwort auf die Ausführungen meines verehrten Kollegen Brandt bewenden lassen, aber ich glaube, es war notwendig, das zu sagen.Ich sagte damals, daß die Regierung entschlossen sei, zu entscheiden, was entschieden werden muß, ohne Rücksicht auf ein anderes Interesse als das des gemeinen Wohls. Es waren keine sehr populären Maßnahmen, die wir treffen mußten, und mir liegt immer noch im Ohr, wie ich von allen Seiten hörte: „Herr Bundeskanzler, nun ergreifen Sie drastische Maßnahmen! Die deutsche Bevölkerung ist bereit, die notwendigen Opfer zu bringen." Nun, ich will nicht behaupten, daß ich in dieser Beziehung allzu optimistisch war. Wir haben ja auch, als wir dann unsere harten Maßnahmen treffen mußten, manche Kritik erfahren. Es ist halt im menschlichen Leben so, daß man die Opfer lieber bei anderen als bei sich selber sieht.
Trotzdem glaube ich, daß unsere Bevölkerung verstanden hat, daß diese Maßnahmen notwendig waren. Ich bin davon überzeugt, auch unsere Bauern haben verstanden, daß sie Opfer bringen mußten: Kürzungen gesetzlich schon festgelegter Hilfen, zusätzliche Belastungen in einer ohnehin außerordentlich schwierigen Situation.Meine Damen und Herren, wenn ich zu diesem Problem nichts anderes zu sagen hätte als den Hinweis darauf, daß jeder einzelne und jede Gruppe unserer Bevölkerung im Blick auf die Sanierung, die wir durchführen mußten, Opfer bringen mußten, dann hätte ich geschwiegen — auch in dieser Aussprache — und hätte mir den bäuerlichen Unmut wie auch den Unmut anderer Betroffener — eben gefallen lassen müssen im Blick auf das, was diese Regierung nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden mußte. Aber, meine Damen und Herren, das ist eben nicht das einzige Wort, das der Bundeskanzler zur Lage der deutschen Landwirtschaft zu sagen hat. Ich begrüße daher diese Gelegenheit, nun meine Auffassung darzulegen.Wir alle wissen, in welch schwierigem Anpassungsprozeß sich unsere Landwirtschaft im technisch-industriellen Zeitalter und im Übergang zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft befindet. Wenn nun in einer solchen ohnehin schwierigen Zeit des Übergangs und der Anpassung, die allein schon genug Anforderungen an Intelligenz, Energie, an Lebensmut und an Opferbereitschaft fordert, jene Zumutungen hinzukommen, die wir durch die Haushaltsmaßnahmen, die mittelfristige Finanzplanung, stellen mußten, dann kann ich wohl begreifen, daß in unserer bäuerlichen Bevölkerung Sorgen wuchsen.
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Bundeskanzler Dr. KiesingerDiese Sorgen bezogen sich auf folgende Überlegungen: ob dieser geschichtliche Prozeß der Anpassung an das technisch-industrielle Zeitalter und der Einbeziehung in den Gemeinsamen Markt, in den die deutsche Landwirtschaft hineingerissen wurde, überhaupt kontrolliert und gesteuert werden könne, ob die Regierung die Bedeutung der Landwirtschaft — und zwar nicht nur ihre volkswirtschaftliche Bedeutung, sondern ihre ganze Bedeutung für unser Volk — erkenne und anerkenne und ob sie fähig und entschlossen sei, nach dieser Erkenntnis zum Schutz der Lebensinteressen unserer Landwirtschaft und unserer bäuerlichen Bevölkerung zu handeln. Wenn man solche Sorgen hat, meine Damen und Herren, und dazu häufig noch auf das Unverständnis anderer Kreise unserer Bevölkerung stößt, die sagen, jährlich würden Milliardengeschenke an die Landwirtschaft verteilt, die nicht erkennen, daß die Zuwendungen, die wir an die Landwirtschaft machen, nicht Geschenke für unsere Bauern, sondern Leistungen für unsere ganze Volkswirtschaft und für unser ganzes Volk sind,
dann wird die Last der Sorge eben noch größer.
Nun erkläre ich zu diesen Sorgen folgendes: Die Bundesregierung hat die volle Erkenntnis der Bedeutung der deutschen Landwirtschaft für unsere Volkswirtschaft und für unser Volk und anerkennt diese Bedeutung in vollem Umfange. Die Bundesregierung hat den festen Willen, jeder bäuerlichen Existenz, und zwar gerade den bäuerlichen Familienbetrieben, wo immer Lebenswille und Lebensfähigkeit vorhanden sind, die Existenzsicherung zu geben.
Die Bundesregierung wird ihre Politik dahin ausrichten, daß die Lebensinteressen der deutschen Landwirtschaft, die bereits erhebliche Opfer für das große und notwendige Werk der europäischen Einigung gebracht hat, in der künftigen Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit beständiger Energie gewahrt und gesichert werden.Daß das alles nicht einfach ist, meine Damen und Herren, brauche ich nicht zu versichern. Wenn man über Agrarprobleme im Zusammenhang mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft spricht, hat man oft das Gefühl, daß diese Probleme eigentlich nur noch von ganz wenigen Leuten gründlich verstanden werden.
Diese Komplizierung der Agrarpolitik erfordert von all denen, die sich ihr widmen, ein besonders hohes Maß an Arbeitsenergie und an Sachverstand. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, diesen Frauen und Männern für Ihre Arbeit herzlich zu danken.
Dieses Wort des Dankes, meine Damen und Herren, darf ich aber auch an unsere ganze bäuerliche Bevölkerung richten.Herr Kollege Logemann, Sie haben gesagt, ich hätte mich in den Ferien als Erntehelfer betätigt. Ich verbringe meine Ferien gern unter der bäuerlichen Bevölkerung, weil ich sie einfach von Herzen gern habe. Ich habe als Abgeordneter zweier bäuerlicher Wahlkreise im württembergischen Oberland seit vielen Jahren, seit 1949, die bäuerlichen Probleme genau erfahren. Zudem wohnte noch Bernhard Bauknecht in meinem Wahlkreis,
der natürlich genau aufpaßte, daß ich mir auch die nötige Mühe gab, um mich mit den Problemen der Landwirtschaft, als Städter, der ich doch war, vertraut zu machen. Ich habe die Entwicklung der bäuerlichen Bevölkerung in diesen Jahren genau verfolgt, meine Damen und Herren. Wenn ich an die Zeiten meiner Jugendferien auf dem Lande denke und dann den bäuerlichen Menschentypus von heute damit vergleiche: welch ein Wandel! Welch prachtvollen Menschenschlag trifft man vor allem unter unseren jungen Bauern!
Wie oft habe ich mit solchen jungen, modernen Bauern nicht nur über ihre eigenen Nöte und Sorgen, sondern auch über die großen politischen Fragen unserer Zeit diskutiert und bei ihnen eine größere Aufgeschlossenheit und größere Kenntnis gefunden als bei manchen anderen.
Meine Damen und Herren, das sage ich nicht als Schmeichelei. Ich sagte: Uns geht's ums Bauerntum nicht nur aus volkswirtschaftlichen Gründen, sondern weil wir diesen guten Menschenschlag für unser Volk, wo immer es geht, erhalten wollen.Meine Damen und Herren, zuletzt auch ein Wort des Dankes an die Bäuerin.
Ich weiß, was die Bauernfrau von früh bis spät leistet. Ich weiß, was die ganze landwirtschaftliche Bevölkerung von früh bis spät leisten muß. Daß sie es mit Freudigkeit in der Zukunft tun wird und kann, dafür müssen wir unseren Beitrag leisten. Diese Regierung weiß, was sie der großartigen Leistung der deutschen Landwirtschaft — es gibt nicht nur ein auf die Industrie beschränktes, deutsches Wirtschaftswunder, sondern auch eines in der Landwirtschaft — schuldig ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung: Ich werde mich in meinen Ausführungen auf die Anfrage der FDP beschränken. Mein Kollege Bauer von der CSU wird nachher auf die Milchprobleme eingehen.
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6828 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
BauknechtEine zweite Bemerkung: Herr Bundeskanzler, ich bin, glaube ich, berechtigt, Ihnen im Namen der CDU/CSU-Fraktion dafür zu danken, daß Sie die Landwirtschaft in ihrem Wert gleichgestellt haben mit der Kohle — dem ist wirklich so — und daß Sie die Leistungen der Landwirtschaft anerkannt haben. Ich bin mir dessen bewußt, daß das keine leeren Worte waren, sondern Ihr heiliger Ernst und Ihr Wille.
Sie haben bestimmt die Möglichkeit, innerhalb Ihres Kabinetts die berechtigten Wünsche, die laufend von unserer Fraktion an Sie herangetragen werden, bestmöglich zu erfüllen. Für diese Bereitschaft Ihnen im voraus herzlichen Dank!Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige weitere Vorbemerkungen machen. Die Entwicklung der Landwirtschaft, wie sie sich uns darstellt, ist keine typisch deutsche Erscheinung, sondern sie ist in allen Industrieländern dieselbe. Das Zurückbleiben der landwirtschaftlichen Einkommen in allen Industrieländern Europas, das zum Teil bedrohliche Formen angenommen hat, kann niemand bestreiten.Die Landwirtschaft hat mit ihren steigenden Investitionen im Zuge der Rationalisierung hohe Produktivitätsfortschritte erzielt. Das haben vorhin auch unser Bundeskanzler und davor unser Landwirtschaftsminister anerkannt. Dabei ist aber festzustellen, daß die Verschuldung der Landwirtschaft — Herr Bundesernährungsminister, in der Replik auf meinen Kollegen Logemann sind Sie darauf eingegangen — leider größer und schwerwiegender ist als die der übrigen Wirtschaft. Bei einer Verschuldung von 21 Milliarden DM insgesamt beträgt die Verschuldung pro Hektar im Durchschnitt 1500 DM. Wie gravierend das ist, kann sich jeder ausmalen, der einigen Begriff hat von der Leistungsmöglichkeit der Landwirtschaft.Eine weitere Erscheinung in allen Staaten Europas besteht darin, daß der Landwirtschaft die Vorteile vorenthalten wurden, die sie aus den höheren Erträgen ihrer Arbeit und ihres eingesetzten Kapitals hätten ziehen können und die sie in die Lage versetzt hätten, nach und nach den Rückstand aufzuholen, der im Vergleich mit dem wirtschaftlichen Einkommen anderer Berufsgruppen leider immer noch vorhanden ist.Mit dieser Vernachlässigung — ich rede zunächst einmal von Europa allgemein — geht einher eine oft übermäßige Entvölkerung landwirtschaftlicher Gegenden und ländlicher Ortschaften. Was in der Landwirtschaft geschieht, ist also für ,den gesamten ländlichen Raum von gewichtiger Bedeutung. Wenn 'Umfang und Tempo der heutigen Wandlungen in der Landwirtschaft deren wirtschaftliche Möglichkeiten übersteigen und die soziale Disparität weiter zunehmen sollte, ist das auch mit einer schwerwiegenden Störung des Gleichgewichts im ländlichen Raum verbunden, die den allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung beeinträchtigen könnte.Eine letzte Vorbemerkung: Da die Landwirtschaft immer stärker vom Marktgeschehen abhängig ist, ist die Preis- und Marktpolitik so zu gestalten, daß sieden gutgeführten Landwirtschaftsbetrieb in die Lage versetzt, auf die Produktionskosten zu kommen. Herr Bundesernährungsminister und Herr Bundeskanzler, ich habe feststellen können, daß sich das wie ein roter Faden durch Ihre Bekenntnisse gezogen hat. Wir alle hoffen, daß sich das realisieren läßt.Vom Herrn Bundeskanzler wurde darauf hingewiesen, daß heute bestimmte Faktoren gegeben sind, die unsere Lage zusätzlich erschweren. Da ist zunächst einmal die Tatsache zu nennen, daß die Mittel für die EWG-Anpassung vom Haushalt 1966 an wegen der offenkundigen Finanzmisere laufend gekürzt werden mußten. Das zweite ist, daß die Vollendung des EWG-Agrarmarktes durch die Getreidepreissenkung um 10 bis 12%, die auch das Erzeugerpreisniveau der übrigen Agrarprodukte ins Rutschen gebracht hat, einseitig zu Lasten der Bundesrepublik geht.Auf einen dritten Umstand, der hier bisher noch nicht genannt worden ist, möchte ich 'besonders hinweisen. Es mag richtig sein, es liegt im Zuge der Zeit und wird auch vom Volke gewünscht, daß wir gegenüber dem Osten eine neue Politik der Aufgeschlossenheit zeigen. Aber leider wird diese Politik wesentlich mit Mitteln der Wirtschaftspolitik betrieben. Dabei bieten uns die Völker des Ostens ihre überschüssigen Agrarprodukte zusätzlich an, wo doch der EWG-Raum schon total überfüllt ist. Das sollte bei der künftigen Politik beachtet werden, damit hier nicht neue Schäden eintreten.
Herr Bundesminister, Sie haben mit Recht gesagt, man sollte auch einmal darauf hinweisen, daß die Leistungen je Arbeitskraft in der Landwirtschaft seit 1951 stärker gestiegen sind als in der übrigen Wirtschaft. Die Landwirtschaft erzeugt heute je Arbeitskraft dreimal soviel Getreidewerte wie im Jahre 1951. Kein anderer Wirtschaftszweig hat derart hervorragende Leistungen in der Rationalisierung aufzuweisen wie die Landwirtschaft. Wie kann man da in der Öffentlichkeit immer noch davon sprechen, in der Landwirtschaft werde Rückständigkeit konserviert?! Das müssen wir mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
Die schmerzliche Tatsache, daß im Zuge der mittelfristigen Finanzplanung die im Zusammenhang ruit der Getreidepreissenkung versprochenen zusätzlichen 260 Millionen DM viermal gekürzt werden müssen — nämlich 1966, 1967, 1968 und 1969 —, hat bei uns die größte Beunruhigung und die größte Enttäuschung ausgelöst. Denn die Landwirtschaft hatte damals ,deswegen zugestimmt, weil sie einen Silberstreifen am Horizont sah und glaubte, die Getreidepreissenkung werde einen neuen Frühling in Europa bringen und die politische Einigung fördern, nichts aber ist geschehen.Dieses große Opfer, das damals die deutsche Landwirtschaft gebracht hat, damit es mit der europäischen Einheit vorwärtsgeht, darf jetzt nicht einseitig zu Lasten der Landwirtschaft gehen. Das, was
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Bauknechthier geschehen ist, ist auch mit der Grund für eine gewisse Unruhe und eine gewisse Existenzangst draußen in der Landwirtschaft.Ich bin mir klar darüber, daß sich die Bundesregierung darum bemüht, einen Ausgleich zu schaffen, zunächst einmal auf dem Weg über Brüssel. Aber das entspricht nicht dem EWG-Anpassungsgesetz, das damals in diesem Haus einstimmig angenommen wurde. Sicher, die Lage mag wegen der Finanzplanung schwierig sein. Aber es muß doch gesehen werden, daß es die deutsche Landwirtschaft bei dem neuen niedrigen Agrarpreisniveau auf der anderen Seite mit unverändert hohen Kosten zu tun hat, während bei den anderen EWG-Partnern die Löhne, Baukosten und zahlreiche Produktionsmittel zum größten Teil um etwa 20% niedriger sind als in der Bundesrepublik. Zweifellos werden sich dort die Produktionskosten eines Tages an das deutsche Niveau anpassen, aber es geht eben darum, die Zeit bis dahin zu überbrücken. Insofern hatten wir darauf gehofft, daß das EWG-Anpassungsgesetz die notwendigen Hilfen bringen würde, und hier haben sich eben Schwierigkeiten ergeben.Ich erinnere auch an jene völlig falsche These, die damals in Brüssel verkündet wurde: Ach Gott, was bedeutet schon der Getreidepreis in Europa, ihr müßt veredeln, dann kommt ihr viel weiter; der Getreidepreis spielt keine Rolle! — Meine Damen und Herren, wie ist es gekommen? Schon bevor der neue Getreidepreis kam, hatten die Preise wichtiger Veredlungsprodukte wie Schweinefleisch, Eier und Hühner einen Tiefstand erreicht, wie wir ihn seit 1951 nicht mehr gehabt hatten. Auch das muß gesagt werden: daß diese These völlig falsch war. Darum ist es heute um so mehr notwendig, daß wir alles daransetzen, das Getreidepreisniveau wieder anzuheben, damit nicht die großen und die mittleren landwirtschaftlichen Betriebe auch noch genötigt sind, Schweine, Eier und Hühner zu erzeugen. Um das geht es wesentlich.Hier hat die Bundesregierung sicherlich eine große Möglichkeit, bei den künftigen Verhandlungen in Brüssel darauf hinzuwirken, daß wenigstens für das Getreide, das im Jahre 1968 angesät und 1969 geerntet wird, das alte Preisniveau erhalten oder wieder angestrebt wird. Denn in der Tat ist es so: Diese Getreidepreise von 1951 haben heute nur noch eine Kaufkraft, die um 20 % gesunken ist.Ein Weiteres: Durch die Senkung des Getreidepreises auf dem Getreidesektor selber, also bei Mehl, Brot, Backwaren, hat der Verbraucher praktisch keinen Vorteil, aber wir einseitig den Schaden. Auch das muß einmal gesagt werden.Meine Damen und Herren, man hat davon gesprochen, daß im Laufe der Entwicklung des Sozialprodukts alle Stände ihren Anteil haben sollen. Vorhin wurde gesagt, daß man an eine Aufwärtsentwicklung von etwa 4, 5 oder 6% denkt. Wir erleben es ja jeden Tag — im Augenblick wird wieder in einem Bundesland gestreikt —: Jeder versucht, eben nicht nur den Status quo zu erhalten, sondern an dieser Aufwärtsentwicklung teilzunehmen. Deshalb ist es unmöglich, daß man in der Landwirtschaft absteigt, niederes Einkommen erhält, während andere mit dem Status quo nicht zufrieden sind. Das ist eine ganz bedeutsame Sache. Daher rührt auch die große Unruhe, weil man sieht, daß man bei anderen zulegt. Ich will jetzt gar keinen Berufsstand nennen; Sie wissen alle, was ich damit meine. Also dieser einseitige Abstieg ist die große Schwierigkeit. Wenn man kein Geld hat, um hier den Ausgleich zu schaffen, dann bleibt eben nichts anderes übrig, als die Dinge auf den Markt zu bringen.
Ich will jetzt von der Milch nicht reden. Dazu wird der Kollege Bauer nachher reden. Aber, meine Damen und Herren, es ist ein ganz klarer Fall: Wir konnten bisher unseren einigermaßen auskömmlichen Milchpreis eben nur dadurch halten, daß wir über Bund und Länder Hilfen von 1 Milliarde DM bekommen haben. Das hört nun zum 1. April völlig auf. Ich weiß nicht, was man da sagen soll. Dann müssen wir eben um der Wahrheit willen den Ausgleich auf dem Markt bekommen.
Herr Abgeordneter Bauknecht, gestatten Sie dem Abgeordneten Peters eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Kollege, sind Sie auf Grund der Ausführungen, die Sie jetzt machen, in denen Sie den Kollegen Logemann bestätigen, bereit, auch in Ihrer Partei und in der Koalition die Folgerungen zu ziehen?
Herr Peters, wir kennen uns doch schon so lange, daß Sie daran nicht zweifeln dürften. Diese Ausführungen, lieber Herr Peters, mache ich nicht in Verfolg der Rede des Herrn Logemann, sondern ich hatte sie mir schon vorher zusammengestellt.
Meine Damen und Herren, vorhin wurde die Frage der Überschüsse angesprochen. Herr Bundesminister, es ist ein ganz klarer Fall, daß man im Laufe der Zeit, wenn sich auf die Dauer auf bestimmten Gebieten der Produktion nicht nur saisonale, sondern auch strukturelle Dauerüberschüsse anbahnen, überlegen muß, — auch wir sind bereit, hierzu Überlegungen anzustellen —, wie man die Dinge in Ordnung bringen kann. Aber es würde den Rahmen der Debatte sprengen, heute auf alle diese Einzelheiten einzugehen. Sie wissen genau, daß ich mit Ihnen persönlich schon seit Monaten über diese Frage diskutiere. Wir haben wenigstens bei uns auch das Beispiel vom Zucker, und wir haben in anderen Ländern ähnliche Vorgänge und ähnliche Überlegungen.Aber, meine Damen und Herren, was uns im Augenblick eben so schmerzlich berührt, ist, daß wir offenbar aus Mangel an Geld nicht bereit sind, beispielsweise etwas für den Agrarexport zu tun. Vorhin wurde der Agrarexport ja angesprochen. Aber hierbei ist es doch notwendig, daß alle Überschußstaaten die gleichen Rückerstattungen gewähren
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Bauknechtund nicht die Bundesrepublik einseitig viel weniger als die anderen. So geht es natürlich nicht. Man darf das nicht auf Grund der Tatsache, daß wir wenig Geld haben, hinausschieben. Sonst kann man nämlich von einem normalen Wettbewerb überhaupt nicht reden.Herr Bundesminister, Sie haben vorhin anklingen lassen, daß die CDU-Fraktion einen Vorschlag unterbreiten werde, nach dem die 260 Millionen DM, die bisher eigentlich als reine Zuschüsse für die Landwirtschaft gegolten haben, im Zuge des EWG-Anpassungsgesetzes nicht untergehen dürften und wir Mittel und Wege finden müßten, sie der Landwirtschaft in irgendeiner Form zugute kommen zu lassen. Meine Auffassung, Herr Peters, deckt sich -- Herr Peters! — Er hört ja gar nicht zu. Ich wollte Sie ansprechen.
Meine Fraktion ist zu dem Vorschlag. bereit, die 260 Millionen DM, die mangels Masse jetzt nicht als normale Zuschüsse gegeben werden, nun wegen der Gefahr, daß die Verbesserung der Agrarstruktur in schwere Bedrängnis gerät, der Landwirtschaft als Kapitalmarktdarlehen zu niedrigsten Zinssätzen zu gewähren. Das kann man tun, ohne das Volumen des Haushalts zu sprengen. Man muß eben die Mittel — Sie sind ja Haushaltsexperte — in den Einzelplan 10 einsetzen, natürlich zu Lasten verschiedener anderer Titel. Aber das ist notwendig, weil sonst große Gefahren drohen.Schauen Sie sich einmal die Zahlen an! Schauen Sie sich einmal an, was man bei der mittelfristigen Finanzplanung vorhat! Was sollen denn die Bauern denken?. Heute sind ja Millionen von Hektar noch nicht flurbereinigt. Bislang gab man noch 80 % öffentliche Mittel, und diese Hilfen sind heute schon nahezu auf 60 % gekürzt. Weil man also hier nicht abbauen darf, ist es notwendig, entsprechende Mittel bereitzustellen. Auch wenn man davon redet, das sei eine Art dritter Investitionshaushalt, muß man wissen, daß diese Hilfen für die Landwirtschaft in erster Linie dringend gebraucht werden für die Verbesserung der Agrarstruktur.
Eine Zwischenfrage des Abgeordneten Peters.
Herr Kollege Bauknecht, wollen Sie diese Mittel dann als Zuschüsse oder als Darlehen weitergeben?
Man kann sie, wie Sie wissen, wegen des Volumens nicht als Zuschüsse geben. Sie würden aber, als Darlehen mit möglichst niedrigem Zinssatz gegeben, wesentlich zur Verbesserung der Agrarstruktur beitragen. Ich erinnere hier nur an die Notwendigkeit der Verbeserung der Wasserwirtschaft. Hier hat man die Mittel für die Wasserversorgung, die Abwasserbeseitigung gestrichen und bei der Flurbereinigung, dem Wegebau usw. empfindlich gekürzt. Da gibt es noch dringende Vorhaben, und diese müssen eben so dotiert werden, daß auch finanzschwache Gemeinden undfinanzschwache Landwirte, die sich daran beteiligen, einen Anreiz haben, entsprechende Maßnahmen durchzuführen. Wenn die Mittel fehlen, kann man all das nicht machen. Daher sind wir bereit, in dieser Richtung zu arbeiten.Im übrigen deckt sich das auch weitgehend mit den Auffassungen des Berufsstandes, der einsichtig genug ist, wenn ihm gesagt wird, daß man das nicht mehr als direkte Subvention geben könne. Sie wissen, daß der Präsident des Deutschen Bauernverbandes gesagt hat, dann solle man wenigstens diese jeweiligen 260 Millionen DM in eine Art revolvierenden Fonds tun. Ob das das Richtige ist, ist eine Frage für sich. Wenn man sie als zinsverbilligte Darlehen, die auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden könnten, gäbe, wäre das praktisch dasselbe.Im übrigen möchte ich noch feststellen, Herr Bundesminister und Herr Bundeskanzler — ich glaube, das ist auch durchgeklungen —, daß das politische Werden Europas am allerwenigsten an der Landwirtschaft scheitert. Sie ist in ihren Vorleistungen außerordentlich weit gegangen, und sie müßte als Musterbeispiel eines politischen Denkens für die Zukunft dargestellt werden. Das hätte sie wirklich verdient. Was hat man denn auf dem Gebiet des Verkehrs erreicht? Wie wenig hat man bei den Steuern getan! Auf sozialem Gebiet ist man ja heute auch noch nicht zu einer Angleichung gelangt. Hier muß man also sagen, daß die Landwirtschaft große Vorleistungen erbracht hat, und das sollte man honorieren.Noch ein paar Bemerkungen zu der Frage des Familienbetriebes, des Nebenerwerbs- oder des Zuerwerbsbetriebes. Herr Bundesminister, Sie haben mit Recht gesagt, daß der Begriff des bäuerlichen Familienbetriebes nicht statisch, sondern dynamisch zu sehen sei. Durch neue Arbeitsmethoden und durch die Technisierung in der Landwirtschaft stellt sich die Frage nach der Größe der Betriebe. Sie wird diskutiert. Ich glaube aber, wir sollten die Frage so stellen: Wie kann eine Familie, die im wesentlichen aus zwei Generationen, entweder aus den Alten und den Neuverheirateten oder aus der eigentlichen Generation und den Kindern, besteht und die ein Arbeitspotential von zwei Vollarbeitskräften darstellt der Ein-Mann-Betrieb hat sowieso keinen Wert; das ist überholt —, ein Arbeitseinkommen erzielen, das ihr das Fortkommen ermöglicht? Das ist das Entscheidende, und darauf muß der Betrieb ausgerichtet werden.Sicher bleibt der Familienbetrieb die sinnvollste Betriebsform. Irgend jemand, vielleicht war es Herr Logemann, hat vorhin gesagt, man täusche sich, wenn man glaube, man könnte durch Zusammenschluß einiger Betriebe in dieser überbetrieblichen Arbeitsgemeinschaft die Leistungen erhöhen. Ich kann das nur bestätigen. Damit wird kein Mehr an Arbeitsproduktivität erzielt, Im übrigen ist das ein problematisches Unterfangen. Das muß man sich wirklich überlegen.Aber eines wird notwendig sein. Jegliche Strukturverbesserung ohne ein genügendes Preisniveau, das sich an den Erfordernissen der Struktur gesun-
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Bauknechtder Betriebe zu orientieren hat, kann kein Allheilmittel zur Verbesserung der Lage der Landwirtschaft sein. Auch die Größe des Betriebes allein ist nicht entscheidend. Ich nenne hier die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Mein Heimatland, Baden-Württemberg, hat eine durchschnittliche Betriebsgröße von 5,7 ha. Die USA haben eine Durchschnittsgröße von 134 ha, und trotzdem muß der amerikanische Steuerzahler 28 Milliarden im Jahr aufbringen, um diese Landwirtschaft lebensfähig zu erhalten. Ich bin Ihnen, Herr Bundeskanzler, deswegen sehr dankbar dafür, daß Sie zum Ausdruck gebracht haben: Auch eine moderne Landwirtschaft kann ohne Hilfen der Öffentlichkeit nicht auskommen. Diesen Faktor müssen wir anerkennen, 'und das sollte allerdings von der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik etwas mehr eingesehen werden.Ich komme zum Schluß. Wer seine Landwirtschaft aus freien Stücken aufgeben will, wer eine bessere Verdienstmöglichkeit hat, den soll man nicht halten. Aber viele wollen ihren Besitz erhalten, wollen Nebenerwerbsbetrieb bleiben oder Zuerwerbsbetrieb werden, und die darf man nicht völlig von bestimmten Hilfen ausschließen. Wer von den Jungen aufgeben will, dem soll man — vorhin wurde das Arbeitsförderungsgesetz genannt — Umschulungshilfen geben, und den Alten sollte man vielleicht ein zusätzliches, vorzeitiges Altersgeld geben, wie das in Holland und in Frankreich der Fall ist und wie es neuerdings, wie ich vor ein paar Tagen gehört habe, auch in Großbritannien eingeführt ist. Also hier besteht noch ein Mangel, der beseitigt werden muß. Bei den Zuerwerbsbetrieben sind Hilfen für Umstellungsinvestitionen und eine zusätzliche Beratung durch Bund und Länder erforderlich.Meine Damen und Herren, namens meiner Fraktion habe ich zu erklären, daß von uns alles getan wird, die Landwirtschaft in diesem technischen Zeitalter so zu gestalten, daß sie die gleichen Erwerbschancen wie jeder andere Betrieb in einer anderen Berufsgruppe hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, eingangs zu sagen, daß auch wir die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Lage der Landwirtschaft zustimmend zur Kenntnis nehmen.Herr Minister Höcherl hat den Vorteil oder, wenn Sie so wollen, den Nachteil gehabt, sich mit den Antworten auf zwei Große Anfragen beschäftigen zu müssen. Ich glaube bemerkt zu haben, daß er bei manchem Punkt etwas unwillig in der Beantwortung gewesen ist. Nun, ich verstehe das. Aber ich selber bin frei und ungebunden. Dennoch ist es außerordentlich schwer, meine Damen und Herren, bei der Vielfalt der hier aufgerufenen Punkte eine in sich geschlossene Rede zu halten. Ich habe mir vorgenommen, zu einem ganz speziellen Sachproblem einen ernsthaften Beitrag zu leisten, und daswar auch der Wunsch des Herrn Ernährungsministers.Meine Damen und Herren, die FDP entfaltet in ihrer Oppositionsrolle eine sehr große Aktivität.
dafür im Herbst 1965 Erntedank feiern konnte.
- Beruhigen Sie sich doch, Herr Genscher. Eskommt ja noch viel besser.
Nun, diese agrarpolitische Aktivität, die nach Quantität mißt und nach Qualität schreit, wird 'aller Wahrscheinlichkeit nach auch in den 'nächsten Jahren nicht viel einbringen. Immerhin, ich will die Verdienste der FDP um das Zustandekommen dieser Debatte nicht schmälern. Unser eigener bescheidener Beitrag mit einer so furchtbar sachlichen und fachlichen Anfrage nimmt sich dagegen recht kümmerlich aus. Aber, wie gesagt, Qualität und Quantität sind zweierlei.Meine Herren von der FDP, eine ganz bescheidene Frage am Anfang:
Hatten Sie bei dieser Großen Anfrage als Teil Ihrer agrarpolitischen Aktivität etwa ein so hehres Bild im Auge wie das der amerikanischen „Lage der Nation" ? Nun, eine Botschaft über die Lage der Landwirtschaft ist ,die Antwort des Ministers Höcherl in der Tat nicht gewesen.
Sie konnte das in dieser Zeit auch gar nicht sein, zumindest nicht eine frohe Botschaft sein.
Ich möchte fast sagen — wenn mir das erlaubt ist; das trifft insbesondere für die Antwort auf unsere Große Anfrage zu —, sie hat auch noch manches „Löcherl" offengelassen. Bei den anstehenden Problemen können wir es uns in diesem Hause nicht leisten, leere Grundsatzdebatten zu führen und etwa die Diskussion über den Grünen Bericht 1967 zu wiederholen. Wir haben auch gar keine Zeit, uns hier im Schattenboxen zu üben. Trainingsstunden dafür können die Interessierten in ihren Dorfversammlungen in genügender Zahl absolvieren.
— Das überlassen Sie uns.Die aktuellen Probleme sind aber so brennend geworden, daß man jeden — —
— Ich möchte nur feststellen, daß man jeden Ablenkungsversuch abwehren sollte. Das erwartet die Landwirtschaft von uns. Die frühere Politik vieldeutig formulierter Freundlichkeiten an die Adresse
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Dr. Schmidt
der Bauern wird um so Weniger Anklang finden, je deutlicher die Versäumnisse von gestern, an denen Sie, meine Herren von der FDP, maßgeblich beteiligt gewesen sind, zutage treten.
— Ich habe hier nur von Versäumnissen gesprochen. — Unsere Landwirtschaft befindet sich in einem strukturellen Wandlungsprozeß, der den in der vorigen Woche so ausführliche diskutierten Problemen des Steinkohlenbergbaus nicht nachsteht. Das zwingt dazu, wie dort rechtzeitig Überlegungen anzustellen, mit welchen konkreten Mitteln eine ähnlich unerfreuliche Entwicklung verhindert werden kann, wie wir sie jetzt dort erleben.Aufgabe der heutigen Debatte sollte es deshalb sein, dafür zumindest einige sachliche Ansatzpunkte herauszuarbeiten; darum will ich mich nachher bemühen. Selbst wenn es manchen Leuten nicht in das taktische Konzept paßt: es ist an der Zeit, festzustellen — das darf ich wiederholen aus der vergangenen Zeit —, daß die Lage, die die Große Koalition vor 11 Monaten auf dem Agrarbereich vorgefunden hat, eine Kontinuität der alten Politik nicht mehr zuläßt. Darüber sind wir uns ja inzwischen auch einig.Die Antwort des Ernährungsministers Höcherl auf die Große Anfrage der FDP war meines Erachtens ausführlich und auch angemessen. Wir nehmen sie zur Kenntnis. Ich selbst will mich mit diesen Fragen im einzelnen gar nicht auseinandersetzen. Entweder müßte man sie in Lehrbuchmanier für die Grundstufe behandeln, oder man müßte der FDP sagen, daß sie sich den Haushalt erst einmal anschauen sollte, um sich über die agrarpolitische Richtung der Bundesregierung zu informieren.Für die Beantwortung der Frage 3 müßte man nach meiner Meinung sogar die Fähigkeit zu Visionen besitzen. Auf ein solches Glatteis will ich mich an dieser Stelle nicht begeben. Ich will mich in diesem Bereich nur auf zwei Fragen beschränken.Die Ausgleichszahlungen für die Getreidepreissenkung an die deutsche Landwirtschaft sind in den Haushalt des kommenden Jahres eingestellt. Die 560 Millionnen DM ersetzen wahrscheinlich oder möglicherweise nur einen Teil der Einkommensverluste, die die deutsche Landwirtschaft als Opfer auf dem EWG-Agrar-Altar darbringen muß. Aber eines ist klar: diese Zahlung aus dem EWG-Fonds — das möchte ich grundsätzlich feststellen — gehört der deutschen Landwirtschaft. Kein noch so geschickter spitzer Rotstift eines geplagten Bundesfinanzministers wird da je eine Streichung vornehmen.Diese Vereinbarung ist doch auf festeren Grund und Boden gebaut als die Wahlversprechungen früherer Tage. Diese Finanzmittel — das darf eine weitere grundsätzliche Feststellung sein — gehören den deutschen Bauern, die von dem Einkommensverlust unmittelbar betroffen sind. Daran darf kein Zweifel bestehen. Auch die gute Ernte dieses Jahres darf uns nicht dazu verleiten, Scheuklappen aufzusetzen. An einer vernünftigen Lösung zur Verteilung der 560 Millionen DM sollten wir alle in diesem Hause gemeinsam arbeiten. Jedenfalls werden wir — daß ist eine Vereinbarung mit dem Koalitionspartner — darüber rechtzeitig reden.Zu ,den Visionen des Vizepräsidenten der EWG-Kommissionen Mansholt über die zukünftige und erforderliche Agrarstruktur möchte ich im Augenblick keine Stellung beziehen. Wir tun gut daran, meine ich, wenn wir uns nach Vorlage des nächsten Grünen Berichts an Hand konkreter Zahlen in einigen Monaten damit befassen.Dann noch eines, Herr Minister. Eine Bemerkung in Ihrer Antwort auf die Frage 2 der FDP-Anfrage kann ich nicht ohne Widerspruch passieren lassen.
Sie sprechen von einer Gasölverbilligung als Maßnahme zur Verbesserung der Einkommenslage. Ich habe bei der ersten Lesung des Haushalts dieser Auffassung bereits widersprochen. Ich darf darauf verweisen; ich glaube, diese meine Ausführungen sind noch in frischer Erinnerung. Auch im Ernährungsausschuß haben wir 'bei 'der Beratung dieses Gesetzes die Diktion des Gesetzes geändert, ohne zunächst das vorgeschlagene Verfahren zu ändern.Wir wollen in diesem Fall ganz von 'dem reden und das auch im Gesetz zum Ausdruck bringen, was es ist: keine Verbilligung, sondern eine Steuerrückerstattung. Das kostet den Finanzminister keinen roten Heller.Anläßlich der Haushaltsdebatte vor einer Woche habe ich wegen dieser heutigen Aussprache keine besonderen Bemerkungen zum Finanzänderungsgesetz und die darin gesehene faktische Aufhebung des EWG-Anpassungsgesetzes gemacht. Dazu muß ich, so leid es mir tut, heute einiges sagen, schon deshalb, weil dieser Punkt im Brennpunkt der landwirtschaftlichen Diskussion steht und ich selber aus meiner damaligen Erklärung hier im Plenum laufend zitiert werde. Es ist noch sehr vielen in guter Erinnerung, daß das EWG-Anpassungsgesetz auf Zusagen ,des damaligen Bundeskanzlers Erhard vom 30. November 1964 gegenüber den Vertretern des Deutschen Bauernverbandes zurückgeht. Heute wissen wir, daß Professor Erhard von den zuständigen Ressortministern, nämlich den Herren Dahlgrün und Schwarz, schon darüber unterrichtet war, daß man nicht in ,der Lage sein würde, diese Zusagen einzuhalten. Leider hat es fast drei Jahre gedauert, bis diese Tatsache ans Licht kam; denn diejenigen, die Bescheid wußten, haben sich bedauerlicherweise nicht bereitgefunden, offen darüber zu sprechen. Als ich dann am 10. Dezember 1964 hier an dieser Stelle, als ,das EWG-Anpassungsgesetz zur Beratung anstand, gewisse Zweifel anmeldete, wurde von der damaligen Bundesregierung präzise erklärt, die darin vorgesehenen Maßnahmen hielten sich im Rahmen der Finanzvorausschau, die uns als Opposition natürlich nicht zugänglich war. Das allein hat uns damals bewogen, unsere Bedenken zurückzustellen. Es ist sicherlich keine Suche nach billigen Entschuldigungen, wenn ich hier feststelle, daß unsere Haltung ganz anders ausgesehen hätte, wenn man uns damals nicht die Unwahrheit gesagt hätte. Nicht
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Dr. Schmidt
nur der Bundeskanzler hat damals geschwiegen, sondern erst recht der Bundesfinanzminister. Daß nun ausgerechnet die gleiche Partei, die damals den Bundesfinanzminister gestellt hat und die doch eigentlich hätten Bescheid wissen müssen, heute ganz scheinheilig nach diesem Gesetz fragt, ist für mich nur schwer begreiflich.
Immerhin ist festzustellen, daß die Artikel 112 und 113 des Grundgesetzes vor drei Jahren nicht anders ausgesehen haben als heute.
Was uns betrifft, so wollen wir uns keineswegs um die Verantwortung herumdrücken. Keineswegs! Aber wer es für die richtige Taktik hält, die eigene Vergangenheit dadurch zu bewältigen, daß er sein eigenes Versagen demjenigen anhängt, der schließlich schweren Herzens das sehr unerfreuliche Erbe übernommen hat, der darf sich nicht wundern, wenn er auf Leute trifft, die über ein intaktes Erinnerungsvermögen und über ein gutes Archiv verfügen; das gehört nämlich dazu. Falls es die Opposition für richtig hält, anstelle eigener Gedanken noch weitere Beiträge zur jüngeren Agrargeschichte zu liefern, werden wir ihr die Antwort nicht schuldig bleiben.Wenn es der FDP darauf angekommen wäre, einen positiven Beitrag zu leisten, dann hätte sie auf den Ursprung des EWG-Anpassungsgesetzes zurückgehen müssen, nämlich auf die seinerzeit in einer Regierungserklärung hier festgehaltene Begründung, wonach ein Ausgleich gewährt werden solle für bestehende Wettbewerbsverzerrungen in der EWG — ich zitiere —, „so lange deren Harmonisierung noch nicht auf andere Weise hergestellt ist".Diese Grundidee ist nicht einmal schlecht, weil man sich klar darüber war und sein mußte, daß eine Harmonisierung einige Zeit erfordern würde. Diese Zeit sollte aber mit befristeten Leistungen des Bundes überbrückt werden.Nachdem nun inzwischen eine völlig andere Situation gegeben ist, wird man sich doch Gedanken machen müssen, wie man jene Aufgaben beschleunigt lösen kann, von denen man damals glaubte, sie seien nicht ganz so eilig.Die Opposition hätte die Bundesregierung — auch die gegenwärtige Bundesregierung — fragen müssen, welche Wettbewerbsverzerrungen heute noch bestehen und wie sie sich deren Beseitigung vorstellt. Das wäre konkret gefragt, für das ganze Haus hochinteressant, und ich meine, für die Tätigkeit der Bundesregierung in Brüssel sogar äußerst nützlich. Hier muß der Hebel angesetzt werden, wenn wir überhaupt weiterkommen wollen.
— Wir wollten Ihnen doch auch noch etwas überlassen. — Daß dies nicht einfach sein wird, ist jedem klar, der sich eingehend mit dieser Materie befaßt hat. Andererseits wird nach immerhin fünf Jahren gemeinsamer Marktordnungspolitik doch allmählich die Frage akut, wann sich eigentlich der Ministerrat mit den Grundlagen der Preispolitikbefassen will, z. B. mit den Beihilfen einerseits oder auch mit den Agrarpreisen andererseits.Wenn der französische Außenminister in diesen Tagen in der Nationalversammlung in Paris zu verstehen gegeben hat, das Interesse Frankreichs gelte vor allem der endgültigen Regelung der Agrarfinanzierung, so dürfte dazu von deutscher Seite eine ganze Menge anzumerken sein. Das gilt insbesondere für den Sektor Milch; denn die Milch wird uns von allen Marktordnungsprodukten das meiste Geld kosten. Damit, meine Damen und Herren, bin ich bei dem Antrag der FDP-Drucksache V/2100 und der Großen Anfrage meiner Fraktion. Ich bitte noch einmal um Verständnis dafür, daß ich nunmehr einige Details hier vortrage, die aber, so meine ich, für die Verhandlungen der Bundesregierung von Bedeutung sein können.Die Bundesregierung hat die Aufwendungen für diese Milchmarktordnung in der EWG mit 2,73 Milliarden DM beziffert. Ich glaube nicht, daß ich meine Informanten bloßstelle, wenn ich die neueste Schätzung der Kommission bekanntgebe, in der mehr als 3 Milliarden DM genannt werden. Nun, das ist nicht ganz so erschreckend, wie es sich zunächst anhört; denn schließlich geben die sechs Partnerländer zusammen heute schon in nationaler Verantwortung und zum Teil auf Grund von EWG-Verordnungen etwa 2,5 Milliarden DM pro Jahr für die Milch aus. Dennoch ist es natürlich unausbleiblich, daß bei Summen dieser Größenordnung die Frage auftaucht, ob die Mittel tatsächlich effektiv und sinnvoll verwendet werden, sinnvoll im Interesse der Erzeuger, der Verbraucher, aber auch der Steuerzahler. Erzeuger wie Verbraucher sind, natürlich jeder von seinem Standpunkt aus, an angemessenen Preisen interessiert. Das ist ihr gutes Recht, das kann ihnen niemand streitig machen. Aber ebenso ist es das Recht des Steuerzahlers, zu verlangen, daß sich die Kosten in tragbaren Grenzen halten und nicht Gelder in ein Faß ohne Boden geschüttet werden. Ich bin der Meinung, daß zwischen diesen Interessen eine Synthese gefunden werden muß; aber ich glaube nicht, Herr Bundesminister — und Sie werden vielleicht mit mir derselben Meinung sein —, daß das bisher entwickelte Instrumentarium der EWG-Milchmarktordnung dazu ausreicht.Der derzeitige Milchüberschuß in der EWG beträgt ungefähr 4,5 % der Produktion, das sind 3,5 Millionen t Vollmilch. Diese Situation ist bedenklich, aber nicht unbedingt bedrohlich. Wenn man davon ausgehen könnte, daß das Mißverhältnis von Produktion und Absatz nicht größer wird, dann wären sowohl auf der Seite der Erzeugung wie auf der Seite des Absatzes durchaus Maßnahmen und Entwicklungen möglich, die in absehbarer Zeit zu einer Anpassung von Angebot und Nachfrage führen würden. Es ist deshalb nicht unsere Absicht gewesen — das möchte ich ganz deutlich sagen —, die augenblickliche Situation zu dramatisieren. Was uns zu unserer Initiative veranlaßt hat, ist vielmehr die ganz sichere Erwartung, daß das in Brüssel bisher entwickelte Konzept in einer geradezu diabolischen Konkurrenz zu weiteren Überschüssen führen wird und führen muß. Diese Entwicklung, dessen bin ich
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6834 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Dr. Schmidt
absolut sicher, schadet dem Erzeuger ebenso wie dem Steuerzahler, und der Verbraucher geht dabei völlig leer aus.
Bei diesem Brüsseler Konzept handelt es sich vorerst nur um einen sehr weiten Rahmen in Gestalt einer mehr oder weniger koordinierenden Marktordnung und um eine Reihe von Grundsatzbeschlüssen, über deren Ausgestaltung natürlich in den nächsten Monaten gesprochen werden muß. Es besteht also heute noch die Möglichkeit einer Weichenstellung, und diese Chance — diesen Appell möchte ich an die Bundesregierung richten — sollte unbedingt genutzt werden. Dafür gibt es leider kein Patentrezept, Herr Bundesminister; ich bestätige Ihre Auffassung. Eine sinnvolle EWG-Milchpolitik kann nur aus einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Maßnahmen bestehen, deren Zweckmäßigkeit immer wieder, Jahr um Jahr, überprüft werden muß. Ich möchte Sie in diesem Hause nicht mit technischen Einzelheiten langweilen, ich gestatte mir nur, auf einige Fakten hinzuweisen, die zum Verständnis dieses äußerst schwierigen Problems — schwieriger als das Problem bei Kohle und Stahl — notwendig sind.In der Antwort der Regierung wird unsere Vermutung bestätigt, daß es nicht in erster Linie der Produktionszuwachs ist, der zu Bedenken Anlaß gibt, sondern der Anstieg der Molkereianlieferung. Wir haben zur Zeit eine Differenz zwischen Produktion und Anlieferung von 20 Millionen t Vollmilch. Das ist mehr als ein Drittel der gesamten EWG-Milcherzeugung. Mindestens die Hälfte dieser Menge geht heute als Vollmilch in den Futtertrog. Die Verfütterung bringt aber in jedem Fall den schlechtesten Erlös. Naturgemäß sind deshalb die Landwirte bestrebt, auch diese Milch an die Molkerei abzuliefern. Soweit sich das in einer organischen Weise entwickelt, ist dagegen nichts einzuwenden. Bedenklich aber scheint mir, daß das EWG-Milchkonzept so, wie es heute aussieht, Tausende von Betrieben geradezu zwingen wird — insbesondere in Frankreich —, mehr Milch als bisher zur Molkerei zu bringen; denn dafür erhalten sie einen sicheren Erlös, selbst dann, wenn aus dieser Milch nur Interventionsbutter hergestellt werden kann. Außerdem bekommen sie für jedes Kilogramm zurückgenommener Magermilch einen Zuschuß von 5,5 Pf. Die Annahme ist durchaus realistisch, daß sich der derzeitige Überschuß von 3 bis 3,5 Millionen t auf diese Weise innerhalb von ein bis zwei Jahren auf 6 Millionen t Milch erhöht. Aus diesen 6 Millionen t Milch können 270 000 t Butter hergestellt werden, die mit Sicherheit in der EWG nicht abzusetzen sind.Bei den derzeitigen Weltmarktbedingungen wird allein der Export dieser Butter — ohne Lager- und Verwaltungskosten — 1,35 Milliarden DM kosten, ein Betrag, der sich auf 1,7 Milliarden DM erhöht, wenn auch noch die Magermilch in Form von Magermilchpulver exportiert werden muß. Eine steigende Molkereianlieferung bedeutet natürlich auch höhere Magermilchprämien, und so läßt sich ohne Mühe ausrechnen, wann der Punkt gekommen sein wird,wo auch dem gutwilligsten Finanzminister die Puste ausgeht.Leider wird die Sache aber dadurch verschlimmert, daß ein Export nur in sehr begrenztem Umfang möglich ist, weil es an Käufern fehlt. Nach Lage der Dinge ist es völlig überflüssig, sich für die nächsten Jahre Hoffnungen — ich sage: Hoffnungen — auf einen nennenswerten Export zu kommerziellen Bedingungen zu machen. Der milchwirtschaftliche Außenhandel der EWG wird sich auf den Austausch von Spezialitäten beschränken. Alle Länder haben ihre Märkte in der Welt abgeriegelt. Dazu gehören auch die so liberalen Vereinigten Staaten von Amerika, die ihren Erzeugern — das möchte ich Ihnen doch einmal sagen — einen Milchpreis sichern, von dem die Bauern in der EWG nur träumen können.Die geringe Nachfrage auf dem Weltmarkt und das Dumping der Ostblockländer haben den Weltmarktbutterpreis jetzt schon auf die Hälfte des Preises heruntergedrückt, den die am billigsten produzierenden Länder in der Welt verlangen müssen. Wenn nun auch noch die EWG-Länder als Anbieter auftreten, und zwar in Mengen, die dem gesamten Jahresexport Neuseelands und Australiens entsprechen, dann ist an einen Verkauf überhaupt nicht mehr zu denken.Von welcher Seite man auch immer die Sache ansieht — es ist einfach ein Gebot der praktischen Vernunft, nichts unversucht zu lassen, um die Überschüsse im Gemeinsamen Markt so gering wie möglich zu halten.Aus der Antwort des Herrn Ernährungsministers auf die Große Anfrage könnte man den Eindruck gewinnen, daß die Bundesregierung einen weiteren Druck auf die Preise als Ultima ratio ansieht.
Es wird dort erklärt, man müsse mit einer beschleunigten Zunahme der Molkereianlieferung rechnen, und dann heißt es weiter:Um einer aus dieser Entwicklung entstehenden Tendenz von Überschüssen bei Butter und Magermilchpulver und einer dadurch bedingten Kostensteigerung in der EWG entgegenzuwirken, wird das Preissystem geringere Erlöse für diese. Erzeugnisse vorsehen müssen.So weit das Zitat. Man muß nicht unbedingt ein Experte in Milchfragen sein, um beurteilen zu können, daß das darauf hinausläuft, alle Erzeugererlöse im Bereich der Milch zu reduzieren.Meine Damen und Herren, aus Milch kann man aber nicht nur Butter und Magermilchpulver herstellen. Diese beiden Produkte bringen heute den niedrigsten Erlös. Die Milchwirtschaft wird also bestrebt sein, andere Erzeugnisse zu verkaufen. Nachdem nun aber auch die EWG inzwischen bei Käse zum Selbstversorger geworden ist, werden sich die Käsepreise ganz automatisch nach den Preisen für die beiden Stützungsprodukte orientieren. Zu allem Überfluß sorgt die Automatik des EWG-Systems auch noch dafür, daß der Trinkmilchpreis dieser Entwicklung folgen muß.
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Dr. Schmidt
Wenn das Debakel verhindert werden soll, wird man auch noch einige andere Vorschläge in die Prüfung einbeziehen müssen. In diesem Zusammenhang scheint es mir der Überlegung wert zu sein, den Butterinterventionspreis zu regionalisieren und die Magermilchprämie zu senken, gleichzeitig aber die Preise der mit Magermilchpulver konkurrierenden Eiweißfuttermittel anzuheben. Für die Erzeuger wäre eine solche Lösung erträglicher als ein globaler Preisrückgang.Meine Damen und Herren, sollte es. sich herausstellen, daß sich die Verwendung der Stützungsmittel für Magermilch nicht einwandfrei kontrollieren läßt, müßte erwogen werden, die Prämien auf die getrocknete und besonders gekennzeichnete Magermilch für Futterzwecke zu beschränken. Diese Forderung läßt sich im Interesse der Steuerzahler sicher vertreten. Es gehört wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie die Öffentlichkeit reagieren würde, wenn sie eines Tages erfährt, daß erhebliche Mittel in die falschen Kanäle geflossen sind, weil man es den Begünstigten zu leicht gemacht hat. Eben weil man nicht in jede Molkerei einen Polizisten stellen kann, ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß die Milchanlieferung auf dem Papier noch schneller zunimmt als in Wirklichkeit.Die übrigen Maßnahmen, die in der Antwort des Herrn Bundesernährungsministers aufgezählt sind, finden im Grundsatz unsere Zustimmung. Allerdings glauben wir, daß noch erläutert werden sollte, Herr Bundesminister, an welche Maßnahmen zur Steigerung des Butterverbrauchs und an welche Maßnahmen zum Abbau von preislichen Anreizen zur Butterproduktion eigentlich gedacht ist. Mit einer Erhöhung des Fettgehalts in der Trinkmilch wird auch der Verbraucher einverstanden sein; denn das bedeutet nicht nur eine objektive Qualitätsverbesserung, sondern damit verbessert sich auch der Geschmack. Damit kann ohne Zweifel ein Beitrag zur Lösung des Milchfett-Problems geleistet werden, aber eben nur e i n Beitrag, mehr auch nicht.Wenn wir der Milch etwas mehr von ihrem natürlichen Fett belassen, dann können wir damit die Butterproduktion in der Gemeinschaft um höchstens 50 000 t verringern. Das ist eine ganze Menge; aber es reicht bei weitem noch nicht aus, um damit die Überschußsituation zu beseitigen.In dem Katalog der Bundesregierung wird außerdem eine bessere Bewertung des Milcheiweißes genannt. Auch darüber wird man diskutieren können. Allerdings muß man sich natürlich darüber im klaren sein, daß sich der strukturelle Überschuß der sechs EWG-Länder zur Zeit nicht nur auf 100 000 t Butter beschränkt, sondern daß dazu noch mindestens 130 000 t Magermilchpulver kommen, die sich auch nur mit erheblichen Exportzuschüssen exportieren lassen.Es bedeutet keine Kritik an den Ausführungen des Ernährungsministers, wenn ich hier feststelle, daß die genannten Maßnahmen nicht ausreichen werden, um den Anstieg der Milchverarbeitung erheblich zu bremsen. Erst recht genügen sie aber nicht, um einen Erzeugerrichtpreis von 39,3 Pf zu erwirtschaften. Dieser Preis ist und bleibt — HerrBundesminister, Sie entschuldigen die Wiederholung dessen, was mein Kollege Welslau gesagt hat — eine Utopie. Sie erinnern sich, ich sprach in diesem Hause schon einmal von einer Fata morgana. Ich kann nur bedauern, daß die vorige Bundesregierung das nicht offen zugegeben hat. Ich möchte hier niemanden zu nahe treten. Es war aber einfach nicht in Ordnung, zu erzählen, ein durchschnittlicher Milcherlös von 39,3 Pf ab Hof sei realisierbar. Man muß sich doch einmal in die Lage eines Landwirts versetzen, der einer solchen Zusage vertraut, darauf seine Investitionen aufbaut und dann sieht, daß das gar nicht in Ordnung geht. Wer heute sagt, daß das vor einem Jahr nicht vorauszusehen war, war einfach falsch beraten. Die Sachverständigen hatten das damals schon längst erkannt.Ich möchte Sie im folgenden nicht weiter mit komplizierten Kalkulationen ermüden. Eines ist aber sicher: Wer immer noch behauptet, daß die derzeitigen Instrumente der EWG-Milchmarktordnung und die dafür vorgesehenen Mittel ausreichten, um einen höheren Nettoerlös ab Hof als 37 bis höchstens 371/2 Pf in der Bundesrepublik zu erwirtschaften, macht entweder sich oder seinen Hörern etwas vor. Selbst um das eben genannte Niveau wird noch hart gerungen werden müssen. Die höchsten Anstrengungen der Milchwirtschaft werden notwendig sein, um diesen von mir genannten Preis zu erreichen. Es ist gar keine Frage, daß dieser Preis aus der Sicht der deutschen Erzeuger bei unserem allgemeinen Kostenniveau als unzureichend bezeichnet werden muß. Es wird deshalb zu den Aufgaben einer künftigen europäischen Milchpolitik gehören, den gemeinsamen Realpreis zu verbessern. Im Augenblick aber kommt es in erster Linie darauf an, einen weiteren Rückgang der Realpreise zu verhindern. Es gilt weiter, den deutschen Marktanteil so gut wie möglich zu verteidigen. Das allein erfordert schon gewaltige Anstrengungen.Meine Damen und Herren, die Verhandlungen in Brüssel werden in den nächsten Wochen außerordentlich schwierig sein. Dabei wird es zu der besonderen Aufgabe der deutschen Delegation gehören, den Tendenzen entgegenzuwirken, die darauf hinauslaufen, statt eines gemeinsamen Milchmarktes einen Verdrängungswettbewerb der einen Milchwirtschaft gegen die andere zu organisieren. Das läßt sich aber nur mit einer offensiven und nicht mit einer defensiven Politik erreichen.Unter diesem Gesichtspunkt ist z. B. auch das Problem der Einzugs- und Absatzgebiete zu sehen. Was den Franzosen ihr Getreideerfassungssystem ist, das sind für uns die Einzugs- und Absatzgebiete unserer Molkereien. Das ist Geschichte. Das ist Tradition. Das hat auch einen guten Sinn und Zweck gehabt. Das deutsche System der Einzugs- und Absatzgebiete — das kann nicht geleugnet werden — hat unbestreitbar eine ganze Reihe vor Vorteilen, die allerdings — und das darf nicht verschwiegen werden — auch mit erheblichen Nachteilen verbunden sind. Ich möchte es mir versagen, auf die Frage einzugehen, weshalb man es eigentlich in der Vergangenheit nicht fertiggebracht hat, diese Nachteile wieder ein bißchen zu mindern. Es dient z. B.
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Dr. Schmidt
weder den realen Interessen der Landwirtschaft im ganzen noch den Interessen der Verbraucher im ganzen, mit Hilfe regionaler Monopole eine Produktion zu fördern, die erstens zu teuer ist und zweitens nicht gerade die beste Trinkmilch hervorbringt.Aber nicht dieser Nachteile, sondern der Vorteile wegen wird man zugeben müssen, daß es nicht möglich ist, die deutsche Regelung von einem Tag zum andern abzuschaffen. Das hat auch .die Kommission in Brüssel eingesehen. Ich bin darüber unterrichtet, daß der neue Marktordnungentwurf für Milch eine Übergangsklausel enthalten wird, die eine Beibehaltung der Einzugs- und Absatzgebiete mindestens für ein Jahr ermöglicht. Das ist vernünftig und ist zu begrüßen. In dieser Zeit muß sich die Milchwirtschaft umstellen. Das wird mit Hilfe eines Marktstrukturgesetzes nach Drucksache V/1544 auch zu erreichen sein. Es scheint mir die richtige Intention von morgen zu sein, die traditionellen Lieferbeziehungen nicht durch eine Unzahl von privatwirtschaftlichen und privatrechtlichen Liefervertragen, sondern durch ein sinnvolles Neues zu ersetzen. Hätten Sie schon vor zwei Jahren unserem Entwurf zur Marktstrukturverbesserung zugestimmt, dann würde uns das alles heute leichter fallen. Ich freue mich, daß ich mich neuerdings in ehrenwerter Gemeinschaft mit einigen Koalitionskollegen befinde. Diese agrarpolitische Zuneigung, die sich da anbahnt, nehmen wir in aller Bescheidenheit, aber auch mit Selbstbewußtsein als Kompliment zur Kenntnis.
Jetzt drängt natürlich die Zeit, und das muß der Milchwirtschaft ganz nüchtern und ;hart gesagt werden. Diese Umstellung muß von der Wirtschaft selbst durchgeführt werden. Ebenso wie die Wirtschaft überfordert wäre, wenn man ihr zumutete, nur Agrarpolitik zu treiben und Agrarprobleme zu lösen, ist es vom Staat zuviel verlangt, wenn man erwartet, daß .er der Wirtschaft Entscheidungen abnimmt, die sie selber treffen kann. Mann muß der Milchwirtschaft sagen — ich wiederhole das —, daß eine Beibehaltung der Einzugs- und Absatzgebiete auf längere Sicht überhaupt keine Chance hat und daß die Erfüllung von Forderungen nach einer weiteren Verlängerung nur mit anderen Zugeständnissen möglich sein wird, und die können für uns sehr teuer werden. Beschränkungen des Wettbewerbs sind und bleiben der Todfeind der Gemeinschaft. Wenn einige Professoren behaupten, daß die Beibehaltung der Einzugs- und Absatzgebiete rechtlich zulässig sei, dann ist damit noch lange nicht gesagt, daß das auch praktisch möglich und erwünscht ist.Hat man sich denn eigentlich überlegt — ich sage das, weil die Berufsverbände so sehr danach schreien —, daß nicht nur die Milchwirtschaft der anderen EWG-Länder bei uns ihre Produktion absetzen will, sondern daß auch unsere Milchwirtschaft nach neuen Kunden suchen muß? Hat man aber auch daran gedacht, daß wir bei bestimmten Erzeugnissen, z. B. bei der sogenannten H-Milch und bei der H-Sahne, über einen Vorsprung verfügen, den nur wirnützen können und mit dem wir möglichst rasch auf den Märkten der EWG Fuß fassen müssen? Es ist unlogisch, zu erwarten, daß die Partnerländer uns ihre Märkte öffnen, wenn wir einen Teil unseres Marktes aus grundsätzlichen Erwägungen geschlossen halten.Unlogisch erscheint es mir auch, ausgerechnet diesen Teil der deutschen Trinkmilchmarktordnung herauszugreifen und ein anderes Element dieser deutschen Regelung, nämlich die Preisspaltung, überhaupt nicht zu erwähnen. Es geht darum, daß auf die Erzeugnisse des unelastischen Bedarfs — dazu gehört vor allem die Trinkmilch — eine Abgabe erhoben wird, um damit den Erlös für die sogenannte Werkmilch, also für Butter und Käse, zu stützen. Die Behauptung, daß eine solche Regelung in Brüssel nicht durchzusetzen wäre, ist nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Vereinigung der europäischen Milchwirtschaft, Assilec genannt, in der sämtliche privaten und genossenschaftlichen Molkereien im Gemeinsamen Markt vertreten sind, hat sich in einer umfangreichen Stellungnahme ausdrücklich für eine solche Lösung ausgesprochen, falls ein vernünftiger Richtpreis anders nicht erreicht werden kann. In einer Stellungnahme heißt es — ich zitiere —:Um die Festsetzung eines zu niedrigen Richtpreises zu vermeiden, kann sich die europäische Milchwirtschaft unter bestimmten Bedingungen, und wenn es notwendig erscheint, an der Realisierung des Richtpreises beteiligen, und zwar durch eine Abgabe auf die Erzeugnisse, deren Nachfrage unelastisch ist.Das ist ein Wort!
Ist diese Preisspaltung bereits gründlich geprüft worden? Ich würde den Herrn Bundesminister bitten, diese Frage durch seine Mitarbeiter noch einmal ganz gründlich prüfen zu lassen. Nach meinem Dafürhalten sollte es nicht unmöglich sein, diese Frage bei den Beratungen in Brüssel aufzuwerfen. Das wird in Brüssel vielleicht auf mehr Sympathie stoßen als die Verlängerung der Regelung über die Einzugs- und Absatzgebiete bis zum Jahre 1970. Von der Sache her besteht kein vernünftiger Grund, diese Abgabenregelung abzulehnen. Diese Lösung ist für alle Teile, vor allen Dingen auch für die Erzeuger und für die Steuerzahler, weit weniger kostspielig als ein zusätzlicher Preisdruck und eine zusätzliche Ausgabenerstattung zu Lasten des Fonds. Auch die Verbraucher würden nicht unnötig belastet. Wenn die Organisation der deutschen Landwirtschaft allerdings der Meinung sein sollte, sie hätten davon keinen Vorteil, dann wäre die Frage zu stellen, ob sie etwa annehmen, daß bei einem allgemein sehr stark gedrückten Werkmilchpreis der Trinkmilchpreis auf die Dauer gehalten werden kann.Damit ist die Skala der möglichen Steuerungsmaßnahmen noch nicht erschöpft. Man wird z. B. auch über die Vorschriften über die Qualität der Anlieferungsmilch reden müssen. Eine bessere Qualität wird — das zeigen die Erfahrungen der Vereinigten Staaten — vom Verbraucher durchaus honoriert. Das beginnt schon bei der Fütterung. Sehr ärgerlich sind
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Dr. Schmidt
doch die Folgen eines sogenannten Rationalisierungseffektes, die kein vernünftiger Landwirt gutheißen kann. Ich meine damit den Einsatz bestimmter ölhaltiger Futtermittel, die nicht nur zu einer unsinnigen Steigerung der Butterproduktion führen, sondern auch die Qualität der Butter verschlechtern. Ob ein Verbot der Ölsaatenexpeller als Bestandteil von Futtermitteln über ein bestimmtes Maß hinaus auf die Dauer ausreichen wird, ist sehr zweifelhaft. Man sollte deshalb prüfen, ob es nicht zweckmäßiger ist, diese genannten Futterkomponenten in die EWG-Fettmarktordnung einzubeziehen.Keine von den vielen genannten Maßnahmen stellt ein Patentrezept dar. Damit ist wirklich nicht der Stein der Weisen gefunden. Die überall zutage tretenden Vorschläge zur Lösung der Milchprobleme sind sehr, sehr zahlreich. Erst heute haben sich die Verbraucherverbände in der Bundesrepublik dazu geäußert, und zwar mit teils ganz beachtlichen Anmerkungen zur Qualitäts- und Absatzfrage.
Nun, keiner dieser Vorschläge kann das Überschußproblem mit einem Schlag beseitigen. Mit einer sinnvollen Kombination lassen sich zumindest aber die größten Flurschäden verhindern. Die Auswirkungen für Erzeuger, Verbraucher und Steuerzahler lassen sich dann vielleicht in tragbaren Grenzen halten. Ich glaube, wir können der deutschen Landwirtschaft mit gutem Gewissen versichern, daß wir nichts unversucht lassen, um ihr zu einem angemessenen Erlös zu verhelfen. Alle Zusagen darüber hinaus sind nicht zu verantworten.Diejenigen, die erklärt haben, die Milchprämie des Bundes werde bis 1970 unverändert fortgezahlt und die deutsche Milchmarktordnung werde bis dahin gelten, dürften inzwischen erkannt haben, welche verheerenden Wirkungen solche Parolen in den Köpfen vieler angerichtet haben. Diese meine Warnung gilt auch für jene Leute, die da immer behaupten, dieser Richtpreis für Milch sei ein halber Festpreis und sei ohne besondere Schwierigkeiten zu erreichen.
Ein gesunder Realismus, meine Damen und Herren, auch Sie von der FDP, bedeutet doch nicht, daß wir in der EWG freiwillig und leichtfertig auf irgendwelche Positionen verzichten oder natürliche Interessen preisgeben. Das können Sie doch auch Minister Höcherl nicht nachsagen. Nur eines müssen wir tun: wir müssen mit Ehrlichkeit gegenüber der Landwirtschaft und der Öffentlichkeit handeln.Gestatten Sie mir dazu noch einen letzten Hinweis. Er geht an die Adresse des Herrn Ministers. Bei einem Sachverständigengespräch, Herr Bundesminister, Mitte dieses Jahres haben Sie nach einem Protokoll folgendes erklärt:Bei Milch besteht demnach unter den augenblicklichen Bedingungen eine ausweglose Situation. Wenn in Anbetracht der Lage keine einschneidende Änderung der Bedingungen vorgenommen wird, steht zu befürchten, daß nach einem kurzen Milchfrühling im nächsten Jahrein Zusammenbruch erfolgt, der die gesamte Agrarkonzeption der EWG gefährdet, weil die Regierungen und die Steuerzahler nicht bereit und in der Lage sind, die entsprechenden Mittel in der Milchmarktordnung aufzubringen.Ich finde das sehr treffend und richtig. Leider habe ich diese eindringliche Darstellung in Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage vermißt.Ich vermag einfach nicht einzusehen, was die Bundesregierung hindern kann, die Lage so darzustellen, wie sie nun einmal ist. Wenn das schon in der Vergangenheit nicht geschehen ist, dann ist das für uns heute kein Maßstab. Die Bundesregierung, aber auch wir alle in diesem Hause haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dem Menschen in der Landwirtschaft das zu sagen, was ist.
Der Nebel in den Gehirnen ist gefährlicher als der auf der Straße.
Herr Abgeordneter Schmidt , gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dorn?
Bitte sehr!
Herr Kollege Schmidt , darf ich Sie so verstehen, daß Sie meinen, die Bundesregierung habe heute in der Sachfrage nicht so geantwortet, wie es mit den Realitäten übereinstimmen müßte?
Doch, die Bundesregierung hat die gestellten Fragen ganz konkret, nüchtern und richtig beantwortet. Das habe ich schon zweimal gesagt. Ich hätte nur den Wunsch gehabt, daß sie die Situation noch realer und auch in diesem Hause noch klarer und härter dargestellt hätte. Das habe ich nur gesagt.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Lassen Sie mich noch zwei Anmerkungen machen.Wir befassen uns hier im Grunde mit einer Materie, die manchem außerhalb, aber auch innerhalb dieses Hauses, als lästig erscheinen mag. Aber es geht hier wie bei Kohle und Stahl um Menschen, um 10% der Erwerbstätigen. Es geht um die Existenz dieser Menschen. Wir werden bald einiges davon zu spüren bekommen, wie die Existenzangst auch auf dem Lande um sich greift.Über den geistigen und politischen Standort der Menschen auf dem Lande wird oft orakelt. Hervorragende Persönlichkeiten versuchen sich in der Bestimmung dieses Standorts. Sind diese Menschen auf dem Lande demokratisch oder radikal, liberal oder national, fortschrittlich oder konservativ? Meine Damen und Herren, die Kategorien, die ich gerade genannt habe, passen nicht einmal mehr in die soziologischen Anfangssemester. So einfach ist das nun eben nicht. Wäre es anders, dann wäre auch die Agrarpolitik ein einfaches Geschäft. Ich glaube überhaupt nicht, daß sie ein Geschäft ist. Sie ist leider eine schwierige und leidige Sache.
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6838 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Dr. Schmidt
Ich weiß vielmehr, daß diese Menschen auf dem Lande — ich kenne sie zu gut — aufgewacht sind, wie es manche andere noch nicht sind, daß sie kritisch sind und daß sie Fragen stellen. Auf diese Fragen wollen sie eine Antwort haben, und zwar heute, jetzt. Sie wollen nicht in die Kategorien vergangener Zeiten eingeordnet werden. Aber diese Auseinandersetzung haben wir noch vor uns, wahrscheinlich im kommenden Jahr.Zum anderen. Wir stoßen — das hat mein Freund Welslau bei der Begründung der Großen Anfrage deutlich gemacht — besonders in den Bereichen der strukturellen Überproduktion an die Grenzen der bisherigen Agrarpolitik. Ich will das hier ganz gewiß nicht als einen Mangel darstellen. Dieser gewaltige Produktivitätsfortschritt, der in unserer Agrarwirtschaft im letzten Jahrzehnt erzielt worden ist, der jetzt allen so sichtbar ist und deutlich wird, ist das hart errungene Ergebnis der Arbeit der Menschen auf dem Lande. Das hat unternehmerischen Mut verlangt bei all den vielfältigen Investitionen, die der Umstellungsprozeß erforderlich machte, und das ist dem unermüdlichen Arbeitseinsatz insbesondere der Betriebsleiter zu danken, die nicht nach Urlaub und geregelter Freizeit fragen können, wo in anderen Bereichen die 40-Stunden-Woche bereits selbstverständlich geworden ist. Das zur Klarstellung.Doch Agrarpolitik wird nicht ausschließlich von der und für die Agrarwirtschaft gemacht. Sie ist einzuordnen in die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Erfordernisse der Gesamtheit und unserer Zeit.
Wenn Mangel und Not herrschen, dann ist Agrarpolitik leicht. Produktionssteigerung ist dann das einzige Ziel dieser Politik, und staatliche Förderungsmaßnahmen sind einzig auf dieses Ziel abzustellen.
— Heute, Herr Kollege Ertl, ist das anders. Die Grenzen der bisherigen Agrarpolitik werden von Tag zu Tag deutlicher. Die Konzeption der bisherigen Politik muß neu durchdacht und überprüft werden. Da gehe ich mit dem Bundesfinanzminister völlig einig, der aus dem Zwang zur Ordnung der öffentlichen Finanzen zu dieser Schlußfolgerung gekommen ist.Die Äußerungen Mansholts erscheinen mir als eine Flucht nach vorn. Wir dürfen uns nicht etwa — das will ich bei dieser Gelegenheit sagen — die Gesamtheit der agrarstrukturellen Maßnahmen aus den nationalen Händen nehmen lassen. Dazu ist das Zusammenwachsen so unterschiedlicher Agrarwirtschaften ein zu langwieriger und schwieriger Prozeß. Und der von dem deutschen Steuerzahler finanzierte Verdrängungswettbewerb darf nicht stattfinden. Er muß verhindert werden. Das ist Aufgabe der deutschen Delegation.
Wir müssen jetzt schnell den Weg zu einer neuen rationalen EWG-Agrarpolitik finden, die auch in den Zeiten des Überflusses dem Erzeuger ein angemessenes Einkommen und dem Verbraucher die beste Versorgung zu vertretbaren Preisen garantiert. Das alles muß auch für die Finanzminister in erträglichen Grenzen gehalten werden.Meine Damen und Herren, am Ende der heutigen Debatte werden wir feststellen können, ob alle Beiträge, die hier geleistet werden, dieser Notwendigkeit eines Beitrags zu einer neuen Politik Rechnung getragen haben. Aber das wird wohl nach Lage der Dinge kaum zu erwarten sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser in der Quantität sicherlich unübertreffbaren Rede des Kollegen Schmidt möchte ich nur feststellen: Bei der SPD ist offensichtlich die Luft raus und die Milch sauer.
Das, Kollege Schmidt, muß man jenen sagen, die andere Leute qualifizieren wollen und selbst im Glashaus sitzen.
Für uns war aber manches interessant, Kollege Schmidt. Wenn ich Ihre Ausführungen jetzt mit denen des Kollegen Bauknecht vergleiche, frage ich mich: Wer unterstützt denn überhaupt noch die Konzeption dieser Regierung? Wer ist denn noch dafür? Sie sind doch alle dagegen!
Sie haben uns einmal gesagt, wir seien Opposition in der Koalition. Dazu kann ich nur sagen: hier gibt es nur noch eine Opposition, die Opposition der Koalition gegen eine Regierung. Das muß ich hier einmal sagen.
— Ja, bitte sehr, ich habe Sie hoffentlich nicht falsch verstanden, oder Sie haben sich vielleicht alle falsch ausgedrückt; mit „Sie" meine ich den Kollegen Bauknecht oder den Kollegen Schmidt. Kollege Schmidt hat ja lange genug über die Milch geredet und dabei immer festgestellt, daß hier „Nebel" sei. Was heißt denn das? — Nebel ist doch nicht etwas Imaginäres! Wer hat denn die 39 Pf versprochen? — Die hat doch der Herr Minister versprochen. Da sagt man immer: irgendwer habe es versprochen. Nein, man sollte die Dinge beim Namen nennen und sollte nicht so tun, als ob. Darum geht es doch. Das ist nicht klar und ist auch gar nicht wahr. Das wollen wir einmal feststellen, und das sei einmal in aller Deutlichkeit vorweg gesagt.Lieber Kollege Schmidt, Sie haben sich dann auch — und das ist natürlich Ihr gutes Recht — mit der Oppositionsrolle der FDP befaßt. Wir geben zu, daß wir auch in Zeiten der Koalition mit der CDU/CSU
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ErtlMotor in der Agrarpolitik gewesen sind. Darauf sind wir stolz.
Das geben wir gerne zu. Wir sind so selbstlos gewesen, obwohl uns die Bauern das nicht honoriert haben. Das, was jetzt allerdings mit dieser Regierung los ist, kapieren die Bauern schon. Sie wissen, was sie da zu erwarten haben. Das ist dann ein Fortschritt, und das werden wir bei den nächsten Wahlen dann schon sehen.
— Na ja, Kollege Dröscher, wir werden uns noch darüber unterhalten. Sie haben ja gerade ihren Buß-und Bettag in Godesberg gehabt.
Sie wissen das genau, Sie, Herr Dröscher, ganz besonders; Sie sind ja der Apostrophierte, der von Wehner an die Leine Genommene, und das werden auch die Wähler wissen.
— Na ja, wissen Sie, Herr Dröscher, Sie waren schon einmal ganz rechts. Aber, mein Gott, es gibt Leute, die gehen schon einmal von rechts nach ganz links und drehen sich sehr gern im Kreis; aber wo sie stehen, das müssen wir ihnen überlassen.Ich will Ihnen einmal etwas sagen, Herr Kollege Schmidt: Ich möchte nicht auf die Rolle der SPD in der Opposition eingehen; aber hier liegt ein schönes Dokument — wir haben nämlich auch Archive, Kollege Schmidt —, ein Protokoll über den dritten Tag beim Parteitag in Karlsruhe 1964. Da hat der Kollege Schmidt gesagt:Aber es geht nicht nur um die Frage der Getreidepreise. Sie spielen bestimmt nicht die Rolle, die man ihnen immer zumißt.
— Ja, das hat er gesagt. Und die Käte Strobel — die Frau Bundesminister von heute — hat gesagt:Liebe Genossinnen und Genossen! Ich bin in der unangenehmen Lage, meinem Freund Martin Schmidt widersprechen zu müssen.
Und dann hat sie den Martin Schmidt heruntergebuttert.
Und dann kam der Professor Genosse Schiller, der sagte: „Genossinnen und Genossen! Ich kann in allen Punkten die Käte Strobel bestätigen." — Na, und wissen Sie, was das war? Das war Agrarpolitik in einer Form, bei der man auf die Landwirtschaft nicht Rücksicht nimmt. Darum ging es, und das war es, was Sie in der Opposition nicht wirksam gemacht hat, leider zum Nachteil der deutschen Landwirt-schaft. So mußten wir damals für Sie stellvertretend in der Koalition einspringen.
— Wissen Sie, es ist wenigstens gut, daß die SPD mit mir noch etwas zu lachen hat; mit sich selber kann sie sicherlich schon nimmer lachen. Da ist ihr das Lachen vergangen, zumindest mit ihren Parteifreunden. Das ist bei mir noch etwas anders.Der Kollege Bauknecht hat heute ebenfalls eine phantastische Oppositionsrede gehalten. Er hat im Grunde bestätigt, daß die FDP recht hat, nämlich daß diese Regierung weder zielstrebig noch tatkräftig politisch handelt, und zwar weder hier noch in Brüssel. Dafür danken wir ihm. Hier sind wir einer Meinung. Ich muß sagen, Kollege Bauknecht: Sie haben offensichtlich — nach Höcherl — einen Ehebruch begangen; Sie hätten bei der alten Ehe bleiben müssen. Dann stände es um die Landwirtschaft besser.
Wir hatten heute die Freude und die Ehre, auch den Herrn Bundeskanzler zu hören. Er hat es so ähnlich gemacht wie der Fraktionsvorsitzende Schmidt bei den Bergarbeitern. Man könnte beinahe sagen: SPD-Schmidt-Bergarbeiter: Entdeckt das Herz für die Bergarbeiter! Wir freuen uns darüber. Wir wissen, daß man Politik ohne Herz nicht machen kann. Dafür entdeckt dann der Bundeskanzler das Herz für die Bauern.
Herzhafte Worte, aber nicht politische Worte waren es — gemütvoll, wunderschön. Nun, Herr Bundeskanzler, Sie haben aber auch gesagt, daß Sie sich aktiv bemühen werden. Sie können sich darauf verlassen: die Opposition wird Sie beim Wort nehmen. Hoffentlich geht es Ihnen nicht so wie Ihrem Vorgänger mit seinen Zusagen.
Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben, und wir werden hier das Wächteramt übernehmen. Es waren ja alles wunderschöne Worte, die hier gesagt wurden; nur die Tatsachen, die wurden nicht sosehr angekündigt. Es wurde das schöne Wetter, die Lage und die Bäuerin — die darf natürlich nicht vergessen werden — — Kollege Ehnes, Sie wollten sicherlich etwas sagen?
Herr Kollege Ertl, Sie sagen: Hoffentlich geht es Ihnen, Herr Bundeskanzler, nicht so wie Ihrem Vorgänger. Meinen Sie damit Ihr Wahlplakat, wo Sie draufgeschrieben haben: „Wer Erhard will, muß FDP wählen"?
Herr Kollege Ehnes, in der Psychologie gibt es den Begriff „Erinnerungsverklärung".
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6840 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
ErtlDann gibt es außerdem noch den Begriff eines permanenten Irrtums.
Dem letzten — und der Freudschen Fehlleistung — sind Sie offensichtlich unterlegen. Denn sonst müßten Sie wissen, daß die CSU im letzten Landtagswahlkampf den Erhard-Kopf so groß an jede Decke und Ecke gemalt hat, daß selbst ich beinahe der Meinung war, man muß CSU wählen, obwohl sie bereits das Messer wetzte, um Erhard abzuschießen, und das unter dem Motto: Wer CSU wählt, wählt Erhard! So war die Tatsache. Aber das haben Sie offensichtlich vergessen.
— Da muß sich ja hier mal was rühren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Ertl, da Sie so ein Tatmensch sind und Taten sehen wollen, darf ich Sie in aller Bescheidenheit fragen, wo die Taten sind, die Sie landauf, landab versprochen und angekündigt haben: Sie würden um jeden Preis den Getreidepreis halten und Sie würden um jeden Preis ein Veredelungsschutzgesetz durchsetzen? Können Sie mir einmal sagen, wo die Taten sind?
Verehrter Kollege Marquardt, dazu kann ich nur sagen, Sie haben offensichtlich die letzten Debatten alle nicht verfolgt. Sie hätten
unsere Reden hier im Parlament hören müssen.
Daß dann eine Koalition zerbrochen ist und daß ein Bundeskanzler nicht in der Lage war, seine Zusagen zu halten, und daß eine SPD-Opposition dauernd unsere agrarpolitische Arbeit torpediert hat, das hat erst zu diesem Zustand geführt.
Nun, meine sehr verehrten, wir haben uns gefreut über das, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat, insbesondere auch über den Familienbetrieb. Das waren alles Worte, die man berücksichtigen muß. Aber uns wäre lieber gewesen, er hätte klar und deutlich gesagt: Wie wird er das Einkommen der Landwirtschaft sichern? Wie hält er es mit den gesetzlichen Verpflichtungen, die aus Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz da sind? Er ist doch schon dabei, zu ändern.
Und, Herr Kollege Marquardt, Ihnen ins Stammbuch geschrieben: Es gibt nur eine Fraktion, die vor der dreifachen Negativkomponente gewarnt hat. Hier an diesem Platze habe ich es wiederholt gesagt: Das Einkommen der Landwirtschaft wird gesenkt, die Verbraucherpreise werden eher erhöht als gesenkt, und obendrein zahlt der Steuerzahler drauf. Das ist eine dreifache Negativkomponente. So ist es hier gesagt worden. Das kann man nicht als erfolgreiche Politik verkaufen. Hier hätten Sie uns unterstützen müssen in der Opposition und auch die CDU. Dann wäre der Getreidepreis in dieser Form nicht gesenkt worden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher?
Bitte!
Würden Sie uns sagen, was wir bzw. Sie nicht gemacht hätten?
Das kann ich Ihnen sagen. Dann hätten wir den Vorschlag der FDP aufnehmen können, die Agrarpreise erst im Jahre 1970 zu harmonisieren. Das wäre ein großer Fortschritt gewesen.
Ich kann auch noch mehr Auskunft geben. Es ist vielleicht ganz gut, wenn Sie die Wahrheit hier erfahren.
Warum fragst du mich? Ich erinnere mich jetzt, daß dieses Wort Kain an Abel gesprochen hat. Ich hoffe nicht, daß er der Kain der deutschen Landwirtschaft werden will. Ich hoffe nicht, daß er das werden will.
Aber es ist ihm auch ein Zweites hier gelungen. Er hat sich hier als ein Fachmann für Ehebruch betätigt, als ein glänzender Fachmann. Ich habe eigentlich gedacht, für einen CSU-Mann sei es gar nicht möglich, so detaillierte Kenntnisse über Flirt und Ehebruch zu haben. Aber es scheint nun doch der Fall zu sein. Ich möchte ihm aber bezüglich der Koalitionsehe doch mitgeben, sich daran zu erinnern, daß Koalitionsehen meistens im ersten Jahr noch ganz gut funktionieren. Ab dann wird es problematisch. Dann beginnt auch die Zeit wechselseitiger Ehebrüche.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehnes?
Herr Kollege Ertl, soll das eine Bestätigung sein, daß sich die CSU mehr in der Legalität bewegt?
Ja, wissen Sie, mit der Legalität ist das so wie mit dem Grundgesetz unter dem Arm. Da habt ihr ja besondere Erfahrungen in der CSU, wie man außerhalb der Legalität steht.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6841
Ertl— Ja, ja, in der CSU gibt es unbestritten parlamentarische Fachleute für solche Verhaltensweise.
Herr Abgeordneter Ertl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ott?
Bitte!
Herr Kollege Ertl, Sie sprachen vorhin von dem ersten Jahr der Koalition. Sind Sie bereit, zuzugeben, daß eine Koalitionsehe, wie sie die Kleine Koalition war, die von Anfang an unter Erpressungen eines Koalitionspartners steht, sicherlich den Keim des Zerfalls in sich trägt?
Also ich bin erstens nicht bereit, das zuzugeben, und zweitens müßten wir in puncto Erpressung von der CSU dann etwas gelernt haben!
Am 6. September haben die Freien Demokraten ihre Große Anfrage zur Lage der Landwirtschaft eingebracht. Die Bundesregierung hat über zwei Monate gebraucht, um jetzt antworten zu können, nachdem sie über ein Jahr gebraucht hat, um überhaupt einmal grundsätzlich Stellung zu nehmen zu agrarpolitischen Problemen. Interessanterweise hat als erster aus der Bundesregierung der Bundesfinanzminister Strauß Stellung genommen: mit der Forderung nach einer neuen Agrarkonzeption, die heute auch von dem Kollegen Schmidt unterstrichen wurde.Einer Bonner Korrespondenz zufolge betrachtete Bundesminister Höcherl die Forderung des Bundesfinanzministers nach der unausweichlichen Überprüfung der bisherigen Konzeption als einen Affront. Ich nehme an, daß der Herr Minister dazu noch etwas sagen wird. So war es zu lesen. Offensichtlich hat hier die Koordinierung innerhalb der Bundesregierung noch nicht stattgefunden.Die Antwort der Bundesregierung ist trotz des langen Beantwortungszeitraumes unbefriedigend, ja in ihrem Inhalt geradezu dürftig. Da der Herr Bundesernährungsminister auch mit Unterstützung der Opposition so großen Wert auf den Befähigungsnachweis in der Landwirtschaft legt, muß man sich bei der Beantwortung dieser Großen Anfrage natürlich ernstlich fragen, ob es bei ihm schon zur Gehilfenprüfung reicht.
In der Antwort auf die Frage 1 der Großen Anfrage wird zwar ausdrücklich auf die Senkung der Betriebskosten hingewiesen, aber mit keinem Wort erwähnt, in welcher Form die Bundesregierung im Rahmen ihrer Wirtschaftspolitik beabsichtigt, die Preise für Betriebsmittel zu senken. Dazu würde auch der Abbau — jetzt bitte ich den Kollegen Schmidt aufzupassen — der noch immer bestehenden Wettbewerbsverzerrungen bzw. das Gleichziehen der Harmonisierung anderer Wirtschaftsbereiche, vor allem des steuerlichen und des sozialen Bereichs gehören. Nach wie vor bestehen bei harmonisierten Preisen große Kostenunterschiede zuungunsten der deutschen Landwirtschaft, die von dieser nicht zu vertreten sind, sondern im politischen Bereich ihre Begründung finden. Die Preispolitik zugunsten der deutschen Landwirtschaft scheint in der Großen Koalition abgeschrieben zu sein.Im übrigen ist zu der Beantwortung unserer Frage 1 zu sagen, daß wir die Belehrung darüber, daß der deutschen Landwirtschaft die Aufgabe zufällt, hochwertige Ernährungsgüter zum Verzehr zu erzeugen, gern entgegennehmen, Allerdings, das ist keine neue Erkenntnis. Die Antwort — —
— Das stand in unserer Fragestellung nicht drin, Herr Kollege.
Die Antwort auf unsere Frage 2 beinhaltet wiederum — — Wollen Sie etwas sagen?
— Ja, saure Milch von Schmidt.Die Antwort auf unsere Frage 2 beinhaltet wiederum den Versuch, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als würden im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung die Förderungsmaßnahmen für die Landwirtschaft sogar verstärkt fortgeführt. Damit wird ganz geschickt übergangen und vertuscht, daß im Haushaltsentwurf für 1968 mit eingeplant sind die Aufwendungen für den Getreidepreisausgleich für das Jahr 1967 in Höhe von 560 Millionen,
die Vorfinanzierung für die EWG-Marktordnung mit 580 Millionen mehr als im Vorjahr sowie die Gasölgutscheine
— da haben Sie recht, darauf haben Sie hingewiesen — mit 300 Millionen. Das ergibt insgesamt Mehraufwendungen von 1044 Millionen DM. Zieht man dabei Kürzungen von rund einer halben Milliarde insbesondere für Strukturmaßnahmen ab, so ergibt sich eine Kürzung von rund 900 Millionen. Damit dürfte der Landwirtschaftsetat sicherlich der meistgekürzte Etat überhaupt sein. Angesichts dieser Tatbestände kann von einer Erfüllung des Landwirtschaftsgesetzes und des EWG-Anpassungsgesetzes keine Rede sein.Der Herr Minister hat in seiner Rede das Altershilfegesetz für die Landwirtschaft angesprochen. Auch hier müssen wir feststellen, daß auf Grund des Art. 6 des Finanzänderungsgesetzes, in dem eine Beitragserhöhung vorgesehen ist, zwar neue Lasten, aber keine neuen Leistungen festgelegt werden. In diesem Zusammenhang kann man wohl nicht von einer Verbesserung der sozialen Lage der Landwirtschaft sprechen. Im übrigen dürfte die all-
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6842 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Ertlgemeine Einkommensverminderung infolge der EWG-Preisbeschlüsse und der Nichterfüllung der zugesagten Ausgleichszahlungen sicherlich die soziale Lage der Landwirtschaft in Zukunft verschlechtern. Es stellt sich von selbst die Frage: wo bleibt die „soziale Symmetrie" für die Landwirtschaft?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Ertl, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß die Strukturverschiebungen in unserer Gesellschaft weder vor der Kohle noch vor der Landwirtschaft noch vor anderen Zweigen unserer Volkswirtschaft haltmachen können?
Ich muß Ihnen ganz offen sagen: ich verstehe Ihre Frage nicht. Selbstverständlich werden sich Strukturverschiebungen bemerkbar machen. Aber Strukturverschiebungen muß man doch nicht mit sozialer Schlechterstellung erkaufen und erzwingen.
Gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage?
Herr Kollege Ertl, würden Sie zugeben, daß die Große Koalition in diesem einen Jahr ihres Bestehens gerade im Bereich der Strukturpolitik sich anschickt, langfristige Verbesserungen herbeizuführen, vor allem, um Fehler zu korrigieren, die noch in der Zeit gemacht worden sind, als Sie ein so maßgeblicher Koalitionspartner waren und für die Finanzpolitik verantwortlich zeichneten?
Herr Kollege Fellermaier, ,da kann ich nur sagen: Sie haben mit Recht gesagt „anschickt". Schicken Sie sich nur sehr stramm an! Ob was daraus wird, werden wir später sehen.
Die Beantwortung der Frage 3 hat sich die Bundesregierung mehr als leicht gemacht. Mit etwas mehr Fleiß hätte man sicherlich bereits jetzt Näheres über die Mindererlöse der Landwirtschaft infolge des allgemeinen Preisverfalls in diesem Jahr sagen können. Selbst vor einem Jahr war es rein theoretisch möglich, Verlustrechnungen aufzustellen. Damals ging man von der Annahme aus, daß die Landwirtschaft mit Einnahmeverlusten von etwa 900 Millionen DM rechnen müsse. Ich will aber hier einmal dem Herrn Bundesminister als fleißiger Abgeordneter, möchte ich sagen, behilflich sein. Ich habe mir von einem Schweinemastbetrieb Preisaufstellungen und Ertragsberechnungen geben lassen, und zwar von einem Betrieb, der jährlich in der Zeit von August bis Oktober rund 75 Schweine verkauft. Vor einem Jahr war dort noch ein Rohüberschuß je
Tier von 60,35 DM auf Heller und Pfennig genau, auf Grund der Buchführung errechnet. Dieses Jahr sind es 13,90 DM. Ich glaube, da hätte man auch den Preisverfall in toto ausrechnen können. — Bitte!
Herr Kollege Ertl, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß der schlechtere Schweinepreis in diesem Jahr nicht zunächst eine Folge der EWG-Beschlüse ist, sondern auch eine Folge des sehr guten Schweinepreises im vorigen Jahr und damit eines wachsenden Angebots auch am inländischen Markt?
Ich kann Ihnen leider nicht recht geben, Herr Kollege Ritz. Es ist eine Auswirkung des gesenkten Getreidepreises und sicherlich einer gestiegenen Produktion.
— Bitte, bitte! Darüber können wir uns ja noch unterhalten. — Es ist also immer nur die Überproduktion.
— Natürlich glaube ich das; sonst hätte ich es ja nicht gesagt.Nun, wir werden auf die Frage der Verlustrechnung und der Einnahmeverluste beim Grünen Bericht zurückkommen.Fatal, möchte ich allerdings meinen, ist es, wenn der Herr Minister argumentiert, daß sich infolge der guten Ernte global Ertragsminderungen nicht ergeben. Man kann letzten Endes nicht eine gute Ernte zum Maßstab für die Preispolitik machen. Es wäre natürlich, wenn schon bei der Landwirtschaft so ein „Stillhalteabkommen" beschlossen worden ist und wenn schon Preissenkungen erfolgt sind, zu begrüßen, wenn auch in übrigen Wirtschaftsbereichen ähnliche Preissenkungen zu verzeichnen gewesen wären. Das wäre dann eine echte Konzertierte Aktion.Keineswegs befriedigt die Antwort auf Frage 5. Auch hier bestehen zwischen Absichtserklärungen und politischer Praxis offensichtlich breite Klüfte. Wie wären sonst die Ausführungen von Herrn Minister Strauß über eine neue Agrarkonzeption und die jüngste Erklärung des Herrn Präsidenten Mansholt über die zukünftige Agrarstrukturgestaltung zu verstehen?Auch Herr Bundesminister Höcherl sprach von einer dynamisch-revolutionären Entwicklung. Wo ist auf diesem Sektor die Zielplanung der Großen Koalition? Oder gibt es nur hier im Rahmen der Großen Koalition und auch bezüglich der Bundesregierung und der EWG-Kommission Zielkonflikte? Damit die Bundesregierung Klarheit und Wahrheit verwirklichen kann, haben wir zu diesem Problem einen Entschließungsantrag eingebracht.Ich möchte hier einmal die ganze Zwielichtigkeit der Antworten herausstellen. Da wurde zunächst in der Antwort erklärt, die Mansholtsche Konzeption sei gar nicht abzulehnen, also Mansholt — ja! Dann
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Ertlwurde von Minister und Kanzler gesagt: auch Familienbetriebe — ja! Und dann sagte man wiederum: neue Agrarkonzeption — ja! Was soll jetzt hier eigentlich langfristig sein? Wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß sich dieser Strukturwandel natürlich in einer dynamischen Volkswirtschaft vollzieht, aber daß das in der Landwirtschaft ein langfristig-kontinuierlicher Prozeß sein muß und daß man nicht die Agrarpreispolitik hernehmen darf, um diesen Prozeß überrasch zu beschleunigen und damit ein Auslöschen vieler Betriebe zu erzwingen. Das ist die Frage, und hier unterscheiden wir uns eben von den Kollegen von der SPD.
In der Beantwortung der Frage 5 wurde wohlweislich übergangen, welche Schwierigkeiten dadurch entstehen, daß durch die Senkung des Getreidepreises die Landwirtschaft veranlaßt und gezwungen wird, noch mehr in die Veredelungswirtschaft einzusteigen. Auch davor haben wir ständig gewarnt. Diese Schwierigkeiten gehen sehr leicht zu Lasten der kleineren Familienbetriebe und jener Betriebe, die von Natur aus zur Veredelungswirtschaft gezwungen sind. Die Freien Demokraten haben vor dieser Entwicklung immer gewarnt. Jetzt kommt hinzu, daß die Intervention bei Veredelungsprodukten wesentlich teurer wird und sich der Finanzminister dadurch veranlaßt sieht, die Begrenzung der Produktion durch Preisdruck zu fordern. Das bedeutet wiederum, daß man eben einen Teil unserer bäuerlichen Betriebe in möglichst kurzer Zeit aus der Produktion ausscheiden lassen will. Das sollte die Bundesregierung dann wenigistens in Offenheit und Fairneß den deutschen Bauern sagen, damit sie wissen, woran sie sind.
— Ich bin anderer Meinung, ich würde eine andere Politik machen.
Hier kommt die Frage: Was ist die ökonomisch sinnvolle Lösung, damit es auch eine gute politische Lösung wird? Die Freien Demokraten wollten dem Herrn Bundesminister Gelegenheit geben, anläßlich der Beantwortung ihrer Großen Anfrage endlich ein klares Wort auch zum Schicksal der deutschen Klein- und Nebenerwerbslandwirte zu sagen. Diese Chance hat er nicht wahrgenommen, obwohl heute nicht mehr von dem von ihm angekündigten Kleinbauernprogramm die Rede ist. Übrig geblieben sind die — das ist eine allgemeine Erkenntnis — Infrastrukturmaßnahmen. Sicherlich richtig! Aber von einer speziellen Förderung der Kleinbauern steht nichts mehr darin. Bei allen Förderungsrichtlinien sind sie ausgeschlossen, auch bei den Baumaßnahmen. Auch beim Grundstücksverkehrsgesetz gibt es für sie keine Steuervergünstigungen. Die Folgen sehn wir. Mit Recht hat der Bundesminister darauf hingewiesen: 500 00 Betriebe, 2,5 Millionen Menschen ausgeschieden. Das ist eine großartige Ausbildungsbeihilfe für die übrige Wirtschaft, weildiese Menschen ihre Jugend auf dem Bauernhof verbracht haben.
Dann hört man aber immer: wir wollen besonders die kleinen Betriebe fördern. Ja, dann muß man ihnen doch eine Chance geben. Deshalb fragen wir ganz konkret: Sollen beispielsweise die kleinen Landwirte in Zukunft nur Selbstversorgerbetriebe sein oder sollen sie auch für den Markt produzieren? Daß muß man ihnen doch ganz klar sagen. Wir wissen um die nützliche soziale und politische Funktion der Kleinbauern im Musterland Baden-Württemberg, wo neben einer guten Industrie zahlreiche existenzfähige Familienbetriebe, viele Kleinbetriebe bestehen, die letzten Endes ihre Haupteinnahmequelle als Industriefacharbeiter haben. Wir wissen auch, daß im letzten Jahr die Arbeitslosigkeit im Bayerischen Wald deshalb nicht zu einem großen sozialen Problem wurde, weil dort eben viele Arbeiter noch einen kleinen Betrieb haben. Die Frage ist: wollen wir das in der Zukunft? Ich bin der Meinung, ja.Und nun kommt die Frage zur Infrastruktur: Bringen Sie einmal nach Wegscheid in den Bayerischen Wald Industrie hin! Da wird sich, Kollege Fellermaier, die Große Koalition noch viel einfallen lassen müssen. Aber mit schönen Liebeserklärungen allein kann man auf die Dauer den Kleinbauern natürlich nicht helfen, das muß hier einmal gesagt werden.Ich möchte aber noch einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Diese Debatte soll der Großen Koalition auch Gelegenheit geben, einmal ihre klare Zielsetzung oder — nach Schiller — Zielplanung bezüglich der Stellung unserer Landwirtschaft im Rahmen der Politik der Großen Koalition, insbesondere natürlich im Rahmen ihrer Wirtschafts- und Agrarpolitik, aber auch im Rahmen der Europapolitik, darzustellen.Welche Funktion hat die Landwirtschaft in unserer Zeit? Agrarpolitik war in den letzten 50 Jahren je nach den politischen Umständen immer wieder von einer anderen Zielsetzung bestimmt. Das macht auch den Strukturwandel in unserer Zeit so schwierig. So gab es eben eine Zeit, in der gesagt wurde: „An der Stelle des nur zaghaft betriebenen und nur durch innerpolitische Gegenkäufe gehinderten Agrarschutzes erhebt sich nun der elementare Wille, das Landvolk als Blutquelle der Nation gegen jeden Widerstand zu erhalten."
Sie werden sicherlich meinen, das ist ein Mann, der meine große Bewunderung hat. Nein, diese Ausführungen stammen von dem wissenschaftlichen Agrarpolitiker Schiller, der ein großartiges Buch über Marktregulierungen geschrieben hat. Ich würde dem Herrn Bundesernährungsminister empfehlen, dort einmal manch großartige Erkenntnis über das Bauerntum nachzulesen. Ja, so ändern sich die Zeiten, kann man sagen.Diese Große Koalition müßte doch eigentlich für die Landwirtschaft eine großartige Sache sein. Zum
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6844 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Ertlerstenmal haben wir einen Wirtschaftsminister, der von der Wissenschaft her ein gelernter Agrarpolitiker ist. Da kann es doch gar nicht mehr gefehlt sein, da kann es doch kein Gesundschrumpfen mehr geben. Das müßte doch eine großartige Sache sein. Und so meinen wir, daß der Herr Wirtschaftsminister Schiller nicht nur stolz sein müßte, Verbraucherminister zu sein, wie sein Kollege Höcherl stolz ist als Ernährungsminister, sondern daß er auch stolz sein müßte, gelernter Agrarpolitiker zu sein.
Wir haben aber nicht nur einen sehr tüchtigen, wissenschaftlich gebildeten agrarpolitischen Wirtschaftsminister in diesem Kabinett, wir haben auch einen Bundeskanzler, der heute sein Bekenntnis, sein herzhaftes Bekenntnis für die Landwirtschaft erneuert hat, einen Bundeskanzler, der vor einem Jahr stolz verkündet hat: Jetzt wird wieder regiert: Er war als Ministerpräsident von Baden-Württemberg ein überaus wortreicher und warmherziger Freund der Landwirtschaft und hat gleichzeitig natürlich in Wahlaufrufen der FDP immer eins ausgewischt. — Herr Kollege Stark!
Herr Kollege Ertl, glauben Sie, daß Sie mit diesen Polemiken — ich möchte mich jedes weiteren Werturteils enthalten — der Sache der Agrarpolitik, um ,die es hier gehen sollte, einen Dienst erweisen?
Herr Kollege Stark, ich kann nur sagen: Wahrheit tut weh.
Es tut mir leid, aber das sei doch hier einmal gesagt.An diese Einstellung wird man wohl erinnert, wenn der Präsident des Badischen Landwirtschaftsverbandes, Raither, in einem Schreiben den Bundeskanzler an seine frühere positive Haltung erinnert. Ich will hier auch einmal zur Verlesung bringen – ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —, was in einem Aufruf mit Bild steht. Herr Kollege Stark, wenn Sie sich über Polemik unterhalten wollen, müssen Sie einmal lesen, was damals alles Infames über die FDP in einem Wahlbrief der CDU verbreitet wurde. Dann hätten Sie sich heute noch zu schämen. Das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen. Damals hieß es:Zu den großen Zielen unserer Agrarpolitik gehört nicht nur die Erhaltung unserer heimischen Ernährungsgrundlage, sondern .auch die Sorge um einen gesunden Organismus unseres Volkes und nicht zuletzt die Herstellung voller Gleichheit der Landbevölkerung im Bildungs- und Ausbildungswesen.Ich unterstreiche das.Hierzu bedarf es auch der Sicherung vieler mittlerer und aller jener kleineren Existenzen der Landwirtschaft, die lebenswillig sind, aber auch der Förderung von Zu- und Nebenerwerbsformen. Maßnahmen auf lange Sicht sollen dieAgrarstruktur in unserem durch mannigfache Siedlungsformen gekennzeichneten Land verbessern. Auch wollen wir unter Bewahrung guter alter Tradition das Dorf im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich erneuern.Wir unterstreichen das auch. Wir hoffen nur, daß das auch die Richtschnur der Politik ist, die der Herr Bundeskanzler leitet. Das haben wir nur zu sagen.Es muß nun entschieden werden: Was ist ökonomisch sinnvoll und politisch richtig?Ich meine auch, für die Agrarpolitik dieser Regierung müßte es ein besonderer Vorteil sein, daß zwei profilierte Mitglieder der CSU in diesem Kabinett sitzen, der Vorsitzende der CSU, Herr Finanzminister Strauß, und Hermann Höcherl als Landwirtschaftsminister.Nun, der Herr Bundesfinanzminister hat nicht erst bei seiner Haushaltsrede bezüglich der Agrarkonzeption seine Übereinstimmung oder zumindest seine nahe Verwandtschaft mit Mansholtschen Thesen angekündigt, sondern bereits vor einem Jahr anläßlich der Eröffnung der IKOVA seine Vorstellungen zur deutschen Landwirtschaft im Rahmen der EWG kundgetan. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sollten Sie einmal hören, das sollten auch die Minister hören. Sie sollten dazu Stellung nehmen, damit die Landwirtschaft Klarheit und Wahrheit bekommt. Er sagte damals:Wenn die Bundesregierung heute etwa die gleiche Summe wie Frankreich in den landwirtschaftlichen Ausgleichsfonds zahlt, aber nur die Hälfte des von ihr eingezahlten Geldes zurückerhalten wird, so ist das auch ein Beweis dafür, daß einmal die Startposition der deutschen Landwirtschaft im Gemeinsamen Markt gar nicht so schlecht ist, daß andererseits der deutschen Seite erhebliche Opfer für das Zustandekommen des gemeinsamen Agrarmarktes abverlangt werden, die durch politische Gegenleistungen honoriert werden sollen.Nun, das haben wir ja gesehen. Der Kollege Bauknecht hat auf den Frühling hingewiesen, der nicht gekommen ist.Frankreich ist nun einmal der landwirtschaftliche Großerzeuger unter den Sechs. Es verfügt über die günstigsten Produktionsvoraussetzungen, die größten Erzeugungsreserven und die größte landwirtschaftliche Nutzfläche. Frankreich hat aber auch eine Verbesserung und Modernisierung seiner Agrarstruktur besonders nötig, wenn es zu einer wesentlichen Hebung seiner landwirtschaftlichen Produktivität kommen will. Die unzweifelhaften Vorteile, die Frankreich heute vom Gemeinsamen Agrarmarkt hat, müssen sich mit dem jetzt eingeleiteten übernationalen Rationalisierungsprozeß, der alle Beteiligten zu einer europäischen marktgerechten Erzeugung zwingt, letzten Endes doch für alle auswirken. Übrigens
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6845
Ertl— jetzt passen Sie auf, meine Herren von der CDU und CSU —war es den sechs Partnern schon bei der EWG klar, daß das Schwergewicht des deutschen Interesses auf dem Industriemarkt und das Schwergewicht des französischen Interesses auf dem Agrarmarkt liegen würde.Meine sehr verehrten Damen und Herren, das waren klare Worte, und ich meine, das war auch eine Konzeption. Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die neue Agrarkonzeption gefordert wird. Wir fordern die Bundesregierung auf, hierzu Stellung zu nehmen, weil das für die Landwirtschaft sehr wesentlich ist.Nun, man braucht sich bei dieser Situation nicht zu wundern, wenn draußen ein Unmut zutage tritt, von dem Kollege Bauknecht gesprochen hat. Der Landwirtschaftsminister hat es in keiner Koalition leicht. Das geben wir zu. Das gibt es gar nicht, daß es ein Landwirtschaftsminister leicht hat. Er müßte ja geradezu eine Cheruskereigenschaft haben, wenn er sich hier durchsetzen könnte. Das brauchen wir nicht von ihm zu erwarten. So möchte ich natürlich darauf hinweisen, daß draußen harte Worte fallen.Ich zitiere hier nur einmal eines aus meinem Lande Bayern. Ich könnte viele zitieren. So sprach der Direktor Ermann vom Bayerischen Bauernverband — sein Präsident Ehnes ist unter uns —: „Wir Bauern fühlen uns verraten und verkauft". — So schrieb es das landwirtschaftliche Wochenblatt von Bayern in seinem Bericht. Das hat nicht ein FDP-Mann gesagt, ich betone das. Der Herr Kollege Sühler, der bis in die letzte Legislaturperiode hier als CSU-Abgeordneter in unseren Reihen saß, der wiederum der Präsident vom Kollegen Röhner ist, der sein Direktor ist, sprach von der Ziellosigkeit und Planlosigkeit der Agrarpolitik dieser Regierung. Ich habe das nicht gesagt. Ich kann hier nur zitieren.Im übrigen hat der Kollege Röhner im gleichen Zusammenhang in der letzten Woche die Ausführungen des Herrn Finanzministers Strauß ausdrücklich begrüßt, auch im Hinblick auf eine neue Agrarkonzeption. Das sage ich nur, um Klarheit und Wahrheit zu schaffen.Der Herr Präsident Feury, auch ein prominentes Mitglied der bayerischen CSU, sagte den Unmut, der zur Zeit in der Landwirtschaft herrsche, könne kein Mensch übelnehmen. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Das sind Tatsachen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist die Stimme draußen, und zwar nicht die Stimme von oppositionellen Agrarpolitikern draußen, sondern von Freunden dieser Koalition.
So ist es. Es tut mir leid, aber es muß einmal darauf hingewiesen werden, daß so die Stimmung draußen ist. Ich nehme an, daß das auch die Regierung zur Kenntnis nimmt.Ich möchte auch hier sagen: wir als Opposition werden dafür sorgen, daß draußen nicht anders geredet wird als hier drinnen — oder als gar hier drinnen geschwiegen wird,
sondern da werden wir auch in der Zukunft für Klarheit und Wahrheit sorgen. Daß eine solche Debatte auch Anlaß sein muß, Bilanz zu ziehen, möchte ich hier noch einmal ganz deutlich sagen. Wir Freien Demokraten brauchen uns unserer Regierungsbeteiligung nicht zu schämen. Wir haben auch nicht Wunder gewirkt; wir erwarten das auch nicht von dieser Regierung. Wir haben aktiv gewirkt. Das will ich hier einmal sagen: die Zeiten sind vorbei, wo auf Antrag von Freien Demokraten der Milcherzeugerpreis erhöht wird, der Zuckerrübenpreis erhöht wird, und die Zeiten sind auch vorbei, wo Förderungsmaßnahmen für die Landwirtschaft erheblich ausgeweitet wurden. Ich möchte Sie auf folgendes hinweisen: 1961, als wir noch nicht in der Koalition waren, wurden für die Agrarförderung 1150 Millionen DM ausgegeben. Bereits im Jahre 1962 haben wir diese Förderung auf 2135 Millionen DM aufgestockt, und als wir aus der Koalition ausschieden, belief sie sich auf 3289 Millionen DM. Wir hatten die Absicht, unsere Zusagen einzuhalten. Wenn das die neue Regierung nicht tut, ist es nicht unsere Schuld.Ich möchte hinzufügen: seit Wochen und Monaten liegt in bezug auf die Treibstofffrage ein Antrag von uns vor, den Bauern ungefärbten Treibstoff abzugeben. Machen Sie es doch nicht so kompliziert! Stimmen Sie doch diesem Antrag zu. Jetzt fangen Sie wieder mit Auszahlungen an, mit neuer Bürokratie, mit neuen. Verwaltungskosten. Wir haben uns im Ausschuß darüber unterhalten. Aber weil es hier gesagt worden ist, muß ich darauf hinweisen.Ich muß auch auf die Milchwirtschaft zu sprechen kommen. Hier hat der Kollege Schmidt viel Richtiges gesagt. Ich unterstreiche das, was der Kollege Schmidt auch bezüglich des Milcherzeugerpreises — gesagt hat. Hier hat er der Klarheit und Wahrheit alle Ehre erwiesen. Das möchte ich mit Dank anerkennen und bestätigen.
— Ja, Sie wissen, wir können es auch miteinander.Ich wundere mich, daß eine angesehene, objektive landwirtschaftliche Wochenzeitung in der letzten Wochen einen Kommentar unter dem Leitwort „Milchlüge" gebracht hat und dabei darauf hingewiesen hat, daß man offensichtlich wieder dabei ist, von Versprechungen abzurücken.
Herr Abgeordneter Dröscher zu einer Zwischenfrage.
Herr Ertl, habe ich Sie vorhin richtig verstanden, daß Sie sagten, während der Beteiligung der FDP an der Koalition sei der Landwirtschaftshaushalt ganz erheblich, um mehrere Milliarden DM gestiegen, und ist es in diesem Zusammenhang richtig, daß heute und früher auch von Ihrer Seite festgestellt wurde, daß wir in all den Jahren über unsere Verhältnisse gelebt haben und daß das eben eine Ursache des Zusammenbruchs
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6846 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Dröscherwar? Trifft das nicht auch auf diesen Haushalt zu? Und gibt es nicht in der FDP Teile, die vor der Bundestagswahl 1965 und nachher sich gegen die landwirtschaftlichen Subventionen gewandt haben?
Das letzte muß ich abstreiten, Herr Kollege.
— Herr Kollege Dröscher, ich bin Ihnen für Ihre Frage sehr dankbar, weil diese Frage mir endlich einmal Anlaß gibt, die grundsätzlichen Meinungsunterschiede aufzuzeigen. Sie wissen, daß die Freien Demokraten immer und immer wieder eine Agrarpolitik vertreten haben, in deren Mittelpunkt für die Landwirtschaft kostendeckende Preise stehen. Je eher man diese erreicht hätte, um so eher hätten wir auf Staatshilfe verzichtet.
Dabei möchte ich betonen, daß es seit Jahren ein Irrtum ist, all das, was man unter Förderung der Landwirtschaft versteht — ich denke hier an die Flurbereinigung und anderes —, als Subventionen zu bezeichnen. Das ist eine Antwort auf Ihre Frage. Das ist unsere Meinung. Wir haben uns dann immer unter dem Zwang der Verhältnisse auf Kompromisse geeinigt. Aber eins muß ich Ihnen ganz offen sagen: wir Freien Demokraten haben daraus kein Hehl gemacht, daß, wenn man der Landwirtschaft aus politischen Gründen Preisminderungen und Einkommenseinbußen zumutet, Ausgleichszahlungen geleistet werden müssen, weil das dem Prinzip von Treu und Glauben entspricht. Was jetzt gemacht wird, widerspricht dem Prinzip von Treu und Glauben.
Herr Dr. Stark zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Ertl, können Sie mir einen Weg zeigen, wie wir auf dem Milchgebiet, das wir ja sehr eingehend erörtert haben, einen kostendeckenden Preis erreichen können?
Oh ja, Herr Kollege Stark. Aber Sie werden zugeben, daß ich das hier im Plenum nicht kann. Da müßte ich längere Ausführungen machen.
Wir sind der Meinung, daß wir auch im Trinkmilchpreis noch höher gehen können. Im übrigen ist das Butterdilemma ein importiertes Dilemma; das muß auch einmal gesagt werden. Es ist kein nationales Produktionsproblem.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fellermaier?
Herr Kollege Ertl, ich möchte die Frage .des Kollegen Stark erweitern und Sie
fragen — Sie sind ja doch ein so guter Kenner der europäischen Zusammenhänge —, in welchem Land in Europa es diese kostendeckenden Preise gibt, die nach Ihrer Meinung so leicht zu erzielen sind.
In Großbritannien und in der Schweiz, und im übrigen gibt es in vielen Ländern in Europa viel bessere Kosten-Preis-Relationen als bei uns.
— Da hat man doch ,den Paritätspreis.
— Sie haben keine Vorstellung vom Paritätsgesetz in Großbritannien und auch nicht von der Schweiz.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie um etwas mehr Ruhe bitten, um den Ablauf 'der Verhandlungen zu erleichtern.
Es tut mir leid, Herr Präsident.
— Ich kann es nicht ändern.In dem Artikel unter der Überschrift „Milchlüge", der zitiert wurde, wurde auch an die Zusage erinnert, .die ,der Herr Bundesminister gemacht hat, daß dann, wenn der Milcherzeugerpreis, wie in Brüssel ausgehandelt, nicht erreicht wird, gegebenenfalls die Prämienzahlung fortgesetzt wird. Herr Kollege Schmidt hat schon darauf hingewiesen. Wir fragen den Minister: Wie wird es mit dieser Zusage sein? Oder ist es wiederum eine prähistorische Frage der Opposition? Dann tut es mir leid. Es handelt sich um Fragen, die ,der Herrr Bundesminister gestellt hat. Wenn er daraus prähistorische Fragen macht, dann müssen wir eben einen fossilen Minister fragen; dann bleibt uns nichts anderes übrig.Ich möchte auch zum Obstbau noch eine Bemerkung machen. Unser Obstbau hat heute große Sorgen. Ich meine, die Bundesregierung sollte hier noch Gelegenheit nehmen, zu sagen, wie es mit der Stabilisierung der Märkte ausgeht. Es geht nicht an, daß die anderen Mitgliedstaaten mit Gemeinschaftsmitteln Maßnahmen zur Stabilisierung der Märkte, zur Regelung des Angebots finanzieren und ,daß wir im eigenen Bereich nichts haben. Das schafft Wettbewerbsverzerrungen. Auch die Frage der Einfuhr wäre hier noch anzuschneiden.Ich komme nun zusammenfassend zum Schluß.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß die neue Bundesregierung durch Vorlagen und durch Erklärungen aus den Fraktionen offensichtlich daran ist, die gemeinsame agrarpolitische Basis, die es bisher unter den Fraktionen gegeben hat, stillschweigend zu verlassen. Das ist deutlich sichtbar am Abbau des bisherigen agrarpolitischen Instrumentariums. Aus den Reihen der Koalition selber
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6847
Ertlwird eine neue Agrarkonzeption gefordert, allerdings erst nachdem wir sie durch unsere Große Anfrage zur Stellungnahme aufgefordert haben. Wir fordern die Regierung auf, uns diese Konzeption vorzutragen, damit wir dann Stellung nehmen können. Auch von Ihnen möchte ich das gerne einmal hören, Herr Kollege Schmidt. Sie fragen immer nach unseren Stellungnahmen. Wir würden gerne auch Ihre Agrarkonzeption hören.In diesem Zusammenhang muß noch einmal mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, daß die Erzeugerpreise für die Landwirtschaft immer weniger für das Verbraucherpreisniveau maßgebend sind. Das hat sich bei der Senkung des Getreidepreises deutlich gezeigt und ist bei den Fleischpreisen permanent festzustellen. Auch dem Verbraucherverband sei einmal gesagt, daß die Erzeugerpreise heute nicht mehr die Bedeutung für die Verbraucherpreise haben, die sie ehedem einmal gehabt haben. Im übrigen sind die Ausgaben der normalen Familie für Lebensmittel trotz steigenden Konsums von hochwertigen Lebensmitteln und Südfrüchten laufend gesunken. Wir können heute noch mit einem Anteil von 25% rechnen. Damit ist erwiesen, daß die Kaufkraft auf dem Sektor der Ernährungsprodukte in einem Ausmaß wie selten in einem anderen Sektor gestiegen ist.Die Bundesregierung sollte daher ernstlich daran gehen, ihre agrarpolitische Lethargie aufzugeben und zurückzukehren zu einer aktiven Agrarpolitik mit dem Ziel, die bäuerliche Landwirtschaft krisenfest, leistungsfähig und konkurrrenzfähig zu machen.Für uns Freie Demokraten gelten nach wie vor Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz als bindendes und verpflichtendes Recht. Nachdem die Bundesregierung offensichtlich nicht in der Lage ist, ihre Zusagen für Ausgleichszahlungen zu erfüllen, fordern wir eine Revision der Agrarpreise, wie es in den Dezember-Abmachungen 1964 ausgehandelt wurde. Ich freue mich, daß wir bereits im vorhinein die Zustimmung des Kollegen Bauknecht zu diesem unserem Entschließungsantrag bekommen haben. Ich nehme an, daß er diese Zusage im Namen der CDU-Fraktion gemacht hat. Wir fordern die Wiederherstellung des ursprünglichen deutschen Getreidepreises für das nächste Wirtschaftsjahr. Gleichzeitig erachten wir es für notwendig, daß die Förderungsmaßnahmen langfristig gestaltet werden. Das gilt insbesondere für die Maßnahmen zur Agrarstrukturverbesserung, zu Investitionen und zur Verbesserung der Marktposition der Landwirtschaft. Die Opposition im Deutschen Bundestag wird das Wächteramt für die Erhaltung der Landwirtschaft übernehmen und die Bundesregierung permanent zu Wahrheit und Klarheit zwingen.
Sie haben eine neue Chance: Niklas, der Begründer; Lübke, der Gestalter; Schwarz, der Bewahrer; Höcherl kann sich das Prädikat „Vollender" erwerben. — Wir hoffen, daß er das Prädikat „Vollender" nicht im Sinne des „Liquidators" erwirbt, sondern wir hoffen, daß er die Landwirtschaft in dem Sinne vollendet, daß sie konkurrenz- und leistungsfähig bleibt.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich beim letzten beginnen. Ich habe nicht die Absicht, in den Catcher-Stil einzutreten,
der den ersten Teil der sonst in weiten Bereichen von mir mitgetragenen Ausführungen des Kollegen Ertl kennzeichnete und der auch im letzten Teil wieder zum Vorschein kam bei dem unglaublichen Angriff gegen den amtierenden Bundeslandwirtschaftsminister, in der Unterstellung, daß er zum Liquidator der deutschen Landwirtschaft werden würde. Lieber Kollege Ertl, so billig, so im Parterre geben wir uns nicht, darauf lassen wir uns einfach nicht ein!
Im übrigen habe ich erhebliche Zweifel, ob Sie hier soeben auf diesem Pult des Hohen Hauses unserem Lande Bayern und den süddeutschen Landschaften einen guten Dienst erwiesen haben, als Sie mit diesem Lederhosen-Stil hier losgezogen sind.
Damit haben Sie die negative Vorstellung genährt, die man vielfach von uns Bayern und von den Süddeutschen hat. Ich habe in keiner Weise den Ehrgeiz, es Ihnen darin gleichzutun.
Sie haben es in diesem guten Gespräch des Hohen Hauses — ich hatte das Gefühl, daß es in seinem ersten Teil gut war — mit Ihren Ausführungen fertiggebracht, den Bundeskanzler und eine ganze Reihe von Bundesministern zu vertreiben, weil es ihnen einfach zu dick war,
— und vielleicht zu dumm —, was Sie aufgetragen haben. Ich bin der Meinung, daß Sie damit der Landwirtschaft und der Landwirtschaftspolitik einen schlechten Dienst erwiesen haben.
Aber damit genug.
Herr Kollege Schmidt, darf ich ein Wort an Ihre Adresse sagen. Sie haben es sich natürlich nicht verkneifen können, die lange Zeit der Enthaltsamkeit in der Opposition noch einmal im Geist zu beschwören. Ich sage das also ganz brav und vorsichtig, weil ich Ihre schwierige Position innerhalb Ihrer Partei kenne. Der Weg zur Volkspartei ist halt schwierig; insbesondere bei einer Agrardebatte zeigt sich das. Aber ich weiß nicht, ob es richtig ist, daß Sie immer wieder solche Versuche unternehmen, wie
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6848 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Bauer
Sie das hier getan haben. Das gilt auch für den Kollegen Ertl, der zunächst eine Katastrophenstimmung bezüglich der Lage unserer Landwirtschaft und der Agrarpolitik zu erzeugen versuchte und dann die vier Landwirtschaftsminister mit ihrer nahtlos aneinanderschließenden Arbeit im Dienste der deutschen Landwirtschaft beschwor. Da komme ich nicht ganz mit. Ich kann nur sagen: links die SPD, rechts die FDP, — Gott sei Dank, daß es in dieser Frage noch die CDU in der Mitte gibt.
Herr Kollege Schmidt, Sie wissen so gut wie ich, daß diese Landwirtschaftspolitik nicht so schlecht gewesen sein kann. Welche Aufgaben hat sie denn in der Zeit nach 1945 erfüllt? Kollege Ertl hat es am Schluß mit ein paar Stichworten angedeutet. Ich darf es Ihnen noch einmal ins Gedächtnis rufen: Die deutsche Landwirtschaft — und das gilt auch für den Landwirtschaftsminister — hat ihren ersten Auftrag, die rasche Beseitigung des Hungers, in einer großartigen Weise erfüllt. Sie hat ihren zweiten Auftrag, Devisen zu sparen, damit die großen Schwungräder unserer Wirtschaft wieder in Gang gebracht werden konnten, großartig erfüllt, und ich meine, sie hat sich auch bei der dritten Aufgabe, die Landwirtschaft allmählich in die Marktwirtschaft einzugliedern, durch die Schaffung der Marktordnungsgesetze bis zur Stunde großartig bewährt.Wenn wir jetzt auf dem Wege zur EWG und zur größeren Wirtschaftsgemeinschaft vor Schwierigkeiten stehen, dann, meine Damen und Herren, sollte es eigentlich von links bis rechts nur ein einziges Trachten und Streben geben, nämlich daß wir uns gegenseitig darin überbieten, wie wir auch die nächste, die vierte Phase in der deutschen Agrarpolitik so gut wie nur möglich alle miteinander durch unsere eigenen positiven, nach vorn gerichteten Beiträge gestalten.
Am Beginn meiner Ausführungen heute wollte ich eigentlich sagen, daß ich es zutiefst bedaure — nach der guten Einführung, die Sie gestern und vorgestern in der Presse und zum Teil auch im Rundfunk in Vorbereitung dieser Debatte lesen und hören konnten —, daß wir bei dieser anderen großen Strukturdebatte, worauf meine Vorredner schon sehr oft 'hingewiesen haben, heute nicht auch das Forum der Bevölkerung draußen durch das Fernsehen haben konnten. Was heute miteinander zu besprechen war, wäre für die Bevölkerung draußen mindestens ebenso wichtig gewesen wie das, was wir bei der Energiedebatte hier abzuhandeln hatten.
Ich habe mich eigens beim Präsidenten erkundigt, ob etwa das Fernsehen gewaltsam durch irgendeine Weisung von dem Haus ferngehalten wurde. Aber das ist nicht der Fall. Der Präsident sagte: Selbstverständlich hätten die Leute da sein können. Aber vielleicht beginnt hier schon unsere gemeinsame Aufgabe, nämlich klarzumachen, was hier eigentlich abgehandelt wird, und herauszustellen,welch großer Teil der Bevölkerung betroffen ist. Ich glaube, der Kollege Schmidt war es, der von 10 % der Erwerbstätigen sprach, über deren Schicksal, über deren künftiges berufliches und menschliches Ergehen wir hier sprechen, über deren Schwierigkeiten wir uns hier miteinander zu unterhalten haben, um deren Lösung wir zu ringen haben. Ich glaube, es wäre durchaus gerechtfertigt gewesen, wenn wir auch bei dieser Debatte das große Auge der breiten Öffentlichkeit durch 'das Deutsche Fernsehen gehabt hätten.Meine Damen und Herren, von diesem Haus wird in den großen Fragen unserer Nation zu Recht immer ein klärendes Wort erwartet und auch Hilfe und Unterstützung dort, wo es notwendig und angebracht ist. Wir sollten diese Debatte mehr in den Versuch ausklingen lassen, das Gemeinsame hervorzukehren, als herauszustellen, was uns möglicherweise trennt. Ich jedenfalls möchte für meinen Teil versuchen, einen positiven Beitrag zu diesem Tag, zu dieser Stunde und zu diesem Ausklang zu leisten.Wir alle — da schließe ich jetzt selbstverständlich auch meinen Kollegen Ertl mit ein —
haben, .als wir in dieses Haus entsandt wurden, eine Verpflichtung übernommen. — Ja, Herr Kollege Ertl, manchmal konnte man bei Ihren Ausführungen Zweifel bekommen. Ich muß wirklich sagen, ich habe es zutiefst bedauert. Aber erinnern Sie mich bitte nicht noch einmal daran!Über dieser unserer heutigen Debatte steht doch unausgesprochen die Frage derjenigen, die heute hier waren. Lange Zeit saßen sehr viele Landwirte auf allen Seiten ,dieses Hauses auf der Zuschauertribüne. Denken 'Sie auch an die Menschen draußen, die heute nach Bonn geschaut haben! Eine breite Öffentlichkeit im Lande draußen stellt ein paar Fragen. Die erste Frage ist: Werden unsere wirtschaftlichen Anstrengungen und Opfer durch diesen einmal rasch erwarteten politischen Frühling in Europa wirklich gerechtfertigt sein? Natürlich wird uns diese Frage auf Schritt und Tritt gestellt. Aber glauben Sie denn wirklich, daß wir Europa rascher bekämen, wenn wir hier unentwegt nicht anderes täten, als Zweifel in diesen gemeinsamen Weg zu setzen? Wer den Glauben an ,die politische Gemeinschaft in Europa aufgegeben hat, der schreibt einen wesentlichen Teil unserer Überlebensmöglichkeit für die nächsten Jahrzehnte ab.
Eine zweite Frage steht unausgesprochen über dieser Debatte. Unsere Landwirtschaft stellt uns mit Recht die Frage: Wer von uns draußen in der Landwirtschaft wird auf diesem Weg in die Wirtschaftsunion eine echte Überlebenschance haben? Ich habe mich gefreut, in einer dpa-Meldung von gestern gelesen zu haben, daß nicht nur die Bergleute an Ruhr, Rhein und Saar, sondern auch die Bauern im ganzen Bundesgebiet in Erregung um ihre Existenz fürchten. Ich war sehr froh, daß ich dort nicht wieder das Wort von der Radikalisierung gelesen habe. Denn heute kann man ja beinahe über kein Sachproblem
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6849
Bauer
mehr sprechen, wo nicht das Wort von der Radikalisierung mitschwingt und mitklingt. Ich weiß nur nicht, wem es eigentlich nützen sollte. Aber daß natürlich eine Erregung da ist, daß es viele besorgte Fragesteller gibt, ist selbstverständlich.Meine Damen und Herren, hier wurden bereits die zwangsläufigen und unvermeidlichen Etatkürzungen im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung, die Erzeugerpreissenkung bei den Bodenprodukten, insbesondere bei Getreide, seit dem 1. Juli dieses Jahres, die stark gedrückten Preise bei den Veredelungsprodukten, die im Laufe dieses Jahres stark gefährdete Massenkaufkraft, der im Rahmen der EWG-Agrarpolitik eingeleitete Abbau von Erzeuger-Subventionen bei der Milch, angesprochen. ebenso wie der wachsende Widerstand — das sage ich auch ganz deutlich — gegen die adäquat beschlossenen und notwendigen Preisanhebungen, die Unsicherheit über den europäischen Milch-Erzeugerpreis und nicht zuletzt die scheinbar offene Frage an diese Koalition, welchen Platz man uns, der Landwirtschaft, in ihrer politischen Konzeption zuweist.Gestatten Sie mir ein klärendes Wort für meine Freunde. Wahrscheinlich werde ich, ähnlich wie der Herr Bundeskanzler, hinterher gesagt bekommen, das, was ich gesagt hätte, sei nichts anderes als Blabla, nichts anderes als ein billiges Bekenntnis und nichts anderes als eine nichtssagende Aussage gewesen. Das ist jedenfalls heute versucht worden. Ich bin über dieses Engagement des Bundeskanzlers heute in dieser Debatte sehr glücklich und sehr froh,
und ich glaube nicht, daß es Aufgabe des Regierungschefs, des Mannes, der die Richtlinien der Gesamtpolitik zu bestimmen hat, ist, etwa die Aufgaben seines Ressortministers hier zu übernehmen oder des Finanzministers hier zu übernehmen und in die Einzelheiten zu gehen. Seien Sie, Herr Kollege Ertl, davon überzeugt — das gilt für Sie, für Ihre Fraktion, für uns alle —: wir werden den Bundeskanzler bei jeder passenden Gelegenheit, immer dann, wenn es notwendig wird, an diese Stunde erinnern können. Mir ist dieses Kanzlerwort etwas wert.Gestatten Sie mir also ein klärendes Wort für meine Freunde. Ich bin der Auffassung, daß Strukturwandel, wo immer er erkennbar wird, im Bergbau, im Mittelstand, in der Landwirtschaft, gleichgewichtig gewertet, behandelt und auch unterstützt werden muß, wenn es notwendig ist. Wir widersetzen uns auch in Zukunft jedem Wunsch, die deutsche Landwirtschaft in eine Nord- und Süd-, in eine Groß- und eine Klein-Landwirtschaft auseinanderdividieren zu lassen. Denn Agrarstrukturpolitik ist keine isolierte Maßnahme für den Vollerwerbsbetrieb oder für den Familienbetrieb, sondern für uns Teil einer regionalen Wirtschaftspolitik. Dieser Tatsache wird nach meiner Auffassung nur der gerecht, der weiß, daß auf dem Lande in unseren Dörfern und in den Gemeinden neben den Vollerwerbsbauern auch Zu- und Nebenerwerbslandwirte leben, für die der lohnende Absatz ihrer Produkte ebenso von Interesse ist wie eine florierende gewerbliche Wirtschaft, in der sie meistens den anderen Teil ihres Einkommens verdienen.Gerade dieser Teil unserer Landbevölkerung ist geeignet, das Verständnis zwischen dem einen und dem anderen Wirtschaftsbereich, zwischen Stadt und Land, besonders zu fördern und dazu beizutragen, den oft unvermeidlichen Interessenkonflikt mit Würde und Anstand auszutragen.Um so bedauerlicher ist es, daß allen gutgemeinten Versuchen zum Trotz absichtlich, aus Unwissenheit, aus Wichtigtuerei — ich weiß es nicht —, heute immer noch Behauptungen in die Welt gesetzt werden, die nicht diesem Ausgleich dienen können. Und jetzt komme ich zu dem, was ich vorhin schon in meinem Zwischenruf gemeint habe. Gestern erschienen von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände zwei Beiträge, offensichtlich als Begleitmusik, als Ouvertüre für diese unsere heutige Debatte, auf die ich die zuständigen Ressortminister für Wirtschaft und Landwirtschaft ausdrücklich aufmerksam machen möchte; denn sie sind ja Beitragszahler in diesen Verein hinein.Ich greife hier nur ein paar Aussagen aus diesen Papieren auf. Da ist die Rede vom „stagnierenden Verbrauch der Milchprodukte". Meine Damen und Herren, zur gleichen Zeit hat der Bundesernährungsminister Veröffentlichungen bekanntgegeben, nach denen für 1967 in einer Vorausschau mit einer Steigerung bei der Trinkmilch um 2 %, bei Rahm um 5%, bei Schnittkäse um 15%, bei halbfestem Schnittkäse um 18% gerechnet werden könne. Da ist weiter von den „deutschen Butterhalden" die Rede, obwohl man ohne Schwierigkeiten hätte feststellen können, daß der echte deutsche Buttervorrat, nämlich der strukturelle Überschuß, bei uns sowieso praktisch keine Rolle spielt. Pro Kopf der Bevölkerung — das sei an die Adresse der Verbraucher gesagt — beträgt der echte Buttervorrat zur Zeit nur 0,7 kg. Meine Damen und Herren, denken Sie einmal ein bißchen darüber nach, wenn irgendwo in der Welt wieder einmal Schwierigkeiten sein sollten, was dann 0,7 kg Butter pro Kopf der Bevölkerung für die Sicherstellung der Ernährung auch nur über wenige Wochen hinweg bedeuten würde. Ich will etwas hinzufügen, um zu zeigen, wie gut unsere Lage im Vergleich zu den anderen Ländern ist. Bei den Franzosen beträgt dieser Buttervorrat 2 kg pro Kopf der Bevölkerung, ein Drittel davon bei uns. Trotzdem wird sofort wieder von „Butterhalden" gesprochen. Da wird in diesem Blättchen die Begrenzung des Milchtitels im Brüsseler Agrarfonds und die Beteiligung der Erzeuger an den Überschußverlusten gefordert. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich die gleiche Forderung vor bei der Beseitigung der kleinen Autohalden, die wir in der Vergangenheit gehabt haben, etwa durch die Automobilarbeiter, oder der vorhandenen Kohlenhalden etwa durch die Kumpels! Dann wird verständlich, wie unerfreulich solche Beiträge für eine sachliche Diskussion sind. Ferner wird von laufend gestiegenen Verbraucher- und Erzeugerpreisen geschrieben, während zur selben Stunde im Monatsbericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers Schiller zu lesen gewesen wäre — er stellt das dort fest —, daß die
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6850 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Bauer
industriellen Erzeugerpreise um 1,1% niedriger lägen als 1966, daß die Preise für die Bauleistungen an Wohngebäuden um 3,1% niedriger lägen als 1966 und daß die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise um 6,7 % niedriger lägen als 1966.
Da wird die Forderung aufgestellt, daß die Produktivität der Landwirtschaft noch wesentlich schneller steigen müsse als bisher. Bisher haben wir 500 000 ausgeschiedene Betriebe und mehr als 2 Millionen umgesetzte und freigesetze Arbeitskräfte in diesem Bereich. Wir haben jährlich immer noch durchschnittlich 30- bis 35 000 ausscheidende Betriebe mit rund 80- bis 100 000 Menschen in diesen Betrieben. Der Herr Bundesernährungsminister hat das schon erwähnt. Und dieses Tempo soll nach dieser Forderung noch gesteigert werden! Erlauben Sie mir hier ganz in Ruhe wieder den Vergleich mit der Kohle. Dort sollen — so hören wir es im Laufe der nächsten fünf bis zehn Jahre weitere 40- bis 50 000 Bergarbeiter umgesetzt bzw. in den Ruhestand versetzt werden. Wir alle wissen ganz genau, von welchen menschlichen und materiellen Opfern dieser Prozeß begleitet ist. Und nun stellt man eine solche Forderung nach gesteigertem Tmpo im Bereich der Landwirtschaft, obwohl leicht beim BEM hätte nachgelesen werden können, daß gerade die dadurch erhoffte, geforderte und erwünschte Produktivität von 1951 bis 1966 in der Industrie um 85%, aber bei dieser so oft gelästerten und wieder einmal fälschlicherweise zitierten Landwirtschaft um 164 % gestiegen ist.Das alles ist eine bittere Begleitmusik zu den Sorgen, die wir hier gemeinsam besprechen wollen, und selbst diese Begleitmusik wiegt noch schwerer als die rein wirtschaftlichen Dinge, um die es geht. Diese Auslese läßt sich selbstverständlich noch fortsetzen. Mir und meinen Freunden liegt nur daran, rechtzeitig auf solche Beiträge zur Aufklärung der Verbraucher aufmerksam zu machen. Vielleich sollte man neben der offensichtlich zu muntere fließenden Geld-Pipeline aus dem Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium die Informations-Pipeline ein bißchen verstärken. Sollte das zur Versachlichung dieser Berichte auch nicht helfen, dann sollte man die personelle Zusammensetzung dieses Vereins einmal etwas durchleuchten.Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zur Milchpolitik. Ich bedaure, Herr Kollege Schmidt, daß wir diese Debatte heute führen müssen. Ich weiß, daß auch Sie den Zeitplan nicht übersehen konnten. Wir führen diese Debatte heute, ohne zu wissen, welche entscheidenden, ergänzenden und noch ausstehenden Vorschläge die Kommission zur Vervollständigung der Milchmarktordnung eigentlich machen wird; wir führen sie in Unkenntnis der von der Bundesregierung im Bereich der Milchpolitik einzuleitenden Maßnahmen. Ich höre von recht interessanten Projekten, und ich hätte gewünscht, daß sie der Bundeslandwirtschaftsminister heute schon hätte auf den Tisch legen können. Das ist aus vielen Gründen nicht möglich, und das ist deshalb bedauerlich, weil zu leicht wieder die Legende aufkommen könnte: Da unterhalten wir uns sieben, acht Stunden übereine Große Anfrage, und dann stellt dieses Parlament, das doch vorrangig ein Anrecht auf Information hat, möglicherweise 14 Tage oder drei Wochen später fest, daß im Hause dieses Ministeriums alle möglichen Vorlagen waren, die man aber heute nicht verkünden konnte. Ich bin sicher, Herr Kollege Schmidt, und meine Kollegen von der SPD, daß es nicht die Absicht Ihrer Fragestellung war, die Bundesregierung zu veranlassen, schon vor dem Brüsseler Gefecht ihren Aufmarschplan — um mich jetzt einmal militärisch auszudrücken — und ihre Taktik offenzulegen. Wir sollten uns und ich will mich bezüglich der Milchpolitik auf einige Feststellungen und Anregungen beschränken.
— Gut, ich weiß es, Herr Kollege Schmidt. Ich habe es so aufgefaßt. Ich sagte es schon.Erstens. Die deutsche Milchmarktordnung — das lassen Sie midi einmal sagen, weil da auch so eine Mär durch das Land geht, als ob es sich hier um Relikte aus der Zeit des Reichsnährstands und des „Dritten Reichs" handle — ist von unseren Kollegen im Reichstag vor 1933 in ihren Grundzügen beschlossen worden und ist die Konsequenz aus leidvollen Erfahrungen der vorausgegangenen Jahre. Sie hat sich über mehr als 30 Jahre so bewährt, daß wir bemüht sein sollten, so viel wie möglich des Bewährten in die kommende EWG-Ordnung einzubauen. Dazu gehören auch die Instrumente der kostengünstigsten Erfassung und Verteilung von Milch und Molkereiprodukten, eine Preisregelung für Trinkmilch und klare, für alle sechs Länder geltende Hygiene- und Gütevorschriften.Übrigens, Herr Kollege Schmidt, auch für diese Frage der zweckmäßigsten Absatz- und Einzugsgebietsregelung hat sich dieselbe Organisation, die Assilec, ausgesprochen. Auch dort hat man sich verständigt. Natürlich gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Ich glaube nicht, daß wir unsere eigenen Vorstellungen etwa unmodifiziert in die EWG bringen können. Es würde ihnen gar nichts schaden, wenn wir zu Modifizierungen kämen.Meine Damen und Herren, unsere Milcherzeuger haben in der Verbesserung der Qualität ungeheure Anstrengungen hinter sich. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das Projekt der Tuberkulose- und Bangbekämpfung, die wir als eines der wenigen Länder in Europa längst hinter uns haben und die unserer Landwirtschaft sehr, sehr viel Geld gekostet haben. Bisher galt doch bei allen Gemeinschaftsregelungen die Ausrichtung nach der fortschrittlichsten Regelung. Gilt das etwa bei der Milchmarktpolitik nicht? So müßten wir, wenn es wäre, einen wesentlichen Teil unserer bisherigen deutschen Spielregeln in der künftigen gemeinsamen Gesetzgebung wiederfinden.Ich gehe zweitens davon aus, daß die Fragesteller mit uns zusammen den festgelegten Milcherzeugerrichtpreis bejahen und bereit sind, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Meine Damen und Herren, ich verstehe eigentlich die Welt nicht mehr. Da ist es dem deutschen Landwirtschaftsminister und den anderen fünf nunmehr gelungen, einen — wie ich gern
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zugebe, an der oberen Grenze befindliche — Preisorientierung zu beschließen, und dann gehen wir deutschen Abgeordneten sofort hierher und setzen Zweifel darein, ob das je zu erzielen sein wird! Meine Damen und Herren, ein ideales Ziel kann man nicht hoch genug setzen, und man kann nicht lange genug danach streben, um es früher oder später einmal zu erreichen. Aber von vornherein die Zielsetzung möglichst niedrig zu halten und dann Fleißarbeit zu leisten, um später über dieses Ziel hinauszuschießen, das werden Sie in dieser Frage in Europa nicht erleben. Darum bedaure ich hier auch die Aussagen des Kollegen Schmidt, der diesen Erzeugerrichtpreis oder Orientierungspreis, wie Sie ihn nennen wollen, doch sehr angezweifelt hat. Ich bin der Meinung, als Zielsetzung sollte er bleiben. So ist er beschlossen, und danach sollten wir unsere Arbeit ausrichten.Ich gehe weiter. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich hinzufügen, daß zur Frage dieses Richtpreises natürlich die Auslegungen des Herrn Bundeslandwirtschaftsministers in seiner Antwort gehören. Ich spare sie mir jetzt, um rasch fertig zu werden.Im übrigen solte man die in der EWG vorhandene Überproduktion — und dazu lassen Sie mich bitte noch ein Wort sagen — nicht als ganz unlösbar betrachten. Hier unterscheide ich mich, Herr Kollege Welslau, etwas von Ihren Sorgen, die Sie hier zum Ausdruck gebracht haben. Wir Deutschen haben im Bereich der Milch keine Überproduktion in die Ehegemeinschaft der Sechs, wenn Sie so wollen, eingebracht. Auch nach dem jetzigen Produktionsstand von 1967 erreichen wir in diesem Jahr voraussichtlich nur einen Versorgungsgrad von etwa 95 bis 96 %. Das ist heute schon gesagt worden.Die strukturellen Überschüsse in der EWG-Molkerei, wenn ich es einmal so sagen darf, sind nach den jüngsten Aussagen — nicht etwa unseres Landwirtschaftsministers, sondern der EWG-Kommission- auf jährlich 35 000, höchstens 40 000 t geschätzt.Wenn allein die Verbesserung der Konsummilchqualität von der eingestellten Milch mit 3 % auf Vollmilch mit 3,5% ausreichen würde, diesen strukturellen Überhang zu beseitigen, dann wäre doch hier ein Weg, den wir gemeinsam gehen könnten im Interesse dieser von uns — scheinbar von allen— gleichermaßen gut gemeinten Agrarpolitik.Ein Weiteres! Wenn die Preise — hiermit begründe ich gute Getreide- und Zuckerrübenpreise — für die Bodenprodukte, insbesondere für Getreide und Zuckerrüben, in der Zukunft nicht vernachlässigt werden und die Relation von Milch- zum Rinderorientierungspreis elastisch je nach der Erzeugnislage gehandhabt wird, so sind die befürchteten Milcherzeugungsreserven wesentlich geringer zu veranschlagen. Nur einen einzigen fachlichen Einwand, Herr Kollege Schmidt! Sie haben z. B. die relativ geringe Ablieferungsquote in Belgien und Frankreich angesprochen. Dazu lassen Sie mich bitte noch sagen, ''daß in den beiden Ländern erstens eine große Hausindustrie, wenn Sie so wollen, eine starke handwerkliche Milchverarbeitung, vorhanden ist und ,daß gleichzeitig der Ab-Hof-Verkauf vonMilch und Milchprodukten in diesen beiden Ländern eine viel größere Rolle 'spielt als bei uns. Nun können Sie sagen: Trotzdem wird die zur Molkerei gehen. Aber dann wird auch nichts mehr produziert, und die Molkereien können in diese bisherige Produktion eintreten.
— Das ist richtig, Herr Kollege Schmidt, hier kann ich Ihnen nicht widersprechen.Wenn in ,der Bundesrepublik außerdem die Beschäftigungschancen außerhalb der Landwirtschaft— auch 'das ist eine Sache, die ich noch einmal ganz deutlich machen möchte — so günstig bleiben wie bisher und die Möglichkeiten in der EWG bundesdeutsches Format annehmen, dann wird die Stallarbeit bald überall zur wenig beliebten Arbeit gehören. Diese Bremse in der Milchproduktion ist in Wirkung, Umfang und Ausmaß überhaupt nicht abzuschätzen.Die Einnahmen aus der Milch bringen dem Bundeslandwirt heute ein Drittel seines Einkommens, mit den Rindererlösen zwei Drittel. In den Grünlandgebieten, in der Marsch, in den Mittelgebirgen, im Voralpen- und Alpenland sind diese Erlöse aus der Milchviehhaltung oft die einzige Einnahme. Deshalb ist es auch berechtigt und begründet, daß wir uns über diese zweite große Einnahmensäule der Landwirtschaft — nämlich das, was aus der Milchviehhaltung kommt — hier in diesem Hause ganz besonders unterhalten. Deshalb sage ich noch einmal von diesem Platz aus: ich bitte den Bundeskanzler und seine Bundesregierung, bei allen einschlägigen Entscheidungen daran zu denken, daß bei der Neuordnung der Milchmarktpolitik der deutschen Landwirtschaft keine neuen Einkommenseinbußen mehr zugemutet werden können. Diese Landwirtschaft hat auf dem Weg in die EWG bisher schon ein Stück Kreuz auf sich genommen und ein Stück Opfer gebracht.
Diese deutsche Landwirtschaft hat viel dazu beigetragen, die europäische Einigung voranzubringen. Ich glaube, einer meiner Vorredner hat es bereits gesagt. Sie muß im Rahmen der aktivierten Ostpolitik immer wieder neue Opfer in Kauf nehmen. Sie wird von den agrarischen Interessen der Industrieprodukte abnehmenden Drittländer ständig erneut beeinflußt. Dieselbe Landwirtschaft kann eines Tages im Zeichen des doch in allen Zeitungen in aller Welt bekannten, immer mehr wachsenden Hungers an politischer Bedeutung nur zunehmen.Lassen Sie mich eine Schlußbemerkung machen! Reiche Ernten und Nahrungsmittelüberschüsse dürfen von einem Volk und seiner Regierung und seinem Parlament nicht mit Bedrückung und Pessimismus betrachtet werden. Hier sollten wir es vielmehr mit dem amerikanischen Landwirtschaftsminister Freeman halten, der trotz aller Schwierigkeiten, die auch die Amerikaner mit diesem Problem haben, einmal sagte: Diese Überschüsse sind eigentlich ein
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wirkliches Problem gerade dieser modernen Industrieländer.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rinderspacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich zu einem kleinen Teilproblem der Agrarpolitik einige Ausführungen mache. Ich möchte Ihnen nicht vorenthalten, daß ich meinen Fraktionsfreunden versprochen habe, mich auf fünf Minuten zu beschränken.
Ich werde mich bemühen, diese Zeit einzuhalten.In seiner Antwort auf die Großen Anfragen der FDP und der SPD hat Herr Minister Höcherl recht positiv über die Zukunft der Zu- und Nebenerwerbsbetriebe im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion gesprochen, und dies obwohl ihm natürlich sehr gut bekannt ist, daß seit 1956 die Zahl der landwirtschaftlichen Kleinbetriebe um 500 000 abgenommen hat. Als Abgeordneter aus Südwestdeutschland begrüße ich die Versicherung des Ministers, die Bundesregierung wolle den Gegenden mit einem besonders hohen kleinbäuerlichen Anteil bei der Verbesserung der Infrastruktur helfen.Ich meine, daß keinesfalls die soziale Seite übersehen werden kann und darf, wenn da und dort kurzerhand die radikale Verminderung der Zahl kleinerer Betriebe vorgeschlagen wird, damit andere Betriebe entsprechend vergrößert werden können. Ein radikaler Abbau wäre — machen wir uns nichts vor — auch politisch kaum zu verkraften. Auch ein anerkannter Experte wie Sicco Mansholt sollte dies nicht ganz vergessen. Vor allem wir Süddeutschen wissen, daß nicht nur wirtschaftliche Überlegungen hier am Platze sind, sondern auch Überlegungen im gesellschaftlichen und raumplanerischen Bereich.Vor allem sehen wir den sozial-ökonomischen Strukturwandel als eine Chance für das Land an: Wenn die Landbewirtschaftung in steigendem Maße als Nebenberuf ausgeübt wird, so müssen wir das als Tatbestand hinnehmen, aber auch in unsere agrar- und gesellschaftspolitischen Überlegungen mit einbeziehen. Vor allem haben wir es als Bestandteil der freien Lebensgestaltung anzusehen, wenn ehemalige Kleinbetriebe bereit sind, ihr Land als Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb zu bewirtschaften.Natürlich ist nicht zuzugeben, daß die Zu- oder Nebenerwerbsbetriebe die von Manskolt — und nicht nur von ihm — Herr Staatssekretär Hüttebräuker ist nicht da —
— Entschuldigung; der Herr Minister war zu breit, ich konnte den Herrn Staatssekretär nicht sehen — verlangte verstärkte „Mobilität des Bodens" behindern.Angesicht der Tatsache, daß in den letzten 15 Jahren die durchschnittliche Betriebgröße nur von 7 auf 10 ha gestiegen ist sollten wir uns überlegen, ob, wir auf dem bisherigen Weg fortschreiten können, der im wesentlichen in der beschleunigten Aufstokkung und in der Aussiedlung besteht, die mit hohen Kapitalrisiken verbunden ist.Die Zahl der Zu- und Nebenerwerbsbetriebe hat sich auch im Sog der industriellen Hochkonjunktur kaum verändert, in einigen Gebieten sogar vergrößert, weil Vollbetriebe in Nebenerwerbsstellen umgewandelt wurden. Mir scheint, daß diese Zu- oder Nebenerwerbsbetriebe bewiesen haben, daß sie bestehen können, selbst in der Hochkonjunktur.Die Bedenken wegen der marktgerechten Leistung solcher Zu- und Nebenerwerbsbetriebe sind zwar durchaus berechtigt, sind sind aber zu überwinden durch passende Betriebsorganisation, mit den Techniken einer sinnvollen Bewirtschaftung, marktgerechten Angebotsform sowie der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit. Auch Bedenken wegen der Arbeitsüberlastung von Ehefrauen und Kindern können überwunden werden. Vor allem sollten sehr arbeitsintensive Betriebsformen vermieden werden. Notwendig ist eine ständige und zielstrebige Beratung, die allerdings heute noch nicht überall gewährleistet ist.Wir sollten aber auch nicht vergessen: Die Grenzen zwischen Stadt und Land werden fließender, das Sozialgefälle wird vermindert, das Leben auf dem Lande wird wieder lebenswerter, wenn es gelingt, die Zu- und Nebenerwerbsbetriebe in einem gesunden Ausmaß zu erhalten. Die Abwanderung in die Industrieorte können wir nicht verhindern, aber doch wesentlich vermindern, wenn wir eine zielstrebige Regionalpolitik betreiben, die viel guten Willen, allerdings auch viel Geld kostet.Der Zu- und Nebenerwerbsbetrieb am Rande der Industriezentren stellt nicht ein Übergangsstadium zum endgültigen Aufgeben des Kleinbetriebes dar. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen muß das nicht sein, aus gesellschafts- und strukturpolitischen Gründen soll das auch nicht sein. Das hat nichts mit Romantik und noch weniger mit Ideologie zu tun. Ich habe es bewußt vermieden, nur die technisch-ökonomische Seite aufzuzeigen. Die sozialen und gesellschaftspolitischen Anliegen sind für mich den rein wirtschaftlichen mindestens gleichrangig.Viele Kleinbauern, selbst solche mit mittelgroßen Betrieben sehen im Festhalten an Grund und Boden die sicherste Form des Eigentums, bessern aber ihr Einkommen durch eine Nebentätigkeit in anderen Berufen auf und erreichen damit zusätzlich eine Krisenfestigkeit, die nicht zu unterschätzen ist. Andererseits bietet die nebenberufliche Tätigkeit in der Landwirtschaft oft einen willkommenen, auch gesundheitlich sehr erfreulichen Ausgleich bei einseitigen Hauptberufen. Die Seßhaftigkeit der Pendler, die an ihrem Besitz hängen, spricht gegen eine Gesetzmäßigkeit der Landflucht.Den Vorwurf, die Klein- und Nebenerwerbsbetriebe seien für die landwirtschaftliche Überproduktion verantwortlich, weist Prof. Priebe — wie mir scheint, mit Recht — zurück; denn ein Aufgeben dieser Betriebe und ihr Aufgehen in größeren
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Dr. RinderspacherEinheiten würde die Marktleistung dieser vergrößerten Betriebe beträchtlich fördern. Damit will ich keineswegs den unrentabel arbeitenden Nebenerwerbsbetrieben das Wort reden. Diese sind ein marktstörender Faktor. Das muß aber nicht so sein. Die oft auf kleinster Fläche mit größtem wirtschaftlichem Erfolg arbeitenden Weinbauern meiner badischen Heimat beweisen, daß Klein- oder Nebenerwerbsbetriebe keineswegs rückständig sein müssen. Wo der sichtbare und kalkulierbare Erfolg sich mit intensiver Beratung vereinigt, braucht der Zu- und Nebenerwerbsbetrieb an Fortschrittlichkeit und Intensität nicht hinter dem Vollerwerbsbetrieb zurückzustehen.Der hessische Landwirtschaftsminister Tröscher, der sich mit der „sozialen Aufrüstung" in Hessens Dörfern große Verdienste erwarb, hat darauf hingewiesen, daß die Kombination der Betriebsgrößen für die Gesamtheit den höchsten sozialen und ökonomischen Nutzen erwarten läßt. Wenn man das Problem der Zu- und Nebenerwerbsbetriebe nicht nur von der ökonomischen und technischen Seite betrachtet, sondern den Schwerpunkt auf die gesellschaftspolitischen Zielsetzungen richtet, dann wird man dieser Betriebsform für die Zukunft durchaus eine gute Chance geben können.
Meine Damen und Herren, wir kennen das alle, wie schrecklich kurz fünf Minuten sind, wenn man selber redet. Aber es waren tatsächlich nur acht Minuten, und das ist immerhin die kürzeste Rede des Tages gewesen.
Außerdem hat Herr Dr. Rinderspacher, wie ich hörte, heute Geburtstag. Wir gratulieren herzlich.
Mir liegen noch sechs Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt vor. Wir müssen außerdem die Punkte 3 bis 9 heute unbedingt erledigen, davon ein Punkt mit Debatte. Darf 'ich jetzt also doch Herrn Dr. Rinderspacher den nachfolgenden Rednern als Beispiel hinstellen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wächter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Beispiel des Kollegen Dr. Rinderspacher weitgehend folgen. Auf der anderen Seite gebe ich aber zu bedenken, daß ich die Aufgabe habe, gleichzeitig zwei Anträge meiner Fraktion zu begründen. Darüber hinaus hat mir meine Fraktion die Aufgabe gestellt, auch zu der Großen Anfrage der SPD betr. EWG-Milchmarktpolitik Stellung zu nehmen.
Lassen Sie mich zu der Begründung des einen Antrags, den wir für außerordentlichdringlich halten, ides Antrags auf Erhaltung bzw. gegen den ersatzlosen Wegfall der deutschen Milchmarktordnung, folgendes sagen. Über die Frage der Beibehaltung der bewährten deutschen Milchmarktordnung, die durch mehrere Jahrzehnte das ordnende Element ider deutschen Milchwirtschaft gewesen ist,
herrscht bei uns in der Bundesrepublik trotz vorliegender Gutachten von Professoren völlige Unklarheit. Nach neuesten Äußerungen, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, soll bei den Gesprächen zwischen dem Bundeskanzler Kiesinger und dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes von dem Kanzler eine Zusage gegeben worden sein, daß die deutsche Delegation bei den in Brüssel anstehenden Verhandlungen — —
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Meine Damen und Herren, Sie wissen: die Fotografen lauern immer, wenn man an der. Regierungsbank Klimmzüge macht. Vorsicht! — Herr Abgeordneter, fahren Sie bitte fort!
Ich darf mich erneut an den Herrn Bundeslandwirtschaftsminister wenden, weil er soeben nicht zugehört hat. Ich habe die Frage aufgeworfen, ob bei den Besprechungen zwischen dem Bundeskanzler und dem Präsidenten Rehwinkel von seiten des Bundeskanzlers konkrete Zusagen in der Richtung gemacht worden sind, daß die deutsche Milchmarktordnung bis zum 1. Januar 1970 erhalten bleibt. Wenn das der Fall sein sollte, dann möchte ich weiter fragen, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, wie Sie von sich aus diese Zusage verwirklichen wollen. Wird sich die deutsche Delegation bei den Verhandlungen in Brüssel insbesondere auf den Art. 43 Abs. 3 des EWG-Vertrages berufen? Diese Möglichkeit hat sie. Nach dem Gutachten, das von Professor Jaenicke im Auftrage des Deutschen Bauernverbandes erstellt worden ist, steht der deutschen Delegation dieses Vetorecht zu, wenn die beabsichtigte EWG-Marktorganisation keine gleichwertigen Sicherheiten für die Erhaltung des Milcherzeugerpreisniveaus bietet. Bislang liegt unseres Wissens ein Vorschlag der EWG-Kommission noch nicht vor. Der Kollege Schmidt hat konkretere Angaben gemacht. Ich wäre Ihnen, Herr Minister, sehr dankbar, wenn Sie auf diese konkreten Angaben einmal eingingen.Nach einer Ankündigung der Presse vom 10. Oktober ist damit zu rechnen, daß diese Vorlage in Bälde kommt. Nach dieser Meldung ist aber die Beibehaltung staatlich geregelter Einzugs- und Absatzgebiete nicht zulässig. In ähnlicher Weise, Herr Minister, hat sich auch Vizepräsident Mansholt ausgesprochen. Sie persönlich, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, haben in der Öffentlichkeit, wahrscheinlich aus politischen, unter Umständen auch aus taktischen Gründen — darüber liegt eine ganze Anzahl von Pressemeldungen vor —, dafür plädiert, daß die altbewährte deutsche Milchmarktordnung über den 1. April 1968 hinaus erhalten bleibt. Aber sie haben nicht gesagt, wie lange. Herr Staatssekretär Hüttebräuker tritt — ebenfalls laut Pressemeldungen — aus ökonomischen Gründen für die Aufhebung der §§ 1 und 2 ein. Nach seiner Ansicht verhindert § 1 den Willen zur Strukturverbesserung. In ähnlicher Hinsicht äußerte sich Herr Ministerialdirigent Wittig in einem Vortrag am 5. Oktober in Weihenstephan. Darauf näher einzugehen, verbietet mir die vorgerückte Zeit. Nach Ansicht von Wittig
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6854 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Wächter— soweit sollte ich doch noch auf seine Äußerungen eingehen — hat aber die Bundesrepublik mit der Unterzeichnung des Vertrages von Rom zu erkennen gegeben, daß sie bereit ist, nationale Ordnungen zugunsten gemeinsamer Marktordnungen aufzugeben.Für uns, Herr Minister, ergibt sich die Frage, ob die EWG-Kommission wirklich einhellig der Meinung ist — hier liegen andere Äußerungen von dem Kollegen Schmidt vor —, daß die deutsche Milchmarktordnung nicht EWG-konform ist, wie es u. a. aus verschiedenen Pressemeldungen über Äußerungen von Mansholt hervorgeht.
Stutzig haben meine Freunde und mich die Erklärungen von Staatssekretär Hüttebräuker gemacht, und zwar nach dem Ergebnisvermerk über ein Gespräch mit Sachverständen über die Milchprobleme, das bekanntlich Ende Juli 1967 stattgefunden hat. Nach diesen Äußerungen ist also folgendes festzustellen:Das Bundeslandwirtschaftsministerium ist wegen der Einzugs- und Absatzgebiete nach §§ 1 und 2 der Milchmarktordnung in Brüssel vorstellig geworden und hat eine Übergangsfrist mindestens bis zum 1. 4. 1970 anstatt deren Aufhebung beantragt, um die Ziele des Artikels 39 des Vertrages nicht zu gefährden und die notwendigen Strukturverbesserungen— innerhalb der Molkereiwirtschaft — durchzuführen.Die Kommission soll sich angeblich dahingehend geäußert haben, daß sie einen Vorschlag vorlegen werde, in dem derartige Übergangsregelungen nicht vorgesehen sind; wenn die Bundesregierung eine solche wünsche, müsse sie einen entsprechenden Vorschlag im Rat vorbringen, und der Rat habe darüber zu entscheiden.Dieser unterschiedlichen Ansicht der Bundesregierung möchte ich unsere eigene, in unserem Antrag dargelegte klare Konzeption entgegensetzen. Wir sind der Meinung, daß man auf die Dauer nicht einer ersatzlosen Aufhebung des im Milch- und Fettgesetz verankerten Systems als ordnendes Element in der gesamten Milchwirtschaft in Brüssel zustimmen sollte. Dazu verweisen wir auf die rechtliche Seite, die durch das Gutachten von Professor Jaenicke klargelegt worden ist. Wir sind weiterhin der Ansicht, daß die Bundesregierung versuchen sollte — so heißt es in unserem Antrag —, sowohl im Interesse der Erzeuger und nicht zuletzt auch im Interesse der Verbraucher, und zwar aus hygienischen Gründen, sich dafür einzusetzen, daß die Regelung in den §§ 1 und 2 des Milch- und Fettgesetzes in nicht diskriminierender Weise auf alle Mitgliedstaaten übertragen wird.Wir möchten gerade in diesem Zusammenhang, Herr Minister, auf die segensreiche Tätigkeit der milchwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaften im Interesse der deutschen Milchwirtschaft hinweisen. Hierfür sind bekanntlich die §§ 14 und 22 des Milch- undFettgesetzes die Grundlage. Die Arbeitsgemeinschaften sind es im wesentlichen gewesen, die mitverantwortlich waren für die Förderung der Qualität, der Hygiene, der Werbung und vieles andere mehr.Wir fragen die Bundesregierung: Wird sie sich in konsequenter Weise für die Erhaltung der milchwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaften einsetzen? Wann und in welchem Sinne wird die Bundesregierung die am 13. Oktober von dem Obmann der Arbeitsgemeinschaft der milchwirtschaftlichen Landesvereinigungen gestellten fünf Fragen beantworten?Schließlich fordern wir in unserem Antrag, Herr Minister, die Offenlegung des für das Bundeslandwirtschaftsministerium von Professor Dehringer erstellten Gutachtens. Je mehr sich die beiden Gutachten von Professor Jaenicke und Professor Dehringer gleichen, desto besser ist die Verhandlungsposition der deutschen Delegation in Brüssel im Sinne unseres Antrages. Uns geht es mit unserem Antrag um eine Rückenstütze für die deutsche Delegation im Sinne unseres Antrages durch den Deutschen Bundestag.Lassen Sie mich nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, einiges zu der Großen Anfrage der SPD sagen, die nach unseren beiden Anträgen eingereicht worden ist. Wir sehen darin eine wertvolle Ergänzung unserer beiden Anträge und eine logische Folge der am 31. Oktober 1966 eingereichten Kleinen Anfrage der SPD.Die Beantwortung dieser Kleinen Anfrage der SPD vom 31. Oktober 1966 — sie ist vorhin schon von dem Kollegen Dr. Schmidt erwähnt worden —, in der der Bundeslandwirtschaftsminister seinen jetzigen Koalitionskollegen die optimistische Antwort gab, daß der rationell arbeitende Betrieb nicht nur in Ausnahmefällen, sondern im Durchschnitt den Richtpreis von 41,2 Pf erreichen kann, ist damals von dem Kolegen Dr. Schmidt (Gellersen) als ein Höcherlsches Märchen bezeichnet worden. Das auch heute noch unter den veränderten Verhältnissen zu erwähnen, Herr Minister, dient lediglich der chronologischen Klärung und der Anerkennung der guten Ubersicht des Kollegen Schmidt (Gellersen) über die Preisentwicklung und hat nicht etwa etwas mit der Konfrontierung gegenteiliger Ansichten der jetzigen Koalitionsparteien zu tun.Bundesminister Höcherl hat an seinem damaligen Standpunkt lange festgehalten, bis er sich dann doch zu der jetzt allgemein gültigen Meinung durchringen mußte, daß die Erreichung seiner Preisvorstellung tatsächlich in das Reich der Märchen gehört. Nach dieser klaren Situation hat Herr Minister Höcherl doch noch vorübergehend seine alten Preisvorstellungen wieder aufleben lassen; so z. B. in Schleswig-Holstein beim Landtagswahlkampf, wo er in seinen Reden die Behauptung aufstellte, daß die Senkung des Getreidepreises in der Zukunft durch höhere Milchpreise weitgehend ausgeglichen würde. Höflich ausgesprochen, Herr Minister, ist das in einer solchen Situation reiner Zweckoptimismus. Ich meine, daß sich Bismarck — die Aussagen sind doch bekannt — gegebenenfalls erheblich unhöflicher ausgedrückt haben würde.
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WächterWir fragen jetzt die Bundesregierung, Herr Minister, wie sie sich zu den Erwägungen der EWG-Kommission stellt und wie sie sich verhalten will, falls diese sich in Form einer Vorlage der Kommission im Ministerrat konkretisieren will. Für uns sind die Fragen der SPD-Fraktion 1 b) und 1 c) entscheidend, in denen gefragt wird, ob die Bundesregierung der Meinung ist, daß durch die Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse langfristige strukturelle Überschüsse verhindert werden; daneben sind die Kosten angeschnitten, darauf will ich nicht weiter eingehen.Wenn ich die Bundesregierung in ihrer Antwort richtig verstanden habe, verneint sie diese beiden Fragen. Sie hat sich allerdings unklar ausgedrück, wie überhaupt ihre heute gegebene Antwort speziell in bezug auf die Große Anfrage der SPD beweist, wie unklar die Konzeption der Bundesregierung in der Milchpolitik ist. Darauf hat im übrigen ja auch schon mein Kollege Logemann hingewiesen, als er auf die Auslagen hinweis und hier Reuter erwähnte: Hie geiht 'e hen, do geiht e hen, und letzten Endes weet 'e nick, woben 'e geiht.Auch das gehört in die Rubrik, Herr Minister, daß mit den agrarpolitischen Halbinformationen — um nicht etwas anderes zu sagen — endgültig Schluß gemacht werden sollte. Dieses Wort, Herr Minister, stammt allerdings nicht von mir — ich will darauf ehrlich hinweisen —, sondern von dem CDU-Landwirtschaftsminister Hasselmann, der das im Wahlkampf zu den niedersächsischen Landtagswahlen im Mai dieses Jahres geprägt hat. Es wäre interessant, festzustellen, an welche Adresse das von Herrn Minister Hasselmann gerichtet wurde.Auch Herr Präsident Rehwinkel betont erneut in seinem Brief an den Bundeskanzler, daß der Milchpreis wahrscheinlich um mehr als 2 Pfennig ab 1. April 1968 unterschritten würde. Welch traurige Bilanz, Herr Minister, nach Ihrer optimistischen Beantwortung der Kleinen Anfrage der SPD, und diese Antwort ist gerade gut ein Jahr alt.Trotzdem erwägt die EWG-Kommission — darauf hätten wir gern Ihre Antwort —, den nach dem Beschluß des Ministerrates zum 1. April 1968 zu erhöhenden Interventionspreis zu senken bzw. die Pflicht zur Intervention ganz aufzuheben und die Stützungsbeträge für Milcheiweiß über die Magermilch herabzusetzen.
— Aber entschuldigen Sie, genauso lange, wie Ihr Kollege Schmidt gesprochen hat, kann auch ich sprechen, und ich spreche hier als Vertreter der Opposition. Das Recht müssen Sie mir zugestehen.
In der heutigen Agrardebatte ist es für uns wichtig, Herr Minister, mit allem Nachdruck auf die Bestrebungen der Bundesregierung hinzuweisen, die Milchproduktion, wenn auch auf der EWG-Ebene, auf eine gewisse Höhe zu beschränken. Im Gespräch ist zur Zeit die Beschränkung auf die Produktionshöhe von 1964 bis 1966, d. h. die Produktion in dieser Höhe einfrieren zu lassen bzw. Überproduktiondem Erzeuger mit Weltmarktpreisen zu bezahlen. Diese Vorschläge sind damals nach dem Ergebnis vom März ventiliert worden. Hieraus ergeben sich eine ganze Anzahl von unmöglichen Konsequenzen. Gewiß, viele der aufgestellten Thesen sind von den Sachverständigen verworfen worden. Aber einiges steht noch im Raum. Darauf näher einzugehen, verbietet die Zeit. Aber das ist gegebenenfalls im Ernährungsausschuß selbst möglich.Für uns' wie für die gesamte Landwirtschaft ergeben sich in diesem Zusammenhang folgende Fragen, auf deren klare Beantwortung wir Anspruch haben. Weswegen ist die Bundesregierung als erstes Partnerland dazu gekommen, diese Frage zur Debatte zu stellen, obwohl — das ist vorhin auch aus den Ausführungen des Kollegen Bauer hervorgegangen — wir bei uns keinen echten Überschuß, zumindest von der Produktionsseite her, haben? Und jetzt die entscheidende Frage, Herr Minister: Zeichnen sich irgendwelche ernstlichen Absichten der anderen Partnerstaaten ab, insbesondere bei Frankreich und den Niederlanden, diesen deutschen Erwägungen zu folgen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß zur Zeit insbesondere in den Niederlanden starke und erfolgreiche Bestrebungen festzustellen sind, die Milchproduktion noch erheblich zu steigern? Glaubt die Bundesregierung, daß die französische Regierung die Produktionsreserven — auch das ist vorhin schon angeschnitten worden —, die in der geringeren Leistung pro Kuh und vor allem in der geringeren Ablieferungsquote liegen, nicht dazu nutzen wird, zusätzlich in den Export zu gehen? Beabsichtigen Sie denn überhaupt, Herr Bundesminister, diese Kontingente nachher auf die verschiedenen Betriebsarten zu verteilen? Ich nenne hier Ackerbaugebiete, die Hackfruchtgebiete und die Futterbaugebiete. Wollen Sie das gemeinsam mit den Landesregierungen machen, oder wollen Sie den Schwarzen Peter gegebenenfalls den Landwirtschaftskammern oder den Berufsorganisationen zuspielen? Ist die Bundesregierung der Meinung, daß eine Kontingentierung bei den Betrieben erfolgen soll, die infolge von Entwicklungsplänen über die Entwicklungshilfe, beispielsweise bei uns in Niedersachsen den Stufeninvestitionsplan, gezwungen sind, ihre Produktion zu steigern? Wir wollen Sie diese Frage regeln? Ich könnte noch auf die wasserwirtschaftlichen Maßnahmen eingehen. Aber das will ich hier jetzt nicht mehr tun. Das sind eine ganze Anzahl von Fragen von eminenter Wichtigkeit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tendenz zur Kontingentierung der Milchproduktion stehen. Sie könnten noch um eine Vielzahl weiterer Fragen vermehrt werden.Nun werden Sie, Herr Minister, und die Herren der SPD und der CDU an mich die Frage richten, wie wir uns die langfristige Entwicklung der Milchkonzeption in der Bundesrepublik vorstellen. Ich antworte zunächst einmal mit einer Gegenfrage, meine sehr verehrten Kollegen. Schon lange war bekannt, daß wir im Jahre 1970 eine Überproduktion um 10 % haben würden. Zur Zeit haben wir einen Selbstversorgungsgrad von 103 %. Darauf hätte sich die Bundesregierung also einstellen müssen.
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WächterDie steigenden Anforderungen an den Garantiefonds passen eben nicht in die mittelfristige Finanzplanung des Bundesfinanzministers, und das ist, wie bereits erwähnt, besonders in seiner Rede zur Einbringung des Haushaltsplans 1968 sichtbar geworden. Muß aber deswegen die deutsche Landwirtschaft vor die vielen von mir aufgeführten Fragen gestellt werden?Wir ° sagen — und das ist unsere Konzeption —: Weswegen beteiligen wir uns nicht im Rahmen unserer eigenen Produktion an den Exportmöglichkeiten, wie es die anderen Länder machen? Wir sind derselben Meinung wie der Kollege Lücker von der CSU, der nach einer VWD-Meldung mit Recht gesagt hat, eine Beschränkung des Garantiefonds stehe im vollen Gegensatz zu der Konzeption der EWG. Für diese Konzeption der EWG allerdings sind nicht wir verantwortlich, sondern Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD.
Aber welche Gegensätze werden mit dieser Erklärung von Lücker und der gegenteiligen Meinung des Bundesfinanzministers und des Bundeslandwirtschaftsministers innerhalb der CSU sichtbar!
— Entschuldigen Sie, Sie wissen genau, daß wir dem Vertrag von Rom nicht zugestimmt haben. Darauf gehen doch meine Bemerkungen hinaus.
Im Grunde paßt die Einstellung auch nicht zur Konzeption des Bundeslandwirtschaftsministers. Ich darf daran erinnern, daß wir vor wenigen Tagen vom Bundeslandwirtschaftsminister zu einem Abend eingeladen waren, wo uns neben lukullischen Genüssen auch geistige Kost vorgesetzt wurde in Form eines Films mit dem Titel „Die Zukunft hat bereits begonnen". In diesem Film wurde sehr lebhaft für den Agrarexport geworben. Weswegen, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, sind Sie nicht entsprechend dem Vorbild der anderen Partnerstaaten dafür, Anträge bei den Regierungen der Drittländer zu stellen, die sich um den Export von Milcherzeugnissen bemühen? Das tun Sie nicht.Herr Bundeslandwirtschaftsminister, auf der Anuga in Köln sind beim Milch-, Fett- und Eierkontor Vertreter anderer Staaten gewesen, beispielsweise Englands, Japans und anderer mehr, die sehr lebhaftes Interesse für den Import deutscher Milcherzeugnisse gezeigt haben. Insbesondere von japanischer Seite wurde bestätigt, daß Bedarf an Gouda-Käse, Magermilchpulver und auch an Butter besteht. Aber immer wieder wird den Betreffenden gesagt, die deutsche Regierung stelle keine Anträge. Das Milch-, Fett- und Eierkontor hat jetzt von Hamburg aus eine Niederlassung in England aufgebaut und darüber hinaus einen Beobachter nach Japan geschickt.Weswegen werden diese Anträge nicht gestellt? Wir können hier nur Vermutungen aussprechen, undzwar möchte ich diese Vermutungen in Fragen kleiden, damit Sie darauf reagieren können. Ist es etwa die Furcht, daß über einen entsprechenden Export deutscherseits in Zukunft der Garantiefonds zu sehr belastet wird? Oder spielt, wie hier zu hören ist, der Umstand eine Rolle, daß man den anderen Partnerstaaten versprochen hat, wir wollten ihre Marktbeziehungen nicht stören und nicht in ihre Absatzgebiete eingreifen? Darauf, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, haben wir eine Antwort zu bekommen.Das ist ein ganzes Paket von Fragen, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, welches ich Ihnen heute vorgelegt habe. Ich hatte an sich auf Empfehlung meiner Kollegen die Absicht, diese Fragen in einem Katalog zusammenzufassen. Dann haben sie mir aber gesagt, dessen bedürfe es gar nicht, denn der Bundeslandwirtschaftsminister habe ein so fabelhaftes. Gedächtnis und so viel taktisches Geschick, daß er alle diese Fragen beantworten werde. Nun warte ich allerdings darauf, ob meine Kollegen recht haben.Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Zum Schluß soll man ja immer etwas Humorvolles sagen. Herr Bundeslandwirtschaftsminister, wir haben uns in den letzten Fragestunden auf Ihre Veranlassung hin so etwas auf höherer Ebene bei Frage und Antwort bewegt. Das wurde so lustig von der „Deutschen Bauernzeitung" mit dem Hinweis kommentiert: „Höcherl und die himmlischen Mächte". Ich möchte mich gern auf dieses Geleise begeben und Ihnen doch den Rat geben — nicht Ihnen allein, sondern gegebenenfalls auch Ihrer gesamten Fraktion —: Sollten Sie Ihre agrarpolitischen Vorstellungen nicht doch ändern, weil Sie sonst zu leicht Gefahr laufen, sehr schnell von der deutschen Landwirtschaft nach Psalm 14 Vers 3 gemessen zu werden? Ich glaube, er ist Ihnen bekannt; deswegen brauche ich ihn hier nicht aufzusagen.
— Bei den Kollegen von der CDU und der CSU ist das eine Selbstverständlichkeit. Wenn meine eigenen Kollegen Fragen stellen, dann werte ich das nicht als Bildungslücke. Ich bin aber gern bereit, das nachher bei einem Glas Bier zu sagen.
— Ja, dann muß ich Sie unterrichten. Psalm 14 Vers 3 heißt wie folgt:Aber sie alle sind abgewichen und allesamt untüchtig, da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer.Sie, verehrter Herr Minister, nehmen das von mir als einen ehrlichen und freundschaftlichen Rat, und ich bin der festen Überzeugung, daß Sie diesen als solchen werten.
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Der Herr Redner hatte schon geendet, so daß der Zwischenruf nicht mehr ankam.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ritz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen zuvor versichern, daß ich meinen ganzen Ehrgeiz dareinsetzen werde, ,das Acht-Minuten-Limit des Herrn Kollegen Dr. Rinderspacher zu unterbieten.Meine Damen und Herren, hier ist heute sehr viel über die sehr wichtigen Fragen der Preis- und Marktpolitik gesprochen worden, auch über die Frage, die in der Großen Anfrage der FDP enthalten war, nach dem bäuerlichen Familienbetrieb. Ich glaube, wir können der Antwort, die der Bundesminister darauf gegeben hat, zustimmen, daß nämlich der bäuerliche Familienbetrieb auch in Zukunft Leitbild bleiben wird und daß das natürlich in einer dynamischen Betrachtungsweise zu sehen ist.Das heißt aber auch, daß die vorhandenen Größen und betriebswirtschaftlichen Strukturen nicht unverändert bleiben. Wenn man dazu ja sagt, wird man es auch bejahen, daß in Zukunft, wenn auch nicht in dem Tempo wie bisher, aus dem Bereich der kleinen und kleinsten Vollerwerbsbetriebe weitere Betriebe hinauswandern in den Bereich der Zu- und Nebenerwerbsbetriebe. Gerade dazu hat Herr Kollege Rinderspacher etwasgesagt. Ich möchte hierzu nur eines sagen: Wenn wir den Landwirten dieses Zu- und Nebenerwerbseinkommen in Zukunft sichern wollen, dann bedarf es natürlich auch der Förderung der gesamten Infrastruktur und der Schaffung gewerblicher Arbeitsplätze, und zwar in einer erreichbaren Entfernung zum bisherigen Wohn- und Hofplatz und nicht in irgendeinem Pendlerbereich, der täglich einfach nicht mehr zu bewältigen ist.Herr Bundesminister, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur um eines bitten: die Bundesregierung möge daran festhalten, daß die regionale Wirtschaftsförderung bei der anstehenden Finanzverfassungsreform zu einem Teil der Gemeinschaftsaufgaben wird. Wir haben doch den Tatbestand, daß es weiterhin gerade die finanzschwachen Länder sind, in denen diese Probleme besonders hart anstehen. Ich glaube, sie können langfristig sinnvoll nur gelöst werden, wenn sie tatsächlich zu einer echten Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern werden.
— Ja, lieber Herr Kollege Schmidt, ich habe Herrn Minister Höcherl ja nur ermuntert, an dieser Einstellung festzuhalten; denn wir wissen, daß die Länder über den Katalog der Gemeinschaftsaufgaben einige andere Vorstellungen entwickelt haben.Wir sollten in diesem Zusammenhang aber auch sagen, daß von ,den in der Öffentlichkeit leider so oft und viel verpönten Agrarsubventionen in der Vergangenheit schon ein großer Teil der Mittel für Maßnahmen der Infrastrukturverbesserung eingesetzt worden sind. Auch das ist, glaube ich, notwendig, um sichtbar zu machen, daß aus dem Agraretat nicht immer etwa einseitige Förderungsleistungen für den Landwirt, sondern für die gesamte ländliche Struktur gewährt wurden.Meine Damen und Herren, ein Wort zum Vollerwerbsbetrieb. Lassen Sie mich ganz offen folgendes sagen. Ich weiß eigentlich nicht, woher man den Mut nimmt, angesichts der amerikanischen Erfahrungen und des amerikanischen Beispiels den Nur-Großbetrieb als das Modell einer künftigen Landwirtschaft darzustellen. Selbst ein Blick in unsere Grünen Berichte müßte uns in der Richtung ein wenig ernüchtern. Ich will damit sagen, — und das ist hier auch schon angeklungen —, daß die optimale Betriebsgröße nicht nach Hektar zu bemessen ist — das hat der Herr Minister selbst ausgeführt —, sondern daß sie sich aus einer Fülle von Faktoren zusammensetzt.Wenn aber der bäuerliche Familienbetrieb auch in der zukünftigen Landwirtschaft weithin ein mittlerer Betrieb sein wird, dann werden sich daraus natürlich auch für die betriebswirtschaftliche Ausrichtung Konsequenzen ergeben. Denn wir sind nun einmal auch in die allgemeine Wirtschafts- und Marktdynamik mit einbezogen. Das Angebot an Agrarprodukten wird in Zukunft in vielen mittleren Betrieben erzeugt werden. Ich sage hier ganz offen: Wir werden alle Anstrengungen unternehmen müssen, um mitzuhelfen, daß wir im Hinblick auf die qualitative Vereinheitlichung, auf die Erfassung, auf die Anpassung an die Erfordernisse des Marktes das tun, was notwendig ist.Herr Kollege Schmidt hat gesagt, er freue sich oder er erwarte von uns, daß wir uns dort einander annäherten. — Nun, Herr Schmidt (Gellersen), wir sagen ja nicht etwa, wir hätten für diese Dinge keinen Sinn gehabt. Denken Sie etwa — ich war damals noch nicht dabei — an die Vorstellungen und die Entwürfe zum Marktstrukturfondgesetz. Ich würde sagen, wir sind uns nähergekommen. Wir müssen uns näherkommen, um diese Fragen nun tatsächlich sinnvoll und zukunftsträchtig zu lösen. Ich glaube nicht, daß wir hier auseinander sind.Meine Damen und Herren, ich bin auch der Meinung, daß im Bereich der kooperativen — —
— Vielen Dank, Herr Burgemeister; drei Minuten also noch! — Ich bin auch der Meinung, daß im Bereich der Formen von Kooperation keine Allheilmittel zu suchen sind. Aber ich glaube, wir müssen sie wählen. Wir müssen sie auch im Bereich der überbetrieblichen Zusammenarbeit, im Bereich der Bodenproduktion, wählen. Ich denke hier sehr bewußt an die Maschinenringe. Wir sollten die Bundesländer, die schon heute die Errichtung leistungsfähiger Maschinenringe fördern, in ihren Bemühungen unterstützen und sollten sagen, daß das eine Sache ist, die man durchaus weiterentwickeln sollte.Denn davon werden wir auszugehen haben: Wenn der mittlere Betrieb auch in Zukunft der bäuerliche Betrieb sein soll, wird eben eine Vollmechanisierung nach den neuesten technischen Möglichkeiten auf der Basis der kleineren Betriebsein-
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Dr. Ritzheit nicht möglich sein, und da müssen wir uns nach kooperativen Formen umsehen, um sowohl im Hinblick auf die Kapitalentlastung, im Hinblick auf die Bewältigung des Problems der Arbeitskräfte und auch im Hinblick auf die berühmt-berüchtigte harte Mitarbeit der Frau hier nach sinnvollen Lösungen zu suchen.
— Ich habe schon verloren? Dann hat die Angabe von Herrn Kollegen Burgemeister nicht gestimmt, Herr Dr. Rinderspacher. Das tut mir schrecklich leid. Aber der Präsident hat ja auch eine Uhr.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Natürlich wird es Strukturveränderungen auch im Bereich der Landwirtschaft weiterhin geben. Nur sollten wir uns gegen die Ansicht wehren, das sei etwas, was völlig neu über uns komme, was nie dagewesen sei. Ich will das einmal an einem Bild darzustellen versuchen. Wenn ich heute draußen einem 70- oder 75jährigen Bauern begegne, der sogar noch wertvolle Arbeit auf dem Hofe leistet, komme ich im Gespräch mit ihm zu dem Ergebnis, daß er in seiner Kindheit das Getreide mit der Sichel gemäht hat, daß er dann zunächst in der Kolonne mit ,der Sense gemäht hat, daß er in seinem vollen Mannesalter sehr fortschrittlich gewesen ist und sich einen Ableger zugelegt hat, und dann schaffte er sich — welche Revolution! — einen Binder an. Und dieser gleiche Mann sagt nun in seiner gleichen beruflichen Lebenstätigkeit auch ein volles Ja dazu, daß sein Sohn sich einen Mähdrescher anschafft. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: wo ,gab es in den letzten 50 Jahren revolutionäre Veränderungen, die tiefgreifender gewesen wären als das, was sich ,auf einzelnen bäuerlichen Häfen getan hat? Deshalb habe ich viel Vertrauen in die dynamische Anpassungsfähigkeit unserer Landwirtschaft; denn sie hat diese Anpassungsfähigkeit bewiesen. Wenn wir mit den entsprechenden notwendigen Anpassungshilfen in diesem Bereich unseren Verpflichtungen nachkommen, dann wird die Landwirtschaft auch sicher manche schwierige Periode überstehen, und ich meine: dazu sollten wir alle mithelfen.
Der Rekord der Kürze bleibt bei dem Geburtstagskind mit 8 gegen 9 Minuten. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ehnes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, in der heutigen Debatte sollten eine Reihe von Sonderkulturen noch angesprochen werden.
— Auch Braugerste, Herr Wächter; ein echtes bayerisches und deutsches Anliegen, auch wenn Ihnen das vielleicht nicht gefällt.
Gestatten Sie mir zunächst eine Bemerkung zu der vorliegenden Marktordnung für Tabak. Es ist ein echtes Anliegen, daß in diesem Bereich die Monopolstellungen unserer Partner gebrochen werden und unseren Erzeugern in der Bundesrepublik im Rahmen dieser Marktordnung die gleiche Wettbewerbschance gegeben wird, die jene wollen, die mit uns in der Gemeinschaft stehen.Zweitens muß hier die Situation auf dem deutschen Hopfenmarkt erwähnt werden. Da möchte ich den Herrn Bundesminister bitten, einmal zu prüfen, ob nicht in diesem Bereich der Art. 19 des GATT-Vertrages Anwendung finden könnte. Gerade in diesem Bereich ist ein Preiszusammenbruch zu verzeichnen, der alles übertrifft, was bisher in der Hopfenwirtschaft geschehen ist.Ein weiteres Anliegen, das bezüglich der Höhengebiete eine besondere Würdigung erfahren sollte, ist die beantragte Erhöhung der Brennrechte dort, wo der Kartoffelanbau naturbedingt in den Höhenlagen als Notwendigkeit in die Fruchtfolge des Betriebes bleiben muß. Hier stehe ich auf dem Standpunkt, daß in Zukunft auch neue Genossenschaftsbrennereien errichtet werden sollten, wenn man den Betrieben in diesen Höhengebieten in Zukunft die Chance geben will, im Bereich der Agrarwirtschaft zu einem gesicherten Einkommen zu gelangen.
Ich möchte damit überleiten zu dem, was meine Kollegen schon erwähnt haben. Es geht doch um ein Anliegen des ganzen Hohen Hauses. Wir haben am 30. Juni dieses Jahres einen gemeinsamen Beschluß zur Revision der Getreidepreise gefaßt. Da kann also nicht irgend jemand oder eine Partei oder eine Gruppe für sich in Anspruch nehmen, daß sie allein das Erstgeburtsrecht hätte. Das gesamte Hohe Haus hat am 30. Juni einstimmig diesen Beschluß gefaßt. Nach meiner Auffassung hat der Kollege Ertl in seinem Zitat seinem großen politischen Vorbild wenig Ehre in Nachahmung gemacht. Denn der Kollege Frühwald, mein Vorgänger als Verbandspräsident des Bauernverbandes Mittelfranken, ist für die fränkische Wirtschaft ein so großes Vorbild, daß der, der ihn als sein Vorbild anspricht, sich überprüfen muß, ob er nicht ein ungeratener Sohn in Form von Aussagen und Zitaten wird, die der Wahrheit nicht entsprechen, obwohl gerade er die Wahrheit in den Vordergrund seiner Betrachtung gestellt hat. Ich darf Ihnen, Kollege Ertl, sagen: Herr Frühwald würde hier keine Unwahrheit und Halbwahrheiten aussprechen, sondern die reine Wahrheit sagen. Die Aussage, die der Direktor des Bauernverbandes Mittelfranken, Herr Ermann, anläßlich der Frankenschau in Nürnberg gemacht hat, lautete:Die fränkischen Bauern fühlen sich verraten und verkauft, wenn an der italienischen Grenze durch seuchenpolizeiliche Maßnahmen Dinge gemacht werden, die gegen die Marktordnung verstoßen, und wenn auf westdeutschen Märkten die Märkte von Großeinkäufern manipuliert werden, um die Abschöpfungsbeträge in die eigene Tasche abzuführen.
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EhnesDas war die Aussage des Direktors Ermann. Ich kann Ihnen zur Beruhigung nur sagen: Herr Direktor Ermann wird sich in der Aussage von seinem Präsidenten, also mir, nicht unterscheiden, weil seine Verantwortung als Direktor unseres Verbandes viel zu groß ist. Ich darf Ihnen sagen, die Sprachregelung ' zwischen Herrn Ermann und Herrn Kollegen Röhner und mir ist viel mehr koordiniert als die Sprachregelung zwischen Ihnen und manchen Leuten von der Freien Demokratischen Partei, die ich jetzt nicht namentlich nennen möchte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Bitte, Herr Abgeordneter Ertl!
Herr Kollege Ehnes, würden Sir mir bestätigen, daß ich jetzt hier vor mir eine Seite des Landwirtschaftlichen Wochenblatts des Bayerischen Bauernverbandes habe, in der der Satz kommt — und zwar in der Einleitung —:
Wenn auf dem mittelfränkischen Bauerntag in Nürnberg dieser Tage BBV-Direktor Heinrich Ermann die harte Aussage traf, daß „wir Bauern verraten und verkauft sind", so braucht man sich darüber nicht mehr zu wundern.
Geben Sie mir zu, daß das drinsteht und daß ich das zitiert habe? Ist das wahr oder ist das nicht wahr?
Herr Kollege Ertl, ich zeichne nicht verantwortlich für das bayerische Wochenblatt. Ich zeichne verantwortlich für 32 000 fränkische Bauern, deren erster Vorsitzender ich gegenwärtig bin. Deswegen lasse ich diese Polemik nicht zu, weil sie nur eine Spaltung bedeutet und eine Diskriminierung der Leute, die nichts anderes wollen, als dieser Landwirtschaft in dieser schwierigen Übergangsphase zur Seite zu stehen. Ich kann Ihnen nur noch einmal wiederholen: Sorgen Sie dafür, daß die Sprachregelung in Ihren Reihen so stimmt, wie sie bei meinem Direktor Ermann und mir stimmt. Dann würde ihre Agrarpolitik in der Zukunft so aussehen, . daß diese Differenzen nicht mehr in Frage kommen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Ehnes, ich frage Sie: Warum haben Sie in der Zeitung des Bauernverbands, dem Landwirtschaftlichen Wochenblatt von Bayern, nicht dementiert? Oder lassen Sie in der Presse Unwahrheiten zu, um dann hier angebliche Wahrheiten zu sagen?
Herr Kollege Ertl, wenn ich die Zitate Ihres Parteivorsitzenden mit den Aussagen einzelner Abgeordneter Ihrer Fraktion vergleiche, dann hätte ich einen Katalog von Widersprüchen. Deswegen lasse ich auf diese Weise nicht mit mir sprechen. Schreiben Sie das bayerische Wochenblatt an, wenn Sie interessiert sind, ob diese Aussage gemacht worden ist, wie Sie sie darstellen, oder ob sie stimmt, wie ich sie hier dargelegt habe,
als die reine Wahrheit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reichmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser Polemik wieder zurück zur Sache.
Ich möchte mich angesichts des Zeitdrucks ganz kurz fassen und nur unseren Antrag Drucksache V/2175 begründen, zu dem uns ein bedrängendes Problem Veranlassung gab. Es handelt sich um die Bedrückung, in die immerhin 10 000 Familienbetriebe des Tabakanbaus durch die Übergangsschwierigkeiten gekommen sind.Infolge des Zollabbaus im Drittlandhandel und der Unsicherheit in der Tabakwirtschaft, die durch den uns bereits vorliegenden Entwurf einer Tabakmarktordnung Drucksache V/2039 verursacht sind, aber auch infolge der Befürchtungen der Tabakwirtschaft hinsichtlich der Auswirkungen der Mehrwerststeuer hat sich die Vermarktung von Tabak zur Zeit der Ernte 1967 derart verschlechtert, daß die Weiterführung des deutschen Tabakanbaus in der Übergangszeit in diesen Familienbetrieben ernstlich gefährdet ist. Trotz der hervorragenden Tabakqualität und des großen Bedarfs fielen zur Zeit die Tabakpreise bei einem Verkauf bereits von einem Viertel der Tabakernte im Durchschnitt um 75 DM je Zentner Schneidegut und um 35 DM je Zentner Zigarrengut.Demgegenüber ist der Tabakanbau und die Tabakwirtschaft in den hauptsächlichen tabakanbauenden EWG-Ländern Frankreich und Italien durch die Tabakmonopole vom Erzeuger umfassend in allen Stufen der Be- und Verarbeitung bis. zum Endverbraucher kostendeckend kontinuierlich geregelt und gesichert. Der Tabakanbau in der EWG wird deshalb so oder so bleiben.Im Ministerrat ist bereits die Einführung der EWG-Tabakmarktordnung beschlossen. Dabei wird die Bundesrepublik bezahlen müssen, ob wir unseren Tabakanbau durchhalten oder nicht. Deshalb stehen wir jetzt vor der Entscheidung und Verantwortung, ob wir im Rahmen der Tabakordnung nur für die anderen zahlen oder auch die deutschen Tabakpflanzer ebenfalls daran partizipieren lassen und vor allem diese normalerweise lohnende Sonderkultur, die für 10 000 Familienbetriebe existenz-
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Reichmannentscheidend ist, uns und unserer Volkswirtschaft erhalten.Angesichts dieser entscheidenden und bedrängenden Situation bezweckt unser Antrag deshalb erstens für die Schneideguttabake, daß die Bundesregierung zusichert und im Ministerrat erforderlichenfalls erwirkt, daß für die Übergangszeit die bisherigen Regelungen für unsere Tabakernten und Altvorräte bis zur EWG-Tabakmarktregelung erhalten bleiben.Unser Antrag bezweckt zweitens, daß Zigarrengut ebenfalls im Prinzip nach dem bisherigen Verfahren behandelt wird. Dieses Verfahren ist von der Bundesregierung und. den Beneluxstaaten der EWG für die künftige EWG-Marktregelung vorgeschlagen worden. Demnach soll den Tabakpflanzern wiederum für die Ernte 1967 bis zur EWG-Regelung ein Förderungsbeitrag gewährt werden, der sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem erzielten Markterlös und den Erzeugungskosten ergibt. Diese Regelung ist um so dringlicher, weil nach den Vorschlägen der EWG das Jahr 1967 Basisjahr für den kommenden Tabakmarktpreis sein soll. Nach dem bisherigen Marktverlauf, bei dem ein Viertel der diesjährigen Ernte verkauft wurde, wäre schätzungsweise ein Aufwand von 4,2 Millionen DM erforderlich. Dieser Betrag könnte nach meiner Überzeugung sehr wohl im Rahmen der vorgesehenen 1.1/2 Milliarden DM für Marktregelungsaufgaben im Rahmen des Haushalts 10 untergebracht werden.Bei der Beurteilung und Entscheidung ist zu berücksichtigen, daß die Bundesregierung im Mai 1966 im Ministerrat der EWG einer Vorentscheidung zugestimmt hat, nach der die Bundesrepublik jetzt schon fast 20 Millionen DM an die italienischen Tabakpflanzer zahlt. Demnach sind die 4,2 Millionen an die eigenen Tabakpflanzer doch mehr als gerechtfertigt. Hier und jetzt muß gezeigt werden, daß wir nicht nur den anderen, sondern vor allem auch uns selbst verpflichtet sind. Angesichts der bisherigen Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Förderungsbetrages an die Tabakpflanzer sollte der Bund-Länder-Streit über das Beteiligungsverhältnis die Durchführung nicht mehr behindern und beeinträchtigen. Bei einem Tabaksteueraufkommen von 4700 Millionen DM für den Bund sollten die 4 Millionen DM für die Tabakpflanzer kein Streitobjekt auf Kosten unserer Tabakpflanzer sein; das wäre wirklich kleinkariert.Aus allen diesen Gründen darf ich das Hohe Haus bitten, unserem Antrag zuzustimmen, und von der Bundesregierung erwarten, daß sie im selben Sinne zu dem Antrag und den Forderungen, die wir darin stellen, steht und entsprechend handelt, damit der deutsche Tabakanbau in der Übergangszeit, die infolge der Schwierigkeiten der erforderlichen Tabaksteuerharmonisierung länger sein kann als erwartet, durchgehalten wird und den Familienbetrieben sowie unserer Volkswirtschaft erhalten bleibt.
Zu diesem Punkt — 2 f — wollte auch Herr Abgeordneter Stooß Ausführungen machen. Er verzichtet darauf und gibt sie zu Protokoll. *)
Das Wort hat der Abgeordnete Sander.
Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, es ist 21.22 Uhr. Auch ich werde mich deshalb bemühen, mich sehr kurz zu fassen, obwohl ich zur Lage der Kartoffelwirtschaft ausführlicher sprechen wollte.Herr Minister Höcherl, die nicht überzeugende Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der Freien Demokraten betreffend Lage der Kartoffelwirtschaft zwingt mich, nun doch noch etwas auf die Schwierigkeiten der kartoffelbauenden Landwirte in Deutschland einzugehen. Schon im Anbaujahr 1966 war die Absatzlage bekanntlich schlecht. Trotzdem hat die Bundesregierung erstens im Jahre 1967 Einfuhren von 70 000 t Frischkartoffeln aus Polen vorgesehen und zweitens im Jahre 1966/67 eine unseres Erachtens völlig überflüssige Einfuhr von 65 000 Hektoliter Kartoffelsprit — gleich 1,2 Millionen Zentner Frischkartoffeln — durchgeführt.Hiermit hat die Bundesregierung für das Anbaujahr 1967 der kartoffelbauenden Landwirtschaft nicht nur nicht geholfen, sondern im Gegenteil durch Beibehaltung der Einfuhren auch in diesem Jahre schon einen großen Schaden zugefügt. Unseres Erachtens wäre es Pflicht der Bundesregierung gewesen, diesem schwer um seine Existenz kämpfenden Wirtschaftszweig, mit Rat und Tat helfend und ordnend zur Seite zu stehen. Man hat die Talfahrt bei den Kartoffelpreisen in keiner Hinsicht aufgehalten. Wir müssen heute feststellen, daß für die Kartoffelwirtschaft beinahe nichts getan worden ist. Warum hat man nicht zumindest versucht, durch kleine finanzielle Starthilfen Erzeugergemeinschaften zu unterstützen? Warum ist dies nicht geschehen, obwohl doch bekannt ist, daß 50 % dieser Zuschüsse aus dem EWG-Agrarfonds zurückgezahlt werden? Es ist sehr leicht, jetzt der Kartoffelwirtschaft ,den Schwarzen Peter zuzuschieben. Aber lassen Sie mich einige Fakten und Zahlen nennen.Nach Rußland und Polen ist Deutschland bekanntlich der größte Kartoffelerzeuger in der Welt. Auf der anderen Seite aber ist Tatsache geworden, daß Deutschland auch der größte Kartoffelimporteur der Welt ist. Lassen Sie mich weiter sagen, daß von der anfallenden Kartoffelernte im Durchschnitt der letzten Jahre 30 % auf den Speisekartoffel-, 9 % auf den Pflanzkartoffelsektor entfielen und daß etwa 60 % für Fütterungszwecke Verwendung fanden. An dieser Stelle sei mir gestattet, die Frage aufzuwerfen, ob es notwendig ist, Tapioka und Maniok auch in Zukunft in so großen Mengen einzuführen.Während die Speisekartoffel früher ohne besondere Aufbereitung, d. h. auch ohne zusätzliche Kosten, in den Haushaltungen und Gemeinschaftsküchen Verwendung fand, wird heute rohe Speiseware in steigendem Maße durch Edelerzeugnisse aus*) Siehe Anlage 3
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967 6861
SanderKartoffel — ich darf hinweisen auf Kartoffelpüree, Kloßmehl, Chips, Pommes frites usw. — ersetzt. Eine genaue Definition der Qualität der Kartoffel als Rohstoff für die verschiedenen Verwertungsbereiche ist bei dem jetzigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sehr schwierig.Meine Anfragen im Bundestag betreffend Kartoffelforschung sind schon damals meines Erachtens ungenügend und ausweichend beantwortet worden. Jedoch hätte ich gerade von Ihnen, Herr Minister, erwartet — ich darf hier sagen: bei Ihrer sehr geschickten Art —, daß Sie aus der Formulierung dieser drei Fragen Konsequenzen der Art gezogen hätten, daß Sie für den Etat 1968 wesentlich höhere Beträge für die Kartoffelforschung einzusetzen bereit wären. Ich möchte auch hier sagen, daß wir außerordentlich bedauern, daß wir für diesen so außerordentlich wichtigen Wirtschaftszweig Kartoffel im Gegensatz zu allen anderen Zweigen der Landwirtschaft bis heute noch kein Forschungsinstitut haben. Die unbedingte Notwendigkeit eines solchen Instituts ergibt sich allein schon daraus, daß, wie wir wissen, die Kartoffel im Durchschnitt der Jahre einen jährlichen Produktionswert von 2 Milliarden DM hat, zum anderen daraus, daß wir, wie wir weiter wissen, die Kartoffel aus Fruchtfolgegründen für die leichten Böden auch in Zukunft durch keine andere Frucht ersetzen können. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn in diesem Jahr auf Grund einer sehr guten Vegetation hier und dort, auch bei mir im Norden, auf kleinen Flächen Mais als Ersatzfrucht angebaut worden ist.Die beiden großen Ernten gesunder Kartoffeln in den Wirtschaftsjahren 1966/67 und 1967/68 haben den Kartoffelpreis vollkommen zusammenbrechen lassen. Tausende von Höfen mit ihren Familien werden durch die ruinöse Preisentwicklung in eine schwere Krise gebracht. Bei mir in Niedersachsen werden zur Zeit die Kartoffeln mit 2,70 bis 3 DM je 50 kg ab Hof bezahlt. Dieser Preis, meine Damen und Herren, wurde schon im Jahre 1913/14 erzielt. Es hätte für die Bundesregierung eine Selbstverständlichkeit sein müssen, den Betroffenen hier in irgendeiner Form zu helfen.
Das werde ich Ihnen noch sagen. — Die frühere Bundesregierung — weil ja so oft in diesem Raum gesagt wird: Erhard/Mende — hat schon im Herbst 1963 rund 30 Millionen DM für Silierung, Trocknung und Förderung des Exports von Kartoffeln zur Verfügung gestellt. Der Ernährungsausschuß des Bundestages, Herr Kollege Bauknecht, hat sich seinerzeit auf unseren Antrag trotz Sommerferien in einer Sondersitzung mit der schwierigen Lage der kartoffelbauenden Landwirtschaft befaßt und auch, wie bereits angedeutet, geholfen. Wir haben damit erreicht, daß dann im Spätherbst und Frühjahr ein einigermaßen annehmbarer Preis für Kartoffeln erzielt wurde.Nehmen Sie mir bitte nicht übel, wenn ich sage: Diese Große Koalition mit rund 90 % aller Abgeordneten hält es nicht einmal für nötig, eine Aussprache über die jetzt noch wesentlich schwierigere Lage dieses Wirtschaftszweiges durchzuführen. Trotz mehrfacher Mahnungen durch die Freien Demokraten ist es bisher nicht gelungen, diese Aussprache durchzuziehen. Ich habe mich und wir alle haben uns, glaube ich, gefreut — es wurde heute auch schon mehrfach gesagt —, in der vorigen Woche in diesem Hause die Kohiedebatte und damit zusammenhängend eine Energiedebatte zu erleben. Ich glaube, wir alle sind doch bei der geschilderten sehr schweren Lage der Kartoffelwirtschaft der Überzeugung, daß dies auch bei der Kartoffel dringend geschehen müßte.Sie wissen, daß die Kartoffel auch ein Urprodukt ist, und Sie werden verstehen, daß man jetzt durch ein Nichtstun und durch die Not, die durch diese Preisentwicklung gekommen ist, viel Bitterkeit und Resignation in weitesten Kreisen der Betroffenen empfindet. Ich darf bei dieser Gelegenheit erklären, daß wir Freien Demokraten — das möchte ich sehr deutlich sagen — es wie in der Vergangenheit auch heute als unsere selbstverständliche Pflicht ansehen, der Bundesregierung mit konstruktiven Vorschlägen unsere Mitarbeit zur Verfügung zu stellen.Ich muß allerdings sagen, es wird jetzt höchste Zeit, daß sich die Bundesregierung entschließt, eine aktive Kartoffelpolitik zu betreiben. Es ist unmöglich, daß sie auf dem Gebiete der Kartoffelwirtschaft weiterhin untätig bleibt. Wie ich eingangs bereits sagte, finden wir ihre Antwort betreffend Marktordnung für Kartoffeln schlecht. Herr Minister, es ist Ihnen doch bekannt, daß Frankreich mit der Schaffung einer Ordnung für die Kartoffel durch die Lex Pisani auf dem Gebiete der Kartoffelwirtschaft große Erfolge erzielt hat. Ich will hier gar nicht sagen, welch sehr gute Erfahrungen vor allem auch die Engländer mit ihrer Ordnung für die Kartoffel für beide Teile, Erzeuger und Verbraucher, haben. Es muß für unsere Bundesregierung doch betrüblich sein, wenn eines Tages eventuell festgestellt werden muß, daß die Ordnung bei Kartoffeln nicht durch Deutschland, sondern wahrscheinlich durch Frankreich und andere Staaten durchgeführt wird. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß Sie und im besonderen Herr Minister Höcherl mit mir der Meinung sind, daß in Zukunft etwas Grundsätzliches für die Lage in der Kartoffelwirtschaft getan werden muß.Ich habe in meiner Rede darauf hingewiesen, daß die Kartoffel als wertvolles Nahrungsmittel und aus Fruchtfolgegründen niemals zu entbehren ist. Ich kann mir auch nicht denken, daß die Bundesregierung gewillt ist, in den typischen Kartoffelanbaugebieten — Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Rheinland, Schleswig-Holstein, um hier die wichtigsten zu nennen — durch einen weiteren Verfall der Kartoffelpreise eine Sozialbrache einzuführen. Fangen Sie deshalb bitte sofort damit an, durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Bundes- und Landesbehörden in Verbindung mit der Wissenschaft und der kartoffelbauenden Landwirtschaft hier einen Generalplan für die Kartoffelwirtschaft aufzustellen!Ich darf hier einen Satz zitieren, der Ihnen ganz gewiß bekannt ist: Wissen und Kähnen ist Macht,
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6862 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Sanderund Organisation ist alles. Ich glaube, wir wissen um die Dinge, wir können sie auch ändern; es kommt nur darauf an, daß wir es in die richtige Bahn lenken. Haben Sie bitte den Mut und sagen Sie der Landwirtschaft, durch welche Maßnahmen Sie in Zukunft die Gesundung des Sektors Kartoffelanbau herbeiführen wollen!Herr Präsident, wenn Sie gestatten, möchte ich ganz kurz auf unseren Antrag Drucksache V/2193 betr. Erhöhung der Brennrechte mit einigen Sätzen eingehen. Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß gerade in diesem Jahr angesichts der schwierigen Lage der soeben so ganz kurz nur noch skizzierten Kartoffelwirtschaft die Antwort der Regierung, daß je Brennerei nur bis zu rund 1000 t Kartoffeln zusätzlich zu Branntwein zu verarbeiten seien, völlig ungenügend ist. Ich muß noch einmal betonen, daß es der praktischen Landwirtschaft immer noch wie ein Hohn vorkommen muß, wenn man auf der anderen Seite feststellt, daß 65 000 hl Kartoffelsprit — sprich: 1,2 Millionen Zentner Frischkartoffeln — aus Polen eingeführt worden sind.Sie, Herr Minister Höcherl, wissen sehr genau, daß die Kartoffeln jetzt, Mitte November, zum größten Teil eingemietet bzw. schon getrocknet sind. Es wäre deshalb dringend notwendig, den Überbrand nicht nur aus frischen, sondern auch aus getrockneten Kartoffeln zuzulassen. Es muß deshalb unser aller Ziel sein — und der Wunsch der Freien Demokraten ist es, daß dafür Sorge getragen wird —, daß hier ein Mehrfaches an Überbrand zugelassen wird und die Importe von Kartoffelsprit schnellstmöglich eingestellt werden. Das ist der Wunsch der Freien Demokraten, um damit zu einem ganz kleinen, bescheidenen Teil beizutragen, doch wieder etwas Hoffnung hier bei unserer kartoffelbauenden Landwirtschaft einzuführen. Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, mir nur eine ganz kurze Nachlese zu den vielen Ausführungen zu gestatten, die gemacht worden sind. Das meiste ist schon abgehandelt und widerlegt, so daß ich mich auf einiges beschränken kann. Ich bitte auch, mir nachzusehen, wenn ich nur bei dem einen oder dem anderen Redner den einen oder anderen Punkt herausgreife. Das ist nicht irgendwie eine Mißachtung; das ist auch keine Klassifizierung, sondern das ist nur eine Konzession an die fortgeschrittene Zeit.Der Herr Kollege Bauknecht, der nun doch schon — glaube ich — fast 20 Jahre oder 18, 19 Jahre diesem Ernährungsausschuß vorsteht und damit diegrößte Erfahrung auf diesem Sektor mitbringt
— 16 Jahre —, hat eine ganz entscheidende Frage angesprochen, und zwar eine Frage, die eigentlich das ganze Wesen unserer Agrarpolitik betrifft, die Frage der Einkommensentwicklung, der Einkommenspolitik auf der einen Seite, einmal innerhalb der Industrieländer oder in einer Industriegesellschaft, und die Relationen hierzu in den Einkommenssituationen in anderen Sektoren.Ich glaube, ich kann mich auf folgende Bemerkung beschränken. Das Landwirtschaftsgesetz ist von dem Begriff der Parität und der Disparität ausgegangen und hat sich sehr bescheiden darauf beschränkt, nur einen Lohnvergleich durchzuführen. Meines Erachtens ist der Lohnvergleich nicht die adäquate Form, in der man Unternehmen mit Unternehmen vergleicht. Das ist zunächst einmal — ich möchte sagen — nur eine Behelfslösung. Das ist keine Lösung, die wir in der Zukunft fortführen können, sondern ich glaube, hier muß man Unternehmen mit Unternehmen vergleichen. Hier muß verglichen werden, was für Ergebnisse der Kapitaleinsatz und der persönliche Einsatz, verglichen mit dem Kapitaleinsatz in anderen Bereichen, bringt. Dann kommen wir zu Zahlen, die volkswirtschaftlichen Bestand haben und .die uns noch viel mehr aussagen als irgendwelche globale Vergleiche und die uns mitten in die Landschaft der Industriegesellschaft hinführen.Dafür brauchen wir Aussagen, weil sich nämlich folgendes abzeichnet. Wie groß und wie stark muß das Potential eines Betriebes sein, um das fortschreitende, von der Industriegesellschaft definierte und formulierte Einkommen zu erreichen? Dieses Einkommen wird nicht aus dem Bereich der Landwirtschaft als Forderung erhoben, sondern es wächst ihm zu aus den Einkommenserwartungen und -vorstellungen, die in ganz anderen Bereichen formuliert werden. Hier stehen nun die Anstrengungen, Kapitaleinsatz, Arbeitsverhältnisse, soziale Situation auf der einen Seite und die Ergebnisse ,auf der anderen Seite. Das muß der Vergleich in der Zukunft sein, ein Vergleich, den wir gemeinsam erarbeiten müssen, um zu einer Aussage zu kommen, wie wir sie brauchen, wie sie modern, volkswirtschaftlich ist und wie wir sie in der Diskussion nicht nur bei uns, sondern über die Grenzen hinweg in ,der EWG verwenden werden.Herr Kollege Bauknecht, an der Einbuße durch den Einschnitt bei der Preisentwicklung der EWG ist passiv nicht nur die Bundesrepublik beteiligt, sondern auch Italien auf einem sehr maßgebenden Sektor. Es gibt tauch einige Getreidesorten, die in Millionen von Tonnen in Italien erzeugt werden, die dort den höchsten Preis hatten. Auch Luxemburg ist ein Hochpreisland gewesen und muß ebenfalls Verzichte — —
— Ja, gut; ja, das ist richtig. Ich wollte das ganz kurz korrigieren. Es ist- mir schon klar, wohin Sie gezielt haben.Auf der anderen Seite darf ich folgendes sagen; ich glaube, man muß ja immer alle Argumente in
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Bundesminister Höcherldie Waagschale werfen. Wir haben lange Zeit hindurch erfreulicherweise bessere Preise als die anderen Länder gehabt. Das ist eine Tatsache, eine erfreuliche Tatsache.
— Ich werde auch zu den Kosten ganz kurz Stellung nehmen, Herr Kollege Ertl. Sie sind Fachmann auf diesem Sektor. Ihnen ist es nicht erlaubt, globale Urteile zu fällen, sondern Sie müssen mit jedem Wort, das Sie ,auf landwirtschaftlichem Gebiet hier aussprechen, die Tatsache mit vertreten, ,daß Sie als Oberlandwirtschaftsrat sprechen, akademisch vorgebildet sind und daß keine einzige Aussage den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den praktischen Ergebnissen widersprechen darf. Ich weiß nicht, ob Sie sich immer auf dieser Linie bewegen.
— Sie haben es hier etwas schwerer, aber das nur nebenbei.Was die Produktivität betrifft, so ist es richtig, daß die Landwirtschaft einen sehr kräftigen Schritt in ,der Produktivität nach vorn getan hat. Hier ist ein Problem entstanden, das ich noch ganz kurz anreißen möchte. Die Mechanisierung, die notwendig war zum Ersatz der Arbeitskräfte, die von der Industriegesellschaft und ihren höheren Löhnen und ihren besseren Existenzbedingungen angezogen wurden, war zunächst nur der Ersatz. Dann hat sich über diesen Ersatz etwas Neues ergeben, nämlich ein neues Betriebssystem, das mit hohem Kapitaleinsatz wirtschaftet, .auf den niemand vorbereitet war, weder die Industrie noch die Landwirtschaft. Das ist nicht zuletzt tauch eine Ursache dafür, daß wir einen sehr hohen Maschinenbestand haben, der mit Milliardenbeträgen angeschafft werden mußte, weil nichts anderes zur Verfügung stand und weil kein anderer Ausweg da war.Heute ist mit dieser Mechanisierung und den neuen Aggregaten, die die Arbeitskraft und das Arbeitspotential unerhört verstärkt haben, etwas ganz Neues gekommen, und zwar etwas ganz Neues für die kleinen Betriebe, wenn sie sich der vernünftigen modernen Gemeinschaftsformen bedienen, die ich keineswegs auf die Maschinenringe allein beziehen möchte, denn wir haben in Untersuchungen festgestellt, daß es die vielfältigsten Formen gibt und daß jede individuell ihre Vorteile hat. Wer sich hier im kleineren Bereich der Gemeinschaftsformen bedient, kann effektive und überzeugende Kostenersparungen erzielen und damit seine Ertragssituation bessern und eine extensive Bewirtschaftung durchführen, die es ihm gestattet, wenn das Angebot zur Verfügung steht, seine Arbeitskraft, die nicht mehr so strapaziert und in Anspruch genommen wird, wie das früher der Fall war, für einen zusätzlichen Erwerb einzusetzen. Das ist die Lösung bei ,dem kleinen Betrieb in allen Formen, Zuerwerb, Haupterwerb, Nebenerwerb. Das ist die eine Seite.Nun zur anderen Seite. Wie muß der Betrieb beschaffen sein, der heute mit den modernen Methoden ein modernes Einkommen bringt? Ich stehe nicht an,zu sagen, daß ich hier keinen Lohnvergleich sehen will. Ich möchte haben, ,daß ein Gewinn erwirtschaftet wird und daß dieser Gewinn die Abschreibung deckt, daß er die Modernisierung deckt, daß er Rücklagen erlaubt und daß er Privatentnahmen erlaubt, die eine moderne Existenz erlauben. Ich will von all diesen anderen Vergleichen nichts mehr wissen.
Sie sind nicht die moderne Form. Nach dem Gewinn muß gerechnet werden.Ich darf Ihnen sagen, daß wir die nächste Rechnung im. Grünen Bericht nach diesen genannten Gesichtspunkten anlegen werden. Der moderne Landwirt ist ein moderner Unternehmer, und er muß genauso bilanzieren, muß Gewinn- und Verlustrechnungen aufstellen, wie es im .ganzen Bereich der Betriebswirtschaft der Fall ist. Die bisherigen Methoden haben ihren Zweck erfüllt, aber sie sind für meine Begriffe überholt. Wir wollen einen neuen Weg gehen. Damit wollen wir nicht künstlich etwas Neues machen, sondern mit diesen Methoden wollen wir die Menschen auf das Rechnungssystem, auf die Vermögensrechnung, auf die Gewinn- und Verlustrechnung hinführen, damit sie so denken lernen, wie ein moderner Unternehmer denken muß und wie es viele, gerade die junge Generation, bereits tun.
— Nein, Herr Schultz, Sie täuschen sich sehr. Ich werde alle die Vergleichsnotwendigkeiten fortsetzen, die begonnen worden sind, weil ich mir über die Notwendigkeit der Kontinuität mindestens so im. klaren bin, wie das bei Ihnen — Ihre Bemerkung zeigt es — der Fall zu sein scheint.Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Bauknecht hat noch von dem Silberstreifen aus dem Jahre 1964 gesprochen. Das ist richtig. Es ist viel Hoffnung und viel Vertrauen in diesen Beschluß investiert worden. Der FDP möchte ich sagen, daß sie damals die Regierung mitgetragen hat. Man soll das nicht vergessen. Wenn man 14 Jahre mitgetragen hat, ist es eine schlechte Sache, auch wenn die Ergebnisse nicht immer den Vorstellungen entsprechen, sich von diesen Kindern wegschwören zu wollen. Nein, Sie haben sie mit gezeugt. Bekennen Sie sich dazu! Das ist ehrlicher und anständiger. Dann werden Sie auch nicht in die Versuchung geführt, hier eine künstliche Opposition aufzuführen. Dann können Sie die guten Ergebnisse einer gemeinsamen Politik für sich in Anspruch nehmen. Aber bekennen Sie sich auch zu den anderen Ergebnissen, die nicht so gelungen sind und die es auch immer geben wird. Das würde ich für eine ehrliche und anständige Opposition halten.
Herr Bauknecht, ich bin der Meinung, daß wir gar nicht so pessimistisch sein sollten, obwohl die Dinge nicht so gelaufen sind, wie es damals erwartet wurde.
— Nein. Aber vielleicht ist es einmal so — und dieZeit steht vielleicht gar nicht mehr so lange an —:
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6864 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Bundesminister HöcherlDiese europäische Gemeinschaft steht in der letzten Phase eines sehr intensiven Integrationsprozesses, in dem sie die Exekutive zusammenlegen will, die drei Verträge adaptieren will und eine neue Finanzordnung bis 1969 schaffen muß. Gleichzeitig sind vor ihrer Türe, pochend und dringend Einlaß begehrend, vier hochangesehene Nationen, die doch wohl nicht zu ihrem Schaden, sondern zu ihrem Vorteil in diese Gemeinschaft eintreten möchten. Ich könnte mir vorstellen, daß wir vielleicht trotz all dieser Übergangsschwierigkeiten in relativ kurzer Zeit — was sind schon zwei oder drei Jahre; ich ziehe auch die Folgerung für die Landwirtschaft, daß wir ihr gerade in diesen letzten Übergangsjahren besonders kräftig beistehen müssen — Zeugen und nicht nur Zeugen, sondern Agierende und Mitbeteiligte an der Verwirklichung des größten europäischen Traumes, den es gegeben hat, sind, nämlich dieser teileuropäischen Einigung, in der in Wirklichkeit alles verborgen und alles enthalten ist, was es an Zukunft für uns gibt. Aber ich meine, angesichts einer solchen Entwicklung müssen wir die Schmerzen, die Schwierigkeiten und Beschwerden einer Übergangszeit in Kauf nehmen und sehen, wie wir die Folgen mildern.Der FDP will ich folgendes sagen. Ihr war diese Gemeinschaft ja viel zu klein. Sie wollte noch viel mehr haben. Sie hat gar kein Recht, auch nur ein einziges Wort gegen die kleinere Gemeinschaft und die Übergangsschwierigkeiten zu sagen.
Zu den 260 Millionen DM haben Sie, Herr Kollege Bauknecht, glaube ich, etwas gesagt, was sich unter Umständen verwirklichen läßt. Ich darf es noch einmal verdeutlichen.
Es 'ist ein Vorschlag, diese Gelder auf dem Kapitalmarkt zu mobilisieren und die Zinslast durch eine Zinsverbilligungsaktion auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Wir sollten uns, wo es Möglichkeiten haushaltsmäßiger Art gibt, gemeinsam bemühen um diesen Betrag von zweimal 260 Millionen DM. Insgesamt sind es viermal 260 Millionen DM. Zweimal 260 Millionen DM waren es unter meinem sehr verehrten Freund Dahlgrün, wie Sie wissen. Das muß man auch einmal sagen, damit Sie nicht immer bloß die zweite Hälfte und das zweite Paar nehmen. Nehmen Sie auch das erste Paar! Dann hört diese Art von verbaler Opposition auf. Wir wollen sehen, ob hier nicht eine Formel gefunden werden kann.Es ist wirklich etwas mißlich — ich muß das ganz offen bekennen, und der Bundesregierung fällt es bestimmt sehr schwer —, daß sie ein ganz frisches, durch ein Gesetz bestätigtes Versprechen und eine Zusage in einer schwierigen Übergangszeit nicht halten kann, weil übergeordnete Haushaltsgesichtspunkte einfach schon aus Gründen der verteilenden Gerechtigkeit Einsparungen verlangt haben. Das war der Grund. Die Bundesregierung hat das nicht leichtfertig und auch nicht leichten Herzens getan. Wennes einen Weg gäbe, diese Summe einmal wieder in diesen Prozeß einzuführen, könnte ich mir vorstellen, daß das eine gute Sache wäre.Sie haben, Herr Kollege Bauknecht, auf das erhöhte Altersgeld zur Mobilisierung von Pachtland hingewiesen. Ich will nicht von Eigentumsübertragung sprechen, meine Damen und Herren, sondern ich will von Pachtland sprechen. Die Notwendigkeiten, die wir in der Pachtrechtsentwicklung sehen und die rechtlich und gesetzmäßig nur sehr schwer zu verwirklichen sind, die 'aber angefaßt werden müssen, wollen wir zum Teil in den nächsten Richtlinien vorwegnehmen. Wir möchten bei den Landwirten auch generationsmäßig unterscheiden. Den Älteren, die keine andere Möglichkeit mehr haben, wollen wir innerhalb gewisser Grenzen ein Angebot mit einer vorgezogenen Altersrente machen, vielleicht etwas aufgebessert durch ein Pachteinkammen und die Möglichkeit, die Arbeitskraft noch etwas zu verwerten.
Ich könnte mir denken, daß in dieser Richtung etwas zustande kommt. — Den Angehörigen der jungen Generation, 'die in .der gleichen Lage sind, müssen wir vor allem ein verstärktes Bildungsangebot machen, das ihnen den Weg zu einem zweiten Beruf eröffnet. Allerdings muß das ohne 'den geringsten Druck geschehen.Wir müssen die Menschen nach Möglichkeit draußen halten, weil wir sie in den Ballungsräumen mit den unerhörten Versorgungslasten nicht unterbringen können. Wir sollten sie also draußen belassen, ihnen aber ein entsprechendes Angebot machen. Die Verwirklichung bereitet allerdings noch Schwierigkeiten, weil einstweilen die entsprechende Infrastruktur im gewerblichen Sektor fehlt. Hier müssen wir erst noch eine Phase des verstärkten Aufbaus durchlaufen. Wenn dieser Prozeß abgeschlossen ist, besteht dort 'auch die entsprechende Nachfrage nach Arbeitskräften, und dann erst können all diese Menschen in einem anderen Beruf untergebracht werden.Bei dem Aufbau von Einrichtungen auf dem gewerblichen Sektor ist wohl das Vorhandensein billiger Energie der wichtigste Anreiz. Jedenfalls müssen wir uns darüber im klaren sein, daß zur Zeit ein ausreichendes Angebot an Arbeitsplätzen auf dem gewerblichen und industriellen Sektor noch nicht zur Verfügung steht. Dennoch kann, wie gesagt, auf dem Bildungssektor schon etwas unternommen werden, und das Arbeitsförderungsgesetz sieht entsprechende Maßnahmen vor.In diesem Zusammenhang muß ich sagen, daß zur Verbesserung der Agrarstruktur nicht nur Bodenbewegungen und bauliche Maßnahmen gehören, sondern auch die Zurverfügungstellung von Bildungseinrichtungen. In dieser Beziehung haben wir für einige ganz besonders benachteiligte Gebiete, die bisher auch im Rahmen des Pendlerverkehrs nicht saniert werden konnten, durch Verträge mit den Ländern im Rahmen regionaler Wirtschaftspolitik etwas unternommen und einige Beispiele durchgeführt, um zu sehen, ob das geht oder nicht. Denn
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Bundesminister Höcherldie Verhältnisse sind hier sehr kompliziert, und kein Mensch kann sagen, ob das geht.Es wäre jedenfalls gefährlich und moralisch nicht zu verantworten, wenn wir auf die Menschen, die sich in solchen Gegenden in einer so schwierigen Situation befinden, einen unangemessenen Druck ausüben wollten. Wir müssen vernünftigte, fürsorgliche Anreize schaffen, die die volle Wahlfreiheit nicht beeinträchtigen. Das ist der Weg, den uns die politische Klugheit und die Verpflichtung zu menschlicher Fürsorge vorschreibt.Ich darf kurz auf einige Ihrer Bemerkungen, Herr Kollege Schmidt , eingehen. Sie meinten, ich hätte diese Anfragen etwas unwillig beantwortet. Das ist nicht wahr. Sie wissen, daß die Partie, die in Brüssel gespielt, wird, noch nicht eröffnet ist und daß noch kein Zug gemacht worden ist. Erfreulicherweise sind Sie nicht mit der Frage in mich gedrungen, welche letzten Überlegungen ich für dieses Spiel habe und welche Koalition sich dort in diesem Sechserkreis bildet. Wir sind ja immer auf Unterstützung angewiesen; niemand kann, wenn er seine Souveränität partiell abgegeben hat, noch allein entscheiden. Darum ist es auch müßig — das möchte ich den Kollegen von der Opposition sagen —, zu erklären, das und jenes müsse geschehen. Wir sind in einer Gemeinschaft, und eine Gemeinschaft verlangt Kompromisse und Mehrheitsbildungen, ja, nach dem Luxemburger Geist sogar Einstimmigkeit in allen entscheidenden Fragen.Es bestand also auf meiner Seite keine Unwilligkeit, sondern eine gewisse Vorsicht. Ich habe die Karten noch gar nicht gemischt, die ich ausspielen will. Ich habe die Trümpfe noch nicht zusammengesteckt und auch noch nicht meine Fehlkarten auf die Seite getan.
Das alles muß sich erst ergeben.Herr Wächter, ich würde Ihnen empfehlen, Sie kommen einmal mit uns nach Brüssel und sehen sich das an.
Dann werden Sie schnell sehen, daß es zwar furchtbar leicht ist, einen Katalog vorzutragen, daß es aber sehr schwer ist, dort auch nur einen Millimeter voranzukommen.Wenn Sie das einmal gesehen haben, könnte ich mir vorstellen, daß Ihr nächster Katalog mit vielen Fragezeichen, mit sehr viel Vorsicht und sehr bescheiden zusammengestellt ist.
— Sie meinen eine frohe Botschaft. Ich weiß, eine frohe Botschaft ist uns nicht möglich. Der Preis der hohen Verantwortung ist, daß wir oft unangenehme und unvollkommene Dinge — ich weiß es — sagen müssen. Natürlich habe ich viele Dinge offenlassen müssen aus den Gründen, die ich schon gesagt habe.Was die Ausgleichszahlungen betrifft, so will ich davon gar nicht sprechen.Was die Gasölverbilligung betrifft, bin ich sehr Ihrer Meinung, und zwar im Hinblick auf die haushaltsmäßige Behandlung. Ich glaube, innerhalb der Disziplin des Kabinetts zu bleiben, wenn ich in der haushaltsrechtlichen Beurteilung und Verbuchungsform auch den Standpunkt vertrete, daß zwischen Hochseefischerei, Schiffahrt, Binnenschiffahrt, Bundesbahn und Landwirtschaft kein buchhalterischer Unterschied sein darf. Das meine ich damit.Das ist auch recht gut eingeleitet. Der Ernährungsausschuß hat gute Vorarbeit geleistet. Wir müssen auch unsere guten Freunde vom Haushaltsausschuß — Herrn Röhner usw. — bewegen, hier für eine gewisse Ordnung der Bücher zu sorgen. Um mehr handelt es sich doch gar nicht.Herr Kollege Schmidt , Sie haben eine sehr interessante Bemerkung gemacht, die ich doch noch kurz abhandeln muß. Sie haben darauf hingewiesen, daß mein französischer Kollege Edgar Faure genauso wie ich eine schwierige Aussprache in seinem Parlament hinter sich gebracht hat. In Frankreich geht es etwas leichter; das wissen Sie. Die Franzosen haben eine etwas andere Regierungsform, eine sehr einfache Regierungsform.
Aber ich bin der Meinung, daß die unsere die bessere und richtigere ist. Ich bin mit Ihnen dieser Meinung.Sie haben etwas Interessantes gesagt, und zwar folgendes: Edgar Faure habe darauf hingewiesen, daß die Agrarfinanzierungsregelung das Entscheidende sei. Das ist sehr interessant. Das muß ich einmal der breiten Öffentlichkeit über dieses Medium vortragen. Die Agrarfinanzierung war nach der Absenz Frankreichs das Mittel, mit dem sie wieder nach Luxemburg und an den Ratstisch gekommen sind. Im Zusammenhang mit den neuen Verhandlungen und Überlegungen, die zu dem englischen Beitritt eine Rolle spielen, gibt es die Bemerkung des französischen Außenministers Couve de Murville, daß er ebenfalls diese Agrarfinanzierungsverordnung vom Jahre 1969, die dann neu gefaßt sein muß, zunächst unter Dach und Fach gebracht haben wollte.Sie sehen, die Agrarpolitik macht große Politik, und sie unterstützt den industriellen und wirschaftlichen Sektor in dem Integrationsprozeß wie nichts anderes. Wir müßten erwarten können, daß das endlich nicht nur schlechthin anerkannt, sondern angesichts unserer großen Schwierigkeiten auch einmal bescheiden mit den gesetzlichen Gebühren — wenn ich das als Anwalt so sagen darf — honoriert wird. Das ist sowieso eine sehr kleine Gebühr und kein Erfolgshonorar.
Nun haben Sie .sich sehr eingehend mit der Milchpolitik befaßt. Ich will auch darauf kurz einige Bemerkungen machen, Herr Kollege Schmidt . Es wurde von „Milchlügen", „Milchträumen" und all den Dingen gesprochen. Ich will Ihnen sagen: Für Belgien und Italien war es außerordentlich schwierig, von 41 oder von 40 auf 39 Pf herunter-
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6866 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Bundesminister Höcherlzugehen, obwohl dort die Erzeuger- und die Verbraucherpreise zum Teil ganz anders geordnet sind.Die Bundesregierung hat sich gar nicht leichten Herzens — dafür gäbe es Beweise — innerhalb eines Pakets angesichts der greifbaren Schwierigkeiten entschlossen, einem Richtpreis von 39 Pf zuzustimmen. Ich habe das übernommen, nachdem die Verhandlungen schon angelaufen waren.
— Ich weiß schon. Ich gehöre zu den recht vorsichtigen Leuten auf ,diesem Sektor. Es ist etwas anderes, wenn ich eine psychologische Kriegsführung oder eine psychologische Vorbereitung in irgendeinem Kreis mache. Sie haben mich aus dem Sachverständigenkreis zitiert. Ich mußte den Leuten doch etwas ernst zureden, und ich habe das etwas drastischer getan, als ich es bei Ihnen tun kann, wo Sie mich von allen Seiten kontrollieren, obwohl ich Ihnen kollegial verbunden bin.
— Ja, ich bin seit 14 Jahren Abgeordneter dieses Hauses und bin sehr stolz darauf. Ich halte es für einen ganz entscheidenden Teil meiner Position, daß ich auch Abgeordneter bin. Ich möchte nämlich auch so behandelt werden, wie Sie sich behandelt fühlen wollen, damit Sie es genau wissen.
Dafür, daß ich ohne übermäßige Mehrbezahlung zusätzlich etwas tun muß, möchte ich keine schlechtere Behandlung in Kauf nehmen.
Der Entschluß, alle Bemühungen, alle politischen Bemühungen auf 39 Pfennige anzusetzen, ist kein Nachteil, sondern ist ein Vorteil. Ich erinnere mich noch gut, als es hieß: „Jetzt wollen wir einmal sehen, ob er die 39 Pfennig erreicht." Kaum waren sie beschlossen, hieß es: „Jetzt wollen wir einmal sehen, wie er es schafft." Und so werde ich von Marke zu Marke getrieben.Nun, meine Damen und Herren, es gibt noch einige gemeinsame Runden bis zum Jahre 1969. Ich bitte Sie, mit auf die Startbahn zu gehen; denn ich allein kann es nicht schaffen. Sie müssen mitlaufen, und dann werden wir weitersehen.Herr Kollege Dr. Schmidt , das, was Sie vortragen, ist natürlich alles von sehr großer Sachkenntnis getragen. Ob es aber möglich ist, in der Frage der Einzugs- und Absatzgebiete, ich möchte einmal sagen, die 'deutschen Vorstellungen alle zu verwirklichen, weiß ich nicht. Die deutsche Delegation ist einschließlich der Arbeiten, die Staatssekretär Hüttebräuker vor meiner Amtszeit und in meiner Amtszeit auszuführen hatte, nachdrücklichst dafür eingetreten, dieses System zu erhalten. Daß in Italien und Frankreich Verwaltungslücken, möchte ich einmal sagen, die gar nicht einfach auszufüllen sind, bestehen, wissen Sie auch, und Sie kennenn auch all die anderen Gesichtspunkte. Hier gibt es nichts Neues. Aber wir habendiesen Standpunkt vertreten und werden ihn mit der Zähigkeit, ,die uns zur Verfügung steht, weiterhin vertreten.Ich komme zu dem Gutachten. Der Berufsstand hat gut daran getan, einmal eine solche Rechtsgrundlage über Professor Jaenicke und Professor Dehringer zu besorgen. Ob diese in allen Punkten und nach allen Richtungen haltbar ist und ob der Art. 43 Abs. 3 a so viel hergibt, weiß ich nicht. Dort ist von „Mehrheitsbeschlüssen" die Rede, und zwar von Mehrheitsbeschlüssen, wenn ein Staat etwas abgelehnt hat und dann überstimmt wird. Diese Situation liegtnicht vor. Im Jahre 1961 oder 1962 hat man sich zu einer gemeinsamen Milchmarktordnung bekannt, und ,die deutsche Delegation hat nicht erklärt, daß sie widerspreche.Heute gibt es gar keine Bestimmung. Es gilt nicht, etwas aufzuheben, sondern es gilt, etwas einzuführen, damit wir die Dinge vollkommen klar sehen. Wir haben jedem von Ihnen, soweit Sie in der Landwirtschaftspolitik mitarbeiten, den Briefwechsel mit Mansholt zur Kenntnis gegeben und Ihnen auch seine abweisende Einstellung mitgeteilt. Wir haben Ihnen gesagt, daß wir einschließlich der Überlegung, den Europäischen Gerichtshof in Anspruch zu nehmen, auf dem Standpunkt stünden, daß hier zumindest etwas Gleichwertiges geschaffen werden müsse. Das wollte ich ganz kurz zu dieser Sache sagen.Nun muß ich mich Ihnen, Herr Kollege Ertl, ganz kurz zuwenden. Ich muß das in allem Ernst tun. Ich bedauere das außerordentlich. Ich habe sehr viel Humor. Ich glaube, daß das angesichts unserer schwierigen Aufgabe vielleicht die entscheidende Gabe ist, um überhaupt durchzuhalten. Aber, Herr Kollege Ertl, Humor ist etwas Liebenswürdiges, Humor ist etwas Persönliches und ist nichts Aggressives. Sie haben sich heute auf sehr bedeutende Namen bezögen. Herr Kollege Ehnes hat Sie schon auf den politischen Lehrer, den Sie in Anspruch nehmen, den Kollegen Frühwald, hingewiesen. Ich erinnere mich noch genau, wie er eine berühmte, große agrarpolitische Rede gehalten hat, die damals in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" als eine der bedeutendsten agrarpolitischen Reden überhaupt dargestellt worden ist. Ich glaube nicht — das sage ich Ihnen ganz offen —, daß Frühwald jemals Äußerungen getan hätte, wie Sie sie getan haben.Sie haben sich ferner auf den Namen eines Mannes bezogen, der Ihnen familiär nahesteht und der der erste Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewesen ist. Dieser Mann, dem wir außerordentlich viel verdanken, die Marktordnungen usw., ist ein Mann, der sich einen festen Platz in der Agrargeschichte der Nachkriegszeit erobert hat. Ich kann mir nicht vorstellen, Herr Kollege Ertl, daß dieser Mann, der leider viel zu früh aus dem Leben gegangen ist, diese Ihre Worte gebilligt hätte. Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich muß Ihnen sagen, Sie haben mich menschlich sehr, sehr schwer enttäuscht; nicht, daß ich so etwas nicht vertragen würde. Ich bin für Kritik. Es hat hier Schlachten gegeben, in denen ich gestanden bin. Ich bin für Kritik zu haben, und niemals bleibt auch nur das geringste zurück. Mit all denen, die mich
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Bundesminister Höcherloft hart bedrängt haben, habe ich zum Teil menschliche Freundschaften gefunden. Aber das, was Sie hier für richtig befunden haben, ist, glaube ich, nicht gut. Ich möchte gern einen Strich darunter machen. Ich kann mir vorstellen, daß ich das nicht wiederholen muß und daß wir die alten Beziehungen wieder fortsetzen können. Menschlich ist das nicht ganz einfach.Sie sagen, die Antworten wären dürftig gewesen. Das ist das gute Recht der Opposition. Ich sage: die Fragen waren dürftig. Das ist auch mein gutes Recht.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Peters? — Bitte!
Herr Minister, halten Sie sich für berechtigt, hier persönliche Werturteile abzugeben?
Ja natürlich, weil Sie sie ja auch abgeben. Das wäre ja noch schöner, wenn ich das nicht mehr tun dürfte, was Sie fortgesetzt machen. Das ist doch nicht Ihr Vorrecht.
— Ja, ich komme noch darauf. — Wenn Sie behaupten, Herr Kollege Ertl, daß die Preispolitik verschwunden und abgeschrieben sei, so muß ich sagen, das ist nicht richtig. Sie wissen doch, daß wir unter größten Schwierigkeiten einige bescheidene Preisergebnisse erzielt haben, und zwar nach vorn. Sie können doch nicht sagen: Die Preispolitik ist abgeschrieben. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen wäre; ich bin überzeugt, Sie hätten sich auch kräftig angestrengt. Bei dieser aussichtslosen Situation einfach zu sagen: Das war alles nichts; das ist abgeschrieben, das ist schlicht und einfach nicht wahr, und ich glaube, das haben wir nicht nötig.
Neue Erkenntnisse — na ja, gut. Ich will gar nicht darauf eingehen. Sie haben Schweinemastbetriebe und die Mindererlöse erwähnt. Natürlich, ich bin sehr unglücklich über die Entwicklung der Rinderpreise, und ich bin sehr unglücklich über die Entwicklung der Schweinepreise. Aber Sie wissen ganz genau, wie die Produktion und wie das Angebot ist. Ich brauche Sie doch nicht über den Schweinezyklus usw. zu belehren. Das sind doch Dinge, die Sie genau kennen und die uns heute solche Sorgen machen, daß wir uns überlegen, ob wir nicht angesichts der Ferkel, die wir zu erwarten haben — die groben Zahlen stehen schon fest —, besondere Maßnahmen zur Entlastung des Marktes treffen müssen. Da sich hinzustellen, nachdem wir über ein Jahr lang hervorragende Preise hatten, Herr Kollege Ertl, das ist — —
Ich muß pflichtgemäß fragen, Herr Minister, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.
Herr Minister, würden Sie mir — —
Ich frage noch den Herrn Minister, ob er die Zwischenfrage zuläßt.
Ja.
Bitte, Herr Ertl!
Herr Minister, würden Sie mir bestätigen, daß der Schweinerichtpreis auch deshalb niedrig angesetzt wird, damit eine geringe Interventionspflicht besteht?
Jawohl, das bestätige ich Ihnen, und zwar bestätige ich Ihnen das mit vollem Bewußtsein. Sie wissen ganz genau, wie schwierig eine Schweineintervention ist, schon von der Natur des Produktes her. Sie wissen auch, welche finanziellen Anforderungen gestellt werden. Aber das ist doch gar nicht der Grund. Der derzeitige deutsche Marktpreis ist doch auf ganz andere Dinge zurückzuführen. Das wissen Sie alles selber, und nur darum ging es.Sie haben eine Reihe von Namen hineingezogen, z. B. den Direktor Ermann. Der Kollege Ehnes hat das schon kritisiert. Wie kommen Sie dazu, die Namen Sühler und Feury da hineinzubringen und aus dem Zusammenhang gerissene Bemerkungen zu zitieren? Wie kommen Sie dazu, sie als Kronzeugen oder als Beweis anzuführen? Woher wollen Sie denn wissen, wen Feury — —
— Der Unmut in der Landwirtschaft ist doch auch berechtigt, genauso wie bei anderen, die schwer zu kämpfen haben, und wir müssen uns darum kümmern. Es kann durchaus sein, daß sich Baron Feury vor allem über die Haltung im Rahmen des EWG-Ministerrats oder über den einen oder anderen Partnerstaat in dieser Form geäußert hat. Aber so kann man doch nicht arbeiten.
560 Millionen! Meine Damen und Herren, in wenigen Wochen wird Ihnen die Entscheidung zugehen. Wir werden versuchen, eine gerechte Form zu finden, eine Form, die den Charakter des Eckpreises, des Getreidepreises, wiedergibt.Herr Kollege Rinderspacher, Sie haben ein sehr warmherziges Plädoyer für die Zu- und Nebenerwerbsbetriebe gehalten. Ich stimme auf weiten Strecken mit Ihnen überein. Sie wissen, das ist eine Frage der regionalen Wirtschaftspolitik, das ist zum Teil eine soziale Frage, und das ist eine Bildungsfrage. Überall haben Sie unsere Unterstützung.Herr Kollege Wächter, Sie sind nun ganz stark eingestiegen und haben eine Serie von Fragen ge-
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Bundesminister Höcherlstellt. Ich weiß nicht, ob das Haus noch die Geduld hat, sie in allen Einzelheiten beantwortet zu bekommen.
Wären Sie damit einverstanden, Herr Kollege Wächter, wenn ich mich bereit erkläre, jede dieser Fragen, die Sie gestellt haben, nach peinlichstem Wortlaut schriftlich zu beantworten, damit Sie . wenigstens die Antworten haben, die Sie haben wollen?
— Innerhalb von zehn Tagen. Ist Ihnen das recht?
— Ja, natürlich.Nun zu den beiden Anträgen, die den Tabak betreffen. Dazu muß ich sagen, daß ich das erste Anliegen für berechtigt halte, das das Schneidgut betrifft. Bei dem zweiten Antrag, der das Zigarrengut betrifft, besteht eine andere Situation. Die Lage ist außerordenlich kompliziert. Die Federführung liegt wegen des hohen finanziellen Einsatzes, um den es geht, beim Bundesfinanzministerium. Aber wir sind der Meinung, daß für die Differenz zwischen dem notwendigen Erzeugerpreis und dem Preis innerhalb der EWG in irgendeiner Form, so wie wir das bisher tun, ein Ausgleich geschaffen werden muß.Was die Hopfenfrage betrifft, haben wir ,ein Gespräch gehabt — auch hier geht es wiederum um die Frage einer Überernte —, das eine Bereitschaft der Bundesregierung erkennen läßt. Aber der Bundesfinanzminister muß wegen der regionalen Seite dieser Frage darauf bestehen, daß sich die beteiligten Länder hier etwas engagieren. Das kann man ihm nicht zur Last legen. Ich glaube, das ist eine berechtigte Forderung.Was nun die Kartoffeln betrifft, so glaube ich, daß wir in der Vergangenheit bis heute bewiesen haben und jetzt, Herr Kollege Sander, durch die Bereitstellung von über einer Million nach Auslaufen des Programms zur Erweiterung der Trocknungseinrichtungen wiederum beweisen, daß wir für diese Frage Interesse haben. Aber ich weiß nicht, ob eine Überproduktion angesichts der Konsumentwicklung mit den Plänen, die Sie sich vorstellen, bewältigt werden könnte. Der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium von Niedersachsen hat eine sehr interessante Darstellung über die Problematik gegeben, vor allem was die Erzeugergemeinschaften, die Qualität usw. betrifft. Man sollte das einmal aufgreifen. Mein Haus ist jederzeit bereit, jede vernünftige Regelung und jeden Vorschlag ins Auge zu fassen und zu prüfen, weil wir auch dier Meinung sind, daß gerade gewisse Böden — Sie haben mit Recht die landbautechnische Seite angesprochen — sehr darauf angewiesen sind und gar nicht darauf verzichten können.Das insgesamt zu diesen Fragen.Nun muß ich noch, nachdem die Bibel schon eine so große Rolle bei uns gespielt hat, auf ein Zitatzurückkommen, das dier Herr Kollege Wächter in der zusammenfassenden Kritik dies Bundesernährungsministers vorgetragen hat. Er hat sich auf den Psalm 14 Vers 3 bezogen und zitiert: Doch alle sind abgewichen, alle verdorben. Keiner ist da, der Gutes getan, auch nicht einer. — Auch nicht Sie.
Die Rednerliste ist erschöpft. Wir sind am Schluß dieser siebenstündigen Debatte und kommen zur Überweisung der Anträge.Zunächst der Antrag der Fraktion der FDP zu der Großen Anfrage der Fraktion der FDP auf Umdruck 300 *). Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Die Anträge unter den Punkten 2 c bis g sollen gemäß dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates überwiesen werden. Sie haben das vor sich auf der gedruckten Tagesordnung. — Keine anderen Vorschläge; dann ist so beschlossen.Ich bitte die Damen und Herren, die bisher ausgeharrt haben, noch eine kleine Viertelstunde länger auszuharren.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Richtlinien für die Exportkreditversicherung des Bundes— Drucksache V/1981 —Herr Dr. Staratzke gibt eine Begründung zu diesem Antrag zu Protokoll. **)Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht.Überweisungsvorschlag: an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkte 4 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes— Drucksache V/2237 —Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksachen V/2267, zu V/2267 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Lindenberg
Es liegen keine Anträge vor. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Zugrunde liegt die Druck-*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 4
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Vizepräsident Dr. Mommersache V/2237, in die die Änderungsvorschläge eingearbeitet sind, die sich aus den Ausschußbericht auf Drucksache V/2267 ergeben.Ich rufe die Artikel 1 bis 5, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle fest: einstimmig angenommen.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen. zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Ich danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes— Drucksache V/1713 —Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses
— Drucksache V/2214 —Berichterstatter: Abgeordneter Stahlberg
Das Wort wird nicht gewünscht. Anträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Drucksache V/1713. Wer den Artikeln 1, 2, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung
— Drucksache V/2246 —Das Wort wird nicht gewünscht.Überweisungsvorschlag: an den Ausschuß für Arbeit und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:a) Beratung des Mündlichen Berichts des Verteidigungsausschusses über denEntschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung— Umdruck 260, Drucksache V/2201 — Berichterstatter: Abgeordneter Berkhanb) Beratung des Mündlichen Berichts des Verteidigungsausschusses über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dichgans, Bading, Exner, Dr. Rinsche und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung— Umdruck 265, Drucksache V/2202 — Berichterstatter: Abgeordneter JungHerr Abgeordneter Jung gibt einen Bericht zu Protokoll *) und wünscht das Wort in der Aussprache. Herr Abgeordneter Jung hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Anbetracht der bereits fortgeschrittenen Zeit will ich versuchen, mich kurz zu fassen. Wie der Herr Präsident eben ankündigte, werde ich den Mündlichen Bericht zu Punkt b) über den Antrag der Kollegen Dr. Dichgans und Genossen zu Protokoll geben.*)Die FDP hat am 8. Juni einen Entschließungsantrag vorgelegt, wonach die Bundesregierung aufgefordert werden soll, gemäß § 66 des Soldatengesetzes den Entwurf eines Gesetzes über die Organisation der Landesverteidigung vorzulegen. Über diese gesetzlich vorgeschriebene Vorlage hinaus haben wir gefordert, in diesem Organisationsgesetz die gewandelten Anschauungen innerhalb der NATO zu berücksichtigen und außerdem sicherzustellen, daß innerhalb der Streitkräfte eine durchgehende Kommandostruktur vom Generalinspekteur bis zu den untersten Einheiten geschaffen wird. Dies ist schon deshalb sehr wichtig, weil dadurch endlich der Organisationswirrwarr, der unter anderem auch ein Hauptgrund der latent vorhandenen Unzufriedenheit in der Bundeswehr ist, beseitigt werden kann. Es ist ein Unding, daß zahlreiche Referate — ich glaube, es sind an die 60 — über Ministerialerlasse in die Truppe hineinregieren. Inzwischen ist zwar sichergestellt, daß derartige Erlasse über den Inspekteur laufen, weil diese unerträglichen Zustände u. a. in der sogenannten Generalkrise die schlimmsten Auswirkungen hatten. Es ist aber jetzt hoch an der Zeit, meine Damen und Herren, daß endlich Klarheit geschaffen wird, um für die Zukunft noch schlimmere Auswirkungen zu verhüten. Der Wasserkopf des Bundesministeriums der Verteidigung mit seinen etwa 5000 Bechäftigten muß endlich einer Operation unterzogen werden,*) Siehe Anlage 5
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6870 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1967
Jungdamit man dort wieder klarer denken und sinnvoller handeln kann.
Meine Damen und Herren! Die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion haben im Ausschuß erklärt, daß unsere Forderung auch die ihre sei und daß sie den Antrag grundsätzlich unterstützten; sie hielten es jedoch für notwendig, so lange zu warten, bis der Bundesminister der Verteidigung von seiner Krankheit genesen sei. Das ist inzwischen der Fall. Ich darf Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, bitten, nun Ihre Zusage auch wahrzumachen.Die Kollegen der CDU hatten auch nicht grundsätzlich nein gesagt. Das konnten sie auch nicht wegen der gesetzlich verankerten Forderung nach Vorlage dieses Entwurfs. Wir haben jedoch den Eindruck gewonnen, daß man am liebsten warten möchte, vielleicht sogar bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, weil man offenbar klare Kompetenzen scheut. Man sagt, wir hätten im Augenblick Wichtigeres zu tun. Nun, ich kann beim besten Willen nicht erkennen, daß es Wichtigeres gibt als die Lösung dieser grundsätzlichen Probleme, welche die Basis unserer Verteidigungspolitik überhaupt sind. Über das „Wie" kann man ja diskutieren, und wir lassen mit uns über alles reden. Daß aber diese Regierung so gar keine Anstalten macht, der gesetzlichen Verpflichtung endlich nachzukommen, bedrückt uns sehr. Entweder sagt man heute ehrlich, daß man den Entwurf nicht vorlegen kann, weil man keine Vorstellungen über die Organisation der Bundeswehr hat, oder man gibt zu, daß man ganz einfach nicht will. Das, meine Damen und Herren, wäre allerdings das Schlechteste, was der Bundeswehr passieren könnte.In Anbetracht der Wichtigkeit der Sache möchte ich das Hohe Haus dringend bitten, unserem Antrag zuzustimmen und deshalb den Antrag des Ausschusses abzulehnen.Wie versprochen, werde ich meinen Bericht über den Antrag der Kollegen Dichgans und Genossen zur Abkürzung des Verfahrens zu Protokoll geben*).Gestatten Sie mir jedoch als einem Vertreter der freidemokratischen Opposition in diesem Hause, dem Bericht einige kurze Anmerkungen hinzuzufügen. Im Grunde freuen wir uns, daß Herr Dr. Dichgans mit so vielen Kollegen der CDU/CSU diesen Antrag gestellt hat. Nicht weil er in der Sache richtig wäre — Sie werden die Ablehnungsgründe im Protokoll nachlesen —, sondern weil er zeigt, daß auch in der CDU/CSU die Zahl derer wächst, die der Ansicht sind, daß die Ausbildung von Soldaten, die keine technische Sonderfunktion haben, durchaus in zwölf Monaten abgeschlossen sein kann. Die Konsequenz daraus, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ist doch die, daß bei Straffung des Dienstplanes die Grundausbildung allgemein auf zwölf Monate reduziert werden kann. Ersatzdienste sollten nach unserer Meinung zum Abbau der Wehrungerechtigkeit*) Siehe Anlage 5in einem System der allgemeinen Verteidigungspflicht entsprechend angerechnet werden.Deshalb, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, die Sie den Antrag gestellt haben: fordern Sie keine unbefriedigenden Einzellösungen, sondern helfen Sie uns, ein gerechtes Wehrsystem mit optimaler Effektivität durchzusetzen. Sie haben dazu bald Gelegenheit, indem Sie unseren Antrag auf Reduzierung der Wehrdienstzeit auf zwölf Monate unterstützen, und dafür darf ich Ihnen im voraus danken.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ernesti.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst zum Umdruck 260 äußern. Der Gegenstand des Entschließungsantrages, nämlich die Spitzengliederung und Organisation der Streitkräfte, wurde kurz nach Amtsübernahme durch den Bundesminister der Verteidigung Dr. Schröder von ihm selbst angesprochen. Seine damalige Bitte, wir möchten ihm Zeit lassen, diese Dinge einmal für sich zu überdenken, vor allen Dingen aber auch die Erfahrungen im eigenen Bereich auszuwerten und sie dann mit den Regelungen in anderen befreundeten Armeen zu vergleichen, haben wir damals im Grunde alle akzeptiert. Ich glaube, wir müssen dem Bundesminister der Verteidigung diese Zeit auch lassen. Daraus aber nun zu folgern, daß es sich um eine latente Unzufriedenheit in der Truppe handle, — Herr Kollege Jung, ich muß Ihnen sagen: die Truppe selbst ist an dem Organisationsgesetz, das Sie hier mit allem Nachdruck fordern, gar nicht interessiert,
sondern die Unzufriedenheit in der Truppe hat andere Gründe.Im übrigen, wenn Sie von einem Wasserkopf sprechen: Wir wollen froh sein, daß diese 5000 Köpfe dort als Köpfe und nicht als Wasserköpfe arbeiten. Ich glaube, sie sind notwendig in einem Bereich, der mit 15 NATO-Staaten Verbindung haben muß, der Tag und Nacht die Sicherheit unseres Volkes gewährleisten muß. Auch die Herren im Bundesministerium der Verteidigung sollte man nicht so bezeichnen. Ich weise das jedenfalls von dieser Stelle mit allem Nachdruck zurück.
Hinzuzufügen ist noch, daß ja die Frage der Spitzengliederung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den übergeordneten Problemen steht, die am 6. Dezember in diesem Hause auf der Tagesordnung stehen. Es wäre wenig sinnvoll, heute vorweg eine Regelung anzustreben oder überhaupt zu diskutieren, die praktisch dieser Diskussion vorgreifen würde.Ich schlage Ihnen deswegen vor, dem Antrag des Verteidungsausschusses zu folgen und den Antrag Umdruck 260 abzulehnen.
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ErnestiEinige Bemerkungen zum zweiten Antrag, dem Umdruck 265. Es handelt sich um den Entschließungsantrag des Kollegen Dichgans. Das Hohe Haus hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten mit dieser Frage befaßt. Ich glaube, wir dürfen feststellen, daß wir bis heute noch zu keiner zufriedenstellenden Lösung gekommen sind. Trotzdem meine ich, es gibt eine größere Unzufriedenheit, ja sogar eine Erbitterung, wenn wir das Problem in einem größeren Zusammenhang sehen, nämlich der Wehrungerechtigkeit, die gegenwärtig in der Bundesrepublik herrscht. Sie wissen, daß die Frage heute ist: dienen oder verdienen. Diese Wehrungerechtigkeit würde nur noch vergrößert, wenn wir eine weitere Ungerechtigkeit hinzufügten, die sich dann im Bereich der Truppe auswirken würde, nämlich einer besonders privilegierten Schicht, den Abiturienten, es ermöglichten, bereits nach 12 Monaten Dienstzeit in einer Universitätsstadt ihr Studium aufzunehmen. Deswegen meine ich, wir sollten solche Einzelregelungen auch im Interesse des inneren Zusammenhalts der Truppe nicht treffen.Es gibt aber auch noch einige sachliche Punkte, die ich hier nur anschneiden will.Erstens: Würden wir dem Antrag folgen, hätten wir einen Führungsmangel an Personal zu verzeichnen. Denn diese Abiturienten sind selbstverständlich nach Abschluß ihrer Grund- und Spezialausbildung als Hilfsausbilder in der Truppe einzusetzen, und sie würden in dieser Funktion der Truppe entzogen.Zweitens: Auch für den Betroffenen selbst würde daraus selbstverständlich ein Nachteil insofern entstehen, als er nicht innerhalb der 18 Monate zu seiner Reserveoffiziersausbildung käme. 60 % aller Abiturienten nehmen an der Reserveoffiziersausbildung teil. Sie würden auch das in dieser Zeit nicht zum Abschluß bringen können.Das dritte ist, daß die Präsenz und die Einsatzbereitschaft der Truppe in jedem Fall durch eine solche Maßnahme gefährdet würde. Denn nach 12 Monaten beginnt im Grunde erst die Verbandsausbildung, dann rücken die Truppenteile, nämlich die Feldverbände, auf die Übungsplätze, auch in das Ausland. Deswegen wäre es unmöglich, .daß diese Abiturienten aus diesem Ausbildungsabschnitt oder Präsenzabschnitt, wenn Sie so wollen, herausgenommen würden.Viertens noch einmal: Irgendein Privileg für einen Teil unserer jungen Wehrpflichtigen zu schaffen, würde von unserem Volke sicherlich nicht verstanden werden.Fünftens: Organisatorisch ist im Grunde von der Bundeswehr diese Frage nicht zu lösen. Denn es gibt an neun Universitätsstädten Garnisonen, in denen Feldverbände stationiert sind. Würden Sie dort ,die Soldaten abziehen und sie zum Studium schicken, wäre auch die Präsenz selbst da, wo es örtlich möglich ist, ,das zu realisieren, nicht gewährleistet.Deswegen, meine ich, meine Damen und Herren, ist es nicht vertretbar, einem solchen Antrag zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu folgen.Da aber das Problem der Einberufung der Abiturienten und ihrer sinnvollen Verwendung in der Bundeswehr nicht zufriedenstellend gelöst ist, bitte ich das Bundesministerium der Verteidigung doch noch einmal, die bereits angelaufenen Untersuchungen zu beschleunigen und diesem Hohen Hause möglichst bald einen Bericht vorzulegen, damit wir von der Wehrungerechtigkeit abkommen und uns langsam wieder der Wehrgerechtigkeit in unserem Volke nähern.
Sie könnten dann vielleicht in diesem Vorschlag eine Synthese finden zwischen dem Wehrsystem, den Umfangzahlen der Bundeswehr und dem Anfall der Wehrpflichtigen insgesamt. Wir haben ja jetzt jährlich wieder mehr Wehrpflichtige, weil wir in die geburtsstarken Jahrgänge hineinkommen.Ich bitte Sie deswegen, den Antrag auf Umdruck 265 abzulehnen.
Meine Damen und Herren, das war eine Fünf-Minuten-Debattenrede, eine freie Rede und dazu noch eine Jungfernrede. Herzlichen Glückwunsch.
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz .
Schultz (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte dem Herrn Kollegen Ernesti natürlich auch furchtbar gern zu seiner Jungfernrede gratuliert. Ich kann es aber leider nicht.
— Ich kann es leider nicht tun. Ich möchte ihm aber vielleicht einen Rat geben.
Herr Kollege Schultz, ich glaube, daß unsere Kollegen in London es in jedem Fall täten. Man kann dann ja nachher kräftig polemisieren.
Schultz (FDP) : Ich möchte ihm den Rat geben, vielleicht doch etwas differenzierter zuzuhören, wenn ein anderer spricht. Mein Kollege Jung hat nämlich nicht von Wasserköpfen im Ministerium gesprochen, sondern er hat von dem Wasserkopf-Ministerium gesprochen, und das ist etwas .ganz anderes. Sie, verehrter Herr Kollege Ernesti, wissen ganz genau, was er damit gemeint hat. Ich halte es, um ,das nette Wort zu gebrauchen, für einen schlechten Stil, in dieser Art und Weise einem Kollegen quasi das Wort im Munde umzudrehen und so zu tun, als ob er die ehrenwerten Herren im Ministerium, angefangen beim Minister bis zum letzten Schreiber, als Wasserköpfe im Sinne von Mißgeburten bezeichnet hätte. Das, verehrter Herr Kollege, finde ich nicht sehr fein und sehr
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Schultz
nett. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen nach Ihrer nächsten Rede, wenn Sie sich solcher, wie ich glaube, nicht sehr freundlichen Dinge enthalten, meine herzlichste Gratulation ,auszusprechen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rommerskirchen?
Herr Kollege Schultz, meinen Sie nicht, daß es besser gewesen wäre, sich von der Rede Ihres Kollegen zu distanzieren, nachdem er eindeutig festgestellt hat, daß im Ministerium zur Zeit nicht gedacht werde?
Schultz (FDP) : Ich möchte sagen, ich weiß jetzt nicht mehr genau, ob er das so haargenau gesagt hat.
— Trotzdem muß ich sagen, ich halte das für eine Ausdrucksweise, die durchaus noch parlamentarisch angemessen ist, wenn man dieser Überzeugung ist.
Das ist keine Verdrehung der Worte eines Kollegen, die er hier gesagt hat, wenn er über jemand ein Urteil abgibt.
Aber, lieber Kollege ,Rommerskirchen, eines will ich Ihnen noch sagen. Sie haben uns in der letzten Zeit so furchtbar viel, besonders meiner Partei, vorgeschlagen, sich von mir zu distanzieren. Wir distanzieren uns nicht voneinander.
— Oh nein, schafft sie nicht. Lieber Kollege Rasner, Sie werden morgen in der FDK — ich empfehle sie Ihnen einmal — lesen, warum wir uns nicht voneinander ,distanzieren. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Dichgans hat Ausführungen zu diesem Punkt zu Protokoll gegeben').
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Ausschußantrag zu Punkt 7 a auf Drucksache V/2201. Wer dem Ausschußantrag — und der bedeutet Ablehnung des Antrages der FDP — zustimmen will,
*) Siehe Anlage 6
gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen, der FDP-Antrag damit abgelehnt.
Es folgt dann der Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/2202. Auch hier beinhaltet der Antrag des Ausschusses die Ablehnung des Antrages der FDP. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich habe eben übersehen, daß der Ausschuß zu Punkt 4 — Berlinhilfegesetz — noch gebeten hat, Petitionen für erledigt zu erklären. — Das Haus stimmt zu. Das ist damit erledigt.
Dann rufe ich auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Achte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 (Senkung der Griechenland-Zollsätze für Muskatwein von Samos)
— Drucksache V/2129, V/2273 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Neunzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967
— Drucksache V/ 2269 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Dann sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 16. November 1967, 14 Uhr.
Ich schließe die heutige Sitzung.