Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Zunächst darf ich als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Erler Herrn Abgeordneten Kern begrüßen, der am 27. Februar in den Bundestag eingetreten ist.
Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Wilper ist der Herr Abgeordnete Ernesti in den Bundestag eingetreten.
Beiden Kollegen wünsche ich eine gedeihliche Zusammenarbeit mit uns in diesem Hause.Die Tagesordnung soll ergänzt werden, und zwar um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen:1. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine, Schweinefleisch und Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse für Einfuhren im zweiten Vierteljahr 1967- Drucksachen V/1511, V/1550 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke2. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die zeitliche Verschiebung der Anwendung der durch die Verordnung Nr. 160/66/EWG des Rats vom 27. Oktober 1966 eingeführten Handelsregelung und über die Aufhebung von Artikel 2 der Verordnung Nr. 167/64/EWG des Rats vom 30. Oktober 1964- Drucksachen V/1524, V/1551 — Berichterstatter: Abgeordneter Fritz
3. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rates zur Abänderung der Verordnung Nr. 14/64/EWG betreffend die von dem Großherzogtum Luxemburg gewährte Beihilfe auf dem Rindfleischsektor— Drucksachen V/1523, V/1561 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Effertz4. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen auf dem Gebiet der Orientierungs-praise für Rindfleisch für das Wirtschaftsjahr 1967/68 sowie denEntwurf einer Entschließung zu den Interventionspreisen für ausgewachsene Rinder für das Wirtschaftsjahr 1967/68- Drucksachen V/1508, V/1560 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Rinderspacher5. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über die erste, während der dritten Stufe durchzuführenden Senkung der Zollsätze zwischen den Mitgliedstaaten für bestimmte, in Anhang II des Vertrages aufgeführte Erzeugnisse— Drucksachen V/1509, V/1562 —Berichterstatter: Abgeordneter Brand6. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Höhe der Beihilfen für die private Lagerhaltung von Butter— Drucksachen V/1510, V/1566 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritz7. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Vierundneunzigste Verordnung zur änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Flugzeugausrüstungsmaterial usw.)— Drucksachen V/1500, V/1547 -Berichterstatter: Abgeordneter Brand8. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Fünfundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingent für Verschnittrotwein — 1967)— Drucksachen V/1501, V/1548 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke9. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Achtundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingent für Aluminiumoxyd)—Drucksachen V/1502, V/1549 -Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber10. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Einhundertste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zweite Erhöhung des Zollkontingents für gesalzenen Seelachs)- Drucksachen V/1526, V/1552 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres11. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Einhundertunderste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Edelpelzfelle; Zollsätze gegenüber Algerien)— Drucksachen V/1539, V/1553 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres12. Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Euratom-Kommission für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagen-Bediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden.— Drucksachen V/1522, V/1554 —Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt-VockenhausenDas Haus ist damit einverstanden. Ich schlage vor, daß die Punkte 1 bis 6 dieser Liste und die Punkte 7 bis 14 der gedruckten Tagesordnung sowie die erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Marktstrukturgesetzes, die gestern auf die Tagesordnung gesetzt wurde, mit der Aussprache über den Grünen Plan ver-
Metadaten/Kopzeile:
4530 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Vizepräsident Dr. Dehlerbunden werden. — Auch damit ist das Haus einverstanden. Ich werde nachher beim Aufruf des Tagesordnungspunktes noch einmal darauf zurückkommen.Wir kommen zunächst zurFragestunde— Drucksachen V/1537, V/1555Ich rufe zuerst die Dringlichen Mündlichen Anfragen des Herrn Abgeordneten Fellermaier aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf, zunächst die Frage I/1:Welcher Schaden ist der Bundesrepublik schätzungsweise durch Abgabehinterziehungen im Rahmen der Verordnungen für Exporterstattungen und Abschöpfungsbefreiungen bei der Einfuhr und Ausfuhr von Waren aus dem Ernährungssektor bisher entstanden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Fellermaier gemeinsam beantworten?
Herr Präsident, ich würde bitten, daß sie getrennt aufgerufen werden.
Dann muß ich so verfahren. Sie sollen getrennt beantwortet werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erstattungen bei der Ausfuhr von Marktordnungswaren werden bekanntlich von den Marktordnungsstellen im allgemeinen als Barerstattungen gewährt; bei Getreide und Getreideerzeugnissen geschieht das auch noch in der Form der Gewährung von abschöpfungsfreien Einfuhren. Die Prüfungen der Oberfinanzdirektionen haben zweierlei ergeben, nämlich: Die beteiligten Firmen haben in weitem Umfang Lücken und Mängel der gesetzlichen Bestimmungen zu wirtschaftlich unerwünschten, jedoch nicht verbotenen Geschäften ausgenutzt. Zum anderen wurden darüber hinaus aber auch vielfach Zuwiderhandlungen gegen die gesetzlichen Bestimmungen festgestellt, die zu Rückforderungen von Erstattungen und zur Nacherhebung von Abschöpfungen führten.
Als Folge von Prüfungen wurde 1966 wegen festgestellter Zuwiderhandlung endgültig vereinnahmt: an Barerstattungen rund 189 000 DM, an Abschöpfungen rund 6 457 000 DM. Über die noch rechtshängigen Rück- und Nachforderungen fehlt eine statistische Erfassung. Diese dürften die genannten Beträge vor allem hinsichtlich der zurückgeforderten Barerstattungen erheblich übersteigen. Wir wissen z. B., daß in einem einzigen Land Nachforderungen in Höhe von 19,1 Millionen DM erhoben worden sind, und zwar in fünf Fällen. Sicherlich gibt es auch noch eine Zahl nicht aufgedeckter Fälle. Wie hoch diese Schattenquote ist, kann auch nicht annähernd gesagt werden.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie sagen, daß die gesetzlichen Bestimmungen Lücken und Mängel aufweisen, die zwar nicht verbotene, aber doch Geschäfte ermöglichen, die im Interesse des Ansehens bei staatlich subventioniertem Import und Export nicht erwünscht sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, Herr Abgeordneter, das habe ich zum Ausdruck gebracht. Die Bestimmungen sind nicht so lückenlos und können auch nicht so perfektioniert sein, daß es nicht möglich wäre, Lücken mit unerwünschten wirtschaftlichen Ergebnissen auszunutzen.
Eine weitere Frage.
Herr Staatssekretär, darf ich daraus schließen, daß die Bundesregierung bemüht sein wird, die Lücken zu schließen, damit es nicht allzu leicht ist, sie zu entdecken und mit ihnen Manipulationen vornehmen zu können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, meine jetzige Antwort hierauf betrifft bereits Ihre dritte Frage: Das ist ein Anliegen, um das sich die Bundesregierung zweifellos bemühen wird. Die Vorschriften müssen so gestaltet werden, daß möglichst wenig Lücken vorhanden sind.
Herr Abgeordneter Rinderspacher zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben einige Zahlen genannt, die dem Außenstehenden nicht so schnell eingängig und verständlich sind. Würden Sie exakt die Frage beantworten können, welcher Schaden der Bundesrepublik durch diese unerlaubten Manipulationen entstanden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe ausgeführt, daß sich diese Frage nicht so exakt beantworten läßt, wie Sie es erwarten, da ganz zweifellos eine Schattenquote nicht aufgedeckter Fälle vorhanden ist. Sie auch nur annähernd zu schätzen, ist mir leider nicht möglich. Dagegen habe ich Ihnen exakt die abgerundeten Zahlen genannt, die sich bei der Rückforderung von Barerstattungen und der Nacherhebung von Abschöpfungen ergeben haben. Ich kann sie Ihnen, wenn Sie es wünschen, auch auf den Pfennig genau nennen.
Eine weitere Frage Herr Abgeordneter Rinderspacher.
Das waren nach meinen Aufzeichnungen etwa 61/2 Millionen DM?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
An Abschöpfungen allein waren es 6 457 928 DM und 10 Pf.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4531
Und 189 000 DM noch dazu?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
An Barerstattungen kommen 189 025,82 DM hinzu.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich die Zahlen von 500 bis 600 Millionen DM, die seit einigen Tagen durch die Presse geistern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Antwort hierauf betrifft bereits die anderen Fragen. Deswegen hatte ich mir erlaubt, anzuregen, alle drei Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.
Herr Abgeordneter Brück zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, seit wann wissen Sie, daß es Lücken in der Gesetzgebung gibt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das haben wir im Laufe der Jahre festgestellt. Es sind etwa 21/2 Jahre her, daß die Oberfinanzdirektionen mit der Prüfung begonnen haben. Vor dieser Zeit oblag dieses Geschäft den Einfuhr- und Vorratsstellen. Nur sind damals keine Prüfungen durchgeführt worden. Erst die jetzigen Prüfungen haben diese Mängel und Lücken ergeben.
Herr Abgeordneter Brück, eine weitere Frage.
Sie sprachen soeben von 21/2 Jahren. Warum haben Sie inzwischen nichts getan?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, diese Unterstellung ist nicht richtig. Sie hörten doch, daß laufend geprüft worden ist, und zwar mit dem Erfolg einer erheblichen Rückforderung von Barerstattungen und Nacherhebung von Abschöpfungen.
Herr Abgeordneter Reichmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob diese Lücken nun planmäßig organisiert von internationalen Schiebern und Betrügern zum Schaden der Öffentlichkeit und auf Kosten öffentlicher Gelder ausgenutzt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ob und inwieweit internationale Vereinigungen von Händlern, Exporteuren und Importeuren, planmäßig vorgegangen sind, das vermag ich hier nicht zu beurteilen. Wir stellen nur fest, daß in der Tat eine Reihe von Fir-
men diese Lücken erkannt und systematisch ausgenutzt haben.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Pressemeldungen nicht bekannt, aus denen ganz klar ersichtlich ist, wie planmäßig und systematisch hier ein gewisser Ring zusammenarbeitet, um diese Lücken für seine Vorteile auszunutzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist durchaus möglich, Herr Abgeordneter, daß aus dem Gesamtbild, das sich erst aus weiteren Überprüfungen ergeben wird, ein solches planmäßiges Vorgehen festgestellt wird.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist zu befürchten, daß sich im Vollzug von EWG-Vereinbarungen künftig ähnliche Lücken auftun, bei denen gewisse Betrüger findiger sind als die Behörden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Letztlich, Herr Abgeordneter, beruhen unsere nationalen gesetzlichen Bestimmungen auf den Marktordnungen, die in Brüssel erarbeitet worden sind. Es ist nicht auszuschließen, daß eben gerade auf diesem Gebiete Voraussetzungen für Ihre Befürchtungen gegeben sind.
Eine weitere Frage.
Wir haben also weiterhin damit zu rechnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist in der Tat damit zu rechnen — das werde ich noch bei der Frage 2 ausführen —, daß im Laufe des Jahres 1967 die Zahlen, die ich soeben genannt habe, ansteigen werden.
Ich rufe dann die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Fellermaier auf:
Wieviel Bußgeld- und Strafverfahren sind von den Behörden der Bundesrepublik wegen der in Frage I/1 genannten Abgabehinterziehungen eingeleitet worden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Ahndung von Zuwiderhandlungen im Bußgeld- und Strafverfahren wegen zu Unrecht bezogener Erstattungen ist nach der gegenwärtigen Rechtslage nur möglich, wenn die Voraussetzungen des Betruges oder der Erschleichung der Erstattungszusage nachweisbar sind. Eine Ahndung fahrlässiger falscher Angaben ist strafrechtlich nicht vorgesehen. Infolge dieses unzulänglichen Strafschutzes wurden 1966 eingeleitete Strafverfahren bisher stets eingestellt. Uns sind bisher vier Fälle
Metadaten/Kopzeile:
4532 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Staatssekretär Grundbekannt. Außerdem wurden 44 Bußgeldverfahren eingeleitet, davon drei durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid erledigt, 41 wurden eingestellt.Nach dem bisherigen Stand der Dinge ist zu befürchten, daß im Jahre 1967 die Zahl der Verfahren ansteigen wird. Das hatte ich soeben im Zusammenhang mit einer Zusatzfrage bereits erwähnt.
Herr Abgeordneter Fellermaier für eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir freundlicherweise interpretieren, was Sie in diesen Fällen unter „fahrlässig" verstehen, wo es also nicht zur Anklageerhebung oder zum Bußgeldverfahren kommt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Begriff der Fahrlässigkeit ist im Strafrecht festgelegt. Es sind alle die Fälle, in denen unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt solche Barerstattungen oder Abschöpfungsbefreiungen zu Unrecht in Anspruch genommen worden sind, oder negativ ausgedrückt, wo Vorsatz nicht vorliegt, aber ein Verschulden im Sinne der Vernachlässigung der gebotenen Sorgfalt feststellbar ist.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Fellermaier.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, wie und mit welchen Ergebnissen es in den anderen EWG-Staaten, wo ähnliche Straftatbestände vorliegen, in solchen Verfahren dort zu Aburteilungen kommt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir wissen, daß in anderen Ländern solche Komplexe anhängig sind. Aber auch in den anderen Ländern werden fahrlässige Taten — mit Ausnahme von Frankreich — nicht geahndet; dort sind die Bestimmungen ähnlich wie bei uns.
Herr Abgeordneter Reichmann für eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß diese Vergehen schwer nachweisbar sind und daß diese interessierten internationalen Kreise diese Chance in ihre Aktionen und Unternehmungen einkalkulieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das ist mir sicherlich bekannt. Das ist ja gerade die Ursache dafür, daß die Verfahren, die eingeleitet worden sind, größtenteils mangels Beweises wieder eingestellt werden mußten.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Reichmann.
Welche Maßnahmen werden dann in Erkenntnis dieser Situation von der Bundesregierung ergriffen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie nehmen wieder die Antwort zu der Frage 3 vorweg, Herr Abgeordneter. Ich werde dazu ausführen, daß wir durchaus Vorstellungen haben, wie man dem Komplex zu Leibe rücken könnte.
Herr Abgeordneter Dr. Lenz zu einer Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung in dieser Frage Verbindung mit der EWG-Kommission aufgenommen, und was war das Ergebnis dieser Fühlungnahme, falls eine solche erfolgt ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir sind dabei, mit der EWG in Brüssel diesen Komplex zu besprechen. Ich hatte bereits im Rahmen einer anderen Fragestunde dazu Stellung genommen und gesagt, daß eines der wirksamen Mittel nur sein kann, die internationale Amtshilfe insbesondere im Rahmen der EWG zu verstärken, weil es sonst nicht gelingt, die Täter zu überführen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Lenz.
Sind der Bundesregierung die Vorschläge bekannt, die der Vizepräsident der EWG-Kommission, Herr Mansholt, gestern vor dem Europäischen Parlament zu dieser Frage gemacht hat, und wie steht sie dazu?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wenn die Vorschläge erst gestern im Europäischen Parlament gemacht worden sind, können sie uns im Wortlaut noch nicht vorliegen. Ich selbst habe sie jedenfalls noch nicht gelesen. Ich werde sie aber sehr sorgfältig prüfen und darauf untersuchen lassen, wieweit sie in unserem Bereich Anwendung finden können.
Herr Abgeordneter Müller zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann man bei der Beurteilung dieser bedauerlichen Manipulationen davon ausgehen, daß sie möglicherweise ihre Stütze in der Tatsache finden, daß die Bundesrepublik als Hochpreisland innerhalb der Sechsergemeinschaften besondere Anlässe dazu bieten könnte, solche Geschäfte durchzuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Abgeordneter, diese Frage nicht positiv beantworten zu können. Da-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4533
Staatssekretär Grundgegen spricht allein schon die Tatsache, daß auch in den anderen Ländern ähnliche Tatbestände aufgedeckt word sind.
Herr Abgeordneter Rinderspacher zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär. Sie sprachen von einem unzulänglichen Strafschutz. Der unzulängliche Strafschutz scheint der Bundesregierung ja schon länger bekannt zu sein. Warum hat sie nicht Schritte unternommen, um diese Unzulänglichkeit zu beheben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Ermittlungen sind — das werden Sie meinen Ausführungen entnommen haben — noch völlig im Fluß. Allerdings — das räume ich ein — haben die bisherigen Ergebnisse nach meinem Dafürhalten bereits eines gezeigt, nämlich die Unzulänglichkeit des Strafschutzes. Wir werden — und das ist wieder bereits die Antwort zu der Frage 3 — sehr ernsthaft prüfen müssen — und wir sind schon dabei —, wie man diesen Strafschutz gesetzlich verbessern kann. Es bedarf dazu einer besonderen Vorlage. Es ist ein schwieriges Problem, weil neben dem Betrugstatbestand noch ein anderer strafbarer Tatbestand gesetzlich normiert werden müßte. Es geht nämlich darum, wie man im Rahmen dieses Komplexes auch leichtfertige Vergehen unter Strafe stellen kann, wie wir es auch bei Steuerdelikten bereits haben.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, ist durch die Höhe des Schadens, den Sie vorhin angesprochen haben, nicht von vornherein ausgeschlossen, daß es sich um Leichtfertigkeiten handelt? Ist nicht zu vermuten, daß es Absicht war, was da getan worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter die Vermutung allein nützt nichts. Es muß nachgewiesen werden, daß Vorsatz, also Wissen und Wollen, der Beteiligten vorgelegen hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Effertz.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung auf Grund dieser trüben Erfahrungen die Absicht, zu überlegen, wer in Zukunft, wenn der europäische Markt den freien Warenverkehr kennt, für mögliche spätere Schäden aufkommen soll, wenn solche Durchstechereien, die schlecht zu kontrollieren sind, in einem größeren Umfang vorkommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich verstehe Ihre Frage nicht recht. Wen meinen Sie, wer dafür haft-
bar gemacht werden soll? Selbstverständlich derjenige, der sich einer Straftat schuldig gemacht hat. Ich weiß nicht, ob Sie noch an einen anderen denken.
Zu Lasten welcher Kasse werden in Zukunft solche Durchstechereien gehen, wenn sie nicht aufgedeckt werden können, weil eine Kontrolle fehlt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Letzlich zu Lasten der Kasse, die die Erstattung vornimmt, und des Landes, in dem die Abschöpfungen gemindert worden sind. Dort wirkt es sich im Ergebnis immer aus.
Also zunächst der Kasse in Brüssel?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, der Kasse des nationalen Mitgliedstaates. Die Regelung ist so, daß die Barerstattungen zunächst national gezahlt werden. Ebenso werden die Abschöpfungen national gekürzt. Erst dann meldet der Mitgliedstaat seinen Rückvergütungsanspruch in Brüssel an und bekommt — leider erst nach Jahren — die Beträge erstattet.
Herr Abgeordneter Schulte zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie jetzt im Rahmen der Frage 2 bereit, die Frage, die ich vorhin an Sie gerichtet habe, zu beantworten? Ich darf sie wiederholen: Wie erklären Sie sich, daß Zahlen von 500 bis 600 Millionen durch die Presse geistern, und wie kommen diese Zahlen zustande?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage werde ich jetzt in diesem Zusammenhang gern beantworten. Die Zahl ist absolut falsch; denn das Gesamtvolumen der Abschöpfungsverzichte in unserem Bereich beträgt nur 300 Millionen DM. Infolgedessen ist es unmöglich, daß eine Firma allein 500 bis 600 Millionen DM veruntreut haben kann. Ich darf unterstellen, daß es sich offensichtlich um einen Hörfehler handelt. Nach meinen Informationen ist es einem Reporter gelungen, mit der zuständigen Staatsanwaltschaft unter Vorspiegelung der Tatsache, daß die erbetenen Informationen für die Bundesfinanzverwaltung erfolgen sollen, ein Gespräch zu führen. Dort sind die Zahlen genannt worden, aber nicht 500 und 600 Millionen, sondern 5 und 6 Millionen DM. Das sind die Zahlen, die ich Ihnen auch noch bei der Beantwortung der Frage 3 genannt haben würde.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Ihre soeben gemachten Ausführungen über das Verhalten des Reporters bereits eindeutig
Metadaten/Kopzeile:
4534 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Moerschwiderlegt sind, daß sich der Mann korrekt verhalten hat und daß sich der betroffene Staatsanwalt, der diese Behauptung zunächst aufgestellt hatte, um ein ausgleichendes Gespräch mit dem beschuldigten Journalisten bemüht? Sind Sie also bereit, die Behauptung, die Sie soeben hier wiedergegeben haben, auf Grund dieses Tatbestandes zurückzunehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin bereit, sie dann zurückzunehmen, wenn ich davon überzeugt werde, daß meine Information falsch ist. Ich höre zum erstenmal aus Ihrem Munde, daß inzwischen ein Gespräch zwischen dem Journalisten und dem zuständigen Staatsanwalt stattgefunden hat. Ich werde mich aber um eine Klärung bemühen, und wenn die Auskunft so lautet, daß keine Irreführung stattgefunden hat, werde ich selbstverständlich meine Darstellung berichtigen und zurücknehmen.
Eine weitere Frage, bitte, Herr Abgeordneter Moersch!
Darf ich darauf hinweisen, daß Ihre Pressestelle oder die des Bundespresse- und Informationsamtes Sie hier nicht gut informiert hat; denn diese Erklärung der Staatsanwaltschaft ist seit zwei Tagen in der süddeutschen Presse verbreitet worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe aus Ihren Darlegungen keine Frage entnommen, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Brück, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind .Sie bereit, die Namen der Firmen zu nennen, die solche Manipulationen gemacht haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das verbietet mir das Steuergeheimnis.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in Belgien die Namen solcher Firmen bekanntgegeben worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dort mag die Rechtslage anders sein.
Ich rufe die dritte Frage des Herrn Abgeordneten Fellermaier auf Drucksache V/1555 auf:
Hält die Bundesregierung die besonderen Prüfungs- und Überwachungsrichtlinien des Bundesfinanzministeriums noch für ausreichend, nachdem dem Fiskus unter anderem durch die im Ruhrgebiet und im süddeutschen Raum bekanntgewordenen Manipulationen von Getreidehandelsfirmen und Mühlen ein Millionenschaden entstanden ist?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Prüfungs- und Überwachungsrichtlinien EWG-Marktordnung — so nennen wir sie — haben sich bisher im allgemeinen bewährt. Einen vollkommenen Schutz gegen kriminelle Handlungen gibt es allerdings nicht. Das gilt insbesondere dann, wenn Belege raffiniert gefälscht oder Warenproben, die den Zollbehörden vorgelegt waren, unter Siegelbruch, wie es vorgekommen ist, vertauscht werden. Auch die vollkommenste Überwachungsregelung wird in solchen Fällen leider versagen.
Notwendig ist aber — und das habe ich hier schon wiederholt auf die Zusatzfragen ausgeführt — neben einer gesetzlichen Verbesserung der Erstattungsregelungen und des Strafschutzes vor allem, daß die Voraussetzungen zu einer stärkeren internationalen Bekämpfung der Zuwiderhandlungen geschaffen werden und insbesondere die gegenwärtigen Amtshilfemöglichkeiten erweitert werden. Die Erstattung ist nämlich stets auf das Verbrauchsland der Ware abgestellt, dessen richtige Feststellung nur in seltenen Fällen deswegen möglich ist, weil der Prüfer an die Grenzen der Bundesrepublik gebunden ist.
Ferner sind organisatorische Maßnahmen zur verstärkten Überwachung des grenzüberschreitenden Verkehrs mit Marktordnungswaren und verstärkte Maßnahmen zur Ausbildung des eingesetzten Personals, insbesondere der Prüfer, erforderlich, weil ständig neue Erfahrungen gewonnen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fellermaier.
Herr Staatssekretär, Sie sagen also, daß Zollproben gefälscht werden können. Darf ich Sie dann fragen, ob diese Fälschungen nicht vielleicht den Fälschern auch dadurch erleichtert wurden, daß der Zoll jahrelang Dosen verwendet hat, die man mit einem leichten Fingerdruck öffnen konnte, während jetzt nach dem süddeutschen Getreideskandal die Oberfinanzdirektion in München angeordnet hat, daß andere Dosen verwendet werden, die eben nicht mehr so leicht zu öffnen sind, nachdem bereits ein Millionenschaden für die Bundesrepublik entstanden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir können nicht immer davon ausgehen, daß jede Maßnahme, die eine Behörde trifft, von anderer Seite sofort kriminell ausgenutzt wird, und wir müssen vermeiden, daß von vornherein Mißtrauen gegenüber unseren Geschäftspartnern sozusagen schon in die Bestimmungen hineingelegt wird. Ich sehe aber, daß die Oberfinanzdirektion inzwischen — das war mir auch bekannt — Verschärfungen eingeführt hat. Wenn es sich erweist, daß Mißtrauen in größerem Umfang erforderlich ist, muß die Behörde dann auch entsprechende Folgerungen ziehen. Eine Folgerung ist bereits durch die Verschärfung der Warenproben gezogen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4535
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Fellermaier.
Herr Staatssekretär, ich habe Sie also richtig verstanden, als Sie bei der ersten Frage schon einmal darauf hingewiesen haben, daß der Zoll sehr sorgfältig die Dinge beachtet. Sie haben dann von zweieinhalb Jahren gesprochen: der Bundesregierung seien seit zweieinhalb Jahren solche Manipulationen bekannt. Wann wurden dann solche Konsequenzen gezogen, wie ich eben in meiner Frage zum Verhalten der Oberfinanzdirektion München angedeutet habe?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie haben mich dann mißverstanden. Vielleicht habe ich mich undeutlich ausgedrückt. Ich habe gesagt, daß die Oberfinanzdirektionen erst seit zweieinhalb Jahren prüfen — vorher oblag diese Aufgabe nicht der Oberfinanzdirektion —, und im Laufe der zweieinhalb Jahre, nicht schon vor zweieinhalb Jahren, haben wir die bitteren Erfahrungen gemacht. Wir sind bereit, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Herr Abgeordneter Dr. Lenz zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß es für die rechtliche Würdigung der in Rede stehenden Tatbestände gleichgültig ist, ob der Schaden in der Bundeskasse oder im EWG-Ausgleichsfonds entsteht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die strafrechtliche Würdigung ist es auf jeden Fall ohne Bedeutung, wo der Schaden entsteht. Der Betrugstatbestand setzt voraus, daß überhaupt ein Schaden entstanden ist.
Wenn das so ist, Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, sich dafür einzusetzen, daß nicht nur harmonisierte Überwachungsvorschriften, sondern auch harmonisierte Strafvorschriften in der EWG zu diesem Punkt erlassen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will das prüfen, Herr Abgeordneter. Ich glaube aber nicht, daß der EWG-Vertrag eine rechtliche Möglichkeit dafür vorsieht. Sollte das nicht der Fall sein, dann wird der späteste Zeitpunkt der der Verschmelzung der Gemeinschaften sein. Bei dieser Gelegenheit wird ohnehin eine Überprüfung der Vertragstexte notwendig werden. Das sollte dann nachgeholt werden.
Herr Abgeordneter Reichmann, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind in diese Betrügereien auch deutsche Beamte verwikkelt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe bisher keinen Anhaltspunkt dafür, daß deutsche Beamte darin verwickelt sind.
Im Zusammenhang mit den Fragen des Herrn Abgeordneten Fellermaier rufe ich die Fragen V/10, V/11 und V/12 des Herrn Abgeordneten Reichmann — Drucksache V/1537 — auf :
Entspricht es den Tatsachen, daß wiederum Schiebungen beim Im- und Export von Futtermitteln bei Lindau entdeckt worden sind, bei denen 580 bis 600 Millionen DM erschwindelt worden sind?
Ist es zutreffend, daß der an den in Frage V/10 erwähnten Schiebungen mitbeteiligte Bauer-Hasler mehr als 1 Million DM Schwindelgelder erhalten hat und trotzdem gegen eine Kaution von nur 500 000 DM auf freien Fuß gesetzt wurde?
Wie beurteilt die Bundesregierung die in Frage V/10 erwähnten Vorkommnisse und ein derartiges in Frage V/11 erwähntes Verfahren?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich diese drei Fragen gemeinsam beantworten?
Herr Abgeordneter Reichmann, sind Sie einverstanden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist richtig, daß sich eine süddeutsche Firma im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Getreideerzeugnissen in die Schweiz Abschöpfungsvorteile erheblichen Umfangs zu Unrecht verschafft hat. Die Firma hat beispielsweise seit Januar 1959 laufend Ausfuhren hochwertigen Weizenmehls der Typen 520 bis 1000 in die Schweiz vorgetäuscht, obwohl sie überwiegend nur Kleie ausführte. Sie erhielt hierdurch von der Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide Genehmigungen zur abschöpfungsfreien Einfuhr von Getreide, auf die sie keinen Anspruch gehabt hätte.Zum Zwecke der Täuschung hat die Firma äußerst geschickte Maßnahmen ergriffen, die zunächst weder von der Einfuhr- und Vorratsstelle noch von den Dienststellen der Zollverwaltung erkannt wurden. Nach den bisherigen Feststellungen der Oberfinanzdirektion München — Außenwirtschaftsüberwachung — belaufen sich die Hinterziehungen auf 5 bis 6 Millionen DM. Von der Presse mitgeteilte Beträge von 500 bis 600 Millionen DM sind unzutreffend. Sie liegen, wie ich schon sagte, außerhalb des Bereichs des Möglichen. Die Erstattungen im Wege des Abschöpfungsverzichts insgesamt betragen jährlich nur rund 300 Millionen DM. Andererseits haben sich — das habe ich auch schon ausgeführt, und die Debatte hat es bestätigt — auch noch andere Firmen Abschöpfungsvorteile verschafft.Zu 2. Der Angestellte eines schweizerischen Unternehmens erscheint dringend verdächtig, für die Mitwirkung an den Hinterziehungen 1,2 Millionen DM Schmiergelder entgegengenommen zu haben. Er konnte verhaftet werden. Die Vollstreckung des Haftbefehls wurde gegen eine Sicherheitsleistung
Metadaten/Kopzeile:
4536 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Staatssekretär Grundvon 500 000 DM ausgesetzt. Welche Beweggründe den Richter zur Festsetzung der Höhe der Sicherheit veranlaßten, ist mir nicht bekannt.Zu 3. Die Bundesregierung mißbilligt die Steuerhinterziehungen jeder Art und Größenordnung. Sie verurteilt daher das Vorgehen der Firma und ihrer Mitbeteiligten aufs schärfste.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reichmann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, wie durch derartige irreführende Meldungen — 600 Millionen DM statt 6 Millionen DM — die Öffentlichkeit beunruhigt und empört ist, und weshalb erfolgt nicht sofort eine Richtigstellung? Denn die Meldungen gingen ja durch die ganze deutsche Presse.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich weiß nicht, Herr Abgeordneter, wann die Meldungen zuerst aufgetaucht sind. Nach meinen Informationen sind sie in der Tat auf einen Hörfehler zurückzuführen. Es ist die Zahl von 5 bis 6 Millionen DM genannt worden. Vielleicht sind auch die Nullen hinter dem Komma mitgezählt worden.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Reichmann.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung beurteilen, wie die Öffentlichkeit es verurteilt, daß dieser Schweizer bei einem erschwindelten Betrag von 1,2 Millionen DM gegen eine Kaution von 500 000 DM in Freiheit gesetzt wird, so daß ihm noch 600 000 DM verbleiben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das weiß die Bundesregierung sehr wohl richtig zu beurteilen. Ich habe ja auch mit der vorsichtigen Formulierung, daß mir nicht bekannt ist, aus welchen Beweggründen der Richter die Kaution nur auf 500 000 DM festgesetzt hat, angedeutet, daß auch mir die Höhe dieser Kaution zu niedrig erscheint.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Reichmann.
Die Öffentlichkeit stellt natürlich diesen Vergleich an, wie ich ihn soeben darstellte, und beurteilt dementsprechend das Verhalten der Rechtsprechung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann Ihnen nur zustimmen, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Fellermaier zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß in diesem süddeutschen Getreideskandal offensichtlich nur gegen eine einzige Firma als Hauptschuldigen ermittelt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es ist eine Hauptfirma dabei. Ich bin jetzt überfragt, und ich muß mich hüten, etwas Ungenaues zu sagen. — Ich höre aber gerade von einem meiner Beamten, daß es in der Tat nur eine Firma ist. Ich will aber noch einmal genau nachprüfen lassen, ob etwa Nebenbeteiligte da sind. Nach dem gegenwärtigen Stande ist es jedenfalls nur eine Firma.
Das beruhigt Sie hoffentlich etwas.
Wir kehren zur Drucksache V/1555 — Dringliche Mündliche Anfragen — zurück. Ich rufe die Frage II/1 des Abgeordneten Marquardt aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, daß die Bundesrepublik zu einem Exporteur von Reis und Mais geworden ist, obwohl diese Getreidearten in Deutschland kaum angebaut werden?
Bitte, Herr Bundesminister!
Ich darf die Frage 1 wie folgt beantworten. Die Bundesregierung zieht daraus den Schluß, daß wir sehr leistungsfähige Reismühlen und sehr tüchtige Kaufleute haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marquardt.
Herr Bundesminister, Ihrer Meinung nach treffen also Pressemeldungen nicht zu, wonach Exportgeschäfte vorwiegend in Reis und Mais deswegen getätigt werden, weil das durch die Exporterstattungen besonders lukrativ ist.
Nein! Es gibt in diesem Bereich Vorschriften, und zwar können Exporterstattungen nur gewährt werden, wenn gleichzeitig Abschöpfungen erhoben werden. Ich bin aber der Meinnung, daß bei dem Durchgang dieser Waren durch die Bundesrepublik einiges zu unseren Gunsten im Lande bleibt.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marquardt.
Herr Bundesminister, Sie teilen deshalb also auch nicht die der Einfuhr- und Vorratsstelle zugeschriebene Meinung, daß 50% des Agraraußenhandels nicht wegen des Bedarfs, sondern allein wegen des Anreizes, aus Steuermitteln etwas zu bekommen, getätigt werden?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4537
Nein. Ich glaube auch nicht, daß sich die Einfuhr- und Vorratsstelle so geäußert hat. Wenn sie das in dieser Form getan hätte, müßte sie etwas kaufmännischen Nachhilfeunterricht bekommen.
Dann rufe ich die Frage II/2 des Abgeordneten Marquardt auf:
Ist der Bundesregierung bewußt, welcher Schaden dem Ansehen der Regierung und des Bundestages durch die Umgehung der Exportregelungen und dadurch entstehender Steuereinbußen erwächst?
Bitte, Herr Bundesminister!
Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß ihr eigenes Ansehen und das Ansehen des Bundestages durch kriminelles Verhalten Dritter in irgendeiner Form berührt wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marquardt.
Herr Bundesminister, ist Ihnen entgangen, daß sich ein latentes Unbehagen darüber Breitmacht, daß einerseits durch die EWG-Marktordnungen Verteuerungen von Nahrungsmittel hingenommen werden müssen und andererseits durch ein Marktordnungsdickicht einige Kreise sich besonders bereichern können?
Herr Kollege, erstens ist es nicht richtig, daß durch die EWG-Marktordnungen nur Verteuerungen zustande kämen. Im Gegenteil, wir stehen vor einer großen Verbilligung bei Getreide, die sich hoffentlich in den Brotpreisen niederschlagen wrd. Zweitens ist es so, daß durch die Marktordnung keineswegs kriminelle Handlungen provoziert werden. Sie passieren im ganzen Bereich. Das gehört zu den 50% Erbsünde, die den Menschen begleiten.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Marquardt.
Herr Bundesminister, muß ich aus dieser Zahl entnehmen, daß Sie auch 50% auf Unterschleife in Marktordnungen ansetzen?
Nein.
Ich rufe die Frage II/3 des Abgeordneten Marquardt auf:
Welche Schritte hat die Bundesregierung bei der Kommission der EWG unternommen, um die Einrichtung einer zentralen Überwachungsstelle für die Gemeinschaft und eine verbesserte Amtshilfe der EWG-Staaten untereinander zu erreichen, nachdem bei strafbaren Handlungen beim Import und Export von landwirtschaftlichen Produkten Firmen aus mehreren Mitgliedsländern der EWG beteiligt sind?
Herr Kollege, ich bin Föderalist und nicht der Meinung, daß eine zentrale Beobachtungsstelle die Dinge etwa genauer untersuchen kann, sondern ich glaube, daß die Länder hier eine wichtige Aufgabe haben, auch im Rahmen der EWG. Deswegen wird die Bundesregierung nicht danach streben, dort eine zentrale Einrichtung zu schaffen. Wir haben genug zentrale Einrichtungen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Marquardt.
Herr Bundesminister, da sich auf anderen Rechtsgebieten Zentralstellen bewährt haben, — meinen Sie nicht, daß auch hier bei einer Zentralstelle schnellere Aktionen gegen Rechtsbrecher und auch gegen Maschensucher möglich wären?
Es gibt eine sehr gut funktionierende Amtshilfe zwischen den Ländern und den Partnerstaaten der EWG, und es ist hier keine ernsthafte Beanstandung zu erheben.
Herr Abgeordneter Müller zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich auf Ihre vorige Bemerkung zurückkommen. Könnten Sie mir sagen, wo die 50% Erbsünde, die nicht mehr vorhanden sind, hingekommen sind? Ist das nur im Bereich der Landwirtschaft so oder auch sonst?
Im Rahmen der Besserungsleistungen, bei denen wir alle, wie ich auch für Sie meine, beteiligt sind, werden wir wohl 50 °/o abgebaut haben.
Herr Abgeordneter Marquardt zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, kann ich aus Ihrer vorletzten Antwort schließen, daß es im Rechts- und Amtshilfeverkehr keinerlei Verzögerungen oder Schwierigkeiten gegeben hat?
Jawohl.
Herr Abgeordneter Fellermaier zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich fragen, ob es dazu eigentlich eine einheitliche Auffassung der Bundesregierung gibt oder ob es verschiedene Auffassungen der Ressorts gibt, nachdem der Herr Staatssekretär Grund in einer Frage-
Metadaten/Kopzeile:
4538 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Fellermaierstunde vor einigen Wochen hier erklärt hat, er verspreche sich einen größeren Effekt in der Überwachung des Warenverkehrs, wenn bei der EWG in Brüssel eine zentrale Stelle eingerichtet werde, während Sie das heute absolut verneinen.
Herr Kollege Fellermaier, ich habe diese Frage erwartet. Ich bin der Meinung, daß ich recht habe.
Herr Abgeordneter Reichmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, beweisen die soeben erwähnten Skandale die von Ihnen gerade herausgestellte vorzügliche Zusammenarbeit der Länder oder nicht?
Soweit ich über diesen Fall, der noch rechtshängig ist, unterrichtet bin, handelt es sich um eine ganz raffinierte Täuschung. Ich war lange Zeit Staatsanwalt und Strafrichter. Das wird es immer geben.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß gerade diese Skandale eine bessere Zusammenarbeit erforderlich machen?
Die Tat ist nach meinem Wissen so raffiniert durchgeführt worden, daß es auch der besten Zentralstelle nicht gelingen würde, ohne weiteres daraufzukommen. Im übrigen haben die Verbrecher und die Kriminellen immer einen gewissen Vorsprung.
Herr Abgeordneter Schulte zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß bezüglich der zentralen Überwachung eine Abstimmung im Kabinett herbeigeführt werden sollte? Halten Sie diese Frage nicht für wichtig genug?
Herr Kollege, wir haben in der Bundesrepublik bereits zentrale Einrichtungen im Bundeskriminalamt und eine gut funktionierende Zusammenarbeit, was das deutsche Rechtsgebiet betrifft. Wir sind in der Integration im europäischen Markt noch keineswegs so weit, daß auch diese letzten Feinheiten heute schon in Angriff genommen werden können. Wir sind heute noch mit Fragen befaßt, die unmittelbare Angelegenheiten und Anliegen berühren, die z. B. bis 1. Juli gelöst sein müssen. Es ist einfach nicht möglich, die letzte Perfektion jetzt schon zu erreichen. Das ist der Grund. Das wissen Sie doch selbst.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schulte.
Kann ich daraus schließen, daß Sie zu einem späteren Zeitpunkt diese Frage auch in der EWG ansprechen wollen?
Jawohl.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Fellermaier.
Herr Minister, wie erklärt es sich, daß die EWG-Kommission auf die mündliche Anfrage im Europäischen Parlament in der vergangenen Woche sagt, sie halte eine verstärkte Amtshilfe untereinander für dringend notwendig, während Sie hier wiederum für die Bundesregierung betonen, die .Amtshilfe zwischen den EWG-Staaten sei bereits ausreichend?
Soweit mein Haus beteiligt ist, hat es bisher keine einzige Schwierigkeit in der Amtshilfe gegeben, weder auf unserer Seite — was sich von selbst versteht — noch auf der Seite der Partnerstaaten.
Wir kommen zu den Fragen auf der Drucksache V/1537, ebenfalls aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident, ich bitte mir zu gestatten, die Fragen der Herren Abgeordneten Stooß, Josten und Wagner gemeinsam zu beantworten, weil sie in einem Sachzusammenhang stehen.
Sind die Kollegen einverstanden? — Dann rufe ich die Fragen VII/1, VII/2 des Herrn Abgeordneten Stooß sowie die Frage VII/3 des Herrn Abgeordneten Josten und die Frage VII/4 des Herrn Abgeordneten Wagner auf:Hat die Bundesregierung schon festgestellt oder ist sie dabei, Erhebungen anzustellen, wie hoch die Sturmschäden in den Wäldern der Bundesrepublik — insbesondere in Südwestdeutschland — sind, verursacht durch die Störungen vorn 23. und 28. Februar dieses Jahres?Ist die Bundesregierung bereit, alsbald Maßnahmen zu treffen, um den stark unter Druck stehenden und sich sogar einer Katastrophe nähernden Inlandsholzmarkt von Holzimporten ab sofort zu befreien?Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um den Waldbesitzern zu helfen, welche besonders in den letzten Wochen durch Unwetter schwer betroffen wurden?Welche Möglichkeiten zieht die Bundesregierung in Betracht, um Holzeinfuhren zu beschränken und damit die Gefahr einer sowieso schon durch Windbruchschäden verursachten Angebotsschwemme auf dem Holzmarkt — allein im Freistaat Bayern sind nach Schätzungen des bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1,4 Millionen Festmeter Holz durch die Stürme der letzten Zeit gebrochen worden — einzudämmen?Bitte, Herr Minister!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4539
Die Bundesregierung hat das Ausmaß der Sturmschäden im Wald festgestellt. Ich darf einige Details vortragen.
Durch die orkanartigen Stürme vom 20. bis 28. Februar waren über 8 Millionen Bäume mit etwa 5,7 Millionen Festmeter Holz geworfen worden. Inzwischen haben die Stürme am letzten Sonntag und Montag weitere erhebliche Schäden vor allem in Baden-Württemberg und Bayern verursacht. Die durch diese Stürme angefallene Holzmenge wird nach bisheriger grober Ermittlung der Länder auf 1,3 Millionen Festmeter geschätzt. Der Gesamtschaden beträgt somit etwa 7 Millionen Festmeter Holz. Davon entfallen 5,7 Millionen Festmeter auf die Fichte, 0,6 Millionen Festmeter auf die Kiefer und 0,7 Millionen Festmeter auf Buche und Eiche. Schwerpunkte der Katastrophe sind: Schleswig-Holstein mit 360 000 Festmeter — das entspricht 88% des Jahreseinschlagssolls —, Baden-Württemberg mit 3 400 000 Festmeter — das sind 54 % des Jahreseinschlagssolls — und Bayern mit 2 Millionen Festmeter -das sind 27% des Jahreseinschlagssolls —.
Was die Frage betrifft, welche Maßnahmen die Bundesregierung vorsieht, um hier Abhilfe zu schaffen und einen Ausgleich herbeizuführen, so hat sich die Bundesregierung gestern in der Kabinettssitzung eingehend mit der Lage der Forstwirtschaft befaßt und zunächst folgende Maßnahmen beschlossen:
Zunächst einmal bleibt es bis auf weiteres bei der völligen Liberalisierung des Holzexports. Hinsichtlich der Importe aus Drittländern wird versucht, vor allem mit Staatshandelsländern auf freiwillige Import- bzw. Exportbeschränkung hinzuarbeiten, weil die vertragliche Seite keine ausreichende Handhabe gibt. Wir haben im Rahmen der Rindfleischpreisentwicklung des letzten Jahres eine ähnliche Maßnahme getroffen, und zwar mit gutem Erfolg. Darüber hinaus ist beschlossen worden, daß die Bundesregierung die Finanzbehörden anweist, auf Antrag des einzelnen gewisse steuerliche Erleichterungen dort zu gewähren, wo sie nach der Abgabenordnung und nach den Steuergesetzen gerechtfertigt sind. Ferner glaubt die Bundesregierung, daß im Rahmen der Investitionshilfe und des Investitionshaushalts der Baumarkt wieder belebt wird. Der Baumarkt nimmt 70 % des ganzen Holzes auf. Weiter werden die Bundesressorts, Bundesbahn und Bundespost gebeten, in der Verwendung von Holz etwas entgegenkommender zu sein, natürlich soweit es wirtschaftlich vertretbar ist. Darüber hinaus wird im Rahmen des Grünen Plans bei der Bewirtschaftung der Struktur- und Investitionsmittel entsprechende Rücksicht auf die Interessen der geschädigten Waldbesitzer genommen.
Herr Abgeordneter Berberich zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß diese Maßnahmen ausreichen und angesichts des Ausmaßes der Katastrophe eine wirksame Hilfe darstellen? Wird es nicht unter Umständen notwendig sein, bei den besonders Betroffenen
auch noch die Frage zu prüfen, inwieweit Kreditmaßnahmen für die Wiederaufforstung notwendig sind?
Diese Frage wird zu prüfen sein. Zunächst muß das Holz geborgen werden. Wenn das abgeschlossen ist, werden wir dieser Frage, falls ein Bedürfnis besteht, nähertreten.
Herr Abgeordneter Josten zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie die am gestrigen Tage im Kabinett beschlossenen Maßnahmen zur Verbesserung der Holzwirtschaft für weitgehend genug, damit eine spürbare Hilfe in den nächsten Wochen zu erwarten ist?
Ich bin der Meinung, daß es sich um einen ersten und guten Schritt handelt.
Eine weitere Frage.
Herr Minister, sind Sie bereit, dafür einzutreten, daß bei den geplanten Hilfsmaßnahmen auch unter dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeit geholfen wird, damit z. B. kleine Gemeinden in der Eifel auch das Holz aus ihrem Gemeindebesitz verkaufen können?
Das ist eine sehr schwierige Frage, weil wir Hilfen nur bei Bedürftigkeit gewähren und Hilfen gegenüber Gemeinden nicht vom Bund, sondern vorn Land erfolgen müssen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Josten?
Herr Minister, sehen Sie nicht auch die Gefahr, daß wahrscheinlich zuerst die Schäden aus den Staatswäldern zum Zuge kommen, so daß in diesem Falle dann praktisch die Gemeinden oder die kleineren Waldbesitzer letztlich die sind, die ihr Holz nicht verkaufen können, wenn von Ihrer Seite aus nicht sofort darauf hingewirkt wird?
Die Hilfsmaßnahmen, die gestern beschlossen worden sind, beziehen sich allein auf den privaten Waldbesitz.
Noch eine Frage, Herr Kollege Josten?Josten Herr Minister, noch eines: Wenn ich richtig verstanden habe, ist bereits veranlaßt worden, daß der Import von Holzarten, welche durch die Sturmschäden in großen Mengen in unseren Wäldern liegen, ganz oder teilweise gedrosselt wird.
Metadaten/Kopzeile:
4540 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Nein! Es ist beschlossen worden, daß wir an die Drittländer herantreten, die als Hauptlieferanten in Betracht kommen, freiwillig einem Exportstop zuzustimmen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Minister, was gedenken Sie zu tun, wenn die Importländer nicht darauf eingehen? Dann besteht ja die Gefahr, was kein Steuerzahler verstehen könnte, daß praktisch weiter ein Import von Holz erfolgt, während bei uns in den Wäldern das Holz brach liegt.
Die rechtlichen Möglichkeiten sind nicht sehr umfangreich. Wir haben bestehende Handelsverträge und ein Außenwirtschaftsgesetz, dessen § 10 nur einen sehr ungenügenden Schutz gibt und sehr schwierige Anforderungen an die Einschränkungsmöglichkeiten stellt. Ich bin aber überzeugt, daß wir bei geeigneten Vorstellungen doch zu einem Erfolg kommen.
Herr Abgeordneter Röhner!
Herr Minister, ist die Frage überprüft worden, inwieweit hier durch die Einräumung ganz bestimmter Frachterleichterungen für Roh- und Schnittholz abgeholfen werden kann? Ich denke hier unter Umständen an die Möglichkeit, die Erweiterung der Nahverkehrszone auf 100 km in Erwägung zu ziehen, oder auch an die Überprüfung der Genehmigung von Ausnahmetarifen für Schiene und Straße, unter Umständen aber auch daran, Transporterleichterungen in Erwägung zu ziehen.
Diese Frage ist geprüft worden. Leider können diese Maßnahmen nicht ergriffen werden, weil sie einen starken Eingriff in unser Verkehrsrecht bedeuten, das hier keine Ausnahme zuläßt.
Herr Abgeordneter Könen !
Herr Minister, beinhalten die abgesprochenen Hilfemaßnahmen auch solche Tatbestände, gegen die man sich versichern kann?
Ich darf diese Frage schriftlich beantworten. Ich glaube aber nicht, daß das in dieser allgemeinen Form möglich ist. Unsere Versicherungsmöglichkeiten sind nicht so ausdehnbar, wie das bei Lloyd in England der Fall ist.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Könen.
Herr Minister, damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich will wissen, ob nicht gegebenenfalls auch die Möglichkeit der Schadensversicherung der privaten Waldbesitzer bei solchen Hilfsmaßnahmen mit berücksichtigt werden muß.
Herr Kollege, ich glaube nicht, daß das zutrifft, weil die Ertragslage beim Forst so stark zurückgegangen ist, daß die Versicherungsbeiträge gar nicht aufgebracht werden könnten und in keinem Verhältnis zu den Ertragschancen stehen würden.
Aber ich erhalte noch Ihre schriftliche Mitteilung, Herr Minister.
Ja.
Danke.
Herr Abgeordneter Fritsch!
Herr Minister, in Bayern ist zur Abwendung der schlimmsten Schäden insbesondere von privaten Waldbesitzern gebeten worden, die Bundeswehr zur Beseitigung dieser Schäden einzusetzen. Soweit mir bekannt ist, ist in allen Fällen dieses Begehren abgelehnt worden. Wie würden Sie, Herr Minister, von Ihrem Hause aus die Bemühungen sehen wollen, die Bundeswehr zu Behebung der schweren, akuten, manchmal auch existenzbedrohenden Schäden der Waldbesitzer einzusetzen?
Ich habe mich selbst an das Verteidigungsministerium in diesem Punkte gewandt. Das Verteidigungsministerium war auch einverstanden. Angesichts der Arbeitslosigkeit — soweit bin ich unterrichtet — wurde von der Bundesanstalt in Nürnberg der Standpunkt vertreten, daß zunächst Arbeitslose einzusetzen wären. Ich bin nicht dieser Auffassung, und zwar deswegen, weil diese Schäden schon so viele wirtschaftliche Nachteile bringen, daß der Einsatz von normalen Arbeitskräften wirtschaftlich nicht zu verantworten wäre.
Herr Abgeordneter Fritsch zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, nachdem ich Ihre Meinung völlig teile, möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, sich noch einmal mit dem Verteidigungsministerium und vielleicht auch mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Verbindung zu setzen,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4541
Fritsch
um bei diesem Katastrophenzustand, um den es sich, wie Sie mit Recht ausgeführt haben, handelt mit seinen verheerenden wirtschaftlichen Wirkungen, doch zu erreichen, daß die Bundeswehr noch eingesetzt wird.
Ich habe das gestern veranlaßt.
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.
Herr Bundesminister, nach Zeitungsmeldungen hat der Bayerische Staatsminister für Landwirtschaft und Forsten Abgeordneten des Bundestages und zweifellos auch Ihnen genaue Vorschläge unterbreitet. Wie stehen Sie zu den Vorschlägen des Herrn Bayerischen Staatsministers?
Ich war gestern seit morgens 9.00 Uhr den ganzen Tag in dem Hohen Hause beschäftigt. Es ist mir bei bestem Willen nicht möglich gewesen, diese Studie noch aufzunehmen. Ich werde das aber unverzüglich nachholen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter.
Darf ich dann eine Einzelfrage aus den Vorschlägen des Herrn Staatsministers herausgreifen, nämlich die Erleichterung dadurch, daß die sofortige Fortschreibung der Einheitswerte im Rahmen der zu erwartenden Ermäßigung zumindest für die von der Katastrophe betroffenen Gebiete herbeigeführt wird.
Das ist gestern im Kabinett eingehend besprochen worden. Wir waren der Auffassung, daß eine Verordnung — und es müßte eine gesetzliche Regelung sein — allein aus diesem Grunde nicht tunlich ist. Wir sind aber bereit, im Rahmen von Einzelanträgen bei entsprechenden Nachweisen Erleichterungen auch auf diesem Sektor zu verschaffen.
Herr Abgeordneter Müller .
Herr Bundesminister, ich habe noch eine Frage, die sich auf die Bundeswehr bezieht: Ist es nicht so, daß auch beim Einsatz der Bundeswehr die Leistung von dem privaten Waldbesitzer vergütet werden muß?
Ja, aber nicht so hoch.
Herr Abgeordneter Fellermaier zu einer weiteren Frage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, darf ich Sie fragen, ob Ihr Studium der Vorschläge der Bayerischen Staatsregierung so rechtzeitig beendet sein wird, daß Sie morgen in der Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wo dieser Tagesordnungspunkt aufgerufen wird, dazu Stellung nehmen können?
Davon dürfen Sie bei dem bekannten Fleiß des Ernährungsministeriums ausgehen.
Herr Abgeordneter Röhner!
Herr Bundesminister, ist auf der gestrigen Kabinettssitzung bei der Behandlung dieses Punktes auch erwogen worden, daß die betroffenen Betriebe möglicherweise für ein Jahr eine Stundung oder einen Erlaß bei der Lastenausgleichsabgabe erhalten sollten oder könnten?
Das ist erwogen worden. Es handelt sich hier um eine sehr schwierige Frage.
Herr Bundesminister, wie gedenken Sie diese sehr schwierige Frage zu lösen?
Sie müßte eigentlich mein Nachbar lösen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Röhner.
Herr Bundesminister, werden Sie auf Ihren Nachbarn entsprechend einwirken, daß eine positive Lösung im Sinne der betroffenen Betriebe angestrebt wird?
Mein Nachbar ist als hartnäckig bekannt.
Ich rufe die Frage VII/5 des Abgeordneten Dr. Schmidt auf:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung die Einführung begrenzter Jagdzeiten für Schwarzwild und Wildkaninchen vorgeschlagen?
Bitte Herr Minister!
Herr Kollege Dr. Schmidt, diese Regelung war notwendig, weil es im § 22 des Bundesjagdgesetzes eine Bestimmung gibt, daß selbst bei diesen Wildarten Setz- und Aufzuchtzeiten zu beachten sind. Andererseits ist es so, daß nach
Metadaten/Kopzeile:
4542 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Bundesminister Höcherlder bisherigen rechtlichen Situation Setz- und Aufzuchtzeiten nicht eingebaut werden konnten. Deswegen mußte der gleiche Zweck, der gesetzlich bestimmt ist, durch Schonzeiten erreicht werden. Das war der Grund für diese Bestimmung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Dr. Schmidt.
Diese für die Landwirtschaft ganz unverständliche Entscheidung läßt darauf schließen, daß nicht alle Beteiligten gehört worden sind. Trifft das zu?
Nein, ich glaube, daß auf der Ressortebene alle Beteiligten gehört worden sind. Ich kenne auch die Einwendungen von landwirtschaftlicher Seite, und ich halte sie sachlich für begründet. Aber wie so oft stehen sich diese Forderung, die bereits Gesetz ist, und die Interessen der Landwirtschaft kontrovers gegenüber. Es mußte daher dieser recht bescheidene Schutz eingebaut werden, um einer gesetzlichen Bestimmung gerecht zu werden.
Eine weitere Frage, Herr Dr. Schmidt.
Herr Minister, ist das nur ein Glauben oder ist es ein Wissen um diese Erklärung, die Sie gerade gegeben haben?
Ich möchte sagen, ein Mittelding zwischen beiden.
Herr Abgeordneter Dr. Effertz zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß man doch einen großen Unterschied in der Beurteilung dieser Frage zwischen den Wildkaninchen und dem Schwarzwild machen muß, denn für Schwarzwild gibt es ja begrenzte Schutzmöglichkeiten gegen Wildschaden, für Wildkaninchen dagegen nicht?
Wir sind zeitlich auf den engsten Raum ausgewichen.
Die Frage Nr. 6 des Abgeordneten Dr. Siemer. — Bitte, Herr Minister!
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die zum Teil doppelte Erhöhung der Ausgleichsabgabe auf dem Fleischmarkt die Zuführung von Fleisch aus Schlachtungen, die außerhalb öffentlicher Schlachthöfe vorgenommen werden, zum Sterben verurteilt wird?
Ja, die Bundesregierung kennt diese Vorgänge, glaubt aber nicht, daß des-
wegen die Fleischzufuhr außerhalb öffentlicher Schlachthöfe zum Sterben verurteilt ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Siemer.
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß die unterschiedliche Behandlung der Ausgleichsabgabe von einigen Ländern damit erklärt wird, daß der Bund nicht zuständig sei, und daß sie es machen, wie sie wollen?
Ja, das ist richtig! Die meisten Länder stehen auf dem Standpunkt, den die Bundesregierung vertritt, daß die Verordnung — also das Gesetz — aus dem Jahre 1933 noch rechtsgültig ist und daß die Rechte der Exekutive auf die Bundesregierung übergegangen sind. Ein Land nimmt jedoch einen anderen Standpunkt ein, das ist vor allem jenes Land, das die Abgabe erhöht hat. Wir billigen das nicht. Wir sind aber auch nicht der Meinung, daß dieser Fall ausreichte, den schwierigen Artikel 84 des Grundgesetzes zu strapazieren, den die Bundesregierung bisher auch nicht strapaziert hat. Aber es gibt für die. private Seite interessante Möglichkeiten, auf dem Klagewege eine Klärung herbeizuführen. Meines Wissens sind solche Rechtsstreite bereits anhängig.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Siemer.
Sind Sie mit mir der Meinung, daß die Ausgleichsabgabe ausschließlich vom Erzeuger zu tragen ist?
Ich glaube nicht, daß man das sagen kann, und zwar deswegen nicht, weil das von der Marktlage abhängt. Niemand kann sagen, wie auf dem Markt ein Kostenelement wirklich abgewälzt wird. Es bleibt gelegentlich beim Erzeuger, es bleibt gelegentlich beim Verteiler und in den meisten Fällen beim Konsumenten hängen.
Dann kommt die Frage Nr. 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Siemer. Ist die damit schon beantwortet? — Nein!
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die in Frage VII/6 erwähnte Erhöhung, die teilweise 100% beträgt, eine Novelle-rung der bereits in der vorigen Legislaturperiode eingereichten Gesetzesvorlage dringend erforderlich macht?
Nein, Herr Präsident, sie ist noch nicht beantwortet.
Aber im Zusammenhang!
Sie steht zwar in einem Sachzusammenhang, aber sie ist noch nicht ausdrücklich beantwortet worden. Ich möchte das nachholen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4543
Bundesminister HöcherlIch glaube nicht, Herr Kollege Dr. Siemer, daß jetzt schon eine Novellierung angebracht ist, und zwar aus folgenden Gründen nicht. Wir arbeiten an einer Fleischnotierung für Rindfleisch, und ich hoffe, daß wir durch eine Ergänzung des Fleischgesetzes noch in diesem Jahr in der Lage sein werden, eine Fleischnotierung für Rindfleisch vorzulegen. Erst dann, wenn es so weit ist, könnte eine Novellierung ins Auge gefaßt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Siemer.
Herr Minister, Ihnen ist sicherlich bekannt, daß die Lebendviehvermarktung, die, als im Jahre 1935 die Ausgleichsabgabe eingeführt worden ist, 48 % ausmachte, zur Zeit noch knapp 20 % ausmacht. Der sogenannte Totversand oder die Versandschlachtung macht heute auf dem Schweinesektor rund 6 Millionen bis 7 Millionen Tiere aus. Das heißt mit anderen Worten, daß sich der Hauptschlachtbetrieb jetzt in die Versandschlachtereien verlagert hat. Man kann also meines Erachtens nicht sagen — ist das nicht auch Ihre Meinung? —, daß heute noch die Transparenz der Preisgestaltung am Lebendviehmarkt möglich ist.
Bei Schweinen dürften Sie recht haben; bei Rindfleisch ist diese Lage noch nicht eingetreten. Aber interessant ist, daß der steigende Fleischversand auch bei Rindfleisch doch meine Meinung bestätigt, daß bisher durch diese Ausgleichsabgaben noch keine erheblichen Schäden entstanden sind.
Herr Minister, eine weitere Frage! Mit unserem Eintreten in den EWG-Raum werden wir die Ausgleichsabgabe als ein sehr großes Hindernis ansehen müssen, weil sie es verhindert — das möchte ich ausdrücklich sagen; ist das nicht Ihre Meinung? —, zu einer sogenannten Konzentration auch im Vermarktungsprozeß zu kommen. Die sogenannte Ausgleichsabgabe wirkt als zusätzliche Steuer kumulativ. Ist es nicht Ihre Meinung, daß wir sie zumindest abschaffen müssen, wenn wir in den EWG-Raum eintreten und eine sogenannte Harmonisierung der Steuern herbeiführen wollen?
Herr Kollege! In der Tendenz geb ich Ihnen recht. Aber zunächst ist noch zu beachten, daß zum Teil 20 bis 30, sogar bis zu 50'0/o der Einnahmen der kommunalen Schlachthöfe aus dieser Ausgleichsabgabe bezogen werden und daß auch dafür ein Ausgleich gefunden werden muß. Das Problem ist — wie die meisten — doch sehr vielgestaltig.
Die Frage Nr. 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Siemer!
Ist die vom Bundesernährungsministerium in der 4. Legislaturperiode in Aussicht gestellte Untersuchung des gesamten Komplexes der Frischfleischversorgung durch die Versandschlachtereien und die damit im Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten an den städtischen Schlachthöfen inzwischen fertiggestellt worden, so daß jetzt mit einer weiteren Behandlung der in Frage VII/7 erwähnten Gesetzesvorlage gerechnet werden kann?
Die ist schon beantwortet.
Danke sehr!
— Noch eine Frage will ich Ihnen zugestehen.
Herr Minister, ist Ihnen auch bekannt, daß selbst die größten der 450 Schlachthöfe in Deutschland nur ungefähr 18 bis 20% ihrer Unkosten oder Abgabenzusammenstellung aus den sogenannten Ausgleichsabgaben beziehen? Sie sind also gar nicht darauf angewiesen. Ich frage Sie: Sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Schlachthöfe keineswegs darauf angewiesen sind, wenn man konzentriert. Denn es ist notwendig, 450 Schlachthöfe im Bundesgebiet zu unterhalten.
Ich kann nur wiederholen, daß Sie in der Tendenz recht haben. Es werden aber 27 Millionen DM umgesetzt, für die ein Ersatz und Ausgleich gefunden werden muß.
Frage VII/9 des Herrn Abgeordneten Effertz:
Ist die Bundesregierung bei ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage betr. Förderung der Vollblutzucht — Drucksache V/1360 — bereit, die in dieser Anfrage aufgeworfenen Fragen auch in bezug auf die Traberzucht zu beantworten, da die Verhältnisse in der Traberzucht denen in der Vollblutzucht gleichen?
Bitte, Herr Minister!
Ich habe diese Anfrage bezüglich der Vollblutzucht bereits schriftlich beantwortet und bin der Meinung, daß für die Traberzucht das gleiche gilt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie dann bereit, der Vollblutzucht einseitig gewährte Steuervergüristigungen — ich will das nicht näher ausführen —, wenn die Krisensituation ähnlich ist, auf die Traberzucht auszudehnen?
Ich bin bereit, mich dafür einzusetzen.
Dann die Frage VII/10 der Frau Abgeordneten Freyh:Was verspricht sich die Bundesregierung von den im Auftrag des Bundesernährungsministers vom Bundesausschuß für volkswirtschaftliche Aufklärung herausgegebenen Broschüren „Käse" bzw. „Geflügel", Ausgaben 1966?Bitte, Herr Minister!
Metadaten/Kopzeile:
4544 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Die Herausgabe der KäseBroschüre wurde erforderlich, weil sich die Lebensgewohnheiten in den letzten Jahren merklich gewandelt haben und sich das Warenangebot erheblich erweitert hat. Auf dem deutschen Markt liegen in zunehmendem Maße auch ausländische Käsesorten, und da die Anzahl der angebotenen Käsesorten, die sich zum Teil wesentlich voneinander unterscheiden, ständig steigt, erschien es notwendig, dem Verbraucher bei der Auswahl durch warenkundliche Informationen zu helfen.
Die Herausgabe der Geflügelfleisch-Broschüre wurde notwendig, weil der Verzehr von Geflügel in den letzten Jahren erfreulicherweise ständig zugenommen hat. Es erschien unerläßlich, den Verbraucher über Geflügelarten, Einkauf, Aufbewahrung, Behandlung, Zubereitung und über den ernährungsphysiologischen Wert des Geflügelfleisches objektiv zu informieren.
Das entspricht auch einem in einer Großen Anfrage der SPD-Fraktion in der letzten Legislaturperiode niedergelegten Wunsch über zusätzliche Maßnahmen für die Verbraucheraufklärung und den Verbraucherschutz.
Frau Abgeordnete Freyh stellt eine Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie es für eine Aufgabe der Bundesregierung halten, in dieser Form, also in recht aufwendiger Weise, über Dinge zu unterrichten, die eigentlich Material für den Hauswirtschaftsunterricht darstellen sollten.
Frau Kollegin, ich habe mir diese Broschüren angesehen. Ich finde sie sehr interessant und sehr gut aufgemacht. Ich glaube auch nicht, daß allzuviel Aufwand getrieben ist. Im übrigen bin ich der Meinung, daß die Bundesregierung hier ein gutes Werk vollbracht hat.
Eine weitere Frage, Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Minister, darf ich Sie fragen, auf welche Höhe sich, abgesehen von diesen zwei Broschüren, die ich ausdrücklich angeführt habe, die Kosten belaufen, die die Bundesregierung zur Unterstützung solcher Broschüren jährlich aufwendet.
Die Mittel sind von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Die Zahlen für diese beiden Broschüren habe ich hier; ich darf Sie Ihnen mitteilen. Die Herstellungskosten für die Käse-Broschüre beliefen sich bei einer Auflage von 300 000 Stück auf 96 000 DM und die Versandkosten auf 20 000 DM. Für die Geflügelfleisch-Broschüre wurden bei einer Auflage von 200 000 67 000 und 15 000 DM aufgewendet.
Die Möglichkeiten für den Haushalt 1967 müssen erst im Feststellungsverfahren durch das Hohe Haus geklärt werden.
Bitte schön, Frau Abgeordnete Stommel.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß durch den Verteilerschlüssel, der wahrscheinlich in Ihrem Hause aufgestellt wird, dafür gesorgt werden sollte, daß die Broschüre, die ich für ausgezeichnet halte, wirklich an den Verbraucher herangebracht wird, damit sie nicht in der Verbraucherzentrale liegen bleibt und der Verbraucher nicht die nötige Einsicht bekommt?
Frau Kollegin, ich habe eine viel zu hohe Meinung von der Verbraucherzentrale, als daß ich den Verdacht hegen könnte, daß dort die Dinge liegen bleiben.
Eine weitere Frage.
Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß man diese Schriften am besten direkt in die Geschäfte gibt, damit sie der Verbraucher auch in die Hand bekommt?
Ich habe gar nichts gegen diesen Vorschlag einzuwenden. Ich finde ihn sehr gut.
Wahrscheinlich müßte dann der Schlüssel erhöht werden.
Ich wäre sehr dankbar.
Herr Abgeordneter Josten zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß diese von Ihnen geförderten Broschüren auch dem Absatz unserer Landwirtschaft helfen, so daß diese Ausgaben in Ihrem Etat für Verbraucher und Landwirtschaft von Nutzen sind?
Jawohl.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Minister, sind Sie dann bereit, auch eine Broschüre über den hohen Wert unseres deutschen Weins zu fördern?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4545
Ja, an mir wird es nicht liegen.
Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Minister.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 b auf:Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes— Drucksachen V/1400, zu V/1400 —Entsprechend dem heute früh gefaßten Beschluß werden gleichzeitig damit behandelt und aufgerufen die Punkte 1 bis 6 der Zusatztagesordnung:1. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den . von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine, Schweinefleisch und Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse für Einfuhren im zweiten Vierteljahr 1967— Drucksachen V/1511, V/1550 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke2. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die zeitliche Verschiebung der Anwendung der durch die Verordnung Nr. 160/66/EWG des Rats vom 27. Oktober 1966 eingeführten Handelsregelung und über die Aufhebung von Artikel 2 der Verordnung Nr. 167/64/EWG des Rats vom 30. Oktober 1964— Drucksachen V/1524, V/1551 —Berichterstatter: Abgeordneter Fritz
3. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Abänderung der Verordnung Nr. 14/64/EWG betreffend die von dem Großherzogtum Luxemburg gewährte Beihilfe auf dem Rindfleischsektor— Drucksachen V/1523, V/1561 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Effertz4. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über Maßnahmen auf dem Gebiet der Orientierungspreise für Rindfleisch für das Wirtschaftsjahr 1967/68 sowie denEntwurf einer Entschließung zu den Interventionspreisen für ausgewachsene Rinder für das Wirtschaftsjahr 1967/68— Drucksachen V/1508, V/1560 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Rinderspacher5. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über die erste, während der dritten Stufe durchzuführende Senkung der Zollsätze zwischen den Mitgliedstaaten für bestimmte, in Anhang II des Vertrages aufgeführte Erzeugnisse— Drucksachen V/1509, V/1562 — Berichterstatter: Abgeordneter Brand6. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Höhe der Beihilfen für die private Lagerhaltung von Butter— Drucksachen V/1510, V/1566 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. RitzFerner rufe ich die Punkte 7 bis 14 der vorliegenden gedruckten Tagesordnung auf:7. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über Maßnahmen bei den Preisen für Milch und Milcherzeugnisse im Milchwirtschaftsjahr 1967/68 und zur Änderung der Verordnung Nr. 215/ 66/EWG— Drucksachen V/1403, V/1477 — Berichterstatter: Abgeordneter Seither8. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die gemeinsame Marktorganisation für Schweinefleisch— Drucksachen V/1280, V/1499 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reinhard9. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten
Metadaten/Kopzeile:
4546 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Vizepräsident Dr. DehlerVorschläge oder Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die gemeinsame Marktorganisation für Geflügelfleischeine Verordnung des Rats über die gemeinsame Marktorganisation für Eier— Drucksachen V/1352, V/ .... — Berichterstatter: Abgeordneter Ehnes10. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über das Recht der Landwirte, die Angehörige eines Mitgliedstaates und in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, auf Zugang zu den verschiedenen Arten von Beihilfen— Drucksachen V/1288, V/1529 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Siemer11. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide— Drucksachen 1T/1282, V/1530 —Berichterstatter: Abgeordneter Müller
12. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats betreffend Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf die Anwendung der gemeinsamen Preise für Getreide— Drucksachen V/1283, V/1533 —Berichterstatter: Abgeordneter Müller
13. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Entscheidung des Rats betreffend die von den Mitgliedstaaten im innergemeinschaftlichen Warenverkehr geforderten Formalitäten— Drucksachen V/1255, V/1534 — Berichterstatter: Abgeordneter Junker14. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abgeordneten Wächter, Logemann, Sander, Ertl, Peters (Poppenbüll), Reichmann und Genossenbetr. Rinderorientierungspreis 1967/68— Drucksachen V/1197, V/1532 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. ReinhardFerner rufe ich einen Punkt auf, der gestern auf die Tagesordnung gesetzt worden ist:Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Erfordernisse des Marktes
— Drucksache V/1544 —Die Aussprache beginnt. Herr Abgeordneter Bauknecht, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß Sie alle, die Sie jetzt hier sind, gestern die sehr gute Rede — ich glaube, man kann sie so bezeichnen — des Herrn Bundesernährungsministers gehört haben. — Herr Ernährungsminister, Sie müssen die Gelegenheit benutzen, wenn Sie einer lobt. — Ich glaube, es war eine gute Rede. Sie war sehr umfassend und hat sich nicht nur auf die momentane Situation bezogen, sondern weite Aspekte für die Zukunft aufgezeigt. Das möchte ich von vornherein feststellen.Aber, meine Damen und Herren, wenn wir die augenblickliche Situation der deutschen Landwirtschaft betrachten, so wie sie sich aus dem Grünen Bericht 1967 ergibt, muß ich leider feststellen, daß das Ergebnis alles andere denn erfreulich ist. Zwölf Jahre haben wir jetzt den Grünen Bericht, und mit Ausnahme eines einzigen Jahres hat er noch nie solch ein mageres Ergebnis gezeigt. Dieses magere Ergebnis wird im Augenblick mit der allgemeinen Haushaltslage und den Kürzungen, die das Kabinett und der Bundestag infolgedessen für notwendig hielten, sowie mit der endgültigen Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes konfrontiert. Diese beiden letzten Punkte, die mit dem wenig erfreulichen Ergebnis des Grünen Berichts zusammentreffen, sind es, die die augenblickliche Unruhe in der Landwirtschaft gerechtfertigt erscheinen lassen.Lassen Sie mich zunächst einmal ganz kurz mit ein paar Strichen auf die Systematik des Grünen Berichts selber eingehen. Wenn man die Presse und die anderen Publikationsorgane verfolgt hat, seitdem Sie, Herr Minister Höcherl, den Grünen Bericht dem Hohen Hause fristgemäß zum 15. Februar vorgelegt haben und die Öffentlichkeit davon Kenntnis genommen hat, daß hier für die Landwirtschaft wenig Erfreuliches gesagt wurde, stellt man fest, daß 'man klugerweise einfach umgeschaltet und den Aussagewert des Grünen Berichts in Zweifel gezogen hat. Das lag natürlich nahe. Meine Damen und Herren, das ist wirklich bedauerlich. Gerade der vorliegende Grüne Bericht verdient das nicht. Gerade in diesem Bericht hat man all die Unzulänglichkeiten ausgemerzt, die vielleicht den früheren Berichten noch angehaftet haben. Ich darf sagen, der Aussagewert dieses Grünen Berichtes ist beweiskräftiger als jeder andere zuvor. Ich will Ihnen das kurz klarlegen.Zunächst einmal wurde immer bemängelt, daß man früher und hier nicht den möglichen Zuerwerb der Zuerwerbs- und der Nebenerwerbsbetriebe in Betracht gezogen habe. Das Ministerium hat die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4547
Bauknecht Konsequenzen gezogen, und man hat bei den 8000 Testbetrieben in der Bundesrepublik, die diesem Grünen Bericht zugrunde liegen, eine sorgfältige Auswahl getroffen. Man hat nur solche in Betracht gezogen, deren Inhaber ihr Einkommen lediglich aus der Landwirtschaft beziehen, und das ist eine wesentliche Sache. Man hat all jene ausgeschieden, deren Betriebsertrag unter 15 000 DM liegt. Das erhöht den Aussagewert.Zweitens war immer bemängelt worden, daß die Nahrungsmittelentnahmen aus dem eigenen Betrieb annähernd zu den Erzeugungskosten angenommen würden, während ja die Gruppen der gewerblichen Wirtschaft, die im Grünen Bericht zum Vergleich herangezogen werden, den Marktpreis zu bezahlen hätten, den sie im Laden entrichten müßten. Meine Damen und Herren, bisher war der Zuschlag 32 %. Auf Grund genau erstellter Kalkulationen unserer betriebswirtschaftlichen Institute hat man jetzt diese 32% auf 48% erhöht. In diesem Grünen Bericht ist also die Eigenentnahme der Nahrungsmittel mit einem Zuschlag von 48% auf den Erzeugerpreis belegt, und damit entfällt auch diese Kritik. Leider hat die Presse darauf nicht hingewiesen.Drittens ist ein Zinsanspruch für das investierte Aktivkapital auf Grund von Erfahrungen nunmehr je nach Betriebsgröße und Nutzungssystem differenziert worden. Der hier bisher bestehende Mangel wurde in der Vergangenheit immer beanstandet und ist jetzt behoben.Als vierter Punkt wurde gesagt: Nun ja, wie kann man den Mietwert der eigenen Wohnung überhaupt mit dem Mietwert von Wohnungen solcher Gruppen, die in der gewerblichen Wirtschaft tätig sind, vergleichen; welch eine unzulängliche Sache! Nun ist man auf Grund des Vorschlags des Beirats beim Bundesernährungsministerium zu dem Entschluß gekommen, den Mietwert ganz außer Ansatz zu lassen. Damit ist auch hier eine klarere Aussage erzielt.Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten auf Grund dieser Verfeinerung und dieser Rektifizierung keinen Zweifel mehr an dem Aussagewert haben.Zum Ergebnis selber nur ein paar kurze Bemerkungen. Wir von der Landwirtschaft könnten beanstanden, daß außer acht gelassen wurde, daß in der Landwirtschaft auf Grund der Realitäten in der Woche vier Stunden länger gearbeitet wird, d. h. im Jahr 208 Stunden. Diese Tatsache ist noch außer acht gelesen und damit der Grüne Bericht eher zum Besseren frisiert worden. Man müßte also diese Dinge noch korrigieren. Allerdings wäre der Grüne Bericht dann für die Landwirtschaft noch schlechter ausgefallen.Meine Damen und Herren, was ich jetzt hier sage, ist nicht meine Meinung, sondern ist von wissenschaftlichen Instituten festgestellt. Während vielfach behauptet wird, in den Betrieben bestehe noch ein Überbesatz an Arbeitskräften, den man auch in Rechnung stellen müsse, sind die Institute einheitlich zu der Aussage gekommen, daß im Gegenteil ein Unterbesatz und eine Überbelastung der vorhandenen Arbeitskräfte festzustellen ist. Das muß beachtet werden, wenn man eine Wertung vornimmt.Nun, meine Damen und Herren, man nimmt es als selbstverständlich an, was Minister Höcherl gestern vor dem Hohen Hause gesagt hat: daß in den letzten 15 Jahren im Durchschnitt jährlich 30 000 Bauernbetriebe ihre Hoftore schließen mußten. Welches Schicksal das im einzelnen für die Betroffenen bedeutet, nimmt man als selbstverständlich, als landläufig hin; das sei ein natürlicher Prozeß. Nun ja, wenn sich das mit einem Generationswechsel verbindet, dann kann man das so hinnehmen. Aber wenn ältere Landwirte ausscheiden, weil ihre Betriebe zu klein sind, so ist das keine einfache Sache. Sie ist mindestens genauso schwerwiegend, wenn nicht schwerwiegender, wie bei einem anderen Strukturwechsel. Ich meine hier vor allem die Kohle, wenn dort ältere Bergarbeiter aus ihrem gelernten Handwerk ausscheiden und einen anderen Beruf ergreifen müssen.Aber ich darf doch feststellen, daß man hier in diesem Hohen Hause gewillt ist, alles Erdenkliche zu tun, um diesen Wechsel zu erleichtern — auch mit unseren Stimmen, den Stimmen der Agrarier. Wenn wir das auch als selbstverständlich und notwendig ansehen, so darf man doch auf der anderen Seite nicht sagen: Nun, in der Landwirtschaft wird das schon von selber gehen.Meine Damen und Herren, ich habe heute früh in der Presse gelesen, daß man da den Bundesernährungsminister sehr gelobt hat, weil er die Tatsache in den Vordergrund gestellt hat, daß es notwendig sei, die Agrarstruktur zu verbessern. Das ist durchaus auch die Meinung meiner Fraktion. Das ist die Voraussetzung dafür, daß die Dinge wieder in Ordnung gebracht werden. Aber geben Sie sich bitte nicht dem Irrtum und der Täuschung hin, daß damit alles erreicht sei. Agrarstrukturverbesserung ist die Voraussetzung, aber man soll nicht glauben, daß darin das alleinige Heil zu sehen sei. Wir sehen jetzt, daß durch die vorhin von mir erwähnten Streichungen im Etat die Agrarstrukturverbesserung auf verschiedenen Gebieten eine empfindliche Kürzung erfahren hat. Weiter muß man wissen, daß es vermutlich noch Jahre dauern wird, bis diese Dinge in Ordnung gebracht werden.Hier ist es besonders schwerwiegend, daß der Titel Aussiedlungen und Althofsanierungen sehr stark, gleich um 55 Millionen DM, gekürzt wurde, obwohl man weiß, daß durch die Vorbelastung des vergangenen Jahres das allermeiste praktisch schon weggegeben worden ist, so daß im laufenden Jahr 1967 hier relativ wenig geschehen kann. Herr Minister Höcherl, ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß man, wenn das Geld knapp ist, mit der Frage der Aussiedlung etwas behutsamer sein muß; man muß die Aussiedlung eben eine Zeitlang etwas zurückstellen. Ich bin durchaus mit Ihnen der Auffassung, daß man sie jetzt auf die Fälle beschränken sollte, wo es sich gleichzeitig um eine Flurbereinigung größeren Ausmaßes handelt und zugleich eine Dorfauflockerung damit verbunden ist.
Metadaten/Kopzeile:
4548 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
BauknechtMeine Damen und Herren, wenn ich hier von Aussiedlung spreche, so möchte ich auch einen Blick auf die sogenannte Vertriebenensiedlung, die als Siedlungs-Kapitel im Einzelplan 10 steht, eingehen. Hierfür hat die Bundesregierung seit langen Jahren sehr viel aufgewendet. Auch dieser Betrag wurde gekürzt. Wir sind der Auffassung, daß diese Sache weitergeführt werden muß. Aber man sollte ihr dann die richtige Titulatur geben. Es handelt sich hier nicht um eine landwirtschaftliche Siedlung allein, sondern im wesentlichen ist dieser Posten praktisch ein sozialer Wohnungsbau für die Heimatvertriebenen. Aber er wird der Landwirtschaft als Subvention angelastet. Das ist es, wogegen wir uns wenden.Zum Ergebnis selber: ein Minus von 33 %! Das heißt, in den landwirtschaftlichen Testbetrieben ist der Vergleichslohn um 33% gegenüber vergleichbaren Gruppen der gewerblichen Wirtschaft zurückgeblieben. Was lag nun näher, als zu sagen: Innerhalb der Landwirtschaft selber ist die Disparität sehr groß. Auch darauf ist Herr Höcherl gestern eingegangen. Meine Damen und Herren, ich frage Sie aber: Soll man den Grünen Plan allein nach dem Ergebnis der Spitzenbetriebe ausrichten? In diesem Fall würde der Teufel die letzten holen. Dann müßte die Landwirtschaft in sämtlichen Mittelgebirgslandschaften heute schon aufhören. Dann muß man eben sagen: wir überlassen die Dinge der Natur, und die Landwirtschaft wird von dort zurückgezogen. Ich warne vor solchen Überlegungen. Aber das ist die logische Folge, wenn man glaubt, man könne diese Dinge in Zukunft nur nach den Spitzenbetrieben ausrichten.Es ist interessant, auch in diesem Zusammenhang einmal die Frage der Betriebsgröße zu betrachten. Viele Leute bei uns sagen, Großbetriebe seien auf jeden Fall rentabler. Warum hat man nicht den Mut, das den Kleinen zu sagen? Warum sagt man ihnen nicht: hört alle auf und macht größere Betriebe? Meine Damen und Herren, ich muß hier auch vor diesem Irrglauben warnen. Wenn Sie einen Einblick in die Ergebnisse der Buchführung der Landwirtschaftskammern von Norddeutschland haben, wo es im wesentlichen mehr Großbetriebe als in Süddeutschland gibt, werden Sie mit Erschrecken feststellen, daß es in den dortigen Großbetrieben die höchsten Verschuldungen gibt.
Ich habe erst kürzlich in die Ergebnisse von Schleswig-Holstein und des Landes Niedersachsen Einblick genommen. Wenn man die Leute fragt, warum sie diese Schulden haben. Das ist eine ganz klare Sache: Nachdem die Arbeitskräfte abgewandert waren, mußte man mechanisieren, und die erste Mechanisierungswelle mit hohen Investitionen hat gleich nach der Währungsreform stattgefunden; die zweite fand in der Mitte und am Ende der 50er Jahre und die dritte findet im Augenblick statt. Warum das? Weil die Technisierung solche Fortschritte gemacht hat, daß man mit den Maschinen von vor zehn Jahren einfach nicht mehr zurechtkommt. So hat man den Leuten ständig neue Investitionen empfohlen, und sie waren ja auch aus Mangel anArbeitskräften dazu gezwungen. Diese Dinge muß man sehen. Herr Höcherl hat gestern gesagt, daß für einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft im Durchschnitt 72 000 DM an Kapital investiert werden müßten. Das ist der deutliche Beweis dafür, daß eben diese Sache allein nicht genügt, um die Rentabilität herzustellen, weil die Kosten der Investitionen so hoch sind.Meine Damen und Herren, wenn ich von der Betriebsgröße spreche, nehme ich das auf, was der Minister gestern gesagt hat. Die Disparitätserscheinung ist ja kein typisch deutsches Problem. Herr Minister Höcherl, Sie haben gesagt, daß der Farmer in den USA aus eigener Kraft nur 50 0/o des Vergleichslohns erwirtschaften kann, der in der gewerblichen Wirtschaft erzielt wird. Nun hören Sie aber einmal folgendes, meine Damen und Herren: In der Bundesrepublik liegt die durchschnittliche Betriebsgröße bei etwa 9 ha, in den USA bei 138 ha. Die mehr als fünfzehnmal größeren Betriebe genügen also nicht, um es den Leuten zu ermöglichen, aus eigener Kraft zu leben. Es wäre daher wieder eine Illusion, zu glauben, daß sich die Verhältnisse besserten, wenn man nur Großbetriebe hätte.
Es ist gar kein Geheimnis, daß man die sogenannten Weltmarktpreise für die Nahrungsgüter als fiktiv bezeichnen muß. Das ist der Kampfpreis der Überschußländer der Welt, der Kampf zwischen den Finanzministern der Welt; denn die USA müssen trotz der 138 ha durchschnittlicher Farmgröße jährlich noch 7 Milliarden Dollar an Subventionen zahlen. Man sollte das sehr viel deutlicher sagen
und sollte die Presse darauf hinweisen. Damit ist also das Märchen zerstört, daß durch Bildung von Großbetrieben die Agrarstrukturverbesserung erreicht und alles in Ordnung wäre. Geben wir uns doch dieser Täuschung nicht hin.
Im übrigen war das, was wir gestern hören mußten, erschütternd. Ich bitte auch um Verständnis dafür, daß in der Landwirtschaft eine gewisse Erregung herrscht. In dem Jahr, in dem der durchschnittliche Lohn in der Bundesrepublik um 8,2% gestiegen ist, ist der Lohn in der Landwirtschaft im Ergebnis um 5 % gesunken. Das ist eine Spanne von 13%, und das bewirkt eben die Disparität von 33%. Wenn jetzt — ich habe das eingangs schon ausgeführt — nicht zugleich die Notwendigkeit bestünde, in die EWG einzutreten, lägen die Dinge noch anders. Aber niemand kann absehen, was uns da droht. Auf jeden Fall werden wir zunächst schwere Verluste hinzunehmen haben. Für die französische und für die holländische Landwirtschaft ist es eine großartige Sache. Sie hat höhere Preise zu erwarten. Wir haben ein Absinken. Man sollte diese Dinge nicht so leicht nehmen.Wenn nun der Getreidepreis, der seit dem Jahre 1951 — in der Zwischenzeit hat sich doch bei allen anderen Gruppen etwas getan — derselbe geblieben ist, jetzt gesenkt werden soll um 10%, ja, in
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4549
Bauknechtmeiner Heimat um 15%, wenn man in einer ungünstigen Region liegt, so drohen uns doch schwere Verluste.Ich habe vorhin angeführt, daß ich die Buchführungsergebnisse von Schleswig-Holstein studiert habe. Mein Kollege Klinker hat sie mir übermittelt. Was habe ich da festgestellt? Ein Minuseinkommen auf den Betrieben von 200 DM je Hektar durch diese Getreidepreissenkung allein bei den Getreide- und Hackfruchtbetrieben! Was bedeutet das? Ich fand in der langen Liste der Betriebsergebnisse nur zwei Betriebe, die dann in Zukunft im Jahre 1967, eine normale Ernte vorausgesetzt, nicht mit Minus, nicht mit roten Zahlen arbeiten. Davon muß man reden.
Ein Wort zu den getreideabhängigen Veredlungsprodukten: Schweine, Eier, Geflügelfleisch! Bei denen wird am 1. Juli bei den Abschöpfungen der sogenannte Zollanteil völlig in Wegfall kommen. Der Getreideanteil wird je nach Produkt nach vier Wochen, nach sechs Wochen oder nach drei Monaten in Wegfall kommen. Herr Minister Höcherl, ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit den Dank dafür aussprechen, daß Sie wirklich mannhaft diese Interessen dort verteidigt haben,
obwohl es vorher völlig aussichtslos schien, daß die anderen fünf überhaupt mit einem Jota auf unsere Situation eingehen würden. Sie haben es geschafft, daß man hier eine Übergangszeit einräumte. Dafür verdienen Sie wirklich den Dank. Wir hätten natürlich erhofft, daß man noch einen längeren Zeitraum bewilligte, denn das wäre gerecht gewesen. Gerecht gewesen wäre ein Zeitraum des Überganges bei der Abschöpfung, der so lang bemessen wäre, wie die Produkte zu ihrer Erstellung bedürfen. Aber immerhin haben wir etwas erreicht.Was wird nun passieren? Die große Gefahr ist, daß diese drei Produkte abrutschen. Nun ja, wird man sagen, diese Produkte macht man zu 70 % aus Getreide. Richtig! Aber die übrigen 30% dieser Produktionskosten bleiben bei uns in der gleichen Höhe und zeigen steigende Tendenz. Das ist es doch.
Kürzlich las ich eine große Annonce in einer Zeitung von Baden-Württemberg. Da wird die deutsche Industrie angesprochen, d. h. die baden-württembergische — die ist offenbar besser als die andere; ich kann es nicht beurteilen —, denn die Franzosen wollten sie herüberlocken. Man schrieb dort in den großen Annoncen: „Kommt herüber zu uns nach Lothringen, macht dort Filialbetriebe, denn bei uns sind die Löhne 20 bis 25 % niedriger als in Baden-Württemberg". Dasselbe trifft natürlich auch für die Landwirtschaft zu. In diesem Haus hat man ein paarmal festgestellt, daß die Kosten für die Bauten oder die Maschinen oder die Reparatur von Maschinen drüben um diesen Betrag niedriger sind.Das ist die Gefahr bei Getreide und bei den getreideabhängigen Produkten. Es ist doch ein offenes Geheimnis. Sie haben es ja deutlich zum Ausdruck gebracht. Ab 1. April 1968 werden mit der Vollendung des Gemeinsamen Marktes bei Milch und Rindfleisch die volle Bundesprämie von 4 Pf und auch die Länderprämien in der Höhe von weiteren 2 Pf total in Wegfall kommen. Ein Land ist da schon „beispielhaft" vorausgegangen; NordrheinWestfalen hat sie, wie ich gehört habe, jetzt schon gestrichen. Nun, da braucht man sich nächstes Jahr nicht mehr zu ärgern.Was bedeutet das, meine Damen und Herren? Die Milchprämie wurde doch mit Rücksicht auch auf die Verbraucher gezahlt; denn zu jener Zeit, als diese Bundesprämie entstand, war das Einkommen der breiten Massen noch relativ bescheiden. Aber heute ist es so, wie Sie richtig gesagt haben: wenn man diese Prämie jetzt abbaut und abbauen muß, dann muß sie auf dem Markt hereinkommen.
Dafür sollte man doch Verständnis haben. Das verlangt ja Brüssel, das ist ja das zusammengeschnürte Paket von Brüssel, das sind die Vorbedingungen. Man sollte sich nicht dagegen wehren oder in einer ganz langen Verzögerungstaktik die Sache hinausschieben. Ursprünglich war vorgesehen, die Vereinheitlichung der EWG unter Umständen nicht nur in den 12 Jahren Übergangszeit durchzuführen, sondern — das steht ausdrücklich im Römischen Vertrag — gegebenenfalls auch in 16 Jahren. Aber in der damaligen vermeintlichen Lage hat man geglaubt, die politische Integrierung Europas wäre viel schneller zu verwirklichen, wenn man zu einem rascheren Übergang ja sagte. Das war die Intention der Monate November und Dezember 1964, als man zur Getreidepreissenkung ja gesagt hat. Ich habe noch den Artikel vor mir, in dem einer der namhaftesten, bedeutendsten Agrarjournalisten, die in Brüssel tätig sind, geschrieben hat: Koste es, was es wolle, wichtig ist, daß am 1. Juli 1968 bei der gewerblichen Wirtschaft der einheitliche Markt zoll-und kontingentfrei da ist. Aber daran darf man natürlich heute nicht erinnern.Aus dieser Geschichte ist ja jenes Abkommen entstanden, das auch dieses Hohe Haus sanktioniert hat, das Abkommen über die EWG-Anpassungshilfe. Ich will nicht näher darauf eingehen; aber Sie wissen, daß man aus Haushaltsgründen gleich im Jahre 1966 260 Millionen DM, die für uns vorgesehen waren — der Preis dafür, daß die Landwirtschaft bereit war, trotz der vorhandenen großen Wettbewerbsverzerrungen vorzeitig den Getreidepreis zu senken —, abgekappt hat. Man hat dann diese 260 Millionen DM Kürzungen für das Jahr 1967 belassen, und dann hat man aus den Notwendigkeiten der Haushaltskürzung heraus weitere Kürzungen vorgenommen. Und ganz unbemerkt von der Öffentlichkeit wurden ja auch Verlagerungen in Ihrem Haushalt, Herr Minister Höcherl, vorgenommen. In dem Kapitel 02 wurden die Direkthilfen gewaltig gekürzt, und es erfolgte eine Verlagerung von 585 Millionen DM in das Kapitel Marktordnung. Sicher, ein Teil dieser 585 Millionen
Metadaten/Kopzeile:
4550 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
BauknechtDM kommt auch der deutschen Landwirtschaft zugute, aber eben nur ein Teil. Dann kam weiter die Streichung von 289 Millionen DM durch den Kabinettsbeschluß vom 19. Januar; und dann kam noch eine weitere Abkappung von 140 Millionen DM für die Unfallversicherung durch den Beschluß dieses Hauses hinzu. Denn diese Unfallversicherungshilfe wollte man ja in einem Gemeinlastverfahren — wie bei der Kohle — den anderen gewerblichen Trägern anlasten; aber das Haus hat anders entschieden.Wenn Sie das zusammenrechnen: 260 Millionen DM Kürzung der Anpassungshilfe, 585 Millionen DM Verlagerung, 289 Millionen DM totale Kürzung, 140 Millionen DM durch den Beschluß dieses Hauses, dann sind Sie bei 1274 Millionen DM, die die Landwirtschaft weniger bekommt. Das ist doch kein Pappenstiel! Aber das hört man natürlich nicht gern. Wenn Sie den Teil abrechnen, den wir wieder zurückbekommen — das sind ungefähr 270 Millionen DM —, dann kommen Sie tatsächlich auf eine Kürzung von 1 Milliarde DM an Beihilfen für die Landwirtschaft für das Jahr 1967. Das ist die Zahl, daran führt nichts vorbei. Ich will jetzt nicht auf die Einzelheiten eingehen.Es ist zu begrüßen, daß die Möglichkeit bestand, in dem sogenannten Eventualhaushalt bzw. über die Investitionshilfe etwas zu retten. Folgendes aber will und muß ich hier ausdrücklich sagen. Dieser Eventualhaushalt ist nicht geschaffen worden, um die Landwirtschaft zu stützen, sondern einzig und allein, um die weit stärkere Arbeitslosigkeit auf dem flachen Lande zu bekämpfen, weil das ganze ländliche Bauwesen völlig still lag, weil der Rückgang des Verkaufs an Landmaschinen erschreckende Ausmaße angenommen hatte. Das war der Grund für den Eventualhaushalt. Es ist nicht wahr, daß Herr Höcherl hier einen Trick angewandt hat. Unseretwegen hat man das nicht gemacht.
Wenn wir jetzt mittelbar davon profitieren, so kann die allgemeine Volkswirtschaft darüber nur befriedigt sein.Bei den Zinsverbilligungen sind die Dinge auch nicht in Ordnung. Ich hoffe, daß es gelingt, sie in Ordnung zu bringen. Ich will nicht näher darauf eingehen. Aber ich darf doch die Situation schildern. Herr Minister Höcherl, Sie haben selber zwischen den Zeilen zugegeben, daß die Situation heute total umgekehrt ist gegenüber der Situation vor einem Jahr, als Ihr Haushalt 1967 in seinen Anfängen bereits erstellt wurde. Daher werden diese Zinsbeihilfen von 13 Millionen DM, die hier eingesetzt sind, nicht ausreichen.Ich kann hier die freudige Feststellung treffen, daß alle Fraktionen, -die im Ernährungsausschuß vertreten sind, einheitlich der Auffassung sind, daß auch diejenigen nicht bestraft werden dürfen, die Gebrauch machen wollten von den den Richtlinien entsprechenden Investitionskrediten, die im Jahre 1966 zugesagt wurden, aber mangels Mittel nicht dotiert werden konnten. Aus Gründen der Gerechtigkeit muß man sie in die Zinsverbilligung auf den 1. Januar 1967 einbeziehen. Diese Zinsverbillgungwird noch eine bestimmte Summe ausmachen. Ichrechne nach den Angaben Ihres Hauses mit 12 Millionen DM. Es wird nicht einfach sein, sie zu finden.Es war erfreulich, Herr Minister, daß Sie darauf hingewiesen haben, daß der Agrarkredit in anderen Ländern eine Zinsbelastung nur in Höhe von 3 bis 3,5% hat. Wenn wir die Startbedingungen angleichen wollen, darf die Zinsbelastung bei uns nicht höher sein.Meine Damen und Herren, ich habe vorhin von dem gekürzten Haushalt gesprochen. Es ist ein offenes Geheimnis: Im selben Jahre, da bei uns diese großen Kürzungen hingenommen werden müssen, haben die anderen EWG-Länder, deren Preise noch erhöht werden — unsere werden gekürzt —, ihre Landwirtschaftshilfen um 8 bis 21% erhöht.
Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. Das ist eine Tatsache, an der man nicht vorbeigehen kann. Ich bin der Auffassung — Herr Staatssekretär Grund ist leider nicht mehr da —, daß man bis zum letzten erkunden sollte, ob man nicht auf dem Wege einer Vorfinanzierung der Zahlungen, die von Brüssel an uns kommen, die Dinge wieder in Ordnung bringen könnte. •Ich habe vorhin schon davon gesprochen, daß man alles, was überhaupt im Haushalt des Bundesernährungsministers steht, der Landwirtschaft als Subvention anrechnet. Dagegen müssen wir uns entschieden wenden. Denn die gesamten Flußlaufkorrektionen, die ganzen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen, der Küstenschutz dienen der Landwirtschaft nur mittelbar. Wir dürfen den Küstenschutz angesichts der obwaltenden Umstände natürlich nicht vernachlässigen; denn bei der grausamen Katastrophe damals. sind ja die meisten Menschen, die ertrunken sind, in Hamburg ertrunken. Der Küstenschutz dient also der allgemeinen Bevölkerung, abet er erscheint im Agrarhaushalt. Wenn die Zahlen in der Öffentlichkeit genannt werden, erscheinen solche Positionen mit darunter.
Alles Subventionen für die Landwirtschaft! ! Auch die wahrhaft nicht billige strategische Vorratshaltung im Lande Berlin — Subvention für die Landwirtschaft!!
Ja, zum Kuckuck noch einmal, was hat das damit zu tun?
Wogegen wir uns wehren, ist eben diese Diskriminierung, die, wahrscheinlich ohne daß man es will, damit verbunden ist. Ich wäre dankbar, wenn man in der Öffentlichkeit auch auf diese Dinge hinweisen würde.Man redet von allgemeinen Kürzungen des Haushalts. Wenn ich mich nicht irre, Herr Bundesminister, so war es doch so: der Haushalt 1967 wies in der ersten Vorlage, die die frühere Regierung Ende September eingebracht hat, eine Ausweitung von — ich bitte mich zu berichtigen — ungefähr 5 Milliarden DM aus. Wenn man das jetzt kürzt, — ja,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4551
Bauknechtwas ist denn das? Das ist nur eine Nichtinkraftsetzung geplanter Erhöhungen. Bei der Landwirtschaft war kein Pfennig mehr drin. Wenn man jetzt kürzt, kommt der Status quo, der Ausgangspunkt, und auf das kommt es an. Hier kürzt man von einem vorherigen Standpunkt aus, und anderswo wollte man gewaltig erhöhen. So kann man es nicht machen, wenn man geplante Erhöhungen — —
— Herr Ertl, damals waren Sie ja auch noch in der Regierung.
Ich will Ihnen nicht wehtun, aber — —
— Lieber Freund Ertl, wir kennen uns ja beide sehr gut. Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, daß Ihre Fraktion weitere Kürzungen ohne jegliche Steuererhöhung haben wollte, und da wäre .das Hagelgewitter noch stärker über uns hereingebrochen.
Der Herr Abgeordnete Ertl will eine Frage stellen.
Bitte, gern.
Herr Kollege Bauknecht, ich nehme an, daß Ihnen unsere schriftlichen Unterlagen über die Kürzungen bekannt sind, und ich nehme an, Sie sind so klug und wissen auch heute noch, daß wir andere Bereiche kürzen wollten, die zu kürzen die jetzige Regierung, die jetzige Koalition allerdings nicht bereit ist. Ich denke z. B. an die Verteidigung, an Auslandsverpflichtungen, aber auch an das 312-DM-Gesetz.
Lieber Freund Ertl, das ist mir natürlich alles bekannt. Aber es ist mir auch bekannt, daß die Agrarkürzungen bei Ihnen nicht kleiner gewesen wären als bei uns.
Nun besteht die Möglichkeit, der Landwirtschaft außerhalb des Etats zu helfen, und da ist es ganz interessant, von Ihnen, Herr Bundesminister, zu hören, daß Sie es gestern im Kabinett zuwege gebracht haben, eine längst fällige Sache durchzudrücken — in welchem Gewande und wie das nun im einzelnen gehen soll, ist eigentlich schleierhaft, aber — —
— Ja, nun, ist Ihnen das genau bekannt? Wahrscheinlich genauso wenig wir mir.
— Der Herr Bundesminister schreibt fleißig; er wird hier sicher darauf eingehen.
Wenn man sich jetzt ernsthaft entschlossen hat, der Landwirtschaft den Treibstoff für ihre Traktoren — das ist doch ein wesentlicher Teil der Produktionskosten — auch nicht teurer zur Verfügung zu stellen, als das in den anderen EWG-Ländern der Fall ist, so ist das doch nur eine billige Sache. Ich weiß, daß es für den Bundesfinanzminister angesichts seiner Lage schmerzlich ist, aber mir wäre es lieber gewesen, man hätte den großen Entschluß gefaßt — sicher war das aus technischen Gründen so nicht möglich —, das Heizöl zu färben und der Landwirtschaft dieses gefärbte Heizöl für die Traktoren zur Verfügung zu stellen. Damit hätte man — vermutlich sogar nach Annahme des Finanzministers — Durchstecherei und Betrug beseitigt. Es ging doch vor geraumer Zeit durch alle Zeitungen, daß eine ganze Menge Hausbrandheizöl nicht in den Traktoren, sondern in Lastwagen verfeuert wird. Man spricht von 60 Millionen DM, die der Fiskus hier verliert; manche sprechen von 100 Millionen. Wenn so etwas möglich ist, dann, glaube ich, müßte man sofort darauf losgehen, dies mit allen Mitteln zu beseitigen. Wir können uns das doch nicht weiter erlauben!Zunächst also, Herr Minister, meinen Glückwunsch, daß Sie das überhaupt in Bewegung gebracht haben. Wir werden nachher von Ihnen hören, wie es im einzelnen aussieht.Meine Damen und Herren, angesichts unserer Lage sind wir nicht nur aufgerufen, sondern geradezu verpflichtet, alle Möglichkeiten, die in den EWG-Marktordnungen gegeben sind, auszuschöpfen, denn sie kosten ja nichts.An die Spitze möchte ich jetzt folgendes stellen. Ich habe vorhin von der Senkung der Getreidepreise gesprochen. In dem im Dezember 1964 abgeschlossenen Vertrag, durch den die Getreidepreise vereinheitlicht und bei uns gesenkt wurden, heißt es ganz deutlich — expressis verbis —, daß vor dem 1. August jeden Jahres, d. h. vor Beginn der Aussaat für das kommende Jahr, eine Revisionsmöglichkeit für die Getreidepreise gegeben ist. Auf Grund von erstellten Kostenkalkulationen haben die einzelnen der sechs Partnerländer die Möglichkeit, einen Revisionsantrag zu stellen. Was, meine Damen und Herren, würde nun näherliegen, als daß die Bundesrepublik das macht? Das wäre mit ein Mittel, um ihre finanzielle Misere etwas zu erleichtern; denn die Ausgleichszahlungen könnten dann gekürzt werden. Man hört ja auch, daß- der Verantwortliche in der EWG-Kommission, Herr Mansholt, diesen Dingen sehr aufgeschlossen gegenübersteht. Herr Bundesminister, was wir wünschen und was man tun kann, ist, daß in kürzester Zeit, d. h. spätestens im Mai oder Juni, seitens der Bundesregierung in Brüssel ein Antrag dahin gehend gestellt wird, daß die Getreidepreise auf eine Höhe gebracht werden, die etwa in der Mitte liegt zwischen den bisherigen deutschen Preisen und den ab 1. Juli dieses Jahres gültigen, gesenkten Preisen. Das ist eine Realität, und das ist möglich, meine Damen und Herren.
Metadaten/Kopzeile:
4552 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
BauknechtGleichzeitig könnte man wieder den Fehler korrigieren, daß man die Futtergetreidepreise zu weit senkt. Denn der Gerstepreis gehört an den Brotgetreidepreis und an den Weizenpreis angenähert. Was ist denn die Folge? Die Franzosen produzieren lustig ihren Weichweizen. Der Weichweizen ist in der Bundesrepublik nicht in dem Maße begehrt. Man schätzt, daß es etwa 4 Millionen t zuviel sind. Wenn man ihn verbilligt — um rund 200 DM je Tonne — in den Weltmarkt geben muß, so handelt es sich um 800 Millionen DM. Würden die Franzosen dafür Gerste produzieren, was sie ohne weiteres könnten, dann kämen wir von dieser Summe herunter.Herr Minister, ich weiß, auch Sie neigen dieser Anschauung zu. Ich wünsche Ihnen in Ihrem Kabinett Glück dazu, daß Sie das durchbringen, wenn Sie es beantragen.Meine Damen und Herren, eine zweite Sache. Wir haben gestern mit einer retardierenden Genugtuung vernommen, daß das Kabinett beschlossen hat, den Rinderorientierungspreis von bisher 253 DM auf 259 DM anzuheben. Warum mit einer retardierenden Freude? Herr Bundesminister, Sie wissen genauso wie ich: Die Bundesrepublik ist in der Kostenlage das teuerste Land. Nicht umsonst hat man die Möglichkeit geschaffen, im EWG-Vorschlag als oberste Grenze 265 DM festzulegen. Was wäre natürlicher gewesen, als daß wir auf 265 DM gegangen wären? Man hat aber geglaubt, vielleicht a) aus außenpolitischen Gründen, b) wegen der Verbraucher das nicht machen zu können. Ich will kurz darauf eingehen. Meine Damen und Herren, die außenpolitischen Gründe sind nicht mehr gegeben. Dänemark hat sich wegen der Sache im letzten Jahre aufgeregt. Das fällt aber flach, weil den Dänen das große Zugeständnis gemacht wurde, daß sie in jedem Falle ihre alten Kühe mit 5% Abschöpfung abgeben können, während bei den anderen 100% verlangt wird. Das liegt klar. Was nun die Verbraucher betrifft, meine Damen und Herren, so brauchen Sie nicht zu glauben, wir hätten kein Verständnis für sie. Vor dem Hohen Hause darf Ich aber feststellen, daß der durchschnittliche Marktpreis sämtlicher Klassen bei den Rindern im Jahre 1965 271,30 DM betragen hat. Der neue Preis, der jetzt festgelegt wurde, liegt 12 DM unter dem alten Preis. Das muß doch einmal gesagt werden, weil man sonst glaubt, man hätte etwas Unmögliches verlangt. Aber das ist jetzt offenbar passiert. Nun ja, der Prügel ist uns ja aus der Hand geschlagen. Ab 1. April 1968 macht Brüssel ja alles allein; dann können wir nicht mehr national entscheiden.Herr Minister, Sie mußten ja gestern selber sagen, daß eine Relation von 1 :7 zwischen Milch- und Rinderpreis das richtige wäre. Wenn Sie den von Ihnen für richtig erachteten Erzeugermilchpreis von 38,5 Pf fixieren und dann mal 7 nehmen, haben Sie einen Rinderorientierungspreis von 269,50 DM. Ich weiß, Ihr Herz ist dabei, aber Sie sind nicht durchgekommen. Das muß man einmal sagen.Warum betone ich das besonders? Wenn wir in der Bundesrepublik überhaupt einen Überschuß bei irgendeinem Produkt feststellen können, dann bei Butter. Aber das ist auch kein echter Überschuß; esgibt nur die Misere, daß wir in der EWG mehr Butter haben, als wir verbrauchen. Das wäre eine Tendenz, mehr Rinder und weniger Milch zu produzieren.Ich habe vorhin schon gesagt, man hätte sehr viel Mut beweisen müssen, schon jetzt zu sagen, daß man den Milchpreis, der in der Bundesrepublik von allen sechs Ländern am niedrigsten ist, um diese zwei Pfennige anhebt. Herr Höcherl hat ja gestern selber gesagt: Kosten pro Kopf und Jahr 1,90 DM. Es ist notwendig — das ist mit ein Element, aus dem man wenigstens noch eine Hoffnung ableiten könnte —, daß wir den Orientierungspreis oder den Richtpreis bei Milch auch erreichen.Ich warne vor den Erwägungen, die man so hin und wieder hört, daß man die Zahlungen an Brüssel nach oben begrenzen müßte. Wenn das System der Ausfuhrerstattung und der Interventionen nicht mehr funktioniert, sind auch die Orientierungs-, Grund- und Richtpreise der einzelnen Produkte nicht mehr zu halten. Das möchte ich ausdrücklich gesagt haben.Meine Damen und Herren, es werden noch einige Kollegen nach mir reden. Ich will deswegen nicht auf die Lage bei der Mastgeflügelproduktion eingehen. Hierzu wäre einiges zu sagen. Ich möchte einen Satz zu Obst und Gemüse sagen. Mir scheint, daß man hier noch Möglichkeiten hätte, in der Frage der Schutzklausel gegenüber den Importen aus Drittländern mehr zu tun, als man bisher getan hat. Herr Minister, schon aus der Fragestunde ging vorhin hervor, daß gewisse Schwierigkeiten bestehen hinsichtlich der Dumping-Importe von Holz aus dem Osten. Diese Gefahren der Marktstörung sind auch bei anderen Produkten da. Man muß sehr sorgfältig abwägen, und man muß die Festsetzung der Abschöpfungen auf das niedrigste Angebot dieser Länder abheben. Ich weiß, Ihr Haus bemüht sich darum.Meine Damen und Herren, ich bin am Schluß meiner Ausführungen. Ich habe aufgezeigt, welche Möglichkeiten man hat, der Landwirtschaft außerhalb des Etats zu helfen. Ihnen, Herr Minister Höcherl, gebührt Dank; Sie bemühen sich. Aber es liegt an der Bundesregierung, ob sie das tun will, was hier vorgeschlagen wurde. Meine Fraktion erwartet das.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die neue Bundesregierung hat gestern einen guten Tag gehabt. Der Bundesernährungsminister Höcherl hat eine Rede gehalten, der man die Anerkennung schwerlich versagen kann.
Sein Aktionsprogramm enthält zweifellos eine Reihe von Anregungen, über die zu sprechen sich lohnt. Bei manchen Punkten dieses Programms hat die sozialdemokratische Fraktion ein Wiedersehen mit
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4553
Dr. Schmidt
guten alten Bekannten gefeiert, Bekannten, die von manchen in diesem Hause bis vor kurzem nicht gegrüßt worden sind.
Ich bin hocherfreut darüber, daß die Reden und Erklärungen sowie die Programme meiner Freunde und meiner Partei in Ihrem Haus, Herr Minister, so eifrig studiert worden sind. Auf der einen Seite zeigt sich, daß gute Gedanken nicht an eine bestimmte Fraktion gebunden sind
— nun mal Ruhe —, auf der anderen Seite stellt man mit Erstaunen fest, was in einer großen Koalition alles möglich ist.
Der Wandel ist in mancher Hinsicht sehr bemerkenswert.Wenn ich mir so vor Augen halte, was vor einem Jahr noch zu den Fragen der Strukturen, der Kleinbauern, der Erzeugergemeinschaften und so fort gesagt wurde, und das mit dem vergleiche, was in der Rede des Herrn Ministers steht, dann kann ich mich nicht enthalten, meine tiefe Genugtuung darüber auszudrücken. Der Fortschritt, Herr Bundesminister, ist unverkennbar. Im agrarstrukturellen Bereich ist es die Verbilligung des Baues von Wirtschaftsgebäuden, im betriebsstrukturellen Bereich der Investitionsfonds, im marktstrukturellen Bereich die Förderung von Erzeugergemeinschaften, und im sozialen Bereich sind es die Zusatzrenten für abstockungswillige Kleinbauern, um nur einige Punkte zu nennen. Kurzum: das alles hat die große Koalition. fertiggebracht.Diese Feststellungen veranlassen mich, meine Damen und Herren, auf kritische Anmerkungen bezüglich des Termins der Abgabe dieser Regierungserklärung zu verzichten. Herr Bundesminister Höcherl scheint gestern selbst einige Beklemmung gehabt zu haben, denn sonst hätte er nicht so viele Worte der Entschuldigung am Eingang seiner Rede finden müssen. Ich möchte aber an dieser Stelle ausdrücklich betonen und darauf hinweisen, daß einer derartige Verzögerung in der Behandlung des Grünen Berichts und des Grünen Planes in den kommenden Jahren nicht zur allgemein üblichen Praxis werden darf.In den Ausführungen des Herrn Bundesministers dürfte deutlich geworden sein, daß auch in der Agrarpolitik die Ara Erhard beendet ist. Sie werden es mir nicht verargen, wenn ich Sie in diesem Zusammenhang auf die Debatte in der 152. Sitzung der vorigen Wahlperiode am 10. Dezember 1964 hinweise. Ich empfehle Ihnen dringend, meine Damen und Herren, die Texte noch einmal nachzulesen. Sie finden darin manche Ausführungen von Leuten, die recht behalten wollten, aber nicht haben, und Sie finden Prognosen, die leider eingetroffen sind. Wenn Sie die Situation bei der damaligen Debatte mit der heutigen vergleichen, dann werden Sie feststellen, was für ein schweres Erbe die jetzige Bundesregierung übernommen hat. Von dem, was damals gesagt, getan und unterlassen wurde, führt eine schnurgerade Linie bis zum außerordentlichen Bauerntag in der vergangenen Woche in Dortmund. Ich möchte damit keineswegsin noch nicht vernarbten Wunden herumstochern, sondern ich möchte nur aufzeigen, in was für eine Siuation die deutsche Landwirtschaft geraten ist.Man muß sich einmal in die Lage eines Bauern versetzen, der z. B. seine Investitionen auf das Versprechen abgestellt hat, bis zum Jahre 1970 werde sich an seiner Lage nichts ändern oder doch zumindest nichts Wesentliches ändern. Heute sieht sich derselbe Mann sinkenden Einnahmen infolge der bevorstehenden Getreidepreisangleichung und sinkenden Einnahmen bei der Eier-, Geflügel- und Schweinefleischproduktion bei gleichbleibenden Kosten und höheren Soziallasten gegenüber, und niemand kann es ihm verdenken, daß er enttäuscht ist und sich getäuscht fühlt.Das wäre zu verhindern gewesen. Das Landvolk ist keineswegs so unvernünftig, wie es in manchem Presseerzeugnis dargestellt wird. Die Treue der Bauern zum Staat ist auch heute noch kaum zu übertreffen, wenn man offen und ehrlich mit ihnen redet. Dann findet man gerade bei ihnen noch am ehesten Verständnis für den Staat, für den sie sich ja mit verantwortlich fühlen. Wir dürfen es deshalb nicht zulassen, daß die Landwirtschaft von Besserwissern und berufsmäßigen Brunnenvergiftern in eine Außenseiterrolle gedrängt wird, die ihr überhaupt nicht liegt und die ihr auch nicht zukommt.
Mit den Milliardenaufrechnungen der früheren Regierung hat man den Eindruck zu erwecken versucht, als sei der Bauer nichts weiter als ein staatlich subventionierter Verwalter von Ländereien, auf denen sich auch einige Tiere tummeln. Ein Musterbeispiel für diese Art der Darstellung ist die Übersicht über die sichtbaren und unsichtbaren Vergünstigungen im Finanzbericht des vorigen Bundesfinanzministers, die man geradezu als Subventionsschwelgerei bezeichnen muß. Bei nüchterner Überlegung wird man jedenfalls zugeben müssen, daß sich die Landwirtschaft mit Recht gegen diese stark verzerrten Darstellungen wehrt, gegen Darstellungen, in denen z. B. auch die Personalkosten des Ministeriums, die Kosten für den Deichbau und die Abwrackhilfe für die Fischerei usw. als Agrarsubventionen bezeichnet werden. Ich räume aber auch ein, daß die Anwendung der Gießkanne 1965 bei der Verteilung der Investitionshilfen Mißtrauen ausgelöst hat und zwangsläufig zu Vorurteilen führt. Aber das, meine Damen und Herren, war ja eine politische Entscheidung.In diesem Sinne würde ich es begrüßen, wenn dieser zwölfte Grüne Plan der letzte — ich wiederhole: der letzte — seiner Art gewesen wäre. In den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten des Landwirtschaftsgesetzes hatte der Grüne Plan durchaus noch seine Berechtigung. Damals begann das Rechnungsjahr des Bundes am 1. April, zu einem Zeitpunkt also, zu dem der Haushaltsentwurf noch nicht verabschiedet war und man noch die Möglichkeit hatte, im Gesamt-
Metadaten/Kopzeile:
4554 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Dr. Schmidt
etat und im Einzelplan 10 gewisse Umstellungen vorzunehmen. Aber seit der Umstellung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr ist der Grüne Plan nichts weiter als eine Erläuterung des Einzelplans 10, die man sich eigentlich sparen könnte.Im Rahmen einer mittelfristigen Finanzplanung und bei der Einführung zweijähriger Haushaltspläne ist der Grüne Plan in seiner heutigen Form erst recht fehlt am Platze. Im Grünen Bericht kann die Bundesregierung das ausführen, was sie zu ihrer Politik zu sagen hat. In § 5 des Landwirtschaftsgesetzes heißt es, daß sich die Bundesregierung mit ihrem Bericht darüber äußern soll, welche Maßnahmen sie zur Durchführung des § 1 getroffen hat oder zu treffen beabsichtigt. Soweit dazu Bundesmittel erforderlich sind, so heißt es dann im § 6, stellt die Bundesregierung die hierzu notwendigen Beträge vorsorglich in den Entwurf des Bundeshaushaltsplans des jeweiligen Rechnungsjahres ein. Bei der Konzipierung des Landwirtschaftsgesetzes, meine Damen und Herren, war von einem Grünen Plan überhaupt nicht die Rede. Aber Eiferer haben daraus etwas entwickelt, was uns heute nicht lieb sein kann. Mit dem Grünen Plan war es ebenso wie mit der Anpassungshilfe: Als das Geld nicht mehr reichte, fing das Umbuchen an. Die Landwirtschaft war darüber verärgert; die Öffentlichkeit erhielt ein falsches Bild über die staatlichen Hilfen, und damit war das gegenseitige Mißtrauen geboren.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle einige wenige Bemerkungen zum Grünen Bericht über das Wirtschaftsjahr 1964/65 machen. Es kann nicht Sinn der Debatte sein, die einzelnen Zahlen des Berichts zu würdigen. Der Bundesminister und mein Vorredner haben darüber genug Worte verloren. Die Verbesserungen in dem vorgelegten Bericht verdienen Anerkennung. Wünsche nach weiteren Differenzierungen wird es immer geben. Aber wenn es gelingt, im kommenden Jahr die Schätzungszahlen durch genaue Untersuchungsergebnisse zu ersetzen und bei Würdigung der volkswirtschaftlichen Leistungen der verschiedenen Betriebsgrößen und -typen die Bezugsgrößen zu ändern, dann wäre sicher ein weiterer Beitrag zur Objektivierung geleistet.Die Vergleichsrechnung ist in einigen Punkten sachlich verbessert worden. Sie wird sich immer eine gewisse Kritik gefallen lassen müssen. Denn in der Bewertung der kalkulatorischen Posten kann man in der Tat verschiedener Meinung sein. Ich würde es für gut halten, wenn der Ernährungsausschuß — das ist zu Ihnen, Herr Vorsitzender, gesagt — zum mindesten in diesem Jahr den Versuch unternähme, mit dem Wissenschaftlichen Beirat zusammen die Probleme der Vergleichsrechnung auf Grund der bisherigen Erfahrungen und im Licht der heutigen Erkenntnisse zu erörtern. Im vergangenen Jahr war das leider aus Zeitmangel nicht möglich.
Vielleicht versuchen wir es dieses Jahr.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat in ihrem mündlichen Bericht ein agrarpolitisches Aktionsprogramm vorgelegt. Es kann nicht verkannt werden, daß sie die Lage realistischer beurteilt hat als ihre Vorgängerin. Die Entscheidung über die Prioritäten in den Maßnahmegruppen berücksichtigt die Tatsache, daß angesichts der großen Vorbelastungen aus den Bewilligungen des letzten Jahres kein allzu großer finanzieller Spielraum im Haushalt des Jahres 1967 bleibt.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch folgende Bemerkung machen. Den strukturellen Schwächen haben wir in der Bundesrepublik mit einer großen Zahl von Programmen zu Leibe zu rücken versucht. Vieles ist erreicht, vieles auch nicht. Es sind mehr als ein Dutzend Jahre verstrichen und erhebliche Beträge dafür aufgewendet worden, ohne daß ein Ende der einen oder der anderen Aufgabe in Sicht wäre. Eine Überprüfung all dieser vom Bund finanzierten Aufgaben und Programme erscheint mir schon im Hinblick auf die Entwicklung in der EWG dringend geboten. Kleine Kommissionen unter Beteiligung des Berufsstands und der Wissenschaft wären sicher ohne großen Kostenaufwand in wenigen Monaten in der Lage, eine Bestandsaufnahme durzuführen und Beiträge für eine der Zeit angepaßte Konzeption zu liefern. Für die Erarbeitung einer mittelfristigen Finanzplanung sind derartige Unterlagen geradezu die Voraussetzung.
Sehr viele haben Schwierigkeiten mit einer überholten Agrarstruktur. Vielen Landwirten wird man aber offen und ehrlich sagen müssen und auch heute sagen können, daß sich ihre Einkommenslage auch im Gemeinsamen Markt nicht verbessern wird, im Gegenteil.Rezepte zur Lösung dieses Problems oder Gesamtlösungen in der einen oder anderen Richtung gibt es nicht. Eine ganze Palette von Möglichkeiten muß man bereithalten. Wenn dem tüchtigen Betriebsleiter eine Chance gegeben werden soll, dann bedeutet das in vielen Fällen, daß die Betriebsfläche vergrößert werden müßte. Das setzt voraus, daß Aufstockungsland zur Verfügung steht. Es gibt genügend Beispele von Inhabern von Kleinbetrieben, die entweder zu alt sind und deren Söhne und Töchter abgewandert sind oder die über zu geringe Grundlagen verfügen, um ihren Betrieb in absehbarer Zeit mit tragbaren Kosten auf eine angemessene Größe zu bringen. Sie sind bereit, Land abzugeben, wenn entweder ihre Altersversorgung ge-1 sichert wird oder ihnen die Möglichkeit gegeben
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4555
Dr. Schmidt
wird, sich außerhalb der Landwirtschaft eine neue Existenz aufzubauen. Dieser Gedanke ist weder neu noch revolutionär. Er wird in unseren westlichen Nachbarländern mit großem Erfolg praktiziert. Aber niemand, der die Gesamtzusammenhänge kennt, könnte annehmen, daß es auf Grund der Aufstockung in Zukunft nur noch Vollerwerbsbetriebe geben wird. Die Zuerwerbs- und Nebenerwerbsbetriebe werden eine Dauereinrichtung bleiben wie in allen westlichen Ländern der Welt. Deshalb müssen wir diesen Menschen die faire Chance geben, auch aus einem Hauptberuf auszuscheiden, den sie doch nur ausüben, weil sie keine Alternative sehen. Wenn man ihnen schon keine Betriebsumstellung ermöglichen kann, muß man ihnen den Weg in die gewerbliche Wirtschaft erleichtern. Was helfen uns die Feststellungen in dem Grünen Bericht auch dieses Jahres, .daß die Disparität der Landwirtschaft zunimmt, wenn man draußen nicht vorrangig Arbeitsplätze in engster Zusammenarbeit mit der Industrie zur Verfügung stellt, um zusätzliches Einkommen — und darauf kommt es an — für die Kleinbetriebe zu schaffen, und wenn man die überbetriebliche Zusammenarbeit nicht so weit entwickelt, daß dieser Prozeß nicht zu Lasten der Frau geht. Der Aufwand für die dazugehörige berufliche Umschulung zu einem Facharbeiter ist in unserer fortschrittlichen Bundesrepublik nicht sehr groß. Sie wird mit einem Aufwand von über 80 DM je Arbeitskraft gegenüber Italien mit dem Zehnfachen und Holland mit dem Achtzigfachen dieses Betrages betrieben. Unsere Rolle als Schlußlicht ist natürlich auch eine Rolle. Aber satt wird davon niemand.Man müßte schon bei der Jugend anfangen. Den schulentlassenen Kindern dieser Kleinbetriebe darf man keine falschen Hoffnungen mehr machen, sondern man muß ihnen den Rat geben, sich gleich nach einem anderen Hauptberuf umzusehen. Ich meine, daß das Wort — ich glaube, es ist in Bayern gefallen —, daß Bauer bleiben kann, wer Bauer bleiben will, sowohl für das Volksganze wie für den einzelnen mehr Schaden eingebracht hat, als in vielen Jahren wiedergutzumachen sein wird. Mit Verantwortungsbewußtsein kann es nicht ausgesprochen worden sein; denn diese Verantwortung kann niemand übernehmen.Meine Damen und Herren, Herr Minister Höcherl hat gestern in einem kurzfristigen Programm die Beschlüsse des Kabinetts bekanntgegeben. Wir nehmen davon zustimmend Kenntnis. Im Zuge der Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes ist die Anhebung der Preise bei Milch und Rindfleisch notwendig und auch zu vertreten. In diesem Zusammenhang jedoch möchte ich zwei Wünsche meiner Fraktion der Bundesregierung übermitteln.Erstens. Der deutsch-dänische Handelsvertrag über die Rinderlieferungen nimmt in unseren handelspolitischen Beziehungen eine besondere Stellung ein. Unabhängig von unserer eigenen Situation sollte die Bundesregierung bemüht sein, diesen Vertrag unter allen Umständen zu erfüllen.Zweitens. Am 1. Juli 1967 werden die Getreidepreise gesenkt. Nach einer je nach Produkt verschiedenen Übergangszeitregelung erwartet meine Fraktion, daß diese Erzeugerpreissenkungen bis zum Endverbraucher durchschlagen. Wir fordern die Bundesregierung in aller Eindringlichkeit auf, alles Notwendige zu veranlassen, daß die Bevölkerung und die beteiligten Kreise auf diese Erwartungen hingewiesen werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einigen Monaten beginnt für die deutsche Landwirtschaft der Gemeinsame Markt. Es wird ein neuer Abschnitt in der europäischen Agrargeschichte beginnen. Die Bundesregierung sieht dieser Entwicklung, wie wir gehört haben, mit Optimismus entgegen. Die Frage ist, ob dieser Optimismus berechtigt ist. Wir werden demnächst einen grünen EWG-Bericht bekommen. Dieser wird wahrscheinlich bestätigen, daß sich die deutsche Landwirtschaft im Gemeinsamen Markt in einer durchaus nicht ungünstigen Ausgangsposition befindet. Unsere Vollerwerbsbetriebe sind durchweg gut ausgerüstet, manchmal sogar zu gut. Die Maschinendichte mit 23 Mähdreschern je 1000 ha Getreide, mit 72 Melkmaschinen je 1000 Kühe und mit 132 Schleppern je 1000 ha Nutzfläche bleibt zwar betrieblich interessant, wirtschaftlich aber in manchen Fällen mehr als bedenklich.Das Fachwissen, besonders bei den jüngeren Landwirten, liegt weit über dem europäischen Durchschnitt. Was die Entfernung zwischen den Betrieben und dem Markt anbetrifft, so ist der Standortvorteil in der Regel auf ihrer Seite. Damit sollen die strukturellen Probleme, die wir alle in bestimmten Gebieten der Bundesrepublik als besonders unerfreulich empfinden, nicht weggeleugnet werden. Im europäischen Vergleich aber — und darauf kommt es im Augenblick an — ist unsere Agrarstruktur durchaus nicht beängstigend. Einen generellen Wettbewerbsnachteil kann man aus dieser Lage heraus nicht ableiten.Unsere Betriebe sind leistungsfähig und damit wettbewerbsfähig, wenn dafür gesorgt wird, daß die staatlich beeinflußten Wettbewerbsunterschiede möglichst bald verschwinden. Diese Verzerrungen zu beseitigen, ist die wichtigste und vordringlichste Aufgabe unserer Agrarpolitik überhaupt. In dem Maße, in dem uns das gelingt, werden unsere Landwirte wieder Mut bekommen und auf ihre Kenntnisse und Fähigkeiten vertrauen. In dem Maße, in dem wir der Landwirtschaft deutlich machen, daß wir ihre Schwierigkeiten begreifen und verstehen, daß wir ihr helfen, sich selbst zu helfen, wird auch der Defätismus verschwinden, der von der früheren Agrarpolitik geradezu gezüchtet worden ist.Der Kampfplatz, auf dem diese Schlacht geschlagen wird, ist der Verhandlungstisch in Brüssel. Und gerade dafür sollte die Bundesregierung ein Aktionsprogramm entwickeln. Gestern haben Sie, Herr Minister Höcherl, hier erklärt, es sei höchste Zeit — ich zitiere —, „daß wir bei der Beurteilung der Marktchancen unserer Landwirtschaft unsere bisherige defensive Betrachtungsweise über Bord werfen und uns verstärkt zum Angriff auf die Märkte Europas rüsten. Wir haben große Chancen, uns bei diesem Angriff neue Marktpositionen zu erobern und unseren bisherigen Marktanteil be-
Metadaten/Kopzeile:
4556 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Dr. Schmidt
trächtlich auszuweiten." Dieser Beurteilung der Lage kann ich mich im vollen Umfang anschließen. Aber ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß — um im militärischen Bild zu bleiben — ein planloser Angriff nur in den seltensten Fällen zum Erfolg führen wird. Für großangelegte Offensiven ist zunächst einmal der Generalstab zuständig, und der hat, was die Agrarpolitik angeht, in der Vergangenheit nicht gerade mit taktischen Meisterleistungen geglänzt,Um Ihnen verständlich zu machen, worum es geht, möchte ich zwei Beispiele nennen. Das erste Beispiel betrifft die Getreidemarktordnung, die uns wahrscheinlich noch mehr Ärger bereiten wird, als wir im Augenblick annehmen. Hier geht es darum, daß mindestens in zwei Partnerländern, nämlich in Frankreich und in Italien, ein völlig anderes System praktiziert wird, als es von der EWG-Kommission angestrebt wird. Die Abweichungen sind derart gravierend, daß sich ganz zwangsläufig empfindliche Wettbewerbsverzerrungen ergeben, falls nicht für eine grundlegende Änderung gesorgt wird. Wenn wir damit schon vor fünf Jahren begonnen hätten, wäre die Getreidepreisentscheidung mit Sicherheit anders ausgefallen. In beiden Ländern sind nämlich die Richt- und Interventionspreise nur Orientierungswerte. Die Marktpreise werden so manipuliert, daß sie selbst in den Überschußgebieten und in den Wochen nach der Ernte in der Nähe des Richtpreises, und im Falle Italien sogar darüber, liegen. Dazu kommt noch im Falle Frankreich das Problem der steuerähnlichen Abgaben, das uns deshalb so brennend interressiert, weil diese Abgaben auch nach Wegfall der Abschöpfungen und der Zölle bei der Einfuhr erhoben und bei der Ausfuhr erstattet werden. Wären all diese systemwidrigen Praktiken im Jahre 1962 aufgegeben worden, hätten sich die Regierungen Frankreichs und Italiens mit ziemlicher Sicherheit in der berühmten Dezember-Nacht von 1964 für ein höheres gemeinsames Preisniveau ausgesprochen. Eine Revision des Getreidepreis-Beschlusses wird erst dann erfolgreich sein, wenn dafür gesorgt wird, daß für sämtliche Erzeuger, Händler und Verarbeiter in der EWG die gleichen Bedingungen gelten. Wenn es richtig ist, daß mit der Übernahme des französischen Systems die Erlöse der deutschen Weizenerzeuger um 1,60 DM je Doppelzentner verbessert werden können, dann hätte das bei der Abschaffung dieses Systems natürlich Konsequenzen für den Grundrichtpreis. Das muß man wissen.Auf die Frage der Taxen und ihrer Behandlung im grenzüberschreitenden Verkehr möchte ich hier nicht weiter eingehen. Herr Minister Höcherl hat sich vor kurzem in „Agra-Europe" dazu geäußert. Die Problematik, die in dieser ganzen Sache steckt, scheint mir aber so ernst zu sein, daß ich Sie, Herr Bundesminister, bitten möchte, dem Ernährungsausschuß des Bundestages unverzüglich eine Aufzeichnung zuzuleiten, aus der hervorgeht, wie sich diese Praktiken nun eigentlich in Mark und Pfennig auswirken.Hier, an diesen Punkten, ist der archimedische Punkt, an dem wir den Hebel ansetzen müssen,wenn wir weiterkommen wollen. Wer offensiv werden will, darf nicht bange sein.Wir müssen bereit sein, unseren EWG-Partnern auch einige weniger nette Dinge beizubringen. Dazu gehört z. B. — das haben wir in der letzten Sitzung des Ernährungsausschusses in Berlin in einer Entschließung zum Ausdruck gebracht —, daß wir unsere Frachthilfen für Getreide erst im Rahmen einer allgemeinen Harmonisierung der Agrarfrachten abschaffen und auf Beihilfen für Braugersten erst dann verzichten wollen, wenn auch anderswo die Beihilfen für gewisse Bodenprodukte verschwinden. Wenn es zu Übergangsregelungen kommt, dann müssen sie für alle gelten und im gleichen Schritt und Tritt, Zug um Zug, abgebaut werden.Im Zusammenhang mit der Getreidemarktordnung möchte ich Ihre Aufmerksamkeit, Herr Minister, noch auf einen weiteren Punkt lenken. Dieser Marktordnungsentwurf ist nämlich wesentlich günstiger ausgefallen, als das zunächst den Anschein hatte, günstiger für unsere Veredelungsproduktion und ungünstiger für die französische. Wie Sie wissen werden, war in der ersten Fassung des sogenannten Mansholt-Plans der Vorschlag enthalten, alle Getreidepreise in Richtung auf das Hauptzuschußgebiet in der EWG mit dem Zentrum Duisburg ganz linear abzustaffeln. Hätte man sich darauf geeinigt, wären in den marktfernen Gebieten Frankreichs die Getreidepreise gesunken; gleichzeitig hätte aber die Veredelungsproduktion in diesen Gebieten einen deutlichen Kostenvorsprung erhalten. Das ist nach dem jetzt angenommenen Konzept, für das sich gerade auch die französissche Delegation im Rat eingesetzt hat, nicht mehr der Fall. Der Kostenvorteil der Veredelungsproduktion liegt jetzt eindeutig in den verbrauchsnahen Gebieten, und dazu gehört der größte Teil der Bundesrepublik. Es muß Aufgabe der deutschen Delegation in Brüssel sein, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß dieser Kostenvorteil in vollem Umfang wahrgenommen werden kann.Wenn Sie sich vor Augen halten, daß in der Bundesrepublik die Futtergetreidepreise sinken, während sie in Frankreich steigen, wenn Sie weiter in Rechnung stellen, daß der durchschnittliche Schweinebestand pro Betrieb in Frankreich nur die Hälfte der deutschen Durchschnittszahl erreicht, und wenn Sie schließlich das Verhältnis zwischen den Rohstoffkosten und den Schweinepreisen in beiden Ländern ansehen, werden Sie sehr leicht feststellen, daß die deutsche Landwirtschaft in diesem Bereich objektiv leistungsfähiger ist. Es muß deshalb alles getan werden, damit unsere Bauern diesen Vorsprung nutzen können. Ich würde das für einen guten Ausgleich angesichts des niedrigeren Getreidepreises halten.Natürlich werden die deutschen Schweinepreise sinken, sobald die Abschöpfungen im innergemeinschaftlichen Handel wegfallen. Davon dürfen wir uns nicht schrecken lassen. Im Augenblick geht es nicht so sehr um den Preis, sondern um den Marktanteil. Dieser Marktanteil kann noch erweitert werden, wenn die Bundesregierung unter anderem für eine Ausschaltung der Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Verkehr sorgt. Was für
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4557
Dr. Schmidt
Schweine gilt, gilt auch für die anderen Veredelungsprodukte.Ich habe mit großem Interesse dieser Tage eine Verlautbarung der Arbeitsgemeinschaft deutscher Geflügelzüchter gelesen, in der dargelegt wird, daß die deutschen Erzeuger den Wettbewerb in keiner Weise zu scheuen brauchen, wenn erst einmal die Übergangsschwierigkeiten überwunden sind — wir werden uns in diesen Tagen überlegen müssen, wie wir dabei helfen können, Herr Kollege Dr. Reinhard, darin sind wir uns einig —, wird sich die deutsche Schlachtgeflügelproduktion wegen des hohen Rationalisierungsstandes ihrer Betriebe und wegen des reibungslosen Zusammenspiels zwischen Erzeugern und Verarbeitern behaupten. — Das ist die Feststellung eines Fachverbandes. Sie sehen daraus, daß die Praktiker manchesmal vernünftiger sind als solche Agrarpolitiker, denen das Jammern zur zweiten Natur geworden ist.
Ich möchte Sie nicht mit weiteren Einzelfragen ermüden und nicht tiefer in die EWG-Marktordnungen eindringen, die aber eine Überraschung nach der anderen bieten. Es wäre z. B. reizvoll, hier die Kosten und Ausbeutungssätze bei Milchprodukten anzuführen, die die hohe Leistungsfähigkeit unserer Molkereiwirtschaft erweisen. Auch bei Rindfleisch sind wir gewiß nicht die teuersten Anbieter im Gemeinsamen Markt.Es ging mir darum, mit diesen Bemerkungen deutlich zu machen, wie wichtig es für die deutsche Landwirtschaft ist, daß wir so rasch wie möglich zu einem gemeinsamen Agrarmarkt kommen, der die Gewähr für einen echten Leistungswettbewerb bietet. Allein darauf kommt es an, nicht auf diese oder jene Sonderregelung für dieses oder jenes Produkt oder für diese oder jene Gegend, ob es sich um Niedersachsen oder um Bayern handelt, Herr Minister.Aus der aufgezeigten und gegebenen Situation läßt sich folgendes EWG-Aktionsprogramm ableiten:1. Es muß für eine absolut einheitliche Durchführung der neuen EWG-Marktordnungen gesorgt werden. Je detaillierter diese Verordnungen ausfallen, desto besser. Jede, auch die kleinste Ausnahme muß präzisiert und zeitlich befristet werden, wobei in jedem Falle darauf zu achten ist, daß Wettbewerbsverzerrungen entweder vermieden oder ausgeglichen werden.2. Die deutsche Delegation muß bei den weiteren Verhandlungen in Brüssel auf Sonderwünsche weitestgehend verzichten, zumindest bis zum letzten Moment. Wenn es zutrifft, daß dem deutschen Nahrungsmittelangebot große Chancen bevorstehen, sobald in Europa alle Grenzabgaben gefallen sind — das ist ein Zitat aus der Rede des Herrn Bundesministers —, dann muß es uns zuallererst um den Wegfall dieser Abgaben gehen und um die Abschaffung solcher Praktiken, die ähnlich wie diese Abgaben wirken. So gesehen, können wir irgendwelche Sonderregelungen nur beanspruchen, wenn sie auch anderen Partnerländern zugestanden werden. Es ist keineswegs nur eine Nuance, an die Stelle des Wunsches nach einer Fortsetzung der deutschenFrachthilfe die Forderung zu rücken, mit der Harmonisierung der Agrarfrachten zu beginnen. Wir müssen in diesem Zusammenhang aber deutlich machen, daß es uns nicht um eine Verzögerung des europäischen Binnenmarktes geht, sondern darum, diesen Markt zu einem wirklichen Binnenmarkt werden zu lassen.3. Es erscheint dringend notwendig, die Durchführung der gemeinsamen Marktordnung in allen Partnerländern genau zu überwachen. Dafür ist nach dem Vertrage an sich die EWG-Kommission zuständig. Wir haben ein begründetes Interesse daran, daß die Kommission ihre Befugnis ausüben kann und auch tatsächlich ausübt. Sonst müßten andere, vorläufige Lösungen gesucht werden.4. Aus der vorhergehenden Bemerkung folgt, daß die Bundesregierung von sich aus keine Mühe scheuen darf, darüber volle Kenntnis zu erlangen, wie sich die vorerst noch unterschiedlichen Verkehrs-, Steuer-, Kredit-, Sozial- und Handelspolitiken auf die landwirtschaftlichen Märkte, auf die Agrarpreise und auf die Einkommen der Landwirtschaft auswirken. Beweiskräftige Unterlagen sind für die Verhandlungen in Brüssel immer erforderlich, wenn man erfolgreich sein will.5. Die Offenlegung aller Beihilfen zugunsten der Landwirtschaft in allen Partnerländern darf keine weitere Verzögerung erfahren. Die Bundesregierung hat in dieser Hinsicht ohne Zweifel ein Übersoll erfüllt. Jetzt wäre es eigentlich an den anderen Mitgliedstaaten, auch ihrerseits die Karten aufzudecken. Das gilt sowohl für die direkten als auch für die indirekten Beihilfen, z. B. für die parafiskalischen Abgaben zugunsten von Berufsverbänden und deren Verwendung.Meine Damen und Herren, das sind gewissermaßen die horizontalen Probleme der gemeinsamen Agrarpolitik, die mir im Augenblick als besonders dringlich erscheinen. Auf die Notwendigkeit, in den anderen Bereichen der gemeinsamen Politik — der Verkehrs-, Sozial-, Konjunkturpolitik usw. — voranzukommen, brauche ich nicht weiter hinzuweisen; das gehört gewissermaßen zum eisernen Bestand solcher Debatten in diesem Hause.Da wir im Augenblick eine Agrardebatte führen, stellt sich für uns die ganz konkrete Frage, was wir in eigener Zuständigkeit tun können, um es unserer Landwirtschaft zu ermöglichen, jene Chancen wahrzunehmen, von denen Herr Bundesminister Höcherl gestern gesprochen hat. Einen Weg hat meine Fraktion mit dem Entwurf eines Marktstrukturgesetzes aufgezeigt. Dazu wird mein Kollege Marquardt noch einiges sagen. Wir sind uns über die Möglichkeiten und Grenzen dieses Gesetzes durchaus im klaren. Wir nehmen keineswegs für uns in Anspruch, daß wir damit die Patentlösung, die Patentmedizin schlechthin gefunden hätten. Wir glauben aber, daß es mit Hilfe dieses Gesetzes möglich ist, ein Konzept zu entwickeln, das es erlaubt, für die deutsche Landwirtschaft die gleichen Voraussetzungen zu schaffen wie in den Nachbarländern.In diesem Zusammenhang, Herr Bundesminister, kann ich leider nicht darauf verzichten, Sie mit
Metadaten/Kopzeile:
4558 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Dr. Schmidt
allem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß auch wir in der Frage der Bildung und Förderung von Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse die Haltung Ihres Hauses nicht teilen. Wir befinden uns in dieser Hinsicht in einer Linie nicht nur mit den Berufsorganisationen. Von den sachverständigen Kollegen in diesem Hohen Hause gibt es nicht einen einzigen, der mit den Referenten Ihres Ministeriums übereinstimmte. Ich stimme Ihnen durchaus zu, daß staatliche Interventionen in einem Verbraucherland wie der Bundesrepublik eine sehr unschöne Sache sind. Solche Interventionen — ich zitiere jetzt Herrn Ley — können aber vermieden werden, wenn die Erzeugerorganisationen in der Lage sind, im Falle . einer Krise sich selbst zu helfen. Die Bildung oder Rationalisierung zentraler Einrichtungen reicht absolut nicht aus. Denn was nützen die schönsten Einrichtungen, wenn die Erzeuger nicht unter einen Hut gebracht werden und gemeinsam handeln? Wir wollen niemand zwingen, einer Erzeugerorganisation für Obst und Gemüse beizutreten; aber wir halten es für unumgänglich, die gleichen befristeten Anreize zum Zusammenschluß und zur Regulierung des Angebots zu gewähren, wie das auch in anderen Ländern auf Grund der EWG-Verordnung Nr. 159 geschieht. Die Regierung sollte sich hier nicht trotzig zeigen. Das Konzept der Kommission hat uns nicht gepaßt; aber nachdem es nun akzeptiert worden ist, und das noch mit den Stimmen der Bundesrepublik, müssen wir es auch auf unsere Erzeuger anwenden. Mit Dogmatismus kommen wir nicht vom Fleck. Die kritische Haushaltslage, Herr Bundesminister, kann doch kein Alibi für politische und gesetzgeberische Untätigkeit sein. Ich meine, die neue Bundesregierung sollte dem Buch der europpäischen Unterlassungssünden kein weiteres Kapitel hinzufügen.Meine Damen und Herren, allen Maßnahmen, die der Verteidigung des Marktanteils der deutschen Landwirtschaft dienen, allen Maßnahmen, die geeignet sind, diesen Marktanteil in einzelnen Bereichen noch zu erweitern, muß jetzt und für den Rest der Übergangszeit ein absoluter Vorrang eingeräumt werden.
Sie werden sehen, Herr Bundesminister, daß Sie den ganzen Berufsstand für ein solches Programm gewinnen können, wenn Sie ihm echte Alternativen aufzeigen. Unsere Bauern sind bereit, vorübergehend Einbußen in Kauf zu nehmen, wenn sie wissen, daß sie auch morgen noch produzieren und absetzen können.Es wäre ein Trugschluß, zu glauben, die jetzt vor uns stehende Änderung der Preisrelation zwischen den verschiedenen Bodenprodukten und Veredlungserzeugnissen bedeute eine grundsätzliche und immerwährende Benachteiligung der deutschen Landwirtschaft. Richtig ist vielmehr, daß mit dieser Änderung Übergangsschwierigkeiten verbunden sind, deren Bedeutung niemand verniedlichen darf. Wenn aber die Durststrecke einmal überwunden ist, wird sich die deutsche Landwirtschaft im Gemeinsamen Markt durchsetzen. Das ist unsere Überzeugung.Das ist nicht nur ein Glaubenssatz, sondern eine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis. In jeder wachsenden Volkswirtschaft macht der Fortschritt in der Bildung und in der Technik den Ersatz zunächst von tierischer und dann von menschlicher Arbeitskraft in der Landwirtschaft durch Maschinen möglich. Maschinen, das bedeutet Kapital. Die Kapitalintensität bestimmt in weiten Bereichen die Produktivität. Überall dort, wo die Produktivität weiter gesteigert werden kann, erhöht sich das Angebot. Folgt nicht auch ein entsprechender Nachfragezuwachs, dann sinken die Preise. Verhindern dagegen natürliche Ursachen einen weiteren Produktivitätszuwachs, kommt es bei gleichbleibender Nachfrage zu einer entsprechender Erhöhung der Preise. Als Beispiel darf ich auf den Milchpreis in den Vereinigten Staaten hinweisen, der inzwischen weit über den Preis in der EWG angestiegen ist, 'eben weil in diesem Bereich dem Ersatz von menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen deutlich Grenzen gesetzt sind. Dieses volkswirtschaftliche Wachstumsgesetz, das an jedem Punkt der Erde fast in gleicher Weise abläuft, kann durch staatliche Maßnahmen beschleunigt oder verlangsamt werden. Aber die Richtung läßt sich nicht ändern. Diese Erkenntnisse gehören inzwischen fast schon zum klassischen Repertoire der modernen Nationalökonomie. Sie finden sie u. a. dargestellt von Jean Fourasté, dessen Lektüre ich übrigens jedem Agrarpolitiker nur dringend empfehlen kann.Im Gemeinsamen Markt sehen wir uns der Tatsache gegenüber, daß wir mehrere Volkswirtschaften verschiedenen Entwicklungsgrades zusammenschließen. An dem Anteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen kann man den Entwicklungsgrad messen. Die Zahlen kennen Sie. Die Schlußfolgerungen liegen auf der Hand. Ich brauche das nicht zu vertiefen.Meine Damen und Herren, wir haben heute anläßlich der Vorlage des Grünen Berichts und des Grünen Plans die Agrarpolitik der Bundesrepublik zu diskutieren. Es konnte dabei nicht meine Aufgabe sein, Sie mit Wiederholungen und Ausdeutungen von einzelnen Zahlen und Zahlenreihen zu langweilen. Ich sah meine Aufgabe vielmehr darin, Ihnen und der Bundesregierung die Vorstellungen meiner Fraktion über die zentralen Probleme unserer Agrarpolitik nahezubringen. Agrarpolitik muß heute auf zwei Bühnen gemacht werden, in Brüssel wie in Bonn. Ich habe mir erlaubt, die Politik in Brüssel als gleich wichtig, wenn nicht noch bedeutsamer herauszustellen und Ihnen einige Gesichtspunkte für das um einen solchen Teil zu ergänzende agrarpolitische Aktionsprogramm der Bundesregierung darzutun. Ich darf die Erwartung aussprechen, daß das von der Bundesregierung akzeptiert wird. Das vorgelegte Aktionsprogramm der Bundesregierung billigen wir im großen und ganzen. Wir haben auch dazu Ergänzungen angeregt.Im Mittelpunkt der Erörterungen stand die Durchführung unseres Landwirtschaftsgesetzes. Wir stellen fest, daß manches Instrument dieses Gesetzes in der Vergangenheit falsch genutzt worden ist und andere Instrumente für die Preis- und Handels-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4559
Dr. Schmidt
politik nicht mehr genutzt werden können, weil wir dafür nicht mehr zuständig sind, sondern der Ministerrat und die EWG-Kommission in Brüssel. Unsere Aufgabe ist es, die verbliebenen Möglichkeiten zu nutzen und der Landwirtschaft den Weg zu ebnen, damit sie auch wirklich ihre Chancen nutzen kann.Wir erwarten, daß den Erklärungen der Bundesregierung bald entsprechende Maßnahmen folgen werden. Wir haben keine Zeit, die Hände in den Schoß zu legen. Die Agrarpolitik der neuen Bundesregierung muß mutig, ehrlich und offen gegenüber jedermann sein. Dann wird sie auch Erfolg haben, Herr Minister!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Logemann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben einen Kollegen Dr. Schmidt in einer Rede gehört, wie sie von ihm hier im Deutschen Bundestag, solange ich mich zurückerinnere, nur einmal, nämlich heute, gehalten worden ist. Bisher war er immer Oppositionssprecher! Ich muß ihm heute für seine Koalitionsrede doch die Note „gut" geben.
Man kann daran erkennen — auch das soll ein Bei-spiel sein —, wie schnell es möglich ist, sich vonheute auf morgen in vielen Dingen der Agrarpolitik1 in einer ganz bestimmten Richtung umzustellen.
Ich bin sicher, daß Sie, Herr Kollege Dr. Schmidt, vor einem Jahr die Rede des Herrn Ernährungsministers Höcherl ganz anders beurteilt hätten als heute, und ich muß sagen, daß ich mich in der Beurteilung dieser Rede von meinen beiden Vorrednern, dem Kollegen Bauknecht und auch dem Kollegen Dr. Schmidt, unterscheide. Ich könnte mit Ihnen einig sein, wenn Sie sagten: Diese Rede war sehr ausführlich. Das war sie wirklich; das muß ich bestätigen.Vieles von dem, was in der Rede des Ernährungsministers gut war, war nicht neu, und was neu war, muß zum Teil doch mit Bedenken gesehen werden. Auf Einzelheiten werde ich noch zurückkommen.Heute habe ich den Auftrag, den Grünen Bericht aus der Sicht der Opposition zu beurteilen. Ich werde mich aber in meiner Rede nicht viel anders verhalten als in den vergangenen Jahren in der Koalition. Wir haben uns auch in der Koalition immer bemüht, den Grünen Bericht und gleichzeitig auch die jeweilige Situation der Agrarpolitik sehr kritisch zu beurteilen. Ich möchte es aber nicht nur bei der Kritik lassen. Eine konstruktive Opposition sollte sich auch immer um gute, bessere Vorschläge bemühen.Heute haben wir den 12. Grünen Bericht zu diskutieren. Er gleicht seinen Vorgängern vor allem darin, daß er wieder einen erheblichen Abstand zwischen dem Einkommen der Landwirtschaft und demvergleichbarer Berufe ausweist. Ich möchte sagen: eigentlich ist die Disparität allen Grünen Berichten treu geblieben. Allerdings war sie in der Höhe schwankend, mal 21 %, mal 38 %, je nach der Lage der Argrarpolitik oder auch der unterschiedlichen Ernten. Dieses Ergebnis muß uns mit Sorge erfüllen. In etwa gleichen die Schwankungen der Entwicklung der letzten Jahre. Ich habe früher einmal den Grünen Bericht mit seinem Auf und Ab der Disparitäten mit der Echternacher Springprozession verglichen: drei Schritte vor und dann wieder zwei Schritte zurück. Das gilt ganz besonders für den jetzigen Grünen Bericht, bei dem man feststellen kann, daß — auch der Herr Minister hat es gestern gesagt — nur 30% der landwirtschaftlichen Nutzfläche das Klassenziel des Landwirtschaftsgesetzes erreicht haben.Damit habe ich aber schon das Stichwort „Landwirtschaftsgesetz". Herr Minister, Sie haben gestern dazu für mich eine sehr interessante Aussage gemacht. In Ihrer Rede haben Sie gestern ausgeführt: „Wenn trotzdem die Ziele des Landwirtschaftsgesetzes noch nicht erreicht sind, so darf nicht vergessen werden, daß das Landwirtschaftsgesetz eine Reihe von agrarpolitischen Zielvorstellungen formuliert, die jedem Kenner der Situation als zeitlose Forderung an die Agrarpolitik vertraut sind." Herr Minister Höcherl, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sehe darin ein sehr starkes Abrücken von den wirklichen Kernforderungen des Landwirtschaftsgesetzes. Soweit ist eigentlich noch kaum ein Ernährungsminister von den Formulierungen und von den Verpflichtungen des Landwirtschaftsgesetzes abgerückt. Diese Feststellungen werden wir unseren Bauern draußen nicht vorenthalten. Denn Ihre Aussage deutet doch an, daß die Disparität im Grünen Bericht zeitlos geworden ist. Sie wird ewig bleiben. Gerade das muß ich mit Nachdruck zurückweisen. Dieses Gesetz in seinen Grundforderungen muß auch für den Ernährungsminister für die Zukunft verpflichtend sein. Wir müssen auch in dem Grünen Bericht immer wieder die Auswirkungen des Landwirtschaftsgesetzes sehen. Der Grüne Bericht ist ja Gradmesser, Herr Minister, für das, was Sie jeweils in der Agrarpolitik getan haben. Aber, Herr Minister, vielleicht hängt dieser Geisteswandel bei Ihnen damit zusammen, daß Sie nach Pressemeldungen kürzlich einmal erklärt haben sollen, Sie möchten am liebsten nur noch Ernährungsminister genannnt werden. Ich bedauere eigentlich, daß Sie damit, zumindest in der Optik, doch von der Landwirtschaft abrücken. Ich finde gerade, der Abstand zwischen den landwirtschaftlichen Auffassungen in der Sympathie zwischen Landvolk und Ihnen ist eigentlich schon groß genug. Ich hätte es begrüßt, wenn Sie z. B. nach Dortmund gefahren wären und nicht eine andere Versammlung an dem Tag wahrgenommen hätten. Es ist in der Tat so, wie Herr Dr. Schmidt vorhin ausführte, daß die deutschen Bauern treu zum Staat stehen. Wenn Sie also in Dortmund zur Sache gesprochen hätten, dann wären Sie dort wohl auch zur Sache gehört worden. Damit hätten Sie nach meiner Auffassung für die Agrarpolitik einiges tun können.
Metadaten/Kopzeile:
4560 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
LogemannNun aber gleich eine weitere Anmerkung zum Grünen Bericht; sie betrifft den Vorlagetermin, der in dem Landwirtschaftsgesetz auf den 15. Februar eines jeden Jahres festgelegt ist. Die FDP hat sich seit Jahren bemüht — ich könnte hier x Anträge aufführen —, statt .des Termins zum 15. Februar einen Termin zum 15. November bzw. 1. Dezember eines jeden Jahres zu bekommen. Leider wurde uns von seiten des Ministeriums immer wieder gesagt, daß das zeitlich nicht möglich sei. Wir haben dann gesagt: Versuchen Sie es doch einmal mit anderen Methoden: weg vom Stehpult, hin zum Computer oder zu anderen Datenverarbeitungseinrichtungen. Immer wieder aber kam der Einwand, so schnell gehe es zeitlich nicht. Ich begrüße es außerordentlich, daß Sie jetzt in Ihrer Rede gesagt haben, der Grüne Bericht müsse sinnvoll für das jeweilige Rechnungsjahr eingeplant werden. Gerade das haben wir seit Jahren verlangt. Wir brauchen dazu eine frühere Vorlage — Dezember, November statt Februar —. Ein entsprechender Antrag wird von uns dazu vorgelegt werden.Meine Damen und Herren, es ist sehr wichtig, daß der jeweilige Grüne Bericht doch Verbindung behält zu den Etatberatungen, zum Grünen Plan, aber auch zur praktischen Landwirtschaft selbst. Wenn wir nämlich den Bericht, den wir heute vor uns liegen haben, ansehen, so stellen wir fest, daß er zu einer Auswertung der Ernte 1965 kommt. Das ist für die praktische Landwirtschaft eigentlich schon längst Vergangenheit. Ich darf daran erinnern, daß diese Ernte ja vor der Bundestagswahl 1965 eingefahren wurde. Es ist im Bericht zutreffend dargelegt, daß das Ernteergebnis von damals unter dem Durchschnitt anderer Ernteergebnisse lag. Ich habe aber aus der Praxis heraus nicht so sehr das Gefühl, daß es so schlecht war, daß es in der Auswirkung so weit gehen könnte, wie jetzt unterstellt wird, zu sagen, daß allein darauf die große Disparität zurückgeführt werden kann. Wir sollten nicht versuchen, mit schlechten Ernteergebnissen von agrarpolitischen Dingen, die auch mit Ursache der Disparität sind, abzulenken. Ich möchte in dem Zusammenhang bemerken, daß es in dem Berichtsjahr, für das dieser Grüne Bericht vorliegt, ja nicht nur schlechte Ernten gab, sondern ich darf daran erinnern, daß wir im Herbst 1965 eine ausgezeichnete Erzeugerpreisentwicklung hatten. Das muß man ja bei der Disparität und bei der Vergrößerung der Disparität mit hinzunehmen. Gerade in den Herbstmonaten 1965 — ich habe das damals auch immer wieder in der Öffentlichkeit festgestellt — war eine alte FDP-Forderung, eine Grundsatzforderung von uns erfüllt, nämlich unser Wunsch, daß kostengerechte Preise für die Landwirtschaft erreicht werden sollten. Wir hatten 1965 monatelang eine Entwicklung zu kostendeckenden Preisen hin, und das beweist, daß diese Forderung keineswegs eine Illusion ist, sondern durchaus erreichbar ist, wenn man eine entsprechende Agrarpolitik macht.Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß gerade im Herbst 1965 die damaligen Erzeugerpreise, die also die Kostendeckung erreichten, vom Verbraucher ohne Kritik akzeptiert wurden. Vorbedingung dafür war allerdings, daß eine entsprechende Kaufkraft da war. Sie war damals da — auch darauf möchte ich hinweisen. Ich sehe durchaus den Zusammenhang von Kaufkraft und der Entwicklung landwirtschaftlicher Erzeugerpreise.In dem Zusammenhang ist vielleicht erwähnenswert, daß das Institut für Landwirtschaftliche Marktforschung in Braunschweig-Völkenrode zu diesem Zeitabschnitt seinerzeit feststellte, daß der Index landwirtschaftlicher Erzeugerpreise im Oktober 1965 9,5% über dem des Vorjahres lag. Die Steigerung der Schlachtviehpreise allein betrug 16,3%, die der Eierpreise sogar 17,7%. Wenn diese Steigerungen trotzdem vom Verbraucher verkraftet wurden, so deshalb, weil im gleichen Zeitraum das Masseneinkommen um 12 bis 14% gestiegen war. Hier sehen wir also die enge Verbindung zwischen landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen und der Kaufkraft der übrigen Bevölkerung. Ich brauche wohl nicht besonders darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, daß, wenn wir kostengerechte Preise erreichen wollen, dazu eben Voraussetzung ist, daß auch eine hohe Kaufkraft in der Bevölkerung durch eine entsprechende Vollbeschäftigung vorhanden ist.Meine Damen und Herren, nun aber weiter zu dieser Entwicklung. Es bedurfte dann nur einer großen — allerdings bezeichnenden — agrarpolitischen Fehlleistung, um diese gute Preisentwicklung wieder zu zerstören. Damals im Jahre 1965, als Weihnachten näherrückte, kam zwar noch nicht die Große Koalition, aber da wurde der Wirtschaftsminister unruhig und bestand auf einer Senkung der Abschöpfungsbeträge für die Einfuhr von Schweinefleisch aus Drittländern. Die Abschöpfungen wurden damals gesenkt — insoweit also die Fehlleistung —, und es ergab sich, daß die Landwirtschaft von ihren Preisen in 14 Tagen etwa 28 Millionen DM einbüßte, ohne daß der Verbraucher beim Einkauf von Schweinefleisch irgendeinen Vorteil hatte. Das Schweinefleisch wurde trotzdem nicht billiger, sondern alles blieb damals irgendwie in einer Spanne hängen.Deshalb, Herr Kollege Dr. Schmidt, möchte ich vor soviel Optimismus, den sie hier äußerten, warnen, vor dem Optimismus nämlich, daß es möglich wäre; durch gesenkte EWG-Erzeugnisse dem Verbraucher die Nahrung irgendwie billiger anbieten zu können. Das wird nicht so sein. Wir haben immer wieder Aussagen der Regierung auf Grund von Untersuchungsergebnissen gehört, daß sich zum Beispiel eine Senkung der deutschen Erzeugerpreise für Getreide keineswegs bis hin auf den Brötchenoder Brotpreis auswirken würde. Das alles wird eben immer wieder in vergrößerten Vermarktungsspannen, wo die Kosten ja sofort immer wieder aufgeschlagen werden, hängenbleiben.In diesem Zusammenhang will ich noch folgendes sagen. Herr Minister, Sie haben gestern an uns appelliert, Mut zur EWG zu haben. Ich unterstütze diese Aussage. Ich bin der Meinung, wir sollten der Landwirtschaft sagen: Keine Angst vor der EWG, Mut zur EWG! Wenn man das aber den Bauern sagt und von ihnen verlangt, Mut zur EWG zu haben, muß man auch so konsequent sein, den Mut
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4561
Logemannzu einer entsprechenden nationalen Agrarpolitik zu haben.
Dazu gehört aber auch, daß man den Mut zur Preispolitik hat. Diesen Mut zur Preispolitik habe ich bei Ihren Ausführungen, Herr Kollege Dr. Schmidt, eigentlich ganz vermißt. Ich möchte aber diese Gretchenfrage nochmals ausdrücklich stellen. Mut zur Preispolitik hat nach meiner Auffassung auch das Kabinett gestern bei der Festsetzung des Orientierungspreises für Rinder keineswegs bewiesen.
Mut zur Preispolitik als Voraussetzung für den Mut zur EWG hätte einen Rinderorientierungspreis von 265 statt 259 bedeutet.Meine Damen und Herren! Es ist also sehr wichtig, daß wir erkennen, daß die EWG von der Regierung eine Preispolitik verlangt. Das ist an sich zu begrüßen, denn wir wollen ja weg von der Subventionspolitik. Aber bitte, dann muß man auch den Mut zu dieser Preispolitik haben.Ich darf vielleicht noch folgendes in Erinnerung rufen, weil das nicht ganz uninteressant ist: daß nämlich auch damals — also im Herbst 1965; ich bin hier eigentlich immer bei der Vergangenheit des Grünen Berichtes — das Klima zwischen der damaligen Regierung Erhard und Mende — angesichts des heutigen Sprachgebrauchs Kiesinger-Brandt darf ich das wohl so sagen — doch sehr gut gewesen ist und daß seinerzeit zum Beispiel auf einem Deutschen Bauerntag in Düsseldorf — wenn ich daran noch erinnern darf — der Kanzler Erhard geradezu mit Vorschußlorbeeren bedacht wurde. Mit allen Schikanen war das damals, ganz groß mit Aufstehen, als er hereinkam, und mit großem Beifall bei seiner Rede. All das war also 1965 auf einem Bauerntag einmal möglich. Ich weiß noch — Herr Kollege Dr. Schmidt saß neben mir —, wie ich zu ihm gesagt habe: Wenn das nur gut geht! Wenn das der Bundeskanzler Erhard nur irgendwie verkraftet, daß ihm das nur nicht zu Kopf steigt! Meine Damen und Herren, es dauerte auch nicht lange, da war das schon eingetreten. Nach der Wahl kam dann das Haushaltssicherungsgesetz, und die ersten Kanzlerzusagen wurden damals zwar nicht gestrichen — das können Sie der kleinen Koalition nicht nachsagen —, aber sie wurden verschoben.In diesem Zusammenhang, Herr Minister, möchte ich Sie doch noch einmal zu den Kanzlerzusagen hören. Sie haben neulich einmal in einer Fragestunde versucht, dazu Stellung zu nehmen, aber Sie sind dabei wie die Katze um den heißen Brei herumgegangen, wenn ich es einmal so ausdrücken darf. Heute möchte ich konkret von Ihnen hören, wie Sie zu diesen Kanzlerzusagen stehen. Dabei muß ich feststellen, wenn ich hier zurückblicke, daß die Landwirtschaft eigentlich mit Kanzlerzusagen schon immer schlechte Erfahrungen gemacht hat. Denken Sie einmal an Rhöndorf! Damals hatte sich der Kanzler Adenauer sogar aufgeschrieben, was er den Bauern zusagen wollte, nämlich in bezug auf die Disparität zwischen Agrarpreisen und gewerblichen Preisen sowie zwischen den Agrarlöhnen und dengewerblichen und industriellen Löhnen. Er hat aber nie daran gedacht, so etwas zu halten, und das ja auch ganz offen gesagt. Das war ja der Vorteil bei ihm. Er hat immer gesagt: die Bauern wählen ja doch die CDU.
Er hat es gar nicht für nötig gehalten, seine Zusagen zu realisieren. Wir haben also mit Kanzlerzusagen schon unsere Erfahrungen.Nun die nächste Kanzlerzusage; sie kam 1964. Es ist wichtig, daß wieder einmal in die Erinnerung zurückgerufen wird, was damals wirklich war; hier scheint ja vieles vergessen worden zu sein. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß schon damals die Vertreter der Landwirtschaft der Auffassung waren, daß die Angleichung der EWG-Getreidepreise nicht schon zum 1. 7. 1967, sondern erst am Ende der Übergangszeit, 1970, erfolgen sollte. Die Landwirtschaft drängte also — das muß festgehalten werden — nicht in die EWG, auf eine Verkürzung der Übergangszeit. Es waren ganz andere Bereiche, die das damals getan haben.Punkt 2: Präsident Rehwinkel bedrängte Bundeskanzler Erhard nicht mit Forderungen, im Gegenteil; er wurde von Professor Erhard ins Bundeskanzleramt gebeten, um seine Zustimmung zur Harmonisierung der Getreidepreise und damit zur Senkung der deutschen Preise schon am 1. 7. 1967 statt 1970 zu erreichen.Drittens: Die Senkung der deutschen Getreidepreise bedeutete damals und bedeutet ja noch heute nach den Berechnungen Ihres Hauses, Herr Minister, eine Senkung der wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugerpreise um 10 bis 13%.Viertens: Diese Tatsache und die Aussage des Bundeskanzlers im Bundestag am 19. 3. 1964, die deutschen Getreidepreise seien keineswegs überhöht, die Bundesregierung werde. einer Senkung dieser Preise nicht zustimmen, begründeten die Zusage Erhards, die der deutschen Landwirtschaft durch EWG-Beschlüsse entstehenden Einkommensverluste durch zusätzliche finanzielle Hilfen auszugleichen.Und fünftens. Die Berechtigung dieser Zusagen wurde in der Öffentlichkeit seinerzeit nicht bestritten, sondern man war allgemein dafür. Für die an den damaligen Verhandlungen Beteiligten — auch das möchte ich hinzufügen — entstand sogar der Eindruck, daß bei dem Bundeskanzler die Bereitschaft zu noch weiteren Zugeständnissen vorhanden war, da ja der Kanzler mit der deutschen Zustimmung zu gemeinsamen Getreidepreisen eine politische Gegenleistung Frankreichs erwartete. Das war zu den Kanzlerzusagen.Ich möchte Sie, Herr Minister, also ganz offen bitten, konkret anzugeben — weichen Sie nachher nicht aus! —, ob eine solche Kanzlerzusage heute noch gilt. Die Landwirtschaft muß wissen, wie Sie diese Frage beantworten. Bitte, antworten sie mit Ja oder Nein, und reden Sie bitte nicht darum herum. Man muß wissen, welche Erwartungen die deutsche Landwirtschaft bezüglich der zugesagten Mittel in Zukunft haben kann. Wir müssen hier eine klare Antwort haben.
Metadaten/Kopzeile:
4562 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
LogemannNun, meine Damen und Herren, eine dritte Anmerkung, und zwar zur Methode der Vergleichslohnberechnung. Durch dauernde Änderungen in den Grünen Berichten der letzten Jahre wurde die Aussage der Vergleichslohnberechnung sehr stark gemindert. Wir müssen beanstanden, daß wir die zwölf Grünen Berichte nun nicht mehr in einer Linie vergleichen können. Es ist durch die dauernden Veränderungen ein Bruch eingetreten, der es nicht mehr zuläßt, daß man zu echten Vergleichen mit Zahlen in der Vergangenheit kommen kann. Schon bei einer Korrektur der Vergleichslohnberechnung durch Kanzler Erhard im Jahre 1965 wurde der Vergleichslohnabstand von etwa 29 auf 23% gesenkt. In diesem Jahr kam eine zweite Korrektur. Man kann feststellen, daß von etwa 39 auf 33 % gesenkt wurde. Sie, Herr Minister, werden nachher sicherlich etwas anderes ausrechnen, nach meiner Berechnung kommt dabei aber dieser Betrag heraus.Nun haben Sie für 1967 bereits weitere methodische Veränderungen angekündigt, auf die ich jetzt aus Zeitgründen nicht näher eingehen will. Die Vergleichslohnrechnung ist also zum Teil ohne jeden praktischen Aussagewert. Das muß man zu dieser Entwicklung feststellen.. Die FDP hat seit eh und je die Auffassung vertreten, daß ein gerechter Lohnvergleich zu erfolgen habe.Meine Damen und Herren, das, was ich jetzt sage, ist für uns keineswegs neu: ein gerechter Lohnvergleich bedingt auch die Berücksichtigung der Arbeitszeit in der Landwirtschaft gegenüber anderen mit der Landwirtschaft vergleichbaren Berufen. Hier ist die Feststellung sehr interessant, daß man aus Statistiken ersehen kann, daß z. B. 1965 die von den Industriearbeitern tatsächlich im Jahr nach Abzug von Krankheit, Urlaub usw. geleistete Arbeitszeit 1925 Stunden beträgt. Für landwirtschaftliche Arbeitskräfte liegt — wie aus Seite 53 des Grünen Berichtes hervorgeht — eine tarifliche Arbeitszeit im Jahr von 2392 Stunden zugrunde. Dabei ist zu unterstellen, daß hier tatsächlich nur die notwendigen Arbeitskräfte eingesetzt sind. Davon geht der Grüne Bericht ja aus, und ich habe auch gar nichts dagegen. Aber, Herr Minister, ist nicht zu überlegen, ob man nicht auch in anderen Bereichen, z. B. in der Verwaltung oder in der Bundeswehr — ich könnte auch andere Bereiche aufführen —, die Zahlen auf die Notwendigkeit prüft. Wenn man diesen Vorschlag verwirklicht, ließe sich auch noch sehr viel einsparen.Aber schon aus diesem Vergleich zwischen 1925 und 2392 Stunden wird deutlich, wieviel wirklich in der Landwirtschaft geleistete Arbeit durch diese Nichtberücksichtigung der Arbeitszeit einfach unter den Tisch fällt. Ich habe durchgerechnet, daß das etwa einem Lohnansatz für 361 000 volle Arbeitskräfte in der Landwirtschaft entspricht, die eigentlich noch dazu gehören. Ich will aber mit diesem Vergleich, den ich hier anstelle, keine Rechnung vorlegen. Wir wollen uns jedoch darüber klar sein, daß sich das, was ich hier vortrage, draußen in der Landwirtschaft auswirkt.. Dort kommt in der Tat nicht der Lohnabstand von 33% an, sondern esmüßten eigentlich noch 18 % aufgeschlagen werden, wenn man die gleiche Arbeitszeit zugrunde legt.Ich bin mit Herrn Kollegen Bauknecht einig, daß man diese Dinge bei den kommenden Grünen Berichten wieder ansprechen muß. Denn hierin sehe ich die Ursache für die große Unruhe im Landvolk, die sich darin auswirkt, daß z. B. auf Einladung 35 000 Bauern nach Dortmund fahren. In der Landwirtschaft gibt es keine Befreiung von der Sonntagsarbeit. Die meisten Bauern können keinen Urlaub machen. Auch auf die Überlastung der Bäuerin darf ich in diesem Zusammenhang hinweisen. Hier wird in der Tat sichtbar, was Kollege Bauknecht vorhin mit dem Wort „Überlastung" zum Ausdruck brachte.Die Regierung sollte hier verpflichtet werden, für eine entsprechende Aufklärung Sorge zu tragen. Wir sollten uns- gerade dieses Problem im Ernährungsausschuß noch einmal vornehmen.Abschließend zum Grünen Bericht durchaus auch die positive Feststellung, daß Sie sich bemüht haben, eine klarere Gliederung vorzulegen, und klar unterschieden haben zwischen Zuerwerbsbetrieben, Nebenerwerbsbetrieben und Kleinbetrieben. Ich begrüße auch die Darstellung über die Einkommensentwicklung innerhalb der verschiedenen ausgewählten Betriebsgruppen. Auch das ist eine sehr interessante Studie, die da vorgelegt wird.Nun aber zum zweiten Teil meiner Ausführungen. Ich möchte hier versuchen, die Frage zu beantworten: Wie soll es denn agrarpolitisch überhaupt weitergehen? Herr Minister, ich muß dazu verschiedene Fragen an Sie stellen, wenn ich hier versuchen will, diese Frage zu beatnworten.Zunächst die Vorstellungen zur Agrarpolitik in der EWG. Man muß unterscheiden zwischen dem, was in Brüssel geschieht, was wir dort tun können, und dem, was national möglich ist. Wir haben dazu einen Antrag vorgelegt, der nachher noch von einem meiner Kollegen begründet werden wird. Ich möchte nur, von der EWG her gesehen, drei, vier Sorgen ansprechen, die ich in der jetzigen Situation habe, Sorgen, die allerdings schon seit Jahren durch Warnsignale der FDP, durch die verschiedensten Anträge angesprochen worden sind. Ich will dabei nicht groß die Agrarmarktfinanzierung berühren. Aber es ist sehr wichtig für die Öffentlichkeit, festzustellen, daß uns Brüssel immerhin jährlich 1,6 bis 2 Milliarden DM auch noch nach 1970 kosten wird. Das sind Ihre Aussagen von gestern.Aber im Augenblick muß uns auch die Sorge bewegen — auch das ist schon angesprochen worden —, daß in der EWG zwar die Agrarintegration jetzt zu 93%, also fast zu 100%, erreicht ist, daß aber in anderen Bereichen eine so weitgehende Integration noch nicht festzustellen ist. Denken Sie an die Steuern, an die Finanzen, an den Verkehr oder an die Sozialpolitik! Daraus ergibt sich für die Landwirtschaft die schwierige Situation, daß wir zwar eine Harmonisierung der Erzeugerpreise haben, aber keine Harmonisierung von wichtigen Kostenbereichen, die auf die Landwirtschaft einwirken. Für uns stellt sich die Situation um so schwerer, als wir feststellen müssen, daß wir in der Nachbarschaft von Bereichen leben, die innerhalb der EWG
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4563
Logemanndie höchsten Löhne und die kürzeste Arbeitszeit erreicht haben. Das erschwert unsere Situation außerordentlich. Wir müssen uns bemühen, hier so schnell wie möglich zu einer Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen zu kommen. Aber auch darüber wird mein Kollege Ertl nachher noch sprechen. Das kann ich mir jetzt schenken.Ein weiteres sehr wichtiges Problem — und hier möchte ich von Ihnen eine ganz klare Antwort, Herr Minister — ist das von EWG-Agrarmarkt und Außenhandel. Ich weiß durchaus, wie wichtig ein Industrieexport für die deutsche Industrie und für uns alle im Hinblick auf die Vollbeschäftigung ist. Aber ich möchte doch Klarheit über die Haltung der Bundesregierung in der Kennedy-Runde haben. Es besteht doch die Gefahr, daß man versucht, in der Kennedy-Runde den Binnenmarkt der sechs Länder nach außen wieder einzureißen zugunsten der Agrareinfuhren von Drittländern und vom Weltmarkt her.Dazu folgende Frage: Wie sieht es nach Ihrer Auffassung nun überhaupt mit den Chancen der Produktion der deutschen Landwirtschaft aus? Das ist vielleicht am besten am Beispiel der Versorgung mit Rindfleisch deutlich zu machen. In der EWG-Entwicklung besteht noch ein Zuschußbedarf an Nahrung. Auch in der Bundesrepublik ist noch eine Lücke von fast 40 % vorhanden. Nun die Feststellung, die man machen muß, daß wir laut EWG-Agrarmarktordnung unseren EWG-Partnern einen Vorrang in der Belieferung zur Schließung dieser Versorgungslücke eingeräumt haben. Man hat also der EWG eine Zusage gemacht. Die zweite Zusage hat die Bundesregierung immer wieder gegenüber Drittländern, z. B. Dänemark, gemacht. Ich weiß, daß es mit den Handelsverträgen in absehbarer Zeit aufhört, aber noch laufen sie. Die gestrige Entscheidung im Kabinett ist eine typische Entscheidung gegen die EWG-Abmachungen. Hier kommt ein Drittland mehr zum Zuge als die EWG.Ein dritter Punkt, Herr Minister. Sie haben eine Besichtigungsreise nach Argentinien gemacht, und ich habe nachlesen können, daß Sie auch dort, ich will nicht sagen: Hoffnungen gemacht haben, aber doch darauf hingewiesen haben, wie groß noch der Bedarf an Rindfleisch in der EWG sei. Auch hier könnte man also den Eindruck bekommen, daß auch Argentinien noch mit seinem Gefrierfleisch auf unserem Markt unterkommen soll. Ich könnte hier noch die Zusagen anführen, die auch Ostblockstaaten gemacht werden.Ein vierter Punkt, Herr Minister, ist der, daß vor einiger Zeit aus Ihrem Hause eine amtliche Aufforderung an die deutsche Landwirtschaft gekommen ist, in der Sie ganz deutlich sagen, daß die Landwirtschaft die Veredelungsproduktion für die Zukunft erhöhen soll. Ich darf hier aus ,,Agra-Europe" berichten. Hier heißt es unter der Überschrift „Amtliche Aufforderung zur verstärkten Veredelung":Wenn die deutsche Landwirtschaft die Chancen erkennt, die in der Veredelungsproduktion liegen, braucht sie die Zukunft in der EWG nicht zu fürchten.Dann heißt es weiter:In einer Veröffentlichung des Presse- und Informationsdienstes der Bundesregierung wurde das zum Ausdruck gebracht.Nun weiter:Das Presseamt begründet diese Prognose mit dem Hinweis auf die begrenzten Möglichkeiten einer Erweiterung der Bodenproduktion in der Bundesrepublik.Weder stehe kultivierbares Ödland zur Verfügung, noch sei es sinnvoll, größere Waldflächen zu roden. Schließlich sei eine stärkere Intensivierung der Bodenproduktion angesichts der hohen Lohnkosten bei den meisten Früchten in der Regel wirtschaftlich nicht zu vertreten.Herr Minister, dazu haben Sie an sich meine Zustimmung, auch die Zustimmung meiner Freunde. Es ist in der Tat so, daß die Chancen für die landwirtschaftlichen Betriebe, die über wenig landwirtschaftliche Nutzfläche verfügen, gerade in einer zusätzlichen inneren Aufstockung auf dem Gebiete der Veredelungswirtschaft liegen. Aber wenn man nun eine solche amtliche Aufforderung zur Mehrerzeugung an die Bauern richtet, Herr Minister, dann müssen Sie auch dafür Sorge tragen, daß dieser amtliche Rat, der gegeben wird, nun auch nicht durch die etwa 5800 Berater, die wir ja in der Zwischenzeit in der Bundesrepublik haben und deren Wirken ich durchaus begrüße, zu Fehlinvestitionen führt.Ich will in diesem Zusammenhang im Augenblick nur die Geflügelmast nennen. Ich bin durchaus für eine gute Beratung, wie ich soeben festgestellt habe. Aber ich finde, daß Voraussetzung einer guten Beratung auch eine gute Agrarpolitik ist. Hier müßten Sie also den Bauern mehr sagen und nicht nur diesen Rat geben. Wenn Sie das nicht tun, kann das zu sehr erheblichen Fehlinvestitionen führen. Dann haben wir nachher das, was wir „beratungsgeschädigte" Landwirte nennen können. Herr Minister, deshalb die Bitte: klare Aussagen auch zu dieser amtlichen Aufforderung zur Mehrerzeugung in der Veredelungswirtschaft.Daß wir uns bemühen, eine Bedarfslücke an Nahrung zu schließen, bejahe ich. Aber hier sind doch auch gewisse Bedenken anzumelden, wenn die landwirtschaftlichen Betriebe z. B. aufgefordert werden, sich möglichst zu spezialisieren. Ich bin durchaus für eine weitgehende Betriebsvereinfachung, für Schwerpunktbildung. Ich höre so manchen Rat, der besonders aus dem Norden des Bundesgebietes von prominenten Beratern gegeben wird, die Landwirtschaft müsse sich nun spezialisieren, der eine müsse Ferkelmeier werden, der andere Schweinemeier, der dritte Milchmeier. Das sehe ich aber doch mit Bedenken für unsere landwirtschaftlichen Betriebe, wenn man nicht entsprechende Voraussetzungen in der Agrarpolitik schafft.Nehmen wir z. B. einen Ferkelmeier, der sich entschließt, nun statt 20 Zuchtsauen 60 zu halten. Dieser Mann mit den 60 Zuchtsauen bekommt in seinen Bestand die Maul- und Klauenseuche, weil
Metadaten/Kopzeile:
4564 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Logemanndie Bundesregierung keine Mittel mehr für die Seuchenbekämpfung zur Verfügung stellt, oder dann noch die Schnüffelkrankheit oder noch andere Krankheiten. Dann ist der Mann, Herr Minister, kein Ferkelmeier mehr, sondern dann ist er abgemeiert. Das sollten wir verhindern. Man sollte also die Probleme im Zusammenhang sehen und nicht nur den Rat geben, sondern auch eine entsprechende Agrarpolitik betreiben.Nun aber weitere Anmerkungen zu einzelnen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, mehr von der Praxis als von der Theorie her. Zunächst zur Getreidepreissenkung. Auch dazu wird sich die FDP äußern. Welche Vorstellung hat die Bundesregierung von der Verteilung der 560 Millionen DM, die aus Brüssel kommen sollen? Das ist eine Frage, die, wie ich weiß, Schwierigkeiten bereiten wird. Aber hier muß jetzt Farbe bekannt werden. Ich bin der Meinung, daß solche Ausgleichszahlungen an diejenigen geleistet werden sollten, die durch die Preissenkung wirklich betroffen sind.
Ich hörte vorhin auch, daß das in etwa auch der Auffassung des Kollegen Bauknecht entspricht. Ich habe mich gerade über die Äußerungen des Kollegen Bauknecht gefreut, weil sie aus dem süddeutschen Raum kommen, aus dem ja angeblich noch andere Vorstellungen entwickelt werden, revolvierender Fonds usw. Ich schlage also vor, daß wir die 560 Millionen DM nach der Getreideanbaufläche verteilen. Ich habe es durchgerechnet, Herr Minister; es wäre dann ein Ausgleich möglich. Wenn wir von 560 Millionen DM aus Brüssel und einer Getreideanbaufläche von 4,92 Millionen ha in der Bundesrepublik — laut Grünem Bericht — ausgehen, würden diese 560 Millionen DM je Hektar einen Betrag von 113 DM ergeben.Wenn ich hier Ihre Untersuchungen bezüglich der Auswirkung der Getreidepreissenkung nehme — sie gehen von einem Verlust von 10 bis 13% aus — und wenn ich die Getreideerträge in der Bundesrepublik 1960/65 — laut Grünem Bericht — von durchschnittlich 30 Doppelzentnern je Hektar zugrunde lege, dann hätten wir bei einer Preissenkung von 11 % einen Preisverlust je Hektar von 100 DM zu erwarten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Herr Kollege, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß diese Aussage etwas problematisch ist? Haben Sie seinerzeit nicht gehört, daß die Interdependenz der Preise, ausgelöst durch die Futtermittelpreise, erst den Verlust ergibt? Sind Sie nicht auch der Meinung, daß es ein Spannungsfeld innerhalb der Landwirtschaft ergeben würde, wenn man diese einfache Lösung durchführen würde?
Nein, ich bin nicht der Meinung. Ich bin der Auffassung, daß man diese Mittel so verteilen muß, daß trotz Senkung der Getreidepreise durch die Brüsseler Beschlüsse der Getreideanbau in der Bundesrepublik rentabel bleibt, damit wir nicht zu erheblichen Spannungen dadurch kommen, daß die größeren Getreide anbauenden Betriebe gezwungen sind, weil sie mit Getreide nicht mehr zurechtkommen, nun verstärkt in die Veredelung hineinzugehen. Das würde dann doch gerade den kleineren landwirtschaftlichen Betrieben, denen wir Chancen in der Veredelungsproduktion geben wollen, diese Chancen nehmen.
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Bewerunge?
Ja.
Herr Kollege Logemann, sind Sie nicht auch der Meinung, daß selbst Präsident Rehwinkel seine Forderung abgeschwächt hat, indem er in Dortmund gesagt hat: alle, die Verluste erlitten haben? Sollten wir uns darüber nicht noch einmal unterhalten?
Ich gehe hier im Augenblick von meinen Vorstellungen aus. Ich bin aber auch in der Lage, in einer Rede Rehwinkels nachzuweisen, daß er vor der Landwirtschaftskammer in Hannover, glaube ich, einen ähnlichen Vorschlag gemacht hat, nämlich nach der Getreidefläche.
— Das ist meine Meinung. Die Meinung der Fraktion wird in ähnlicher Richtung gehen. Hier überlegen wir zu sagen, die Länder können dann im einzelnen nach der Zuständigkeit entscheiden. Aber wir werden dafür eintreten, daß nach der Getreidefläche für die einzelnen Länder umgelegt wird.
— Das werden Sie durch einen Antrag erleben, den wir stellen werden. Daraus werden Sie ersehen, welche Vorschläge wir hier zu machen haben.Nun, Herr Minister, zu Ihrem Rat bezüglich der Veredelung noch einige Fragen, um es kurz zu machen. Wie ist der Stand des Gesetzes zur Förderung der bäuerlichen Veredelungswirtschaft? In der kleinen Koalition bestand hier eine große Mehrheit, es wurde im Ernährungsausschuß einstimmig, glaube ich, angenommen. Wie sieht es eigentlich nun mit diesem Gesetz in der großen Koalition aus? Das ist eine Frage, die man doch klären muß.
— Hier wird dazwischengerufen „Juristen". Auch ich weiß von diesen Schwierigkeiten. Aber immerhin, wie stehen Sie zu diesem Gesetz? Sie haben, glaube ich, die Aufforderung vom Plenum, in Brüssel darüber nun Erkundigungen einzuziehen. Meine
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4565
LogemannFrage: Was geschieht von Brüssel aus? Es ist unsbekannt, daß es in Frankreich eine Begrenzung gibt.Meine zweite Frage, Herr Minister: Sind Sie bereit, sich nun auch in Brüssel für preisverbindliche Marktordnungen einzusetzen, und zwar besonders bei Schweinefleisch, Eiern und Geflügelfleisch? Ihre Bemühungen um Grundpreise für Schweinefleisch usw. sind uns bekannt. Aber gerade bei den Geflügelmästern ist die Situation doch sehr bedrohlich. Ich will weitere Ausführungen dazu im Augenblick unterlassen. Ist die Bundesregierung weiter bereit, mit anderen Mitteln — das ist bisher schon geschehen, aber nicht nachdrücklich genug —z. B. die Leistung in der Veredelungswirtschaft durch die Bereitstellung von mehr Mitteln für Milchkontrollvereine, Erzeugerringe usw. zu heben? Auch das ist eine sehr wesentliche Aufgabe in dieser Situation. Wenn man versuchen will, die europäischen Märkte zu erobern, „in Angriff zu nehmen", wie Sie gestern gesagt haben, gehört das eigentlich mit zu einem solchen Plan.Viertens. Kann die Landwirtschaft mit Ihrer Unterstützung rechnen, wenn wir versuchen, im Etat wieder Mittel zur Bekämpfung von Tierseuchen zu bekommen? Das scheint eine sehr, sehr wichtige Aufgabe für die Zukunft zu sein. Die Tierseuchen haben gerade in der Veredelungswirtschaft immer wieder zu Schwierigkeiten geführt. Herr Minister, Sie sind hier, wenn ich so sagen darf, rückwärts aus dem Geschirr gegangen. Sie hatten im letzten Jahr Mittel dafür eingeplant; die sind wieder gestrichen worden. Wir werden also beantragen, daß die Mittel zur Bekämpfung der Tierseuchen, mit denen versucht werden soll, periodische Schutzimpfungen durchzuführen und an denen sich Bund, Land und Tierhalter mit je einem Drittel beteiligen sollen, wieder eingesetzt werden. Auch dazu hätte ich gern von Ihnen eine Antwort.Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend noch auf den besonderen Sorgenpunkt, den wir alle haben, eingehen, nämlich auf den Agraretat 1967. Ich darf dem Herrn Kollegen Bauknecht noch einmal sagen, daß aus den von der FDP vorgelegten Ausgleichsvorschlägen eindeutig hervorging, daß die FDP nicht beabsichtigte, mit ihren Vorschlägen die Landwirtschaft zu berühren. Die wäre in einem Punkt berührt worden, und zwar bei der Streichung der Steuerfreibeträge. Ich muß Ihnen aber sagen, daß wir dazu wieder andere Mittel vorgesehen hatten. Immerhin ist es doch jetzt so, daß zunächst eine rigorose Streichung vorgenommen wurde. Herr Minister, ich weiß nicht, welches Prädikat ich Ihnen hier geben soll: listen- oder trickreich.
Diese ganze Politik begreife ich einfach nicht.Ich habe gestern versucht, im Ernährungsausschuß Nachhilfeunterricht zu bekommen. Trotzdem bin ich. noch nicht durchgestiegen durch das, was sich in der letzten Zeit bezüglich des Ausgleichs des Etats vollzogen hat. Zunächst erfolgte durch die große Koalition eine Streichung im Etat um 400 Millionen DM. Dabei hat der Kollege Hermsdorf sogar erklärt, Sie hätten den Vorschlag selber gemacht.Dann erfolgte plötzlich im Eventualhaushalt — mein Parteivorsitzender Dr. Mende hat neulich erklärt, besser würde man doch wohl „Leihhaushalt" sagen — wieder eine Aufstockung auf den Leihhaushalt. Ich steige durch diesen Wirrwar langsam nicht mehr durch. Es ist aber erfreulich, feststellen zu können, daß wir in der Tat ja nun doch wieder mehr Mittel bekommen.Der Ernährungsetat ist damals von der FDP nicht gekürzt worden, weil wir uns darüber klar waren, daß gerade für die Landwirtschaft durch die beschleunigte Entwicklung in der EWG eine besondere Situation entstehen würde. Angesichts dieser Situation ist es nötig, mehr zu rationalisieren und mehr zu investieren. Es war uns auch schon bekannt, daß der jetzige Grüne Bericht eine größere Disparität als vorher aufweisen würde. Im übrigen war uns auch bekannt, daß die Landwirtschaft eigentlich von der — wenn ich ein modernes Wort gebrauchen darf — Talsohle noch gar nicht weggekommen ist, auch nicht durch die „konzertierte Aktion". Sie hat eine Kürzung ihrer Mittel also durchaus nicht verdient, sondern hätte im Gegenteil verdient, mehr Mittel zur Verfügung gestellt zu bekommen.Es war auch bekannt — das haben Sie ebenfalls zugegeben —, daß sich die Landwirtschaft bemüht hat, ihre Leistungen zu erhöhen, obwohl sie über 1,9 Millionen Arbeitskräfte weniger verfügt als 1950/51. Die Produktivität in der Landwirtschaft ist — nach Ihren Aussagen — um 200 %, in der Industrie dagegen nur um 85% erhöht worden. Und zur Arbeitszeit: Wenn in anderen Bereichen der deutschen Wirtschaft ähnlich lange wie in der Landwirtschaft gearbeitet worden wäre, hätten wir auf die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte wohl weitgehend verzichten können. Aber das ist eine andere Anmerkung zu diesem Punkt. Herr Minister, diese Fragen sollten Sie auch für die Zukunft klären.In einem Aufsatz aus der „Welt" über Ihre Rede in Berlin heißt es z. B.:Minister Höcherl warnt die Landwirtschaft vor Flucht in den Protektionismus.Dann geht es weiter:Die starke Abwanderung der Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft ist nach Höcherls Worten vor 1300 Mitgliedern und Gästen des Bundes der deutschen Landjugend nicht ein Fluch, sondern ein Segen für die Landwirtschaft gewesen, weil sie zur Umstellung auf moderne Verfahren gezwungen hat.Sie verteidigen die damaligen Haushaltskürzungen, Herr Minister. Damit schrecken Sie doch die Bauern ab und entwerten, finde ich, unser ganzes agrarpolitisches Anliegen. Ich möchte doch bitten, hier mehr Klarheiten zu schaffen.Herr Minister, nun weiß ich ja, daß Sie ein Mann sind, der Humor versteht; Sie antworten ja immer sehr humorvoll. Als Sie kürzlich diese Haushaltswirren zu klären versuchten, habe ich an ein Wort gedacht, das in Frankreich vor einigen Jahren einmal die Runde machte, als die französische Regierung versuchte, eine ganz große Aufgabe zu lösen,
Metadaten/Kopzeile:
4566 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Logemannohne daß sie Geld hatte. Da sagten die Franzosen: Das, was die Regierung im Augenblick zu tun sich bemüht, ist „Känguruh-Politik". Da habe ich gefragt: „Was ist denn Känguruh-Politik"? Da wurde mir gesagt: eine Politik der großen Sprünge mit leerem Beutel.
So ähnlich kommt mir der Versuch des Haushaltsausgleichs in den letzten Wochen tatsächlich vor.Damit möchte ich zum Schluß kommen. Ich möchte nur noch sagen, daß wir uns bemühen werden, zum Etat die verschiedensten Anträge zu stellen. Ich will nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber es erscheint uns wichtig, daß wir auch in der Haushaltspolitik dem Anliegen, das jetzt für die Landwirtschaft ansteht, Rechnung tragen.Zusammenfassend darf ich noch einmal feststellen: bezüglich der EWG-Agrarpolitik muß die Bundesregierung darauf dringen, daß im EWG-Rat als Unterlage für die alljährliche Überprüfung der Preis-Kosten-Entwicklung für Agrarerzeugnisse ein Bericht der EWG-Kommission über die wirtschaftliche Lage in der Gemeinschaft vorgelegt wird, also ein Grüner EWG-Bericht. Zweitens sind die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte entsprechend dem Ergebnis nach Ziffer 1 des geforderten Berichts der allgemeinen Kostenentwicklung in den Partnerländern anzupassen. Eine Getreidepreiserhöhung für das nächste Jahr ist in Brüssel schon jetzt zu erwirken; die Voraussetzungen dafür scheinen gar nicht ungünstig zu sein.Es ist aber auch wichtig, bei der Milchmarktordnung die Hände nicht in den Schoß zu legen, sondern mit nationalen Mitteln eine Senkung der Erzeugerpreise zu verhindern. Unsere Forderung heißt dazu: Bei dem in der Milchmarktordnung vereinbarten Abbau oder Umbau der Milchprämie muß durch Beigabe entsprechender Ausgleichsmaßnahmen sichergestellt werden, daß der von der Bundesregierung den deutschen Milcherzeugern zugesagte Erzeugerpreis von 39 Pf bei 3,7% Fett tatsächlich erreicht wird.Um ein Preisverhältnis vom Rind- zum Milchpreis von 1 : 7 zu erreichen, ist es notwendig, Herr Minister, den gestrigen Kabinettsbeschluß wieder zu revidieren. Hier kommen Sie nicht auf das ausgewogene Verhältnis 1 : 7, sondern wir sind uns einig, daß hier weit weniger erreicht wird.Zur nationalen Agrarpolitik nur einige Anmerkungen, alte FDP-Forderungen, die wir immer wieder vertreten haben: Ziel aller agrarpolitischen Maßnahmen muß es sein, für ordnungsgemäß geführte bäuerliche Familienwirtschaften durch Maßnahmen einer zielgerechten Erzeugerpreispolitik und Ausnutzung aller Möglichkeiten zur Senkung der Betriebsmittelkosten ein den Kostenverhältnissen in rationell geführten Betrieben angemessenes Agrarpreisniveau sicherzustellen.Punkt 2. Die EWG-Entwicklung zwingt dazu, daß die Verbesserung der Agrarstruktur im Rahmen langfristiger Planung und Finanzierung beschleunigt und durch den Einsatz von Förderungsmitteln zurRationalisierung der Hofwirtschaft und der Marktstruktur ergänzt wird.Punkt 3. Die Gesetzesvorschläge der FDP betreffend Umstellung des Verfahrens der Dieselkraftstoffverbilligung und betreffend Förderung der bäuerlichen Veredelungswirtschaft müssen mit Unterstützung durch die Regierung beschleunigt beraten und verabschiedet werden. Zum Thema Dieselkraftstoffverbilligung lassen Sie mich sagen, daß wir von Ihnen gern wüßten, zu welchem Preis man mit Bons den deutschen Dieselkraftstoff ab Herbst 1967 etwa wird kaufen können, wie Sie es gestern angekündigt haben. Geht es hier wirklich um einen Preisstand, wie er in anderen EWG-Staaten gezahlt wird, oder werden wir hier noch höhere Belastungen in Kauf nehmen müssen?Zur Sozialpolitik möchte ich nichts sagen, weil dazu nachher noch mein Kollege Reichmann sprechen wird.Ich komme damit zum Schluß. Ich bin der Meinung, daß bei Erfüllung der agrarpolitischen Forderungen und Vorschläge, die ich hier herausgestellt habe, durchaus der Appell an die Bauern, Mut zur EWG zu haben, berechtigt ist, daß wir ihnen nicht sagen sollten, sie müßten Angst vor der EWG haben. Aber wir verkennen auch nicht, daß die deutschen Landwirte nur dann in dem Wettbewerb der EWG bestehen können, wenn die dazu notwendigen agrarpolitischen Voraussetzungen auch wirklich durch die nationale Agrarpolitik gewährt werden.Herr Minister, ich habe gestern Ihre Rede gehört und habe sie auch aufmerksam nachgelesen. Ich habe an sich aus den bekannten Gründen durchaus die Hoffnung und das Vertrauen, daß sich unsere Bauern im Gemeinsamen Markt behaupten werden. Wir sind ja für diesen Markt nicht schlecht gerüstet, weder in den Köpfen noch in technischer Beziehung. Sicherlich gibt es in vielen Punkten noch einen Nachholbedarf, besonders wenn ich daran denke, daß wir auf dem Gebiet des Bauwesens in der EWG Hochpreisland sind. Hier wäre also noch einiges zu tun. Aber, Herr Minister, dem letzten Teil Ihrer Rede kann ich, was die Zukunft anlangt, nicht in allen Punkten zustimmen. Ich meine, daß Sie hier zu viele Theorien entwickelt haben, auch Theorien, die an sich bedenklich werden können. Ich möchte also damit schließen, daß ich sage: Ich habe die Hoffnung, daß wir, wenn wir die Agrarpolitik so steuern, wie es vorgetragen worden ist, in der EWG bestehen werden, daß es die deutschen Bauern trotz der theoretischen Entwicklungen, die Sie gestern für die Zukunft angekündigt haben, schaffen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Ehnes.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Das Jahr 1967 bedeutet für die deutsche Agrarpolitik einen entscheidenden Wendepunkt; denn mit dem Beginn der gemeinsamen Marktpolitik und Preispolitik wandert ein erheblicher Teil nationaler Kompetenzen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4567
Ehnesauf diesem Gebiet auf die Organe der Sechsergemeinschaft über. Das ist nach meiner Auffassung Grund genug dafür, daß man im Rahmen der Debatte in diesem Hohen Hause über den Grünen Bericht, der uns vorliegt, drei Feststellungen trifft: Erstens, wo steht die deutsche Landwirtschaft heute, zweitens, welche agrarpolitischen Notwendigkeiten ergeben sich daraus, und drittens, welche agrarpolitischen Möglichkeiten auf nationalem Gebiet bestehen noch?Der Wert des Grünen Berichts liegt vor allem in der Veröffentlichung der betriebswirtschaftlichen Leistungen unserer Landwirtschaft. Darüber hinaus bringt er wertvolles Zahlenmaterial über die Leistungen der Landwirtschaft im Rahmen der gesamten Volkswirtschaft. Gleichzeitig zeigt er, daß die deutsche Landwirtschaft mit erheblicher Hilfe des Bundes und der Länder eine außerordentlich hohe Produktivität erreicht hat. Es ist bedauerlich, daß ein solches Zahlenmaterial — und hier gehe ich mit den Kollegen, die vor mir gesprochen haben, einig — nicht überall vorliegt. Denn es würde für unsere Landwirtschaft sehr beruhigend wirken, wenn wir auch von den Partnerstaaten einige Daten in dieser Form hätten, auf die wir dann auch unsere Agrarpolitik ausrichten könnten. Die deutsche Landwirtschaft legt also — trotz häufiger Kritik aus nichtlandwirtschaftlichen Kreisen — in einem Schaufenster die Karten aus, und die gesamte Öffentlichkeit in der Bundesrepublik und in unseren Partnerstaaten kann Einsicht gewinnen in den Stand unserer Landwirtschaft und in das, was geschehen soll. Wenn das getan wird, muß die deutsche Öffentlichkeit die Leistung dieser Berufsgruppe anerkennen. Jede Berufsgruppe und jeder Berufszweig hat ein gewisses Anrecht darauf, in der gesamten gesellschaftlichen Ordnung anerkannt zu sein, und hat auch ein Anrecht darauf, eine Anerkennung ausgesprochen zu bekommen.Wenn man diesen Grünen Bericht zugrunde legt, dann, glaube ich, hat das, was Herr Kollege Logemann ausgeführt hat, eine Teilberechtigung. Der Grüne Bericht hätte auch dann nicht mit Gewinn abschließen können, wenn die Witterung günstig gewesen wäre; denn die Verzerrungen im Tarif-, im Lohn- und im Einkommensniveau innerhalb unseres Landes sind größer geworden. In weiten Bereichen der Bundesrepublik, deren Zahlen ebenfalls als Grundlage gedient haben, sind die Ertragsverhältnisse, bedingt durch die Witterung im Ablauf des Jahres, so beeinträchtigt worden, daß heute dieses negative Bild vor uns steht. In meinem Lande haben wir unter diesen Witterungseinflüssen außergewöhnlich zu leiden gehabt. Es wirkt sich auch in der Stimmung unserer Bauernschaft aus, daß zu den Maßnahmen, die der Gemeinsame Markt einerseits uns auferlegt, und zu den Maßnahmen, die die Haushaltskürzungen uns andererseits zusätzlich auferlegt haben, noch die Schwierigkeit der Bewältigung der Natur gekommen ist, seien es Überschwemmungen, seien es zwei schlechte Erntejahre, die hier leider aufeinandergefolgt sind.Ich darf es mir ersparen, die Zahlen des Grünen Berichts zu wiederholen; Sie werden, meine Damenund Herren, diese Zahlen gelesen und sich darüber Gedanken gemacht haben. Der Herr Bundesminister hat das Ergebnis dieses Berichts überzeugend aufgeteilt und uns aufgeschlüsselt übergeben. Dafür glaube ich ihm Dank aussprechen zu dürfen. Ich meine, wir alle dürfen diesem Bericht unsere Zustimmung geben. In ihm wird deutlich erkennbar herausgestellt, daß die deutsche Landwirtschaft innerhalb der Volkswirtschaft einen bedeutsamen und nicht übersehbaren Platz einnimmt und daß sie innerhalb der Gemeinschaft nicht hinter den anderen Partnern zurücksteht. Die Leistung in der Bundesrepublik pro Arbeitskraft, pro Hektar oder pro Einheit im tierischen Bereich kann sich sehen lassen und kann sich nach außen hin zeigen. Damit wird dokumentiert, daß diese Agrarpolitik, die von der Bundesregierung in den letzten 17 Jahren auf dem Familienbetrieb aufgebaut worden ist, richtig ist.Wenn man nun Vergleiche mit anderen Staaten anstellt und als Beispiel etwa Amerika anführt, so stimmt es doch bedenklich, daß dort die Einnahmen nur zu 50 °/o aus echtem Einkommen bestehen, obwohl die Betriebsgrößen bei 200 ha liegen. Der deutsche Steuerzahler und die Bundesregierung können sich daher glücklich schätzen, daß es bei unseren Größenverhältnissen gelungen ist, diese enorme Leistung pro Arbeitskraft und diese enorme Leistung auch im Bereich der Flächenproduktion zu vollbringen; denn damit ist einerseits ein hoher Versorgungsgrad erreicht, andererseits kann durch diese Mengenproduktion und durch diese hervorragende Leistung der Verbraucher mit besten Qualitäten versorgt werden. Wenn diese Leistung nicht erfolgt wäre, würde der Abstand zu den anderen Staaten noch viel größer sein.Wie in den vergangenen Grünen Berichten weist auch der Bericht des Jahres 1967 wiederum eine verstärkte Disparität innerhalb unserer Landwirtschaft aus. Das betrifft sowohl die einzelnen Bodennutzungssysteme und deren geographischen Standort in der Bundesrepublik als auch die differenzierten Betriebsgrößenklassen. An sich ist es verständlich, daß in besseren Standorten höhere Betriebsergebnisse zu verzeichnen sind und daraus auch ein höheres Arbeitsentgelt für die in der Landwirtschaft Tätigen resultiert, ebenfalls eine bessere Verzinsung des Aktivkapitals. Der Herr Bundesminister hat den Durchschnitt mit 72 000 DM pro Arbeitskraft bezeichnet. Aber wir haben in der Bundesrepublik nun einmal landwirtschaftliche Betriebe in naturgegebenen ungünstigen Standorten, deren Betriebserfolge durch ungünstige Markt- und Absatzanlagen nicht unerheblich beeinflußt werden. In den Grenz- und Zonenrandgebieten werden diese Einflüsse noch verstärkt. Die Schwierigkeiten sind Ihnen bekannt. Herr Kollege Schmidt, ich glaube schon, daß es ratsam ist — ohne nun Niedersachsen oder Bayern speziell ansprechen zu wollen —, auch im Rahmen der Bemühungen um die Entwicklung in der EWG einige Sondermaßnahmen und Sonderregelungen zu treffen, wenn wir diese Gebiete an der Grenze anderer Staaten oder am Zonenrand nicht in eine Situation bringen wollen, die wir seit Jahren alle gemeinsam zu bekämpfen versuchen.
Metadaten/Kopzeile:
4568 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
EhnesAuch wenn die EWG-Kommission in ihren agrarpolitischen Grundsätzen am optimalen Standort festhält, muß die Bundesregierung, muß dieses Hohe Haus die Landwirtschaft in den genannten Problemgebieten aus allgemeinen politischen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erhalten versuchen. Das muß unser gemeinsames Ziel sein.Ich möchte deshalb die Bundesregierung mit Nachdruck auffordern, die Situation in diesen Gebieten zu beobachten und alles zu unternehmen, damit diese Gebiete nicht weiter abgehängt werden; denn sonst wird dort ein Aufholen nicht mehr möglich sein, sonst wird es weite Teile in unserem Vaterlande geben, in denen zu den Problemen, die der Arbeitsmarkt in diesen Randgebieten aufgeworfen hat, noch weitere Schwierigkeiten hinzutreten und zu bewältigen sein werden.Manchmal macht meinen politischen Freunden und mir die innere Disparität in der deutschen Landwirtschaft mehr Sorge als der Abstand zum Vergleichslohn insgesamt, weil es außerordentlich schwierig ist, diese innere Disparität auszugleichen. Hier zeigt sich ganz deutlich, daß die kleineren Betriebsgrößen in ungünstigen Produktionsverhältnissen weniger Produktionsvorteile haben als Betriebe mit einer größeren Struktur in günstigen Markt- und Absatzgebieten. Das wird erst recht erkennbar werden, wenn am 1. Juli dieses Jahres der Gemeinsame Markt kommt; denn die größeren Betriebsstrukturen liegen jenseits unserer nationalen Grenze, in Frankreich, und dort sind ebenfalls die besseren Voraussetzungen vom Boden und von der Bewirtschaftung her gegeben. Zudem kommen die besseren Chancen des Absatzes aus gewissen grenznahen Bereichen in die Hauptverbrauchergebiete, die wir bisher selbst beliefert haben. Angesichts dieser Entwicklung sind Sonderregelungen und Sondermaßnahmen bei gewissen Qualitätserzeugnissen notwendig. Der Herr Kollege Schmidt hat in bezug auf dieses Problem in früheren Jahren mir gegenüber manchmal eine etwas negative Einstellung zum gebracht.Ich stehe selbstverständlich auf dem Standpunkt, daß Qualitätszuschläge bei Braugerste und Weizen nur entweder überall gewährt werden können oder gar nicht, weil die darauf basierende, abnehmende Wirtschaft sonst ihre Schlüsse ziehen müßte. Ich glaube aber, daß wir in diesem Qualitätsbereich so große Fortschritte erzielt haben, daß wir hier einen Schritt weitergehen dürfen und daß die Forderung nach einer finanziellen Unterstützung in Form einer Prämie — ganz gleich, ob sie nach der Fläche oder anders geartet gegeben wird — von der Bundesregierung auch in Brüssel nachdrücklich weiterverfolgt werden sollte. Um so mehr muß die Bundesregierung also alles tun, wenn wir die Sachlage überblicken und den Grünen Plan überschauen, daß auf dem markt- und preispolitischen Gebiet das restlos ausgeschöpft wird, was die EWG-Marktordnungen uns geben. Wenn wir die Getreidepreisregelung des Jahres 1964 von der Unkostenseite her zugrunde legen, so ist vollinhaltlich zu unterstreichen, was mein verehrter Herr Kollege Bauknecht erwähnt hat, daß nämlich zum frühest möglichen Zeitpunkt diese Unkostenseite überprüft und daß zu einem frühest möglichen Zeitpunkt die Revision auf die echten Unkosten im Erzeugungsbereich abgestellt und durchgeführt werden muß.Ich möchte aber auch noch feststellen, daß in diesem Bereich die für uns offene Frage, wie hoch . die Preisregelung dann sein müsse, noch nicht öffentlich ausgesprochen werden kann. Das wird in gemeinsamer Arbeit mit unseren Partnern, mit der berufsständischen Organisation und im Einklang mit der Bundesregierung noch in diesem Jahr in den Besprechungen zu regeln sein. Eine nochmalige Überprüfung der Schwellenpreise für Milchprodukte sowie eine stufenweise und sofortige Anhebung des Trinkmilchpreises, auch wenn sie unpopulär ist, sollte angestrebt werden, um die abgebauten Förderungszuschläge des Bundes und der Länder über den Markt abzufangen. Dazu müßten eine Exporterstattung für Butter in Drittländer, die vereinbarte Magermilchprämie und eine Anhebung des Interventionspreises bei Butter hinzutreten.Meine Damen und Herren! Wir sind uns der Problematik in dieser Preispolitik bewußt. Ich glaube aber, auch aus dieser Debatte sollte hervorgehen, daß der Anfang der Agrarpolitik die Preis- und die Marktpolitik bleiben muß. Wir sehen, daß mit dem Abbau der Maßnahmen, die bisher unsere Haushalte ermöglichten und durch die EWG-Verordnung nicht mehr gegeben sind, dieser Schritt getan werden muß, weil sonst die Landwirtschaft auf so viel Einkommen verzichten müßte, daß der Anteil der eigenen Produktion in der Zukunft gefährdet wäre. Das will niemand in diesem Hohen Hause. Die Bundesregierung sollte im Ministerrat die Schweinemarktordnung überprüfen und ihre Zustimmung dazu nur dann geben, wenn in Zukunft beim Sinken dieser Preise unter den Grundpreis durch ausreichende Intervention in den Markt eingegriffen werden kann. Ich glaube, die Möglichkeit ist gegeben, wenn man die Bereitschaft dazu aufbringt. In diesem Bereich muß die alte Forderung wiederholt werden, daß der Schutz der Veredelung auch in der EWG für die Familienbetriebe ein ernstes Anliegen bleibt. Hier darf ich ebenfalls daran erinnern.Die Situation auf den deutschen Schlachtrindermärkten ist zur Genüge bekannt. Auch hier darf ich zum Ausdruck bringen, daß die Regelung, die das Kabinett mit den 259 DM getroffen hat, mich nicht befriedigt, denn diese Regelung entspricht nicht den Vorstellungen, die unsere Fraktion entwickelt hat. Sie entspricht auch nicht den Marktordnungsmöglichkeiten und der Chance, sie auszunützen. Deshalb darf ich den Herrn Bundesminister bitten, sein Augenmerk darauf zu richten, daß es in diesem Bereich vielleicht noch zu einer anderen Festsetzung kommt.In der Agrarpolitik bleibt aber nach wie vor das A und O „die Wahrheit den Bauern gegenüber", denen wir gesagt haben, sie mögen in der EWG in eine stärkere Veredelungskonzentration und -produktion einsteigen. Wir müssen auch die Handelswege, die bisher bestehen, jedes Jahr aufs Neue überprüfen; denn die Zuwachsrate auf dem deutschen Schlachtrindmarkt beträgt in diesem Jahr
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4569
Ehnesz. B. 300 000 Rinder. Ich habe nichts gegen Handelsverträge, wenn sie zeitlich und in den Mengen echt sind. Ich habe aber etwas gegen Handelsverträge, wenn sie neben hohen deutschen Angeboten basieren und wenn sie ohne Rücksicht auf die Höhe der eigenen deutschen Produktion abgeschlossen werden. Ich glaube, wir haben hier einen Anspruch darauf, daß diese Handelswege überprüft werden und daß der einheimischen deutschen Landwirtschaft der Vorrang der Verkaufschance erhalten bleibt, so daß Verträge nur über solche Mengen abgeschlossen werden, wie sie zur Versorgung notwendig sind. In den Handelsbeziehungen mit unseren Partnern können wir trotzdem in einem freundschaftlichen Verhältnis stehen.Darüber hinaus wird es notwendig sein, die zu Ende gehende EWG-Übergangsphase voll auszunutzen. Und damit komme ich zu unserem Haushaltsproblem. Meine Freunde und ich halten daran fest, daß eine im Hinblick auf die EWG aufgestellte Forderung heute in dieser Debatte besonders benotet werden muß, nämlich die Forderung, daß die Erstattungen gezahlt werden und daß die deutsche Agrarpolitik auf eine echte Exportpolitik und Marktpolitik ausgerichtet wird, die gegenwärtig möglich ist, die aber vielleicht in ein, zwei oder drei Jahren nur noch abgeschwächt möglich sein kann, weil alle Staaten in unserem europäischen Gebilde sich bemühen, die großen Versorgungszentren der Welt zu erfassen. Ich glaube, wir haben hier eine echte Chance, die wir ausnutzen sollten. Ich möchte die Bundesregierung auffordern, in diesem Punkt alles zu tun, um der deutschen Landwirtschaft über die Exportchance Luft zu geben; dann können wir auch über die Handelsbeziehungen mit Drittländern reden. Wir können aber nicht über die Einfuhren reden. Es sind Dumping-Einfuhren, wenn sie von Staatshandelsländern aus ganz gewissen Gründen vorgenommen werden.Dies trifft zu im Bereich der Holzlieferungen, die mein Kollege Bewerunge dann noch charakterisieren wird. Diese Einfuhren erfüllen uns in Bayern mit einer ganz großen Sorge, weil das Land, aus dem wir stammen, einen sehr hohen Holzeinschlag zu verzeichnen hat. Allein im Lande Bayern werden 7,5 Millionen Kubikmeter Holz jährlich eingeschlagen. Die Stürme der letzten Wochen haben allein in Bayern zusätzlich 3 Millionen Kubikmeter auf den Markt gebracht, d. h. 40% mehr als den normalen Einschlag. Gerade dieses Land wird überschwemmt durch die Einfuhren von Holz aus den osteuropäischen Staaten. Die Bundesregierung hat sich mit diesem Problem befaßt. Hier muß auf steuerpolitischem, auf handelspolitischem Gebiet alles getan werden, was möglich ist. Die Katastrophe, die sich hier anbahnt, darf nicht nur von der momentanen finanziellen Not aus, sondern muß auch im Hinblick auf die Gefahr des Borkenkäferbefalls gesehen werden. Wenn hier nicht in absehbarer Zeit Abhilfe geschaffen werden kann, werden dem Staat viel mehr Opfer auferlegt werden.Ich glaube, daß wir mit unserem Haushalt im Rahmen der Großen Finanzreform, die vor uns steht, naturgemäß durchaus das Recht und den Anspruch haben, auf die Preis- und Marktpolitik einzuwirken, weil wir nicht so große Optimisten sind. Wenn wir die wirtschaftliche Lage übersehen, ist uns klar, daß die Haushalte begrenzt sein müssen. Die deutsche Landwirtschaft hat von Anfang an die Preispolitik höher bewertet als die Subventions– politik. Wir betrachten die Subventionspolitik als einen Ausgleich und eine Hilfsmaßnahme; sie wird aber immer abhängig sein von den Möglichkeiten, die der Staat uns gibt.Nun darf ich noch auf einige Ausführungen eingehen, die meine Herren Vorredner gemacht haben. Der Kollege Logemann hat über die schlechte Ernte und über Aussagen des früheren Bundeskanzlers gesprochen. Er hat auch gesagt: Die Bauern wählen doch die CDU!
Ich muß sagen, daß das für mich als CSU-Mann politisch eine recht angenehme Genugtuung ist. Ich möchte aber weiter sagen: wir sollten nach meiner Auffassung nicht das, was in der Vergangenheit geschehen ist, wiederholen und dabei auf einige Persönlichkeiten besonders abzielen. Ich würde jetzt ganz gern einige Zitate Ihres früheren Finanzministers anführen; damit wäre Herr Bundeskanzler Erhard sicherlich rehabilitiert. Deshalb meine ich, daß wir die Politik, die wir hier vertreten, nicht auf einzelne Personen abstimmen sollten. Vielmehr sollten wir — die drei Fraktionen — gemeinsam einen Weg aufzeigen, der unseren Landwirten draußen Mut und Selbstvertrauen in der Form gibt, daß jeder weiß, daß in diesem europäischen Raum auch für ihn Platz ist, daß er bestehen kann.Der Herr Kollege Dr. Schmidt hat hier ein Wort ausgesprochen, das ich etwas untermauern und charakterisieren muß. Er sagte zunächst einmal: das, was der Herr Bundesminister Höcherl in diesem Grünen Bericht gebracht hat, ist ein Kind der Großen Koalition im Bereiche der Gemeinschaften, im Bereich des Programms für die kleine Landwirtschaft. Dazu möchte ich sagen: wir sind dem Herrn Bundesminister sehr dankbar dafür, daß er ein Aktionsprogramm für kleinere Landwirte schaffen will.Ich bin aber auch Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege Dr. Schmidt, daß Sie innerhalb von 5 Minuten zweierlei Aussagen gemacht haben. Bei der einen Aussage haben Sie sich vollinhaltlich zu den Zu-und Nebenerwerbsbetrieben bekannt; zu denen bekenne ich mich ebenfalls uneingeschränkt. Bei der zweiten Aussage haben Sie das Zitat gebracht: „Wer Bauer bleiben will, soll Bauer bleiben." Sie meinten damit den bayerischen Ministerpräsidenten, Herrn Dr. Goppel, der diesen Satz einmal in einer Regierungserklärung zitiert hat. Dazu darf ich feststellen, daß Herr Goppel, als er das zitiert hat, zunächst einmal von einer freiheitlichen Staatsform und Lebensordnung ausging, ebenso von der freien Berufswahl und der freien Entscheidung darüber, was der einzelne Mensch in diesem Staat beruflich tun will. Ich denke, daß Sie mit dem Satz vom Bekenntnis zu den Zu- und Nebenerwerbsbetrieben dem Herrn Ministerpräsidenten eine Bestätigung gegeben haben, denn dieses Wort gilt für uns heute
Metadaten/Kopzeile:
4570 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Ehnesnoch, daß derjenige, der sich entscheidet, Landwirt zu bleiben, auch Landwirt bleiben kann.Ich darf Ihnen sagen: der bayerische Ministerpräsident kennt die Sorgen der Landwirtschaft, aus seiner Sicht im besonderen. Ich muß also das, was Sie in diesem Bezug gesagt haben, höflichst, aber bestimmt zurückweisen, Herr Kollege Schmidt. Ich muß Ihnen sagen: der bayerische Ministerpräsident hat für die berechtigten Anliegen der grenznahen Landwirtschaft und des Kleinbauerntums in Bayern und in der Bundesrepublik volles Verständnis. Helfen wir ihm dabei, diese Probleme gemeinsam zu lösen, dann erfüllen wir nach meiner Auffassung den Auftrag, den uns unsere Bevölkerung erteilt hat. Wir liegen hier also nicht schräg,
sondern wir werden auf Grund Ihrer Forderung, Zu- und Nebenerwerbsbetriebe zu erhalten, sehr bald im Ausschuß eine Meinung vertreten können.Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt zum Schluß kommen — auch der Zeit entsprechend — und noch eine Bitte aussprechen. Gegenwärtig besteht nach unserer Gesetzgebung bei der Einkommensteuer nicht mehr die Möglichkeit, die Belastung durch Altenteile vom Einkommen abzusetzen. Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, das zu überprüfen und mit dem Bundesfinanzministerium einen Weg zu suchen, so daß in der Zukunft die Leistungen, die der Austragsbauer vom Hof empfangen muß, wieder steuerlich abgesetzt werden können, weil die andere Regelung eine zusätzliche Belastung für den Betriebsinhaber bedeuten würde, wenn er dafür nämlich über die Einkommensteuer bestraft würde.Zum Abschluß darf ich Ihnen, Herr Bundesminister, und den Herren Ihres Hauses den Dank und die Anerkennung meiner Fraktion und meiner politischen Freunde zum Ausdruck bringen. Ich darf feststellen, daß Ihr Bericht und Ihre gestrige Rede von uns voll unterstützt werden. Ich darf den Dank auch auf all die Bäuerinnen, Bauern und Mitarbeiter ausdehnen, die das ganze Jahr berufstätig sind und ihre Pflicht erfüllten.Über die deutsche Landfrau und ihre Leistungen wird heute nachmittag meine sehr geehrte Frau Kollegin Griesinger besondere Ausführungen machen.
Wir treten nunmehr in die Mittagspause ein. Wir werden die Sitzung um 15 Uhr wiederaufnehmen.
Als nächster Redner hat dann Herr Marquardt zur Begründung des Marktstrukturgesetzes das Wort.
Ich unterbreche die Sitzung.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der unterbrochenen Debatte fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Marquardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache V/1544 legt Ihnen die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den Entwurf eines Marktstrukturgesetzes vor. Ich hoffe, wenigstens in einem Ihren Beifall, d. h. den der ausdauernden Zuhörer bei allen Grünen Debatten, zu finden, nämlich indem ich auf eine weit ausholende Begründung verzichte. Ich glaube das deshalb tun zu können, weil über die Problematik und die Notwendigkeit von Marktstrukturverbesserungen in der Öffentlichkeit seit Jahren in aller Breite debattiert wird. Zum anderen, weil das Gebiet auch für dieses Haus kein Neuland ist. Viele, ich möchte sagen, die meisten der hier Anwesenden werden sich erinnern können, daß uns im 4. Bundestag schon einige Marktstrukturgesetzentwürfe vorgelegen haben. Zum Nachlesen will ich sie in Erinnerung bringen. Das war einmal ein sozialdemokratischer Entwurf — Drucksache IV/2822 —, dann ein Entwurf der FDP-Fraktion — Drucksache IV/3209 — und schließlich auch ein Entwurf der CDU/CSU-Fraktion, der einige andere Lösungen vorsah, Ein Marktstrukturfondsgesetz wurde unter der Drucksache IV/3244 unterbreitet. Wir haben darüber im Januar 1965 hier debattiert, und man konnte annehmen, daß ein Gesetz noch in der 4. Legislaturperiode Wirklichkeit würde. Dies deshalb, weil sich die berufsständischen Organisationen, die Agrarwissenschaft, die Agrarpraxis und alle Fraktionen dieses Hauses über die Dringlichkeit der Verbesserung der Marktstruktur einig waren. Dennoch kam es nicht zu der Verabschiedung eines Gesetzes.Aber damit, meine Damen und Herren, sind die Probleme nicht entfallen. Vielmehr ist, so meinen wir, deren Lösung, so wie gestern auch Herr Minister Höcherl hier überzeugend dargelegt hat, gerade auch wegen der Verkürzung der Fristen zur Herbeiführung des EWG-Agrarmarktes noch dringender geworden. Deshalb meinen wir, daß es nicht so ist, wie man hier und da von der Seite hört, daß es sich bei unserem Entwurf um eine alte Klamotte handele. Es ist jedenfalls ein ernstes, dringendes und uns allen Sorgen bereitendes Problem.Nun, worum geht es bei unserem Gesetzentwurf?Sie wissen, daß sich in den letzten Jahren immer deutlicher und zunehmender gezeigt hat, daß der einzelne Landwirt allein kaum noch in der Lage ist, die bestmöglichen Marktchancen wahrzunehmen. Ein sich ständig verändernder Markt verlangt heute überwiegend einheitliche, qualitativ hochwertige Agrarerzeugnisse und das in großen Partien. Unsere Partnerstaaten oder zumindest einige haben ihre Produktion nicht zuletzt durch dort bestehende nationale Gesetze auf diese Erfordernisse längst umgestellt. Bei der deutschen Agrarproduktion ist es so, daß allzu oft der konzentrierten Nachfrage durch Handelsketten, Filialunternehmen usw. nur ein zersplittertes, man könnte fast sagen, oft nur ein geradezu atomisiertes Angebot gegenübersteht. Es gilt, diese Wettbewerbsungleichheit mit dem Ziel zu beseitigen, die deutsche Landwirtschaft beschleunigt auf die Bedürfnisse der Abnehmer einzustellen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4571
MarquardtWir wollen nicht übersehen — wir erkennen das auch befriedigt an —, daß sich in der Praxis bereits zahlreiche Beispiele horizontaler und vertikaler Verbundwirtschaft herausgebildet haben. Anbaugemeinschaften und Erzeugerringe sind entstanden. Bund und Länder haben dazu finanzielle Hilfe geleistet. Aber es erscheint uns notwendig, daß diese begrüßenswerten Ansätze verstärkt und beschleunigt fortgeführt werden und daß vor allem ein Rahmen, ein einheitliches Konzept entwickelt wird. Nur so können wir erreichen, daß erstens Fehlinvestitionen soweit wie möglich vermieden und zweitens der deutschen Landwirtschaft gleiche Wettbewerbschancen gegeben werden.Dazu soll mit dem vorliegenden Entwurf eine Grundlage gegeben werden. Wir wollen mit diesem Gesetz in erster Linie die rechtlichen Voraussetzungen für eine Förderung von Erzeugergemeinschaften schaffen. Nach unseren Vorstellungen soll es sich um Erzeugergemeinschaften handeln, die auf Grund eines freiwilligen Zusammenschlusses — darauf legen wir besonderen Wert — als Anbieter- und Verhandlungsgemeinschaften errichtet werden. Der damit in Zusammenhang stehenden Anerkennung sollen folgende Merkmale zugrunde liegen: Einmal sollen sich die Erzeugergemeinschaften auf ein landwirtschaftliches Erzeugnis oder auf eine Gruppe verwandter landwirtschaftlicher Erzeugnisse beschränken. Zum zweiten soll eine Erzeugergemeinschaft eine Mindestzahl von Betrieben mit einer Mindestanbaufläche oder einer Mindestproduktion umfassen. Schließlich soll bei einer Erzeugergemeinschaft eine Satzung vorhanden sein, die Bestimmungen über die Verpflichtung der Mitglieder zur Einhaltung von Qualitäts-und Erzeugungsregeln enthalten muß.Mit dem sich daraus ergebenden zusammengefaßten Angebot soll die Erzeugergemeinschaft sich frei an die Abnehmer — seien es Händler, Genossenschaften oder Verarbeitungsbetriebe — wenden können. Ich verweise dazu auf den § 3 unseres Entwurfs.In vielen Fällen wird es aus Zweckmäßigkeitsgründen zum Abschluß langfristiger Liefer- und Abnahmeverträge kommen. In solchen Fällen soll die Erzeugergemeinschaft die Verpflichtung zur Einhaltung der Verträge hinsichtlich Qualität, Sortierung und Zeitpunkt der Anlieferung übernehmen.Aber diese vertragliche Bindung soll nicht die einzige Möglichkeit sein. Es ist nämlich nicht Sinn und Zweck unseres Entwurfs, den Wettbewerb auszuschalten oder ganz bestimmte Preisvorstellungen unabhängig von Angebot und Nachfrage durchzusetzen. Wir meinen, daß gerade die sich ergebende Vielzahl von Erzeugergemeinschaften und auch die Konkurrenz innerhalb der Gemeinschaft dies ohnehin ausschließt.Hinsichtlich der finanziellen Förderung der Erzeugergemeinschaften — und das ist nun der springende Punkt haben wir uns im § 4 unseres Entwurfs auf zwei Maßnahmen beschränkt:1. Beihilfen zu den gemeinschaftlich notwendigen Erstinvestitionen zur Schaffung einheitlicher Erzeugungsgrundlagen und einer einheitlichen Produktionsweise und2. Beihilfen für die notwendige Beratung und für wirksame Qualitätskontrollen.Diese Förderung wollen wir als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden wissen. Sie soll im Rahmen der bestehenden bzw. in Aussicht genommenen Verordnungen des Rates und der Kommission der EWG erfolgen. Sie wissen, daß heute auf der Drucksache V/1507 dem Hause ein neuer Kommissionsentwurf vorgelegt worden ist. Bis zu seiner Verabschiedung kann nach den bisherigen Ratsbeschlüssen — z. B. nach der Verordnung Nr. 26 — verfahren werden.Wir schlagen über diese spezielle Förderung der Erzeugergemeinschaften hinaus im § 6 vor, daß den Marktpartnern der Erzeugergemeinschaften ein Vorrang bei der Vergabe von Bundesmitteln dann eingeräumt werden soll, wenn sie längerfristige Bindungen mit Erzeugergemeinschaften eingehen.Meine Damen und Herren, wir haben uns in dem Ihnen vorliegenden Entwurf gegenüber den früheren Vorlagen manche Selbstbeschränkung auferlegt und haben manche weitergehenden wünschenswerten Dinge ausgelassen. Wir betonen jedoch, daß wir allen Anregungen bei den Beratungen in den Ausschüssen offenstehen. Worauf .es uns ankommt, ist einfach dies: Unabhängig davon, wie die weitere Behandlung der eben genannten Vorlage der Kommission sein wird, erscheint es im Hinblick auf die fortschreitende Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes notwendig, unverzüglich, schnellstens ein festes Fundament für die angesprochenen Absichten und Maßnahmen zu schaffen. Wir möchten, daß die angelaufenen Maßnahmen des Grünen Plans schon für 1968 auf eine gesetzliche Grundlage umgestellt werden, damit die Mittel des Bundes noch gezielter als bisher eingesetzt werden können.Sie, meine Damen und Herren, bitten wir um eine wohlwollende Unterstützung in den Ausschüssen. Wir bitten um eine zügige Beratung, die, so meinen wir, zusammen mit der Beratung über den Antrag auf Drucksache V/1507 erfolgen kann.Namens meiner Fraktion bitte ich, unsere Vorlage dem Ernährungsausschuß — federführend —, dem Wirtschaftsausschuß — mitberatend — und dem Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sicherlich ist es keine Wonne, hier nun zu diskutieren. Im Hause herrscht gähnende Leere; nur die Pressebank ist ein klein wenig besetzt.Der Mann, der die Agrarpolitik vertritt, hat heute viel Ermunterung aus seinen Reihen bekommen. Offensichtlich haben die Koalitionsparteien, die die Regierung tragen, Kenntnis davon, daß er Unterstützung aus dem Parlament braucht. Die großen
Metadaten/Kopzeile:
4572 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Ertl„deficit-brothers" Strauß-Schiller lassen ihn heute allein; sie nehmen ihn wohl nur beim deficit-spending im Kabinett in die Mangel und versuchen, ihn auszuwringen. Der Kollege Bauknecht muß dann ein Wehlied über ein Minus von 1240 Millionen DM anstimmen.Dabei meine ich, wäre es gerade jetzt dringend notwendig, daß einmal, da die Getreidepreissenkung eine wichtige Weichenstellung für uns darstellt, darüber diskutiert wird, welche Position, welchen Rang und welche Stellung die Agrarpolitik im Zusammenhang mit unserer Außenpolitik und den vielfältigen Verpflichtungen — sei es europäischer Art, sei es neuerdings .auf dem Ostsektor — einnehmen soll. Notwendig wäre es aber auch, Stellung zu nehmen und sich zu fragen, wie es mit der Wirtschaftspolitik ausschaut, welche Stellung die Landwirtschaft im Rahmen unserer Volkswirtschaft, auch im Rahmen unserer gesellschaftspolitischen Vorstellungen über die richtige Gliederung in unserem Volk, haben soll. Wir sehen aber, daß man, wenn nicht Wahlkämpfe vor der Tür stehen, allein diskutieren muß. Deshalb muß ich mich dieser mühsamen Aufgabe unterziehen.Es gibt nun verschiedene Formen und Möglichkeiten der Diskussion. — Herr Kollege Bauer, wollen Sie etwas sagen? Ich bin gern bereit, mit Ihnen zu diskutieren.
— Ich bedanke mich, daß sie da sind. Ich bedanke mich vor allem dafür, daß die nicht da sind, die heute schon geredet haben. Ich würde mich auch freuen, wenn wenigstens sie zuhören würden, wenn die anderen reden. Aber das ist wohl so üblich. Ich will jedoch kein Klagelied anstimmen.
— Ja, ja, natürlich. Aber ich bemühe mich, Herr Schmitt-Vockenhausen, soweit wie irgend möglich immer hier zu sein, — was sehr viel Zeit am Abend kostet, so daß man seine Post um Mitternacht erledigen muß.Aber ich habe vor mir noch eine andere Tribüne der Agrarpolitik und der Politik, das sind die Informationsdienste. Ich lese z. B. im VVD vom Freitag, 10. März: „Spekulationen um eine Ablösung Höcherls". Ich war entsetzt, daß meinem Landsmann Höcherl aus der CDU offensichtlich Widerstände erwachsen. Auch wenn er die Regierung vertritt, freue ich mich als Oppositionsmann natürlich, wenn ein Landsmann tätig ist. Aber offensichtlich ist die CDU nicht ganz der Meinung, — oder sie wurde heute revidiert durch das hohe Lob, das er bekommen hat von Pilot und Kopilot, Bauknecht und Schmidt. Ich wollte nur einmal danach fragen. Es wäre vielleicht interessant, das zu klären.Der Kollege Schmidt war ja heute großartig,
er hatte einen glänzenden Tag: so ganz ruhig undsicher, staatsmännisch, so souverän, staatserhaltendund nun die neuen Wege weisend. Aber da siehtman, wie schnell sich die Zeiten ändern. Herr Kollege Schmidt, ich habe mir auch hier wieder den VVD aufgenommen: „Dr. Schmidt kritisiert die Konzeptionslosigkeit der Agrarpolitik". So war es noch im September; da war er noch ein klein wenig in der Opposition. Und dann, am 12. Dezember, bedauerte er nurmehr die Haushaltskürzungen. Ja, so ändern sich die Zeiten. Der Wandel vollzieht sich oft schnell.
— Wir sind im Rahmen der Koalition wenigstens bei unserer Meinung geblieben, was wir eigentlich immer gewollt haben.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich will Ihnen sagen: in puncto Landwirtschaft die Meinung, daß die Landwirtschaft ein hohes Anrecht hat, gleichberechtigt im Rahmen unserer gesamten Wirtschaft behandelt zu werden.
— Da bin ich nicht ganz sicher. Darüber könnte ich mit Ihnen den Dialog fortsetzen.Ich habe mir gedacht, als die neue Regierung zustande kam, wie das nun sein wird, mit Schmidt und Höcherl, und ich habe mir als Landwirt vorgestellt: der Schmidt wird der Hecht sein, und der Höcherl wird der Karpfen sein,
und die FDP wird zwischendurch angeln. Aber ich muß feststellen: der Hecht ist nur ein Weißfisch geblieben. Aber vielleicht entwickelt er sich im Laufe der Zeit, wenn wir zu den nächsten Wahlen kommen, zu einem Bürstling. Aber das wollen wir ihm überlassen. Ich kann nur sagen: das ist alles sehr interessant, und man ist sich sogar einig, obwohl man ganz verschiedenartig spricht. Der eine spricht über das, was man in der EWG machen soll, und der andere spricht über ein innenpolitisches Schwerpunktprogramm. Trotzdem ist man sich einig. Warum soll es bei Ihnen besser sein als bei uns.
Wir werden die Dinge ja verfolgen.
Dann habe ich hier nochmals einen Informationsdienst; man muß das ja immer verfolgen. Vor kurzem habe ich bei uns im Bayerischen Rundfunk eine Nachricht gehört, da kritisierte ein Sprecher, daß vor allem Vizepräsidenten des Bauernverbandes die Eigentümlichkeit hätten, bei Bauernverbandsversammlungen immer anders zu reden als in der Fraktion oder im Parlament. Hier lese ich, welche großen Forderungen seitens der CDU aufgestellt werden: da muß der Trinkmilchpreis um 6 Pf angehoben werden, der Rinderorientierungspreis auf 2,65 DM usw. usf., — alles sehr, sehr interessant. Aber es stellt sich doch die Frage: welchen Rahmen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4573
Ertlsteckt diese neue Regierung für die Landwirtschaft ab? Ich komme da auf die berühmte konzertierte Aktion zurück. Auch der Herr Bundesminister hat mit seiner Einleitungsrede bereits konzertiert. Ich würde sagen, ich habe das Gefühl, daß in der neuen Regierung im Rahmen der konzertierten Aktion bei der Landwirtschaft zunächst einmal subtrahiert wird, vielleicht auch mit dem Ziel, sie zu minimieren, das weiß ich nicht. Man hat aber zum mindesten das Gefühl, es ist ein Bukett, das heute in Form des neuen Grünen Plans angeboten. wird. Wir kennen ihn übrigens auch noch nicht alle hundertprozentig. Man sagt zwar, es wird wieder regiert, aber das geschieht zeitlich verzögert. Noch nie war die Debatte über den Grünen Plan so spät. Ich bin neugierig, wann diesmal die Landwirtschaftsämter die Richtlinien bekommen, wahrscheinlich wenn dieses Haushaltsjahr zu Ende geht. Aber es wird wieder regiert, heißt es, und zwar kraftvoll.
— Ja, sie werden aber wieder geändert; denn Sie können doch keine Richtlinien herausgeben, Herr Kollege Bauer, wenn einmal gestrichen wird, dann die Streichung aufgehoben wird, dann wieder neu gestrichen wird. Sie wissen doch, wie es war. Oder sind Sie klüger als Ihr Minister? Das kann ich nicht feststellen. — Fest steht auf jeden Fall: das Bukett, das angeboten wird, ist ein kleines Sträußchen, und bunt schillern tut es auch nicht. Insoweit muß sich eben die Landwirtschaft mit den Feldblumen zufrieden geben. Die goldenen Zeiten sind vorbei. Und hier muß ich einmal eins sagen: Die Landwirtschaft wird sich noch an einen Finanzminister Starke und einen Finanzminister Dahlgrün erinnern.
— Lesen Sie die Zahlen nach, dann werden Sie feststellen, wie es um die Förderungsmaßnahmen im Jahre 1961 ausschaute und wie es weiterging bis zum großen Bruch. Da müssen Sie erst beweisen, daß Sie ebensoviel durchsetzen. Ich weiß, das ist gar nicht so leicht. Ich dachte, diesmal wäre es besonders leicht, weil das ja eine konzertierte Aktion zwischen zwei Bayern — ich meine den Finanzminister und den Landwirtschaftsminister — sein könnte. Aber hier ist eben die Brotherhood der Deficit-Spender Schiller/Strauß wohl stärker als die Bruderliebe zum Landwirtschaftsminister aus Bayern.Wie dem auch sei, wir stehen vor einer Situation, die sich ungefähr so darstellt, daß unsere Landwirtschaft mit erheblichen Preissenkungen rechnen muß. Gleichlaufend kommen erhebliche neue Belastungen sowohl bei den Betriebsmitteln wie auch bei zusätzlichen Lasten — ich denke hier an Lasten, die sich aus der Sozialpolitik ergeben, Erhöhung der Altershilfe, Erhöhung der Beiträge zur Berufsgenossenschaft —, vielleicht auch noch Veränderungen bei den Einheitswerten auf die Landwirtschaft zu. Diese Landwirtschaft muß nun in den nächsten Jahren mit den Landwirtschaften in den Partnerländern in Konkurrenz treten. Dort gelten allerdings ganz andere Maximen. Die französische Landwirtschaft kann mit Preiserhöhungen von im Schnitt 4 bis 5 % rechnen. Die italienische Landwirtschaft kann damit rechnen, daß sie dort, wo sie hohe Preise hat, diese Preise behalten darf und daß die Preise dort, wo sie niedrig sind, erhöht werden, nicht zuletzt aus Mitteln des EWG-Garantiefonds. Ein Beispiel: der Olivenpreis wird mit einer Steuerbeihilfe von 140 DM gestützt, und er wird so gestützt, daß er sogar über dem Weltmarktpreis liegt. Eine großartige Angelegenheit! Ich glaube, mit Recht feststellen zu dürfen: Wenn wir das alles bilanzieren, dann haben unsere Partnerstaaten günstigere Voraussetzungen und haben bessere Einkommenschancen, während unsere Landwirtschaft höhere Kosten in Kauf nehmen und damit rechnen muß, daß ihre Einkommens-und ihre Preisverhältnisse noch nicht einmal in vollem Umfange gehalten werden. Wenn ich diesen Tatbestand annehme, dann ergibt sich zwangsläufig die Frage: Wie soll es geschehen? Wir begrüßen es, daß der Herr Minister in seiner wirklich sehr ausführlichen Arbeit, die er gestern vorgelegt hat, den Versuch macht, die Förderungsmaßnahmen zu konzentrieren und zu verstärken. Ich werde darauf noch eingehen. Diese Grüner-Plan-Debatte hat ja den wesentlichen Sinn und die Aufgabe, daß wir die Probleme der Landwirtschaft einmal nüchtern betrachten und nüchtern die Verhältnisse diskutieren.Der Herr Minister hat beispielsweise beklagt, daß das EWG-Anpassungsgesetz ihm einen zu engen gesetzlichen Rahmen gebe. Ich kann nur sagen, die Freien Demokraten wollten diesen besseren Rahmen, diese stärkere Verpflichtung. Aber wir konnten uns damals gegen die Mehrheit in diesem Parlament nicht durchsetzen.
— Nein, das sind Fakten, Herr Kollege Reinhard. Sie können unseren Antrag nachlesen, und Sie wissen aus Koalitionsgesprächen, daß Sie gesagt haben, das könnten Sie nicht mitmachen.
— Herr Kollege Fellermaier, weil Sie schon so klug sind, will ich Ihnen einmal etwas über das Los der FDP sagen. Wir sind ja bekanntlich die Minderheit, und da hat die FDP das große Glück, daß sie zwar nicht einen Schiller, aber als ihren Verbündeten Goethe hat. Ich will Ihnen einmal sagen, was Goethe zu Schiller sagt:Ich finde immer mehr, daß man es mit der Minorität, die stets die Gescheitere ist, halten muß.Ich würde Ihnen das für die Zukunft sehr empfehlen.
— Ich würde sagen, den Dialog mit Goethe können Sie später einmal für sich fortsetzen. Auf jeden Fall bin ich sehr froh, daß es so ist. Ich hätte es nicht gesagt, aber Sie haben mir dieses freundliche Angebot gemacht.Lassen Sie mich auf das zurückkommen, was wir wollen: ein stärkeres EWG-Anpassungsgesetz. Wir
Metadaten/Kopzeile:
4574 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Ertlglauben, daß es ebenso wichtig gewesen wäre, das Landwirtschaftsgesetz in der Form zu gestalten, wie es ehemals die Freien Demokraten beantragt haben. Aber ich möchte diese Fragen, weil sie sehr vergangenheitsorientiert sind, nicht in aller Form ausweiten und ausnutzen.Ich möchte folgendes feststellen. Wenn wir die heutige Presse lesen, heißt es: Höcherl für verstärkte Strukturförderung. Er wird dabei unsere Unterstützung haben. Ich möchte aber vor einer großen Illusion warnen, vor der Illusion nämlich, daß die Strukturpolitik allein das Problem der Landwirtschaft löst. Es gibt nur eine Lösung: Preispolitik und Strukturpolitik. Hier gilt das Sowohl-als-auch. Ich werde darauf noch zurückkommen.Rückschauend darf ich noch eine Bemerkung zur Investitionshilfe machen. Bereits im Jahre 1958 haben die Freien Demokraten den Entwurf eines Investitionshilfegesetzes eingebracht. Auch hier hat nur die Minderheit von der geistigen Fähigkeit Gebrauch machen können. Was die Mehrheiten anlangt, so hat Herr Kollege Ehnes ja heute gesagt, wie das ist. Er sagte: Wenn wir es hier auch nicht richtig machen, Hauptsache ist, die Bauern wählen uns. Vielleicht hat er sogar recht. Ich kann das aus Bayern nur bestätigen.Die Förderung der Landwirtschaft ergibt sich letzten Endes aus der Verpflichtung des Landwirtschaftsgesetzes, aber nicht nur aus dieser Verpflichtung, sondern auch aus der politischen Tatsache, daß man in der vergangenen Zeit der Landwirtschaft weitgehend aus politischen Gründen ganz andere Einkommensverhältnisse zugemutet hat, als es vielleicht oft notwendig gewesen wäre.Herr Kollege Schmidt hat mit Recht kritisiert, daß es Leute gibt, die immer von den Milliarden für die Landwirtschaft sprechen. Auch in der Rede des Herrn Bundesministers ist die Zahl 25 Milliarden DM genannt worden. Das gibt natürlich immer die berühmten Reaktionen ab. Es heißt dann, diese Leute seien ja nie zufrieden. Ich will die Zahl nicht in Einzelheiten nachprüfen, aber wenn man die Milchprämie, die eine Verbrauchersubvention ist, und die Treibstoffrückvergütungen abzieht, wird man vielleicht nur noch auf eine Summe von 12 Milliarden DM kommen. Darauf will ich mich gar nicht einlassen. Ich halte es nicht für nützlich, die Diskussion immer vom Globalen her zu führen. Letzten Endes muß eben wie auch in anderen Bereichen alles versucht werden, um der Landwirtschaft die Chance zu geben, den modernen Erfordernissen zu entsprechen und gleichberechtigt im Rahmen des entstehenden europäischen Marktes zu produzieren.Leider muß ich sagen: auch dieser Grüne Plan zeigt wieder, daß unsere Landwirtschaft eine permanente Disparität zu beklagen hat. Oft glaubt man dann, das sei ein reines Betriebsgrößenproblem. Die Buchführungsergebnisse — auch ich kenne sie — zeigen, daß es nicht ausschließlich ein Betriebsgrößenproblem, sondern vielmehr ein Kosten-Betriebsleiter-Problem, nicht zuletzt ein Strukturproblem und ein Infrastrukturproblem ist.Hier drängt sich zwangsläufig ein Gedanke auf, der bei der Betrachtung des neuen Grünen Plans berücksichtigt werden sollte. Wir Freien Demokraten beantragen beispielsweise, die Mittel für den Wirtschaftswegebau nochmals aufzustocken. Man kann doch die unterentwickelten Gebiete am Zonenrand und im Bergbauerngebiet überhaupt nicht fördern, wenn man sie nicht wegemäßig erschließt. Ich muß sagen: was hier gestrichen worden ist, das geht weit über das normale Maß hinaus.Bei den Futterbaubetrieben geht es für weite Gebiete unseres Landes um ein lebenswichtiges Problem. Was kann man tun? Man kann doch nur diesen Betrieben die Absatzverhältnisse erleichtern. Da spielt natürlich das Frachtproblem eine entscheidende Rolle. Im letzten Jahr haben wir beantragt, die Möglichkeit zu prüfen, in diesen Gebieten besondere Frachtmöglichkeiten zu eröffnen. Da wurde uns gesagt: Das geht im Rahmen der EWG nicht. Ja, wenn hier nichts geschehen kann, wie will man dann an den Markt kommen, wie will man dann die Disparität ausgleichen, die sich aus den besonderen Frachtbelastungen, auch beim Bezug der Betriebsmittel ergibt? Da geht es doch gar nicht um ein rein landwirtschaftliches Problem, sondern um ein Problem unserer gesamten Infrastruktur. Warum ist es so schwierig, Industriebetriebe in den marktfernen Gebieten anzusiedeln? Weil sie ebenfalls die Frachtbelastung fürchten, weil sie sich sagen: Dann habe ich einen Nachteil. Hier scheint mir zu wenig geprüft worden zu sein, was zu tun ist.Ein weiteres sehr wichtiges Kapitel. Es ist schon sehr viel von den zusätzlichen Erwerbsmöglichkeiten gesprochen worden. Wir wissen, daß in den .Mittelgebirgslagen und im Alpengebiet der Fremdenverkehr eine wertvolle Möglichkeit bietet. Aber durch die neue Einheitsbewertung, durch die besondere Bewertung der Wohnhäuser kommen umgekehrt neue Lasten auf diese Betriebe zu. Ich unterstütze den Gedanken, zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten für die kleineren Betriebe zu schaffen. Aber ich muß sagen, dann muß man gegebenenfalls auch bei der Wohnhausförderung einen anderen Standpunkt einnehmen, als das bei den bisherigen Richtlinien der Fall ist; dann muß man sogar anregend wirken und sagen, hier gibt es noch Einkommensreserven zusätzlicher Art. Es sollte wirklich einmal ernsthaft die Frage geprüft werden, was man noch tun kann. Ich könnte von mir aus manche Anregung .bringen.Der Herr Minister hat ein Schwerpunktprogramm verkündet. Aus unserer Sicht kann ich nur sagen, auch hier treffen wir manchen alten Bekannten, und auch wir von der Opposition freuen uns, daß wir hier Wiedersehen feiern können. Wir werden alles unterstützen, was wir für nützlich halten. Am Anfang aber des Schwerpunktprogramms — der Herr Minister hat es selbst beklagt — steht eine wesentliche Kürzung, eine Kürzung gerade zu dem Zeitpunkt, zu dem man erst recht fördern müßte. Ich verstehe nur nicht, wie das alles gemacht werden soll. Ich habe schon auf den Wirtschaftswegebau hingewiesen. Auch die Mittel für die benachteiligten Gebiete sind gekürzt worden. Dazu kommt der berühmte Eventualhaushalt, der Leihhaushalt. Bis
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4575
Ertlheute wissen wir noch nicht, in welcher Form diese Mittel zur Verfügung stehen werden. Sie werden nur für einige Gebiete, für einige Vorhaben hergegeben. Es ist alles noch ein klein wenig verschleiert. Das hat mich heute veranlaßt, zu fragen, ob der Herr Bundesminister gezwungen sei, Salome zu spielen, den Schleiertanz aufzuführen. Vielleicht kann nun die Opposition hier ein bißchen mithelfen und etwas für Klarheit sorgen, mithelfen zu entschleiern.Dieser neue Grüne Plan ist mit zwei starken Hypotheken belastet. Er hat zwei starke Hypotheken.
— Ja, um so leichter kann er tanzen, wenn er durch die Mangel durchgetrieben ist. Das wollte ich nur hinzufügen, Herr Kollege Bauer. Die eine Hypothek sind die finanziellen Verpflichtungen aus dem Preisbruch. So wurde es wenigstens begründet. Wir müssen hierfür mindestens 500 Millionen DM vorsehen. In diesem Zusammenhang gleich eine klare Frage: Ich habe vor kurzem auch wiederum in Informationsdiensten gelesen, daß der Herr Bundesminister für 1968 die Revision fordert. Erfreulicherweise kann aus der Presse entnommen werden, daß der Herr Bundesfinanzminister diese Revision für 1968 befürwortet. Dann müßte sie eigentlich klappen! Wir bitten darum und wir werden Sie unterstützen. Ich kann überhaupt grundsätzlich sagen: wenn es um die aktive Preispolitik geht, werden Sie immer die Unterstützung der Opposition haben, vielleicht sogar mehr als aus dem eigenen Koalitionslager. Das soll aber nicht unsere Sorge sein. Wir auf jeden Fall sind der Meinung, daß die Frage klar beantwortet werden muß: Wird die Bundesregierung das prüfen? Wenn ja, wenn es zu einer Revision kommt, dann muß man sich natürlich schon ernsthaft fragen: ist das die 500 Millionen DM wert? Dann war es der kostspieligste Preisbruch, den es jemals in der Geschichte irgendwo gegeben hat. Wir zahlen jetzt 500 Millionen, um den Preisbruch zu finanzieren, und werden im nächsten Jahr revisionieren. Das ist eine kaum vorstellbare Situation.Ein Weiteres, was diesen Haushalt natürlich sehr belastet — und dafür sind wir alle mitverantwortlich —, sind die Vorbelastungen der Haushaltsreste nach § 6 des Haushaltsgesetzes mit 340 Millionen DM. Wir sind der Meinung, wir sollten im Parlament mithelfen, vielleicht eine tragbare Lösung zu finden. Denn mit dieser Belastung entsteht eine echte Unwahrheit im Haushalt, obwohl eines der obersten Ziele die Haushaltswahrheit sein soll.Ich komme zurück zu einigen Aufgaben dieses Schwerpunktprogramms. Wir haben wiederholt die These vertreten, daß es sinnvoll wäre, wenn die Strukturmaßnahmen langfristig gestaltet würden. Wir hoffen, daß Sie, Herr Minister, Erfolg haben werden, wenn Sie im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung Zwei- bis Dreijahrespläne für die Strukturverbesserung durchbringen, sei es in der Flurbereinigung, sei es in der Aufstockung und Aussiedlung. Dann hört auch endlich die ständige Unruhe auf, ob es im nächsten Jahre Mittel gibt, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen.Ich betone noch einmal — ich könnte es mir beinahe sparen, denn Sie können es in allen Protokollen nachlesen —, wir haben immer den Gedanken der Investitionshilfe mittelfristiger Art begrüßt. In diesem Zusammenhang aber etwas sehr, sehr Wichtiges: das ist die Frage Investitionshilfe und Zinsverbilligung. Hier muß die Koppelung erfolgen — das hat, glaube ich, auch das erste Jahr erwiesen —, sonst wird die Investitionshilfe nicht im richtigen Umfang wirksam. Nur durch eine Zinsverbilligung zusammen mit der Investitionshilfe wird vielleicht das Ziel erreicht, daß die schwächeren Betriebe in der Lage sind, die Modernisierungs-und Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen, die notwendig sind.Ein Wort zur Marktwirtschaft. Wir freuen uns, daß auch dieser Punkt für die zukünftige Agrarpolitik wesentlich sein soll. Ich habe hier unseren Entwurf für das EWG-Anpassungsgesetz. Wir haben darin damals drei Schwerpunkte herausgestellt: Verbesserung der Agrarstruktur, Verbesserung der Betriebsstruktur, Verbesserung der Marktstruktur. Insoweit freuen wir uns, daß auch diese unsere Gedanken hier immer mehr realisiert werden. Wir wünschen Ihnen dabei viel Erfolg.Aber hier drängt sich eine Frage auf: Warum müssen wir so stark in den Export? Die FDP ist von jeher der Auffassung gewesen, daß Chancen für den Export genutzt werden sollten. Müssen wir nicht vielleicht auch deshalb sehr stark in den Export gehen, weil unser heimischer Markt von unseren Partnern erobert wird, so daß wir zwangsweise einen Verdrängungsexport machen müssen? Ich meine, hier muß nach wie vor gelten, daß der heimische Markt unserer Landwirtschaft ebenso vorbehalten bleibt wie unseren Partnern.Ich habe bezüglich des Systems der Marktordnungen manche Befürchtungen. Ich meine, diese Frage muß im Rahmen eines Gemeinsamen Marktes geklärt werden. Es kann nicht so sein, daß ein Partner allein eine Vielzahl von Verpflichtungen zu tragen hat.In diesem Zusammenhang doch noch ein Wort zu der Haushaltsfrage! Es wurde heute morgen so ungefähr gesagt, die Freien Demokraten hätten ja letzten Endes bei diesen Schwierigkeiten mit in der Regierung gesessen. Wir wollen das gar nicht bestreiten. Aber eines steht fest — und Herr Kollege Schmidt hat die Rede vom 10. Dezember 1964 zitiert —, während der Großen Anfrage wurde von dem Sprecher der Freien Demokraten erklärt: Die Mittel, die erstens für die EWG-Finanzierung und zweitens für die Realisierung der Zusagen des Kanzlers gebraucht werden, können gar nicht gegeben werden, wenn nicht bewußt eine übergroße Ausweitung des Haushalts vorgenommen werden soll.Ich möchte auch für die Fraktion der FDP in Anspruch nehmen: In einem Fraktionsgespräch wurde mit dem früheren Bundeskanzler ganz eindeutig erklärt, daß es sich hier um politische Maßnahmen handelt und daß es unmöglich die Aufgabe eines Finanzministers sein sollte und sein darf, diese Frage allein zu verantworten, sondern — so wurde
Metadaten/Kopzeile:
4576 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Ertldamals stolz behauptet — daß dafür der Kanzler die Verantwortung trage. Der Kollege Logemann hat ja heute mit Recht die Frage aufgeworfen: Was gilt das Kanzlerwort gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber dem Parlament? In diesem Zusammenhang gilt auch das Wort der Opposition, denn ich kann mich noch sehr wohl erinnern, Herr Kollege Schmidt, wie Sie gesagt haben, auch Sie würden die Verpflichtungen übernehmen, weil Sie der Meinung sind — und wir waren uns alle einig —, daß nicht ein Berufsstand allein das Opfer der Preissenkungen politischer Art, die sich aus der EWG ergeben, sein darf. Ich will aber hier nicht ins einzelne gehen.Bezüglich der Kleinbauernfrage ist, meine ich, ein bewundernswerter Zug der Ernüchterung eingetreten. Uns Freien Demokraten sind viele Vorwürfe gemacht worden, insbesondere dem Herrn Staatssekretär Hüttebräuker. Aber ich muß sagen, ich sehe heute in der Frage der Kleinbauern keine Gegensätze mehr zwischen dem Staatssekretär und dem Minister. Aber wir haben jetzt auch keinen Wahlkampf in Bayern; darum braucht es auch keine Gegensätze zu geben. Ich würde sagen, der Minister hat recht, wenn er hier feststellt, es geht darum, den Kleinbauern entweder die Vollerwerbsmöglichkeit durch innere Aufstockung und äußere Aufstockung oder die Zusatzerwerbsmöglichkeit zu geben. Ich muß allerdings fragen, wie lange wir uns das gegenseitig noch bestätigen wollen; denn ich stelle immer noch fest, daß im Rahmen der Regionalplanung und Raumordnung nur ganz bescheidene Fortschritte erzielt worden sind. Vielleicht liegt es an dem Problem, das gestern in der Fragestunde aufkam, daß die Koordinierung zwischen Bund und Ländern nicht in dem nötigen Umfang vorhanden ist. Aber ich will das gar nicht untersuchen. Herr Kollege Ehnes hat natürlich den Herrn Ministerpräsidenten aus Bayern verteidigen müssen, der gesagt hat: Wer Bauer bleiben will, kann Bauer bleiben.
— Ich bitte um Entschuldigung! Ich weiß, die Einsatzbereitschaft des Kollegen Ehnes ist uns über alle Maßen hinaus bekannt. Nur kann sich natürlich für solche Reden niemand etwas kaufen. Das muß einmal in aller Deutlichkeit festgestellt werden. Hier ist vielmehr viel wichtiger, daß eine Staatsregierung einen entsprechenden Raumordnungsplan festlegt und sagt: Diese Möglichkeiten werden geboten, entweder für Zuerwerb oder für die Aufstokkung oder in ähnlicher Form. Aber damit, daß man sagt: Laßt die Dinge nur laufen, der liebe Gott oder auch jemand anders macht das schon, läßt sich nichts lösen.Herr Minister, Sie haben die Kleinbauernberatung angesprochen und Sie wollen einen eigenen Lehrstuhl dafür schaffen. Das ist ein begrüßenswertes Vorhaben. Aber ich meine, die Beratung allein oder als zusätzliches Mittel ist doch ein sehr kleiner Beitrag. Hier gibt es immer nur eine einzige Aufgabe: Verbesserung der Infrastruktur, allerdings mit dem Ziel, eine möglichst große Zahl von bäuerlichenLandeigentümern für die Zukunft zu erhalten. Dieses Ziel müssen wir uns gesellschaftspolitisch stellen.Nun ein Wort zur Ausbildung. Im Mittelpunkt einer Agrarpolitik muß immer der Mensch stehen. Ich freue mich, daß Sie hier so aktiv mitwirken wollen, die Ausbildung zu verbessern. Ich meine allerdings, daß man dann schon bei der Volksschule anfangen muß, und wohl das erste wird es sein müssen, aus einklassigen Zwergschulen ausgebaute Volksschulen zu machen. Sie werden mit Recht sagen, das ist Ländersache. Aber die gesamte Bildung fängt eben auch unten an. Wir freuen uns über die Versuche, die unternommen werden sollen, das Ausbildungswesen zu modernisieren und zu vereinheitlichen. Dabei haben Sie angekündigt, daß vom Jahre 1970 an nur noch derjenige gefördert werden kann und darf, der über die Ausbildung verfügt, allerdings mit Ausnahmeklauseln.Im Grundsatz läßt sich hier viel tun. Vielleicht ist es sehr nützlich. Aber einen Zwang kann man — so glaube ich — hier weiß Gott nicht ausüben. Das würde sich auch nicht mit unserer Gesetzeswirklichkeit vertragen. Vor allem stellt sich die Frage, was dann mit jenen jungen Menschen geschieht, die wirklich als Arbeitskräfte gebraucht werden. Da müssen wir eben zunächst auch für Aushilfsarbeitskräfte sorgen; das ist ein Betriebshelferproblem, ein Dorfhelferinnenproblem. Aber einen Zwang auszuüben oder eine Bedingung daraus zu machen, das kann man nach meiner Auffassung nicht verantworten, so sehr es unser Ziel sein müßte, daß jeder zukünftige Bauer die Landwirtschaftsschule besucht hat. Lassen Sie mich dazu eine Bemerkung machen. Sie haben bei Antritt Ihrer Rede — wir zwei vertragen uns ja sehr gut, und daher darf ich noch eine scherzhafte Bemerkung hinzusetzen — gesagt, Sie fühlten sich als Lehrling. Wenn Sie natürlich Ihr Prinzip durchsetzen wollten, müßten Sie zuvor die Gehilfenprüfung machen, und zwar auch in der Praxis. Das wäre vielleicht ein nettes Unterfangen.Über die soziale Lage will ich nicht sehr viel ausführen, weil mein Kollege Reichmann einige Ausführungen dazu machen wird.Aber zum Dieselkraftstoff möchte ich noch etwas sagen. Hier wurde bemerkt, es sei gestern ein großer Tag gewesen. Nun würde mich interessieren: wie schaut die Lösung aus? Die Freien Demokraten haben einen Antrag eingebracht. Und wenn Sie den Antrag annehmen, dann haben Sie ein gutes Werk vollbracht, dann haben Sie klare Verhältnisse geschaffen. Das sollte vielleicht das Ergebnis unserer heutigen Beratung sein.Zum Trinkmilchpreis: ich betone noch einmal, daß wir Freien Demokraten uns immer für eine kostenorientierte Preispolitik und für eine aktive Preispolitik ausgesprochen haben, weil wir der Meinung sind, daß sich nur so bei der dynamischen Volkswirtschaft die Landwirtschaft gleichberechtigt behandeln läßt, allerdings im Gleichklang mit einer sinnvollen und zielstrebigen ,Strukturpolitik. Wie wird es aber mit diesem Milchpreis sein? Werden wir ihn in der EWG halten können? Werden wir nicht eines Tages vor dem Problem stehen, daß die Kosten für den Trinkmilchmarkt 2,6 Milliarden DM
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4577
Ertlauf EWG-Basis betragen, oder wird es dann zum großen Preissturz nach unten kommen? Diese Frage ist doch sehr wesentlich. In diesem Falle ist es auch die Frage: War es wirklich notwendig, die Einzugs-und Absatzgebiete im Rahmen der neuen Milchmarktordnung aufzugeben und damit unser bewährtes System vermutlich zum Zusammenbruch zu bringen, verbunden mit gefährlichen Möglichkeiten, besonders wenn es darum geht, den Milchmarkt zu konsolidieren und stabil zu halten? Das ist eine sehr wesentliche Frage.Nun mag vielleicht einer sagen, die FDP treibe gern die Agrarpreise hoch. Ein grundsätzliches Wort dazu. Es ist doch längst bekannt, daß die Erzeugerpreise und die Verbraucherpreise nicht mehr wie früher eng miteinander gekoppelt sind. Heute wurde die Hoffnung ausgesprochen, die Getreidepreissenkung müßte bei dem Verbraucher durchschlagen. Dazu frage ich den Herrn Minister, um welchen Bruchteil eines Pfennigs müßte sie wirklich durchschlagen, wo der Anteil des Brotgetreides an den Getreideprodukten in der Zwischenzeit, wie ich glaube, unter 30 % liegt? Da kann nicht mehr sehr viel durchschlagen. Mit Recht wurde darauf hingewiesen, daß eine Erhöhung des Milchpreises um 2 Pfennig im Jahr 1,90 DM pro Kopf ergibt. Ich meine, man sollte sich hier offen und mutig hinstellen. So sehr wir eine gerechte Lohnpolitik und auch eine dynamische Lohnpolitik im Grundsatz befürworten, und zwar das ganze Haus, von links nach rechts, so sehr, glaube ich, kann und muß man auch in dieser Frage einmütig sein. Ich möchte zu dieser Frage sagen: Nicht immer mit Pfennigen rechnen!Dasselbe gilt für den Rinderorientierungspreis. Hier scheint der Bundesernährungsminister dem Wirtschaftsminister unterlegen zu sein. Wir haben einen Antrag eingebracht. Wir sind der Meinung, es wäre vielleicht richtiger gewesen, auf 2,65 DM zu gehen. Aber wir kennen auch die Schwierigkeiten, die sich ergeben. Es wäre ein eigenes Kapitel, wollte man darüber sprechen. Vor allem ergeben sich auch Probleme handelspolitischer Art.Aber die Zeit schreitet fort, und ich möchte zum Schluß kommen und nur einige Bemerkungen zu den Problemen auf dem Forstsektor machen. Die Forstwirtschaft leidet seit Jahren unter unserer Außenhandelspolitik. In den letzten Wochen gab es nun durch die Stürme neue Schäden. Wir sind der Meinung, daß jetzt wirklich gehandelt werden muß. Hier kann die Regierung beweisen, daß sie wirklich regiert, indem sie nämlich schnell handelt. Um das Handeln zu erleichtern, haben wir einen Antrag eingebracht, der wohl in diesen Tagen, vielleicht auch heute noch, ausgedruckt wird. Wir haben darin die Bundesregierung aufgefordert zu überprüfen, inwieweit man Importe von Holz und Holzprodukten stoppen kann. Die Bundesregierung wurde von uns aufgefordert, Vorsorge zu treffen, daß die Verfrachtung ermöglicht wird, daß für die Aufarbeitung gegebenenfalls zinsverbilligte Kredite zur Verfügung gestellt werden, daß die Schädlingsbekämpfung erleichtert wird und nicht zuletzt daß die Bundesregierung auch mithilft, daß Arbeitskräfte zur Aufarbeitung zur Verfügung stehen.Ich darf zusammenfassen. Es geht darum — und hier teile ich die Auffassung des Kollegen Schmidt —, daß jetzt, nachdem schon der Sprung zur gemeinsamen Agrarmarktharmonisierung unternommen wurde, auch die übrige Wirtschaft harmonisiert wird, damit das Experiment nicht einseitig zu Lasten der Landwirtschaft ausgeht.
Zur Förderung der Landwirtschaft müssen Schwerpunkte gebildet werden, die sich in vier wesentliche Sektoren gliedern, nämlich Struktur, Investitionen, Markt und Soziales. Wir sind uns in dieser Frage wohl weitgehend einig.Letzten Endes können solche Beschlüsse nur ge- faßt werden, kann eine solche Politik nur betrieben werden, wenn man sich darüber -im klaren ist, welche Aufgabe unsere Landwirtschaft in der Industriegesellschaft erfüllen soll. Wenn das Problem nur ökonomisch gelöst werden soll und nur aus ökonomischer Sicht betrachtet wird, wird man bezüglich der Betriebsgrößen sehr schnell zu großen Differenzen kommen. Wir sind der Meinung, daß es möglich sein muß, die bäuerliche Familienwirtschaft im Industriestaat zu sichern. Das wird nur möglich sein, wenn sie gleichberechtigt im Rahmen unserer Wirtschaftspolitik behandelt wird. Hinzu kommt eine vielfältige Zahl von Landbewohnern, die als Zu- und Nebenerwerbslandwirte, eben als Bewohner des Landes, der Gesellschaft erhalten werden sollen.Daher noch eine Feststellung von Röpke, der gesagt hat, er habe sich in jungen Jahren oft geirrt, aber er habe erkannt: Die Demokratie bedarf zur Untermauerung und zur Sicherung der inneren Freiheit nicht zuletzt eines viel gegliederten freien Bauerntums.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der sozialpolitische Teil des Grünen Berichts stellt unter Beweis, daß der landwirtschaftlichen Sozialpolitik in immer zunehmendem Maße die Bedeutung eingeräumt wird, die ihr gebührt. Die Zeiten, in denen alles Soziale in der Landwirtschaft tabu war, gehören immer mehr der Vergangenheit an. Wir sollten uns alle miteinander darüber freuen.Als besonders segensreich nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Volkswirtschaft und für den Steuerzahler hat sich das landwirtschaftliche Altershilfegesetz erwiesen. Seitdem es diese Altershilfe für Landwirte gibt, seit zehn Jahren, werden die Bauernhöfe von den Landwirten fast immer mit Vollendung des 65. Lebensjahres an den Hofnachfolger abgegeben. Das war vor dem Altershilfegesetz bei weitem nicht in diesem Ausmaß der Fall. Die Folge ist eine erfreuliche Verjüngung der landwirtschaftlichen Unternehmer. Die Zahl der unter 45 Jahren alten Landwirte beispielsweise, die 1956 in
Metadaten/Kopzeile:
4578 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Frehseeder Bundesrepublik schon bei 300 000 lag, ist 1965 auf nahezu 400 000 angestiegen, obgleich sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe um 25 % vermindert hat. Im Jahre 1965 gab es dagegen nur noch 111 000 Betriebsinhaber im Alter von über 65 Jahren, während es 1956 noch 194 000, also 83 000 mehr, waren. Diese Verlagerung ist zweifellos weitgehend auf die Auswirkungen des Altershilfegesetzes zurückzuführen, das seinen agrarpolitischen Zweck damit voll erfüllt hat. Es hat auch einen volkswirtschaftlichen Zweck erfüllt. Denn es hat zur Verringerung der Gesamtzahl der in der Landwirtschaft tätigen Vollarbeitskräfte beigetragen und damit auch zur Verkleinerung des Personenkreises, auf den sich der Ertrag der Landwirtschaft verteilt.Man kann tatsächlich sagen, daß die landwirtschaftliche Altershilfe nicht nur zur sozialen Sicherung . der landwirtschaftlichen Altenteiler beigetragen hat, sondern daß sie auch 'einen Anteil an der Aufwärtsentwicklung der landwirtschaftlichen Einkommen hat oder aber, umgekehrt, daß ohne die landwirtschaftliche Altershilfe die Einkommensdisparität noch viel größer wäre, als sie der vorliegende Grüne Bericht ausweist.Die Verjüngung der landwirtschaftlichen Unternehmer, die auf das vor zehn Jahren in Kraft getretene Gesetz über die landwirtschaftliche Altershilfe zurückzuführen ist und die agrarpolitisch gewünscht und gewollt ist, hat eine Parallele bei den landwirtschaftlichen Arbeitnehmern. Sie ist dort von einem beachtlichen Rückgang des landwirtschaftlichen Arbeitskräftebesatzes begleitet. Die Zahl der Vollarbeitskräfte ist in den Lohnarbeitsbetrieben der Landwirtschaft von 1956 bis 1966 von 11,3 auf 6,4 je 100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche zurückgegangen. Allein vom Wirtschaftsjahr 1964/65 zum Wirtschaftsjahr 1965/66 hat die Zahl der Landarbeiter in den größeren landwirtschaftlichen Betrieben um 19 000 oder 8,2 % auf 213 000 abgenommen.Dieser Rückgang des Arbeitskräftebestandes insgesamt, d. h. die Rationalisierung, ist es auch, die zu der Verjüngung der landwirtschaftlichen Unternehmer geführt hat. Denn die aus dem Arbeitsprozeß ausscheidenden älteren Landarbeiter werden nicht mehr ersetzt. Darauf läßt die Altersstatistik schließen. Während sich 1960 die Altersgruppe zwischen 25 und 45 Jahren bei den Arbeitnehmern mit 41% und die zwischen 45 und 65 Jahren mit 43% noch ungefähr die Waage hielten, war der Anteil der jüngeren Landarbeiter 1964 bereits auf 50% angestiegen und der 45- bis 65jährigen auf 36 % gesunken. Die Tatsache, daß ausscheidende Landarbeiter nicht mehr ersetzt werden, führt jedoch zu einer erheblichen Mehrbelastung der in den Betrieben verbleibenden Arbeitskräfte. Die laufende Steigerung der Erzeugungsleistungen wird von immer weniger, aber immer höher qualifizierten Arbeitskräften erbracht. Diese Produktivitätssteigerung muß natürlich auch ihre Berücksichtigung in der Höhe der Tariflöhne finden. Jedenfalls wird das bei den zur Zeit laufenden Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern eine Rolle spielen. Die Summe, die die Arbeitgeber für die Entlohnung ihrer Arbeitskräfte ausgeben mußten, hat sich im Wirtschaftsjahr 1965/66 nur um ganze 33 Millionen DM oder 1,8% erhöht. Der Löwenanteil der Lohnerhöhung, die damals aber 91/2 % betrug, konnte durch diesen erheblichen Abbau bei den Lohnarbeitskräften aufgefangen werden.Aus all dem wird auch deutlich, wie richtig die Förderung der fachlichen Qualifizierung der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer ist, die Förderung der landwirtschaftlichen Facharbeiterausbildung, die wir aus dem Grünen Plan finanziell unterstützen. Es ist zweifellos nicht allein die größere durchschnittliche landwirtschaftliche Betriebseinheit, Herr Minister, die Sie gestern zu der Feststellung veranlaßt hat, daß der Leistungsstand der Landwirtschaft von Niedersachsen und Schleswig-Holstein um nichts mehr hinter dem Leistungsstand der Landwirtschaft von Holland oder Belgien zurücksteht, während Sie das gestern für die übrigen Bundesländer nicht haben sagen können — ich stimme Ihnen zu, man kann es für die übrigen Bundesländer auch nicht sagen —; es ist für meine Begriffe auch darauf zurückzuführen, daß diese beiden Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein — Nordrhein-Westfalen zieht gerade noch mit, Herr Kollege Bewerunge —
von diesen Landarbeiterförderungsprogrammen des Grünen Planes in besonders großem Umfange Gebrauch gemacht haben. Das bezieht sich sowohl auf den Landarbeiterwohnungsbau als auch auf die landwirtschaftliche Facharbeiterausbildung.Ich habe mir in den vergangenen Jahren wiederholt den Zorn süddeutscher Länder zugezogen, wenn ich dies so konstatiert habe. Aber dieser Tatbestand ist einfach nicht zu leugnen. Die landwirtschaftliche Facharbeiterausbildung sollte deshalb auch unter gar keinen Umständen dem Rotstift zum Opfer fallen, auch nicht dem Rotstift, der demnächst bei der Finanzverfassungsreform angesetzt werden wird. Wir wären gut beraten und Sie — die Regierung — wären auch gut beraten, wenn die landwirtschaftliche Facharbeiterausbildung auch zu den Gemeinschaftsaufgaben gezählt würde, wie sie das TroegerGutachten und, wie zu hören ist, auch die ersten Entwürfe der Bundesregierung vorsehen, Gemeinschaftsaufgaben, die von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden.
Zum Landarbeiterwohnungsbau habe ich nur eine kurze Bemerkung zu machen. Diese Förderungsmaßnahme des Grünen Planes wird zur Zeit so unbefriedigend betrieben, daß selbst die Betroffenen mehr und mehr verlangen, sie abzuschaffen. Die Förderungsbeträge sind so gering und den gegenwärtigen Baukosten so wenig angepaßt, daß nur besonders gut bezahlte landwirtschaftliche Arbeitnehmer, vornehmlich die Gruppe der Meister und vielleicht auch noch die Kinderreichen, davon Gebrauch machen können. Aber der Sinn dieser Maßnahme war einmal die Umwandlung der Landarbeitsverfassung von der Gesindearbeitsverfassung zur Lohnarbeitsverfassung. Jetzt ist dieser Titel
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4579
Frehseenichts anderes als ein Töpfchen geworden, aus dem auch eine Substanzverbesserung der landwirtschaftlichen Unternehmen ermöglicht wird, nämlich durch Bau und Modernisierung von Werkwohnungen, die in vielen Fällen an außerhalb der Landwirtschaft Stehende zu den üblichen und nicht gerade geringen Mieten vermietet werden und — na ja — auch noch zur Bezuschussung kinderreicher landwirtschaftlicher Arbeitnehmer. Ursprünglich sollten aber, wie es auch der Titel dieser Maßnahme ausdrücklich postuliert, Landarbeiter seßhaft gemacht werden. Junge ledige Landarbeiter sollten mit der Eigenkapitalbeihilfe, die es aus diesem Titel gibt, in den Stand gesetzt werden, sich zu verheiraten und ein Eigenheim zu bauen, also sich seßhaft zu machen. Das ist jetzt nicht mehr möglich, weil die laufende monatliche Zins- und Tilgungslast häufig 50% des Monatslohnes eines jungen Landarbeiters erreicht. Daher ist ernsthaft zu erwägen, ob dieser Titel nicht gestrichen und der Landarbeiterwohnungsbau aus der Investitionshilfe gefördert werden sollte, dies zu den gleichen Bedingungen, zu denen andere bauliche Maßnahmen der Landwirtschaft aus dieser Investitionshilfe gefördert werden, nämlich mit 15% der nachgewiesenen Baukosten.Aber zurück zur landwirtschaftlichen Altershilfe. Im Zusammenhang mit dem Fiasko der Bundesfinanzen im Jahre 1966 und den Haushaltsschwierigkeiten in diesem und in den kommenden Jahren ist die landwirtschaftliche Altershilfe ebenso wie die Unfallversicherung unzweifelhaft immer noch und auch in Zukunft noch Gefahren ausgesetzt. Bei der Verabschiedung des Finanzhilfegesetzes im Dezember vergangenen Jahres ist es zwar noch einmal gelungen, die beabsichtigte Beseitigung der Defizithaftung des Bundes zu verhindern. Aber das war nur auf Grund der übereinstimmenden Aussage aller Sachverständigen möglich. Viele Mitglieder des Hohen Hauses haben sich hier an diesem Pult damals geradezu dafür verbürgt, daß die 535 Millionen DM Bundeszuschuß im Jahre 1967 ausreichen werden. Durch die Bereitschaft der Landwirtschaft, eine 25%ige Erhöhung des Alterskassenbeitrages auf sich zu nehmen— übrigens ist in einem Zeitraum von 12 Monaten der Alterskassenbeitrag um 662/3%, nämlich von 12 auf 20 DM, erhöht worden —, ist das sichergestellt. Diese Leistung der Landwirtschaft sollte von allen Seiten anerkannt werden.
Ähnliche Sorgen wird es bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung geben, die die Umlage um 72% hätte erhöhen müssen, wenn die Regierungsvorlage im Dezember unverändert das Parlament passiert hätte. Eine solche Erhöhung hätte von der Landwirtschaft nicht verkraftet werden können. Deshalb hätten Leistungssenkungen vorgenommen werden müssen. Es hätte selbst die Unfallrente, die bei 100%iger Erwerbsminderung bekanntlich nur 250 DM im Monat beträgt, unter Umständen nicht ausgenommen werden können; denn die Erhöhung auf diese 250 DM ist nur durch den Bundeszuschuß über den Grünen Plan möglich geworden. Er hat eine Heraufsetzung der durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienste der landwirtschaftlichen Unternehmer,ihrer Ehegatten und der mitarbeitenden Familienangehörigen als Bemessungsgrundlage für die landwirtschaftliche Unfallrente um 1500 DM auf durchschnittlich 4500 DM ermöglicht. Die Erhöhung der durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienste war bei Bewilligung des Bundeszuschusses im Rahmen des Grünen Plans geradezu Voraussetzung für seine Inanspruchnahme. Es hätte auch der Wegfall der Wartezeit für Geldleistungen in den ersten 13 Wochen ins Auge gefaßt werden müssen, der vor kurzem von den Organen der Unfallversicherung beschlossen worden ist. Auch der Betriebshelfereinsatz wäre ernsthaft in Frage gestellt worden. Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften wären gehalten gewesen, besondere Unterstützungen im Rahmen des § 563 RVO entweder überhaupt nicht oder nur mit geringen Geldbeträgen zu gewähren. Die wirtschaftlichen Härtefälle, die bisher mit diesen Mitteln behoben worden sind, hätten nicht mehr berücksichtigt werden können. Jegliche Abfindungen hätten gestoppt werden müssen. Sogar das berufsgenossenschaftliche Ärzteabkommen hätte unter Umständen gekürzt werden müssen. Damit wären spezifische Heilverfahren, die zu den modernsten der Welt gehören, für die landwirtschaftliche Bevölkerung ernsthaft gefährdet gewesen. Das gleiche gilt für die Unfallverhütung, die, wie wir hier konstatiert haben, gerade im landwirtschaftlichen Bereich anerkennenswerterweise in den letzten Jahren sehr stark forciert worden ist.Ich führe in dieser Grünen Debatte noch einmal an, was gewesen wäre, wenn das Finanzhilfegesetz nicht Ende vergangenen Jahres im Bundestag geändert worden wäre. Das Damoklesschwert hängt immer noch über der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Deshalb sind diese Hinweise nicht überholt. Die genannten Kürzungen können jederzeit wieder drohen, wenn die landwirtschaftliche Unfallversicherung nicht mehr bezuschußt werden sollte.Trotz aller Aufregung, die unsere Finanzsituation uns in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik in den vergangenen Monaten beschert hat, kann ich aber doch mit Genugtuung konstatieren, daß alles in allem ein großer Teil des landwirtschaftlichen Sozialplans meiner Partei vom 9. Februar 1963 realisiert worden ist. Von einer Anzahl nicht vorrangiger Forderungen dieses Sozialplans abgesehen, bleibt das Wichtigste in dem Gebäude der sozialen Sicherheit der Selbständigen und Mithelfenden in der Landwirtschaft noch fehlende Teilstück der Krankheitsschutz. Meine politischen Freunde sind, wie Sie wissen, seit langem davon überzeugt, daß die Einführung der Krankenversicherungspflicht weder den Gegebenheiten noch den Erfordernissen entsprechen würde und daß es ohne die Pflichtkrankenversicherung einfach nicht geht.
Wenngleich ich wegen dieser Überzeugung immer wieder — mehr oder weniger heftig; zuletzt in der Zeitschrift „Der deutsche Arzt" in charmanter Weise — kritisiert worden bin, muß ich doch darauf verweisen, daß auch die neulich hier ausführlich behandelte Frauenenquete — und dort besonders der Fünfte Teil, der sich mit der Lage der Frau in der Land-
Metadaten/Kopzeile:
4580 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Frehseewirtschaft befaßt — eine solche Schlußfolgerung geradezu zwingend erscheinen läßt. Der erschrekkend schlechte Gesundheitszustand der Bäuerinnen, von dem dort berichtet wird, und die unzureichende ärztliche Betreuung auf dem Lande sind ganz zweifellos auch auf den unzureichenden Krankenversicherungsschutz der in der Landwirtschaft tätigen Selbständigen zurückzuführen. Man komme bitte nicht mit dem Hinweis, daß die Einführung einer gesetzlichen Pflichtkrankenversicherung zu einer noch schlechteren ärtzlichen Versorgung des flachen Landes führen müßte, als wir sie zur Zeit haben. Leider kommt man sehr häufig mit diesem Einwand; ich hoffe, daß das hier nicht in diesem Hause geschieht.Wir sind durch die ersten Ergebnisse des von Herrn Bundesminister Höcherl in Auftrag gegebenen Forschungsauftrags in unserer ausschließlich auf der praktischen Erfahrung, Frau Kollegin Kalinke, und der Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse beruhenden Auffassung bestärkt. Die sehr differenzierenden Ergebnisse der soeben genannten Untersuchung der Agrarsozialen Gesellschaft lassen sich wie folgt zusammenfassen.Erstens: Der Anteil der Unversicherten ist mit etwa 13% relativ gering, mit 31% der Altersgeldempfänger schon bedenklich. Hinzu kommen die großen regionalen Unterschiede mit bis zu 37 % unversicherten Unternehmern und bis zu 66 % unversicherten Altenteilern.Zweitens: Ein relativ großer Anteil der Privatversicherten — 30 % der landwirtschaftlichen Unternehmer und 43 % der landwirtschaftlichen Altenteiler — zahlen weniger Beiträge als der jeweilige Durchschnitt der bei den gesetzlichen Krankenkassen Versicherten. Ihr Versicherungsschutz ist daher mit Sicherheit schlechter. Sie sind also unterversichert, nicht un-, aber unterversichert. Da Landwirte mit kleinen Betrieben und großen Familien — häufig fällt das genau zusammen, wie wir doch wissen — vielfach diese niedrigen Beiträge zur privaten Krankenversicherung zahlen, wird sie im Krankheitsfall die Aufbringung der unvermeidlichen Eigenleistung mit Sicherheit stark belasten und einem Notstand aussetzen.Drittens: Die meisten landwirtschaftlichen Unternehmer, fast 60% aller Unternehmer und 67% der versicherten Unternehmer, haben sich einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung angeschlossen und damit dieser Form der gesetzlichen Krankenversicherung schon eindeutig den Vorzug gegeben. Sie haben durch ihr Verhalten dokumentiert, daß sie die gesetzliche Krankenversicherung haben wollen. Auch die von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Leistungen entsprechen aber den speziellen Bedürfnissen der bäuerlichen Familie nicht oder nicht ganz oder nicht in vollem Umfang. Es ist bekannt, daß in einer großen Zahl von Betrieben, wenn es nicht heute schon die meisten sind, die Bäuerin und der Bauer die einzigen Arbeitskräfte sind. Die Stellung von Ersatzkräften im Krankheitsfalle ist eine für die bäuerliche Pflichtkrankenversicherung ganz besonders wichtige Regelleistung. Die Stellung von Ersatzkräften im Krankheitsfall muß daher künftig zu den typischen Leistungen einer bäuerlichen Krankenversicherung gehören. Ich darf noch einmal daran erinnern: das im landwirtschaftlichen Sozialplan der SPD geforderte landwirtschaftliche Sozialwerk soll Träger eines umfassenden Systems der sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft tätigen Selbständigen und Mithelfenden sein, das auf die Eigenart und die Selbständigkeit bäuerlichen Wirtschaftens abgestellt ist.Nun höre ich schon im voraus die Frage, wie eine bäuerliche Pflichtkrankenversicherung angesichts der Finanzlage des Bundes und der soeben erst ausgewiesenen bedrückenden Einkommenslage in der Landwirtschaft finanziert werden soll. Um die Antwort gleich ungeschminkt und ganz schonungslos zu geben: es sollte nach unserer Auffassung, auch nachdem dieser landwirtschaftliche Sozialplan der SPD vier Jahre besteht, bei dem dort vorgesehenen Beteiligungsverhältnis von Bund und Eigenleistung bleiben, nämlich bei dem Verhältnis von 49 : 51. Das würde durchaus dem Regierungskonzept entsprechen, Herr Bundesminister, wonach das Defizitdeckungsverfahren nicht durch eine andere Regelung ersetzt werden soll. Sie haben diesen Satz aus Ihrem Manuskript gestrichen, wie ich zu meiner Freude konstatiert habe, sehr verehrter Herr Minister. Das würde diesem Konzept durchaus entsprechen, — wenn mir bei dieser Gelegenheit diese Bemerkung erlaubt ist. Sie sind schon gestern gleich nach Ihrer Rede durch die Presseerklärung meiner Fraktion für Ihre gestrige Rede — entgegen früherer Übung — sehr gelobt worden. Sie sind auch heute sehr gelobt worden, und Sie sind von dem Sprecher der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei sehr gelobt worden. Das kommt nicht nur daher, daß wir jetzt die Große Koalition haben.
— Das ist darauf zurückzuführen, Herr Kollege Ertl, daß wir eine Fülle von eigenen agrarpolitischen Vorstellungen in den Ausführungen des Bundeslandwirtschaftsministers wiedergefunden haben. Darüber haben wir uns natürlich sehr gefreut, und deswegen haben wir ihn gelobt.
Es ist z. B. unsere alte Forderung, Herr Minister — beispielsweise, Herr Kollege Ertl, Sie erinnern sich —, daß man auch aus agrarpolitischen und agrarstrukturellen Gründen die Inhaber der Kümmerbetriebe, die noch in sehr hohem Alter auf ihren 20 Morgen oder 15 Tagwerk, auch wenn sie 75 Jahre alt sind, weiter wirtschaften müssen, weil für sie die 150 DM Altersgeld nicht ausreichen würden, nun mit einem zusätzlichen Altersgeld — zu diesen 150 DM — ausstattet, um sie zu veranlassen — das ist der agrarpolitische und agrarstrukturelle Gesichtspunkt —, den Kümmerbetrieb abzugeben, so daß man das Land benutzen kann, um damit andere landwirtschaftliche Betriebe aufzustocken. Das ist unsere alte Idee, eine von denen, die nun bei Ihnen Aufnahme gefunden hat. Wir freuen uns darüber.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4581
FrehseeAnsonsten Ist der sozialpolitische Teil in Ihrer Rede, Herr Minister, noch ein bißchen kurz ausgefallen, mir besonders, naturgemäß, dem agrarsozialpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion der SPD. Die Rede insgesamt war sehr ausführlich und sehr konstruktiv. Ich bin ganz sicher, Herr Minister, auch das wird sich Zug um Zug ändern, und Sie werden in jedem Jahr der landwirtschaftlichen Sozialpolitik einen größeren Raum einräumen müssen, wenn auch nur im Hinblick auf die Konkurrenz der Franzosen, die doch auf diesem Gebiet am größten ist. Ich habe sehr viele Zahlen da. Ich will Sie nicht lange damit aufhalten. In Deutschland werden für die soziale Sicherheit der Selbständigen und der Mithelfenden in der Landwirtschaft 1967 1370 Millionen DM ausgegeben, und zwar für Kindergeld 375 Millionen DM, für Altersgeld 685 Millionen DM und für Unfallversicherungsleistungen 310 Millionen DM. In Frankreich sind es 4535 Millionen DM. Dabei ist es nicht etwa so, daß in Frankreich viermal soviel Menschen in der Landwirtschaft tätig wären als bei uns; es sind tatsächlich nur 30 % mehr. In Frankreich wird also viel mehr für die soziale Sicherheit aufgewendet als hier in der Bundesrepublik.Das Landwirtschaftliche Sozialwerk, der Zusammenschluß aller bisherigen Träger der verschiedenen Einrichtungen der sozialen Sicherheit der in der Landwirtschaft tätigen Selbständigen und des für die Sicherung im Krankheitsfalle neu zu Schaffenden, wird Gesamtaufwendungen von 1,6 bis 1,7 Milliarden DM im Jahr erfordern. Davon werden zur Zeit 745 Millionen DM vom Staat, vom Bund aufgebracht. 49 % : 51% ist unsere Zauberzahl. 49% von 1,6 Milliarden DM sind 784 Millionen DM. Der Bundeszuschuß, Herr Minister, müßte also für diesen Zweck um 40 Millionen DM oder um 5% erhöht werden. Die Landwirtschaft selber hat nach dem Grünen Bericht im Jahre 1966 330,2 Millionen DM aufgebracht. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß 486,3 Millionen DM Beiträge zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung hinzuzurechnen wären, wobei die Pflichtbeiträge der 170 000 Nebenerwerbsbetriebe, die auch alterskassenbeitragspflichtig sind, in diesem Betrag noch gar nicht enthalten sind. Diese Zahlen — wir haben hier die sozialpolitischen Experten des Bundestages vor uns, und deswegen muß ich sie nennen; auch Frau Kollegin Kalinke schaut mir ganz erwartungsvoll entgegen — setzen sich folgendermaßen zusammen.
— Das ist alles präventiv, Herr Kollege Riegel. Ich weiß ja, was mir blüht. Es wäre ja nicht das erste Mal. — Das sind Zahlen, meine Damen und Herren, die aus der Hochrechnung der bisherigen Ergebnisse des Forschungsauftrages der Agrarsozialen Gesellschaft entstanden sind. Hochrechnung ist ja heutzutage sehr modern. Manchmal stimmt sie auch, wie bei den bayerischen Landtagswahlen erwiesen. Mindestens bei dem einen Institut stimmte sie damals.— Die Pflichtversicherten — das sind Alterskassenbeitragspflichtige, die auch noch zur gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, weil sie nebenbei Arbeitnehmer sind — bringen 61,8 Millionen DM im Jahr auf. Die freiwillig Versicherten— das sind 282 360 — bringen 143,2 Millionen DM auf. Die Privatversicherten — das sind 220 300; nun haben wir die Zahl, nach der wir so lange gesucht haben — bringen 166,3 Millionen DM auf. Die Rentner — das sind 39 000 — bringen 19,2 Millionen DM auf. An Nichtversicherten haben wir bei einem Ansatz von 3,5 Personen je Familie 90 060; wenn wir 500 DM pro Familie nehmen, dann sind das 49,5 Millionen DM. Insgesamt kommt dabei der Betrag von 486,3 Millionen DM heraus, den ich vorhin genannt habe. Zusammen mit den 330,2 Millionen DM für die Altershilfe und die Unfallversicherung, die die Landwirtschaft 1966 aufgebracht hat, ergibt das einen Betrag von 816,5 Millionen DM. Ich habe mich auch gewundert, daß ausgerechnet diese Zahl herauskam. Das sind die 51 % von den 1,6 Milliarden DM!Das Ergebnis dieser Berechnungen ist, daß für die Einführung des Landwirtschaftlichen Sozialwerks und die Einführung der bäuerlichen Pflichtkrankenversicherung bei einem prozentualen Beteiligungsverhältnis von 49 % Bund und 51 % Landwirtschaft der Bund 40 Millionen DM mehr zahlen muß und die Landwirtschaft alles in allem nicht mehr zu zahlen braucht. Aber da es da Ungleichheiten und Differenzierungen gibt, auf die ich hinzuweisen versucht habe, und da diese Differenzierungen, die sozialpolitisch unerwünscht sind, ausgeglichen werden müssen, müßte doch an dem Vorschlag des landwirtschaftlichen Sozialplans der SPD festgehalten werden, einen allgemeinen und gleichen Sockelbeitrag für alle alterskassenbeitragspflichtigen landwirtschaftlichen Betriebe einzuführen und die dann verbleibende Differenz bis zu 51 % durch einen nach dem Einheitswert gestaffelten Zusatzbeitrag zu erheben. Das entspräche durchaus den Prinzipien der gesetzlichen sozialen Krankenversicherung, die bekanntlich bis zu einer bestimmten Beitragsgrenze einen prozentualen Beitrag erhebt, 10 oder 11% des Bruttolohns oder -gehalts. Ähnlich müßte man mit dieser bäuerlichen Pflichtkrankenversicherung verfahren, wobei man durchaus zunächst einmal einen gleichen Sockelbeitrag erheben könnte, aber das, was dann noch fehlt, von den anderen aufbringen lassen sollte.Insgesamt würde jedenfalls die Landwirtschaft eine Entlastung erfahren. Das ist sehr interessant, Herr Minister. Ich war selber sehr erstaunt über dieses Ergebnis. Da sehen Sie, wie wertvoll es ist, sich auch solcher wissenschaftlicher Gesellschaften wie der Agrarsozialen Gesellschaft zu bedienen, die das endlich einmal gründlich erarbeitet hat. Wir reden seit sechs Jahren immer wieder über diese Geschichte und tasten mit der Stange im Nebel herum und wissen nichts Genaues. Jetzt haben wir die ersten Ergebnisse und mindestens haben wir schon die Möglichkeit dieser Hochrechnung und wissen nun schon etwas mehr, woran wir mit unseren Plänen und unseren Konzeptionen sind. Mit Sicherheit würde es also eine Entlastung im Sinne Ihres Kleinbauernförderungsprogramms geben, Herr Minister Höcherl und Herr Ministerialdirektor Non-hoff, der Sie als Beamter für diesen Punkt zuständig sind. Das Ganze könnte zur Entlastung einer großen Zahl der alterskassen-beitragspflichtigen Betriebe
Metadaten/Kopzeile:
4582 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Frehseeund zu einer etwas stärkeren Belastung der Privatversicherten führen, das gebe ich zu, es ist ganz klar, es ist ja nicht zu leugnen. Aber dieser zusätzliche Beitrag wäre von den großbäuerlichen Betrieben, den landwirtschaftlichen Großbetrieben aufzubringen. Ohne daß ich verallgemeinern wollte: ich gebe zu, daß auch deren Lage nach dem Grünen Bericht 1967 nicht rosig ist. Aber ich glaube, man kann sagen, daß auf der Grundlage des Tabellenwerks dieses Grünen Berichts diese Betriebe wohl am ehesten zu einer zusätzlichen Solidarleistung — und darum handelt es sich — in der Lage wären.Ich möchte überhaupt zu bedenken geben, ob nicht gerade dieser Zeitpunkt für einen solchen Schritt, einen solchen für viele von Ihnen vielleicht mutigen Schritt, ja, vielleicht sogar für die Flucht nach vorn, die man in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik antreten würde, besonders geeignet ist. Der Gesetzentwurf ist weitgehend fertiggestellt und könnte in kürzester Zeit gemeinsam eingebracht werden; ich biete an, meine Damen und Herren. Er könnte zum 1. Januar 1968 in Kraft treten, ein halbes Jahr nach Beginn der gemeinsamen Agrarpolitik, ein halbes Jahr vor der Vollendung des Gemeinsamen Marktes für die Landwirtschaft.Ich möchte nach den glänzenden Erfahrungen mit der landwirtschaftlichen Altershilfe, die hier seinerzeit gegen heftigste Widerstände durchgesetzt worden ist, so vermessen sein, zu meinen, daß dieser Schritt einen beachtlichen Beitrag zur Wettbewerbsbefähigung der deutschen Landwirtschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu leisten geeignet wäre.
Das Wort hat der Abgeordnete Berberich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Grüne Bericht und der Grüne Plan befassen sich nur auf wenigen Seiten mit der landwirtschaftlichen Sozialpolitik. Ich bin aber erfreut darüber, daß das, was hier ausgesagt worden ist, wenigstens für die künftige Entwicklung nichts verbaut. Ich bin dem Herrn Kollegen Frehsee für die Angabe einer ganzen Reihe von Zahlen dankbar. Der Herr Bundesminister hat in seiner Rede dargelegt, in welchem Umfang der Bund die Alterssicherung der Landwirtschaft bezuschußt, nämlich in Höhe von 73 % für das Jahr 1967. Meine Damen und Herren, das gibt zwar für die baren Aufwendungen, die im Rahmen des Altershilfegesetzes den bäuerlichen Familien zufließen, ein zutreffendes Bild, erweckt aber in der Öffentlichkeit ein Bild, das nicht den Tatsachen entspricht, weil man davon ausgeht, daß die Altershilfe das Einzige sei, was vom bäuerlichen Betrieb, vom jungen Landwirt für die Alterssicherung aufgebracht werden müßte.Gehen wir einmal davon aus, daß die Zahl der Altersgeldbezieher mit etwa 1,4 zu vervielfältigen ist, so daß etwa 550 000 Personen in der Landwirtschaft als Altersrentner anzusprechen sind — um einmal mit dem gängigen Begriff der Rentenversicherung zu arbeiten —, und gehen wir ferner davon aus, daß dafür nach den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums zusätzlich 150 DM pro Person und Monat an Sachleistungen aufgebracht werden müssen, so wird von der Landwirtschaft eine weitere Milliarde DM für die Alterssicherung aufgebracht. Wenn man die 200 Millionen DM Beiträge zur Alterskasse hinzuzählt, dann ist das Verhältnis des Bundeszuschusses zu dem, was von der Landwirtschaft für die Alterssicherung geleistet wird, nicht 27 : 73, sondern rund 30 : 70, und zwar zu Lasten der Landwirtschaft. Ich möchte diese Zahlen hier einmal im Plenum des Bundestages vortragen, damit nicht immer wieder draußen in der Öffentlichkeit das schiefe Bild kolportiert wird, als ob es die Landwirtschaft dem Staat überlasse, für ihre Alterssicherung zu sorgen.Herr Kollege Frehsee hat vorhin dargelegt, daß im Rahmen eines bäuerlichen Sozialwerks etwa 40 Millionen DM mehr notwendig wären als das, was bisher für Altershilfe und Unfallversicherung aufgewendet wird. Ich muß allerdings ein wenig Wasser in diesen Wein der Begeisterung schütten. Denn wir müssen dabei auch beachten, daß in der Altershilfe für die Landwirtschaft in den kommenden Jahren einige Mehraufwendungen notwendig sein werden, wenn auch die Steigerung dieser Aufwendungen nicht in dem rasanten Tempo erfolgen wird wie die Steigerung, die in der übrigen Sozialversicherung auf Bundeshaushalt und Beitragszahler zukommen wird. Nach einer Vorschau des Bundesverbandes der landwirtschaftlichen Alterskassen werden infolge der Steigerung der Ausgaben — nicht allein dadurch, daß mehr Altersgeldbezieher vorhanden sein werden, sondern auch durch die Erhöhung der Kosten für die Rehabilitation — bis zum Jahre 1970 etwa 85 Millionen DM mehr erforderlich sein. Diese Vorausschau dürfte dem künftigen Ablauf ziemlich nahekommen. Die Erhöhung wird bei etwa 12 bis 15% der heutigen Summen liegen, und das muß immerhin mit einkalkuliert werden, wenn man über landwirtschaftliche Sozialpolitik für die Zukunft debattiert.In der Einführung und im Rahmen dieser Debatte hat Herr Minister Höcherl darauf hingewiesen, daß ein zusätzliches Altersgeld für diejenigen in der Überlegung ist, die ihren Betrieb im Interesse der Agrarstrukturverbesserung aufgeben. Meine Damen und Herren, das ist eine Darlegung von seiten der Bundesregierung, die für uns eigentlich keinerlei Überraschung darstellt. Ich habe ähnliche Vorschläge zu diesem Problem bereits im Jahre 1964 gemacht, nur hat man damals in der Öffentlichkeit auf solche Vorschläge sehr sauer und sehr negativ reagiert. Wenn wir aus der Erkenntnis, daß die Agrarstrukturverbesserung in manchen Fällen nur dadurch möglich ist, daß man dem Altenteiler ein höheres Altersgeld gewährt, dann bin ich allerdings der Meinung, daß dieses zusätzliche Altersgeld nicht als Altersgeld im Rahmen der Altersversicherung deklariert werden kann und daß dann hinterher eine Berechnung aufgemacht wird, wonach
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4583
Berberichetwa der Zuschuß des Bundes für diese Sicherung der Alten in der Landwirtschaft 80 oder 90 % beträgt. Dann muß man ein solches zusätzliches Altersgeld ganz klar als das deklarieren, was es darstellen soll, nämlich als einen Zuschuß, der für die Verbesserung der Agrarstruktur notwendig ist. Man muß ihn dann getrennt ausweisen. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob die Alterskasse mit der Auszahlung dieser Beträge beauftragt wird. Notwendig aber ist in einem solchen Fall eine ganz klare Trennung zwischen agrarstrukturellen Maßnahmen, die hiermit angestrebt werden, und dem, was man als Alterssicherung für den Normalfall in der Landwirtschaft anspricht.Meine Damen und Herren, zur Unfallversicherung! Der Herr Kollege Frehsee hat darauf hingewiesen, welche Auswirkungen aufgetreten wären, wenn die 100 Millionen DM, die nun zusätzlich eingesetzt wurden, durch Beiträge hätten aufgebracht werden müssen. Meine Damen und Herren, wir müssen auch hier feststellen, daß die Landwirtschaft in vielen der Berufsgenossenschaften einen zusätzlichen Beitrag von 20 bis 25 % aufbringen muß, um die Deckung der Ausgaben überhaupt erreichen zu können. Wenn man zu der Frage kommen würde, ob die Leistungen der Unfallversicherung aufrechterhalten bleiben sollen, wenn man fehlende Bundeszuschüsse durch Beiträge abdecken muß, dann muß man immerhin bedenken, daß man der Landwirtschaft die Erhöhung der sozialen Beiträge in einem Moment zumutet, in dem die eigenen Einnahmen infolge des Übergangs zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zurückgehen. Ich glaube, das ist eine Tatsache, die niemand bestreiten kann, wenn er zunächst einmal den diesjährigen Grünen Bericht und Grünen Plan liest und sich überlegt, welche Auswirkungen das hat, welche Mindereinnahmen auf den einzelnen Betrieb im Zuge der Preissenkungen in den nächsten Monaten und Jahren zukommen werden.Wenn in der Rede des Herrn Ministers Höcherl darauf hingewiesen wird, daß man sich neue Wege überlegen muß, in welchem Rahmen der Zuschuß zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung verteilt werden soll, so möchte ich allerdings vor einigen Illusionen warnen. Es sind nämlich nur rund 12 % der Fläche, die von Betrieben bewirtschaftet werden, die unterhalb der Grenze des Altershilfegesetzes für die Landwirtschaft liegen. Selbst wenn man diese Betriebe völlig ausschaltet, wird man nur 12 010 des heute verteilten Gesamtbetrages einsparen können. Zum Zweiten: Zur Frage, daß heute ein Teil der Zuschüsse der Unfallversicherung in Kreise geht, die mit der Landwirtschaft nichts zu tun haben, darf ich darauf hinweisen, daß dort, wo es sich um Pachtbetriebe handelt, schon heute die Übung vorhanden ist, die Beiträge zur Unfallversicherung über den Pachtpreis weiterzuwälzen, also den Bewirtschafter damit zu belasten. Im übrigen gilt dies nur in den Fällen, in denen Einheitswertberufsgenossenschaften Beiträge erheben. In all den Fällen, in denen nach dem Arbeitsbedarf der Beitrag zur Unfallversicherung erhoben wird, zahlt heute schon der Bewirtschafter diesen Beitrag, nicht der Eigentümer. Meine Damen und Herren, das zunächst einmal zur Unfallversicherung.Und nun zu dem Problem der Krankenversicherung, das mein Kollege Frehsee hier angeschnitten hat. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß ich hier meine persönliche Meinung, nicht die Meinung der Fraktion vortrage, weil die Fraktion sich mit dieser Frage noch nicht beschäftigt hat.
Ich bin immer so objektiv, daß ich nicht irgend jemanden für das, was ich hier vortrage, verantwortlich machen möchte, der noch nicht dafür verantwortlich ist.
Meine Damen und Herren! Über die Frage Pflichtversicherung oder Fortbestehen des heutigen Zustandes wird ja seit Jahren hin und her diskutiert. Aber eines muß man ganz klar erkennen: Wenn man das Problem der Altenteiler und ihres zum Teil unbefriedigenden Versicherungsstandes lösen will, ist diese Lösung nur im Rahmen einer Pflichtversicherung möglich. Alle anderen Versuche, dieses Problem zu lösen, scheitern daran, daß die Finanzierung in solchen Fällen nicht sichergestellt werden kann, es sei denn, daß sich der Bund bereiterklärt, à fonds perdu entsprechende Beiträge irgendeinem Versicherungsträger zur Verfügung zu stellen, der dann in der Lage ist, eine solche Altenteilerversicherung durchzuführen.Wir erleben ja heute schon in der gesetzlichen Krankenversicherung, daß sich die Krankenversicherung der Rentner zu einem sehr schwer belastenden Teil der Krankenversicherung ausgewirkt hat, obwohl die Rentenversicherung bisher etwas über 33 DM und nun über 38 DM pro Rentner und Monat an die einzelne Krankenversicherung zahlt. Meine Damen und Herren, wir müssen damit rechnen, daß sich die Rentnerkrankenversicherung bzw. die Altenteilerkrankenversicherung in der Landwirtschaft nicht zu einem wesentlich billigeren Satz durchführen läßt als dem, was die Krankenkassen heute aufwenden. Und das sind nicht die 38 DM, die gezahlt werden, sondern die Aufwendungen liegen zwischen 40 und 50 DM. Sie schwanken je nach den einzelnen Krankenkassen pro Rentnerehepaar bzw. Rentnerfall, der in den Krankenversicherungen durchgezogen werden muß. Das muß man sehen, wenn man über diese Dinge diskutiert und wenn man sich mit ihnen auseinandersetzt.Wenn man sich dafür entscheiden würde, eine Pflichtversicherung zu schaffen, wie soll sie organisiert werden? Nun, meine Vorstellungen gehen nicht ganz so weit wie die meines Kollegen Frehsee. Das weiß er. Im übrigen bin ich nicht dafür, daß man diese Dinge zentral völlig zusammenfaßt, sondern ich bin der Meinung, daß man eine zusammenfassende Lösung allenfalls im Rahmen der bisherigen Unfall- bzw. Altershilfeträger finden kann. Daß es dabei dann notwendig wäre, eine zentrale Lenkung und eine zentrale Garantieträgerschaft zu schaffen, ist mir selbstverständlich klar. Aber ich glaube, das sind Dinge, über die man sich, wenn man im Grundsatz einmal eine Entscheidung getroffen hätte, sehr wohl einigen könnte.
Metadaten/Kopzeile:
4584 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
BerberichNun zu der Frage einer Einheitsversicherung für diese drei Sparten, nämlich Altershilfe, Unfallversicherung, Krankenversicherung. Sie in einem einzigen Träger zusammenzufassen, würde ich allerdings für etwas gefährlich halten, und zwar deshalb, weil sich dann unter Umständen eine wenig sparsame Geschäftsführung für den einen Fall im Deckmantel des anderen verbergen könnte. Wenn schon eine Zusammenfassung, dann lediglich eine organisatorische Zusammenfassung, aber kassenmäßig eine klare Trennung der Zuständigkeiten, denn ich bin immer dafür, daß man wissen soll, wer bei den einzelnen Angelegenheiten Koch und wer Kellner ist.
Meine Damen und Herren! Eine Staffelung der Beiträge bei der Altershilfe würde — Sie kennen ja meine Vorstellungen dazu — zwangsläufig zu der Forderung führen, daß dann eine gestaffelte Leistung gewährt würde. Gestaffelte Beiträge in der Unfallversicherung sind ohnehin eine Selbstverständlichkeit und werden heute bereits praktiziert. Dazu, inwieweit man sie bei der Krankenversicherung durchführen kann, muß man bedenken, daß man in der Krankenversicherung selbstverständlich von anderen Erwägungen ausgehen muß als bei der Altershilfe. Aber bei der Krankenversicherung wird wahrscheinlich der große Betrieb schon von der Seite her etwas höher belastet sein als der kleine Betrieb, weil die statistischen Erfahrungen zeigen, daß die Zahl der Familienmitglieder in den Kleinbetrieben im Durchschntt höher liegt als in den Großbetrieben. Ich bin aber deshalb auch nicht bereit, wenn man dieser Frage nähertritt, zu einer Personenversicherung zu kommen, sondern hier kann es sich nur — genauso, wie es im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung auch heute schon der Fall ist — darum handeln, eine Familienversicherung überhaupt zu finden.Meine Damen und Herren! Im Blick auf die Uhr möchte ich mich ganz kurz fassen. Ich möchte nur noch mit ein paar Sätzen auf die Verhältnisse auf sozialpolitischem Gebiet bei unseren Partnern in den EWG-Ländern eingehen. Die sozialen Verhältnisse bei unserem Hauptkonkurrenten Frankreich stehen ja immer wieder im Vordergrund des Interesses, und Herr Kollege Frehsee hat Ihnen ja einige Zahlen genannt. Wenn man diese Zahlen aber einmal etwas bereinigt und auf die einzelne Person, auf den einzelnen Landwirt abstellt, dann stellt man fest, daß in Deutschland pro Jahr und pro Person — also pro Familie in der Landwirtschaft — ein Zuschuß von 1242 DM gewährt wird, während er in Frankreich bei 2619 DM pro Person liegt. Ich will nicht auf die einzelnen Unterschiede in dieser Skala eingehen. Aber hier macht sich bemerkbar, daß auf der einen Seite in Deutschland für die Unfallversicherung ein erheblicher Zuschuß des Bundes gewährt wird, während in Frankreich die Unfallversicherung für die Landwirtschaft erst im Anlaufen begriffen ist und deshalb in diesen Vergleichszahlen nicht wirksam werden kann, daß auf der anderen Seite aber in Frankreich für die Krankenversicherung in der Landwirtschaft ein erheblicher Zuschuß des Staates gewährt wird. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, daß in Frankreich die Finanzierung dieser Zuschüsse nicht allein über den Staat erfolgt, sondern auf dem Weg über eine Transportabgabe und eine Sonderabgabe, was sich auf deutsche Verhältnisse nicht übertragen läßt, so daß wir im Moment einen echten Vergleich mit der französischen Landwirtschaft in der Finanzierung noch nicht herstellen können. Es bedarf sicherlich noch einiger Nachfragen und Überlegungen, bis dieser Vergleich überhaupt möglich ist.Meine Damen und Herren! Eines darf ich zum Abschluß noch sagen. Ich bin dankbar dafür, daß es durch die gemeinsamen Bemühungen beim Finanzplanungsgesetz im Dezember vorigen Jahres gelungen ist, die Gefahren, die für die Sozialpolitik in der Landwirtschaft bestanden, zunächst einmal zu bannen. Ich habe nur die Hoffnung, daß dieses Hohe Haus dieselbe Haltung auch in Zukunft einnehmen wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reichmann.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der allgemeine Wandlungsprozeß in unserer Wirtschaft und Gesellschaft trifft die Landwirtschaft besonders schmerzlich und verursacht erhebliche Schwierigkeiten auf Grund der natürlichen Bedingungen, unter denen sie leben und wirtschaften muß. Der Herr Bundesernährungsminister hat gestern aufgezeigt, daß seit 1950 2 Millionen landwirtschaftliche Arbeitskräfte — also mehr als die Hälfte — aus der Landwirtschaft abgewandert sind, um in der gewerblichen Wirtschaft bessere Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten zu finden. Das hat zu erheblichen Konsequenzen verschiedenster Art geführt.Für den verbleibenden Teil besteht ein ständiges Mehr an Arbeit, das bewältigt werden muß. Die Zahl der wöchentlich zu leistenden Arbeitsstunden — das beweist der Grüne Bericht — hat sich im Gegensatz zu anderen Bereichen nicht verringert, sondern in der Vergangenheit sogar noch gesteigert. Auch beim Vergleich mit Selbständigen in anderen Wirtschaftsbereichen steht die Landwirtschaft in ihrer Arbeitsleistung an der Spitze. Die zusätzlich anfallende Arbeit infolge des Abgangs von Arbeitskräften ist zwar zum Teil durch Maschinen ausgeglichen worden. Dies ist jedoch wiederum mit ein Grund für die steigende Verschuldung und den hohen Investitionsbedarf.Die immer stärker werdende körperliche Belastung bringt zwangsläufig gesundheitspolitische Probleme mit sich. Die Abwanderung familieneigener und familienfremder Arbeitskräfte verhindert die erforderliche Entspannung und Erholung und eine rechtzeitige Gesundheitsvorsorge. Da im allgemeinen die familieneigenen und die familienfremden Arbeitskräfte in den besten Arbeitsjahren abgewandert sind, muß in der Landwirtschaft im Vergleich zu anderen Bereichen der Wirtschaft ein gewisser Überalterungsprozeß mit allen Schwierig-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4585
Reichmannkeiten und mit besonderen sozialen Lasten und Problemen hingenommen und bewältigt werden.Nach den weiteren Feststellungen des Herrn Ministers mußten seit 1950 516 000 Betriebe aufgegeben werden. Auch hier stellt sich für die verbleibenden und ehemaligen Eigentümer das Problem einer ausreichenden Altersversorgung. Im Rahmen moderner gesellschaftspolitischer Auffassungen ergeben sich besondere agrarsoziale Aufgaben. Wir begrüßen es, daß für diese Aufgaben in diesem Jahr wiederum 745 Millionen DM eingestzt werden konnten. Der Eindruck, daß es der Landwirtschaft auf staatliche Unterstützung ankomme, täuscht. Es ist aber eine Reihe von Fakten zusammengekommen, die ihr eine Lösung der Probleme aus eigener Kraft unmöglich machen.In diesem Zusammenhang ist auf das Problem der kostengerechten Preise hinzuweisen. Es muß aber auch auf die Gefahr der Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich in größerem Ausmaß hingewiesen werden, die sich aus der unterschiedlichen agrar-sozialen Entwicklung in der EWG ergibt, wie bereits die Kollegen Frehsee und Berberich aufgezeigt haben. Es ist daher eine besondere Aufgabe der Bundesregierung, gerade im Hinblick auf die agrarsozialen Verhältnisse in der EWG, darauf zu achten, daß nicht eine weitere unterschiedliche Entwicklung zu Lasten der deutschen Landwirtschaft auf dem Umweg über besondere soziale Leistungen in anderen Ländern mit der Folge gefährlicher Wettbewerbsverzerrungen erfolgt. Auch die agrarsozialen Leistungen in der EWG müssen gleichgewichtig gestaltet werden.Besonders dringlich in der Agrarsozialpolitik ist die Krankenhilfe. Es wurde hier schon darüber diskutiert, und es kam die vielseitige, schwierige Problematik zur Sprache. Aber die Schwierigkeit darf uns nicht davon abhalten, eine sinnvolle Lösung zu finden und durchzuführen.Eine ausreichende Krankensicherung und insbesondere .die Stellung von Ersatzkräften bei Krankheit und Unfall und im Falle der Rehabilitation ist besonders vordringlich. Für die gründliche Untersuchung der Agrarsozialen Gesellschaft, die die ganzen Zusammenhänge hervorragend aufgezeigt hat und auch die Dringlichkeit der Lösung dieses Problems aufgezeigt hat, sind wir besonders dankbar. Ich kann es mir ersparen, näher auf dieses Problem einzugehen, weil Kollege Frehsee das bereits eingehend behandelt hat.Wir haben jedoch große Bedenken, ob diese schwierigen Probleme in nächster Zeit gelöst werden, die uns in dieser agrarsozialen Aufgabe gestellt sind. Die Antwort auf die Kleine Anfrage, die wir an die Bundesregierung gerichtet haben, hat weder eine klare Konzeption, noch hat sie die agrarsozialen Probleme überhaupt angesprochen.Ich darf mir gestatten, noch ganz kurz auf die Schwierigkeiten der agrarsozialen Entwicklung in der EWG, besonders im Hinblick auf Frankreich, hinzuweisen. Mit einem Fuß steht die deutsche Landwirtschaft bereits in der EWG, ab 1. Juli 1967 mit beiden Füßen. Der Vergleich mit der Entwicklungin Frankreich zeigt, daß die sozialen Leistungen in der Bundesrepublik 990 DM je Landwirt betragen, in Frankreich dagegen 2018 DM, also das Doppelte. Um eine Vorstellung von den Größenordnungen zu geben, sei darauf hingewiesen, daß in diesem Jahr im Anlagehaushalt zum Agraretat in Frankreich 4,57 Milliarden DM für soziale Leistungen eingesetzt sind gegenüber nur 745 Millionen DM im deutschen Agrarhaushalt.Frankreich hat zudem eine besondere Steuer auf Nahrungsfette zur Finanzierung der agrarsozialen Aufgaben eingeführt. Das führte zu einer Erhöhung des Margarinepreises in Frankreich um 7,3 Pf und des Preises für Olivenöl um 14 Pf. Dieses Beispiel ist natürlich für uns nicht maßgebend. Aber es zeigt den Weg, der in der Agrarsozialpolitik in der EWG beschritten wird, und mahnt die Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, daß in Brüssel eine gleichgewichtige Entwicklung der Agrarsozialpolitik durchgeführt wird, damit in diesem Bereich gefährliche Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden.Im Namen der Bundestagsfraktion der FDP darf ich versichern, daß wir alle Maßnahmen zur Verwirklichung einer ländlichen Sozialpolitik als eine Aufgabe der Agrarpolitik zur Erhaltung einer gesunden Landwirtschaft unterstützen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Bewerunge.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Diese Grüne Debatte bestärkt mich eigentlich immer in der Sorge, daß wir die Isolierung der Landwirtschaft in der öffentlichen Meinung immer noch verstärken. Die Landwirtschaft ist Teil der Wirtschaft. Sie sollte sich eigentlich Mühe geben, ihre Äußerungen auch immer im Rahmen der gesamten wirtschaftlichen Lage zu machen.Ich möchte hier etwas zur Agrarstrukturpolitik sagen. In einer Zeit ständiger Aufwärtsentwicklung in der deutschen Wirtschaft sprachen wir einzig und allein immer von der Strukturkrise in der deutschen Landwirtschaft. Mittlerweile sind uns leider viele Probleme — Kohle, Eisen, Stahl, Textil, selbst bei den Tageszeitungen und bei dem größten Familienbetrieb der Bundesrepublik in Essen — geläufig geworden. Die Ausdrücke sind eigentlich immer gleichmäßig. Man spricht von einer branchengünstigen oder -ungünstigen Konjunktur, schiechter Ausstattung mit Kapital, hartem internationalem Wettbewerb, Einfuhr aus Lieferländern, die günstiger produzieren können, usw. Ich meine, mitten hinein in diese Gesamtproblemstellung paßt auch das Problem Landwirtschaft. Herr Minister Höcherl sagte in seiner guten Rede gestern, daß andere Länder — und sicher meint er damit die USA — schon vor hundert Jahren angefangen hätten, ihre agrarstrukturellen Probleme zu lösen. Nun, die deutsche Landwirtschaft war „Volksernährer", und unter diesem Auftrag hatte sie eigentlich weniger betriebswirtschaftliche Aspekte zu beachten. Sie mußte über Jahrzehnte hin den Aufgaben der Volksernährung
Metadaten/Kopzeile:
4586 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Bewerungesicher nachkommen. Wir haben jetzt seit zwölf bis fünfzehn Jahren eine zielstrebige Agrarpolitik betrieben. Damals wurden uns aber noch von Experten Größenordnungen für den Betrieb genannt, die heute wieder überholt sind. Die Öffentlichkeit stellt die Frage: Geht es nicht schnell genug mit der Umstrukturierung? Ich glaube, hier sollte man einmal die Zahl der abgewanderten zwei Millionen Arbeitskräfte und der aufgelösten 516 000 Betriebe in eine andere Zahl ummünzen, daß nämlich in den letzten 15 Jahren Monat für Monat 6000 bis 10 000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft aufgegeben wurden. Das war sicher nur in einer sich gut entwickelnden Wirtschaft möglich. Aber vergleichen Sie diese Zahlen einmal mit der Kohle. Ich glaube, man sollte hier deutlich machen, daß ein schneller Abwanderungsprozeß ohne soziale Härten nicht möglich war.Es wurde auch immer wieder und fast alle Jahre wieder der Grüne Bericht kritisiert. Er wird auch in der Öffentlichkeit kritisiert. Ich glaube aber, eines sollte hier deutlich machen, daß ein schnellerer Abder vorhandenen Grünen Berichte sicher sein kann, daß eine zielstrebige Agrarpolitik betrieben wurde. Minister Höcherl hat eigentlich das Beispiel einer offensiven Agrarpolitik vorgelegt. Herr Dr. Schmidt sagte hier und Herr Frehsee wiederholte es, daß man viele Passagen des SPD-Programms wiedergefunden habe. Nun, meine Damen und Herren, Sie finden diese Ausführungen eindeutig in CDU/CSU-Programmen. Nur standen wir alle unter der leidvollen Situation, nicht für alles und jedes genug Geld zu haben, wie übrigens jetzt auch. Die Landwirtschaft muß erwarten, daß die gewerblich-industrielle Integration Europas jetzt bald weiter Platz greift. Die Wettebewerbsverzerrungen werden immer angesprochen. Die Wirtschaftseinheit ist die Voraussetzung für deren Abbau. Die Angleichung der Löhne, Preise, Steuern, sozialen Leistungen — ich will das nicht alles wiederholen — bedrückt uns besonders.Aber lassen Sie mich doch hier eine Feststellung treffen. Die so oft angesprochenen Marktordnungssysteme, die hier kritisiert wurden, sind, glaube ich, besser als ihr Ruf. Sie geben nach meinem Dafürhalten der deutschen Landwirtschaft endlich die Gelegenheit, sich sinnvoll zu spezialisieren. Ich glaube, auch manches kritische Wort, das, wenn es ein Bauer hier mithört, ihn fast mißmutig, ihn phlegmatisch stimmen muß, sollte auch einmal umgemünzt werden. Der Preisbruch beginnt am 1. Juli 1967. Ich glaube, man tut der Landwirtschaft den besten Dienst, wenn man ihr sagt, daß zu jedem unternehmerischen Tun Optimismus gehört,
daß Selbstvertrauen die Voraussetzung für ein gutes Bestehen auf diesem Wege ist.Industrielle Gedankengänge haben weitgehend Einzug in die Unternehmensform Landwirtschaft gefunden. Bei uns reichen die Betriebsgrößen in den seltensten Fällen aus, um von der Bodenproduktion leben zu können. Aber der Begriff des optimalen Umsatzes pro Arbeitsplatz gilt auch für uns wie in der übrigen Wirtschaft. Wir sollten es einmal etwas vereinfacht zum Ausdruck bringen: die Bodenproduktion des Futtergetreides in Europa zuzüglich der in den letzten Jahren immer importierten ca. 10 Millionen t Futtergetreide aus Drittländern ist ja die Ausgangsbasis für die Veredelung in unseren Betrieben. Hier ist die Landwirtschaft nicht unter Sondergesetz gestellt. Hier hat sie sich unternehmerisch zu bemühen, aus diesem Rohstoff das Optimale zu veredeln. Ich glaube, wir sollten deshalb auch hier deutlich sagen, daß das Produktionsdenken weitestgehend einem guten Marktdenken weichen muß. Gerade die Fragen der Beobachtung des Marktes und der Erzielung von Marktleistungen sind uns heute aufgegeben.Hier darf ich aus der Sicht meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in der Landwirtschaftskammer auch etwas zu den Hochschulen sagen. Ich weiß nicht, ob unsere Diplomlandwirte dieses Marktdenken heute schon so eindeutig mitbekommen, wie es notwendig ist. Ich habe oft die Sorge, daß man sich viel lieber dem reinen Produktionsdenken zuwendet, weil das andere unbequemer ist. Aber der Zug zum Markt ist das Problem, mit dem wir es heute zu tun haben.
Der Kollege Logemann sprach heute von den Rückflüssen der EWG. Natürlich steht im Artikel 4 des Gesetzes, daß das Geld beim Preisbruch — am 1. Juli — verwendet werden soll. Ich will meine Fraktion damit nicht belasten. Aber ich habe hierzu meine eigene Meinung, und ich möchte sie hier vorbringen. Ich bin auch der Meinung, daß ein Teil dieses Geldes zum Verlustausgleich bei diesem Preisbruch verwendet werden sollte. Aber seien wir doch ehrlich zueinander. Wir haben uns in der Vergangenheit oft über die „forma" in Frankreich und die „product-shop" in Holland beklagt. Wir wissen, daß sich neue Handelsströme in dem großen Binnenmarkt Europas entwickeln werden. Wir wissen, daß beispielsweise in Holland und Frankreich erhebliche Mengen Hähnchen vor den Toren des Industriegebietes stehen haben, um sich am Tage X eine entsprechende Marktposition zu sichern.Wir haben mühsam nach Wegen gesucht, um durch ein Gesetz die Absatzförderung der Landwirtschaft — mit eigener Leistung des Berufsstandes — sicherzustellen. Ein Teil dieser Gelder sollte also verwendet werden, um im weitesten Sinne des Wortes Marktstrukturpolitik — bis hin zur Werbung — zu betreiben. Meinetwegen könnte es auch z. T. ein revolvierender Fonds sein. Dann hätten wir ein gutes Werk getan. Das sollten wir alle uns überlegen. Die deutsche Landwirtschaft hat einen Anspruch auf diese Mittel. Ich meine, der Berufsstand sollte dann das Recht haben, weitestgehend Einfluß auf die Verwendung dieser Mittel zu nehmen.Bei aller Anerkennung Ihres guten Vortrages zum Grünen Bericht, Herr Minister, darf ich sagen, es macht uns gerade in dieser Zeit des Umbruchs Sorge, daß auf dem agrastrukturellen Gebiet einige Einsparungen vorgenommen werden sollen, und zwar gerade auf solchen Gebieten, wo wir eine moderne Agrarpolitik betreiben wollen. Es handelt
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4587
Bewerungesich hier um das Geld, das noch für die Investitionshilfe fehlt. Dankenswerterweise haben wir 50 Millionen DM bekommen.. Die Investitionshilfe stellt ja gerade das Gegenteil einer Hilfe nach dem Gießkannenprinzip dar; bei ihr besteht für die Landwirtschaft eine Aufzeichnungspflicht, und es ist der Vermögensstatus zu erstellen. Ferner sind Entwicklungspläne vorzulegen. Hier hatten wir einen guten Start. Wir konnten die gesamte Agrarstatistik in Ordnung bringen. Der einzelne Betriebsleiter hat sich darauf eingestellt. Wir wären dankbar, wenn wir den alten Ansatz wiederherstellen könnten. Es sind ja über 40 Millionen DM schon verplant.Wir haben Verständnis dafür, daß die Aussiedlung in diesem Augenblick nicht stärker forciert werden kann. Die Aussiedlung eines Betriebes von 20 ha erfordert nämlich mittlerweile Kosten von 300-bis 320 000 DM. Die 55 Millionen DM, um die die Aussiedlungsmittel gekürzt worden sind, sollten aber zusätzlich für die Althofsanierung zur Verfügung gestellt werden. Das würde gerade den Landwirten im Veredelungsbereich eine hervorragende Hilfe geben. Wir wären auch dankbar, wenn die Mittel für Zinsverbilligungsmaßnahmen entsprechend aufgestockt werden könnten, damit ein gewisses Verhältnis zu den Beträgen für die Investitionshilfe besteht.Dann darf ich noch auf das Problem der Maul- und Klauenseuche hinweisen. Hier trifft Sie wirklich kein Vorwurf. Sie haben sich seinerzeit bereit erklärt, die Leistungen des Bundes entsprechend einzubauen. Daß das im Bundesrat nicht funktioniert hat, ist tragisch. Das ist nun einmal nicht zu ändern. Gerade für den Export von Fleischprodukten ist es wichtig, daß die Viehbestände seuchenfrei sind. Hier wäre nach der Auffassung meiner Freunde und nach meiner eigenen Auffassung eine zusätzliche Hilfe notwendig.Herr Minister, ich habe mich immer bemüht und Ihnen vorgeschlagen, eine Vorfinanzierung aus den 276 Millionen DM vorzunehmen, die aus Brüssel zurückfließen. Herr Dr. Noell von der Landwirtschaftlichen Rentenbank ist bereit, die Mittel zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich um einen Betrag von 150 Millionen DM. Wir brauchen dafür eine Bundesbürgschaft für zwei oder drei Jahre. Wenn wir diese Summe zur Verfügung hätten, würden wir Mut und Zuversicht in die deutsche Landwirtschaft tragen können, weil dann gerade in diesem schwierigen Jahr der Bruch nicht erfolgen würde. Es sei mir auch ein wenig Kritik erlaubt. Wir haben gesehen, wie schnell eine Bürgschaft von 450 Millionen DM für einen einzelnen Betrieb gegeben wurde, in dem über 100 000 Menschen beschäftigt sind. Man sollte aber, meine ich, auch wissen, daß es außer der Landwirtschaft auch noch Gewerbetreibende im ländlichen Raum gibt. Hier ist ein Personenkreis von 5 bis 6 Millionen Menschen angesprochen.
In dieser Zeit müßte es möglich sein, das durchzusetzen. Das Geld ist da, und Sie sollten im Einvernehmen mit dem Finanzminister möglichst bald für eine Hilfe sorgen.Ich freue mich, Herr Minister Höcherl, daß Sie erstmalig — soviel ich weiß — zur Forstwirtschaft eingehend Stellung genommen haben. Es ist bekannt, daß von den 7 Millionen ha Waldflächen der Bundesrepublik fast die Hälfte auf den Privatwald entfallen. 700 000 Waldbesitzer teilen sich in diesen Privatwald. Fast immer ist die Verbindung Land-und Forstwirtschaft in den Mittelgebirgslagen zu Hause, in den Gebieten, in denen die Landwirtschaft nicht gerade rentierlich betrieben werden kann. Der Wald übte bisher hier seine Sparkassenfunktion aus; der Ertrag des Waldes half mit, weichende Erben abzufinden, die Mechanisierung der Landwirtschaft sicherzustellen und außerordentliche Vorkommnisse wie Umbauten usw. zu finanzieren.Dieser Wald ist leider in weiten Bereichen unwirtschaftlich geworden. Fast der gesamte Staatswald und Körperschaftswald — man kann nur Bayern und Baden-Württemberg ausnehmen, aber auch nur zum Teil — ist unrentierlich geworden. Hier werden schon in erheblichem Maße Steuergelder eingesetzt, um den Wald erhalten zu können. Der Privatwaldbesitzer kann sein Defizit auf niemanden abwälzen. Wir haben eben in Deutschland keinen „Urwald", sondern einen „Kunstwald", d. h. ein von Bauern und Forstleuten geschaffener Wald bestimmt das Gesicht unserer Heimat. Er muß gepflegt, durchforstet und behandelt werden. Das sollte man anerkennen. Man sollte auch anerkennen, daß wir diesen Wald wirtschaftlich machen müssen, um ihn auch für Heimatfreunde zu unterhalten.
Vergessen wir auch nicht, daß der Wald neben dem Rohprodukt Holz zusätzliche Sozialleistungen erbringt, nämlich reines Wasser, gute Luft und Erholungsmöglichkeiten, daß Industriewerke dagegen erhebliche steuerliche Aufwendungen erfordern, um das wieder zu kompensieren, was sie an Emissionsschäden hinterlassen.Holz ist leider der konjunkturempfindlichste Rohstoff. Stockungen am Baumarkt oder restriktive Entwicklungen im Bergbau wirken sich sofort auf die Holzpreise aus. Hier gilt eben das Diktat des Käufermarktes. In den letzten 10 Jahren sind die Holzpreise um ca. 40 % gefallen, gegenüber dem Vorjahr leider um 20 %. Dabei ist der Lohnanteil bei der Bergung des Holzes auf 70% des Holzwertes angestiegen. Der Holzbedarf im Bundesgebiet wird zu 50% durch Importe gedeckt. Natürlich wird das Bundesgebiet — das sollte man objektiverweise sagen — immer Bedarfsland für Holz sein; nur haben wir derzeit einen Notstand in der Forstwirtschaft, der schon einige Male angesprochen worden ist, und zwar durch die Windwurfschäden des letzten und dieses Jahres — vorgestern wieder noch im süddeutschen Raum —, die in diesem Ausmaße noch nie zu verzeichnen waren. Herr Professor Mantel hat mir gestern morgen mitgeteilt, daß der Windwurf im Bundesgebiet nunmehr auf ca. 7 bis 8 Millionen Festmeter angewachsen ist, eine Zahl, die alle bisherigen Schäden übertrifft. Allein beim Fichtenstammholz soll der Windwurf so hoch sein wie
Metadaten/Kopzeile:
4588 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Bewerungedie Hälfte des ganzen Jahreseinschlags im Bundesgebiet.Das Holz findet keinen Käufer, und wir laufen Gefahr, daß eine Aufarbeitung des Holzes wegen dieser Unverkäuflichkeit aus wirtschaftlicher Not unterbleibt, so daß die Borkenkäfergefahr, wenn nicht etwas Außergewöhnliches geschieht, so groß wird, daß auch die verschont gebliebenen Bestände in weiten Teilen Deutschlands vernichtet werden.Ich freue mich, Herr Minister, daß Sie gestern Hilfen angesprochen haben, die Sie durchzusetzen versuchen. Ich bin aber der Meinung, daß der Einfuhrstopp für Holzarten, die hier wachsen, allein auf der Grundlage eines Gentlemen's agreement nicht ausreichen wird. Ich halte es nicht für vertretbar, daß diese Vermögenswerte im Walde vermodern. Meines Erachtens bietet das Außenwirtschaftsgesetz in § 6 und vor allem in § 10 mit der sogenannten Notstandsklausel hier eine Anwendungsmöglichkeit. In § 10 heißt es:Das Schutzbedürfnis ist berechtigt, wenn ohne die Beschränkung Waren in derart erhöhten Mengen und unter solchen Bedingungen eingeführt würden, daß ein erheblicher Schaden für die Erzeugung gleichartiger oder zum gleichen Zweck verwendbarer Waren im Wirtschaftsgebiet eintritt oder einzutreten droht, und wenn dieser Schaden im Interesse der Allgemeinheit abgewendet werden muß.Ich weiß, daß der Jurist an dieser Notstandsklausel drehen und sagen wird: das ist ja keine Einfuhr, sondern es ist eben der Windwurf, der da liegt, und das ist die äußere Ursache. Hier sollte man endlich die Sache sich entscheiden lassen. „Im Zweifelsfalle für den Angeklagten", — im Zweifelsfalle für den Wald! Sie haben jeden Naturschützer, jeden Freund des Waldes hinter sich. Sie sollten diese Lösung einmal zu finden versuchen, damit wir den Wald wieder wirtschaftlich stellen können.
Schließlich halten meine Freunde und ich es für notwendig, auch einmal einen Interessenausgleich zwischen den Ansprüchen der Öffentlichkeit am Wald und der privaten Sphäre des Eigentümers herbeizuführen und zweitens der Forstwirtschaft in der allgemeinen Wirtschaftspolitik den ihr gebührenden Platz zu sichern. Wir werden deshalb in Kürze ein Bundeswaldgesetz einbringen, das diesen Belangen Rechnung trägt.Ich habe die Überzeugung — sie besteht auch bei den Kollegen von der Koalition und auch bei einigen Herren der FDP, mit denen ich mich unterhalten konnte —, daß wir hier eine allgemeine gute Lösung finden werden. Im Interesse des Waldes ist das Ganze dann zu begrüßen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Effertz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man heute der Debatte aufmerksam zugehört und alle Reden verfolgt hat, dann stellt man fest, daß die Formierung der Fronten in diesem Hause doch noch nicht ganz geglückt ist. In einem sind sich allerdings alle einig: alle geben dem Bundesernährungsminister ein Fleißzeugnis, und das tue ich auch.Aber einen Redner habe ich heute vermißt. Der hat anscheinend nicht den Mut, hier das zu sagen, was er eigentlich hätte sagen müssen. Es ist einer, der früher hier immer das Wort ergriffen hat. Das ist Ihr Kollege Kriedemann.
Ich habe heute zufällig eine Leserzuschrift im „Spiegel" zur Kenntnis bekommen und muß sagen: das, was Herr Kriedemann sich da in zweifacher Hinsicht leistet, das hätte er besser hier getan. Dann hätte er wahrscheinlich -von Ihnen selber eine Antwort bekommen. Das ist nicht nur unfair, sondern macht auch die Bemühungen der SPD, sich mit der CDU zu einer gemeinsamen Agrarpokitik zusammenzuraufen, etwas unglaubwürdig. Denn in seinen sachlichen Ausführungen vertritt Herr Kriedemann genau das Gegenteil von dem, was die SPD hier im Bundestag vertritt und was sie nunmehr in der Agrarpolitik des jetzt amtierenden Ministers als ihr geistiges Eigentum wiederzuentdecken glaubt.
Herr Kriedemann unternimmt es einfach ohne ausreichende Begründung und ohne Hinweis auf die Folgen, den ganzen Strukturwandel, so wie er bisher betrieben und auch von Ihnen gefordert worden ist, als — jetzt mit meinen Worten — sehr teuren Unsinn abzutun. Daß er es dabei nicht unterlassen kann, dem Herrn amtierenden Landwirtschaftsminister seine Befähigung zum Landwirtschaftsminister dadurch abzusprechen, daß er sagt: „Wir haben keinen Landwirtschaftsminister, sondern nur einen Herrn Höcherl", das ist etwas kennzeichnend. Es wäre besser gewesen, Herr Kriedemann hätte den Mut — er war früher hier einmal sehr verantwortlich, später dann auch in Straßburg; ihm konnte es ja nie schnell genug gehen, und er betete die Genossenschaftsproduktionsform schon vor Jahren an — und hätte das hier einmal gesagt oder würde es demnächst hier einmal sagen. Ich glaube, denn gäbe es eine sehr lebhafte Gewissenserforschung für die Vergangenheit.Noch ein Wort zu Herrn Kollegen Bewerunge. Sie haben heute etwas vorgeschlagen, was ich als gefährlich bezeichnen muß. Sie haben mit Ihrem Vorschlag, den Ausgleich für die Getreidepreissenkung einem Fonds zuzuführen, quasi die Regierung zur Streichung ermuntert.
Ich stehe auf dem Standpunkt — und so müßte das Geld wenigstens im Grundsatz von uns eingesetzt werden —, daß der Geschädigte entschädigt werden soll. Wo man abgrenzt, wie man abgrenzt und ob man hier und da in manchen Gegenden differenziert, das alles könnten wir noch im Ernährungsausschuß
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4589
Dr. Effertzberaten. Aber von vornherein zu sagen: in einen Fonds hinein und damit Dinge tun, die wir an sich aus anderen Titeln bedienen sollten, halte ich für gefährlich. Das ist nach meiner Auffassung eine Aufforderung zum Streichen.
Herr Abgeordneter Dr. Effertz, gestatten Sie eine Zwischenfrage zunächst des Herrn Abgeordneten Bewerunge?
Sie werden doch zugeben, daß ich gesagt habe, daß wegen des Preisbruchs ein Teil dieses Geldes für den echten Einkommensausgleich verwendet werden soll. Und Sie werden mir auch zweitens zugeben: Hier steht ja im Gesetz, daß durch den Getreidepreisbeschluß entstandene Vermögensverluste ausgeglichen werden sollen. Das wird so schwierig sein, daß ich der Meinung bin, daß ein Teil dieses Geldes in einen speziell für den Markt ausgerichteten revolvierenden Fonds kommen sollte, und dazu stehe ich, selbst wenn es gefährlich ist.
Gut, wenn die Größenordnung demnächst noch im Ernährungsausschuß festgelegt werden soll und wenn dieser Ausgleichsfonds nicht 90% betragen soll, kann man sich darüber unterhalten.
Gestatten Sie weiter eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten
Bauer?
Ich habe mich nur zum Wort gemeldet, weil von einer Ermunterung der Regierung zum Streichen die Rede war. Das ist eine Unterstellung. Ich möchte Sie fragen: Können Sie sich nicht vorstellen, daß man auch im Rahmen eines solchen Fonds dafür sorgen könnte, daß je nach dem Grad der Schädigung, von der Sie sprachen, aus dem Fonds den Leuten in einer gerechteren und vernünftigeren Weise geholfen werden könnte, als wenn wir wieder in die Nähe der Gießkanne geraten?
Herr Kollege Bauer, ich wäre bereit, Ihnen zu folgen, wenn die Richtlinien so präzise gefaßt werden, daß die Verwendung der Mittel nicht einer Ermächtigung des Ministeriums an-heimgegeben würde. Damit will ich kein Mißtrauen gegenüber dem amtierenden Minister aussprechen. Dann müßten wir uns schon im Ernährungsausschuß bemühen, die Kriterien für die Verwendung in den Richtlinien detailliert und scharf abzugrenzen. Das Ziel muß aber sein: der Geschädigte muß entschädigt werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kiep?
Herr Kollege, würden Sie erläutern, was Sie genau meinen, wenn Sie wieder-
holt von dem „amtierenden" Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sprechen?
Ich kann die Äußerungen des herrn Kriedemann in der Zuschrift im „Spiegel" nicht vergessen.
— Ja, er hat so viel Eindruck hinterlassen.
— Selbstverständlich nicht! Ich bin also bereit, von jetzt ab das Wort „amtierend„ wegzulassen. Ich respektiere nämlich Herrn Höcherl als den Minister.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Marquardt?
Herr Kollege Dr. Effertz, können Sie als Liberaler es nicht verstehen, daß es in einer großen Fraktion wie der sozialdemokratischen auch abweichende Meinungen geben kann? Und zweitens: Würde es Ihnen Spaß machen, wenn ich Ihnen eine ganze Reihe von Äußerungen Ihrer Kollegen vorlegen würde, die ganz unterschiedlich zu den Ihren sind?
Lieber Herr Kollege, ich folge Ihnen. Vielleicht haben Sie nur nicht ganz mitbekommen, was ich wollte. Ich hätte es lieber gesehen, Herr Kriedemann hätte sich nicht im „Spiegel", sondern heute hier geäußert. Dann wäre die Diskussion wirklich lebhaft geworden.Nun möchte ich zu dem kommen, was ich mit meiner Wortmeldung eigentlich beabsichtigte: Ich möchte einige Anträge vorlegen und um Ihre Zustimmung bitten.Es ist einmal der Antrag, der sich auf den Getreidepreis in Brüssel bezieht. Ich will den Text des Antrages nicht vorlesen. Wir haben heute von mehreren Sprechern gehört — und der Herr Minister hat es auch gesagt —, daß der Getreidepreis revisionsbedürftig ist und daß wir uns mit den anderen zusammen überlegen müssen, ob nicht in Anpassung an die gestiegenen Kosten ein anderer Preis angemessen wäre. Wir sind der Meinung, daß wir mit dem Anlaufen dieses gemeinsamen Preises schon jetzt in Brüssel darauf drängen sollten, daß die an sich von allen Partnerländern vorgesehene Überlegung einer Überprüfung in Gang gesetzt wird, und daß wir dann gleichzeitig auch versuchen sollten durchzusetzen — und hier befinden wir uns in der EWG auch nicht allein —, daß der Futtergetreidepreis in eine angemessene Relation zum Getreidepreis gebracht wird.Der zweite Antrag ist eine Aufforderung an die Regierung, ihren gestrigen Beschluß über die Festlegung eines Rinderorientierungspreises noch einmal zu überprüfen. Dabei haben wir auf die objektiven Feststellungen im Ernährungsausschuß und auf die von allen unbestrittene Notwendigkeit hinge-
Metadaten/Kopzeile:
4590 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Dr. Effertzwiesen, den Milchpreis und den Rinderorientierungspreis in eine Relation von ungefähr 1 : 7 zu bringen. Das würde also heißen, daß der Orientierungspreis, der gestern im Kabinett festgelegt worden ist — aus welchen Gründen auch immer —, wir kennen wahrscheinlich nicht alle, es sind wahrscheinlich mehr außenpolitische Gründe —, neu festgesetzt und an der oberen Grenze der Orientierungsschere liegen muß, damit er der Parität von 1 : 7 zwischen Milch und Fleisch entspricht. Wir wären der Regierung dankbar, wenn sie diesen Beschluß von gestern, der anscheinend etwas unter Druck und sehr eilig gefaßt worden ist, überprüfte und sich dabei auch die Diskussion des Ernährungsausschusses einmal vornähme, um zu sehen, ob der Beschluß von gestern richtig war.Ein weiterer Antrag betrifft die Vorverlegung des Termins für die Vorlage des Grünen Berichts hier im Hause. Wir sind der Meinung, daß der Grüne Bericht mit dem Grünen Plan nicht unbedingt zusammenhängen muß.
— Da bin ich vollkommen Ihrer Meinung, Herr Dr. Schmidt. Wenn es uns gelingt, zu erreichen, daß das, was im Grünen Plan noch verblieben ist oder in Zukunft verbleiben soll, im ordentlichen Haushalt erscheint und der Grüne Bericht mit dem Haushalt vorgelegt wird, werden uns wohl viel Ärger in der Öffentlichkeit, manche falsche Optik und manche Voreingenommenheit draußen erspart bleiben. Was1 wir mit diesem Antrag wollen, ist folgendes: Die Regierung möge — technische Möglichkeiten zur Beschleunigung der Fertigstellung gibt es genug — das halbe Jahr vom Abschluß des Wirtschaftsjahres bis zum Jahresende benutzen, um in der Lage zu sein, diesen Grünen Bericht wenigstens Anfang Dezember, möglichst mit dem Haushalt, hier vorzulegen. Wie gesagt, ein direkter Zusammenhang und ein Zwang zur gleichzeitigen Vorlage von Grünem Bericht und Grünem Plan bestehen nicht und haben auch in der Vergangenheit nicht bestanden. Wir hätten als Abgeordnete alle mehr Zeit, den Grünen Bericht, der es wert ist, gründlicher gelesen zu werden, vorher auch gründlicher zu lesen, ehe wir hier diskutieren.Dann haben wir noch zwei Entschließungsanträge. Der eine Entschließungsantrag hat zum Ziel, daß sich das Haus eine einstimmige Beschlußfassung des Ernährungsausschusses in der vorigen Woche in Berlin zu eigen macht. Im Zusammenhang damit und logisch damit verbunden haben wir eine zweite Forderung aufgestellt. Wir sind alle miteinander der Meinung, daß es nichts nutzt, der EWG gegenüber zu resignieren, auch wenn man früher den Antrag abgelehnt hat. Die EWG und die Verordnungen existieren, sie sind für uns Gesetz. Nun dürfen wir nicht in Resignation kritisieren, sondern müssen versuchen, aus dem, was in Brüssel geschehen ist, das Beste für uns zu machen. Ich glaube, das Beste, was wir daraus machen könnten, wäre, daß wir dem Römischen Vertrag entsprechend dafür sorgten, daß Rechte und Pflichten in Brüssel für alle ohne Ausnahme und ohne Kompromisse gleichermaßen verteilt werden. Das heißt mit anderen Worten, wir würden dem Sinn des Römischen Vertrags durch unsere Initiative in Brüssel entsprechen. Im Vertrag ist nämlich von der Harmonisierung der gesamten Wirtschaft mit gleichen Chancen für alle Partner die Rede. Erstens ist nicht davon die Rede, daß ein Teilbereich der Wirtschaftspolitik als Experimentierfeld vorher harmonisert werden muß. Zum zweiten steht auch nicht darin, daß beim Zustandekommen von Beschlüssen in Kompromissen ungleiche Vorteile für den einen zu Lasten des anderen die Voraussetzung sein müssen.Wir glauben — und das haben wir im Ernährungsausschuß in Berlin auch einstimmig als Auffassung festgehalten —, daß sich diese Meinung, die sich der Ernährungsausschuß in Berlin gebildet hat, nun auch der Bundestag zu eigen machen sollte mit der Aufforderung an die Regierung, nun ihrerseits in Brüssel dafür zu sorgen, daß unterschiedslos alle Vergünstigungen, gleich welcher Art, Zug um Zug abgebaut werden. Gleichzeitig sollte deutscherseits darauf gedrängt werden, daß das in Brüssel nachgeholt wird, was noch nicht geschehen ist, eigentlich aber die Voraussetzung gewesen wäre oder gleichzeitig hätte geschehen müssen: die Harmonisierung der Gesamtwirtschaft. Wir stehen auf dem Standpunkt: die Agrarpolitik in der EWG kann auf die Dauer nur funktionieren, wenn wir die Gesamtwirtschaftspolitik dem Vertrag entsprechend harmonisiert haben, mit gleichen Chancen für alle ohne Bevorzugung des einen auf Kosten des anderen, und wenn wir nach wie vor an dem eigentlichen Ziel der politischen Einigung festhalten.Jetzt zu dem zweiten Entschließungsantrag. Bei der Verteilung dieses Antrags war es interessant, die Meinungen, die mir aus den beiden Regierungsparteien vorgetragen wurden, miteinander zu vergleichen. Einige Kollegen meinten, das sei ein nütz. licher Entschließungsantrag, damit bekomme man endlich einmal einen Überblick über alles das, was in den zehn Jahren an Verordnungen geschaffen worden. sei. Vielleicht könnte man auch zwischen den Zeilen herausfinden, mit welchen Argumenten diese Beschlüsse jeweils von den einzelnen Regierungen zustande gekommen sind. Wir alle miteinander sind doch der Meinung, daß kein Mensch mehr in ,der Lage ist — auch in diesem Hohen Hause nicht; selbst diejenigen nicht, die sich mit der Materie beschäftigen —, ad hoc einen Überblick über das zu geben, was inzwischen in Brüssel an Verordnungen verabschiedet worden ist. Es wäre also nützlich, jetzt mit dem Abschluß des Versuchs einer Harmonisierung der Agrarpolitik in der EWG einmal in einem Buch einen Katalog über alles das zusammenzustellen, was an Ministerratsbeschlüssen und darauf fußenden Verordnungen erlassen worden 'ist.Ein Zweites. Wir sollten dann auch den Mut haben, einmal Bilanz zu ziehen: Was ist inzwischen unter Berufung auf den Römischen Vertrag geschehen? Was steht noch aus? Warum steht es noch aus? Wie sieht die Bilanz unter dem Strich aus, wenn man das fast Fertige mit dem vergleicht, was noch nicht geschehen ist, oder mit den Teilbereichen, die aus der Gesamtwirtschaftspolitik angepackt worden sind? Wie
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4591
Dr. Effertzsieht unter dem Strich das Plus und Minus aus? Insbesondere: wie sieht der Vergleich aus zwischen Vor- und Nachteilen in der Landwirtschaft selbst gegenüber früher und den anderen Partnern, zwischen Vor- und Nachteilen der Landwirtschaft und der übrigen Wirtschaft in der Bundesrepublik?Ich wäre Ihen herzlich dankbar, wenn Sie diesen Anträgen Ihre Zustimmung geben könnten. Das ist auch die Bitte meiner Fraktion. Sollten Sie allerdings der Meinung sein, man könnte heute nicht ad hoc bei diesem fast leeren Saal die beiden Entschließungsanträge verabschieden, so bin ich schon halbwegs getröstet, wenn Sie bereit sind, einer Überweisung zuzustimmen, weil ich aus dieser Bereitschaft erkennen kann, daß Sie wenigstens in dem Gedankengang, den ich hier vorzutragen versucht habe, meiner Meinung sind.
Das Wort hat Herr Dr. Reinhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte noch einige Worte zu den Problemen der Marktstruktur sagen. Mit dem gemeinsamen Getreidepreis kommen nicht nur Preissenkungen auf uns zu, sondern auch die innergemeinschaftlichen Zölle und Abschöpfungen fallen weg. Das bedeutet schon etwas für die deutsche Landwirtschaft; denn die gesamte europäische Landwirtschaft wartet nur darauf, unter erleichterten Bedingungen den deutschen Markt zu erobern, und wirbt bereits jetzt um die Gunst des deutschen Verbrauchers.Herr Minister, Sie haben gestern diese Probleme angesprochen. Ich bin Ihnen dankbar dafür, daß Sie die Notwendigkeiten, die erfüllt werden müssen, herausgestellt haben. Einem für den Export ausgewählten Ausschnitt aus der Produktion unserer Partner steht auf dem deutschen Markt unsere Produktion in ihrer ganzen natürlichen Bandbreite gegenüber. Dieser klassische Unterschied zwischen importierter Ware und eigener Produktion auf dem Markt beinhaltet zwangsläufig einen großen Nachteil für unsere Landwirtschaft.Es kommt dazu, daß unsere Nachbarn sich im Hinblick auf den Export von Nahrungsgütern Marktorganisationen und Markteinrichtungen geschaffen haben, denen wir als Importland bisher noch nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen vermögen. Diese Marktorganisationen und Markteinrichtungen — ich darf nur an die holländischen Produktschaften, an FORMA in Frankreich und an das Eieramt in Italien erinnern — bringen unseren Nachbarn weitere Vorteile zum Nachteil unserer Produktion am deutschen Markt.Ich will hier nicht rechten, ob es zweckmäßig war, der vorzeitigen Getreidepreisharmonisierung zuzustimmen, und ob die Landwirtschaft in der Lage gewesen wäre, sich in der an sich vorgesehenen Übergangszeit auf einen größeren Wettbewerb besser einzustellen.Das EWG-Anpassungsgesetz war die notwendige Konsequenz der Verkürzung der Übergangszeit. Dieses Gesetz als ein Wahlgeschenk zu diskriminieren, halte ich für ein ungeheures Unrecht, das der Landwirtschaft angetan wird. Das Anpassungsgesetz wurde geschaffen, um der Landwirtschaft die Anpassung an die verkürzte Übergangszeit zu ermöglichen. Genauso wie jeder Handelsvertrag honoriert werden muß, so muß auch das Anpassungsgesetz befolgt werden.Tatsache ist, daß mit der Getreidepreissenkung keineswegs auch die Kostenseite harmonisiert worden ist. Mit dem Wegfall der innergemeinschaftlichen Zölle und Abschöpfungen entfallen leider nicht die Unterschiede im Lohnniveau, leider nicht bei den Verkehrstarifen, bei den Baukosten und bei den kostspieligen baupolizeilichen Vorschriften.Ich muß anerkennen, daß es dem Herrn Bundesminister gelungen ist, trotz heftiger Widerstände im Kabinett zu erreichen, daß nun endlich wenigstens beim Bezug des Dieselkraftstoffes die von der Landwirtschaft längst gewünschte Regelung erfolgen wird. Die noch vorhandenen unterschiedlichen Kostenfaktoren gehen samt und sonders zu Lasten der deutschen Produktion. Sie bedeuten eine Verschiebung der Wettbewerbsverhältnisse, eine Verschärfung der Konkurrenzlage. Das muß hier einmal ganz deutlich und ehrlich ausgesprochen werden. Die Bundesregierung muß alles daransetzen, um die Wettbewerbsgleichheit zu erwirken. Wir wissen, Herr Minister, daß Sie sich immer wieder in dieser Richtung ausgesprochen haben. Wir bitten aber auch darum, daß Sie sich im Kabinett darum bemühen, daß Ihre Kollegen, die im Ministerrat die Bundesrepublik und damit auch die deutsche Landwirtschaft zu vertreten haben, in gleicher Weise wirken.
Meine Damen und Herren, mit der Getreidepreissenkung am 1. Juli kommen aber Übergangsschwierigkeiten auf uns zu, deren Auswirkungen noch nicht zu übersehen sind. Wir wollen dankbar begrüßen, daß Sie es erreicht haben, Herr Minister, und zwar trotz härtestem Widerstand, wenigstens eine Verlängerung der Abschöpfungserhebungen bei Schweinen, Eiern und Geflügel durchzusetzen. Herr Bauknecht hat Ihnen bereits ausdrücklich gedankt, und ich möchte diesen Dank wiederholen. Aber ich möchte und muß auch sagen, daß die erreichten Übergangszeiten leider zu kurz sind. Insbesondere muß festgestellt werden, daß bei Mastgeflügel eine Übergangszeit von nur sechs Wochen weder vom Produktionsrhythmus noch von der Lagerfähigkeit des Produktes her begründet ist.Es muß daher ernsthaft und schnell geprüft werden, wie der mit großer Initiative in den letzten Jahren aufgebauten deutschen Geflügelmast in der Übergangszeit geholfen werden kann. Ist sie erst einmal zum Erliegen gekommen — und, meine Damen und Herren, diese Gefahr besteht tatsächlich —, dann wird sie niemals mehr auf dem deutschen Markt eine Rolle spielen können. Es geht hier um die Ausgangsposition. Ich bin dankbar, Herr Dr. Schmidt, daß Sie heute morgen dieses Problem auch angesprochen haben. Im Ausschuß für Ernährung und . Landwirtschaft haben wir gestern gehört, daß Ihnen, Herr Minister, dieses Problem auch Sorge macht und daß Sie nach Möglichkeiten suchen, diesem Betriebszweig zu helfen.
Metadaten/Kopzeile:
4592 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Dr. ReinhardBei gleicher Ausgangsposition kann sich die deutsche Erzeugung dem Wettbewerb in der EWG durchaus stellen. Wir bejahen in diesem Sinne auch die EWG-Marktordnungen. Insbesondere begrüße ich, daß künftig Sonderregelungen auf nationaler Ebene ausgeschlossen sind. Solche Sonderregelungen haben sich bisher durchweg zum Nachteil der deutschen Landwirtschaft ausgewirkt.Selbstverständlich muß der deutsch-dänische Handelsvertrag erfüllt werden, aber er muß dann schließlich auch einmal auslaufen.Kommen wir zu gleichen Wettbewerbsbedingungen, warum sollte dann die deutsche Landwirtschaft nicht in verstärktem Maße auch auf dem Markt unserer EWG-Partner erfolgreich auftreten können? Wir müssen nur den Mut haben, in den Export zu gehen, und es zeichnen sich ja auch bereits Erfolge im Agrarexport ab. Der Exportwert von 1,8 Milliarden DM im vergangenen Jahr spricht dafür.Ich sehe es als einen besonderen Pluspunkt der EWG-Marktordnungen an, daß beim Export in Drittländer entsprechend den Abschöpfungen bei der Einfuhr Erstattungen aus dem Garantiefonds erfolgen können. Dies wird der deutschen Veredlungswirtschaft erstmalig die Möglichkeit eröffnen, auf dem Weltmarkt mit konkurenzfähigen Preisen aufzutreten.Die härtere Konkurrenz auf dem deutschen Markt macht aber gezielte Maßnahmen der Landwirtschaft nötig. Die Marktstruktur muß verbessert werden. Dem konzentrierten Qualitätsangebot der Partner wird nur ein entsprechend zusammengefaßtes hochwertiges Angebot standardisierter deutscher Erzeugnisse standhalten können. Hier haben wir noch einen großen Nachholbedarf. Bemühungen in dieser Richtung müssen bei der Bildung von Erzeugergemeinschaften beginnen. Bedenken, die eigene Entscheidungsfreiheit würde beeinträchtigt, sind heute fehl am Platz. Ohne feste Zusammenschlüsse der Produzenten ist die Erstellung eines standardisierten und damit marktfähigen Qualitätsangebotes kaum möglich. Dem horizontalen Zusammenschluß muß die vertikale Bindung folgen. Der Vermarkter muß sich auf mengenmäßig gleichbleibende Lieferungen der Erzeugergemeinschaft ebenso verlassen können, wie sich die Erzeugergemeinschaft auf Abnahme und Verwertung durch den Vermarkter verlassen kann. Erst so entsteht das zusammengefaßte Angebot als Grundlage der Konkurrenzfähigkeit deutscher Erzeugung.Ob im Rahmen der Integration auch neue Produktionsformen, wie z. B. die gemeinschaftliche Tierhaltung, Bedeutung gewinnen können, wird sich zeigen. Ich spreche weder dafür noch dagegen. Es wird sicher manches dafür sprechen, es werden aber auch Nachteile da sein. Grundsatz und oberstes Gebot muß aber sein, daß sich die Landwirtschaft keiner Maßnahme verschließt und auch an keiner Maßnahme gehindert werden darf, die geeignet sein könnte, ihre Konkurrenzfähigkeit zu verbessern. Es wird in dieser Richtung vor allem darauf ankommen, die Entwicklung im Ausland aufmerksam zu beobachten.Die deutsche Landwirtschaft ist in einem großen Umwandlungsprozeß und hat in den letzten Jahren Enormes geleistet. Sie gibt sich nicht auf. Sie hat den• Mut zum Weiterleben und wird bestehen und will bestehen. Sie wird zeigen, daß sie bereit ist, sich den Anforderungen des Gemeinsamen Marktes zu stellen. Der Staat allerdings muß zum mindesten am Anfang noch erheblich helfen. Die Aufstockung der Mittel für die Marktstrukturverbesserung um 40 % auf 205 Millionen DM wird daher dankbar begrüßt. In Zukunft werden aber mehr noch die Maßnahmen zur Absatzwerbung und zur Absatzförderung gestützt werden müssen, wie dies bereits in den Partnerländern geschieht. Ein funktionierender Markt setzt auch eine entsprechende Markttransparenz voraus. Auf diesem Gebiet fehlt uns auch noch sehr viel. Auch hier müssen ausreichend Mittel eingesetz werden. Meine Damen und Herren! In der 4. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sind mehrere Gesetzentwürfe zur Verbesserung der Marktstruktur eingebracht worden. Meine Fraktion hat ein Marktstrukturfondsgesetz eingebracht, und meine Freunde sind auch heute noch der Meinung, daß es nötig ist, ähnliche Einrichtungen zu fördern wie die Produkschaften in Holland bzw. FORMA in Frankreich. Herr Kollege Bewerunge hat dieses Problem auch bereits angesprochen. Ich möchte dazu folgendes sagen, um Mißdeutungen auszuschließen. Herr Bewerunge ist der Meinung, daß die Ausgleichsmittel, die von Brüssel für die Getreidepreissenkung kommen werden, selbstverständlich in erster Linie denen zugute kommen müssen, die Verluste haben, daß aber ein Teil —ein geringer Teil — abgezweigt werden sollte, um einen Grundstock für Marktstrukturfonds anzulegen. Diese Beträge müßten — das sage ich — durch die zweimal 260 Millionen DM ergänzt werden, die der deutschen Landwirtschaft zugesagt worden sind und die nicht gestrichen worden sind, deren Auszahlung bisher aber verschoben worden ist.Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat einen Marktstrukturgesetzentwurf eingebracht. Sie hat uns — das muß ich loyalerweise sagen — unterrichtet und uns anheimgestellt, diesen Strukturgesetzentwurf mitzuunterschreiben. Wir konnten uns in diesem Augenblick nicht dazu entschließen, aber nicht deshalb, weil wir nicht wollten, sondern weil wir der Meinung sind, daß erst einmal in Brüssel geklärt werden muß, welches die Aufgaben und die Kompetenzen der Erzeugergemeinschaften sein sollen.Die Frage ist: Wie stellt sich die EWG-Kommission zu den Erzeugergemeinschaften? Hier eine endgültige Entscheidung herbeizuführen, ist auch eine Aufgabe der Bundesregierung. Hier lautet meine Bitte an Sie, Herr Bundesminister, sich dafür einzusetzen, daß die entsprechende Verordnung möglichst schnell erlassen wird. Dann müßten wir — der Meinung bin ich — sehr schnell gesetzliche Möglichkeiten zur Verbesserung der Marktstruktur schaffen.Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Abgeordneter Fellermaier zu einer Zwischenfrage!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4593
Herr Kollege Dr. Reinhard, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß der von der SPD-Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf eine sinnvolle nationale Ergänzung der Dinge sein kann, die in Brüssel vorgesehen sind?
Ich habe mit meinen Ausführungen keineswegs Ihren Entwurf kritisieren wollen.
Ich habe nur sagen wollen, daß wir zunächst einmal Klarheit darüber schaffen müssen, wie die EWG-Kommission die Aufgaben und die Kompetenzen der Erzeugergemeinschaft sieht. Darauf müssen wir unser Gesetz einstellen. Das hindert uns nicht, heute diesen Gesetzentwurf an die Ausschüsse zu überweisen und uns, sobald es die Zeit erlaubt, damit zu befassen. Es geht auf die Dauer nicht, daß in einzelnen Partnerländern vom Staat aus Markteinrichtungen gefördert werden, die wir gar nicht haben.
Herr Logemann hat auf den dem Hohen Hause vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der landwirtschaftlichen Veredelungswirtschaft hingewiesen. Er weiß, daß mir dieser Gesetzentwurf besonders am Herzen liegt. Vielleicht ist die Gefahr einer Abwanderung der nicht bodengebundenen Veredelung in gewerbliche Bereiche nicht mehr so groß. Denn die Neigung von Berufsfremden, hier Investitionen vorzunehmen, ist offensichtlich geringer geworden, nachdem sich mancher in seinen Hoffnungen etwas verkalkuliert hat. Aber eine gesetzliche Regelung ist dennoch nötig und muß herbeigeführt werden; denn über 30 % der landwirtschaftlichen Einnahmen kommen aus dem Bereich der nicht bodengebundenen Veredelung. Frankreich hat bereits eine gesetzliche Regelung und handhabt sie auch. Auf das Gesetz kann nur dann verzichtet werden, wenn alsbald eine EWG-Regelung getroffen wird. Das wäre auch eine Aufgabe, der sich die Bundesregierung annehmen sollte. Unsere Landwirtschaft braucht die tierische Veredelung, wenn sie existieren soll; und sie braucht sie besonders, wenn sie in den Kampf um den Markt bestehen soll.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Entsprechende Hilfen zur Verbesserung der Marktstruktur und die Beseitigung bestehender Wettbewerbsverzerrungen vorausgesetzt, glaube ich, daß unsere Landwirtschaft durchaus eine reelle Chance auf dem Gebiet der Veredelungswirtschaft in der EWG, auch unter den geänderten Konkurrenzbedingungen, hat. Dies ergibt sich schon aus dem Verbrauchszuwachs im EWG-Raum, aber auch aus der zu erwartenden Nachfragesteigerung in der ganzen Welt.
Herr Logemann, Sie haben um eine klare Stellungnahme gebeten, ob einer Verstärkung der Veredelung das Wort zu reden ist oder nicht. Herr Logemann, Sie sind viel zu klug und viel zu sehr Praktiker, als daß Sie nicht wüßten, daß man eine solche generelle Richtlinie gar nicht geben kann. Es kommt immer auf den Betrieb an. Wenn einer
kommt und auf einer grünen Wiese allein mit Fremdkapital eine Veredelungsproduktion errichten will, so wird man ihm bei den knappen Gewinnspannen sagen müssen, das Risiko, das er einzugehen beabsichtigt, sei zu groß. Wenn aber Restarbeitskraft zur Verfügung steht, wenn es möglich ist, mit geringem Aufwand eine rationelle Produktion durchzuführen, dann sind Chancen gegeben, und, meine Damen und Herren, das wollen wir auch gerade haben. Vor zu optimistischen Prognosen möchte ich allerdings warnen. Ich glaube, daß sich die Landwirtschaft auch künftig bemühen muß, rationell zu wirtschaften und mit möglichst geringem Aufwand billig zu produzieren, um im Angebot bestehen zu können. Tut sie das, wird sie auch unter den künftigen Verhältnissen bestehen können und braucht sich nicht aufzugeben.
Noch ein Wort zu den Entschließungsanträgen, die Herr Effertz für die Freien Demokraten begründet hat. In Ihnen ist mit Ausnahme des Entschließungsantrags auf Umdruck 138 eine ganze Reihe von Forderungen aufgestellt, die heute schon mehrfach angesprochen wurden. Insbesondere hat Herr Bauknecht in seiner einführenden Rede eine ganze Reihe der Forderungen gestellt, die Sie, Herr Effertz, hier wiederholen. Wir wollen die Anträge nicht heute verabschieden. Ich glaube, diese Probleme sind so wichtig, daß man sie eingehend be raten muß, und wir werden deshalb einer Überweisung an den Ausschuß zustimmen. Meine Fraktion und auch die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei sind der Meinung, daß auch der Entschließungsantrag auf Umdruck 138 überwiesen werden sollte. Ich muß allerdings dazu sagen, daß demjenigen, der sich mit den Dingen beschäftigt, eine solche Dokumentation, wie Sie sie wünschen, nichts Neues bringen wird. Sie würde wahrscheinlich ein dickes Buch werden, das dann herumsteht. Wichtig ist, daß wir uns mit den einzelnen Bestimmungen vertraut machen. Wenn wir die schwierige EWG-Sprache nicht verstehen, dann müssen wir uns eben an die Fachleute wenden. Aber wir stimmen trotzdem einer Überweisung dieses Antrags an den Ausschuß zu.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Griesinger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es wurde heute schon sehr vieles über die Förderung und Modernisierung der Landwirtschaft gesagt, so daß man eigentlich Ihnen zuliebe, die Sie noch hier im Plenarsaal und auf der Tribüne aushalten, wünschen möchte, daß es jetzt zu Ende geht. Aber ein Gebiet ist heute doch sehr wenig angeklungen. Wir sind es den betroffenen Menschen draußen schuldig, daß wir auch hierüber noch ein Wort sagen. Ich möchte hier ganz gezielt noch einige Gedanken im Hinblick auf die Situation der Landfrau beitragen.Wenn Sie den Grünen Bericht aufmerksam durchgelesen haben — was ich bei all denen, die heute abend noch im Saale sind, als sicher annehme —,
Metadaten/Kopzeile:
4594 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Frau Griesingerdann sind Sie ab und zu auf eine kurze Bemerkung über den Einsatz der Frau in der Landwirtschaft und über die Bedeutung der landwirtschaftlichen Haushalte im Hinblick auf den Betriebserfolg sowie die Notwendigkeit der Ausbildung und Beratung der Mädchen und Frauen gestoßen. Doch ist das immer ein bißchen wenig im Grünen Bericht. Es wird deshalb wohl auch auf den Bericht der Bundesregierung über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft hingewiesen, wo der Landfrau ein eigenes Kapitel gewidmet wurde und die wichtigsten Probleme angesprochen wurden. Nachdem in der Debatte, die hier vor einigen Wochen über die Frauenenquete stattgefunden hat, die Beiträge zur Situation der Landfrau leider aus Zeitgründen bei allen Fraktionen zu kurz gekommen sind und die zu Protokoll gegebenen Beiträge, wie wir alle wissen, in der Öffentlichkeit wenig Beachtung finden, muß an dieser Stelle ein Wort dazu gesagt werden.Die Berichte bringen uns das erstaunliche Ergebnis, daß über 50% — 53,3 % — aller in der Landwirtschaft erwerbstätigen Personen Frauen sind. Ihr Anteil an ,der Gesamtzahl aller weiblichen Erwerbstätigen — das sind zur Zeit fast 10 Millionen — ist mit 1,7 Millionen oder 161/2% um 5% höher als der Anteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft an der Gesamtzahl aller Erwerbstätigen, der nur 11,5 % und nach dem Grünen Bericht von heute nur 10,9 % beträgt.Diese Zahl ist um so bedeutender, wenn wir hören, daß auch bei den aus der Landwirtschaft abgewanderten Arbeitskräften die Zahl der Frauen um mehr als die Hälfte zurückging. Ich glaube, daß hier doch auch etwas ausgesagt ist. Denen, die heute vielleicht nicht ganz unberechtigt der Meinung sind, daß in den landwirtschaftlichen Betrieben oft noch zuviel Familienarbeitskräfte vorhanden seien und der Zwang zur Rationalisierung noch nicht gründlich genug sei, muß man aber doch widersprechen, wenn man die Verhältnisse gründlicher kennt.Der Grüne Bericht stellt auf Seite 13 z. B. fest, daß an der landwirtschaftlichen Produktion die Frauen als Mithelfende und Mitunternehmer einen größeren Anteil als in fast allen übrigen Wirtschaftsbereichen haben. Ihr Anteil an der betrieblichen Arbeitsleistung allein beträgt 35 %, in Nebenerwerbsbetrieben sogar 50 %. Von den 1,7 Millionen Frauen sind nur 5 % abhängig beschäftigte Arbeitnehmerinnen. 95% — das ist eine wichtige Zahl, und deshalb möchte ich sie auch nennen — sind Familienarbeitskräfte und selbständige Erwerbstätige, darunter 145 000 Betriebsinhaberinnen, ca. eine Million Ehefrauen von Betriebsinhabern und 580 000 weitere mithelfende Angehörige, Kinder, Eltern, Verwandte.Auf einen Punkt möchte ich hierbei hinweisen. Bei diesen Berechnungen sind alle diejenigen Ehefrauen unberücksichtigt geblieben, die trotz ihres großen Haushalts und ihrer Kinder in landwirtschaftlichen Betrieben mitarbeiten. Hier zeigt sich, so meine ich, ein Mangel in der Berechnung der Arbeitskräfte. Denn es mehren sich die Fälle, in denen nur zwei Generationen im landwirtschaftlichen Haushalt leben — die Bäuerin also einzige weibliche Arbeitskraft für Haushalt und Familie, ohne daß weitere Hilfskräfte vorhanden sind — und in denen die Bäuerin noch im Betrieb mitarbeitet.Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern. Ein junger Landwirt, der Vater von vier strammen Kindern ist, darf bei der statistischen Erhebung seine Frau nicht als Arbeitskraft angeben, da sie auf Grund des Umrechnungsschlüssels wegen ihrer vier Kinder theoretisch nur für die Aufgaben in Haushalt und Familie eingesetzt werden kann. Das ist im Grunde genommen eine sehr gute Einrichtung. Denn es ist auch unsere Zielvorstellung, unser Wunsch, daß diese Bäuerinnen nun auch wirklich Zeit haben für ihre Familie, die, wie wir alle wissen, heute in unserer modernen Welt eine immer wichtigere Rolle spielt.
In Wirklichkeit sieht aber das Bild leider anders aus. Neben ihrem Haushalt und der Erziehung ihrer Kinder arbeitet sie regelmäßig täglich z. B. in der Veredelungswirtschaft mit.Lassen Sie mich hier kurz etwas sagen. Es wird vielleicht stärker die Landwirte hier im Hohen Hause interessieren; aber es ist doch sehr wichtig, es zu wissen. Wie ein empirische Untersuchung in fast 800 Betrieben 1960 ergab, arbeiteten die Bäuerinnen zusammen mit den anderen weiblichen Arbeitskräften vor allem in der tierischen Veredelung und in den landwirtschaftlichen Bereichen, deren Technisierung nur bedingt möglich ist. Sie können zwar auch oft sehr gut wie ihre Ehemänner Schlepper fahren und können es manchmal sogar fast besser. Aber es ist, glaube ich, in unserer patriarchalischen Welt immer noch so, daß die Frauen vielleicht die Arbeiten zugewiesen bekommen, die nicht so sehr mit diesen schönen Rationalisierungsmaßnahmen verbunden sind, die heute oft möglich sind und den Männern Freude machen.Interessant ist hierbei die Aufschlüsselung. Bei der Melkarbeit war z. B. in diesen 800 Betrieben die Frau im Durchschnitt zu 57% beteiligt, bei der Schweinehaltung zu 53 % und bei der Geflügelhaltung sogar bis zu 80%. Nur bei der Rindviehhaltung — lassen Sie mich das auch sagen — ist ihr Arbeitsbeitrag lediglich 22 %. Das geht vielleicht auch wieder auf die Psychologie von Mann und Frau zurück.Bei zunehmender Betriebsgröße verringert sich der Arbeitsumfang der Frauen im Betrieb. Die höchsten Anforderungen werden an die Frauen in den Betrieben von 5 bis 20 ha gestellt. Nun hören Sie bitte ganz gut zu. Befragt, ob sie, wenn es möglich wäre, auf die Mitarbeit im Betrieb verzichten wollten, sagten die meisten: nein. Nur weitere Hilfskräfte und eine stärkere Rationalisierung ihres eigenen hauswirtschaftlichen Bereichs wünschten sie sich. Die Landfrau, ob sie nun älter oder auch jünger ist, möchte gern — und das ist eine erfreuliche Tatsache, die wir auch hier heute im Rahmen des Grünen Berichtes würdigen sollten — Mitunternehmerin und Mitarbeiterin sein, aber in dem Umfange,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4595
Frau Griesingerden sie a) verkraften und b) auch verantworten kann im Blick auf ihre Hauptverantwortung in der Familie.Bei all diesen Fragen, meine Herren und Damen, kommen wir auf folgende Faktoren. Die augenblickliche Situation der Frau in der Landwirtschaft ist einmal abhängig von der Entwicklung der Landwirtschaft selbst, von ihrer Möglichkeit, ihre Erzeugung und die Vermarktungseinrichtungen zu verbessern — wir haben heute schon genügend darüber gehört —, weiter von der Entwicklung im Bereich der Hauswirtschaft und schließlich von der Entwicklung der Familienstruktur sowie den Verhaltensweisen in der Familie. Theoretisch sind wir — das glaube ich auch im Namen meiner Kollegen sagen zu dürfen — in der Lage, zu Unternehmensformen in der Landwirtschaft zu kommen, die kaum noch etwas mit unseren derzeitigen Betriebsformen gemein haben. Ich denke hierbei an die überbetrieblichen Zusammenschlüsse mit ihren vielseitigen Formen.Mehr, denn je sind wir gezwungen, sparsam zu wirtschaften, unsere Investitionen sinnvoll vorzunehmen, so daß damit auch wirklich ein optimaler Betriebserfolg erreicht wird. Ich glaube, das ist auch ganz im Sinne unseres hochverehrten Herrn Bundesministers, der sich ja gerade darum so sehr bemüht. Hierbei ist die Arbeitskapazität des Betriebes ausschlaggebend. Sie wiederum hängt von verschiedenen Faktoren ab: von der regionalen Arbeitsmarktlage, von der Bindung an Haushalt und Familie und von dem Verhältnis von Arbeitskapazität zur Arbeitsleistung. Ich darf es übersetzen. Es ist darunter die Zahl der zur Verfügung stehenden Personen im Vergleich zu ihrer Gesundheit, zu ihrem Alter und ihrem Wollen des Mittuns, d. h. des Willens zur Mitarbeit zu verstehen.Heute wurde schon mehrfach von der Einteilung der Betriebe in Vollerwerbsbetriebe, Zuerwerbsbetriebe und Nebenerwerbsbetriebe gesprochen. Man hat darauf hingewiesen, daß alle drei Betriebsformen auch in Zukunft noch ihre Bedeutung haben. Aber bitte, lassen Sie uns darüber einmal ganz kurz nachdenken, wer es ist, der die besondere Form des Nebenerwerbsbetriebes ermöglicht. Diese Frage ist, so glaube ich, berechtigt, besonders dann, wenn sich die Gruppe der Nebenerwerbsbetriebe in Zukunft noch vergrößern wird. Heute macht diese Gruppe schon 43% der gesamten 1,45 Millionen Betriebe aus. Es handelt sich also um 620 000 Nebenerwerbsbetriebe.Während dort die Männer im Hauptberuf einer außerlandwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nachgehen, haben die Ehefrauen die Aufgaben und Funktionen eines Betriebsleiters übernommen. Vermutlich sind sie zum Teil in die vorhin genannte Zahl eingeschlossen, mit der wir festgestellt haben, daß in der Landwirtschaft mehr selbständige Betriebsleiterinnen als in anderen Gewerbezweigen vorhanden sind. Mit Hilfe ihrer Frauen haben diese Landwirte die Existenzgrundlage ihrer Familie grundlegend verbessern und auf eine breitere und vor allem risikoärmere Basis stellen können.Die 320 000 Zuerwerbsbetriebe machen 22% der Gesamtzahl aus. Das ist die zwar kleinste, aber zugleich auch die kritischste Gruppe. Wir finden dort am häufigsten die sogenannten „Quälbetriebe", die auf Kosten der Gesundheit der ganzen Familie gehen. In diesen Betrieben steht die Familie sehr oft vor der schwierigen Entscheidung, wer das Bargeld für die notwendigen Investitionen erbringen soll. Nicht selten tut dies dann die Ehefrau durch vorübergehende außerlandwirtschaftliche Erwerbsarbeit.Die 510 000 Vollerwerbsbetriebe machen 35 Ob der Gesamtbetriebe aus. Auch hier sind der Mechanisierung in Teilbereichen wie z. B. der Veredelung aus Gründen der Rentabilität Grenzen gesetzt. Auch dort wird die Mitarbeit der Frau in Zukunft nicht ganz entbehrlich sein.Selbst die überbetrieblichen Zusammenschlüsse können hier nicht abhelfen, solange sie sich vornehmlich auf die Vermarktung auswirken, wie das z. B. bei Anbauverträgen zwischen Erzeugern und der jeweiligen Verarbeitungsindustrie oder den Genossenschaften der Fall ist. Bei den darüber hinausgehenden betrieblichen Zusammenschlüssen z. B. in der Milchviehfütterung und -haltung, die beispielsweise in Frankreich praktiziert wird, sind soziologische Faktoren wie die Bereitwilligkeit, mit den Nachbarn engstens zusammenzuarbeiten, ebenso wichtig wie die wirtschaftlichen Faktoren. Es liegen Untersuchungen aus der Bundesrepublik vor, aus denen sich ergibt, daß die Nachbarschaftshilfe nur im akuten Notfall wie Feuergefahr usw. noch gut funktioniert. In allen anderen Fällen ist deutlich das Streben der landwirtschaftlichen Familie nach dem Leitbild des durch das Industriezeitalter geprägten Mittelstandes bemerkbar, das heißt Selbständigkeit im materiellen Bereich und individuelle Entfaltungsmöglichkeit.Ich wollte damit nur in kurzen Zügen aufzeigen, daß wir uns auch in Zukunft mit der Doppelrolle und der Doppelaufgabe der Frau im Haushalt und Betrieb auseinandersetzen müssen. Auf die Mitwirkung der Frau als Mitunternehmerin und Mitarbeiterin in der Landwirtschaft wird nicht verzichtet werden können.Das verlangt neben den schon in den vorangegangenen Beiträgen besprochenen sozialen Sicherungen noch mehr. Ich darf dabei ganz besonders noch auf die Rehabilitationsmaßnahmen innerhalb der Altershilfe hinweisen. Sie haben sich für Landfrauen bestens bewährt. Gerade in Mütterkuren werden gute Erfolge erzielt. Wir sollten hier mit Kürzungen vorsichtig sein. Hier zeigt sich, daß Vorbeugen wirklich besser als Heilen ist. 85% der Frauen konnten noch nie von zu Hause weg. Sie brauchen diese Erholung dringend. Dankenswerterweise ist es unseren gemeinsamen Anstrengungen gelungen, die Altershilfe überhaupt dahin gehend auszubauen.Neben diesen sozialen Sicherungen sind aber noch weitere Maßnahmen erforderlich. Ich komme damit zu dem zweiten Problem. Wenn wir die Frau in der Landwirtschaft noch als Mithelferin benötigen, müssen wir mithelfen, daß ihr ureigenster Betrieb, der ländliche Haushalt, auch entsprechend
Metadaten/Kopzeile:
4596 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Frau Griesingerrationalisiert werden kann, damit sie, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, ihren Aufgaben gerecht werden kann. Ein großer Teil der ländlichen Wohnhäuser, nämlich 75 %, ist sanierungsbedürftig, weil es sich um Altbauten handelt, die zum großen Teil aus der Zeit vor 1900 stammen. Deshalb verstehen Sie vielleicht auch diese Forderung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es geht niemand etwas an, wie es drinnen aussieht. Es ist eben sehr wichtig, daß wir die Disparität zwischen dem alten, altmodischen Wohnhaus und dem modernen Betrieb etwas verringern. Ich glaube nämlich, daß es unsere jungen tüchtigen Landwirte, die es nicht ganz leicht haben, sonst noch schwerer haben, die entsprechend tüchtigen Ehefrauen und Mitarbeiterinnen zu gewinnen.
Ich darf deshalb im Namen meiner Fraktion und wohl auch im Namen des ganzen Hohen Hauses sagen, daß die Fortführung und — sofern es möglich ist — die finanzielle Aufstockung der Maßnahmen des Grünen Plans zur Verbesserung der arbeitswirtschaftlichen und hygienischen Bedingungen in den bäuerlichen Wohnhäusern notwendig ist. Die entsprechende Förderungsmaßnahme wurde 1961 in den Grünen Plan aufgenommen. 150 000 Betriebe wurden bereits saniert, und zwar mit verhältnismäßig geringen Bundeszuschüssen und hohen Eigenleistungen der landwirtschaftlichen Betriebe. Die Einrichtung einer modernen Küche und eine sinnvolle hygienische Einrichtung — Badezimmer und Dusche —, die ungefähr 10 000 DM kosten, kann eine Familie verkraften. Bisher betrugen die Zuschüsse 1600 bis 2000 DM. Nach vorsichtigen Schätzungen müßten noch rund 680 000 Betriebe saniert werden. Daraus ist ersichtlich, daß die oben genannte Förderungsmaßnahme noch weiter fortgeführt werden müßte. Man sollte sich darum bemühen — und ich hoffe, daß Ihre Bemühungen, sehr geehrter Herr Bundesminister, von Erfolg gekrönt sein werden, besonders auch bei Ihren Gesprächen mit dem Herrn Finanzminister —, diese Maßnahme in die mittelfristige Finanzplanung einzubauen, damit wir hier wirklich sinnvolle Hilfe zur Selbsthilfe leisten können.Auf Grund dieser Maßnahme haben wir tatsächlich eine gesunde und sinnvolle Rationalisierung der landwirtschaftlichen Haushalte erreichen können, eine Verbesserung der Hygiene und eine Modernisierung der Lebensweise in den Familien, die sich wiederum auf eine fortschrittliche Betriebsführung auswirken. Es gibt den Slogan: „Ein moderner Betrieb kann nur von einer modernen Familie geführt werden". Das gilt ganz besonders auch für die Landwirtschaft.Ein Zweites. Durch das Altershilfegesetz können die jungen Landwirte wieder früher heiraten. Dadurch ergibt sich mehr und mehr das Problem der Dreigenerationenfamilie auf dem Hof. Wir müssen deshalb auch dafür sorgen, daß sich diese Familien — auch wohnraummäßig — nicht zu sehr aneinander reiben. Wir müssen ferner dafür sorgen, daß durch die Verbesserung der Wohnkultur ein individuelles Leben der Generationen möglich wird.Weil aber immer wieder Stimmen gegen diese Maßnahme laut werden, die sagen, daß sie vielleicht doch nicht so ganz sinnvoll sei und sie im Grunde genommen eine Ländermaßnahme sei, möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, fragen, ob es nicht möglich ist, eine Untersuchung über die Wirksamkeit dieser Förderungsmaßnahme durchzuführen. Es liegt uns fern, eine Maßnahme unterstützen zu wollen, die sinnlos ist. Aber es liegt uns doppelt und dreifach daran, in einer solchen Sparsituation, in der wir heute stehen, sinnvolle Maßnahmen, die mit kleinen Beträgen gute und große Wirkungen erzielen, nicht einfach deswegen eventuell unter den Tisch fallen zu lassen, weil ihnen das Troeger-Gutachten entgegensteht — die Kompetenztrennung von Bund, Land, Gemeinde —, nach dem die Ministerien bereits zu arbeiten haben, über das wir im Parlament aber noch nicht beraten und entschieden haben. Wir müssen vermeiden, daß solche Maßnahmen zwischen zwei Stühle fallen und dann verschwinden. Nachher haben wir Mühe, die Scherben zusammenzulesen und gute Dinge wieder neu aufzubauen.Zum Abschluß möchte ich noch auf eine Sache hinweisen, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden muß. Die Intensivierung der ländlichen hauswirtschaftlichen Beratung ist ganz besonders dringend, weil, wie wir auch in der Frauenenquete festgestellt haben, die Bäuerinnen mehr und mehr nicht mehr aus .dem landwirtschaftlichen, sondern aus dem städtischen Bereich kommen. Deshalb sind wir .auf gute Forschungen angewiesen, die eine Rationalisierung der Haushalte ermöglichen. Ich denke u. a. an die beiden Musterdienste „Wie haushalten?" in Hamburg und Stuttgart. Beide Einrichtungen sind der verlängerte Arm der Bundesforschungsanstalt für Hauswirtschaft in Stuttgart-Hohenheim. Die neuesten Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Forschung werden hier mit einem minimalen finanziellen Aufwand auf dem Weg über die Ausstellung an die Landfrauen herangebracht. Seitens des Bundes wurde hier nachweisbar eine hervorragende Arbeit für das gesamte Bundesgebiet geleistet. Daß eine Institution sich natürlich in irgendeinem Land ansiedeln muß, ist klar. Aber sie wirkt über das Land hinaus. Ich selbst hatte Gelegenheit, mich von dieser Arbeit zu überzeugen. Ich bitte deshalb die Bundesregierung herzlich, die finanziellen Leistungen an diese beiden Musterdienste auch für die nächsten Jahre aufrechtzuerhalten, weil sie wirklich sinnvolle und gute Arbeit leisten.Insgesamt gesehen — ich will es kürzer machen, damit ich Ihre Geduld nicht zu lange in Anspruch nehmen muß —, ist die ländliche hauswirtschaftliche Beratung vor neue Aufgaben gestellt. Dazu gehört
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4597
Frau Griesingeru. a. auch die stärkere Ernährungsberatung der Landfrau. Denn — das wollen wir hier doch auch einmal deutlich sagen — die landwirtschaftliche Familie und die Landfrau ist mehr und mehr auch Verbraucherin. Je stärker sich der landwirtschaftliche Betrieb spezialisiert, desto stärker wird dieser Betrieb Fertigware einkaufen, auch im Nahrungsmittelsektor. Dadurch nähern sich die Bereiche von Stadt und Land einander immer mehr an. Die Frauen, die in die ländlichen Gemeinden auch aus den Städten hinausziehen, hätten in einer solchen gemeinschaftlichen Beratung über Ernährungsfragen sicher eine gute Gelegenheit, manche Mißverständnisse zu klären und manche falsche Meinung richtigzustellen. Ich möchte deshalb sehr herzlich bitten, daß die Beträge, die in Ihrem Haushalt für die Verbraucherberatung im Ernährungsbereich eingesetzt sind, auch dem ländlichen Bereich zugute kommen und daß hierbei die ländlichen Beratungsstellen, die vor allem an Landwirtschaftsschulen bereits vorhanden sind, mit ihren hauswirtschaftlichen Beratungsstellen ausgenützt werden, auch deshalb, weil wir sparen und unsere Beträge sinnvoll ausgeben müssen.Die Intensivierung der Forschung habe ich schon erwähnt. Um dieses Grundproblem Ihnen noch einmal demonstrativ vor Augen zu führen, darf ich sagen, daß hier eine ausgezeichnete Karte besteht, wie es mit unseren Wohngebäuden bestellt ist. Ich möchte sie Ihnen empfehlen; sie kommt von der Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie in Bonn.Alles in allem gilt für die Landfrau im Grunde genommen dasselbe wie für den Landwirt, daß nämlich — das müßte eigentlich mehr den Ländern gesagt werden als hier in diesem Raume — auch für die Mädchen der Schulrucksack heute die beste Aussteuer ist und daß wir alles daransetzen müsen, die Frau wirklich fähig zu machen, die moderne Zeit zu bewältigen und ihre Kinder auch mit dem entsprechenden Rüstzeug in diese Zukunft hineinzuführen.Ich komme damit zum Ende. Sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie haben sich selbst in dem Vorwort der Enquete zu der Frage der Verbesserung der Lage der Frau in der Landwirtschaft geäußert. Ich darf Ihnen im Namen meiner Fraktion sehr herzlich für Ihre gesamte Arbeit für die Landwirtschaft und damit auch für die Landfrauen und für die Verbraucher danken. Ich darf Sie aber zugleich auch bitten, daß in Ihrem Hause die bereits gestern von Ihnen aufgezeigten positiven Wege in Angriff genommen werden, damit wir eine gesunde, in die Zukunft weisende Landwirtschaft, die sich dort auch bewähren kann, bekommen. In diesem Sinne möchte ich sagen, daß die Debatte über den Grünen Bericht auch hierzu ein wenig mitgeholfen hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ritz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Ausklang dieser Debatte einige wenige Gedanken zu den gesamten Problemen der Ausbildung vor-tragen, wie sie in dem Titel 603 des Einzelplans 10 zusammengefaßt sind, vor allem im Hinblick auf die fachliche Weiterbildung, die Beratung und die berufliche Fortbildung der Landwirte. Ich tue es nicht nur, um noch schnell eine Rede loszuwerden, sondern weil ich meine, daß es sich bei dem Bereich der Ausbildung und Bildung um einen für die Existenzsicherung und Existenzerhaltung der Betriebe entscheidenden Bereich handelt. Ich bin Ihnen, sehr verehrter Herr Minister, sehr dankbar dafür, daß Sie gestern die Fragen der Ausbildung und Bildung in Ihr Schwerpunktprogramm mit hineingenommen haben.Es ist sicher nicht vermessen, zu behaupten, daß der Erkenntniszuwachs in Agrartechnik und Agrarwissenschaft in den letzten achtzig Jahren größer gewesen ist als in einem Jahrtausend zuvor. Allein diese Aussage unterstreicht schon, in welch hohem Maße die Anforderungen an die Berufsausbildung gerade auch im Bereich der Landwirtschaft gestiegen sind. Die ständige Verminderung der Arbeitskräfte und die damit verbundene Substitution durch den Faktor Kapital haben dazu geführt, daß zu den Anforderungen der Produktionstechnik die Bewältigung der betriebswirtschaftlichen Aufgaben hinzutrat. Das Ende der Zwangswirtschaft, das Ende der Autarkievorstellungen mit einer einseitigen produktionsfördernden Agrarpolitik stellte die Bauern vor eine völlig neue marktwirtschaftliche Aufgabe. Das Tempo zur Bewältigung dieser Aufgabe wurde und wird verschärft durch die Erfordernisse des Gemeinsamen Marktes. Das heißt, zur Aufgabe des Bauern, guter Produktionstechniker, guter Betriebswirt zu sein, tritt die kaufmännisch-unternehmerische Aufgabe hinzu. Mir will scheinen, daß im allgemeinen Bewußtsein unserer Bevölkerung die immensen geistigen Anforderungen, die an den modernen Landwirt gestellt werden, viel zu wenig gewürdigt werden. Deshalb glaube ich, daß es gut ist, daß auch zu diesem Punkt anläßlich dieser Debatte ein kurzes Wort gesagt wird.Wir dürfen angesichts dieser Anforderungen dankbar registrieren, daß wir in unseren Berufs-und Fachschulen ein gut funktionierendes Ausbildungssystem haben. Aber ich meine, daß es keine Minderbewertung dieser schulischen Einrichtungen bedeutet, wenn ich darüber hinaus die Meinung vertrete, daß sie allein zur Bewältigung der hier skizzierten Aufgaben nicht ausreichen. Durch die ständig neuen Entwicklungen in Agrartechnik, Betriebslehre, Marktforschung, Marktwirtschaft wird außerschulische Fortbildung und Weiterbildung zur zwingenden Notwendigkeit;Meine Damen und Herren, mit viel Idealismus hat sich nach dem Kriege durch kirchliche, berufsständische und auch gewerkschaftliche Initiative eine vielgestaltige ländliche Jugend- und Erwachsenenbildungsarbeit geformt. Ich darf hier nennen die Landjugendarbeit in ihren ländlichen Seminaren, die Landfrauenvereinigungen mit ihren Vortragsreihen, die berufliche Fortbildungsarbeit der Vereinigung ,der ehemaligen Landwirtschaftsschüler, die Bildungsarbeit der Gewerkschaft Gartenbau, Land-und Forstwirtschaft — Herr Kollege Frehsee hat
Metadaten/Kopzeile:
4598 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Dr. Ritzdazu etwas gesagt — und nicht zuletzt die 53 ländlichen Heimvolkshochschulen oder Landvolkshochschulen mit ihren Internatslehrgängen von sechs Wochen bis vier Monaten Dauer. Daß es in den letzten 15 Jahren — das wage ich hier zu behaupten — trotz aller Anpassungsschwierigkeiten möglich war, Produktion und Produktivität in der Landwirtschaft in einer Weise zu steigern, die auch dem Nichtfachmann Bewunderung abnötigen muß, ist sicher nicht zuletzt auch auf die Arbeit der hier skizzierten Institutionen zurückzuführen.Wir dürfen dankbar dafür sein, daß vor allem die junge Generation des Landes, unsere jungen Bäuerinnen, unsere jungen Bauern, trotz arbeitsmäßiger Belastung auf ihren Höfen von den vielfältigen Angeboten zur Vertiefung der Allgemeinbildung und der beruflichen Fortbildung Gebrauch macht, nicht selten unter großen persönlichen und materiellen Opfern. Diese Tatsache wird dadurch unterstrichen — um nur einige wenige Zahlen zu nennen —, daß etwa in der Zeit von April 1965 bis Mai 1966 mehr als 30 000 hauptberuflich in der Landwirtschaft tätige junge Bäuerinnen und Bauern die längerfristigen Lehrgänge der Heimvolkshochschulen besucht haben. Im gleichen Zeitraum — damit wird die Arbeit dieser Schulen über ihren engeren Bereich hinaus sichtbar — haben die 172 hauptamtlichen Lehrkräfte, von denen ja 67 aus Ihrem Hause, Herr Minister, als landwirtschaftliche Fachkräfte bezuschußt werden, in 2118 Vorträgen außerhalb der Schulen über 100 000 ländlich-bäuerliche Zuhörer ansprechen können. Meine Damen und Herren, diese außerschulischen Formen der Weiterbildung und Fortbildung sind aus der gesamten Bildungsarbeit für das Land und die Landwirtschaft einfach nicht mehr wegzudenken. Der bestmögliche Bildungs- und Ausbildungsstand ist heute eine absolute Notwendigkeit, und er ist sicher auch für die Zukunft neben allen unmittelbar agrarpolitischen Aufgaben einer der sichersten Garanten für die Bewältigung der Schwierigkeiten, die ,die Landwirtschaft auch in Zukunft noch zu meistern haben wird.In diesem Zusammenhang und auch im Hinblick auf Ihre diesbezüglichen, sehr bemerkenswerten Ausführungen, Herr Minister, darf ich sicher annehmen, daß das Referat Ausbildung in Ihrem Haus, das bisher so erfolgreich gearbeitet hat, in seiner Wirkmöglichkeit gestärkt wird.Wenn die Leistung der freien Jugend- und Erwachsenenbildung gerade im Bereich der ländlichen und landwirtschaftlichen Bevölkerung für die Zukunft gesichert werden soll und gesichert bleiben soll, dann wird es auch in Zukunft der Förderung durch den Bund bedürfen. Ich darf auch hier an das anknüpfen, was der Kollege Frehsee im Hinblick auf die Fachausbildung der landwirtschaftlichen Fachkräfte gesagt hat. Man wird trotz aller Überlegungen zur Finanzreform diesen Bereich der außerschulischen Bildungsarbeit auch in Zukunft vom Bund her weiter fördern müssen, wenn über alle Länder hinweg eine bestmögliche Förderung der hier vorhandenen Möglichkeiten gegeben sein soll.
Herr Minister, Sie und Ihre verehrten Vorgänger haben in den letzten Jahren sehr viel Gutes in diesem Bereich geleistet. Dafür gebührt Ihrem Hause Dank. Aber ich meine, aus diesem Dank sollte die Verpflichtung erwachsen, auch in Zukunft trotz schwieriger Haushaltslage alles zu tun, um die Voraussetzung für eine bestmögliche geistige Ausrüstung unserer ländlich-bäuerlichen Bevölkerung zu schaffen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mein Kollege Frehsee hat mich so liebenswürdig erwartet. Er soll nicht enttäuscht werden mit einer Antwort auf den Disput, den wir schon beim letzten Grünen Bericht hier miteinander geführt haben.Lassen Sie mich vorweg zu den vielen ausgezeichneten Beiträgen, die heute in diesem Hause geleistet worden sind, sagen: Selbstverständlich besteht Übereinstimmung darüber, daß der Strukturwandel des Landes auch einen Strukturwandel der Sozialpolitik zur Folge hat und daß tiefgreifende Umschichtungen in allen Bereichen Probleme geschaffen haben, die nicht nur in der Knappschaft oder bei der Stahlindustrie, sondern selbstverständlich jetzt und heute bei der Landwirtschaft und vielleicht morgen im Bereich der Energiewirtschaft nicht allein mit sozialpolitischen Mitteln bewältigt werden können.Trotzdem muß ich gleich zu Beginn unserem liebenswürdigen Kollegen Frehsee sagen, daß es wohl nur eine unglückliche Formulierung war, wenn er erklärt hat, die Zeiten, in denen in der Landwirtschaft alles Soziale tabu war, seien vorüber. Ich hoffe, wir stimmen darin überein, daß in der Landwirtschaft wie in allen anderen Bereichen der Gesellschaft ein starkes Gefühl, ein ausgeprägtes Verständnis für notwendige soziale Sicherung und soziales Verhalten und natürlich auch ein Bekenntnis dazu vorhanden ist. Dazu selbstverständlich ein Bekenntnis der Landwirtschaft zur Verantwortung für die soziale Sicherung der bäuerlichen Familien.
Daß das in der Landwirtschaft der Fall ist, beweist die Vielzahl von bäuerlichen Vorsorgeeinrichtungen, das beweist ebenso die Vielzahl der bäuerlichen Selbsthilfeeinrichtungen, das beweist die Mitarbeit der Landwirtschaft in den Selbstverwaltungsorganen der Landkrankenkassen und der bäuerlichen Privatversicherungseinrichtungen, die sich schließlich Landwirte für die Landwirtschaft und ihre Angehörigen geschaffen haben. Es ist nützlich, der letzten Debatte diese Feststellung hinzuzufügen.Als wir in der Vergangenheit über die Fragen der Landwirtschaft, der sozialen Sicherung und das, was als „sozial sein wollen" im Sozialplan der SPD gemeint wird, diskutierten, wußten wir noch nicht, was wir dank der Initiative des Bundesministers heute an Untersuchungsergebnissen vorliegen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4599
Frau Kalinkehaben würden. Sie haben damals immer nur über etwas gesprochen, was auch heute noch nicht ganz fertig und ausgewertet ist, nämlich die Untersuchungsergebnisse der Agrarsozialen Gesellschaft. Ich möchte dem Herrn Minister und seinem Hause auch dafür danken, daß wir auch von der Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie zur Frage der sozialen Sicherung der landwirtschaftlichen Familien in der Bundesrepublik eine empirische Untersuchung haben, die die interessanten Tatbestände und zugleich ihre Entwicklung zeigt; die nachweist, wie sich die Probleme von 1959/60 bis 1964/65 verändert haben.Was da deutlich wird, ist folgendes: die Frage nach den Verhaltensweisen, nach der vorhandenen Risikobereitschaft und nach der selbstverantwortlichen Entscheidung für soziale Sicherheit ist im bäuerlichen Bereich keineswegs schlechter entwikkelt als in anderen Bereichen der mittelständischen Wirtschaft. Das muß sehr ausdrücklich aufgrund dieser Untersuchungen festgestellt werden. Daß das Bedürfnis nach sozialer Sicherung vorhanden ist und heute in weiten Bereichen der Selbständigen angesichts der so perfekt entwickelten sozialen Sicherung der Arbeitnehmer immer deutlicher zum Ausdruck kommt, das hat der letzte Grüne Bericht genauso gezeigt wie der heutige und wie die Berichte der Sozialenquete. Daß dieses Bedürfnis vorhanden ist, dürfte unumstritten sein. Ohne Zweifel ist aber das Bedürfnis im bäuerlichen Betrieb, allgemein im Haushalt des Selbständigen in der Wirtschaft wie überhaupt des selbständigen Unternehmers, ein völlig anderes als das der Arbeitnehmer und dazu so unterschiedlich wie die Sozialstruktur in deutschen Landen. Mit der fortschreitenden Rationalisierung, der fortschreitenden Initiative und mit der Zunahme der Leistungskraft der einzelnen Haushalte und Familienbetriebe hat auch dieser Unterschied zugenommen.In der erwähnten Studie wird erfreulicherweise festgestellt, daß es nicht etwa so ist, daß die landwirtschaftliche Bevölkerung hinsichtlich der selbstverantwortlichen Vorsorgemaßnahmen nun alles versäumt hätte und nur das Eingreifen des Staates mit einer staatlichen Zwangseinrichtung das Problem noch lösen könnte.Mein Kollege Frehsee hat mich auf eine Veröffentlichung im „Deutschen Arzt" aufmerksam gemacht. Dort wird ihm bescheinigt — was ich gern bestätige —, daß er mit Klugheit und Sympathie, aber hartnäckig immer wieder den Sozialplan seiner Partei verteidigt, genauso wie ich mit gleicher Hartnäckigkeit gegen diesen Sozialplan, oder — besser gesagt: ernsthaft — zu diesem Sozialplan Stellung nehmen will. Weil mir in diesem Bericht unterstellt wurde, ich hätte mich bei der letzten Debatte mit dem Kollegen Frehsee ins Protokoll geflüchtet, muß ich zur Klärung der Wahrheit sagen, daß ich bei dem gleichen Andrang und dem großen Interesse, zu sozialpolitischen Problemen der Landwirtschaft zu sprechen — das ist sicher als ein positives Ergebnis zu werten — auch als Sozialpolitikerin meinte, zu dieser wichtigen sozialpolitischen Frage etwas sagen zu müssen, daß ich aberin der letzten Sitzung bekanntlich von mittags um 2 Uhr bis abends um 9 Uhr gewartet habe, um hier zu Wort zu kommen. Das aber nur zur Erklärung für die uns beide so verwundernde Veröffentlichung im Organ der „Deutsche Arzt".Zu dem Thema dieser Veröffentlichung ist dies zu sagen, Herr Kollege Frehsee: Es ist in der Tat so, daß die Frage der Zwangs-Krankenversicherung der Landwirtschaft, wie sie auch gestaltet werden möge, von entscheidender Bedeutung für die ärztliche Versorgung auf dem Lande ist. Es bedarf nicht nur der Mahnung der Landärzte, sondern wir haben das erschreckende Beispiel der österreichischen Entwicklung vor Augen, wo die Versorgung mit Landärzten noch schlechter geworden ist, seitdem man dort eine Zwangsversicherung für Bauern eingeführt hat. Die Auswirkungen dort sind Ihnen bekannt. Es ist auch kein Zweifel, daß der „Deutsche Arzt" mit seinen Ausführungen recht hat, daß man nicht schlechthin davon sprechen kann, die bisherigen Untersuchungsergebnisse rechtfertigten die Behauptungen, ein genereller Zwang sei notwendig und das Problem sei nur noch durch Versicherungszwang zu lösen. Es muß hier festgestellt werden: Bei den überaus differenzierten Einkommens- und Strukturverhältnissen in der Landwirtschaft ist die Situation nicht ohne weiteres vergleichbar mit der der Landarbeiter oder der Industriearbeiter. Deshalb, Kollege Frehsee, kann die Behauptung nicht unwidersprochen hingenommen werden, daß das Problem der Landflucht der Ärzte mit dieser Frage hier nicht einen sehr ursächlichen Zusammenhang habe.Es darf auch nicht unwidersprochen stehenbleiben, daß der Vergleich und die Auswertung des Erhebungsmaterials nun in allen Punkten so stichhaltig und so überzeugungsfähig sei, wie das hier und auch in der öffentlichen Diskussion manchmal dargestellt wird. Selbstverständlich wird eine große Anzahl von Landwirten, wenn Sie sie fragen: wollt ihr eine kostenlose Versicherung oder wollt ihr, daß 60 0/0 der Staat bezahlt, sagen: natürlich wollen wir das. Ich möchte den Berufsstand hören, der das nicht wollte. Auch die Arbeitnehmer bestehen ja auf dem staatlichen oder auf dem Arbeitgeberzuschuß. Selbstverständlich sind solche Beispiele Anlaß zu manchen Überlegungen bei den Selbständigen. Ich glaube aber, daß bei einer redlichen Diskussion, bei Kostenklarheit und Kostenwahrheit die Entscheidungen unserer Landwirtschaft, und zwar des kleinen Prozentsatzes von kaum 13%, der nicht versichert ist — ich gehe noch auf ihn ein —, wahrscheinlich anders ausfallen würden als eine Abstimmung, die dann folgt, wenn man nach bewährtem Muster fragt: Wollt ihr das, wenn ihr es umsonst bekommt oder wenn ihr wenigstens die Hälfte davon bezahlt bekommt und eine Grundsicherung bekommt? Übrigens hat niemand bisher gesagt, wie diese Grundsicherung aussehen, wie der Inhalt dieses Leistungskatalogs sein soll und was sie wirklich kostet.Ich glaube, daß die soziale Sicherheit der Familien in der Landwirtschaft weitgehend abhängig ist von der Funktionsfähigkeit des landwirtschaftlichen
Metadaten/Kopzeile:
4600 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Frau KalinkeBetriebes, und daß deshalb alle Aktivitäten, die die Regierung und die Sie, meine Herren und Damen Kollegen, entwickeln können, darauf ausgerichtet sein sollten, diese Leistungsfähigkeit der bäuerlichen Familien durch Strukturmaßnahmen zu stärken und ihnen damit Chancen zur selbstverantwortlichen Entscheidung zu geben.Die aufgezeigten eigenen Vorsorgemaßnahmen der Landbevölkerung rechtfertigen jedenfalls nicht die Schlußfolgerungen, die die Agrarsoziale Gesellschaft und die Sie, sehr verehrter Herr Kollege, daraus gezogen haben. Die Agrarsoziale Gesellschaft wie auch jede andere Gesellschaft, die einen wissenschaftlichen Untersuchungsauftrag bekommt, hat im übrigen nach meiner Auffassung eigentlich keine Schlußfolgerungen zu ziehen. Das hätte die Regierung oder das Parlament zu tun. Aber das sei nur nebenher gesagt.In diesem Zusammenhang möchte ich die Problemstellung, die hier diskutiert und angedeutet worden ist, doch noch einmal darlegen. Es geht natürlich darum, daß es für viele Menschen, wenn Fragebogen verteilt werden, sehr schwer ist, diese Fragebogen richtig auszufüllen. Ich weiß aus einer langen ehrenamtlichen und berufsamtlichen Erfahrung, daß es für viele Versicherte sehr schwer ist, zwischen der freiwilligen Weiterversicherung in der Sozialversicherung, der Versicherungsberechtigung in der Sozialversicherung oder dem privaten Versicherungsschutz zu unterscheiden. Viele meinen heute immer noch, daß eine Angestelltenersatzkasse oder die Weiterversicherung in eine Landkrankenkasse etwa eine Privatversicherung sei. Es muß also darauf hingewiesen werden, daß die Aussagefähigkeit von noch so gescheit ausgeklügelten Fragebogen immer nur dann überzeugend wäre, wenn ganz bestimmte Dinge — wie z. B. der Beitrag der geleistet wird — nicht in Durchschnittszahlen genannt werden. Ich bin mit meinem Kollegen Berberich darin in voller Übereinstimmung, daß wir diese Dinge erst sehr gründlich prüfen und untersuchen müssen, ehe wir solche Behauptungen aufstellen. Hier sollten alle Interessierten von allen Seiten dazu beitragen, daß angesichts der desillusionierenden Wirkung der Finanznot aller öffentlichen Haushalte und natürlich vor allem unseres Bundeshaushalts sehr nüchtern gerechnet wird. Die Berechnung kann dann unterstützt werden durch die Tatsache, daß die bisherigen Ergebnisse — übrigens beide Untersuchungsergebnisse — übereinstimmend beweisen, daß rund 90% der bäuerlichen Bevölkerung gegen Krankheit versichert sind.Wir haben eine Reihe von Zahlen, aus denen man ganz deutlich sehen kann, daß die ersten Behauptungen der Agrarsozialen Gesellschaft, auf die Sie sich, sehr geehrter Herr Kollege Frehsee, bezogen haben, von der Agrarsozialen Gesellschaft in ihrem neuen ersten Teil der Untersuchungen selbst widerlegt worden sind. Damals sagte nämlich die Gesellschaft, die bäuerlichen Familien und ein Großteil der selbständigen Landwirte seien nicht versichert und sie bedürften dieses Versicherungsschutzes. Heute wissen wir von der Agrarsozialen Gesellschaft, daß 25,2% pflichtversichert sind. Das sind also Bauern, die selbst noch als Arbeitnehmer tätig sind. Wir wissen, daß 28,2% — nach einer anderen Untersuchung sogar über 30% — privatversichert sind. Wir wissen, daß 33,6% freiwillig in Orts- und Landkrankenkassen versichert sind. Wenn man nun — ich will nur sagen, wie fragwürdig so eine Auswertung sein kann —z. B. sagt, die absolute Mehrheit habe sich für die Sozialversicherung entschieden, so stimmt das schon deshalb nicht, weil die Pflichtversicherten sich ja gar nicht entscheiden können. Sie sind ja durch Zwang in der gebotenen Form der Ortskrankenkasse oder der Landkrankenkasse versichert.Was aber nicht zum Ausdruck kam und gesagt werden muß, ist, daß schon nach heutigem Recht —und darauf hat unser Kollege Berberich in vielen Diskussionen immer wieder hingewiesen — unter Umständen von Besitzern kleinbäuerlicher Betriebe nicht in dem ausreichenden Maße von der Versicherungsberechtigung in der gesetzlichen Krankenversicherung Gebrauch gemacht worden ist, wie es möglich gewesen wäre. Ein Notstand kann nach meiner Kenntnis und Auswertung der Dinge ja nur bei den Beziehern von Altershilferenten vorhanden sein, die überhaupt keine Versicherung haben. Bei denen müssen wir nach neuen Wegen suchen, um ihnen einen Versicherungsschutz zu geben. Von diesen Beziehern der Altersrenten ist aber mindestens die Hälfte wiederum im Besitz des vollwertigen Schutzes der Krankenversicherung der Rentner, weil sie ja nicht nur die Altershilfe, sondern noch eine kleine Rente aus der Invalidenversicherung beziehen und damit in die Krankenversicherung der Rentner einbezogen sind.Dann zu der so kühn aufgestellten weiteren Behauptung, daß der Versicherungsschutz von 30 % der privatversicherten landwirtschaftlichen Unternehmen völlig unzureichend sei. Es wird da der unzutreffende Begriff der Unterversicherung, der gar nicht in die Personenversicherung gehört, deshalb genannt, weil nach vielen Angaben über Zusatz- und Teilversicherungen die Beiträge verhältnismäßig gering sind.Nun, Herr Kollege Frehsee, es wird Sie sicher interessieren — und ich bemühe mich, das Problem so sachlich und objektiv wie möglich zu untersuchen, denn nur ,das hilft uns weiter —, daß eine große Anzahl von höchsten Beamten genau wie von wenig verdienenden Angestellten und Beamten sehr niedrig versichert ist, und zwar deshalb, weil sie aus Gründen des Anspruchs auf Beihilfen eben einen billigen Tarif wählen. Wahrscheinlich haben die Bauern, die einen billigen Tarif wählen und nach Ihrer Auffassung nicht das Notwendige für ihre Familie getan haben, doch Ausreichendes getan, denn nirgendwo ist bisher aus den Unterlagen der Versicherungen festzustellen, ob nicht die 13 % ohne Versicherungsschutz — in meinem Land, in Niedersachsen, das ja auch Ihr Land ist, könnte das durchaus möglich sein; ich rechne auch einige Altershilfeempfänger hinzu — zu jenen Leuten gehören, die behaupten: das brauchen wir nicht. Wenn bei uns dieser Fall eintritt, dann haben wir — wir sind ja Steuerzahler — die Möglichkeit, das über die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4601
Frau KalinkeSteuer abzusetzen. Es wäre also sehr interessant festzustellen, aus welchen Leuten denn dieser Kreis der 13% Nichtversicherten besteht. Bevor wir das nicht genau wissen, nehme ich Ihnen nicht ab, daß das eine Gruppe armer und notleidender Bauern ist. Ich möchte vielmehr annehmen, daß diese Gruppe noch aufzuteilen ist in wohlhabende selbstverantwortlich Handelnde, solche, die grundsätzlich gegen Versicherungsschutz sind, und solche Altershilfeempfänger, über die wir uns — wie ich oft in Wort und Schrift gesagt habe — Gedanken machen müssen, besonders darüber, wie wir sie bei der Fortentwicklung der Altershilfe in der Landwirtschaft oder bei der Reform der Krankenversicherung der Rentner mit einbeziehen. In jedem. Fall werden wir Sozialpolitiker genug Anlaß haben, dieses Thema noch sehr genau zu untersuchen.In .gar keinem Fall aber sollten wir uns das Leitbild des jungen Bauern und des Bauern von morgen anders vorstellen als es ist. Ich glaube, Sie alle stimmen mir zu, wenn ich sage, daß die jungen Bauern in überwiegender Zahl selbstverantwortlich handeln, daß sie von den Möglichkeiten, die ihnen die Sozialversicherung und die Privatversicherung — unser Versicherungsschutz in Deutschland besteht eben aus diesen beiden Möglichkeiten — bieten, im ausreichenden Maße auch für ihre Familien Gebrauch gemacht haben. Das läßt doch hoffen, daß die jungen Bauern als selbständige Unternehmer unternehmerisch zu denken lernen — das ist doch auch der Sinn alles dessen, was eben auch mein Kollege Ritz gesagt hat — und damit auch selbstverantwortlich zu handeln wissen. Das scheint viel überzeugender als der Ruf nach immer mehr staatlichem Zwang.
— Aber nein! Noch habe ich niemand gesehen, der pflichtversichert in einer RVO-Kasse war und der deshalb selbständiger, risikobereiter und unabhängiger geworden wäre. Die Unabhängigkeit und die Risikobereitschaft hängen mit einer Zahl weiterer Tatbestände zusammen, mit Eigentum, das wir nicht nur schaffen, sondern auch erhalten wollen, so zum Beispiel mit den Chancen zum Sparen, wobei wir ja hoffentlich übereinstimmen, daß wir sie beibehalten, ja, noch verstärken wollen. Wenn also die Risikobereitschaft junger Menschen auch in der Landwirtschaft zunähme, wenn also nicht so viele abwanderten, sondern sich entschieden, wieder das Risiko als Selbständige zu tragen, dann wäre das für alle Bereiche der selbständigen Unternehmer sicherlich ein Vorteil, wenn wir die erfolgreiche soziale Marktwirtschaft fortführen wollen.Lassen Sie mich zu einzelnen Punkten, die Sie genannt haben, noch dies feststellen. Zum Anteil der Frauen und dem Schutz laut Sozialenquete hat zwar meine Kollegin Frau Griesinger schon Stellung genommen. Ich möchte nur sagen, daß hier wohl eine Lücke des Versicherungsschutzes bei den mithelfenden Familienangehörigen, also bei Töchtern und Tanten, bestehen könnte. Wir wissen, warum das so ist. Hier ist Aufklärung, Aufklärung und noch ein-mal Aufklärung nötig, damit nicht die kommende Generation mithelfender Familienangehöriger — soweit es sie überhaupt noch gibt — in ähnliche Notlagen kommt.Das zweite Problem ist der internationale Vergleich. Heute haben verschiedene Kollegen auf Frankreich hingewiesen. Ich will hier nicht das ganze Problem der französischen Sozialversicherung aufrollen. Man soll aber doch ehrlich sagen, in welchem Maße die französische Pflichtversicherung für Bauern finanziell notleidend ist, was sie kostet, wie hoch die Selbstbeteiligung ist und wie es um die Lage der Ärzte und die Hochrechnungen in Frankreich bestellt ist. Das gehört auch zu einer sachlichen Unterrichtung. Ich denke, wir würden hier alle befriedigter sein, wenn wir möglichst ohne Demagogie auch das Beispiel Frankreich mit seinem Kostenerstattungssystem wie die Beispiele anderer Länder so nüchtern diskutieren und so sachlich, wie sie diskutiert werden müssen.
Vor Illusionen muß auch hier gewarnt werden!
Herr Kollege Berberich hat natürlich Recht, daß wir noch lange brauchen werden, bis wir eine wirklich handfeste, vergleichbare Unterlage über die Sozialpolitik und ihre Wirkungen in der EWG haben. Ich brauche dem nur hinzuzufügen, was die Sozialenquete auch bestätigt hat: Es gibt kein Land der Welt, in dem so vorbildlich kostenlose Familienhilfe geleistet wird, die wir bejahen und die wir erhalten wollen, wie in unserer Sozialversicherung, und damit gibt es keine Konkurrenz für unser ganzes Versicherungssystem!Es würde für Sie und für uns alle sicher sehr interessant sein, auch die Frage zu untersuchen, wieviel Beiträge die Landwirte wirklich selbstverantwortlich zahlen. Darüber gibt es eine ganze Reihe sehr interessanter Untersuchungsergebnisse, die auch der Agrarsozialen Gesellschaft vorliegen dürften. Wie unterschiedlich die Strukturen sind, wird die Kollegen interessieren, die aus diesen Gebieten kommen. In Viechtach z. B. bezahlen 70 v. H. der Familien nur 20 bis 30 DM an Beiträgen — bzw. können soviel zahlen —, in Celle 55 bis 60 v. H. 50 bis 70 DM, und in einem anderen Gebiet betragen nach den Untersuchungsergebnissen die Beitragssätze mehr als 70 DM. Der Durchschnittsbeitrag in der privaten Krankenversicherung ist 62,36 DM, in der gesetzlichen Krankenversicherung 42,27 DM, wenn es sich um Vollversicherungen für einen 3,3-Personenhaushalt handelt. Ich glaube, der Durchschnittshaushalt, Herr Kollege Frehsee, besteht aus 3,3 Personen, und die 4 Personen, von denen die Agrarsoziale Gesellschaft ausgeht, erfordern eine Umrechnung, damit wir in ein einigermaßen richtiges Verhältnis kommen.Ich wiederhole, was Kollege Berberich hier als seine Meinung vorgetragen hat, daß wir nämlich das Problem der Altenteiler und der mithelfenden Familienangehörigen sehr gründlich untersuchen müssen, daß wir überlegen müssen, ob wir das Modell der Krankenversicherung der Rentner in anderer, u. U. in modifizierter Weise übertragen kön-
Metadaten/Kopzeile:
4602 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Frau Kalinkenen. Daß Ihre Kollegen in der SPD, Herr Kollege Frehsee, nicht bereit sein werden, einer Pflichtversicherung dieser Bauern in der Risikogemeinschaft der Arbeitnehmer zuzustimmen, möchte ich mir vorstellen. Dieses Problem sollten wir also hier gar nicht erst ansprechen, weil es zu anderen gefährlichen Auseinandersetzungen führen würde, die im Interesse der sozialen Sicherheit unserer Landwirtschaft niemand wünschen kann.Ich darf auch in der Kürze der Zeit — ich wollte hier keinen fertigen Vortrag, sondern nur einen Diskussionsbeitrag leisten — noch auf eine Frage antworten, die mir in diesen Tagen von der Agrarsozialen' Gesellschaft gestellt wurde. Die Agrarsoziale Gesellschaft hat 1952 in Altenberg bei Köln einmal sehr interessante Forderungen erhoben. Sie hat gesagt, das gesamte berufsständische und dörfliche Leben müßte von einem verantwortungsbewußten demokratischen Selbstverantwortungswillen erfüllt sein, von einer Abkehr vom Staatsgedanken, der nur von Interessengruppen beherrschten Demokratie. Die wichtigste Forderung sei aber, wie Pastor Döring in der Agrarsozialen Gesellschaft und in ihrem Namen betont hat, ein christliches Verantwortungsbewußtsein, aus dem auch der Auftrag für die soziale Sicherung für jedermann erwachse. Es ist eben die Frage, Herr Kollege Frehsee, ob die Agrarsoziale Gesellschaft, die neuerdings, jedenfalls in ihrer Diktion mit Ihrem Sozialplan so weitgehend übereinstimmt, noch diese Auffassung von damals hat. Wenn sie diese noch hat, darf ich hier in aller Öffentlichkeit des Deutschen Bundestages erklären, daß ich dieser Auffassung von 1952 im Interesse eines freien, sich wirtschaftlich entwickelnden und sozial gesicherten Bauernstandes und seiner Familien zustimmen würde.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie eine kleine Zwischenbemerkung. Ich habe nachträglich erfahren, daß Herr Dr. Ritz vorhin seine Jungfernrede gehalten hat. Neben anderen Qualitäten hatte sie eine, die wir bei solchen Debatten besonders anstreben sollten: sie war kurz und hat nur acht Minuten gedauert. Herzlichen Glückwunsch!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stark.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mir an meinem Kollegen Ritz bezüglich der Kürze meiner Ausführungen ein gutes Beispiel nehmen. Ich habe mich aber nicht deshalb zu Wort gemeldet, um hier zum erstenmal reden zu können, sondern weil ich fünf Jahre auf dem Gebiet tätig war, über das die verehrte Frau Kollegin Kalinke jetzt so sachkundig gesprochen hat. Ich war fünf Jahre Sozialreferent eines Landesbauernverbandes, und, verehrte Frau Kollegin, nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich in manchen Dingen die hier angeschnitten wurden, aus der Erfahrung heraus, nicht nur auf Grund von Berichten, etwas anderer Meinung bin als Sie.
Es ist ganz zweifelsfrei, daß im Bereich der Agrarpolitik der Ausbau der sozialen Sicherung eines der positivsten Elemente der letzten zehn Jahre war. Ich sage das aus der Erfahrung in einem mittel- und kleinbäuerlich strukturierten Gebiet, Baden-Württemberg. Ich möchte es ganz prononciert sagen, Frau Kalinke: Dadurch, daß unsere Landwirte jetzt Altersgeld bekommen und Pflichtbeiträge leisten, fühlen sie sich in keiner Weise unfreier.
Ich habe erlebt, wie segensreich sich diese Altershilfe bei unseren Landwirten ausgewirkt hat.
Herr Kollege, haben Sie erstens aus meinen Ausführungen etwa entnommen, daß sich die Landwirtschaft unfrei fühlt, weil sie diese soziale Sicherung hat, und ist Ihnen zweitens bekannt, daß die Struktur in Deutschland völlig unterschiedlich ist und Sie in Baden-Württemberg nicht den Prototyp des freien selbständigen Bauern darstellen können, der unserer Struktur in Niedersachsen entspricht?
Frau Kalinke, das letzte ist mir bekannt. Im ersten kann ich Ihnen nicht ganz zustimmen. Hier haben Sie Freiheit und Selbstverantwortung viel zu ideologisch behandelt. Ich kann Ihnen aus der Praxis heraus sagen — wir kommen gleich noch zur Krankenversicherung —: die Altershilfe ist eine ausgezeichnete Sache. Der Ausbau der Unfallversicherung ist ebenfalls eine ausgezeichnete Sache. Wir brauchen zur Abrundung dieser sozialen Sicherung auch irgendeine Art von Pflichtversicherung oder eine andere Art der Einbeziehung des Krankenschutzes in die soziale Sicherung.
Ich kenne die Untersuchung dazu sehr genau. Es gibt auch eine Doktorarbeit eines Kollegen von mir aus der jüngsten Zeit über 400 Betriebe, die alle Aspekte der sozialen Sicherung behandelt, z. B. was in die Betriebe hineinfließt und was herauskommt, die Arbeit von Dr. Gutmann aus Freiburg. Es ist zwar so, daß unsere Bauern bei uns in Baden-Württemberg zu 87% versichert sind. Aber, verehrte gnädige Frau Kalinke, sie sind zum großen Teil unterversichert. Ich habe es doch erlebt, wie dann die Bauern bei mir auf dem Sozialreferat ankamen. Eine Operation mit 2000 DM, und es geht an die Substanz der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe.
— Frau Kalinke, deshalb ist es in Baden-Württemberg bereits so gut, weil ich fünf Jahre auf diesem Gebiet gewirkt habe.
Ich würde also Sie, Herr Minister, inständigst bitten: Lassen Sie sich von diesen Dingen nicht abbringen! Treten Sie auch entschieden gegen Ihren Kollegen Franz Josef Strauß auf, wenn er die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4603
Dr. Stark
Defizithaftung bei der Alterskasse abschaffen will. Wenn wir für die soziale Sicherung im übrigen Bereich 9 Milliarden DM Zuschuß bezahlen, dann ist das in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung angelegte Geld eine vernünftige Beihilfe für die Landwirtschaft.Frau Kalinke, wir müssen die Dinge doch ganz real sehen. Es geht letztlich auch um die Kosten in unserer Landwirtschaft. Alle, die sachkundig auf diesem Gebiet sind, sind sich darüber klar, daß die deutsche Landwirtschaft ohne Hilfen nicht auskommt. Da können Sie noch soviel gegen Subventionen in der Öffentlichkeit und überall sagen. Es geht lediglich darum, daß die Hilfen nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern vernünftig und gezielt angelegt werden. Da bietet sich die soziale Sicherung geradezu an. Herr Minister, ich bitte Sie inständigst: Kommen Sie sehr bald mit einem Gesetzentwurf zu einer Einbeziehung der Landwirte, vor allem auch der Altersrentner, in die Krankenversicherung. Über die Form, Frau Kalinke, werden wir uns dann sehr lange unterhalten müssen, ob eine Pflichtversicherung oder eine Versicherungspflicht und wie man das gegenüber den anderen, den freiwilligen Versicherungen abgrenzen will. Ich weiß, daß es hier sehr potente Versicherungen gibt.Lassen Sie sich noch eines sagen. Bei der Einführung der Altershilfe hieß es: Das ist der Ruin der freiwilligen Vorsorge. Das Gegenteil ist eingetreten. Fachleute auf diesem Gebiet werden Ihnen sagen: Dadurch wurde der Versicherungsgedanke im Bereich der Landwirtschaft erst richtig geweckt, und heute schließen wir mehr Zusatzverträge ab, als wir vorher abgeschlossen haben.Wir sollten diese Dinge nicht allzu ideologisch, sondern ganz nüchtern und sachlich betrachten. Die Altersversicherung, die Unfallversicherung und die Betriebshelfer, die wir eingeführt haben, haben sich sehr bewährt. Ich habe zwei Jahre lang Betriebs-heifer einzusetzen gehabt. Ich kann ihnen sagen, das ist eine sehr vernünftige und notwendige Einrichtung, da doch die ganze Entwicklung vor allem bei uns in Baden-Württemberg praktisch auf den Einmannbetrieb zuläuft. Ich bitte Sie in diesem Sinne, lassen Sie sich durch alle Unkenrufe nicht davon abbringen. Wir werden dann miteinander beraten, wie wir die Sache vernünftig machen können.
Meine Damen und Herren, auch das war eine Jungfernrede. Sie wurde völlig frei gehalten. Nicht zuletzt deswegen hatten Sie ja, Herr Dr. Stark, das Ohr des Hauses.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese sehr gründliche Debatte hat eine ganze Reihe von interessanten Anregungen gebracht, und es sind Fragen gestellt worden. Ich will sowohl zu den Anregungen als auch zu den Fragen ganz kurz Stellung nehmen.Ich darf mit einer Bemerkung beginnen, die Herr Kollege Bauknecht gemacht hat, und zwar hat er das bekannte und bedeutsame Beispiel der Flächengröße der amerikanischen Betriebe aufgegriffen. Es gibt nämlich auch bei uns eine Art Irrlehre, nach der geglaubt wird, es wäre möglich, allein durch Aufstockung der Fläche und ihrer immer weiteren Ausdehnung die agrarpolitischen Fragen zu lösen. Das amerikanische Beispiel, das ja ebenfalls auf dem Familienbetrieb beruht, genauso wie der Familienbetrieb das Modell und das Ideal der EWG-Gemeinschaft ist, zeigt, daß hier keine Lösung zu finden ist. Das ergibt sich schon aus einer einfachen betriebswirtschaftlichen Betrachtung: es ist nicht möglich, eine so große Vielfalt mit soviel Beziehungspunkten, wie sie ein landwirtschaftlicher Betrieb darstellt, durch Bewegung eines einzigen Elementes zu lösen, sondern hier kann nur in einer Zusammenschau und in einer gegenseitigen Abwägung der gesamten Faktoren die Lösung gesucht werden. Eine ganz einfache betriebswirtschaftliche Überlegung zeigt, daß die Kostendegression sehr rasch ein Ende findet und die Kostenfunktion dann geradlinig verläuft. Ich bin sehr dankbar für diesen Hinweis, weil wir hier einige Dinge und Überlegungen richtigstellen können.Was Sie, Herr Kollege Bauknecht, zu dem Problem der Preise gesagt haben, veranlaßt mich doch zu einer grundsätzlichen Erklärung. Es kann überhaupt gar keinen Zweifel geben, daß nicht nur in der gewerblichen und in der industriellen Wirtschaft, sondern auch in der Landwirtschaft der Preis das entscheidende Steuerungsmittel ist. und für alle Zukunft bleiben muß,
und zwar bestimmt der Preis, nicht nur für sich isoliert gesehen, sondern der Preis in seiner Relation und in seiner gegenseitigen Steuerungsfunktion, den ganzen Ablauf des landwirtschaftlichen Geschehens, weil es sich hier um einen ökonomischen Vorgang handelt.Wie auch bei anderen Preisen und Kostenfaktoren in der übrigen Wirtschaft, die z. B. durch staatliche und andere Tarife gestaltet werden, haben wir hier zusätzlich noch administrative Preise neben den Marktpreisen. Dieses Nebeneinander macht die Sache so außerordentlich kompliziert und außerordentlich schwierig. Auch dort, wo wir aus einer politischen Entscheidung heraus mit Rücksicht auf viele Gesichtspunkte — auf den Verbraucher in seiner breiten Masse, auch in seiner Ausprägung als Empfänger eines bescheidenes Einkommens — administrative Preise setzen, sind wir gehalten, auch die ökonomische Seite zu beachten, wenn wir nicht am Schluß scheitern wollen oder uns bereit finden, das zu ergänzen, was wir glauben aus politischen Gründen nicht durchführen zu können.Nun zu dem, was Sie über den Getreidepreis und die bevorstehenden Ereignisse sowie die Auswirkungen auf die Veredelung und die Veredelungspreise gesagt haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine Frage, die — glaube ich — heute niemand gültig beantworten kann. Es hat
Metadaten/Kopzeile:
4604 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Bundesminister Höcherlauch in der Debatte Widersprüche gegen die Behauptung gegeben, daß die Getreidepreise nun sofort in die getreideabhängige Veredelungspreissituation durchschlagen. Das muß meines Erachtens abgewartet werden, weil es sehr, sehr schwer ist, eine Preisentwicklung aus einem Faktor, auch wenn er einen sehr großen Kosteneinfluß hat, abzuleiten. Das muß abgewartet werden, weil daneben der Markt, weil daneben viele, viele andere Umstände, vor allem moderne Fütterungsmethoden und Lohnentwicklungen, eine große Rolle spielen. Ich glaube, daß die Verpflichtung, die nach wie vor besteht, auch hier einen Ausgleich zu bringen — wir haben eine gesetzliche Verpflichtung dafür eingeführt —, noch nicht etatreif ist, soweit dieser Tatbestand in Betracht kommt, sondern daß wir die Etatreife abwarten müssen. Ich glaube, daß wir im Frühjahr 1968 in der Lage sein werden, praktische Folgerungen aus einer Erfahrung zu ziehen, über die wir heute noch nicht verfügen.Dann darf ich einen weiteren Punkt aus Ihrem Beitrag herausgreifen, Herr Kollege Bauknecht, nämlich die Frage der Löhne. Die landwirtschaftlichen Löhne haben sich insgesamt verdreifacht, obwohl nur eine relativ bescheidene Zahl von Betrieben Dauerarbeitskräfte auf Lohnbasis hat. Viele Betriebe haben in einem viel höheren Maße Arbeitskräfte, die sie zeitweise auf Lohnbasis beschäftigen.Die landwirtschaftlichen Löhne haben meines Erachtens nicht nur dazu beigetragen, technische Entwicklungen auszulösen, sondern die Lohnentwicklung macht viele Betriebssysteme unmöglich. Größeren Betrieben ist es heute nicht mehr möglich, mit Fremdarbeitskräften Intensivsysteme aufzuziehen. Auch kleinere Betriebe werden von dieser Seite her gesteuert. Wir müssen uns überlegen, ob in der eben genannten Entwicklung nicht eine. große Gefahr liegt. Ich will sie nur ganz kurz andeuten, denn die Zeit reicht nicht für eine gründliche Auslotung dieses Problems.Es kann keinen Zweifel geben, daß die Betriebsvereinfachung, die Schwerpunktbildung — oder wie Sie es nennen wollen — und gewisse Spezialisierungen dazu führen, daß insgesamt gesehen das Angebot geringer wird. Das wird das Endergebnis sein, weil eben die Löhne nicht verdient werden können. Hier kommen Entwicklungen, die wir ganz intensiv beobachten müssen. Dann wird sich vielleicht das bestätigen, was Bevölkerungspolitiker und Statistiker voraussagen, daß wir in eine unabsehbare Nahrungsmittelsituation hineingeraten angesichts der Entwicklung und der Ansprüche, die wir an unsere Ernährung stellen. Das sollten wir bei dem Problembereich berücksichtigen, den Sie hier herausgegriffen haben.Vielleicht noch eine Bemerkung zu den 260 Millionen DM aus der Anpassungshilfe, die gekürzt werden mußten. Ich glaube, daß zu diesem Thema doch etwas zu schnell gesprochen worden ist. Ich darf Sie daran erinnern, daß dieses Anpassungsgesetz befristet ist und daß es nur eine kurze LebensBetrag.Ich würde an Ihrer Stelle dieses Thema nicht anrühren, sondern ich würde mich mit der Frage befassen, wie man den Haushalt anders ordnen und anders einteilen kann. Ich würde nicht von Anpassungshilfen und nicht von diesen 260 Millionen DM sprechen. Da könnten am Schluß — ich habe dringenden Anlaß, das zu erwähnen — im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung recht unangenehme Überraschungen herauskommen. Ich bin keineswegs glücklich, daß jeder hier im Hause und draußen diese Frage, die wegen ihrer Befristung unangenehme Seiten hat, in dieser Form behandelt. Ich könnte Unterlagen vorlegen, aus denen sich ergibt, daß es im Finanzbereich Vorschläge gibt, in denen steht: Die 260 Millionen DM werden natürlich nachgezahlt; das Gesetz wird erfüllt, und dann läuft es aus. Das ist die Situation. Ich darf Sie bitten, hier recht vorsichtig zu taktieren. Dann zu dem Thema der Verlagerung der 585 Millionen DM. Das ist eines der ungelösten Finanzprobleme aus dem EWG-Bereich. Diese Finanzprobleme bestehen für die Bundesrepublik in mehrfacher Beziehung. Wir sind nun einmal auf Grund unserer Ernährungsbasis ein klassisches Zuschußland. Deswegen sind wir nach der Konstruktion des Vertrages verpflichtet, immer höhere Leistungen als das zu erbringen, was wir umgekehrt wieder zurückbekommen. Das wird erst dann anders, wenn der ganze Vorgang nicht mehr über politische Grenzen geht. Heute ist es so, daß sich diese Dinge auch politisch nur sehr schwer verkraften lassen, wenn wir z. B. jährlich eine Milliarde oder eineinhalb Milliarden in diesen gemeinsamen Topf — vor allem zugunsten von Frankreich und anderen Exportüberschußländern — bezahlen müssen. Wenn sich einmal erfüllt — so ist der Vertrag angelegt —, daß aus der ökonomischen Integration eine politische folgt, dann ist es so, wie wenn wir hier in der Bundesrepublik Leistungen nach Schleswig-Holstein oder nach Baden-Württemberg erbringen. Solange das nicht der Fall ist, gibt es politische Hindernisse. Viele Erwartungen, vor allem die aus dem Jahre 1964, haben sich nicht erfüllt. Ich möchte deswegen aber keinen Stein auf die Menschen werfen, die damals von der Erwartung einer politischen Integration ausgegangen sind und unter diesem Stern gehandelt haben. Ein solcher Vorgang geht in Stufen vor sich mit entsprechenden Rückschlägen. Ich möchte sogar sagen: Rückschläge sind ein Zeichen dafür, daß hier etwas Lebendiges, biologisch Faßbares vor sich geht, und ich gebe die Hoffnung nicht auf, weil ich sonst glauben müßte, es gebe überhaupt keine Hoffnung für das ganze Unternehmen, was wir „Europa" nennen. Das wollte ich zu dieser Frage sagen.Ich komme nun zu der Frage der Subventionen ganz allgemein. Meine verehrten Anwesenden, das Wort „Subvention" oder der Begriff „Subvention" ist mit soviel täuschendem Inhalt erfüllt und ist so ungenau, daß es geradezu zu einem politischen Diskriminierungsmittel geworden ist. Ich nehme es ungern in den Mund. Ich darf Ihnen aber doch einmal
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4605
Bundesminister Höcherleinige Zahlen sagen, um die Dinge klarzustellen. Dann soll jeder andere Berufszweig einmal bei sich eine Gewissenserforschung veranstalten.
Die direkt einkommenswirksamen Maßnahmen aus dem Grünen Plan und aus der Anpassungshilfe betragen im Jahre 1967 551 Millionen DM. Das andere sind Gemeinschaftsleistungen oder ist zur Verbrauchersphäre oder zu den Sozialleistungen zu rechnen. Daraus ersehen Sie, daß auch hier Ordnung gehalten wurde und die Relationen nicht zu stark, sondern eher zu schwach ausgefallen sind. Wenn ich die Zahlen — ich habe sie kürzlich in einer Kabinettsberatung vortragen können — der Subventionsleistungen in anderen vergleichbaren Staaten nenne, werden Sie erkennen, daß Sie sich auch nicht verausgabt haben. So ist die Situation; das zur Steuerung der Wahrheit.
— Der Tag hat 24 Stunden; man kann noch die Nacht dazu nehmen.
— Es gibt den Berufsstand, und es gibt viele Einrichtungen, die ganz vorzügliche Arbeit in diesen Fragen leisten können. Man könnte viele andere Maßnahmen einsparen und könnte hier etwas tun; ich weiß nicht, ob das nicht auch sehr gut wäre. Wir sollten die Kräfte verbinden, die eigenen und die anderen, meine ich.Zur Frage des Dieselöls möchte ich folgendes sagen. Ich muß mich also „entschleiern".
Ich bin ja froh, daß man es nicht wörtlich gemeint hat, sondern nur im übertragenen Sinne. Ich käme sonst in eine sehr unangenehme Situation.
Lieber Kollege Ertl, ich darf Ihnen und auch allen anderen Fragestellern zur Frage des Dieselöls folgendes sagen. Wir haben — prozeßmäßig gesehen — jetzt den Antrag der FDP vor uns. Dieser Antrag der FDP ist schon im Ausschuß. Er ist zurückgestellt worden, bis die Bundesregierung eine Erklärung dazu abgibt. Gestern ist diese Erklärung formuliert worden. Es geht um den nicht ganz kleinen Betrag von 400 Millionen DM angesichts der unerhörten Maschinenausstattung und des großen Maschinenbesatzes, den wir haben. Diese 400 Millionen DM müssen in die Zukunft hinein geplant werden. Sie hören ja auch das dunkle Grollen in der gegenwärtigen finanzpolitischen Situation. Ich bitte, das ernster zu nehmen, als es sich gelegentlich anhört.Das ist alles noch etwas psychologische Kriegsvorbereitung. Ich muß Sie aber darauf hinweisen, daß hier ernste Überraschungen auf uns zukommen werden. Ich werde noch bei meiner Antwort an Herrn Logemann Gelegenheit haben, eine kleine Äthiologie, eine kleine Entstehungsgeschichte, beizutragen. Wenn das Hohe Haus zustimmt, werden wir jedoch ab 1. November dieses Jahres Dieselöl mit Gutscheinen steuerfrei beziehen können, ohne daß es mit einem time-lack von einem Jahr verrechnet werden muß. Es wird bis zum 1. Juli in der bisherigen Form bezahlt. Es werden aber auch die Leistungen bezahlt, die im Rahmen der Ernte bei einem natürlichen Vorrat angelegt werden, so daß ich glaube, daß man mit dieser Lösung — —
— Zwischen dem 1. Juli und dem 1. November wird nicht bezahlt. Aber was Sie am 1. Juli haben und was bis zum 1. November reicht, wird dann auch bezahlt, wenn Sie es ganz genau wissen wollen, Herr Ertl.
Herr Kollege Bauknecht, Sie haben eine retardierende Freude zum Ausdruck gebracht. Die Worte „Freude" und „retardierend" wiedersprechen sich etwas. Ich verlange von Ihnen nicht, daß Sie angesichts der .Entscheidung von 259 DM in ein Halleluja ausbrechen. Aber es war doch so, daß wir 265 als oberste Grenze und 250 als unterste Grenze hatten. 265 ist der Orientierungspreis — keineswegs der Marktpreis —, der im Jahre 1968 den gemeinsamen Rinderorientierungspreis der Gemeinschaft darstellen soll. Ich glaube, es war eine vernünftige Lösung, die nach vielen Seiten — handelspolitischen Seiten, verbraucherpolitischen Seiten — überlegt werden mußte, daß wir auf 259 gekommen sind. Das ist die Mitte zwischen den beiden Grenzen. Holland ist bei 249 und muß den Sprung auf 265 machen. Es gibt viele, viele Interessen. Was wirklich schadet, ist das Übermaß.
— 259! Die offizielle Marge — ich habe mich nicht versprochen, Herr Bauknecht —, die Schere der Kommission geht von 250 auf 265.Nun ist noch vom Obst und Gemüse gesprochen worden, in kritischer Weise auch vom Herrn Kollegen Schmidt. Ich darf dazu folgendes sagen: Die Schutzklausel wird bereits angewandt, wo es notwendig ist. Ein aktueller Fall liegt nicht vor. Erfreulicherweise weist der Grüne Bericht aus — ich habe das vor allem auch auf die Ausbildungsleistungen zurückführen können —, daß die Obst-und Gemüse-Situation für die Betriebe doch recht günstig ist.Was die Frage der Erzeugergemeinschaften betrifft, darf ich später darauf zurückkommen und mich sofort Ihnen, Herr Dr. Schmidt, zuwenden: Sie haben geistige Adoptivkinder bei mir entdeckt. Auch die FDP hat das entdeckt. Nun, ich gestehe, daß ich sogar dankbar wäre, wenn ich eine reichhaltige Zahl von Adoptivkindern aufnehmen könnte. Ich habe einige aufgenommen, und Sie werden entschuldigen, daß ich gelegentlich auch selber nachdenke, und es fällt mir — ganz selten, aber gelegentlich — doch etwas .ein.
Was mir nicht einfällt, das muß meinen Mitarbeitern — tüchtigen und erfahrenen Leuten — einfallen.
Metadaten/Kopzeile:
4606 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Bundesminister HöcherlIch habe sechzehn Forschungsinstitute, die sich ebenfalls um meine geistige Entwicklung bemühen.
Professoren der Hochschulinstitute stehen mir bereitwillig zur Verfügung. Aus diesen gemeinsamen Möglichkeiten und Quellen schöpfen wir. Ich bekenne es: der geringste Teil stammt von meiner eigenen Leistung. Ich darf mich bei allen beteiligten und hilfreichen Kräften herzlich bedanken.
Dem Herrn Kollegen Dr. Schmidt wurde von der Opposition der Vorwurf gemacht, er habe heute eine Kehrtwendung vollzogen, indem er sich sehr liebenswürdig gegenüber dem Landwirtschaftsminister gezeigt habe. Nun, das war auch im letzten Jahr, als wir noch auf Oppositionsbasis verhandelten, eigentlich schon recht erträglich, muß ich sagen. Es ist mit Ihnen schon auszukommen, — nicht immer, aber — —
— Nun ja, gegenseitig meine ich das.Herr Kollege Schmidt, Sie haben dann vor allem auch die Umbuchungsmethoden im Grünen Haushalt angesprochen. Ich habe es selbst gestern vorgetragen, daß wir eine neue Form finden müssen, die von der Sache bestimmt wird, eine sachbezogene Einteilung, die jedem auch die Entwicklung der Agrarpolitik zeigt, seien es strukturelle Maßnahmen in der Außenwirtschaft, in der Innenwirtschaft oder seien es Marktstrukturmaßnahmen, sozialer Sektor usw. So muß der nächste Grüne Plan ausschauen. Es wird natürlich wieder Vorwürfe geben, weil die Vergleichbarkeit fehlt. Wenn ich aber die Wahl zwischen der Vergleichbarkeit und einem höheren Grad der Wahrheit habe, neige ich mich als Bayer dem höheren Grad der Wahrheit zu.
Dann ein Wort zu den Schätzungszahlen, die Sie beanstandet haben, Herr Dr. Schmidt. Es ist natürlich richtig, daß eine ganze Reihe von Schätzungen benutzt worden sind. Ein Verfahren, das auf 8000 Testbetrieben aufbaut und das Ergebnis auf 250 Seiten zusammengefaßt, kann ja gar nicht anders als mit Schätzzahlen operieren, vor allem der Teil, der die Vorausschau in das nächste Wirtschaftsjahr enthält, wo wir erst die Daten der ersten Hälfte haben, oder Lohnvergleiche usw.; das sind zwangsläufig geschätzte Zahlen.Was die Bestandsaufnahmen im EWG-Sektor bei. trifft, bin ich Ihrer Meinung. Wir müssen diese Bestandsaufnahmen machen, sie dem Hohen Hause vorlegen und sie laufend fortschreiben, schon um selber immer zu wissen, wie die Lage ist.Noch eins: Das Wort, das dem Ministerpräsidenten meiner engeren Heimat zugeschrieben wird: „Bauer kann bleiben, wer es will", ist aus dem Zusammenhang gerissen. Das muß so gesehen werden, daß derjenige, der seine Fläche bewirtschaften will, ganz gleich, in welcher Größenordnung, das tun kann, das kann ihm niemand verbieten, und wirwollen es ihm gar nicht verbieten. So ist das zu sehen. Wenn man das aus dem Zusammenhang herausreißt, kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, die Ihnen ja ganz fern liegen, Herr Kollege Dr. Schmidt.Sie haben den Standpunkt vertreten, daß wir dem Schwerpunktprogramm auf dem inneren Sektor ein Schwerpunkt- und Aktionsprogramm in der EWG gegenüberstellen sollten. Sie haben recht. Ich darf Ihnen aber folgendes sagen: in den letzten Verhandlungen des Sonderausschusses sind sehr schwierige Fragen aufgeworfen worden, und zwar befürchtet man mit Recht, daß man mit all den Vorbereitungsmaßnahmen, die man noch zum 1. Juli braucht, angesichts der sehr schleppenden Verhandlungsweise nicht mehr zu Rande kommt. Das ist eine ganz ernste Gefahr, so daß für andere Arbeit kaum Zeit bleibt. Ich werde einen größeren Teil meiner Zeit in Brüssel verbringen müssen, um dort tatsächlich das zu verwirklichen, was wir beschlossen haben.Zum Agrarexport: Sie haben recht, auch der Agrarexport verlangt eine Planung. Sie wissen, daß wir in ganz kurzer Zeit beachtliche Erfolge erzielen konnten. Wir haben hier dem sehr rührigen und tätigen Leiter dieser Gesellschaft, Herrn Fahrnschon, sehr viel Initiative und große, zunehmende Erfolge zu verdanken.Hier kommt noch etwas Besonderes hinzu. Es ist die Frage gestellt worden, ob das ein echter Agrarexport sei, ein Agrarexport, der sich aus ökonomischen Notwendigkeiten ergibt, oder ob er nur eine Verkehrsbewegung darstelle. Ich glaube nicht, daß hier überflüssigerweise Waren bewegt werden, nur weil es Gewohnheit ist oder weil hier gewisse Verdienstmöglichkeiten, die für uns alle nicht uninteressant sind, zur Debatte stehen. Hier zeichnet sich vielmehr — z. B. aus der Tatsache, daß wir für 30 Millionen DM Käse nach Frankreich, in dieses klassische Käseland, liefern — eine Entwicklung ab, die in den großen Spezialitätenaustausch, der heute weltweit stattfindet, hineinreicht. Es ist kein Zweifel, daß einige revierferne Gebiete, sei es im Norden, sei es im Osten und Südosten, Schwierigkeiten haben werden und daß sich dort ganz neue Handelsströme entwickeln müssen, wenn gemeinsame Preise mit den Frachtunterschieden und den weiten Entfernungen von den Hauptverbrauchergebieten zur Debatte stehen.Was die Frage der Frachthilfe für Getreide betrifft, so habe ich diese Frage wiederholt angeschnitten und habe sie immer zum Antrag erhoben. Dieser Antrag steht noch, er ist noch nicht entschieden. Dasselbe gilt für die Braugerste. Wir möchten die Erlaubnis bekommen, im Rahmen der Beihilfenpolitik und der Beihilfenregelung einen Qualitätszuschlag zu machen. Ich habe keinen Zweifel, daß wir diese Erlaubnis auf nationaler Basis bekommen. Damit ist das Problem aber noch keineswegs erschöpft, sondern es entsteht neuerdings mit dem Finanzminister.Was nun die Fragen der ganzen Beihilfenregelung betrifft, so sind wir mit diesem Problem ziemlich weit gekommen. Es gibt noch einige ausstehende Probleme, die wir an einem Tage lösen könnten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4607
Bundesminister HöcherlDann, meine Damen und Herren, beginnt für unseren Bundeshaushalt und für die Haushalte aller Länder auf dem Agrarsektor eine neue Basis und eine neue Rechtsordnung. Dann gibt es keine Beihilfen mehr, die nicht in dieses Schema passen. Wir haben eine sehr umfassende Übersicht, ein viele Seiten umfassendes Buch aller Beihilfen in den anderen Ländern, und Sie dürfen überzeugt sein, daß wir Obacht geben und hier versuchen, auch Ihrem Wunsche hinsichtlich Obst und Gemüse zu entsprechen. Bei Obst und Gemüse wird fast ein Glaubenskampf ausgefochten, ob man Erzeugergemeinschaften mit staatlicher Subvention zulassen solle oder nicht. Ich bin gar nicht gegen Erzeugergemeinschaften. Jeder mag sie auf jedem Gebiet bilden. Wir haben sie schon weitreichend unterstützt und haben viele ins Leben gerufen. Eine andere Frage ist, was Sie mit dem Landhandel machen. Wenn die Erzeugergemeinschaften in den Handelssektor gehen, weil das naheliegt, dann wird die Sache kompliziert, dann berührt es die Gleichbehandlung.Sie haben hier ein Marktstrukturgesetz vorgelegt. Die kurze Zeit, die mir geblieben ist, es etwas zu studieren, zeigt mir, daß Sie sehr wohl überlegt haben, daß die Subventionen nicht in den Handelssektor hineinreichen sollen. Eine interessante Lösung, die ich durchaus goutiere. Aber sie muß in den Rahmen hineingepaßt werden, den wir zur Zeit in Brüssel fertigen. Wir haben ja die Vorlage, und auch hier sind sehr interessante Lösungsmöglichkeiten mit weitgehender nationaler Ausfüllungsberechtigung vorgelegt worden. Ich halte das für interessant und glaube, wir könnten auch aus den Überlegungen des früheren Marktstrukturfondsgesetzes all das zusammen in eine Gemeinschaftslösung binden. Ich halte das durchaus für aussichtsreich und . für erfolgreich. Aber ich glaube, noch viel wirksamer ist das, was ich einmal in der Heimat des Kollegen Bauknecht bei der Obstverwertung gesehen habe. Dort zwingt allein die Tatsache der genossenschaftlichen Verwertung in ihrer Rückstrahlung zur Qualitätsproduktion, weil der Produzent dieses enge Tor der Vermarktung sonst gar nicht durchschreiten kann. Ich glaube, das wäre eine noch billigere und noch einfachere Form als dieser Perfektionismus, für den wir Deutsche ja, wie gesagt, eine klassische Neigung haben.Herr Kollege Logemann, Sie haben heute die Opposition angeführt. Das haben Sie mit Eleganz und mit großem Geschick gemacht. Sie sind aber in einer schwierigen Lage, und zwar deswegen, weil Sie und Ihre Freunde ja lange Jahre hindurch, etwas wankelmütig, auf und ab in einer Wellenbewegung, diese bisherige Agrarpolitik mitgetragen haben. Jetzt ist es natürlich furchtbar schwer für Sie — die Dinge sind noch gar nicht so alt, ich möchte sagen: noch taufrisch —, nun wirklich überzeugende Opposition zu machen. Was Sie aber daraus gemacht haben, ist aller Anerkennung wert.
Ich darf nun zu Ihren Fragen und zu Ihrer Kritik — das ist Ihr gutes Recht — Stellung nehmen. Siehaben erklärt, ich .hätte eine ganz merkwürdige Neigung an den Tag gelegt, mir passe die Berufsbezeichnung nicht mehr — Sie nennen mich „Landwirtschaftsminister" —, und ich hätte in der „Raiffeisen-Rundschau" auf eine Frage, welche Abkürzung mein Haus nehmen solle, ob „E" oder „L" — Sie kennen alle diese verschiedenen Abkürzungen, wir haben eine Inflation davon, kein Mensch findet sich mehr zurecht —, mich geäußert, man könne es so machen, man könne es aber auch anders machen, mir sei es vollständig egal. Es war mir ein ganz anderer Ausdruck auf der Zunge gelegen, aber ich habe ihn noch einmal zurückhalten können. Es ist mir vollkommen egal. Ich habe gesagt: „Ernährungsminister ist eigentlich ganz schön. Einmal ist es die erste Bezeichnung im Rahmen dieses Dreiklangs, und zweitens habe ich den Standpunkt vertreten, daß die Landwirtschaft ihren Rang und ihre Würde aus ihrer großartigen Ernährungsleistung ableitet. Dem Verbraucher gefällt es auch ganz gut, mit dem haben wir sehr oft und sehr viel zu tun, und ich glaube, sie schneiden dabei gar nicht schlecht ab. Eine Distanzierung, Herr Kollege, die Sie da herauslesen, liegt darin nicht. Eine so empfindsame Seele sind Sie gar nicht, wie Sie es dargestellt haben. Aber das war Ihre Oppositionsrolle.Sie haben mich getadelt, weil ich es versäumt hätte, mit nach Dortmund zu gehen und mich an der großen Heerschau der 35 000 Landwirte zu beteiligen. Ich darf Ihnen folgendes sagen. Ich habe guten Grund zu der Annahme, daß die Herren unter sich sein wollten.
Ich könnte das noch mehr beleben, aber ich will nicht so weit gehen und behaupten, daß Herr Präsident Rehwinkel sich vielleicht bemüht hätte, mir eine Nervenschonkost zu verpassen. Ich habe dringenden Anlaß, das zu glauben. Wir sind auch damals in Hannover, sogar im gegenseitigen Einverständnis, nicht einmal eingeladen worden.Aber was diese Veranstaltung angeht, meine Damen und Herren, so komme ich aus einem Volksstamm, der für harte Sprache großes Verständnis hat und sie auch selber führt, wenn das notwendig ist. Es hat mich gar nicht tragisch gestimmt. Ich habe mir das angehört, ich habe es gelesen und dabei eine ganze Reihe von interessanten und beachtlichen Dingen gefunden. Mit einer ganzen Reihe von Äußerungen bin ich nicht einverstanden, das sage ich ganz offen. Beachtlich war für mich aber, daß diese Versammlung, die doch eine Massenveranstaltung, eine Veranstaltung mit dem Le Bon'schen Massencharakter darstellte, der sich angesichts des ganzen Verfahrens von selbst ergibt, es entschieden abgelehnt hat, daß von radikalen Gruppen Mißbrauch mit ihrer Unruhe getrieben wird.
Das ist eine positive Sache. Da bestätigt sich das alte Wort: Es gibt kaum eine schlechte Sache, die nicht eine gute Seite hat.
Metadaten/Kopzeile:
4608 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Bundesminister HöcherlHerr Logemann, Sie wollen den Grünen Bericht etwas früher haben. Ich verstehe das durchaus und teile Ihre Sorgen. Aber das ist nicht möglich. Wir bekommen die Zahlen der Testbetriebe frühestens am 1. November, und dann helfen alle Computer nichts. Man soll den Computer auch nicht zum neuen Götzen erheben. So viel kann er auch nicht bringen. Er erfordert sehr viel Programmierung. Selbst dort, wo man diese Einrichtungen bis zur größten Perfektion entwickelt hat, hat der Computer keine überzeugenden Lösungen für recht drängende Probleme auf den Tisch legen können.Was wir tun könnten — weil durch die Verschiebung des Haushaltsjahres tatsächliche Unebenheiten mit dieser Terminierung zustande gekommen sind —, das wäre, daß wir eine vorläufige Vorausschau geben. Das könnten wir. Aber das wären natürlich noch mehr Schätzungen, die Herr Schmidt nicht goutiert. Wie gesagt, Sie haben es in der Hand. Ich erwarte Ihre Vorschläge, um geistige Adoptionen durchführen zu können.Sie haben liebenswürdigerweise ein Lob über die Preissituation von 1965 ausgesprochen. Das Jahr 1965 brachte, wie Sie wissen, eine sehr schlechte Ernte. Dann stellt sich das heraus, was wir der Marktwirtschaft überlassen: wenig Angebot, höhere Preise. Das war das Ergebnis.
— Wir wollen das gar nicht, Herr Logemann. Wir wollen dort den Markt nicht ausschalten. Er hat seine Funktion. Der Verbraucher muß seine Herrschaft auf diesem Markt ausüben können, er muß eine Auswahl treffen können, weil sonst ein Still-. stand eintreten würde, für den ich niemals zu haben wäre.Der Herr Kollege Schmidt hat gemeint, die Ara Erhard sei jetzt vorbei. Natürlich ist sie vorbei, weil wir mit Professor Schiller und Ihnen gemeinsam soziale Marktwirtschaft betreiben. Deswegen ist sie vorbei.
Nun zu „agrarpolitischen Fehlleistungen" und „Mut beim Rinderpreis". Ich habe schon gesagt, welche Spannung in diese Entscheidung hineinzusetzen war und daß es nicht möglich ist, nun keine Rücksicht zu nehmen. Wir müssen hier im Rahmen einer Gleichung diese Frage lösen.Nun soll ich mich dazu äußern, was von Kanzlerzusagen zu halten ist. Ich muß hier eine verfassungsrechtliche Antwort geben. Sie kennen die Verfassung. Sie schreibt vor, daß alle finanziellen Zusagen, ehe sie Wirklichkeit werden, selbst wenn sie besten Willens und besten Glaubens gegeben worden sind, hier in diesem Hause entschieden werden. Sie selber, Herr Logemann, entscheiden darüber, was aus einer Kanzlerzusage wird oder nicht. Sie haben sich gegen sie ausgesprochen, und deswegen konnte der Kanzler sein gutgemeintes Wort nicht erfüllen.
Die EWG-Verkürzung wird von mehreren Seiten bedauert. Ich weiß nicht, ob das so richtig ist. Kürzlich habe ich in einer größeren Veranstaltung eine interessante Auseinandersetzung erlebt. Dort habe ich behauptet, daß die Landwirtschaft ursprünglich gegenüber den Gefahren der EWG und den unbestimmten Entwicklungen etwas unsicher gewesen sei. Dem wurde heftig widersprochen. Die anwesenden Landwirte erklärten: Nein; wir sind mit der EWG einverstanden, haben sie auch nie gefürchtet, und wir sehen auch, daß sie auf einigen Gebieten recht interessante und auch für uns beachtliche Ergebnisse bringt. Einverstanden! Wenn das so ist, dann bleiben wir schön dabei, dann beschweren wir uns nicht über die Verkürzungen, die vorgenommen worden sind. Wir wissen ganz genau, daß der Kontingentsweg, den wir früher gehabt haben, immer schwieriger geworden ist, daß die Lösung immer schwerer wird und daß der Weg, den wir jetzt haben, die europäische Marktordnung, eigentlich gar nicht so schlecht ist.Ein Wort zur Vergleichslohnberechnung. Herr Logemann, ich bin ganz traurig, daß Sie nicht anerkennen wollen, daß ich hier eine sehr fortschrittliche Entscheidung getroffen habe, indem ich nicht mehr den ländlichen Arbeiter mit einem bescheidenen Einkommen, sondern den großen Durchschnitt genommen habe,
weil ich mir sage: einem landwirtschaftlichen Unternehmen mit soviel Berufsvoraussetzungen und soviel modernen Methoden muß man zumindest als untere Linie zuerkennen, daß ein Facharbeiterlohn verdient wird und daß hier ein Vergleich gezogen werden muß.Sie kommen dann aber noch mit der Arbeitszeit. Meine Damen und Herren, auch in der Landwirt- Schaft gibt es interessante Arbeitszeiten. Ich komme aus einer Landwirtschaft. Ich kenne sie noch aus der Zeit, in der sie noch unerhörte Arbeitszeiten gehabt hat, die bis tief in die Nacht hineingereicht und am allerfrühesten Morgengrauen begonnen haben. Da hat sich auch vieles geändert, und ich glaube, es gibt sehr viel bessere Situationen. Das kann man gar nicht vergleichen. Sie wissen das ganz genau.Es ist ja überhaupt der Vergleich zwischen Unternehmer und Lohnempfänger etwas Problematisches, wenn er auch in der Zeitentwicklung seine Bedeutung hat. Was Sie nun in bezug auf die Finanzierung für die Zukunft verlangen, so haben wir eine Rechtslage, die wir erst 1969 wieder verändern können, weil bis dahin eine Bindung besteht.Sie haben recht, meine Damen und Herren, die Kostenharmonisierung ist ein ganz entscheidendes Problem, weil gemeinsame Preise mit verschiedenen Kosten nicht zu tragen sind. Einen wesentlichen Schritt haben wir vollzogen, indem demnächst die Umsatzsteuer — europäisch gesehen — gleichgeschaltet wird. Und so wird versucht, Schritt um Schritt voranzukommen. Man kann aber, Herr Logemann, nicht so anfragen, daß man sagt: Bevor nicht die allerletzte Perfektion in der Kostenbereinigung und Harmonisierung erreicht ist, machen wir
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4609
Bundesminister Höcherldas Dringende von heute auch nicht. Das wäre natürlich das Pferd vom Schwanze her aufgezäumt. Das ist nicht das Richtige.Außenhandelsrücksichten und Rücksichten auf die Kennedy-Runde: Ja, Herr Logemann, ich bin ganz traurig. Was wird Ihr Kollege Menne sagen, wenn Sie hier solche Reden führen? Für den Kollegen Menne ist die Kennedy-Runde, ich möchte einmal sagen, fast ein religiöser Verehrungsgegenstand.
Und Sie greifen hier die Kennedy-Runde an, setzen sie in etwa sogar in Zweifel und meinen, die Mauer um die EWG, diese Präferenz-Mauer würde wieder geschliffen.
— Bitte!
— Ja, gut! Ich bin ja einverstanden!
— Falsch zitiert?!
— Ich will ja zugeben, Herr Logemann, daß Sie ein Fragezeichen dahintergesetzt haben. Ich habe es aber genauso verstanden wie Sie. Es ist natürlich für Sie sehr schwer, das so kräftig auszudrücken, weil Sie dann Schwierigkeiten kriegen. Das verstehe ich! Es ist in einer liberalen Partei, obwohl sie sehr viele Gegensätze zu vereinen und zu verbinden weiß, sehr schwierig, auf einem so heiklen Gebiet. Da würde ich an Ihrer Stelle auch sehr vorsichtig sein. Ich selbst bin ein ganz entschiedener Anhänger der Kennedy-Runde, weil ich glaube, daß wir die Handelsausweitung brauchen, wo sie möglich ist, weil wir die Massenkaufkraft haben müssen als unseren Partner für eine vernünftige Landwirtschaftspolitik.Dann haben Sie sich auch über meine Argentinienreise aufgehalten. Ich hätte dort dem Gedanken Ausdruck verliehen, Argentinien sollte mit seinen Produkten auf unserem Markt sein. Das behaupte ich! Auf diesem Boden stehe ich. Ich habe erklärt, es bestehen auch Aussichten, weil nach der Berechnung der Kommission, die von allen Seiten bestätigt wird, der Verbrauchszuwachs allein bis 1970 20% auf diesem Sektor sein wird. Wir haben so bewährte und so gute Beziehungen mit diesem Lande, daß ich glauben möchte — das gilt nicht nur für Argentinien —, daß ich da den richtigen Standpunkt vertreten habe, ohne Ihre Rindfleischpolitik irgendwie ernsthaft zu gefährden. Von einer amtlichen Aufforderung, was die Veredelungsseite betrifft, kann überhaupt nicht die Rede sein. Die Bundesregierung ist kein Landwirtschaftsberater, sondern sie setzt Daten. Die unternehmerische Entscheidung trifft der Landwirt, und wir setzen die Daten nach übergeordneten Gesichtspunkten. Da gibt es, von uns aus gesehen, keine Beratungsgeschädigten. Das kann sich draußen natürlich ereignen. Die Bundesregierung aber wird mit meiner Zustimmung, soweitich einen Sektor zu verwalten habe, keine landwirtschaftlichen Ratschläge erteilen, was die unmittelbare Tagesproduktion betrifft. Das, Herr Logemann, können Sie viel besser, als ich es kann, aber für Ihren Betrieb.Sie machen mich sogar für die MKS-Fälle verantwortlich. Ja, meine Damen und Herren, ich war immer der Meinung, ich hätte besondere Verdienste, weil ich die Pflichtimpfung eingeführt habe. Nun sagen Sie, ich hätte das Geld verweigert. Richtig ist, daß ich es eingesetzt habe. Ich war dafür, das Hohe Haus aber hat meinen Vorschlägen nicht zugestimmt. Es tut mir selber sehr leid, weil wir in dem damaligen Jahr eine Anschlußimpfung nicht abdecken konnten und deswegen wieder einige unangenehme Fälle hatten. Aber jetzt sind wir à jour, so daß wir nichts mehr zu befürchten haben.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Jawohl, bitte sehr!
Herr Minister, zur Klarstellung: Ist Ihnen nicht bekannt, daß aus Ihrem Hause durch Ihre Informationszentrale eine Aufforderung an die Landwirtschaft ergangen ist, die Veredlungserzeugung zu steigern? Darauf hatte ich hingewiesen.
Meine Informationszentrale?
— Ja, es ist schrecklich, nicht mit meiner Zustimmung. Aber es ist auch kein schwerer Fall, weil ja die Unternehmer selber wissen, was sie zu tun haben, und sich gar nicht von uns beraten lassen.
Eine Zwischenfrage, Herr Minister, des Herrn Abgeordneten Ertl.
Verehrter Herr Minister, darf ich Ihre letzte Antwort so deuten, daß die Bauern das nicht befolgen sollen, was Sie raten?
Nein, nein, weder befolgen noch nicht befolgen! Sie sind vollkommen frei.
Bezüglich der MKS ist es nicht möglich, unseren Standpunkt durchzusetzen, weil es — im Rahmen der bevorstehenden Finanzreform — leider nicht bestritten werden kann, daß hier eine Länderfrage zur Debatte steht, und der Haushaltsausschuß ist nicht bereit, Länderaufgaben jetzt noch in Bundesobhut zu nehmen.Was die Frage der Marktordnungen für Schweine, Eier und Geflügel betrifft, so stimmen wir mit den Vorschlägen überein, die der Ernährungsausschuß
Metadaten/Kopzeile:
4610 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Bundesminister Höcherlan Hand der Entwürfe, die die Kommission vorgelegt hat, gemacht hat.Dann haben Sie von diesen Adoptivkindern aus dem FDP-Kreis gesprochen. Sie haben erklärt, Sie hätten Nachhilfeunterricht im Ministerium genommen, hätten aber doch das eine oder andere nicht verstanden. Herr Logemann, ich bin bereit, weitere Stunden Nachhilfeunterricht zu offerieren. Daran soll es nicht fehlen.
— Das ist etwas anderes, wenn es um Nachhilfeunterricht geht.Zum Leihhaushalt. Ich muß sagen, ich kann mir natürlich auch etwas Schöneres vorstellen als eine auf Kredit aufgebaute Maßnahme, aber sie ist mir lieber als keine.
Wenn ich in der Rede vor der Landjugend die Haushaltskürzungen verteidigt habe, dann deswegen, meine Damen und Herren, weil ich mich einmal an Kabinettsbeschlüsse zu halten habe und weil ich zweitens der Meinung bin — und das ist meine Überzeugung —, daß sich auch die Landwirtschaft nicht ausschließen kann und bei einer solchen Aktion auch gar nicht ausschließen will. Daß ich diese 400 Millionen DM erfunden hätte, — nun, 150 Millionen sind mir hier schon abgenommen worden, trotz meines Plädoyers im Rahmen des Gemeinlastverfahrens, und den Rest, Herr Logemann, durfte ich nur einteilen. Aber erfunden habe ich das nicht. Ich wüßte mir etwas Besseres zu erfinden.Zum Schluß Ihrer sehr netten Ausführungen haben Sie ein Bild aus dem Tierleben genommen, und zwar haben Sie das Känguruh zitiert, das mit leerem Beutel große Sprünge macht. Herr Logemann, ich habe aber im Brehm nachsehen lassen, was es mit diesem Känguruh auf sich hat. Und da stellt sich heraus, daß dieses Känguruh fast immer ein Junges, ein frisches, hübsches Junges in diesem Beutel hat und daß es nie mit leerem Beutel springt. Sehen Sie, man muß auch bei solchen Beispielen vorsichtig sein.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte sehr!
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß die männlichen Känguruhs auch Sprünge machen?
Er hat von weiblichen gesprochen.
Ich möchte mich jetzt dem Herrn Kollegen Ertl zuwenden, der sich zunächst einmal sehr darum bemüht hat, meine Einsamkeit auf der Regierungsbank hervorzuheben. Ich habe keine Platzangst, Herr Kollege Ertl, und all die Spekulationen, die zu lesen sind, berühren mich nicht. Meine Nervenverfassung ist noch ganz ausgezeichnet. Ich bin auch gar nicht amtsmüde..
Zu dem Zitat von Herrn Kollegen Kriedemann. Ich habe es gelesen. Ich möchte nicht auf dieser Basis erwidern. Vielleicht besteht eine Möglichkeit, das menschlich einmal zu klären.Der Herr Staatssekretär steht heute leider nicht zur Verfügung. Sie glauben immer, daß ,es noch ein beliebtes Thema wäre, abweichende Meinungen festzustellen. Meine Damen und Herren, dazu möchte ich eines sagen. Der Herr Staatssekretär Hüttebräuker ist ja, wie Sie wissen, ein Mann der aus Ihren Reihen kommt, den ich wegen seiner Qulitäten behalten habe und den ich außerordentlich schätze. Er hat in vielen Fragen von meiner Meinung abweichende Ansichten. Aber es ist wie bei einer Pyramide; da gibt es eine Spitze. Meinungen kann jeder haben, soviel er will. Meinungsfreiheit herrscht bei uns im Ministerium wie bei einer liberalen Partei. Aber bestimmt wird von einer Spitze aus, und das ist bei Ihnen nicht ganz so.
Was den Preisdruck betrifft, so habe ich das wohl schon dargestellt; zum Dieselkraftstoff ist ebenfalls schon vorgetragen worden. Sie haben sich sehr liebenswürdig und nett polemisch vor allem auch wieder mit den Kollegen hier befaßt. Aber ich möchte daraus doch den Schluß ziehen, daß Sie Ernsthaftes gegen die Landwirtschaftspolitik nicht einwenden können. Wahrscheinlich erinnern Sie sich an Ihre eigenen Beiträge vor nicht allzu kurzer Zeit.Herr Kollege Frehsee, Sie haben das soziale Thema angeschlagen; ich bin Ihnen dafür sehr dankbar. Sie haben interessante Berechnungen vorgelegt, wie es z. B. im Falle ,der Gründung einer Pflichtkrankenkasse wäre und welcher soziale Haushalt sich daraus entwickeln würde. Dazu muß ich Ihnen folgendes sagen.Erstens. Das ist ein Problem, das in den Rahmen der Krankenversicherung für Selbständige gehört, ein Problem, das sich gar nicht auf die Bauern allein beschränken kann, sondern das bei dem Handwerk, bei den Gewerbetreibenden und beim Handel genauso existiert, vor allem bezüglich der technischen Lösung.Zweitens kommt hier noch etwas besonders Schwieriges hinzu, und zwar die Tatsache, daß die Basis der Mitglieder nicht größer, sondern kleiner wird. Das ist eine eindeutige Tendenz. Sie hat erfahrungsgemäß nicht geringe Schwierigkeiten gemacht. Unsere Untersuchung, die wir in Auftrag gegeben haben, liegt im ersten Umriß vor. Die genauen Ergebnisse haben wir noch abzuwarten. Aber allein die Beiträge, die wir heute vernehmen konnten — von Herrn Frehsee, von Herrn Berberich, der
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4611
Bundesminister Höcherlein umfassendes Gesamtwissen auf diesem Sektor hat und der sich sehr vorsichtig ausdrückte, und der temperamentvolle Beitrag von Frau Kalinke —, sind allein schon Elemente, mit denen wir an die Prüfung solcher Vorschläge herangehen. Es wäre nicht richtig, wenn ich heute schon eine genaue Prüfung im Ergebnis voraussagen oder ankündigen wollte. Das müssen wir abwarten. Aber es ist nicht uninteressant.Was den Landarbeiterwohnungsbau betrifft so bin ich der Meinung von Herrn Frehsee. Leider konnten wir uns bisher in der Anhebung dieser 7000-DM-Grenze nicht durchsetzen. Wir werden aber alles daransetzen, weil ich der Auffassung bin — und ich stimme Ihrer Begründung zu —, daß die guten Ergebnisse in einigen Regionen unseres Landes durchaus darauf zurückzuführen sind. Ich möchte sogar sagen, man müßte im Rahmen der Siedlungspolitik irgendwie einen Weg finden. Vielleicht ist es dort etwas leichter. Ich habe auch angekündigt, daß ich daran interessiert wäre, die Siedlungsgesetzgebung in eine etwas modernere, den heutigen Verhältnissen angepaßte Form zu bringen.Meine verehrten Damen und Herren, ich darf Sie bitten, mich von weiteren Darstellungen freizusprechen. Ich habe zu einigen Punkten, die mich besonders interessieren, Stellung genommen. Vielleicht darf ich noch etwas zu der einen Frage von Herrn Logemann sagen, der meint: Nun, das ist in der Theorie natürlich alles schön! Ich würde das Wort Theorie gar nicht so leichtfertig gebrauchen. Sie wissen, es kommt aus dem Griechischen und bedeutet „reine Anschauung". Die Praxis allein ohne reine Anschauung ist ein armer Krüppel, der auf einem Bein lahmt. Ich weiß nicht, ob man das so sagen darf. Ich denke, beides zusammen ist wohl das Richtige.Herr Dr. Reinhard, Sie haben mit Recht auf die schwierigen Fragen in der Geflügelsituation hingewiesen. Ich danke Ihnen sehr für den Hinweis auf die Schwierigkeiten. In den letzten Tagen hat sich eine Besserung um 10 bis 15 Pfennig herausgestellt. Das reicht aber noch nicht aus. Zusammen mit den Ländern sind wir dabei, zu überlegen — es gibt auch schon Vorschläge —, wie wir diese nicht ernsthafte Krise in etwa — nicht ganz, nur teilweise — beheben können. Aber ansonsten glaube ich, daß die neue Geflügelverordnung, die von der Kommission vorgeschlagen worden ist, mit den Einschleusungspreisen recht interessante Lösungsmöglichkeiten zeigt. Ich glaube, daß wir hier auch zu einem Ergebnis kommen.Zu dem, was die Rücksicht auf Dänemark betrifft, habe ich mich schon geäußert. Meine Damen und Herren, wir haben unterschrieben, und an die Unterschrift müssen wir uns halten.. Wir haben gestern und auch in Brüssel eine Form gefunden, die den beiderseitigen Ansprüchen gerecht werden kann. Ich darf Ihnen sagen, daß bei diesen Überlegungen niemals unter den Tisch fallen konnte, daß wir gegenüber Dänemark eine aktive Handelsbilanz von fast einer Milliarde DM haben. Das sind Tatbestände und Tatsachen, die ebenfalls ein Gewicht besitzen und zu einem Kompromiß veranlassen. Der Vertrag läuft noch bis zum Jahre 1970, bis zum endgültigen Beginn des Gemeinsamen Marktes.Was nun Ihren Beitrag, sehr verehrte Frau Kollegin Griesinger, betrifft, so bin ich Ihnen dankbar, daß Sie die Rolle und die Leistung der Landfrau herausgestellt haben. Ich darf Ihnen sagen, daß ich, soweit es in meiner Entscheidung liegt, an diesen Maßnahmen festhalten werde. Sie haben sich bewährt. Und es wäre auch furchtbar schwer, dem Drängen, das von der Gräfin Leutrum und von Ihnen in dieser Frage ausgeht, so ohne weiteres zu widerstehen. Mir ist es jedenfalls nicht gelungen, meinen Vorgängern auch nicht.
Das, meine Damen und Herren, war ein kleiner Überblick und eine ganz kleine Antwort auf das, was Sie so reichhaltig vorgetragen haben. Ich möchte meinen, daß diese große Aussprache nicht umsonst war. Sie war eine interessante Analyse, längst fällig in einer recht kritischen Situation. Sie kann aber ihren Rang und ihre Würde nur behaupten, wenn wir aus der Analyse Schlüsse ziehen, und zwar nicht nur die Regierung, sondern auch Sie, und wenn wir wieder gemeinsam, Hand in Hand, wie es in der Agrarpolitik immer war, wenn alle drei Fraktionen weitere Schritte tun, weitere Marken setzen für die Menschen, die uns das erste und Wichtigste geben, nämlich unsere Ernährung.
Ich danke dem Herrn Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ihr Ressort ist offenbar nicht nur nahrhaft, sondern, wie Ihre Rede beweist, auch erfrischend, Herr Minister. Daher möchte ich Ihnen ganz besonders danken.Wir kommen jetzt, meine Damen und Herren, zu einer ganzen Reihe von Überweisungen. Ich habe Ihnen zunächst im Sinne einer interfraktionellen Vereinbarung vorzuschlagen, den Grünen Bericht und den Grünen Plan, Drucksachen V/1400 und zu V/1400, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Zweitens schlage ich Ihnen auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung vor, die Anträge der FDP auf den Umdrucken 137, 138, 139, 140 und 141 *) ebenfalls an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Der Entwurf eines Marktstrukturgesetzes, Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache V/1544, soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen wer-*) Siehe Anlagen 3-7
Metadaten/Kopzeile:
4612 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Vizepräsident Frau Dr. Probstden. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Ausschußanträge unter Punkt 7 bis 14 der gedruckten Tagesordnung sowie Punkt 1 bis Punkt 6 der Liste der Zusatzpunkte. Es handelt sich hier um Berichte über EWG-Vorlagen -und über den Antrag betreffend Rinderorientierungspreise. Ebenso wird die Drucksache V/1575 — Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegten Entwürfe der Kommission der EWG usw. — einbezogen. Die Drucksache liegt Ihnen vor.Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam über die genannten Tagesordnungspunkte abstimmen? — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.Wer den Ausschußanträgen auf den Drucksachen, die ich soeben genannt habe — ich werde sie ins Protokoll geben —, zustimmen will, der gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 25 auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Stecker, Varelmann, Dr. Ritz, Diebäcker, Burgemeister und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über das Erbbaurecht— Drucksache V/1337 —Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Dr. Stecker hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben Sie keine Sorge, daß ich Sie hier sehr lange aufhalte. Das Anliegen, ,das ich hier vorzutragen habe, ist nicht weltbewegend. Es geht auch nicht an die so viel zitierten Grundlagen unserer pluralistischen Gesellschaft, und es ist auch nicht einmal so wichtig wie der Grüne Plan.Diese Vorlage geht zurück auf einige spektakuläre Streitfälle zwischen Eigentümern und Erbbauberechtigten im niedersächsisch-westfälischen Raum, die uns veranlaßt haben, nach einer Lösung dieses Problems zu suchen.Es ist uns gar nicht leichtgefallen, uns in den Ministerien oder in den Arbeitskreisen Gehör zu verschaffen. Wie Sie sehen, glänzen auch jetzt die Minister der Justiz und des Wohnungsbaus durch Abwesenheit. Ich habe mich auch gefragt, woran das wohl liegt. Dabei bin ich zu der Erkenntnis gekommen, daß das wahrscheinlich daran liegt, daß es noch keinen Bundesverband der Erbbauberechtigten gibt, noch keinen Hauptgeschäftsführer, also auch keine Lobby. Es heißt doch wohl so in Bonn: Quod non est in lobby, non est in mundo oder in parlamento.Die erste öffentliche Behandlung dieses Problems hat uns eine ganze Reihe Eingaben aus ganz Deutschland gebracht, in denen sich zeigt, daß eine generelle Überprüfung dieses Problems unbedingtnotwendig ist. Denn das Erbbaurecht geht zurück auf eine Verordnung der ersten Regierung nach dem ersten Weltkrieg 1919. In der damaligen Zeit der Geldentwertung und der politischen Unsicherheit war kein Eigentümer eines Grundstücks bereit, einen Bauplatz zur Verfügung zu stellen, was auch verständlich war. Man fand daher den Ausweg, der von den Bodenreformern lange gefragt war, einen Weg, der dem Erbbaugeber sein Eigentum beließ und dem Erbbaunehmer gegen einen angemessenen Zins ein eigentumsähnliches, beleihbares Recht an dem Grundstück verschaffte. Erklärter Zweck dieses Instituts war es insbesondere, den ärmeren Volksschichten gegen mäßigen Zins ein Baugrundstück für ein Eigenheim zu verschaffen. In den unsicheren Zeiten nach dem ersten Weltkrieg und :insbesondere auch nach dem zweiten Weltkrieg hat dieses Institut sicherlich sehr segensreich gewirkt.Aber es wirft auch ganz erhebliche rechtliche und insbesondere rechtspolitische Bedenken auf, die es angezeigt erscheinen lassen, daß sich die beteiligten Ministerien, das Justizministerium und das Wohnungsbauministerium, einmal mit einer gründlichen Prüfung dieses Instituts befassen.Das Grundproblem besteht darin, daß zwei Personen, seien es nun natürliche oder juristische Personen, zumeist auf 100 Jahre miteinander in einer Art lehnsrechtlicher Verbindung stehen, die meines Erachtens in eine feudale Zeit besser paßt als in eine moderne Zeit. Es kann aber keineswegs die Aufgabe der Antragsteller sein, diese gründliche Prüfung vorzunehmen. Hier soll vielmehr eine aktuelle Einzelfrage, nämlich die der wertsichernden Anpassung des Erbbauzinses an die veränderten Zeitumstände, geregelt werden.Die Verordnung von 1919 schreibt ausdrücklich vor, daß der Erbbauzins für die ganze Vertragsdauer von vornherein festgelegt werden muß. Diese Bestimmung hat vielfach zur Folge gehabt, daß die in Zeiten des Preisstopps festgelegten Erbbauzinssätze nachher lächerliche Pfennigbeträge waren, die keineswegs mehr dem gestiegenen Nutzungswert entsprachen. Die Rechtsprechung hat deshalb meines Erachtens contra legem schuldrechtliche Wertsicherungsklauseln zugelassen, die praktisch eine dynamische Anpassung des Zinssatzes an irgendwelche vereinbarte Tatbestände erlauben. Dadurch kann andererseits der Erbbaunehmer in eine unerträgliche Situation kommen. Wenn er sich aus einer wirtschaftlich schwachen Marktposition heraus zu einer Anpassung des Zinssatzes etwa an künftige Grundstückspreise verpflichtet hat, muß er eventuell unerschwingliche Beträge aufbringen, wenn in seiner Wohngegend die Grundstückspreise spekulativ in die Höhe gehen, während sich der Wohnwert zum Beispiel seines Eigentums für ihn überhaupt nicht verändert.
Er kann den vielleicht objektiv gestiegenen Wert auch nicht etwa durch Verkauf seines Hauses verwerten; denn dazu bedürfte er der Genehmigung des Erbbaugebers.Aus diesem echten Dilemma, meine Damen und Herren, sind nur deshalb bisher keine größeren
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4613
Dr. Steckersozialen Schäden entstanden, weil die Erbbaugeber vielfach Kirchen, Gemeinden oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften sind. Diese nehmen einfach ihre Rechte aus den Verträgen nicht wahr. Aber ist das mit dem Haushaltsrecht vereinbar, zumal, wenn bei den Erbbaunehmern zum Teil solvente Leute .sind? Und wird sich das nicht deswegen auch lawinenartig auf diese Bereiche ausdehnen? Wir haben dazu schon einige sehr konkrete Fälle vorliegen.Die Antragsteller suchen nun mit der vorliegenden Novelle eine pragmatische mittlere Lösung. Sie wollen Wertsicherungsklauseln für Wohngrundstücke nur insoweit wirksam sein lassen, als sich der Geldwert, nicht der Grundstückswert verändert. Sie glauben damit den beiderseitigen Interessen am besten zu entsprechen. Die Vertreter der beiden großen Kirchen haben sich grundsätzlich mit dieser Sache einverstanden erklärt. Ich würde empfehlen, daß man in den Ausschüssen, insbesondere im Wohnungsbauausschuß, diese und auch die anderen großen Grundvermögensträger hört.Eine Frage bleibt auch nach dieser Vorlage offen: Was wird mit den bestehenden Verträgen? Die Antragsteller haben geglaubt, nicht eingreifen zu sollen, nicht so sehr aus rechtlichen Gründen, sondern weil die Ausgangslage dieser Verträge, z. B. Inflation, Preisstopp usw., vielfach so völlig unterschiedlich ist, daß es sich verbietet, auf dieser Basis eine Dynamik einzubauen.Meine Damen und Herren, wir sind aber auch der Meinung, daß die bestehende Rechtslage es zuläßt, daß die Gerichte die bestehenden Verträge nach dem Grundgedanken dieser unserer Novelle auslegen. Dann wäre auch dieses Problem gelöst.Im übrigen bleibt es den Ausschüssen vorbehalten, sich dazu auch etwas einfallen zu lassen. Das wird sicherlich nicht einfach sein.Wir beantragen, meine Damen und Herren, Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Wohnungsbauausschuß.
Das Wort zur Aussprache hat Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Herren Kollegen und Frau Kollegin! Es wurde mir geraten, meine Ausführungen zu Protokoll zu geben; ich würde mir damit die Sympathie des Hauses erwerben. Da ich noch nie eine Rede schriftlich hatte, kann ich auch jetzt keine Rede zu Protokoll geben. Aber ich habe versprochen, mich kurz zu fassen.
Ich darf mit dem Schluß der Ausführungen des Herrn Kollegen Stecker beginnen. Wir als Freie Demokraten stimmen der Ausschußüberweisung zu. Jetzt kommt mein „Aber". Diese Zustimmung zur Überweisung bedeutet keineswegs, daß wir jetzt vorbehaltlos den Ausführungen und den Folgerungen, die Sie aus dem bisherigen Rechtszustand bezogen haben, zustimmen. Es wundert mich keineswegs, daß Sie bisher keine — sagen wir einmal — Gegenliebe für Ihre Gedanken beim Justizministerium gefunden haben. So einfach sind die Probleme nicht, die Sie hier angeschnitten haben. Das Erbbaurecht hat sich durchaus bewährt. Es wurde davon von den Gemeinden und auch von den Kirchen, auf die Sie mit Recht hingewiesen haben, auch nach 1945 sehr stark Gebrauch gemacht. Es ist keineswegs nur ein Recht für ärmere Volksschichten. Auch Stiftungen verwenden das Erbbaurecht, besonders da, wo das Grundvermögen erhalten bleiben soll, sei es, daß die Haushaltsordnung, sei es, daß eine Satzung oder das Stiftungsrecht das fordert.
Es ist immer sehr problematisch, wenn man aus einem Rechtsinstitut, wie es das Erbbaurecht ist, eine einzelne Bestimmung herausgreift und sie reformieren will. Bei Ihnen hier geht es speziell um die Frage, wie die Erbbaurente gestaltet werden soll, wie sie an die veränderten Lebensverhältnisse angepaßt werden soll. Herr Kollege, Sie haben auf verschiedene Rechtsstreitigkeiten hingewiesen. Ich habe mich heute nachmittag mit diesem Problem befaßt und dabei festgestellt, daß die Rechtsprechung eigentlich sehr gut damit fertiggeworden ist. Sie ist, sowohl was das dingliche Recht, wie auch was das obligatorische Recht betrifft, von dem Grundsatz der Vertragsfreiheit aus zu sehr vernünftigen Regelungen gekommen.
Herr Kollege, daß Sie selber doch erhebliche Bedenken haben, schimmerte durch, als Sie zum Schluß fragten: Was geschieht mit den schon bestehenden Verträgen? Normalerweise wird das Erbbaurecht auf 99 Jahre, auf alle Fälle auf einige Jahrzehnte gegeben. Sie wissen, daß sich das Verfassungsgericht und der Bundesgerichtshof schon sehr eingehend mit der Frage befaßt haben, wieweit Gesetze in bestehende Rechtsverhältnisse eingreifen können.
Es sind also eine Reihe schwerwiegender Bedenken anzumelden. Es wird eingehender Beratungen im Rechtsausschuß bedürfen, um zu prüfen, ob man es nicht besser bei den altbewährten Vorschriften des BGB — es ist sehr schwer, in Sachenrecht einzugreifen; das brauche ich Ihnen nicht besonders zu sagen — und der Vertragsfreiheit belassen sollte, zumal da hierzu eine sehr vernünftige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vorliegt. Das bedeutet nicht, daß nun alle obligatorischen Verträge, die neben dem dinglichen Vertrag abgeschlossen werden, weiter in dieser Form geschlossen werden müssen. Es handelt sich um eine Frage der Vertragsfreiheit, die nun einmal eines der Grundprinzipien des gesamten bürgerlichen Rechts ist.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen zur Mitberatung vor. — Es erhebt sich dagegen kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Der Punkt 26 wird am Freitag behandelt.
Metadaten/Kopzeile:
4614 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967
Vizepräsident Frau Dr. Probst Ich rufe den Punkt 27 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des PersonalgutachterausschußGesetzes— Drucksache V/1473 —Von der Bundesregierung ist niemand zur Begründung anwesend. — Das Wort wird nicht begehrt. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung an den Verteidigungsausschuß vor. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe den Punkt 28 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der Verordnung Nr. 17 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft— Drucksache V/1518 —Das Wort zur Begründung wird nicht begehrt. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen vor. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Der Punkt 29 wird am Freitag behandelt. Ich rufe den Punkt 30 auf:Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses— Drucksache V/1468 —Zur Begründung wünscht der Herr Abgeordnete Moersch das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde die schriftliche Begründung, die ich zu dem Antrag auf Drucksache V/1468 ausgearbeitet habe, zu Protokoll geben *). Ich möchte aber noch auf einen Sachverhalt hinweisen.
Hier handelt es sich nicht um eine verteidigungspolitische Angelegenheit — insofern ist nicht der Verteidigungsausschuß zuständig —, sondern es handelt sich um die Nachprüfung von Unregelmäßigkeiten im Verwaltungsablauf — Bestechung und ähnliches —, so daß nach der Verfassung ein besonderer Untersuchungsausschuß gerechtfertigt ist. Nach meiner Kenntnis der Dinge glaube ich sogar sagen zu können, daß ein Teil der hier gestellten Fragen inzwischen vom Bundesrechnungshof schon beantwortet worden ist, so daß sich das Problem tatsächlich auf die Frage der verwaltungsmäßigen Regelmäßigkeit der Dinge konzentriert. Sollte sich im Verlauf der Untersuchungen etwas anderes herausstellen, so hat das Hohe Haus selbstverständlich die Freiheit, anders zu entscheiden.
Ich darf Sie deshalb bitten — ohne daß ich das nun zu dieser späten Stunde mündlich ausführlich begründe —, dem Antrag der Fraktion der FDP auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses — Drucksache V/1468 — Ihre Zustimmung zu geben.
*) Siehe Anlage 8
Wird das Wort begehrt? — Herr Abgeordneter Moersch, Sie haben eben gesagt, Sie wollten Ihre Rede zu Protokoll geben. Ich muß sie begutachten, ob sie in dieser Form zu Protokoll genommen werden kann. — Ja, das ist der Fall.Damit ist die Rednerliste erschöpft. Sie haben den Antrag gehört; er liegt Ihnen vor. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? Einstimmig so beschlossen.Ich komme nun zu Punkt 31:Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Infanterie-Kaserne in Nürnberg-Schweinau an die Stadt Nürnberg— Drucksache V/1451 —Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für das Bundesvermögen vor. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich komme zum letzten Punkt — Punkt 32 — der heutigen Tagesordnung:Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
über die von der Bundesregierung erlassene Sechsundsiebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 über die von der Bundesregierung erlassene Siebenundsiebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (KaschuNüsse usw. — 1967)— Drucksachen V/1388, V/1389, V/1466 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. StaratzkeWünscht der Herr Berichterstatter das Wort?
— Er verzichtet. Das Haus ist damit einverstanden.Keine Wortmeldungen zur Debatte. Ich komme zur Beschlußfassung über den Antrag des Ausschusses, der Ihnen vorliegt. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? Einstimmig so beschlossen.Wir haben jetzt noch die Zusatzpunkte 7 bis 12 zu. behandeln. Es handelt sich dabei um Berichte über Zollverordnungen. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Vierundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Flugzeugausrüstungsmaterial usw.)— Drucksachen V/1500, V/1547 — Berichterstatter: Abgeordneter Brand
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 99. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. März 1967 4615
Vizepräsident Frau Dr. ProbstWer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Fünfundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingent für Verschnittrotwein — 1967)— Drucksachen V/1501, V/1548 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke Wer stimmt zu? — Es ist so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 9 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Achtundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingent für Aluminiumoxyd)— Drucksachen V/1502, V/1549 —Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber Wer stimmt zu? — Es ist so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 10 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Einhundertste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zweite Erhöhung des Zollkontingents für gesalzenen Seelachs)— Drucksachen V/1526, V/1552 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres Wer stimmt zu? — Es ist so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 11 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Einhundertunderste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Edelpelzfelle; Zollsätze gegenüber Algerien)— Drucksachen V/1539, V/1553 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. SerresWer stimmt zu? — Es ist so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 12 auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Euratom-Kommission für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagen-Bediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden— Drucksachen V/1522, V/1554 —Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt-VokkenhausenWer dem Ausschußantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Auch diese Vorlage ist einstimmig angenommen.Die nächste Plenarsitzung findet statt am Freitag, dem 17. März, 9 Uhr.Ich schließe die Sitzung.