Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren,
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der Deutsche Bundestag erhebt sich heute in Ehrerbietung und Dankbarkeit vor John F. Kennedy, weiland Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
Am 22. November fiel der mächtigste Mann der Welt unter den Kugeln eines ruchlosen Mörders. Noch heute — zwölf Tage danach — ist das Zittern nicht ganz verebbt, das an jenem Novembertag stoßartig durch die Welt lief. Gewiß: Das Volk und Land der Amerikaner hat sich wieder gefangen. In einer Trauer voll ergreifender Menschlichkeit scharte sich ein großes Volk um den Sarg seines jungen, kühnen und besonnenen Staatslenkers.
Die Anteilnahme Deutschlands an dieser Trauer war und ist tief und echt. Nicht der protokollarische Takt und nicht die politische Opportunität führten Deutschlands Staatsoberhaupt in den Trauerkondukt nach Washington, sondern jenes Gefühl der tiefverwurzelten Dankbarkeit und getreuen Verbundenheit mit Amerika, das im Lauf der Jahre auch in den tieferen Schichten der deutschen Seele einen verläßlichen Grund gewonnen hat. Die Bevölkerung Berlins hat mit ihren Fackeln, Blumen und Unterschriften nicht nur für sich selbst gesprochen, sondern sie hat damit für ganz Deutschland einer Bewegung des Herzens Ausdruck gegeben.
Es ist nicht der Sinn dieser Stunde, über dem frischen Grabhügel von Arlington noch einmal eine Würdigung des Präsidenten John Kennedy zu versuchen. Sie ist tausendfach erfolgt, oft geglückt, zuweilen auch weniger geglückt. Der Deutsche Bundestag möchte in dieser ersten Stunde seines Wiederzusammentretens nach dem Tode von Präsident Kennedy schlicht ein Zweifaches tun. Er verneigt sich in Ehrerbietung vor dem im höchsten Amt gefallenen Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten von Amerika, und er verbindet sich erneut in Dank und Trauer mit dem Volk, auf dessen Einsicht, Großmut, Freiheitsliebe und Opferbereitschaft unser eigener Wiederaufstieg und unsere eigene Freiheit mitgründen. Darum ist dieser Augenblick nicht nur dem Gedächtnis der führenden Gestalt der freien Welt, nicht nur dem bis jetzt vielleicht „hellsten, wachsten und kühlsten Geiste" im Weißen Hause zu Washington gewidmet, sondern er gehört auch seinem Nachfolger, dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Lyndon B. Johnson.
An John Kennedy haben sich die Hoffnungen Ungezählter in vielen Teilen der Welt gehängt. Die Stunde, in der er unter uns war in der Paulskirche in Frankfurt, war für uns und für ihn — er sagte es — eine Stunde des Glücks vor allem deshalb, weil sie eine Stunde der Hoffnung war; der Hoffnung auf wachsenden Frieden in der ganzen Welt, der Hoffnung auf wachsende Einigkeit der freien Welt und der Hoffnung auch auf die künftige Einheit Deutschlands. Man kann gewiß nicht sagen, daß vor dem Eintritt John Kennedys in das hohe Amt, in dem er gefallen ist, der Kleinmut in der freien Welt Trumpf gewesen wäre. Wir halten es für eine Gnade, die der Sache der Freiheit in Deutschland und in der ganzen Welt zuteil wurde, daß seit den Tagen des Präsidenten Truman treffliche Männer in Amerikas Regierung die Sache der Freiheit und des Menschenrechts in der Welt zur eigenen Sache Amerikas gemacht haben. Sie haben es geradlinig und unbeirrbar getan.
John Kennedy aber war es gegeben, mit der Probe vor Kuba und dem, was er darnach im Bereich der Weltpolitik tat und bedeutete, der freien Welt das ihr zustehende Bewußtsein nicht nur der moralischen, sondern auch der sicheren faktischen Überlegenheit wiederzugeben. Weit entfernt, daraus ein sanftes Ruhekissen zu machen, hat John Kennedy die Völker der atlantischen Bündnisgemeinschaft, hat er insbesondere uns Deutsche immer wieder hineingenommen und hineingefordert in die großen Bewegungen und Entscheidungen der Weltpolitik unserer Zeit. Ob es uns paßt oder ob es uns nicht paßt: Wir sind nicht gemacht für das stille Glück im Winkel der Weltgeschichte. Unsere Lage und unser Schicksal verlangen anderes. Sie haben uns in die Gemeinschaft der freien Welt geführt, und unser Volk hat dazu ja gesagt. Deshalb ist es unsere Pflicht und unser Auftrag, auch mit dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Lyndon Johnson, und mit seiner Regierung in dankbarer Zuneigung und getreuer Verbundenheit der Sache der Freiheit und des Menschenrechts in Deutschland, in ganz Deutschland, und in der ganzen Welt redlich weiter zu dienen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Frau Jaqueline Kennedy spricht der Deutsche Bundestag in dieser Stunde noch einmal seine Bewunderung, seinen Dank und seine herzliche Anteilnahme aus.
Gott schütze den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Gott schütze das Volk der Amerikaner, und Gott schütze die Freiheit und das Menschenrecht in dieser Welt.
Ich danke Ihnen.
Die Sitzung ist bis 9.30 Uhr unterbrochen.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich Glückwünsche zu Geburtstagen aus, und zwar dem Herrn Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg - am 17. November - zum 77. Geburtstag,
dem Herrn Abgeordneten Busse - am 23. November - zum 60. Geburtstag,
dem Herrn Abgeordneten Gibbert - am 26. November - zum 65. Geburtstag,
dem Herrn Abgeordneten Schulhoff - am 1. De) zember - zum 65. Geburtstag
und dem Herrn Abgeordneten Wullenhaupt - am 3. Dezember - zum 60. Geburtstag.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Gesetzentwürfe zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechtes - Drucksachen IV/1030, IV/1033, IV/1148, IV/1305 - in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen nach § 96 der Geschäftsordnung auch dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Schließlich soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung die heutige Tagesordnung erweitert werden um die Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Einsetzung eines Sonderausschusses „Strafrecht" - Drucksache IV/1680 -. Das Haus ist einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe diesen Punkt sogleich auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Einsetzung eines Sonderausschusses „Strafrecht" - Drucksache IV/1680 -.
Wird zur Einbringung das Wort gewünscht? - Das
Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden
ohne Verlesung in den stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Bundesrat hat in seinen Sitzungen am 15. und 29. November 1963 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz über die Fortsetzung aufgelöster saarländischer Unternehmen
Gesetz zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes
Zweites Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Bergmannsprämien
Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Grundbuchwesens
Gesetz über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl
Gesetz zu dem Protokoll vorn 9. Dezember 1961 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Erklärung vom 12. November 1959 über den vorläufigen Beitritt Tunesiens zum allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
Gesetz zu dem Vertrag vom 16. Mai 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Togo über die Förderung der Anlage von Kapital.
Der Herr Präsident des Bundesrates hat unter dem 29. November 1963 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 29. November 1963 gemäß § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes beschlossen hat, gegen die Zweiundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 - Drucksache IV/1601 - keine Bedenken zu erheben. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1672 verteilt.
Der Bundeskanzler hat am 20. November 1963 dem Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses mitgeteilt, daß die Bundesregierung beschlossen hat, hinsichtlich des vom Deutschen Bundestag am 15. Mai 1963 verabschiedeten Ersten Gesetzes zur Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1656 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 13. November 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wagner, Memmel, Dr. Weber , Dr. Zimmer und Genossen betr. Behauptungen der Illustrierten Stern" über eine Postkontrolle des SPD-Abgeordneten Carlo Schmid - Drucksache IV/1571 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1631 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 15. November 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Süsterhenn, Dr. Zimmermann , Dr. h. c. Güde, Stiller und Genossen betr. Praxis des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Zusammenarbeit mit den Alliierten - Drucksache IV/1594 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1652 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 18. November 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kreyssig, Arendt , Bergmann, Birkelbach, Frau Dr. Elsner, Faller, Kriedemann, Seifritz, Frau Strobel und Fraktion der SPD betr. Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft - Drucksache IV/1599 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1647 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 25. November 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Arendt , Junghans, Bergmann, Hermann (Freiburg) und Fraktion der SPD betr. Bundeseinheitliche Regelung des Berg-rechtes - Drucksache IV/1625 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1661 verteilt.
Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat unter dem 29. November 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert, Lenze und Genossen betr. Freiwilliger Internationaler Hilfsdienst - Drucksache IV/1643 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1676 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 28. November 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Paul, Frau Dr. Maxsein und Genossen betr. Sonderbeitrag für den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge - Drucksache IV/1641 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1677 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 2. Dezember 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Süsterhenn, Dr. Stammberger, Bauer und Genossen betr. Unterrichtung auf dem Gebiet der Menschenrechte - Drucksache IV/1645 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1678 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 23. November 1963 unter Bezug auf den Beschluß des Bundes-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4501
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
tages vom 15. Mai 1963 über die Frage der Stärkung der Budgetbefugnisse des Europäischen Parlaments berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1660 verteilt.
Die Fraktion der FDP hat unter dem 14. November 1963 die Kleine Anfrage von Abgeordneten der FDP betr. NATO-Rohrleitungen — Drucksache IV/1506 — im Einverständnis mit den Antragstellern zurückgezogen.
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 28. November 1963 mitgeteilt, daß durch die Einbringung des interfraktionellen Antrages Drucksache IV/1659 ihr Antrag Drucksache IV/1397 hinfällig geworden sei und sie ihn daher zurückziehe.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung Nr. 122/63/EWG des Rates der EWG vom 14. November 1963 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 156 des Rates und der Verordnung Nr. 10/63/EWG des Rates
Verordnung Nr. 123/63/EWG des Rates der EWG vom 14. November 1963 über die Verringerung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine und einige Teilstücke von Schweinen für Einfuhren in der Zeit vom 1. bis zum 31. Dezember 1963
an den Außenhandelsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden,
Verordnung des Rates zur Änderung des Artikels 13 der Verordnung Nr. 3 und des Artikels 11 der Verordnung Nr. 4 —Drucksache IV/1669 —
an den Ausschuß für Arbeit mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 11. Dezember 1963.
Nach einer Vereinbarung in der Sitzung des Ältestenrates am 28. November 1963 ist der in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. November 1963 an den Finanzausschuß überwiesene Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes auch dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe mitberatend überwiesen worden.
Der Herr Präsident des Europäischen Parlaments hat unter dem 17. Oktober 1963
eine Entschließung betreffend das Abkommen über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar und die dazugehörigen Dokumente,
eine Entschließung über die internen Abkommen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum Abkommen über die Assoziation zwischen der EWG und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar
mit den dazugehörigen Berichten des Ausschusses dem Bundestag zur Kenntnisnahme übermittelt. Sie liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 28. November 1963 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 8. April 1959 eine Übersicht über die Beschäftigung Schwerbeschädigter bel den Bundesdienststellen nach dem Stand vom 1. Oktober 1963 übersandt, die als Drucksache IV/1679 verteilt wird.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 28. November 1963 unter Bezugnahme auf § 105 d Abs. 3 der Gewerbeordnung mitgeteilt, daß er auf Grund des § 105 d Abs. 1 der Gewerbeordnung Rechtsverordnungen erlassen habe. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/1685 verteilt.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde .
Zunächst die Frage des Herrn Abgeordneten Ertl aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes:
Hält es die Bundesregierung aus Gründen der Sicherheit für richtig, daß mehrere Mitglieder der Bundesregierung und sogar der Bundespräsident im selben Flugzeug reisen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Dann die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen — des Herrn Abgeordneten Dr. h. c. Jaksch —:
Ist die Bundesregierung bereit, zugunsten der durch die für 1. Januar 1964 vorgesehene Neuordnung des Postzeitungsdienstes in ihrer Existenz gefährdeten Heimatkreiszeitschriften der Vertriebenen einen Härteausgleich zu gewähren?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen!
Herr Kollege Jaksch, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Zeitschriften und Zeitungen der Vertriebenen eine wichtige heimatpolitische und volkstumpolitische Aufgabe erfüllen. Sie ist daher gewillt, wie bisher deren Tätigkeit zu unterstützen. Soweit die Auswirkungen der am 1. Januar 1964 in Kraft tretenden Neuordnung und die damit verbundene Gebührenerhöhung im Postzeitungsdienst schon jetzt übersehen werden können, werden die Verlage der Heimatvertriebenen- und Flüchtlingspresse ebenso wie viele andere Zeitungen sehr davon betroffen; und es ist nicht möglich, die Gebührenerhöhung ohne eine Erhöhung der Bezugspreise abzufangen.
Wenn auch ein genereller Härteausgleich für die Vertriebenen- und Flüchtlingspresse aus Gründen der Gleichbehandlung aller Sachverhalte und Tatbestände nach unserer Verfassung nicht möglich ist, so ist das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen doch bereit zu prüfen, welchen Ausgleich es in Einzelfällen, in Härtefällen, geben kann. Wir sehen daher solchen Anträgen entgegen.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß notleidende Heimatblätter der Vertriebenen von einer bestimmten Interessentengruppe verlockende Kaufangebote erhalten, die eine Zweckentfremdung dieser Organe befürchten lassen, so daß schon aus diesem Grunde eine wohlwollende Sonderregelung am Platze wäre?
Die Gefahr eines Mißbrauchs des Heimatgedankens derart, wie Sie es befürchten, Herr Kollege Jaksch, ist bekannt. Das unterstreicht unsere Bereitschaft, diesen Organen zu helfen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, haben Sie selber mit dem Herrn Bundespostminister darüber gesprochen, ob nicht auf dem Wege über sein Ressort Erleichterungen für diesen Kreis von Zeitungen und Zeitschriften möglich sind?
Herr Kollege, es haben nicht Besprechungen zwischen den Ministern, wohl aber zwischen den Ressorts stattgefunden, bei denen festgestellt wurde, daß der Gleichheitsgrundsatz eine unterschiedliche Handhabung nicht gestattet.
Herr Minister, wenn, wie Sie sagten, ein Härteausgleich nicht möglich sein soll, in wel-
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Rehs
cher Weise beabsichtigen Sie dann diesen Kreis von Zeitungen und Zeitschriften zu unterstützen?
Herr Kollege Rehs, es ist Ihnen sicher bekannt, daß sich diese Zeitungen und Zeitschriften ohnehin einer wohlwollenden Unterstützung des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen erfreuen. Im Rahmen dieser ohnehin gewährten Unterstützung werden diese Überlegungen angestellt.
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, Frage III — des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer —:
Hat die Bundesregierung auf Grund des bei der Behandlung des Antrags der Fraktion der SPD — Drucksache IV/1528 — zum Ausdruck gekommenen einmütigen Willens des Bundestages nunmehr die Rückführung des entführten Argoud verlangt, ohne die weitere Behandlung dieses Antrags und des Rechtshilfeersuchens an die französische Regierung abzuwarten?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach den ernsten und eindringlichen Erörterungen, die am 6. November in diesem Hohen Hause stattgefunden haben, ist die Bundesregierung erneut mit der französischen Regierung in Verbindung getreten. Die auf hoher Ebene geführten Besprechungen beschränkten sich nicht auf das Rechtshilfeersuchen des Oberstaatsanwalts in München. Sie hatten vielmehr den in der Debatte am 6. November behandelten Gesamtkomplex zum Gegenstand.
Die Bundesregierung ist bereit, dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten möglichst bald zu berichten und dabei Einzelheiten über den Stand der Angelegenheit mitzuteilen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung den Fall Argoud so beurteilt, wie das Haus ihn beurteilt hat, nämlich als eine Angelegenheit, die die guten Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern ernsthaft berührt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung sieht den Fall in einem Gesamtzusammenhang, und in diesen Gesamtzusammenhang gehören die im Hohen Hause in der Debatte vorgetragenen Gesichtspunkte zweifellos hinein.
Ich rufe auf die Frage IV — des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz:
Glaubt die Bundesregierung, daß die der französischen Regierung auf Grund der Attentatsklausel des deutsch-französischen Auslieferungsvertrages vielleicht offenstehende Möglichkeit eines Auslieferungsverlangens betr. Herrn Argoud nach dessen Rückführung auf deutsches Gebiet die von der Staatsanwaltschaft und auch von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen wegen der gewaltsamen Entführung des früheren Obersten berühren könnte?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz.
Die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft sind hier ausschließlich rechtlicher Natur und unabhängig davon, ob die französische Regierung Argoud an die Bundesrepublik zurückgeben und ob sie die Bundesregierung möglicherweise anschließend um Auslieferung ersuchen wird. Für Maßnahmen, die auf eine Rückführung von Argoud in die Bundesrepublik hinzielen, sind nicht die Gesichtspunkte der Strafverfolgung maßgebend; denn für derartige Fälle ist ein bestimmtes vertraglich geregeltes Verfahren nicht vorhanden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie falsch verstanden worden, was Ihre Ausführungen in Freiburg betrifft, über die in der Presse berichtet worden ist, es könnte so etwas geben wie eine Aufrechnung von Rückstellungsverlangen wegen Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik und Auslieferungsverfahren nach dem Auslieferungsvertrag?
Ich bin nicht falsch verstanden worden. Ich habe mich in Freiburg auf einer Pressekonferenz zu einer Möglichkeit für den Fall geäußert, daß Frankreich die Auslieferung mit der Begründung einer Beteiligung an einem Attentat begehren würde. Für diesen Fall habe ich diese Ausführungen gemacht, von denen ich ohne weiteres einräume, daß sie bei streng rechtlicher Betrachtung anfechtbar sind. Aber ich glaube, Sie haben Verständnis dafür, wenn ich mich hier vielleicht etwas auf das Gebiet der Außenpolitik begeben habe und einen gewissen Versuchsballon loslassen wollte, um die Reaktion Frankreichs darauf festzustellen.
Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Minister, daß die Untersuchung der Frage der Rückstellung des Entführten sauber zu Ende geführt werden muß, ehe ein Auslieferungsverfahren mit allen rechtsstaatlichen Garantien in Gang gebracht werden könnte?
Das wäre natürlich die erfreulichste Lösung dieses Falles. Aber in diesem Punkt bestehen, wie ich schon sagte, keine vertraglichen Vereinbarungen, auf die wir ein Verlangen auf Durchführung eines solchen Verfahrens gründen könnten.
Ich ziehe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor.
— Tut mir leid, wir müssen jetzt weitergehen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4503
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich rufe die Frage XI/1 — des Abgeordneten Kaffka — auf:
Hat die Bundesregierung im Zuge der Einrichtung von deutschluxemburgischen und deutsch-belgischen Naturparks auch erwogen, einen deutsch-französischen Naturpark einzurichten, für welchen sich das Gebiet des Wasgaua und der nördlichen Vogesen aus landschaftlichen Gegebenheiten wie aus seiner Lage zwischen den Ballungszentren Karlsruhe, Saargebiet und Nord-Lothringen anbietet?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, für die Bildung intereuropäischer Naturparke und der darüber abzuschließenden Staatsverträge sind gemäß Art. 32 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 75 Nr. 3 des Grundgesetzes die Länder zuständig, da auf deutscher Seite jeweils nur ein Bundesland bei der Bildung intereuropäischer Naturparke betroffen wird. Mit Schreiben vom 29. Juli 1963 hat das Auswärtige Amt den Staatskanzleien der Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dies für die Bildung eines deutsch-luxemburgischen und eines deutsch-belgischen Naturparks mitgeteilt und um Unterrichtung über den Verlauf der Angelegenheit gebeten, da der Europarat auf Anregung der Beratenden Versammlung die Schaffung intereuropäischer Naturparke zu einem starken Programmpunkt gemacht hat.
Das Land Rheinland-Pfalz hat mit Schreiben vom 20. August 1963 den Abschluß des raumplanerischen Verfahrens für den deutschluxemburgischen Naturpark bestätigt. Ein Verein ,,Deutsch-luxemburgischer Naturpark" wurde am 4. Mai 1963 in Vianden gegründet. Zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und Belgien sind die Verhandlungen noch im Gange.
Die Gründung eines deutsch-französischen Naturparks wird erwogen und ist sowohl von der Intereuropäischen Vereinigung für Eifel und Ardennen wie vom Verband Deutscher Naturparkträger auf seiner Jahrestagung am 10. Oktober 1963 in Irrel/ Eifel gutgeheißen worden. Auf deutscher Seite bietet sich dazu der bereits bestehende 1670 gkm große Naturpark Pfälzer Wald an, der in einer Länge von 40km an der deutsch-französischen Grenze verläuft. Das Land Rheinland-Pfalz hat sich dazu noch nicht geäußert.
Es liegt ein Gutachten des Bezirksplaners der Pfalz vor, das inzwischen dem Vogesen-Klub übersandt wurde. Darin wird vorgeschlagen, auf französischer Seite ein Gebiet von etwa 90 000 ha zwischen Weißenburg und Bitsch im Norden und Zabern im Süden zum Naturpark zu erklären und es mit dem 170 000 ha großen Naturpark Pfälzer Wald zu einem deutsch-französischen Naturpark zu vereinigen. Der Vogesen-Klub hat eine Kommission eingesetzt, um den Vorschlag zu prüfen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage XI/2 — des Herrn Abgeordneten Tobaben — auf:
Wann und wie gedenkt die Bundesregierung den Beschluß des Bundestages vom 26. Juni 1963 durchzuführen und die Rechts- und Wettbewerbsungleichheit, die sich durch die unterschiedliche Behandlung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft ergeben hat, zu beseitigen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hatte bereits durch Erlaß ihrer Richtlinien über die Zahlung und Rückforderung von Eierausgleithsbeträgen vom 6. Juni 1963 angestrebt, die unterschiedliche Handhabung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft zu beseitigen. Die Durchführung des wesentlich weitergehenden Bundestagsbeschlusses vom 26. Juni 1963 stieß auf unüberwindliche rechtliche Schwierigkeiten. Es begannen daher sofort nach Wiederaufnahme der Parlamentssitzungen am 10. Oktober 1963 Verhandlungen darüber, wie die Angelegenheit im Sinne des Bundestagsbeschlusses doch noch geregelt werden könnte. Sie fanden schließlich ihren Niederschlag in dem Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft. Diese Rechtsverordnung soll die Bereinigung einer Reihe von Härtefällen ermöglichen, die die Behörden eines Landes auf Grund meines Erlasses vom 6. Juni 1963 noch nicht glaubten vornehmen zu können. Damit dürfte im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten dem Bundestagsbeschluß vom 26. Juni 1963 entsprochen worden sein. Der Entwurf der Verordnung liegt zur Zeit den beteiligten Bundesressorts zur Zustimmung vor. Er soll möglichst noch im Dezember 1963 verabschiedet und verkündet werden.
Zusatzfrage?
Sind Sie der Meinung, Herr Staatssekretär, daß nach diesen neuen Richtlinien die noch strittigen Fälle in Niedersachsen ausgeglichen werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit bereits rechtskräftige Entscheidungen vorliegen, nicht, im übrigen ja.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Dr. Schmidt gestellte Frage XI/3 auf:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung den materiell bedeutsam geänderten Verordnungsentwurf der EWG-Kommission für die Milchmarktordnung dem Bundestag noch nicht zur Stellungnahme vorgelegt?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, eine Neufassung des geänderten Verordnungsentwurfs der EWG-Kommission lag der Arbeitsgruppe Milch und Milcherzeugnisse erstmals am 26. November 1963 vor. Das Dokument ist
4504 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Staatssekretär Hüttebräuker
der Bundesregierung offiziell noch nicht zugegangen. Sobald es hier eingegangen ist, wird es dem Bundestag zugeleitet werden.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist es nicht ein eigenartiges Verfahren: Sie verhandeln bereits über einen derartigen Entwurf, der offiziell nicht einmal vorliegt, geschweige denn daß er dem Bundestag nach dem Ratifizierungsgesetz vorliegt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Verhandlungen gelten zunächst nur einer Meinungsbildung oder einer Abstimmung der verschiedenen Ansichten. Wenn die Kenntnisnahme der verschiedenen Ansichten erfolgt ist, wird die Vorlage erstellt.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß gerade die Marktordnung für Milch für die deutsche Landwirtschaft von ganz entscheidender Bedeutung ist, vielleicht entscheidender als die ganze Getreidemarktordnung, und daß es daher notwendig wäre, noch in diesen Tagen mindestens die Ausschüsse des Bundestages und möglichst das Plenum zu befassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin der Meinung, daß die Marktordnung für Milcherzeugnisse von außerordentlich großer Bedeutung ist. Die Beteiligung der Parlamentsausschüsse wird umgehend erfolgen.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Schmidt gestellte Frage XI/4 auf:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bisher davon abgesehen, dem Bundestag den Entwurf eines NaturschutzRahmengesetzes zuzuleiten?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie gehen in Ihner Frage zutreffend davon aus, daß dem Bund nach Art. 75 Nr. 3 des Grundgesetzes für den Naturschutz das Recht der Rahmengesetzgebung zusteht. Grundlage des derzeitigen Naturschutzrechts ist das Reichsnaturschutzgesetz von 1935. Dieses Gesetz enthält weit mehr als Rahmenvorschriften und gilt deshalb nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 1958 nicht als Bundesrecht fort, ist also mit seinen Durchführungsverordnungen Landesrecht geworden. Bislang haben alle Länder am Reichsnaturschutzgesetz festgehalten. Zudem hat sich das Reichsnaturschutzgesetz im wesentlichen bewährt.
Einzelne Länder haben zwar gewisse Änderungen vorgenommen; diese haben jedoch die Belange des Naturschutzes nur gefördert und die Rechtseinheit nicht gestört. Aus diesen Gründen besteht zur Zeit für ein Bundesrahmengesetz kein vordringliches Bedürfnis. Mein Haus verfolgt die Entwicklung aufmerksam und beschäftigt sich vorsorglich mit den Vorarbeiten für ein Rahmengesetz des Bundes.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist das die Auffassung nur Ihres Hauses, oder ist dies auch die Auffassung der mitbeteiligten Bundesressorts, wie z. B. das Ministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung bzw. das Ministerium des Innern und vor allen Dingen auch das Bundesministerium für Gesundheitswesen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin im Augenblick über die Abstimmung nicht unterrichtet, Aber ich halte es für ausgeschlossen, daß sie nicht erfolgt ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Staatssekretär, wird sich Ihr Haus oder die Gesamtregierung aus Anlaß der bevorstehenden, von Ihnen eben angekündigten Neuregelung auch mit der Frage befassen, welche gesetzlichen Maßnahmen ergriffen werden sollen, um der Bevölkerung dort, wo bereits Naturschutz gegeben ist, wo ein Naturpark eingerichtet ist, die Möglichkeit zu geben, Waldwege zu begehen, die heute von gräflichen Großgrundbesitzern gesperrt werden durch Zäune, Stacheldraht und ähnliche nette Einrichtungen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich kann im Augenblick die rechtlichen Möglichkeiten nicht übersehen, aber ich halte es für selbstverständlich, daß sich die Bundesregierung um diese Frage ernst kümmern wird.
Eine zweite Zusatzfrage.
Würden Sie die Freundlichkeit haben, besonders auf die Interpretation des Grundgesetzes in dieser Hinsicht — in bezug auf die Verpflichtung der Großgrundeigentümer — zu achten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, Herr Abgeordneter.
Die Fragen XI/5 und XI/6 — des Herrn Abgeordneten Wächter — werden auf Wunsch des Fragestellers zurückgestellt.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4505
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich kehre zurück zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte und rufe auf die Frage V des Herrn Abgeordneten Reichmann, die von Herrn Abgeordneten Dürr übernommen worden ist:
Welche Durchschnittsleistungen seit der Währungsreform wurden von der Bundesregierung je Lastenausgleichsberechtigten erbracht?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Vertriebene.
Die Frage hört sich einfach an. Ich könnte sagen: es liegen 8 Millionen Feststellungsanträge vor, und 50 Milliarden DM sind ausbezahlt. Also eine kinderleichte Divisionsaufgabe. Das Resultat wäre jedoch falsch und verwirrend aus folgenden Gründen:
1. Lastenausgleichsberechtigte erhalten Leistungen nicht nur aus dem Fonds, sondern auch aus dem Bundeshaushalt. Ich nenne als Beispiele die unmittelbaren Mittel aus dem Fünfjahresplan für die Ansiedlung vertriebener Bauern und die mittelbare Förderung durch Steuervergünstigungen.
2. Unterhaltshilfeempfänger ohne Vermögensverluste stellen keinen Feststellungsantrag. Ihre Zahl ist rückläufig, während die Unterstützungssätze steigen.
3. Erst 80 0/o der Feststellungsanträge sind entschieden. Im ersten Halbjahr 1963 sind noch über 100 000 neue Anträge gestellt worden.
4. Die Leistungen des Fonds sind teils Darlehen, teils Beihilfen zum Lebensunterhalt oder zur Berufsausbildung, teils Hauptentschädigung und deren Verzinsung.
5. Wohnungsbau- und Arbeitsplatzbeschaffungsdarlehen sind auch an nichtgeschädigte Unternehmer und Bauträger zugunsten Geschädigter gegeben worden.
6. Ein hoher Prozentsatz der Empfangsberechtigten erhält zwei und mehr Leistungen, z. B. Existenzaufbaudarlehen, Hausratentschädigung und Hauptentschädigung, oder Unterhaltshilfe, Ausbildungshilfe und Hausratentschädigung.
7. Teilgeschädigte werden auch durch indirekte Leistungen entschädigt, indem sie ganz oder teilweise von der Abgabepflicht befreit werden.
Schon wegen der Verschiedenartigkeit der Leitungen — denn die Darlehen fließen ja ganz oder eilweise zurück —, mehr aber noch wegen der Häufung verschiedener Leistungsarten auf eine Person läßt sich Ihre Frage zur Zeit nicht einmal schätzungsweise beantworten.
Keine Zuatzfrage.
Die Frage des Herrn Abgeordneten Seibert aus Lem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend wird im Einverständnis mit dem Fragesteller zurückgestellt. Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers werden erst am Donnerstag aufgerufen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe auf die Frage VIII/1 — des Herrn Abgeordneten Haase —:
Trifft es zu, daß teure Spezialfahrzeuge des Bundesluftschutzverbandes monatelang den Witterungsunbilden ausgesetzt sind, weil von Amts wegen eine Garagenmiete von 1 DM je qm als Obergrenze festgesetzt wurde?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Kollege Haase, Ihre Frage bezieht sich offenbar nicht auf die Fahrzeuge des Bundesluftschutzverbandes, sondern auf die Fahrzeuge des Luftschutzhilfsdienstes. Diese Fahrzeuge werden vom Bund an die Länder ausgeliefert und von den Ländern im Auftrage des Bundes verwaltet. Auf Grund Ihrer Frage habe ich mich bei allen Ländern genau erkundigt, ob Fahrzeuge des Luftschutzhilfsdienstes im Freien stehen, weil wegen der Begrenzung des Mietsatzes keine Unterstellplätze gemietet werden konnten. Die Umfrage hat ergeben, daß dies in keinem einzigen Fall zutrifft.
Eine Sekunde, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
— Ist der Herr Abgeordnete Haase im Saal? — Er ist nicht im Saal. Dann lasse ich auch keine Zusatzfrage zu. Ich bitte um Entschuldigung, Herr Minister!
— Haben Sie die Frage übernommen?
— Gut! Sonst hätte ich mich jetzt entschuldigen müssen, weil der Abgeordnete Haase nicht im Saal ist. Fragen, die von einem Abgeordneten gestellt werden, werden nicht beantwortet, wenn dieser nicht im Saal ist. Sie übernehmen die Frage also?
— Dann bitte ich das doch in Zukunft vorher zu sagen. Bitte sehr, eine Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Pressemeldung, auf die die Frage des Kollegen Haase offensichtlich zurückgeht, von unzureichenden Informationen ausgegangen war und daß der Sachverhalt im übrigen so ist, wie Sie es dargestellt haben?
Ja, ich kenne die Pressemeldung. Wir haben auf Grund dieser Meldung Untersuchungen angestellt und sind dabei zu dem angegebenen Ergebnis gekommen.
Ich rufe auf die Frage VIII/2 — des Herrn Abgeordneten Cramer —:
Kann die Bundesregierung berichten, wie hoch das finanzielle Ergebnis der letzten „Fernsehlotterie für die Alten" gewesen ist?
4506 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Herr Präsident, ich bitte mir zu gestatten, daß ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Cramer zusammen beantworte, weil sie miteinander in einem sachlichen Zusammenhang stehen.
Sind Sie damit einverstanden, Herr Fragesteller?
— Dann rufe ich zusätzlich die Fragen VIII/3 und VIII/4 — des Herrn Abgeordneten Cramer — auf:
Wie hoch war das Nettoergebnis der „Fernsehlotterie für die Alten" nach Abzug der Preise und der Lotteriesteuer?
Hält die Bundesregierung es für richtig, daß im Falle der „Femsehlotterfe für die Alten" die Lotteriesteuer erhoben wird?
Bitte sehr, Herr Minister!
Die unter dem Namen „Miteinander-Füreinander" vom 3. Februar bis 9. April 1963 veranstaltete „Lotterie für die Alten" hat an Lotterieeinsätzen, Spenden, Zinsen sowie Skonti 23 900 551,23 DM erbracht. Das ist das Bruttoergebnis. Das Nettoergebnis dieser Lotterie betrug nach Abzug der Kosten für Gewinne, Lotteriesteuern und Lotterieveranstaltung 14 606 305,76 DM.
Zur dritten Frage ist folgendes zu sagen. Nach § 18 des Rennwett- und Lotteriegesetzes sind Ausspielungen, die ausschließlich mildtätigen Zwecken dienen, steuerbefreit, wenn der Gesamtpreis der Lose den Wert von 3000 DM nicht übersteigt. Da im Falle der Lotterie. „Miteinander-Füreinander" der Gesamtpreis der Lose aber wesentlich über dieser Freigrenze liegt, kann die vorbezeichnete Befreiungsvorschrift nicht zur Anwendung kommen. Ob ein Erlaß der Lotteriesteuer aus Billigkeitsgründen möglich ist, entzieht sich der Beurteilung durch die Bundesregierung, weil nach dem Grundgesetz die Verwaltung der Lotteriesteuer ausschließlich Sache der Länder ist, denen auch das Lotteriesteueraufkommen zufließt.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, wären Sie bereit, den Ländern Empfehlungen zu geben, in solchen Fällen von der Erhebung der Lotteriesteuer abzusehen? Denn der Zweck ist doch zweifellos gemeinnütziger Art.
Ich bin der Meinung, daß die Länder, deren Verwaltungshoheit der Bund sehr peinlich beachtet, durchaus dieselbe Kenntnis von dem mildtätigen Zweck dieses Vorhabens haben und in eigener Zuständigkeit zutreffende Entscheidungen treffen werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der
Finanzen. Ich rufe auf die Frage IX/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher —:
Welche Erfahrungen hat die Finanzverwaltung mit dem Einsatz einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage beim Finanzamt Berlin-Charlottenburg gemacht?
Zur Beantwortung der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die elektronische Datenverarbeitungsanlage wurde im Finanzamt Berlin-Charlottenburg am 1. Oktober dieses Jahres installiert. Erfahrungen über ihren Einsatz liegen daher zur Zeit noch nicht vor. Im Augenblick werden die sehr umfangreichen Maschinenprogramme auf der Anlage getestet. Mit den Versuchen soll im Laufe des Jahres 1964 begonnen werden.
Keine Zusatzfrage? —
Frage IX/2 — Abgeordneter Dr. Rinderspacher —:
Kann eine Beschleunigung beim Berechnen des Lohnsteuerjahresausgleichs durch Einsatz einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage gegebenenfalls auch bei den Finanzämtern im Bundesgebiet erwartet werden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesfinanzminister.
Der Lohnsteuerjahresausgleich wurde zwar noch nicht in Berlin, aber bereits in den Ländern BadenWürttemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland, zum Teil seit mehreren Jahren, mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitungsanlagen bearbeitet. Durch den Einsatz dieser Maschinen konnten die Arbeiten allgemein beschleunigt und verbessert werden. In Berlin ist bisher bei der überwiegenden Anzahl der Finanzämter der Lohnsteuerjahresausgleich mit Hilfe konventioneller Lochkartenmaschinen bearbeitet worden.
Auf Grund der guten Erfahrungen in den genannten Ländern wird auch in Berlin vom Ausgleichsjahr 1963 ab der Lohnsteuerjahresausgleich erstmals mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitungsanlage für die Finanzämter Charlottenburg-West und Charlottenburg-Ost durchgeführt werden. Dabei sollen neue Methoden der Eingabe erprobt werden. Möglicherweise können noch weitere Verbesserungen erzielt werden.
Zusatzfrage? — Bitte sehr!
Herr Bundesfinanzminister, ist Ihnen die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Lohnsteuererstattungsanträge des Lohnsteuerjahresausgleichs bekannt?
Im Augenblick bin ich überfragt, Ich bin gern bereit, die Frage schriftlich zu beantworten, wenn ich festgestellt habe, wie die Lage dort ist. Wahrscheinlich wird es in den einzelnen Ländern sehr verschieden sein.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4507
Zweite Zusatzfrage!
Darf ich darauf hinweisen, Herr Bundesminister, daß es in einzelnen Ländern bis zu dreiviertel Jahren und noch länger dauert, und wären Sie bereit, von sich aus entsprechende Empfehlungen auch hinsichtlich der personellen Besetzung zu geben, weil die Arbeit mit Datenverarbeitungsanlagen dazu geführt hat, daß in Notfällen eine individuelle Bearbeitung überhaupt nicht möglich ist?
Ich bin dazu bereit, Herr Abgeordneter.
Ich rufe die Frage IX/3 — der Frau Abgeordneten Meermann — auf:
Trägt die Bundesregierung sich mit der Absicht, dem Vorschlag zuzustimmen, eine 25-Pfennig-Münze einzuführen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort der Bundesregierung lautet: Nein.
Eine Zusatzfrage? —
Herr Bundesminister, können Sie sagen, wer die „interessierten Kreise" sind, die diesen Antrag gestellt haben?
Die Frage, ob man nach Änderung des Münzgesetzes z. B. 15-Pfennig-Münzen oder 25-Pfennig-Münzen prägen sollte oder nicht, wurde von verschiedenen Kreisen im Laufe der letzten Jahre immer wieder an uns herangetragen. Immer wieder einmal kommt es auch zu Presseberichten über solche Wünsche. Selbstverständlich gibt es Gründe, die die Einführung einer solchen Münze auch positiv erscheinen lassen. Denken Sie einmal daran, daß sich der Verkauf durch Automaten im Laufe der letzten Jahre immer weiter entwickelt hat und daß gewisse Automatenfirmen oder Herstellerfirmen, die ihre Ware durch Automaten verkaufen, gezwungen sind — wenn sie die Preise nicht erhöhen wollen —, diese 25 Pf als Beitrag durch den Automaten zurückzuliefern. Das ist natürlich eine umständliche Angelegenheit, die gewisse Kreise dazu bringt zu sagen, es wäre doch gut, wenn man eine 25-Pfennig-Münze hätte.
Auf der anderen Seite haben sich die Automatenhersteller darauf eingestellt, Automaten zu fabrizieren, die in der Lage sind, diese Rückgabe durchzuführen. Denen würde man durch die Einführung einer solchen Münze nun wieder Schwierigkeiten bereiten, weil sie sich bei ihrer Fabrikation auf das Fehlen der Münze eingestellt haben, während die Herstellerfirmen durch Umstellung des ganzen Automatenparks belastet würden, wenn wir eine
solche Münze einführten. Das Ganze muß gegeneinander abgewogen werden. Wie ich gesagt habe: Wir beabsichtigen nicht, diese Münzsorte einzuführen.
Herr Bundesminister, war für Ihre negative Entscheidung auch die Überlegung maßgebend, daß die Schaffung einer 25-
Pfennig-Münze bestehende Tendenzen zum Preisanstieg begünstigen könnte, wenn z. B. Dinge, die jetzt 20 Pfennig kosten, dann automatisch 25 Pfennig kosten würden?
Ich würde nicht sagen, daß das automatisch dazu führen würde. Aber ich beantworte Ihre Frage mit Ja, weil tatsächlich auch diese Überlegungen bei unserer Entscheidung mit berücksichtigt worden sind.
Ich rufe auf die Frage IX/4 — des Herrn Abgeordneten Flämig —.
Trifft es zu, daß der von der Firma Western Electric Company in New York als wohltätiges Werk fabrizierte und der Weltgesundheitsorganisation zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellte elektronische Kehlkopf, der über das Bundesgesundheitsministerium an Personen vermittelt wird, die durch Kehlkopfexstirpation u. a. ihre Stimme verloren haben, in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Zollsatz von 11,4 % belegt ist, wozu eine Umsatzausgleichsteuer in Höhe von 6 % vom Zollwert kommt?
Zur Beantwortung der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für jede eingeführte Ware ist bei der Abfertigung zum freien Verkehr grundsätzlich der im Zolltarif für die Ware festgesetzte Zoll zu erheben ohne Rücksicht darauf, aus welchem Grunde und zu welchem Zwecke die Ware jeweils eingeführt wird. Eine Abgabenerhebung entfällt nur dann, wenn auf Grund von Rechtsvorschriften eine außertarifliche Zollfreiheit vorgesehen ist. Eine solche außertarifliche Zollfreiheit besteht für elektronische Kehlköpfe nicht. Für diese Geräte müssen daher die gesetzlichen Eingangsabgaben erhoben werden. Je nach Zusammensetzung und Arbeitsweise der Geräte unterliegen sie zur Zeit entweder einem Außenzoll von 10,4 % oder 12,4 % des Wertes. Hinzu kommt eine Umsatzausgleichsteuer von 6 %, die sich nach dem Zollwert der Ware zuzüglich des entstandenen Zolls bemißt.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage IX/5 — des Herrn Abgeordneten Flämig —:
Besteht die Möglichkeit, elektronische Kehlköpfe zoll- und steuerfrei einzuführen angesichts der Tatsache, daß Herstellung und Vermittlung eines solchen Gerätes eine soziale Tat ist?
Zur Beantwortung der Herr Bundesfinanzminister.
Die Außenzollsätze können auf Grund des EWG-Vertrages nicht mehr von den einzelnen Mitgliedstaaten geändert werden. Es ist deshalb nicht mehr
4508 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Bundesminister Dr. Dahlgrün
möglich, durch eine autonome Tarifänderung eine Zollfreiheit für elektronische Kehlköpfe herbeizuführen. Ebensowenig könnte eine außertarifliche Zollfreiheit für diese Ware geschaffen werden, weil sonst der den deutschen Gesetzgeber bindende Zolltarif umgegangen würde. Die Abgabenfreiheit aus Rechtsgründen ist mithin nicht gegeben.
Es bleibt daher noch zu prüfen, ob eine Möglichkeit besteht, die Eingangsabgaben für die Sprechgeräte aus Billigkeitsgründen nach § 131 der Reichsabgabenordnung zu erlassen. Das deutsche Zoll- und Ausgleichsteuerrecht kennt eine Abgabenbefreiung für die vielfältigen Hilfsmittel und Geräte, die für Schwerbeschädigte, Körperbehinderte oder Kranke von diesen selbst oder auch von gemeinnützigen Einrichtungen eingeführt werden oder eingeführt werden können, nicht. Der damit zum Ausdruck gelangende Gesetzeswille darf nicht durch Billigkeitsmaßnahmen nach § 131 der Abgabenordnung übergangen werden. Denn diese Gesetzesvorschrift ermächtigt nur zu Abgabenerlassen in sinngemäßer Ergänzung der Steuergesetze, nicht jedoch zu Maßnahmen, die eindeutig über den vom Gesetz selbst gezogenen Rahmen hinausgehen, selbst wenn sie im einzelnen Falle gefühlsmäßig noch so erwünscht erscheinen sollten. Für den vorliegenden Fall bedeutet das leider, daß aus der besonderen Zweckbestimmung der Sprechgeräte Billigkeitsgründe nicht hergeleitet werden können.
Eine Abgabenvergünstigung läßt sich zu meinem Bedauern aber auch nicht mit der sozialen Leistung begründen, die zweifellos in der Herstellung und Vermittlung der Sprechgeräte zu sehen ist. Dieserhalb von der Verzollung abzusehen und auf gesetzliche Abgaben zu verzichten, würde praktisch auf sine stillschweigende Zuwendung von Haushaltsmitteln zur Förderung der Einfuhr elektronischer Kehlköpfe hinauslaufen. Zu einer solchen Subventionierung außerhalb des Haushaltsplans ist die Verwaltung nicht befugt, auch dann nicht, wenn die Mittel — wie hier — einem besonders förderungswürdigen Zweck zugute kämen.
Eine derartige Förderungsmaßnahme nur zugunsten der Einfuhr dieser Sprechgeräte aus den Vereinigten Staaten mit Rücksicht darauf, daß die Geräte vom Hersteller zum Selbstkostenpreis abgegeben werden, ließe sich zudem mit dem Grundsatz Ier gleichmäßigen Behandlung aller Steuerpflichtigen nicht vereinbaren. Es wäre ungerecht, nur die Erwerber der elektronischen Kehlköpfe deshalb steuerlich zu begünstigen, weil sie die Geräte über die Weltgesundheitsorganisation zum Selbstkostenpreis geliefert erhalten, während von anderen Körperbeschädigten, die auf die Einfuhr anderer Hilfsmittel zu den normalen Kosten angewiesen sind, weiterhin die vollen gesetzlichen Abgaben gefordert werden müßten.
Ich bedaure und darf um Verständnis bitten, wenn bei der gegebenen Rechtslage, auch bei gebührender Berücksichtigung der besonderen Lage der Erwerber der Sprechgeräte, keine Möglichkeit gefunden werden kann, die elektronischen Kehlköpfe von den Eingangsabgaben freizustellen. Aus den gleichen Gründen mußte schon zahlreichen Anträgen, die in
gleichen oder ähnlichen Fällen in der Vergangenheit an die Verwaltung gerichtet wurden, der Erfolg versagt bleiben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeorneter Flämig!
Hält es die Bundesregierung in Anbetracht der sozialen Härte, die mit diesem engen gesetzlichen Rahmen verbunden ist, für angezeigt, den gesetzlichen Rahmen in absehbarer Zeit zu erweitern?
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß aus meiner Antwort schon geschlossen werden kann, daß diese Frage nicht eindeutig zu bejahen ist. Wenn das für die elektronischen Kehlköpfe gemacht würde, dann würde sich eine Ungerechtigkeit für andere schwer körperbeschädigte Kranke ergeben, für die auch Hilfsgeräte eingeführt werden. Man müßte die Frage für den gesamten Bereich prüfen.
Warum sollte man es nicht prüfen? Ich werde mir einen Überblick zu verschaffen versuchen, wie groß das Volumen ist, wieviel man da einbeziehen müßte. Es würden z. B. sicherlich sämtliche Arzneimittel dazugehören.
Meine Damen und Herren, wir gehen weiter, sonst kommen wir mit unseren Fragen in dieser Woche überhaupt nicht mehr zu Rande. Ich bitte um Ihr Verständnis dafür. Ich darf an kurze Beantwortungen erinnern, Herr Bundesminister. Ich würdige Ihre Bemühungen. Aber wir haben so viele Fragen vorliegen, daß wir mit diesem System nur durchkommen, wenn wir uns knapp fassen.
Die Frage IX/7 — des Herrn Abgeordneten Jahn wird vom Bundesschatzminister beantwortet.
— Wird die Frage IX/6 — des Herrn Abgeordneten Reichmann — übernommen?
— Ich rufe dann die Frage IX/6 — des Herrn Abgeordneten Reichmann — auf, die vom Abgeordneten Dürr übernommen wird:
Welche Durchschnittsleistungen seit der Währungsreform wurden von der Bundesregierung je Wiedergutmachungsberechtigten erbracht?
Darf ich um Beantwortung bitten, Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident, auch auf dem Gebiet der Wiedergutmachung läßt sich nicht sagen — ich schließe an die Antwort des Herrn Bundesministers für Vertriebene an —, wie hoch die Durchschnittsbeträge sind, die der einzelne Berechtigte bisher erhalten hat. Dazu sind auch hier die einzelnen Fälle zu unterschiedlich und die gesetzlichen Regelungen zu verschieden.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, ,den 4. Dezember 1963 4509
Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Minister, halten Sie es für politisch sinnvoll und moralisch überhaupt vertretbar, den Versuch zu machen, das ganze Unglück, das eine große Gruppe unseres Volkes und anderer Völker betroffen hat, in solche schematische Vorstellungen einpressen zu wollen?
Welche schematischen Vorstellungen, Herr Abgeordneter?
Mit der Frage nach Durchschnittsleistungen.
Das halte ich nicht für richtig.
Frage IX/7 — des Herrn Abgeordneten Jahn — an den Herrn Bundesschatzminister. Zur Beantwortung der Herr Bundesschatzminister.
Die Fragen an das Bundesschatzministerium sind, soweit mir bekannt ist, auf morgen zurückgestellt worden.
Ich stelle sie zurück und rufe sie morgen auf. Danke vielmals.
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Die Frage X/1 — —
— Gleich von zwei Abgeordneten? Das ist gut, wenn sich zwei melden, besser als keiner; aber welcher der Edlen hat nun den Vortritt? Sie haben sich beide gleichzeitig gemeldet. — Also übernehmen Sie, bitte, Herr Abgeordneter Rinderspacher, die Frage.
Die Frage X/1 — der Abgeordneten Frau Schanzenbach —:
Sind der Bundesregierung die Vorwürfe bekannt, die die Gesellschaft für Konsumforschung, Sitz Nürnberg, gegen die Berechnungsmethoden des Statistischen Bundesamtes bei der Ermittlung der Lebenshaltungskosten auf dem Wege über die Haushaltbücher von 280 sogenannten Repräsentativ-Haushalten erhoben hat?
Die Pressemeldungen über die Vorwürfe der Gesellschaft für Konsumforschung sind der Bundesregierung bekannt. Diese Meldungen waren insofern unzulänglich, als die Ergebnisse der Befragung bei privaten Haushalten lediglich als Ausgangspunkt für das Wägungsschema des Preisindexes für die Lebenshaltung dienen. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß nicht 280, wie in der Frage dargestellt worden ist, sondern 360 Haushalte der mittleren Verbrauchergruppe erfaßt worden sind. Die Ermittlung der Preise für die Berechnung des Indexes erfolgt dagegen bei rund 23 000 Geschäften
und Betrieben. Die Berechnungsmethoden des Preisindexes für die Lebenshaltung einschließlich dessen Wägungschema sind im übrigen vom Statistischen Beirat beim Statistischen Bundesamt, dem u. a. auch Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände sowie der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute angehören, gebilligt worden. Auch international — z. B. bei der EWG oder der OECD — ist die Berechnungsmethode des Statistischen Bundesamtes für den Preisindex anerkannt.
Keine Zusatzfrage? — Frage des Herrn Abgeordneten Riedel .
Herr Präsident, ich bitte um das Einverständnis, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Riedel im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Der Fragesteller ist damit einverstanden.
Frage X/2 — des Abgeordneten Riedel —:
Hält die Bundesregierung die Kontingentierungsmethoden des Braunkohlensyndikats gegenüber dem mittelständischen Kohlengroß- und -einzelhandel nach den Gesetzen der freien Marktwirtschaft für vertretbar?
Frage X/3 — des Abgeordneten Riedel :
Ist der Bundesregierung die Marktenge bei der Versorgung mit Hausbrandbriketts bekannt?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß in der Versorgung mit Braunkohlenbriketts eine gewisse Marktenge besteht. Es handelt sich dabei um einen Zustand, mit dem wir auch in der Vergangenheit bereits häufiger konfrontiert waren. Die Schwierigkeiten resultieren letztlich aus der Tatsache, daß der Kreis der Anbieter und der Umfang des Angebots strukturell verhältnismäßig klein sind. Im Bundesgebiet gibt es im wesentlichen zwei Anbieter: die Verkaufsgesellschaften des rheinischen und des Helmstedter Reviers. Die Produktionsmöglichkeiten dieser Reviere sind beschränkt. Zusätzliche Lieferungen sind im wesentlichen nur über das Interzonenhandelsabkommen möglich. Auch die insoweit zur Verfügung stehenden Mengen reichen jedoch nicht aus, um in Zeiten des Spitzenbedarfs alle Bezugswünsche zu decken.
Bei einer solchen Situation, die gerade zu Beginn der Wintermonate häufig eintritt, muß in irgendeiner Form eine Verteilung der zur Verfügung stehenden Mengen durchgeführt werden, um eine gleichmäßige Versorgung zwar nicht zu gewährleisten, aber mindestens anzustreben. Ich räume ein, daß das auf Referenzperioden aufgebaute System es nicht ermöglicht, alle für eine gerechte Befriedigung der Bedarfswünsche wesentlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Ich weiß um die Schwierigkeiten und werde mich bemühen, diese zu beheben, soweit es geht.
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Zusatzfrage? — Jawohl.
Herr Bundesminister, ist es nicht mißlich, daß auf diesem Gebiet sogenannte Koppelungsgeschäfte 'existieren, daß also dem Einzelhandel angeboten wird, den Verbraucher mit Sorten zu beliefern, die dieser einfach gar nicht verwenden kann?
Herr Kollege, ich halte das für außerordentlich mißlich. Ich sagte schon: da das Angebot so mangelhaft ist, steht die Verteilung natürlich 'immer in der Versuchung, so etwas zu tun. Wir werden uns bemühen, diese Mißstände weitestgehend zu beseitigen, soweit es in unseren Kräfte steht.
Zusatzfrage des Abgeordneten Müller .
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Knappheit auf dem Gebiete der Brikettversorgung besonders im bayerischen Raum schon seit Jahren und auch während. der Sommermohate besteht?
Das ist uns bekannt. Aber eine Erhöhung des Angebots ist leider nicht möglich, weil die Produktion nicht vorhanden ist.
Eine zweite Zusatzfrage!
Ist es zu vertreten, daß die Versorgung ausschließlich in die Hände des Großhändlers gelegt wird, der dann damit tun kann, was er will?
Irgendwer muß die Verteilung vornehmen, und da der Anreiz zum Mißbrauch alle Menschen gleich trifft, möchte ich hier nicht eine Gruppe angreifen, sondern nur sagen, daß wir alles tun müssen, um eine mißbräuchliche Ausnützung dieser besonderen Situation zu verhindern.
Ich rufe auf die Frage X/4 — des Herrn Abgeordneten Fritsch —:
Wer ist dafür verantwortlich, daß die deutsch-tschechischen Grenzübergänge Finsterau-Buchwald und Haldmühle-Neuthal zum 31. März 1964 geschlossen werden sollen?
Zur Beantwortung der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Die Benutzung der beiden Grenzöffnungen Finsterau und bei Haidmühle für Holzeinfuhren ist von dem Bayerischen Staatsministerium des Innern im Einvernehmen mit den für die Wareneinfuhr zuständigen Stellen der Bundeszollverwaltung seinerzeit mit einer Befristung bis zum 31. Oktober 1963 zugelassen worden. Diese Befristung war den beteiligten Holzfirmen seit der Genehmigung ihrer Anträge bekannt.
Es handelt sich also um eine befristete Öffnung.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die mit den tschechoslowakischen Holzgroßhändlern abgeschlossenen Lieferverträge innerhalb dieser befristeten Einfuhrmöglichkeit nicht abgewickelt werden konnten und daß zum Teil noch Bestände, die bereits gekauft sind, sich jenseits der Grenze befinden und nicht eingeführt werden können?
Nein, das ist mir nicht bekannt. Aber ich werde Rückfragen halten und auch entsprechende Anregungen geben.
Ich rufe auf die Frage X/5 — des Herrn Abgeordneten Fritsch —:
Ist die in Frage X/4 genannte Maßnahme mit der Ankündigung der Bundesregierung in der Regierungserklärung in Einklang zu bringen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Wirtschaftsaustausch mit den östlichen Nachbarländern zu erweitern, da beide Grenzübergänge vor allem dem Wirtschaftsaustausch gedient haben und noch dienen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister!
Die zeitlich begrenzte Öffnung gewisser Durchlässe zur Einfuhr bestimmter Waren aus der Tschechoslowakei in die Bundesrepublik ist nicht in dem mit der Tschechoslowakei abgeschlossenen Warenabkommen geregelt, sondern von Fall zu Fall im Interesse der grenznah gelegenen weiterverarbeitenden deutschen Industrie mit den tschechoslowakischen Grenzüberwachungsorganen vereinbart worden. Es war also jeweils die Interessenlage auf deutscher Seite ausschlaggebend. Eine Ausfuhr deutscher Waren auf diesem Wege hat nicht stattgefunden, so daß von einem Warenaustausch an diesen Grenzöffnungen nicht gesprochen werden kann.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, halten Sie die Begründung des Grenzpolizeipräsidiums in Bayern für überzeugend, daß die Grenzübergänge deshalb geschlossen werden mußten, weil das notwendige Personal für die Kontrolle dieser Grenzübergänge fehlt?
Ich kenne diese Begründung nicht. Bevor ich darauf antworte, müßte ich mit den zuständigen Behörden Fühlung nehmen.
Aber diese Frage steht mit Ihrer dritten Frage im Zusammenhang.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4511
Ich rufe auf die Frage X/6 — des Herrn Abgeordneten Fritsch —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Schließung der beiden Grenzübergänge Finsterau-Buchwald und HaidmühleNeuthal zu verhindern?
Die Bundesregierung . wird an die Regierung des Freistaates Bayern mit der Bitte herantreten, erneut zu prüfen, ob die örtlichen Gegebenheiten die Neueröffnung dieser Grenzöffnungen erforderlich machen.
Zusatzfrage!
Herr Minister, würden Sie dabei den Umstand mit einschließen, daß weitere Grenzübergänge in absehbarer Zeit, spätestens zum 31. Dezember dieses Jahres, geschlossen werden sollen, und würden Sie sich auch insoweit verwenden, daß diese beabsichtigte Schließung nicht stattfindet?
Herr Kollege, ich würde niemals über diese Einzelfrage verhandeln, sondern selbstverständlich den gesamten Bereich der Grenze miteinbeziehen.
Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen die Stellungnahme der bayerischen Sägeindustrie zu diesen Fragen bekannt?
Jawohl, sie ist mir bekannt.
Ich rufe auf die Frage X/7 — des Herrn Abgeordneten Jahn —:
Wann wird die Bundesregierung dem einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1963 entsprechen und ein weiteres Gesetz zur Ausführung des Artikels 26 Abs. 2 GG vorlegen?
Die beteiligten Bundesministerien haben geprüft, ob ein weiteres Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes vorgelegt werden kann oder andere Maßnahmen vorzuschlagen sind. Das Ergebnis ist in einer Kabinettsvorlage dargestellt. Die Bundesregierung wird darüber am 11. Dezember beraten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zu den Fragen X/8 und X/9 — des Herrn Abgeordneten Rauhaus —:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, ein seit nunmehr 10 Jahren von den technisch-wissenschaftlichen Verbänden der Bundesrepublik Deutschland dringend gewünschtes Ingenieurgesetz dem Bundestag zur Beratung und Verabschiedung vorzulegen?
Welche Umstände oder Überlegungen haben die Einbringung eines Ingenieurgesetzes bisher verhindert?
Zur Beantwortung der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Dem Deutschen Bundestag hat in den vergangenen Legislaturperioden zweimal ein entsprechender Initiativgesetzentwurf vorgelegen. Am 24. Mai 1957 verabschiedete der Bundestag auf Grund der Empfehlung des Ausschusses für Sonderfragen des Mittelstandes in 2. und 3. Lesung das Gesetz zum Schutze der Berufsbezeichnung Ingenieur . Der Bundesrat versagte jedoch in seiner 178. Sitzung dem Gesetz seine Zustimmung, da der Rechtsausschuß bei seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen war, daß dem Bundesgesetzgeber für die Regelung dieser Materie die Gesetzgebungskompetenz fehle. Abgesehen hiervon bestehe auch kein rechtspolitisches Bedürfnis, da nach § 360 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuches, dem Gesetz über die Führung akademischer Grade und dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb die Möglichkeit gegeben sei, den Mißbrauch von Berufsbezeichnungen zu verhindern oder zu ahnden. Der Vermittlungsausschuß wurde nicht angerufen.
In der dritten Legislaturperiode wurde wiederum ein Initiativgesetzentwurf mit der gleichen Zielsetzung eingebracht - Drucksache 2067 —. Dieser Entwurf wurde nach der 1. Lesung im federführenden Ausschuß für Mittelstandsfragen eingehend beraten. In der Sitzung am 27. April 1961 beschloß der Ausschuß, die Beratungen über den Entwurf nicht fortzusetzen, um zu vermeiden, daß das Gesetz im Bundesrat wiederum der Ablehnung verfalle. Der Ausschuß war der Meinung, daß eine gesetzliche Regelung der Materie nur nach vorhergehender Abstimmung mit den Ländern erreicht werden könne.
Die Bundesregierung sieht bei der vom Bundesrat bisher eingenommenen Haltung keine Möglichkeit, ihrerseits einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. — Herr Kollege, ich bedaure, Ihnen das sagen zu müssen, aber so ist nun einmal die Lage.
Zusatzfrage!
Teilt die Bundesregierung die Sorge der technisch-wissenschaftlichen Verbände und des Vereins Deutscher Ingenieure, daß die deutsche Ingenieurausbildung z. B. auch im Ausland zunehmend in ein Zwielicht und in Mißkredit geraten kann, wenn nicht eine Regelung darüber erfolgt, wer überhaupt berechtigt ist, sich Ingenieur zu nennen?
Ich kann darauf nur antworten, daß ich zu den vorhin erwähnten Gesetzentwürfen meine eigene Unterschrift gegeben habe.
Zweite Zusatzfrage!
Ist die Bundesregierung bereit, wenn hier Fragen der Zuständigkeitsabgrenzung auftreten, noch einmal mit den Kultusministern der Länder zu sprechen, um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen?
4512 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Jawohl, ich bin bereit, diese Verbindung aufzunehmen.
Ich rufe auf die Frage X/10 — des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:
Welches Ergebnis hat das von Staatssekretär Dr. Westrick in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 15. März 1962 angekündigte Ersuchen an das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gebracht, die Spitzenverbände der Kreditinstitute darauf hinzuweisen, daß die Sicherheitsvorkehrungen vor allem der Zweig- und Nebenstellen der Banken und Sparkassen zum Schutze der Bediensteten verbessert werden?
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die seinerzeit gestellte Anfrage zum Anlaß genommen, die Verbände des Kreditgewerbes auf die Wichtigkeit ausreichender Sicherheitsvorkehrungen vor allem bei Kreditinstituten und Zweigstellen in kleineren Orten hinzuweisen. Auf seine Veranlassung hat ferner beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen ein Erfahrungsaustausch mit Vertretern des Bundeskriminalamts, den Verbänden des Kreditgewerbes und den Arbeitnehmerorganisationen stattgefunden.
Es konnte festgestellt werden, daß die Verbände des Kreditgewerbes diesem Problem ihre besondere Aufmerksamkeit widmen. In Verbandsmitteilungen und Fachzeitschriften sind die Mitgliedsinstitute mehrfach auf geeignete Sicherungsmaßnahmen hingewiesen und über Erfahrungen mit solchen Einrichtungen unterrichtet worden. Es wurde ihnen ferner nahegelegt, sich wegen der Schaffung von Schutzeinrichtungen mit den Beratungsstellen bei den Landeskriminalämtern in Verbindung zu setzen. Schließlich sind auch die Prüfungsverbände gebeten worden, ihre Prüfer anzuhalten, auf das Vorhandensein entsprechender Schutzeinrichtungen besonders zu achten und über festgestellte Mängel zu berichten.
Bei der Neuerrichtung oder dem Umbau von Bankgebäuden werden bauliche Schutzmaßnahmen, die einen erhöhten Schutz des Bankpersonals und des Publikums bewirken sollen, regelmäßig eingeplant. Aber auch bei bestehenden Bankgebäuden sind Schutzeinrichtungen in Kassenräumen im allgemeinen vorhanden. Einen absolut zuverlässigen Schutz vermögen diese Einrichtungen allerdings nicht zu bieten.
Keine Zusatzfrage.
Damit, meine Damen und Herren, brechen wir die Fragestunde für heute ab. Sie wird morgen nachmitttag um 14.00 Uhr fortgesetzt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Sammelübersicht 22 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache IV/1655) .
Ich frage, ob vom Ausschuß für Petitionen das Wort gewünscht wird? — Das ist nicht der Fall.
Wird sonst das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Punkt 3 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Maßnahmen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes und der Verbraucheraufklärung .
Ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. — Das Wort hat die Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Große Anfrage geht von der Regierungserklärung des Jahres 1962 aus. Am 9. Oktober sagte der Bundeskanzler Dr. Adenauer in seiner letzten Regierungserklärung — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den Wortlaut wiederholen —:
Die Bundesregierung hält és für erforderlich, das Preisbewußtsein der Verbraucher zu stärken. Sie wird deshalb die Einflußmöglichkeiten der Verbraucher auf die Preise und auf das Marktgeschehen verbessern. Der Bundesminister für Wirtschaft wurde beauftragt, möglichst bald die Errichtung einer Körperschaft für neutrale Warenteste zu veranlassen. Er wurde ferner beauftragt, zweckmäßige Maßnahmen der Verbraucherorganisationen und Verbrauchereinrichtungen zu fördern.- Der Bundesminister der Justiz wurde aufgefordert, dem Kabinett über die Möglichkeit einer wahrheitsgemäßen, vergleichenden Werbung zu berichten.
Der Bundeskanzler nahm damals erstmalig zu Fragen der Verbraucheraufklärung und des Verbraucherschutzes Stellung. Diese seine Ausführungen wurden von uns allen in diesem Hause dankbar begrüßt.
Um so weniger verständlich war es für uns alle, daß Herr Professor Erhard in seiner ersten Regierungserklärung als neuer Bundeskanzler und damit als langjähriger Wirtschaftsminister aber auch nicht mit einem Wort auf die so notwendige Verbesserung des Verbraucherschutzes und der Verbraucheraufklärung eingegangen ist. Nach unserer Auffassung kann es einfach nicht ausreichend sein, den Käufer zum verbraucherbewußteren Verhalten aufzufordern oder ihn gar anzugreifen und ihm mangelndes Verantwortungsbewußtsein vorzuhalten. Die Bundesregierung und wir alle als die gewählten Vertreter haben einfach dafür Sorge zu tragen, daß der Verbraucher über wichtige Marktvorgänge aufgeklärt und vor Mißbräuchen geschützt wird.
Wenn wir dies aber richtig und in einem ausreichenden Ausmaß tun wollen, müssen wir uns an der psychologischen Situation des deutschen Verbrauchers in den letzten Jahrzehnten orientieren. Dabei gehe ich von der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen aus, von der Weltwirtschaftskrise und
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4513
Frau Beyer
alledem, was damit zusammenhängt. Der Verbraucher von heute mußte sich in seiner Mehrzahl in all diesen Jahren fast immer an dem absolut Notwendigen orientieren. In den Zeiten der großen Arbeitslosigkeit fehlte ihm das Geld. Als die Vollbeschäftigung erreicht und die dringendste Not behoben war, kam wieder Krieg. Die Folge war ein staatlich gelenkter Markt mit seinen Rationierungen auf alles Lebensnotwendige. Nach dem Kriege war ein Mangel an Wäsche, Kleidung und Gebrauchsgütern, mit nur geringen Ausnahmen, bei allen Einwohnern unseres Landes vorhanden. Dazu kam die große Geldknappheit nach der Währungsreform.
Wenn ich davon ausgehe, muß ich weiter sagen, daß in dem letzten Jahrzehnt noch eine ganz neue Entwicklung hinzugekommen ist: die immer schnellere Folge der technisch neuen und immer komplizierteren Erzeugnisse. Kaum ein Verbraucher ist heute noch in der Lage, sich über den wirklichen Wert einer Ware ein hinreichendes und zutreffendes Urteil zu bilden. Zu dieser technischen Kompliziertheit kommt dann noch die Werbung mit ihrem laufend steigenden Aufwand und ihren teilweise massiven Angriffen auf das Unterbewußtsein des Menschen. Ein amerikanischer Werbefachmann hat vor einigen Jahren einmal ausgeführt: „Unsere Aufgabe als Werbefachleute ist es, den Menschen immer über das unzufrieden zu machen, was er besitzt."
Herr Baumgart von der Zeitschrift „Die Zeit" hat sich vor einiger Zeit einmal mit den Fragen der Werbung befaßt. Er hat folgendes ausgeführt:
Es ist vielleicht eines der hervorstechendsten Merkmale unserer gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung, daß sich die Wettbewerbsanstrengungen zunehmend auf die Schaffung von Marktvorteilen richten, die nicht in der Produktion selbst begründet sind.
Ich glaube, hier ist eine Feststellung getroffen, die der des von mir soeben zitierten Werbefachmanns aus den Vereinigten Staaten ähnlich ist.
Die Kompliziertheit und die Werbung führen allerdings nicht nur zu innerdeutschen Problemen, sondern diese Probleme umfassen praktisch die gesamte westliche Welt. Aber was wir für die Bundesrepublik feststellen müssen, ist, daß die deutsche Bevölkerung völlig unvorbereitet und nahezu schlagartig in diese Situation gekommen ist. Dem deutschen Verbraucher fehlt praktisch jeder Orientierungsmaßstab. In vielen Ländern der Welt wie zum Beispiel in den nordischen Staaten, in der Schweiz, in England und in den Vereinigten Staaten, um nur einige hervorzuheben, hat man seit Jahren eine allgemeine und gute Verbraucheraufklärung, aber auch gesetzliche Bestimmungen für einen weitgehenden Verbraucherschutz geschaffen. Wir können für uns nur feststellen, daß sich der Verbraucher einem fast unübersehbaren Markt gegenübersieht und kaum Möglichkeiten besitzt, sich eine bessere Markttransparenz zu verschaffen.
Was wir also brauchen, ist erstens eine Hilfestellung für den Verbraucher, damit er sich ein besseres Urteil über die Angemessenheit der Qualität und
des Preises bilden kann. Wir brauchen zweitens Möglichkeiten, um ihn vor der überwältigenden Werbung zu schützen.
Nun werden Sie mir sagen, daß auf diesem Gebiet bereits einiges vorhanden ist. Das ist sicher richtig. Die Frage ist nur, ob das ausreichend ist und ob das, was bereits geschieht, in der richtigen Weise getan wird. Gehen wir zum Beispiel einmal von unserem eigenen Haushaltsplan aus! Da finden wir beim Wirtschaftsministerium unter dem Kap. 9 02 Tit. 615 für die Unterrichtung der Verbraucher über Marktvorgänge und Marktverhalten 500 000 DM. Wir haben für die vergleichende Warenprüfung entsprechend einem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion ebenfalls 500 000 DM im Haushaltsplan 1963; der gleiche Ansatz ist für das Jahr 1964 vorgesehen, wenn wir zu einem Abschluß kommen. Beim Ernährungsministerium ist unter Kap. 10 02 Tit. 650 ein Betrag von insgesamt 3 281 000 DM für die Aufklärung, Verbraucherberatung und allgemeine Absatzförderung enthalten. Beim Gesundheitsministerium finden wir einen Betrag von 1 400 000 DM für gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung. Daneben gibt es unter Tit. 608 beim Wirtschaftsministerium noch einen Betrag von 90 000 DM, der an acht verschiedene Frauenverbände für hauswirtschaftliche Aufklärung zur Verfügung gestellt wird. Wenn wir bedenken„ welchen Effekt diese 90 000 DM für acht Verbände haben können, sind wir uns wohl alle einige darin, daß das viel zu wenig ist, um eine Verbraucheraufklärung und hauswirtschaftliche Beratung durchzuführen, die ihren Zweck auch erfüllt.
Ich bin aber überzeugt, meine Damen und Herren, daß es noch weit mehr Mittel in den einzelnen Haushalten gibt. Mir ist bekannt, daß auch das Wohnungsbauministerium Beträge für die Wohnberatung zur Verfügung stellt. In den Vereinigten Staaten erfüllen im Augenblick über 18 Ministerien die verschiedensten Aufgaben auf diesem Gebiet. Wenn wir unsere Ministerien einmal überprüfen, werden wir ähnliche Feststellungen treffen. Ich stehe nicht an, das zu kritisieren. Die Frage ist nur, ob nicht eine Koordinierung aller dieser Mittel und damit eine Überprüfung dessen, was auf diesem Gebiet geschehen ist, einen größeren Effekt herbeiführt.
Aber nicht nur im Bundeshaushalt, sondern auch in den Haushalten der Länder werden Mittel zur Verfügung gestellt. Außer in den Ländern werden auch in den größeren Städten die Einrichtungen der Verbraucheraufklärung und -beratung unterstützt. Ich bekam in der letzten Woche durch Zufall den Etat eines Landes für eine Beratungsstelle zu sehen; danach steht fest, daß der Bund 50 000 und das Land 100 000 DM zur Verfügung stellen. Praktisch zwei Drittel dieses Etats gingen für Gehälter und administrative Maßnahmen drauf.
Mir liegt es fern, dieses Verhalten zu kritisieren. Was ich aber seit Jahren feststellen kann, ist, daß die meisten einfach gezwungen sind, nach Gut-
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dünken zu arbeiten. Ob gut oder schlecht gearbeitet wird, hängt von den einzelnen Personen ab, die die Aufgaben zu erfüllen haben.
Was bei uns fehlt, meine Damen und Herren, sind erstens eine Koordinierung des Bestehenden und damit auch eine Übersicht über alle zur Verfügung stehenden Mittel, zweitens die Schaffung von Einrichtungen — z. B. des Warentestinstituts, das eine bessere Markttransparenz ermöglicht — und drittens die Verbesserung unserer gesetzlichen Bestimmungen, um damit einen größeren Schutz für unsere Verbraucher zu erreichen.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß meine Fraktion die Beratungen des Haushalts 1963 schon dazu benutzt hat, 500 000 DM für die Errichtung eines Warentestinstituts zu beantragen. Unser Antrag erhielt damals die Unterstützung der Regierungsparteien, und daher steht dieser Betrag, wie ich bereits ausführte, im Haushalt. Zum Institut werde ich an späterer Stelle noch einige Ausführungen machen.
Im Augenblick kommt es mir nur darauf an, festzustellen, daß das Warentestinstitut nur als eine Möglichkeit zur Erreichung einer besseren Markttransparenz angesehen werden kann. Sicher ist es eine wichtige Einrichtung. Wenn man aber den Verbraucher in die Lage versetzen will, die Möglichkeiten seines Einflusses auf die Preise und das Marktgeschehen zu nützen, dann muß der Gesetzgeber und damit die öffentliche Hand wesentlich mehr zu tun bereit sein. Ich könnte mir vorstellen, daß die bis heute durch die öffentliche Hand ausgegebenen Mittel insgesamt bereits ausreichen. Auf jeden Fall werden sie einen größeren Effekt erzielen, wenn man sich um eine Koordinierung bemüht.
Darum sollte von uns einmal der Auftrag gegeben werden, alle Haushaltspläne — beginnend bei den Bundesministerien — zu durchforsten, um festzustellen, wieviel Mittel aus den verschiedensten Töpfen in die verschiedenen Einrichtungen fließen. Dabei sollte vor allen Dingen auch mit den Ländern zusammengearbeitet werden. Dabei sollte — das ist eine Aufforderung an die Administration — von den einzelnen Ressorts nicht kleinlich und engherzig auf das Festhalten ihrer Kompetenzen geachtet werden. Mir hat gestern meine Kollegin Frau Strobel gesagt, daß sie sich schon zu einem früheren Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit zwischen Ausschuß und Ernährungsministerium um eine Koordinierung bemühte. Hier besteht also eine solche 'Einrichtung, und man war bestrebt, eine Zusammenarbeit mit den Ländern zu erreichen, was auch weitestgehend geschehen ist. Es wäre demnach durchaus möglich, diese Koordinierung auszudehnen, statt sie auf ein Ministerium zu beschränken, um so in Zukunft eine sinnvollere Verbraucherarbeit erfüllen zu können.
Meine Damen und Herren, wir sollten davon ausgehen, daß die Hausfrau heute praktisch alles wissen soll. Sie soll Amateurelektriker., Amateurmechaniker, Amateurpharmazeut, Wissenschaftler und — last not least — Mathematiker sein. Wir sind einfach verpflichtet, ihr zu helfen.
Wenn wir unsere Marktwirtschaft ansehen, stellen wir fest, daß 'der Verbraucher heute noch die schwächste Stelle in unserer Wirtschaft ist. Wir stehen gegenüber anderen Staaten noch am Anfang unserer Arbeit.
In der Verbraucherbotschaft des leider so früh ums Leben gekommenen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Kennedys, heißt es — ich darf eine 'Stelle aus dieser Riesenbotschaft einmal zitieren —:
Trotz unseres Wahlstands:
— er bezieht das auf die Vereinigten Staaten —
wir können uns die Verschwendung im Verbrauch ebensowenig leisten wie den Leerlauf im Geschäft oder in der Verwaltung. Wenn den Verbrauchern minderwertige Erzeugnisse angeboten werden, wenn die Preise überhöht sind, wenn Arzneimittel gefährlich oder wertlos sind, wenn der Verbraucher nicht in der Lage ist, auf Grund ausreichender Information seine Wahl zu treffen, dann ist sein Dollar verschwendet, dann ist seine Gesundheit und Sicherheit bedroht, und das öffentliche Interesse leidet Schaden.
Er fährt dann fort:
Andererseits können verstärkte Anstrengungen, von ihrem Einkommen den bestmöglichen Gebrauch zu machen, mehr zum Wohlstand der meisten Familien beitragen als ebenso große Anstrengungen, ihr Einkommen zu steigern.
Ich finde, besser kann es auch von uns niemand ausdrücken. Es sagt genau das, worauf es uns in diesem Zusammenhang ankommen müßte.
Ich komme damit zum zweiten Absatz der Ziffer 1 unserer Anfrage, nämlich dem Warentestinstitut. Ich darf davon ausgehen, daß in den bisherigen Beratungen im Ausschuß weitestgehend Einigung über die Aufgaben und die Art der Institution erreicht worden ist. Wir stellen auch mit Genugtuung fest, daß sich Herr Minister Schmücker in einem Gespräch mit dem Handelsblatt für eine private Stiftung ausgesprochen hat, wobei es heißt, daß der Vorschlag der Verbraucherverbände, des Einzelhandels und des Markenverbandes, der ihm kürzlich unterbreitet worden ist, von ihm als gut angesehen und akzeptiert wird. Er sagt dann weiter, die noch fehlenden technischen Detailfragen könnten im Rahmen dieses Entwurfs zweckmäßig gelöst werden.
Wenn man die bisherige Arbeit ansieht, dann bleibt lediglich die Aufteilung der Kompetenzen offen, die Aufteilung der Kompetenzen auf die Organe und die Verteilung innerhalb der Organe.
Man muß davon ausgehen, daß bezüglich des Warentestinstituts die Interessenlage der Hersteller, des Handels und der Verbraucher verschieden ist. Andererseits muß es unser Bestreben sein, trotz aller Verschiedenheit diese drei Gruppen an einen Tisch zu bekommen. Wir sollten bei unseren Überlegungen auch davon ausgehen, daß Hersteller und Fachhandel ein großes Maß an Spezialkenntnissen mitbringen, was die objekte Durchführung
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der Arbeit im Warentestinstitut sicher nicht erschweren, sondern erleichtern wird. Es ist unmöglich, einen Warentest gegen eine dieser Gruppen durchzuführen. Letztlich müssen wir ja bestrebt sein, nach Möglichkeit alle Streitigkeiten — wir haben davon ja in den letzten Jahren einiges erlebt — von vornherein auszuschließen, weil dadurch das Institut praktisch wieder in Mißkredit gebracht werden könnte. Zumindest wäre der Sache damit in keiner Weise gedient. Auf lange Frist müssen auch Hersteller und Fachhandel ein Interesse an einem objektiven Test haben, der dazu dient, dem Käufer alles Wissenswerte über das, was er kaufen will, zu sagen.
Wenn aber Hersteller, Handel und Verbraucher vereinigt sind, ist auf die Abgrenzung der Aufgaben der einzelnen Organe besonderer Wert zu legen. Über diese Abgrenzung können wir uns hier im Hause sicherlich nicht unterhalten. Das soll Aufgabe des Ausschusses sein. Gegebenenfalls kann ein unabhängiges Gremium — ähnlich wie eis z. B. einmal in idem ersten Entwurf der Bundesregierung vorgesehen war — geschaffen werden, das einmal die Auswahl der Objekte vorzunehmen hat und zweitens für die Veröffentlichung der Ergebnisse Sorge tragen kann. Damit würden wir auch eine Verbindung zu dem ersten Entwurf schaffen. Damit würde die Abgrenzung erreicht sein. Dem. Verwaltungsrat oder dem Zwölfergremium, wie es hier in der Besetzung durch die einzelnen Gruppen im Verhältnis 4 : 4 : 4 vorgeschlagen wind, könnte man die Aufstellung der Richtlinien und auch die Berufung des erstgenannten Gremiums überlassen. Ich will mich zu dieser Frage nicht weiter äußern. Wir sind ja in der Ausschußberatung so weit, daß es nur einer Sitzung bedarf, um hier zu einem Abschluß zu kommen. Jedenfalls werden Sie uns immer bereit finden, die Angelegenheit sehr schnell zu ordnen.
In Ziffer 2 unserer Großen Anfrage beziehen wir uns auf den angekündigten Bericht zum Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Wir sind uns sicher alle in diesem Hause einig darin, daß es allein mit einem Bericht, wie ihn der Bundeskanzler 1962 angefordert hat, nicht getan ist. Der jetzige § 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb enthält nur eine sogenannte Generalklausel und sagt in bezug auf die vergleichende Werbung gar nichts aus. Im Laufe der Zeit ist durch Rechtsprechung und Lehre der Grundsatz der Unzulässigkeit 'der sogenannten vergleichenden Werbung entwickelt worden. Er ist damit allmählich zu einem festen Bestandteil der Wettbewerbsregeln geworden. Obwohl mir das einfache, klare Gesetz, das es in der 'Schweiz gegen den unlauteren Wettbewerb gibt, sehr imponiert, habe ich mich von unseren Juristen überzeugen lassen, daß es in einem Rechtsstaat sehr schwierig ist — und man nur unter ganz besonderen Umständen darangehen soll —, gefestigte Spielregeln einfach beiseite zu schieben. Wir sollten gleichzeitig davon ausgehen, 'daß sich gerade in den letzten Jahren neue Auffassungen über die früher zum Bestandteil des kaufmännischen Denkens gehörenden Begriffe von Treu und Glauben und das, was
gute kaufmännische Sitten waren, gebildet haben.
Damit komme ich zum Punkt 4. Hier sprechen wir von den Maßnahmen, die von der Bundesregierung, aber auch vom Parlament zu ergreifen sind, um den Verbraucher vor Übervorteilung zu schützen. Wir alle wissen, daß der Preis nicht für sich betrachtet werden kann. Ob die Ware preisgünstig ist, hängt letztlich davon ab, ob die Qualität gut und preisgerecht ist und ob die Gewichtsangabe ordnungsgemäß ist. Fangen wir nun bei Preisen und Gewicht an. Es wird oft und gern behauptet, daß der Käufer nach dem Teuren greift und die billige Ware liegen läßt. Ich will nicht behaupten, daß das falsch ist. Was ich aber hier festzustellen habe — und das wird immer wieder auch von anderen mit herausgestellt, und jeder wird sich davon überzeugen können, der sich einmal der Mühe unterzieht —, ist, daß der Käufer und Verbraucher im wesentlichen, wenn er so handelt, dies auf Grund seiner Unsicherheit am Markt tut; denn daß heute wie gestern jeder gern Geld spart, wenn er kann, wenn er also überzeugt ist, daß er auch mit der billigeren Ware das Richtige gekauft hat, davon bin ich allerdings fest überzeugt.
Woran aber sollte sich der Käufer heute orientieren? Er steht vor einem fast unübersehbaren Angebot, und jährlich kommen immer neue und noch größere Sortimente und Angebote hinzu. Dazu kommen die laufenden Änderungen bei den Grundstoffen. Wie soll sich der Verbraucher preisbewußt verhalten, wenn ihm die Vielzahl des Angebotes die Entscheidung schwer macht, wenn er die Zusammensetzung der Ware nicht kennt, wenn er dauernd von einer Propaganda berieselt wird, die sein Unterbewußtsein anspricht und nicht seinen Verstand? Dazu kommt, daß auch der Verkäufer der Ware bei allem guten Willen vor den gleichen Problemen steht; denn was er gestern gelernt hat, ist heute schon anders. Hier haben wir einfach eine Aufgabe, und hier müssen wir einspringen.
Die Preisauszeichnungspflicht muß gegebenenfalls verschärft, die Überwachung verstärkt werden. Wie soll sich der Verbraucher über Preise ein Bild machen, wenn es heute über 20 verschiedene Arten von Preisen gibt? Ich habe hier eine Liste darüber, die nur aus den letzten Wochen zusammengestellt ist. Ich will einige dieser Bezeichnungen nennen. Man kennt den Nettopreis, man kennt den Bruttopreis, den Richtpreis, den Diskontpreis, den Superdiskontpreis, den Schlagerpreis, die Preise der Woche, die Werbepreise, die Kampfpreise; alles Namen, unter denen sich die Hausfrau gar nichts vorstellen kann. Sie ist aber sicher, wenn es ein anderer Name als der Name „Preis" ist, daß es etwas Günstigeres für sie sein wird. Auch das ist etwas, was von uns einmal überprüft werden muß.
Was Menge, Gewicht und Stückzahl, aber auch Maße betrifft, so sind auch hier Mängel vorhanden, die durch eine generelle Überprüfung und verschärfte Bestimmungen abgestellt werden können.
Die fehlenden bzw. mangelhaften Gewichtsangaben bis zur echten Manipulation sind heute an der Tagesordnung und können jederzeit überprüft und festgestellt werden. Ist der Ware die Gewichtsangabe aufgedruckt, so ist diese oft so klein und versteckt, daß ein normales Auge sie überhaupt nicht entdecken kann. Bei einer Anzahl gerade auch unserer Grundnahrungsmittel, z. B. bei Zucker und Mehl, wird das Gewicht bereits in der Fabrik vermindert, um damit die Verpackungskosten zu manipulieren bzw. wieder hereinzuholen. Zur Zeit erleben wir eine reine Invasion von Groß- und — wie es oft genannt wird — Familien- oder Superpackungen. Sie werden propagiert unter der Bezeichnung „Doppelpackung". Sieht man sich aber das Gewicht einmal etwas näher an, dann stellt man fest, daß, während die Normalpackung 240 g enthält, die „Doppelpackung" nur noch 400 oder 450 g enthält. Hier wird also wiederum die Verpackung einfach manipuliert, und der Verbraucher zahlt die Verpackung im Preis mit.
In der Süßwarenindustrie haben wir ganz prägnante Beispiele. Den früheren Viertelpfund-Beutel gibt es überhaupt nicht mehr. Man hat Beutel von 100 g; wiegt man aber nach, dann stellt man fest, daß nicht einmal 100 g drin sind. Was hier vorherrschend ist, ist die Ausstattung, ist eine immer lockendere Umhüllung. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Ist das nun der Sinn unserer Marktwirtschaft? Haben wir das alle gewollt, ganz gleich, auf welcher Bank wir in diesem Hause sitzen?
Gehen wir nun aber einmal in die Textilbranche, dann wird das gesamte Problem schon katastrophal. — Ja, Herr Illerhaus, das ist, glaube ich, etwas, was wir hier feststellen müssen.
Ich darf um Ruhe für die Rednerin bitten. Allerdings, wenn sie weniger vorlesen würde, wäre die Aufmerksamkeit viel größer.
Lassen Sie uns einmal von der Wolle ausgehen, meine Damen und Herren. Da glaubt der 'Käufer, das, was ihm da gezeigt wird, sei reine Wolle. Aber wenn er sich die Ware genauso ansieht, stellt er fest, daß das sehr gefehlt ist. Denn das, was „Wolle" heißt, ist meistens gar nicht reine Wolle, sondern .es ist Reißwolle, oder es ist eine Mischung von Wolle und synthetischen Fasern. Selbst die Verkäufer und Verkäuferinnen sind selten in der Lage, eine objektive Auskunft zu geben, sosehr sich die einzelnen auch bemühen, den Wechsel im Material zu erkennen. Er ist so häufig, daß sie .sich kaum noch damit auskennen können. Ja, man kann zu der Auffassung kommen, meine Damen und Herren, daß besonders schlaue Produzenten das auch gar nicht wollen.
Kommt es dann erst einmal zu der Frage „Baumwolle oder Seide", so wird die Sache noch problematischer. Denn was hier alles gewebt, was ange-
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boten und verkauft wird, weiß der Händler oft selbst nicht.
Die Hausfrau aber steht vor einem unüberwindlichen Problem. Sie merkt meistens erst, wenn sie die Sachen einmal wäscht, was hier eigentlich los ist. Dann ist es gewöhnlich zu spät. Die Ware ist verdorben, vor allem wenn das Material zu heiß gewaschen oder gar gekocht wird. Meine Damen und Herren, wieviel Haushaltsgeld ist in einem solchen Augenblick zunichte gemacht und wieviel Volksvermögen damit zerstört!
Die A.G.V., die Verbände und Wissenschaftler, aber auch Einzelpersonen bemühen sich nun auf diesem Gebiet seit langem um eine bessere Kennzeichnung. Meine Damen und Herren, was wir brauchen, ist eine Deklaration, aus der der Gebrauchswert hervorgeht und aus der vor allen Dingen auch die Behandlungsvorschriften hervorgehen. Dabei genügt es nicht, lose Zettel der Ware beizugeben oder das Etikett so ungenügend anzuheften, daß es bei der ersten Wäsche oder bei der ersten Reinigung bereits verlorengeht. Wenn wir einen wirklichen Verbraucherschutz wollen, muß das Etikett so angeheftet sein, daß es erkennbar und lesbar ist, solange die Ware hält.
Es gilt daher zu überlegen — damit komme ich zu einem Vorschlag, den wir auch im Wirtschaftsausschuß bereits einmal gemacht haben —, ob man nicht dem zu schaffenden Warentestinstitut eine Sonderabteilung angliedern soll, die sich ausschließlich mit der Kennzeichnung und Deklaration der Ware befaßt. Wir haben auf diesem Gebiet in den nordischen Staaten und auch in anderen Ländern guten Anschauungsunterricht, und wir können sicher in absehbarer Zeit auch bei uns ähnliche Einrichtungen schaffen. Wir würden damit in besonderem Maße dem Verbraucher dienen.
Was der Verbraucher braucht, sind einfach Orientierungsmaßstäbe. Es sollte bei allen Waren, auch bei abgepackten Waren, zur Pflicht gemacht werden, die genaue Inhaltsangabe aufzudrucken. Dabei sollte vor allen Dingen auch deutlich gemacht werden, daß das Nettogewicht und nicht das Bruttogewicht angegeben werden muß. Mir ist natürlich bekannt, daß es sehr schwer ist, das Gewicht auch bei Kleinstpackungen zu garantieren, und die Überschreitung von Fehlergrenzen nicht vermieden werden kann. Man muß in den Bestimmungen etwa festlegen, daß ein gewisser Fehlerprozentsatz nicht überschritten werden darf. Aber ich glaube, daß das, was wir heute am Markt vorfinden und vorherrschend finden, einfach ungenügend ist und den Verbraucher schädigt.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort über Getränke in Flaschen oder Dosen. Früher wurden Getränke fast nur in Flaschen abgefüllt. Für diese Abfüllung gibt es auch gesetzliche Maß- und Gewichtsbestimmungen. Inzwischen aber werden mehr und mehr Dosen verwendet. Dafür fehlt es an entsprechenden Bestimmungen. Man könnte auch glauben, daß gerade, weil keine Bestimmungen vorhanden sind, die Dose mehr und mehr in den Vordergrund kommt. Es wird daher höchste Zeit — und diese Bitte möchte ich an den Minister richten —, das Gesetz entsprechend zu erweitern und seine Vorschriften auf die neueren Formen umzustellen. Seit Jahren wird nämlich angenommen, daß eine entsprechende Änderung im Ministerium vorbereitet wird. Es wäre für uns, vor allen Dingen aber für die Verkäufer wichtig, von dem Minister zu erfahren, worauf die Verzögerungen zurückzuführen sind.
Ich kann dieses Kapitel nicht abschließen, ohne auf die Arzneimittel eingegangen zu sein. Es steht uns eine Flut von Arzneimitteln gegenüber, der sich selbstverständlich auch die Ärzte zu stellen haben; das wird von uns allen empfunden. Nach den Anpreisungen für die einzelnen Arzneimittel müßte man glauben, daß wir alle allmählich unsterblich werden. Sicherlich ist es notwendig, daß immer mehr entwickelt und geforscht wird. Wir müssen uns aber dagegen wehren, daß wir alle praktisch zum Versuchsobjekt werden. Die Conterganfälle sollten uns für alle Zukunft ein warnendes Beispiel sein. Ich darf hier noch einmal auf die Botschaft von Präsident Kennedy hinweisen. Er hat darin ausgeführt, ein Test aus dem Jahre 1956 in Amerika habe ergeben, daß neue und nicht amtlich zugelassene Arzneimittel zu mehr als 20% in einem Punkt oder in mehreren Punkten nicht dem entsprochen haben, was die Hersteller über den therapeutischen Effekt versprachen. Bei uns wird es unter Garantie nicht besser sein. Damals wurde in den Vereinigten Staaten eine unparteiische wissenschaftliche Stelle gefordert, die dem Arzt und auch dem Verbraucher dient. Auch wir sollten uns überlegen, was auf diesem Gebiet noch getan werden kann. Wir sollten es als eine Verpflichtung ansehen, den Verbraucher und den Kranken vor einer übertriebenen und verführerischen Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens zu schützen, denn der Verbraucher hat hier nicht die erforderlichen Fachkenntnisse. Er stellt auch keine langen Überlegungen an, wenn er sich elend und krank fühlt und schnell gesund werden möchte.
Damit komme ich zu dem nächsten Punkt der Großen Anfrage, zu der falschen und irreführenden, ja suggestiven Werbung. Wenn wir uns einmal die Werbeslogans ansehen, dann empfinden wir wohl alle, welche Wirkung solche Werbeslogans vor allen Dingen auf unsere Jugend haben können. Da heißt es z. B. in der Reklame einer Spirituosenfabrik: „Der Schnaps für starke Männer", oder heißt in der Anpreisung einer Zigarette: „Der Duft der großen weiten Welt". Bei dem nächsten alkoholischen Getränk heißt es: „Hab' Sonne im Glas". Ich würde sagen: immer wieder Werbeslogans, die sich an das Unterbewußtsein des Menschen wenden und die, wie ich schon anführte, vor allen Dingen, bei unserer jungen Generation großen Schaden anrichten können.
Wir sind uns bewußt, wie schwer es sein wird, hier einen gewissen Einfluß auszuüben. Allein 2,94 Milliarden DM wurden im Jahre 1962 für Werbung nur in Zeitschriften, Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen ausgegeben. In diesem Betrag sind nicht die Kosten für Filme, Druckschriften, Schaufensterdekoration und Ausstellungen enthalten. Diese Beträge stehen in keinem Verhältnis zu den zur Verfügung stehen-
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den Mitteln für die Verbraucheraufklärung; ich habe vorhin die Beträge des Haushalts genannt. Wie aus einer Ubersicht hervorgeht, werden allein für ein Produkt 20 Millionen DM pro Jahr für Werbung ausgegeben; eine einzige Firma gibt davon 12 Millionen DM aus. Nun sagt man vielleicht: Das ist auch die größte Firma. Man könnte aber auch sagen: weil sie das meiste Geld für Werbung ausgibt, ist sie die größte geworden.
Uns muß es auf folgendes ankommen. Die öffentliche Hand stellt Rundfunk und Fernsehen für solche Werbung dem Hersteller und dem Handel zur Verfügung. Die Werbung wird durch diese Form dem Hörer und Zuschauer praktisch aufgezwungen. Wir müssen uns nun überlegen, ob es nicht unsere Aufgabe ist, wenigstens ein Gegengewicht zu schaffen. Ich denke hier z. B. an BBC, die auch eine entsprechende Verbraucheraufklärung bringt. Könnten wir uns daran nicht orientieren und an jede Werbesendung eine entsprechende Sendung für die Verbraucheraufklärung anschließen, und zwar dergestalt, daß man den Hörer und Zuschauer daran erinnert, daß der Werbeaufwand noch keine Garantie für Qualität und Preiswürdigkeit ist?
Meine Damen und Herren, das ist ein Grundgedanke; darüber sollte man nachdenken. Ich bin jedenfalls überzeugt, daß, auf die Dauer gesehen, ein solcher Hinweis eine gewisse Wirkung hätte und daß sich damit auch allmählich diese unterschwellige Werbung verlieren würde.
In der Ziffer 4 c) der Großen Anfrage, meine Damen und Herren, sprechen wir von den Teilzahlungsgeschäften. Das Gesetz über die Teilzahlungsgeschäfte stammt aus dem Jahre 1894. Das beweist, wie überaltert dieses Gesetz ist. Wenn man es ansieht, stellt man fest, daß es lediglich die Rechtsstellung des Verkäufers sichert für den Fall, daß der Vertrag nicht eingehalten wird. In einem solchen Fall — das wissen wir sicher alle aus Erfahrung und aus Berichten, die uns zugeleitet worden sind — ist der Käufer verpflichtet, nachzuweisen, daß er nicht die Absicht hatte, zu betrügen, wenn er einmal seine Zahlungen nicht einhalten konnte. In dem Verfahren steht dann meistens Aussage gegen Aussage, und es kommt zu Verurteilungen. Der Käufer ist dann im Effekt die Ware wieder los, weil die Zahlungen, die er bereits geleistet hat, von den entstandenen Verkaufskosten aufgezehrt werden.
Meine Fraktion hat schon im zweiten Bundestag im Jahre 1953 unter den Drucksachennummern 197 und 2522 zwei Anträge mit dem Ziel eingebracht, daß dieses Gesetz geändert werde. Auch die Fraktion der CDU/CSU hat im zweiten Bundestag im Jahre 1953 ein Ersuchen an die Bundesregierung gerichtet, ein neues Gesetz vorzulegen. Am 24. Oktober 1962 fragte mein Kollege Wittrock in der Fragestunde unter Hinweis auf die Reformbedürftigkeit des Abzahlungsgesetzes, wann mit einer Änderung gerechnet werden könne. Der damalige Justizminister, Herr Stammberger, führte wörtlich aus:
Etwa seit Ende 1960 mehren sich die Beschwerden von Privatpersonen über angeblich rücksichtsloses und verantwortungsloses Vorgehen der Händler und Vertreter beim Abschluß von Teilzahlungsgeschäften im Reisegewerbe.
Gerügt wird namentlich, so sagte der Bundesjustizminister damals, die undeutliche Formulierung; gerügt werden ferner mißverständliche oder sogar bewußt unwahre Angaben der Vertreter.
In der Sitzung vom 6. November 1963 fragte Frau Kiep-Altenloh von der Fraktion der FDP erneut nach diesem Gesetz. In der Antwort bezog sich der Bundesjustizminister Dr. Bucher auf die Ausführungen seines Vorgängers vom 24. 10. 1962. Er betonte erneut die Mängel und sagte Rückfrage bei den Ländern zu.
Wir sind also, meine Damen und Herren, genauso weit wie 1953 oder, besser gesagt, wie 1894. Dabei stellen wir fest, daß sich die Klagen der Öffentlichkeit über Mißbräuche im Teilzahlungsgeschäft mehren. Das hängt sicher damit zusammen, daß nicht mehr so viel verkauft werden kann. Wir wissen ja auch schon aus der Antwort von Justizminister Dr. Stammberger, daß sich die Klagen gerade seit 1960 häuften. Man erhält Berichte über die Methoden, die in Flüchtlingslagern angewendet werden, wo also sozial schwache Menschen sind, die einen ungeheuren Nachholbedarf haben. Vor allen Dingen erhält man entsprechende Hinweise aus den Dörfern; dort kann man sich natürlich sehr leicht mit solchen Mitteln an die Verbraucherschaft wenden. Es wird da über die unlautersten Methoden geklagt. Ein ganz krasser Fall von Irreführung und Täuschung war aus der Zeitschrift „D-Mark" zu entnehmen. Da wurde einer Bauersfrau eine Musteranlage empfohlen, wobei sie für jede Vorführung 200 DM erhalten sollte. Der Vertrag war auch nicht als Teilzahlungsvertrag überschrieben, sondern als eine Vereinbarung über die Errichtung einer Musteranlage für Waschmaschinen.
So könnte man noch eine ganze Menge von Beispielen anführen. Ich will mich aber hier auf diese wenigen beschränken und möchte damit nur deutlich machen, daß diese Fälle überall vorkommen und daß hier dringend eine Abhilfe nötig ist.
Wir brauchen also ein neues Teilzahlungsgesetz. Wir werden uns erlauben, Ihnen in Kürze einen entsprechenden Vorschlag für die Gesetzesänderung zu unterbreiten. Ich darf ganz kurz anführen, worauf es uns insbesondere ankommen wird. Wir halten es für notwendig, daß vor allem die Mißbräuche verhindert werden, wie sie von mir aufgezeigt worden sind. Die Verhütung solcher Mißbräuche muß sichergestellt werden. Deshalb muß aus der Vertragsurkunde selbst deutlich erkennbar sein, daß es sich um einen Teilzahlungsvertrag handelt. Die Schrift muß deutlich lesbar sein. Immer wieder sind mehrere Antragsformulare anzutreffen, vier bis sechs Seiten mit ganz kleiner Schrift. Das sollte es nicht geben.
Ferner muß der Barzahlungspreis eindeutig erkennbar sein. Daneben sind 'die Teilzahlungskosten genau aufzugliedern und in einem Gesamtbetrag dem Preis gegenüberzustellen. Wir wollen damit dem Käufer deutlich machen, was er einspart, wenn er bar bezahlt.
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Drittens wollen wir einen bestimmten Betrag der Anzahlung sicherstellen. Wir denken dabei an etwa 20 %, glauben aber, daß es sinnvoll ist, eine antizyklische Maßnahme miteinzubauen in der Form, daß durch Rechtsverordnung eine 10%ige oder eine 30%ige Anzahlung festgesetzt werden kann. Eine ähnliche Einrichtung gibt es in den Vereinigten Staaten. Einiges davon könnten wir sicher in unsere Überlegungen miteinbeziehen.
Außerdem muß die Laufzeit der Teilzahlung bestimmt werden. Besonders wichtig ist die Einführung einer Reuefrist. Es sollte möglich sein, nachdem an der Haustür verkauft und der Vertrag unterschrieben worden ist, wenigstens noch im Kreise der Familie über diesen Vertrag zu sprechen. Eine ähnliche Einrichtung haben die Schweiz und Osterreich gesetzlich verankert. Das beweist, daß man es machen kann. Auch bei uns dürfte es möglich sein, eine solche Reuefrist in das Gesetz einzufügen, wonach der Käufer innerhalb von sechs Tagen von seinem getätigten Teilzahlungskauf noch wieder zurücktreten kann. Dadurch würde natürlich unter Umständen erst nach 8 Tagen geliefert werden können, aber für den Verbraucher eine Sicherheit geschaffen.
Ferner wollen wir erreichen, daß bei der Teilzahlung der Käufer, wenn er verheiratet ist, verpflichtet wird, seinen Ehegatten mitunterschreiben zu lassen. Auf diese Weise würden familiäre Auswirkungen bei so hohen Ratenkäufen verhindert. Das widerspricht keineswegs unserem Bürgerlichen Gesetzbuch; denn es wären ja beide verpflichtet, dafür zu sorgen, daß auch die Unterschrift des anderen Ehegatten mit unter dem Vertrag steht.
Ich habe mich nur auf die wesentlichsten Punkte beschränkt. Das Gesetz wird natürlich alles umfassen, was auf diesem Gebiet erforderlich ist. Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber gleich zum Ausdruck bringen, daß wir selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. In den Beratungen werden wir noch die Möglichkeit haber' auf einzelne Bestimmungen näher einzugehen.
Lassen Sie mich nur an ein paar Zahlen deutlich machen, wie groß die Auswirkungen solcher Teilzahlungsgeschäfte sind. Im Jahre 1962 sind allein für 7,4 Milliarden DM Teilzahlungskredite nur über die Banken gegeben worden. Nach der Statistik handelt es sich dabei um ein Drittel der Kredite überhaupt. Das würde bedeuten, daß über 20 Milliarden DM pro Jahr an Teilzahlungsgeschäften eingegangen werden, mithin etwa ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts. Diese Zahlen zeigen uns, wie notwendig es ist, auf diesem Gebiet zu einer Reform der gesetzlichen Bestimmungen zu kommen.
Ich komme zu Punkt 5 unserer Großen Anfrage, der den Typenwirrwarr auf dem Konsumgütermarkt betrifft.
Immer wieder werden wir durch Zeitungen und Zeitschriften auf den Typenwirrwarr hingewiesen. Wir haben alle unsere eigenen Erfahrungen beim Kauf. Ich will hier nur zwei Zeitungen zitieren. Eine schreibt: „Die Axt im deutschen Typenwald" oder: „Noch viel zu selten wird in der Bundesrepublik die Rationalisierungsaxt angesetzt, um den üppigen Wald industrieller Typen auf ein volkswirtschaftlich vernünftiges Maß zu roden."
Eine andere Zeitung sagt: „Millionen werden noch durch fehlendes Planen vergeudet. Die Typeninflation fügt der Wirtschaft hohe Verluste zu." Ich muß allerdings hinzufügen, daß die Typeninflation vor allem den Verbraucher trifft; denn alle Kosten sind praktisch Bestandteil des Preises, und den Preis zahlt letztlich der Verbraucher. Das sind wir alle.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang einige Beispiele zu nennen. Ich will sie auf das beschränken, was das Rationalisierungskuratorium in seinem Bericht ausgeführt hat. Aus diesem Artikel entnehme ich folgende Angaben: Eine Fabrik z. B., die Schaufeln herstellt, hatte vor 20 Jahren ein Sortiment von 48 Typen in drei Größen. Heute aber sind es über 3500 Typen in fünf bis sechs Größen. In der Bundesrepublik haben wir heute 458 verschiedene Typen von Dosen für Fleischwaren, obwohl 40 völlig ausreichen würden. In einer einzigen Glashütte gibt es 2500 Preßformen für Flaschen. Auch hier würden höchstens 500 verschiedene Größen und Sorten genügen. Was den Bereich der Landwirtschaft angeht, so bot die deutsche Schlepperindustrie im Jahre 1959 für fast jede PS-Zahl in der Skala von 11 bis 48 PS 171 Typen von Ackerschleppern an. Eine Befragung der Landwirtschaft — also der Verbraucher auf diesem Gebiet — hat ergeben, daß vier PS-Stärken allen Ansprüchen genügen würden.
Lassen Sie mich aber auch einen Vergleich mit dem Ausland ziehen. In Schweden umfaßt das Angebot an Badewannen nur 12 Modelle; in der Bundesrepublik gibt es 50 Modelle. Bei uns werden jährlich 2,2 Millionen Rundfunkgeräte in 250 Typen hergestellt, in den Vereinigten Staaten 10,9 Millionen Rundfunkgeräte in nur 48 Typen. Das ist also das Fünffache der Produktion und nur ein Fünftel der Typen. Diese Reihe der Beispiele könnte man natürlich fortsetzen.
Ich frage mich nur, warum es nicht auch in unserem Lande möglich ist, zu einer besseren Normung zu kommen. Es wäre weiter zu fragen, und zwar richtet sich die Frage an den Herrn Bundeswirtschaftsminister, warum es nicht wenigstens möglich ist, dort, wo wir öffentliche Mittel zur Verfügung stellen, wie z. B. im Wohnungsbau und in der Landwirtschaft, stärker auf eine Normung zu achten und auf einer Normung zu bestehen, um damit einen Beitrag zur Rationalisierung zu leisten.
Man müßte auch einmal erforschen — ich finde, diesen Auftrag sollte das Hohe Haus erteilen —, warum es bei uns in der Bundesrepublik noch nicht gelungen ist, zu einer stärkeren Normung zu kommen. Wie ich soeben an den beiden Beispielen bewies, ist das in anderen Ländern möglich. Es sollte auch der Versuch gemacht werden, eine gewisse erzieherische Wirkung auf die deutsche Wirtschaft auszuüben, vielleicht durch Ausstellungen und dergleichen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4521
Frau Beyer
Ich bin mir natürlich bewußt, daß das ganze Problem auch mit unserem Patentrecht zusammenhängt und daß es erforderlich ist, die patentrechtlichen und vielleicht auch die kartellrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen.
Selbstverständlich kann ich nur einige Beispiele geben. Aber, meine Damen und Herren, das alles ließe sich noch beliebig ergänzen.
Ich darf nunmehr zum letzten Punkt unserer Großen Anfrage kommen: Errichtung eines Preis- und Verbraucherrates. Es ist bekannt, daß sowohl beim Wirtschaftsministerium als auch beim Ernährungsministerium Verbraucherausschüsse gebildet wurden. Es wäre interessant, zu erfahren, wie oft diese Ausschüsse tagen, vor allem soweit es sich um das Wirtschaftsministerium handelt. Außerdem wäre es für uns wichtig, zu wissen, ob die Ausschüsse auch die Möglichkeit haben, vor entscheidenden Maßnahmen Stellung zu nehmen. Falls diese Frage bejaht wird, ist weiter zu fragen, welche Stellung sie in den einzelnen Situationen eingenommen haben. Mir ist bekannt, daß der Ausschuß beim Ernährungsministerium anläßlich der Milchpreiserhöhung eingeladen worden ist. Wenn er aber erst nachträglich gehört wird, liegt das weder im Interesse der Einrichtung noch im Interesse des Verbrauchers.
Eine zweite Frage. Haben die Ausschüsse das Recht, aus eigener Initiative gegenüber dem Ministerium tätig zu werden oder sich an die Öffentkeit zu wenden? — Ich glaube, bis heute hat niemand in diesem Hause auch nur einmal etwas von der Tätigkeit dieser Ausschüsse erfahren.
Mit diesen beiden Fragen wollte ich nur deutlich machen, worum es uns bei dem Preis- und Verbraucherrat geht. Wir haben änhliche Einrichtungen in England und in den nordischen Staaten. Wir haben sie seit einiger Zeit vor allem auch in den Vereinigten Staaten.
Der Verbraucherrat sollte nicht nur bei einem Ministerium gebildet werden, sondern praktisch für alle Ministerien, sollte also für alle Verbraucherfragen zuständig sein. Es ist doch eine Erfahrungstatsache gerade aus der jüngsten Zeit, daß das Fachministerium die Verbraucherinteressen immer wieder hinter die Interessen des Herstellers und Handels zurückgestellt hat. Ich denke hierbei an die Milchpreiserhöhung. Ich denke aber auch an die Unruhe, die im Augenblick wieder in der Bevölkerung herrscht.
Über die Preissteigerungen hinaus, auf die bereits mein Kollege Erler anläßlich der Regierungserklärung hingewiesen hat, haben wir neue, alarmierende Nachrichten. Hier heißt es zum Beispiel unter dem 28. November in einer Zeitung: „Fleisch und Wurst werden teurer. Geringes Angebot an Schlachtschweinen." Inzwischen hat wohl jeder, der auf dem Markt geht, Preissteigerungen festgestellt. Eine Zeitung aus dem bayerischen Gebiet schrieb am 29. November: „Die Preise steigen weiter. Nur 52 % der Waren sind unverändert."
— Auch für Zeitungen, Sie haben völlig recht. In einer anderen Meldung heißt es: „Billigt Bonn die Margarinesteuer? Widerstand gegen Stützung von Öl und Butter scheint zu wanken."
Meine Damen und Herren, das sind Nachrichten, die letzten Endes den Verbraucher alarmieren. Sie sollten uns deutlich machen, wie wichtig es wäre, einen Verbraucher- und Preisrat zu schaffen, damit er erstens die Möglichkeit hat, vor solchen Entscheidungen, bei solchen Situationen zusammenzukommen, um sich dann sowohl mit dem Ministerium als auch mit dem Parlament in Verbindung zu setzen. Er soll also Gelegenheit haben, zu wichtigen, die Verbraucher betreffenden Fragen Stellung zu nehmen, vor allem wenn es sich um Preisentwicklungen handelt. Er sollte zweitens Vorschläge an das Parlament und damit auch an die Regierung machen können. Er sollte drittens das Recht haben, sich in besonderen Fällen an die Öffentlichkeit zu wenden.
Die Mitglieder dieses Verbraucher- und Preisrates sollten durch den Bundespräsidenten berufen werden. Dabei sollte ihre Zahl auf ein Minimum beschränkt bleiben. Die zu berufenden Personen müßten allerdings ein besonderes Gewicht in bezug auf Sachkunde und Unabhängigkeit haben. In den Vereinigten Staaten ist im vergangenen Jahr ein Verbraucher- und Preisrat unter dem Namen „Consumers' Advisory Council" gebildet worden. Er umfaßt 11 Mitglieder und eine Vorsitzende. Diese 11 Mitglieder sind Universitätsprofessoren mit Spezialkenntnissen über Marketing, Verbraucherpolitik, Haushaltführung, dann ein Justizminister, der Spezialist für Finanzfragen des Einzelhandels ist, und einige Vertreter der Verbraucherorganisationen.
Eine auch in der Zusammensetzung ähnliche Einrichtung haben wir in England. Es gibt sie auch in den nordischen Staaten. Wir haben also gute Anhaltspunkte und könnten uns auch in dieser Beziehung danach richten.
Wir haben bereits vor zwei Jahren auf diese Einrichtung hingewiesen und auf die Notwendigkeit, sie bald zu schaffen. Zum damaligen Zeitpunkt haben sich führende Vertreter der CDU/CSU-Fraktion für die Errichtung eines solchen Preisrates ausgesprochen. Wir sollten jetzt keine Zeit mehr verlieren. Wir sollten versuchen, möglichst bald zu einer Entscheidung zu kommen.
Damit komme ich zum Schluß meiner Ausführungen. Es war nötig, hier einmal alle Fragen zusammenzustellen, deren Beantwortung notwendig ist, um zu einer besseren Markttranparenz als Hilfe für den Verbraucher zu kommen. Es war weiter erforderlich, eine Ubersicht über die notwendigen Initiativen zu geben, soweit es die Gesetzgebung betrifft, um einen wirksamen Verbraucherschutz zu bekommen. Wir gehen, um mit Professor Erhard zu sprechen, davon aus, daß die Durchsetzung der Marktwirtschaft immer ein Kernstück der wirtschaftlichen Konzeption sein wird. Ich nehme an, daß diese Auffassung auch von dem neuen Wirtschaftsminister geteilt wird. Wenn man aber eine funktionierende Marktwirt-
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Frau Beyer
schaft haben will und wenn man davon sprechen will, dann muß auch ein wirksamer Wettbewerb vorhanden sein. Ein wirksamer Wettbewerb kann jedoch nicht bestehen, wenn sich der Verbraucher gegenüber den ihm angebotenen Waren und Dienstleistungen nicht kritisch verhält oder, besser gesagt, verhalten kann. Wenn er das tun soll — und davon gehe ich letzten Endes als dem Willen dieses Hauses entsprechend aus —, muß er erstens in die Lage versetzt werden, Qualität und Preiswürdigkeit besser beurteilen zu können, und zweitens haben wir ihn soweit wie möglich vor irreführender und suggestiver Werbung zu schützen. Die Erreichung dieser Ziele zu sichern, muß Aufgabe der Regierung, muß aber im besonderen Aufgabe des Parlaments sein. Jedenfalls ist die Marktwirtschaft ohne eine ausreichende und wirksame Verbraucherpolitik unbefriedigend und wird es immer bleiben.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß wir, wenn wir an die Verwirklichung dieses von mir aufgezeigten Programms gehen, auf die Unterstützung des ganzen Hauses rechnen können.
Die Große Anfrage der Fraktion der SPD ist begründet.
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst bei den Unterzeichnern der Großen Anfrage dafür bedanken, daß sie mit einer Verschiebung der Debatte einverstanden gewesen sind. Ich habe dadurch die Möglichkeit erhalten, mich über die ressortmäßigen Vorbereitungen hinaus auch selbst mit der Anfrage zu befassen.
Meine Damen und Herren, die Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 26. Juni 1963 verlangt Auskunft über die Maßnahmen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes und der Verbraucheraufklärung. Die Bundesregierung läßt sich bei ihrer Verbraucherpolitik von folgenden Vorstellungen leiten:
Alles Wirtschaften dient letztlich dem Verbraucher. Die Verbraucher sind die eigentlichen Auftraggeber der Wirtschaft. Produktion und Absatz stehen im Dienste dieses Auftraggebers. Sie vollbringen ihren Dienst im freien Wettbewerb der sozialen Marktwirtschaft.
Die Bundesregierung weiß sich mit den Unterzeichnern der Großen Anfrage darin einig, daß der größtmögliche Nutzen für die Volkswirtschaft grundsätzlich nur durch einen freien und fairen Wettbewerb aller Wirtschaftsteilnehmer möglich ist. Alle Parteien des Hohen Hauses bejahen den Grundsatz des Wettbewerbs und die freie Preisbildung am Markt.
Jeder Anbieter kann und wird, von Ausnahmesituationen abgesehen, für seine Ware und Dienstleistung so viel fordern, wie der Markt zuläßt. Er überläßt es dem Verbraucher, die Preisentscheidung zu treffen, seinen Bedarf so preiswürdig wie möglich
zu decken und durch seinen Kaufakt die preiswürdigste Leistung zu belohnen.
Einkaufen ist schwieriger als Verkaufen. Das gilt auch für die Unternehmer, die, soweit sie einkaufen, wie Verbraucher auftreten. Gerade in einer vollbeschäftigten Wirtschaft verlagert sich der Schwerpunkt wirtschaftlichen Handelns immer mehr auf den Einkauf. Der Markt weist dem Verbraucher die maßgebende Rolle im Marktprozeß zu. Der Verbraucher kann diese Rolle nur dann spielen, wenn er die „Spielregeln" der Marktwirtschaft kennt und anwendet. Alle staatlichen Maßnahmen zur Förderung des Wettbewerbs auf der Anbieterseite können nur dann helfen, wenn der Verbraucher systemgerecht reagiert.
Es geht aber nicht nur um das Kaufverhalten. Der Verbraucher muß daneben dazu bereit sein, gegebenenfalls auch einen gewissen Konsumverzicht zu üben. Auch Nichtkonsum ist ein Teil des Wettbewerbsverhaltens. Der Verbraucher muß wissen, welche Bedeutung sein Sparen oder, anders ausgedrückt, sein Warten mit dem Einkauf für die Wirtschaft und damit wiederum für ihn hat.
Wie auf allen Gebieten unserer demokratischen Gesellschaftsordnung ist die bewegende Kraft der einzelne Mensch, auf dem hier angesprochenen Gebiet der Staatsbürger als Verbraucher. Ihm deutlich zu machen, wieviel davon abhängt, ob er auf dem Markt selbständig und selbstverantwortlich gestaltend tätig wird oder passiv sich treiben läßt, ist eine Aufgabe von größter Bedeutung. Zu ihrem Gelingen werden in Elternhaus und Schule die Grundlagen gelegt. Erfreulicherweise wird die Erziehung zu selbständigem Denken und selbstverantwortlichem Tun als das beste pädagogische Prinzip immer mehr anerkannt. Die Bundesregierung weiß, daß Wirtschaftsfragen in den Unterricht nicht leicht einzuordnen sind. Um so mehr begrüßt sie die zahlreichen Bemühungen, hier zu weiteren Fortschritten zu kommen.
Es haben sich schon viele, wenn auch nicht genügend Menschen bereit gefunden, die Lücken in der Kenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge, insbesondere hinsichtlich eines vernünftigen Verbraucherverhaltens und geschickten Einkaufs, zu schließen. Es gibt auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene zahlreiche Verbände, Vereine, Institutionen, die sich in anerkennenswerter Weise — weithin auch ehrenamtlich — der Aufklärung der Verbraucher annehmen. Vielfach arbeiten sie eng mit Presse, Rundfunk und Fernsehen zusammen und erhöhen dadurch die Wirkung beträchtlich. Die Massenmedien selbst stellen sich in immer stärkerem Maße in den Dienst dieser wichtigen Aufgabe. Trotzdem ist noch viel zu tun, bis möglichst jeder begreift, daß er auch als einzelner ein Teil der Volkswirtschaft ist, ein zwar kleiner, aber einer von fundamentaler Bedeutung.
Bei der Fülle und Vielfalt des Angebots an Waren und Dienstleistungen und dem verwirrenden Ausmaß der Werbung ist der Verbraucher allerdings überfordert, wenn man von ihm verlangt, seine Rolle im Wettbewerb perfekt zu spielen. Aber
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Bundesminister Schmücker
ebenso wie auf der Anbieterseite die Voraussetzungen für einen möglichst vollkommenen Wettbewerb geschaffen werden müssen und ein wettbewerbsgerechtes Verhalten verlangt wird, muß auch der Verbraucher ermutigt und — soweit möglich — in den Stand gesetzt werden, von seiner Seite den Wettbewerb dadurch zu fördern, daß er den Wettbewerb kennt und anerkennt und sich marktgerecht verhält.
Gesetze und Verordnungen zur Förderung des Wettbewerbs und zum Schutze des Verbrauchers und die Bereitstellung von öffentlichen Mitteln zur Aufklärung über den Markt und das Marktgeschehen sind gut, aber der Wille des Verbrauchers zum selbstverantwortlichen Tun ist wichtiger.
Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß es sich bei allen Maßnahmen zur Förderung des Verbrauchers nicht darum handeln kann, den Verbraucher durch Verhaltensvorschriften zu gängeln. Auch die freie Konsumwahl gehört zur unteilbaren Freiheit. Die Bundesregierung wird daher im Rahmen der ihr zur Verfügung gestellten Mittel wie bisher alles tun, um dem Verbraucher Hilfen zu geben, damit er sich seiner Stellung am Markt bewußt wird und sich entsprechend verhält. Sie wird dabei ihren bisherigen Weg konsequent fortsetzen und auf dem Vorhandenen weiter organisch aufbauen.
Die Bundesregierung wird fortgesetzt prüfen, welche gesetzgeberischen Maßnahmen notwendig sind, um den Verbraucher zu schützen und aufzuklären, und wird dem Hohen Hause entsprechende Vorschläge unterbreiten.
Auf diesen Grundgedanken aufbauend antwortet die Bundesregierung auf die gestellten Fragen wie folgt:
Zu Frage 1: Die Maßnahmen, die von der Bundesregierung getroffen worden sind, um entsprechend der Regierungserklärung vom 9. Oktober 1962 „die Einflußmöglichkeiten der Verbraucher auf die Preise und das Marktgeschehen zu verbessern", müssen im Zusammenhang mit dem gesehen werden, was auf diesem Gebiet in den Vorjahren geleistet worden ist. In der Regierungserklärung ist unterstrichen worden, es gelte, das Preisbewußtsein durch eine Erweiterung der Kenntnisse der Verbraucher über das Marktgeschehen zu verbessern.
Im folgenden seien entsprechend der Aufteilung der Aufgaben auf einzelne Bundesressorts und zur Erleichterung der Übersicht über die Entwicklung einige repräsentative Zahlen genannt. Ich glaube, Frau Kollegin, bei dieser Zusammenstellung der einzelnen Beiträge der Bundesressorts wird deutlich, daß es um die Koordinierung nicht ganz so mangelhaft bestellt ist, wie hier vorhin angedeutet wurde. Weitere Einzelheiten, insbesondere über das organische Wachsen der Bundeszuschüsse auf diesen und anderen Gebieten der Verbraucheraufklärung, enthalten die Anlagen, die als Tabellen zum Vortrag nicht geeignet sind und die ich deshalb dem Bericht über die heutige Sitzung beifügen möchte. *)
*) Siehe Anlagen 2 bis 8
Für die Verbraucherberatung und Ernährungsaufklärung wurden vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, mit 150 000 DM im Jahr 1951 beginnend, jährlich um etwa 100 000 DM erhöhte Beträge gegeben. Für das Jahr 1963. wurde mit 1 361 000 DM rund ein Drittel mehr als im Vorjahr zur Verfügung gestellt. Ich bitte, das in den Anlagen vergleichen zu wollen.
Diese Mittel wurden vorwiegend über den Bundesausschuß für volkswirtschaftliche Aufklärung, Köln, zur Herstellung von Broschüren, Merkblättern, Flugblättern, Filmen, Dia-Reihen und anderem Aufklärungsmaterial eingesetzt. Die Vorsitzende ist zur Zeit Frau Senatorin Keilhack, die zweite Vorsitzende Frau Abgeordnete Brauksiepe. Der Bundesausschuß gibt auch zwei Informationsdienste für Presse und Schlüsselkräfte auf dem Gebiet der Verbraucherunterrichtung heraus. Er steht in engster Verbindung mit den Schulen, für die er wertvolles Lehrmaterial erstellt, sowie mit allen Organisationen der Verbraucherschaft, der er so durch Vermittlung von Warenkenntnissen die Möglichkeit schafft, besser und preiswerter einzukaufen. Ferner macht er der Hausfrau Vorschläge für bessere und zweckmäßigere Zubereitung der Nahrung sowie für rationelles Arbeiten im Haushalt. Er verfügt über rund 63 000 Einzelanschriften, darunter 45 000 Schulen, ferner alle Verbraucherorganisationen und Schlüsselkräfte, so daß eine gezielte Aufklärung möglich ist. Der Bundesausschuß hat insgesamt bisher 42 Broschüren mit einer Gesamtauflage von fast 50 Millionen Exemplaren und 43 Merk- und Flugblätter in einer Gesamtauflage von etwa 50 Millionen Exemplaren herausgebracht und weitgehend kostenlos verteilt. In diesen Zahlen sind die Aufträge aller beteiligten Ressorts enthalten. Ich bitte das in der Anlage 3 nachlesen zu wollen.
Im Zusammenhang mit der Ernährungsaufklärung ist u. a. auf das Max-Planck-Institut für Ernährungsphysiologie in Dortmund hinzuweisen. Ihm wurde wie in den beiden Vorjahren ein Betrag von 129 600 DM zur Verfügung gestellt.
Dem Land- und Hauswirtschaftlichen Auswertungs- und Informationsdienst e. V. in Godesberg obliegt es, die Ergebnisse der land- und hauswirtschaftlichen Forschung zu sammeln, auszuwerten und der Beratung und Praxis zugänglich zu machen. Er wurde ebenso wie im Vorjahr mit 1,8 Millionen DM unterstützt. Das ist eine Zunahme um 800 000 DM gegenüber dem Jahr 1954. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Artikeldienst „Hauswirtschaft, Landfrauen und Landjugend". Er behandelt vorwiegend hauswirtschaftliche Themen, die sowohl die Landfrau als auch die Stadtfrau ansprechen, wie Ernährungsfragen, Nahrungsbedarf, zweckmäßige Bedarfsdeckung, Vorratshaltung usw.
Der Bundesminister für Gesundheitswesen — bis 1962 war es der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Frankfurt, die ebenfalls auf dem Gebiet der Verbraucheraufklärung tätig ist, in diesem Jahr mit einem Zuschuß in Höhe von 480 000 DM; das sind rund 47 000 DM mehr als im Vorjahr und 400 000 mehr als im Jahre 1954. In den
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Bundesminister Schmücker
zehn Jahren ihres Bestehens hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rund 6,5 Millionen DM für Forschungsauswertung, Ernährungsaufklärung und Ernährungsberatung eingenommen und ausgegeben. Die Verbreitung des Wissens erfolgt insbesondere auch durch Vorträge, Kurse, Tagungen und Ausstellungen. Zur Zeit sind u. a. in ihrem Auftrag im Bundesgebiet 39 Ernährungsberaterinnen ständig tätig.
Auf Veranlassung des Bundesministers für Gesundheitswesen wurde im Jahre 1963 durch den Aufklärungsdienst für Jugendschutz und die illustrierte Jugendzeitschrift „Gib acht" ein Schülerwettbewerb über das Thema „Vom Essen und Trinken" durchgeführt. Ziel dieser Aktion ist es, das Wissen der Schuljugend hinsichtlich der Grundlagen der Ernährung zu vertiefen, sie die Rolle der Ernährung für die Gesundheit klar erkennen zu lassen und sie zur vernunftgemäßen und richtigen Ernährung anzuhalten; darüber hinaus soll diese Aufklärung bis in das Elternhaus hineinwirken. Zur Durchführung des Schülerwettbewerbs wurde ein Betrag von rund 450 000 DM zur Verfügung gestellt.
Aus der Arbeit des Jahres 1963 sei eine Broschüre „Ernährung der werdenden Mutter" beispielhaft hervorgehoben, die in einer Auflage von 200 000 Stück herausgebracht und kostenlos verteilt wurde. Eine Schrift über die richtige Ernährung des Säuglings wird in Kürze erscheinen.
Auch der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung bedient sich bei seinen Maßnahmen zum Verbraucherschutz und zur Verbraucheraufklärung gleicher publizistischer Mittel wie die anderen Ressorts. Sie dienen der Unterrichtung von Bauherren, Architekten und Bewohnern und behandeln technische, finanztechnische und rechtliche Fragen. Außerdem sind sie Ergänzung bei der Ausbildung an technischen Lehranstalten und Hochschulen, aber auch an pädagogischen, hauswirtschaftlichen und Berufsschulen. Zudem unterstützen sie die Arbeit der Wohnberatung.
Bisher wurden Broschüren in einer Gesamtauflage von rund 28,7 Millionen Stück herausgegeben und hierfür mehr als 2 Millionen DM aufgewendet. Forschungsarbeiten wurden mit rund 72 000 DM voll aus Bundesmitteln finanziert. Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse erfolgte frei finanziert oder nur mit einem Bundeszuschuß. Für Filme wurden 67 000 DM, für Dia-Reihen 5500 DM ausgegeben.
Die Wohnberatung erhielt mit rund 411 000 DM bisher lediglich einen Teil ihres gesamten Finanzierungsbedarfs aus Bundesmitteln. Im Laufe der Jahre ist es der Initiative des Bundes gelungen, für diese Form der Verbraucheraufklärung und des Verbraucherschutzes jährlich zu 28 % Bundesmittel, 41 % Landesmittel und 31 % Gemeindemittel zu mobilisieren. Zur Wahrung einer neutralen, von wirtschaftlichen Interessen unabhängigen Beratung erfolgt die Finanzierung der Wohnberatungsstellen ausschließlich auf öffentlichen Mitteln. Die Beratung selbst ist kostenlos, damit gerade die breiten Schichten der Bevölkerung daran teilhaben können. Ich bitte, die Anlage nachlesen zu wollen.
Der Bundesminister für Familie und Jugend übernahm die Druckkosten für einen Sonderdruck von 100 000 Exemplaren über verbraucherpolitische Fragen im Zusammenhang mit der Familienpolitik.
Der Bundesminister des Innern bemüht sich über die Bundeszentrale für politische Bildung im Rahmen der dort gegebenen Möglichkeiten seit Jahren auch um eine Stärkung des Verbraucherbewußtseins und um sachgerechte Verbraucheraufklärung. Die Bundeszentrale bedient sich hierbei der verschiedenen Massenmedien. Neben der Zusammenarbeit mit Presse- und Materndiensten ist vor allem die Einschaltung von Artikeln zur Unterrichtung des Verbrauchers über die aktuelle Marktlage, die Preissituation und die einschlägige Gesetzgebung in Kunden-, Fach- und Berufszeitschriften zu erwähnen. Diese Zeitschriften erreichen jährlich eine Auflagenhöhe von über 15 Millionen Exemplaren.
Die Bundeszentrale fördert daneben seit mehreren Jahren Tagungen, die sich mit Fragen des Verbraucherschutzes beschäftigen. So wurden u. a. folgende Themen behandelt: Mitverantwortung und Mitgestaltung des modernen Menschen im Spiegel der wirtschaftspolitischen Lage; aktuelle Fragen einer modernen Konsumpolitik; Warentest; Preisbindung und Kartelle. In zahlreichen allgemeinen wirtschaftspolitischen Tagungen der Verbände, insbesondere bei Tagungen überwiegend mit weiblichen Teilnehmern, wurden ebenfalls Verbraucherfragen mit angesprochen.
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung trägt ebenfalls dazu bei, daß die Probleme des Verbraucherschutzes und der Verbraucheraufklärung bei Informationsgesprächen mit Redakteuren von Tages- und Fachzeitungen und -zeitschriften behandelt werden. Das Amt veranlaßt, daß die Verbraucherinteressen bei allen Nachrichtenmedien des Amtes gebührend berücksichtigt werden.
Auch der Bundesminister für Wirtschaft bedient sich zur Unterrichtung des Verbrauchers über Marktvorgänge und Marktverhalten publizistischer Mittel wie Broschüren, Tonbildschauen und Filme. Seit 1956 wurden fünf Broschüren in einer Gesamtauflage von mehr als 1,4 Millionen Stück herausgebracht und dafür rund 450 000 DM aufgewendet. Ein Film, der das richtige Einkaufsverhalten behandelt, läuft neben dem Einsatz in den Landesfilmdiensten als Kulturfilm in den Lichtspielhäusern.
Der Bundesminister für Wirtschaft ist von Jahr zu Jahr stärker dazu übergegangen, Organisationen zu unterstützen, die sich mit Verbraucherfragen befassen.
Ich bitte um Entschuldigung, daß ich meine Bitte um Aufmerksamkeit des Hauses wiederhole. Der Gerechtigkeit wegen bin ich der Meinung, daß diese Fragen, die uns alle bewegen, uns noch stärker anrühren würden, wenn sie lebendig, so wie es das Leben verlangt, vorgetragen würden. Bitte, Herr Minister!
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Verzeihung! Ich habe eine Antwort der Bundesregierung nur zu verlesen. Ich kann sie nicht frei vortragen. Das ist immer so üblich gewesen, und das ist auch wohl nicht anders zu arrangieren. Ich bedaure das selbst. Ich würde lieber in freier Debatte mit Ihnen diskutieren. Aber ich habe ja eine Große Anfrage zu beantworten, und das kann nach Lage der Dinge nur geschehen, indem ich ein Manuskript verlese.
Da diese Verbände sich in der Regel neben ihrem eigentlichen Hauptzweck auch mit Verbraucherfragen befassen, wurden durch maßgebliche Anregung und mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Länderregierungen in allen Bundesländern Verbraucherzentralen in Gestalt von Arbeitsgemeinschaften verbraucherorientierter Verbände gebildet. Auf diese Weise sollten den interessierten Verbänden Anregungen zur praktischen Verbraucherarbeit gegeben und eine Unterstützung der eigenen Verbraucherarbeit gewährt werden. Aufgabe der Verbraucherzentralen ist es, den Verbraucher unabhängig und objektiv über alle ihn interessierenden Fragen zu unterrichten, ihn zu beraten und im Zusammenwirken mit Medien der Öffentlichkeitsarbeit auf Verbraucherfragen aufmerksam zu machen. Als Ziel wird die bessere Unterrichtung des Verbrauchers über seine Funktion in der Marktwirtschaft und Aufklärung über seine Chancen angestrebt. Die Skala der Maßnahmen reicht dabei von der individuellen Einkaufsberatung bis zur Vortragsveranstaltung etwa bei Volkshochschulen.
Die erste Verbraucherzentrale wurde 1957 gegründet. Inzwischen bestehen in allen Bundesländern Verbraucherzentralen mit zur Zeit 55 angeschlossenen Beratungsstellen. Die Verbraucherzentralen sind aus bescheidenen Anfängen zu einer wirkungsvollen und immer weitere Bevölkerungskreise erreichenden Organisation entwickelt worden. Entsprechend dem ständig wachsenden Arbeitsumfang wurden auch von Jahr zu Jahr mehr Mittel von seiten des Bundes zur Verfügung gestellt. 1963 waren es rund 335 000 DM. Zugleich aber konnte auch erreicht werden, daß sich die Länder stärker für die Verbraucherarbeit interessierten mit der Folge, daß sie heute in der Regel größere Zuwendungen geben als der Bund. 1963 steht den 335 000 DM Bundesmitteln für die Verbraucherzentralen ein Betrag von 767 500 DM der Länder gegenüber.
Für das Verbraucherverhalten ist aber nicht nur das Wissen um allgemeine wirtschaftliche Zusammenhänge von Bedeutung. Ebenso wichtig sind die Einflüsse, die vom einzelnen Haushalt ausgehen. Um auch von dieser Seite her den Konsumenten zu unterstützen, fördert die Bundesregierung seit 1952 einige ausgewählte, von Frauenverbänden getragene hauswirtschaftliche Beratungsstellen. Heute sind elf derartige Stellen tätig. Die von ihnen erarbeiteten Erfahrungen und Erkenntnisse werden von Frauenverbänden für ihre breite Beratungsarbeit nutzbar gemacht, durch die sie eine über ihren Aktionskreis hinausgehende Verbreitung erfahren.
Die allgemeine wirtschaftliche und hauswirtschaftliche Bildung und Aufklärung wird noch ergänzt durch gezielte fachliche Unterrichtung. Wie im Vorjahr stehen 1963 hierfür 90 000 DM zur Verfügung.
Von der Förderung verbraucherpolitischer Tätigkeit hat die Bundesregierung abgesehen, weil sie dies als ureigene Aufgabe der als Verbraucher organisierten Staatsbürger ansieht. So wurde die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, der 19 auf Bundesebene tätige verbraucherorientierte Verbände und Institutionen angehören, nur bei der Durchführung von Seminaren zur Schulung von Beratungskräften und bei der Verbreitung von für den Verbraucher interessanten Publikationen unterstützt. In den letzten acht Jahren wurden dafür rund 424 000 DM bereitgestellt. 1963 waren es rund 65 000 DM.
Rein rechnerisch weist der in Frage kommende Titel für Verbraucherunterrichtung im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft mit einer Million DM den doppelten Betrag wie im Vorjahr aus. 500 000 DM sind jedoch durch den Bundestag qualifiziert gesperrt für die Errichtung eines Warentestinstituts.
Entsprechend der Regierungserklärung hat der Bundesminister für Wirtschaft am 2. Februar 1963 seine Absicht bekundet, ein Warentestinstitut als Stiftung des privaten Rechts ins Leben zu rufen. Wegen der zahlreichen sachlichen und rechtlichen Probleme, die die Gründung eines solchen Instituts aufwirft, ist die parlamentarische Behandlung der Sache noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung ist nach wie vor grundsätzlich bereit, Bundesmittel für ein Warentestinstitut in Form einer Stiftung des privaten Rechts zur Verfügung zu stellen. Zumindest wird der Bund für den Aufbau und die Unterstützung der Einrichtung eine Starthilfe in angemessener Höhe bereitstellen.
Wenn die Bundesregierung heute noch nicht abschließend Stellung nehmen kann, so ist das vor allen Dingen darauf zurückzuführen, daß in letzter Zeit neue Vorschläge, auf deren pflichtgemäße Prüfung nicht verzichtet werden konnte, unterbreitet worden sind. Diese werden gegenwärtig unter Hinzuziehung der beteiligten Gruppen erörtert. Damit wird die Bundesregierung die Möglichkeit erhalten, sich zu diesen Vorschlägen fundiert äußern zu können. Da somit die organisatorische Form des Instituts und damit auch die Höhe der erforderlichen Mittel noch nicht feststehen, wurde für das Warentestinstitut im Haushaltsgesetzentwurf 1964 ein Leertitel vorgesehen.
Meine. Damen und Herren! Ich darf hier in einer Zwischenbemerkung vielleicht noch einmal betonen, daß man, wenn neue Vorschläge — die auch aus allen Teilen des Hauses gekommen sind — ernsthaft geprüft werden, natürlich die Arbeit zeitweilig -unterbrechen muß. Ich hoffe aber sehr, daß diese Prüfung noch im Laufe dieses Jahres abgeschlossen werden kann, weil ich großen Wert darauf lege, daß das Warentestinstitut im nächsten Jahr seine Arbeit aufnehmen kann.
Zur Frage 2: Durch die Regierungserklärung vom 9. Oktober 1962 ist der Bundesminister der Justiz
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Bundesminister Schmücker
So sind z. B. zur Zeit Arbeiten im Gange, um das Maß- und Gewichtsgesetz vom 13. Dezember 1935 durch eine vollständige Neufassung den heutigen Wirtschafts- und Konsumverhältnissen anzupassen. Das bisher geltende Maß- und Gewichtsgesetz trug u. a. besonders bei Getränken und flüssigen Lebensmitteln zum Schutz der Verbraucher bei, indem es die Größen der Gefäße und die zulässigen Abweichungen festlegte und außerdem eine deutliche und haltbare Kennzeichnung des Inhalts vorschrieb. Bei der Neufassung ist beabsichtigt, entsprechend dem Vordringen abgepackter Lebensmittel den Schutz des Verbrauchers auch weiter auszubauen. Demgemäß enthält der vorläufige Referentenentwurf der Neufassung des Maß- und Gewichtsgesetzes — neues Eichgesetz — bereits Vorschläge für alle Fertigpackungen, in denen u. a. Nahrungs- und Genußmittel enthalten sind, eine Kennzeichnung des Inhalts nach Art und Menge zwingend vorzuschreiben. Es ist daran gedacht, daß korrespondierend mit der Inhaltsangabe — soweit tunlich — auch die Angabe des Preises für eine bestimmte runde Gewichts-, Raummaßeinheit oder Stückzahl vorgeschrieben wird oder an Stelle dessen bestimmte Größen für Fertigpackungen, die eine leichte Marktübersicht zulassen.
In bezug auf die Zusammensetzung von Stoffen wunde und wird ebenfalls an einer Reihe von Bestimmungen gearbeitet, wobei hier die des Arznei- und Lebensmittelrechts am wichtigsten sind. Darauf wird bei der 'Beantwortung der folgenden Frage einzugehen sein.
— Entschuldigen. Sie, Herr Kollege Deist. Als von
all den Schriften und anderen Maßnahmen die Rede
war, habe ich gedacht: Wenn sich diejenigen, die
sich so sehr um die Verbraucher bemühen, einmal darum kümmerten, alle diese Schriften auch wirklich unter das Volk und an den Verbraucher zu bringen, wären vielleicht schon einige Erfolge mehr zu verzeichnen als bisher. Die Bundesregierung kann doch letzten Endes nur das Material erstellen und die Drucksachen herstellen und an die zuständigen Stellen leiten. Aber wenn dann nicht der nötige Wille zur Mitarbeit vorhanden ist und wenn das Material dann nicht an den Mann gebracht wird, sieht es sehr schlecht aus.
Im Handel sprechen wir immer noch von seiner Majestät dem Kunden. Daran hat sich bis heute im Prinzip nichts geändert. Ab und an habe ich ja auch noch einmal Zeit, mich hinter die Ladentheke zu stellen. Ich wundere mich immer wieder, wie viele Kenntnisse die Hausfrau hat — und gerade bei den kleineren Einkommensträgern —, wie doch mit jedem Pfennig gerechnet wird und auch Preise und Waren verglichen werden. Manchmal denke ich, es wird da doch des Guten etwas zuviel getan. Aber ich nehme es dem Verbraucher nicht übel. Er soll ja vergleichen, er soll Preise und Qualität vergleichen; das ist seine Aufgabe.
Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren ist schon eine ganze Reihe von gesetzlichen Vorschriften geschaffen worden, die dem Schutz des Verbrauchers und damit mittelbar, nämlich der Wirkung nach, auch seiner Aufklärung über bestimmte konsumwirtschaftliche Zusammenhänge dienen. Das gilt vor allem hinsichtlich der Gesundheit des Verbrauchers. Dazu zählen alle die Ausübung eines Gewerbes kontrollierenden Vorschriften in speziell geregelten Gesetzeskomplexen, wie z. B. das Arzneimittelgesetz, das Lebensmittelgesetz und andere mehr. Mit der Schaffung dieser Gesetze ist eine ganze Menge getan worden, und diese Gesetze werden laufend ergänzt und verbessert.
Wir gehen davon aus, daß der Wettbewerb der Motor ist und daß Angebot und Nachfrage den Preis bilden. Da ist gerade der Wettbewerb der beste Schutz, den sich der Verbraucher überhaupt denken kann. Der Bundestag hat 1957 das Kartellgesetz verabschiedet, das doch im wesentlichen auch dem Schutz des Verbrauchers dient. Nehmen Sie als weiteres Beispiel das Rabattgesetz. Hier und da wird immer einmal behauptet, in diesem Gesetz sei der Rabatt zum Schutze des Handels auf 3 % beschränkt worden. Im Gegenteil, dieses Gesetz ist ausgesprochen zum Schutze des Verbrauchers gemacht worden. In den 30er Jahren hatten wir ähnliche Zustände wie heute, daß nicht mehr nach Preis und Qualität verkauft wurde, sondern mit Rabattsätzen von 20 % und 25 % und was weiß ich wieviel Prozent. In Wirklichkeit war derjenige, der keinen Rabatt gab, im wesentlichen billiger als alle anderen. Deswegen ist also das Rabattgesetz zum Schutze des Verbrauchers geschaffen worden.
Auch die Zugabeverordnung ist zum Schutze vor einer Übervorteilung des Verbrauchers geschaffen worden, ebenfalls das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Frau Kollegin Beyer, Sie sprachen auch von den Auswirkungen dieses Gesetzes. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist als
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Illerhaus
solches gut. Nur fehlt hier und da noch die entsprechende Rechtsprechung bis zu der obersten Instanz in Karlsruhe. Da läßt sich sicherlich noch etwas tun, um das eine oder andere klarzustellen. Jedenfalls trägt das Kartellgesetz wohl entscheidend dazu bei, den Verbrauchern Einkaufsvorteile zu ermöglichen, die aus dem Konkurrenzkampf um Qualität und Preis resultieren. Es kann sich also nicht darum handeln, überhaupt erst Grundlagen für einen wirksamen Verbraucherschutz und eine zweckmäßige Verbraucheraufklärung zu schaffen, sondern lediglich darum, ob und inwieweit das bereits vorhandene gesetzliche System zu verbessern, d. h. dem sich ständig ändernden und immer mehr ausweitenden Angebot an Konsumgütern anzupassen wäre.
In dieser Hinsicht ist es wichtig, das marktwirtschaftliche Prinzip auch auf die Verbraucherschaft zu übertragen, d. h. von ihr zu erwarten, daß sie als in den volkswirtschaftlichen Kreislauf einbezogene wichtige Wirtschaftsstufe regsamer als bisher wird. Auch der Herr Bundesminister hat sehr deutlich gesagt, daß sich der Verbraucher unter allen Umständen seiner Stärke, die er im Markt hat, mehr bewußt werden muß. In unserer konsumgüterwirtschaftlich orientierten Gesellschaftsordnung ist es Aufgabe der politischen Parteien, das verbraucherpolitische Interesse zu pflegen und seine Bedeutung ständig herauszuheben. Jeder ist Verbraucher, gleichgültig, welchen Beruf er hat; auch die Hersteller und Händler samt allen für ihre gewerblichen Zielsetzungen eingesetzten Belegschaften sind Verbraucher. Es gibt also keine kopfmäßig klar zu trennenden Fronten zwischen Herstellung, Handel und Verbraucher. Diesem Umstand muß besonders Rechnung getragen werden, wenn man an eine Abklärung der verschiedenen Interessenlagen geeignete Konstruktion denkt.
Die Anwendung des marktwirtschaftlichen Prinzips auf die Lösung des verbraucherpolitischen Problems bedeutet also zunächst einmal, daß sich auf diesem Gebiet auch der Staat und seine Organe weitgehend Zurückhaltung
aufzuerlegen haben, soweit es sich um eine Mitwirkung des Staates handelt. Wir würden unserer Wirtschaftsordnung einen schlechten Dienst erweisen, wenn wir das weite Feld des Konsumgüterverbrauchs ganz oder nur halb, unmittelbar oder auch nur mittelbar in staatliche Kontrolle nehmen wollten. Das einzige, was der Staat tun kann, besteht darin, die private, freie Initiative zur Selbstorganisation zu fördern, damit sie sich um so schneller, gründlicher und zielsicherer entfalten kann. Man kann nicht auf der einen Seite die Marktwirtschaft bejahen und dann hintenherum über eine Verbrauchslenkung allergrößten Ausmaßes die freie Wirtschaft wieder einschränken. Das scheint mir eine schlechte Sache zu sein.
Meine Damen und Herren, die Entwicklung der letzten zwei Jahre hat sich, durch in diesem Zusammenhang nicht näher zu erörternde Umstände bedingt, auf das Problem der besseren Marktübersicht der Verbraucher konzentriert. Diesen Zwecken soll auch der vergleichende Warentest als Methode und das Warentestinstitut als Organisation dienen. Nun, dem Deutschen Bundestag liegen zwei Vorschläge vor, einmal der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers und zum anderen ein Vorschlag auf privater Ebene. Man wird sich im Wirtschaftsausschuß über diese beiden Vorschläge ernsthaft unterhalten müssen. Der private Vorschlag kann natürlich nur dann ernsthaft diskutiert werden, wenn eine kontinuierliche Entwicklung dieses Instituts auf Jahre hinaus gesichert ist. Denn die öffentliche Hand könnte dafür kein Geld hergeben, wenn das Institut nach ein oder zwei Jahren einschliefe und nicht mehr wirksam würde. Aber der Wirtschaftsausschuß wird, wie auch der Herr Bundeswirtschaftsminister gesagt hat, diese beiden Vorschläge ernsthaft diskutieren, und wir alle wollen bestrebt sein, den besten Vorschlag zum Zuge kommen zu lassen.
Man darf die Überzeugung haben, daß die Praxis eines solchen Warentestinstituts letzten Endes Erfolge bringen wird, die über die Unmittelbarkeit der Testergebnisse hinausgehen. Als solche Erfolge wären zu nennen:
erstens die Versachlichung der Werbung durch stärkeres Ansprechen der Warenmerkmale,
zweitens die Verbesserung der Produktion durch verstärkte Ausschaltung von Fehlerquellen und höhere Sorgfalt in der Herstellung und
drittens größere Klarheit über die entscheidenden Qualitätsmerkmale.
Der Verbraucher wird im Einkauf sicherer. Im Verhältnis zwischen Handel und Kunden kommen weniger Mißverständnisse oder gar Reibungen auf. Die Sortimentspflege des Handels wird vereinfacht und demzufolge auch der Absatzerfolg des Handels bestimmbarer.
Die Warentests sind ihrem Gegenstand nach zwangsläufig Vergleiche; denn nur dadurch wird überhaupt erst die Übersicht für den Verbraucher über die jeweils in Betracht kommende Produktion geschaffen. Ein solcher Warenvergleich wird aber von einer neutralen, außerhalb des Wettbewerbs stehenden Stelle an die Verbraucherschaft herangetragen. Weil dadurch ein anzuerkennendes Bedürfnis der Verbraucherschaft befriedigt wird, besteht kein Grund, idie bisher zur Frage der vergleichenden Werbung entwickelte Rechtsprechung zu revidieren. Es sollte bei dem Grundsatz bleiben, 'daß der Mitwettbewerber in seiner Werbung seine Leistungen ganz allgemein nicht zu seinem Vorteil mit denen seiner Konkurrenten vergleichen darf. Er soll weiterhin wie bisher darauf beschränkt bleiben, allein für seine eigene Ware und seine eigene Leistung ohne Bezugnahme auf den Mitwettbewerber zu werben. Was an Marktübersicht für den Konsumentenentschluß notwendig ist, wird dem Verbraucher durch den außerhalb des Wettbewerbs stehenden Warentest vermittelt. Insoweit ist nach meinem Dafürhalten keine Notwendigkeit vorhanden, das Wettbewerbsrecht zu novellieren. Es bietet sich auch sonst keine Handhabe, in einer überschaubaren und damit zugleich direkten Weise
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durch eine Gesetzesänderung neue Grenzen im Wettbewerb zu setzen.
Glücklicherweise ist inzwischen auch vom Bundeskartellamt anerkannt worden, daß die einzelnen Wirtschaftsstufen in dem Bemühen um eine vernünftige Regelung ihrer Geschäftsbeziehungen untereinander und miteinander Wettbewerbsregeln vereinbaren dürfen, die sich inhaltlich auch auf die sogenannte Graue Zone erstrecken, daß sie also auch solche Zweifelsfragen verbindlich behandeln, die bisher durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt werden konnten. Wenn es also in den einzelnen Wirtsaftsbereichen Wettbewerbsprobleme gibt, von denen man meint, daß sie dringend einer Regelung bedürfen, so sollte man den Weg der Wettbewerbsregeln beschreiten. Auch hier, meine Damen und Herren, bietet sich die Mitwirkung der Öffentlichkeit an. Sie wird im übrigen in solchen Fällen meist ohnehin weitestgehend durch das Bundeskartellamt herausgefordert.
Lassen Sie mich nun noch zu einigen Fragen Stellung nehmen, über die Sie, Frau Kollegin Beyer, gesprochen haben. Sie sprachen von der Koordinierung der Mittel, die in den einzelnen Ministerien vorhanden sind. Sie brachten das Beispiel, daß in einer solchen Stelle 150 000 DM aufgebracht worden sind — 50 000 DM vom Bund und 100 000 DM vom Land — und daß davon zwei Drittel für die Verwaltung ausgegeben worden sind, das Allerwenigste für den wirklichen Zweck dieser Bemühungen. Ja, verehrte Frau Kollegin, das ist eben der große Nachteil all dieser Institutionen, daß man dort Mittel aufbringt, die dann für die Verwaltung ausgegeben werden. Da sieht man, wie problematisch die Dinge überhaupt sind. Ob man dem Verbraucher durch die Schriften, die vom Ministerium aus erstellt werden, nicht doch mehr helfen kann als auf andere Weise?
Das Unwesen bei der Rabattgewährung, Frau Kollegin Beyer, beklagen gerade wir im Handel ebenfalls. In einem immer größeren Umfang wird hier der Verbraucher in der Tat getäuscht. Er hat überhaupt keine Übersicht mehr darüber, was nun eigentlich preiswert und was nicht preiswert ist. Ich würde mich in diesem Zusammenhang, wenn wir eine Novelle zum Kartellgesetz bekommen, mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einsetzen — ich glaube, das Hohe Haus wird mir folgen —, daß das Rabattunwesen bei dieser Gelegenheit und auch die Möglichkeit der Empfehlung von Preisen und Richtpreisen beseitigt wird, weil sie ja doch nur dazu benutzt werden, überhöhte Verkaufspreise festzusetzen und dann mit Rabatt zu handeln und somit das Geschäft völlig undurchsichtig zu machen.
Daß die Werbung ein Teil der Marktwirtschaft ist, wissen wir alle. Ich glaube, wir müssen da den Standpunkt vertreten, daß überhaupt erst durch die Werbung eine Massenproduktion erreicht werden kann, die zu einer Verbilligung der Ware führt. Die Werbung, wenn sie wahr und echt ist, dient also, wenn Sie so wollen, auch dem Verbraucher. Das gibt natürlich demjenigen, der den Wettbewerb bejaht, einen Anspruch darauf, vor dem unlauteren Wettbewerb genauso geschützt zu werden,
wie hier der Verbraucher geschützt werden möchte.
Die Grundsätze für die Bezeichnung von Wolle, von denen der Herr Minister sprach, sind schon seit Jahren im privaten Gespräch. Sie sind Gegenstand der Diskussion zwischen den Stufen in der Textilwirtschaft. Wir haben uns in der Tat leider nicht einigen können. Nun muß der Gesetzgeber das Wort sprechen.
Aber was mir viel wichtiger erscheint — ich möchte das besonders unterstreichen —, sind die sogenannten Behandlungsvorschriften. Da haben wir uns allerdings in der Tat z. B. für die Vorschriften, die im wesentlichen für den textilen Bereich Gültigkeit haben, auf europäischer Ebene bereits geeinigt und Behandlungsvorschriften in bildlicher Form erarbeitet. Leider haben wir bei unseren vorgelagerten Stufen noch nicht die Bereitschaft gefunden, die erstellten Etiketten nun auch tatsächlich in das einzelne Wäschestück einzunähen. Wir hoffen, daß wir da in Zukunft etwas weiterkommen.
In bezug auf die Aufklärung des Verbrauchers über die Ware, Frau Kollegin, tun wir vom Handel auch im Interesse des Verbrauchers das gleiche, indem wir die Kaufleute selbst und auch die Angestellten in besonderen Fachkursen immer wieder mit neuen Waren, neuen Wareneigenschaften, synthetischen Fasern usw. vertraut machen.
Wenn Sie den Preis- und Verbraucherrat beim Ministerium so ausstatten wollen, wie Sie es eben ausgeführt haben, ja. dann brauchte man nur noch einen Verbraucherminister darüber zu setzen, dann hätte man ein neues Ministerium. So weit sollten wir nicht gehen. Wir sollten dieses Gremium 'als beratendes Gremium für den Wirtschaftsminister ansehen.
— Gut, dann sind wir einverstanden.
Über die Tatsachen in bezug auf Abzahlungskäufe besteht wohl Klarheit. Es dreht sich im wesentlichen um das Unwesen der Teilzahlungsverkäufe an den Haustüren mit undurchsichtigen Methoden. In diesem Punkt sind wir wohl alle einig.
Ein letztes Wort zu dem sogenannten Typenwirrwarr. Sicher kann man billiger produzieren, wenn man sich auf einige wenige Typen beschränkt. Hier wird immer Amerika als Beispiel hingestellt. Nun, ein bekannter Wirtschaftsführer hat einmal gesagt, man sollte Amerika kapieren, aber nicht kopieren. Eine Uniformierung in diesem Umfang wollen wir sicherlich nicht, sondern es kann sich nur um eine vernünftige Lösung handeln, bei der das Interesse des Verbrauchers und der Bevölkerung an einem individuellen Angebot geschützt ist.
Im ganzen gesehen hat die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der SPD ausführlich und eingehend geschildert, daß schon eine Unmenge getan worden ist, wenn auch gewisse Notwendigkeiten angesichts neuerer Entwicklungen nicht verkannt werden. Ich möchte zum Schluß noch einmal betonen,
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daß der Wettbewerb ,die beste Garantie für unseren Verbraucher darstellt. So gesehen ist die Politik, die die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien in den vierzehn Jahren auf diesem Gebiete verfolgt haben, eine ausgesprochene Verbraucherpolitik.
Das Wort hat der Abgeordnete Mertes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer ,als vierter Sprecher zu einem Tagesordnungspunkt Stellung nehmen muß, hat es meistens nicht sehr leicht. Ich will mich daher auf einige wenige grundsätzliche Bemerkungen beschränken und notwendige Wiederholungen, die vor allem dort erforderlich sind, wo wir verschiedener Meinung sind, so kurz wie möglich halten.
Der Begriff Verbraucherpolitik ist im Sprachschatz der Nationalökonomen noch relativ jung, genauso wie der Begriff Mittelstandspolitik. In beiden Fällen handelt es sich um Querschnittspolitik. Das bedeutet, daß Verbraucherpolitik nicht zentral, an einer Stelle gemacht werden kann, sondern daß dieses Aufgabengebiet weit in die verschiedensten Bereiche der Politik hineinreicht, in die Innenpolitik, die Steuer- und Finanzpolitik, die Gesundheitspolitik usw. Die Wurzel dürfte aber in der Wirtschaftspolitik liegen. Daher ist die beste Verbraucherpolitik eine gute Wirtschaftspolitik, und die beiden bedeutendsten verbraucherpolitischen Taten in der deutschen Nachkriegsgeschichte waren ohne Zweifel die Währungsreform von 1948 und die in ihrem Gefolge verwirklichte Aufhebung der Zwangswirtschaft.
Denn erst durch diese beiden Maßnahmen wurde wieder ein Markt geschaffen, und ohne Markt gibt es keine Verbraucher, sondern bestenfalls Zuteilungsobjekte. Mit der Einführung der Marktwirtschaft wurde der Verbraucher nicht nur vom Bezugskarten- und Punktsystem befreit, sondern auch von der Eintönigkeit und Einförmigkeit der Versorgung, wie wir sie heute noch in den Ländern kennen, in denen eine bürokratische Verwaltung vorschreibt, was, wieviel, durch wen und für wen produziert werden soll.
Wenn heute Kritik geübt wird und wenn heute noch auf berechtigte Sorgen der Verbraucher hingewiesen wird, dann müssen wir uns darüber im klaren sein, daß diese Sorgen nicht aus einem Mangel, sondern aus der Fülle 'des Angebots herrühren, und diese Fülle, meine Damen und Herren, ist nun einmal eine Folge der Marktwirtschaft, eine Folge, die wir, glaube ich, dankbar anerkennen sollten. Ich meine, daß es gut ist, einmal wieder an diese Zusammenhänge zu erinnern, nicht zuletzt deshalb, weil sich daraus ganz bestimmte Konsequenzen für die Verbraucherpolitik heute ergeben. Es gilt, die Erfolge, die mit den beiden genannten Maßnahmen eingeleitet wurden, nicht verwässern zu lassen. Eine stabile D-Mark ist heute wie vor 15 Jahren das A und O einer vernünftigen Verbraucherpolitik. Wer die Kaufkraft unseres Geldes strapaziert — das wissen wir —, der unterminiert damit nicht nur unsere wirtschaftliche Basis; er höhlt gleichzeitig unsere Gesellschaftsordnung aus, in der, bei aller Kritik, die lautgeworden ist, der Verbraucher immer noch eine Zentralfigur ist.
Hieraus ergeben sich nun, so meine ich, bestimmte Verpflichtungen für den Staat, aber nicht für den Staat allein, sondern z. B. auch für die Tarifvertragsparteien. Man kann wahrlich nicht behaupten, daß die Politik der Sozialpartner in den vergangenen Jahren in jedem Fall verbraucherfreundlich gewesen ist. Ich meine, daß manche Einigung auch auf dem Buckel der Verbraucher erzielt wurde.
Geldstabilität hängt jedoch selbstverständlich auch ab vom richtigen Verhalten des Verbrauchers auf dem Markt, vom überlegten Einkauf; das ist mit Recht heute hier wiederholt betont worden. Eine wertvolle und notwendige Hilfe ist hier der Wettbewerb, der Motor der Marktwirtschaft, wie wir wissen, und dieser Wettbewerb bekommt nun einmal seine Impulse vom Käufer, vom Verbraucher. Denn er wählt die Ware, die ihm preiswert erscheint, und bestimmt damit über den Absatz der Betriebe und ganzer Wirtschaftszweige.
Es wäre natürlich falsch, meine Damen und Herren, die Augen davor zu verschließen, daß es nach vielen Jahren der Zwangswirtschaft und der Deckung des Nachholbedarfs nicht jedem Produzenten und nicht jedem Verkäufer leicht fällt, den Kunden wieder als Ordnungselement des Marktes anzuerkennen. Wer das aber tut, der ist weniger in der Gefahr, am Markt vorbeizuproduzieren oder auf Ladenhütern sitzenzubleiben. Denn er erkennt rechtzeitig Strukturwandlungen, die durch Änderungen des Lebensstils, der Lebensgewohnheiten oder auch des Geschmacks ausgelöst werden. Und das ist nicht zuletzt von großer Bedeutung für unsere Volkswirtschaft, weil dadurch Substanzverluste verhindert werden, wie sie betriebswirtschaftliche Fehlkalkulationen, Fehlinvestitionen oder dadurch bedingte Zusammenbrüche mit sich bringen. Das Unternehmerrisiko ist nun einmal auch Bestandteil der Marktwirtschaft, und dieses Unternehmerrisiko ist um so geringer, je mehr der Markt die Richtschnur für unternehmerische Dispositionen ist.
Dieser Markt kann nur dann funktionieren und ein echtes Bild auch für den Unternehmer und seine Dispositionen bieten, wenn der Verbraucher über eine ausreichende Marktübersicht verfügt und Qualitätsvergleiche anstellen kann. Nur dann vermag der Käufer sein legitimes Recht auszuüben, Steuermann im Spiel von Angebot und Nachfrage zu sein.
Hier beginnen, wie heute deutlich geworden ist, die Schwierigkeiten. Neue Werkstoffe und komplizierte technische Konstruktionen und Verfahren haben dazu geführt, daß die Marktübersicht weitgehend verlorengegangen ist. Deshalb gibt es ja auch keine Meinungsverschiedenheit mehr über die Notwendigkeit von Warentests. Die Meinungsverschiedenheiten, die noch vorhanden sind, betreffen nur das Wie, also die Frage, wie die als notwendig erachteten Warentests durchgeführt werden sollen. Meines Wissens liegen nicht nur zwei, sondern so-
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gar schon drei Entwürfe für ein objektives, neutrales Warentestinstitut vor. Nun, meine Damen und Herren, ich meine, es müßte möglich sein, sich zusammenzusetzen, meinetwegen auf der Basis des Entwurfs des Wirtschaftsministeriums zu beraten und durch Hineinarbeiten der guten Gedanken der anderen Entwürfe endlich zu einem Ergebnis zu kommen, damit dem Wirtschaftsministerium grünes Licht gegeben werden kann, ein solches Warentestinstitut ins Leben zu rufen. Sonst sehe ich es kommen, daß in zuvielen Instituten getestet wird. Dadurch würde die Gefahr der Abhängigkeit von Interessengruppen entstehen, und dadurch könnte es wiederum zu einem Gegeneinander von Testergebnissen kommen, was ohne Zweifel zu einem großen Durcheinander führen müßte. Damit wäre weder dem Verbraucher noch der Wirtschaft gedient.
Die Voraussetzungen eines Warentestinstituts, unbedingte Neutralität und Objektivität sowie personelle und finanzielle Unabhängigkeit, sind bereits vor einem Jahr in Stellungnahmen des Justizministeriums und auch des Wirtschaftsministeriums dargelegt worden. Danach scheint mir die Basis des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb für eine eingehende Verbraucherberatung, soweit sie Warentests betrifft, durchaus ausreichend zu sein. Dennoch begrüßen wir das Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums, auch hier noch die letzte Klarheit zu schaffen.
Warentests — das hat Frau Kollegin Beyer mit Recht betont — sind nicht das alleinige Mittel. Daneben muß es noch andere Möglichkeiten geben. Ich erinnere nur an einen notwendigen Ausbau der gesetzlichen und der auf freier Vereinbarung beruhenden Kennzeichnungspflicht. Ich erinnere an die Notwendigkeit, die Preisauszeichnungspflicht überall einzuhalten. Ich erinnere weiter an die Notwendigkeit der Gewichts- und Qualitätskennzeichnung und insbesondere an die Notwendigkeit der Textildeklarationen und der Beachtung der Handelsklassen. Es ist auch erfreulich, daß, wie wir vorhin in den Ausführungen des Herrn Ministers gehört haben, das Gütezeichen mehr und mehr Anhänger findet. Orientierungsmaßstäbe dieser Art sind für den leistungsfähigen Hersteller und für den marktbewußten Verbraucher von gleich großer Bedeutung. Sie erleichtern vor allem der Hausfrau ihre Arbeit, deren Beruf zu den qualifiziertesten Berufen gehört, die es überhaupt gibt. Das sollten wir Politiker einmal ganz klar und deutlich aussprechen.
Es sind weiter die Fragen der Werbung angesprochen worden, der Werbung als echter Information, nicht als Suggestion, — obwohl ich mir auch darüber im klaren bin, daß es in der Marktwirtschaft neben einer Bedarfsdeckung auch die Bedarfsweckung geben muß. Allerdings ist dazu zu sagen, daß diese Bedarfsweckung selbstverständlich an den Verbraucher noch weit höhere Anforderungen stellt als die Bedarfsdeckung. Deshalb kann man schon Bedenken bekommen, wenn man hört und liest, daß für die Werbung im Jahr und auf den Kopf der Bevölkerung umgerechnet rund 75 DM ausgegeben werden, für die Verbraucheraufklärung aber nur knapp 4 Pf. Wir werden daher die entsprechenden
Ansätze im Bundeshaushalt sehr sorgfältig zu prüfen haben.
Besondere Probleme werfen auch die Fragen der Verpackung auf. Wo liegen hier die Grenzen der Zweckmäßigkeit, und wo wird mit etwas Farbe, Papier oder Blech ein unvernünftiges Verhältnis zwischen der äußeren Hülle und dem Inhalt hergestellt? Und was sollen schon Bezeichnungen wie „Doppelpackung", „Riesenpackung" oder „Familienpackung", wenn nicht gleichzeitig eine Gewichtsangabe gegeben wird, die für den Verbraucher allein interessant ist, weil sie Vergleichsmöglichkeiten eröffnet.
Hinsichtlich der Herstellungs- und Haltbarkeitsdaten bei verpackten Lebensmitteln, die garantieren sollen, daß frische Ware an den Verbraucher gelangt und die überhaupt eine Vorratswirtschaft, die ja immer gefordert wird, erst ermöglichen, verweise ich auf das, was meine Kollegin Frau Dr. KiepAltenloh in der 54. Sitzung am 16. Januar dieses Jahres gesagt hat.
Aber, meine Damen und Herren, dies alles sind ja Probleme, mit denen sich seit geraumer Zeit auch die Wirtschaft selber auseinandersetzt. Erst gestern fand ich in der „Stuttgarter Zeitung" unter der Überschrift: „Vor ,Mogelpackungen' wird gewarnt" einen Appell des Rationalisierungskuratoriums der deutschen Wirtschaft. Darin heißt es ich darf vielleicht einige wenige Sätze vorlesen —:
Die Packung solle die Ware zeigen oder klar und wahrheitsgemäß den Inhalt nennen. Der Füllinhalt solle an gut sichtbarer Stelle kenntlich gemacht sein, wobei zu große und aufwendige Packungen nur den Käufer täuschten. Die Preisangaben sollten stets an gleicher Stelle, gut erkennbar und leicht lesbar sein. Zur Alterskontrolle von leicht verderblichen Waren solle man das Herstellungsdatum oder das letztmögliche Verbrauchsdatum auf der Packung nennen. Aufdrucke wie „Begrenzt haltbar" oder „Zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt" sagten nichts über die Qualität aus.
Das, meine Damen und Herren, zeigt uns die Einstellung der Wirtschaft zu diesen Problemen, und das läßt uns doch erwarten, daß wir bald zu einer entsprechenden Lösung auch dieser Fragen kommen, und zwar im Einvernehmen und nicht allein auf dem gesetzlichen Wege. Meine Kollegin Frau Dr. Kiep-Altenloh hat in der 94. Sitzung des Deutschen Bundestages 'bereits die Mißbräuche im Abzahlungsgeschäft zur Sprache gebracht. Wir wünschen, daß bald die Regelungen getroffen werden, die damals der Herr Bundesjustizminister und heute der Herr Bundeswirtschaftsminister in Aussicht gestellt haben.
Verbraucherpolitisch wichtig 'scheint mir auch die Lösung des Problems der Typenbeschränkung zu sein. Hier liegen ganz ohne Zweifel noch ungenutzte Möglichkeiten auch für unsere Gesamtwirtschaft und ihre Stellung im Wettbewerb des Gemeinsamen Marktes. Selbstverständlich wollen auch wir keine Uniformierung, und wenn darauf hingewiesen worden ist, daß man z. B. in den USA auf diesem Ge-
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biet schon erheblich weiter sei als wir, dann möchte ich doch einmal zu bedenken geben, ob mit diesem angeblichen Fortschritt auf der anderen Seite nicht auch eine Konzentration in der Wirtschaft einhergegangen ist, die für uns nicht wünschenswert sein kann. Ich meine, es gilt hier, die richtige Grenze zu finden. Wir sollten das sehr sorgfältig prüfen.
Ich habe ,den Gemeinsamen Markt angeschnitten, ein besonderes Kapitel in der Verbraucherpolitik, wie mir scheint. Er soll uns ja einmal ,die großen Produktionsserien bringen, die eine Voraussetzung für eine preiswerte Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs sind. Aber wir wissen alle: Noch sind wir nicht so weit, noch gilt das, was kürzlich der EWG-Agrarkommissar Dr. Mansholt auf eine Frage ehrlich geantwortet hat:
Wir unterhalten — so sagte er —
ausgezeichnete Verbindungen mit allen, die erzeugen und verwalten. Aber es ist sehr schwierig, gleichartige Verbindungen mit denen, die verbrauchen, herzustellen.
Es liegt auf der Hand, meine Damen und Herren,
daß hier etwas geschehen muß, und zwar weit über
den Kontaktausschuß, den es in Brüssel gibt, hinaus.
Mir scheint, daß in diesem Zusammenhang die Beschlüsse und Wünsche des Deutschen Frauenrings von Mitte dieses Jahres besondere Beachtung verdienen. Ich will nur einige Punkte anführen, die mit dem zusammenhängen, was wir hier im Rahmen der Bundesrepublik fordern. Es heißt nämlich:
Die einschlägigen Ministerien in Bundes- und Länderbehörden mögen den Verbrauchern laufend die gleichen Informationen über den europäischen Markt zukommen lassen wie den anderen Wirtschaftspartnern.
Eine Grundsatzfrage, meine ich, die wir billigen sollten. Es heißt weiter:
Alle Beteiligten sollten sich einsetzen für die beschleunigte Entwicklung, Einführung und Bekanntgabe der internationalen Kennzeichnung von Verbrauchsgütern,
— also schon über den nationalen Rahmen hinaus! —
von internationalen Handelsklassen, EWG-Gütenormen und der Kennzeichnung von Lebensmitteln, vor allem in Verpackungen, in bezug auf Gewicht, Inhalt, Zusammensetzung, Haltbarkeit und Verbrauchsvorschriften.
Zur Sicherung der Volkswirtschaft wird eine strenge amtliche Überwachung der Importe gefordert, etwas, was ja gerade in diesen Tagen wieder erhöhte Aktualität erhalten hat.
Der letzte Punkt, den ich nennen will:
Über die Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sollte im Europäischen Parlament darauf hingewiesen werden, daß unser neues deutsches Lebensmittelgesetz in den notwendigen Angleichungsverordnungen auf EWG-Basis keine Verschlechterung erfährt. Insbesondere muß die Deklarationspflicht in allen EWG-Ländern gesetzlich verankert werden.
So weit die Forderungen des Deutschen Frauenrings.
Entscheidend ist, meine Damen und Herren — das möchte ich noch einmal betonen —, daß dem Verbraucher das Wissen vermittelt wird, das er auf dem Markt braucht. Diese Erziehung muß bereits — das hat Frau Kollegin Beyer schon zum Ausdruck gebracht — in den Schulen beginnen. Wir wissen, daß hier noch manches geschehen muß. Meinen politischen Freunden und mir ist es daher ein ganz besonderes Bedürfnis, auch in dieser Debatte denen in Verbraucherverbänden und Frauenorganisationen zu danken, die sich in oft selbstloser Arbeit für die Verbraucheraufklärung eingesetzt haben.
Verbraucheraufklärung und Verbraucherpolitik, meine Damen und Herren, erschöpfen sich nicht in der Kunst einer vernünftigen Haushaltsführung, sie erschöpfen sich auch nicht in der Vermittlung von Kochrezepten, sondern Verbraucherpolitik ist unseres Erachtens eine wirtschaftspolitische Aufgabe allerersten Ranges.
Meine Damen und Herren, nach der Mittagspause, in die wir jetzt eintreten wollen, werden das Wort bekommen die Herren Abgeordneten Dr. Deist, Lenz und Dr. Elbrächter. Dann soll nach einer inzwischen getroffenen Vereinbarung zuerst der Tagesordnungspunkt 5 aufgerufen werden: Raumordnung, dann erst Punkt 4 der Tagesordnung: Mieterschutz, Änderung des § 556 a des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren mit Punkt 3 der Tagesordnung fort. Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Dr. Deist das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man, einmal abgesehen vom Saal, den Ablauf der Debatte verfolgt, dann könnte man den Eindruck gewinnen, die Sozialdemokratie habe hier eine Sache aufgerührt, die mir Anlaß gebe für eine akademische Diskussion über Fragen, die eigentlich kein aktuelles politisches Interesse beanspruchen können. Ich fürchte, daß ein solch bedauerlicher Irrtum uns eines Tages einiges kosten könnte. Mein Kollegin Lucie Beyer hatte schon zum letzten Punkt unserer Großen Anfrage einige Hinweise gegeben, daß Verbraucherpolitik keine akademische Sache sei, sondern daß es sich hier um etwas handle, was unmittelbar die Interessen der Menschen berühre. Sie hat darauf hingewiesen, wie bedeutsam die Verbraucherpolitik in einem demokratischen
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Staat z. B, für die Preisentwicklung ist und daß es hier um ernste Interessen der Verbraucher, um ernste Interessen des kleinen Mannes geht.
Ich glaube nicht, daß es der Bedeutung der Sache angemessen ist, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister in einer bemerkenswerten Arbeit - neben Anlagen, die wir nachher im Protokoll sehen werden — ,eine riesige Aufzählung von vielen, vielen Details, Ausschüssen und Maßnahmen gibt, die im Grunde genommen eigentlich nur unterstreicht, was wir bei der Begründung unserer Großen Anfrage gesagt haben, nämlich die ungeheure Zersplitterung, die auf diesem wichtigen Gebiet festzustellen ist.
In den Darlegungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers habe ich kaum einen wirklich konkreten
Ansatz, kaum einen konkreten Vorschlag gefunden.
So hat es mich denn doch etwas verwundert, daß Herr Illerhaus überrascht war, wie ungeheuer viel eigentlich von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister geboten worden sei. Ich kann nur sagen, Herr Illerhaus, das muß an Ihrer sprichwörtlichen Bescheidenheit liegen, daß Sie soviel in den Darlegungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers entdeckt haben. Denn in Wirklichkeit ist, wenn man sie mal kritisch durchsieht, so gut wie nichts darin enthalten.
Herr Kollege Mertes hat einen geschichtlich, insbesondere wegen der darin enthaltenen Schiefheiten, sehr interessanten Vortrag über die Zwangswirtschaft und die Beseitigung der Bezugscheine gehalten. Darüber ließe sich viel reden. Das ist jedoch nicht das Thema, das heute und morgen zur Erörterung steht. Der Hinweis auf Brüssel und die internationalen Regelungen darf uns aber nicht zu der Meinung verleiten, bei uns sei eigentlich alles in Ordnung und es sei weiter nichts zu tun. Diese Art der Behandlung der Dinge nimmt uns draußen sicherlich niemand ab. Es geht hier nämlich um ganz konkrete Punkte. Hier geht eis darum, daß der Verbraucher eine gute Ware bekommt, daß er hinsichtlich der Menge nicht betrogen wird, daß er beim Preis nicht übervorteilt wird. Hier geht es darum, daß er eine Ware bekommt, die seiner Gesundheit dient und sie nicht schädigt.
Das sind wichtige Dinge, und um sie handelt es sich bei der heutigen Debatte. Das wollte ich vorweg bemerken, um deutlich zu machen, daß es -uns hier nicht um theoretische Diskussionen, sondern um praktische Probleme geht.
Eine zweite Bemerkung! Mir scheint diese Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers ein Anzeichen dafür zu sein, wie der Stil dieser Bundesregierung in Zukunft aussehen wird: verhältnismäßig schöne Reden, aber verhältnismäßig geringe Taten. Wir werden auf diese Dinge sehr achten. Was die Reden und ihre Güte anlangt, hat sich das Niveau wesentlich gehoben. Das wollen wir gern anerkennen, obwohl ich zugeben muß, daß der jetzige Herr Bundeswirtschaftsminister seinen Meister noch nicht erreicht hat. Das wird aber sicherlich eines schönen Tages noch kommen. Das Wesentliche ist jedoch, inwieweit
das, was in schönen Reden dargelegt wird, mit den Realitäten und mit den Taten der Regierung übereinstimmt.
Ich will nicht immer das amerikanische Beispiel zitieren. Aber es ist schon wichtig, daß im Jahre 1961 gesagt wird: ich mache mich zum Lobbyisten der Verbraucher, daß im Jahre 1962 eine große öffentliche Botschaft an den Kongreß gegeben wird und daß eineinviertel Jahr später ein sehr umfangreicher, detaillierter Bericht des Verbraucherberatungsausschusses erscheint, der darlegt, was geschehen ist und was notwendig ist. Da geschieht wenigstens einiges. Bei uns, meine Damen und Herren, sprechen wir viel von Marktwirtschaft. Dabei weiß jeder, daß wir ein Kartellgesetz haben, das eine stumpfe Waffe ist. Wir sprechen von Wettbewerb. Dieses Wort ist auch heute wieder oft gefallen. Davon, daß die Methoden der modernen Werbung die Lage auf dem Wettbewerbsmarkt völlig verändert haben, spricht nach Möglichkeit kein Mensch. Und über Verbraucherpolitik wird sehr viel gesprochen; aber seit Jahren werden die Verbraucherinteressen bei uns vernachlässigt.
Es wurde erwähnt, daß in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers Adenauer vom 9. Oktober 1962 von der Verbraucherpolitik gesprochen und dort einige sehr bemerkenswerte Sätze gesagt worden sind. Immerhin muß man die Umgebung etwas sehen. Ich zweifle daran, daß in dieser Regierungserklärung etwas gesagt worden wäre, wenn nicht bei der Etatberatung im April 1962 hier im Hause auf unsere Initiative zur Verbraucheraufklärung zwei Resolutionen angenommen worden wären.
Mit diesen Sätzen in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers war dann die Aktivität erschöpft, — wenn ich sagen darf: bis auf die verunglückte Aktivität des Bundeswirtschaftsministers in bezug auf das Warentestinstitut.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat dann mit einer Markt- und Wettbewerbstheorie hier aufgewartet, die wohl die Haltung der Bundesregierung zu Verbraucherfragen erklären soll. Er fing mit dem sehr schönen Satz an: Alles Wirtschaften dient dem Verbraucher. Das ist sicherlich ein sehr bemerkenswerter Satz, und seine Richtigkeit läßt sich nicht bestreiten. Es schien allerdings so, als wenn der Bundeswirtschaftsminister ihn als Feststellung eines Tatbestandes ansähe, während wir meinen, es solle eine Aufforderung sein, dafür zu sorgen, daß die Wirtschaft wirklich dem Verbraucher dient.
Er sagte sodann, es sei natürlich, daß der Unternehmer den Preis nehme, den der Markt hergebe; er überlasse es dann dem Verbraucher, über diesen Preis zu entscheiden. Damit belohne der Verbraucher geradezu preiswürdiges Verhalten. Dabei müsse er allerdings gelegentlich auch Konsumverzicht üben. Aber dann sei eigentlich alles in Ordnung.
Herr Illerhaus unterstrich, es sei wirklich heute noch so, daß der Kunde König sei. Der Kunde sei
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so kritisch, daß ihm kaum irgend etwas vorgemacht werden könne. Und dann kam das Wort vom freien Wettbewerb, und damit schien wieder alles in Ordnung zu sein — jedenfalls nach der Theorie, die uns hier vorgetragen wurde. Darum sei es nicht nötig, zu gängeln und etwas vorzuschreiben. Völlig einverstanden! Wir sind keineswegs der Auffassung, daß der demokratische Staat immer gängeln und vorschreiben soll. Was dann allerdings übrigblieb, war nur, die Kunst des Einkaufs zu üben und zu lernen. Dabei sei der Staat bereit, ein klein wenig Nachhilfeunterricht zu geben.
Herr Illerhaus meinte dann, der Wettbewerb sei ja da, alles sei vorbereitet, der Verbraucher müsse nur diesen Wettbewerb „in Szene setzen". Herr Illerhaus selber weiß, welche Mängel das Kartellgesetz hat und daß es selbst ganz soliden mittleren und kleineren Unternehmen schwerfällt, den Wettbewerb gegenüber den anderen in Szene zu setzen. Bei dem armen Verbraucher scheint mir also diese Forderung etwas überzogen zu sein.
Wenn man das alles so übersieht — ich überspitze natürlich etwas, um die Tendenz dessen, was hier gesagt worden ist, klar herauszustellen —, bleibt nur der Verbraucher übrig, der es eigentlich in der Hand hat, der eigentlich schuld daran ist, daß alle diese Dinge nicht funktionieren.
Herr Illerhaus stellte dann noch fest, daß auch die Rechtsprechung nicht recht mitkomme. Daran, daß es vielleicht an der Regierung liegen könnte, die Politik zu treiben hat, haben weder der Herr Bundeswirtschaftsminister noch die zwei Redner der Koalition gedacht.
Deshalb scheint es mir nötig zu sein, daß einiges über die Realitäten auf dem Verbrauchermarkt gesagt wird. Da funktioniert schon der Wettbewerb unter den Unternehmen, wir wir wissen, nicht immer ausreichend. Wir beklagen immer, wie wenig Wettbewerb dort vorhanden ist, und rechnen uns gegenseitig vor, was nun eigentlich getan werden müßte.
Auf dem Verbrauchermarkt handelt es sich auch um die Position zwischen dem Produzenten und dem Händler, also dem Angebot auf der einen Seite und dem Verbraucher auf der anderen Seite. Wir alle wissen aus der Theorie, daß die Marktwirtschaft nur funktioniert, wenn auf dem Markt einigermaßen Gleichgewicht herrscht. Dieses Gleichgewicht aber ist zwischen der anbietenden Wirtschaft und dem Verbraucher so stark gestört, daß einiges geschehen muß, wenn der Verbraucher zu seinem Recht kommen soll.
Hier spielt die moderne Werbung eine wesentliche Rolle. Ich möchte nicht mißverstanden werden: ich bin ernstlich der Auffassung, daß moderne Werbung in der modernen Wirtschaft notwendig ist. Ich bin auch der Auffassung, daß man bezüglich der Anforderungen an die Werbung, insbesondere der Grenzen zur unterschwelligen Werbung, und was es dergleichen mehr gibt, nicht allzu penibel sein sollte. Aber wenn wir meinen, daß die Werbung zur
modernen Wirtschaft gehört — ebenso wie wir nicht bestreiten wollen und können, daß mächtige Unternehmen in der Wirtschaft von heute notwendig sind —, müssen wir uns eben überlegen, ob es andere Maßnahmen gibt als das Verbot oder die Beschränkung oder die Besteuerung der Werbung, um hier ein vernünftiges Gleichgewicht herzustellen und dafür zu sorgen, daß der Verbraucher aus seiner schwachen Position am Markt befreit wird.
Es ist ja doch wohl so, daß die anbietende Wirtschaft in bezug auf die Werbung ein Monopol gegenüber dem Verbraucher hat. Die anbietende Wirtschaft verfügt über entsprechende finanzielle Mittel. Sie verfügt über die Organisation für das Marketing, und sie kann in einseitiger Weise den Markt beeinflussen. Dem steht der Verbraucher der Natur nach hilflos gegenüber.
Ein Zweites. Wir haben es heute — insbesondere in der Großwirtschaft — auch mit der suggestiven Werbung zu tun. Das ist wirklich ein Gesichtspunkt, den man hier mit in die Debatte werfen und beachten muß. Wirtschaften ist an sich eine rationale Angelegenheit. Der Produzent denkt höchst rational. Der Verteiler arbeitet mit höchst rationalen Mitteln. Der Werber setzt alle Möglichkeiten der modernen Wissenschaft an, um die Schwächepunkte bei dem Verbraucher auszumachen. Er richtet mit höchst rationalen Mitteln die Werbung auf den Verbraucher. Dem steht auf der anderen Seite ein rational höchst unterentwickelter Verbraucher gegenüber. Seine Position muß man doch auch sehen, und dann kann man nicht davon reden, daß der Verbraucher den Wettbewerb in Szene setzen solle, dann kann man nicht davon reden, hier herrsche doch Wettbewerb, und das alles diene dem Verbraucher.
Nein, meine Damen und Herren, hier muß einiges geschehen, damit wir wirklich auf diesem Markt der Verbraucher von Marktwirtschaft sprechen können. Denn Marktwirtschaft setzt ein gewisses Gleichgewicht der Partner auf einem Markt voraus, und das gilt auch für die Verbraucher gegenüber der •anbietenden Wirtschaft.
Damit ist eine zweite Überlegung verbunden, die ebenfalls hierhergehört. Der Weimarer Demokrat — ein großer Demokrat — Willy Hellpach hat einmal gesagt, das Wesen der Demokratie bestehe doch wohl darin, daß der einzelne seine Meinung autonom in Selbstbestimmung und Selbstbesinnung bilde, so primitiv auch dieser Gang des autonomen Bildens einer eigenen Meinung sei; d. h. Demokratie setze voraus, daß der einzelne nicht von außen gesteuert sei, daß er nicht durch Werbung und andere Dinge so beeinflußt werde, daß er nicht mehr in der Lage sei, das Denkenkönnen, das ja wohl das Wesen des Menschen ausmacht, zu betätigen und sich eine eigene Meinung zu bilden.
Meine Damen und Herren, dieser moderne Zweig der Werbung bringt die Gefahr mit sich, daß der kritische Staatsbürger beseitigt wird. Es ist ja nicht so, wie einer der Herren Vorredner sagte, daß die Wirtschaft die Methoden der modernen Werbung von der Politik übernommen habe. Schon eine kleine Untersuchung der Entwicklung der Parteien-
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Dr. Deist
geschichte und der Wahlgeschichte in den letzten Jahren zeigt sehr deutlich, daß der Gang gerade umgekehrt gewesen ist. Aber eines ist sicher: Wenn wir den Menschen auf diesem wichtigen Gebiet, wo es um ihr eignes Interesse und ihr eigenes Leben geht, abgewöhnen, selber zu denken, und zulassen, daß die Werbung ein Ausmaß annimmt und Wirkungen hat, die ihnen das Denken abgewöhnen, dann können wir nicht erwarten, daß dieselben Menschen im politischen Leben als mündige, selbständig denkende Staatsbürger auftreten.
Meine Damen und Herren, darum meine ich, daß wir uns hier nicht mit einer Aufzählung von vielen Einzeldingen begnügen und es dabei bewenden lassen können. Wenn es um irgendeine Bagatelle ginge, die auf dem Spiele steht, könnte man so vorgehen. Hier aber handelt es sich — wie ich dargelegt zu haben hoffe — um eine sehr, sehr ernste Sache für einen demokratischen Staat, für die Aufrechterhaltung der Marktwirtschaft in ihm. Man muß also ernste Anstrengungen machen, um die Position des Verbrauchers zu stärken.
Dazu gehört in erster Linie, daß die Bundesregierung nicht zersplittert ansetzt, sondern gezielt und planmäßig wirkt. Was der Herr Bundeswirtschaftsminister hier gesagt hat, das war eine Dokumentation des Wettbewerbs zwischen X Ministerien und der Dotierung der verschiedenen Verbände und Verbändchen und — dadurch ausgelöst — eines ungesunden Wettbewerbs zwischen diesen Verbänden, bei dem ein Großteil der Mittel im Durcheinander verlorengeht. Es kommt darauf an, daß diese Mittel zielbewußt eingesetzt werden, daß ein Stück verbraucherpolitische Strategie betrieben wird. Die Mittel, die doch vom Steuerzahler aufgebracht werden, dürfen nicht über tausend Kanäle aus mehreren Ministerien unter den verschiedensten Gesichtspunkten in die Gegend hineingestreut werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte gegenüber den Bemerkungen des /Herrn Kollegen Illerhaus etwas klarstellen. Wir wollen nicht ein neues Amt mit einer neuen 'Bürokratie, aber wir wollen ein beratendes Gremium aus hervorragenden Sachverständigen und Verbrauchern, wie wir es auch in anderen Ländern vorfinden. Es soll hier beratend wirken und dabei das modernste und wichtigste Mittel der 'Demokratie anwenden, nämlich die Mobilisierung der öffentlichen Meinung. Es soll den Menschen zeigen und sagen, was schlecht ist, und damit Gegenaktionen auslösen, aber auch Aktionen der Regierung und des Parlaments, die notwendig sind. Das ist für einen demokratischen Staat eine moderne, aber auch eine ganz normale Aktivität. Darum gibt es ähnliche Institutionen in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, in Schweden und in Norwegen, und in Brüssel werden ähnliche Pläne erwogen. Dazu brauchen wir kein neues Ministerium und keine große neue Apparatur, aber ein Zentrum, das ein Stück Demokratie verwirklicht, nämlich ,die Menschen mobilisiert, sie zu selbständigem Denken in ,die Lage versetzt.
Dazu gehört auch, daß man sich zu Maßnahmen entschließt, wie wir sie nun seit langer Zeit vorschlagen. Dazu gehört eine Institution, wie wir sie in dem Verbraucher- und Preisrat vorgesehen haben. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich, wenn ich ihn recht verstanden habe, zurückhaltend in der Beurteilung idieser unserer Anregung verhalten. Wenn wir 'hören könnten, idaß er diesen Gedanken in Erwägung zieht, so würde ich sagen: uns liegt nicht daran, daß Konstruktion, Zusammensetzung und Regelung genau in der Art erfolgen, wie wir es uns vorstellen. Wir lassen über vieles mit uns reden. Die Hauptsache ist, daß auf diesem Gebiet etwas geschieht, daß wir eine Stelle haben, die zentral nach einheitlichen Gesichtspunkten eine Lösung der Probleme im Zusammenhang mit einer angemessenen Stärkung der Position der Verbraucher auf dem Markt herbeiführt.
Lassen Sie mich noch einen zweiten Gedankengang hinzufügen, der meines Erachtens wichtig ist, wenn man die Bedeutung der Frage so einschätzt, wie ich es eben tat. Ich sprach von der Bedeutung der Werbung für den Wettbewerb. Die Werbung ist ein wichtiges Stück der Marktstrategie. Mit der Werbung wird die Machtposition von marktbeherrschenden Unternehmungen außerordentlich gestärkt. Freilich wandeln sich dauernd die Verhältnisse auf diesem Gebiet. Wir haben bisher gemeint, perfektionistische Gesetze machen zu müssen, z. B. wie unser Kartellgesetz. Nach zwei, drei Jahren müssen wir feststellen, daß die Wirtschaft in ihrer Wendigkeit — das ist ja das Gute, das sie an sich hat — immer neue Wege findet, auf die unsere fein ausgeklügelten, perfektionistischen Bestimmungen einfach nicht mehr passen.
Wir versuchen, bei den sich aus der Werbung ergebenden Fragen noch mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb — wie alt dieses Gesetz ist, ist vorhin dargelegt worden — weiterzukommen. Dann haben wir es auch versucht mit dem Gesetz über die Kennzeichnungspflicht, über die Preisauszeichnung und dergleichen mehr. Da haben wir uns soviel Mühe gegeben, alles perfektionistisch zu regeln. Aber wir haben eine Regierung, die nur widerwillig Durchführungsbestimmungen erließ, um dieses Gesetz wirksam zu machen. Dann haben wir eine sehr ausgeklügelte Auslegung gefunden. Das Ergebnis ist, daß man z. B. über die Anteile von bestimmten Fremdstoffen in den Speisen in den Gaststätten auf den Speisekarten einige Buchstaben A, B, C, D findet. Dann wird darauf hingewiesen, daß an irgendeinem finsteren Ort die Erklärung zu finden sei. Wenn man dann an diesen Ort geht, liest man einige Fremdwörter und Hieroglyphen, mit denen man nichts anfangen kann.
Meine Damen und Herren, das ist nicht die richtige Methode. Wenn Werbung, Preisauszeichnung, Kennzeichnung und Verpackung und was dazu gehört, Mittel der Marktstrategie sind, dann gehören sie unter die normale Kartellkontrolle, die sich den ständig veränderten Verhältnissen entsprechend anpassen kann. Es ist doch nicht von ungefähr, daß z. B. in den Vereinigten Staaten von Nordamerika diese Befugnis der Federal Trade Commission zu-
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steht, also einer Verwaltungsbehörde, und daß ein solcher Fall nicht nach Gesetz im Rechtswege erledigt wird.
Mir scheint, daß das doch wohl ein Hinweis darauf sein könnte, was geschehen kann, um irreführende Praktiken, falsche Kennzeichnungen, falsche Preisauszeichnungen, zu verhindern. Das spielt insbesondere eine Rolle bei Nahrungsmitteln, bei Heilmitteln, bei pharmazeutischen Erzeugnissen, wie das in Amerika exerziert wird. Ich meine, das sollte auch bei uns geschehen.
Meine Damen und Herren, ich kann in diesem Diskussionsbeitrag nicht eine völlige Zusammenstellung alles dessen geben, was zu tun wäre. Das ist nicht die Aufgabe eines Diskussionsbeitrages. Ich habe zwei Beispiele genannt, an denen ich zeigen wollte, daß es darauf ankommt, wirklich zielbewußt an strategisch wichtigen Punkten etwas zu unternehmen. Eine breite Skala nicht aufeinander abgestimmter punktueller Maßnahmen, die sich unter Umständen gegenseitig aufheben, nützt hier nichts. Eine Politik des Klagens, wie sie heute früh zum Teil geübt wurde, nützt auch nichts; die einzige Ausflucht aus dieser Klage war die Feststellung, daß wir keinen Dirigismus und keinen Kollektivismus wollen. Darüber sind wir uns sowieso einig. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber wichtig ist,' daß wir etwas auf den Gebieten tun, auf denen das möglich ist. Ich habe zwei genannt, Herr Illerhaus hat dankenswerterweise auf das Rabattwesen hingewiesen, bei dem ebenfalls einiges zu tun ist.
Aber solche Dokumentationen guten Willens genügen uns nicht, insbesondere dann nicht, wenn sie nicht in der Regierungserklärung stehen, sondern von einem Mitglied dieses Hauses gegeben werden. Wir möchten wissen, ob die Bundesregierung bereit ist, auf diesem wichtigen Gebiet etwas zu tun, oder ob sie das nicht will. Dazu gehört eine einheitliche Politik. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat eine Art Bestandsaufnahme dessen gegeben, was so verzettelt in den verschiedenen Ministerien getan wird und wie sich das auf die breite Wiese der verschiedensten Verbände verstreut. Ich nehme an, in dem Anlagenband, den er zu dem Protokoll überreicht hat, werden wir noch einiges darüber finden. Das könnte ein Ansatzpunkt sein, eine zielbewußte, konstruktive Verbraucherpolitik zu treiben und aus dem Hindurchwursteln mit punktuellen Maßnahmen herauszukommen. Aber das geschieht eben nicht von allein. Dafür muß man sich die erforderlichen Institutionen — wir haben den Verbraucher- und Preisrat vorgeschlagen —, die entsprechenden Instrumente und die entsprechende Gesetzgebung schaffen. Von alleine kommt das nicht.
Lassen Sie mich auf das zurückkommen, was ich am Anfang sagte: Es handelt sich hier nicht um Theorien, es handelt sich nicht um akademische Auseinandersetzungen, es handelt sich um wichtige praktische Dinge. Wir wollen nicht nur den intelligenten Verbraucher haben — das wollen wir auch —, sondern wir möchten auch, daß sich diese Intelligenz auch in der Wirtschaft, im Leben auszahlt, zum Beispiel in Form von angemessenen Preisen.
Herr Mertes hat seinen Dank an die Damen und Herren ausgesprochen, die in den Verbraucherverbänden tätig sind. Ich stehe nicht an, mich dem anzuschließen. Ich meine nur, davon werden sie nicht sehr viel haben. Herr Mertes, Sie sind ja Mitglied einer Fraktion, die im Gegensatz zu uns zur Regierungskoalition gehört. Ich nehme an, alle, die auf dem Verbrauchergebiet tätig sind, würden es begrüßen, wenn Sie dem Dank die Bemühung hinzufügten, die Bundesregierung endlich zu Taten auf diesem Gebiet zu veranlassen.
— Mir genügte das und das, was ich daran anschließen konnte, Herr Kollege Mertes.
Meine Damen und Herren, auf die Dauer wird die Öffentlichkeit weder dem Bundeswirtschaftsminister noch dem Bundestag abnehmen, daß wir dauernd über die Stabilität des Preisniveaus sprechen, während jeder beobachtet, daß Jahr für Jahr die Preise um 2 bis 3'°/o steigen. Jeder Verbraucher liest heute, daß voraussichtlich dieses Weihnachten das teuerste Weihnachten wird. Wenn wir nicht wollen — und wir alle wollen das nicht —, daß man regulierend in die Preise eingreift, dann müssen wir die zahlreichen Möglichkeiten nutzen, um das Wirtschaftsleben so zu beeinflussen, daß solche Preiserhöhungen ausgeschlossen werden.
Eines dieser Mittel ist eine wirksame Verbraucherpolitik. Darum ist das, was wir erstreben, auch ein Beitrag zur Stabilisierung des Preisniveaus.
Das Wort hat. der Herr Abgeordnete Lenz .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es erscheint mir notwendig, auf einige Gesichtspunkte noch einmal hinzuweisen, die für die heutige Debatte außerordentlich wichtig sind, aber nach meiner Meinung nicht mit der Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen sind, die notwendig ist.
Wir haben es mit der Marktwirtschaft zu tun, in der sich all das abspielt, was heute zur Erörterung stand, einer Wirtschaft also, die ihr ganzes Geschehen am Markt orientiert und orientieren muß. Ihr verdankt der Verbraucher schließlich den verlockenden Reichtum der Angebotsfülle, die ihm die rechte Auswahl manchmal schwer macht. Ihm dabei behilflich zu sein, preisgerecht und qualitätsgerecht zu kaufen, ist sicherlich ein gutes Vorhaben, das auch wir vom Bundestag aus in jeder Weise unterstützen sollten.
In der verbrauchsgeplanten, der staatsgelenkten Wirtschaft — das ist doch die Alternative zu der Wirtschaft, die wir heute haben — ist der Verbraucher dieser Sorge enthoben. Da hört die Freiheit
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Lenz
der Güterwahl auf. Von der Einheitssuppe bis zur Einheitsseife bleibt ihm jedes Risiko erspart.
Das ist dann der Lohn für seine Bequemlichkeit.
Nun will ich nicht behaupten, daß sich jemand nach diesem Zustand zurücksehnt. Dafür haben wir alle als Opfer der Zwangswirtschaft des „Dritten Reiches" zu sehr darunter gelitten. Aber besteht nicht die Gefahr, daß wir über das Instrumentarium all der Maßnahmen und Einrichtungen, die heute empfohlen worden sind, zur Einschränkung unserer Produktionskraft kommen, mit anderen Worten, daß über all diese Dinge Lähmungserscheinungen in der Wirtschaft auftreten?
Wenn man erfährt, was es schon alles gibt, um den Verbraucher zu schützen
— der Herr Bundeswirtschaftminister hat uns in seiner Antwort auf die Anfrage der SPD einen ganzen Katalog davon aufgezählt —, dann muß man sich wirklich fragen, ob nicht vielleicht schon des Guten zuviel geschieht.
Der Verbraucher ist viel besser als sein Ruf; verlassen Sie sich darauf!
Er will nicht betrogen werden; das ist wahr.
Aber er will noch viel weniger bevormundet und am Staatsgängelband geführt werden.
Er läßt sich nicht bevormunden, weder vom Staat noch von anderen Stellen, die ihm das so warmherzig als sein Bestes empfehlen.
Wissen Sie, der beste Hüter seines Portemonnaies ist der Verbraucher selbst. Es ist nicht so, als ob schlechthin kritiklos gekauft werde. Das ist ein ganz irriges Bild, das, wir mir scheint, hier und da geflissentlich verbreitet wird. Im Gegenteil, steigende Angebote, wachsende Konkurrenz bei Handel und Produktion erleichtern ihm die Auswahl außerordentlich.
Natürlich trägt auch der Verbraucher seinen Risikoanteil, er so gut wie der Produzent und wie auch der Händler. Das sollte man ihm auch nicht abnehmen. Denn sonst gelangt man auf Umwegen wieder zu jenen Wirtschaftsformen, die wir, Gott sei Dank, durch unsere politische Arbeit überwunden haben.
Bevor also landauf, landab neue Einrichtungen schließlich doch wieder auf Kosten des Verbrauchers geschaffen werden, mögen die Bundesregierung und auch die Landesregierungen — denn sie geht es in ganz besonderer Weise an — zunächst einmal die heutigen Instrumente wirksam einsetzen. Wir wissen, daß das nicht immer geschieht, so daß ein Appell und ein Hinweis darauf vom Deutschen Bundestag wahrscheinlich auch ihre Wirkung
haben werden. Oberstes Gesetz muß dabei aber sein, die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhalten. Die Freiheit der Entscheidung darf nicht eingeengt werden, weder beim Produzenten noch beim Handel und erst recht nicht beim Konsumenten. Es wäre der schlechteste Dienst, den man dem Verbraucher erweisen könnte.
Wir haben darauf zu achten, daß die Funktion des Marktes nicht auf Schleichwegen beeinträchtigt wird. Die CDU wird sehr darauf aufpassen, daß es nicht so weit kommt. Gesunder Wettbewerb im funktionierenden Markt hilft dem Konsumenten weit wirksamer als alle Einrichtungen und Theorien. Dafür werden wir uns jedenfalls — getreu unserer bisherigen wirtschaftspolitischen Haltung — mit allem Nachdruck einsetzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu einem konkreten Punkt sprechen und dann abschließend noch einige allgemeine Bemerkungen über die Stellung des Verbrauchers in der Wettbewerbswirtschaft machen. Wenn Herr Kollege Deist nicht so provozierende Aussagen gemacht hätte, hätte ich mich gar nicht zu Wort gemeldet. Aber ich glaube nicht, daß es angängig ist, daß wir das, was Herr Deist hier dargestellt hat, unwidersprochen lassen können.
Herr Kollege Deist, Sie haben behauptet, daß die Werbung nicht im Interesse des Verbrauchers liege — so mußte man Ihre Ausführungen werten —,
sondern daß man durch Werbung den Versuch mache, den Verbraucher zu überspielen, indem sie ihm etwas suggeriere, was er im Grunde genommen nicht haben will. Das ist eine sehr landläufige Auffassung, und nachdem vor einigen Jahren ein sehr interessantes und amüsant zu lesendes Buch erschienen ist — ich denke an „Die geheimen Verführer" —, ist sie in Deutschland noch landläufiger geworden. Wer aber dieses Buch, das wirklich nett zu lesen ist, aufmerksam zu Ende liest, wird feststellen, daß der amerikanische Verfasser zum Schluß selber sagt, im Grunde genommen könne kein Trick, so raffiniert er sei, der sogenannten Tiefenheinis — gemeint sind die Tiefenpsychologen- den Verbraucher bewegen, etwas zu kaufen, was er nicht im Grunde sich wünsche. Er ist eben doch nicht zu überreden, weil nämlich die Werbung von verschiedenen Seiten auf ihn einwirkt, so daß die vielseitigen Werbeangebote sich gegenseitig neutralisieren.
Auch das, was Frau Kollegin Beyer heute morgen gesagt hat, trifft nur sehr bedingt zu. Selbstverständlich besteht eine gute Werbung darin — der Herr Wirtschaftsminister hat das in seiner Antwort gesagt -, daß sie Kaufwünsche weckt. Ich darf daran erinnern, daß gerade auch der Amerikaner Gailbraith, der Ihnen ja in der Geisteshaltung nicht
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Dr. Elbrächter
ganz fremd sein dürfte, darauf hingewiesen hat, daß eine moderne Industriegesellschaft ohne einen entsprechenden Werbeaufwand gar nicht mehr existieren kann.
Ich möchte jetzt nur mit wenigen Sätzen — um das Haus nicht zu langweilen — dartun, warum denn auch die Interessen des Herstellers und des Konsumenten langfristig gerade in bezug auf Werbung parallel laufen. Ich möchte betonen, daß es sehr viel gute Werbung gibt, nicht nur schlechte Werbung, die mit Tricks arbeitet. Eine gute Werbung führt selbstverständlich zu einer besseren Markttransparenz. Es wird niemand leugnen können, daß es für den Käufer nützlich ist, vorher zu wissen, wo und was er bekommen kann. Selbstverständlich gebe ich Ihnen gern zu, daß eine Werbung, die von den Wirtschaftsunternehmen getrieben wird, nicht das Negative herausstellt, sondern nur das Positive. Genau an diesem Punkt liegt eine der Aufgaben, die ein Warentestinstitut zu erfüllen hat: daß es ein gewisses Korrektiv der Werbung darstellt und die Werbung zu einer guten Werbung macht. Das ist für mich als Wirtschaftler, der ein Interesse daran hat, daß Sauberkeit auf dem Markt herrscht, einer der Gründe, weswegen ich mich so sehr für ein Warentestinstitut eingesetzt habe.
Aber nun zu der Frage des ökonomischen Nutzens der Werbung auch für den Verbraucher! Eines der Elemente der Industrie ist die Massenproduktion. Die Massenproduktion ist nur möglich, wenn ein entsprechender Massenabsatz gesichert ist, und Massenabsatz kann nur gesichert werden, wenn eine entsprechende Werbung vorhanden ist. Der Massenabsatz bedingt geringe Stückkosten und ermöglicht damit auch einen geringen Stücknutzen. Es ist geradezu ein Grundsatz eines jeden Industriellen, daß er versucht, durch Massenproduktion mit einem geringen Stücknutzen auszukommen, weil er nur dann den Massenabsatz sichern kann. Insofern laufen die Interessen der Hersteller und des Konsumenten durchaus parallel. Es ist unzulässig, den Eindruck zu erwecken, als stehe ein homogenes Angebot von seiten d e r Industrie — die es hier gar nicht gibt —dem Konsumenten gegenüber. Wie liegen denn die Dinge wirklich? Tatsächlich ist eine Unzahl von Herstellern mit ganz gegensätzlichen Interessen geradezu um den Verbraucher bemüht, und es ist gerade der Vorzug unserer Wohlstandsgesellschaft, daß das möglich ist, daß der Verbraucher nicht nur immer gezwungen ist, das zu kaufen, was gerade lebensnotwendig ist.
Kollege Böhm hat gestern so nebenbei eine sehr treffende Bemerkung gemacht. Er sagte: Es ist merkwürdig, wenn Not da ist, wie ausgezeichnet eine Hausfrau dann einkaufen kann. Not lehrt also nicht nur beten, sondern auch einkaufen. Ich darf diese Bemerkung des Kollegen Böhm hier wiedergeben, weil sie sehr treffend ist. Ich komme gleich darauf zu sprechen, warum ich das hier sage. Fest steht jedenfalls, daß Werbung mit dazu gehört, und gerade wir in Deutschland haben eher ein Zuwenig an Werbung als ein Zuviel. Das können wir nicht leugnen — ich habe die Zahlen nicht präsent, weil ich nicht darauf vorbereitet bin, Herr Kollege Deist; aber Sie
wissen es genauso gut —, wir liegen doch hinsichtlich der Werbeausgaben pro Kopf durchaus im unteren Drittel.
— Eben; darüber sind wir uns einig. Und wenn schon moralische Maßstäbe bei der Werbung kaum anzusetzen sind, und die Werbung uns Wirtschaftspolitiker faktisch nur unter ökonomischen Gesichtspunkten hier interessiert, kann man doch einen solchen Vergleich mit vergleichbaren Nationen ziehen. Ich stimme Ihnen völlig zu: dort, wo die Werbung unlauter ist, wo es sich also um die Frage der Moral handelt, wo man mit unzulässigen Tricks arbeitet, sollen wir darauf achten, daß das eliminiert wird. Aber ich bin überzeugt, die Konkurrenten selber sorgen dafür, daß solche Auswüchse ausgemerzt werden. In den Wirtschaftskreisen gibt es verschiedene Ausschüsse, die dafür sorgen, daß solche unzulässigen Dinge nicht vorkommen und, wenn sie vorkommen, daß sie dann sofort repariert werden. So sind doch die Verhältnisse auf dem Werbemarkt, und ich glaube nicht, daß sie anders gesehen werden können.
Aber nun grundsätzlich: Es wundert mich natürlich gar nicht, daß Herr Kollege Deist hier aufgetreten ist und eine Serie von Attacken geritten hat, um in pointierter Form zu wiederholen, was Frau Kollegin Beyer heute morgen zur Begründung gesagt hat. Was steckt eigentlich hinter dieser ganzen Anfrage? Es stecken doch zwei, drei Vorstellungen dahinter, die offenbar noch nicht aus den Köpfen unserer Kollegen von der Opposition herausgekommen sind.
Sie erklären offensichtlich: wir sind zwar Anhänger der sozialen Marktwirtschaft oder der Marktwirtschaft, wie wir das Kind nennen wollen; aber über eine aktive Verbraucherpolitik wird nämlich etwas gefordert, was den Konsumenten, den Verbraucher, lenken soll; denn Sie unterstellen mit dieser Anfrage im Grunde genommen doch, daß — —
— Nein, lenken soll.
— Lesen Sie mal in den Gewerkschaftlichen Monatsheften nach, was Herr Fahnig darüber im Mai 1963 geschrieben hat.
- Lieber Herr Leber, ist Ihr Einwand nicht ein bißchen billig? Es scheint mir Ihrem Format nicht angemessen zu sein, einen solch billigen Einwand zu machen. Es ist doch ganz zweifellos, daß hier die Vorstellung spukt, der Verbraucher sei nicht mündig.
Wir glauben dagegen, daß der beste Schutz des Verbrauchers darin besteht, für einen fairen, wirklich funktionierenden Wettbewerb zu sorgen. Dazu dient auch wiederum — darin sind wir uns einig, Frau Kollegin — ein Warentestinstitut. Das einzige, was man wirklich legitim von Staats wegen tun
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Dr. Elbrächter
kann, ist, dafür zu sorgen, daß dieser Wettbewerb effizient wird, effizient durch eine entsprechende Markttransparenz. Das ist die zweite Aufgabe, die dieses Testinstitut hat, und deswegen setze ich mich auch wieder dafür ein. Ich werde nicht über Einzelheiten sprechen — das würde viel zu weit führen —, wie man das zweckmäßig macht.
Aber sicher ist, daß eine aktive Verbraucherpolitik unter keinen Umständen dazu führen darf, daß der Verbraucher Hinweise bekommt, wie er sich am Markt etwa rational zu verhalten habe und verhalten müsse. Was eine aktive Verbraucherpolitik nur erreichen kann, ist vielmehr, daß man dem Verbraucher bewußt macht, welche Vorteile ein rationales Verhalten für ihn persönlich darstellt. Es ist der Vorteil einer Wohlstandsgesellschaft, daß auch irrationale Kaufentscheidungen hingenommen werden können, und insofern ist die beste Verbraucherpolitik auf der einen Seite, daß wir durch Vollbeschäftigung und entsprechendes Wachstum der Produktion für eine Hebung dies Einkommens sorgen, so daß der Käufer nach seinem Wunsch auch eine irrationale Entscheidung treffen kann.
Auf der anderen Seite müssen wir dafür sorgen, daß der Wettbewerb funktioniert — einig! —, wir sind uns aber über die Wege und über die Beurteilung dessen, was bislang. erreicht ist, nicht einig. Ich persönlich bin der Auffassung, daß der Wettbewerb ausgezeichnet funktioniert und daß sowohl Werbung wie Massenproduktion und Wettbewerb dafür sorgen, daß die Preise nicht nur nicht immer steigen, sondern auch sinken.
Statt aller theoretischen Ausführungen zum Schluß ein Beispiel, weil Beispiele überzeugend sind. Denken Sie zurück an den Markt der Kunststoffe, etwa auf dem Gebiet der Haushaltsgeräte. Vor acht Jahren kostete ein Eimer 10, 12 oder 15 DM. Heute bekommen Sie den gleichen Eimer in der gleichen Qualität in der Preislage von 2,50 bis 3,50 DM, und zwar einfach deshalb, weil a) durch die Massenproduktion und die Werbung ein Massenabsatz sichergestellt werden konnte und weil b) eine derartige nationale und internationale Konkurrenz auf diesem Markt eingesetzt hat, daß die Preise heruntergehen mußten und konnten. Sie sehen also an diesem ganz simplen Beispiel, daß es nicht zutrifft, daß die Preise nur immer hochgehen, sondern daß die Preise gerade durch den effizienten Wettbewerb heruntergehen.
Zum Schluß haben Sie, Herr Deist, etwas zur Kaufkraftentwertung gesagt. Da würde ich Ihnen doch sehr empfehlen, einmal das zu lesen, was Herr Troeger auf Ihrer Essener Wirtschaftstagung zu der wirklichen Kaufkraftentwertung gesagt hat. . Sie werden feststellen, daß wir danach erfreulicherweise nicht mit solchen Quoten zu rechnen haben, sondern mit 2,1 bis 2,2 % pro anno. Das wissen Sie ganz genau. Das wird wohl auch nicht bestritten.
Es ist auch nicht unzulässig, wenn auf einem bestimmten Sektor, insbesondere eben dem der landwirtschaftlichen Erzeugung, aus politischen Gründen Preiskorrekturen vorgenommen werden auf einem Markt, der einfach durch Subventionen zugunsten der Verbraucher manipuliert war. Entweder müssen wir die Preiskorrekturen hinnehmen, die Preise allmählich in Richtung auf ein vernünftiges Preisniveau anpassen, oder wir müssen uns entschließen, wieder höhere Subventionen zu zahlen, Subventionen, die in einer Massengesellschaft letzten Endes wir alle bezahlen. Das ist doch nur ein Nehmen aus der einen Tasche in die andere.
Ich bin also persönlich der Meinung, daß wir gerade im gegenwärtigen Augenblick keinen Grund haben, mit Sorge auf die Preisstabilität zu blicken. Vielmehr ist die Preisstabilität gerade in diesem Jahr erfreulicherweise relativ günstiger als im Jahr zuvor. Ich meine also, daß dieses ganze Instrumentarium, das die Bundesregierung hier angeboten hat, ob das das Kartellgesetz ist, das doch wirksamer ist, als Sie es darzustellen belieben — nicht umsonst sind ja die Hersteller gar nicht so sehr erfreut über die Existenz eines Bundeskartellamtes —, ob das die Frage des Zahlungsbilanzausgleichs, ob das die Frage der Vollbeschäftigung und des Wachstums betrifft, ich meine, daß das alles Dinge sind, die doch in unserem Wirtschaftssystem letzten Endes ausschließlich dem Verbraucher dienen. Darüber sollten wir uns eigentlich einig sein.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Kiep-Altenloh.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir sind bei den letzten Ausführungen ziemlich weitgehend in allgemeine Wirtschaftsprobleme gegangen. Ich möchte hier einmal sehr populär sprechen: Das kleine Würstchen Verbraucher steht doch in dieser Wirtschaft mit einem relativen Überfluß zum Teil hilflos da. Das gilt nicht für alle. Das gilt sicher nicht für den Teil der Verbraucher, der sehr bewußt seine Einnahmen aufteilen kann. Aber es ist ebenso sicher, daß sich für viele aus ihrem Einkommen Möglichkeiten erschlossen haben und daß sie für irgend etwas geangelt werden, was sie nach näherem Zusehen nicht haben wollen. Damit spreche ich nicht für eine Einschränkung des freien Wettbewerbs, den meine Partei, die Freie Demokratische Partei, ganz sicherlich für die 'Grundlage .des Wirtschaftens überhaupt hält. Aber ich meine, hier müßten wir uns doch im Interesse 'der Transparenz des Marktes auch für einfache Gemüter — denn das sind ja diejenigen, die heute ein bißchen schief liegen — verschiedene Fragen ernsthaft überlegen.
Ob die „Anschrift" immer richtig ist, ob es richtig ist, daß die Forderungen, die die SPD in ihrer Großen Anfrage zusammengestellt hat, alle an den Staat gehen, möchte ich bezweifeln. Dies möchte ich nachher zu den einzelnen Punkten noch näher ausführen.
Der Herr Bundesminister hat uns eine ausführliche Ubersicht über die Möglichkeiten gegeben, die heute schon zur Information des Verbrauchers gegeben sind. Obwohl ich mich schon seit einigen
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Frau Dr. Kiep-Altenloh
Jahren mit diesen Fragen befaßt habe, muß ich sagen: ich habe einige Quellen nicht gekannt, und wer die Quellen nicht kennt, der ist dann eben der Dumme. Ich sehe diese vielen Organisationen mühsam auf dem Gebiet arbeiten, ich denke an die Frauenverbände, ich denke an die Verbraucherorganisationen, ich denke aber auch an andere Gebiete, die nicht so unbedingt auf dem Verbrauchersektor liegen und wo keine Möglichkeit besteht, die staatlichen Hilfen wirklich in Anspruch zu nehmen, Herr Minister, weil man sie nicht kennt.
Nun möchte ich aber noch auf einen anderen Punkt hinweisen. Hat eine Organisation glücklich einmal Beihilfen — ganz legalerweise — von zwei oder drei Behörden bekommen, dann muß sie nachher auseinanderrechnen, und bei dieser Auseinanderrechnung für Aufgaben, die oft ineinandergeschachtelt sind, fängt dann der Kummer erst an. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, daß ich in amtlicher Funktion den Leuten geholfen habe - nicht auf ganz legalem Wege —, überhaupt einmal eine solche Abrechnung fertigzubringen. Das ist dann der Erfolg! Da scheint es mir wirklich unbedingt angebracht, daß diese Vielfalt der Möglichkeiten doch bewußt auf bestimmte Ziele gerichtet wird. Das ist nämlich eben doch das Wesentliche, daß man wissen will, was denn nun in welcher Richtung gefördert werden soll, und daß die Maßnahmen zusammengefaßt werden, damit der Überblick, die Transparenz gewahrt wird und der einzelne herankann. Ich glaube, Herr Minister, wir brauchen dazu gar nicht so sehr viel größere Mittel, aber planvoller zusammengefaßte Mittel, die ein jeder übersehen kann.
Aber nun möchte ich doch noch auf die eine oder die andere Frage — nicht auf alle Fragen — eingehen. Ich glaube, diese Debatte heute sollte nicht nur die Regierung — was ja wohl der Zweck war — auf Verschiedenes aufmerksam machen. Sie sollte auch — und mein Vorredner, der ja meinte, es sei doch alles im freien Wettbewerb in Ordnung, mag mir das verzeihen — die großen Verbände an ihre Funktion erinnern, die meiner Meinung nach und auch nach der Ansicht von Herrn Illerhaus leider wegen der Vielfalt der Interessen nicht in dem genügenden Maße wahrgenommen wird. Es ist meiner Meinung nach nicht eine staatliche Aufgabe — abgesehen von dem Arzneimittelgesetz, das ja jetzt in Arbeit ist —, die Qualitätsmerkmale herauszuarbeiten, die als Grundlage dienen sollen. Es ist meiner Meinung nach auch nicht unbedingt Sache des Staates, den Typenwirrwarr zu beseitigen. Es ist auch nicht Aufgabe des Staates, beispielsweise die Bezeichnung für bestimmte Gewebe herauszuarbeiten und dafür Normen aufzustellen. Ich sehe immer nur große Organisationen, ich sehe, daß hier und dort Tagungen stattfinden, und ich stehe nun hier als Hausfrau und Verbraucher vor der Frage — entschuldigen Sie, meine Herren, es sind ja sicher mehrere hier, die dazugehören —: Warum bringen sie das nicht fertig, Typen herauszuarbeiten? Warum bringen sie es nicht fertig, einheitliche Qualitätsmerkmale aufzustellen und dann diesen Wirrwarr bei den verschiedenen Gebrauchstypen zu beseitigen? Ich glaube, in diesem Fall ist die Adresse falsch. Ich muß Ihnen sagen, man müßte hier an die Arbeit der Verbände appellieren. Da ist eine Aufgabe, und ich wünschte, daß der heutige Tag bewirken möge, daß gerade diesen Dingen verschärfte Aufmerksamkeit zugewendet wird. Oder, meine Herren und Damen, ziehen Sie es vor, daß der Staat diese Dinge an sich zieht und sie damit entscheidend einengt? Wohin würde es führen, wenn solche Forderungen intensiver würden? Es ist nicht mein Wunsch, und ich weiß nicht, ob Sie sich bei dieser Einengung wohler fühlten, als wenn Sie selbst jetzt den Gegebenheiten der heutigen Zeit, wo der Markt teilweise undurchsichtig für den Verbraucher ist, Rechnung tragen würden. Ich glaube, damit wäre ein großer Teil der Wünsche erfüllt, die wir im Verbraucherinteresse alle zum Ausdruck gebracht haben.
Die Ursache dafür, daß der Verbraucher den Markt nicht so durchschauen kann, liegt wirklich — wie mein Kollege Mertes heute morgen schon gesagt hat — darin, daß der Übergang in einen Wohlstandsstaat von einem Markt, der nur die primitivsten Bedürfnisse deckte, so rasch gekommen ist. Da ist das Zurechtfinden in der Tat schwierig, und zwar schwieriger als in anderen Ländern, wo eine kontinuierliche Entwicklung dieses Wohlstandsstaates in viel längeren Zeiträumen vor sich gegangen ist. Ich möchte aber auch hier noch einmal an die Verbraucher, und zwar an jeden einzelnen, appellieren. Wir halten es für richtig, daß Auswüchse auf gesetzlichem Wege bekämpft werden. Ich habe ja erst vor kurzem hier eine Anfrage wegen der Neuregelung des Teilzahlungsgeschäfts gestellt. Ich glaube, meine Herren und Damen, wenn Sie mal ein bißchen die Akten von Sozialbehörden lesen, dann werden Sie sehen, wie viele Familien durch unüberlegte Teilzahlungsverpflichtungen ins wirkliche Unglück gekommen sind. Hier ist also eine Gesetzgebung vonnöten.
Ich weiß nicht, wie man den irreführenden und suggestiv wirkenden Anpreisungen zu Leibe gehen soll, soweit sie über das berechtigte Interesse einer Werbung, die aufklärend ist und die auch den Verbrauch anregen soll, hinausgehen. Ich möchte aber doch einmal fragen: Was kann der Verbraucher tun, wenn eine Packung so groß ist und nur so weit gefüllt ist? Das ist eine Packung, die Sie überall und dauernd erleben, das ist üblich. Hier sollte der Verbraucher wirklich einmal eine Einzelinitiative ergreifen und eine „üble Nachrede" gegen eine solche Verpackung wagen. Es ist zwar juristisch nicht greifbar, ob es eine Irreführung ist, aber der Verbraucher empfindet es so, daß er hierbei irregeführt worden ist. Hier sollte der einzelne Verbraucher den Mut haben, einmal zu einer Zeitung zu gehen — die dann hoffentlich nicht durch ihre Anzeigenaufträge gehemmt ist — und zu sagen: Das ist eine unerhörte Sache, daß in dem Paket, das so groß aussieht, nur so wenig Inhalt ist, ganz abgesehen davon, daß die Einkaufstaschen in unerhörtem Maße damit belastet werden. Auch das möchte ich nicht ganz außer acht lassen. Das sind Dinge, die man ebenfalls beachten soll.
Ich will die an sich schon sehr lange Debatte nicht noch mehr ausweiten. Aber ich möchte, daß diese
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Frau Dr. Kiep-Altenloh
Beratung heute zu einem Appell wird für die Wünsche, die ich in bezug auf die Vereinheitlichung und zielstrebige Lenkung der Mittel ausgesprochen habe, an das Ministerium oder an die Regierung, denn es sind ja mehrere Ministerien beteiligt. Das Testinstitut ist sicherlich eine Notwendigkeit, die wir hier im Hause anerkennen. Ich weiß aber nicht, ob wir es so weit ausdehnen sollen, wie Sie, Frau Kollegin, heute morgen andeuteten. Da wurde mir schon wieder etwas unbehaglich. Das sieht mir zu sehr nach staatlicher Lenkung aus.
Das weitere wäre, daß die Verbände sich einmal bewußt würden, welche Aufgaben sie in dieser Wirtschaft auf diesem Gebiet außer der Werbung und der Konsumausweitung haben.
Letztlich sollten wir auch von dem Verbraucher verlangen, daß er nicht — entschuldigen Sie den ganz krassen Ausdruck — wie ein Lamm hinter jeder Werbung herläuft, sondern sich selber auch einmal die Mühe macht und den Mut hat, wenn er sich übervorteilt glaubt, das in der Öffentlichkeit herauszustellen.
Wenn der heutige Tag bei allen den Eindruck bewirkt, daß das Einkaufen und der Verbrauch ein wesentlicher Faktor des Wirtschaftslebens ist und daß alle beteiligten Stellen, Staat, Handel und Verbraucher, das Ihre dazu tun müßten, den Markt sauber und transparent zu erhalten, dann scheint mir das Ergebnis durchaus beachtlich und zufriedenstellend zu sein.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur noch einige wenige Ausführungen machen. Ich bin Frau KiepAltenloh dankbar für die Unterstützung, die sie mir mit ihrem Beitrag hier hat zuteil werden lassen.
Ich möchte nur eine Bemerkung zum Typenwirrwarr machen. Es war nicht die Absicht, hier zum Ausdruck zu bringen, daß der Staat mit Direktiven Einfluß nehmen sollte, sondern wir wollen, daß der Staat Hinweise gibt, daß er sich vor allen Dingen an anderen Ländern orientiert. Wir wissen — das habe ich ja an Hand von Beispielen deutlich gemacht —, daß man im Ausland zu einer weitgehenden Normung gekommen ist. Warum sollte das bei uns nicht auch möglich sein? Vor allen Dingen dort, wo der Staat selber die Möglichkeit hat, etwas zu tun, wo er große finanzielle Mittel gibt — ich habe den Wohnungsbau und die Landwirtschaft erwähnt —, wäre es durchaus möglich, auf eine Normung zu dringen; das würde letztlich auch zu einer Senkung der Kosten führen.
Herr Kollege Dr. Elbrächter, niemand von uns hat davon gesprochen, daß es auf keinem Gebiet einen Wettbewerb gäbe. Das hat keiner gewollt, und es ist auch nicht geschehen. Ich möchte das noch einmal deutlich sagen.
Keiner hat auch gesagt, daß wir generell gegen jede Werbung sind. Wir wissen, daß Werbung in
unserer Marktwirtschaft notwendig ist. Wir wissen aber genauso gut — Herr Dr. Elbrächter, das ist letztlich auch in Ihren Ausführungen durchgeklungen —, daß es Gefahren der Werbung gibt. Ich habe versucht, diese Gefahren an Hand von Beispielen deutlich zu machen; ich habe die unterschwellige Werbung erwähnt, der es gar nicht auf Überzeugung ankommt, sondern die einfach nur das Unterbewußtsein anspricht. Es kam mir darauf an, das herauszustellen und die Frage aufzuwerfen, wie wir gegen solche Formen der Werbung etwas unternehmen können.
Nun wurde weiter gesagt, es geschehe eine ganze Menge, um das zu unterbinden, was sich auf dem Verpackungssektor tue. Sie werden mit mir übereinstimmen, wenn ich sage — das hat soeben auch Frau Dr. Kiep-Altenloh getan —, daß es heute Verpackungen gibt, die in keinem Verhältnis mehr zum Inhalt stehen. Man braucht sie nur anzupacken, um festzustellen, daß mindestens ein Viertel leer ist. Diese Verpackungen täuschen dem Verbraucher etwas vor. Das sollte unterbunden werden.
Zu der tatsächlichen Lage des Verbrauchers darf ich sagen, daß die Ausführungen des Herrn Ministers im großen und ganzen eine Unterstützung und praktisch eine Ergänzung meiner eigenen Darlegungen waren. Leider hat er bei den wenigen Gebieten, für die er gesetzliche Regelungen in Aussicht gestellt hat, in keinem Fall einen Termin genannt. Wir wissen, wie lange es dauern kann. Auf bestimmte Regelungen, die versprochen worden sind, warten wir seit Jahren. Es wäre an der Zeit, daß wir endlich einmal Taten sehen. Wir hoffen nicht, daß es mit diesen Gesetzen so gehen wird wie mit den Steuergesetzen, daß sie erst im Jahre 1965, also im Wahljahr, kommen. Es wäre besser, Herr Illerhaus, daß diese Gesetze früher kämen.
— Herr Elbrächter, es war uns bis heute rein technisch nicht möglich, solche Vorschläge zu unterbreiten. Sie haben ja weitaus bessere Möglichkeiten, Sie haben eine ganze Regierung zur Verfügung, die Ihnen bei der Abfassung von Gesetzen helfen kann. Wir müssen das zum großen Teil alle allein machen.
Die SPD-Fraktion wird Ihnen gleich zu Beginn des nächsten Jahres einige Gesetzentwürfe auf den Tisch legen. Wir hoffen dann auf ihre Unterstützung. Wir haben aus diesem Grunde auch keine Entschließungsanträge vorgelegt, wie es sonst bei der Behandlung von Großen Anfragen üblich ist. Wir haben geglaubt, darauf heute verzichten zu sollen, weil es an der Zeit ist, jetzt endlich Grundlagen zu schaffen, damit die Mängel, die auch vom Minister anerkannt worden sind und die wir heute bei der Beratung der Großen Anfrage herausgestellt haben, beseitigt werden können. Wir sind der Auffassung, daß Bundestag und Bundesregierung und überhaupt unser demokratischer Staat eine Verpflichtung zu einer verstärkten Verbraucheraufklärung und zu einem Verbraucherschutz haben. Deshalb hoffen wir, daß wir auf Ihre Unterstützung rechnen können, wenn unsere Anträge vorliegen.
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Damit ist die Aussprache zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD geschlossen. Anträge sind nicht gestellt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und b auf, die nach einer interfraktionellen Vereinbarung dem Punkt 4 vorgezogen werden sollen:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Margulies und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Raumordnung im Bundesgebiet (ROBG) (Drucksache IV/472);
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Raumordnungsgesetzes .
Das Wort zur Einbringung des Initiativgesetzentwurfs hat der Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Initiatoren des Entwurfs eines Gesetzes zur Raumordnung im Bundesgebiet auf Drucksache IV/472 habe ich die Ehre, die Vorlage, die am 13. Juni 1962 eingereicht wurde, zu begründen. Ich kann das nicht ohne ein tiefes Bedauern darüber, daß es 18 Monate brauchte, bis für diesen Initiativantrag aus der Mitte des Hauses Gelegenheit zur ersten Lesung gegeben wurde.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Schmidt! Ich muß hier zur Steuer der Wahrheit feststellen, Herr Kollege Kurlbaum, daß Sie das nicht aufrechterhalten können. Beweisen Sie mir das einmal! Er gibt triftige Gründe, die den Ältestenrat veranlaßt haben, diese Vorlage zurückzustellen. Die Zeit ist bedauerlich lang geworden — ich habe das dem Herrn Antragsteller auch schon gesagt —; aber man kann dem Ältestenrat, der für diese Sache zuständig ist, nicht unterstellen, daß er zum Nachteil der Antragsteller zurückgestellt habe. — Bitte, fahren Sie fort.
— Sondern?,
— Herr Kollege Kurlbaum, dann muß man natürlich auch an die Ausschüsse denken. Das Haus hat leider die bedauerliche Tendenz — das muß ich hier einmal sagen —, entgegen der Vorschrift der Geschäftsordnung möglichst viele Ausschüsse mitzubeteiligen. Nach Möglichkeit soll eine Vorlage nur einem Ausschuß überwiesen werden. Gut, es gibt triftige Gründe, eine Vorlage gelegentlich auch einem anderen Ausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Regelmäßig kommt aber an den Präsidenten dieses Hauses und regelmäßig kommt auch an den Ältestenrat die Bitte heran, die und die Vorlage noch dem und dem Ausschuß mitzuüberweisen. Das Ergebnis ist oft eine bedauerlich lange Reise, die
eine solche Vorlage dann im Hause hinter sich bringt, bis sie wieder hier im Plenum landet.
Aber bitte, Herr Antragsteller, Sie haben das volle Recht, hier Ihr Bedauern und Ihre Kritik auch darüber zum Ausdruck zu bringen. Auf der Seite des Ältestenrates und des Präsidiums des Hauses liegt aber natürlich nicht der Schatten eines Versuchs vor, eine Initiativvorlage aus der Mitte des Hauses irgendwie zu benachteiligen. — Bitte sehr!
Es handelt sich — ich möchte das ausdrücklich betonen — um eine Initiativvorlage, an der sich Abgeordnete aus allen Fraktionen dieses Hauses beteiligt haben, soweit sie der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft angehören. Da sich unsere Arbeitsgemeinschaft aus Abgeordneten nicht nur des Bundestages, sondern auch aller deutschen Landtage zusammensetzt, war von vornherein gesichert, daß die Raumordnung sowohl als Bundes- wie auch als Landesaufgabe betrachtet wurde, und diese Grundhaltung hat den ganzen Entwurf, der Ihnen vorliegt, geprägt.
Die Initiatoren erstreben mit dieser Vorlage eine Ordnung im Raum, die mit Planifikation oder Dirigismus nichts gemein hat, aber nun einmal notwendig ist, weil uns der Raum nur in sehr begrenztem Maße zur Verfügung steht und wir eine unkoordinierte raumwirksame Disposition der stetig zunehmenden Bevölkerung mit ihren vielseitigen gemeinen oder Einzelbedürfnissen nicht verantworten können. Die Notwendigkeit einer koordinierenden Raumordnung und ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen einer freiheitlichen Rechtsstaatlichkeit wird selbst von ausgesprochenen Vertretern der freien Marktwirtschaft anerkannt. Mehr als einmal ist darauf hingewiesen worden, daß eine moderne Wirtschafts- und Finanzpolitik und moderne Raumpolitik geradezu auf gegenseitiges Zusammenwirken angewiesen sind. Die Raumordnung ist eben nicht gegen die Freiheit des einzelnen gerichtet, sondern ist ein Mittel zur Wahrung der allgemeinen Freiheit.
Damit Ihnen allen diese Überlegungen einmal deutlich vor Augen geführt würden, hatten die Mitglieder der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft dieses Hauses gleichzeitig mit der Einreichung des Initiativgesetzes einen Beschluß des Bundestages herbeigeführt, nach dem nunmehr der erste Raumordnungsbericht der Bundesregierung vorgelegt wurde. Ich bin der Meinung, daß dieser Bericht eine ausgezeichnete Beratungsunterlage darstellt. Allen, die daran mitgewirkt haben, sind wir zu großem Dank verpflichtet.
Natürlich müssen wir uns darüber im klaren sein, daß wir bei. der Raumordnung vor einer sehr langfristigen Aufgabe stehen. Es ist mehrfach behauptet worden, es sei bisher nichts versäumt worden. Sicher ist auf der Basis einiger Landesplanungsgesetze und auch in der Bundesanstalt für Raumforschung fruchtbar gearbeitet worden. Aber die großräumige Entwicklung ist weithin mit ihren Einzelmaßnahmen darüber hinweggegangen. Es ist vieles geschaffen worden, aber eben auch unkoordiniert geblieben. Viele Fehler sind nun irreparabel.
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Dr. Schmidt
Das, was wiedergutgemacht werden kann, wird in den meisten Fällen so viel Geld kosten, daß wir uns das kaum erlauben können.
Vor über zehn Jahren haben die Mitglieder der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft erstmalig mit den Beratungen über diesen Fragenkomplex begonnen, weil sie die Notwendigkeit einer Regelung erkannt hatten. Es war eine glückliche Fügung, daß damals das Bundesverfassungsgericht in seinem Rechtsgutachten über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes auch zu diesem Fragenkomplex Stellung genommen und festgelegt hat — das war im Jahre 1954 —, daß es im Bundesstaat eine Raumplanung für den Gesamtstaat geben muß. Nach diesem Gutachten kann der Bund kraft ausschließlicher Kompetenz vollständig regeln: die Bundesplanung, und kraft konkurrierender Rahmenkompetenz: die Raumordnung der Länder in ihren Grundzügen. Dieses Gutachten war in seinem rechtlichen Inhalt immer die Leitlinie für unsere Arbeit.
Ich brauche nun hier nicht auf das Tauziehen innerhalb der damaligen Bundesregierung über die Federführung in Raumordnungsangelegenheiten einzugehen, wohl auch nicht auf die verschiedenen Entschließungen, z. B. des Deutschen Bauernverbandes, des Deutschen Naturschutzringes usw. Es gab schon damals eine Reihe von Denkschriften. Aber in der Tat gingen die Dinge wenig voran, und nun begann ein dornenvoller Weg. Am 6. Dezember 1955, also vor nunmehr acht Jahren, haben erstmalig 108 Abgeordnete des 2. Deutschen Bundestages den Entwurf eines Rahmengesetzes über die Raumordnung eingebracht. Schon damals haben neben unseren Mitgliedern aus allen Fraktionen der Länderparlamente und dieses Hauses zahlreiche Verbände, u. a. der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Zentralausschuß der Deutschen Landwirtschaft, dem, was wir beantragten, zugestimmt. Leider war die Bundesregierung der Auffassung, diese Probleme besser durch administrative Maßnahmen, also ohne gesetzliche Regelung, lösen zu können.
Der Gesetzentwurf ging in den zuständigen Bundestagsausschuß. Unter dem Vorsitz unseres Kollegen Jacobi wurde er dort gründlich beraten. Seitens des Bundesministeriums des Innern wurde dem Ausschuß jedoch nahegelegt, den Entwurf nicht vordringlich zu behandeln, sondern abzuwarten, bis die von den Ressorts ausgearbeiteten Vorschläge vorlägen. Leider ist durch diese Taktik damals in der 2. Wahlperiode ein Raumordnungsgesetz nicht zustande gekommen.
Wie ging es dann weiter? Im Dezember 1957 schlossen die Regierungen des Bundes und der Länder ein Verwaltungsabkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Raumordnung. Als Initiatoren des Gesetzentwurfs von damals waren wir natürlich äußerst interessiert an den Auswirkungen dieses Abkommens. Wir kamen überein, in der 3. Wahlperiode des Deutschen Bundestages den Erfolg dieses Verwaltungsabkommens zu beobachten und gelegentlich nur durch parlamentarische Schritte die Bemühungen zu fördern. Aber schon bald mußten wir feststellen, daß die Raumordnung
nicht vorankam. Die Presse hing es an die große Glocke, daß nicht einmal auf Bundesebene eine tatsächliche Koordinierung der verschiedenen Ressorts in Raumordnungsfragen zu erreichen war.
Daraufhin brachten wir im Jahre 1959 eine Kleine Anfrage ein, um einmal festzustellen, was nun tatsächlich in der Raumordnungsfrage geschehen sei. Die Antwort ergab einen völligen Stillstand der Arbeiten. Nicht einmal die von Bund und Ländern vereinbarte gegenseitige Information über raumrelevante Maßnahmen war angelaufen. Soweit ich unterrichtet bin, funktioniert diese Information bis heute noch nicht. Dabei ist Information doch nun wirklich die elementare Voraussetzung für eine koordinierende Gestaltung im Wege von Absprachen.
Damit wurden auch die letzten, die der Exekutive noch eine Chance hatten geben wollen, überzeugt, daß eine neue, gesetzgeberische Initiative unabweisbar notwendig sei. Ich selbst habe mich, solange überhaupt noch die Chance bestand, daß das Verwaltungsabkommen Früchte tragen könnte, gegen eine gesetzliche Regelung gewandt. Ich wollte bewußt die Zuständigkeit der Länder in keiner Hinsicht einengen. Aber das, was man an Raumordnung praktizierte, war wirklich gleich Null.
In der Vollversammlung der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft im April 1959 brachten deshalb Abgeordnete aller Fraktionen aller deutschen Parlamente zum Ausdruck, daß ein weiteres Zusehen nicht mehr verantwortet werden könne. Es wurde die Bildung einer Kommission für die Fragen der Landesplanung und Raumordnung beschlossen. Die Fraktionen der deutschen Parlamente nominierten die Mitglieder, und bald begann die Ausarbeitung einer neuen Initiativvorlage. Die erste Beratungsunterlage war der Initiativentwurf der 2. Wahlperiode in der letzten Fassung des Ausschusses für Bau- und Bodenrecht. Mit Hilfe einer Reihe hervorragender Sachverständiger ging die Arbeit flott voran.
Anläßlich der Verabschiedung des Bundesbaugesetzes haben wir dann noch einmal auf die Notwendigkeit der Raumordnung hingewiesen. Der Deutsche Bundestag nahm auf unseren Antrag hin einen Entschließungsantrag an, in dem die Bundesregierung ersucht wurde, in Abstimmung mit den. Ländern die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, damit die Raumordnung nun wirklich Gestalt gewinne.
Im Februar 1961 sagte der Bundeskanzler erstmalig eine Übertragung der Zuständigkeit für die Raumordnung auf den Bundeswohnungsbauminister zu. Auch auf unser Drängen hin wurde diese Zusage mit der Bildung des Kabinetts zu Beginn der 4. Wahlperiode im Herbst 1961 realisiert. Zur gleichen Zeit wurde in der Öffentlichkeit, in vielen Zeitungen und Zeitschriften, von kommunalen Spitzenverbänden, vom Bauernverband und vielen anderen die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage zur Ordnung unseres Raumes immer dringlicher erhoben. Ich freue mich, hier darauf hinweisen zu können, daß unsere Vorstellungen durch unsere Mitwirkung auch in der Grünen Charta der Mainau ihren Niederschlag gefunden haben. Uns
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Dr. Schmidt
allen, die wir an einem Strang ziehen, ist es gelungen, eine heute nicht mehr überhörbare öffentliche Meinung zu schaffen.
Inzwischen waren die Arbeiten im Rahmen der genannten Kommission für Landesplanung und Raumordnung so weit gediehen, daß der Entwurf allen Mitgliedern der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft zugeleitet werden konnte. So entstand der Entwurf auf Drucksache IV/472, der Ihnen heute vorliegt, nach wirklich eingehenden Beratungen und auf Grund langjähriger positiver wie negativer Erfahrungen, die wir gewonnen hatten.
Zum vorliegenden Entwurf möchte ich nur einige grundsätzliche Bemerkungen machen, da ich im übrigen auf die schriftliche Begründung verweisen kann.
Die weitgehende Mitwirkung unserer Landtagskollegen gewährleistete die Berücksichtigung aller legitimen föderalen Gesichtspunkte, worauf wir außerordentlichen Wert legten. Unser Entwurf gibt dem Bund natürlich die Vollkompetenz für die Koordinierung seiner eigenen Ressorts. Außerdem muß der Bund aber auch die Aufgabe haben, die Planungen und Maßnahmen aufeinander abzustimmen und zusammenzufassen, die über den Rahmen eines einzelnen_ Landes oder einzelner Länder hinausgehen. Auch seitens der Länder wird anerkannt, daß sie nicht Dinge regeln können, die z. B. die europäische Zusammenarbeit betreffen. Auch die Berücksichtigung der gesamtdeutschen Belange muß Bundesvorrang haben. Das gilt schon nach dem im Entwurf verankerten Grundsatz, daß sich das kleinere Gebiet regelmäßig in das größere Gebiet einordnen muß.
Als Gremium für die freiwillige Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern haben wir eine Bundesraumordnungskonferenz vorgesehen. Nur wenn man sich dort nicht einigt — mit diesem Fall müssen wir selbstverständlich rechnen—, soll nach unserem Vorschlag ein Gesetzgebungsverfahren, an dem auch der Bundesrat beteiligt ist, in Gang kommen. Es kann nun einmal nicht auf eine Entscheidung verzichtet werden, wenn die Dinge nicht so weiter laufen sollen wie bisher.
In unserem Entwurf finden Sie erstmalig auch eine Notstandsklausel. Meines Erachtens sollte eine gesetzliche Grundlage für räumliche Notstände gefunden werden, schon um sie klar gegen Finanzausgleichsmaßnahmen abzuheben. Ich darf hier nur an den Küstenschutz oder etwa an den Alpenplan erinnern. Die Sicherung unseres Raumes als solchen kann ja nicht nur die Aufgabe des unmittelbar betroffenen Teiles unseres Volkes sein. Katastrophen in diesem oder jenem Teil werden immer das Gesamte beeinflussen. Darum hat auch die Gesamtheit die Pflicht zum Beistand.
Ein anderer Gesichtspunkt, der uns sehr am Herzen lag, war die Pflicht zur Erhaltung der natürlichen Hilfsquellen. Das ist ein moderner Begriff, der heute immer weiter Eingang in unseren Sprachgebrauch findet. Ich erinnere nur an die beiden Sonderbotschaften des verstorbenen Präsidenten Kennedy an
den amerikanischen Kongreß. Dieser Begriff umfaßt alles, was wir unter der Erhaltung der Natur, der Reinhaltung von Luft und Wasser, der Schaffung von Erholungsgebieten usw. verstehen. Ich habe mich gefreut, diese Formulierung nunmehr erstmalig auch in dem ersten Raumordnungsbericht der Bundesregierung zu finden.
Weiterhin hat in unserem Entwurf das Anliegen seinen Niederschlag gefunden, ein ausgewogenes Verhältnis von städtischer und ländlicher Siedlung herbeizuführen und die ländlichen Lebensbedingungen zu verbessern.
Damit komme ich zu dem vielleicht umstrittensten Punkt des Raumordnungsproblems überhaupt, der Behandlung der Ballungsräume oder, wie es der Regierungsentwurf nennt, der Verdichtungsräume. Der von uns als Material für die Beratungen sehr begrüßte Entwurf eines Raumordnungsgesetzes des Deutschen Städtetages widmet sich diesem Problem mit Recht und in besonderer Weise. Solche Verdichtungsräume können und dürfen keinesfalls über einen Leisten gezogen werden. Sie sind vielmehr sehr unterschiedlich zu beurteilen. Der Begriff Ballungsräume muß nämlich nicht immer etwas Negatives bedeuten,
wenn auch gar zu oft dieser Eindruck entstanden ist. Natürlich darf man in dieser Verbindung nicht übersehen, daß Raumordnung und Landesplanung nicht allein durch Raumordnungsgesetze geregelt werden können. Es handelt sich hierbei um eine viel größere, viel komplettere Aufgabe, die die Mitwirkung der Verantwortlichen auf allen Gebieten erfordert.
Wir kennen die Sorgen der Kommunen, insbesondere die Sorgen der kleinen Orte im Sog der Ballungsräume und die Sorgen der schwächeren Gemeinden und Kreise in revierfernen Gebieten. Es ist durchaus verständlich, daß unter den heutigen Umständen keine Gemeinde nur eine Stadt zum Schlafen sein will. Das bedeutet heute nämlich zwangsläufig einen Mangel an den notwendigen Haushaltsmitteln.
Damit komme ich wieder zurück auf das, was ich schon eingangs betont habe, nämlich die Notwendigkeit einer Koordinierung und eines Zusammenwirkens bei allen Maßnahmen. Wir wissen wohl, daß eine allgemeine Kommunal- und Finanzreform notwendig ist, um die Ziele der Raumordnung und Landesplanung so durchsetzen zu können, wie wir das im Hinblick auf die Zukunft unseres Landes für notwendig halten. Da spielen viele andere Dinge hinein.
So wird zum Beispiel die Reinhaltung von Luft und Wasser aus den gleichen Gründen nicht so durchgeführt, wie es eigentlich sein müßte. Nicht nur die Länder, sondern insbesondere die Städte und Kreise wollten und wollen sich auch für die Zukunft neue Industrie- und Gewerbeansiedlungen sichern, um ihren Kommunalhaushalt zu stärken. Da aber die Auflagen zum Beispiel hinsichtlich der Reinhaltung von Luft und Wasser im Rahmen der Wettbewerbsfähigkeit eine nicht geringe Rolle spie-
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Dr. Schmidt
len, drückt man dann seitens der zuständigen Behörden um der Industrieansiedlung willen einmal ein Auge zu. In Erwartung höherer Gewerbesteuereinnahmen macht man Konzessionen, die später zwangsläufig zu Lasten der Gemeinschaftskosten gehen werden. Ich wehre mich deshalb auch immer wieder dagegen, zu formulieren, die Raumordnung bedinge nur eine vernünftige Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern. Gewiß, meine Damen und Herren, es geht auch um eine vernünftige Arbeitsteilung. Aber noch mehr handelt es sich um eine überzeugende Koordinierung und fruchtbare Zusammenarbeit.
Lassen Sie mich daher kurz zusammenfassen.
Erstens. Nach unserer Auffassung kann es keine Lösung geben, die nicht dem Bund gibt, was das Grundgesetz ihm aufträgt, aber zugleich auch den berechtigten Belangen der Länder Rechnung trägt. Wir dürfen nicht unnötig in begründete Zuständigkeiten der Länder eingreifen.
Zweitens. Wir sind der Meinung, daß unser Entwurf zwar nicht der Weisheit letzter Schluß, aber doch ein positiver Beitrag zur Lösung dieses Fragenkomplexes, und zwar auf föderaler Grundlage, ist.
Drittens. Das Ziel unserer erneuten Initiative ist allein, daß wir endlich — wir bemühen uns nun seit über zehn Jahren darum — zu einem Raumordnungsgesetz des Bundes kommen, und zwar erstreben wir ein gutes, ein wirksames Gesetz noch in dieser Legislaturperiode.
Das Wort hat der Herr Wohnungsbauminister. — Herr Minister, bringen Sie gleichzeitig auch den Entwurf der Bundesregierung Drucksache IV/1204 ein? — Das begründen Sie jetzt gleichzeitig. Bitte sehr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Vorliegen eines interfraktionellen Initiativgesetzentwurfs für ein Bundesraumordnungs-Rahmengesetz und die Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners, des Herrn Kollegen Dr. Schmidt, zeigen, daß starke Kräfte in allen Fraktionen, die in diesem Hause vertreten sind, mit der Regierung in der Überzeugung übereinstimmen, daß die Raumordnungspolitik in der Bundesrepublik wirksam aktiviert werden muß und daß die dem Bund dabei gestellten Aufgaben auf der sicheren Grundlage eines Bundesgesetzes gelöst werden können. Es besteht darüber hinaus eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Initiatoren des interfraktionellen Gesetzentwurfs und der Bundesregierung in den grundsätzlichen sachlichen Fragen von politischem Gehalt.
Die drei Aufgabenbereiche, für die ich als Minister verantwortlich bin, sind in der Sache aufs engste miteinander verbunden, wie es in den Thesen „Vom Wohnungsbau zum Städtebau, vom Städtebau zur Raumordnung" zum Ausdruck kommt.
In ,den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch lag unsere vordringlichste Aufgabe darin, unseren Menschen wieder ein Dach über dem Kopf zu schaffen. Nun ist der Augenblick gekommen, nachdem dieses Ziel weithin erreicht werden konnte, an die Lösung der großen Gemeinschaftsaufgaben der Erneuerung unserer Städte und Dörfer im Rahmen einer wirksamen Raumordnung heranzugehen. Gleichsam als Rechtsbasis für die hier gestellten großen, praktisch nie abreißenden Aufgaben der räumlichen Ordnung auf örtlicher Ebene konnten wir im Jahre 1960 das von Herrn Kollegen Dr. Schmidt erwähnte Bundesbaugesetz verabschieden. Sieht man von den Ergänzungen ab, die für die Sonderfälle der Sanierung und für die Stadt- und Dorferneuerung in dem in Vorbereitung befindlichen Städtebauförderungsgesetz bereits aufgeworfen sind, so hat das Bundesbaugesetz ,als das Grundgesetz der Ortsplanung seine Bewährungsprobe inzwischen bestanden. Nun schließt sich die nach der Sache, dem Raum und der Zeit weit ausgreifende Aufgabe der Raumordnung an. Das Raumordnungsgesetz, dessen Entwurf Ihnen die Bundesregierung in der Drucksache IV/ 1204 vorlegt, will dieser großen Aufgabe die rechtliche Grundlage schaffen.
Mit diesem Entwurf betreten wir Neuland. Den in dieser Situation vielleicht naheliegenden Versuch, die Begriffe der Raumordnung gesetzlich zu definieren, unternimmt der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf nicht. Der Entwurf geht davon aus, daß der im Grundgesetz verwandte Begriff „Raumordnung" in der Praxis inzwischen einen gesicherten Inhalt gewonnen hat. Die Arbeitsweise und die Gegenstände der Raumordnungspolitik weisen grundsätzliche Unterschiede auf, je nachdem, ob es sich um große oder kleinere Räume handelt. In der Raumordnung für kleinere Raumeinheiten liegt das Schwergewicht bei den konkreten lokalisierten Entscheidungen über die Art und Weise der Flächennutzung. Hauptbeispiele sind hier die Bauleitpläne der Gemeinden. Auch in der nächstgrößeren Kategorie der Regionalplanung ist der Plan noch das Instrument der Raumordnung.
Für die Raumordnungspolitik größerer Räume ist der Plan nicht mehr das gebotene Arbeitsmittel. Von Gewicht ,ist hier nicht mehr die Entscheidung über das konkrete lokalisierte Objekt. Im Maßstab großer Räume kommt . es auf die Beeinflussung der Raumstruktur an. Dieses heute oft gebrauchte Wort meint das Zusammenwirken aller maßgeblichen Voraussetzungen und Wirkungsfaktoren. Die Raumordnungspolitik des Bundes ist also keine Raumplanung. Sie zeigt nicht ein Wunschbild dessen auf, was in den einzelnen Teilräumen und Flächen zu geschehen hat. Die Raumordnungspolitik des Bundes hat vielmehr das Ziel einer gesunden Raumstruktur im Auge.
Die Mittel der Raumordnungspolitik müssen so 'gestaltet und so angesetzt werden, daß diese Politik gesunde Raumstrukturen schützen, schwache Raumstrukturen stärken und ungesunden Strukturentwicklungen entgegenwirken kann. Wegen dieses Schwerpunkts der Arbeitsmethode und der einzusetzenden Mittel kann man die Raumordnungspoli-
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Bundesminister Lücke
tik für größere Räume auch, wie es gelegentlich geschieht, als regionale Strukturpolitik bezeichnen.
Die Raumordnungspolitik ist denselben Grundsätzen verpflichtet, von denen die allgemeine Staatspolitik geleitet wird. Sie ist eines der Mittel, diese Grundsätze zu verwirklichen. Die Raumordnungspolitik bezieht ihre Bewertungsmaßstäbe und ihre Leitziele aus der verfassungsmäßigen Wertordnung selber. Solche in der Raumordnung zu verwirklichende Wertordnungen enthält unser Grundgesetz durchaus. Die sozialstaatliche Verpflichtung, der Schutz der Familie, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, Schutz des Eigentums und seine soziale Verpflichtung, die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse sind nur einige dieser verfassungsmäßigen gesellschaftspolitischen Grundwerte, die für die Raumordnung maßgebend sind.
Daraus, daß diese Grundvorstellungen, meine Damen und Herren, in der gegenwärtigen räumlichen Ordnung gefährdet sind, ja, in weiten Bereichen nicht verwirklicht sind, ergibt sich gerade die dringliche Notwendigkeit der Raumordnungspolitik in der Bundesrepublik. So möchte ich verstanden sein, wenn ich immer wieder beteuert habe — auch in den letzten zehn Jahren, von denen Herr Kollege Dr. Schmidt sprach —, daß Städtebau und Raumordnung angewandte Gesellschaftspolitik sind.
Ebenso wie die Raumordnungspolitik der materiellen Wertordnung unserer Verfassung unterworfen ist, werden von ihr die grundgesetzlichen Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen respektiert. Raumordnungspolitik, wie ich sie verstehe und betreibe, unterscheidet sich grundsätzlich von jeder Form der Planwirtschaft. Diese unterstellt, daß man oben klüger sei als unten, und versucht, der jeweils niedrigeren Ebene im einzelnen vorzuschreiben, was dort zu tun und zu lassen sei. Diesen Weg zu gehen widerspricht dem Geist und auch dem Wortlaut unserer Verfassung, die von der Eigenstaatlichkeit der Länder und der Autonomie der Gemeinden ausgeht.
Dem freiheitlichen Geist unserer Gesellschaftsordnung, dem Subsidiaritätsprinzip und dem System der sozialen Marktwirtschaft entspricht eine Raumordnungspolitik, wie ich sie zu verwirklichen versuche. Sie geht von folgenden grundsätzlichen Überlegungen aus.
Das von der Bundesregierung vorgelegte Raumordnungsgesetz ist ein Ordnungsgesetz und kein Ermächtigungsgesetz. Es enthält kein Wort, das die Bundesregierung ermächtigt oder beauftragt, eine Art Bundesraumordnungsplan zu entwerfen und durchsetzen. Dieses Gesetz soll aber wohl sicherstellen, daß der Wettbewerb der einzelnen Planungsträger um die Nutzung des Raumes so geordnet wird, daß langfristig das uns zur Verfügung stehende Gemeinschaftskapital, die öffentlichen Einrichtungen des Verkehrs, der Versorgung, der Gesundheitsfürsorge und der Erholung so genutzt werden, daß für die Allgemeinheit und für den einzelnen langfristig der größte Nutzen daraus erzielt wird. So gesehen ist der Regierungsvorschlag des
Raumordnungsgesetzes am ehesten mit den Gesetzen zur Ordnung des Wettbewerbs in der Wirtschaft zu vergleichen.
Niemand, dem das Wohl der uns anvertrauten Bürger am Herzen liegt, kann Zweifel daran haben, daß es auch in einem föderativ gegliederten Bundesstaat einer Raumordnungspolitik des Bundes bedarf, die an den Bedürfnissen des einzelnen Bürgers, seiner Familie und dem Gemeinwohl orientiert ist. Im modernen Zeitalter, in dein die Lebens-, Wirtschafts- und Verkehrsbeziehungen nicht mehr an den Grenzen der Gemeinden, an innerstaatlichen Bezirks- und Landesgrenzen haltmachen können, in dem der europäische Verbund schon wirtschaftliche und, wie wir hoffen, bald politische Realität ist, hat sich der Blick geweitet. Diese Entwicklung setzt ein Umdenken voraus. Das haben bereits im Jahre 1954 die Richter des Bundesverfassungsgerichts erkannt, als sie in dem Gutachten, von dem auch Dr. Schmidt sprach, über die bau- und planungsrechtlichen Kompetenzen des Bundes folgendes ausführten:
Raumordnung kann nicht an den Grenzen der Länder 'haltmachen. Erkennt man Raumordnung als eine notwendige Aufgabe des modernen Staates an, dann ist der größte zu ordnende und zu gestaltende Raum das gesamte Staatsgebiet.
Art. 75 Nr. 4 des Grundgesetzes gibt dem Bund das Recht der Rahmengesetzgebung für die Raumordnung. Auf dieses Recht gründen sich in gleicher Weise die Regierungsvorlage wie der Initiativgesetzentwurf zu einem Bundesraumordnungsrahmengesetz. Das Bundesverfassungsgericht räumte dem Bund eine darüber hinausgehende Vollkompetenz ein, doch ist ein Rahmengesetz durchaus als das Instrument für die raumpolitische Koordination zwischen idem Bund, den Ländern und den Gemeinden ausreichend und notwendig. Nur auf diesem Wege läßt sich erreichen und sicherstellen, daß die Raumordnung der Länder, die Bauleitpläne der Gemeinden und die Planungen der sonstigen öffentlichen Planungsträger nach denselben Grundsätzen ausgerichtet werden können.
In der Diskussion der letzten Jahre ist gelegentlich eingewendet worden, das Bundesraumordnungsrahmengesetz solle sich nur auf Organisations- und Verfahrensrecht beschränken. Zu Unrecht hat man sich dabei auf das Verhältnis zwischen den Ländern und den Gemeinden bezogen. Zwar ist richtig, daß die bisher erlassenen Landesplanungsgesetze nur Organisations- und Verfahrensrecht enthalten. In der Tat scheint Organisations- und Verfahrensrecht auf Landesebene auch auszureichen, die Anpassung der kommunalen Planungen und Maßnahmen an die Landesplanungspolitik der Länder zu sichern. Denn das Kommunalverfassungsrecht läßt es zu, kommunale Maßnahmen landesstaatlicher Genehmigung zu unterwerfen. In dem Maße, in dem von solchem Genehmigungsvorbehalt Gebrauch gemacht wird, kann die Synchronisierung zwischen kommunaler und landesstaatlicher Planung und Politik gesichert werden. Solches Verfahren kann aber auf das Verhältnis zwischen dem
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Bundesminister Lücke
Bund und den Ländern oder gar bis hin zu den Gemeinden nicht übernommen werden. Das läßt unser Grundgesetz nicht zu.
Als Alternative zu den gesetzlich fixierten materiellen Raumordnungsgrundsätzen ist von einigen Ländern eine entsprechende vertragliche Vereinbarung dieses Inhalts angeregt worden. Die Bundesregierung ist, wie sie auch in ihrer Stellungnahme zu dem Votum des Bundesrats erklärt hat, der Überzeugung, daß dies keinen Erfolg verspricht. Warum reicht eine vertragliche Bindung nicht aus? Eine Vereinbarung könnte sachlich nicht ausreichen. Erstens: Durch eine Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen werden dritte Planungsträger, insonderheit die Gemeinden, nicht gebunden. Zweitens: Der Landesgesetzgeber ist an die vertraglichen Bestimmungen nicht gebunden. Drittens: Durch die Verkündigung materieller Ziele, wie idas im Wege der Rechtsetzung für zwei Länder bereits vorgesehen ist, könnte das Land sich selbst aus den vertraglichen Bindungen lösen.
Ich habe die Überlegungen der Bundesregierung über die notwendige Rechtsform so eingehend dargestellt, um Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, davon zu überzeugen, daß zwingende sachliche Gründe für den Weg der Gesetzgebung sprechen. Das wird die enge Zusammenarbeit mit den Ländern nicht behindern. Ich suche vielmehr im Grundsatz und in der laufenden Zusammenarbeit die Verbindung mit den Ländern, wo es eben nur möglich ist. Diese Absicht habe ich auch bei der Vorbereitung des Gesetzes verfolgt. Ich habe zu eingehenden, in vertrauensvoller Atmosphäre geführten Gesprächen alle Chefs der Landesregierungen und die für die Landesplanung federführenden Minister aufgesucht, um mit ihnen die gesetzgeberischen Absichten der Bundesregierung zu erörtern Wenn es trotz der in diesen Gesprächen erzielten Verständigung und, trotz der sehr verständnisvollen Beratungen in den fachlich maßgebenden Bundesratsausschüssen im ersten Durchgang zur negativen Stellungnahme des Bundesrats kam, so habe ich dennoch die Hoffnung, und sie ist begründet, daß es zu einer der Sache dienenden Lösung auf der Grundlage des Regierungsentwurfs kommt. Das wird um so leichter sein, als die Ablehnung nur mit einer knappen Mehrheit erfolgte. In einer Reihe von Punkten, die die Ablehnung begründeten, wurden inzwischen neue Lösungen gefunden.
Zu den von einigen Ländern betonten verfassungsrechtlichen Fragen habe ich die gutachtliche Stellungnahme eines namhaften Rechtsgelehrten erbeten, der als führender Experte auf dem Gebiet des Verfassungs- und Planungsrechts anerkannt ist. Dieses Gutachten, das in den letzten Tagen vorgelegt werden konnte, bestätigt die Absicht der Bundesregierung in vollem Umfang. Ich darf den an den Beratungen beteiligten Damen und Herren der Ausschüsse sowie allen Damen und Herren des Bundestages dieses Gutachten in den nächsten Tagen zur Verfügung stellen, damit sie auch die Diskussion über dieses Thema führen können.
Erlauben Sie mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt kurz die Sachprobleme darzulegen, aus denen die Notwendigkeit der Raumordnungspolitik folgt. In der schriftlichen Begründung der Regierungsvorlage sind die strukturellen Probleme dargelegt worden. In dem ersten Raumordnungsbericht, den die Bundesregierung am 1. Oktober erstattet hat, habe ich den Sachverhalt in seinen Einzelheiten näher belegen und die Folgerungen schärfer präzisieren können. Ich darf Ihnen das Wesentliche mit knappen Zügen vergegenwärtigen.
Es sind der Raubbau an den natürlichen Hilfsquellen, die Unordnung in der regionalen Siedlungsstruktur und vor allem die Entwicklung in den großen Problemgebieten, die uns mit schweren Sorgen belasten. Die Schere zwischen den hinter der Entwicklung zurückgebliebenen Gebieten einerseits und den Verdichtungsgebieten andererseits hat sich in den letzten Jahren immer mehr geweitet. In unserem Lande hat sich in den letzten hundert Jahren ein ungewöhnlicher Konzentrationsprozeß vollzogen, der in den Nachkriegsjahren noch besonders verschärft worden ist. Die Folgen, die sich daraus ergeben, sind Ihnen allen gegenwärtig. Immer mehr Menschen wohnen in Städten und großen Gemeinden und in der drangvollen Enge der Verdichtungsgebiete. Während im Jahre 1871 noch drei Zehntel der Bevölkerung in den größeren Gemeinden lebten, sind es heute acht Zehntel. Beschränkt man die Betrachtung auf die Großstädte, d. h. auf Städte mit 100 000 Einwohnern, ist deren Bevölkerung in knapp hundert Jahren um das 30fache gewachsen. Im Jahre 1871 wohnte eine halbe Million in solchen Städten, heute sind es 16 Millionen.
Die Verdichtungsgebiete, in denen sich Menschen wie Arbeitsplätze konzentrieren, sind aber nicht auf die Städte beschränkt. Es haben sich mehrere große zusammenhängende Verdichtungsgebiete gebildet. Wenn man auch den dazu von Wissenschaftlern ausgearbeiteten Abgrenzungen im einzelnen nicht folgt, so geben deren Untersuchungen doch ein Bild über die Größenordnung. Auf einer Fläche, die ca. 13 v.H. des Bundesgebietes einnimmt, lebten im Jahre 1961 43 v. H. unserer Bevölkerung. Von den 23 Millionen Einwohnern, die 1961 in diesen Verdichtungsgebieten lebten, sind mehr als 4 Millionen seit 1950 hinzugekommen. Zu einem ganz bedeutenden Anteil ging der Wanderungsgewinn dieser Gebiete zu Lasten der hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenen Gebiete. In diesen Gebieten, die den Gegenstand unserer besonderen Sorge bilden, sind beträchtliche Bevölkerungsabnahmen zu verzeichnen. Bevölkerungsabnahmen von mehr als 10 % sind hier nicht selten. Er gibt Kreise, in denen die Bevölkerungsabnahme mehr als 20 % beträgt.
Das entscheidende Kennzeichen und zugleich die Ursache der strukturellen Probleme dieser Gebiete liegt darin, daß es an ausreichenden wirtschaftlichen Grundlagen, vor allem an Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft mangelt. Dem kommt deshalb so ganz besondere Bedeutung zu, weil sich in diesen Gebieten die Probleme des landwirtschaftlichen Strukturwandels besonders scharf zeigen. Seit 1950 verließen jährlich rund 150 000 Vollarbeits-
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kräfte die Landwirtschaft. Solange es für diese Menschen auf dem Lande an anderen Arbeitsplätzen in zumutbarer Entfernung fehlt, sind sie zum Pendeln oder, wie es gelegentlich auch heißt, zum Fernpendeln oder gar zur Abwanderung gezwungen. So sind Pendlerentfernungen von 100 km relativ häufig. In den Abwanderungsgebieten sied es besonders die aktiven Teile der Bevölkerung, die ihre Heimat verlassen, so daß diese Gebiete mitunter gelegentlich schon als „Altenteilergebiete" bezeichnet werden.
Eine Folge der geringen Wirtschaftskraft und ein weiteres Kennzeichen der hinter der allgemeinen Entwicklung zurückbleibenden Gebiete ist ihr Rückstand in der Ausstattung mit Einrichtungen der Verkehrserschließung, der öffentlichen Versorgung, der Bildung und Kultur, der Gesundheitsförderung. Meine Damen und Herren, diese Problemgebiete haben eine bedauerlich große Ausdehnung. Die Bundesregierung hat in der Begründung ihres Entwurfs eines Raumordnungsgesetzes die Fläche dieser hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenen Gebiete auf etwa 40 v. H. der Fläche des Bundesgebietes geschätzt. In diesen Gebieten leben acht Millionen Menschen, d. h. 15 % der Bevölkerung der Bundesrepublik.
Die Problematik der zuvor genannten Gebietskategorien wird besonders deutlich in den östlichen Gebieten der Bundesrepublik, in den sogenannten Zonenrandgebieten. Dort verstärkt sich die negative Erscheinung durch die gewaltsame Grenzziehung durch unser Vaterland, durch den Eisernen Vorhang. Diese doppelte Belastung liegt dazu in Räumen vor, die fast die Hälfte des Zonenrandgebietes mit knapp einem Drittel seiner Bevölkerung umfassen. Das Zonenrandgebiet besteht überwiegend aus land- und forstwirtschaftlichen Gebieten; doch finden sich innerhalb des Zonenrandgebietes auch industrialisierte Gebiete. Dieses Gebiet umfaßt insgesamt ein Fünftel der Fläche der Bundesrepublik. In dem Gebiet lebten 1961 rund 6,7 Millionen Einwohner. Die Auseinanderentwicklung in der räumlichen Struktur unseres Landes führt zu schweren Beeinträchtigungen der Lebens- und Existenzbedingungen in den betroffenen Regionen. Der hohen Wirtschafts- und Leistungskraft der sogenannten Konzentrationsgebiete steht eine besorgniserregende Wirtschaftsschwäche der zurückgebliebenen Gebiete gegenüber. Als 'Meßziffer steht uns für das Jahr 1957, bundeseinheitlich auf Kreisbasis berechnet, das sogenannte Bruttoinlandsprodukt zur Verfügung. Das ist eine Berechnung der wirtschaftlichen Leistung pro Kopf der Wirtschaftsbevölkerung. Orientiert man sich am Bundesdurchschnitt, der 4250 DM betrug, so wird die wirtschaftliche Schwäche der zurückgebliebenen Gebiete deutlich, wenn man hier dem Bruttoinlandsprodukt von rund 1500 DM begegnet. Dieser Zahl stehen in den Verdichtungsgebieten Werte von über 7000 DM gegenüber.
Es liegt auf der Hand, wie sich solche Unterschiede auf die wirtschaftliche Existenzgrundlage jedes einzelnen, jeder Familie und der Gemeinden auswirken. In der damit auf das engste verknüpften geringen finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinden in diesen Gebieten liegt zugleich auch eine
der Ursachen für die mangelhafte Ausstattung mit notwendigen kommunalen Diensten und für die Unterentwicklung der gesamten Infrastruktur. In den Verdichtungsgebieten auf der anderen Seite verursacht die Überlastung der Verkehrseinrichtungen den Verkehrsteilnehmern übermäßige Kosten und ungewöhnliche Zeitverluste; die anhaltende Zunahme der Bevölkerung und der Arbeitsplätze zwingt die Gemeinden in den überlasteten Verdichtungsräumen zu immer weitergehenden Erschließungs-, Verkehrs- und Versorgungsinvestitionen, statt daß sie die seit langem notwendigen Maßnahmen zur Stadterneuerung und zur Ordnung der Verkehrsverhältnisse durchführen können. Die Höhe der Grundstückspreise in diesen Gebieten erschwert es meist — macht es sogar unmöglich —, in diesen Verdichtungsräumen Familien- und Eigenheimpolitik durchzuführen.
Die meist über eine große Anzahl benachbarter Gemeinden sich immer weiter in das Land erstrekkenden Verdichtungsgebiete stellen die örtliche und die Regionalplanung vor das noch immer ungelöste Problem, wie hier in den durch vielfache kommunale Grenzen durchschnittenen Gebieten eine ordnende und vorausschauende planmäßige Gestaltung erreicht werden kann. Eine gegenseitige Ergänzung und Zusammenarbeit im nachbarlichen Verbund wird zur Zeit vor allem auch durch das bestehende Gemeindefinanzsystem erschwert. Das Übergewicht der Gewerbesteuer und die gegenwärtigen Regelungen des Gewerbesteuerausgleichs bewirken keinen ausreichenden Ausgleich der Interessen und Aufgaben der Wohngemeinden und der Betriebsgemeinden.
Diese bis in die jüngste Vergangenheit nur im städtischen Bereich gesehene Problematik stellt sich jetzt in zunehmendem Maße auch bei der Umstrukturierung der ländlichen Räume. Auch bei der notwendigen Förderung zentraler Orte in den ländlichen Räumen wird eine gemeindenachbarliche Verständigung zwischen den Mittelpunktgemeinden und den übrigen Gemeinden unerläßlich notwendig werden, um hier zu einer vernünftigen Aufgabenteilung und zu einem gerechten Vorteils- und Lastenausgleich zu gelangen. Damit sind wiederum als einige der Kernfragen der räumlichen Ordnung das vom Kollegen Dr. Schmidt erwähnte Kommunalfinanz-, das Kommunalsteuer- und das Finanzausgleichssystem angesprochen.
In Stadt und Land werden mit der zunehmenden Verdichtung der Besiedlung und mit den steigenden zivilisatorischen Ansprüchen der Raum und seine natürlichen Hilfsquellen immer mehr beansprucht. Für solche baulichen und andere technische Verwendungszwecke sind letztlich jährlich zirka 260 km freier Landschaft eingesetzt worden; das entspricht in zwei Jahren der Fläche des Bodensees. Dadurch, daß diese Flächenumwidmungen zum nicht geringen Teil ohne sorgsame Planung und ohne hinreichende Berücksichtigung der Landschaftspflege durchgeführt worden sind und gelegentlich werden mußten, ist der Verlust an schutzwürdiger Landschaft, an landwirtschaftlichen Produktionsflächen und an den Grundlagen natürlicher Hilfs-
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quellen weit größer als notwendig. Die planlose Ortserweiterung und die Zersiedlung der Landschaft sind weithin sichtbare Beispiele. Nur dem Einzelinteresse und dem Augenblickserfolg dienende Nutzungen gefährden die natürlichen Kräfte des Raumes und der Stoffe, die er bietet: Bodenfruchtbarkeit, Klima, Quell- und Grundwasser, die Landschaft als Erholungs- und Siedlungsraum sind darüber hinaus gefährdet.
Meine Damen und Herren, ich komme nun kurz zur Bewertung der gegenwärtigen räumlichen Entwicklung. Die von mir dargelegten Tatsachen und Entwicklungstendenzen sind sowohl wirtschaftspolitisch wie gesellschaftspolitisch bedenklich. Alle Teilgebiete des Staates und die darin lebenden Menschen müssen in die Lage versetzt werden, ihren Beitrag zur Steigerung der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und zur Förderung des allgemeinen Wohls zu leisten. Die sittliche Würde des Menschen und seine freie Entfaltungsmöglichkeit werden von dem Zustand der räumlichen Ordnung, wie sie besteht, weithin gehemmt.
Die von mir geschilderte Situation in den großräumigen Problemgebieten, die Mängel in der regionalen Siedlungsstruktur und die Überbeanspruchung der natürlichen Hilfsquellen lassen sich nicht isoliert beurteilen. Die strukturellen Mängel sind in ihrer Ursache, ihrem Zustand und in ihrer weiteren Entwicklung eng miteinander verbunden. Dies beruht in erster Linie darauf, daß in ,der Vergangenheit die starke Bevölkerungskonzentration in den Verdichtungsgebieten zu Lasten der beiden anderen Problemgebiete ging.
Das gilt auch für die starken Unterschiede in der industriellen und gewerblichen Entwicklung, in dem wirtschaftlichen Leistungsgefälle, in der eigenständigen kommunalen Ausstattung und der sonstigen Infrastruktur. All dies fördert die Zunahme der Bevölkerung in den überlasteten Verdichtungszonen und hemmt die Industrialisierung und die Entwicklung der Bevölkerung in den hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenen Gebieten.
Ein wichtiges Element, das alle Problemgebiete miteinander und sie zugleich mit den Zwischenzonen verbindet, liegt in den Strukturwandlungen in der Landwirtschaft. Bislang ist ein großer Teil der aus der Landwirtschaft Ausgeschiedenen nur im Wege der Abwanderung in die überlasteten Verdichtungsgebiete in das außerlandwirtschaftliche Erwerbsleben eingegliedert worden.
Die Menschen, die die zurückbleibenden Gebiete aus Mangel an ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten und wegen des ungenügenden Leistungsstandes der öffentlichen Einrichtungen verlassen, ziehen größtenteils — das hat sich herausgestellt — in die Verdichtungsgebiete und fördern dort die Überlastungserscheinungen.
Die von mir aufgezeigten Raumordnungsprobleme werden sich nur dann lösen lassen, wenn alle Maßnahmen auf ein Ziel ausgerichtet werden und bestimmte Grundsätze allgemein beachtet werden. Die Bundesregierung hat im vorigen Jahr solche Grundsätze für ihren eigenen Bereich aufgestellt. Sie bilden zugleich den Kern des Ihnen vorgelegten Gesetzentwurfes.
Unter den Grundsätzen der Raumordnung ist der wichtigste, daß die allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die kulturellen Einrichtungen in den zurückgebliebenen Gebieten verbessert werden müssen. In den Gebieten mit einer übermäßigen Verdichtung von Bevölkerung und Arbeitsstätten sollen der Gesundung und Strukturverbesserung dienende Maßnahmen ergriffen werden. Hier wie in allen problematischen Gebieten sollen die positiven und fördernden Maßnahmen den Vorrang genießen. Die Raumordnungsgrundsätze zielen darauf ab, daß alle Maßnahmen vermieden werden, die zur Verschärfung der räumlichen Problematik führen; das gilt besonders für die Maßnahmen, die zu einer Übersetzung schon verdichteter Gebiete führen. Ebenso müssen alle Maßnahmen vermieden werden, die eine weitere Schwächung der bereits zurückgebliebenen Gebiete verursachen.
In den Raumordnungsgrundsätzen wird dem Schutz der natürlichen Hilfsquellen besonderes Gewicht beigemessen. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen mit günstigen landwirtschaftlichen Lebens- und Produktionsbedingungen sollen der Landwirtschaft erhalten und nicht mehr als notwendig für andere Nutzung vorgesehen werden. Den Wald, die Landwirtschaft, die Erholungsgebiete und den Wasserschutz nennen die Raumordnungsgrundsätze als besonders schutzwürdige Güter. Diese in der Regierungsvorlage festgelegten Grundsätze sind Gegenstand vielfältiger Diskussionen gewesen. Sie haben — zu meiner besonderen Genugtuung — die Richtigkeit und Notwendigkeit bestätigt.
Im Zusammenhang mit der Regelung der Raumordnung in den Ländern spielt der Anspruch der kommunalen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung eine große Rolle, bei der Aufstellung von Plänen aller überörtlichen Stufen beteiligt zu werden. Soweit mir bekannt, wird dieser Anspruch von der Mehrzahl der Landesgesetze bereits berücksichitgt. Ich selber habe die Absicht, mich in dem mir obliegenden Geschäftsbereich auch künftig durch den schon bei meinem Ministerium bestehenden Beirat für Städtebau und Raumordnung, in dem auch Sachverständige der Gemeinden und der Wirtschaft vertreten sind, beraten zu lassen.
Man hört gelegentlich die Ansicht, daß alle Maßnahmen auf dem Gebiet der Raumordnung schon recht spät, ja zu spät kämen; es sei schon besser, solche Bemühungen gar nicht erst zu beginnen. Dem liegt unausgesprochen die Feststellung zugrunde, daß mit diesem Jahre die Entwicklung der räumlichen Ordnung und Struktur unseres Vaterlandes am Ende sei. Diese Zuspitzung zeigt die Unrichtigkeit dieser Behauptung. Wem sage ich das hier? Wir befinden uns in einem ungewöhnlichen Umstellungsprozeß unserer wirtschaftlichen, sozialen wie auch gesellschaftlichen Verhältnisse. Die größte und in diesem Zusammenhang wichtigste Umstellung vollzieht sich in der Landwirtschaft mit all den damit für unser Vaterland verbundenen Problemen.
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Auch in der Zukunft werden weitere Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft ausscheiden. Mit elementarer Macht wird der Anspruch sich Geltung verschaffen, auch auf dem Lande, auch in kleineren Dörfern und Gemeinden zivilisatorische und kulturelle Ansprüche erfüllt zu sehen. Umgekehrt wünschen immer mehr Menschen an Stelle der Großstadt- und Stadtwohnung die Wohnruhe in der Landschaft, in kleineren und mittleren Gemeinden. Stadt- und Dorferneuerung zu fördern, wird deshalb eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahrzehnte bleiben. So kann nur ein Tor daran glauben, daß Raumordnungspolitik zu spät komme. Wem es zu spät erscheinen sollte, der kann nur zur Eile mahnen.
Während noch vor einem halben Jahr heißer Streit über die Grundsatzfragen der Raumordnungspolitik verbreitet schien, kann heute zunehmende Übereinstimmung nicht nur im Grundsätzlichen, sondern auch im Detail festgestellt werden. Die Beratungen in den Bundesratsfachausschüssen haben die Verständigung in Grundsatzfragen gefördert. Die großen Wirtschaftsorganisationen der Landwirtschaft, der Wohnungswirtschaft, der gewerblichen Wirtschaft haben schon früh ihre grundsätzliche Billigung der raumordnungspolitischen Absichten der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht. Ihnen hat sich nun vor wenigen Wochen auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände mit einem positiven Votum für die Raumordnungsgesetzgebung angeschlossen. Schließlich hat sich auch die Opposition nicht nur durch ihre Mitwirkung bei dem hier vorliegenden Initiativgesetzentwurf, sondern auch bei allen anderen Erklärungen verantwortlicher Politiker zur Notwendigkeit der Raumordnungspolitik bekannt, ja sie jahrelang aktiv gefördert.
All dies rechtfertigt meine Hoffnung, daß sich ein Weg gemeinsamer Willensbildung öffnet. Mein Appell an alle verantwortungsbewußten Politiker im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden geht dahin, die Stunde der Verständigung zu nutzen und den Entschluß zu gemeinsamem Handeln zu fassen. Denn davon, ob wir jetzt handeln, wird entscheidend abhängen, ob es gelingt, in Stadt und Land eine Gesellschaftsordnung zu erhalten, die unseren Vorstellungen entspricht. Gewiß ist diese Aufgabe groß. Sie weist in die Zukunft. Hier sind schnelle Erfolge nicht zu erwarten, vor allem keine Erfolge in Legislaturperioden. Um so mehr bitte ich, daß wir, Bundestag und Bundesrat, hier im Interesse unseres Vaterlandes zusammenstehen und brauchbare bundesrechtliche Grundlagen für die Raumordnung schaffen. Ich darf Sie bitten, die beiden Entwürfe vorrangig in den Ausschüssen zu behandeln und ihnen Ihre Unterstützung zu gewähren.
Das Haus hat die Begründung der Bundesregierung entgegengenommen. Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen dem Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ebenso wie dem Kollegen Dr. Schmidt und denen, die mit ihm den Initiativgesetzentwurf eingebracht haben, herzlich für die Mühen, die sie hatten, danken. Der gleiche Dank gilt den Herren des Hauses des Herrn Ministers, die sich in vorbildlicher Weise mit diesen schwierigen Fragen abgemüht haben.
Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren sind sehr viele weise Aufsätze, sehr viele kluge Ausarbeitungen über die Frage der Raumordnung erschienen, und wer nur annähernd in der Lage ist, sie durchzulesen und zu studieren, der wird merken, mit welch schwieriger Materie wir es dabei zu tun haben. Wer es aber bei diesen wissenschaftlichen Erörterungen beließe, würde sich nach unserer Ansicht in bezug auf unser Volk nicht richtig verhalten. Denn Raumordnung ist angewandte Gesellschaftspolitik. Wir von der Fraktion der CDU/CSU müssen in besonderer Weise herausstellen, daß es bei dieser Raumordnung um den Menschen geht, der im Vordergrund unseres Handelns, unseres Tuns stehen muß. Raumordnung geschieht allein um der Menschen willen. Neue Gebiete werden erschlossen und neue Methoden werden angewandt werden müssen, um den Problemen der Raumordnung gerecht zu werden. Denn seien wir uns über eins klar: Wir bekommen manchmal den Vorwurf zu hören, wir hätten diese Fragen zu spät in Angriff genommen. Ich bin nicht dieser Ansicht. Die Dinge werden sich fortentwickeln, wir werden ständig das Problem der Raumordnung vor uns haben, auch noch in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren. Die Raumordnung ist demnach nicht zeitbedingt, sie ist überzeitlich zu beurteilen. Hier werden sich immer wieder neue Probleme stellen.
Seien wir uns doch über eins klar, meine Damen und Herren: Die Nachkriegszeit mit dem Bedürfnis, den Menschen zunächst Arbeit und Brot zu geben, hat natürlich in besonderer Weise die Verdichtungsräume geschaffen und ausgeweitet. Das ist eine Selbstverständlichkeit, über die wir eigentlich nicht zu sprechen brauchen. Aber zu verhindern, daß neue Verdichtungsräume entstehen, ist die Aufgabe, die uns hier gesetzt ist.
Meine beiden Vorredner haben bereits eindeutig die Situation gekennzeichnet. Wer vom Osten unseres Vaterlandes nach dem Westen fährt, wird am besten die Probleme vor Augen geführt bekommen, der wird sehen, daß drüben im Osten unseres Vaterlandes, der Bundesrepublik, die Dichte der Bevölkerung bei weitem nicht so groß ist wie hier im Westen, der wird feststellen, daß dort die industrielle Ballung wesentlich geringer ist als hier im Westen. Ich möchte mich aber mit der Situation als solcher nicht länger auseinandersetzen. Ich will lediglich feststellen, daß die Konzentration von Bevölkerung und Betrieben eine feststehende Tatsache ist, mit der wir uns aber nicht für alle Zeiten abfinden sollten. Im folgenden nenne ich einige Zahlen, die Ihnen aufzeigen, in welcher Weise diese Verdichtungsräume entstanden sind.
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Dr. Dittrich
Auf 32 800 qkm leben über 23 Millionen Menschen. Das besagt prozentual ausgedrückt, daß 42,7 v. FL der Gesamtbevölkerung in diesen Konzentrationsräumen leben, die flächenmäßig nur etwa 14 v. H. der Gesamtfläche der Bundesrepublik ausmachen. 60 v. H. der Steuer- und Wirtschaftskraft liegen in diesen Gebieten.
Ich darf in diesem Zusammenhang zwei weitere Zahlen nennen, die Ihnen das ganze Mißverhältnis aufzeigen. Es gibt Gemeinden, in denen die Realsteuerkraft pro Kopf der Bevölkerung 33 DM beträgt, und es gibt Gemeinden, in denen sich die Realsteuerkraft auf 604 DM beläuft. Ich rede nicht dem das Wort, daß in Zukunft alles gleich sein müsse. Das würde sich wahl hienieden nie verwirklichen lassen. Aber ich rede dem das Wort, daß diese Differenz von 33 DM zu 604 DM Realsteuerkraft pro Kopf der Bevölkerung eben ein Mißverhältnis darstellt,
das nicht unbedingt sein muß und das überwunden werden kann.
Meine Damen und Herren, ich sagte, 60 % der Steuer- und Wirtschaftskraft liegen in diesen Gebieten. Das wirtschaftliche Übergewicht dieser Räume ist also noch weit größer, als es die Bevölkerungszahlen auszudrücken vermögen. Auf der anderen Seite besteht in einem flächenmäßig erheblichen Teil des Bundesgebiets ein offensichtliches Mißverhältnis zwischen Bevölkerungszahl und Existenzgrundlage, das sich in Steuerschwäche, der sich daraus ergebenden Leistungsschwäche der kommunalen Körperschaften sowie in einer ungenügenden Ausstattung mit Gemeinschaftseinrichtungen auswirkt. In diesen Gebieten, die industrieschwach und im allgemeinen zugleich agrarische Problemgebiete sind, leben rund 8 Millionen Menschen, also nicht einmal so viel wie in dem einzelnen Ballungsraum Rhein/Ruhr, auf etwa 40 v. H. der Fläche des Bundesgebiets. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Bundesgebiets beträgt nur 15,7 e/o. Allein diese wenigen Zahlen ergänzen das, was durch den Bundesminister und durch Herrn Schmidt bereits aufgezeigt wurde.
Die Situation ist jedem, der in diesem Hause sitzt, völlig klar, und ich meine, auch darüber hinaus jedwedem in der Bevölkerung, der einmal auch nur annähernd im Bundesgebiet herumkommt.
Wesentlich — über die Situationsschilderung hinaus — ist die Frage der Bewertung der gegenwärtigen räumlichen Entwicklung im Bundesgebiet. Auf diese Bewertung der Situation müßten wir meines Erachtens besonderen Wert legen, weil sich daraus dann die notwendigen Konsequenzen ergeben.
Da ist zunächst einmal in den zurückgebliebenen Gebieten folgendes aufzuzeigen. Es fehlen in diesen Gebieten — ich brauche nur an mein eigenes Heimatland zu denken, an Bayern, insbesondere an das östliche Bayern, an den Bayerischen Wald — ausreichende Existenzgrundlagen, vor allem genügende außerlandwirtschaftliche Erwerbsmöglichkeiten. Die Folge davon ist, daß die, die dort ihre Heimat haben, sich ihr Brot anderswo verdienen müssen. Die Folge ist, daß bei dem gegenwärtigen kommunalen Finanzsystem die Finanzkraft der Gemeinden unzureichend ist, und daraus resultiert, daß die, die aus der Landwirtschaft ausscheiden, ja ausscheiden müssen, sich irgendwo anders ihre Heimat suchen, wenn sie nicht dauernd tägliche oder wöchentliche oder monatliche Pendler sein wollen.
Meine Damen und Herren, vergessen wir nicht, daß infolge dieser Tatsachen in diesen Gebieten bei manchen Bevölkerungsteilen das Gefühl auftritt, daß man nicht teilhat an den Gütern dieser Welt; denn in diesen unterentwickelten Gebieten ist eben das zivilisatorische und das kulturelle Leben nicht dergestalt, wie es anderswo ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht in aller Ausführlichkeit die strukturellen Mängel in den überbelasteten Verdichtungsgebieten beleuchten. Die meisten von Ihnen kennen diese Verhältnisse in vorzüglicher Weise. Sie wissen, was dort Lärm und Luftverunreinigung bedeuten. Sie kennen die Überlastung der Verkehrseinrichtungen. Sie kennen das oft tägliche stundenlange Fahren zum und vom Arbeitsplatz. Sie kennen alle diese Probleme, die dort auftreten. Mit diesen Fragen und mit der Lösung dieser Fragen uns zu beschäftigen, ist uns auch im Deutschen Bundestag aufgegeben.
Es wäre nicht richtig, meine Damen und Herren, wenn wir hier feststellten, daß auf dem Gebiete der Raumordnung nichts geschehen sei. Die Gemeinden, insbesondere die Städte, die Landkreise, die Regierungsbezirke, die Länder haben auf diesen Gebieten schon manches getan. Wenn ich allein an mein Land Bayern denke, darf ich dankbar anerkennen, daß auch für die unterentwickelten Gebiete, daß auch für die Zonenrandgebiete schon vieles geschehen ist.
Vergessen wir bei der Betrachtung der Situation nicht, daß wir in einem geteilten Vaterland wohnen und leben, und vergessen wir nicht, daß wir gerade im Begriffe sind, in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hineinzuwachsen, die in eben derselben Weise Raumordnungsfragen kennt, die schon jetzt dort angesprochen werden. Wenn aber innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine Raumordnung zur Diskussion steht, so ist es meines Erachtens eine der ersten und wichtigsten Aufgaben unserer Bundesrepublik, zunächst einmal in unserem Vaterlande selbst diese Raumordnung in Angriff zu nehmen.
Der Einwand der Länder, meine Damen und Herren, ist Ihnen allen bekannt. Daß Raumordnung notwendig ist, diese Erkenntnis gehört im gegenwärtigen Zeitpunkt und sicher auch schon früher zum Allgemeingut. Hier wird es kaum — von der Linken des Hauses bis zur Rechten des Hauses — irgendeine Meinungsverschiedenheit geben. Raumordnung ist in der Tat notwendig, nur die Methoden und die Wege dazu werden vielleicht verschieden aufgefaßt werden.
Die Länder wenden ein, ein Verwaltungsabkommen sei ausreichend. Der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ist der
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Dr. Dittrich
Ansicht, daß ein solches Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern nicht genügt, sondern daß ein Gesetz erforderlich ist, weil nur dieses Gesetz die Handhabe gibt, daß über das Verwaltungsabkommen hinaus eine Verbindlichkeit für die Länder, für die einzelnen Gemeinden und die dort Wohnenden bestehen kann. Man sollte sich mit dieser rechtlichen Situation nicht lange auseinandersetzen. Sie ist theoretischer Natur. Der Bundesminister hat ein Gutachten vorgelegt, das sich mit diesen Fragen auseinandersetzt. Ich möchte mich bei dieser Grundsatzdebatte nicht länger mit diesen Fragen beschäftigen. Ich will überhaupt nur den Versuch unternehmen, über Grundsätze zu sprechen, weil meine Kollegen Hesberg und von Bodelschwingh es übernommen haben, zu den speziellen Fragen im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau, dem Städtebau und der Landwirtschaft insonderheit zu sprechen.
Ich bin der Ansicht, daß wir in den Ausschüssen gewissenhaft überprüfen müssen, ob auf Grund der verfassungsrechtlichen Situation dem Bund das Gesetzgebungsrecht in dieser Form zusteht. Ich meine, wir könnten zu diesem Ergebnis kommen, wie wir überhaupt die Möglichkeit haben, mit den Ländern, deren Vertreter in den Ausschüssen sind, über diese Fragen zu sprechen. Der Herr Minister hat es auf sich genommen, die einzelnen Regierungschefs in den Ländern zu besuchen und dort Gespräche über die Raumordnung von der Seite des Bundes her zu führen. Seit der Sitzung des Bundesrates im Frühjahr dieses Jahres ist das Eis wohl geschmolzen. Ich will hoffen, daß das Ergebnis der Gespräche dergestalt war, daß man zu einem gemeinsamen Handeln, zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen kann.
Raumordnung — das möchte ich den Ländern sagen, die Widerstand geleistet haben — ist nicht Landesplanung, sondern auch Landesplanung. Aber Raumordnung ist mehr als Landesplanung. Was uns mit diesem Gesetz vorschwebt, ist eine Aufstockung der unterentwickelten Gebiete und eine Minderung der Verdichtungsräume, wobei in besonderer Weise, wie ich meine, die Zonenrandgebiete berücksichtigt werden müssen, weil sie das Bollwerk gegenüber dem Osten sind. Auf diesem Gebiet ist manches geschehen. Wir haben die Zonenrandgebiete gefördert, aber wir müssen fortfahren, wir müssen auch auf diesem Gebiet gegebenenfalls noch mehr tun, um das Gefälle von Osten nach Westen wenigstens annähernd auszugleichen.
Was wir nicht wollen, ist, einen Gegensatz zwischen Stadt und Land aufzureißen. Natürlich bestehen Verschiedenheiten in Stadt und Land, die gegeben sind, die sich aber meines Erachtens nicht dadurch korrigieren lassen, daß wir die einen gegen die anderen ausspielen. Ich würde falsch verstanden, wenn man meinte, ich spräche gegen die Städte, insbesondere gegen die Großstädte, deren Probleme uns allen bekannt sind. Denken wir doch an die Stadt München, die — in besonderer Weise im Bundesgebiet — wächst und in nächster Zeit Aufgaben zu bewältigen hat, die außerordentlich schwer sind, die gar nicht gelöst werden können,
wenn ihr nicht das Land und der Bund Hilfe zuteil werden lassen. Das ist das Problem, mit dem wir uns im gegenwärtigen Zeitpunkt beschäftigen müssen.
Ich möchte das so zusammenfassen: Das Land kann nicht ohne die Stadt, aber auch die Stadt nicht ohne das Land leben. Es muß ausgewogen sein. Aber es darf nicht so werden — und das ist der Gegenstand der Richtlinien in § 2 des Gesetzentwurfs —, daß das Land, daß insbesondere unsere Dörfer draußen veröden, geistig zurückbleiben, nicht aufholen. Heute morgen hat mir jemand ein Wort in bezug auf die unterentwickelten Gebiete, in bezug auf manches Dorf, das an der Peripherie liegt, gesagt, das ich hier gern zitieren möchte: Wir sind es satt, Kartoffeln und Dienstmädchen zu liefern.
Überlegen wir diese Fragen einmal! Sie sind von einer eminenten Bedeutung, und nur der vermag sie richtig zu erkennen, der selbst in diesen Gebieten wohnt.
Der Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. Sie ersehen daraus diese Ziele der Raumordnung. Ich möchte noch einmal hervorheben, daß es um die freie Entfaltung der Persönlichkeit geht, wie es in § 1 des Gesetzentwurfs steht. Raumordnung, meine Damen und Herren, ist angewandte Gesellschaftspolitik, eine Gesellschaftspolitik, wie wir sie auffassen müssen.
Ich beantrage, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung und zur Mitberatung dem Ausschuß für Kommunales und dem Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die einzige Überraschung der bisherigen Aussprache besteht nach meiner Auffassung in dem Hinweis des Kollegen Dr. Dittrich, daß die Herren Dr. Hesberg und Bodelschwingh noch zu speziellen Fragen, nämlich zu Fragen des Wohnungsbaus und der Landwirtschaft, heute und hier Stellung nehmen wollen. Meine Fraktion war der Meinung, wir würden uns heute bei der ersten Lesung auf eine Generaldebatte beschränken. Aber selbstverständlich haben wir keine 'Einwendungen gegen Ihre Absichten zu erheben, noch über Spezialfragen zu sprechen. Nur werden wir dann gegebenenfalls gezwungen sein, zu diesen Fragen erneut Stellung zu nehmen.
Hier ist sonst manches gesagt worden, dem man voll zustimmen kann. Wenn man hört, was heute sowohl von Herrn Dr. Schmidt als auch von Herrn Minister Lücke und soeben von Herrn Dr. Dittrich ausgeführt worden ist, dann wundert man sich, daß soviel Zeit ins Land gehen mußte, um einen Minimalkatalog aufzustellen, auf Grund dessen man sich eigentlich auch mit den Ländern, wenn ich es richtig sehe, verständigen könnte.
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Jacobi
Für die einen ein Schreckgespenst, für die anderen eine Art Wunderwaffe, geistert die Vokabel von der Raumordnung seit einiger Zeit umher. Der Herr Kollege Dr. Schmidt hat hierzu soeben bereits Bemerkungen gemacht, die derartige Verzerrungen und Mißdeutungen eines wichtigen staatspolitischen Aufgabenbereichs auf das rechte Maß zurückführen. Er hat dabei einen dankenswerten Überblick über die unerfreulichen Verzögerungen gegeben, die die Raumordnungsberatungen in diesem Hause seit mehr als zehn Jahren — wie wir meinen, völlig unnötig — erfahren haben. Das ist ein Punkt, auf den ich nachher noch einmal um der Klärung der Verantwortlichkeiten willen zurückkommen muß.
In diesen zehn Jahren sind ganze Bibliotheken mit Raumordnungs-Literatur gefüllt worden. Ein hier in Bonn und darüber hinaus sehr bekannter Journalist hat in einer angesehenen Zeitung vor einiger Zeit einmal geschrieben: „Über kaum ein Gebiet ist in den letzten Jahren so viel und so gescheit geredet und geschrieben worden wie über die Raumordnung." Aber er hat mit dieser Feststellung ein paar kritische Bemerkungen verbunden. Eine lautet in lapidarer Kürze: Aber geschehen ist wenig.
Soeben hat der Kollege Dr. Dittrich gemeint, in seinem Land, in Bayern, sei doch eigentlich sehr viel geschehen. Ich habe daraufhin einmal kurz überlegt, was unsere Betrachtung gewisser entwicklungspolitischer Arbeiten in den Ländern, z. B. in bezug auf Bayern, ergeben könnte. Dabei ist mir in Erinnerung gekommen, daß wir vor wenigen Tagen, ) nämlich am 2. Dezember, aus Presse, Rundfunk und Fernsehen erfahren haben, daß im Ingolstädter Raum die erste von vier geplanten Erdölraffinerien in Betrieb genommen wurde. Fast zum selben Zeitpunkt erfuhren wir, daß es zwischen dem Bundeswohnungsbauministerium und der bayerischen Staatsregierung wegen Ingolstadt und seiner Bestimmung als weißer Kreis zu lebhaften Auseinandersetzungen gekommen ist. Die bayerische Staatsregierung soll sich mit Rücksicht auf den in diesem Gebiet verstärkt notwendigen Wohnungsbau nicht dazu verstehen können, sich auf das statistische Wohnungsdefizit zu verlassen und die Liberalisierung der Wohnungswirtschaft schon jetzt durchzuführen.
Es ist ein hochinteressantes tagespolitisches Beispiel, das die Verzahnung der Dinge zeigt; denn bei dem Ingolstädter Raffineriekomplex handelt es sich für jedermann deutlich erkennbar um eine Anzahl von Entscheidungen, die raumwirksame Bedeutung haben, also mehr als raumbedeutsam sind. In diesem Hause werden zumeist Entscheidungen getroffen, die nicht so deutlich raumwirksam, sondern zunächst nur raumbedeutsam sind.
Ich habe mir noch einmal schnell eine Arbeit, eine Untersuchung angesehen, die die bayerische Staatsregierung vor einiger Zeit mit der immerhin interessanten und Aufmerksamkeit erfordernden Überschrift „Grundlagen und Ziele der Raumordnung in Bayern" herausgegeben hat. Ich habe hineingeschaut und festgestellt, was darin über die Industrieregion Ingolstadt ausgesagt wird. Das ist so lapidar, daß ich es Ihnen gar nicht vortragen kann.
Ich habe mich nach Einzelheiten erkundigt. Dabei ist mir gesagt worden: Es wird zwar viel über den Ingolstädter Raum gesprochen; aber so ist es nicht, daß dort eine zielbewußte Regionalplanung stattgefunden habe. Vielmehr hat sich dort folgendes ergeben: Eines Tages ist der Leiter des ENI-Konzerns aus Rom, der im vergangenen Jahr tödlich verunglückte Herr Mattel, zum Wirtschaftsminister in Bayern gekommen und hat ihm erklärt, er habe mit seinen Mitarbeitern festgestellt, daß für bestimmte Rohrleitungen und Erdölraffineriepläne Ingolstadt der richtige Raum sei. Er hat also sozusagen wie ein Feldherr vor der Karte gestanden und — mit dem Finger auf der Karte — erklärt: Das nehmen wir!
Nun mußte er aber deutsche Stellen fragen. Der bayerische Wirtschaftsminister soll ihm nicht etwa einen Expertenstab angedient haben, der unter dem Aspekt der auf lange Sicht angestellten Überlegungen der bayerischen Staatsregierung sagte: jawohl, diese Region ist geeignet, dort gibt es Arbeitskräfte, dort gibt es Wohnungen, dort sind objektive Bedingungen, denen entsprechend man Ihrem Plan zustimmen kann!, sondern er soll ihm gesagt haben — relata refero, ich berichte, was mir gesagt worden ist —: bitte, fahren Sie mal hin, da haben wir einen besonders tüchtigen Landrat!, was auch geschah. So soll die Industrieregion Ingolstadt entstanden sein.
Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was ich hier, gestützt auf Informationen, berichtet habe, dann ist das ein Beweis dafür, wie arg die Dinge aussehen und wie rasch der Zufall in einem solchen Falle, der vielfältige Ausstrahlungen auslöst und von einer unerhörten volkswirtschaftlichen und raumpolitischen Bedeutung ist, entscheiden kann.
Ich sagte, auch hier in diesem Hause werden Entscheidungen getroffen, die nicht immer erkennbar raumwirksam, aber doch raumbedeutsam sind. Und da wir gerade das Beispiel einer Erdölraffinerie vor Augen führten, will ich bei dem Kapitel bleiben.
Vor einiger Zeit standen wir vor der Notwendigkeit, zu Absichten Stellung zu nehmen, die auf eine Besteuerung des Raffineriegases abzielten. Der Bundestag hat das abgelehnt, weil er davon überzeugt war, daß die geplante Maßnahme dem Kohlenbergbau, an den gedacht worden war, nicht helfen könnte, und weil auch Gesichtspunkte der Bekämpfung der Luftverpestung Beachtung fanden; denn bekanntlich verbrennt Gas ohne schädliche Auswirkungen gegenüber der Umwelt. Aber kaum ist bei. dieser Entscheidung daran gedacht worden, daß sie raumbedeutsam war und auch raumwirksame Folgen hat, ob sie so oder so getroffen wurde. Wäre sie nämlich anders ausgefallen, so wären zwei Raffineriebauten, der eine in Speyer und der andere in Mannheim, in Schwierigkeiten geraten. Vol.. allem aber wäre die in Aufbau befindliche Ferngasversorgung des südwestdeutschen Raums hinsichtlich ihrer Absatzchancen infolge der Erhöhung des Gaslieferpreises hart betroffen worden.
Beide Beispiele, das Ingolstädter und das mit der Raffineriegasbesteuerung, lassen zumindest ahnen, wie oft raumordnungspolitische Entscheidungen getroffen werden, die als solche nicht umfassend ge-
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nug vorbereitet oder hinsichtlich ihrer Auswirkungen nicht ausreichend gewertet werden. Sie zeigen deutlich, wie sehr wir überall insoweit noch am Anfang stehen und wie wenig Veranlassung besteht, sowohl beim Bund wie bei den Ländern und den Kommunen die Meinung zu vertreten, das Gerede von der Raumordnung sei eine maßlose Übertreibung, es sei ja gar nicht so schlimm, und die Dinge könnten doch im Grunde genommen behutsam weiterverfolgt werden. Das ist ein Irrtum, der uns viel gekostet hat, der mit seinen Versäumnissen bis jetzt schon manche volkswirtschaftliche Fehlinvestition verursacht hat.
Soviel als Vorabbemerkungen.
Nun zunächst einige Feststellungen zum Regierungsentwurf eines Raumordnungsgesetzes. Gegen diesen Entwurf, den der Herr Minister heute, ich möchte fast sagen, behutsam verteidigt hat, und gegen seine Begründung gibt es eine ganze Reihe von Einwendungen, die in einer ersten Lesung nicht völlig unangesprochen bleiben können. Ich will nur einige hervorheben. Es muß zunächst bezweifelt werden, ob die Präambel, die sich in dem Gesetzentwurf der Regierung findet, sehr sachdienlich ist, wenn sie den sozialen Ausgleich sowie die äußere und innere Sicherheit, also Gesichtspunkte hervorhebt, die nicht Sache der Raumordnung oder unscharf sind. Hier erscheint der Initiativgesetzentwurf aus den Reihen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft, der sogenannte IPA-Entwurf, klarer. Er mißt dem Bund die Aufgabe zu — ich zitiere wörtlich —:
die räumliche und strukturelle Entwicklung des Bundesgebietes im ganzen zu fördern und d i e Planungen und Maßnahmen aufeinander abzustimmen und zusammenzufassen, die über die Belange einzelner Länder hinausgehen.
Damit, meine Damen und Herren, kann man, wenn man will, etwas anfangen, was sinnvoll, ja zweckmäßig ist. Wir werden bei der näheren Untersuchung des Entwurfs anläßlich der Ausschußberatungen festzustellen versuchen, was hier möglich ist.
Ein Weiteres: § 2 des Regierungsentwurfs enthält einige Grundsätze, die hinsichtlich dessen, was mit ihnen beabsichtigt ist oder bewirkt werden kann, einer äußerst sorgfältigen Prüfung bedürfen. Grundsatz 1 enthält nach dem, was in der Begründung dazu gesagt wird, den tragenden Gedanken. Es wird der Klärung bedürfen, worin das Gefälle der allgemeinen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse denn eigentlich besteht und inwieweit es eines Ausgleichs bedarf. Hier gibt es sehr unterschiedliche Meinungen, und es wird sie hier auf Grund der Differenziertheit der jeweiligen Standortprobleme immer geben.
Hinzu kommt, daß das Problem der Ballungen oder wie es jetzt schauderhafterweise heißen soll der Verdichtungsräume es ja nicht nur mit Menschen zu tun hat. Dazu übrigens eine Bemerkung: Ich weiß, daß die Bundesregierung dem Drängen z. B. des Deutschen Städtetages nachgegeben hat, der etwas gegen den Terminus Ballungsräume
hatte. Ich muß Ihnen offen gestehen, ich habe hier den Städtetag nie begriffen. Eine Sache soll man ruhig so nennen, wie man sie immer genannt hat, und bei Verdichtungsräumen kommt mir bei meinem mangelnden technischen Verstand ein Bild, als handelte es sich um einen Motor, um Einzelteile dieses Motors und bestimmte physikalische Wirkungen dieses Motors. Ich finde den Ausdruck so schauderhaft, daß ich mich mit ihm nie befreunden werde; ich werde nach wie vor Ballung sagen, wenn etwas eine Ballung darstellt, und nicht Verdichtung.
Was diese Ballungsräume anlangt, so ist hier auch Privat- und Sozialkapital geballt anzutreffen, und es fragt sich neben vielem anderen, wie in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung auf Entscheidungen von privaten Investoren im Sinne einer möglicherweise gewünschten Verlagerung der Betriebsstätten eingewirkt werden soll. Mir ist das im Augenblick ziemlich rätselhaft.
Auf andere mit gewissen Vorstellungen über Entballungsmaßnahmen zusammenhängende Fragen werde ich später noch kurz zurückkommen. Es geht dabei u. a. um die Unerläßlichkeit einer ideologiefreien Bewertung der Sachverhalte. Ein solches Erfordernis ergibt sich auch bei anderen Komplexen, die mit den Grundsätzen des § 2 des Regierungsentwurfs zusammenhängen, so etwa bei dem Grundsatz Ziffer 5. Von der Schwierigkeit seiner Verwirklichung und der Frage abgesehen, ob einer solche Proklamation überhaupt als Grundsatz in ein Bundesrahmengesetz zur Raumordnung gehört, muß man sich einmal klare Vorstellungen machen, wobei ich das schreckliche Deutsch, das sich in dieser Ziffer findet, nur nebenbei erwähne. Ich haben den Wortlaut nicht da; er ist so schauderhaft, daß ich Ihnen das Vergnügen nicht nehmen möchte, sich selbst in dieses Deutsch zu vertiefen und sich zu fragen, ob man das so stehenlassen kann. Vom Inhalt abgesehen, halte ich dafür, daß man auch als Nichtmitglied des Deutschen Sprachvereins hier von vornherein sein Veto zu erklären hat.
— Der Grundsatz Ziffer 5, Herr Dr. Schmidt. Aber Sie dürfen beruhigt sein, Herr Kollege, wir haben in unserem Entwurf keine Entsprechung. Wir haben es nicht für richtig gehalten, hier in eine Konkurrenz einzutreten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen, daß der Regierungsentwurf seine Vorgeschichte hat. Wir kennen die Tatsache, daß sich im Bundesratsplenum eine knappe Mehrheit für die kategorische Ablehnung der Vorlage fand. Wir wissen, daß das auch deshalb ein bedauerlicher Umstand gewesen ist, weil sie es der Bundesregierung schwer machte, ihre eigene Vorlage auf Grund der inzwischen angestellten Überlegungen und der gewon-
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nenen Erkenntnisse noch einmal zu überprüfen. Um so beachtlicher ist unter diesen Umständen die Tatsache, daß sich der erste Raumordnungsbericht, der auf die Initiative der Kollegen aus den Reihen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft auf Grund eines einstimmigen Beschlusses des Hohen Hauses zustande kam, offenkundig einiger kritischer Hinweise angenommen hat. Er vermittelt den Eindruck einer mit Sachkunde, Exaktheit und Fleiß angestellten Untersuchung, und er wird für die Beratung der beiden heute in erster Lesung anstehenden Gesetzentwürfe besonders hilfreich sein.
Auch ,die in den Bundesratsausschüssen und vom Deutschen Städtetag erarbeiteten Gegenentwürfe dürften sich anregend für die Ausschußberatungen auswirken.
Erlauben Sie mir zur Verdeutlichung des Gemeinten zwei Zitate aus dem Raumordnungsbericht. Zitat 1:
Die in dem SARO-Gutachten aufgeführten Ballungszonen sind nicht ohne weiteres mit den überlasteten Verdichtungsräumen gleichzusetzen. Nicht alle Ballungszonen sind überlastete Verdichtungsräume. Es gibt andererseits auch überlastete Verdichtungsräume außerhalb der Ballungszonen. Zu ihrer Ermittlung bedarf es der Verwendung weiterer Merkmale als derjenigen, die im SARO-Gutachten verwendet würden. Auf diese Feststellungen wird zurückgegriffen, um das Ausmaß der Problematik sichtbar zu machen.
I Was dann auch dankenswerterweise in dem Bericht geschieht.
An einer anderen Stelle findet sich der Hinweis darauf, daß „eine positive Raumordnungspolitik eher als Verbote und Beschränkungen" dazu beiträgt, „unerwünschte Entwicklungen zu hemmen", und daß „die von der Bundesregierung anerkannte gleichartige Verpflichtung gegenüber a 11 e n Räumen des Bundesgebietes" auch die Förderung aller Maßnahmen einschließt, die geeignet sind, strukturelle Schäden abzubauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sind Grundsätze, die man durchaus akzeptieren kann, weil sie sich wertfrei mit den Sachverhalten zu beschäftigen scheinen und die Möglichkeit einer objektiven Prüfung eröffnen. Auch die sonstige Sprache des Raumordnungsberichtes scheint frei von ideologischen Vorstellungen zu sein. Sie hebt sich wohltuend von manchem ab, was gelegentlich aus dem Munde oder der Feder von Bundesoberen an raumordnungspolitischen Erwägungen in der Vergangenheit festzustellen war.
Allerdings kann auch der Raumordnungsbericht keineswegs kritiklos hingenommen werden. So finden wir auf Seite 37 die fürwahr kühne Behauptung, daß die Bundesressorts ihre Maßnahmen auf die Raumordnung ausrichten. Das ist doch wohl ein Wechsel auf die Zukunft; das ist doch nicht die Wahrheit von heute. Die dazu im Raumordnungsbericht für die einzelnen Ressorts angeführten Beispiele befinden sich auf den Seiten 38 bis 53 und
enthalten, wenn man die Fakten einmal kritisch betrachtet, im wesentlichen nichts anderes als den Nachweis, daß die dort aufgeführten Maßnahmen raum wirksam sind, also auf den Raum gewirkt haben. Daß dabei eine Raumordnungspolitik zum Tragen gekommen wäre, kann bestenfalls für einige bescheidene Sachbereiche behauptet werden, so z. B. für die regionale Wirtschaftspolitik im Rahmen des regionalen Förderungsprogramms der Bundesregierung.
— Verzeihen Sie, hier spreche ich gar nicht von den Richtlinien. Es ist Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß ich auf eine Darstellung im Raumordnungsbericht Bezug genommen habe, in der ziemlich kühn behauptet wurde, es sei schon Gegenwart, was vielleicht Zukunft ist. Es ist nämlich mit der Koordinierung der Bundesressorts nach wie vor eine Crux; darüber könnte Ihnen Herr Minister Lücke ein Privatkolleg lesen. Er nickt zustimmend.
Es kann also- wirklich nicht davon die Rede sein, daß 'hier schon alles in Ordnung wäre. Folgt man den Angaben über das Gesamtvolumen der raumwirksamen Maßnahmen, so sollen das in diesem Jahre zirka 9 Milliarden DM sein. Diese Zahlen hat Georg Müller in Heft 2 der Zeitschrift „Raumordnung und Raumforschung" vor einiger Zeit genannt. Von dieser erheblichen Summe aus gewinnt man die richtige Bewertung der Höhe der raumordnungspolitisch eingesetzten Bundesmittel. Aber in dem einzigen raumordnungspolitisch gezielten Bereich des regionalen Förderungsprogramms werden jährlich, im Verhältnis zu den anderen Beträgen, kann man sagen, „nur" zirka 140 Millionen DM eingesetzt. Das weitaus erdrückende Übergewicht der raumwirksamen Maßnahmen wird im Gegensatz hierzu nach wie vor allein nach Ressortgesichtspunkten, nicht aber nach übergeordneten raumordnungspolitischen Motiven eingesetzt.
Auch nach der Lektüre des Raumordnungsberichts behält man das Gefühl, daß die vor eineinhalb Jahren erfolgte Aufstellung der Raumordnungsgrundsätze, Herr Kollege Baier, der Bundesregierung zwar sehr verdienstvoll war, daß sich diese Grundsätze aber in der Praxis der Ressortentscheidungen, wenn überhaupt, so nur unzulänglich ausgewirkt haben. Es ist daher festzustellen, daß die innerhalb der Bundesregierung ergriffenen Mittel bislang zur echten Aktivierung der Raumordnung nicht ausreichen. Es dürfte daher notwendig sein, innerhalb der Bundesregierung wirksame Sicherungen für den raumordnungspolitisch richtigen Einsatz der Bundesmittel zu schaffen.
Erst, Herr Minister Lücke, wenn dies geschehen ist, werden wir feststellen können, ob es der Bundesregierung mit ihren Erklärungen auf diesem Gebiete wirklich ernst ist. Hier stehen schließlich keine verfassungsrechtlichen Hindernisse im Wege. Durch einfache organisatorische Maßnahmen,
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zu denen es keines Gesetzes bedarf, können die notwendigen interministeriellen Beteiligungs- und Meldepflichten eingeführt werden. Ergeben sich Kollisionsfälle oder unterschiedliche Auffassungen, so ist hier entweder über die Richtlinienkompetenz des Herrn Bundeskanzlers oder über einen Kabinettsbeschluß die Entscheidung möglich. Das setzt allerdings voraus, daß die für die Raumordnung interessanten Maßnahmen der einzelnen 'Ressorts dem Minister, der für die Raumordnung verantwortlich ist, zur Prüfung bekanntgegeben werden. Vorsichtige Äußerungen in den Presseorganen des für gewöhnlich auf diesem Gebiet gut informierten Landkreistages nähren meine Zweifel, ob der Raumordnungsminister bisher von den übrigen Ressorts exakt oder in einem solchen Maße unterrichtet worden ist, daß er die ihm zugewiesene Koordinationsaufgabe überhaupt erfüllen kann.
Wenn sich diese Vermutung bestätigt, täten Herr Minister Lücke und die ganze Bundesregierung gut daran, das Nötige schnell zu tun, um mit ihren Forderungen an die Länder glaubwürdig zu werden. Dann erst, wenn die Bundesregierung in Sachen Raumordnung ihr eigenes Haus bestellt hat oder glaubhaft macht, daß sie alles in ihrer Macht Stehende unternimmt, erscheinen die gegenüber den Ländern erhobenen Informations- und Beteiligungsansprüche gerechtfertigt.
Dabei wird sich schließlich auch noch zeigen müssen, ob die dem Raumordnungsminister zur Verfügung stehende technisch-verwaltungsmäßige Ausstattung überhaupt ausreicht, die zu erwartende Fülle von Maßnahmen und Planungen in dieser Richtung zu bearbeiten. Ist das nicht sichergestellt, so lohnt sich der ganze Aufwand nicht. Meine Damen und Herren, ich möchte allerdings klarstellen, daß das keine Aufforderung an den Raumordnungsminister ist, mit neuen Stellenanforderungen in einem außerordentlich weitgehenden Maße zu kommen.
Ich möchte vielmehr anregen, zu prüfen, ob wirklich alle vorhandenen Leistungsreserven richtig ausgenutzt und eingesetzt worden sind. Das gilt einmal für das Ministerium selbst, in das ich keinen so tiefen Einblick habe, um feststellen zu können, ob da solche Möglichkeiten bestehen. Mit Rücksicht darauf, daß einige Aufgabengebiete in letzter Zeit nicht mehr so sorgfältig 'gepflegt werden, wie das bisher der Fall war, möchte ich aber untersucht haben, ob unter Umständen nicht gewisse hausinterne Möglichkeiten geschaffen werden können.
Unter Umständen gibt es auch Möglichkeiten anderer Art. So würde ich Überlegungen etwa dahin anstellen, ob die bislang noch immer dem Innenministerium nachgeordnete Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung nicht einen gewissen Wechsel in der ministeriellen Zuständigkeit erfahren sollte.
Denn diese Bundesanstalt verfügt über zwei Institute, die jahrelang im theoretisch-wissenschaftlichen Raum bemerkenswerte Vorarbeiten für die Raumordnung geleistet haben. Beide Einrichtungen könnten mit ihrem hervorragenden Personal direkt und wirksam für die Raumordnung eingesetzt werden. Wenn solche Überlegungen etwa bereits schweben — bei der Institutsbesichtigung durch den Wohnungsbauausschuß im Januar dieses Jahres war die Rede davon —, dann sollte der Vollzug nicht länger verzögert werden. Ob solche Maßnahmen ausreichen, mag dann beurteilt werden, wenn ernsthafte Versuche, Leistungen zu erbringen, gemacht worden sind. Der außenstehende interessierte Beobachter hat jedenfalls den Eindruck, daß es an der notwendigen Entschiedenheit im verwaltungsmäßigen Vollzug der raumordnungspolitischen Vorstellungen der Bundesregierung noch erheblich mangelt.
Unter den angedeuteten Vorbehalten kann kein Zweifel daran bestehen, daß die noch in den allerersten Anfängen stehende Koordination zwischen Bund und Ländern der Regelung bedarf. Auch hier besteht die erste Voraussetzung darin, daß beide Partner überhaupt voneinander erfahren, was sie beabsichtigen. Hier haben die Länder von vornherein eine bessere Ausgangsposition; das muß man klar sehen. Die einschlägigen Bundesgesetze haben ihnen hinsichtlich der Bundesfachplanungen — man denke an das Bundesfernstraßen-, Bundesbahn-, Landbeschaffungs- und Schutzbereichsgesetz — weitreichende Beteiligungsrechte verschafft. Die Landesfachminister wissen um diese Planungen meist eher etwas als der Bundesraumordnungsminister. Umgekehrt lassen die Länder nach der gegenwärtigen Übung den Bund ihre Programme, Pläne und Einzelmaßnahmen grundsätzlich nur dann wissen, wenn Bundesmittel oder andere Bundeshilfen gefordert werden. Bezüglich der Informationsverpflichtung ist daher eine gesetzliche Grundlage zweifellos zweckmäßig, ja, ich meine sogar, notwendig. Daß sie nur sinnvoll ist, wenn der Raumordnungsminister diese Meldungen auch verarbeiten kann, möchte ich nochmals betonen.
Über die Information hinaus erscheint eine ständige Kooperation zwischen dem Bund und den Ländern notwendig. Die in beiden Entwürfen vorgesehene Konferenz für Raumordnung läßt allerdings kaum Hoffnung, daß sie durch die vorgesehene Legalisierung wirksamer wird. Hier ist die Institutionalisierung zur Sicherung der Kontinuität einfach unverzichtbar. Die Konferenz muß in einem regelmäßigen Turnus tagen. Sie muß mit Ministern oder deren Bevollmächtigten besetzt sein. Sie muß eine ständige Geschäftsstelle haben. Derartiges oder Ähnliches gibt es in anderen Ländern seit langem. So findet in der holländischen Praxis in jedem Monat eine gemeinsame Sitzung der leitenden Raumordnungsbeamten des Reiches und der Provinzen statt. Dort werden echte Entscheidungen getroffen oder vorbereitet und keine theoretischen Erwägungen ausgetauscht. Dort und in anderen Ländern fragt man nicht in erster Linie wie bei uns nach den verfassungsrechtlichen oder verfassungspolitischen Bedenken und sucht sie nicht wie bei uns sozusagen mit der Lupe bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sondern dort sieht man das allgemein Erforderliche und setzt sich ohne Prestigeerwägungen um der gemeinsamen Sache willen zusammen. Wir sollten uns
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das zur Lehre nehmen und sollten versuchen, zwischen Bund, Ländern und allen Beteiligten ein neues Klima zu schaffen; da kann jeder etwas tun.
Übrigens sind beide Entwürfe hier in einem Punkte unvollständig. Es wird nicht geregelt, was geschehen soll, wenn Bund und Länder in einer Sachfrage nicht zu einer Übereinstimmung gelangen. Der Vorschlag des Entwurfs der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft, daß dann eine Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats den Streit schlichten solle, wird nur selten wirken; da kann man wirklich keine große Hoffnung haben. Wir wissen, wie mühselig es ist, Rechtsverordnungen dieser oder ähnlicher Art zustande zu bringen. Es wird in den Ausschußberatungen sorgfältig geprüft werden müssen, ob die Verfassung wirklich keine bessere Lösung dieses Problems zuläßt.
Es sollte sichergestellt werden, daß zu den Beratungen nicht nur Sachverständige aus Theorie und Praxis, sondern als ständige Gäste auch Vertreter des Bundesrates hinzugezogen werden. Auch das dient neben der Mehrung des Sachverstandes der Kooperation.
Lassen Sie mich noch einige allgemeine Bemerkungen anschließen. Während es das Ziel einer gesunden Wirtschaftspolitik ist, allen Gliedern des Volkes die Möglichkeit der wirtschaftlichen Entfaltung und der Teilhabe an der wirtschaftlichen Expansion nachhaltig zu sichern, sollte das Ziel der Raumordnungspolitik darin bestehen, annähernd gleichwertige Lebenschancen in allen Regionen des Landes zu ermöglichen. Dabei kann es nur auf die sozusagen saldierte Gleichwertigkeit, keinesfalls aber auf eine Gleichartigkeit der Lebensbedingungen ankommen. Daß dazu mehr erforderlich ist als die Aufstellung einer These, daß hier schwierige Probleme zu lösen sind, ist selbstverständlich. Wir wissen, daß sich die Wohlstandskonzentrations- einerseits und die Erosionsgebiete andererseits zunehmend auseinanderzuentwickeln drohen. Wir wissen aus Untersuchungen — etwa von Professor Jürgensen —, daß die Tendenz der Auseinanderentwicklung mit der Aktivierung der europäischen Zusammenarbeit wahrscheinlich noch weiter verschärft wird. Es scheint ziemlich deutlich zu sein, daß die Gebiete mit zunehmender Wohlstandskonzentration auch im EWG-Raum ihre wirtschaftlichen Erfolgschancen noch vergrößern werden, während die Erosionsgebiete, auch weite Teile der rein landwirtschaftlich orientierten Räume, schärfstem Druck ausgesetzt werden.
Es dürfte außer Zweifel stehen, daß eine zielbewußte Sozial- und Gesellschaftspolitik sich auch in dem raumpolitischen Grundsatz bewähren muß, der Bevölkerung ,der Notstandsgebiete solidarische Hilfe zu gewähren und in den Gebieten, denen Notstände drohen, mit ,geeigneten Maßnahmen zu wirken.
Was die Wahl der Mittel anlangt, dürften alle die Maßnahmen den Vorzug verdienen, die die Struktur und die Entwicklungsmöglichkeiten fördern. Subventionen auf Dauer können nur in solchen Räumen verantwortet werden, die, wie unsere Zonenrandgebiete oder Berlin, das Opfer politischer Willkürmaßnahmen geworden sind.
Meine Damen und Herren, es ist eine umstrittene Frage, ob man zur Ballung und Entballung überhaupt mit allgemeinen Grundsätzen Stellung nehmen kann. Ich meine — gemeinsam mit meinen Freunden —, daß es vielmehr auf die Entscheidung über den konkreten Einzelfall ankommt. Hier ist die klare Frage zu stellen, ob im bestimmten Raume für bestimmte Maßnahmen eine weitere Ballung hinzunehmen, vielleicht sogar im Einzelfall zu empfehlen oder ob sie zu verhindern ist. Das ist ein vielschichtiges, differenziertes Problem. Der richtige Ansatzpunkt dürfte die objektive wirtschaftliche Wägung und womöglich die Berechnung der Ballungsvor- und -nachteile am konkreten Objekt sein. Bevölkerungsdichte und Sozialprodukt als statistische Merkmale sind keine ausreichenden Maßstäbe für eine Entscheidung darüber, ob ein Ballungsraum überlastet ist.
Wir haben mit Interesse vermerkt, daß der Herr Minister bei jüngsten Gelegenheiten zu diesem Problem Ausführungen gemacht hat, die sich deutlich von mancher Formulierung abheben, die wir gelegentlich in der Vergangenheit hörten. Hier scheint also auch die Vernunft auf dem Marsche zu sein. Wir werden aber sorgfältig zu beobachten wissen, ob es sich hier nur um Worte handelt und wie sich die tatsächliche Entwicklung und das Verhalten der Bundesregierung, vor allem des für die Raumordnung zuständigen Ministers, auswirken.
Wir sind der Meinung, daß mit den ideologischen Hintergründen aufgeräumt werden muß, die bei der Erörterung der Entballungs- und Ballungsproblematik immer wieder wieder aufzuspüren sind. Hier hat sich, glaube ich, doch auch allgemein eine vernünftigere, den sachlichen Erfordernissen entsprechendere Einstellung bei vielen, die das bisher ein wenig schematisch sahen, durchgesetzt. Ich habe schon angedeutet, daß der Raumordnungsbericht der Bundesregierung vor allem auch hierzu vorsichtige Thesen anbietet. Sie stellen, wie ich finde, eine brauchbare Diskussionsgrundlage dar. Dasselbe gilt von den Darlegungen, die wir von der Seite des Städtetages und von den Kommunen hierzu in letzter Zeit zur Kenntnis nehmen konnten. Es gibt also eine Fülle von Materialien, die uns über die beiden heute hier vorliegenden Gesetzentwürfe hinaus zur Verfügung stehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es muß aber auch ein Wort des Vorbehaltes gesagt werden, das notwendig ist, weil nicht der Eindruck entstehen darf, daß wir nicht auch verfassungsrechtlich gezogene Grenzen zu beachten wüßten und im Übereifer vielleicht in Kompetenzen eingriffen, die die Länder mit Recht als die ihren beanspruchen. Wir wissen, daß Entballung in einem begrenzten Umfang durchgeführt werden kann durch die Stadtsanierung, die mit einer Entkernung und Auflockerung der städtebaulichen Zustände, die es zu überwinden gilt, verbunden ist. Wenn überhaupt, so kann die raumordnerische Dezentralisation aber nur so verstanden werden, daß die industrielle und wohnungsbaumäßige Zuwachsrate nach vernünftigen Gesichtspunkten hier und zu diesem Zwecke gelenkt und gestaltet
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wird. Die Erkenntnis, daß längst nicht mehr Großstädte Zentren der Ballungsräume, sondern deren Randkreise das Ziel der industriellen und bevölkerungsmäßigen Wanderung sind, bezeichnet eine der konkreten und dringlichen Gegenwartsaufgaben der Raumordnung, nämlich die Gestaltung der Stadtregion durch die Schaffung attraktiver Unter- und Nebenzentren, wobei nicht nur die Großstädte, sondern auch Mittel- und Kleinstädte mit ihrem Umland gemeint sind. Das hat mit einem Für und Wider bezüglich der Großstadt, der Mittelstadt, der Kleinstadt und dem Lande nicht das Geringste zu tun. Allerdings liegt hier — das sei deutlich gesagt — keine Lenkungsfunktion des Bundes vor. Die Ordnung der Stadtregion ist und bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe der beteiligten Kommunen und, wenn diese sie nicht zu lösen vermögen, der Landesplanung. Etwas anderes mag allenfalls für die zwei oder drei Agglomerationsräume gelten, die über Landesgrenzen hinausreichen, sofern sich hier die beteiligten Kommunen und Länder nicht zu einigen vermögen. Diese raumordnerische Aufgabe geht den Bund aber wohl auch nur insoweit an, als er seine Wohnungsbau-, Städtebau- und Sanierungsförderungsmittel einsetzt. Die Frage, ob dem Bund hier eine Beteiligung bei der Mittelvergabe zugestanden werden sollte, darf zumindest insoweit bejaht werden, als es sich um die Aufstellung von Förderungsrichtlinien handelt, die eine gewisse prinzipielle Gleichartigkeit der Objektwertung sicherzustellen hätten.
Während die konkrete Gestaltung der einzelnen Stadtregionen gewiß keine Aufgabe der Bundesraumordnung ist, muß eine Mitverantwortung des Bundes jedoch in Anspruch genommen werden für die Harmonisierung der Notstands- und Sanierungsprogramme der einzelnen Länder und des Bundes. Dasselbe gilt für die Bestimmung der besonders zu fördernden Klein- und Mittelstädte in solchen Regionen, bei denen eine drohende Erosion abzuwenden ist. Zu all dem sollte sich die Bundesregierung eine laufende Unterrichtung des Bundestages vornehmen und dem ersten Raumordnungsbericht weitere umfassende Darstellungen in angemessenen Abständen nachfolgen lassen.
Wir möchten schon jetzt darauf hinweisen, daß wir darüber hinaus möglichst konkrete Darstellungen der Bundesregierung über einige bedeutsame Punkte erwarten, über die wir bisher keinerlei Aufschluß erhalten haben. So ergibt sich die Frage, ob und in welchem Umfang und für welche regionalen Räume Raumstrukturanalysen angestellt worden sind oder angestellt werden sollen. Wir wissen, daß sich die Organe der EWG um solche Untersuchungen bemühen. Was ist von deutscher Seite an Aktivitäten erfolgt oder zu erhoffen?
Die Bundesregierung spricht betont von zurückgebliebenen Gebieten vor allem im Sinne agrarischer Problemräume. Ist sie sich, wenn ja, mit welchen Vorstellungen, klar darüber, daß raumordnungspolitisch auch an bisher gut entwickelte Gebiete zu denken ist, die durch Konjunkturschwankungen oder Strukturänderungen in Schwierigkeiten geraten sind oder gar geraten können? Denken wir nur an Wirtschaftszweige, die, wie der Steinkohlen- oder Erzbergbau oder die Textilindustrie Verschlechterungen erfahren haben oder erfahren können, Verschlechterungen, mit denen wesentliche raumwirksame Veränderungen verbunden sind.
Bestehen Vorstellungen über die Maßnahmen, die getroffen werden müssen, falls etwa konjunkturelle Rückschläge Zweigbetriebe großer Firmen in geförderten zentralen Orten empfindlich treffen?
Das sind einige Einzelfragen, über die wir im Ausschuß gern Aufschluß erhalten möchten — nur einzelne Fragen neben vielen anderen, über die ich nicht sprechen kann —, die andeuten, wie schwierig die Aufgaben sind und wieviel Möglichkeiten auch ohne Gesetz schon jetzt bestehen, Vorstellungen der Bundesregierung hinsichtlich ihrer raumordnungspolitischen Absichten zu entwickeln. Der Herr Bundeskanzler hat ja betont davon gesprochen, und Herr Minister Lücke hat das heute wiederholt, daß es die Absicht der Bundesregierung sei, die Raumordnung zu aktivieren. Bitte, hier sind einige Punkte, bei denen die Bundesregierung mit den Parteien, auch mit der Oppostion, gemeinsame Überlegungen anstellen kann, wie wir weiterkommen.
Ich darf nun ein paar Bemerkungen zu den heutigen Ausführungen von Herrn Minister Lücke machen, soweit mir die Zeit gestattete, Notizen zu machen.
Herr Minister Lücke hat von den großen Gemeinschaftsaufgaben der Erneuerung unserer Dörfer und Städte im Rahmen einer wirksamen Raumordnung gesprochen. Er erklärte in diesem Zusammenhang, das Bundesbaugesetz habe als Grundgesetz der Ortsplanung seine Bewährungsprobe bestanden. Insoweit möchte ich ihm nicht widersprechen. Obwohl die Zeit für ein abschließendes Urteil nicht ausreicht, kann nicht geleugnet werden, daß das Bundesbaugesetz in vielerlei Hinsicht, besonders was die Planungsvoraussetzungen anbelangt, eine Verbesserung der Situation gebracht hat. Aber mit diesem Bundesbaugesetz sind bekanntlich auch Verzichte der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses verbunden gewesen, gewisse bodenpolititische Bestimmungen, die Erfolg versprachen, einzuführen. Wir haben nach wie vor festzustellen, daß hier ein Versäumnis geschehen ist, dessen Folgen wir allesamt zu spüren bekommen haben.
Ich sehe Herrn Staatssekretär Ernst neben dem Herrn Minister als sein „getreuer Ekkehard" sitzen. Wenn mich die Presse heute richtig unterrichtet hat, dann hat Herr Staatssekretär Ernst vor wenigen Tagen vor einem Kreis von Kommunalfachleuten Ausführungen über die traurige Entwicklung de Bodenpreise gemacht. Als wir in einer Aussprache zu Beginn des vorigen Jahres — es war die zweite große Aussprache über die Baulandpreise — über diese Fragen sprachen, war er immer noch der Meinung, die Bestimmungen, die Hilfsmittel des Bundesbaugesetzes reichten hier aus. Wir haben von vornherein bezweifelt, daß das der Fall ist. Ich könnte Ihnen — ich will mit Rücksicht auf die Zeit darauf verzichten; ich werde das im Ausschuß tun
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— einige neue Hinweise darauf geben, wie schlimm die Entwicklung geworden ist und daß leider auch Institutionen, die dem Bunde nahestehen oder vom Bund beeinflußt werden könnten, an diesem Auftrieb der Bodenpreise ohne Rücksicht auf Regierungserklärungen teilhaben. Hier kann einiges verbessert werden.
Der Minister hat eindeutig unterstrichen, daß es zur Ordnung der Verhältnisse eines Gesetzes bedarf. Damit hat er gleichsam einen Akt der tätigen Reue vollzogen. Herr Kollege Dr. Schmidt hat schon darauf hingewiesen, daß es die Bundesregierung war, die im zweiten Bundestag eine Gesetzesinitiative aus den Reihen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft förmlich torpediert hat. Sie war es, die damals — allerdings unter der Federführung des schlecht beratenen Innenministeriums — alles Heil in einem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern suchte. Sie hat es infolgedessen mit zu vertreten, da hierdurch Zeit verlorengegangen ist, die vielleicht nicht wieder eingeholt werden kann. Die diesbezügliche Passivität der Bundesregierung hat die Länder geradezu ermuntert, sich gegen ein Rahmengesetz zu wehren. Allerdings dürften zum Teil auch gewisse von mir angedeutete unklare Darlegungen der von der Bundesregierung mit einem Gesetz verbundenen Absichten bei den Ländern Widerstände hervorgerufen haben.
Was die gelegentlich geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Raumordnungsgesetzgebung des Bundes anlangt, so dürften auch hier weitaus überwiegend materielle und nicht rechtliche Zweifel den Hintergrund ablehnender Stellungnahmen bilden. Wir sind in bezug auf die Beurteilung der Rechte des Bundes mit Ihnen, Herr Minister, völlig einig. Wir sind der Auffassung, daß ein solches Rahmengesetz möglich ist. Wir halten es — das habe ich, wie ich glaube, schon klar genug zum Ausdruck gebracht — auch für zweckmäßig, ja für notwendig.
In einigen Punkten aber haben auch Ihre heutigen Ausführungen keine restlos befriedigende Klarheit geschaffen. Es wird einer sorgfältigen Prüfung Ihrer Darlegungen, Herr Minister, bedürfen, beispielsweise über die wirtschaftsschwachen Gebiete, über die Bruttoinlandsproduktszahlen, vor allem aber über die nur angedeutete Problematik der städtischen Bereiche, um festzustellen, ob sich nicht auch jetzt noch bestimmte sachfremde Erwägungen und Motivationen bei Ihnen finden. Ich hoffe, Sie sind in der Beziehung doch ein ganz klein wenig beeindruckt von kritischen Hinweisen, die es in der Zwischenzeit gegeben hat. Vieles von dem, was Sie ausgeführt haben, deckt sich so sehr mit den jahrelangen Mahnungen der Opposition, daß man sich fragen muß, warum es bei einer solchen Übereinstimmung der Auffassungen nicht schon längst zu einer Verbesserung einiger raumordnungspolitischer Ausgangspositionen gekommen ist. Ich meine die von der Bundesregierung seit vielen Jahren immer wieder angekündigte und immer wieder auf Eis gelegte Ordnung des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Hier liegen Versäumnisse vor, die von der Bundesregierung und der Mehrheit
dieses Hauses in entscheidender Weise mitverantwortet werden müssen. Sie bieten den Schlüssel für die Erkenntnis zahlreicher für raumordnungspolitische Mängel wesentlich mitverantwortlicher Faktoren.
Raumordnung, Stadt- und Dorferneuerung sind zur Stunde wohlklingende Vokabeln, die auch heute wieder aus dem Munde des Ministers zu hören waren. Außer dem Regierungsentwurf zur Raumordnung hat der Minister auch den Entwurfeines Städtebauförderungsgesetzes erwähnt, das der Starkund Dorfgebietserneuerung dienen soll. Wir meinen — ich sage das ganz knapp, ohne ,auf die Einzelheiten einzugehen —: mit programmatischen Thesen ist es hier nicht getan; für sie ist der Bund und ein Gesetz kaum vonnöten. Die Hilfen des Bundes müssen echte Hilfen sein. Sie müssen auch in der Bereitschaft bestehen, die finanziellen Lasten mitzutragen. Was wir in dieser Beziehung seit Beginn der Degression der Bundesmittel für den Wohnungsbau erleben, gibt nicht sehr zu Hoffnungen Anlaß. Den wohlklingenden, so leicht aus Mund und Feder gleitenden Vokabeln muß auch die klingende Münze beigesellt werden. Mit anderen Worten, nicht die Deklaration von Thesen, sondern das praktische Handeln ist entscheidend.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß.
— Ich glaube, da hat eben jemand „Bravo!" gerufen.
Ich verstehe das durchaus, aber andererseits kann nicht jahrelang von der Wichtigkeit dieses Themas gesprochen werden und dann bei einer Generaldebatte gewünscht werden, daß darauf verzichtet wird, auf problematische Dinge, wenn auch nur kurz, zu sprechen zu kommen. Es ist ein Thema, das nicht nur abendfüllend ist. Es wird uns Wochen und Monate beschäftigen, hoffentlich nicht solange, daß die Verabschiedung eines uns allen probat erscheinenden Entwurfs in dieser Legislaturperiode dadurch unmöglich wird.
Sie dürfen darauf bauen, daß die Opposition nach dieser Richtung hin nicht tätig wird. Sie wird alles tun, um ihre Bereitschaft zu bekunden, an einer alsbaldigen Verabschiedung allerdings eines ihr genehmen Gesetzes mitzuwirken. Wir haben hier einige Anregungen. Wir bitten, bei den Ausschußberatungen etwa zu überlegen, ob es nicht der gemeinsamen Sache, vor allen Dingen auch der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, dienen könnte, wenn wir uns auf lange Sicht gesehen, dazu verstehen würden, uns zur Begutachtung der raumordnungspolitischen Situation eines ständigen, aber, Herr Minister, völlig unabhängigen Sachverständigengremiums zu bedienen. Ich sage: auf lange Sicht. Hier könnten wir, ähnlich wie dies durch einen Beschluß dieses Hauses hinsichtlich der Begutachtung der Entwicklung der Gesamtwirtschaft geschehen ist, vielleicht doch zur Erleichterung der Urteilsbildung bei allen verantwortlichen Instanzen und in der Öffentlichkeit wesentlich beitragen und uns zusätzliche Hilfen schaffen. Mit der Einrichtung eines
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solchen Gremiums kann vielleicht auch die heute so schwierige Entscheidung der Zweifelsfrage erleichtert werden, ob sich die im Grundsätzlichen weitgesteckten Ziele der Bundesraumordnung allein mit dem Mittel weniger Grundsätze erreichen lassen.
Ich will hierzu nicht mehr sagen. Ich finde mit meinen Freunden, daß der Vorteil, daß jetzt vier Entwürfe vorliegen, ja, wenn man die Sachverständigenentwürfe dazunimmt, sogar fünf oder sechs, in den parlamentarischen Beratungen genutzt werden sollte. Besonders dem von Minister Lücke bereits erwähnten Umstand, daß sich jetzt im kommunalen Bereich ebenfalls eine Linie gemeinsamer Vorstellungen abzeichnet, kann positive Bedeutung zukommen. Die Vorschläge des Deutschen Städtetages enthalten vor allem zwei wichtige Gesichtspunkte, nämlich die Sicherung der Beteiligung der kommunalen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung einerseits und die klarere Regelung des Planungsverfahrens andererseits. Wir erwarten in der Generaldebatte im Ausschuß von der Bundesregierung zunächst vor allem klare Auskünfte über den Stand der Raumordnungspraxis innerhalb der Bundesregierung. Es muß erreicht werden, daß mit der Verabschiedung des Gesetzes, wenn möglich noch innerhalb dieser Legislaturperiode, auch die Bundesregierung selbst das Nötige im eigenen Bereich veranlaßt. Das scheint uns die beste Voraussetzung dafür zu sein, die Länder, ohne deren Mitwirkung nichts gelingen wird, zu gewinnen.
Der Minister hat an die Opposition appelliert, an dem Zustandekommen eines Rahmengesetzes für die Raumordnung mitzuwirken. Ich habe bereits erklärt, daß dieser Appell offene Ohren findet. Wir haben uns bereits vor Jahren bereit gefunden, als die Bundesregierung noch zögerte. Wir werden auch hinsichtlich richtlinienmäßiger Grundsätze mit uns reden lassen. Auch da haben wir vor Jahren einige Beispiele gegeben. Wir haben für wirtschaftswirksame, sozial wirksame und kulturelle Zielsetzungen präzise Vorschläge gemacht; sie stehen nach wie vor zur Verfügung. Um so mehr dürfen wir als Opposition das Recht für uns beanspruchen, die raumordnungspolitische Zielsetzung der Bundesregierung auf die Vereinbarkeit mit unseren eigenen Vorstellungen sachlich und kritisch zu prüfen. Hierzu wird sich in den Ausschußberatungen die Gelegenheit bieten.
Es geht, meine Damen und Herren, nicht um die Frage, ob ein Rahmengesetz geschaffen werden soll und kann, sondern um das Wie seiner Ausgestaltung. Wir meinen hierbei, daß es keiner neuen und großen Theorien bedarf, sondern daß es darauf ankommt, sichere und feste Grundlagen für das praktische Handeln im Geiste des allgemeinen Wohls zu schaffen. Hierzu sind wir bereit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hammersen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein verehrter Herr Vorredner hat soeben ziemlich am Schluß seiner
Ausführungen bemerkt, daß bei seinem Hinweis auf das baldige Ende seiner Ausführungen jemand im Zuhörerraum Bravo gerufen habe. Er hat nicht danach gefragt, wer der Zurufer sei. Ich bekenne mich, Herr Kollege Jacobi, zu diesem Zuruf, hoffe aber, daß Sie mir Ihre bisherige Gewogenheit deswegen nicht entziehen werden.
Ich kann aber das Hohe Haus beruhigen: nach den sehr erschöpfenden, und ich muß gestehen, auch mich ein wenig erschöpfenden Ausführungen des Herrn Kollegen Jacobi werde ich mich so kurz fassen, wie es die Materie nur eben erlaubt.
Ich las heute morgen in einem deutschen Nachrichtenmagazin, dessen Zitierung hier und dort als etwas suspekt oder gar als Schleichwerbung empfunden wird, einen Leserbrief, in dem der § 38 der alten preußisch-deutschen Felddienstordnung zitiert wurde: „Unterlassen", so heißt es dort, „und Versäumnis belasten schwerer als ein Fehlgreifen in der Wahl der Mittel." An diesem altbewährten Grundsatz mußte ich denken, als ich mir nochmals die Argumente vor Augen hielt, die der Deutsche Bundesrat in seiner 255. Sitzung bei der Beratung des Regierungsentwurfs eines Raumordnungsgesetzes gegen die Gesetzesinitiative der Bundesregierung ins Feld geführt hat und die in der ablehnenden Begründung des Bundesrates nur recht summarisch ihren Niederschlag gefunden haben.
Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei, für die hier zu sprechen ich die Ehre habe, begrüßt es daher besonders, daß sich die neue Bundesregierung in ihrem Bemühen um eine rahmengesetzliche Ordnung hierdurch nicht hat beirren lassen, sondern in der Regierungserklärung des Kabinetts Erhard-Mende vom 18. Oktober 1963 und durch die heutigen Ausführungen des Herrn Bundesministers Lücke klar zu erkennen gegeben hat, daß sie in einer wirksamen Raumordnung — ich zitiere — einen notwendigen Bestandteil, und ich möchte hinzufügen, sogar einen der wesentlichen Bestandteile einer verantwortungsbewußten Gesellschaftspolitik und eine unerläßliche Voraussetzung für die Erneuerung unserer Städte und Dörfer sowie für die Fortführung des Wohnungsbaus sieht. Selbstverständlich wird man sich in den Ausschüssen — ich plädiere als alter Kommunalpolitiker verständlicherweise dafür, daß neben dem 24. Ausschuß auch der Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe zur Mitberatung hinzugezogen wird, weil die Auswirkungen eines jeden Gesetzes mit raumordnender Zielsetzung neben den landesplanerischen Bemühungen der Bundesländer in erster Linie und überwiegend die Gemeinden und die Gemeindeverbände berühren — sehr eingehend darüber unterhalten müssen, inwieweit man den Vorschlägen des Regierungsentwurfs und der drei anderen vorliegenden Entwürfe, nämlich der Entwürfe des Bundesrats und neuerdings des Entwurfs des Deutschen Städtetages, folgen will.
Hierüber heute schon im einzelnen zu sprechen dürfte nach meiner Ansicht den Rahmen einer ersten Lesung sprengen. Ich beschränke mich daher bewußt auf die Behandlung einiger weniger grundsätzlicher Fragen.
4564 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Hammersen
Als zu Beginn der jetzigen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages das bisherige Bundesministerium für Wohnungsbau in Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung umbenannt wurde, ist dieser Vorgang in der Öffentlichkeit in seiner Absicht und Tragweite zunächst nicht allgemein erkannt worden. Teilweise wurde diese Aufgabenerweiterung sogar mit Mißtrauen aufgenommen. Der Dreiklang „Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung" enthält nämlich eine sehr große Aufgabe nicht nur für den Techniker, den Soziologen und den Finanzwirtschaftler, sondern insbesondere auch für den Politiker. In allen Ländern der Welt, sowohl in alten Industriestaaten wie in den Entwicklungsländern, wird der in diesen Dreiklang zusammengefaßte Themenkreis aus den verschiedensten Perspektiven behandelt.
So stand z. B. im Mittelpunkt eines im vergangenen Jahr in Paris veranstalteten Weltkongresses für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung bei einer Beteiligung von mehr als 1500 Persönlichkeiten aus 30 Ländern der Erde das Thema „Menschliche Behausung und Zivilisation" an. Eine der wichtigsten Thesen dieses in der deutschen Öffentlichkeit leider viel zu wenig beachteten Kongresses lautete: Moderner Städtebau kann nicht ausschließlich nach architektonischen Gesichtspunkten betriebener Wohnungsbau sein; ihm muß vielmehr eine Raumordnung — und zwar unter Berücksichtigung sozialer, wirtschaftlicher und investitionspolitischer Erfordernisse — zugrunde liegen.
Man muß Herrn Bundesminister Lücke auch zustimmen, wenn er in seinem bekannten Aufsatz '„Raumordnung tut not" unterstreicht, daß bis vor kurzem die Erkenntnis, Raumordnung sei in der Bundesrepublik notwendig, noch keineswegs Allgemeingut war. Seiner Feststellung, daß die Kenntnis der Zusammenhänge bis vor kurzem auf einen kleinen Kreis von Fachleuten beschränkt gewesen sei, die zudem noch in dem Ruf standen, Träumer und Spintisierer zu sein, und daß demgegenüber heute jedermann, der die Hand am Puls der Bundesrepublik hat, fühle, daß etwas nicht in Ordnung sei und daß man die Dinge nicht so weitertreiben lassen könne, kann man ebenfalls nur beipflichten. Das hat ja auch der Berichterstatter in der 255. Bundesratssitzung, der Berliner Bausenator Herr Dipl.-
Ing. Schwedler, getan, als er nämlich feststellte, daß man auf dem bisher beschrittenen administrativen Weg, der mit dem 1961 verlängerten Verwaltungsabkommen von 1957 eingeschlagen worden sei, wesentliche Ergebnisse nicht — ich darf heute wohl sagen: überhaupt keine Ergebnisse — erzielt habe.
Allerdings ist diese Erkenntnis auch bei der Bundesregierung erst verhältnismäßig jungen Datums; denn schließlich ist sie, wie hier heute schon ausgeführt, seinerzeit mit die treibende Kraft dafür gewesen, daß der administrativen Regelung vor der gesetzgeberischen der Vorzug gegeben wurde.
Andererseits meinen manche, vor allem auch freiheitlich denkende und handelnde Mitbürger, Raumordnung verstoße vom Prinzip her gegen liberale Gedankengänge. Denen, die so argumentieren, seien die lesenswerten Gedankengänge und Feststellungen von Staatssekretär Prof. Dr. Ernst im Bulletin Nr. 102 vom 12. Juni 1963 zur Lektüre empfohlen. Dort führt er nämlich unter der Überschrift „Raumordnung und Freiheit" den meines Erachtens schlüssigen Beweis, daß Raumordnung eben nicht eine Sonderform der Planung ist, sondern Planung immer die Freiheit des einzelnen beengen und sie schließlich abtöten muß infolge der ihr zwangsläufig innewohnenden Tendenz, alles zu verplanen. Schließlich bannt das Grundgesetz mit seinen unabdingbaren Freiheitsrechten nach meiner Ansicht eine solche Gefahr, die allerdings nicht von vornherein geleugnet werden soll. Aber ich möchte doch meinen, daß wir Politiker schon Manns genug sind, um derartigen Gefahren, die besonders für die berufliche und betriebliche Freizügigkeit aus der falsch, nämlich als gemeindliche Bauleitplanung oder Fachplanung verstandenen Raumordnung entstehen könnten, von vornherein zu begegnen. Die Vertreter der Fraktion der Freien Demokraten werden bei den Beratungen in den Ausschüssen wesentlich mit darauf zu achten haben, daß hier nicht etwa des Guten zuviel getan wird.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland fordert in Art. 29 den Bundesgesetzgeber auf, das Bundesgebiet unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu zu gliedern. Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Die Leistungsfähigkeit des einzelnen Bundeslandes hängt nun aber nicht allein von seinen äußeren Grenzen, sondern gleichermaßen auch von einer sinnvollen Landesplanung innerhalb der Landesgrenzen ab. Die Kompetenz für den Erlaß von Landesplanungsgesetzen innerhalb der einzelnen Bundesländer steht grundsätzlich gemäß Art. 70 Abs. 1 des Grundgesetzes dem Landesgesetzgeber zu. Der Bund hat jedoch unter den Voraussetzungen des Art. 75 die Befugnis, ein Bundesraumordnungsrahmengesetz zu erlassen, das natürlich der anschließenden Ausfüllung durch Ländergesetze bedarf. Das Bundesgesetz muß die Leitgedanken der Raumordnung und das Prinzip ihrer späteren Durchführung normieren.
Hierum geht in erster Linie der Streit zwischen Bund und Ländern, auf den meine Herren Vorredner schon eingehend hingewiesen haben, so daß ich mir Wiederholungen ersparen darf. Zudem hat auch Herr Staatssekretär Dr. Ernst in der wiederholt erwähnten Bundesratssitzung sowie in verschiedenen grundsätzlichen Stellungnahmen über Rechtsgestaltung der Raumordnung die Auffassung der Bundesregierung hierzu so eindeutig dargelegt, daß ich mich in diesem Zusammenhang heute auf die Feststellung beschränke, daß auch die Fraktion der Freien Demokraten die Voraussetzungen und die Notwendigkeit für eine bundesgesetzliche Rahmengesetzgebung im Sinne des Art. 75 in Verbindung mit Art. 72 des Grundgesetzes bejaht. Ein zur Bekräftigung dieses Rechtsstandpunktes erstattetes Rechts-
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Hammersen
gutachten, von dem Herr Bundesminister Lücke sprach — eines namhaften deutschen Staatsrechtslehrers, wie er sagte —, wird uns sicher in den Ausschüssen noch eingehend zu beschäftigen haben. Aber ich möchte meinen, daß auch die Bundesländer und ihre Repräsentanz und zugleich das Gesetzgebungsorgan des Bundes, der Bundesrat, bei einer nochmaligen Beschäftigung mit diesen Problemen zu der Erkenntnis gelangen werden, daß der vom Deutschen Bundestag nunmehr zu beschreitende Weg auch in ihrem Interesse liegt.
Das Grundgesetz definiert bekanntlich den Begriff der Raumordnung nicht, was in Anbetracht der Tatsache, daß es sich hierbei um einen äußerst komplexen Begriff handelt, nicht weiter verwunderlich erscheint. Infolgedessen wird dieser Begriff Raumordnung je nach den konkreten Einzelvorstellungen in verschiedenstem Sinne gebraucht. Während man auf der einen Seite unter den Begriff Raumordnung eine sinnvolle Wohnungspolitik, eine zweckmäßige Industrieansiedlungspolitik und damit eine Entballung der Wirtschaftszentren subsumiert, versteht man auf der anderen Seite darunter eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse oder eine wirksame Unterstützung der finanzschwachen Gemeinden. Zugegeben, daß auch alle diese Punkte die Raumordnung berühren. Sie umreißen sie jedoch nicht annähernd in ihrem Aufgabenbereich. Aus diesem Grunde wird man kaum umhin können, auf die genaue Definition des Begriffs Raumordnung zu verzichten, und sie statt dessen vom Ziel her zu begreifen suchen.
Das Ziel der Raumordnung — und aus diesem Grunde widme ich diesem Punkt ein wenig meine Aufmerksamkeit — läßt sich mittelbar aus Art. 29 des Grundgesetzes entnehmen, nämlich der Vorschrift, leistungsfähige Länder zu schaffen. Zwar befaßt sich, wie von mir bereits erwähnt, diese Vorschrift nur mit der Neugliederung des Bundes in Länder, also mit der Frage der äußeren Ländergrenzen, die die Bundesregierung und uns in diesem Hause in der Zukunft ohnehin noch verschiedentlich wird beschäftigen müssen. Das Ziel der Neugliederung des Bundesgebiets, nämlich die Voraussetzungen für leistungsfähige Länder zu schaffen, muß aber für die Landesplanung innerhalb der Ländergrenzen ebenfalls gelten. Mithin werden unter dem Begriff Raumordnung neben Ausweisung von Erholungs- und Landschaftsschutzgebieten sowie neben einer Verbesserung der Agrarstruktur letztlich alle diejenigen Maßnahmen zu verstehen sein, die auf die Schaffung eines in jeder Beziehung leistungsfähigen Landes abzielen. Die Leistungsfähigkeit eines Landes hängt nun einmal, ob man das wahrhaben will oder nicht, im wesentlichen von seinen industriellen Verhältnissen ab. Eine blühende Industrie bringt bekanntlich Steuern, mit denen das Land seine staatlichen Aufgaben erfüllen kann. Ferner bringt sie mit ihrer hohen Beschäftigtenzahl allgemeinen Wohlstand, der sich letztlich zugunsten der gesamten gewerblichen Wirtschaft auswirkt. Wie einerseits aber das Land auf die Industrie angewiesen ist, so ist andererseits auch die Industrie auf die Hilfe des Landes angewiesen. Das Land muß im staatlichen Bereich die Voraussetzungen schaffen, unter denen die Industrie nutzbringend arbeiten kann.
Jede Raumordnung greift notwendig in vorgegebene Verhältnisse ein. Wird diesen vorgegebenen Verhältnissen nicht hinreichend Rechnung getragen, so wird die Raumordnung ihr Ziel verfehlen und sich nicht selten in ihr Gegenteil verkehren. Aus diesem Grunde muß nach meiner Ansicht bei der Bildung von Gremien, die die Grundsätze ,der Raumordnung anzuwenden haben, dafür Sorge getragen werden, daß durch entsprechenden Einbau von Vertretern der Gemeinden und Gemeindeverbände auf die vorgegebenen räumlichen Verhältnisse Rücksicht genommen wird und daß die Raumordnung in engem Zusammenwirken mit den Institutionen der gewerblichen und der Agrarwirtschaft erfolgt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen mit einem Zitat des Herrn Bundesministers Lücke, da ich leider in der schöngeistigen Literatur keinen passenden Reim gefunden habe.
Die Gesundung
— so sagt Bundesminister Lücke an .einer Stelle —
unserer räumlichen Ordnung ist eine der dringendsten und größten Aufgaben in der Bundesrepublik Deutschland, die nur bewältigt werden kann, wenn alle Beteiligten, Bund, Länder und Gemeinden, mit dem ganzen Volk zusammen die äußersten Anstrengungen unternehmen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß wir und unsere Kinder weiter in unserem Lande als freie Menschen leben und sich entfalten können.
Meine Damen und Herren, schaffen wir diese Voraussetzungen, indem wir uns zügig an die Beratung dieses Gesetzgebungswerkes begeben, das die freie Entfaltungsmöglichkeit unserer Mitbürger gewährleisten soll!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grundsatzfragen der Bundesraumordnung haben im Deutschen Bundestag stets ein lebhaftes Echo gefunden. Es war schon von der Entschließung die Rede, die der Deutsche Bundestag in seiner 116. Sitzung am 20. Mai 1960 bei Gelegenheit der Verabschiedung des Bundesbaugesetzes gefaßt hat, nämlich von dem Ersuchen an die Bundesregierung, in Abstimmung mit den Ländern gegebenenfalls auch die gesetzlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten, die erforderlich sind, um die Raumordnung wirksamer zu gestalten. Diesem Ersuchen, das aus den Beratungen des Bundesbaugesetzes resultiert, wird mit der Vorlage des Regierungsentwurfs zu einem Raumordnungsgesetz entsprochen. Ebenso ist der Initiativgesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Margulies und Genossen auf Drucksache IV/472 Ausdruck des besonderen Interesses des Bundestages an der Raumordnung.
Im Interesse der Sache ist es zu begrüßen, daß diese beiden Entwürfe, der Initiativentwurf und der Entwurf der Bundesregierung, in den grundlegenden
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Dr. Hesberg
Fragen übereinstimmen. Übereinstimmung sehe ich in erster Linie in der rückhaltlosen Bejahung des Gesetzes als der notwendigen Grundlage für die Bundesraumordnung. Auch darin, daß beide Entwürfe sich nicht auf Organisations- und Verfahrensrecht beschränken, sondern materielle Grundnormen der Raumordnung einbeziehen, sehe ich eine wichtige Übereinstimmung. Im übrigen erscheinen mir die Unterschiede zwischen diesen beiden hier zu erörternden Entwürfen mehr juristischer Natur, ohne daß ich damit deren Bedeutung bagatellisieren will.
Zunächst möchte ich den politischen Kräften, die hinter dem Initiativentwurf stehen, meine besondere Dankbarkeit bekunden. Abgeordnete aller drei in diesem Hause vertretenen Parteien haben sich mit der Forderung einer bundesgesetzlichen Regelung der Raumordnung miteinander verbunden. Daß dieser Erfolg erzielt werden konnte, ist ebenso dem politischen Verantwortungsbewußtsein der Unterzeichner wie den nachhaltigen Bemühungen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft zu verdanken, deren Vorsitzender den Initiativgesetzentwurf begründet hat. Einer Initiative desselben Kreises ist auch der Antrag Drucksache IV/473 zu verdanken, mit dem die Bundesregierung aufgefordert worden war, bis zum 1. Oktober 1963 den sogenannten Ersten Raumordnungsbericht zu erstatten. Dieser Antrag hat der Bundesregierung Anlaß gegeben, ihre Maßnahmen und Absichten auf dem Gebiet der Raumordnungspolitik im einzelnen darzustellen, zu belegen und zu begründen. Daß diese umfangreiche Arbeit auf den Tag genau vorgelegt wurde, ist von den an der Sache interessierten Kollegen dankbar begrüßt worden. Mit diesem Ersten Raumordnungsbericht auf Drucksache IV/1492 ist uns ein Dokument auf den Tisch gelegt worden, welches die Ausschußberatungen auch des Raumordnungsgesetzes wesentlich befruchten wird.
Die eingehende öffentliche Diskussion der Raumordnung bietet ein gutes Beispiel dafür, daß eine jede Sache zu ihrer Reife ihre Zeit braucht. Schien es noch vor Jahren so, als prallten in der Raumordnungspolitik die Interessen der Wirtschaft und des Staates hart aufeinander, als stünden die Standpunkte des Bundes, der Länder und der Gemeinden unvereinbar einander gegenüber und als könnten die Ressort- und Fachverwaltungen hier nicht auf eine Linie kommen, so zeigen die letzten Monate eine erfreuliche Zunahme der Verständigung. Dies konnte u. a. auch festgestellt werden bei den Besuchen in den Ländern, die der Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung im letzten Jahr gemacht hat. Sie galten u. a. auch dem Studium der Raumordnungsprobleme.
Wichtig erscheint mir nicht zuletzt, daß in allen westlichen Industriestaaten eine im Grundsatz gleichartige Politik verfolgt wird, was im Hinblick auf die künftige Entwicklung Europas bedeutsam sein dürfte. Das ist eine Raumordnungspolitik, die die wirtschaftlich schwachen Regionen fördert und damit das Gefälle zwischen diesen und den wirtschaftsstarken Konzentrationsräumen mindert und zugleich auf diesem Wege den auf den Verdichtungsgebieten ruhenden Bevölkerungs- und Industrialisierungsdruck abschwächt. Weil dies die einzige Raumordnungspolitik ist, die in den dicht besiedelten Industriestaaten möglich ist, stimmen die raumordnungspolitischen Grundvorstellungen in unserem Lande und in den Nachbarländern miteinander überein.
Auch in den Kreisen der Wirtschaft und ihrer Organisationen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die geläuterte Raumordnungspolitik von heute mit der Planwirtschaft nichts mehr gemein hat. Die Raumordnungspolitik von heute muß so gestaltet sein, daß sie mit den Grundprinzipien der Marktwirtschaft vereinbar bleibt. Ich bin der Überzeugung, daß die raumordnerischen Vorstellungen der Bundesregierung diese Bedingung nicht nur erfüllen, sondern gerade dazu beitragen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch in den zurückgebliebenen Gebieten zu beflügeln und damit einen Beitrag zur Entfaltung der noch versperrten Leistungsreserven bieten.
Die positiven Erklärungen, die der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Industrie- und Handelstag zur raumordnungspolitischen Aktivität der Bundesregierung abgegeben haben, bestätigen sinnfällig diese Auffassung. Die von diesen Kreisen bekundete Einstellung sollte auch dazu Anlaß geben, jegliche Privatinitiative zu fördern, die im Sinne der Grundsätze des Gesetzentwurfs entfaltet wird.
Gestatten Sie mir, die Dringlichkeit der Raumordnung vor allem aus dem Blickwinkel der Wohnungspolitik zu begründen. Der Verwirklichung unserer eigentumsbetonten Wohnungspolitik sind in den Verdichtungsräumen Grenzen gesetzt, wie eine echte Stadterneuerung ebenfalls zum Scheitern verurteilt sein würde, wenn wegen Raummangels kein neuzeitlichen Ansprüchen gerecht werdender Städtebau möglich ist. Wir wissen alle von den Folgen des Baulandmangels für die Verwirklichung von Familienbauvorhaben in den Verdichtungsräumen und waren uns schon bei der Verabschiedung des Bundesbaugesetzes darüber im klaren, daß der Mehrung des Baulandangebotes durch umfassendere Planung und Erschließung durch das Gemeindeareal Grenzen gezogen sind. Wir verschließen uns nicht der Tatsache, daß die Eigentumsbildung gerade der Arbeitnehmer und auch des Mittelstandes dadurch gehemmt wird bzw. sich teilweise zu Bedingungen vollzieht, die leicht dazu führen, daß das Familienheim zur Last wird. Wenn dazu in Verdichtungsräumen Sanierungsmaßnahmen unabweisbar sind, wird hier sogar die Eigentumserhaltung in Frage gestellt. Unsere auf weitestgehende Eigentumserhaltung ausgerichtete Gesellschaftspolitik würde unglaubwürdig, wenn in den Verdichtungsräumen nicht nachdrücklich auf eine Gesundung im Sinne der Grundsätze des zur Beratung anstehenden Gesetzentwurfs hingewirkt würde.
Gesunde Wohnverhältnisse und weitestmögliche Eigentumsbildung sind aber nicht nur in den Verdichtungsräumen gefährdet. Auch in unzähligen kleinen Gemeinden, insbesondere Dörfern, würden sie in Frage gestellt, wenn in solchen wesentlich hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgeblie-
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benen Bereichen nicht durch eine Raumordnungspolitik im Sinne des Gesetzentwurfs ein wirtschaftlicher Aufstieg angebahnt würde, mit dem sinnvolle Wohnungsbaupolitik einhergehen müßte. Gerade in diesen Bereichen — ich denke dabei nicht zuletzt an das Zonenrandgebiet — eröffnen sich bei konsequenter Anwendung der Raumordnungsgrundsätze des Gesetzentwurfs außergewöhnliche Chancen für weitgehende Eigentumsbildung.
Gestatten Sie mir auch noch einige grundsätzliche Bemerkungen zur Raumordnungspolitik allgemein. Ich glaube, wir stimmen hier alle darin überein, daß das Raumordnungsgesetz zwar eine entscheidende Grundlage für eine sinnvolle Raumordnungspolitik darstellt, aber bei weitem nicht die einzige. Auch auf dem Gebiet der Finanzpolitik wird noch einiges geschehen müssen. Da ist z. B. jener weite Bereich des Steuerrechts, der die finanziellen Verhältnisse der Gemeinden entscheidend bestimmt. Ich glaube, daß wir möglichst bald nicht nur eine Grundstücksneubewertung als Grundlage für eine richtige Bewertung des Grundvermögens beschließen müssen. Noch wichtiger ist die Frage der Gewerbesteuer, vor allem der gegenwärtigen Regelung des Gewerbesteuerausgleichs. Jeder Kenner der Verhältnisse wird mit mir darin übereinstimmen, daß in den heutigen Regelungen auf diesem Gebiet zu einem großen Teil die Ursache für Fehlentwicklungen in der räumlichen Ordnung liegt, da sie in einigen Fällen eine übermäßige industrielle Verdichtung in Arbeitsplatzgemeinden oder, anders ausgedrückt, in Industriegemeinden fördern, auf der anderen Seite aber den Wohnsitzgemeinden — man könnte sie auch als Schlafgemeinden bezeichnen — nur wirtschaftliche Lasten aufbürden, denen kein entsprechendes Entgelt gegenübersteht. Der übermäßige Sog mancher Industriestädte könnte durch eine entsprechende Neuregelung ebenso vermieden werden wie die Spannungen zwischen den Arbeitsplatz- und den Wohnsitzgemeinden vor allem im Umland der Verdichtungsgebiete. Hier müssen Bund und Länder bald zu gemeinsamen Lösungen kommen, denn weitere räumliche Fehlentwicklungen und die volkswirtschaftlichen Verluste, die sich daraus ergeben, können wir nicht mehr länger hinnehmen.
Wie sehr die scheinbar unbedeutenden Regelungen im Steuerrecht große negative räumliche Auswirkungen haben, zeigt auch die gegenwärtige Regelung über die Pflicht zur Aktivierung stiller Reserven bei der Veräußerung der Grundstücke und Anlagen im § 6 b des Einkommensteuergesetzes. Da gegenwärtig Industriebetriebe im Falle einer Standortverlagerung aus einer Gemeinde, in der wegen Arbeitskräftemangels oder Platzmangels nicht mehr ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten gegeben sind, in eine andere Gemeinde mit besseren Standortbedingungen, z. B. in eine Entwicklungsgemeinde in den agrarischen Problemgebieten, für den Unterschied zwischen dem Buchwert und dem erzielten Preis bei der Veräußerung der Grundstücke und Anlagen zur Einkommensteuer veranlagt werden, auch wenn der gleiche Betrag aufgewendet wird, um solche Anlagen am neuen Standort zu schaffen, unterlassen heute die meisten Betriebe eine Verlagerung zum besseren Standort. Das ist weder im Sinne der Raumordnungspolitik, noch im Sinne der sozialen Marktwirtschaft, noch im Sinne der Finanzpolitik.
Es könnten hier noch einige Beispiele dafür angeführt werden, wie die Raumordnungspolitik eine Flurbereinigung in der Gesetzgebung einleiten muß. Andere Hemmnisse einer vernünftigen räumlichen Entwicklung liegen auf administritativem Gebiet. Das heißt jedoch nicht, daß sie schneller beseitigt werden könnten, weil fast immer nicht nur mehrere Ressorts koordiniert werden müssen, sondern auch eine Zustimmung aller Länder herbeigeführt werden muß.
Ich hoffe hier auf die Kraft der guten Argumente. Wenn der gute Wille, der allenthalben sichtbar wird, anhält, werden wir diese dringenden Aufgaben auch gemeinsam zwischen Parlament und Regierung, gemeinsam zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, unterstützt von der Öffentlichkeit, so erfüllen können, wie man es von uns erwarten kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Bodelschwingh.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man könnte nach einer Reihe von Ausführungen des heutigen Abends glauben, daß die Raumordnung etwas Akademisches sei. Lassen Sie mich deshalb etwas Handgreifliches aus der Sicht des praktischen Landwirts sagen, der ja nun auch sehr stark betroffen ist. Meine Damen und Herren, wir haben mit dem Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung mehrere Reisen gemacht, um das Problem der Raumordnung zu studieren. Wir sind in großen Städten gewesen, im Industriegebiet an der Ruhr, an Rhein-Main, an Rhein-Neckar, auch in Holland. Wir haben eine Reise in ein Zonenrandgebiet, in ein sogenanntes landwirtschaftliches Problemgebiet, gemacht. Ich hätte gewünscht, daß die Beteiligung dabei noch größer gewesen wäre, und ich hätte gewünscht, daß auch Mitglieder dieses Hauses etwas mehr körperlich erlebt hätten, was wir da gesehen haben.
Stellen Sie sich bitte einmal eine der schönsten deutschen Landschaften vor, wie wir sie haben, eine typische Landschaft mit Wald, Bergen, Wiesen und Feldern. Stellen Sie sich einmal vor, wie man in ein solches hübsches, malerisches Dorf, das vielleicht noch aus dem Mittelalter stammt, hineinkommt. Stellen Sie sich dann vor, wie eng es da ist, wie schmutzig es da ist, wie es in den Gebäuden, in die man hineinschaut, aussieht. Es ist wirklich so, daß man eigentlich niemandem zumuten sollte, in solcher Umgebung zu arbeiten und zu leben.
Dieses traurige Bild ist nun Gott sei Dank nicht das Bild der deutschen Landwirtschaft. Es ist aber das Bild so vieler Problemgebiete, wie wir sie hier genannt haben, gerade in den schönen Landschaften des deutschen Mittelgebirges. Die deutsche Land-
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von Bodelschwingh
wirtschaft steht — das brauche ich nicht noch einmal zu sagen — allgemein in einem sehr, sehr tiefgreifenden Umstellungsprozeß. Wenn schon in den besten Gegenden mit den guten Böden, wo großbäuerliche Betriebe sind, die Agrarpolitik vor schwerwiegenden Aufgaben und vor fast unlösbaren Problemen steht, können Sie ermessen, wie schwer, wieviel schlimmer es erst in solchen Gebieten sein muß, wie ich sie eben beschrieben habe.
Dort ist es so, daß die klassischen Mittel der Strukturverbesserung, wie sie im Grünen Plan gefördert werden — die Flurbereinigung, die Aussiedlung, der Wegebau, die Wasserversorgung, die Elektrifizierung usw. —, keinen rechten Erfolg haben, wenn man nicht weiß, wo die Menschen bleiben sollen. Um diese Fragen geht es. Es hat keinen Zweck, die alten Betriebsgrößen einfach nur zu erhalten und nur die Felder zusammenzulegen, wenn keine Maßnahmen vorgesehen sind, die in die Zukunft weisen. Die Menschen müssen wissen, wohin sie sollen, was aus ihnen werden wird. Es ist von den Fernpendlern gesprochen worden. Alle diese Menschen müssen wissen, was sie tun sollen: Sollen sie einen anderen Beruf ergreifen? Welchen Beruf? Sollen sie das Dorf, ihre Heimat, nun wirklich verlassen? Soll die verdünnte Zone noch dünner werden, als sie vorher schon war?
Die Unruhe ist gewaltig. In der Landwirtschaft ist es schon so — das ist auch fast nicht bekannt —, daß die Hoferben das Erbe nicht mehr antreten wollen; die Mädchen wollen nicht mehr in solche Verhältnisse hineinheiraten, tüchtige junge Leute kehren der Landwirtschaft den Rücken. Übrig bleiben auf dem Lande die Alten, die unter der Last der Arbeit schließlich zusammenbrechen.
Darum kommt es uns so darauf an, daß die wirtschaftliche Kraft auf dem Lande gehoben wird. Das kann nur dadurch geschehen — ich will das deutlich sagen —, daß neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Raumordnung muß direkt oder indirekt helfen, daß die entsprechenden Landes- und Bezirksplanungen zustande kommen, daß entsprechende Maßnahmen bezüglich des Verkehrs, der Versorgung usw. ergriffen werden. Man kann natürlich nicht verlangen, daß in jedem Dorf neue Arbeitsplätze geschaffen werden; das sollte nur in den zentralen Orten geschehen, die von den verschiedenen Dörfern aus erreichbar sind. Wichtig ist aber, daß solche Ansätze für neue Arbeitsplätze da sind. Dann kann man hoffen, daß auch der Grundstücksverkehr mobilisiert wird. Wer einen industriellen Arbeitsplatz hat, wird seine kleine Landwirtschaft im Nebenberuf ausüben. Er wird gut dabei fahren, solange seine Angehörigen mitmachen. Ist das aber nicht der Fall, dann wird er verpachten und teilweise auch Land verkaufen. Dazu sollten wir Prämien geben. Versuche in dieser Richtung haben sich in der Vergangenheit bewährt.
Schon durch die Ankündigung von solchen Entwicklungsplänen werden die Menschen, die in diesen bedrängten Verhältnissen leben, neue Hoffnungen bekommen. Sie werden sich zusammen in ihren Gedanken mit den Fragen beschäftigen und werden eine entsprechende Einstellung zu den Dingen bekommen. Darum möchte ich wünschen, daß keine Zeit verloren wird und daß die Beratung zügig vorangeht. Die Planungsarbeiten sollten bald beginnen, damit zusammen mit den Maßnahmen der Agrarpolitik die Ziele erreicht werden, die wir uns vorstellen. Dann wird es dazu kommen, daß dem Lande und vor allem diesen benachteiligten Gebieten die wirtschaftliche Sicherung wiedergegeben wird, und dann werden auch die kulturellen Dinge in Ordnung kommen können. Dann wird es zu der Dorfsanierung kommen, zu einer Auflockerung der zu engen Bebauung, der Anlage von neuen Wohngebieten und dem Bau von öffentlichen Einrichtungen, die wir auf dem Lande genauso gut haben müssen, wie sie in der Stadt selbstverständlich sind.
Meine Damen und Herren! Wir wollen das Gefälle vom Land zur Stadt nicht etwa ganz beseitigen. Wir wollen es nur abflachen. Wir wollen den großen Städten nichts nehmen. Sie bleiben weiter die lebenswichtigen Zentren der Wirtschaft, der Kultur und der Verwaltung. Wir sehen allerdings als Landwirte mit etwas Besorgnis, daß die Bedürfnisse der Städte jährlich mehr als 1000 Bauernhöfe in der Größenordnung von 100 Morgen verschlingen, und wir sähen es gern, wenn solche Opfer an Grund und Boden, die nun einmal notwendig sind, nicht so sehr an die Großstädte gingen, sondern als Beitrag genommen werden könnten für die wirtschaftliche und kulturelle Zukunft des Landes und hier wieder gerade seiner schwächsten Glieder.
Ich möchte zum Schluß noch beantragen, die Gesetzentwürfe zur Mitberatung auch an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen zuerst vor, die beiden Gesetzentwürfe Drucksachen IV/472 und IV/1204 — federführend — an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung zu überweisen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Dann schlage ich Ihnen vor, mitberatend den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe heranzuziehen. — Es erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Sodann kommen wir zu dem soeben gestellten Antrag, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitzubeteiligen. Erfolgt hiergegen ein Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Schließlich liegt noch der Antrag des Abgeordneten Dr. Dittrich vor, den Ausschuß für Wirtschaft zu beteiligen. Erfolgt hiergegen ein Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den zurückgestellten Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4569
Vizepräsident Dr. Jaeger
Änderung des § 556 a des Bürgerlichen Gesetzbuches .
Wer begründet den Antrag? — Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei den Antrag auf Drucksache IV/1554 zu begründen. Die SPD wünscht, mit diesem Antrag einen Beitrag zur Gestaltung eines modernen und, wie es auch einmal hier im Hause übereinstimmend geheißen hat, sozialen Mietrechts zu leisten, d. h. das jetzt gültige Mietrecht sozial zu gestalten. Wir meinen — um Einwendungen in dieser Richtung gleich zuvorzukommen —, daß der geeignete Zeitpunkt zur Einbringung eines solchen Antrages jetzt gegeben ist, weil jetzt erstmals im Rechtsausschuß dieses Hauses die Fragen des Mietrechts in einer dem Gegenstand angemessenen ruhigen und ausführlichen Beratung behandelt werden können. Das war in der Vergangenheit leider nicht möglich, wie ja die Behandlung unserer früheren Anträge insbesondere im Wohnungsbauausschuß gezeigt hat.
Worum geht es? An Stelle des alten Mieterschutzrechts ist der neue § 556 a in das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingefügt worden. Ich habe zweimal in diesem Hause Gelegenheit gehabt, mich mit dieser Bestimmung ausführlich auseinanderzusetzen. Ich werde versuchen, meine früheren Einwendungen jetzt mehr in Stichworten als noch einmal in aller Ausführlichkeit darzustellen.
Was nach unserer Auffassung gegen die jetzt gültige Fassung spricht, ist folgendes. Zunächst einmal ist die Kündigung frei, d. h. ohne jede Angabe von Gründen möglich. Selbst wenn man der Meinung ist, daß das eine notwendige Gestaltung dieses Rechtes sei, selbst wenn man der Meinung ist, darüber ließe sich debattieren, bei der Konstruktion, die die Mehrheit dieses Hauses für die Ausgestaltung des § 556 a gefunden hat, kommt diese Regelung nahezu einer Rechtsverweigerung für den Mieter gleich, nämlich deshalb, weil er zwar gezwungen ist, eine Kündigung durch Erhebung des Widerspruchs abzuwehren, aber gar nicht weiß, welche Gründe den Vermieter zur Kündigung veranlaßt haben. Diese Regelung ist nicht nur unzureichend, sondern sie ist auch rechtspolitisch nach unserer Auffassung so nicht tragbar.
Zum anderen: Die jetzige Fassung des § 556 a Abs. 1 ist in hohem Maße unklar. Sie enthält mindestens vier unbestimmte Rechtsbegriffe — ich verzichte darauf, sie hier noch einmal zu zitieren — und ist nichts anderes als eine Flucht, die berühmte Flucht in die Generalklausel. Sie geben damit allen Beteiligten, den Vermietern wie den Mietern, und allen denjenigen, die sie beraten müssen, nur Steine statt Brot. Denn nur mit Generalklauseln können Sie ein so schwieriges Rechtsgebiet zur hinreichenden Gewißheit und zur hinreichenden Überzeugung der Betroffenen nicht regeln, ganz abgesehen davon, daß der Gesetzgeber — ich werde darauf nachher noch zu sprechen kommen — sich im Grunde damit
seiner eigentlichen Verpflichtung zur Rechtsklarheit entzieht.
Das dritte, was wir einzuwenden haben, ist, daß bei dieser so gestalteten Regelung die Beweislast nicht bei ,demjenigen liegt, der die Regelung in einer bestimmten Richtung wünscht, nämlich beim Vermieter, der die Kündigung und damit die Lösung des Mietverhältnisses haben will, sondern bei demjenigen, dessen Rechte betroffen werden, beim Mieter; eine Lösung, die wir in dieser Form in unserem Recht ansonsten auch nicht kennen.
Der vierte und nicht zuletzt wohl auch gewichtigste Einwand ist, daß die Kündigung so, wie sie jetzt ausgestaltet ist, praktisch — ich betone „praktisch" — unbedingt wirksam ist. Der Widerspruch, den Sie hier zum Schutze des Mieters vorgesehen haben, hat ja nicht die Folge — wie es ursprünglich einmal in der Regierungsvorlage hieß —, daß damit die Kündigung unwirksam, d. h. beseitigt wird, sondern der Widerspruch hat nur eine aufschiebende Wirkung. Er führt dazu, daß das Mietverhältnis auf eine mehr oder weniger lange, im Einzelfall zu entscheidende Dauer verlängert wird, schließlich und endlich die Kündigung aber auf jeden Fall wirksam wird. Sie berauben den Mieter darüber hinaus jeglichen Schutzes dadurch, daß Sie sogar eine Wiederholung des Widerspruchs ausschließen.
Zur Rechtfertigung für diese Lösung werden vor allen Dingen zwei Gründe angeführt. Das eine- ist — das ist eine Begründung, die man insbesondere häufig aus dem Bundeswohnungsbauministerium zu hören bekommt —, daß diese Regelung mit der Fülle von Generalklauseln besonders gut geeignet sei, allen Umständen des praktischen Lebens gerecht zu werden.
Ich bestreite das. Ich bestreite das deshalb, weil man mit solchen Generalklauseln gar nichts regelt, sondern nur Rechtsunsicherheit und schließlich Verwirrung schafft. Ganz abgesehen davon haben wir, glaube ich, allen Anlaß, eine Mahnung ernst zu nehmen, die einer der unstreitig auch in diesem Hause anerkannten großen lebenden deutschen Rechtslehrer vor einiger Zeit an den Gesetzgeber gerichtet hat: er dürfe sich nicht durch die ständige Verwendung von Generalklauseln dem Auftrag entziehen, da, wo Rechtsgrundsätze zu gestalten seien, die Auslegung den Gerichten zu überlassen. Der Bürger dieses Landes hat einen Anspruch darauf, vom Gesetzgeber zu erfahren, was er eigentlich will. Diesen Anspruch erfüllen Sie nicht, wenn Sie in ganz unbestimmten Generalklauseln sagen: dies ist möglich, jenes aber auch, und einer klaren Beantwortung der Frage, wie ein bestimmter Einzelfall gelöst werden soll, ausweichen.
Es kommt hinzu, daß, da Mietsachen in der Regel nur im Bereiche eines einzigen Landgerichts im Rechtswege verfolgt und geklärt werden können, Sie zu einer sehr auf die Rechtsprechung abgestellten Klärung der Streitfragen, zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen in den verschiedenen Landgerichtsbezirken zwangsläufig kommen müssen. Das bedeutet praktisch, daß Sie die Rechtszersplitterung und die Rechtsunsicherheit gerade auf einem so wichtigen Lebensgebiet fördern.
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Jahn
Als zweite Begründung wird angeführt, nur in der Gestaltung, wie sie die Mehrheit vorgenommen habe, sei eigentlich der Anspruch des Bürgers, über sein Eigentum frei verfügen zu können, wirklich zu realisieren, nur in dieser Form werde die freie Verfügung über das Eigentum in vollem Umfang anerkannt.
Es ist eigentlich von Ihnen nie gesagt worden, in welchem Verhältnis diese Auslegung zu der Klausel der Sozialbindung des Eigentums in Art. 14 des Grundgesetzes steht. Lassen Sie mich, um hier vielleicht einmal eine Auslegungshilfe zu geben, zitieren, was einer der großen deutschen Rechtslehrer der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, von Ihering, zur Frage des Eigentums gesagt hat:
Der Grundsatz der Unantastbarkeit des Eigentums heißt die Dahingabe der Gesellschaft an den Unverstand, Eigensinn und Trotz, an den schnödesten, frevelhaftesten Egoismus des einzelnen.
An anderer Stelle heißt es:
Es gibt kein absolutes, d. h. der Rücksicht auf die Gemeinschaft entbundenes Eigentum. Das höchste Gesetz der Geschichte ist die Gemeinschaft. Es ist nicht wahr, daß das Eigentum seiner Idee nach die absolute Verfügungsgewalt in sich schlösse. Ein Eigentum in solcher Gestalt kann die Gesellschaft nicht dulden und hat sie nie geduldet. Die Idee des Eigentums kann nichts mit sich bringen, was mit der Idee der Gesellschaft in Widerspruch steht.
Meine Damen und Herren, die Überlegungen, die hier vorgetragen worden sind, sind in der geltenden Fassung, wie ich meine, nicht berücksichtigt worden. Hier ist daran, daß Eigentum nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich bringt, nicht gedacht worden.
Ich will an dieser Stelle keineswegs polemisieren. Aber ich glaube, man muß sich auch einmal vor Augen führen, wie die praktischen Auswirkungen sind. Wir haben ein Schreiben aus der Stadt Worms bekommen, aus dem ich Ihnen ein paar Beispielfälle zitieren möchte, die zeigen, wohin eine derartige Interpretation, eine derartig begründete Auslegung des neuen Mietrechts führen muß. So heißt es beispielsweise in diesem Brief: Einer Frau von 67 Jahren, die über eine Monatsrente von 325 DM verfügt, wird gekündigt. Sie hofft, eine freifinanzierte Wohnung zu finden, und ist bereit, um überhaupt unterkommen zu können, dafür von den 325 DM, die sie insgesamt zum Lebensunterhalt hat, 200 DM Miete zu zahlen.
— Meine Damen und Herren, ohne Rücksicht darauf, ob sie Wohnbeihilfe bekommt oder nicht, ist eine solche Konsequenz wirklich das, was Sie und wir haben wollen?
Ein anderer Fall: Einer 77jährigen Frau, die von Fürsorgeunterstützung lebt, ist zu Ende Februar 1964 gekündigt worden. Infolge eines im letzten Winter erlittenen Unfalls ist sie sehr gehbehindert. Sie hat offenbar erhebliche Differenzen mit dem Hausbesitzer. Sie hat nichts anzubieten, um eine Wohnung finden zu können, und erklärt selber, wenn sie gezwungen sei, die Wohnung zu verlassen, müsse sie sich das Leben nehmen.
Ein dritter Fall: Einer 84jährigen Witwe ist die Wohnung von der Vermieterin wegen Eigenbedarfs gekündigt worden. Die Vermieterin verfügt über eine ausreichende Wohnung außerhalb der Stadt. Sie unterhält in diesem Hause eine zweite Wohnung. Seit 40 Jahren wohnt die Mieterin in diesem Hause. Sie hat eine kleine Rente und ist nicht in der Lage, ohne weiteres aus eigener Kraft eine andere Wohnung zu finden.
Lassen wir es bei diesen drei Beispielen bewenden. Ich will damit nur deutlich machen: wenn Sie den Grundsatz der völlig freien Kündigung aufrechterhalten wollen, dann müssen Sie sich darüber im klaren sein, daß eine wirksame Nachprüfungsmöglichkeit dahin, ob in solchem Falle wirklich auch noch der Gerechtigkeit Genüge getan wird, nicht möglich ist.
Deshalb legen wir Ihnen unseren Antrag vor, dessen wesentliche Elemente in folgendem bestehen. Erstens. Die Kündigung ist dann frei, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Kündigung hat. Das heißt: hier wird in einem konkreten Falle deutlich gemacht: die freie Verfügbarkeit über die vermietete Wohnung findet da ihre Grenzen, wo ein berechtigtes Interesse nicht vorhanden ist. Mit anderen Worten, an dieser Stelle muß die Frage der Sozialbindung des Eigentums wirksam werden.
Zweitens. Aus diesem Grunde ist es notwendig, damit das auch nachgeprüft werden kann, daß die Kündigung schriftlich und unter Angabe von Gründen ausgesprochen wird. Auf diese Weise werden also die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß im Einzelfalle nachgeprüft werden kann, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt. Was insbesondere als berechtigtes Interesse geltend gemacht werden kann, haben wir in Absatz 2 in drei Unterziffern aufgeführt. Ich fasse es zusammen in die beiden Begriffe a) grobe Belästigung und b) Eigenbedarf aus zwei verschiedenen Gesichtspunkten.
— Das ist doch eine besondere Form des Eigenbedarfs, Herr Dr. Czaja.
Weiter wird von uns als wesentliches Element angesehen, daß der Mieter das Recht hat, dann eine Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen mit der Folge, daß die Kündigung unwirksam wird, wenn er in der Lage und willens ist, einer Neugestaltung
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Jahn
des Mietvertrages seinerseits zuzustimmen und entsprechende Regelungen zu akzeptieren.
Meine Damen und Herren, wir haben damit das, was wir bisher als Mieterschutz hatten, weit hinter uns gelassen. Wir haben die engen Bindungen des Mieterschutzgesetzes dabei nicht wieder erneuern wollen. Wir beschränken uns in diesem Antrag darauf, den Vorschlag zu machen, das, was bereits im Grundgesetz über die Bindungen enthalten ist, denen das Eigentum auch im Mietrecht, im Verhältnis zwischen dem Wohnungseigentümer und dem Mieter, unterliegt, wirklich so zur Geltung zu bringen, daß es für alle Beteiligten praktikabel und übersichtlich ist, daß heißt in eine Form zu gießen, die es demjenigen, der mit diesem Gesetz umzugehen hat, sei es als Vertragspartei, sei es als Anwalt, sei es als Richter, ermöglicht, zu ersehen, wie sinnvollerweise und zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit im Einzelfall entschieden werden wird.
Ich bitte, der Überweisung unseres Antrages an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Wohnungsbauausschuß — mitberatend — zuzustimmen.
Der Antrag ist begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Jahn hat an die Spitze seiner Begründung dieses Antrages die Absicht seiner Fraktion gestellt, zu einem modernen und sozialen Mietrecht zu kommen. Nun, darüber, was moderner ist, dieser Vorschlag oder der Weg, den bis jetzt die Bundesregierung und die Regierungskoalition beschritten haben, kann man von verschiedenen Standpunkten aus selbstverständlich verschiedener Meinung sein. Aber zu dem Wort „sozial" hat Herr Kollege Jahn, wenn ich ihn recht verstanden habe, die Anmerkung gemacht, es sei wenigstens bisher in diesem Hause von einem sozialen Mietrecht die Rede gewesen. Ich lege Wert auf die Feststellung, daß wir doch alle nach wie vor darüber einig sind, daß wir ein soziales Mietrecht haben und es weiter vervollkommnen wollen.
Mit dem vorliegenden Entwurf sucht die SPD-Fraktion nach Auffassung der Bundesregierung eine Entscheidung zu revidieren, die das Hohe Haus im Jahre 1960 in größerem Zusammenhang mit dem Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht, dem sogenannten Abbaugesetz, getroffen hat. In der Zwischenzeit hat sich nichts dafür ergeben, daß die damals getroffene Entscheidung falsch war. Damals ist sehr zu Recht entschieden worden, daß in dem Maße, in dem die Mangellage auf dem Wohnungsmarkt beseitigt wird, die Wohnungszwangswirtschaft abgebaut wird und an ihre Stelle ein soziales Miet- und Wohnrecht tritt. Zu der Wohnungszwangswirtschaft gehören nicht nur die Wohnraumbewirtschaftung und die Mietpreisbindung, sondern
auch das Mieterschutzgesetz. Die entscheidende Bedeutung des Mieterschutzgesetzes lag darin, daß die freie Kündigung des Vermieters abgeschafft und das Verlangen des Vermieters auf Beendigung eines Mietverhältnisses von vornherein gerichtlicher Kontrolle unterstellt waren. Eine solche Art des Mieterschutzes kann für Zeiten und Gegenden, in denen eine Wohnungsnot nicht mehr besteht, nicht hingenommen werden.
Es ist nun sicher so, daß ein großer Teil von uns — alle, die im Alter von 40 bis 50 Jahren sind — mit dem System des Mieterschutzes sozusagen großgeworden ist, und ich habe Verständnis dafür, daß sich mancher gar nicht vorstellen kann, daß man auch ohne eine solche Möglichkeit Wohnungspolitik betreiben kann. Aber gerade deshalb, glaube ich, lohnt es sich, ganz kurz auf die Entwicklung der Mieterschutzgesetzgebung einzugehen, weil sich aus dieser Entwicklung ergibt, daß der Mieterschutz von vornherein immer als etwas Ausnahmsweises, als etwas Vorübergehendes gedacht war.
Das Mieterschutzgesetz ist im Jahre 1923 geschaffen worden, ausdrücklich als Zeitgesetz auf wenige Jahre. Von vornherein galt es auch nicht für alle Mietverhältnisse, ließ vielmehr für einen Teil der Mietverhältnisse die freie Kündigung zu. Obwohl es sehr lange in Geltung war, hat es seinen Charakter als Übergangsgesetz nie verloren. Es ist in den 20er Jahren wiederholt kurzfristig verlängert worden, aber andererseits ist der sachliche Anwendungsbereich auch mehrfach eingeschränkt worden.
Noch in der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 wurde die Kündigungsfreiheit ausgedehnt und außerdem gleichzeitig bestimmt, daß innerhalb von 16 Monaten das Mieterschutzgesetz außer Kraft treten sollte, auch damals unter der Voraussetzung, daß das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches unter sozialen Gesichtspunkten ausgestaltet werden sollte. Dazu kam es dann allerdings nicht mehr. Vielmehr mußte wegen der ungünstigen Auswirkungen, die die letzten Jahre vor dem zweiten Weltkrieg und der Krieg selbst auf dem Wohnungsmarkt hatten, der Mieterschutz dann wieder ausgedehnt werden.
Die Rückkehr zur freien Kündigung wurde dann aber bereits mit den ersten bundesgesetzlichen Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues, mit dem Ersten Wohnungsbaugesetz aus dem Jahre 1950, wieder eingeleitet, in dem insbesondere die frei finanzierten Neubauwohnungen vom Mieterschutz freigestellt wurden. Im Jahre 1960 kam dann das Abbaugesetz. Dadurch wurde das stufenweise Auslaufen des Mieterschutzgesetzes und damit die Wiederherstellung der Kündigungsfreiheit bestimmt. Das kann nur als folgerichtig angesehen werden.
Diese Konzeption des Abbaugesetzes liegt also insoweit auf der gleichen Linie wie die eben von mir erwähnte Notverordnung des Jahres 1931, als die Wiederherstellung der Kündigungsfreiheit damit gekoppelt ist, daß das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter sozialen Gesichtspunkten geändert wird. Man hat dabei — das erwähne ich nur nebenbei — sogar in Kauf genommen, daß diese sozialen
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Bundesminister Dr. Bucher
Bestimmungen des BGB jetzt auch für frei finanzierte Wohnungen gelten, die zunächst überhaupt völlig frei von jeglicher Bindung waren.
Bereits das Abbaugesetz hat für den Schutz des Mieters Sorge getragen, indem es in das Bürgerliche Gesetzbuch die Vorschriften über die verlängerten Kündigungsfristen und die sogenannte Sozialklausel eingefügt hat. Die verlängerten Kündigungsfristen geben allgemein dem Mieter nach Kündigung mehr Zeit, sich nach einer angemessenen anderen Wohnung umzutun. Für Fälle, in denen gleichwohl die Beendigung des Mietverhältnisses wegen besonderer Umstände eine erhebliche Härte für den Mieter oder seine Familie bedeuten würde, ist zu ihrem Schutz die Sozialklausel geschaffen worden. Durch das inzwischen ergangene Erste Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften, das dieser Bundestag verabschiedet hat, ist das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter sozialen Gesichtspunkten weiter ausgestaltet worden. Schließlich ist auf die den Mieter schützenden Maßnahmen in dem noch anhängigen Teil des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften hinzuweisen. Mit der baldigen Verabschiedung auch dieses Teils darf wohl gerechnet werden.
Mit den vorgenannten Maßnahmen wird das Eigentum von Beschränkungen befreit, die für Zeiten und Gegenden, in denen eine Wohnungsnot nicht mehr besteht, nicht notwendig sind. Art. 14 des Grundgesetzes läßt zwar zu, Schranken des Eigentums zu bestimmen. Ich glaube, die von Ihnen, Herr I. Kollege Jahn, zitierten Sätze von Ihering, die ja auch ziemlich generalklauselhaft abgefaßt sind
— Professoren können sich auch genereller oder spezieller ausdrücken —, lassen sich durchaus mit unserer Konzeption vom Eigentum und von seinen Schranken auf Grund unseres Grundgesetzes vereinbaren. Aber ein Gesetz, das dem Eigentum allgemeine Schranken setzt, ist nicht immer schon dann verfassungsmäßig, wenn es formell ordnungsgemäß ergangen ist. Ein solches Gesetz muß vielmehr materiell den Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen. Danach wird das Eigentum gewährleistet. Ihm dürfen nur solche Schranken gesetzt werden, die das Gemeinwohl, insbesondere im Hinblick auf die sozialen Verhältnisse, erfordert. Die bereits getroffenen und in dem anhängigen Entwurf noch vorgesehenen Maßnahmen halten sich in diesem Rahmen, indem sie dem Mieter den Schutz gewähren, dessen er auch bei einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt bedarf.
Der Ihnen jetzt vorliegende Entwurf der Opposition lehnt sich einerseits eng an die Grundgedanken des Mieterschutzgesetzes an, wenn man davon absieht, daß er nicht gerichtliche Geltendmachung einer Mietaufhebung verlangt; aber dem Vermieter wird die Kündigungsfreiheit insoweit versagt, als die Wirksamkeit jeder Kündigung des Vermieters von einem berechtigten Interesse seinerseits abhängig gemacht wird. Jede Kündigung des Vermieters wird
hinsichtlich der Rechtfertigung einer gerichtlichen Nachprüfung unterstellt.
Andererseits geht der Entwurf der SPD sogar über das Mieterschutzgesetz hinaus, da die in ihm vorgesehenen Maßnahmen nicht nur für Zeiten eines Wohnungsmangels, sondern für dauernd gelten sollen. Er geht auch deswegen weiter als das Mieterschutzgesetz, weil dieses Gesetz niemals, wie ich schon ausführte, für Mietverhältnisse jeglicher Art die Kündigungsfreiheit beseitigt hat.
Unter Verhältnissen, unter denen sich ein Wohnungsmangel nicht mehr auswirkt, ist es nicht gerechtfertigt, das Eigentum in dieser Weise zu beschränken. Der Mieter hat nun einmal die Wohnung nur auf gewisse Zeit, auf Abruf durch Kündigung, inne. Kann er ohne besondere Schwierigkeiten auch in einer anderen Wohnung unterkommen, so darf der Wirksamkeit der im Rahmen des Vertrags stehenden Kündigung nichts entgegenstehen. Einem Mieter, der sich einer solchen Kündigung nicht ausgesetzt sehen möchte, ist es unter den Verhältnissen eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes überlassen, einen Vertrag auf bestimmte Zeit oder doch mit Kündigungsbeschränkungen auszuhandeln.
Ich glaube, es ist heute nicht unsozial, den Satz auszusprechen: Will der Mieter eine noch stärkere Stellung, so muß er Eigentum anstreben.
Ich sage, es ist nicht unsozial, weil ich in diesem Zusammenhang auf die gesetzlichen Förderungsmaßnahmen, insbesondere für das Familienheim, hinweisen kann.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Bitte.
Bitte, Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Bundesminister, sind Sie der Meinung, daß es mit dem Auftrag des Grundgesetzes zum Schutz der Familie wie mit vielfältigen Erklärungen der Bundesregierung in den letzten Jahren vereinbar ist, daß der Lebensmittelpunkt der Familie, die Wohnung, ausschließlich zur freien Disposition eines der an diesem Vertrag Beteiligten, nämlich des Vermieters, stehen soll und willkürlich wie irgendeine andere Sache gehandhabt werden kann?
Ich glaube, Herr Kollege Jahn, daß sich aus meinen weiteren Ausführungen, die ich zu der Frage machen werde, ob Ihre Formulierung mit den „berechtigten Interessen des Vermieters" das Richtige ist, die Antwort ergeben wird, daß sich der jetzige Rechtszustand keineswegs familienfeindlich auswirkt. Und im übrigen: auch Vermieter haben ja Familien.
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Bundesminister Dr. Bucher
Selbst wenn unsere derzeitige Gesetzgebung vermieterfreundlich und mieterfeindlich wäre — was sie sicher nicht ist —, könnten wir das nicht mit Familienpolitik verquicken. Es gibt außerdem heute eine ganze Reihe von Menschen, die zugleich Vermieter und Mieter sind, und zwar auch in Kreisen der Angestellten und der Arbeiter.
Ich darf also fortfahren. Ich komme jetzt gerade auf das, was ich soeben angedeutet habe. Der Entwurf der SPD ist nämlich auch deswegen abzulehnen, weil er trotz der Versagung der Kündigungsfreiheit den Mieter nicht genügend schützt.
Man kann zunächst zweifeln, was mit der in Abs. 1 Ihrer vorgeschlagenen Neufassung enthaltenen Generalklausel gemeint ist. Das sage ich nicht etwa erst jetzt, sondern das Wort Generalklausel hatte ich bereits in meinen Redenotizen. Sie, Herr Abgeordneter Jahn, haben so viel von der Generalklausel gesprochen. Ich finde, Ihr Entwurf enthält eine viel unbestimmtere Generalklausel
als das bisher geltende Recht.
- Sie wenden sich gegen den Satz: Viel hilft viel. Aber ich darf zum Vergleich nochmals aus dem geltenden Recht vorlesen:
Würde die vertragsmäßige Beendigung des Mietverhältnisses . . . wegen besonderer Umstände des Einzelfalles einen Eingriff in die Lebensverhältnisse des Mieters oder seiner Familie bewirken, dessen Härte auch unter voller Würdigung der Belange des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, ...
während bei Ihnen die Rede ist von einem berechtigten Interesse des Vermieters, das allerdings dann in Abs. 2 mit dem Wort „insbesondere" an Beispielen illustriert wird, aber doch nur illustriert. Es bleibt bei der schlichten Fassung berechtigtes Interesse des Vermieters. Ich räume ohne weiteres ein, das geltende Recht enthält auch eine Generalklausel, die, wie alle Generalklauseln, etwas unbestimmt ist; aber die Ihre ist mindestens genauso unbestimmt.
— Vier Generalklauseln, die unbestimmt sind, oder eine kommt im Ergebnis auf dasselbe hinaus. Diese vier Generalklauseln beinhalten aber schließlich deutlich die Tatsache, daß abgewogen werden muß, abgewogen zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters, während in Ihrer Fassung zunächst nur der Vermieter angesprochen wird, der ein berechtigtes Interesse darlegen muß. Vom Mieter steht nichts darin. Die Beispiele, die Sie in Abs. 2 anführen, führen in die Nähe der früheren §§ 2 und 4 des Mieterschutzgesetzes. Aber man muß ja die Generalklausel und das Wort „insbesondere" so auslegen, daß jedes Interesse, für das vom Standpunkt
des Vermieters Gründe geltend gemacht werden können, als berechtigt anzusehen ist.
Der kündigende Vermieter wird in aller Regel — allerdings z. B. nicht in dem Fall, den Sie zitiert haben, daß er eine zweite Wohnung hat — keine Mühe haben, für seine Kündigung ein solches berechtigtes Interesse darzutun.
Der Entwurf der SPD scheint nun von der Vorstellung auszugehen, daß der Vermieter ohne eine Beschränkung der Kündigungsfrist grundlos kündigen würde. Aber das wird kein Vermieter tun. Jeder hat selbstverständlich einen Grund, wenn er eine Kündigung ausspricht, und von einem solchen Grund bis zu einem berechtigten Interesse ist kein weiter Weg. Ich kann mir denken, Sie legen das anders aus. Aber ich möchte damit nur zeigen, welchen Auslegungsschwierigkeiten bei den Gerichten dieser Entwurf den Weg bahnt. Ist aber ein berechtigtes Interesse nach Ihrem Entwurf für die Kündigung zu bejahen, so muß sie der Mieter selbst dann hinnehmen, wenn wegen besonderer Umstände die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte für ihn darstellen würde.
Also wenn ich auf die drei Witwen zurückkomme, die Sie vorhin zitiert haben, so mag zwar in diesen Fällen kein berechtigtes Interesse des Vermieters für die Kündigung vorhanden gewesen sein, aber diese drei alten Damen, die Sie beispielhaft geschildert haben, könnten nach Ihrem Entwurf genauso ungünstig dastehen, wenn nun tatsächlich im Einzelfall ein berechtigtes Interesse des Vermieters da ist und sie sich dann nicht einmal auf die besondere Härte, die für sie in der Kündigung liegt — in dem einen Fall sagten Sie: 40 Jahre in der Wohnung —, berufen könnten.
Ihr Entwurf beseitigt also nach unserer Meinung zwar generell die Kündigungsfreiheit, zugleich aber den Schutz gegen Härten, den die Sozialklausel des § 556 a dem Mieter gewährt.
Der Entwurf hätte weiter zur Folge, daß Streitigkeiten und Prozesse geradezu hervorgerufen würden. Da nämlich die Wirksamkeit jeder Kündigung vom berechtigten Interesse abhängt, sieht sich der Vermieter stets genötigt, seine Gründe anzugeben. Das gibt dann Anlaß zu Auseinandersetzungen auch in den Fällen, in denen der Mieter auf die Wohnung gar nicht angewiesen ist, in denen er vielmehr in der Lage ist, sich eine andere Wohnung zu beschaffen. Dabei würde sich der Mieter, der sich auf einen Prozeß einläßt, nur zu oft von falschen Vorstellungen über seine Prozeßaussichten leiten lassen. Die Mieterschaft würde enttäuscht feststellen müssen, daß sie in Fällen, in denen eine besondere Härte vorliegt, zumeist schutzlos gestellt ist.
Schließlich würde der Entwurf der sozialdemokratischen Fraktion oft noch die nachteilige Folge haben, daß sich der Mieter bei der Wohnungssuche unnötigen Schwierigkeiten ausgesetzt sähe. Manch ein Hauseigentümer, an den sich der Wohnungssuchende wendete, würde ihn ja wohl nach den Gründen fragen, aus denen das bisherige Mietverhältnis beendigt worden ist.
4574 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Bundesminister Dr. Bucher
Ich darf also zusammenfassend sagen: Wir begrüßen den SPD-Entwurf nicht, weil einmal die Einschränkung der Kündigungsfreiheit nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen nur insoweit zulässig ist, als dies zum Schutz des Mieters erforderlich ist — was wir verneinen —, weil zweitens der Entwurf in sachlicher Hinsicht dem Mieter keinen hinreichenden Schutz bietet und weil er drittens zu einer Vielzahl von Prozessen führen würde.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Berger-Heise?
Eine Schlußfrage!
Ach, Sie sind fertig. Bitte, Frau Abgeordnete Berger-Heise!
Herr Minister, gerade weil Sie zum Schluß kommen: Sie haben nicht erwähnt, daß auch der Bundesrat mit dem Gesetz, das wir im Bundestag verabschiedet haben — dem Sie zugestimmt und das wir von der SPD abgelehnt haben —, nicht einverstanden war. Der Bundesrat hat vielmehr den Bundestag aufgefordert — —
— Er hat den Bundestag um Unterstützung bei der Verwirklichung seines Anliegens gebeten, weil er, der Bundesrat, einstimmig der Meinung war, daß das Gesetz so, wie es ist, nicht bleiben kann.
Frau Abgeordnete, ich weiß nicht, ob das eine Frage ist.
Bitte, ich frage Sie, Herr Minister, ob Sie nicht vielleicht doch noch im Anschluß an Ihre Schlußausführungen darauf eingehen wollen. Denn schließlich liegt hier sozusagen ein Auftrag oder eine Empfehlung oder doch mindestens eine Bitte des Bundesrates vor.
Ich habe leider die Empfehlung, die Sie ja auch nicht im Wortlaut zitiert haben, nicht im Kopf.
Ich glaube, Frau Kollegin, es ist besser, wenn ich mir das, statt es hier zu lesen, zunächst ansehe und dann vielleicht nachher noch einmal Gelegenheit nehme, darauf zurückzukommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung seines Antrags hat Herr Jahn eigentlich eine recht gedämpfte Kanonade auf die Wohnungsbaupolitik und damit zusammenhängend auch auf das Mietrecht und seine Ausgestaltung niedergehen lassen. Es war wahrhaftig keine Kanonade von Valmy. Man kann auch bestimmt nicht sagen wie einstens Goethe: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und Ihr könnt sagen, Ihr seid dabeigewesen."
Ich habe an sich eine Kanonade mit viel stärkerem Kaliber von Ihnen, Herr Jahn, erwartet, zumal diese Kanonade ja vorbereitet war, indem die SPD zunächst die Hilfstruppen ins vermeintliche Gefecht geschickt hat, sei es den Mieterbund, seien es andere Organisationen.
Wenn ich mir nur die Schlagzeilen aus den letzten Wochen und Monaten vorstelle, wie etwa „Die Mieter sind jetzt so schutzlos wie zu Wilhelms Zeiten", „Wir Mieter werden Freiwild, weil Minister Lücke es will", „Ihr soziales Mietrecht, Herr Lücke, ist unsozial", „Brieflawine soll Lücke zudecken", „Mieterbund regt an, bei Schikanen der Hausbesitzer gleich nach Bonn zu schreiben", „Mieterbund alarmiert Kommunen", „Schwarzer Tag für die Mieter" — um nur einige Überschriften zu nennen —, meine Damen und Herren von der Opposition, fällt mir in der Tat immer jenes Wort ein, das Professor Carlo Schmid vor geraumer Zeit einmal sagte: „Unruhe ist des Bürgers erste Pflicht".
Dies scheint in der Tat die Devise zu sein, ja, nicht nur die Devise, sondern vielmehr das Wahlgeschäft, das man nun mit dem zweiten Schritt des LückePlans eröffnen möchte. Wenn ich mich recht erinnere, war es Ihr stellvertretender Parteivorsitzender, der sagte: Den Lücke, den wollen wir noch in Gold fassen lassen. Ich kann mir doch nicht gut vorstellen, daß Sie unseren Minister für sich okkupieren wollen, um ihn als Ihren großen Wohnungsbaupolitiker herauszustellen und ihn damit auf das Podest der SPD zu erheben. Man weiß zwar nicht, was bei Ihnen noch alles in der Entwicklung liegt; denn wenn Sie jetzt auf der Suche nach einem neuen Kanzlerkandidaten sind, bleibt vielleicht Herr Lücke noch als Notlösung für Sie.
— Nein, als Sie von der Opposition dieses Wort prägten, da wurde zur gleichen Zeit auch jenes andere Wort in die Welt gesetzt: „Mußt du am Ersten mehr Miete zahlen, denke daran bei den nächsten Wahlen!"
Herr Abgeordneter Hauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Bitte.
Herr Abgeordneter Jahn!
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Herr Kollege Hauser, sind Sie ganz sicher, daß Sie das richtige Manuskript mitgebracht haben?
Sollte diese Stimmungsmache nicht ein Wahlgeschäft sein? Was aber 1960 Ihnen nicht glückte, das soll jetzt erneut versucht werden, in der Hoffnung, irgendwann müsse es zu Buche schlagen; leben wir doch — wie Professor Röpke sagte — in einem Zeitalter der Massenemotionen, der kollektiven Vorurteile. Und so gilt es nur, die erste Bürgerpflicht der Unruhe ja nicht untergehen zu lassen. Was aber die Mieterzeitung erst jetzt, im Oktober dieses Jahres, voll tiefer Resignation feststellte, die Mietwelle des ersten Schrittes beim Lücke-Plan sei Ende 1960 ausgerollt und bis zu den Bundestagswahlen 1961 nun schon fast ganz vergessen gewesen, das, hoffe ich voll ehrlicher Zuversicht, wird die gleiche Zeitung nach den Bundestagswahlen 1965 mit noch tieferer Entsagung erneut konstatieren können; denn wie oft schon haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, erklärt, die Wohnungsbaupolitik der Bundesrepublik habe restlos Schiffbruch erlitten! Ich darf nur daran erinnern, daß Kollege Jacobi 1956 hier von dieser Stelle aus wohl in vollem Ernst mit Blick auf den Minister gesagt hat: „Wir stellen in aller Öffentlichkeit noch einmal fest, daß Ihre Wohnungsbaupolitik aus vielerlei Gründen gescheitert ist."
Trotz all Ihrer Unkenrufe — und auch die Wiederholungen haben das nicht bekräftigen können — brauchte Minister Lücke keineswegs sein ramponiertes Schiff durch die Wellen der Wohnungsbaupolitik zu steuern; ganz im Gegenteil. All die Jahre her gab es eine so stolze Bilanz, daß selbst der verewigte Kollege Dr. Brecht im März 1961 uneingeschränkt anerkennen und zugeben mußte, wie enorm die Leistungen gerade im Wohnungsbau sind.
Und so ist das Ziel in nicht allzu großer Ferne erreicht, daß tatsächlich ein Ende der absoluten Wohnungsnot abzusehen ist, bei der der Staat die Verpflichtung trägt, alles zu tun, um sie zu beseitigen. Sicherlich gibt ,es noch viele Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu lösen. Ich denke an die Bruchbudenbeseitigung, ich denke an die Altstadtsanierungen, die Althausinstandsetzungen. Aber hat die Bundesrepublik nicht auch die gleiche Verantwortung, dort, wo die allerdrängendste Wohnungsnot bald behoben sein wird, Vorsorge zu treffen, damit sich der Wohnungsmarkt, der als letztes Requisit aus der Zwangswirtschaft übriggeblieben ist, aus sich selbst heraus soweit als möglich regeneriert? Lassen wir doch nicht außer acht, daß es sich bei der Wohnungswirtschaft um einen ganz entscheidenden Teil unseres Volksvermögens handelt mit nicht weniger als 320 Milliarden DM! Und denken wir nur an die über 1,5 Millionen Rentner und Arbeitnehmer, die Hausbesitzer sind, Menschen also, die über keine Kapitalrücklagen verfügen, mit denen sie ihr Hauseigentum erhalten und renovieren können. Sind diese Leute vielleicht ein Krösus, weil sie es mit äußerster Anstrengung zu einem Haus gebracht oder ein Haus ererbt haben? Man soll doch endlich mit der Schwarzweißmalerei aufhören,
als ob rundweg jeder Vermieter stets der wirtschaftlich Stärkere wäre!
Sollen gerade die kleinen Hauseigentümer immer zugunsten der übrigen Bevölkerungskreise die Benachteiligten sein und sollen sie eines Tages auf der Strecke bleiben, weil es ihnen einfach nicht möglich war, ihre Wohnungen so instand zu setzen, daß diese neben anderen, neueren Wohnungen noch einigermaßen attraktiv sind?
Schließlich bleibt es zu bedenken, daß man nicht einseitig auf Jahre hinaus einer bestimmten Gruppe von Staatsbürgern, wie etwa den Hausbesitzern, außerordentliche Lasten aufbürden kann. In Notzeiten ist es zweifellos gerechtfertigt, vorübergehende Eigentumseinschränkungen zu statuieren und insbesondere die Nutzung aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls zu begrenzen. Aber jede hoheitliche Beschränkung, die ihrer Art nach über das hinausgeht, was unter den gegebenen Umständen unvermeidbar ist, wird zur Enteignung. Dies ist aber wiederum unvereinbar mit der institutionellen Eigentumsgarantie, wie sie Art. 14 des Grundgesetzes gibt. Es ist aber die verfassungsrechtliche Grundentscheidung, daß dieser unser Staat in gleicher Weise der Staat aller Gruppen und Schichten der Bevölkerung ist und somit verpflichtet bleibt, in seiner Politik auf gleichmäßige Förderung aller Glieder der Gesellschaft hinzuwirken. Die sozialstaatliche Verpflichtung auch dieses Hohen Hauses gilt deshalb ebenso den Vermietern wie den Mietern.
Gerade diese Aufgabe hat das Wohnungsbauministerium, an seiner Spitze Herr Minister Lücke, in so vorbildlicher und ausgewogener Weise in Angriff genommen, daß wir ihm für diese Fürsorge nur danken können, ist doch gerade die diesem Staate von Verfassungs wegen aufgegebene Pflicht zur Verwirklichung der zuteilenden Gerechtigkeit — um einen längst anerkannten alten Gedanken aufzugreifen — in die Tat umgesetzt worden, und zwar in beispielhafter Weise.
Dies will die Opposition nicht sehen. Es geht ihr aber hier um keinen Deut anders als ehedem, da sie aus allen Rohren gegen die Wirtschaftspolitik unseres Bundeskanzlers zu schießen versuchte. Wie oft haben Sie Herrn Professor Erhard zu attestieren versucht, er stehe vor den Trümmern seiner Wirtschaftspolitik. Noch 1951, als die Erfolge sich abzeichneten, glaubte unser Kollege Dr. Kreyssig sich berufen, erklären zu müssen, die Wirtschaftspolitik und damit auch der Herr Bundeswirtschaftsminister seien zum größten sozialen Ärgernis unserer Republik geworden.
4576 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Dr. Hauser
Heute, in der wohltemperierten Luft der Wirtschaftspolitischen Tagung der SPD in Essen vor knapp acht Wochen, hat Herr Professor Schiller zugeben müssen, daß die Wirklichkeit auf die Gretchenfrage „Wie hältst du's mit der Marktwirtschaft?" längst eine Antwort erteilt habe und daß die Marktwirtschaft die Lösung sei, die sich — ich zitiere wörtlich — auf der Höhe der Zeit befinde.
Ich hoffe, daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD, in nicht allzu weiter Ferne ein gleiches „pater peccavi" auch bezüglich der Wohnungsbaupolitik sprechen müssen, und zwar deswegen, weil Sie an den Erfolgen unserer Wohnungsbaupolitik einfach nicht vorbeigehen können.
Herr Abgeordneter Dr. Hauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Herr Kollege Hauser, beabsichtigen Sie, diesen Antrag zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches — das muß ich Ihren Ausführungen entnehmen — auch an den Wirtschaftsausschuß überweisen zu lassen?
Ich wollte nur zur Beleuchtung der allgemeinen Situation einiges vorweg sagen.
Meine Freunde und ich sind dankbar dafür, jetzt, wenn auch reichlich spät, endlich einmal Ihre Vorstellung, wie Sie sich die Weiterentwicklung der Wohnungsbaupolitik auf dem Gebiete des Mietrechts denken, schwarz auf weiß mit dem Antrag Drucksache IV/1554 vor uns liegen zu haben. Denn was bis dahin geschehen ist, waren lediglich Protestationen. Bei Verabschiedung der einzelnen Novellen haben Sie ja nie einen Sachantrag eingebracht, 1960 so wenig wie am 27. Juni 1963. Dort hat zuletzt Herr Jahn nur angekündigt, die SPD werde — ich zitiere wörtlich — „in sehr detaillierter Form" ihre Meinung und ihre Vorstellung zu diesem Gesetz noch vorlegen. Dabei stellt man sich unwillkürlich mindestens ein halbes Kompendium vor, das auf uns zukommen würde, insbesondere da Herr Jahn sagte, eine ganze Menge hätten Sie dazu zu sagen.
Herr Abgeordneter Dr. Hauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage, von der ich nicht weiß, ob sie von dem Herrn Abgeordneten Jacobi oder von der Frau Abgeordneten Berger-Heise gestellt werden soll?
Dann sollen sich die beiden Herrschaften zuerst einmal überlegen, wer die Frage stellen will.
Statt dessen ist es nur zu dem Vorschlag gekommen, eine einzige gesetzliche Bestimmung neu zu
fassen, die das ganze in Bewegung gekommene Mietrecht einfangen soll, und von der Ankündigung mit der sehr detaillierten Form ist wirklich wenig übrig geblieben.
Herr Abgeordneter Dr. Hauser, nachdem offensichtlich die Herrschaften — wie Sie die Kollegen benennen — sich geeinigt haben: gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Berger-Heise?
Bitte!
Herr Kollege Hauser, nachdem ich den Herrn Minister mit Material ausstatten durfte, möchte ich auch Ihnen etwas überreichen.
Darf ich Ihnen das Protokoll der 44. Sitzung des Ausschusses für Wohnungswesen vom 12. Juni 1963 überreichen, in dem unser zu § 556 a gestellter Änderungsantrag verzeichnet ist?
Im Plenum haben Sie nie einen Änderungsantrag gestellt!
Aber selbst bei diesem überaus mageren Ergebnis,
wie es nun in Ihrem Vorschlag vorliegt, muß ich eine sorgfältige Ausarbeitung Ihres Antrags vermissen. So haben Sie unter den Einzelbeispielen, nach denen insbesondere eine Kündigung ausgesprochen werden könnte, etwa den Tatbestand des bisherigen § 2 mit der erheblichen Belästigung im wesentlichen übernommen, dabei aber ganz außer acht gelassen, daß in § 554 a des Ersten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom Juli 1963 der gleiche Sachverhalt als Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches schon statuiert worden ist. Bei einiger Sorgfalt, Herr Jahn, hätte es zumindest einer Abstimmung Ihres Antrags mit dieser schon Gesetz gewordenen Bestimmung bedurft, denn schon rein tatbestandsmäßig würde sich Ihr Vorschlag mit dieser Vorschrift überschneiden.
Dabei lasse ich zunächst außer acht, daß bei Ihnen nichts darüber gesagt ist, in welcher Frist gerade in diesem Falle eine Kündigung wirksam werden soll. Wollen Sie einem renitenten Mieter, der sich einer schweren Verfehlung seiner Mieterpflichten schuldig gemacht hat, erst in der gesetzlich verankerten verlängerten Kündigungsfrist des neuen § 565 eine Räumung konzedieren? Dies bleibt nämlich der zwingende Schluß, wenn ich sehe, daß Sie zu § 565 BGB keine Vorschläge unterbreiten, diese Bestimmung also im BGB anerkennen wollen und damit selbst bei einer eklatanten Störung des mietrechtlichen Vertrauensverhältnisses nur diese Fristen gewahrt wissen wollen. Herr Jahn, ich kann nur sagen,
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Dr. Hauser
daß hier wirklich entsetzlich oberflächlich gearbeitet worden ist.
Aber abgesehen davon sind meine Freunde und ich gern bereit, jede gute, jede tragbare Idee aufzunehmen, die dem Ziel dient, den notwendigen Ausgleich unter den Mietparteien — vom Gesetzgeber her gesehen — zu erreichen und zu unterstreichen, also jenes Partnerschaftsverhältnis vorzubereiten, das die menschlichen Beziehungen unter den Mietparteien wirklich zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu führen vermag. Das ist das Ziel, das wir anstreben: ein soziales Mietrecht zu schaffen, bei dem das zentrale Prinzip unseres Verfassungsrechts, nämlich der sozialstaatliche Grundgedanke, verwirklicht ist. Sozialer Rechtsstaat bedeutet aber — um es nochmals zu betonen —, daß allen von einer Rechtsetzung betroffenen Kreisen gegenüber die Gewichte gerecht verteilt werden. Das haben wir mit der Sozialklausel erreicht. Hier werden Interessenkollisionen zwischen Vermieter und Mieter wirklich ausgeglichen.
Nun aber zum Inhalt dieses Vorschlages! Meine ersten Bedenken setzen dabei ein, daß ich Ihren Vorschlag nicht für verfassungskonform ansehen kann, weil er nämlich der Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes widerstreitet. Mit der Einführung Ihres Vorschlages in das Bürgerliche Gesetzbuch wollen Sie ein endgültiges Mietrecht für Wohnräume schaffen, also nicht nur ein Notrecht neu fassen, wie es _das Mieterschutzgesetz darstellt. Darum müssen wir in unserer Beurteilung insbesondere die Zeiten einschließen, in denen ein ausgeglichener Wohnungsmarkt besteht.
Ist es dann aber noch zu rechtfertigen, daß eine der allgemeinen Grundbefugnisse, die laut Verfassungsgarantie in der Tat jedem Sacheigentümer gewährleistet sind, nämlich das Recht zur freien Verfügung, für immer aufgehoben wird? Unweigerlich ist es eine Eigentumseinschränkung, wenn Sie vom Vermieter schlechthin in jedem Falle den Nachweis eines berechtigten Interesses für seine Kündigung fordern, — eine Eigentumseinschränkung, die inhaltlich auf die Dauer gesehen zur glatten Enteignung wird, weil eben der Eigentümer in der leitenden Disposition über sein Eigentum nicht mehr frei ist.
Gegen diese Feststellung, die übrigens schon mehrfach von unseren obersten Gerichten getroffen wurde, können Sie auch nicht das sozialstaatliche Prinzip ins Feld führen und sagen, gerade dieses Prinzip rechtfertige eine Einschränkung, eine Relativierung der Eigentumsgarantie etwa im Mietrecht. Unter Berufung auf das Sozialstaatsprinzip kann man grundsätzlich nicht unterscheiden zwischen entziehbarem und unentziehbarem, zwischen einschränkbarem und uneinschränkbarem Eigentum. Denn Rechtsprinzipien wie etwa das Sozialstaatsprinzip haben ihre Grenzen in den geprägten, inhaltlich eindeutig festgelegten Rechtsinstituten. Unser Bürgerliches Gesetzbuch hat einen klaren Begriff vom Eigentum mit
dem Recht auf Besitz, mit dem Recht auf Gebrauch und Nutzung, mit dem Recht zur Verwaltung, aber auch mit dem Recht zur freien Verfügung. Wenn Sie aber gerade dieses dem Eigentum immanente Recht zur freien Verfügung hier für alle Zeiten antasten wollen, nicht nur auf die Dauer einer gewissen berechtigten Übergangszeit, wenn Sie mit Ihrem Antrag verlangen, der Hauseigentümer dürfe sein Eigentum nur geltend machen, wenn er bei einer Kündigung sein berechtigtes Interesse nachweist, dann widerstreitet diese Forderung einfach unserem Grundgesetz.
— Warten Sie einen kleinen Augenblick! — Sicherlich hat die Ausübung des Eigentums seine Grenzen dort, wo eben soziale Härten entstehen, und hier haben wir mit der Sozialklausel die Gewichte richtig verteilt. Die Rechte des Vermieters aus dem Mietvertrag werden grundsätzlich nicht angetastet. Er kann rechtlich wie wirtschaftlich über sein Eigentum frei verfügen. Jedoch wird von ihm unter Beachtung der Sozialpflichtigkeit seines Eigentums eine besondere Rücksichtnahme gefordert, wenn auf seiten des Mieters außerordentliche Umstände vorliegen, die eine Kündigung zu dieser Zeit nicht rechtfertigen, selbst unter voller Würdigung der Belange des Vermieters.
Ich kann also nur als Resümee feststellen: Ihre Vorlage ist rechtsstaatlich nicht zu begründen.
Sie fordern nun darüber hinaus: „Die Kündigung ist schriftlich unter Angaben von Gründen zu erklären." Nun, die schriftliche Form der Kündigung bei einem Wohnmietsverhältnis ist auf Antrag der CDU — ich möchte das ausdrücklich betonen —
schon in dem § 564 a BGB verankert.
— Ich glaube, die beachtlichen Gründe, die uns veranlaßt haben, hier die Schriftlichkeit festzulegen, sind im Protokoll des Rechtsausschusses eindeutig festgehalten.
— Der Rechtsausschuß ist der federführende Ausschuß gewesen.
Hinter der zweiten Forderung, die schriftliche Kündigung nur unter Angabe von Gründen zuzulassen, steht die Vorstellung des Mieterbundes, nun den Bestandschutz für Wohnungsmiete wie für den Arbeitsplatz gleich zu gestalten. Sicherlich ist die Wohnung nicht nur Obdach, sondern sie bedeutet für den Mieter den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse, sein Heim, in dem die Familie ihr Eigenleben in gesunder Weise entfalten kann. Und doch kann
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Dr. Hauser
man nicht außer acht lassen, daß das soziale Band zwischen Mieter und Vermieter sehr viel schwächer ist als das zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Im Mietrecht besteht keine gegenseitige Fürsorge- und Treuepflicht wie im Arbeitsrecht. Die Fürsorge des Vermieters beschränkt sich auf die rechtliche Garantie gesunder Wohnungsverhältnisse und auf den ungestörten vertragsmäßigen Gebrauch, während der Arbeitgeber besondere Fürsorgepflichten zu erfüllen hat, die sich in den Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Invalidenversicherung und in den Schutzvorschriften im Arbeitsvorgang äußern.
Wenn man aber schon diese Unterscheidung beachtet, darf man erst recht im Mietrecht nicht mehr verlangen, als es das Kündigungsschutzgesetz fordert. Dort fehlt es an einer gesetzlichen Vorschrift über die Kündigungserklärung, geschweige denn, daß dort gar die Gründe beim Ausspruch der Kündigung angegeben werden müssen. Es ist lediglich gefordert, daß die Kündigung sozial gerechtfertigt sein muß, was notfalls in einem nachfolgenden Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht nachzuweisen bleibt. Zudem müssen wir bei dem neu in das BGB zu übernehmenden Mietrecht von einer Zeit ausgehen, in der bei ausgeglichenem Wohnungsmarkt jeder Vermieter ein besonderes Interesse daran hat, seinen vertragstreuen Mieter zu behalten. Schon aus diesem Grunde werden willkürliche Kündigungen selten sein. Denn welcher Vermieter wollte ein möglicherweise längeres Leerstehen der vermietbaren Wohnung in Kauf nehmen?
Davor aber wollen wir den Mieter bewahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesrat hat bereits im ersten Durchgang gefordert — so heißt es hier in dem Antrag des Landes Niedersachsen, den der Bundesrat behandelt hat —, das Widerspruchsrecht des Mieters gegen die Kündigung müsse wiederholt ausgeübt werden können. Das ist ein Antrag, der nichts mit dem von Ihnen vorgelegten Antrag zu tun hat.
— Im Rahmen der noch anstehenden Behandlung der mißbilligten Klauseln wird sicherlich diese Frage mit behandelt werden.
Herr Kollege Jahn, Sie werden es mir sicherlich abnehmen, daß ich mich in der Sorge um den Schutz des Mieters nicht von Ihnen und der Opposition übertreffen lasse.
Warum sage ich das? Hier liegt eine Frage vor, die uns alle gemeinsam sehr interessieren sollte, nämlich die Frage: Wie kann man das Bürgerliche Gesetzbuch in Richtung der Sozialpflichtigkeit des Gutes Wohnung weiterentwickeln?
Ihre Beispiele aus Worms spekulierten, was ich bei Ausführungen aus Ihren Reihen immer wieder feststelle, mit der Angst. Sie werden die Antwort auf diese Beispiele von meinen ,Herren schriftlich bekommen, da sie zum Teil unrichtig sind. Ich kann deshalb im Augenblick hier dazu keine verbindliche Auskunft geben.
— Sie haben sie ja vorgetragen; sie sind aber unrichtig, und damit Sie das ganz genau erhalten — Sie sind doch ein Jurist, 'und hier wurde breit juristisch diskutiert —, bekommen Sie das schriftlich.
Meine Damen und Herren, was schwebte mir, was schwebte der Koalition nicht nur jetzt, sondern schon vor zehn, zwölf Jahren vor, als wir darangingen, mit der ungeheuren Wohnungsnot fertigzuwerden? Ich habe die Auffassung vertreten, daß es bei dem Gut Boden wie auch bei dem Gut Wohnung keinen Rückfall in den Liberalismus der Gründerzeit geben dürfe.
— Ich bin kein Jurist und habe deshalb das Recht,
mich politisch auszudrücken. Was wir nicht wollen,
ist, daß wieder einmal gegen Menschenwürde, gegen die Familie aus Gewinnstreben, aus Gewinnsucht gebaut werden darf. Zeugen dieser scheußlichen Baupolitik sind der Berliner Wedding und der Alexanderplatz. Sie wissen, was ich damit meine. Dort wurden Häuser und ganze Blöcke gebaut mit vier oder fünf Hinterhöfen ohne Rücksicht darauf, daß hier Familien leben mußten, die dann — Zille hat das oft dargestellt — zugrunde gingen. Es bedurfte nur noch eines Demagogen wie Goebbels oder eines Demagogen wie Thälmann, um bei einer wirtschaftlichen Depression daraus politisches Kapital zu schlagen.
Weil sich das in unserer Sozialordnung nicht wiederholen darf, habe ich beim Bundesbaugesetz die Sozialpflichtigkeit beim Boden und beim sozialen Mietrecht durchgesetzt, daß die berechtigten Belange der Familie und des einzelnen unter Abwägung der Interessen des Vermieters zu wahren sind; anders ausgedrückt: die Grenzen der freien Verfügbarkeit über das Gut Wohnung liegen für den Hausbesitzer bei Kündigung usw. dort, wo diese berechtigten Belange der Familie berührt werden. Das steht in dieser Generalklausel. Keine bessere ist mir serviert worden, auch von Ihnen nicht, Herr Kollege Jahn; auch in diesem Antrag nicht, der weit hinter das zurückgeht, was ich hier fordere: daß nämlich in unserer Sozialordnung nicht Familien unter die Räder kommen dürfen, weil einige skrupellose Hausbesitzer Mißbrauch treiben.
Wenn ich mir vorstelle, daß wir jetzt vier Jahre an dieser Vorlage arbeiten und Ihr Antrag erst heute kommt, — nun, meine Damen und Herren, dann kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier ein Zipfel Ihrer alten politischen Farbe doch etwas zum Durchbruch kommt.
Hier geht es nicht um das Wohl der Mieter; dann hätte man sich den Antrag besser überlegt und man hätte dem Antrag eine bessere Fassung gegeben. Sie ist schlechter. Hier geht es, glaube ich, etwas darum, mit der Angst politisches Geschäft zu machen.
Meine Damen und Herren, auch hier haben die Mieter
— ich antworte jetzt auf keine Zwischenfrage —
u n d Vermieter gezeigt, daß sie sehr wohl den Segen der sozialen Marktwirtschaft auch auf diesem Sektor zu schätzen wissen. Denn alle Spekulationen mit Panikkündigungen haben sich ebensowenig erfüllt wie alle anderen Spekulationen, die an diese Fragen geknüpft worden sind.
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Bundesminister Lücke
Alles Bemühen des Mieterbundes, alles Bemühen derjenigen, die die berechtigte Sorge, die ich immer zugestanden habe, mißbrauchen, um politische Geschäfte zu machen, haben nicht zu dem geführt, was man erwartet hat. Warum nicht, meine Damen und Herren? Es wird weiter gebaut. Ich habe diese Politik immer davon abhängig gemacht, daß nur in dem Maße, in dem die Wohnungsnot beseitigt wird, die Zwangswirtschaft fällt.
Ich kann deshalb erwarten, meine Damen und Herren, auch von der Opposition, daß Sie bessere Vorschläge machen. Darum schlage ich auch Ihnen vor, daß Sie diese Anträge in den Rechtsausschuß bringen, der ja noch die sogenannten mißbilligten Klauseln behandeln muß. Das ist eine schwierige Aufgabe. Es geht um die Bestimmungen des BGB. Ich wäre dankbar, wenn Sie bessere Lösungen fänden. Ich habe das immer gesagt. Bis zur Stunde liegen keine vor.
Ich darf noch einmal ganz kurz zusammenfassend sagen, warum Ihr Antrag schlechter ist als die bisherige Lösung.
Erstens. Die freie Verfügungsgewalt wäre dem Hausbesitzer genommen, auch dann, wenn das Wohl der Allgemeinheit es nicht erforderlich machte. Damit wird die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft ernstlich in Frage gestellt.
Zweitens. Die Vorschrift würde aber auch die Mieter nicht besser stellen als der jetzt in den weißen Kreisen geltende § 556 a.
— Ich bitte, doch zuzuhören; das ist sehr wichtig.
— Herzlichen Dank, das dient der Geschäftsführung.
In Fällen, in denen der Vermieter berechtigtes Interesse dartut, läßt der SPD-Vorschlag die Möglichkeit vermissen, trotzdem den Mieter zu schützen, wenn seine Interessen bei sorgfältiger Abwägung schwerer wiegen. Das ist doch sozialpolitisch nicht vertretbar.
Drittens sollte man, meine Damen und Herren, nach 44 Jahren Zwangswirtschaft die Vertragsparteien nicht zwingen, sich Dinge vorzuwerfen, die am besten unausgesprochen bleiben. Was sich hier bei Mietern und Vermietern angesammelt hat, sollten wir behutsam sich in Freiheit abwickeln lassen.
Ich vermisse Ihren Beitrag.
— Dann hätten Sie das im Ausschuß sagen müssen.
In dem Gesetz wird zum erstenmal sichergestellt, daß jede Familie ihre Miete zahlen kann. Hier, Herr Jahn, liegt der Schutz der Familie, hier wird möglich gemacht,
daß die Familien auch dann, wenn sie in eine unverschuldete Notlage geraten, in der Lage sind, ihre Miete zu zahlen.
Das, meine Damen und Herren, ist das soziale Miet- und Wohnrecht, das sich jetzt in fast 400 Kreisen Schritt für Schritt bewähren muß. Ich habe den Willen und werde ihn auch weiter haben, alles zu tun, um zu verhindern, daß mit der Unwissenheit Mißbrauch getrieben wird. Ich habe in SchleswigHolstein ein Beispiel gesetzt.
Aber ich erwarte auch von der sozialdemokratischen Opposition, daß sie mithilft aufzuklären und nicht mitwirkt, größere Verwirrung zu stiften.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD, den § 556 a abzuändern, war vorauszusehen. Mich hat aber gewundert, meine Damen und Herren von der Opposition, warum Sie damit so lange gewartet haben. Ich habe festgestellt, daß alle Redner sehr sorgfältig das Protokoll der Sitzung vom 24. Mai 1960 studiert haben. Damals hatte ich den Beifall der SPD gefunden. Ich bezweifle, ob ich heute wieder ihren Beifall bekomme. Den Beifall hatte ich deswegen, weil ich mich auch für die Rückverweisung eingesetzt hatte. Ich stehe auch heute noch dazu, daß es besser gewesen wäre, man hätte damals dem Rückverweisungsantrag stattgegeben und das ganze soziale Mietrecht im Rechtsausschuß zusammenhängend behandelt und verabschiedet. Ich sage noch einmal mit aller Offenheit und Eindeutigkeit: Ich halte es für nicht gut, daß so grundlegende und wichtige Gesetze stückweise verabschiedet werden. Damals also hatte ich den Beifall der SPD, weil ich für die Rückverweisung war. Aber, meine Damen
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Frau Dr. Diemer-Nicolaus
und Herren von der Opposition, wenn damals dem Rückverweisungsantrag stattgegeben worden wäre und wir uns dann im Rechtsausschuß über die Gestaltung des sozialen Mietrechts unterhalten hätten, hätte ich wohl nicht mehr Ihren Beifall gefunden.
Seinerzeit hat der Herr Kollege Hamacher namens der SPD-Fraktion eindeutig erklärt, der Mieterschutz sollte aus gesellschaftspolitischen Gründen auch über den vorgesehenen Auslauftermin hinaus bestehenbleiben. Ich habe damals, als ich darlegte, warum die Freien Demokraten für die Rückverweisung seien, darauf hingewiesen, daß wir es begrüßt hätten, wenn die Problematik geklärt worden wäre, die nun einmal in der Frage liegt, wieweit die Sozialklausel des Art. 14 des Grundgesetzes und die darin liegende Eigentumsbeschränkung es rechtfertigt, einen Vermieter anders zu behandeln als einen Eigentümer von anderen Sachwerten. Diese Problematik ist noch vorhanden. Sie sind der Auffassung, daß die jetzt in § 556 a BGB enthaltene Sozialklausel nicht dem Art. 14 des Grundgesetzes entspricht. Sie meinen, es sei eine stärkere Bindung des Eigentümers gerechtfertigt. Wir Freien Demokraten hatten damals Bedenken, ob der Eigentümer nicht zu stark gebunden wird und ob diese Regelung noch durch die Sozialverpflichtetheit des Art. 14 des Grundgesetzes gedeckt wird.
Mit Ihrem Antrag wird jetzt auch wieder die schon damals von uns behandelte Frage der Schaffung eines prozeßrechtlichen Novums angeschnitten, daß nämlich der Richter in einem Mietprozeß ein gestaltendes Urteil ergehen lassen kann. Auch Sie wollen haben, daß der Richter gegebenenfalls einen Mietvertrag angemessen abändern und in seinem Urteil bestimmen kann, daß der Mietvertrag mit einem anderen Inhalt, als er zwischen den Parteien vereinbart war, fortgesetzt wird. Ein derartiges Novum hätte auch vom Dogmatischen her noch einer Erörterung bedurft.
Die Einzelheiten Ihres Gesetzentwurfs möchte ich von mir aus nicht nochmals behandeln. Sie können natürlich sicher sein, daß wir als Freie Demokraten in vollem Umfang hinter dem stehen, was Herr Justizminister Bucher in dieser Hinsicht zu den Einzelproblemen gesagt hat.
Aber etwas anderes: Sie wußten schon seinerzeit, daß diese Bestimmungen erst im Jahre 1963 wirksam werden, und wenn Ihnen wirklich daran gelegen war, daß § 556 a, so wie er im Mai 1960 beschlossen wurde, nicht zum Tragen kommt, wenn Sie ihn wirklich für so völlig untragbar gehalten haben, warum haben Sie dann nicht schon wesentlich früher in den vergangenen drei Jahren Ihren Antrag vorgelegt?
Obwohl wir damals mit unserem Antrag auf Zurückverweisung nicht durchkamen, haben wir keinen entsprechenden Antrag eingereicht, und zwar deshalb, weil es nach meiner Auffassung zu einer fairen Demokratie gehört, wenn man in einem Parlament überstimmt wird, sich nachher diesen parlamentarisch-demokratischen beschlossenen Tatsachen und Gesetzen zu fügen.
— Herr Kollege Jacobi, an und für sich haben sich die Sozialdemokraten in den letzten Jahren als ausgesprochene Realpolitiker erwiesen; besonders in der Außen- und der Wehrpolitik haben sie sich doch entgegen ihrer früheren Haltung durchaus auf den Boden der jetzt gegebenen Tatsachen und Verträge gestellt.
— Und was für die Außenpolitik gilt, warum sollte das nicht auch für innenpolitische Fragen gelten?
Jetzt erst, am 1. November, ist der im Jahre 1960 beschlossene § 556 a mit seiner Sozialklausel in Kraft getreten. Es liegen also noch gar keine Erfahrungen darüber vor, wie er sich auswirkt.
Ist man überstimmt worden, gehört es auch zu einem fairen demokratischen Stil, zuerst einmal die Auswirkung eines Gesetzes abzuwarten. So ist es doch auch in diesem von mir so verehrten Hohen Hause bisher von allen Seiten gehandhabt worden. Darauf möchte ich hinweisen.
Herr Kollege Jahn hatte am 24. Mai 1960 der Regierungspartei gesagt, ob nicht propagandistische Gründe — —
— Er hat sogar gesagt, daß es propagandistische Gründe seien, die zu der Verabschiedung des § 556 a geführt hätten. Aber wenn Sie erst jetzt, nachdem diese Bestimmung gerade rechtswirksam geworden ist, Ihre Neufassung vorlegen und es nicht schon in den vergangenen drei Jahren getan haben, wodurch es gegebenenfalls gar nicht zu dem Inkrafttreten hätte kommen können, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn auch gefragt wird, ob nicht auf Ihrer Seite insofern propagandistische Gründe vorhanden sind.
Da das soziale Mietrecht im Rechtsausschuß anhängig ist — —
— Die Auffassungen gehen eben auseinander.
Wir werden uns in der Frage, Herr Kollege Jacobi, was sozial ist und was nicht sozial ist, wahrscheinlich nie völlig einig werden.
— Ja, Herr Kollege Jacobi, das glaube ich Ihnen gern. Hier kommt die geschichtliche Entwicklung
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Frau Dr. Diemer-Nicolaus
unserer beiden Parteien zum Ausdruck. Ihre Einstellung zum Eigentum war früher eine ganz andere, und erst allmählich bekennen Sie sich zu dem wirklichen Sinn des Eigentums, wie wir es nicht im Sinne des Liberalismus der Gründerzeit, sondern mit unserem modernen verpflichtenden Liberalismus für richtig erachten.
Da sich die SPD auf dem Wege dahin befindet, Herr Kollege Jacobi, gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß wir im Laufe der Jahre vielleicht auch noch zu der gleichen Auffassung über die soziale Verpflichtetheit des Eigentums kommen.
Die Einzelheiten Ihres Antrags werden uns im Rechtsausschuß noch eingehend beschäftigen. Es wird dann noch über manches zu sprechen sein. Aber ich kann Ihnen schon heute sagen: trotz der Bedenken, die wir Freien Demokraten damals gegen den § 556 a BGB hatten, sind wir, nachdem er in dieser Form verabschiedet worden ist, der Meinung — das kam auch schon in den Ausführungen von Herrn Bundesjustizminister Bucher ganz klar zum Ausdruck —, daß jetzt zunächst einmal abgewartet werden sollte, wie sich diese gesetzliche Regelung auswirkt. Ich bin allerdings der felsenfesten Überzeugung, daß — zumal bei einem immer stärker ausgeglichenen Wohnungsmarkt — die Dinge hier einen Verlauf nehmen werden, der nicht zu Untragbarkeiten führen wird.
Herr Kollege Jahn, noch ein letztes Wort zu Ihren Beispielen aus Worms! Erstens weiß ich nicht, ob Worms schon zu den „weißen" Kreisen gehört — und dann gilt ja § 556 a —, und zweitens haben Sie bei Ihren Beispielen völlig übersehen — worauf Herr Minister Lücke hingewiesen hat —, daß in der Zwischenzeit das Gesetz über die Miet- und Lastenbeihilfen verabschiedet worden ist. Und nehmen Sie mir ein offenes Wort nicht übel: Wenn ich als alleinstehende Frau nur ein Einkommen oder eine Rente von 325 DM habe, nehme ich mir nicht eine frei finanzierte Wohnung für 200 DM; dann finde ich auch noch eine billigere.
Oder man muß davon ausgehen, daß diese Frau nicht nur die Rente von 325 DM, sondern schon jetzt oder in Zukunft noch andere Einkommen hat. Sonst wäre es sicher unvernünftig. Ich rechne insofern, Herr Kollege Jacobi, doch immer noch auf die Vernunft und letzten Endes auch auf den guten Willen von Hausbesitzern, Vermietern und Mietern.
Noch eine Wortmeldung: Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte war für uns bemerkenswert aufschlußreich. Sie stand in wesentlichen Punkten stark im Widerspruch zu dem, was hier früher gesagt worden ist. Wenn das, was wir mit diesem Antrag zu formulieren versucht haben, alles so schlecht, so untauglich, so eindeutig ungeeignet wäre, ein soziales Mietrecht darzustellen, kann ich
nur sagen: Warum wird dann hier die Kanonade aufgeführt — mit zwei Ministern und zwei zusätzlichen Debatterednern —, die der Herr Kollege Hauser vorhin, wie er sagte, bei mir vermißt hat?
Natürlich kann man bei jedem Gesetzentwurf eine Kritik ansetzen. Aber ich wäre Herrn Minister Bucher doch sehr dankbar dafür, wenn er sich einmal die Frage vorlegte, ob alles das, was er zur Kritik an unserem Entwurf gesagt hat und worüber wir im Ausschuß zu sprechen haben, nicht eigentlich in erster Linie Selbstkritik ist. Sie kritisieren nämlich die Formulierung des § 556 a BGB, den Sie hier so in seiner alten Fassung glaubten verteidigen zu müssen.
Ich meine, wir haben hier die Pflicht, in aller Ruhe und Sachlichkeit eine Frage zu erörtern, von der in dieser Debatte deutlich geworden ist, welches Gewicht sie hat. Ich verstehe deshalb nicht, weshalb in diesem Zusammenhang hier mit solcher Heftigkeit Grundsatzfragen aufgeworfen werden, die zur Sache überhaupt nichts aussagen.
Ich habe den Kollegen Hauser nicht ohne Grund gefragt, ob er sich nicht doch das falsche Manuskript mitgebracht hat. Ich sehe mich leider außerstande, auch nur auf eine seiner Einwendungen hier einzugehen, weil ich meine,
wir sollten das sachliche Gespräch suchen, um hier eine vernünftige Lösung zu finden, und nicht mit einer an den Haaren herbeigezogenen Polemik über Dinge reden, die mit dieser Sache nichts zu tun haben.
Herr Minister Lücke hat hier gesagt, er lasse sich in der Sorge um den Schutz des Mieters von uns nicht übertreffen. Sehr schön, Herr Minister! Dann wollen wir in Ruhe darüber reden, wie das am sinnvollsten geschehen kann. Ich habe nur etwas Sorge, wie es möglich sein soll, in Ruhe darüber zu reden, wenn Sie einen Antrag, von dem hier mehrfach gesagt worden ist, er werde von Ihnen seit einiger Zeit schon vermißt, wenn Sie einen Antrag, den wir vorbringen, als das politische Geschäft mit der Angst bezeichnen.
Herr Minister, die Menschen draußen im Land haben Angst, und es geht gar nicht darum, ob hier etwa ein politisches Geschäft damit gemacht werden soll, sondern es geht einfach um die nüchterne Feststellung, daß Sie auch diese Angst zur Kenntnis nehmen müssen und daß wir als Gesetzgeber verpflichtet sind, dem Rechnung zu tragen und nicht Formulierungen vorzulegen und Gesetzesvorschläge zu machen, die diese Angst nur begründen und unterstützen. Denn lassen Sie mich das eine einmal fragen: Wenn Sie so überzeugt davon sind, daß diese Angst unbegründet ist, warum haben Sie sich dann eigentlich veranlaßt gesehen, sich in den letzten
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Jahn
Wochen und Monaten so intensiv um Hilfstruppen zur Unterstützung Ihrer Vorstellungen zu bemühen?
Wie kam es denn oder warum war es denn notwendig, daß Sie sich an den Arbeitgeberverband, an den Bundesverband der Deutschen Industrie gewandt haben, daß Sie den Zentralverband der Hausund Grundbesitzer herangezogen haben und daß alle mit Ihnen gemeinsam beschwörende Appelle an die Vermieter richten mußten,
keinen Mißbrauch zu treiben?
Ich glaube, Herr Minister, das Eingeständnis, daß die gesetzliche Lösung, die Sie vorgeschlagen und durchgesetzt haben, diesen Mißbrauch ermöglichen kann, konnte nicht deutlicher als durch diesen Appell gemacht werden.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Sie sich sehr viel davon versprechen, wenn Sie die Bemühungen um ein soziales Mietrecht in dieser Tonlage führen. Ich meine, hier gibt es eine Reihe sachlicher Überlegungen anzustellen. Sie sagen, es sei nicht möglich, die berechtigten Interessen auch des Mieters zu berücksichtigen. Nun, die Formulierung, die wir gewählt haben, geht genau darauf hinaus, daß, wenn wir von den berechtigten Interessen des Vermieters sprechen, damit selbstverständlich die Notwendigkeit des Abwägens der Interessen zwischen Vermieter und Mieter gemeint ist.
— Wenn Sie meinen, das sei nicht in eindeutiger Form damit ausgesagt,
nun gut, dann wollen wir das gern ergänzend dazu nehmen.
Darüber wird im Ausschuß gesprochen werden.
Daß keine Gründe angegeben werden sollen und dazu nach Ihrer Auffassung ein Dienst am Rechtsfrieden geleistet werden muß, Herr Minister, das ist eine Bewertung und das ist eine Forderung, von der ich nur sagen kann, daß sie die eigentlichen Vorstellungen, die eigentlichen Zielsetzungen zu kaschieren scheint. Ich glaube, derjenige, der in einer unserer Besprechungen über dieses Thema — es handelte sich hier um einen Ihrer Parteifreunde — gesagt hat: „Ja, wenn der Vermieter verpflichtet ist, die Gründe in die Kündigung hineinzuschreiben, dann weiß der Mieter ja Bescheid", der hat es ehrlicher gemeint als Sie, der Sie dies hier zur Rechtfertigung der unbegründeten Kündigung gesagt haben.
Dann haben Sie davon gesprochen, daß doch eigentlich der Kern des sozialen Mietrechtes die Gesetzgebung über die Miet- und Lastenbeihilfen sei. Ich glaube, das ist eine sehr ernste und sehr grundsätzliche Frage. Wenn Sie meinen, die sozialen
Verpflichtungen seien mit fürsorgerechtlichen Regelungen in unserer Gesellschaft zu erledigen,
dann gibt es da allerdings sehr grundsätzliche Unterschiede in unseren Vorstellungen.
Darüber möchte ich keinen Zweifel lassen. Für uns geht jedenfalls die soziale Verpflichtung auch gegenüber dem Mieter weiter als mit solchen Fürsorgeüberlegungen.
Lassen Sie mich zum Schluß zitieren, was jemand, der sicherlich nicht als ein Sozialdemokrat von Ihnen verdächtigt werden kann, Professor Dr. Bettermann, über Ihre Vorstellungen zu diesem Mietrecht gesagt hat. Er meinte:
Arbeit und Wohnung sind keine Ware sowenig wie Grund und Boden. Arbeitsleistung und Wohnraumüberlassung sind daher keine Handelsgeschäfte und können folglich nicht ausschließlich marktwirtschaftlichen Gesetzen unterstellt werden. Wie der Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer die Stätte seines beruflichen Wirkens und seine wirtschaftliche Existenzgrundlage bildet, so ist die Wohnung für den Mieter der Mittelpunkt seines außerberuflichen Lebens, des eigentlich menschlichen und familiären Lebens. Sie ist sein Heim. So wie der Arbeitsplatz dem Arbeitnehmer nicht willkürlich entzogen werden kann, so darf auch der Mieter nicht beliebig aus seiner Wohnung vertrieben werden. Eine Kündigung ohne hinreichenden Grund ist hier wie dort unsozial. Das Sozialstaatsprinzip fordert daher hier wie dort Kündigungsschutz.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Das Wort hat Herr Bundesminister Lücke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist Barbara-Tag, und als alter Waffenoffizier und Feuerwerker müßte ich heute um diese Zeit zur BarbaraFeier bei der Bundeswehr sein. Vielleicht ist es so zu verstehen, Herr Kollege Jahn, daß die Kanonade zweier Minister, von der Sie hier sprachen, sich nun hier entladen muß, wenn ich dort keine Gelegenheit habe.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Jahn hat erneut davon gesprochen, daß ich in der Öffentlichkeit wiederholt gewarnt habe, mit der Angst und Unwissenheit der Mieter und Vermieter Geschäfte zu machen. Ich füge hinzu, daß ich erklärt und gefordert habe — und ich wiederhole diese Forderung hier —, daß nach wie vor alle, die mit dieser Angst und Unwissenheit Geschäfte machen — ich habe das
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Bundesminister Lücke
zuerst ausgesprochen —, an den öffentlichen Pranger gehören. Warum? Wir haben 44 Jahre Zwangswirtschaft. Die Menschen kennen die Gesetze nicht, sie kennen die Bestimmungen nicht. Es ist ein ganz verständlicher Prozeß, daß Unwissenheit und Angst herrschen, nicht nur bei Mietern, auch bei Vermietern. Daß man mit dieser Angst und Unwissenheit keine Geschäfte treiben darf, darüber herrscht doch Übereinstimmung. Daß man diese Angst und Unwissenheit aber auch nicht unverantwortlich schüren darf, das gehört hierher.
— Ich habe das Gefühl — und das möchte ich mit Schärfe hier betonen —, daß Sie, Herr Abgeordneter, in unverantwortlicher Weise gegen bestehendes Recht dadurch gehandelt haben, daß Sie wider besseres Wissen hier erklärt haben, das Gesetz über Miet- und Lastenbeihilfen sei eine Regelung der Fürsorge.
Sie wissen, daß wir in jahrelangen Beratungen bemüht waren, das ganz klar rechtlich abzugrenzen, weil auf die Zahlung der Miet- und Lastenbeihilfen ein Rechtsanspruch besteht. Bund und Länder bringen die Beträge je zur Hälfte auf. Diese Gelder haben nichts mit der Sozialhilfe oder, wie Sie es hier zu formulieren beliebten, mit der Fürsorge zu tun. Meine Damen und Herren, wer so etwas sagt und es als Jurist ausführt, der hat nicht die notwendige Verantwortung, die ein Volksvertreter gegenüber rechtmäßig zustande gekommenen Gesetzen — —
— der besitzt als gewählter Abgeordneter nicht die nötige Verantwortung, die jeder, auch die Opposition, gegenüber rechtmäßig zustandegekommenen Gesetzen haben muß.
Wir sind in diesem Augenblick dabei, die Wohnungszwangswirtschaft abzubauen, und ich frage hier: Sind die Sozialdemokraten plötzlich dagegen, daß die Wohnungszwangswirtschaft abgebaut und durch ein soziales Miet- und Wohnrecht abgelöst wird? Sie sind doch nicht dagegen, sondern Sie drücken hier aus, daß Sie nicht mit § 556 a zufrieden seien.
Ich habe vorhin gesagt: Die bessere Lösung haben Sie nicht vorgelegt. Sie kommen spät, Sie haben vier Jahre gebraucht.
Ich bin bereit, Ihren jetzigen Vorschlag, der hinter dem bestehenden Recht zurückbleibt,
im Ausschuß im Zusammenhang mit der Beratung der mißbilligten Klauseln, die anhängig geblieben sind, zu diskutieren. Ich darf das Hohe Haus und vor allem den Rechtsausschuß sehr herzlich und dringend bitten, diese Bestimmungen bald mit der notwendigen Sorgfalt zu verabschieden, deren nun ein-
mal ein Recht bedarf, das Dauerrecht werden und Eingang in das BGB finden soll. Diese Bestimmungen sollten bis Ende des Jahres verabschiedet werden. Sie würden hier noch bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigen helfen, entsprechend meiner politischen Forderung, die die Koalition vollinhaltlich übernommen hat, daß Kindergeschrei kein Kündigungsgrund sein darf. In rechtlicher, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht wird dieser Schutz verstärkt werden. Ich habe nicht davon gesprochen, wie das hier so beiläufig unterstellt wird, daß ich in den Miet- und Lastenbeihilfen den stärkeren Rechtsschutz sehe. Den Schutz in rechtlicher Hinsicht haben wir im BGB. In wirtschaftlicher Hinsicht werden in der Praxis die Miet- und Lastenbeihilfen der entscheidende Faktor sein.
— Wenn Sie bessere Vorschläge haben, dann bringen Sie sie in den Rechtsausschuß; dort werden sie diskutiert werden.
Ich wehre mich nur dagegen, daß man die Übergangsperiode, die bis jetzt so erfolgreich verlaufen ist, so darstellt, wie Sie es getan haben. Sicherlich zeigen sich Härten. Ich bitte aber zu bedenken, daß hier 2,2 Millionen Familien direkt betroffen sind. Die Zahl der Übergriffe, die leider geschehen, ist Gott sei Dank gering. Dennoch sind wir nicht über den Berg. Wir können dieses bedeutsame Rechtsinstitut nicht schaffen, wenn wir die Unruhe und Unsicherheit erhöhen, sondern wir können mit dem Gesetzeswerk nur gut fertig werden, wenn wir helfen, die Unruhe und Unsicherheit zu beseitigen.
Ich darf Sie sehr, sehr herzlich darum bitten, sehr bald die noch anhängig gebliebenen Bestimmungen über die mißbilligten Klauseln zu verabschieden. Ich hoffe, daß damit dieses Kapitel zur Zufriedenheit aller und zum Wohle unserer Familien abgeschlossen werden kann.
Meine Damen und Herren! Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Sie bitten, einen Blick auf die Uhr zu werfen. Das Wort hat der Abgeordnete Könen.
Herr Präsident, so ist das immer: Einer, der sich vornimmt, nur drei Sätze zu sagen, ist derjenige, der gemahnt wird, sich kurz zu fassen.
Herr Abgeordneter, ich habe nicht Sie, sondern das Haus gemahnt.
Schönen Dank.
Ich habe nicht die Absicht, dem Herrn Minister Lücke und seinen Freunden zu folgen, die hier in den letzten Minuten so trefflich mit Verdächtigungen um sich geworfen haben
— es dauert länger, wenn Sie mich mit Zwischenrufen attackieren; ich gehe darauf ein, verlassen Sie
sich darauf! — über die Beweggründe der SPD für
4586 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Könen
das, was hier beabsichtigt wird. — Ich möchte Ihnen eine Aufklärung geben. Herr Minister, ich verdächtige Sie nicht, daß Sie mit Absicht den Kollegen Jahn falsch interpretiert haben. Er hat nämlich nicht gesagt, daß das Wohn- und Mietbeihilfengesetz ein Fürsorgegesetz ist, sondern er hat gesagt, daß in diesem Mietbeihilfengesetz fürsorgerechtliche Regelungen vorgenommen worden sind.
— Herr Dr. Czaja, ich habe schon einmal bewiesen, daß ich ein bißchen mehr davon verstehe.
— Moment, ich bin in bester Gesellschaft. Dieses Gesetz über Wohnbeihilfen ist — auch wenn man sagt, es sei keine Fürsorge, was hier geleistet wird
— nach fürsorgerechtlichen Prinzipien aufgestellt.
—Lassen Sie mich mal ausreden.
— Nein, lassen Sie mich erst einmal ausreden. Wenn Sie mir das nicht glauben — —
— Entschuldigen Sie, davon spricht doch kein Mensch. Wir reden hier von dem gesellschaftpolitischen Morgenrot des Herrn Ministers Lücke, wenn Sie es genau wissen wollen. — Meine Rede dauert also doch länger, wenn das so weitergeht.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Folgen Sie dem Redner!
Ja, hören Sie mir ein wenig zu! — Daß dieses Wohnbeihilfengesetz fürsorgerechtliche Regelungen enthält, das behauptet nicht der SPD-Abgeordnete Könen oder seine Fraktion, sondern das können Sie sich von einem in der ganzen freien Welt anerkannten Fachverband bestätigen lassen: vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge. Unsere Auseinandersetzungen mit dem Hause des Herrn Ministers hatten ja gerade mit diesen Dingen zu tun. Bitte sehr, Sie können es nehmen, wie Sie wollen. Ich verstehe auch etwas davon. Verlassen Sie sich darauf: dieses Gesetz über Wohn- und Lastenbeihilfen enthält fürsorgerechtliche Regelungen. Das hat mit einer Abwertung oder Aufwertung von Sozialhilfe, lieber Herr Kollege, überhaupt nichts zu tun. Ich wollte hier nur keinen falschen Zungenschlag in bezug auf Behauptungen gegenüber dem Kollegen Jahn aufkommen lassen, da so viel von Verdächtigungen geredet worden ist. Das war der Grund, weshalb ich hier heraufkam. Im übrigen können wir zwei, Herr Dr. Czaja, uns einmal fachlich unterhalten. Sie werden sich wundern!
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Antrag Drucksache IV/1554, über den soeben diskutiert wurde, an den Rechtsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Landbeschaffung (Drucksache IV/1648).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Inneres vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich noch einen Augenblick zu gedulden, damit wir die für heute vorgesehenen Punkte der Tagesordnung erledigen können.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung von Erwerbsbeschränkungen für Staatsangehörige und Gesellschaften der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Wirtschaftsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. August 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kolumbien über deutsche Vermögenswerte in Kolumbien .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Finanzausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten — mitberatend — vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Spar-Prämiengesetzes .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Ich schlage vor, den Entwurf an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Von der SPD ist beantragt, den Entwurf zur Mitberatung an den Finanzausschuß zu überweisen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4587
Vizepräsident Dr. Jaeger
Wird dagegen Widerspruch erhoben? — Das ist nicht der Fall; dann ist auch das beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (Drucksache IV/1646).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Wollen Sie noch fortfahren?
— Dann rufe ich auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. April 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Guinea über die Förderung von Kapitalanlagen ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen IV/1512, zu IV/1512).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Matthöfer, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen! Einstimmig angenommen!
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. Dezember 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen IV/1513, zu IV/1513).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Matthöfer, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, — 3,
— Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in der Schlußabstimmung dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen, auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!
Ich rufe auf Punkt 16:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache IV/1651).
Ich danke Herrn Abgeordneten Mertens für seinen Schriftlichen Bericht. Ich rufe in zweiter Beratung § 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7 und 8, —Einleitung und Überschrift auf. Der Antrag des Ausschusses geht auf Ablehnung.
— Dann werden wir es in der Form machen, daß wir über die Paragraphen abstimmen. Wer mit dem Ausschuß stimmt, der stimmt mit Nein.
Wer den Paragraphen entgegen dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer mit dem Ausschuß ablehnen will, den bitte ich nunmehr um das Handzeichen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig abgelehnt. Damit erübrigt sich eine dritte Beratung.
Ich rufe auf Punkt 17:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Umstellungsergänzungsgesetzes ,
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache IV/1634) ;
b) Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache IV/1563).
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Seume für seinen Schriftlichen Bericht. Ist eine Ergänzung durch den Haushaltsausschuß veranlaßt? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung.
Ich rufe auf die §§ 1 bis 21, Einleitung und Überschrift. Wer den Bestimmungen zuzustimmen
4588 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Vizepräsident Dr. Jaeger
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe? — Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 18:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Dezember 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verzicht auf die Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (6. Ausschuß) (Drucksache IV/1624).
Ich danke Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe auf in zweiter Beratung Artikel 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Eine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine. Bei einer Gegenstimme ahne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 19:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. September 1962 zur Änderung des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt (Drucksache IV/1573);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/1633).
Ich danke Herrn Abgeordneten Müller für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe auf in zweiter Beratung Artikel 1, — 2, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Diesmal offensichtlich keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaftungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 20:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
(Drucksache IV/1639).
Ich danke der Berichterstatterin, der Abgeordneten Frau Beyer , für ihren Schriftlichen Bericht.
Ich eröffne die zweite Beratung und rufe auf Artikel 1 bis 6, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer in der Schlußabstimmung dem Gesetzentwurf als ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich komme zum Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2, den Entschließungsanträgen unter a) und b) zuzustimmen. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer diesen Entschließungsanträgen unter 2 a) und b) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. März 1962 zur Ergänzung des Abkommens vom 26. August 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidge-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4589
Vizepräsident Dr. Jaeger
nossenschaft zum deutschen Lastenausgleich ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache IV/1553).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Kuntscher, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe auf in zweiter Beratung die Art. 1, — 2,
— 3, — 4 — sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Wir kommen zur
Dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 22:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Amtsgehalt der Mitglieder des Bundesverfassunggerichts ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/1666).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf §§ 1, — 2, — 3,
— 4 — sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Eine Gegenstimme rechts. Enthaltungen? — Eine Enthaltung links. Das Gesetz ist bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 23 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zu dem Protokoll vom 7. November 1962 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Erklärung vom 18. November 1960 über den vorläufigen Beitritt Argentiniens zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ;
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache IV/1667).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Werner, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf die Art. 1, — 2,
— 3 — sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 24:
a) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Vierundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksache IV/1635),
b) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Fünfundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksache IV/1636),
c) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksache IV/1637),
d) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Siebenundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksache IV/1638),
e) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Dreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksache IV/1662).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen die Überweisung der unter den Buchstaben a) bis e) aufgeführten Verordnungen an den Außenhandelsausschuß vor. — Das Wort wird nicht gewünscht. — Es erhebt sich auch kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
4590 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe auf Punkt 25 der Tagesordnung:
Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Hühnern nach Berlin .
Vom Ältestenrat ist vorgeschlagen Überweisung an den Außenhandelsausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Erhebt sich Widerspruch? — Es ist so beschlossen.
Es ist fraglich, wer von den beiden Ausschüssen federführend sein soll.
Der Außenhandelsausschuß wird vorgeschlagen. Wird ein anderer Antrag gestellt? — Das ist nicht der Fall. Erhebt sich Widerspruch? — Das ist auch nicht der Fall. Dann ist der Außenhandelsausschuß federführend.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 26 Buchstaben a) bis d) :
a) Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Achte, Zwölfte und Dreizehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1517, IV/1518, IV/1519, IV/ 1626),
b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Fünfte und Sechste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1514, IV/1515, IV/1627),
c) 'Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Fünfzehnte, Siebzehnte und Zwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1520, IV/1521, IV/ 1523, IV/1628),
d) Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Siebente und Neunzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1516, IV/1522, IV/1629).
Die Berichterstatter verzichten auf das Wort. — Eine Aussprache wird auch nicht gewünscht. Der Ausschuß schlägt vor, den aufgerufenen Verordnungen unverändert zuzustimmen. Wer das tun will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? — Keine Enthaltungen! Einstimmig angenommen!
Ich komme gesondert auf Punkt 26 e:
Beratung des Mündlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die
von der Bundesregierung vorgelegte Neunundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1612, IV/ 1664).
Wer dem Antrag im Mündlichen Bericht des Ausschusses auf unveränderte Annahme zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? — Einige Enthaltungen links! Angenommen!
Ich rufe auf Punkt 27 der Tagesordnung:
Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Einundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Angleichungszölle für Waffeln und Kekse) (Drucksachen IV/1532, IV/ 1663).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Bäumer. — Das Wort wird nicht gewünscht. Eine Abstimmung ist nicht notwendig, es genügt die Kenntnisnahme durch das Haus. Das Haus hat Kenntnis genommen.
Punkt 28 der Tagesordnung wird bis Freitag zurückgestellt.
Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:
Beratung der Entschließungen der 52. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union .
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vor. — Das Wort wird nicht gewünscht, Widerspruch nicht erhoben; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 30 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bericht der Bundesregierung über die EURATOM-Forschungsstätten .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 31 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Anhänge zur Verordnung Nr. 36/63/EWG des Rates über die Soziale Sicherheit der Grenzgänger (Drucksachen IV/1591, IV/1674).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Klein , für seinen Schriftlichen Bericht.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1963 4591
Vizepräsident Dr. Jaeger
Dann stimmen wir ab über den ersten Punkt des Antrags des Ausschusses, die Verordnung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Ich bitte diejenigen um Handzeichen, die damit einverstanden sind. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Die Verordnung ist einstimmig zustimmend zur Kenntnis genommen.
Wir kommen zu den Entschließungen; das sind die Punkte 2 und 3 des Ausschußantrages. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den Entschließungen unter Punkt 2 und 3 des Ausschußantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 32 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Ergänzung von Anhang D der Verordnung
Nr. 3 und Anhang 6 der Verordnung Nr. 4
(Drucksachen IV/1603, IV/1675).
Ich danke der Berichterstatterin, der Abgeordneten Frau Döring, für ihren Schriftlichen Bericht.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, wer dem Antrag des Ausschusses, die Verordnung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltung. Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Damit stehen wir am Ende der heutigen umfangreichen Tagesordnung. Ich danke Ihnen dafür, daß Sie ausgehalten haben.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 5. Dezember, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.