Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren,
mit Ergriffenheit und Trauer hat das deutsche Volk die Kunde vom Tod Seiner Heiligkeit Papst Johannes XXIII. vernommen. Als am 3. Juni 1963 die Todesnachricht in der Bundeshauptstadt eintraf, richtete der Präsident dieses Hauses folgendes Telegramm an den Kardinal-Staatssekretär in der Città del Vaticano:Zum Heimgang Seiner Heiligkeit Papst Johannes XXIII. spreche ich Euer Eminenz auch im Namen des Deutschen Bundestages meine herzliche Anteilnahme aus. In Erinnerung an die unvergeßliche Begegnung mit dem Heiligen Vater gedenke ich des großen Papstes in Ehrerbietung und bleibender Dankbarkeit.Der Herr Präsident hat gleichzeitig dem Herrn Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Kardinal Frings, die Anteilnahme des Deutschen Bundestages ausgesprochen.Mit Johannes XXIII. ist ein großer Papst zu Grabe getragen worden — ein wahrer Lehrer und Lenker in der Christenheit, so ganz und gar echt und lauter in seinem Lehramte, daß er weit über den Bereich der Katholischen Kirche, ja über die Grenzen der Christenheit hinaus gehört wurde. Darum hat die ganze Welt um ihn getrauert.Er hat sein Amt nur fünf Jahre lang führen dürfen. Aber dieses Lustrum wird einst von den Geschichtsschreibern zu den großen Pontifikaten gezählt werden. Johannes XXIII. hat in seinen Enzykliken Wege zu einem neuen wechselseitigen Verständnis von Kirche, Gesellschaft und Staat, von Geistlich und Weltlich eröffnet. Was er dabei verkündete, beginnt jetzt schon Epoche zu machen. Doch was vielleicht — sub specie aeternitatis — noch größer ist: das Leben dieses Mannes war in der Fülle der Kraft und in der Mühsal des Sterbens exemplarisch. Darum trauern um ihn nicht nur jene, die das Geschichtsmächtige seines Waltens im Amt begreifen, sondern auch die vielen, die die Geschichte zu vergessen pflegt. Sie haben in ihm die Menschlichkeit, das Mitmenschliche gespürt.Meine Damen und Herren, Sie haben sich stellvertretend für das ganze deutsche Volk zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.Ich habe zunächst amtliche Mitteilungen zu verlesen.Der Abgeordnete Maibaum ist mit Wirkung vom 22. Mai 1963 als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Lünenstraß in den Bundestag eingetreten.Der Abgeordnete Bäuerle ist mit Wirkung vom 31. Mai 1963 als Nachfolger für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Wittrock in den Bundestag eingetreten.Ich begrüße die neuen Mitglieder in unserer Mitte
und wünsche ihnen eine gute Zusammenarbeit.Gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht rückt der Abgeordnete Dr. Reischl für den durch Verzicht aus dem Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Wittrock als Wahlmann nach.Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 31. Mai 1963 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt:Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 116 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1961 über die Abänderung der SchlußartikelGesetz zu dem Vertrag vom 29. Juni 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Kamerun über die Förderung von KapitalanlagenGesetz zur Angleichung des Sozialversicherungsrechts im Saarland an das im übrigen Bundesgebiet geltende Recht
Dreizehntes Gesetz zur Anderung des UmsatzsteuergesetzesGesetz zu der Gemeinsamen Erklärung und zu dem Vertrag vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutschfranzösische ZusammenarbeitGesetz zum Zusatzabkommen vom 14. Mai 1962 zu dem zwischen der Bundesrepublik Deuschland und dem Königreich der Niederlande am 8. April 1960 unterzeichneten FinanzvertragGesetz zu dem Zusatzabkommen vom 14. Mai 1962 zu dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande am B. April 1960 unterzeichneten Vertrag über die Regelung der Zusammenarbeit in der Emsmündung
Gesetz zu dem Internationalen Weizen-Übereinkommen 1962Viertes Gesetz zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes.Der Bundesrat hat in derselben Sitzung beschlossen, hinsichtlich der nachstehenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird:Erstes Gesetz zur Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommen- und der KörperschaftsteuerVizepräsident Dr. SchmidGesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1963
Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen ;seine Schreiben sind als Drucksachen IV/1285, 1286, 1287 verteilt.Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 31. Mai 1963 gemäß § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes vom 14. Juni 1961 beschlossen, gegen dieSiebenundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 - Drucksache IV/1262 -keine Bedenken zu erheben. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1311 verteilt.Der Herr Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat unter dem 15. Mai 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Brück, Winkelheide, Wagner, Mick, Dr. Bieringer, Müller , Dr. Aigner, Dr. Franz und Genossen betr. Richtlinien zur Förderung der Errichtung und des Erwerbs von Familienhelmen und Eigentumswohnungen durch Bundesbedienstete in der Fassung vom 20. September 1961 (GMBl. S. 856) und deren Auswirkung - Drucksache IV/1143 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1268 verteilt.Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 29. Mai 1963 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Oberst Argoud - Drucksache IV/1261 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1283 verteilt.Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 31. Mai 1963 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vermögenswirksame Ausgaben - Drucksache IV/1272 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1291 verteilt.Der Herr Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat unter dem 4. Juni 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Baier , Dr. Wuermeling, Dr. Czaja, Dr. Even (Düsseldorf), Dr. Götz, Weigl und Genossen betr. Förderung des Familienheimbaues - Drucksache IV/1267 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1304 verteilt.Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 5. Juni 1963 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 8. April 1959 eine Übersicht über die Beschäftigung Schwerbeschädigter bei den Bundesdienststellen nach dem Stand vom 1. April 1963 übersandt. Sie ist als Drucksache IV/1314 verteilt.Die Frau Bundesministerin für Gesundheitswesen hat unter dem 14. Juni 1963 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestapes vom 22. Mai 1962 den ersten Bericht über Umweltradioaktivität erstattet. Der Bericht wird als Drucksache IV/1334 verteilt.Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 15. Juni 1963 gemäߧ 19 Abs. 2 des Milch- und Fettgesetzes die Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges vom 14. August 1961 zur Kenntnis übersandt; sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 31. Mai 1963 gemäߧ 20 Abs. 5 des Milch- und Fettgesetzes die Verordnung M Nr. 1/63 über Preise für Milch zur Kenntnis übersandt; sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes hat unter dem 13. Mai 1963 ein Gutachten über Fragen der Organisation und Personalwirtschaft sowie Möglichkeiten zur Vereinfachung der Verwaltung bei kleinen Vertretungen des Bundes in Afrika erstattet, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.Gegen die nachstehenden Verordnungen wurden in den zuständigen Ausschüssen keine Bedenken erhoben:Verordnung Nr. 24/63/EWG des Rats vom 21. März 1963 zur Änderung der Verordnung Nr. 55 des Rats hinsichtlich des Höchstbetrages für die Erstattung bei der Erzeugung von Stärke aus Weichweizen
Verordnung Nr. 30/63/EWG des Rats vom 2. April 1963 zur Verlegung des Zeitpunkts für den Beginn der Anwendung der Abschöpfungsregelung für einige Schweinefleischerzeugnisse
Verordnung Nr. 31/63/EWG des Rats vom 2. April 1963 über eine von Artikel 17 der Verordnung Nr. 19 des Rats abweichende Regelung betreffend die vorherige Festsetzung der Abschöpfung für bestimmte Erzeugnisse
Der Herr Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 dieSechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 - Drucksache IV/1292 -dem Außenhandelsausschuß mit der Bitte um fristgemäße Behandlung überwiesen.Der Herr Präsident des Bundestages hat gemäß § 96 a GO die nachstehenden Vorlagen dem Außenhandelsausschuß mit der Bitte um fristgemäße Behandlung überwiesen:Vierundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 - Drucksache IV/1295 -Fünfundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 - Drucksache IV11296 -Sechsundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 - Drucksache IV/1297 -Siebenundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 - Drucksache IV/1298 -Neunundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 - Drucksache IV/1299 -Siebzigste Verordnung zur Änderung dse Deutschen Zolltarifs 1962 - Drucksache IV/1300 - Zolltarif-Verordnung (Deutscher Zolltarif 1963) - Drucksache IV/1301 -.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Verordnung des Rates über die Kriterien für die Festsetzung der Erstattung bei der Erzeugung von Getreide- und Kartoffelstärke - Drucksache IV/1278 -an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitder Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenumam 19. Juni 1963Verordnung des Rates betreffend die Einrichtung eines Informationsdienstes landwirtschaftlicher Buchführung über die Einkommenslage und die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse landwirtschaftlicher Betriebe in der EWG - Drucksache IV/1280 -an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 27. Juni 1963Verordnung des Rates über die Verlängerung der Abschöpfungsregelung für Glukose und Glukosesirup - Drucksache IV/1302 -an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 19. Juni 1963Verordnung des Rates zur Änderung der Futtergetreidemenge, die zur Erzeugung von einem Kilogramm Hühner erforderlich ist, und zur Änderung des Einschleusungspreises für geschlachtete Hühner - Drucksache IV/1303 -an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dein Plenum am 19. Juni 1963Richtlinie des Rates über die Vereinheitlichung des Genehmigungsverfahrens für den Güterkraftverkehr zwischen den MitgliedstaatenEntscheidung des Rates bezüglich der Durchführung einer Enquete zur Ermittlung der Wegekosten der Eisenbahnen, des Straßenverkehrs und der BinnenschiffahrtEntscheidung des Rates über die Harmonisierung bestimmter Vorschriften, die den Wettbewerb im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr beeinflussenVerordnung des Rates über die Einführung eines Margentarifsystems im Güterverkehr der Eisenbahnen, des Straßenverkehrs und der BinnenschiffahrtVerordnung des Rates über die Bildung eines Gemeinschaftskontingents für den Güterkraftverkehr innerhalb der Gemeinschaft und das dabei anzuwendende Verfahren - Drucksache IV/1313 -an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Oktober 1963.Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 37 des Rates hinsichtlich der Festsetzung der Schwellenpreise für Mehl, Grobgrieß und Feingrieß bei Gewährung einer Subvention für das zu ihrer Herstellung verwendete Getreide - Drucksache IV/1338 -an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitder Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenumam 20. Juni 1963.Verordnung des Rates über die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 5/63/EWG des Rates - Drucksache IV/1339 -an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. Juni 1963.Entscheidung des Rates, durch welche die Kommission ermächtigt wird, Sicherungsmaßnahmen für bestimmte Fälle von Versorgungsschwierigkeiten zu erlassen - Drucksache IV/ 1340 -an den Außenhandelsausschuß - federführend - an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Wirtschaftsausschuß - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 9. Oktober 1963.Verordnung des Rates zur Änderung von Artikel 1 der Verordnung Nr. 24 des Rates hinsichtlich der Frist für die Einrichtung des Weinbaukatasters - Drucksache IV/1341 -an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. Juni 1963.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3771
Vizepräsident Dr. SchmidZu den in der Fragestunde der 77. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Mai 1963 gestellten Fragen des Abgeordneten Müller Nrn. I/1 und I/2 *) ist inzwischen die schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 16. Mai 1963 eingegangen. Sie lautet:Die Fragen beantworte ich wie folgt:I/1.Das Bundesministerium des Innern hat das Auswärtige Amt mit Schreiben vom 6. 12. 1962 veranlaßt, die in Betracht kommenden ausländischen Regierungen zu unterrichten, daß die Einfuhr von Schußwaffen ohne Erlaubnis der zuständigen deutschen Behörden und das Führen von Schußwaffen ohne die vorgeschriebene Erlaubnis strafbar ist.Wie das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mitteilt, hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in die Neuauflagen der Ratgeber für italienische, spanische, griechische und türkische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland einen Hinweis aufnehmen lassen, daß die Einfuhr von Schußwaffen und Munition in die Bundesrepublik nur dann zulässig ist, wenn die zuständige deutsche Behörde hierfür eine Erlaubnis erteilt hat und daß Zuwiderhandelnde mit Bestrafung und Ausweisung rechnen müssen.I/2.Der Bundesminister der Finanzen hat durch Erlaß vom 17. 12. 1962 die Zollstellen angewiesen, auf die unerlaubte Einfuhr von Schußwaffen besonders zu achten.Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde .Einer Verabredung der Fraktionen entsprechend, beginnen wir heute mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Vorher habe ich aber noch wegen einer Terminschwierigkeit eine Frage — des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen — aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes aufzurufen:Ist das Bundespresseamt bereit, auch Arbeitskreisvorsitzende der SPD-Fraktion auf Kosten des Bundespresseamtes im Rahmen eines Bierabends der Presse vorzustellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Presse- und Informationsamt hat nach dem Haushaltsgesetz die Aufgabe, die Politik der Bundesregierung gegenüber den Organen des Nachrichtenwesens zu vertreten. Es hat weiterhin die deutsche Bevölkerung über die politischen Ziele und die Arbeit der Bundesregierung zu unterrichten. Dementsprechend ist es auch die Aufgabe des Amtes, zu gegebener Gelegenheit Persönlichkeiten aus dem parlamentarischen Bereich, die mit der Politik der Bundesregierung in besonderer Weise vertraut sinn, mit der Presse bekanntzumachen.
Auf verschiedentlich von Journalisten an das Amt herangetragenen Wunsch hat darum das Amt den Leiter des neuen Arbeitskreises VI der CDU/CSU- Fraktion, nachdem er seine Aufgabe übernommen hatte, zu einem Bierabend mit den hiesigen Rundfunkkorrespondenten im Presseclub eingeladen. Das Amt hat auch in anderen Fällen bei Einladungen Abgeordnete aller Fraktionen berücksichtigt. Das Amt ist selbstverständlich bereit, auch Vorsitzende von Arbeitskreisen, die der SPD angehören, einzuladen.
*) Siehe 77. Sitzung Seite 3741 B
Wir kommen zu der Frage XIII/1 —des Herrn Abgeordneten Dr. Dichgans — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen:
Zu welchen Feststellungen hat die Ortsbesichtigung geführt, die die Frau Bundesministerin fur Gesundheitswesen nach Pressemeldungen in Düsseldorf-Lohausen durchgeführt hat, um sich über die Auswirkungen des Fluglärms zu unterrichten?
Bitte, Frau Ministerin.
Es trifft zu, Herr Kollege, daß ich Anfang April einen Abend und eine Nacht in der Nähe des Flughafens Lohausen zugebracht habe, um mich einmal an Ort und Stelle davon zu überzeugen, ob die vielen Klagen, die mir über den Flugzeuglärm dort zugegangen sind, berechtigt sind. Ich habe dabei festgestellt, daß die Lärmbelästigung in der Tat unerträglich ist.
Viele Tausende Menschen wohnen dort in einem Gebiet, das aus gesundheitlichen Gründen, wie mir scheint, überhaupt nicht bewohnt sein sollte. Selbst Mindestanforderungen, die in den Vereinigten Staaten für die Bewohnbarkeit von Gebieten um einen Flughafen herum gelten, sind hier nicht erfüllt.
Aus meinen Gesprächen mit den Anwohnern habe ich den Eindruck gewonnen, daß der Flugzeuglärm dort nicht nur stört und belästigt, sondern wirklich auch die Gesundheit der Menschen verletzt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dichgans!
Frau Ministerin, was gedenken Sie zu unternehmen, nachdem Sie diese Feststellungen getroffen haben.
Ich habe zunächst einmal an den Herrn Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen die Frage gerichtet, was die Landesregierung zu tun beabsichtige, um die Bevölkerung vor diesen Schäden zu bewahren. Der Herr Ministerpräsident hat mir antworten lassen, daß die Frage der Lärmbelästigung durch den Flugverkehr seit längerer Zeit von der Landesregierung geprüft wird und daß alle erforderlichen und gesetzlich möglichen Maßnahmen getroffen werden sollen, um diese Belästigungen auf ein Mindestmaß herabzusetzen.
Noch eine Zusatzfrage.
Frau Ministerin, halten Sie diese Antwort für befriedigend?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das hängt davon ab, was im Anschluß an diese Antwort geschieht, und darauf warte ich.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt.
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3772 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Frau Ministerin, darf ich Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob Ihnen auch die Auswirkungen des belästigenden Lärms von Flugzeugen im Raum Offenbach — Stadt- und Landkreis — und Frankfurt am Main bekannt sind?
In diesem Zusammenhang — Lohausen — natürlich nicht. Aber als Frankfurterin sind auch mir diese Probleme bekannt, und für sie gilt wohl das gleiche.
Darf ich weiter fragen, welche Maßnahmen von Ihrer Seite zur Bekämpfung des Lärms in dem dortigen Bereich bisher unternommen worden sind?
Ich habe an Herrn Ministerpräsident Zinn bisher noch nicht geschrieben. Wenn Sie es anregen, will ich es aber gern tun.
Bitte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Frau Ministerin, haben Sie schon einmal mit dem Herrn Bundesverkehrsminister gesprochen, dem die Deutsche Lufthansa untersteht und der meines Erachtens in der Unterstützung der Lufthansa in diesen Fragen zum Teil sehr weit ging?
Herr Kollege, ich habe mit dem Herrn Verkehrsminister nicht nur gesprochen, sondern habe eine Korrespondenz mit ihm und stehe in Verhandlungen mit ihm. Wir haben auch im Kabinett über diese Probleme gesprochen, und wir hoffen durchaus, daß sich aus den Zuständigkeiten des Verkehrsministeriums hier Möglichkeiten für eine Abhilfe ergeben. Ich bitte Sie, Ihre weiteren Fragen dann natürlich nicht an mich zu richten.
Ich rufe die Frage XIII/2 — des Abgeordneten Dr. Dichgans — auf:
Hat die Bundesregierung ein allgemeines Urteil darüber, welche Gesundheitsschäden aus Flugzeuglärm erwachsen können und welche Lärmgrenzen bei Tag und bei Nacht eingehalten werden müssen, um solche Schäden zu vermeiden?
Bei Lärmbelästigung treten nervöse und muskuläre Spannungszustände mit Störungen im Funktionsablauf auf. So wird z. B. die Blut- und Sauerstoffzufuhr verringert. Auch im Bereich des Magen- und Darmsystems kommt es zu Veränderungen. Treten seelische Erregungen — Ärger, Angst usw. — hinzu, können sich organische Krankheiten, z. B. ein Magen-Darm-Geschwür — entwickeln.
Im übrigen ist die Reaktion der Menschen auf Lärmeinwirkungen nach Art und Ausmaß natürlich sehr verschieden. Aus diesem Grunde kann nicht mit Sicherheit für jeden einzelnen Fall vorausgesagt werden, bei welcher Lärmbelastung ein Schaden auftritt. Für die Praxis kommen deshalb nur Richtwerte in Frage, die auf Grund der Erfahrungen über die durchschnittliche Reaktion einer großen Zahl von Menschen festgesetzt werden; sie haben also nur den Sinn eines Mittelwertes im statistischen Sinne.
Solche Richtwerte sind für die Bundesrepublik noch nicht allgemeinverbindlich festgesetzt; sie werden aber zur Zeit von der Bundesregierung unter Federführung des Gesundheitsministeriums erarbeitet, und zwar auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 2058 und unter Berücksichtigung der Empfehlung von Sachverständigen, insbsondere auch von internationalen Fachgremien. Dabei ist vor allem auf die besondere Empfindlichkeit der Menschen gegen Lärmeinwirkungen während der Nacht zu achten. Hier ist also zu differenzieren.
Eine Zusatzfrage.
Frau Ministerin, was kann nach Ihrer Meinung die Bundesregierung tun, um der Bevölkerung gegen diese Lärmschäden zu helfen?
Es kam soeben schon bei den Zusatzfragen zum Ausdruck, daß hier in erster Linie der Verkehrsminister kompetent ist; denn es handelt sich um Probleme der Luftverkehrsverwaltung. Ich bin allerdings der Meinung — ich will sie Ihnen hier nicht vorenthalten —, daß bei der Genehmigung neuer Flugplätze auf jeden Fall dafür gesorgt werden kann, daß keine Wohngebiete in unmittelbarer Nähe sind. Bei den schon vorhandenen Flugplätzen, die in das internationale Luftverkehrsnetz einbezogen sind, mag es schwierig sein, die bestehenden vertraglichen Bindungen zu ausländischen Fluggesellschaften kurzfristig so zu ändern, daß bestimmte Flugplätze, deren Umgebung besonders stark belästigt wird, nicht mehr angeflogen werden dürfen. Aber auch dies sollte in Angriff genommen werden. Andernfalls bliebe nur die Möglichkeit, die Bevölkerung umzusiedeln.
Die letzte Zusatzfrage!
Frau Ministerin, sind Sie bereit, für die stadtnahen deutschen Flughäfen Karten vorzulegen, aus denen sich ergibt, welche Lärmzonen unbewohnbar wären, wenn die von Ihnen erwähnten amerikanischen Richtlinien in Deutschland angewandt würden?
Ich bin gern bereit, derartige Karten vorzulegen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3773
Die Fragen 3 und 4 sind zurückgezogen.
Ich rufe ,die von der Abgeordneten Frau Schanzenbach gestellte Frage XIII/5 auf:
Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß es für ein Land mit dem Lebensstandard der Bundesrepublik Deutschland beschämend ist, mit der Säuglingssterblichkeit an erster Stelle unter vergleichbaren europäischen Ländern zu stehen?
Zu dieser Frage möchte ich zunächst erklären, daß die wirklich verhältnismäßig hohe Säuglingssterblichkeit in der Bundesrepublik auch uns zutiefst beunruhigt und ständig beschäftigt. Die Bundesregierung ist daher seit Jahren darum bemüht, die Ursachen zu ermitteln und Abhilfe zu schaffen.
Ich möchte allerdings betonen, daß die Säuglingssterblichkeit kein biologischer, sondern ein rein statistischer Begriff ist und damit zwangsläufig an einer gewissen Unklarheit leidet. Er bezieht sich nicht etwa auf die Kinder, die bei der Geburt, kurz danach oder in den ersten Lebenswochen sterben. Er bezeichnet vielmehr die Sterblichkeit aller Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet' haben, bezogen auf 1000 Lebendgeborene des Sterbejahres.
Die Säuglingssterblichkeit ist auch in der Bundesrepublik von Jahr zu Jahr zurückgegangen. Sie erreichte 1946 noch 9,5 Prozent, sank bis 1952 auf 4,8 Prozent und wurde für 1962 mit 29,1 Gestorbenen im 1. Lebensjahr auf 1000 Lebendgeborene berechnet. Es trifft zu, daß diese Zahl noch höher liegt als die entsprechenden Zahlen in einigen vergleichbaren europäischen Ländern. Ein solcher Vergleich ist zwar nur unter gewissem Vorbehalt möglich, weil die Statistik der Säuglingssterblichkeit nicht in allen europäischen Ländern nach gleichen Maßstäben geführt wird. Aber wie ich schon sagte: wir halten es für dringend erforderlich, mit allen geeigneten Maßnahmen auf eine Senkung der Sterblichkeit bei Kindern im ersten Lebensjahr einzuwirken.
Zusatzfrage!
Frau Ministerin, sind Sie nicht auch der Meinung, die Säuglingssterblichkeit könnte dadurch wesentlich gesenkt werden, daß die Mütter in Kliniken entbinden, und halten Sie es nicht auch für notwendig, daß diese Klinikentbindung in den Katalog der Pflichtleistungen der Kassen aufgenommen wird?
Auch Sie sind ja über den Entwurf für ein Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz informiert, in dem eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen sind, die gerade dies erleichtern werden.
Aber Ihre Meinung würde mich in dieser Frage besonders interessieren, Frau Ministerin!
Es fragt sich, ob man ganz prinzipiell sagen kann: nur Klinikentbindung. Das hängt stark ab von der Gegend, von der jeweiligen Versorgung in dem betreffenden Ort, in dem betreffenden Dorf etwa, also z. B. auf dem Land. Daß in vielen Fällen Klinikentbindung vorzuziehen ist, ist klar. Aber ich kann das nicht zu einer dogmatischen Entscheidung machen.
Sie haben schon zwei Zusatzfragen gehabt. — Frau Abgeordnete Rudoll!
Frau Ministerin, sind nicht auch Sie der Meinung, daß eine Verbesserung des Mutterschutzes und ärztliche Vorsorgeuntersuchungen, auf alle Mütter ausgedehnt, dazu beitragen könnten, daß die Säuglingssterblichkeit vermindert wird?
Ich bin mit Ihnen darin einig, daß eine ganz weitgehende Ausdehnung der Vorsorgeuntersuchungen eine der Maßnahmen ist, die der Säuglingssterblichkeit entgegenwirken können. In dem Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz ist für den Kreis der Versicherten eine entsprechende Regelung getroffen. Für die Nichtversicherten, die in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen sind, enthält das Bundessozialhilfegesetz eine Verweisung auf die gleiche Leistung. Ich bin durchaus der Meinung, daß angestrebt werden muß, allen Müttern die Möglichkeit von Vorsorgeuntersuchungen zu geben.
Letzte Zusatzfrage!
Frau Minister, können wir erwarten, daß Sie Ihre Meinung bei der Behandlung der .dem Hause vorliegenden Novelle zum Mutterschutzgesetz zum Tragen bringen und vertreten werden?
Die Novelle ist leider in einem Zeitpunkt gekommen, als ein 'Entwurf meines Ministeriums, der sich mit den Mindestleistungen für Mutter und Kind beschäftigen sollte, noch nicht vorgelegt werden konnte, weil hier bekanntlich Verhandlungen mit Ressorts und Ländern notwendig sind. Meine Möglichkeiten, auf einen Initiativentwurf einzuwirken, sind natürlich geringer.
Zusatzfrage? — Frau Eilers!
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, daß die Sterblichkeit bei Kindern, die unehelich geboren sind, um etwa 50 % höher liegt als die bei in Ehen geborenen Kindern? Wie weit sehen Sie Möglichkeiten, diesen unehelichen Müttern besondere Hilfestellung zu geben, um die Sterblichkeit auch bei diesen Kindern zu vermindern?
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3774 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Da die unehelichen Mütter zu einem großen Teil erwerbstätig und sozialversichert sind, wird gerade die Neuregelung in der Sozialversicherung ihnen zugute kommen können. Ihnen würde auch eine Verlängerung der Schutzfristen zugute kommen können.
Zusatzfrage? — Herr Dr. Schmidt!
Frau Ministerin, nachdem Sie vorhin erklärt haben, daß Sie seit Jahren bemüht seien, die Ursachen der hohen Säuglings- und Müttersterblichkeit zu ermitteln und Abhilfe zu schaffen, und nachdem bisher über die Ergebnisse dieser Untersuchungen der Ursachen von der Bundesregierung noch nichts verlautet ist, möchte ich Sie fragen: Können Sie heute von dieser Stelle aus einige der Hauptursachen der hohen Mütter- und Säuglingssterblichkeit in der Bundesrepublik nennen?
In der Frage von Frau Schanzenbach war wohl nur von der Säuglingssterblichkeit die Rede. In der nächsten Frage ist nach den Ursachen beider Erscheinungen gefragt. Ich bin gern bereit, Ihre Frage im Zusammenhang mit der zweiten Frage zu beantworten.
Ich rufe auf Frage XIII/6 — der Abgeordneten Frau Schanzenbach —:
Was hat die Bundesregierung hinsichtlich der Säuglingssterblichkeit in den letzten Jahren bereits unternommen, nachdem die SPD mehrfach auf dieses Problem eindringlich hingewiesen hatte?
In bezug auf die Ursachen der Säuglingssterblichkeit wäre etwa folgendes zu sagen.
Rund zwei Drittel der Sterbefälle im ersten Lebensjahr treten in der Bundesrepublik in der ersten Lebenswoche ein; rund ein Drittel verteilt sich auf den Rest des ersten Lebensjahres. Mehr als die Hälfte der in der ersten Lebenswoche verstorbenen Kinder sind Frühgeborene. Dazu kommen rund 10% Todesfälle mit der Diagnose ,,Lebensschwäche". Außerdem belasten Kinder mit angeborenen inneren und äußeren Fehlbildungen die Sterblichkeit in der ersten Lebenswoche.
Im zweiten Lebensmonat stehen Ernährungsstörungen im Vordergrund der Sterblichkeitsursachen. Bis zum vierten Lebensmonat spielt vor allem die Lungenentzündung eine Rolle. Nach dem vierten bis fünften Lebensmonat gewinnen Infektionskrankheiten zunehmende Bedeutung wie Masern, Kinderlähmung, Tuberkulose, Keuchhusten und andere. Die Ursachen sind also sehr verschieden. Demgemäß muß auch die Bekämpfung sehr verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigen.
Nach dem soeben Gesagten bedarf die Frühgeburtensterblichkeit einer besonderen Aufmerksamkeit. Die Bundesregierung hat deshalb in drei Bundesländern Modelleinrichtungen für die Versorgung von Frühgeburten aus Bundesmitteln finanziert. Die Einrichtung derartiger Frühgeburtenzentralen hat inzwischen in allen Bundesländern Fortschritte gemacht.
An nächster Stelle stehen die Ernährungsstörungen. Die Bundesregierung hat deshalb eine Modelleinrichtung gefördert, in der nach einem neuen Verfahren Muttermilch konserviert wird.
Es ist die Aufgabe der zuständigen Landesbehörden, derartige Anregungen der Bundesregierung aufzugreifen und die Einrichtungen der Säuglingsfürsorge den Bedürfnissen der Bevölkerung und dem Stand der Wissenschaft entsprechend anzupassen.
Zusatzfrage.
Frau Ministerin, nach dem, was Sie sagten, könnte man annehmen, daß die Mütter- und Säuglingsfürsorge bei uns in der Bundesrepublik nicht genügend ausgebaut ist. Haben Sie auch diesen Eindruck?
Ich habe wohl nur gesagt, daß noch mehr geschehen kann und geschehen sollte und daß die Länder und die zuständigen Gemeindebehörden sicher auch bereit sein werden, den Anregungen — nur solche können wir ja auf diesem Gebiet geben — zu folgen.
Zweite Zusatzfrage.
Hat Ihrer Meinung nach, Frau Ministerin, die Bundesregierung die Möglichkeit, auch in der Aufklärung über Säuglingspflege wesentlich mehr als bisher zu tun oder überhaupt etwas zu tun?
Wir haben uns auf diesem Gebiet bereits bemüht. Wir sind im Augenblick daran, eine Schrift zur Aufklärung über die Säuglingsernährung herauszugeben; sie wird in nächster Zeit erscheinen. Wir geben sie in Verbindung mit freien Organisationen heraus, die sich damit beschäftigen, die aber von uns unterstützt werden.
Frage XIII/7 — der Abgeordneten Frau Schanzenbach —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Säuglingssterblichkeit, die zuletzt mit 32 auf 1000 Neugeborene angegeben wurde, auf den Stand der Nachbarländer zu vermindern?
Wie ich schon sagte, sind — übrigens nicht 32 vom Tausend — 29 vom Tausend als Sterbezahl der Säuglinge schon schlimm genug. Da einen hohen Anteil an der Säuglingssterblichkeit die Frühgeburten haben, wird eine verbesserte Betreuung der Schwangeren auch zu einer Senkung der Säuglingssterblichkeit führen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3775
Bundesminister Frau Dr. SchwarzhauptIch darf noch einmal auf den Entwurf zum Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz verweisen, in dem Vorsorgeuntersuchungen für werdende Mütter vorgesehen sind. Ich darf auch auf das Bundessozialhilfegesetz verweisen, nach dem Schwangere, die Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz haben, in dergleichen Weise versorgt werden können.Neben diesen gesetzlichen Maßnahmen wird eine verstärkte Aufklärung der Mütter unbedingt not-wendig sein, die das Ziel hat, daß sich die Frauen während der Schwangerschaft wirklich rechtzeitig und regelmäßig untersuchen und beraten lassen.Im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheitswesen und des Bundesernährungsministeriums ist eine Broschüre über die Ernährung der werdenden Mutter erarbeitet worden, die in hoher Auflage erscheint und unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird.Zur Eindämmung der Säuglingssterblichkeit muß man auf eine richtige Aufklärung der Mütter hinwirken. Wie ich hoffe, kann die Säuglingssterblichkeit dadurch vermindert werden. Hier ist z. B. die ständige Werbung für eine Teilnahme an den Schutzimpfungen von Bedeutung.
Zusatzfrage.
Frau Ministerin, sind Sie und Ihr Ministerium bereit, einen großzügig angelegten, ich möchte fast sagen, Aufklärungsfeldzug zu entfachen, damit die Mütter- und Säuglingssterblichkeit im ganzen Volk gesehen wird, aber auch alle zuständigen Stellen sich an den Bemühungen beteiligen, durch geeignete Maßnahmen die Säuglingssterblichkeit entscheidend zu senken?
Ich bin durchaus der Meinung — das sagte ich schon —, daß die richtige Aufklärung der Frauen hier eine der wirksamsten Maßnahmen sein wird und daß wir im Rahmen der Zuständigkeiten, die der Bundesregierung gegeben sind, alles einsetzen müssen, was auf diesem Gebiet möglich ist.
Frage XIII/8 — des Abgeordneten Kahn-Ackermann —:
Was hat die Bundesregierung unternommen, um dem Ersuchen algerischer Behörden, deutsche Ärzte in größerer Zahl nach Algerien zu entsenden, nachzukommen?
Herr Kollege, ein offizieller Regierungswunsch von algerischer Seite auf Entsendung einer größeren Zahl von Ärzten liegt der Bundesregierung bisher nicht vor. Allerdings hat das algerische Gesundheitsministerium im Oktober 1962 mit der Bundesärztekammer wegen der Vermittlung von deutschen Ärzten Fühlung genommen. Bei den Verhandlungen wurde davon ausgegangen, daß die Auswahl und die Bezahlung der in Betracht kommenden deutschen Ärzte durch die algerische Seite erfolgen sollte. Doch wurde wegen der schwierigen Finanzlage Algeriens diese Aktion zunächst einmal verschoben. Die Bundesregierung hatte aber von sich aus .bereits im August 1962, also vor dieser Anfrage, der provisorischen Exekutive in Algerien die Entsendung von acht bis zehn deutschen Ärzten auf die Dauer von zwei Jahren angeboten. Um den zweckmäßigsten Einsatz dieser Ärzte festzulegen, entsandte die Bundesregierung im Herbst 1962 einen Gutachter nach Algerien, der gleichzeitig die Gesamtlage auf dem Sektor der ärztlichen Versorgung prüfte. Hierbei zeigte sich, daß die algerische Regierung an dem Einsatz von deutschen Ärzten auf Kosten der Bundesregierung sehr interessiert war. Inzwischen sind acht Ärzte, eine Krankenschwester und eine medizinisch-technische Assistentin im Rahmen der technischen Hilfe in Algerien eingesetzt worden.
Zusatzfrage?
Frau Ministerin, ist es nicht so, daß sich auf einen Aufruf der Bundesärztekammer mehrere hundert deutsche Ärzte für den Einsatz in Algerien gemeldet haben und daß die Bundesärztekammer mit Ihnen Verhandlungen darüber gepflogen hat, wie diese deutschen Ärzte in Algerien eingesetzt werden können? Darf ich Sie fragen, in welcher Weise von diesem Angebot Gebrauch gemacht worden ist?
Ich glaube, ich habe bereits deutlich erklärt, Herr Kahn-Ackermann, weshalb diese Art der Entsendung, die einen Einsatz und eine Bezahlung durch die algerischen Stellen vorsah, nicht zustande gekommen ist und weshalb wir nachher auf den anderen Weg, nämlich die Entsendung auf Kosten der Bundesregierung, übergegangen sind.
Zusatzfrage?
Frau Ministerin, entspricht es dann nicht den Tatsachen, daß Ihr Haus und die Bundesregierung Bedenken hatten, eine so große Zahl von Ärzten nach Algerien zu schicken, weil Sie glaubten, daß die Anzahl in gewisser Übereinstimmung mit der Zahl derjenigen deutschen Ärzte stehen müßte, die in anderen Ländern eingesetzt werden, denen 'wir Entwicklungshilfe leisten?
Davon ist mir nichts bekannt.
Die Frage ist beantwortet. Frage XIII/9 — des Abgeordneten KahnAckermann —:
Hat die Bundesregierung die Frage erörtert, ob dutch die Übernahme einer Honorargarantie im Rahmen der Entwicklungshilfe die Entsendung deutscher Ärzte nach Algerien beschleunigt gefördert werden kann?
Die Entsendung von deutschen Ärzten nach Algerien erfolgt zur Zeit in der Weise, daß das volle Gehalt von der Bundesregierung getragen wird. Zur Zeit wird durch eine deutsche Delegation an Ort und Stelle geprüft, in welchem Um-
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Bundesminister Frau Dr. Schwarzhauptfang ein weiterer Einsatz von deutschen Ärzten in Algerien mit Mitteln des Entwicklungsfonds ermöglicht werden kann.
Zusatzfrage?
Darf ich daraus entnehmen, daß die Bundesregierung grundsätzlich bereit ist, die Kosten der Entsendung und die Besoldung einer größeren Anzahl von deutschen Ärzten in. Algerien zu übernehmen?
Sie ist nach dem Inhalt des Gutachtens, das noch aussteht, jedenfalls zu einem weiteren Einsatz als dem bisherigen bereit.
Frage XIII/10 — des Abgeordneten Börner —:
Ist die Bundesregierung bereit, in Zusammenarbeit mit den Ländern gesetzliche Maßnahmen anzuregen bzw. zu unterstützen, die das Ziel haben, den hohen Prozentsatz der Mütter- und Säuglingssterblichkeit zu senken?
Ihre Frage, Herr Kollege Börner, ist unbedingt zu bejahen. Einen Hinweis auf Maßnahmen in bezug auf Mütter- und Säuglingssterblichkeit geben die Ursachen, um deren Aufklärung wir uns sehr bemüht haben. Für das Jahr 1961 kann ich Ihnen folgende Daten sagen. Auf 100 000 Lebendgeborene kamen 97,4 Müttersterbefälle. Todesursache waren in rund 19% der Fälle Blutungen in der Schwangerschaft und bei der Entbindung. An nächster Stelle stehen Toxikosen in der Schwangerschaft und im Wochenbett in rund 18 %. Derartige Vergiftungen können vielfach durch rechtzeitige Beratung und Untersuchung während der Schwangerschaft vermieden werden. Sehr hoch ist der Anteil der nächsten Gruppe, nämlich von Infektionen in der Schwangerschaft, bei der Entbindung und im Wochenbett, mit rund 16 %. In diesem Zusammenhang sind auch die Fehlgeburten mit insgesamt 11 % zu nennen. Inwieweit hinter den beiden letzteren Ursachen die Folgen unerlaubter Eingriffe verborgen sind, kann statistisch nicht erfaßt werden.
Diese Todesursachen — also insgesamt 64% der Müttersterblichkeit in der Bundesrepublik — sind allerdings nach unserer Auffassung und nach Auffassung der Ärzte weithin vermeidbar.
Es liegt auf der Hand, daß dieselben Ursachen, die zur Müttersterblichkeit führen, durch ihre Folgen auch die Säuglingssterblichkeit jedenfalls nachhaltig beeinflussen.
Abhilfe ist von den Maßnahmen zu erwarten, von denen wir vorhin schon mehrfach gesprochen haben, von den erwähnten Vorsorgeuntersuchungen, die im Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz und im Bundessozialhilfegesetz vorgesehen sind. Nach meiner persönlichen Meinung sollte außerdem für die erwerbstätige werdende Mutter die Schonfrist vor der Entbindung von sechs auf acht Wochen heraufgesetzt werden. Auch die Verbesserung der Ausstattung von Krankenhäusern und damit auch von geburtshilflichen Stationen und Entbindungsanstalten dient diesem Ziel. Die Kreditaktion der Bundesregierung zur Modernisierung gemeinnütziger Krankenanstalten hat auch diese Dinge im Auge.
Zur ärztlichen Fortbildung hat das Bundesministerium für Gesundheitswesen unter anderem dadurch einen Beitrag geleistet, daß ein Film über moderne Methoden der Schwangerschaftshygiene und der Entbindungstechnik finanziert wurde.
Die gesundheitliche Aufklärung und Beratung — auch darüber haben wir bei den vorangegangenen Fragen schon gesprochen — ist nach meiner Auffassung eine der wichtigsten Fragen auf diesem ganzen Gebiet.
Eine Zusatzfrage.
Frau Ministerin, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie also das Bundessozialhilfegesetz, die Neuordnung der Krankenversicherung mit den entsprechenden Paragraphen und die Verlängerung der Schutzfristen als ausreichende gesetzliche Maßnahmen — nach denen ich in Frage 10 gefragt habe — ansehen würden, um mit diesem Problem fertigzuwerden?
Herr Kollege, ich glaube, diese Frage kann man nicht so beantworten. Wir haben zunächst einmal diejenigen gesetzlichen Maßnahmen, die direkt vor uns lagen und möglich waren, vorgesehen. Sicher wird auch dann noch manches übrig bleiben, das uns zu weiteren Überlegungen und weiteren Maßnahmen Anlaß gibt. Im Augenblick haben wir die Maßnahmen, von denen gesprochen ist, vorgesehen.
Eine Zusatzfrage.
Welche konkreten Maßnahmen dieser Art sehen Sie für die zukünftige Arbeit Ihres Hauses?
Herr Kollege, ich habe Ihnen die konkreten Maßnahmen, die wir im Augenblick vorhaben, genannt, und ich habe Ihnen weiter gesagt, daß außerdem das Wirksamste und Notwendigste eine richtige Aufklärung der Bevölkerung sein wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt.
Frau Ministerin, billigen Sie die Haltung der Vertreter der Regierungsparteien im Gesundheitsausschuß, die in der letzten Woche einen Antrag der Sozialdemokraten auf Verlängerung der Schutzfristen auf acht Wochen vor der Entbindung abgelehnt haben,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3777
Herr Kollege, ich glaube, es ist nicht Sache der Bundesregierung, ein Urteil über das Verhalten des Parlaments abzugeben.
Letzte Zusatzfrage.
Wiewohl Sie auch Mitglied des Parlaments sind!
Die zweite Zusatzfrage: Ich darf auf meine erste Zusatzfrage zurückkommen. Sie haben erklärt, daß die Bundesregierung seit Jahren bemüht sei, die Ursachen der hohen Mütter- und Säuglingssterblichkeit zu ermitteln und Abhilfe zu schaffen.
Ich könnte mir vorstellen, daß ausgedehntes Material zur Verfügung steht.
Herr Abgeordneter, Sie haben keine Rede zu halten, Sie haben zu fragen.
Wären Sie bereit, dieses inzwischen angesammelte Material über die Ursachen in Form einer Denkschrift den Mitgliedern dieses Hauses zur Verfügung zu stellen?
Soweit sich aus unserem Material gegenüber den sehr ausführlichen Sachverständigengutachten, die die beteiligten Ausschüsse eingeholt haben, etwas Neues ergibt, bin ich bereit, Sie darüber zu informieren. Ich habe nicht vor, mit irgendwelchen Tatsachen zu diesem mich sehr bewegenden. Gebiet zurückzuhalten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kohut.
Frau Ministerin, darf ich aus Ihrem Hinweis auf eine moderne Hygiene, den Sie in Ihren Ausführungen brachten, den Schluß ziehen, daß man in den deutschen Entbindungsanstalten nicht auf der Höhe der Zeit ist und es vielleicht infolge Personalmangels oder Überbeschäftigung an hundertprozentiger Hygiene fehlt und daß dadurch die Sterbefälle eintreten?
Herr Kollege Kohut, Sie stellen hier einen etwas kurzschlüssigen Kausalzusammenhang in sehr genereller Weise dar. Daß der Mangel an Fachpersonal in allen Krankenanstalten etwas ist, was uns sehr belastet, und daß die Pflege oft nicht so sein kann, wie wir es wünschen, darüber sind wir uns wohl alle einig. Aber einen prozentual irgendwie faßbaren Anteil gerade an den Erscheinungen, von denen wir eben gesprochen haben, kann ich natürlich nicht feststellen. Das erwarten Sie sicher auch gar nicht.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage XIII/11 — des Herrn Abgeordneten Börner —:
Hält das Bundesgesundheitsministerium die Einführung eines sogenannten Mütterpasses, wie er in Kassel und einigen anderen Städten der Bundesrepublik bereits ausgegeben wird, für zweckmäßig?
Bitte Frau Ministerin!
Ich beantworte die Frage mit Ja. Ich habe schon in der Fragestunde des Bundestages vom 8. Februar erklärt, daß ich es begrüßen würde, wenn alle Länder dem von dem Lande Nordrhein-Westfalen mit seiner Aktion „Mutterpaß" gegebenen, sehr erfolgversprechenden Beispiel folgten.
Eine Zusatzfrage!
Sind Sie bereit, diese Meinung bei der nächsten Konferenz der Ländergesundheitsminister gerade im Hinblick auf die in Nordrhein-Westfalen und in Städten wie Kassel gemachten Erfahrungen zur Diskussion zu stellen?
Gern, Herr Kollege Börner. Das ist aber bereits bei einer dieser Konferenzen Besprechungsgegenstand gewesen, und ich habe mich auch bei vielen anderen Gelegenheiten schon im Sinne dieser Aktion geäußert.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts.
Frage II/1 — des Herrn Abgeordneten KahnAckermann —:
Beabsichtigt die Bundesregierung, bei der marokkanischen Regierung Schritte zu unternehmen, nachdem eine größere Anzahl marokkanischer Regierungs-Stipendiaten in der Bundesrepublik seit über 12 Monaten keine Stipendien-Zahlungen mehr erhalten und ihre Ausbildung infolge der dadurch eingetretenen Schwierigkeiten in Frage gestellt ist?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat die Schritte bei der marokkanischen Regierung, auf die sich die Frage des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann bezieht, unternommen mit dem Ergebnis, daß die marokkanische Regierung die Zahlungen an die marokkanischen Regierungsstipendiaten nach etwa drei Monaten wiederaufgenommen hat.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Stipendiaten, von denen ich spreche, bis zum heutigen Tage noch keine regelmäßigen Stipendienzahlungen erhalten?
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das ist mir nicht bekannt; im Gegenteil, ich bin dahin gehend unterrichtet worden, daß während der letzten drei Monate die Zahlungen regelmäßig eingegangen seien.
Zweite Zusatzfrage!
Ist die Bundesregierung bereit, falls sich herausstellt, daß Ihre Angabe unzutreffend ist, weitere Schritte zu unternehmen, damit endlich diese Regierungsstipendiaten in den Genuß der ihnen zugesicherten Stipendien kommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dazu ist die Bundesregierung bereit, Herr Abgeordneter.
Frage II/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel —:
Ist die Bundesregierung gewillt, in Zukunft keine Verträge über technische Hilfe mit Ländern abzuschließen, die nicht ihrerseits bereit sind, die zollfreie Einfuhr der von Deutschland zu liefernden Güter, Ausrüstung und laufende Versorgung deutscher Staatsangehöriger zu gewährleisten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat schon in der Vergangenheit keine Vereinbarungen über die Gewährung technischer Hilfe getroffen, in denen nicht die zoll- und abgabenfreie Einfuhr aller Güter und Ausrüstungen vorgesehen war, die für das betreffende Vorhaben gebraucht wurden. Daran soll auch in Zukunft nichts geändert werden. Soweit dies in einzelnen Fällen erforderlich ist, werden die Abmachungen über die tatsächliche Handhabung der Rechtsordnung des Empfängerlandes angepaßt. Auch an der abgabenfreien Einfuhr von Medikamenten, Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Verbrauchs für die bei Maßnahmen der technischen Hilfe eingesetzten deutschen Fachkräfte soll in der Regel festgehalten werden. Diese Forderung muß jedoch elastisch behandelt werden. Es wird angestrebt, den deutschen Fachkräften mindestens die Rechte zu sichern, die das Entwicklungsland den Experten der Vereinten Nationen oder anderer Geberländer zugesteht.
Die Frage ist beantwortet.
Die Fragen unter III — Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen — sollen nach einer Vereinbarung erst morgen aufgerufen werden.
IV. Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit -
Frage des Herrn Abgeordneten Diebäcker —:
Gedenkt die Bundesregierung die von Unternehmen der Wirtschaft — insbesondere von mittelständischen oder Handwerksbetrieben — durch Schaffung von Ausbildungsplätzen, Unterkunfts-
und Fortbildungsmöglichkeiten für Angehörige entwicklungsbedürftiger Länder betriebene private Entwicklungshilfe durch Förderungsbeihilfen oder ähnliche Begünstigungen zu unterstützen?
Bitte, Herr Bundesminister.
Die Bundesregierung begrüßt nachdrücklich jeden nützlichen Beitrag zur Bewältigung entwicklungspolitischer Aufgaben, der aus der Privatinitiative stammt. Das gilt auch für die Leistungen vieler industrieller und handwerklicher Betriebe, die diese dadurch vollbringen, daß sie Angehörigen der Entwicklungsländer Ausbildung und Fortbildung gewähren. Ohne derartige vielfältige Bereitschaft aus Kreisen der Wirtschaft wäre es in den vergangenen Jahren kaum möglich gewesen, die Praktikantenprogramme in der Bundesrepublik erfolgreich durchzuführen.
Soweit der Bund und im einzelnen mit ihm die Länder Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme für Angehörige der Entwicklungsländer durchführen, sind die aus der Erfahrung erarbeiteten Richtlinien darauf abgestellt, daß auf die ausbildenden Betriebe der Wirtschaft möglichst geringe oder keine finanziellen Lasten fallen. Die Reise, Sprachausbildung, Betreuung und Versicherung trägt voll die öffentliche Hand. Auch für den Lebensunterhalt wird von ihr jeweils ein ausreichender Betrag pro Monat gezahlt.
Sowohl der Grundsatz, daß in Zukunft nur noch solche Personen aus Entwicklungsländern eingeladen werden sollen, die bereits fachliche Grundkenntnisse haben, als auch das Bemühen um eine immer sorgfältigere Auslese sollen die Ausbildungsschwierigkeiten mindern und die Möglichkeit nützlicher Mitarbeit im Betrieb, natürlich im Rahmen der Ausbildung, erhöhen.
Bezüglich der Unterkunft bemüht sich die Bundesregierung, die Schaffung von Wohnheimen in Brennpunkten des Wohnraumbedarfs, die oft auch Schwerpunkte der Ausbildungskapazitäten sind, zu fördern. Die Neuschaffung von Ausbildungsplätzen für Angehörige der Entwicklungsländer erwies sich bisher kaum als erforderlich, da ein ausreichendes Angebot für die verschiedensten Fachrichtungen vorliegt.
Die Bundesregierung hat darüber hinaus in Einzelfällen 'die Privatinitiative dann unterstützt, wenn rechtzeitig eine Abstimmung bezüglich der Einladung auszubildender Personen oder Gruppen aus Entwicklungsländern stattgefunden hatte. Dies soll auch weiterhin geschehen, wenn etwa Mittelbetriebe beabsichtigen, Investitionen in Entwicklungsländern durchzuführen, und dafür einheimisches Fachpersonal im Stammbereich ausbilden müssen. Diese Unternehmen müssen dann allerdings nachweisen, daß sie eine solche Ausbildung nur mit Unterstützung des Bundes vornehmen können. Voraussetzung ist aber immer, daß der entwicklungspolitische Effekt in einem angemessenen Verhältnis zu den privaten Interessen steht.
Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in einer Reihe von Fällen den mittelständischen Betrieben, die sich um diese Dinge kümmerten, von den verschiedensten Stellen der Verwaltung Zusagen gemacht worden sind, diese Zu-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3779
Diebäckersagen aber nicht gehalten wurden? Wären Sie bereit, das Material, das ich Ihnen darüber zuleiten werde, einer Prüfung zu unterziehen?
Mir sind solche Zusagen in Einzelfällen bis jetzt nicht bekannt. Ich bin deswegen sehr gern bereit, das Material entgegenzunehmen und zu prüfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Illerhaus!
Ist die Bundesregierung bereit, diese Bereitschaft zur Unterstützung auch auf .die Möglichkeit der Ausbildung von Krankenschwestern in Krankenhäusern auszudehnen?
Soweit diese Ausbildung den Richtlinien der Bundesregierung entspricht, wird eine solche Unterstützung 'bereits gezahlt. Man sollte hier natürlich die Ausbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer, die notwendigerweise in der Bundesrepublik stattfinden muß, und den Wunsch, eventuell ausländische Arbeitskräfte in der Bundesrepublik zu beschäftigen, auseinanderhalten. Da gibt es Grenzfälle, die sehr wohl zu beachten sind. Soweit die Ausbildung von Krankenschwestern notwendigerweise bei uns durchgeführt werden muß und einen entwicklungspolitischen Zweck für das Entwicklungsland hat, wird eine Unterstützung im Rahmen unserer Richtlinien gewährt werden können.
Eine Zusatzfrage!
Werden diese Bemühungen, von denen Sie gesprochen haben, nicht dadurch gestört, daß innerhalb der Bundesregierung — entgegen der Meinung, die in der ersten Haushaltsdebatte über diese Frage vom Parlament geäußert worden war — noch gewisse Störungen in der Koordination der Entwicklungshilfe bestehen?
Herr Abgeordneter, wir bemühen uns, diese Störungen soweit wie möglich zu beseitigen und zu einer wirkungsvollen Zusammenarbeit zu kommen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe auf die Frage V/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Frede
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung die Stadt Göttingen weiterhin in Ortsklasse A belassen, während sie andere Stadte ähnlicher Größen- und Rangordnung, wie Hildesheim, Cuxhaven und Oldenburg, nunmehr in Ortsklasse S eingestuft hat ?
Bitte, Herr Minister!
Leider reichen die Richtlinien für die Stadt Göttingen nicht aus. Sie wissen, daß die Neueinstufung, die jedes Jahr zum 1. Januar zu erfolgen hat, nach bestimmten Richtlinien zu gehen hat. Die Vergleiche, die Sie angeführt haben, treffen 'für die Stadt Göttingen nicht zu.
Herr Minister, ist bei der letzten Entscheidung berücksichtigt worden, daß die Vorortgemeinden Geismar und Grone praktisch Teile des Göttinger Siedlungsgebietes sind und daß der Ort Herbershausen inzwischen eingemeindet worden ist?
Ich nehme an, daß das der Fall war. Es sind zwei Grundvoraussetzungen zu erfüllen: einmal Einwohnerzahl und zweitens Durchschnittsraummiete. Diese zwei Grundmerkmale wurden hier nicht erfüllt.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, können Sie nicht aus Billigkeitsgründen eine Überprüfung der letzten Entscheidung veranlassen, zumal hier offensichtlich ein Ermessensspielraum vorliegt, der nicht voll ausgeschöpft ist?
Leider kann hier nicht nach Billigkeitserwägungen entschieden werden. Die Verwaltung muß hier gemäß dem Gesetz handeln und prüfen, ob die Richtlinien erfüllt werden.
Frage V/2 — des Herrn Abgeordneten Gscheidle —:
Trifft es zu, daß für Bedienstete des Bundes zur Zeit keine Sonderurlaubsregelung zur Teilnahme an anerkannten Ost-WestSeminaren besteht?
In diesen Tagen ist für die obersten Bundesbehörden durch Rundschreiben meines Hauses diese Urlaubsfrage wie folgt geregelt worden. Für die Teilnahme an Ost-West-Seminaren kann Urlaub bis zu sechs Werktagen im Urlaubsjahr unter Fortzahlung der Dienstbezüge und ohne Anrechnung auf den Erholungsurlaub gewährt werden, wenn dem Träger der Veranstaltung von dem Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen oder dem Bundesminister für Familien- und Jugendfragen bestätigt worden ist, daß es sich um eine staatspolitisch förderungswürdige Veranstaltung handelt.
Ich rufe die Frage V/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler — auf:
Wie viele Personen wurden 1962 in der Bundesrepublik durch Messerstiche verletzt oder getötet?
Darf ich die Fragen 3, 4 und 5 zusammen beantworten?
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3780 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Ja, dann rufe ich die Fragen V/4 und V/5 — des Herrn Abgerodneten Dr. Kübler — ebenfalls auf:
In welchem Umfang hat die Zahl der Körperverletzungen durch Stichwaffen in den letzten Jahren zugenommen?
Wann gedenkt die Bundesregierung gefährliche Stichwaffen für waffenscheinpflichtig zu erklären?
Leider ist eine konkrete Beantwortung der Fragen nicht möglich, weil die einschlägigen Statistiken — die Kriminalstatistik, die Verurteiltenstatistik usw. — nicht ausweisen, mit welchen Tatwerkzeugen Tötungen und Verletzungen der von Ihnen angesprochenen Art vorgenommen werden. Aber insgesamt ist festzustellen, daß die Tötungen und Verletzungen in den Jahren 1959 bis 1962 eine leicht rückläufige Tendenz haben. Es ist deshalb anzunehmen, daß auch die Tötungen mit den von Ihnen genannten Werkzeugen diese degressive Tendenz haben.
Zu der Frage der Waffenscheinpflicht darf ich sagen, daß der Bundesgesetzgeber für Waffenscheine nicht zuständig ist. Als Ausfluß des allgemeinen Polizeirechts gehört das zur Zuständigkeit der Länder. Wir sind nur für die Herstellungsbestimmungen zuständig. Das Bundeswirtschaftsministerium ist zur Zeit mit dem Entwurf eines Bundeswaffengesetzes befaßt, in dem u. a. auch. die Herstellung von Waffen geregelt werden soll.
Frage V/6 — des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:
Trifft es zu, daß Pensionsregelungsbehörden die nach Landesrecht gewährte Weihnachtszuwendung an Versorgungsempfänger als Versorgungsbezüge nach § 160 BBG ansehen mit der Folge, daß die Weihnachtszuwendung gegebenenfalls zu einer entsprechenden Verminderung der vom Bund zu gewährenden Versorgungsbezüge führt?
Schon mit Rundschreiben vom 27. September 1962 ist klargestellt worden, daß Weihnachtszuwendungen bei der Ruhensregelung nach § 160 des Bundesbeamtengesetzes außer Betracht bleiben. Soweit mir bekannt, verfahren die Länder ebenfalls in dieser Weise. Dies gilt auch — wie durch Rückfrage festgestellt werden konnte — für das Land Bayern.
Zusatzfrage!
Ist also anzunehmen, daß das, was in diesen Wochen in einer Beamtenzeitschrift aufgegriffen worden ist, nur eine Einzelentscheidung einer nicht unterrichteten Behörde war?
Ja, das kann sein. Auf jeden Fall war es contra legem.
Ich rufe auf die Frage V/7 — des Herrn Abgeordneten Felder —:
Trifft es zu, daß dem Staatssekretär Dr. Josef Hölzl im Bundesinnenministerium — wie aus Pressemitteilungen ersichtlich — in seiner Tätigkeit als Regierungspräsident von Würzburg im Jahre 1956 bereits die Doktorarbeit des derzeitigen Würzburger Oberbürgermeisters bekanntwurde, die eine Verherrlichung nationalsozialistischer Rassenpolitik beinhaltet?
Ich beantworte die Frage mit Ja, obwohl ich glaube, daß sie zweckmäßigerweise zuständigkeitshalber im bayerischen Landtag gestellt worden wäre.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Memmel.
Herr Bundesinnenminister, sind Sie in der Lage, dem Fragesteller, der aus Erlangen stammt und die Würzburger Verhältnisse nicht so genau kennt, zu sagen, wer den Oberbürgermeister 1956 aufgestellt hat?
Das war die damalige Viererkoalition, bestehend aus SPD, FDP, Bayernpartei und BHE.
Frage V/8 — des Abgeordneten Felder —:
Ist der Herr Bundesinnenminister bereit, die einmütige Entschließung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e. V. vom 15. Mai 1963, die sich mit der verzerrten Wettbewerbslage zwischen der Presse und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten befaßt, zum Gegenstand laufender Beobachtung der Situation und eventueller eigener Initiativen zu machen?
Ich habe bereits bei der Veranstaltung zum 50jährigen Stiftungsfest des bayerischen Zeitungsverlegerverbandes zum Ausdruck gebracht, daß das Innenministerium an den Fragen sehr interessiert ist, daß — soweit Firmen- und Steuergeheimnisse überhaupt eine Untersuchung zulassen — diese Fragen dokumentiert werden und daß wir vom Innenministerium empfehlen, daß sich zunächst die Beteiligten, nämlich die Zeitungsverleger auf der einen Seite und die Anstalten auf der anderen Seite, gemeinsam an einen Tisch setzen sollten.
Zusatzfrage!
Sind Ihnen die Ausführungen in der Zeitschrift „Der Volkswirt" vom 24. Mai 1963 — die in dieser Frage als neutral angesehen werden kann — bekannt, in denen darauf hingewiesen wird, daß sich, seitdem der Staatsvertrag dem Zweiten Deutschen Fernsehen das Werbefernsehen ausdrücklich als Einnahmequelle zubilligt, das Wettbewerbsbild wesentlich verändert hat und daß nunmehr die Gefahren nicht mehr zu bagatellisieren seien, so daß es Aufgabe des Gesetzgebers sei, sie rechtzeitig abzuwehren?
Sie wissen, wie das Zweite Deutsche Fernsehen zustande gekommen ist. Ich habe schon gesagt, die Beteiligten sollten sich zunächst einmal an einen Tisch setzen.
Herr Abgeordneter Lohmar, eine Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3781
Herr Bundesminister, sind Sie nicht der Meinung, daß die Bundesregierung ein wenig über den Vorschlag, die beiden Parteien möchten sich an einen Tisch setzen, dadurch hinausgehen könnte, daß sie sich zunächst einmal in Form eines gut ausgearbeiteten Gutachtens ein Bild von der tatsächlichen Lage verschafft?
Meine Meinung ist die, daß sich die Beteiligten nach dem allgemeinen Prinzip der Subsidiarität an einen Tisch setzen sollten und daß, wenn das nicht reichen sollte, der Staat eingreifen sollte.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner.
Herr Minister, würden Sie nicht annehmen, daß unsere Regierung ähnlich wie die Regierungen einer Reihe anderer Länder dieses neue Phänomen des Verhältnisses Fernsehen mit Werbefernsehen zur Presse mit zurückgehenden Annocenmöglichkeiten und zum Hörfunk mit zum Teil auch entsprechenden Werbemöglichkeiten nicht nur den unmittelbar Beteiligten überlassen sollte, sondern das ganze Problem dieser Massenkommunikationsmittel, wie man sie wohl nennt, durch eine unabhängige Kommission nicht nur, aber doch auch in diesem Zusammenhang prüfen lassen sollte? In anderen Ländern hat es wohl, wenn ich nicht falsch informiert bin — aber Sie werden das als zuständiger Minister sicher wohl besser wissen —, Möglichkeiten gegeben, Regelungen, die auf der Grundlage solcher Gutachten und solcher Ergebnisse von unabhängigen Kommissionen möglich waren, auch durchzusetzen, wie z. B. in Holland. Würden Sie dem Hause darüber nicht einmal etwas sagen? Glauben Sie nicht, daß das eine Angelegenheit der Regierung und auch des Gesetzgebers ist, abgesehen von den direkt Beteiligten?
Ja, ich halte diesen Vorschlag für durchaus erwähnenswert. Ich werde dem Kabinett einen Vorschlag machen, um hierüber eine Entscheidung herbeizuführen.
Frage V/9 — des Abgeordneten Dröscher —:
Ist die Bundesregierung bereit, sich im Interesse der in IdarOberstein beheimateten großen Garnison und der dort stationierten Soldaten bei der Landesregierung Rheinland-Pfalz für eine Anhebung der Ortsklasse nach S einzusetzen, nachdem im Lande Rheinland-Pfalz bereits vergleichbare Städte in die Ortsklasse S angehoben sind?
Der Bundesregierung liegt noch kein Antrag auf Höherstufung
VOL
Zusatzfrage!
Herr Minister, ich hatte gefragt, ob die Bundesregierung bereit ist, sich bei der zuständigen Landesregierung Rheinland-Pfalz, die doch den Antrag stellen muß, im Interesse der in
Idar-Oberstein beheimateten vielen Soldaten dafür einzusetzen, daß die Landesregierung RheinlandPfalz diesen Antrag bei Ihnen stellt.
Es ist ein ungewöhnliches Verfahren, daß wir die Landesregierung, in deren Pflichtenbereich ein solcher Vorgang liegt, auffordern. Ich bin der Meinung, daß jede Landesregierung sehr wohl ihre Pflichten kennt.
Letzte Zusatzfrage!
Herr Minister, ich habe diese Frage gestellt und darf Sie deshalb noch einmal fragen, ob Sie bereit sind, das zu tun, weil doch die Bundesregierung als Arbeitgeber auf Grund einer gewissen Fürsorgepflicht die Aufgabe hat, für diese mehr als tausend Soldatenfamilien in Idar-Oberstein zu sorgen.
Herr Abgeordneter, Sie sollen Fragen stellen, aber hier keine Diskussionsreden halten.
Ich werde Ihre Frage als Anregung benützen und diese Anregung weitergeben.
Ich rufe auf die Frage V/10 — des Herrn Abgeordneten SchmittVockenhausen —:
Sind die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers vor dem Deutschen Städtetag am 24. Mai 1963 so zu verstehen, daß das Bundesinnenministerium beabsichtigt, aus raumpolitischen und anderen Erwägungen den Artikel 11 GG — gesicherte Freizügigkeit der Bevölkerung — einzuschränken?
Ich habe mich in dieser sehr städtefreundlichen Rede zunächst mit dem Problem der Städte insgesamt, dann aber vor allem mit der negativen Seite, den Ballungsproblemen, befaßt und dabei den Standpunkt vertreten, daß die außerordentlichen Lasten, die in Zusammenhang mit den Ballungsproblemen entstehen, Sorge bereiten. Ich habe mich auch über die Freizügigkeit, die nach Art. 11 GG einschränkbar ist, geäußert, aber in dem Sinne, daß mir vor allem die Möglichkeit der mittelbaren Beeinflussung über das Baurecht und das Baubenutzungsrecht vor Augen stand.
Eine Zusatzfrage!
Sie haben nicht die Absicht, einen Vorschlag im Sinne einer unmittelbaren Einschränkung vorzulegen? Er ist auch nicht in Bearbeitung?
Nein, keineswegs.
Eine letzte Zusatzfrage!
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3782 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Herr Minister, Sie haben soeben Ihre Rede als „städtefreundlich" bezeichnet. Wissen Sie, daß bei denen, die Ihnen zugehört haben, teilweise eine etwas andere Auffassung entstanden ist?
Das war unterschiedlich — wie so oft.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe auf die Frage VI/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler —:
Sieht sich das Bundesfinanzministerium durch die neuerdings vom Bundesfamilienminister vorgeschlagene Differenzierung des Kindergeldes nicht veranlaßt, auch seinerseits eine Differenzierung nach der Kinderzahl vorzunehmen und den in § 64 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung und § 25 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung festgesetzten niedrigsten Prozentsatz der zumutbaren Eigenbelastung von 2% (drei Kinder und mehr) bei einer höheren Kinderzahl entsprechend herabzusetzen?
Grund, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Ihre bereits früher, nämlich für die Fragestunde am 8. März dieses Jahres gestellte Frage hatte ich mit Schreiben vom 13. März dahin beantwortet, daß eine weitere Herabsetzung des Vomhundertsatzes der zumutbaren Eigenbelastung 'für Personen mit mehr als drei Kindern nicht erwogen werden könne, da sonst — entgegen der Absicht des Gesetzes — auf den Ansatz einer zumutbaren Eigenbelastung praktisch verzichtet werden müßte. Ich hatte ferner ausgeführt, daß Bezieher kleinerer Einkommen durch die derzeitige Regelung ohnehin nicht betroffen werden. Ergänzend darf ich zu Ihrer heutigen Frage feststellen, daß in dem Entwurf der Bundesregierung zu einem Bundeskindergeldgesetz vom dritten Kind an einheitlich ein Kindergeld in Höhe von 50 DM monatlich vorgesehen ist. Dieser Regierungsentwurf liegt nunmehr dem Deutschen Bundestag zur Beschlußfassung vor. Auch wenn der Bundestag entsprechend einem Vorschlag im Ausschuß eine Staffelung des Kindergeldes für dritte und weitere Kinder beschließen sollte, so würde das kein zwingender Anlaß sein, die gering bemessene zumutbare Eigenbelastung für Personen mit drei und mehr Kindern bei der Einkommensteuer, nämlich nur 2 % des Einkommens, weiter herabzusetzen.
Die 'Bundesregierung wird aber die Frage, wenn eine solche Beschlußfassung zustande kommt, nochmals überprüfen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, empfindet es die Bundesregierung nicht als ungerecht, daß hier die Familie mit drei Kindern genau so behandelt wird wie beispielsweise eine Familie mit acht Kindern?
Grund, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Herr Abgeordneter, das hängt von der Höhe des Einkommens ab. Die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen zahlen bei acht Kindern ohnehin keine Einkommensteuer. Infolgedessen würde selbst die Eigenbelastung von 2% nichts ausmachen.
Letzte Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wann ist mit einer Bekanntgabe Ihrer Erwägungen hinsichtlich einer eventuellen Änderung dieser Bestimmung zu rechnen?
Grund, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Sobald ein Beschluß dieses Hauses vorliegt, der eine differenzierte Unterscheidung vom dritten Kind an vorsieht, wird das Bundesfinanzministerium von selbst die Frage noch einmal aufgreifen und überprüfen, ob man von 2 % auf 1 % heruntergehen kann.
Frage VI/2 — Herr Abgeordneter Lemmrich —:Beabsichtigt die Bundesregierung, im Zuge der Neuregelung des Mineralölabgaberechtes das Straßenbaufinanzierungsgesetz vom 28. März 1960 nach dreijähriger Laufzeit in der Weise zu ändern, daß dabei der damals vorgesehene Umfang der zweckgebundenen Mineralölsteuer eingeschränkt wird?Bitte, Herr Staatssekretär.Grund, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: In Verbindung mit der Frage des Herrn Abgeordneten Lemmrich möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß die Haushaltslage bereits im Rechnungsjahr 1962 Veranlassung gegeben hatte, die Zweckbindung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes durch das Gesetz über den Nachtrag zum Bundeshaushalt 1962 einzuschränken. Auch im Rechnungsjahr 1963 mußte durch das Haushaltsgesetz eine Einschränkung der Zweckbindung vorgesehen werden.Schon aus gesetzestechnischen Gründen wird mit dem Fortfall des Mineralölzolles und der damit notwendigen Reform des Mineralölsteuergesetzes ab 1. Januar 1964 zwangsläufig auch eine Änderung der Zweckbindung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes erforderlich. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist vom Bundesfinanzministerium vorbereitet, heute am Vormittag im Kabinett verabschiedet worden und wird dem Hohen Hause auf dem Gesetzgebungswege zugehen.Bei Ihrem Vorschlag über den Umfang der Zweckbindung wird die Bundesregierung die Vordringlichkeit des Bundesfernstraßenbaues berücksichtigen. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Straßenbaufinanzierungsgesetz zeigen jedoch, daß es nicht möglich ist, einen bestimmten öffentlichen Bedarf in diesem Falle den Straßenbau, völlig losgelöst von den übrigen Bedürfnissen decken zu wollen. Bei der Neuregelung der Zweckbindung muß 'deshalb auf die Leistungsfähigkeit des Bundeshaushalts und auf die ausreichende Berücksichtigung der übrigen Bundesaufgaben, von denen ich hier nur die sozialen Verpflichtungen und die Bundesverteidigung nennen will, Rücksicht genommen werden.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3783
Staatssekretär GrundAus diesem Grunde wird es unvermeidlich sein, zur Finanzierung des Bundesfernstraßenbaues neben zweckgebundenen Einnahmen aus dem Mineralölsteuergesetz möglicherweise in stärkerem Umfang auf eine Kreditfinanzierung zurückzugreifen. Das Ziel der Bundesregierung und insbesondere das gemeinsame Ziel des Bundesverkehrsministeriums und des Bundesfinanzministeriums ist unverändert die Erfüllung des 2. Vierjahresplanes für den Bundesfernstraßenbau.
Herr Staatssekretär, ist die Antwort so zu verstehen, daß die Bundesregierung den 2. Straßenbau-Vierjahresplan, der mit 13 Milliarden DM vorgesehen ist, einschränken will?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter, so ist das nicht zu verstehen. In dem heute vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf ist vorgesehen, daß 45 % des Mineralölsteueraufkommens für den Straßenbau weiter zweckgebunden bleiben. Ich muß hinzufügen, daß das Mineralölsteueraufkommen sich ab
1. Januar 1964 deswegen erhöhen wird, weil von diesem Zeitpunkt an der Mineralölzoll eingebaut wird, der allein eine Milliarde DM ausmacht. Daneben ist im Gesetz vorgesehen, daß neben dieser 45%-Zweckbindung öffentliche Mittel, wahrscheinlich über die Öffa, im Kreditwege in Anspruch genommen werden sollen, so daß wir hoffen, den
2. Vierjahresplan mit den zweckgebundenen Mitteln und mit den vorgesehenen Kreditfinanzierungen voll erfüllen zu können.
Herr Staatssekretär, wenn Öffa-Mittel verwendet werden, so wird also der 2. Straßenbau-Vierjahresplan maximal — bei 45% —mit 11,6 Milliarden DM an Stelle von 13 Milliarden DM ausgestattet werden; das bedeutet also doch eine Einschränkung?
Grund, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Nein, Herr Abgeordneter, so ist es nicht. Mit den 45 % — ich kann mich jetzt auf genaue Zahlen nicht festlegen, weil ich sie nicht genau ausgerechnet habe — und mit Hilfe der Öffa-Kredite hoffen wir auf die Summe zu kommen, die im 2. Vierjahresplan vorgesehen ist.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen: ist Ihre Auskunft so zu verstehen, daß sich, nachdem Sie die zweckgebundenen Mittel aus der bisherigen Mineralölsteuer nach der Auskunft kürzen wollen, das Gesamtvolumen des bereitzustellenden Betrages auf die Durchführung des 2. Vierjahresplanes beschränken soll, obwohl Sie über die Öffa auf den Anleiheweg zu gehen beabsichtigen?
Grund, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Ja, der 2. Vierjahresplan soll voll durchgeführt werden.
Eine weitere Zusatzfrage!
Hat sich die Bundesregierung in diesem Zusammenhang mit ,den Vorschlägen auseinandergesetzt, die die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hier im Hause ausgesprochen hat, die dahin gehen, zur Verbesserung des Umfangs des Gesamtvolumens des zweiten Vierjahresplans über die Öffa den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen?
Grund, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Herr Abgeordneter, ich glaube, diesem Anliegen ist in etwa entsprochen worden: 45 % sind zweckgebundene Mittel der Mineralölsteuer, und die noch fehlende Differenz soll über die Öffa gedeckt werden.
Sie können keine Zusatzfrage mehr stellen.Ich rufe die Frage VI/3 — des Abgeordneten Dröscher — auf:Wie erklärt es sich die Bundesregierung, daß trotz der in der 40. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. Oktober 1962 gegebenen Zusage des Staatssekretärs Dr. Hettlage, daß das, „was von der Bundesregierung aus zur Beschleunigung des Verfahrens getan werden kann, gerne geschehen soll", die Entschädigung und die Sanierung der Quelle des Gruppenwasserwerks Königswald im Kreis Birkenfeld bisher noch nicht vorangekommen ist?Grund, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Die Behandlung des Falles ist, wie Sie, Herr Abgeordneter, wissen, eine Angelegenheit der Landesbehörden. Dennoch ist das Bundesfinanzministerium mit der zuständigen Landesbehörde wegen einer Beschleunigung in Fühlung geblieben. Allerdings kann ich Ihnen heute nur den Sachstand von etwa Anfang März dieses Jahres mitteilen. Neuere Auskünfte einzuholen war technisch leider nicht möglich, da Ihre Anfrage in einem Vorausexemplar erst am Freitag, dem 14. Juni, in meiner dafür zuständigen Abteilung einging, sonnabends die Landesbehörden geschlossen sind und am Montag, dem 17. Juni, allgemeiner Feiertag war.Was die Frage der Entschädigung für entstandene Schäden anlangt, so ist für das Entschädigungsverfahren das Landesentschädigungsamt in Koblenz zuständig. Tatbestände wie ider vorliegende machen erfahrungsgemäß stets große Schwierigkeiten. Unter anderem sind die dafür erforderlichen wissenschaiftlichen Untersuchungen außerordentlich zeitraubend. Wie mir das Finanzministerium Rheinland-Pfalz unter dem 27. Februar 1963 mitgeteilt hat, hat es deshalb das Landesentschädigungsamt Koblenz gebeten, von der Einholung eines ausführlichen wissenschaftlich fundierten Hygiene-Gutachtens zunächst abzusehen und sich mit den vom Staatlichen Gesundheitsamt erstellten Wasseruntersuchungsergebnissen zu begnügen. Es hat das Landesentschädigungsamt angewiesen, das Entschädigungsverfahren beschleunigt abzuschließen. Im übrigen steht das Landesentschädigungsamt in der Sache in ständiger Verbindung mit der Amtsverwaltung Herrstein.Zur zweiten Frage, nämlich zur Frage der Wiederherstellung einer einwandfreien Wasserversorgung
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Staatssekretär Grund— also zur Sanierung — darf ich folgendes bemerken. Das Wassereinzugsgebiet wird von den US- Streitkräften nicht mehr benutzt. Die gefährdeten Brunnen sind gesperrt. Die laufende Wasserversorgung ist aus nicht gefährdeten Brunnen und anderen Zuläufen gesichert. Zur Sicherung einer ausreichenden Wasserreserve ist beabsichtigt, die Herrsteiner Wasserversorgungsgruppe für die Zeit bis zur Freigabe der gesperrten Brunnen an die Wasserleitung der US-Streitkräfte anzuschließen. Das Hauptquartier der US-Streitkräfte hat insoweit den Abschluß eines besonderen Vertrages mit der Herr-steiner Wasserversorgungsgruppe zur Bedingung gemacht.Die für eine Sanierung der gesperrten Brunnen erforderlichen Maßnahmen sind, wie ich im übrigen bemerken darf, nach den Gesichtspunkten der Wasserwirtschaft vom Lande Rheinland-Pfalz in eigener Zuständigkeit zu treffen.Ich werde mich aber — nunmehr zum dritten Male — nach dem neuesten Stand des Entschädigungsverfahrens und der wasserwirtschaftlichen Maßnahmen erkundigen und darf Ihnen, Herr Abgeordneter, vorschlagen, daß ich Ihnen das Ergebnis sodann schriftlich mitteile.
Eine Zusatzfrage!
Ich darf also Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie erstens bereit sind, anzuerkennen, daß ein Jahr Laufzeit für diese Dinge ein wenig zu lang ist, und daß Sie zweitens im Sinne einer Beschleunigung helfen wollen?
Grund, Staatsekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Ich bin dieser Meinung.
Die Fragestunde ist erledigt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Sammelübersicht 17 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache IV/1306).
Berichterstatterin ist Frau Wessel als Vorsitzende des Ausschusses. Verzichtet das Haus auf Entgegennahme eines mündlichen Berichts? — Das ist der Fall.
Ist das Haus mit dem Antrag des Petitionsausschusses auf Drucksache IV/1306 einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die Punkte 3 und 4 sollen nach einer Vereinbarung der Fraktionen am Freitag, 9 Uhr, aufgerufen werden.
Punkt 5:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) (Drucksache IV/ 1310).
Ich bitte den Berichterstatter, den Abgeordneten Dr. Schäfer, den Antrag des Vermittlungsausschusses zu begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 77. Sitzung vom 16. Mai 1963 auf Grund des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post und Fernmeldewesen den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen — Eisenbahnkreuzungsgesetz — angenommen. Der Bundesrat hat in seiner 258. Sitzung vom 31. Mai 1963 beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Der Vermittlungsausschuß hat in seiner Sitzung vom 7. Juni 1963 den in der Drucksache IV/1310 enthaltenen Vorschlag beschlossen. Im einzelnen ist dazu folgendes zu bemerken.Erstens. Der Vermittlungsausschuß folgte der Anregung des Bundesrates, dem § 9 einen Abs. 3 anzufügen, der es ermöglichen soll, auf die Verwaltungsgliederung der Länder Rücksicht zu nehmen.Zweitens. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die §§ 12 und 13 durch einen § 12 zu ersetzen. Die Bestimmungen regeln die Frage der Kostentragungspflicht. Es sollen im Laufe von 20 Jahren ungefähr 3600 Bahnübergänge mit einem Gesamtkostenaufwand von etwa 10 Milliarden DM geändert oder ganz beseitigt werden. Als Kostenträger kommen in Betracht die Eisenbahnunternehmer, die Träger der Straßenbaulast, nämlich der Bund, die Länder und die Gemeinden.Nach der seither geltenden Regelung des § 5 Abs. 2 des Kreuzungsgesetzes hatten die Eisenbahnunternehmer und die Träger der Straßenbaulast, also Bund, Länder, Landkreise und Gemeinden, je die Hälfte der Kosten zu tragen. Nach dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz soll die Kostentragungspflicht nunmehr in drei Teile aufgegliedert werden, und zwar in der Weise, daß das erste Drittel die Eisenbahnunternehmer, das zweite Drittel die Träger der Straßenbaulast und das letzte Drittel entweder der Bund — wenn es sich um Kreuzungen mit Bundesstraßen handelt — oder das Land — wenn es sich um Landstraßen I. Ordnung handelt — oder mit je einem Sechstel Bund und Land — wenn es sich um Kreuzungen mit sonstigen Straßen, also Kreis- oder Kommunalstraßen handelt — tragen.Der Bundesrat hat mit seinem Anrufungsbegehren beantragt, die Kosten wie folgt zu verteilen: Träger der Straßenbaulast die Hälfte, der Eisenbahnunternehmer ein Viertel, bei Kreuzungen mit der Deutschen Bundesbahn der Bund ein Viertel, bei Kreuzungen mit Nebeneisenbahnen das betreffende Land ein Viertel.Der Vermittlungsausschuß hat die Anregungen des Bundesrats nicht aufgenommen. Insbesondere die Belastung der Gemeinden, soweit sie Straßenbaulastträger sind, mit der Hälfte der Lasten erschien zu hoch. Die Initiative zur Beseitigung der Kreuzungen zu ergreifen wird für die Gemeinden leichter sein, wenn sie nur ein Drittel der Kosten zu tragen haben werden. Da die vorausgeplante Ge-
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Dr. Schäfersamtbelastung von Ländern, Landkreisen und Gemeinden sowohl nach der vom Bundestag als auch nach der vom Bundesrat vorgeschlagenen Regelung in jedem Fall in 20 Jahren rund 3,7 Milliarden DM ausmachen würde, war der Vermittlungsausschuß der Auffassung, daß es bei der vom Bundestag vorgesehenen Regelung verbleiben sollte.Drittens. Der Anregung des Bundesrates, § 14 Abs. 1 zu streichen, ist der Vermittlungsausschuß gefolgt. Es handelt sich dabei um folgende Frage. Nach § 8 des Kreuzungsgesetzes von 1939 trägt der Eisenbahnunternehmer die Kosten der Eisenbahnanlagen an Bahnübergängen allein. Mit § 14 Abs. 1 Satz 4 des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes sollten die Kosten in der Weise geteilt werden, daß der Eisenbahnunternehmer die Hälfte der Kosten für Eisenbahnanlagen an Bahnübergängen zu tragen hat, daß, wenn eine Bundesstraße beteiligt ist, die zweite Hälfte vom Bund und, wenn eine Landstraße I. und II. Ordnung beteiligt ist, die zweite Hälfte vom Land getragen werden sollte. In den übrigen Fällen, also bei den Kommunalstraßen, sollte der Bund, wenn die Deutsche Bundesbahn beteiligt ist, die zweite Hälfte tragen, wenn eine andere Eisenbahn beteiligt ist, das betreffende Land.Maßgebend für diese Kostenverteilung war das heutige Sicherungsbedürfnis, das Bedürfnis nach Errichtung von Eisenbahnanlagen an Bahnübergängen, das sich nicht allein aus dem Vorhandensein der Eisenbahnanlagen ergibt, sondern in gleichem Maße aus dem starken Verkehr auf den Landstraßen.Der Vermittlungsausschuß war der Auffassung, daß es bei der seitherigen Kostenregelung verbleiben solle. Er schlägt daher die Streichung des § 14 Abs. 1 Satz 4 vor. Das bedeutet, daß die Eisenbahnunternehmer in der gleichen Weise wie seither die gesamten Kosten in Höhe von rund 240 Millionen DM jährlich zu tragen haben werden.Viertens. Die Streichung des § 14 Abs. 1 Satz 4 hat zur Folge, daß § 16 Abs. 1 Nr. 3 geändert werden muß.Fünftens. Die Anregung des Bundesrates, § 15 Abs. 2 und 3 neu zu fassen, hat der Vermittlungsausschuß nicht übernommen. Es sollte dadurch festgelegt werden, daß jeder Beteiligte seine veränderten Unterhaltungskosten ohne Ausgleich zu tragen hätte. Der Bundesminister für Verkehr sollte mit dem neugefaßten Absatz 3, so wie ihn der Bundesrat vorschlug, ermächtigt werden, im Wege der Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Frage der Berechnung und Zahlung von Ablösungsbeträgen zu regeln.Sechstens. Auch die Anregung des Bundesrats, § 19 Abs. 1 neuzufassen und Abs. 4 zu streichen, hat der Vermittlungsausschuß abgelehnt. In § 19 Abs. 1 Satz 1 ist, der allgemeinen Vorschrift des § 14 folgend, der Übergang der Abgeltungspflicht vorgesehen. Der Übergang beschränkt sich auf die Fälle, bei denen der Bund oder die Länder beteiligt sind. Soweit die Gemeinden beteiligt sind, soll diese Regelung erst nach Durchführung wesentlicher Änderungen oder Ergänzungen erfolgen. Der Vorschlag des Bundesrats hätte zur Folge, daß diese Bereinigung der Kostentragungspflicht späterer Regelung vorbehalten wenden müßte. Die Beibehaltung des § 19 Abs. 4 hält der Vermittlungsausschuß um der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit willen für zweckmäßig.Da die Änderungsvorschläge in einem inneren Zusammenhang miteinander stehen, schlägt der Vermittlungsausschuß vor, daß gemeinsam über sie abgestimmt wird. Ich darf für den Vermittlungsausschuß bitten, seinem Vorschlag auf Drucksache IV/1310 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird die Abgabe einer Erklärung gewünscht? — Herr Abgeordneter Cramer zur Abgabe einer Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der SPD-Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Die sozialdemokratische Fraktion des Bundestages stimmt 'den vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzesbeschlusses zu, um die längst überfällige Reform des Kreuzungsrechts nicht weiter zu verzögern. Sie bedauert es aber, daß die auf die Initiative des Bundestags in das Gesetz eingefügte Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 4 über die Neuverteilung der Betriebskosten der höhengleichen Bahnübergänge gestrichen und insoweit eine angemessene Regelung dieser Gemeinschaftsaufgabe der Baulastträger von Schiene und Straße verhindert worden ist. Die SPD-Fraktion des Bundestages hält der Sache nach an dem einstimmig gefaßten Beschluß des Bundestages fest, die Eisenbahnen von einem Teil dieser Kosten, die der Sicherheit des Straßen- und Schienenverkehrs in gleicher Weise dienen, zu entlasten. Sie fordert daher die Bundesregierung auf, bereits im Bundeshaushalt 1964 die entsprechenden Mittel zur Entlastung der Deutschen Bundesbahn bereitzustellen.
Keine weitere Erklärung? — Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache IV/1310 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei 3 Enthaltungen angenommen.
Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen KaffeeÜbereinkommen 1962 ; Mündlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) (Drucksache IV/1273) (Erste Beratung: 72. Sitzung).
Berichterstatter des Außenhandelsausschusses ist
Abgeordneter Diebäcker. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen 1962 wurde in
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Diebäckerder 72. Sitzung des Bundestages am 24. April 1963 dem Außenhandelsausschuß — federführend — und dem Wirtschaftsausschuß — mitberatend — überwiesen. Der Wirtschaftsausschuß hat sich am 2. Mai 1963 mit der Vorlage befaßt. Der Außenhandelsausschuß hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 16. Mai 1963 eingehend beraten.Mit dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen 1962 soll der Versuch unternommen werden, im wesentlichen mit handelspolitischen Maßnahmen zur Stabilisierung des Kaffeemarkts, der zweifellos einen der wichtigsten Rohstoffmärkte der Welt darstellt, entscheidend beizutragen. Angesichts der zunehmenden Überproduktion an Kaffee — im Jahre 1961 wurden fast 40 % Kaffee mehr erzeugt als verbraucht — erscheint nach Auffassung des Außenhandelsausschusses eine solche internationale Marktregulierung notwendig. Ließe man den Dingen ihren Lauf, so wären bedeutsame wirtschaftliche und politische Schwierigkeiten für viele lateinamerikanische und afrikanische Entwicklungsländer, die überwiegend vom Kaffee-Export leben, die Folgen.Die Wiederherstellung des Gleichgewichts auf dem Weltkaffeemarkt und die gesunde Weiterentwicklung der Rohstoffländer, an der uns nach Auffassung des Ausschusses ja gerade auch vom Verbraucherstandpunkt aus gelegen sein muß, soll durch das Abkommen, das auf fünf Jahre befristet ist, gefördert werden.Der Ausschuß nahm davon Kenntnis, daß das Abkommen bestimmte Verpflichtungen zur stufenweisen Beschränkung der Produktion und Lagerhaltung enthält, was eine strukturelle Änderung der Wirtschaft vieler Kaffee-Erzeugerstaaten zur Folge haben wird. Die Verbraucherländer haben in den Verhandlungen, die dem Abschluß des Abkommens vorausgingen, darauf hingewirkt, daß in den Vertrag keine Verpflichtungen zu entwicklungspolitischen Maßnahmen der Importländer im einzelnen oder gar konkrete Preisabsprachen aufgenommen worden sind.Gerade mit der Entwicklung der Kaffeepreise hat sich der Außenhandelsausschuß sehr eingehend befaßt. Es wurde dabei insbesondere die Frage erörtert, ob sich in Auswirkung des Abkommens gegebenenfalls die Preise erhöhen würden. Die Höhe der Ausfuhrquoten an Kaffee soll nach dem Vertrag so festgelegt werden, daß das Kaffeepreisniveau vorerst nicht unter den Stand des Jahres 1962 absinkt. Mit Befriedigung nahm der Ausschuß davon Kenntnis, daß andererseits der zu bildende Internationale Kaffeerat darüber zu wachen habe, daß die mit dem Abkommen vor allem auch angestrebte Erhöhung des Kaffeeverbrauchs nicht durch einen unangemessenen Preisanstieg verhindert werde. Die Tatsache, daß neben einer Ordnung des Kaffeemarkts die Konsumerhöhung wesentliches Ziel der Maßnahmen ist, war für den Außenhandelsausschuß Veranlassung, keine preispolitischen Bedenken zu erheben.Breiten Raum nahmen in der Diskussion des Ausschusses vor allem die Bestimmungen der Absätze 4 und 5 des Art. 47 des Abkommens ein, die sich mit der Beseitigung von Verbrauchshindernissen im Hinblick auf eine Ausweitung des Konsums befassen. Nach Abs. 4 des Art. 47 erkennen die Mitglieder an, daß bestimmte Staaten ihre Zustimmung zu den Zielen des Übereinkommens, d. h. insbesondere zur Konsumausweitung, durch Bekanntgabe ihrer Absicht bekundet haben, die Kaffeezölle herabzusetzen oder andere Maßnahmen zur Beseitigung von Hindernissen für eine Verbrauchssteigerung zu ergreifen. In Abs. 5 des Art. 47 verpflichten sich die Teilnehmerstaaten, Mittel und Wege zu prüfen, die die Hindernisse für eine Steigerung des Handels und des Verbrauchs verringern.Obgleich diese Bestimmung keine konkreten Verpflichtungen zur Verminderung oder Beseitigung der Verbrauchshindernisse enthalten, vertrat der Außenhandelsausschuß einstimmig — ich betone: einstimmig — die Auffassung, daß sich die Bundesregierung, ähnlich dem Beispiel anderer Mitgliedstaaten, zur Beseitigung der Kaffeesteuer entschließen sollte. Der Ausschuß schlägt daher dem Hohen Hause vor, wie dies aus .dem Antrag aus Drucksache IV/1273 hervorgeht, zu beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, im Sinne des Art. 47 des Übereinkommens konkrete Maßnahmen zur Beseitigung der Kaffeesteuer zu ergreifen. Dabei wurde bedacht, daß gemäß dem obenerwähnten Abs. 5 des Art. 47 des vorliegenden Abkommens jedes Mitglied innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten des Übereinkommens dem Kaffeerat über das Ergebnis seiner Prüfung von Mitteln und Wegen zum Abbau der bestehenden Importhemmnisse berichten soll.Angesichts der Bedeutung des Übereinkommens hielt es der Außenhandelsausschuß im Hinblick auf die sich gegebenenfalls ergebenden Konsequenzen für notwendig, daß die Bundesregierung dem Bundestag einige Zeit nach Inkrafttreten des Abkommens über die Ergebnisse der neuen Regelung berichtet. Der Ausschuß schlägt daher weiter vor, zu beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, dem Bundestag ein Jahr nach Inkrafttreten des Abkommens über die Erfahrungen mit der Neuregelung Bericht zu erstatten. Ich verweise hierzu im einzelnen auf die eben schon erwähnte Drucksache IV/1273.Neben diesen Ersuchen an die Bundesregierung — nämlich betreffend die Maßnahmen zur Beseitigung der Kaffeesteuer und den Erfahrungsbericht an den Bundestag — empfiehlt der Außenhandelsausschuß im übrigen dem Hohen Hause einstimmig, den Gesetzentwurf auf Drucksache IV/1168 unverändert anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf zur zweiten Beratung Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — —
— Zu welchem Artikel? Wir sind in der zweiten Lesung und haben keine allgemeine Aussprache. Hier wird über die einzelnen Artikel abgestimmt. Die allgemeine Aussprache findet in der dritten Lesung statt. Entschuldigen Sie, daß ich diese kleine Belehrung erteile; es geschah aus Freundschaft. —
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Vizepräsident Dr. SchmidIch rufe weiter auf Einleitung und Überschrift. — Wer diesen einzelnen Bestimmungen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Schluß der zweiten Beratung.Ich rufe auf zurdritten Beratungund eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Diebäcker, Sie haben ja getan, als wenn die Empfehlung, die Kaffeesteuer zu beseitigen — und die Teesteuer müßte wohl folgen —, eine recht platonische Angelegenheit wäre. Es tut mir leid, daß Frau Beyer nicht hier im Saal ist; denn sie ist bisher die lebhafteste Vorkämpferin für die Beseitigung der Kaffee- und der Teesteuer gewesen. Aber, verehrter Herr Diebäcker, lieber Parteifreund, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Kaffeesteuer rund 800 Millionen DM Deckungsmaterial für den sehr gefährdeten Haushaltsausgleich liefert. Ich halte es nicht für zweckmäßig — nehmen Sie mir das nicht übel, verehrter Konfrater —,
daß Sie solche Beschlüsse fassen. Die Einstimmigkeit erstaunt mich nicht, aber sie verwirrt meine Sinne auch nicht. Ich wundere mich besonders, daß Sie solche Beschlüsse fassen, ohne den Haushaltsausschuß und auch ohne den Finanz- und Steuerausschuß zu hören oder ihn darüber zu verständigen. So geht es nicht. Wenn wir weiterhin mit dem Haushaltsausgleich so spielen — bisher tun wir es ja hauptsächlich auf der Ausgabenseite, und nun soll die Sache auch noch auf der Einnahmeseite fortgesetzt werden —, dann sehe ich allerdings für 1964 und für den Ausgleich dieses Haushalts sehr schwarz. — Der Ausdruck „schwarz" hat nichts mit einer politischen Richtung zu tun; das möchte ich noch bemerken.
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, die Diskussion zu dieser Frage zu führen, wenn wir über die Entschließung sprechen. Mit dem Gesetz als solchem hat ja diese Erwägung noch nichts zu tun.
— Wir können es auch verbinden.
— Na, „Finanzgewissen" — contradictio in adiecto. Herr Abgeordneter Diebäcker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Dresbach hat mich persönlich angesprochen. Ich darf sagen: ich habe hier als Berichterstatter des Außenhandelsausschusses gesprochen, der allerdings einstimmig in dieser Sache Beschlüsse gefaßt hat. Aber, meine Damen und Herren, ich gebe folgendes zu bedenken: Es ist keineswegs so, daß hier die Bundesregierung ersucht wird, innerhalb einer bestimmten Frist dieses oder jenes zu tun. Sinn des Beschlusses des Ausschusses ist es doch nur, daß die Bundesregierung sich an den Gedanken gewöhnen möchte, daß auf dem Gebiete des Kaffeezolls etwas geschehen sollte. Ich betone also nochmals: Hier sind keine Termine gesetzt worden. Wenn von heute auf morgen nun ein Haushaltsausgleich nicht möglich ist, ohne daß man diese Steuer vereinnahmt, dann ist es ja selbstverständlich, daß man entsprechend verfährt. Aber ich finde, es ist nicht ganz richtig, wenn wir hier einerseits einem Kaffee-Abkommen beitreten und auf der anderen Seite gar nicht die Ziele, die in dem Kaffee-Übereinkommen genannt werden, mit verfolgen. Wir müssen uns hier entweder Gedanken machen, etwas im Sinne der Erreichung der Ziele — eines Abbaues der Handelshemmnisse — zu tun, oder wir haben zu überlegen, ob wir überhaupt dem Abkommen beitreten sollen. Auf der einen Seite dem Abkommen beitreten, auf der anderen Seite aber in dieser ganzen Frage nichts tun — das ist eine Sache, die man nicht empfehlen kann.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Sieben Gegenstimmen. Enthaltungen? — Fünf Enthaltungen. - Angenommen!Nun kommen wir zur Abstimmung über Ziffer 2 des Ausschußantrages. Ich schlage vor, über Ziffer 2 a) und Ziffer 2 b) getrennt abzustimmen. Zunächst stimmen wir ab über Ziffer 2 a) ; dagegen wandte sich die Philippika des Herrn Kollegen Dresbach. Wer 2 a) zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Meine Damen und Herren, wir stimmen ab über Ziffer 2, Drucksache IV/1273; zunächst über 2 a). Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit.Ziffer 2 b) ! Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch hier war das erste die Mehrheit. Damit ist auch die Entschließung angenommen.Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Dr. Probst, Maucher, Dr. Löhr, Maier und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes (Zweites Neuordnungsgesetz) (Drucksache IV/1030),b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Rutschke, Schultz, Kreitmeyer, Dr. Stammberger, Dorn, Reichmann, Mertes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundes-
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Vizepräsident Dr. Schmidversorgungsgesetzes (Drucksache IV/1033),c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Kriegsopferrechts (Drucksache IV/1148),d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Drucksache IV/1305).Hier besteht ein Übereinkommen zwischen den Fraktionen, wonach jeder Entwurf gesondert begründet, daß aber dann gemeinsam diskutiert werden soll.Zu dem Gesetzentwurf unter a hat Frau Abgeordnete Dr. Probst das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich vertrete und begründe hier den Gesetzentwurf Drucksache IV/1030 der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Maucher, Dr. Löhr, Maier und Genossen zur Neuordnung der Kriegsopferversorgung. Es ist die Gepflogenheit dieses Hauses, sich in der ersten Lesung auf grundsätzliche Fragen zu beschränken. Ich werde dies tun und werde mich dabei besonderer Konzentration befleißigen.Meine Damen und Herren! Die Weichen der zweiten Neuordnung der Kriegsopferversorgung sind bereits gestellt. Das Hohe Haus hat die Konzeption des ersten Neuordnungsgesetzes für Kriegs- und Wehrdienstbeschädigte sowie die Hinterbliebenen einstimmig auf die Persönlichkeitsrechte des Grundgesetzes gegründet. Das Hohe Haus hat das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit vorrangig in den Fällen anerkannt, in denen der Staat zu seinem Schutz und zum Schutze der Allgemeinheit gezwungen ist, von dem einzelnen Staatsbürger das Opfer seiner Gesundheit und damit der Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit zu fordern. Dieses Hohe Haus hat seiner Überzeugung Ausdruck gegeben — ich zitiere jetzt wörtlich den Beschluß des Hauses —, „daß die Achtung vor der Würde der menschlichen Person die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit in allen Fällen erfordert, in denen die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt ist".Der Ausschußbericht der Kollegen Bals und Maucher ist einstimmig angenommen worden. Darin ist der Vorrang der Rehabilitation in der Kriegsopferversorgung ausgesprochen und klargestellt worden. Unter Rehabilitation sind nicht nur die Heilbehandlung und die Maßnahmen der beruflichen Wiedereingliederung zu verstehen, sondern darin ist auch die Grundrente beinhaltet. Die Grundrente ist ein integrierender Bestandteil der Rehabilitation. Sie bildet die unabdingbare Voraussetzung zur Entfaltung des Leistungswillens und damit der Persönlichkeitswerte. Ihre Unantastbarkeit ist gesetzlich fundiert. Ich erinnere das Hohe Haus daran, daß die Grundrente nach der Begründung der Bundesregierung nicht nur die materiellen Aufwendungen abgleicht und nicht nur für diese materiellen Aufwendungen eintritt, die ein gesunder Mensch nicht hat, sondern daß sie vor allem auch für die Mehraufwendungen an Kraft einzutreten hat. Für die Hinterbliebenen stellt die 'Grundrente einen Ausgleich für die besondere Belastung dar, die durch den Verlust des Ehemannes, des Vaters und Ernährers in jeder Lebenslage eintritt.Der Begriff der Mehraufwendung an Kraft wird uns im Ausschuß noch bei der Beratung des Berufsschadensausgleichs beschäftigen. Ich darf das vorwegnehmen. Den Berufsschadensausgleich etwa nur auf den Einkommensverlust abstellen zu wollen, würde bedeuten, an den schweren Härtefällen vorbeizugehen, in denen zwar die gewohnte Einkommenshöhe gehalten wird, wie etwa bei Landwirten, aber nur unter Aufbietung eines überdurchschnittlichen, unzumutbaren Kraftaufwandes. In diesen Fällen kann nur durch Höherstufung des Erwerbsminderungsgrades geholfen werden. In diesen Fällen hat die Grundrente die Funktion, den Mehraufwand an Kraft auszugleichen. Diese Funktion und die Verstärkung der übrigen Rehabilitationsmaßnahmen durch die Höherstufung müssen gewährleistet sein.Die Funktion der Grundrente, im Rahmen der Rehabilitation einen Ausgleich für den Mehraufwand an Kraft zu bieten, bildet auch die Prämisse für die logische Schlußfolgerung, daß die Grundrente unabhängig von jeglichem Einkommen und seiner Höhe gegeben werden muß. Die Kurve des Kraftaufwandes steigt normalerweise parallel mit steigender Einkommenshöhe. Eine Kürzung der Grundrente bei steigendem Kraftaufwand würde dem Grundsatz der Berücksichtigung des Leistungswillens der Kriegsopfer — sehr zum Schaden der Bundesfinanzen — geradezu ins Gesicht schlagen. Eine Schwächung des Leistungswillens wäre die Folge.Meine Damen und Herren, 86,63 % aller Beschädigten haben nur die Grundrente als einzige Rentenleistung. Sie sind zum großen Teil in Arbeit. Sie stehen im Beruf. Sie sind Steuerzahler. Sie ersparen dem Bundeshaushalt durch den Wegfall der Ausgleichsrenten erhebliche Mittel. Ich habe einmal für das Jahr 1958 berechnet, was in der Zeit zwischen 1951 und 1958 dem Bundeshaushalt durch den Leistungswillen der deutschen Kriegsopfer erspart worden ist. Es haben sich 1,2 Milliarden DM ergeben.Die schaffenden Kriegsopfer sind — ich wiederhole es — Steuerzahler. Sie tragen durch ihrer Hände Arbeit dazu bei, die Mittel aufzubringen, die für ihre eigene Versorgung benötigt werden. Meine Damen und Herren, das ist produktive Sozialpolitik, um die es uns ja gerade geht. Das ist das Gegenteil vom Wohlfahrtsstaat. Die Kriegsopfer lehnen den Wohlfahrtsstaat und das Staatsrentnertum entschieden ab. Eine große deutsche Tageszeitung hat neulich — da sind immer allerhand Mißverständnisse unterwegs — von dem bedauernswerten Steuerzahler geschrieben. Er wird dem Rentenempfänger in der Kriegsopferversorgung gegenübergestellt. Dieser Vorstellung liegt ein Denkfehler zugrunde.
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Frau Dr. ProbstIch wiederhole: ,die Kriegsopfer sind selbst Steuerzahler.Es erhebt sich die Frage: Wo steht der bedauernswertere Steuerzahler? Ist es der, der mit gesunden Gliedern im Arbeitsprozeß steht, oder ist es nicht vielmehr der Steuerzahler, der mit sehr viel höherem Kraftaufwand die Folgen seiner Beschädigung — sei es einer Querschnittslähmung, einer Hirnverletzung, der Kriegsblindheit oder einer Amputation — zu überwinden hat, mit der er dasselbe und nicht selten Besseres zu leisten imstande ist als der Nichtbeschädigte?Meine Damen und Herren, die Entscheidung über die Grundkonzeption des Bundesversorgungsgesetzes ist bei der ersten Neuordnung ein für allemal gefallen. Die Antragsteller sind der Auffassung, daß es dem so schwer betroffenen Personenkreis nicht zugemutet werden kann, daß, aus welchem Grunde auch immer, die Rechtsgrundlagen der Kriegsopferversorgung immer wieder erneut zur Diskussion gestellt werden und ihre Kontinuität und Stabilität immer wieder von neuem, 18 Jahre nach Kriegsende, erkämpft werden müssen. Die Antragsteller fühlen sich an den einstimmigen Beschluß des Hauses gebunden. Sie sehen 'darin die Grundlagen für die zweite Neuordnung vorgezeichnet.Es ist das Ziel des Gesetzentwurfs, der Grundrente im Rahmen des zweiten Neuordnungsgesetzes ihre volle Funktionsfähigkeit in Anpassung an das veränderte wirtschaftliche und soziale Gefüge und unter Bereinigung der verzerrten inneren Relation wiederzugeben. Die Antragsteller befinden sich dabei in voller Übereinstimmung mit dem Bundesratsausschuß für Arbeit und Sozialpolitik, der in seiner Sitzung am 21. Mai 1963 festgestellt hat, daß der Bundesgesetzgeber bereits bei der Behandlung des Ersten Neuordnungsgesetzes habe erkennen lassen, daß im Rahmen einer Weiterentwicklung des Kriegsopferrechtes der Erhöhung der Grundrenten und damit der Verstärkung des Rechtsanspruches auf Entschädigung besondere Bedeutung zukomme. Es ist Ihnen sicher bekannt, daß eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, wonach das Bundesversorgungsgesetz einen öffentlich-rechtlichen Rechtsanspruch auf Entschädigung zu gewähren hat.Für eine ausreichende Anpassung der Grundrente sprechen auch gewichtige politische Gründe. Das Bundesversorgungsgesetz ist als Versorgungsrecht der Bundeswehr ein Teil ,des Wehrrechts der Bundesrepublik. Aus der Erkenntnis des inneren Zusammenhangs zwischen der Versorgung des Soldaten und der Erfüllung seiner Verteidigungsaufgabe bzw. dem Grad seiner Verteidigungsbereitschaft ergeben sich politische Impulse für die Antragsteller. Wenn der Vater eines Wehrpflichtigen schreibt — ich zitiere wörtlich —:Ich habe meinen Sohn bei der Versicherungsgesellschaft Lloyd in London privat versichert, weil das Bundesversorgungsgesetz in seinem heutigen Leistungsstand den Risiken der modernen Wehrausbildung nicht mehr entspricht,dann ist das ein unmittelbarer Appell an den Gesetzgeber, der hier nicht nur in seiner sozialpolitischen Verantwortung, sondern auch in seiner verteidigungspolitischen Aufgabe angesprochen wird.
Wir alle kennen die Sorgen ,des Herrn Bundesfinanzministers. Die Bundeswehr und insbesondere die territoriale Verteidigung sind auf die Mitarbeit erfahrener Reserveunteroffiziere und Reserveoffiziere angewiesen. Die Feldwebel und die ehemaligen Kompaniechefs der sogenannten weißen Jahrgänge können nicht gezogen werden. Lassen Sie mich einmal sagen, was die Laufbahnberater der Bundeswehr draußen in ,den Gemeinden in ihren Werbeabenden zu hören bekommen. Da wird immer wieder von ehemaligen Unteroffizieren, Feldwebeln und Kompanieführern gesagt, daß sie als Familienväter es nicht verantworten könnten, das erhöhte Risiko der Wehrübungen bei einer so unzureichenden Versorgung auf sich zu nehmen, wie sie beim jetzigen Stand des Bundesversorgungsgesetzes gegeben ist. Im Gegensatz dazu wird den in zivilen Berufen tätigen Arbeitnehmern oder Angestellten eine Entschädigung nach der viel höheren Einheitsrente der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben. Dieser Vergleich drängt sich dem Soldaten auf dem Truppenübungsplatz unmittelbar auf. Er steht ja neben dem Kraftfahrzeugmeister, der vom Bund angestellt, bezahlt und vom Bund versorgt wird.Wie sieht das im Einzelfalle aus? Der eine bekommt eine Entschädigung nach dem BVG, nämlich der Wehrpflichtige, der Soldat auf Zeit oder der Reservist, der seine Übungen macht. Der andere bekommt eine Entschädigung nach der gesetzlichen Unfallversicherung. Ich nehme jetzt einmal an, der Monteur bekäme 600 DM brutto. Das bedeutet — wenn beide 40 % beschädigt sind — bei dem einen 45 DM Grundrente und bei dem anderen 160 DM Festrente in der gesetzlichen Unfallversicherung neben jedem anderen Einkommen. Beim 70 %-Beschädigten betragen die Festrententeile 105 DM auf der einen und 280 DM auf der anderen Seite. Beim 100 %-Beschädigten stehen sich 200 DM Festrente des Bundesversorgungsgesetzes und 400 DM Festrente bei der gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber. Wir können es den Laufbahnberatern der Bundeswehr nicht übelnehmen, wenn sie keine Antwort auf Fragen wie diese wissen: Warum wird der Soldat bei einem Dienstunfall oder einer sonstigen Schädigung seiner Gesundheit wesentlich schlechter gestellt, als dies üblicherweise beim Arbeitnehmer im zivilen Verhältnis der Fall ist?Eine so weitgehende Divergenz in Gesetzgebungsbereichen, denen vergleichbare Tatbestände zugrunde liegen, läßt sich nach der Meinung der Antragsteller nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz und mit den Erfordernissen des sozialen Rechtsstaates vereinen, ganz abgesehen von der höchst unerwünschten wehrpolitischen Konsequenz. Die Schere zwischen Bundesversorgungsgesetz und der Unfallversicherung hat sich weiter geöffnet. Die Entwicklung wird in Zukunft noch sehr viel mehr durch die Dynamik auseinanderlaufen, die in die gesetzliche Unfallversicherung eingebaut worden ist, und zwar erst in allerjüngster Zeit. Ich erinnere daran, daß diese beiden Rechtsgebiete in der Weimarer Republik ver-
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3790 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Frau Dr. Probstgleichbar gewesen sind und bewußt vergleichbar gehalten wurden. Die Antragsteller sind der Überzeugung, daß das Zweite Neuordnungsgesetz die Aufgabe hat, den Rechtsanspruch der Kriegsopfer auf vom Einkommen unabhängige Entschädigungsleistungen zu stärken und auf diese Weise zur Harmonisierung der genannten Rechtsgebiete beizutragen und den unerwünschten verteidigungspolitischen Konsequenzen entgegenzuwirken.Meine Damen und Herren, der Gesetzgeber steht in der vollen Verantwortung für die Anpassung der Kriegsopferversorgung an das veränderte Wirtschafts- und Sozialgefüge. Das BVG kennt keine gesetzlich fundierte Aktualisierung der Rentenleistungen, wie sie in den Rentenversicherungen der Arbeiter, Angestellten und der Knappschaft enthalten sind und neuerdings auch — wie ich gesagt habe — in die gesetzliche Unfallversicherung eingegangen sind. In der Erkenntnis, daß eine umfassende Sozialreform nur Hand in Hand mit einer Harmonisierung der sozialen Leistungen und ihrer Einordnung in das volkswirtschaftliche und in das gesellschaftliche Gefüge gestaltet werden kann, hat der Gesetzgeber im Ersten Neuordnungsgesetz die Rente des hundertprozentig Erwerbsgeminderten an der allgemeinen Bemessungsgrundlage orientiert. Es war damals die allgemeine Bemessungsgrundlage des 1. Januar 1959, die bei 401 DM im Monat stand. Heute hat sich die allgemeine Bemessungsgrundlage um 27,7 % ,auf 511,83 DM im Monat erhöht. Sie wissen, daß eine weitere Steigerung am 1. Januar 1964 bevorsteht.Die Antragsteller nehmen ferner Bezug auf die Erkenntnisse des Sozialberichts der Bundesregierung des Jahres 1962, und zwar auf die Erkenntnisse in bezug auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, den Stand des Bruttosozialprodukts, die Steigerung der industriellen Produktion, die Entwicklung des Lohn- und Preisniveaus, des Produktivitätszuwachses und die Entwicklung des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte.Der Präsident des Bundesrates, Herr Kiesinger, hat in seinem Schreiben vom 31. Mai 1963 an den Herrn Bundeskanzler festgestellt, daß die Versorgung der Opfer des Krieges hinter der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in nicht länger vertretbarem Maße zurückgeblieben ist. Die Antragsteller teilen die Meinung des Arbeitsministers Schüttler von Baden-Württemberg, daß es das gute Recht der Kriegsopfer, der Beschädigten und Hinterbliebenen ist, an dem Wachstum des Volkseinkommens angemessen beteiligt zu werden. Den Kriegsopfern muß ihr gerechter Anteil an dem steigenden Sozialprodukt gewährt werden, an dessen Schaffung sie so wesentlichen Anteil haben.Die Antragsteller sind von diesen Erkenntnissen bei der Schaffung ihres Antrages ausgegangen. Sie werden sich von diesen Erkenntnissen bei den Beratungen im Ausschuß leiten lassen.Die Antragsteller sehen sich ferner verpflichtet, die innere Relation, die durch das Erste Neuordnungsgesetz aus fiskalischen Erwägungen gestört worden ist, wiederherzustellen und die Zäsur zwischen den 70 und 80% Erwerbsgeminderten, die versorgungsrechtlich nicht begründet ist, zu beseitigen.Meine Damen und Herren, die Antragsteller geben ihrer Befriedigung darüber Ausdruck, daß der Entwurf der Abgeordneten Dr. Rutschke sowie der Entwurf des Bundesratsausschusses für Arbeit und Sozialpolitik die von den Antragstellern vorgeschlagene Grundrententabelle übernommen haben und der Entwurf der SPD nur geringfügige Abweichungen erkennen läßt. Es besteht also die Aussicht, eine Übereinstimmung bei den Ausschußberatungen zu erzielen.Die Antragsteller treten ein für die Ausweitung des Berufsschadensausgleichs, und zwar auf Beschädigte einschließlich einer 80%igen Erwerbsminderung. Sie sind der Meinung, daß der Tatbestand der 90 und 80%igen Erwerbsminderung so schwerwiegend ist, daß sich eine Einbeziehung in den Berufsschadensausgleich ,als notwendig erweist.Die Antragsteller halten aber fest an dem Institut der Höherstufung der Grundrente bei besonderem beruflichem Betroffensein für die unteren Erwerbsminderungsgrade. Die Begründung habe ich vorher in Zusammenhang mit der Grundrente gegeben. Die Höherstufung, die nun schon seit 1920, seit dem Beginn des Reichsversorgungsrechts, Inhalt des Versorgungsgesetzes ist und mit der wesentliche Rechtsvorteile verbunden sind, ist notwendig im Sinne der Steigerung der Wiedereingliederungsmöglichkeiten. Nach Meinung der Antragsteller kann darauf nicht verzichtet werden.Gemeinsam mit den großen Kriegsopferverbänden und den besten Fachleuten auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung der Länder sowie mit dem Fachausschuß des Bundesrats haben die Antragsteller größte Bedenken gegen eine unbegrenzte Ausweitung des Berufsschadensausgleichs bis hinunter zu den 30 und 40 % Erwerbsgeminderten, wie dies in dem Regierungsentwurf und in dem Entwurf des Herrn Kollegen Dr. Rutschke enthalten ist. Fachleute weisen darauf hin, daß die unbeschränkte Ausdehnung des Berufsschadensausgleichs auf alle Gruppen zu einer unübersehbaren Zahl von Anträgen und Streitfällen führen und letztlich nur Verärgerungen und Enttäuschungen hervorrufen würde. Der Finanzaufwand, der für eine solche Ausdehnung in den Entwürfen der Bundesregierung und des Abgeordneten Dr. Rutschke vorgesehen ist, ist so gering, daß ein Effekt überhaupt nicht gegeben sein kann. Grundsätzlich gesehen birgt dieser Vorschlag die Gefahr in sich, daß der Wille zur Widerherstellung der größtmöglichen beruflichen Leistungsfähigkeit geschwächt wird, was insbesondere hinsichtlich der Auswirkung auf die jungen wehrdienstbeschädigten Soldaten der Bundeswehr zu Bedenken Anlaß gibt.Über die Schwerstbeschädigtenzulage und die Pflegezulage wollen wir im Ausschuß sprechen. Wir wollen mitarbeiten an einer befriedigenden, allseits anerkannten fachlichen Lösung.Ich möchte mich nun einem Gebiet zuwenden, das uns ganz besonders am Herzen liegt. In diesem
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3791
Frau Dr. ProbstHohen Hause besteht volle Übereinstimmung darüber, daß die Versorgung der Hinterbliebenen das vordringlichste Anliegen der zweiten Neuordnung ist. Alle Institutionen des Gesetzes, die Grundrenten, die Ausgleichsrenten, der Einkommensfreibetrag, die Krankenbehandlung, dann ein möglichst individuell gestalteter Ausgleich für das besondere wirtschaftliche Betroffensein der Hinterbliebenen sowie die Erziehungsbeihilfen und die übrigen Leistungen der Kriegsopferfürsorge einschließlich einer verbesserten Erholungsfürsorge, müssen zusammenwirken, um den 1,2 Millionen vaterlosen Familien einen gerechten vergleichbaren Anteil am Volkseinkommen und an dem allgemeinen Lebensstandard sowie am kulturellen Leben unseres Volkes zu sichern. Dabei ist die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse ein besonderes Anliegen.Die Antragsteller nehmen mit Befriedigung davon Kenntnis, daß in allen Entwürfen aus diesem Hause sowie in der Stellungnahme des Bundesratsausschusses für Arbeit und Sozialpolitik die Erhöhung der Grundrenten für die Kriegerwitwen auf 120 DM im Monat für erforderlich gehalten wird.Die Antragsteller sind ferner der Meinung, daß die Ausgleichsrente nicht vernachlässigt werden darf. Ich möchte gerade in umgekehrter Frontstellung zur Bundesregierung und ebenso gegenüber dem Antrag des Herrn Kollegen Rutschke diesmal sagen: wir sind der Meinung, daß die Ausgleichsrente möglichst im Verhältnis 1 : 1 mit der Grundrente weiterentwickelt werden muß, insbesondere für die rund 500 000 Kriegerwitwen sowie 70 000 Waisenkinder, die auf die Ausgleichsrente angewiesen sind. Die Ausgleichsrenten haben weiterhin die Funktion, Hilfe zu bieten in allen Lebenslagen, dann bei Umschulungen und Ausbildungen und ebenso im Rahmen der Erziehungsbeihilfen einzutreten. Angesichts der veränderten Lebenshaltungskosten müssen sie berücksichtigt werden. Wir befinden uns wieder einmal in Übereinstimmung mit dem Bundesratsausschuß für Arbeit und Sozialpolitik.Die Ausgleichsrente kann nicht ersetzt werden durch den Berufsschadensausgleich. Beide Institute, Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich, dekken sich nicht, im Gegenteil, sie unterscheiden sich in ihrer gesetzgeberischen Gestaltung wie in ihrer Zweckbestimmung ganz wesentlich voneinander.Im übrigen sind die Antragsteller der Meinung, daß für das wirtschaftliche Betroffensein der Witwe etwas Besonderes zu geschehen hat. Diese Leistung muß zunächst von der Ausgleichsrente losgelöst als eine selbständige Leistungssäule gewährt werden. Darüber besteht in diesem Hause und bei der Bundesregierung gar keine Divergenz; das ist einmütig. Wir stellen also hier mit Genugtuung fest, daß unser Grundgedanke sich durchgesetzt hat. Alle Vorlagen bringen einmütig zum Ausdruck, daß der Ausgleich für das wirtschaftliche Betroffensein möglichst individuell angepaßt werden muß und daß in den Fällen, in denen der Ehemann Beschädigter im Sinne dieses Gesetzes gewesen ist, das Einkommen zugrunde zu legen ist, das er ohne die Beschädigung erreicht haben würde, falls dies günstiger ist.Die Antragsteller sind jedoch der Meinung, daß die Pauschalierung der Gewährung innerhalb von drei Gruppen gewisse Vorteile mit sich bringt — gerade bei den schwer zu rekonstruierenden Tatbeständen der Kriegs- und Nachkriegszeit —, daß diese Regelung praktikabler durchzuführen ist und vielleicht im Einzelfall nicht so viel Beunruhigung schafft, auch nicht allzusehr die Gerichte belasten wird. Die Antragsteller sind aber durchaus dafür aufgeschlossen, Modifikationen vorzunehmen im Gespräch mit den Vertretern der übrigen Ansichten, welche von der Bundesregierung oder von anderer Seite vertreten werden. Wir sind guten Argumenten völlig offen und werden uns der bestmöglichen Lösung erschließen.Auch der Sozialzuschlag für diejenigen, die keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich haben, ist dringend notwendig, insbesondere bei den gestiegenen Regelsätzen der Sozialhilfe. Wesentlich ist, daß die Nahtstellen zwischen den verschiedenen Sozialgesetzen in der Bundesrepublik endlich einmal durch die Änderung der Anrechnungsbestimmungen in Ordnung gebracht werden. Die Bundesregierung hat uns einen sehr interessanten Bericht gegeben. Es ist nach meiner Überzeugung unerträglich, daß eine Erhöhung der Sozialversicherungsleistungen durch die Rentenanpassungen einfach weggenommen wird und dem Fiskus zugute kommt wegen der zu engen Anrechnungsbestimmungen. Ja, wir haben Fälle — es muß in der Öffentlichkeit darauf hingewiesen werden —, in denen beim Zusammenwirken von BVG, Unterhaltshilfe und Sozialversicherung unter dem Strich Minderbeträge herauskommen und deswegen Rückforderungen entstehen. Wir treten — in Übereinstimmung mit allen Beteiligten — für eine wesentliche Veränderung und Verbesserung der Anrechnungsbestimmungen ein.Auch die Elternversorgung — ich nähere mich dem Schluß — bedarf einer wesentlichen Verbesserung. Nach den Erfahrungen bei der Durchführung, über die im besonderen auch Herr Kollege Pohle sich in diesem Hause beklagt hat, besteht keine Diskussion mehr darüber, daß wir die Ernährereigenschaft als Leistungsvoraussetzung beseitigen müssen. In diesem Zusammenhang sind die Antragsteller der Meinung, daß eine anteilmäßige Kürzung der Unterhaltsverpflichtung der noch lebenden Kinder erwogen werden müßte, wobei der Bund den Anteil des Gefallenen zu übernehmen hätte. Das ist ein Gedanke, der noch nicht in unserem Recht enthalten ist, den ich aber für im Ausschuß erwägenswert halte.Wir halten die Erhöhung der absoluten Elternrentensätze angesichts der veränderten Wirtschaftslage für notwendig. Das ist auch in allen Gesetzentwürfen, wenn auch in verschiedener Weise, vorgesehen. Die Antragsteller sind jedoch der Meinung, daß ganz besonders da eingetreten werden muß, wo alle Kinder, die letzten, die einzigen und mehrere Kinder gefallen sind. Hier steht der Bund in der vollen Verantwortung für den Unterhalt dieser so schwer getroffenen Kriegereltern. Die Einkommensgrenzen in der Versorgung der Eltern müssen ebenfalls neu durchdacht und dem gestiegenen Niveau der übrigen Sozialgesetze angepaßt werden.
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3792 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Frau Dr. ProbstDie Antragsteller begrüßen die weitgehende Übereinstimmung der Entwürfe aus diesem Hause und der Stellungnahme des Bundesratsausschusses für Arbeit und Sozialpolitik in bezug auf die Weiterentwicklung der Kriegsopferversorgung. Sie begrüßen es, daß auch der Bundesrat eine fühlbare Verbesserung der Leistungen — ich zitiere wörtlich — und einen weiteren Ausbau des Bundesversorgungsgesetzes für geboten hält. Die Antragsteller sind mit dem Bundesrat der Auffassung, daß während der Beratungen im Ausschuß und im Bundestag zusammen mit der Bundesregierung und dem Bundesrat eine Lösung gefunden werden muß, die diesen Erwägungen Rechnung trägt. Sie beziehen sich dabei auf die Bereitschaft des Bundesrats, die er in seiner Entschließung zur zweiten Neuordnung zum Ausdruck gebracht hat, zu einer befriedigenden Lösung der zweiten Neuordnung der Kriegsopferversorgung seinerseits „das Notwendige beizutragen".
Zur Begründung des Gesetzentwurfs unter 7 b hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Rutschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hohe Haus war sich bei der Vorbereitung zum Ersten Neuordnungsgesetz in der vorigen Legislaturperiode insgesamt darüber im klaren, daß das Bundesversorgungsgesetz dringend einer Reform bedarf. Man dachte nicht an eine Novellierung, sondern an eine wirkliche Reform der Kriegsopferversorgung. So wurden dann auch im Ersten Neuordnungsgesetz verschiedene andere Wege beschritten. Ob das Erste Neuordnungsgesetz den Titel eines Reformgesetzes verdient oder nicht, darüber vermag ich jetzt nicht zu urteilen.Das bisherige Bundesversorgungsgesetz beruhte auf der Grund- und Ausgleichsrente. Die Grundrente wurde jedem unabhängig vom Einkommen als Ausgleich für die Mehraufwendungen gewährt, die der Beschädigte auf Grund seiner Beschädigung hatte. Die Ausgleichsrente wurde lediglich dann gegeben, wenn der Betreffende nachwies, daß er bedürftig sei. Damit bekam der Kriegsbeschädigte — und zwar nur der Schwerkriegsbeschädigte mit über 50 % Erwerbsminderung — einen Ausgleich finanzieller Art nur, wenn er vorher wie ein Wohlfahrtsempfänger nachwies, daß er bedürftig sei.Wir waren uns auch alle darüber einig, daß man diese Bedürftigkeitsprüfung — ich möchte sagen: diese „Armenfürsorge" — einmal abschaffen solle, und das war ein gewichtiger Grund für das Reformwerk des Ersten Neuordnungsgesetzes. Ich bin erstaunt, sehr verehrte Frau Kollegin Dr. Probst, daß gerade Sie die Ausgleichsrente wieder in den Vordergrund gestellt haben. Wenn Sie die Bedürftigkeitsprüfung abschaffen wollen, können Sie natürlich nicht die Ausgleichsrente weiterentwickeln, sondern müssen andere Wege suchen. Diese Wege glaubten wir vorschlagen zu können, so wie wir auch bereits im Ersten Neuordnungsgesetz Vorschläge in dieser Richtung gemacht haben.Meine Damen und Herren, was heißt hier Berufsschaden? Welche Probleme sind zu lösen? Der Beschädigte soll seine Grundrente, die als Ausgleich für seine Mehraufwendungen dient, erhalten. Einmal wird er die Taxe mehr benutzen müssen, zum andern wird er möglicherweise mehr Hilfskräfte als ein Gesunder in Anspruch nehmen. Das soll also mit der Grundrente abgegolten werden.Welcher materielle Schaden ist ihm sonst noch entstanden? Es ist sicherlich in erster Linie der Berufsschaden. Wenn jemand wegen seiner Kriegsverletzung nicht mehr in der Lage ist, seinen früheren qualifizierten Beruf auszuüben, sondern einen sozial minderen Beruf ausüben muß, dann ist es wohl recht und billig, daß wir ihm diesen Schaden, für den er selbst nicht verantwortlich ist, ersetzen. Ich glaube, darauf hat er einen Rechtsanspruch. Ich hielte es für unsozial und unmoralisch, wenn der Staat dann sagen wollte: „Was du nun auf Grund deiner Beschädigung weniger verdienst, interessiert mich nicht!" oder wenn vorgeschlagen wird, wie es Frau Kollegin Dr. Probst getan hat, § 30 weiter anzuwenden und die Grundrente zu gewähren, die bisher für den um jeweils 10% höheren Beschädigungsgrad vorgesehen war. Damit wird niemals ein Ausgleich für die Einbuße an Nettoeinkommen erreicht, die durch den beruflichen Schaden bedingt ist.Nun praktizieren wir ja auch andere Gesetze. Ich denke an das Bundesentschädigungsgesetz. Hier ist eine ganz ausgezeichnete Lösung auch für die Körperschäden gefunden worden. Die dort vorgesehenen Leistungen sind zwar sicherlich nicht fürstlich, stellen aber immerhin doch einen gewissen notwendigen Ausgleich dar. Die Unfallversicherung — Frau Kollegin Dr. Probst hat davon gesprochen — ist viel besser ausgestattet als die Kriegsopferversorgung, was die Festrenten und die Nichtanrechenbarkeit betrifft. Gerade Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wissen, daß ich, als die Verbesserung der Unfallversicherung heranstand, darauf hingewiesen habe, die Disparität — die auch von Ihrer Seite immer beschworen wird — zur Kriegsopferversorgung werde immer noch größer werden und man müsse erst einmal die Kriegsopferversorgung in Ordnung bringen.Auch die Bundeswehr ist mit diesem Bundesversorgungsgesetz verbunden. Ich möchte jetzt nicht das Beispiel wiederholen — Frau Kollegin Dr. Probst, Sie haben es schon angedeutet —: Wenn der Bataillonsschneider und der eingezogene Rekrut einen Unfall erleiden und beide verlieren z. B. den Oberschenkel, dann bekommt der eine die Hälfte von dem, was der andere — nach der Unfallversicherung — bekommt. An solchen Tatbeständen können wir doch nicht einfach vorbeigehen und tun, als ob es uns nichts anginge! Da müssen wir doch etwas tun, und das können wir nur dann ordnungsgemäß, wenn wir den Berufsschaden ausgleichen, denn das ist der faßbare, der nachweisbare Schaden.Die stärkere Förderung des Berufschadensausgleichs ist ja eigentlich auch der Sinn der Reform, und wenn das Erste Neuordnungsgesetz ein Reformgesetz gewesen ist, dann ist es das in bezug auf den Berufsschadensausgleich wenigstens bei den
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3793
Dr. Rutschkezu 100 % Beschädigten. Dort hatte man nun wirklich kein Argument, um unseren Antrag, den FDP- Antrag, abzulehnen, denn ein 100%ig Beschädigter konnte nach § 30 nicht mehr höhergestuft werden, sondern da mußte man einen Berufsschadensausgleich gewähren. Ich hoffe, daß wir auf diesem Weg weitergehen werden zu einer wirklichen Reform. Wir wollen das Entschädigungsprinzip und wollen vom Armenfürsorgeprinzip abkommen. Das ist von allen Parteien erklärt worden, und wir jedenfalls machen ernst damit, daß wir den Berufsschadensausgleich besonders fördern.Der Berufsschadensausgleich kann sich natürlich nicht nur auf die Beschädigten selbst beziehen, sondern er muß auch — weil das Problem dort nicht viel anders ist — auf die Witwen und Waisen ausgedehnt werden. Wir hatten beim Ersten Neuordnungsgesetz auch für die Waisen den Berufsschadensausgleich angestrebt. Wir sind aber in unserem jetzigen Entwurf, den zu begründen ich heute die Ehre habe, davon abgegangen, weil es jetzt nicht mehr sehr sinnvoll wäre, einen Berufsschadensausgleich für Waisen festzusetzen, nachdem das Problem der Waisenversorgung wahrscheinlich nur noch für ganz kurze Zeit eine Rolle spielen wird; es sind jetzt ja 18 Jahre seit Ende des Krieges vergangen.Aber ich denke an die Witwenversorgung, die nun auch so geregelt werden muß, daß man den individuellen Schaden berücksichtigt, der durch den Verlust des Ernährers eingetreten ist, der letzten Endes das Geld nach Hause gebracht hat, das er verdiente. Auch hier muß eine individuelle, nicht eine pauschalierte Beurteilung Platz ergreifen. Man darf nicht, wie es bisher war, das Niveau der Kriegerwitwe auf das eines Gelegenheitsarbeiters herabmindern. Auch hier sollten wir vielmehr durchzusetzen versuchen, daß der Witwe eine individuelle Entschädigungsleistung in Form des Berufsschadensausgleichs gewährt wird. Der Ehemann bestimmte durch das Einkommen die soziale Stellung der Familie, und ich vermag nich einzusehen, warum man jetzt, alles nivellierend, auf eine Grundlage herunterdrückt und sagt, alle Kriegerwitwen hätten denselben Schaden erlitten. Sicher, den Verlust des Ehemannes kann man keiner Kriegerwitwe ersetzen; das ist faktisch unmöglich. Man muß aber .auch die finanziellen Auswirkungen des Verlustes bei der Versorgung der Witwen berücksichtigen.Wir hatten im Ersten Neuordnungsgesetz auch noch den Begriff der Ernährereigenschaft. Ich möchte jetzt nicht noch auf alles das eingehen; die Frau Kollegin Probst hat es schon angedeutet. Hinzu kommt das sehr schwierige Problem des zeitlichen Zusammenhangs der Beschädigung mit der Versorgung. Oft reichen hier die Kräfte und die Beweismöglichkeiten ides einzelnen nicht aus. Wir forderten den unabhängigen ärzlichen Dienst und auch die Überprüfung der Anrechnungsbestimmungen.Meine Damen und Herren, unser Entwurf zum Ersten Neuordnungsgesetz war umfassend; es 'war ein neues Gesetz, das wir vorgelegt haben. Wir haben uns leider — das lag an der Tatsache, daß damals die CDU/CSU die absolute Mehrheit im Bundestag hatte — auch im Ausschuß nicht durchsetzen können. Sie werden es vielleicht bereuen, daß Sie damals den Forderungen nicht nachgekommen sind. Damals saßen wir vor vollen Kassen. Ob wir alles das, was notwendig wäre, heute noch leisten können, wird die Zukunft ergeben.Wir haben im Zweiten Neuordnungsgesetz die wesentlichsten Punkte unseres Vorschlages zum Ersten Neuordnungsgesetz wiederholt. Wir haben sie .dem jetzt gültigen Ersten Neuordnungsgesetz angepaßt, weil hier nun gewisse Weichen gestellt waren, die wir einfach nicht aufgeben konnten. Wir mußten vielmehr mit den Weichen des Ersten Neuordnungsgesetzes weiterfahren, so daß wir verschiedene Vorstellungen, die wir seinerzeit noch zusätzlich hatten, nicht weiter verfolgen konnten, weil das praktisch eine Ummodelung des Gesetzes bedeutet hätte.Wir legen nach wie vor Wert auf die Feststellung, daß der Berufsschadensausgleich gefördert werden muß. Wir haben in unserem Gesetzentwurf gefordert, daß bis zum 30 %-Beschädigten der Berufsschaden berücksichtigt werden muß. Ich vermag nicht einzusehen, verehrte Frau Kollegin Dr. Probst, warum der 40 %-Beschädigte, .der einen Berufsschaden von mehr als 400 oder 500 DM möglicherweise nachweisen kann, mit einer 10%igen Höherstufung des Erwerbsminderungsgrades — was hinterher faktisch 10 oder 5 DM ausmachen kann — abgespeist werden soll, während er nachweislich eine Schädigung um mehr als 300 oder 400 DM in seinem Berufseinkommen erlitten hat, so daß er sozial deklassiert ist.Ich habe Ihnen bei der Beratung des Ersten Neuordnungsgesetzes das Beispiel von dem Feinmechanikermeister gebracht, der einige Finger einer Hand verloren hat und nunmehr als Portier tätig sein muß, weil er als Feinmechanikermeister zehn Finger braucht. Dieser Mann ist 40 % beschädigt und hat eine Einkommensminderung von 500 DM. Das ist ein Fall aus der Praxis, an dem Sie nicht vorbeigehen und bei dem Sie nicht sagen können: Er muß sich mit einer 10%igen Höherstufung abfinden. Das ist nicht zulässig; das ist nicht in Ordnung.Wir haben in unserem Entwurf zum Zweiten Neuordnungsgesetz die beim Ersten Neuordnungsgesetz gezogenen Grenzen im Berufsschadensbereich akzeptieren müssen. Wir haben also akzeptieren müssen, daß der Beschädigte einen Schaden bis zu 100 DM selber tragen muß, daß nicht mehr als 400 DM Berufsschadensausgleich ausgezahlt werden können und daß nur 30 % des tatsächlich festgestellten Schadens vergütet werden. Das ist sicherlich ungerecht; das möchte ich ausdrücklich erklären. Es ist gar nicht einzusehen, warum der Beschädigte 100 DM Vermögens- oder Einkommenseinbuße selber tragen soll. Das ist an sich logisch nicht begründbar. Wenn wir diesen Weg so weitergegangen sind, wie es im Ersten Neuordnungsgesetz festgelegt worden ist, so geschah dies, weil wir erst die finanziellen Auswirkungen erkennen müssen, die dieses Gesetz hat — es ist Neuland —, wenn man bis auf 30 % heruntergeht; die Regierung hat das ja auch erfreulicherweise vorgeschlagen. Deshalb sind wir vorsichtig gewesen und haben diese Begrenzung beibehalten, auch wenn wir sie etwas verbessert haben.
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3794 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Dr. RutschkeMir wurde bei den Beratungen zum Ersten Neuordnungsgesetz im Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen immer vorgeworfen, daß der Berufsschadensausgleich nach unseren Vorstellungen nicht praktikabel sei. Nun, meine verehrten Damen und Herren, wenn selbst die Bundesregierung jetzt einen derartigen Vorschlag macht, möchte ich doch annehmen, daß er praktikabel ist. Die Verwaltungserfahrung des zuständigen Ressorts wird doch wohl so groß sein, daß nicht Vorschläge gemacht werden, die für die Verwaltung nicht praktikabel sind. Ich glaube, daß damit auch der Beweis für die Möglichkeit einer Änderung in dieser Richtung erbracht worden ist.Die Elternversorgung ist ein sehr schwieriges Problem. Gerade sie stand bisher immer zu sehr im Schatten. Wir haben in unserem Gesetzentwurf eine Verbesserung der Elternversorgung vorgesehen.Wir sind auch für eine Erhöhung der Schwerbeschädigtenzulage, die nun nicht einkommensgebunden ist, sondern sich daran orientiert, wie schwer der einzelne tatsächlich beschädigt ist. Wir sind der Meinung, daß diese schwer getroffenen Kameraden, die ein besonders hartes Los zu tragen haben, zusätzlich einen gewissen finanziellen Ausgleich erhalten sollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege, Sie werden mir ja nicht unterstellen, daß ich hier als Zyniker auftrete; dagegen spricht der Zustand meiner Knochen. Aber darf ich Sie mal fragen: Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, wie bei einem geistigen Arbeiter der Berufsschaden festgestellt werden soll? Der müßte schon einer geistigen Umnachtung gleichkommen! Ich darf es Ihnen mal am Beispiel meiner eigenen Person vorführen: ein schwerer Knieschuß, im ersten Orlog noch; bis vor 10 Jahren habe ich kaum eine Beeinträchtigung in meinem Beruf gespürt. Jetzt kommt es allmählich im Zusammenhang mit dem Alter. Sie müßten beim geistigen Arbeiter also doch schon eine Fiktion vornehmen: als wenn er körperlich tätig wäre. Ist es nicht so?
Herr Kollege Dresbach, ich verstehe nicht recht. Haben Sie Schäden in der Richtung, daß Ihre geistige Arbeitskraft nicht mehr so sei, daß Sie jetzt Behinderungen oder Schwierigkeiten — —
Ich hoffe, daß ich diesen Eindruck nicht mache.
Ich habe das eben schon so verstehen müssen.
Verzeihen I Sie, wie wollen Sie bei einem geistigen Arbeiter — bitte, unterstellen Sie mal freundlicherweise, daß ich einer sei —
Berufsschaden feststellen, wenn er meinetwegen ein Bein oder sonst etwas verloren hat?
Verzeihen Sie, Herr Kollege Dresbach, wenn ein geistiger Arbeiter, der ein Bein verloren hat, weiterhin Beamter, meinetwegen Oberregierungsrat im Finanzministerium, ist, dann hat er eben keinen Berufsschaden erlitten. Er hat nur dann einen erlitten, wenn ihn der Verlust des Beins beruflich geschädigt hat. Das ist doch der Sinn der ,Berufsschadensrente. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mal in das Bundesentschädigungsgesetz oder in ,das Bundesversorgungsgesetz, so wie es jetzt ist, hineingucken würden. Da ist alles erklärt. Deshalb verstand ich Ihre Frage beim besten Willen nicht.
Mir scheint — ich habe eine Frage gestellt — die Antwort immer noch offen zu sein.
Wenn ich recht verstanden habe, stellten Sie die Frage — ich darf sie wiederholen —, wie ein geistiger Arbeiter entschädigt werden soll, der eine Beschädigung erlitten hat, sagen wir, den Oberschenkel verloren hat. Wenn er beruflich nicht zurückgestuft ist — und es wird ja nicht anzunehmen sein, wenn er geistiger Arbeiter ist, daß er wegen ,des Verlustes ein geringeres Einkommen hat —, dann bekommt er keinen Ausgleich; er bekommt nur die Grundrente, die ihm auf jeden Fall zusteht.
Nein, verzeihen Sie, Herr Kollege, damit ist es noch nicht abgetan. Ich strebe im Grunde auch wieder die Grundsätze des Reichsversorgungsgesetzes an. Wir können uns ja einmal darüber unterhalten.
Ich bin gern dazu bereit.Meine Damen und Herren! Die Weiterentwicklung des Ersten Neuordnungsgesetzes ist dringend erforderlich — ich kann mich da auf das beziehen, was Frau Kollegin Probst bereits vorgetragen hat —, und das gilt auch für die Grundrente. Ich bin mit ihr einer Meinung. Wir können die Grundrente nicht völlig beiseite liegenlassen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind nun einmal andere geworden. Auf allen anderen Gebieten hat man die Renten erhöht. Wir können bei den Kriegsopferrenten nicht einfach sagen: hier wird nichts getan. Aber es scheint mir besonders wichtig zu sein, daß auch der Verlust, den der einzelne im Beruf getragen hat, entschädigt wird, und ich glaube, daß unsere Vorstellungen in dieser Richtung praktikabel und vernünftig sind.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3795
Das Wort zur Begründung des Gesetzesentwurfs unter Punkt 7 c der Tagesordnung hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die anscheinend friedliche Atmosphäre des nicht besonders gut besetzten Hauses kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß mit der heutigen Debatte das politische Ringen um die seit Jahren versprochene und ebenso lange fällige Fortsetzung der im Jahre 1960 begonnenen Neuordnung des Kriegsopferrechts in sein entscheidendes Stadium eintritt. Gestatten Sie mir deshalb eine grundsätzliche Vorbemerkung!Einige Sprecher der Regierungsfraktionen haben wiederholt versucht, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als ob das entschiedene Drängen der sozialdemokratischen Fraktion auf eine Entscheidung in der Sache auf Bedürfnisse der Parteiagitation zurückzuführen sei, während sie selber angeblich in der Sorge um das Wohl der Kriegsopfer sich von niemandem übertreffen lassen wollten. Abgesehen von der Geschmacklosigkeit dieses Stils der politischen Auseinandersetzung, der mir wenig geeignet erscheint, der Sache, um die es hier geht, zu dienen, stehen unübersehbare Fakten gegen eine derartig abwegige Sicht der Zusammenhänge.Zum einen ist die Koalition selbst ob der Untätigkeit der Bundesregierung offensichtlich auseinandergefallen, was die Vorlagen in den Drucksachen 1030 und 1033 sowohl eines Teils der CDU/CSU- Fraktion als auch von Abgeordneten der Freien Demokratischen Fraktion dieses Hauses beweisen. Die Einbringung dieser Vorlagen müßte sonst ebenso als „Ausfluß parteiagitatorischer Bedürfnisse" qualifiziert werden.Zum anderen hat der Bundesrat in einer in der Öffentlichkeit viel beachteten Entschließung folgendes zum Ausdruck gebracht:Der Bundesrat hält eine fühlbare Verbesserung der Leistungen und auch einen weiteren Ausbau des Bundesversorgungsgesetzes für geboten, da die Versorgung der Kriegsopfer hinter der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in nicht länger vertretbarem Maße zurückgeblieben ist.Auch der Bundesrat wird meines Wissens in seiner Mehrheit nicht von Sozialdemokraten besetzt, so daß man doch wohl sagen muß, daß die Kritik am Verhalten der Bundesregierung, die von den verschiedensten Seiten geübt wird, sich zu einem Ring zusammenfügt. Von dort her muß leider wieder einmal das festgestellt werden, was ich schon einmal von dieser Stelle aus gesagt habe, nämlich daß das gesellschaftspolitische Leitbild der Bundesregierung in bezug auf die Versorgung der Kriegsopfer offenbar so beschaffen ist, daß bei der Befriedigung sozialer Ansprüche für die Bundesregierung die Kriegsopfer die letzten sind;
und die letzten beißen bekanntlich nach einem sehr wahren Wort aus dem Volksmund die Hunde.So wie im Augenblick der Stand der Auseinandersetzungen um den Bundeshaushalt ist, sprechen gewichtige Gründe dafür, daß es politische Kräfte in diesem Lande und eine gewisse öffentliche Meinung dafür gibt, die bereit wären, den Kriegsopfern auch diese Rolle zuzumuten.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird sich einer solchen Entwicklung mit allen Kräften widersetzen. Wir sehen die Kriegsopferversorgung in ihrem prinzipiellen Zusammenhang mit der allgemeinen Wehrpflicht, die nur dann bejaht werden kann, wenn das damit verbundene individuelle Risiko des Bürgers von der Solidarhaftung der gesamten Volksgemeinschaft umfaßt und getragen wird.Das Rechtsfundament der Kriegsopferversorgung, die die Versorgung der Wehrpflichtigen der Bundeswehr umschließt, wurzelt primär im rechtsstaatlichen und nicht, wie Herr Blank immer wieder glaubt, im sozialstaatlichen Bereich. Der Inhalt der Versorgung erschöpft sich nicht im Versuch, verarmten Kriegsopfern zu helfen und sie vor Not zu bewahren, sondern das Versorgungsrecht hat die Aufgabe, die Einbußen an Leben, Gesundheit und im sozialen Bereich, die wegen der Folgen der Ableistung des Wehrdienstes entstanden sind, durch die Gewährung entsprechender Versorgungsleistungen mit Rechtscharakter auszugleichen.Die Herbeiführung eines Mindestmaßes solcher Ausgleiche, gemessen an den Notwendigkeiten und an den Möglichkeiten der Gegenwart, ist Ziel des sozialdemokratischen Gesetzentwurfs. Er fußt auf den Grundsätzen des bisherigen Rechts. Eine grundsätzliche Abkehr, Herr Kollege Rutschke, vom bisherigen System der Versorgung, so wie es in den vergangenen zehn Jahren seit der Schaffung des Bundesversorgungsgesetzes entwickelt worden ist, würde eine solche Fülle neuer Probleme aufwerfen und Verwaltung und Rechtsprechung damit belasten, daß diese erst in Jahren zu bewältigen sein würden. Die damit verbundene weitere Verzögerung in der Auszahlung verbesserter Versorgungsleistungen an die Empfänger wäre diesen gegenüber unter keinem Gesichtspunkt zu verantworten. Dagegen ist es unerläßlich, im Rahmen des geltenden Rechts die bereits mit dem Ersten Neuordnungsgesetz begonnene Akzentverschiebung zugunsten der Grund- und Festrenten fortzusetzen und variable Leistungen besser und verwaltungsgerechter auszugestalten.Art, Umfang und Folgen der Schäden, wie sie durch den Verlust von Leben, Gesundheit und von Möglichkeiten der aktiven Teilnahme am sozialen Leben entstanden sind, müssen in erster Linie bestimmend für Maß und Inhalt der Versorgungsleistungen sein.Es wird noch für eine lange Zeit Aufgabe der gesetzgebenden Körperschaften bleiben, bestehende Rechtsnachteile der Kriegsopfer innerhalb der deutschen Sozialgesetzgebung durch eine laufende Weiterverbesserung des Kriegsopferrechts zu beseitigen. Die große Zahl der Versorgungsberechtigten einerseits und der Umfang der Ansprüche, welche insgesamt an den Bundeshaushalt gestellt sind, andererseits lassen es leider nicht zu, mit einem Zwei-
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3796 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Bazilleten Neuordnungsgesetz zugleich das Ziel einer umfassenden Neugestaltung des Kriegsopferversorgungsrechts zu erreichen. Dies läßt sich nur in Etappen verwirklichen.Aber keine dieser Etappen kann und darf darauf verzichten, eine Korrektur des geltenden Rechts in der Weise vorzunehmen, daß der Rechtscharakter der Versorgung gestärkt wird, unter gleichzeitigem Abbau solcher Leistungen, deren Gewährung an eine Bedürftigkeitsprüfung gebunden ist. Es ist auf die Dauer unerträglich, daß im Bereich der Versorgung der Lohn für eigene Anstrengung im Beruf und in der Vorsorge für das Alter in einer anteilmäßigen Kürzung der Versorgungsleistungen besteht. Das wird besonders deutlich, wenn man sich etwa vergegenwärtigt, daß der Sparwille der deutschen Bundesbürger durch Gewährung staatlicher Sparprämien belohnt wird, während ein Kriegsbeschädigter, der von seiner bescheidenen Versorgungsrente einen Teil anspart, es hinnehmen muß, daß nach einigen Jahren die Verzinsung seines angesparten Kapitals zu einer weiteren Absenkung der Versorgungsrente führt. Das heißt, auf der einen Seite belohnt der Bundesgesetzgeber die Spartätigkeit seiner Bürger; auf der anderen Seite, wenn diese Bürger Kriegsopfer sind, bestraft er sie durch weiteren Entzug einer Versorgungsleistung.Auch im Bereich der Elternversorgung treten derartig groteske Verhältnisse ein, daß etwa beim Zusammentreffen einer Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz mit Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Ansprüchen aus dem gesetzlichen Lastenausgleich zweimal eine Kürzung eintritt, wenn sich die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhöht. Das heißt, die Summe der Abzüge ist größer als der Zuwachs durch Steigerung der Rentenbezüge in der gesetzlichen Rentenversicherung. Es braucht uns nicht zu wundern, wenn die Auswirkungen von solchen Gesetzen bei den Betroffenen zur Staatsverdrossenheit führen, ja, wenn diese Leute den Staat zu hassen beginnen, der in solcher Weise mit ihnen Schindluder treibt. Hier wird im Elementaren das Verhältnis des Bürgers zu seinem Staat berührt, und das geht weit über bloße Sozialpolitik hinaus. Wir müssen uns daher bei der weiteren Gestaltung des Versorgungsrechts darum bemühen, daß solche Vorschriften aus dem Versorgungsrecht verschwinden, die geeignet sind, einen Bürger, der so große Vorleistungen für den Staat erbracht hat, in der Weise vor den Kopf zu stoßen, wie das durch Vorschriften des geltenden Rechts geschieht, die wider jede Vernunft praktiziert werden müssen.Ein solch elementares Verhältnis zwischen Bürger und Staat ist auch dort berührt, wo man das wissenschaftliche Unvermögen, die Frage zu klären, ob beim Wehrdienst ein Gesundheitsschaden eingetreten ist oder nicht, dem Bürger anlastet. Wir sind der Meinung, daß im demokratischen Rechtsstaat die Last des Zweifels in all diesen Fällen von der Allgemeinheit getragen werden müßte. Zugunsten des Bürgers sollte der erste Anschein gelten, daß, wer gesund genug war, Wehrdienst zu leisten, sich eine auftretende Gesundheitsstörung, sofern sich nicht das Gegenteil erweisen läßt, durch wehrdienstliche Einflüsse zugezogen hat. Dabei gehen wir in unserem Entwurf nicht so weit wie etwa andere Länder, in denen der zeitliche Zusammenhang mit dem Wehrdienst allein genügt. Wir meinen, daß eine großzügigere und elastischere Handhabung den Problemen in ausreichender Weise gerecht wird. Allerdings wäre diese Frage in dieser Schärfe nicht entstanden, wenn die Bundesregierung von dem Institut der Härtevorschrift in § 89, das der Deutsche Bundestag mit dem Ersten Neuordnungsgesetz geschaffen hat, in viel großzügigerem Umfang Gebrauch gemacht hätte.Das gilt auch für einige andere Leistungsbereiche der Bundesversorgung, die im Gesetz nur sehr allgemein und generell geregelt sind. In der orthopädischen Versorgung beispielsweise hat der Beschädigte Anspruch darauf, daß Hilfsmittel in technischwissenschaftlich anerkannter Ausführung dem allgemeinen technischen Entwicklungsstand angepaßt sind. Ich habe vor nicht allzulanger Zeit in der Fragestunde einmal den Herrn Bundesminister für Arbeit gefragt, ob ihm bekannt sei, daß führende deutsche Forscher auf dem Gebiete der Orthopädie die Leistungen des Staates in bezug auf die Förderung der deutschen Forschung für völlig unzulänglich halten. Der Herr Minister. hat mir geantwortet, daß ihm das nicht bekannt sei.Ich möchte deshalb die Gelegenheit der heutigen Aussprache benutzen, um zu zitieren, was Herr Professor Dr. Hepp von der Universitätsklinik Münster bereits am 14. Januar 1960 als Sachverständiger vor dem Kriegsopferausschuß des dritten Deutschen Bundestages dazu ausgeführt hat. Herr Professor Hepp erklärte:Wir haben, soweit ich es übersehe, viel zu wenig Schulungsmittel und Schulungskräfte in Deutschland, um Versorgungsärzte und Handwerker auf dem höchsten technischen Stand zu halten. Nach dem ersten Weltkrieg hatten wir einen gewissen Vorsprung in der technischen orthopädischen Entwicklung in der Welt. Wir drohen ihn zu verlieren, wenn wir nicht mehr Mittel für Forschung, Entwicklung und Lehre einsetzen. Was in Deutschland an Lehr- und Forschungsmitteln in der technisch-orthopädischen Versorgung ausgegeben wird, wirkt im Vergleich zu dem, was andere Länder ausgeben, geradezu grotesk. Im Bundeshaushalt stehen 54 Millionen DM im Jahr für technische Hilfsmittel zur Verfügung. Davon wird für Forschung und Entwicklung genau 1/4 % ausgegeben. Wenn ein ziviler Betrieb mit 1/4 % für Forschung und Entwicklung arbeiten würde, wäre er in wenigen Monaten pleite. Ich möchte den Ausschuß bitten, sich insbesondere um diese Frage zu kümmern; denn hiervon hängt in Wirklichkeit die praktische technische orthopädische Betreuung ab. Wir müssen heran an den Versorgungsarzt und Handwerker, und wir müssen jedem Körperbehinderten die Möglichkeit geben, daß er nach dem neuesten Stand versorgt wird. Ein Katalog allein genügt nicht.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3797
BazilleSo weit der Sachverständige im Januar 1960 vor dem Kriegsopferausschuß des Deutschen Bundestages. Geändert hat sich bis zum heutigen Tage auf diesem Gebiet so gut wie nichts.Es muß den Staatsbürger, der seine Gesundheit durch Einwirkung von Waffen verlor, verdrießen, wenn er sieht, wie heute wieder Millionen-Summen für die Entwicklung neuer Waffen und neuen Kriegsgeräts aufgewendet werden, wenn es gleichzeitig nicht für notwendig gehalten wird, dem Menschen, den Kriegswaffen zum Krüppel gemacht haben, diejenigen technischen Hilfen zur Verfügung zu stellen, deren eine Zeit fähig wäre, die sich anschickt, den Weltraum zu erobern. Bedurfte es wirklich der Contergan-Katastrophe in diesem Lande, ehe man sich in der Bundesrepublik des verpflichtenden Erbes einer einmal in der Welt führenden Orthopädietechnik besann?!Auch auf anderen Gebieten der wissenschaftlichen Forschung ist ein Rückstand zu verzeichnen, der mit den Verhältnissen, die zu klären sind, nicht in Einklang gebracht werden kann. Die verdienstvollen Arbeiten der Forscher auf dem Gebiete der Auswirkungen extremer Lebensverhältnisse — ich denke etwa an die Herren Professoren Schenck, Nathusius und andere — haben deutlich gemacht, wie leicht, um nicht zu sagen, wie leichtfertig, die Versorgungsmedizin die Begriffe anlage- und schicksalsbedingt zu handhaben geneigt ist.Auch ist es unerträglich, daß ärztliche Planstellen im Bereich der Kriegsopferversorgung deshalb nicht zu besetzen sind, weil ihre materielle Ausstattung so schäbig ist, daß gute Ärzte für den Dienst im Rahmen der Versorgung heute kaum mehr gewonnen werden können. Wie anders ist dies etwa in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo selbst der Präsident im Krankheitsfalle ein Krankenhaus der Kriegsopferversorgung aufsucht, weil er weiß, daß ihm dort eine optimale gesundheitliche Betreuung sichergestellt ist. Bei uns in Deutschland herrscht dagegen auf allen Gebieten der Versorgung eine Unterbewertung, nicht nur im gesetzgeberischen, auch im administrativen Bereich.Doch nun zum Gesetz selber zurück. Wir meinen, daß die Vollversorgung des erwerbsunfähigen Beschädigten ihrer Höhe nach weiter an der allgemeinen Bemessensgrundlage orientiert bleiben muß und daß die Hinterbliebenenversorgung von dort in entsprechender Weise abzuleiten ist. Als neues Rechtsinstitut der Versorgung empfehlen wir die Einführung eines Pflegeleistungsgeldes. Es sollen diejenigen Witwen von Schwerstkriegsbeschädigten erhalten, die einen Teil des Schicksals ihres Mannes, das allein zu tragen menschliche Möglichkeiten und Fähigkeiten übersteigt, zu ihrem eigenen gemacht haben und für einen längeren Zeitraum mit ihnen in Gemeinschaft gelebt haben. Die Lebensleistung dieser Frauen verdient die Bewunderung unseres ganzen Volkes.Im übrigen will ich es mir im Rahmen dieser ersten Lesung versagen, des Näheren auf die einzelnen Verbesserungen einzugehen, die unser Entwurf vorsieht. Ich kann mich im großen und ganzen dem anschließen, was Frau Kollegin Dr. Probst hinsichtlich ihres Entwurfs hierzu gesagt hat, zumal sich dieser in weiten Teilen mit unseren Vorstellungen deckt.Vielleicht ist mir am Schluß aber noch eine Bemerkung gestattet, die unser Haus betrifft. Es wäre zu begrüßen, wenn die Arbeitsmöglichkeiten, die dem Kriegsopferausschuß des Bundestages zur Verfügung ,stehen, dem Umfang und der politischen Bedeutung dieser Aufgabe besser entsprächen. Nach den langen Jahren der Entwicklung des Bundesversorgungsgesetzes ist dieses Rechtsgebiet durch eine Fülle höchstrichterlicher Entscheidungen und Verwaltungsvorschriften sowie durch das ständige Anfügen neuer materiell-rechtlicher Bestimmungen weithin unübersehbar geworden. Es muß auch die Aufgabe des Bundestages sein, das Versorgungsrecht trotz seiner Weiterentwicklung im Bereich des Materiell-Rechtlichen für die Anwendung einfacher und für die Verwaltung handlicher zu gestalten. Nach dem, was ich bis jetzt in der heutigen Aussprache gehört habe, hoffe ich, daß wir einen Weg finden, die Tradition des Hauses fortzusetzen und in den Beratungen im Kriegsopferausschuß zu der Korrektur zu kommen, die bis jetzt leider noch jedes Mal gegenüber den Vorstellungen der Bundesregierung sich als notwendig erwiesen hat. Ich kann nur bedauern, daß wir durch das lange Hinausschieben dieser ersten Lesung wieder einmal unnötig Zeit verloren haben. So wie die Dinge liegen, werden wir wahrscheinlich erst nach den Parlamentsferien dahin kommen, im Ausschuß zunächst mit der Anhörung von Sachverständigen zu beginnen, so daß die Kriegsopfer in diesem Jahr keinen Pfennig aus einer verbesserten Versorgung erhalten können, es sei denn, man entschließt sich zu einem Vorschaltgesetz, um wenigstens im Bereich der Grundrenten den Versorgungsberechtigten Leistungsverbesserungen zukommen zu lassen. In die Verantwortung für diese zeitliche Verzögerung muß sich der Herr Bundesarbeitsminister mit der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses teilen.
Das Wort zur Begründung des Entwurfs der Bundesregierung hat der Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich mache eine Vorbemerkung. Ich freue mich, daß ein von mir propagierter Gedanke mehr und mehr an Boden gewinnt und daß man in allen drei Entwürfen, die hier soeben begründet wonden sind, nunmehr — wenn auch nicht in dem Umfang, den ich Ihnen gleich vorschlagen werde — dem Gedanken der individuellen Entschädigung, dem Gedanken des echten Berufsschadensausgleichs folgt.Meine Damen und Herren, mit der Drucksache IV/1305 legt die Bundesregierung dem Hohen Hause den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vor. Der Entwurf schließt sich an das Erste Neuordnungsgesetz
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3798 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Bundesminister Blankvom 27. Juni 1960 an und bringt im Gesamten gesehen eine Steigerung der geldlichen Leistungen an die Kriegsopfer um zirka 17 v. H.Seitdem bei der Verabschiedung des Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes vom 22. Mai 1957 in diesem Hause die Erwartung ausgesprochen wurde, daß eine große Reform des Kriegsopferrechts vorgenommen werde, stehen wir vor der Frage, was der Angelpunkt der geplanten Reform sein soll. Das Bundesversorgungsgesetz, im Jahre 1950 geschaffen, Ist im Gegensatz zu den 1957 neu 'gestalteten Rentenversicherungsgesetzen der Arbeiter und Angestellten ein noch junges Gesetz, also ein Gesetz ohne längere Tradition. Obgleich eine Reihe von Einzelvorschriften aus dem alten Reichsversorgungsgesetz übernommen wunden, unterscheidet es sich von diesem grundsätzlich durch sein Rentensystem, eben dadurch, daß es zwei Rentenarten, die Grundrente und die Ausgleichsrente schuf. An diesem System wird man aus guten Gründen festhalten müssen. Es ist auch bisher von niemand ernsthaft vorgeschlagen worden, das System an sich aufzuheben, wenngleich .die Meinungen über das Verhältnis von Grund- zu Ausgleichsrenten verständlicherweise auseinandergehen. Wer sich also mit einer Reform befaßt, kann seine Überlegungen nicht nur auf diese Leistungen beschränken, sondern muß erwägen, welche Mängel des Gesetzes einer gerechten Versorgung entgegenstehen.Wir haben heute rund 3 Millionen Kriegsopfer, darunter etwa 1,4 Millionen Beschädigte. Den meisten — Frau Dr. Probst hat das illustriert, als sie in ihrer Rede eine Zahl angab, die ich zwar im Augenblick nicht nachprüfen kann, die ich aber einmal als richtig unterstelle, wie wenige Kriegsbeschädigte heute noch die volle Ausgleichsrente bekämen — von ihnen ist es gelungen, soweit es ihr Gesundheitszustand zuließ, sich wieder in das Wirtschaftsleben einzugliedern und dort ihren Mann zu stehen. Ganz sicher hatten viele von ihnen gerade in den ersten Jahren nach dem Kriege harte Willensproben zu bestehen und haben bewundernswerte Tatkraft gezeigt. Sie haben damit einen beachtenswerten Anteil am Wiederaufbau unserer Bundesrepublik geleistet.Unsere Aufgabe ist es, alles zu tun, um diesen Männern und Frauen ihren Arbeitsplatz zu erhalten und ihnen Iden oft hart erkämpften Erfolg auch für die Zukunft zu sichern. Das ist eine zentrale Aufgabe unserer Wirtschafts- und Sozialpolitik überhaupt. Man darf eben bei Leistungen für eine Gruppe, für eine Schicht nicht immer nur auf das spezielle Gesetz schauen, sondern man muß schon das Ganze im Auge behalten.Herr Bazille, in diesem Zusammenhang möchte ich etwas richtigstellen. Sie haben gesagt, man müsse das nach rechtsstaatlichen Prinzipien und nicht, wie ich fälschlicherweise annähme, nach sozialstaatlichen Prinzipien regeln. Ich bin bisher der Meinung gewesen, daß beide Begriffe, wenn sie einen Sinn haben sollen, identisch sein müssen; denn was unsozial ist, kann nicht rechtsstaatlich sein.
Leider ist es nicht allen Beschädigten infolge der Schwere oder der Besonderheit ihrer gesundheitlichen Schäden gelungen — trotz aller berufsfördernden Maßnahmen —, ihre alte oder eine gleichwertige Stellung im Berufs- und Wirtschaftsleben zu erlangen. Diesen durch ein doppelt hartes Schicksal aus ihrer beruflichen Bahn geworfenen Menschen muß besondere Hilfe zuteil werden. Das ist der Grundgedanke meiner Reform, und ich freue mich, daß dieser Gedanke mehr und mehr Widerhall findet.Die herkömmlichen Rentenleistungen des Bundesversorgungsgesetzes berücksichtigen nur höchst unzulänglich die durch den beruflichen Abstieg bedingten wirtschaftlichen Nachteile der Beschädigten. Ich sage das gar nicht im Ton des Vorwurfs — ich könnte mich ja darauf berufen, daß bisher alle diese Gesetze einstimmig vom Bundestag verabschiedet worden sind —, sondern ich stelle nur fest. Gewiß kannte das Bundesversorgungsgesetz schon immer eine Berücksichtigung des besonderen beruflichen Schadens durch eine Höherbewertung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die praktische Durchführung dieser Vorschrift hat jedoch — dazu kann ich Ihnen Material in den Ausschußberatungen bieten — zu keinen befriedigenden Ergebnissen geführt. Daran änderte auch nichts das von mir ausdrücklich anerkannte Bemühen dieses Hohen Hauses, durch Neugestaltung der betreffenden Vorschriften die Unzulänglichkeiten zu beseitigen. Die Schwierigkeit liegt eben darin, daß die Einstufung nach der Minderung der Erwerbsfähigkeit in erster Linie doch nur ein Maßstab für den Grad der körperlichen Beeinträchtigung ist und die Verbindung mit anderen Schadenstatbeständen, z. B. wirtschaftlichen Schadenstatbeständen, zu problematischen und oft verzerrten Ergebnissen führt. Das ist hinlänglich bekannt. So ist es auch zu verstehen, daß die Verwaltung nur sehr zaghaft an die Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit gegangen ist, weil es eben an brauchbaren Maßstäben — nicht an gutem Willen — für den Umfang der Erhöhung nach § 30 BVG fehlte. Die Unterschiedlichkeit der Durchführung dieser Vorschrift wird durch folgenden interessanten Tatbestand offenbar -- ich möchte auch hier betonen, daß ich das nicht im Sinne eines Vorwurfs sage —: Nach den statistischen Unterlagen schwankt der Prozentsatz der beruflich betroffenen Beschädigten in den einzelnen Bundesländern von 0,18 bis 5,1 %. Das bedeutet, daß in einem Land relativ 28mal mehr beruflich Betroffene anerkannt worden sind als in einem anderen. Dieses Ergebnis fordert uns geradezu auf, die Regelung dieser Frage neu zu durchdenken und zu einem völlig neuen System zu kommen.Aus diesen Gründen hatte ich auch schon bei der Vorlage des Entwurfs eines Ersten Neuordnungsgesetzes die Einführung eines Berufsschadensausgleichs für alle Beschädigten vorgeschlagen. Der Dritte Deutsche Bundestag ist den Vorstellungen der Bundesregierung nur zum Teil gefolgt und hat den Berufsschadensausgleich nur für die erwerbsunfähigen — Sie wissen: die zu 100% beschädigten — Kriegsbeschädigten eingeführt. Ich würdige sehr
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3799
Bundesminister Blankwohl die Gründe, die damals zum Verhalten des Bundestages geführt haben. Überwiegend waren es Bedenken hinsichtlich der verwaltungsmäßigen Durchführbarkeit. Nachdem aber nunmehr Erfahrungen vorliegen und auch die entsprechende Durchführungsverordnung die Verwaltung anerkanntermaßen — das wird heute von der Verwaltung bestätigt — in die Lage versetzt, den mutmaßlichen Einkommensverlust zu ermitteln, schlägt die Bundesregierung dem Hohen Hause vor, den Berufsschadensausgleich für alle Beschädigten einzuführen.Der Herr Kollege Bazille — Sie erlauben, daß ich das eben hier einschalte — hat vorhin gemeint, das gäbe eine solche Fülle von Arbeit, daß es Jahre dauern würde, bis es durchgeführt wäre. Dieser Meinung bin ich zwar nicht. Aber man muß anerkennen, daß man, wenn man eine solche Systemänderung vornimmt, natürlich immer eine gewisse Anlaufzeit braucht. Wenn ich jedoch zu einer gerechten individuellen Versorgung kommen will, dann muß ich dazu den Anfang setzen und muß den Gedanken konsequent durchführen.Die Bundesregierung ist sich dabei auch bewußt, daß ein Berufsschadensausgleich für mindere Beschädigtengrade nur in besonders gelagerten Fällen in Frage kommt. Sie ist aber der Meinung, daß es der immer wieder erhobenen Forderung nach Stärkung des entschädigungsrechtlichen Gedankens in der Kriegsopferversorgung entgegenkommt, wenn man auch in diesen besonderen Fällen eine angemessene Versorgungsleistung gewährt, sofern ein beruflicher Schaden vorliegt; wenn keiner vorliegt, kann man keinen anerkennen. Wenn auch durch diese geplante Regelung nicht die Mehrheit der Kriegsbeschädigten eine Besserstellung in diesem Zusammenhang erfährt, so sollte man doch nicht die vielen Einzelschicksale übersehen, die durch diese Lösung befriedigend berücksichtigt werden können. Schließlich — das ist die Verbindung zur Bundeswehr, die auch von den geschätzten Vorrednern behandelt worden ist — gewinnt diese geplante Regelung besondere Bedeutung dadurch, daß sie eine echte Fortentwicklung des Versorgungsrechts darstellt. Sie erlaubt ja gerade, einen Schritt vorwärts zu tun, um den beschädigten Soldaten eine andere Rente zu gewähren als bisher. Das Unfallrecht und Versorgungsrecht nicht identisch sein können, ist in diesem Hohen Hause so oft behandelt worden, daß ich mindestens zu dieser Stunde auf weitere Darlegungen in diesem Zusammenhang verzichten kann.Unter den eingangs erwähnten 3 Millionen Kriegsopfern befinden sich rund 1,2 Millionen Witwen. Was ich soeben für die Beschädigten gesagt habe, gilt in entsprechender Weise auch für sie. Einem großen Teil von ihnen ist es gelungen, sich eine eigene Existenz aufzubauen und sich weitgehend unabhängig zu machen. Andere können aus Versorgungs- oder Versicherungsansprüchen des gefallenen Mannes Ansprüche geltend machen, die ihnen den Lebensunterhalt gewähren. Viele Witwen aber waren nicht in der Lage, eine den Verhältnissen angemessene wirtschaftliche Sicherung zu erreichen. Die Sorge für die Kinder oder eigeneKrankheit hielt sie von der Möglichkeit ab, sich eine eigene Verdienstquelle zu schaffen. Auch ist in vielen Fällen die Hinterbliebenenversorgung infolge des frühzeitigen Todes des Mannes nicht ausreichend. Wir wollen hier anerkennen, daß der Gesetzgeber verschiedentlich durch Sonderzuschläge oder durch Erhöhung der Ausgleichsrenten versucht hat, diesen besonderen Fällen gerecht zu werden. Hervorgehoben sei hier die Einführung der erhöhten Ausgleichsrente durch das Erste Neuordnungsgesetz, die in den Fällen gezahlt werden sollte, in denen die Witwe durch den Tod ihres Ehemannes wirtschaftlich so betroffen ist, daß ihre Einkünfte einschließlich der Grund- und Ausgleichsrente nicht ein Viertel des Einkommens ihres Ehemannes erreichen, das er erzielt hat oder erzielt hätte.Die Durchführung dieser Vorschrift hat gezeigt, wie dringend erforderlich es war, sich dieser Fälle besonders anzunehmen. Nach den Erfahrungen — und da unterscheiden wir uns, glaube ich — erscheint es mir jedoch angebracht, eine von der Ausgleichsrente losgelöste Regelung zu finden, die eine noch bessere Entschädigung ermöglicht und unter Umständen auch solchen Kriegerwitwen zugute kommen kann, die bisher nur Anspruch auf Grundrente hatten.Ich darf noch einmal einschalten, was ich an dieser Stelle schon mehrfach gesagt habe: Es ist einfach nicht einzusehen, daß durch eine sogenannte Einheitsbundeswitwenversorgung die Witwe zu dem Verlust ihres Mannes auch noch den Verlust der sozialen und wirtschaftlichen Stellung ihrer ihr verbliebenen Familie für sich und ihre Kinder hinnehmen muß.
Nun weiß ich zwar, daß auch durch meine Vorschläge versucht wird, diesen wirtschaftlichen Verlust — natürlich nur in einem bescheidenen Umfang — auszugleichen. Aber ich will dem Gedanken zum Durchbruch verhelfen, daß wir die Verpflichtung haben, der Kriegerwitwe — wenigstens in einer vertretbaren Relation — ihren sozialen und wirtschaftlichen Status zu erhalten, den sie hätte, wenn sie ihren Mann nicht verloren hätte.Meine Damen und Herren, wie sehr dieser Gedanke gewinnt, mögen Sie daran feststellen, daß ich bisher damit auf taube Ohren gestoßen bin, während das jetzt nicht mehr der Fall ist; niemand sagt etwas dagegen. Diese Bestimmung in meinem Gesetzesvorschlag ist die Bestimmung, zu der der A- und S-Ausschuß des Bundesrats, in dem doch gerade die Referenten sitzen, die die Feinheiten des Versorgungsrechts und seine verwaltungsmäßige Durchführbarkeit kennen, keinerlei Änderungsvorschläge gemacht hat; er hat vielmehr die Formulierung der Bundesregierung ausdrücklich gutgeheißen. Meine Damen und Herren, ich glaube, ich darf damit sagen, einen besseren Zeugen für das, was ich will, und für das Notwendige und Mögliche als diese Feststellung konnte ich gar nicht finden.Dieser Schadensausgleich soll dann gezahlt werden, wenn das Einkommen der Witwe geringer ist als die Hälfte des Einkommens, das der Ehemann ohne die Schädigung erzielt hätte. Ich will die Einzel-
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3800 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Bundesminister Blankheiten nicht behandeln. Das ist sicherlich, wie Sie mir zugeben werden, eine Frage, die man im Ausschuß im einzelnen beraten muß. Aber ich will wenigstens soviel sagen: etwas mehr als die Hälfte der Gesamtsumme, die die Bundesregierung zur Verbesserung der Kriegsopferleistungen glaubt vorschlagen zu können, entfällt bei meinem Vorschlag auf die Absicht, die Versorgungsleistungen für die Witwen zu verbessern.Für die verwaltungsmäßige Durchführung der vorgesehenen Regelung hat die bereits erwähnte Vorschrift des § 41 Abs. 3 BVG schon gute Vorarbeiten geleistet, ebenso wie auch die Erfahrungen bei der Durchführung des Berufsschadensausgleichs für Erwerbsunfähige wertvolle Hilfe bieten. Auch hier soll eine Rechtsverordnung die gleichmäßige Behandlung der Versorgungsberechtigten sicherstellen. Auf Grund des vorhandenen Materials über die Einkommenssituation unserer Kriegerwitwen rechnet die Bundesregierung damit, daß, wie ich vorhin gesagt habe, über die Hälfte der vorgesehenen Aufstockungen auf das Konto der Verbesserungen der Leistungen an die Witwen gehen.Einen Sonderfall möchte ich hier noch kurz streifen. Besonders tragisch ist sicherlich das Schicksal der Witwen von Blinden und anderen ständig pflegebedürftigen Beschädigten. Diese Witwen fallen, wenn der Mann stirbt — der heute, wie Sie wissen, die beste Versorgung hat; er bekommt nämlich ohne Rücksicht auf sein Einkommen volle Grund- und Ausgleichsrente —, sehr erheblich zurück. Sofern es diesen Witwen nicht möglich ist, nachzuweisen, daß ein besonderer Berufsschaden vorliegt, ist es wohl ein Akt der Gerechtigkeit, in Anbetracht dessen, daß die Leistung, die eine solche Frau vollbracht hat, honoriert werden muß, festzulegen, daß sich ihre Bezüge von den Bezügen ableiten, die der so schwer Beschädigte bisher bekommen hat, d. h. daß jene Gesamtbezüge bei der Berechnung des Schadensausgleiches zugrunde zu legen sind.
Da sowohl der Berufsschadensausgleich als auch der Ausgleich für Witwen in Beziehung zum Lohn oder Gehalt stehen, ist vorgesehen, daß diese Leistungen in zweijährigem Zeitabstand der Lohnentwicklung in den betreffenden Berufs- oder Wirtschaftszweigen angepaßt werden.Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß mit diesen beiden neuen Rentenleistungen ein bedeutender versorgungsrechtlicher Fortschritt erreicht wird, weil mit ihnen auch diejenigen einen Anteil an unserer wirtschaftlichen Entwicklung erhalten, denen dieser bisher wegen der Folgen ihrer Beschädigung oder des Verlustes ihres Ehemannes versagt blieb.Die Bundesregierung hat ferner eine allgemeine Erhöhung der Grund- und Elternrenten vorgeschlagen. Damit kommen alle rentenberechtigten Kriegsopfer in den Genuß höherer Bezüge.Leistungsverbesserungen für 3 Millionen Menschen geben immer Anlaß zu finanziellen Erwägungen. Das ist die berühmte Kehrseite der Medaille, und ich werde der Behandlung dieser Frage vor diesemHohen Hause niemals ausweichen können und ihr auch nicht ausweichen. Denn irgendwie müssen die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Ich glaube, daß die Bundesregierung in ihrer schwierigen finanziellen Lage — und Sie wissen, daß diese Lage nicht nur schwierig, sondern völlig ungeklärt ist— das äußerst Mögliche getan hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang sehr gern die Entschließung des Bundesrates interpretieren. Es heißt in deren letztem Absatz:Der Bundesrat ist der Auffassung, daß während der weiteren Beratungen des Entwurfs im Bundestag und Bundesrat eine Lösung gefunden werden muß, ,die diesen Erwägungen Rechnung trägt. Er wird das Notwendige dazu beitragen.Nun, wenn ich die Worte „das Notwendige" interpretieren darf: Geld! Dann würde uns die Beratung wesentlich leichter werden, wenngleich ich auch gute Ratschläge als etwas sehr Wertvolles gern entgegennehme. Aber in diesem entscheidenden Punkt handelt es sich weniger um Hilfe durch gute Ratschläge als vielmehr darum, wo das nötige Geld herkommt. Die Bundesregierung ist jedenfalls nicht der Meinung, daß man zwar Erhöhungen der Ausgaben des Bundes das Wort reden, aber in der Frage der Alimentierung des Bundes sich sehr bescheiden zurückhalten könne. Hier nützt es nichts, den Mund zu spitzen, hier muß gepfiffen werden. Wir warten .auf eine Interpretation dieses Satzes.Die Bundesregierung schlägt auch eine Erweiterung der Schwerstbeschädigtenzulage um eine Stufe vor. Die Erfahrungen, die sich bei der Durchführung der bisherigen Regelung für die Schwerstbeschädigtenzulage ergeben haben, wird sie sich bei der Überarbeitung der Durchführungsverordnung zunutze machen.Ich habe in der Antwort auf die Große Anfrage der SPD zur Kriegsopferversorgung vor dem Hohen Hause schon ausgeführt, die Bundesregierung werde sich in ihrer Gesetzesvorlage auch mit der Elternversorgung beschäftigen. In der Elternversorgung soll nach meinem Vorschlag in Zukunft das Erfordernis der Ernährereigenschaft in Fortfall kommen. Es läßt sich nicht bestreiten, daß der seit dem Jahre 1950 die Elternversorgung beherrschende Grundgedanke, nur den durch den Verlust des Ernährers entstandenen Unterhaltsausfall auszugleichen, richtig war. Trotzdem hat die Prüfung der Frage, ob der Gefallene der Ernährer seiner Eltern war oder geworden wäre, in der Praxis zu großen Schwierigkeiten geführt. Sie führte oft zu unliebsamen Entscheidungen, die darüber hinaus ihrem Inhalt nach sowohl in positiver, als auch in negativer Hinsicht sehr zweifelhaft waren. Die Bundesregierung hält es unter diesen Umständen für vertretbar, daß in Zukunft nur noch die Frage der Bedürftigkeit geprüft wird. Im Hinblick auf die Ausweitung des Berufsschadensausgleichs auf alle Kriegsbeschädigten sowie des Schadensausgleichs für die Witwen unter Anhebung der Grundrenten glaubte die Bundesregierung, diesmal auf allgemeine Verbesserung der Ausgleichsrenten verzichten zu können.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gestehe freimütig, daß ich mich in diesem Punkte einer
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Bundesminister BlankProblematik ganz besonderer Art gegenübergestellt sehe. Es war beim Ersten Neuordnungsgesetz innerhalb meines Entwurfs zu sagen: Wenn nun die finanziellen Mittel schon beschränkt sind, dann muß ich doch zunächst denjenigen helfen, die neben ihrer Beschädigung auch noch schwere wirtschaftliche Schäden haben; das sind diejenigen, die kein besonders hohes Einkommen erzielen. Das heißt, ich muß doch die Ausgleichsrenten erhöhen. Damals hat man in ganz Deutschland und auch in diesem Hohen Hause mir immer wieder zum Vorwurf gemacht, ich sei vom Fürsorgedenken beherrscht. Diesmal bin ich — gar nicht mit frohem Herzen, da müßte ich die Unwahrheit sagen — den anderen Weg gegangen und habe gesagt: Nun gut, wenn das aus politischen Gründen erforderlich ist, wollen wir die Grundrenten durchgängig erhöhen. Nun stehe ich vor dem Vorwurf, damit lasse man doch denen nichts zugute kommen, die besonders bedürftig seien. Meine Damen und Herren, wenn mit so wechselnden Argumenten gearbeitet wird, stellt uns das allerdings vor eine Situation, mit der wir alle miteinander nicht fertig werden. Ich kann nur das eine oder das andere. Welches das Richtigere, das Zweckmäßigere, das ethisch Fundiertere ist, das, meine Damen und Herren, muß ich Ihrer Beurteilung überlassen.Es ist notwendig, auch die Anrechnungsvorschriften für die sogenannten übrigen Einkünfte, zu denen vor allem die Renten zählen, weiter aufzulockern. Hiermit soll erreicht werden, daß bei den jährlichen Anpassungen der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen zumindest ein Teil der Erhöhungsbeträge den Berechtigten erhalten bleibt. Ich gebe zu, daß das Problem der Anrechnung von Renten auf die Ausgleichsrente sehr schwierig ist. Das weiß niemand besser als die Damen und Herren, die in den beteiligten Ausschüssen dieses Hohen Hauses mitarbeiten. Aber eine völlige Nichtanrechnung der Erhöhungsbeträge würde so viel Ungleichheit schaffen, daß das ganze System der Ausgleichsrente empfindlich gestört würde. Schließlich hat sich dieses Hohe Haus immer zu der Anrechnung der Renten auf die Ausgleichsrente bekannt, schon aus dem einfachen Gedanken heraus, daß diese Einkünfte nicht bessergestellt werden dürfen als die Einkünfte aus Arbeit.Auf dem Gebiet der Heil- und Krankenbehandlung hat die Bundesregierung einige Änderungen vorgeschlagen, von denen die Erhöhung des Pauschbetrages zum Ersatz außergewöhnlichen Kleider- und Wäscheverschleißes und die Erhöhung des Einkommensausgleichs hervorzuheben sind. Die für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit vorgesehene Erhöhung des Einkommensausgleichs auf den vollen Betrag des Netto-Einkommens ist zur wirtschaftlichen Gleichstellung aller arbeitsunfähigen Beschädigten und zur Anpassung an die Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall notwendig. Im übrigen wird eine Änderung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung unmittelbar oder mittelbar Veranlassung zur weiteren Änderung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über die Heilbehandlung und Krankenbehandlung sein.Die Bundesregierung wird zu gegebener Zeit die notwendigen Folgerungen aus solchen Rechtsänderungen ziehen.Die Bestimmungen über die Kriegsopferfürsorge — §§ 25 bis 27 e — sind vor allem im Hinblick auf das am 1. Juni 1962 in Kraft getretene Bundessozialhilfegesetz in einigen Punkten geändert und ergänzt worden. Dabei sind materielle Verbesserungen vorgesehen, die sich insbesondere auf die Einkommensgrenze bei gewissen Leistungen der Kriegsopferfürsorge und auf die Gewährung von Erholungsfürsorge an Hinterbliebene beziehen.Meine Damen und Herren, wie in der Antwort auf die Große Anfrage angekündigt, legt die Bundesregierung Ihnen nunmehr einen Gesetzentwurf vor, der im wesentlichen fünf Punkte enthält, einmal eine Ausdehnung des Berufsschadensausgleichs auf alle Beschädigten, zweitens die Einführung einer gleichen Regelung für die Witwen, drittens eine Verbesserund der leidigen Anrechnungsbestimmungen, viertens den Fortfall der Prüfung der Ernährereigenschaften und fünftens eine durchgängige Erhöhung der Grundrente.Wir gehen damit — und das sage ich, was den finanziellen Umfang anbetrifft — bis an die Grenze des Möglichen. Meine Damen und Herren, wer glaubt, daß mehr getan werden müsse oder könne, der müßte der Bundesregierung allerdings helfen, aus ihrer sehr schwierigen finanziellen Situation herauszufinden. Ich muß diesem Hohen Hause leider sagen: wenn dieses Gesetz und eine Reihe anderer Gesetze — ich will sie im einzelnen gar nicht aufzählen — beim Wiederzusammentritt des Parlaments in zweiter und dritter Lesung, wie ich hoffe, behandelt und zum Abschluß gebracht werden, stehen wir vor einer so kompakten Forderung, daß wir alle miteinander, meine Damen und Herren, wie ich es in der 42. und in der 63. Sitzung dieses Hohen Hauses ausgeführt habe, mit der Frage konfrontiert sind, nicht, wo steckt die Priorität, sondern, was haben wir insgesamt neu an Leistungen zu erbringen, wo nehmen wir die Mittel her und wie verteilen wir sie, damit jeder einzelne und jede in Frage kommende Gruppe aus dem Seinigen bzw. Ihrigen kommt. Denn das scheint mir der Kernsatz auch sozialer Gerechtigkeit zu sein: Jedem das Seine.
Damit ist die Reihe der Begründungen zu Punkt 7 der Tagesordnung abgeschlossen. Wir treten in die allgemeine Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir unterhalten uns in diesem 4. Deutschen Bundestag nicht zum erstenmal über Kriegsopferversorgung. Meine Fraktion ist dafür dankbar, daß wir es diesmal erneut tun können auf dem Hintergrund auch einer Regierungsvorlage zur Neuordnung der Kriegsopferversorgung.Meine Fraktion bekräftigt dabei erneut, daß sie die Anpassung der Leistungen in der Kriegsopferversorgung an die veränderten wirtschaftlichen
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3802 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
StinglVerhältnisse für notwendig hält. Wir haben das schon mehrfach betont; aber es sollte hier noch einmal gesagt werden.Meine Fraktion ist auch darüber befriedigt, daß neben den Gesetzentwürfen, die aus der Initiative dieses Hauses gekommen sind, der Gesetzesvorschlag der Regierung zur Beratung ansteht. Die CDU/CSU-Fraktion wertet alle diese Vorschläge einschließlich des Vorschlages der Regierung nicht nach der Billigkeit und nach der Kostenhöhe, sondern nach der Sachgerechtigkeit, so wie es der Materie angemessen ist. Sie wird dabei prüfen, wie den Betroffenen am richtigsten, jedenfalls nicht, wie ihnen am billigsten geholfen werden kann.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang sagen: ich unterstreiche das, was vorhin Frau Kollegin Probst zur Rehabilitation gesagt hat. Ich wiederhole es: daß es uns wirklich nicht auf die Menge des Geldes ankommt — selbstverständlich spielt sie eine große Rolle —, sondern auf die Hilfe für die Betroffenen.Wir haben hier mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß wir die Anhebung der Grundrenten für richtig halten. Ihre Funktion verlangt eine Veränderung nach den jeweiligen Umständen. Die Bundesregierung hat sich dieser Meinung angeschlossen; der Herr Bundesarbeitsminister hat dies soeben dargetan.Wir haben ebenso mehrfach betont, daß wir den Ausbau der mit Erfolg eingeführten Leistungen ,des Berufsschadensausgleichs bejahen. Wir sind dafür dankbar, daß auch hier ein weiterer Fortschritt in den Vorschlägen aus allen Fraktionen und von der Regierung zu erkennen ist. Dabei ist sich die CDU/ CSU-Fraktion klar darüber, daß gerade in diesem Fragenkreis sehr diffizile Probleme zu behandeln sind, z. B. die umstrittene Frage, von welchem Beschädigungsgrad an diese Leistungen gewährt werden sollen. Sie haben das schon aus den Begründungen erkennen können. Jedenfalls müssen wir den Berufsschadensausgleich ausdehnen, insbesondere — das hat der Herr Bundesarbeitsminister mit Nachdruck gesagt, und ich kann mich dem nur anschließen — auf die Witwenversorgung. Denn gerade in diesem Bereich ist die Erneuerung des Kriegsopferrechts besonders notwendig und besonders wichtig. Wir können auf diese Neuordnungsvorschrift nur mit Dankbarkeit hinweisen.Mit Dankbarkeit möchte ich auch vermerken, daß der Herr Bundesarbeitsminister wie auch vorher Herr Bazille besonders jener Frauen gedachte, die mit der Betreuung von Schwerstbeschädigten ein besonders schweres Los tragen.Wir begrüßen auch, daß die allgemeinen Leistungen für Witwen verbessert werden sollen. Die Mitglieder unserer Fraktion werden sich im Ausschuß an den Beratungen hierüber — wie überhaupt — mit Nachdruck beteiligen. Unsere Fraktion hat mehrfach kundgetan, daß wir dafür einstehen, daß die Elternrente verbessert wird und daß insbesondere die Prüfung der Ernährereigenschaft wegfällt. Wir können feststellen, daß auch insoweit eine Übereinstimmung der vier Gesetzentwürfe besteht und daß der Herr Bundesarbeitsminister das, was er in seiner Rede zur Beantwortung der Großen Anfrage der SPD gesagt hat, auch in Gesetzesform gekleidet hat.Auch darüber, daß wir eine Verbesserung der Anrechnungsbestimmungen Platz greifen lassen müssen, herrscht im ganzen Hause Übereinstimmung. Ich warne aber vor der Vorstellung — ich habe das in einem anderen Zusammenhang von dieser Stelle aus einmal gesagt —, man könne das Problem einfach dadurch lösen, daß man sage, Rentenverbesserungen würden nicht angerechnet. Es geht nicht nur um Rentenanrechnung bei Erhöhungen, sondern auch bei Zugangsrenten und bei anderen Einkommen. Eines jedenfalls darf, wenn dieses Gesetz verabschiedet ist, unter keinen Umständen noch einmal irgendwo möglich sein: daß die Gesamtleistungen nach den Anhebungen geringer sind als vorher, was es jetzt leider gibt. Die Vorlage der Regierung bringt eine gute Basis für die Überprüfung der Anrechnungsbestimmungen.Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat entsprechend diesem von mir genannten Katalog einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir danken es ihm und erkennen an, daß er gezwungen ist, aus der Gesamtverantwortung der Regierung heraus zu handeln. Die Bundesregierung hat schließlich Verantwortung auch für alle anderen Sozialfragen und für den ganzen Haushalt. Es mag also sein, daß viele den Umfang der Verbesserungen, die in der Regierungsvorlage enthalten sind, für zu gering erachten. Die Regierung ist aber im Versprechen von Leistungen nicht frei. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung muß das Wort des Bundesfinanzministers hören, und er ist an das Votum der gesamten Regierung gebunden.Meine Fraktion wird, ausgehend von den vorhin genannten Grundsätzen, die Beratungen im Ausschuß führen. Ob die Leistungen über die Regierungsvorlage hinaus erhöht werden können, z. B. auch die Ausgleichsrenten, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie der Finanzausgleich mit den Ländern gefunden wird. Ich kann hier nur das zitieren und mir für meine Fraktion zu eigen machen, was der Bundesrat selbst gesagt hat:Der Bundesrat sieht sich allerdings mit Rücksicht auf die zur Zeit ungeklärte Haushaltslage des Bundes nicht imstande, zu den Verbesserungsvorschlägen des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik heute schon Stellung zu nehmen.Ich darf sagen, meine Fraktion kann bezüglich des Ausmaßes der Verbesserung erst dann endgültig Stellung nehmen, wenn das Beteiligungsverhältnis geklärt ist. Allerdings — ich darf wiederholen —, die sachgerechteste Lösung wird auch für die Kriegsopfer immer die beste sein.Eines darf ich aber mit allem Nachdruck bemerken: so leicht wie die Opposition dieses Hauses können wir und wollen wir es uns nicht machen. Wir werden nicht in einem Atemzug mit Forderungen nach Leistungsverbesserungen sagen, der Bund
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Stinglbrauche nicht mehr; wir werden nicht dafür eintreten, daß der Bundesanteil nicht nur jetzt nicht erhöht, sondern auch in späterer Zukunft in einer neuen Planung nicht erhöht wird. Wir werden in der Gesamtverantwortung sprechen. Wir werden der Opposition entgegenhalten, daß sie an einer Stelle meint, der Bund brauche nicht mehr Einnahmen, an der anderen Stelle aber vor Verbänden und Wählern die Erhöhung der Leistungen für Kriegsopfer fordert, für die Rentner, beim Kindergeld, bei den sozialen Leistungen in der Landwirtschaft, für die Sowjetzonenflüchtlinge, in der Beamtenbesoldung. Es geht nicht an, daß man dem Bund die Einnahmen verwehrt, aber seine Ausgaben ins nahezu Ungemessene steigen läßt, weil das draußen ankommt.
Es wäre sehr interessant, von der SPD selber zu erfahren, ob sie denn einmal die Summe ihrer Forderungen festgestellt hat, ob sie einmal wirklich den Rechenstift genommen und alle Endzahlen ihrer Anträge zusammengezählt hat.Die jetzigen Kriegsopfer-Anträge, meine Damen und Herren, werden selbstverständlich alle im Ausschuß behandelt werden. Wir werden aber alle miteinander — davon wird sich keiner befreien können — auch daran denken müssen, daß auch die Kriegsopfer nichts davon haben, wenn ihnen Leistungen zugesagt werden, die wegen mangelnder Einnahmen auf die Dauer nicht gewährt werden können.Ich erkläre für unsere Fraktion erneut, daß wir die Neuregelung der Versorgung der Kriegsopfer auf sachgerechte Weise wollen, daß wir dabei immer ihr großes Opfer sehen, daß wir aber natürlich auch die Pflicht gegen das Ganze sehen. Wir wollen die sozial richtigste und wirksamste Neuregelung.Wir bitten den Ausschuß, seine Beratungen aufzunehmen, damit die Kriegsopfer so bald wie möglich in den Genuß der verbesserten Leistungen kommen. Die endgültige Entscheidung über das Ausmaß muß den Verhandlungen vorbehalten bleiben. Jedenfalls aber möchten wir, daß so bald wie möglich eine Verbesserung der Kriegsopferrenten einsetzen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die unwürdigen Vorgänge bei notwendigen Änderungen der Kriegsopferversorgung scheinen sich stereotyp zu wiederholen. Garanten dafür waren alle bisher amtierenden Bundesfinanzminister, vor allem aber Bundesarbeitsminister Blank. Er kann sich nun einmal von seiner Bedürftigkeitskonzeption in der Kriegsopferversorgung nur schwer trennen.
— Ich komme noch darauf. — Bundesminister Blank, der sich selber einmal als Anwalt der Kriegsopfer bezeichnete, entschied sich bereits 1959 gegen eine echte Reform der Kriegsopferversorgung und füreine Novelle, weil er eine Vergeudung von Unsummen — gemeint war hiermit eine ausreichende Erhöhung der Grundrenten — verhüten wollte. Den Beweis dafür, daß er tatsächlich ein guter Anwalt der Kriegsopfer ist, ist er bisher schuldig geblieben. Denn auch der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts — Drucksache IV/1305 — ist günstigstenfalls eine Novelle, aber auf keinen Fall ein Zweites Neuordnungsgesetz.Die Bundesregierung legt einen Gesetzentwurf, den sie als Zweites Neuordnungsgesetz bezeichnet, mit einem jährlichen Mehraufwand von insgesamt 668,2 Millionen DM vor. Diesem Entwurf stehen gegenüber der Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst und Genossen — Drucksache IV/1030 — mit einem Mehraufwand von 1,2 Milliarden DM, der Antrag der Abgeordneten Dr. Rutschke und Genossen — Drucksache IV/1033 — mit einem Mehraufwand von 1,15 Milliarden DM und der Antrag der Fraktion der SPD — Drucksache IV/1148 — mit einem Mehraufwand von 1,4 Milliarden DM. Ich erinnere daran, daß Herr Blank anläßlich der zweiten Beratung des Bundeshaushalts 1963 schlicht behauptete, dieser Antrag der SPD erfordere einen Mehraufwand von 1,9 Milliarden DM, ohne allerdings den Beweis für diese Behauptung anzutreten. Ich bin eher der Meinung, daß die Schätzung von 1,4 Milliarden DM für den SPD-Entwurf viel zu hoch gegriffen ist, weil nämlich der Berechnung die Zahl der anerkannten Versorgungsberechtigten im Mittel des Jahres 1962 zugrunde liegt, während bei der Berechnung der Mehrausgaben des Regierungsentwurfs das Mittel des Jahres 1963 zugrunde liegt.Herr Minister Blank konzipierte auch das Erste Neuordnungsgesetz auf der Grundlage eines Finanzvolumens von nur 550 Millionen DM. Erst das Hohe Haus beschloß dann Verbesserungen im Umfang von 1,2 Milliarden DM. Ich bin überzeugt, daß Herrn Blank auch diesmal wieder durch die geschlossene Haltung des Deutschen Bundestages eine Absage erteilt wird und daß letzten Endes ein Zweites Neuordnungsgesetz zur Kriegsopferversorgung verabschiedet wird, das Elemente einer echten Reform enthält. Wir werden uns deshalb an die Zusage in der Regierungserklärung vom 29. November 1961 halten, mit der den Kriegsopfern versichert wurde, daß die Sorge für sie auch weiterhin ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung sein wird. Nur weil sich das vierte Kabinett Adenauer nicht bereit fand, aus diesem Versprechen Folgerungen zu ziehen, ergriffen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Initiative. Am 5. März 1963 legte eine Gruppe von 27 Abgeordneten der CDU/CSU um Frau Dr. Probst einen Entwurf vor, am nächsten Tag reichten 40 FDP-Abgeordnete um Dr. Rutschke einen Entwurf ein, und die SPD-Fraktion legte am 26. März 1963 einen Entwurf vor, der den berechtigten Forderungen der Kriegsopfer am weitesten entgegenkommt.Ich erinnere daran, daß es in der Kriegsopferversorgung bisher nur zwei echte eigene Gesetzesinitiativen der Bundesregierung gab, und zwar die Vorlage des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges im Jahre 1950 sowie die Vorlage
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Glombigeiner vierten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz im Jahre 1953, die den Kriegsopfern jedoch eine Verbesserung ihrer Versorgung nicht gebracht hat, sondern lediglich den Ersatz von Kosten für die Krankenbehandlung der Kriegsopfer gegenüber den Trägern der Krankenversicherung vorsieht.Alle anderen Leistungsverbesserungen in der Kriegsopferversorgung sind erst nach Überwindung eines hartnäckigen Widerstandes der Bundesregierung auf Initiative aus diesem Hause zustande gekommen. Ich meine: ein wahrlich beschämender Vorgang! Auch dieses Mal war es nicht anders. Erst unter dem Druck der dem Bundestag vorliegenden Initiativgesetzentwürfe entschloß sich Minister Blank am 7. Mai, dem Bundeskabinett einen Regierungsentwurf vorzulegen, den er dann nach Billigung durch die Bundesregierung buchstäblich in letzter Minute, nämlich am 10. Mai, an den Bundesrat weiterleitete. Anderenfalls wäre hier heute eine Beratung in erster Lesung nicht mehr möglich gewesen.Dabei kam es Minister Blank auch gar nicht darauf an, die maßgeblichen Kriegsopferverbände zu brüskieren, denen er eine Aussprache über die Grundsätze des Regierungsentwurfs vor Verabschiedung durch das Bundeskabinett zugesagt hatte. Dieses Versprechen wurde aber von ihm nicht eingelöst.Die negierende Haltung des Bundesarbeitsministers richtete sich aber auch gleichzeitig gegen den für sein Haus eingesetzten Beirat für Versorgungsrecht, dessen Mitglieder sich seit 15 Monaten vergeblich bemühten, den Minister zur Einberufung einer Sitzung des Beirats mit dem Ziel der Erarbeitung von Vorschlägen für eine organische Fortentwicklung der Kriegsopferversorgung zu bewegen. Unter Mißachtung der Geschäftsordnung hat der Minister eine Einberufung des Beirates für Versorgungsrechts bisher verhindert. Dieses Verhalten spricht für sich selbst. Inzwischen ist bekanntgeworden, daß sowohl der amtierende Vorsitzende des Beirats, Geheimrat Dr. Kerschensteiner aus München, als auch der Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim Bundesvorstand des Reichsbundes, Herr Daus aus Hamburg, ihre Mitgliedschaft im Beirat für Versorgungsrecht niedergelegt haben. Damit sind zwei profilierte Persönlichkeiten aus Protest gegen die Haltung des Bundesarbeitsministers aus einem Gremium von Versorgungsfachleuten ausgeschieden, dem sie seit Mai 1950 angehört haben. Eine solche Entwicklung müßte uns eigentlich äußerst bedenklich stimmen.Für genauso bedenklich halte ich es, daß die Fraktionen der Regierungsparteien und damit auch die Initiatoren der aus den Reihen der CDU und der FDP kommenden Gesetzentwürfe am 15. Mai 1963 die von der SPD-Fraktion geforderte erste Lesung der drei bis dahin vorliegenden Entwürfe mit der Begründung verhinderten, daß auf der Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 31. Mai 1963 die Beratung des Haushalts, die Beratung des Gesetzes über die Verteilung des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer zwischen Bund und Länder und die Beratung des Regierungsentwurfs zur Kriegsopferversorgung stehe und daß dieRegierungskoalition unter allen Umständen erst das Votum des Bundesrates zu diesen Vorlagen hören möchte. Herr Kollege Rasner hat sich in diesem Zusammenhang nicht einmal davor gescheut, den verstorbenen Experten der SPD-Fraktion für die Kriegsopferversorgung, den ehemaligen Kollegen Pohle, als Zeugen dafür anzurufen, daß er wohl auch in dieser Situation besonderen Wert auf eine vorherige Übereinstimmung mit dem Bundesrat gelegt hätte. Woher mag Herr Rasner das wohl wissen? Auf jeden Fall hat er auch dieses Argument dazu benutzt, den Antrag der SPD-Fraktion, die drei Gesetzentwürfe auf die Tagesordnung zu setzen, abzulehnen. Damit ist die Behauptung der Opposition, daß diese Koalition ein Bündnis des sozialen Rückschritts sei, nur noch unterstrichen worden.
Auch dieser Vorgang deutet erneut darauf hin, daß Ihre Bewährungsprobe abgelaufen ist, meine Damen und Herren,Der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung vom 31. Mai 1963 wegen der Meinungsverschiedenheiten über die Deckung des Bundeshaushalts 1963 nicht bereitgefunden, zum materiellen Inhalt der Regierungsvorlage Stellung zu nehmen, wie es hier bereits wiederholt ausgeführt worden ist. Die Ländervertretung begnügte sich mit einer platonischen Liebeserklärung. Der Bundesrat erklärte, daß er sich mit Rücksicht auf die ungeklärte Haushaltslage des Bundes nicht imstande sehe, zu den Verbesserungsvorschlägen seines Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik Stellung zu nehmen.Auch ich verkenne nicht die außerordentlich prekäre Situation, in der sich der Bundesrat befand. Ihm lag das Gesetz zur Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommen- und Körperschaftsteuer vor, und zu gleicher Zeit sollte er über eine Mehrbelastung des Bundeshaushaltes beschließen, die nach dem Entwurf der Bundesregierung keine 700 Millionen DM, nach den Vorschlägen des Bundesratsausschusses für Arbeit und Sozialpolitik jedoch 1,350 Milliarden DM betragen sollte. Der Bundesratsausschuß für Arbeit und Sozialpolitik ging sehr wahrscheinlich mit Recht davon aus, daß auf Grund der schon erwähnten drei Initiativanträge mit großer Gewißheit erwartet werden kann, daß nach Abschluß der Bundestagsberatungen ein erheblich größeres Finanzvolumen, als es der Entwurf der Bundesregierung vorsieht, zur Verfügung gestellt werden muß, weil eine Forderung auf eine vernünftige Anhebung der Grundrenten als sozial unabweisbar angesehen werden muß.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke?
Ja.
Herr Kollege Glombig, Sie berufen sich auf den Bundesrat. Ist die SPD-Fraktion auch bereit, im Bundesrat dafür zu sorgen, daß die Gelder, die dort und von Ihnen gefordert werden, uns zur Verfügung gestellt werden?
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Herr Dr. Rutschke, darauf wird Ihnen am Freitag schon die entsprechende Antwort erteilt werden. Ich vermag —das ist auch nicht meine Sache — im Augenblick nicht zu dem gesamten Finanzstreit zwischen Bund und Ländern Stellung zu nehmen. Ich halte es sogar für außerordentlich bedauerlich, Herr Kollege Dr. Rutschke, daß die Kriegsopferversorgung immer wieder in diese finanzpolitischen Auseinandersetzungen gerät und hineingezogen wird.
Das wird heute bei dem schwebenden Finanzstreit zwischen Bund und Ländern besonders deutlich. Die allseits als notwendig anerkannte Verbesserung der Kriegsopferversorgung kann nicht allein und überwiegend von fiskalischen Gesichtspunkten abhängen.
— Das haben Sie doch selbst eingesehen. Sie haben gesagt, wir hätten schon längst unsere Hand zu einer ausreichenden Versorgung der Kriegsopferversorgung geben müssen.
— Ob wir es jetzt haben, darüber werden wir uns zu gegebener Zeit unterhalten.Ich bin der Meinung, daß nicht immer wieder eine direkte Verbindung mit den Beratungen über die Forderungen der Bundesregierung zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern hergestellt werden sollte. Hier geht es vorrangig um das menschliche, gesellschaftspolitische und entschädigungsrechtliche Problem eines gerechten und würdigen Ausgleichs für unermeßliche Opfer an Leben und Gesundheit, die für das ganze Volk erbracht worden sind. Die gesellschaftspolitische Verpflichtung ist 18 Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges immer noch nicht erfüllt, obwohl alle Parteien den berechtigten Forderungen der Kriegsopfer gegenüber immer wieder ihr Verständnis und ihre Unterstützung zum Ausdruck bringen und obwohl die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland bei gutem Willen eine gerechte und zufriedenstellende Lösung dieses Problems längst möglich gemacht hätte, Herr Dr. Rutschke.Wo stehen wir denn heute? Der Antrag der SPD vom Dezember 1961 auf eine 10%ige Anhebung der Grundrenten und der Ausgleichsrenten als Überbrückungshilfe für das Jahr 1962 ist verschleppt und schließlich abgelehnt worden. Im Kriegsopferausschuß ist durch eine Verzögerungstaktik der Koalition, die ihresgleichen sucht, erreicht worden, diese Koalition um die Peinlichkeit zu bringen, zu unserem Antrag ein klares Ja oder Nein sagen zu müssen. Das ist u. a. auch mit der Begründung geschehen, daß der Bericht der Bundesregierung über die Prüfung der Anrechnungsbestimmungen in den verschiedenen Zweigen des sozialen Leistungsrechts — Drucksache IV1464 —, vor allem, soweit es sich um den Bereich der Kriegsopferversorgung handelt, völlig neue Erkenntnisse gebracht habe und die Bundesregierung deshalb gebeten werden müsse, dem Kriegsopferausschuß erst einmal mitzuteilen, welche sozialpolitischen Konsequenzen sie aus diesen neuen Erkenntnissen, die in Wahrheit uralt sind, zu ziehen gedenkt. Der Bericht der Bundesregierung sagt nicht mehr, aber auch nicht weniger als das, daß von über 3 Millionen versorgungsberechtigter Kriegsopfer bei 615 797 Kriegsopfern, die über eine Rente aus der Sozialversicherung verfügen, eine Erhöhung der Sozialrente durch die Rentenanpassungsgesetze zu einer Kürzung der Versorgungsbezüge führt. Für die überwiegende Mehrzahl dieser Versorgungsberechtigten, nämlich für mehr als ein Fünftel aller Versorgungsberechtigten, tritt, da die Erhöhung der Sozialrenten im gleichen Umfang die Ausgleichsoder Elternrenten mindern, eine Besserung der wirtschaftlichen Lage durch die Anhebung der Sozialrenten nicht ein.Es mußte damals auch der Koalition im Kriegsopferausschuß klar gewesen sein, daß diese soziale Ungerechtigkeit, die auch demoralisierende Auswirkungen hat, spätestens mit dem Inkrafttreten des BVG, nämlich bereits seit Oktober 1950, erkennbar war. Mithin muß auch klar gewesen sein, daß dieses Problem kein Problem einer Überbrückungshilfe für Kriegsopfer sein konnte, sondern vielmehr ein Problem der Neuordnung der Kriegsopferversorgung selbst. Aus diesen Erkenntnissen hat der Regierungsentwurf die Nutzanwendung gezogen, die Bestimmungen 'über die Anrechnung der übrigen Einkünfte — gemeint sind hiermit in erster Linie Einkünfte aus Renten — zu verbessern, wenngleich über den Umfang dieser Verbesserungen im Kriegsopferausschuß noch zu sprechen sein wird.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist zusammen mit dem Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates und den Kriegsopferverbänden der einmütigen Auffassung, daß die von der Bundesregierung vorgeschlagene Erhöhung der Grundrenten um rund 11 % als völlig ungenügend zu betrachten ist. Damit wird die von der Bundesregierung behauptete Angleichung der Kriegsopferrenten an die allgemeine Einkommensentwicklung um so weniger erreicht, als sie entgegen ihrer ursprünglichen Absicht auf eine Erhöhung der Ausgleichsrenten völlig verzichten will. Die Kriegsopferrenten wurden zuletzt 1960 mit dem Zweiten Neuordnungsgesetz erhöht. Seitdem stieg die allgemeine Bemessungsgrundlage in der Rentenversicherung meines Wissens nicht um 28, sondern um 32,2 v. H.Von dieser Tatsache ausgehend ist bei der zweiten Neuordnung der Kriegsopferversorgung zu fordern, daß die Grundrentenerhöhung durchschnittlich mindestens 20 bis 25 v. H. betragen muß. Damit muß erreicht werden, daß der Rechtsanspruch in der Kriegsopferversorgung durch eine Verlagerung des Schwerpunkts auf die Grundrenten verstärkt wird, die erheblichen Unterschiede gegenüber den Leistungen nach anderen vergleichbaren Sozialgesetzen vermindert werden und die Rente eines erwerbsunfähigen Kriegsbeschädigten eine Höhe erreicht, die in etwa der allgemeinen Bemessungsgrundlage in der Rentenversicherung entspricht.Gegen die Absicht, den bisher auf Erwerbsunfähige beschränkten Berufsschadensausgleich auf
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Glombigalle Beschädigten ohne Rücksicht auf den Grad der Minderung der Erwerbsunfähigkeit auszudehnen, bestehen unsererseits Bedenken. Sie gründen sich in erster Linie auf die bisherigen praktischen Erfahrungen — wie bereits hier ausgeführt worden ist —, die von der Versorgungsverwaltung bei der Bearbeitung von Anträgen auf Anerkennung beruflichen Betroffenseins und auf Gewährung von Berufsschadensausgleich gesammelt werden konnten. Diese Erfahrungen haben gezeigt, daß die Zahl der gestellten Anträge recht gering ist. Wir vertreten daher die Auffassung, daß die im Entwurf vorgesehene Ausweitung des Berufsschadensausgleichs eine Flut von Anträgen zur Folge hätte, daß aber andererseits der Prozentsatz der Ablehnungen zunehmend stark ansteigen wird, je niedriger die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Antragsteller ist.Wegen der verzögerten Entscheidung über die zweite Neuregelung des Versorgungsrechts sind wir für eine Vorverlegung des Zeitpunktes des Inkrafttretens des Gesetzes auf den 1. Juli 1963.Der Nachtragshaushalt 1962 und der Bundeshaushalt 1963 sind verabschiedet worden, ohne daß Vorsorge dafür getroffen worden ist, eine ausreichende Verbesserung der Kriegsopfer zu gewährleisten. Im diesjährigen Bundeshaushalt wurden die Ausgaben für die Kriegsopferversorgung nicht nur nicht erhöht, sondern um 139,5 Millionen DM niedriger als im Vorjahr angesetzt.Ich wiederhole den Gedanken, daß wir uns 18 Jahre nach Beendigung des Krieges nun aber endlich des unglückseligen Erbes von noch nahezu 3 Millionen Kriegsopfern in vernünftiger und ausreichender Weise anzunehmen haben. Am 31. März 1963 wurden noch insgesamt 2 953 460 anspruchsberechtigte Kriegsopfer gezählt. Die Höchstzahl der anspruchsberechtigten Kriegsopfer wurde am 30. November 1952 mit 4 380 612 erreicht. Der Rückgang von rund 1,4 Millionen Kriegsopfern erklärt sich aus dem sogenannten natürlichen Abgang, in der Hauptsache dadurch, daß eine große Zahl von versorgungsberechtigten Waisen mit Erreichung der Altersgrenze von 18 Jahren aus der Versorgung ausscheidet. Die Zahl der anerkannten Versorgungsberechtigten wurde im Einzelplan 11 des Bundeshaushalts für Mitte 1963 auf 2 954 000 geschätzt. Tatsächlich wurde diese Zahl aber bereits am 1. März um 540 unterschritten. Die rückläufige Entwicklung wird anhalten.Hieraus ergeben sich für das laufende Rechnungsjahr wesentliche Minderausgaben. Weil sich diese Entwicklung — der Rückgang der Anspruchsberechtigten und damit der Rückgang der Aufwendungen — auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird, sind die Forderungen der Kriegsopfer auf eine ausreichende Verbesserung ihres Versorgungsrechts finanziell durchaus realisierbar.Die Zahl der Empfänger von Ausgleichsrenten — das wurde heute bereits gesagt, ich möchte es aber noch einmal in einem anderen Zusammenhang wiederholen — hat in den letzten Jahren ständig abgenommen. Im Jahre 1952 erhielten 16,6% der Schwerbeschädigten und 43,4 % der Kriegerwitwen neben der Grundrente noch die volle Ausgleichsrente.Innerhalb von 10 Jahren fiel dieser Prozentsatz auf 7,6 bzw. 10 %.Aber der Herr Minister Blank ist ein erklärter Gegner der ausreichenden Erhöhung der Grundrenten. Das haben seine wiederholten Äußerungen, im Grund auch seine heutigen Ausführungen gezeigt. Er will, wie er immer wieder versichert, das Schwergewicht bei der Novellierung des Bundesversorgungsgesetzes auf den Ausgleich von Härten bei den Schwerbeschädigten legen. Nur die Tatsache, daß aus den Reihen der Regierungskoalition und von seiten der Opposition beachtliche Vorschläge zur Erhöhung der Grundrenten kamen, hat ihn zu dem konzeptionellen Bocksprung — so kann man es wohl bezeichnen — veranlassen können oder vielleicht sogar veranlassen müssen, von dem ersten Referentenentwurf zum Zweiten Neuordnungsgesetz, der nur eine Erhöhung der Ausgleichsrenten und eine Verstärkung des Berufsschadensausgleichs vorsah, abzugehen und eine völlig unzureichende Grundrentenerhöhung von durchschnittlich 11 % vorzuschlagen. Wegen des schwierigen Nachweises eines Berufsschadens hätten, wenn seine Pläne allein zum Berufsschadensausgleich und zur Erhöhung der Ausgleichsrenten durchgekommen wären, nur verhältnismäßig wenig Kriegsopfer bei Annahme dieser Vorschläge bessergestellt werden können.Zum Ausgleich für die von ihm vorgeschlagene unzureichende Grundrentenerhöhung hat Minister Blank dann aber in seinem Regierungsentwurf gleich wieder auf eine Erhöhung der Ausgleichsrenten verzichtet. Herr Minister Blank hat gesagt, wenn man nur einen bestimmten Betrag zur Verfügung habe, müsse man diesen Betrag nach Bedürftigkeitsgrundsätzen verteilen, nämlich danach, wer nun am ehesten bedürftig ist, eine Erhöhung seiner Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zu erhalten.Herr Stingl hat erklärt, daß es ihm nicht um einen billigen Ausgleich, um eine billige Regelung gehe, sondern daß es ihm um eine richtige Regelung gehe. Ich meine, daß doch diese beiden Aussagen sich diametral entgegenstehen und nicht auf einen Nenner gebracht werden können. Ich bin der Meinung, daß — um auch davon noch einmal zu sprechen — der soziale Rechtsstaat in seiner sozialen Gesetzgebung durchaus auch unsozial und ungerecht sein kann, daß diese Dinge einander nicht ausschließen. Wir haben unzählige Beweise in der deutschen Sozialgesetzgebung auch der jüngsten Zeit dafür, daß diese Sozialgesetzgebung nicht immer und in jedem Falle gerecht ist und nicht dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG entspricht.
— Nun, was Gerechtigkeit ist, darüber müssen sich dann zu gegebener Zeit die Gerichte auseinandersetzen. Aber wir haben vor, hier nach Möglichkeit mehr Gerechtigkeit zu praktizieren.Wenn Herr Blank auf der anderen Seite sagt, daß jedem das Seine gegeben werden soll, muß ich dem entgegenhalten: ich habe den Eindruck, daß den Kriegsopfern unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit das Ihre bisher noch nicht gegeben
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Glombigworden ist. Mithin kann man doch nicht davon sprechen, es komme nunmehr nur darauf an, das, was vorhanden ist, nach dem Grundsatz zu verteilen: Jedem das Seine. Man kann davon nicht sprechen, weil wir erst einmal eine gerechte Ausgangsbasis für die Kriegsopfer finden müssen.Diese gerechte Ausgangsbasis für alle Berechtigten nach dem Bundesversorgungsgesetz erheischt aber von uns eine ausreichende Grundrenten- und Ausgleichsrentenerhöhung und nicht nur eine Zurverfügungstellung von Mitteln für Gruppen innerhalb der Versorgungsberechtigten, die besonders bedürftig seien. Ich bin auch der Meinung, daß man das Versorgungsrecht nicht in der Weise mit der Unfallversicherung gleichstellen kann, wie es Herr Dr. Rutschke tut. Denn die Unfallversicherung gewährt Leistungen, die aus Mitteln der Arbeitgeber aufgebracht werden — darum geht es Ihnen ja im Grunde genommen — und nicht aus Mitteln des Bundes. Wir sollten wirklich danach streben, daß die Leistungen der Kriegsopferversorgung an die Leistungen der Unfallversicherung angepaßt werden. Aber wir sollten nicht den Weg gehen, daß wir sagen: Weil die Kriegsopfer diese Leistungen noch nicht haben, müssen wir mit einer Verbesserung der Leistungen der Unfallversicherung zurückhalten. Das scheint mir unlogisch zu sein.Lassen Sie mich zum Schluß nur noch folgendes sagen. Herr Minister von Hassel versicherte unlängst Vertretern der Kriegsopferverbände, daß er sich für eine Angleichung der Versorgungsleistungen für Angehörige der Bundeswehr in Schadensfällen an die Leistungen gleichartiger Sozialgesetze einsetzen werde. Ich meine, daß diese Versicherung zu begrüßen ist. Aber ich möchte davor warnen, bei solchen Zusicherungen von Überlegungen auszugehen, nach denen das Recht der Bundeswehrsoldaten anders, nämlich besser gestaltet werden soll als das Recht der alten Soldaten, der Soldaten des 1. und 2. Weltkrieges. Es wäre verhängnisvoll, wenn wir zweierlei Recht schüfen, einmal ein Recht für die alten Soldaten des 1. und 2. Weltkrieges und zum anderen ein Recht für die jungen Soldaten der Bundeswehr. Hier handelt es sich um ein gleiches Recht, das in gleicher Weise für alle verbessert werden muß. Diese Verbesserung des Rechts der Kriegsopferversorgung für alle Versorgungsberechtigten wird das besondere Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion während der Haushaltsberatungen der kommenden Zeit im Kriegsopferausschuß des Bundestages sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Reichmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur heute, sondern schon mehrfach wurden in dieser Legislaturperiode und auch vorher in diesem Hohen Hause die Probleme, Aufgaben und die Durchführung der Kriegsopferversorgung besprochen. Deshalb darf ich mir erlauben, auf Einzelheiten nicht mehr einzugehen.Alle Fraktionen und die Bundesregierung waren bemüht, die Kriegsopferversorgung wiederholt zu verbessern. Wenn dies nicht immer so erfolgte, wie es gerechtfertigt und notwendig gewesen wäre, so können wir das heute nicht entscheidend ändern. Es verpflichtet aber um so mehr zur beschleunigten Neuordnung. Daß der Wille dazu im Parlament und in der Regierung gegeben ist, beweisen die uns vorliegenden vier Gesetzentwürfe. Die Kriegsopferversorgung soll damit nicht nur verbessert, sondern fortentwickelt, neugeordnet werden. Das bisher vorherrschende Bedürftigkeitsprinzip soll überwunden, soll ersetzt werden durch den Rechtsanspruch auf Entschädigung und damit durch eine gerechtere Durchführung der Kriegsopferversorgung. Das Kriegsopferrecht, abgeleitet aus dem Entschädigungsanspruch, soll die Kriegsopferversorgung stärker als bisher bestimmen.Es wird deshalb von meiner Fraktion besonders begrüßt, daß unsere frühere Forderung noch mehr berücksichtigt wird, indem durch das Instrument des erweiterten Berufsschadensausgleichs unter Einbeziehung der Witwen die Leistungen weniger nivellierend und mehr individuell gestaltet werden können. Dadurch werden die Möglichkeiten geschaffen, Einzelschicksale besser und gerechter zu berücksichtigen.Eine Neuordnung mit dem Ziel einer gerechten Entschädigung erfordert unabweisbar eine angemessene Anpassung der Grundrenten an die Gesamtentwicklung. Maßstab für die Bemessung darf nicht nur die Haushaltslage sein, man muß das Ganze sehen und alsdann den Kriegsopfern das ihnen zukommende rechte Maß geben. Dabei kann die SPD durch ihre Unterstützung zur Bereitstellung der erforderlichen Mittel in der Tat die Berücksichtigung der soeben angesprochenen menschlichen Verhältnisse ermöglichen.
So erwünscht die vielfachen Verbesserungen in den Bereichen unseres sozialen und wirtschaftlichen Lebens sind, so vorrangig muß die Aufholung und Anpassung der Leistungen des Kriegsopferrechts unter Zugrundelegung des Entschädigungsprinzips sein. Diesen Grundsatz und die Durchführung hat meine Fraktion nicht nur in diesem Hohen Hause, sondern auch in der Öffentlichkeit und zuletzt durch einstimmigen Beschluß ihres Parteitages im Mai 1962 in Düsseldorf vertreten und bekräftigt.Die Vorrangigkeit der Kriegsopferleistungen sollte auch eingeräumt werden gegenüber den größten Ausgaben im Bundeshaushalt, den Verteidigungsaufwendungen. Dies um so mehr, als Kriegsopferlasten Verteidigungsfolgen sind. In Anerkennung dieser Zusammenhänge gilt heute das Kriegsopferrecht auch für die Angehörigen der Bundeswehr. In der Tat sollte man aus diesem Sachverhalt sämtliche Folgerungen ziehen. Meine Fraktion hat dies bereits in der dritten Legislaturperiode getan, indem sie am 2. September 1959 in diesem Hohen Hause einen dementsprechenden Entschließungsantrag eingebracht hat, und ich hatte an dieser Stelle die Ehre, in der Kriegsopferdebatte am 6. März dieses Jahres
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3808 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Reichmannfür meine Fraktion nochmals den Standpunkt zu vertreten, daß die Kriegsopferversorgung und in Ergänzung dazu die Versorgung der im Dienste der Bundeswehr Beschädigten und der Hinterbliebenen von im Dienste der Bundeswehr ums Leben Gekommenen in den Aufgabenbereich des Bundesverteidigungsministeriums übernommen werden sollte. Da die Kriegsopferverpflichtungen abnehmen, die Leistungen für die Bundeswehrangehörigen aber zunehmend sind, je mehr die Streitkräfte verstärkt, mechanisiert und motorisiert werden, wird die Berücksichtigung dieser Entwicklung immer berechtigter und notwendiger werden. Zudem ist unbestreitbar, daß die Versorgung der Bundeswehrbeschädigten wie der Kriegsopfer weniger den Charakter von Sozialleistungen besitzt, sondern vielmehr verpflichtende Entschädigungsleistungen des Staates für im Dienste des Volkes erlittene Schäden darstellt. Wir begrüßen es daher, daß dieser unser Standpunkt sich auch in der Öffentlichkeit und bei den Kriegsopfern und ihren Organisationen immer mehr durchsetzt und sie sich ihn zu eigen machen. Wir wünschen nur, daß die Bundesregierung auch die sich daraus ergebenden Folgerungen zieht.Die Kriegsopfer- und Soldatenversorgung in den Aufgabenbereich des Verteidigungsministeriums einzugliedern, wo sie sachlich hingehören, hat sich in vielen Staaten der Welt als richtig und zweckmäßig erwiesen. Für die Bundesrepublik kommt hinzu, daß Verteidigung und Kriegsopferversorgung zusammengenommen derzeit Gesamtverteidigungslasten von 22,4 Milliarden DM erfordern statt 18,4 Milliarden DM nach der jetzigen Aufteilung zwischen Verteidigungshaushalt und Kriegsopferversorgung. Daraus sollten unsere Partner der westlichen Welt erkennen, daß über diese 22,4 Milliarden DM hinaus weitere Forderungen für Verteidigungsleistungen einfach unzumutbar und unerträglich sein müßten.Ich darf abschließen und zusammenfassen. Meine Fraktion unterstützt und befürwortet die gerechte Neuordnung der Kriegsopferversorgung mit dem Maßstab, daß die Opfer, die jene für uns brachten, entscheidend sein müssen für unsere Beurteilung in diesem Hohen Hause.
Das Wort hat der Abgeordnete Maucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt die Begründung zu den vier Entwürfen und die bisherige Aussprache an mir vorüberziehen lassen und mit der anläßlich der Großen Anfrage verglichen. Damals waren mir einige Kollegen der SPD böse, weil ich gesagt hatte, in grundsätzlichen Fragen sei insoweit eine weitgehende Einigung erzielt, als man in der Frage der Grundrenten eine Verbesserung für unumgänglich halte. Ich glaube, das ist heute absolut bestätigt worden. Es ist unbedingt notwendig, die Dinge von der wirklichen Situation her und somit sachgerecht zu betrachten.Meine Kollegin Frau Dr. Probst hat zu der entscheidenden und grundsätzlichen Frage, nämlich der Frage der Grundrenten, bedeutende Ausführungen gemacht, die ich in vollem Umfang unterstütze. Ich möchte den einen oder anderen bitten, diese Ausführungen im Protokoll nachzulesen. Frau Kollegin Probst zeigte den Kerngedanken dieses Problems auf. Wenn man die Weiterentwicklung des Rechts in der Kriegsopferversorgung betrachtet, kann man das nicht von einem Punkt aus tun; man muß sie vielmehr in ihrer Gesamtheit sehen.Nach meiner Auffassung gibt es in der Kriegsopferversorgung drei Grundsätze. Wir haben erstens den Grundsatz der Grundrente, die für die Rehabilitation, über die bereits gesprochen worden ist, wirklich von entscheidender Bedeutung ist. Wir haben zweitens den Grundsatz der Ausgleichsrente, nämlich der Lebenssicherung der Witwen und der Beschädigten, die auf diese Rente angewiesen sind. Diesen beiden Grundsätzen muß man den Vorrang geben. Was den entscheidenden dritten Schritt, den Schritt ins Neuland, zum Berufsschadensausgleich angeht, so möchte ich sagen, daß wir ihn bejahen, man muß ihn tun. Aber man muß diese Entwicklung behutsam vorwärtstreiben. Man muß genau überlegen, was man tun kann.Wenn man von den Erfahrungen spricht, muß man sie in ihre Gesamtheit sehen, in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung, in der praktischen Schau der Auswirkungen, vor allem für die Witwen. Dann sieht man manche Dinge etwas anders an.Mein lieber Kollege Rutschke, beim Vergleich der Entwürfe bezüglich ihrer finanziellen Auswirkungen muß ich eine Feststellung treffen. Bei einer Verbesserung um 1,1 oder 1,2 Milliarden DM muß ich fragen, wie diese Mittel sinnvoll und gerecht zu verteilen sind, und da stelle ich mir die weitere Frage, ob es richtig ist, neben der Grundrente nichts anderes in Vorrang zu stellen als den Berufsschadensausgleich. Haben Sie nachgerechnet, daß nach dem Entwurf Probst eine Witwe 285 DM gegenüber bisher 220 DM bekommen wird, eine Witwe, die nichts hat, die auf die Versorgungsrente angewiesen ist? Nach Ihrem Entwurf 'dagegen erhält die Witwe, die 220 DM hat, eben die 20 DM Grundrente mehr; denn nicht alle haben die Möglichkeit, diesen Berufsschadensausgleich zu bekommen. Solche Leistungen können wir niemals gewähren, können ihnen auch nicht den Vorrang geben; denn das hätte zur Folge, daß eventuell die Lebenssicherung vernachlässigt wird. Das ist das Kernproblem, das ich zu beachten bitte.
Darin liegt der soziale Gehalt.
Ich möchte auch deutlich sagen, daß durch die Gewährung der Berufsschadensrente die Wiedereingliederung in das Berufsleben gefördert wurde. Dank der Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes, das als erstes Rehabilitationsgesetz anzusehen ist, ist eine Rehabilitation in hohem Maße erreicht worden, dank auch des Einsatzes dieses Hohen Hauses und auch der Bundesregierung.
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MaucherIch glaube, daß wir in dieser Situation nicht auf die vielen Einzelheiten eingehen können. Ich wollte nur zu den drei grundsätzlichen Fragen sprechen.Mein verehrter Kollege Stingl hat gesagt, daß man die sachgerechteste Lösung wolle, und der Herr Bundesarbeitsminister hat die Dinge heute aus seiner Sicht dargelegt. Hier, meine Damen und Herren, ist die Brücke zu einer befriedigenden Regelung! Wenn man in diesem Hause die Gelegenheit einer Aussprache dazu benutzt, einander gegenüberzustellen, was getan werden konnte, jedoch nicht getan wurde, dann ist das nicht der richtige Weg, Herr Kollege Glombig, das möchte ich ganz deutlich sagen. Wenn einer sagt: „Das will ich, das beantrage ich!", dann muß er in diesem Hause auch einmal sagen, worauf er in anderer Hinsicht zu verzichten bereit ist.
Sie haben so viel Zeit aufgewendet — und vielleicht tun es auch noch Ihre nachfolgenden Redner —, um gegen den Bundesarbeitsminister Stellung zu nehmen. Warum fragt man in dieser Angelegenheit nicht auch den Bundesfinanzminister? Herr Kollege Reichmann, Sie haben wunderbare Worte gefunden, die mich durchaus beeindruckt haben. Aber auch Ihnen muß ich sagen, daß der Bundesfinanzminister mit einbezogen werden muß, wenn wir die Dinge klären wollen. Der Bundesarbeitsminister kann doch nur im Rahmen dessen handeln, was ihm der Bundesfinanzminister zubilligt.Es ist unser und auch mein persönlicher Wunsch, zu einer Lösung zu kommen, die den Kriegsopfern absolut gerecht wird. Ich möchte die heutige Aussprache so interpretieren, daß eine Brücke geschlagen ist, und das läßt uns hoffen, eine Lösung zu finden, mit der auch die Kriegsopfer in ihrer Gesamtheit zufrieden sein können.
Das Wort hat der Abgeordnete Riegel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie fragen „Wozu denn?", Herr Kollege Stingl
— oder Sie, Herr Kollege Ruf —, dann möchte ich doch feststellen, daß von Ihrer Fraktion drei Herren gesprochen haben. Haben Sie aber keine Befürchtung, ich werde die Diskussion nicht wesentlich ausweiten, sondern ich möchte lediglich manches richtigstellen.
Wenn ich mir die Ausführungen noch einmal vor Augen führe, vor allen Dingen die des Herrn 'Kollegen Dr. Rutschke, dann muß ich sagen, daß sie nicht der Würde des Opfers entsprechen, das die Kriegsopfer gebracht haben.
Vor allen Dingen bedauere ich, daß einzelne Personenkreise gegeneinander ausgespielt werden. Ich möchte Sie daran erinnern, Herr Kollege Dr. Rutschke, daß Sie gesagt haben, Sie hätten vor einer Neuordnung des Unfallversicherungsgesetzes deshalb gewarnt, weil die Disparität gegenüber der Kriegsopferversorgung noch größer würde. Ich möchte feststellen, daß das gar nichts mit den Kriegsopfern zu tun hat; denn die Unfallversicherung kostet den Bund keinen Pfennig Geld. Die Mittel in der Unfallversicherung werden im Umlageverfahren aufgebracht.
Herr Abgeordneter Riegel, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Rutschke!
Herr Kollege, Sie berufen sich doch immer darauf - in verschiedenen Versammlungen habe ich Sie ja selbst gehört —, daß es unerhört sei, wie hoch die Leistungen in der Unfallversicherung und wie niedrig sie in der Kriegsopferversorgung seien. Wenn Sie die Dinge in diesen Zusammenhang bringen, dann kann ich ja doch wohl etwas dazu sagen.
Herr Kollege Rutschke, man kann doch nicht deshalb, weil die maßgeblichen Kräfte in der Bundesrepublik in den letzten 12 Jahren nicht die Notwendigkeit einer gerechten Lösung der Kriegsopferversorgung erkannt haben, die Unfallversicherten und andere auf die Dauer benachteiligen.
Ich 'bin der Auffassung, es geht nicht, daß man ständig einzelne Kreise unserer Bevölkerung gegen die Kriegsopfer ausspielt. Das ist keine gute Sache.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, als der Herr Kollege Stingl am Anfang sagte, die Kriegsopferversorgung solle an die gestiegenen Lebenshaltungskosten herangeführt werden, war ich zunächst etwas optimistisch gestimmt.
Um so mehr war ich enttäuscht, als Sie sich dann im Namen der Regierungskoalition voll hinter den Regierungsentwurf stellten.
— Doch, Herr Kollege Stingl, bitte lesen Sie das Protokoll nach.
Aber, meine Damen und Herren, ganz besonders bedauerlich ist es, daß Sie die jetzt schwebenden Auseinandersetzungen zwischen dem Bund und den Ländern praktisch auf dem Rücken der Kriegsopfer austragen wollen. Ich möchte doch feststellen, daß die Ausgaben für die Kriegsopferversorgung nicht
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Riegel
L) schuld sind an der finanzpolitischen Situation, in der sich der Bund jetzt befindet; daran sind ganz andere Blöcke schuld. Ich bedaure außerordentlich, daß die Kriegsopfer bei den finanzpolitischen Erwägungen am Rande rangieren. Nach Art. 106 des Grundgesetzes hat der Bund für die Kriegsfolgen aufzukommen. Da sollte man die Diskussion führen und nicht die finanzpolitische Situation, die sich uns jetzt dartut, den Kriegsopfern zur Last Legen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen zu Beginn der Herbstarbeit in den Beratungen. Wir haben 18 Jahre nach dem Kriege alle zusammen die Verpflichtung, den gebrachten Opfern gerecht zu werden und den Kriegsopfern die gesellschaftliche Stellung zu geben, die ihnen in unserem Volk gebührt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht damit auch von unserer Fraktion ein dritter Redner spricht, bin ich hier heraufgegangen, sondern um zu dem, was zuletzt gesagt worden ist, ein paar Richtigstellungen vorzunehmen.Herr Kollege Glombig hat geglaubt, vortragen zu müssen, daß diese Koalition durch drei Beweismittel nun endlich als sozial rückschrittlich zu erkennen sei.Das erste sei, daß im Mai die erste Lesung der drei Gesetzentwürfe vertagt worden sei. Nun, ich hatte nach der Begründung der vier Gesetzentwürfe am heutigen Tage, vor allen Dingen nach der sachlichen Art der Begründung, durchaus den Eindruck, daß es uns allen dienlich gewesen ist, daß wir die vier Gesetzentwürfe gemeinsam beraten und dem Ausschuß zur Sachdiskussion überweisen.Zweitens ist ausgeführt worden, daß im Kriegsopferausschuß seitens der Fraktionen der Koalition eine Verzögerungstaktik geübt worden sei. Für meine Freunde darf ich dazu sagen, daß wir weder daran gedacht haben noch eine Verzögerungstaktik üben konnten. Denn wir können die Beratungen erst in dem Moment beginnen, in dem das Hohe Haus — hoffentlich nun heute — die Gesetzentwürfe dem Kriegsopferausschuß zur Beratung überweist.
— Herr Kollege Glombig, ich habe mich bemüht, sehr genau zuzuhören, obwohl das manchmal am heutigen Tage etwas schwierig war. — Na, das liegt vielleicht an uns allen gemeinsam. Das will ich gar nicht bestreiten.
Der dritte Punkt in Ihrer Begründung, Herr Kollege Glombig, hat mich am meisten gestört. Sie haben gesagt: „Als wir im Dezember des vergangenen Jahres eine zehnprozentige Erhöhung der Grundrenten forderten, haben Sie aus sozialrückschrittlicher Konzeption diesen Antrag abgelehnt." Nun, Herr Kollege Glombig, um der Wahrheit die Ehre zu geben, müssen Sie dann auch sagen, daß Sie an diesem Tage den Beweis dafür geliefert haben, daß man so eben nicht verfahren kann, wie Ihr Fraktionskollege es gerade vorgetragen hat. Sie haben nämlich nicht nur das Weihnachtsgeld für die Beamten gefordert, Sie haben auch ein Weihnachtsgeld für alle Rentner und darüber hinaus eine zehnprozentige Rentenerhöhung für die Kriegsopfer gefordert. Sie haben für keine einzige Forderung einen Deckungsvorschlag eingebracht. Man kann, auf die Dauer gesehen, im politischen Raum nicht glaubwürdig werden, wenn man sich nicht bemüht, die Dinge sachlich voneinander 211 trennen, sie aber trotzdem im Zusammenhang der finanziellen Auswirkungen zu sehen. Deshalb hat mein Kollege Rutschke gesagt, daß wir auch die jetzige Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern bei dieser Frage mitberücksichtigen müssen. Das hat gar nichts damit zu tun, daß wir eine vernünftige und sozial fortschrittliche Neuregelung für die Kriegsopferversorgung beantragt haben.Herr Kollege Glombig, Sie haben selber gesagt: der Entwurf der CDU-Abgeordneten Probst und Genossen verlangt eine Besserstellung für die Kriegsopfer von 1,2 Milliarden DM; unser Antrag bringt den Kriegsopfern nach Ihrer Meinung eine Besserstellung von 1,15 Milliarden DM. Im gleichen Zusammenhang aber haben Sie gesagt, es handle sich um sozial rückschrittliche Vorstellungen. Da kann ich nur sagen: so kann man nicht argumentieren!Es geht hier um eine vernünftige Verfahrenspraxis in der Ausschußberatung; da stimmen wir völlig mit Ihnen überein. Wir stimmen mit Ihnen auch in der Meinung überein, daß die Bundesregierung leider zu spät diese Dinge hier vorgetragen hat. Auch nach unserer Auffassung zu spät! Wenn wir nicht dieser Auffassung gewesen wären, hätten ja die Kollegen von 'der CDU und wir nicht eigene Entwürfe vorgetragen.
— Ich hatte bisher angenommen, Herr Glombig hätte auch sehr stark für den Antrag seiner Fraktion gesprochen; denn die Beispiele, die ich hier vorgetragen habe, hat er ja im Zusammenhang mit den Zahlen genannt, die er selber vorgetragen hat.Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß eines sagen. Wir sollten trotz mancher Divergenzen in der Auffassung zu bestimmten Themen versuchen, nunmehr im Ausschuß eine sachliche Auseinandersetzung zu führen. Ich glaube, wenn wir uns etwas weniger von polemischen Pressemeldungen bestimmter Organisationen leiten lassen — wir sind ja selber zum großen Teil Kriegsbeschädigte und in solchen Organisationen tätig —, wenn wir uns von unserer eigenen Konzeption leiten lassen, die jeder in seiner Fraktion hat, werden wir zu einem befriedigenden Ergebnis kommen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3811
Ich schließe die erste Beratung der Gesetzentwürfe unter Punkt 7 a bis d der Tagesordnung. Es ist vorgesehen die Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- nd Heimkehrerfragen — federführend - und an den Haushaltsausschuß — mitberatend —. Ohne Einwand? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit ;
Schriftlicher Bericht ,des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen IV/1271, zu IV/1271)
.
Es liegen dazu ferner die Änderungsanträge Umdruck 302 und Umdruck 303 vor *). Es ist interfraktionell vereinbart, daß diese Drucksachen an die Ausschüsse. rücküberwiesen werden sollen, nämlich an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Wohnungswesen — mitberatend —. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Drucksache IV/1307).
Der Gesetzentwurf soll überwiesen werden an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend —, ferner an den Außenhandelsausschuß und den Wirtschaftsausschuß — mitberatend —. Ohne Erinnerung? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung, des Bewertungsgesetzes (Drucksache IV/1227).
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Finanzausschuß. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dichgans, Müller-Hermann, Dr. Schmidt , Frau Funcke (Hagen), Seuffert und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache IV/1318).
Vorgesehen ist Überweisung an den Finanzausschuß. — Das ist ebenfalls beschlossen.
*) Siehe Anlagen 2 und 3 Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von ,der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Drucksache IV/1312).
Es wird vorgeschlagen, den Entwurf dem Ausschuß
für Arbeit zu überweisen. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem Sowjetsektor von Berlin .
Zur Begründung hat das Wort der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In ihren Erklärungen vor dem Bundestag am 29. November 1961 und 6. Februar 1963 hat die Bundesregierung gesetzgeberische Maßnahmen zur sozialen Gleichstellung der Flüchtlinge aus der sowjetisch besetzten Zone mit den Vertriebenen angekündigt. In Verwirklichung dieser Zusage legt sie diesen Gesetzentwurf vor.In zahlreichen Veröffentlichungen ist darauf hingewiesen worden, daß sich das Schicksal der Deutschen aus der sowjetisch besetzten Zone weitgehend dem der Heimatvertriebenen angenähert hat. Es wurde mit Recht betont, daß die Deutschen aus der sowjetisch besetzten Zone vorwiegend nicht aus privaten oder wirtschaftlichen, sondern aus zwingenden politischen Gründen ihre Heimat verlassen haben. Soweit sich bei dem einzelnen die politischen Umstände zu einem besonderen unausweichlichen Druck verdichtet haben, der — ähnlich wie im Zuge der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen nach Kriegsende bei den Heimatvertriebenen — die eigene freie Willensentscheidung weitgehend ausgeschaltet hat, werden sie als Sowjetzonenflüchtlinge mit dem Ausweis C anerkannt und erhalten damit die besonderen Rechte und Vergünstigungen, die das Bundesvertriebenengesetz und andere Bestimmungenfür sie vorsehen. Aber auch die Opfer der allgemeinen politischen Zwangslage, deren soziale Stellung sich durch ihre Flucht entscheidend verschlechtert hat und die nicht in der Lage sind, diese Notlage selbst oder mit Hilfe ihrer Angehörigen zu überwinden, bedürfen einer sozialen Unterstützung und Förderung.Die soziale Gleichstellung der Flüchtlinge aus der sowjetisch besetzten Zone ist kein in sich abgeschlossener Sachverhalt; sie hat nicht erst mit dem vorliegenden Gesetzentwurf begonnen und wird damit auch nicht beendet sein. Begonnen haben die gesetzgeberischen Maßnahmen mit dem Notaufnahmegesetz im August 1950, das die Verteilung
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3812 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Bundesminister Mischnickund vorläufige Unterbringung der Notaufgenommenen vorsieht. Sie wurden fortgesetzt mit der Einbeziehung dieses Personenkreises in die Maßnahmen nach den zahlreichen sozialen Wohnungsbauprogrammen seit 1953 und durch die Ermöglichung von Ausbildungshilfen. Ich will nicht alle Maßnahmen, die im einzelnen noch erfolgt sind, hier aufzählen, sondern damit nur klarstellen, daß das, was hier geschieht, nicht das erste auf dem Gebiet der sozialen Gleichstellung ist, sondern daß es den Sinn hat, Lücken, die auf diesem Gebiet noch vorhanden sind, soweit als möglich zu schließen.Während die bisherigen Leistungen jedoch im wesentlichen den jeweiligen Kostenträgern für den Betroffenen gewährt wurden, sollen die Leistungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung den Berechtigten unmittelbar zugute kommen. Der vorgelegte Gesetzentwurf bedeutet damit einen weiteren wesentlichen Schritt zur beschleunigten sozialen Eingliederung der Flüchtlinge aus der sowjetisch besetzten Zone.Der Gesetzentwurf stellt keine Ideallösung dar, sondern trägt in vielen Punkten Kompromißcharakter. Auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bundes und der Länder mußte Rücksicht genommen werden. Deshalb mußte sich die Bundesregierung schweren Herzens zu Einschränkungen und Abstrichen bei der Gesamtkonzeption, bei der Abgrenzung des Personenkreises und bei einzelnen Leistungsarten entschließen. Auch der Bundesrat hat mit einer einzigen Ausnahme bisher keine Möglichkeit für eine weitergehende Regelung gesehen.Ich möchte in der ersten Lesung nicht im einzelnen auf die Bestimmungen des Gesetzentwurfs eingehen, sondern nur ein paar Hinweise auf den wesentlichen Inhalt geben. Ähnlich wie im Bundesvertriebenengesetz und anderen Gesetzen werden Personen, die politisch oder kriminell besonders belastet sind, von den Leistungen des Gesetzes ausgeschlossen. Es würde nicht verstanden werden, wenn Personen, die dem sowjetzonalen System erheblich Vorschub geleistet haben und später, aus welchen Gründen auch immer, ihm den Rücken gekehrt haben, in sozialer Hinsicht gefördert werden würden.Ein wesentlicher Punkt des Entwurfs ist die gesetzliche Regelung der bisher auf Verwaltungsvereinbarung beruhenden Einrichtungshilfe. Hiermit verbunden ist die Beseitigung einer Reihe von Härten, die bisher in dieser Vereinbarung lagen. Die Leistungen sind an die Zweite Leistungsdurchführungsverordnung angeglichen. Es ist ein genereller Grundbetrag vorgesehen, der Stichtag für den Wohnraumbezug entfällt, und die zweite Einkommensgrenze fällt ebenfalls weg.Für die alten Flüchtlinge, die ehemals selbständig waren, ist der Abschnitt III von größter Bedeutung. Hier wird sichergestellt, daß diese Flüchtlinge, genauso wie es im Lastenausgleich für die Heimatvertriebenen vorgesehen ist, eine Unterhaltshilfe erhalten. Auch die Höhe der Leistungen für diese Unterhaltshilfe ist, einschließlich des Selbständigenzuschlages, den Beträgen angepaßt, die für die Heimatvertriebenen gewährt werden. Es werden auch solche Berechtigte einbezogen, die mit einem zu berücksichtigenden Familienangehörigen zusammengelebt haben und von ihm wirtschaftlich abhängig waren. Ich möchte auf die Notlage gerade dieses Personenkreises ganz besonders hinweisen, da er keine Rentenversorgung erhält, sondern nach dem derzeitigen Stand ausschließlich auf Sozialhilfe angewiesen ist.In einem weiteren Abschnitt werden Eingliederungshilfen behandelt. Hierbei handelt es sich in erster Linie darum, daß zur Schaffung neuer Existenzen Darlehen gewährt werden, wie es bei den Vertriebenen und denjenigen, die den Ausweis C erhalten, der Fall ist.Eine besondere Bedeutung haben innerhalb dieser Eingliederungshilfen die vorgesehenen Darlehen zum Wohnungsbau. Sie sind für Berechtigte bestimmt, deren wohnungsmäßige Unterbringung im Rahmen der Sonderwohnungsbauprogramme bzw. nach den Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes bisher nicht möglich war. Hierzu gehören insbesondere Berechtigte, die nicht im Wege der Notaufnahme zugezogen sind oder die nach Einweisung in ein Bundesland später in ein anderes Bundesland verzogen sind.Lassen Sie mich zum Schluß noch auf eine wesentliche Bestimmung hinweisen. Im Gesetzentwurf ist die gleiche Kostenregelung vorgesehen, die bisher für die Einrichtungshilfe galt. 75 % der Kosten sollen also vom Bund, 25 % sollen von den Ländern getragen werden. Die Verhandlungen über den Bundesanteil in den letzten Tagen und die Streichungsvorschläge, die von seiten des Vermittlungsausschusses gemacht worden sind, beziehen sich zum Teil auch auf Leistungen, die hier vorgesehen sind. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß dieser Gesetzentwurf auf jeden Fall in dieser Form durch das Hohe Haus verabschiedet werden sollte und daß auch die dafür benötigten Mittel von beiden Seiten, nämlich von Bund und Ländern, bereitgestellt werden sollten, zumal auch von den Ländern immer wieder Klage darüber geführt worden ist, daß diesem Personenkreis nicht genügend geholfen wird.Die Bundesregierung bittet darum, sie bei der Verwirklichung dieser Maßnahmen zu unterstützen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem wir uns am 13. März dieses Jahres in erster Lesung mit dem Flüchtlingsgesetzentwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktionbeschäftigt haben, wird uns heute ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgelegt, der in der Öffentlichkeit als Flüchtlingshilfegesetz bekanntgeworden ist. Schon allein die Titel beider Gesetzentwürfe kennzeichnen den großen Unterschied im Inhalt.Der Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion — Entwurf eines Gesetzes über die Rechte der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besat-
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Frau Korspeterzungszone und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin— macht deutlich, daß es sich hierbei um Rechte der Flüchtlinge handelt, die ihnen zugestanden werden sollen. Es ist im Hause bekannt, daß wir mit unserem Gesetzentwurf die rechtliche Gleichstellung und damit selbstverständlich auch die soziale Gleichstellung aller Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen regeln wollen, es sei denn, daß gegen einzelne bestimmte Ausschließungstatbestände vorliegen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung dagegen — Entwurf eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem Sowjetsektor von Berlin — bringt ganz deutlich zum Ausdruck, daß es sich hierbei um Hilfsmaßnahmen — ich möchte sagen — mit fürsorgerischem Charakter handelt. In den beiden Regierungserklärungen — der Herr Minister Mischnick hat es bereits gesagt - hatte die Bundesregierung angekündigt, daß sie dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorlegen wolle, der die Gleichstellung aller Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen auf allen sozialen Gebieten herbeiführen solle, und auch in der schriftlichen Begründung wird nochmals auf diese Zielsetzung hingewiesen. Durch den Gesetzentwurf, der uns heute vorgelegt wird und den wir heute debattieren, sollen die gegebenen Zusagen und Versprechungen der Bundesregierung eingelöst werden.Es ist ganz selbstverständlich, daß dieser Gesetzentwurf von uns, aber auch ganz besonders von den Betroffenen unter dem Aspekt überprüft wird, ob er als eine ausreichende Realisierung der in den Regierungserklärungen abgegebenen Zusagen angesehen werden kann. Die Bundesregierung muß es hinnehmen, daß diese Frage mit einem Nein beantwortet wird. Sie muß dieses Nein hinnehmen, weil das, was nach dem vorgelegten Gesetzentwurf unter sozialer Gleichstellung verstanden wird, wohl kaum den Mindestforderungen der Millionen Flüchtlinge entspricht, die — wie das zuständige Ministerium selber im Bulletin vom 14. Oktober 1962 ausgeführt hat — durch die Unerträglichkeit der politischen Zustände aus ihrer Heimat hinausgedrängt wurden.Während der Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion durch eine Neuordnung der §§ 3 und 4 des Bundesvertriebenengesetzes alle Flüchtlinge erfaßt, beschäftigt sich dieser Gesetzentwurf nur mit den sogenannten nicht anerkannten Flüchtlingen, also mit denen, die gemäß den §§ 3 und 4 den C- Ausweis nicht erhalten haben. Dabei hat es aber die Bundesregierung für richtig gehalten, diese Gruppe nicht in ihrer Gesamtheit einzubeziehen. Durch die Einführung eines neuen Stichtages hat sie von vornherein alle die Flüchtlinge von den Leistungen dieses Gesetzentwurfs ausgeschlossen, die vor dem 1. Januar 1953 in das Bundesgebiet gekommen sind. Anstatt die Flüchtlinge — wie es meine Fraktion beabsichtigt — in einer Gruppe mit gleichen Rechten zusammenzufassen und endlich die Kluft zwischen den anerkannten und den nicht anerkannten Flüchtlingen zu überbrücken, würde dieser Entwurf, wenn er so Gesetz würde, wie er uns heute vorliegt, drei Kategorien von Flüchtlingen schaffen,
nämlich nach dem Bundesvertriebenengesetz anerkannte Sowjetzonenflüchtlinge mit dem C-Ausweis, zweitens nach diesem Flüchtlingshilfegesetz anerkannte Deutsche aus der Zone und drittens nicht anerkannte Flüchtlinge, die vor dem 1. Januar 1953 in das Bundesgebiet gekommen sind. Das ist ein Tatbestand, der es eigentlich unmöglich macht, von einer Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen zu sprechen.
Nun zu den Leistungen! Sie bestehen in der Einrichtungshilfe, in der Beihilfe zum Lebensunterhalt und in Darlehen zum Existenzaufbau in der gewerblichen Wirtschaft, in den freien Berufen und in der Landwirtschaft sowie zum Wohnungsbau.Die Einrichtungshilfe, die seit 1961 gewährt wird und bislang auf einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern basierte, soll durch diesen Gesetzentwurf gesetzlich verankert werden. Alle, die sich damit befaßt haben, wissen, daß die Bestimmungen dieser Vereinbarung so engherzig waren, daß die Durchführung keinen befriedigen konnte. Mit der vorgeschlagenen Regelung soll die Einrichtungshilfe in einigen, aber nicht in wesentlichen Punkten verbessert werden. Aber auf keinen Fall kann hierbei von einer sozialen Gleichstellung gesprochen werden. Während jedem Vertriebenen, auch dem Flüchtling mit C-Ausweis, ungeachtet des Bedarfs und der jetzigen wirtschaftlichen Lage Hausratsentschädigung oder Hausratsbeihilfen gewährt werden, sollen hiernach diese Einrichtungshilfen nur dann gewährt werden, wenn der Betreffende noch Bedarf an notwendigem Hausrat hat. Jeder weiß, wie problematisch die Überprüfung notwendigen Hausrats ist. Die Einrichtungshilfe soll nur gewährt werden, wenn das Einkommen monatlich 500 DM nicht übersteigt und wenn nachgewiesen werden kann, daß keine Unterhaltsansprüche gegen Angehörige bestehen, also eine Leistung, die Bedarfs- und Einkommensprüfungen vorsieht und die auch nur nach Maßgabe der vorhandenen Mittel gegeben werden soll.Der Abschnitt II sieht die Beihilfen zum Lebensunterhalt vor, und zwar an solche Deutsche aus der Zone, die im vorgeschrittenen Lebensalter stehen oder dauernd erwerbsunfähig sind, allerdings unter der Voraussetzung, daß sie eine selbständige Existenz verloren und einen Vermögensverlust erlitten haben. Danach bleiben die Unselbständigen unberücksichtigt, auch dann, wenn sie keine Rentenversorgung erwerben konnten, und es bleiben die Flüchtlinge unberücksichtigt, die vor dem 1. Januar 1953 in das Bundesgebiet gekommen sind. Wir sind der Meinung, diese Personengruppe trifft der Stichtag mit aller Härte. Wir nehmen an — das wird in dem Ausschuß noch sehr eingehend besprochen werden müssen —, daß ein großer Teil dieses ausgeschlossenen Personenkreises ehemals Selbständige waren, die von den frühen Maßnahmen des Systems getroffen wurden, bei uns aber die Anerkennung als C-Flüchtlinge nicht erhielten, nicht erhalten konnten, weil man ihre Zwangslage in dem Verlust ihrer Existenzgrundlage sah.
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3814 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Frau KorspeterDie Eingliederungsdarlehen zum Existenzaufbau entsprechen nicht in vollem Umfang den Aufbaudarlehen aus dem Lastenausgleich, und auch die Bestimmungen über die Gewährung von Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau können uns nicht voll befriedigen. Diese Darlehen sollen diejenigen Deutschen aus der Zone nicht erhalten, deren Versorgung mit Wohnraum aus Mitteln der Sonderwohnungsbauprogramme für im Rahmen des Notaufnahmeverfahrens aufgenommene Deutsche aus der Zone bereits erfolgt ist oder in Aussicht steht. Durch diese Regelung besteht für diesen Personenkreis nach wie vor kaum eine Möglichkeit zur Bildung von Wohnungseigentum, während für Vertriebene, die aus der Zone gekommen sind, und für anerkannte Sowjetzonenflüchtlinge Aufbaudarlehen zum Wohnungsbau aus dem Härtefonds des Lastenausgleichs gewährt werden können, auch wenn ihre Versorgung mit Wohnraum aus diesen Sonderbauprogrammen erfolgt ist.Ich glaube, meine Damen und Herren, daß schon dieser Überblick deutlich macht, daß der Regierungsentwurf in keiner Weise der angekündigten Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen auf allen sozialen Gebieten entspricht. Er führt unseres Erachtens keine Gleichstellung mit den Heimatvertriebenen herbei. Er bringt nicht einmal eine Gleichstellung der Flüchtlinge untereinander, sondern er begründet eine neue Kategorie.Herrn Minister Mischnick tist bekannt, wie groß die Enttäuschung und auch die Kritik in Flüchtlingskreisen über diesen Entwurf ist. Im Grunde empfinden es die Betroffenen sogar als eine Irreführung, daß in Erklärungen und Verlautbarungen — auch noch einmal in der Begründung — von einer Gleichstellung gesprochen wird und daß dann ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der dieser Zielsetzung nicht entspricht.
Dieser Gesetzentwurf bringt keine gerechte Lösung; im Gegenteil. Wir empfinden ihn nur als ein Flickwerk, und er führt unseres Erachtens in eine Sackgasse, aus der der Weg zu einer rechtlichen Gleichstellung kaum zu finden ist, weil er keine Anknüpfungspunkte dafür bietet.Es ist mir auch unverständlich, daß Herr Mischnick im Bulletin vom 7. Juni 1963 in einem Artikel „Versuch einer Bilanz des Flüchtlingsstroms" die hohe Leistung der Flüchtlinge am Aufbau in der Bundesrepublik hervorhebt und dazu erklärt, daß der Wunsch der Flüchtlinge, den Vertriebenen gleichgestellt zu werden, dadurch an Durchschlagskraft gewinne, daß er aber auf der anderen Seite eine so unbefriedigende Regelung vorlegt.Wir sollten uns darüber klar sein, daß die Bereitschaft eine gerechte Lösung zu finden, nicht größer wird, je länger wir dieses Problem vor uns herschieben. Wir müssen in dieser Legislaturperiode für eine gerechte Lösung sorgen.Herr Kollege Lemmer hat bei seiner Wahl zum Vorsitzenden des Gesamtverbandes der Sowjetzonenflüchtlinge in Berlin dazu erklärt, daß auch nach seiner Ansicht bei den Flüchtlingen ein Rückstand bestehe, der aufgeholt werden müsse. Über eins sollten wir uns klar sein: durch den jetzigen Gesetzentwurf kann dieser Rückstand nicht aufgeholt werden. Wenn wir das ernstlich wollen — und ich wende mich dabei ganz besonders an die Regierungsfraktionen —, muß dieser Gesetzentwurf in den Beratungen des Bundestages einen grundsätzlichen Wandel erfahren, und zwar in der Richtung, wie sie die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mit ihrem Gesetzentwurf aufgezeigt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Eichelbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat in ihren letzten Ausführungen den Gesetzentwurf der Regierung als ein Gegenstück zu dem Gesetzenwurf der SPD hingestellt. Praktisch wird er das sein; denn es wird sich wohl als sachlich notwendig erweisen, den Regierungsentwurf genau denselben Ausschüssen zu überweisen, denen schon das Flüchtlingsgesetz der SPD, Drucksache 694, vorliegt. Den Mitgliedern der Ausschüsse wird es dann obliegen, die Behandlung der Probleme auf beide Entwürfe zu erstrecken.Man wird aber dem Regierungsentwurf nicht gerecht, wenn man nicht das beachtet, was der Herr Vertriebenenminister gesagt hat. Er hat das Gesetz entwickelt aus der Geschichte der von der Notaufnahme Erfaßten, wobei wir uns daran erinnern müssen, daß die Notaufnahme nach der jetzigen gesetzlichen Regelung keine Zwangsvorschrift darstellt. Nur derjenige hat sich der Notaufnahme zu stellen, der irgendwelche „sozialen" Maßnahmen, Hilfen für seine Unterbringung, für seine Berufsausübung, für seine Einrichtung oder für seinen Lebensunterhat braucht und wünscht.Im Jahre 1953 hat man, durch die Situation veranlaßt, die Frage der Wohnungsunterbringung großzügig durch Bundesmaßnahmen geregelt. Man hat später noch die Hilfe für eine Einrichtung an alle diejenigen hinzugefügt, die solche Wohnungen bekommen.Der jetzt vorliegende Regierungsentwurf stellt erneut eine Erweiterung dar. Er bringt außerdem noch eine Hilfe für den Lebensunterhalt und eine Hilfe für die Berufsbegründung. Nur in diesem Nacheinander kann man das Gesetz sehen. Gleichzeitig sollten wir uns klarmachen, daß wir in einer Entwicklung der gesetzlichen Lage stehen.Ich erkläre hier im Namen meiner Fraktion, daß wir den Gesetzentwurf in diesem Sinne begrüßen und an der weiteren Entwicklung dieser Gesetzgebung positiv mitarbeiten wollen. Das zwingt uns aber nicht, wörtlich zu übernehmen, was die Regierung vorschlägt. Es ist das selbstverständliche Recht des Parlaments und auch der Regierungspartei, die Gesetze entsprechend zu ändern und zu verbessern.Ich möchte noch einiges hinzufügen und mich mit den Argumenten meiner Vorrednerin befassen. Es ist natürlich eine Frage, ob der Kreis der von die-
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Eichelbaumsem Gesetzentwurf Erfaßten groß genug ist. Darüber werden wir uns im einzelnen unterhalten müssen. Er ist dadurch eingeschränkt, daß bestimmte Sozialerfordernisse verlangt werden: der Verlust der selbständigen Stellung, der Verlust der Wohnungseinrichtung, die Notlage in der Grenze einer bestimmten Einkommenshöhe.
Wir können meiner Ansicht nach dieses Gesetz nicht dazu benutzen, gewissermaßen durch eine Hintertür die ganze Frage der Anerkennung der Flüchtlinge zu regeln, indem wir den nichtanerkannten in Bausch und Bogen dasselbe geben, was dem anerkannten gegeben wird. Wenn wir da eine neue Regelung schaffen wollen — dazu gibt uns ja der Gesetzentwurf der SPD die Möglichkeit —, müssen wir die Bedingungen der Anerkennung in einer positiven und geeigneten Form ändern und weiterentwickeln.In dem Diskussionsbeitrag vom 13. März hat uns der Kollege Wehner das Beispiel der Bauern vorgeführt, die, von ihrer Scholle vertrieben, als Flüchtlinge hierherkommen und nicht die nötigen Hilfen erhalten. Diesem Kreis ist durch die 3. Novelle zum Bundesvertriebenengesetz geholfen, in der wir bestimmt haben, daß jeder als Flüchtling anerkannt werden muß, dessen Existenzgrundlage zerstört oder bedroht war oder bei dem die Zerstörung oder Bedrohung bevorstand. Ich glaube, daß das Problem dieser Bauern, Herr Wehner, unterdessen positiv gelöst ist. Allerdings gibt es noch sehr viele Fälle, auf die die 3. Novelle nicht angewandt werden konnte und in denen auf dem Wege der jetzt gültigen Gesetzgebung weiter geholfen werden muß. Die Bestimmungen über den Lebensunterhalt beziehen sich also auf den verhältnismäßig kleineren Kreis derer, die ihre Existenzgrundlage verloren haben, bei denen aber eine Kausalität von Existenzverlust und politischen Umständen der Flucht nicht in der eindeutigen Weise besteht, bei denen, wie es in § 10 Abs. 1 Buchstabe c heißt, das Verlassen der Zone zum Verlust der Existenz geführt hat.In der Beratung wird sich herausstellen, daß man bestimmte Grundfragen klären muß, daß man sich überlegen muß, was „Gleichstellung" heißt, wen man gleichstellen will; die Gleichstellung wird immer von denen verlangt, die noch etwas haben wollen, weil eine andere Gruppe mehr bekommt. Es muß auch darüber gesprochen werden, was „auf sozialem Gebiete" heißt und was „Rechtsanspruch" bedeutet.Aber man sollte bei der Behandlung dieser Probleme nicht von dem Standpunkt ausgehen, daß jemand, der eine soziale Hilfe erfährt, schon dadurch entwürdigt und entehrt sei. Man kann diese sozialen Hilfen so einrichten, daß die Betreffenden sich wirklich mit gutem Gefühl ihrer Not enthoben wissen können und die Gerechtigkeitsforderung an ihnen erfüllt ist.Ich glaube auch, daß die Behauptung, die Schaffung von verschieden zu behandelnden Gruppen bedeute gewissermaßen eine moralische Abwertung der Betreffenden, der Sache nicht ganz gerecht wird. Alle unsere gesetzlichen Maßnahmen gehen ja davon aus, daß man Begriffe schaffen muß, daß man Abgrenzungen schaffen muß, daß man differenzieren muß. Es kommt darauf an, daß die Differenzierung der Sache entspricht und kein Unrecht enthält und die richtigen Hilfen an die Richtigen gegeben werden.Ich darf zusammenfassen: Meine Fraktion ist bereit, dieses Gesetz mit Ernst und mit Zustimmung in den Ausschüssen zu behandeln und an ihm die weitere Entwicklung unserer Flüchtlingsgesetzgebung zu vollziehen. Ich bitte, die Überweisung so zu beschließen: an den Lastenausgleichsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zur Mitberatung.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf es zunächst als ein gutes Zeichen für dieses Haus betrachten, daß wir uns bereits zum zweiten Male innerhalb weniger Monate in einer Aussprache darüber einig sind, daß es notwendig ist, auf dem Gebiet der Flüchtlingsgesetzgebung weitere Schritte zu tun, und daß wir am 13. März 1963 bereits einmütig über die Maßnahmen zu diskutieren uns bemühten, mit denen wir eine Gleichstellung der Flüchtlinge aus der Zone und aus Ostberlin erreichen wollen.Wie ich glaube — damit darf ich auf die Argumente meiner Kollegin Korspeter eingehen —, geht es in den nächsten Wochen und Monaten nicht darum, ob dieses Gesetz diese oder jene Überschrift hat, es geht auch nicht darum, ob dieser Entwurf oder der Entwurf der SPD der bessere ist, sondern darum, daß wir die beste Lösung überhaupt erreichen, die im Bereiche des Möglichen, nämlich nach Maßgabe der vorhandenen Mittel — ich muß das schon so sagen, meine Damen und Herren —, erreichbar ist.Deshalb begrüßen wir, daß die Bundesregierung heute diesen Entwurf vorgelegt hat. Wir sehen darin einen ersten .Schritt zu dem Aufholen des Rückstandes in der rechtlichen Gleichstellung. Wir sehen darin nicht eine Endlösung, nicht ein Endgesetz, sondern einen ersten Schritt.Auch wir sind nicht ganz mit dem Volumen zufrieden, das die Regierungsvorlage augenblicklich vorsieht. Aber wir haben Verständnis dafür, daß die Haushaltssituation und die ungeklärte Verteilung der Steuergelder berücksichtigt werden müssen, bei deren Lösung uns die Opposition dieses Hauses vielleicht etwas mehr hätte helfen können, so daß wir auch leichter das tun könnten, was notwendig ist, aber im Moment unbezahlbar ist. Aber wie gesagt, das Volumen scheint uns auch etwas zu klein zu sein. Eine Ausweitung wird hier nötig sein.Wir begrüßen darüber hinaus die damit vorgenommene Klarstellung, daß die soziale und recht-
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Schmidt
liche Gleichstellung auf zwei verschiedenen gesetzlichen Wegen erreicht werden soll, wie ich es in der Debatte am 13. März 1963 bereits für meine Fraktion sagen durfte. Wir sind erfreut, daß wir gleichzeitig die Nachricht bekommen, daß uns in absehbarer Zeit das Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz ebenfalls vorliegen wird.Nun aber einiges zu der Vorlage selbst. Ich sagte schon, meiner Fraktion ist das Volumen etwas zu klein; aber es wird immerhin den dringendsten Notwendigkeiten gerecht. Diese Fragen hatte meine Fraktion ebenfalls schon in der vergangenen Legislaturperiode angemeldet, und sie hatte ihre Lösung dringend erbeten. Die Lösung scheiterte damals leider an dem Willen der Mehrheit des Hauses.Als eine der dringendsten der vorgesehenen Maßnahmen erblicken wir die Gewährung der gleichen Leistung an diejenigen, die keine C-Ausweis-Inhaber sind. Hier wird nach Auffassung meiner Fraktion das Problem des Stichtags noch einmal überlegt werden müssen. Auch wir sind der Meinung, daß der vorgesehene Stichtag nicht glücklich gewählt ist.Wir freuen uns ganz besonders darüber, daß weitere Hilfen für ehemals Selbständige möglich sind. Auch hier wird man in gemeinsamer Beratung vielleicht einen Weg finden, um noch mehr tun zu können. Wir sind auch der Meinung, daß die Frage der Einkommensgrenze, wie sie in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, noch überprüft werden muß und vielleicht bessere Lösungen erreicht werden sollten.Zu all dem werden wir in den zuständigen Ausschüssen entsprechende Vorschläge vorlegen, im Sinne dessen, was wir seit Jahren vertreten haben. Wir würden uns freuen, wenn wir dabei die Regierungsvorlage verbessern und ein größeres Volumen erreichen könnten.Aber ich möchte noch einmal auf das hinweisen, was der Bundesvertriebenenminister vorhin bereits sagte: Wir müssen uns bei allen Beratungen, so leid es manchmal tun mag, darüber im klaren sein, daß wir ohne eine bessere Gestaltung der Einnahmequellen des Bundes durch eine andere Steuerverteilung immer Schwierigkeiten haben werden und daß wir außerdem im Hinblick auf das Gesetz und die von den Ländern aufzubringenden Anteile mit den Ländern weiterhin Verhandlungen führen müssen. Es hat uns etwas merkwürdig berührt, daß gerade bei diesen Besprechungen im Bundesrat die Mittel, die für dieses Gesetz schon vorgesehen waren, gestrichen worden sind und hier nun die Angelegenheit von neuem aufgenommen werden muß.Abschließend möchte ich namens meiner Fraktion der Hoffnung Ausdruck geben, daß nunmehr die Beratungen in den zuständigen Ausschüssen zügig vorangehen können und daß es in dieser Legislaturperiode möglich sein wird, die Forderungen nach einer weitgehenden sozialen und rechtlichen Gleichstellung der Flüchtlinge aus der Zone und aus Ostberlin, die vor allem auch meine Fraktion seit langen Jahren erhoben hat, zu realisieren. Hierzu ist unserer Meinung nach der vorliegende Regierungsentwurf ein erster Schritt, dessen Maß allerdings noch vergrößert werden muß.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mir bewußt, daß wir uns in der ersten Beratung einer Regierungsvorlage befinden, die ihre endgültige Gestalt erst bei der Beratung in den zuständigen Ausschüssen finden wird. Wenn ich als Angehöriger der CDU/CSU- Fraktion auf eine Lücke der Vorlage hinweise, so liegt darin in keiner Weise eine Kritik. Es kann schon deshalb keine Kritik sein, weil der Personenkreis, um den es sich hier handelt, auch in dem Entwurf der Opposition keine Berücksichtigung gefunden hat.Es handelt sich um einen Kreis von Personen, die zwar die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Gesetzes nicht besitzen — und ich habe auch gar nicht die Absicht, den Kreis der Flüchtlinge endlos auszuweiten —, die aber von den gleichen Auswirkungen betroffen sind wie der in § 1 bezeichnete Personenkreis. Es sind nämlich vornehmlich Personen, die ihren ständigen Wohnsitz in Berlin-West, zum Teil aber auch im Zonenrandgebiet haben, ihre selbständige gewerbliche Tätigkeit aber im Ostsektor oder in der Zone ausgeübt haben und deren gewerbliche Tätigkeit oder Vermögen als Altersversorgung gedacht war. Ihre Altersversorgung ist also nicht gesichert, und von den — wie ich mir habe berichten lassen — etwa 50 000 Menschen in BerlinWest sind etwa ein Fünftel oder ein Viertel über 65 Jahre alt und haben keinerlei Altersversorgung, weil sie eben ihr Vermögen drüben verloren haben. Für sie trifft also das zu, was Sie, Herr Minister, hier vorgetragen haben: daß sie heute ausschließlich auf die Bundessozialhilfe angewiesen sind. Ich bin der Meinung, daß man bei den Beratungen auch an diese Personen denken soll; denn die Auswirkungen sind hier dieselben, wie sie in § 10 oder in Abschnitt III und IV aufgezeichnet sind. Infolgedessen muß man also bei der Verabschiedung dieses Gesetzes auch diesen Personenkreis mit berücksichtigen.Ich will meine Ausführungen nicht unnötigerweise ausdehnen, möchte aber wenigstens der Frau Abgeordneten Korspeter etwas sagen. Frau Abgeordnete Korspeter, Sie haben, als Sie von dem Personenkreis sprachen, darauf hingewiesen, daß nicht nur Selbständige, sondern auch Unselbständige keine genügende Alterssicherung hätten. Soweit ich informiert bin, sind die meisten insoweit versorgt, als sie unter das Fremdrentengesetz fallen. Es kann sich also höchstens um einen relativ kleinen Personenkreis handeln, der nach 1945 in der Zone oder im sowjetisch besetzten Gebiet erstmalig rentenversicherungspflichtig wurde. Hier ist also die Sicherung weit mehr gegeben, im Gegenteil: durch das Fremdrentengesetz erhalten sie zumindest in der Bundesrepublik und in Westberlin in der Regel eine viel
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Müller
höhere Rente, als sie sie drüben in der Zone bekommen hätten. Dringend und wichtig ist allerdings, daß die Selbständigen versorgt werden, die ihr Vermögen drüben durch die Maßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht verloren haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte es mir versagen, auf die wirklich überzeugenden Ausführungen der Herren Kollegen Eichelbaum und Schmidt einzugehen. Ich möchte mich auf drei Worte beschränken: Wir werden sehen.
Ich habe nur die Absicht, noch folgendes zu bemerken. Weshalb dieser Gesetzentwurf federführend dem Lastenausgleichsausschuß überwiesen werden soll, ist unerfindlich und wird wahrscheinlich unerfindlich bleiben. Das mag an den verschlungen scheinenden Gedankenpfaden der Regierungsmehrheit liegen. Nach den Erfahrungen, die wir in diesem Punkt — —
— Herr Kollege Wehner, das ist völlig richtig. Deswegen habe ich auch akzentuiert von den verschlungen scheinenden Gedankenpfaden gesprochen. Ich wollte es hier in diesem Augenblick nicht wiederholen. Aber nach den Erfahrungen, die wir gerade in dieser Frage mit unserem Entwurf seinerzeit gemacht haben, halten wir es für zwecklos, noch mit Gründen der Vernunft gegen diese Stellungnahme anzugehen. Wir beschränken uns daher auf den Antrag, diesen Gesetzentwurf in jedem Falle zur Mitberatung auch dem Ausschuß für Heimatvertriebene zu überweisen.
Ich schließe die Aussprache. Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Lastenausgleich — federführend —, zur Mitberatung an den Ausschuß für Heimatvertriebene, den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und — zwangsläufig — an den Haushaltsausschuß. — Es bestehen keine Bedenken; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:Erste Beratung des von den Abgeordneten Drachsler, Dr. Reinhard, Dr. Höchst, Glüsing , Bauknecht, Bewerunge und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (Drucksache IV/1234).Aussprache ist nicht vorgesehen. Es wird Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — vorgeschlagen. Keine Bedenken? — Es ist so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten Bauknecht, Dr. Schmidt , Walter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Abwicklung des Reichsnährstandes und seiner Zusammenschlüsse (Drucksache IV/1277).Es ist keine Aussprache vorgesehen. Vorgeschlagen wird die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 17 ,der Tagesordnung auf:. Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung des Saarlandes ;Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IIV/1274)
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Es liegt der Schriftliche Bericht des Rechtsausschusses auf Drucksache IV/1274 vor, den der Herr Abgeordnete Bauer erstattet hat. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht.Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe Art. 1 auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen.
— Darf ich um Mitwirkung bitten. Ich habe den Art. 1 zur Abstimmung aufgerufen. Ich bitte, Zeichen zu geben, falls zugestimmt wird. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 ist einstimmig angenommen.Auf Umdruck 301 *) liegt der Antrag der Abgeordneten Hoogen, Jahn und Frau Dr. Diemer-Nicolaus vor, einen Artikel 1 a einzufügen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich, Zeichen zu geben.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf: Art. 2, — Einleitung und Überschrift.— Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich schließe ,die zweite Beratung und eröffne diedritte Beratung.Wer dem Gesetz in der Fassung der Abstimmung in der zweiten Beratung 'zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines*) Siehe Anlage 4
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Vizepräsident Dr. DehlerGesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/1275)
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Es liegt auf Drucksache IV/1275 der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Inneres vor, der von dem Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen erstattet ist. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht.Ich rufe auf: Art. I, — Art. II, — Art. III, — Art. IV,— Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite und eröffne diedritte Beratung.Wer zustimmt, erhebe sich bitte. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vierten Protokoll vom 16. Dezember 1961 zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache IV/1276)
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Ich danke der Berichterstatterin Abg. Frau Dr. Rehling für Iden Schriftlichen Bericht. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht. Ich rufe dann auf: Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich eröffne diedritte Beratung.Wer dem Gesetz zustimmt, erhebe sich vom Platz.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 22 der Tagesordnung:Beratung der Übersicht 14 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/ 1282).Der Ausschuß schlägt vor, in den bezeichneten Sachen von einer Beteiligung am Verfahren abzusehen. Ich nehme Ihre Zustimmung an. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 23 der Tagesordnung:Beratung des Antrags des Bundesschatzministers betr. Ausgabe einer Anleihe der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks AG mit Umtauschrecht in Aktien derVolkswagenwerk AG aus dem Bundesbesitz .Zur Frage der Überweisung Herr Kollege Kulawig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der SPD-Fraktion beantrage ich, den Antrag Drucksache IV/1284 zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß und an den Finanzausschuß zu überweisen. Die Überweisung an den Haushaltsausschuß halten wir für notwendig, um Fragen, die sich aus der Veräußerung mittelbaren Bundesvermögens ergeben, einer Klärung zuzuführen. Es handelt sich hier um ein Problem, das seit langem zum Ärger des ganzen Hauses ansteht und einer grundsätzlichen Regelung bedarf. Die Überweisung an den Finanzausschuß halten wir für erforderlich, um gewisse steuerliche Konsequenzen, die in .dieser Vorlage noch sehr unklar geblieben sind, einer Klärung zuzuführen. Um das an einem Beispiel zu erläutern: Was eine Anleihe oder eine Teilschuldverschreibung kosten würde, ist in der Vorlage genau aufgeführt. Die Kosten der geforderten Optionsanleihe aber sind nicht berechnet worden. Wir möchten Sie zur Klärung dieser Angelegenheit bitten, unserem Überweisungsantrag zuzustimmen.
Bestehen Bedenken dagegen, daß wir so verfahren, also den Antrag an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß und den Finanzausschuß zur Mitberatung überweisen? — Es werden keine Bedenken erhoben; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 24 der Tagesordnung:Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Sechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Drucksachen IV/1292, IV/1324).Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Werner auf Drucksache IV/1324. Das Haus nimmt von dem Bericht Kenntnis.Ich rufe auf Punkt 25 der Tagesordnung:Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Siebenundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Drucksachen IV/1262, IV/1269).Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Hesemann auf Drucksache IV/1269. Das Haus nimmt von dem Bericht Kenntnis.Ich rufe auf Punkt 26 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Neunundfünfzigste, Sechzigste und Einundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deut-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963 3819
Vizepräsident Dr. Dehlerschen Zolltarifs 1962 .Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher, dem ich danke. Es wird vom Ausschuß vorgeschlagen, zu beschließen, den Verordnungen unverändert zuzustimmen, aber die Bundesregierung zu ersuchen, darauf hinzuwirken, daß künftig die Organisationen der EWG ihre Entscheidung so rechtzeitig treffen, daß die parlamentarische Behandlung noch einen Sinn hat.Herr Kollege Rinderspacher hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein Wort zur Aufklärung. Es sind Irrtümer entstanden über das Jungfernöl. Um aufklärend zu wirken, möchte ich sagen: Beim Jungfernöl handelt es sich um die erste Pressung von Oliven. Es ist also ein besonders hochwertiges Olivenöl. Spekulationen anderer Art sind also abwegig.
Ich schließe die Aussprache. Ich nehme das Einverständnis des Hauses mit dem Vorschlag des Ausschusses an. — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die die von der Bundesregierung, vorgelegte Vierundsechzigste und Fünfundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Drucksachen IV/1295, IV/1296, IV/1327).Der Herr Berichterstatter, Abgeordneter Menke, trägt namens des Ausschusses den Antrag vor, den Verordnungen unverändert zuzustimmen. Ich nehme das Einverständnis des Hauses an. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 28 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Sechsundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Drucksachen IV/ 1297, IV/1328).Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Krug. Antrag des Ausschusses: Der Bundestag wolle beschließen, die Verordnung abzulehnen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ohne Erinnerung? — Ich stelle fest, daß das Haus so beschlossen hat.Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Siebenundsechzigste, Neunundsechzigste und Siebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Drucksachen IV/1298, IV/1299, IV/1300, IV/1329).Es liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Urban vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Antrag des Ausschusses: den Verordnungen unverändert zuzustimmen. Ohne Erinnerung? — Es ist so beschlossen.Punkt 30 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Zolltarifverordnung (Deutscher Zolltarif 1963) (Drucksachen IV/1301, IV/1332).Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Bading, dem ich dafür danke. Antrag des Ausschusses: dem Verordnungsentwurf unverändert zuzustimmen. Das Wort wird nicht gewünscht. Darf ich die Zustimmung des 'Hauses feststellen? — Es ist so beschlossen.Punkt 31 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von 'der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates der EWG über die Kriterien für die Festsetzung der Erstattung bei der Erzeugung von Getreide- und Kartoffelstärke (Drucksachen IV/1278, IV/1330).Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Saxowski. Der Ausschuß beantragt, zu beschließen,die Bundesregierung zu ersuchen,1. den Vorschlag der Kommission der EWG — Drucksache IV/1278 — abzulehnen,2. bei den weiteren Verhandlungen in Brüssel darauf hinzuwirken, daßa) die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen auf dem Stärkemarkt beseitigt undb) für Kartoffelstärke eine Lösung gefunden wird, die den besonderen Verhältnissen dieses Marktes gerecht wird.So schwer gestaltet sich Europa! — Ich stelle den Antrag des Ausschusses bei seiner Bedeutung zur Abstimmung. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 32 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates der EWG über die Verlängerung der Abschöpfungsregelung für Glukose und Glukosesirup (Drucksachen IV/1302, IV/1325).Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Müller , dem ich dafür danke. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, den Verordnungsentwurf zur Kenntnis zu nehmen. Kein Widerspruch? — Es ist so beschlossen.
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3820 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Juni 1963
Vizepräsident Dr. DehlerPunkt 33 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Aussenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates der EWG zur Änderung der Futtergetreidemenge, die zur Erzeugung von einem Kilogramm Hühner erforderlich ist, und zur Änderung des Einschleusungspreises für geschlachtete Hühner (Drucksachen IV/1303, IV/1326).Der Bericht ist von Herrn Abgeodanke.Herr Kollege Badingrdneten Glüsing , dem ich dafür hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir hierzu eine kurze Bemerkung. Als der Außenhandelsausschuß die Vorlage 1303 betreffend die Verordnung des Rates zur Änderung der Futtergetreidemenge, die zur Erzeugung von einem Kilogramm Hühnerfleisch erforderlich ist, und zur Änderung des Einschleusungspreises für geschlachtete Hühner behandelte, lag dem Ausschuß nicht die Verordnung des EWG-Rates über die Festsetzung eines zusätzlichen Abschöpfungsbetrages für geschlachtete Hühner aus dritten Ländern vor. Beide Verordnungen stehen in einem inneren Zusammenhang. Aus welchem Grunde die eine Verordnung dem Bundestag zugeleitet worden ist, die andere, ohne an den Bundestag geleitet zu werden, direkt im Amtsblatt der EWG veröffentlicht worden ist, ist nicht ersichtlich. Wir stimmen daher wohl dem vorliegenden Antrag des Außenhandelsausschusses zu, erklären aber, daß dies nicht eine Zustimmung zur Verordnung 46/63 des EWG-Rates bedeutet.
Ich kann also feststellen, daß das Haus dem Antrag auf Drucksache 1326 zustimmt, der Bundesregierung zu empfehlen, den Vorschlag der EWG-Kommission in Drucksache 1303 abzulehnen.
— Da sind wir uns einig.
— Das Haus stimmt also dem Antrag des Ausschusses zu; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann auf den Tagesordnungspunkt 34:
Nachwahl eines Mitglieds des Rundfunkrates der gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutschlandfunk".
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 15. Mai 1963 vorgeschlagen, für den verstorbenen Abgeordneten Döring den Abgeordneten Dr. Hellige in den Rundfunkrat zu entsenden. — Das Haus ist mit diesem Vorschlag einverstanden; Herr Abgeordneter Dr. Hellige ist damit gewählt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 35:
Nachwahl von "Mitgliedern des Vermittlungsausschusses.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 12. Juni 1963 gebeten, für den Vermittlungsausschuß folgende Nachwahl vorzunehmen: für den aus dem Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Wittrock den Abgeordneten Jahn als ordentliches Mitglied, als Stellvertreter für den Abgeordneten Jahn den Abgeordneten Dr. Reischl, als Stellvertreter für den Abgeordneten Dr. Möller den Abgeordneten Seuffert. — Das Haus ist damit einverstanden; dann sind also die Abgeordneten Jahn, Dr. Reischl und Seuffert gewählt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 36:
Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank .
Es liegt Ihnen vor der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache IV/1342. — Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist; es ist dann so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Donnerstag, den 20. Juni, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.