Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
— Vor Eintritt in Idie Tagesordnung, Herr Abgeordneter Rasner, zuerst 'die Glückwünsche — Glückwünsche üblicher Art meine ich, nicht „besondere" —, zunächst .dem Abgeordneten Dr. Deist, ,der am Montag 60 Jahre alt geworden ist.
Am selben Tage wurde Abgeordneter Wittmer-Eigenbrodt 73 Jahre,
Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Wir stimmen über den Antrag der Koalitionsparteien ab. Wer für diesen Antrag, d. h. für Absetzung des Punktes 5 von
B) der Tagesordnung ist, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Punkt 5 ist von der Tagesordnung abgesetzt.
Es liegt ein weiterer Antrag zur Tagesordnung vor, und zwar betreffend Aufsetzung der zweiten und dritten Beratung des Entwurfs einer Sechzehnten Novelle zum Lastenausgleichsgesetz. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion beantrage ich, den Entwurf eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes, Drucksache IV/395, zur zweiten und dritten Beratung auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu setzen. Zur Begründung darf ich auf folgendes hinweisen.
Die zweite Beratung der Vorlage stand bereits am Freitag voriger Woche auf der Tagesordnung. Wegen der vorgeschrittenen Zeit und mit Rücksicht auf die Meinung einiger Mitglieder des Haushaltsausschusses wurde die Beratung der Vorlage auf Grund interfraktioneller Absprache unter der ausdrücklichen Voraussetzung abgesetzt, daß ihre zweite und dritte Lesung auf die heutige Tagesordnung gebracht werden würde. Ich hätte der Absetzung am vorigen Freitag nicht zugestimmt und auch nicht zustimmen können, wenn nicht diese interfraktionelle Zusicherung erfolgt wäre. Ich kann nicht annehmen, daß das Haus es billigen könnte, eine solche Absprache wider das Vertrauen zu verletzen.
Einige Mitglieder des Haushaltsausschusses sind der Meinung, daß die Vorlage noch im Haushaltsausschuß weiterberaten werden müsse. Ich darf dazu folgendes feststellen. Die Vorlage ist im Haushaltsausschuß unter der Annahme, daß es eine Finanzvorlage im Sinne des § 96 der Geschäftsordnung sei, beraten worden.
— Nein, zur Tagesordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Hohen Hause in Unterstützung des Antrages Rehs einen einzigen Tatbestand zur Kenntnis bringen. Hier liegt eine Gesetzgebungslücke vor, die den sozialen Status von 350 000 Menschen betrifft, die nun schon seit Jahr und Tag darauf warten, daß ihre Schicksalsfrage von diesem Hause beantwortet wird. Seit dem 3. Bundestag steht diese Frage zur Entscheidung an, und immer wieder kommt der Einwand, die Regierung habe nicht genügend Zeit gehabt, die Aussage vorzubereiten, was das an finanzieller Belastung bedeute. Herr Kollege Rasner, wenn es sich um eine
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Vorlage zugunsten der Grünen Front gehandelt hätte, hätte auch die Bundesregierung sich beeilt.
Das Wort hat der Abgeordnete Rutschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich der Erklärung, die der Kollege Krüger abgegeben hat, anschließen. Auch die Kreise in meiner Fraktion, die sich mit den Fragen des Lastenausgleichs eingehend beschäftigt haben, sind der Meinung, daß die Entscheidung der Frage des Stichtags und damit die Entscheidung über die 16. Novelle nicht weiter hinausgeschoben werden kann. Wir bitten daher, den Antrag der SPD anzunehmen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag ist, die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes auf die Tagesordnung zu setzen, gebe das Handzeichen. — Meine Damen und Herren, es ist nicht deutlich festzustellen, wie die Mehrheitsverhältnisse sind. Ich bitte abzustimmen durch Erheben von den Sitzen. Wer dafür ist, erhebe sich von seinem Sitz. — Wer ist dagegen? — Es ist keine Einmütigkeit festzustellen. Wir müssen durch Hammelsprung entscheiden. — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Abgegeben wurden insgesamt 389 Stimmen. 8 Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten; mit Ja haben 190, mit Nein 191 gestimmt.
Damit ist der Antrag abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, treten wir in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 auf:
Fragestunde .
Wir kommen zunächst zu ,der Frage — des Abgeordneten Ritzel — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zur Abstellung der vielfachen Beschwerden über die Umgehung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Tierschutzgesetzes vom 18. August 1961 zu tun?
— Meine Damen und Herren, ich bitte doch, Privatgespräche draußen führen zu wollen. — Bitte, Herr Minister!
Ich darf die Frage des Herrn
Kollegen Ritzel wie folgt beantworten. In den mir vorliegenden Beschwerden wird Klage ,darüber geführt, daß nach Italien Pferde als Nutz- und Zuchtpferde ausgeführt und dort geschlachtet würden. Auf Grund der geltenden tierschutzrechtlichen Vorschriften ist die Ausfuhr nur von Schlachtpferden, nicht aber von Nutz- und Zuchtpferden verboten. Die Ausfuhr von Schlachtpferden kann daher nur im Wege der Ausnahmeerlaubnis erfolgen. Für die Ausfuhr von Schlachtpferden nach Italien wird eine Ausnahmeerlaubnis nicht erteilt. Nach italienischen Bestimmungen dürfen Pferde nach Italien nur eingeführt werden, wenn sie von einem amtstierärztlichen Gesundheitszeugnis begleitet sind. Zur Ausstellung eines Gesundheitszeugnisses werden die Pferde von einem beamteten Tierarzt untersucht. Bei dieser Untersuchung wird auch gleichzeitig geprüft, ob die Pferde für den in den Begleitpapieren angegebenen Zweck verwendungsfähig sind. Trifft diese Voraussetzung zu, dann kann nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen die Ausfuhr von Nutz- und Zuchtpferden nach Italien nicht unterbunden werden. Nachforschungen anzustellen, ob die Pferde in Italien auch zu dem angegebenen Zweck verwendet werden, ist mir nicht möglich, da deutsche Behörden nicht befugt sind, in Italien derartige Ermittlungen durchzuführen.
Sollte der Nachweis erbracht werden, daß bei der Ausfuhr von Pferden nach Italien gegen das Ausfuhrverbot von Schlachtpferden verstoßen worden ist, wird es Aufgabe der zuständigen Landesbehörden sein, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
Zusatzfrage!
Ist Ihnen bekannt, Herr Bundesminister, daß der Vorsitzende des Bayerischen Bauernverbandes Protest dagegen erhoben hat — auch bei Ihnen hat er protestiert —, daß Pferde, die nicht als Schlachtpferde bezeichnet wurden, für die keine Ausfuhrerlaubnis als Schlachtpferde erteilt wurde, nach Italien, zum Teil unter unwürdigen Umständen, verfrachtet wurden, um dort als Schlachtpferde zu dienen?
Herr Kollege Ritzel, die Angelegenheit wurde uns mitgeteilt; sie wird zur Zeit überprüft.
Eine weitere Zusatzfrage!
Darf ich Ihnen die Spezialfragestellen, ob ihnen der Brief in Erinnerung ist, der Ihnen am 7. November aus Grafing vor München zuging und aus .dem ich zitieren darf:
Ich möchte Ihnen
— Ihnen, Herr Minister, —
mitteilen, daß am Freitag, den 2. November um
1/28 Uhr am Bahnhof Murnau/Obb. ein Waggon
Oberländer Hengstfohlen verladen wurde, die
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Ritzel
seit etwa 2 Monaten bei den Bauern auf Abruf standen. In den Waggon wurden 29 Fohlen verladen, der Waggon hatte 33 qm Fläche und war ein Waggon. für Auslandstransporte. Die Fohlen wurden verladen von dern Pferdehändler, Herrn Bauer, Großkarolinenfeld bei München, der auch der Käufer war. Schon vorher sollen 2 Waggons mit Hengstfohlen verladen worden sein. Ich habe 2 Zeugen dafür, daß die allgemeine Meinung der Bauern war, daß die Fohlen nach Italien zum Schlachten kämen. Die Zeugenaussagen lege ich bei, auch ein Bild, welches ich machen ließ.
Darf ich fragen: Was haben Sie auf Grund dieser Mitteilung veranlaßt, Herr Bundesminister?
Der Brief ist ans Bayerische Staatsministerium gegangen. Die Angelegenheit wird dort überprüft; denn es ist Landesangelegenheit, .die Dinge zu überprüfen. Wir 'bekommen Bericht. Ich bin gern bereit, Ihnen von •dem Bericht Kenntnis zu geben.
Herr Abgeordneter Schäfer!
Herr Minister Schwarz, haben Sie von sich aus das Bayerische Staatsministerium zur Berichterstattung aufgefordert?
Sämtliche Anfragen dieser Art gehen an die zuständigen Landesregierungen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß sich die Landesregierungen mit den Sachen befassen. Sowie wir die entsprechende Mitteilung bekommen, werden wir auch entsprechend verfahren bzw. Anfragen erledigen.
Zweite Zusatzfrage!
Heißt das, Herr Minister, daß die Landesbehörden Ihnen unaufgefordert berichten?
Nein.
Aber Sie haben nichts veranlaßt?
Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen eine Zusatzfrage!
Haben Sie auch schon einmal Ihr Augenmerk darauf gerichtet, daß Schlachtpferde offensichtlich zu Rennpferden werden, wenn es sich darum handelt, das Ausfuhrverbot zu umgehen?
Herr Kollege, die Berichte werden von uns angefordert, so daß wir diejenigen sind, die auf die Innehaltung der Gesetze drängen. Die durchführenden Organe sind die Landesregierungen. Wir können nur auf Grund der Berichte dieser Stellen 'nachher weiteres veranlassen.
— Herr Kollege Ritzel, das hat nichts damit zu tun, ob wir ein Herz haben oder nicht, sondern es hat lediglich mit 'dem Verfahrensweg zu tun, der deshalb umständlich ist, weil wir nicht in die Befugnisse der Länder eingreifen können. Wir müssen den Ländern die Durchführung der Gesetze Überlassen.
Frage des Abgeordneten Bauer — IV Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung —:
Trifft die in der Presse aufgetauchte Meldung zu, daß von bundesdeutschen Anwerbungs-Kommissionen wegen ansteckender Krankheiten abgewiesene Fremdarbeiter in zunehmender Zahl auf eigene Faust in die Bundesrepublik einreisen, sich nach Erhalt einer Arbeitsstelle krank melden und dann deutsche Krankenhäuser belasten?
Die von den Anwerbekommissionen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung angeworbenen ausländischen Arbeitnehmer werden vor ihrer Ausreise in die Bundesrepublik durch Ärzte der Bundesanstalt untersucht. Die Untersuchung bezweckt vor allem den Ausschluß ansteckender Krankheiten. Die auf Grund des Untersuchungsergebnisses abgelehnten Ausländer werden von der Bundesanstalt in einer Zentralkartei erfaßt. Da jedoch ausländische Arbeitnehmer auch ohne Einschaltung der Anwerbekommissionen zur Arbeitsaufnahme in die Bundesrepublik einreisen dürfen, läßt sich die Einreise von Personen, die von einer Anwerbekommission abgelehnt worden sind — insbesondere aus EWG-Ländern —, nicht verhindern. Durch die von der Bundesanstalt geführte Zentralkartei ist aber sichergestellt, daß sich solche wegen Krankheit abgelehnten Ausländer einer nochmaligen ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen, bevor ihnen das zuständige deutsche Arbeitsamt die Arbeitserlaubnis erteilt.
Unabhängig von dieser Kontrolle durch die Bundesanstalt wird auch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei allen Ausländern, die ohne Einschaltung einer Anwerbekommission der Bundesanstalt eingereist sind, davon abhängig gemacht, daß sie sich in der Bundesrepublik vorher einer ärztlichen Untersuchung unterziehen.
Es liegen mir keine Meldungen vor, aus denen zu schließen wäre, daß Ausländer, die von einer Anwerbekommission wegen ansteckender Krankheiten abgewiesen worden sind, in zunehmender Zahl und in einem Umfang, der zur Besorgnis Anlaß gäbe, in die Bundesrepublik eingereist sind und deutschen Krankenhäusern zur Last fallen.
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Ich rufe auf die Frage V — des Abgeordneten Lohmar — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung:
Beabsichtigt die Bundesregierung eine Ausweitung des Truppenübungsplatzes Senne über die sogenannte Brunnenreihe hinaus?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage VI — des Abgeordneten Diebäcker, vertreten durch den Abgeordneten van Delden — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr:
Beabsichtigt die Bundesregierung, geeignete Schritte gegen die Verweigerung von Landerechten an die Deutsche Lufthansa AG in Nairobi/Kenia zu unternehmen, zumal in der Haushaltsrede des Bundesfinanzministers darauf hingewiesen wurde, daß bei Vergabe von Entwicklungshilfe diese Gesichtspunkte berücksichtigt werden sollten?
Im Hinblick auf die bisher verweigerten Landerechte in Nairobi wird die Deutsche Lufthansa die zur Zeit über Ostafrika geführte Fluglinie nach Johannesburg mit dem Ende dieses Jahres einstellen und statt dessen ihren Flugdienst über Lagos hinaus nach Johannesburg verlängern. Es darf angenommen werden, daß die Erträge dieser neuen, sehr schnellen Flugverbindung mit einer Zwischenlandung befriedigen werden.
Das Interesse der Lufthansa an einer Linienführung über Ostafrika besteht jedoch fort. Deswegen wird der Flugliniendienst bis Khartum aufrechterhalten. Unabhängig davon hat die Bundesregierung die Regierungen der drei ostafrikanischen Länder Kenia, Tanganjika und Uganda, die ihre Verkehrsbelange in einer gemeinsamen Organisation, nämlich der East African Common Services Organization, wahrnehmen, zu Verhandlungen über Luftverkehrsabkommen nach Bonn eingeladen mit dem Ziel, auch die Frage der Landerechte in Nairobi und anderen Flughäfen, wie zum Beispiel Daressalam, befriedigend zu klären.
Da offenbar ein wesentlicher Grund für die Verweigerung der Landerechte in der Befürchtung liegt, daß die von den drei Ländern gemeinsam unterstützte Gesellschaft East African Airways durch eine Beteiligung der Lufthansa an dem Verkehr über Nairobi finanzielle Verluste erleiden würde, sind neben den Verhandlungen auf Regierungsebene mit Zustimmung der Bundesregierung Besprechungen zwischen der Deutschen Lufthansa und dem ostafrikanischen Unternehmen eingeleitet worden, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu prüfen.
Es ist nicht beabsichtigt, die Auszahlung der Kenia und Tanganjika zugesagten Kredite von jeweils 35 Millionen DM von einer Gewährung der Landerechte in Nairobi abhängig zu machen, weil die Kredite bereits 1961 den Gebieten verbindlich zugesagt worden waren, also zu einer Zeit, als die Gewährung der fünften Freiheit in Nairobi noch nicht erbeten worden war. Dagegen soll die Zusage zukünftiger Kredite für die in der East African Common Services Organization zusammenarbeitenden drei ostafrikanischen Länder davon abhängig gemacht werden, daß uns seitens der verantwortlichen Regierungen in der Frage der Landerechte der Lufthansa in Nairobi eine dem Geiste gegenseitiger Partnerschaft entsprechende Lösung zugestanden wird.
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, ist Ihnen außer dem hier vorgetragenen Fall noch ein weiterer Fall der Verweigerung von Landerechten in Entwicklungsländern bekannt?
Jawohl; daran sind wir leider Gottes gewöhnt. Ich darf Sie nur daran erinnern, daß wir vergebens bei der indischen Regierung um Landerechte in Neu-Delhi gebeten haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Blumenfeld.
Herr Minister, sind Sie in der Lage, uns mitzuteilen, in welchem Verhältnis bei der Lufthansa der Einsatz von Bodenpersonal und fliegendem Personal zu den zahlenden Fahrgästen bei einer Linienführung nach Johannesburg über die verschiedenen Länder, die Sie eben in Ihrer Antwort erwähnt haben, steht?
Herr Kollege Blumenfeld, wir werden natürlich das Personal, das dort bisher beschäftigt war, jetzt abziehen. Wir haben es ja dort eingesetzt gehabt in der Erwartung, daß uns nach den entsprechenden Zusagen die Landerechte gegeben werden.
Die Relation von Flugpersonal und Bodenpersonal vermag ich Ihnen aus dem Gedächtnis nicht anzugeben; ich bin aber gern bereit, Ihnen die Zahlen darüber zu geben. Bei der Linie nach Lagos entspricht sie den normalen Verhältnissen wie bei der südamerikanischen Linie.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ich meine nicht die Relation zwischen Bodenpersonal und Flugpersonal, sondern ich meine, da es sich hier ja auch um finanzielle Fragen handelt, die Relation zwischen Aufwand und Ergebnis, zwischen der Zahl des Boden- und Flugpersonals und der Zahl der zahlenden Fluggäste. Für Angabe dieser Relation wäre ich Ihnen sehr dankbar, und ich frage, ob Sie sie mir vielleicht gelegentlich mitteilen könnten.
Ich kann Ihnen die genauen Zahlen jetzt nicht angeben; ich kann Ihnen nur sagen, daß die Linie nach
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Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
Johannesburg bisher defizitär war, daß das aber bei neu aufgenommenen Linien im ersten Jahr immer der Fall ist, daß wir aber die Linie eingestellt haben, weil wir nicht annehmen konnten, daß wir sie bei den uns für diese Linie auferlegten Beschränkungen, bei der jetzigen Situation ohne die Landerechte, ertragreich machen könnten. Ich will gern versuchen, Ihnen die Zahlen, die Sie wünschen, mitzuteilen.
Frage des Abgeordneten Wächter auf Drucksache IV/833:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um der Verteuerung der Milchanlieferung an die Molkereien und Milchsammelstellen zu begegnen, die sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. April 1962 — VII C 34.61 — betr. § 80 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes ergibt?
Herr Kollege Wächter, die An- und Abfuhr von Milch und Milcherzeugnissen wurde auch bisher schon nicht nur im Wege der sogenannten „Nachbarschaftshilfe" nach § 80 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes, sondern weitgehend auch als gewerblicher Güternahverkehr durchgeführt. Das von Ihnen angezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April ds. Js. trägt zur Abgrenzung beider Rechtsbegriffe bei, braucht aber im Einzelfalle nicht zu einer Erhöhung der An- und Abfuhrkosten zu führen.
Soweit nämlich die nach dem Güternahverkehrstarif vorgesehene Unterschreitung der Richtsätze des Tarifs um 30 % nicht ausreicht, um entsprechend den örtlichen Verhältnissen angemessene Entgelte zwischen den Beteiligten zu vereinbaren, stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
a) Der Abschluß eines Dauervertragsverhältnisses nach § 3 des Güternahverkehrstarifs mit einer Unterschreitung der Richtsätze bis zu 40 %;
b) der Abschluß eines genehmigungspflichtigen Sondervertrags nach § 15 Abs. 2 des Güternahverkehrstarifs, bei dem eine Unterschreitung der Richtsätze ohne bestimmte Grenze möglich ist;
c) der Erlaß eines Landessondertarifs nach § 15 Abs. 1 des Güternahverkehrstarifs.
Dieser Landessondertarif ist im Lande Rheinland-Pfalz bereits erlassen worden, und er wird im Land Hessen erwogen. Wegen der sehr unterschiedlichen Verhältnisse in den einzelnen Ländern und Regionen dürfte es schwierig sein, einen Bundestarif für die Nahverkehrstransporte von Milch und Milchprodukten zu schaffen. Trotzdem wird unabhängig von dem Bemühen, den örtlichen Gegebenheiten angepaßte Landessondertarife zu schaffen, durch Verhandlungen zwischen der Arbeitsgemeinschaft Güternahverkehr, der Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände der Milchfahrer und den beteiligten Stellen der Landwirtschaft, insbesondere dem Verband der Landwirtschaftskammern, dem Deutschen Raiffeisenverband und dem Deutschen Bauernverband, unter Beteiligung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des Bundesministers für Verkehr geprüft werden, ob die Voraussetzungen für den Erlaß eines Sondertarifs für die Beförderung von Milch und Milcherzeugnissen mit Geltung für das gesamte Bundesgebiet gegeben
sind und ob auf diesem Weg Abhilfe geschaffen werden kann.
Frage II/2 — des Abgeordneten Peiter — auf Drucksache IV/833:
Hat die Bundesregierung Vorsorge getroffen, daß mit dem Bau von Ersatzwohnungen für die Bewohner der „Linder Höhe" begonnen wird, bevor die derzeitig bewohnten Gebäude für Zwecke des Flugplatzes Wahn geräumt werden müssen?
Herr Abgeordneter Peiter ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Frage VII auf Drucksache IV/832 — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen; Frage des Abgeordneten Bauer —:
Welche Stellungnahme bezieht die Bundesregierung zu der Behauptung, es sei heute technisch möglich, eine Fernsprechleitung „anzuzapfen", um auf diese Weise Gespräche in Räumen selbst dann unmittelbar aufzunehmen und mitzuhören, wenn der im fraglichen Raum befindliche Telefonapparat durch Aufliegen des Hörers außer Betrieb ist?
Die in einem im Ruhezustand befindlichen Fernsprechapparat durch Gespräche erzeugten Spannungen sind so gering, daß sie praktisch nicht nutzbar gemacht werden können.
Eine Zusatzfrage!
Ist Ihnen bekannt, Herr Bundesminister, daß Reisende, die Besuche bei westlichen Diplomaten in Ostblockstaaten gemacht haben, beobachten und glaubhaft berichten konnten, daß Diplomaten vorher den Stecker herausgenommen haben, um zu vermeiden, daß das Gespräch eventuell mitgehört wird, und glauben Sie, daß die östliche Seite auf diesem Gebiet vielleicht größere Erfahrungen hat?
Herr Kollege Bauer, die Methoden der östlichen Seite sind mir nicht bekannt. Vorsicht ist hier in jedem Fall angebracht, auch wenn es nur theoretische Möglichkeiten des Mithörens gibt. Die praktischen Möglichkeiten sind jedoch so gering, wie ich das in meiner Antwort zum Ausdruck gebracht habe.
Letzte Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, gründet sich Ihre Antwort auf Ermittlungen beim fernmeldetechnischen Zentralamt in Darmstadt?
Diese Antwort stammt aus dem Bundespostministerium. Das Ministerium bedient sich selbstverständlich aller seiner technischen Einrichtungen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
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Herr Minister, zu welchem Ergebnis haben die Überprüfungen geführt, die hier in diesem Hause angekündigt worden sind?
Die Überprüfungen sind noch nicht abgeschlossen. Bis jetzt sind andere Ergebnisse als solche, die meine bisherige Auffassung bestätigt hätten, daß die Deutsche Bundespost in keinem Fall gegen Art. 10 des Grundgesetzes verstoßen hat, nicht erzielt worden.
Zweite Zusatzfrage!
Werden Sie von sich aus dem Hause oder notfalls dem Verkehrsausschuß über das Ergebnis Ihrer Ermittlungen berichten?
Dem Hause an und für sich nicht. Wenn das gewünscht würde, müßte das beantragt werden. Nach der Geschäftsordnung bin ich nicht in der Lage, dem Hause unaufgefordert Berichte zuzuleiten. Ich kann sie dem einzelnen Abgeordneten zuleiten, aber nicht dem Hause. Ich bin selbstverständlich bereit, jedem Ausschuß, für den das gewünscht wird, Rede und Antwort zu stehen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Ich rufe auf die Frage VIII/1 — des Abgeordneten Ritzel —:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die Trinkmilchversorgung der Kleinkinder gegen erhöhte Radioaktivität zu schützen?
Hinsichtlich der Frage, die Sie, Herr Ritzel, stellen, stehen wir vom Bund aus in einer ständigen engen Verbindung mit den Ländern. Das Problem der Trinkmilchversorgung der Säuglinge und Kleinkinder ist bereits mehrfach diskutiert worden, zuletzt in der Fragestunde des Bundestages am 11. Oktober 1962. Ich habe damals mitgeteilt, daß in enger Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern für den Fall einer bedenklich hohen Kontamination der Milch Vorsorgemaßnahmen getroffen sind, um die Trinkmilchversorgung für diesen Personenkreis sicherzustellen: z. B. die Bevorratung von Kondensmilch für Säuglinge und Trockenmilchpulver für Kleinkinder. Ausführliche Unterlagen über die Art und Weise sowie den letzten Stand der Bevorratung, die mit dem ständigen Ausschuß für Umweltradioaktivität der Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Bundesländer abgestimmt wurden, liegen den beiden Bundestagsausschüssen für Gesundheitswesen und Atomkernenergie vor.
Eine Zusatzfrage!
Frau Minister, ist es möglich, verseuchte Milch etwa durch Abkochen genießbar zu machen? Kann das verantwortet werden?
Milch, die radioaktiv verseucht ist, kann man durch Abkochen nicht wieder genießbar oder unschädlich machen.
Zweite Zusatzfrage!
Wieviel Fälle sind im Jahre 1962 bekanntgeworden, in denen Milch durch radioaktive Einflüsse verseucht wurde? Ist bekanntgeworden, daß Kühe radioaktiv verseuchte Milch geliefert haben?
Ich habe mich soeben bei meinen Mitarbeitern informiert, die mir erklären, daß der Grenzwert für die Gesundheitsschädlichkeit in keinem Fall überschritten worden ist.
Frage VIII/2 — des Herrn Abgeordneten Ritzel —:
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zum Schutz der Trinkwasserversorgung bei erhöhter Radioaktivität?
In der Sitzung des Bundestages am 24. Januar 1962 habe ich in der Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion über die von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen zum Schutz der Trinkwasserversorgung bei erhöhter Radioaktivität eingehend berichtet, und ich habe auch auf die für die nächsten zwei Jahre vordringlich geplanten Maßnahmen hingewiesen. Die Zahl der Zisternen und der daraus zu versorgenden Menschen konnte inzwischen weiter gesenkt werden. Die noch auf Zisternenwasser angewiesene Bevölkerung wird im Gefahrenfalle durch Frischwasseranfuhr nach von den Ländern festgelegten Plänen versorgt. Für besonders abgelegene Anwesen, wie z. B. auf Inseln und Halligen, wurden Filtergeräte angeschafft.
Zusatzfrage!
Welche Erfahrungen, Frau Minister, hat man auf Grund ,der inzwischen erlassenen bayerischen Vorschriften gemacht, wonach chemische Zusätze dem Wasser beigefügt werden, um es genießbar zu machen?
Ich kann nicht sagen, daß diese Erfahrungen positiv sind. Das Bundesgesundheitsamt hat sich mit der Frage beschäftigt, und es hat Bedenken dagegen erhoben, daß diese Maßnahmen wirklich eine Sicherung bedeuten.
Letzte Zusatzfrage!
Ist gefährdetes Wasser, das destilliert wurde, auf die Dauer gesundheitsschädlich oder nicht?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2301
Ich ,glaube nicht, daß eine Destillation die hinreichende Maßnahme ist.
Ich rufe auf die Frage VIII/3 — des Abgeordneten Dr. Nissen —:
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um angesichts der heute in der Presse veröffentlichten bedrohlich ansteigenden Meßwerte einer Luftverunreinigung mit Schwefeldioxyd besonders die Bevölkerung des Ruhrgebiets vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren?
Es sind verschiedene Maßnahmen geplant.
Erstens. Die Bundesregierung wird in der Technischen Anleitung nach § 16 Abs. 3 der Gewerbeordnung die Grundsätze und Maßstäbe aufstellen, die bei der Bekämpfung der Schwefeldioxyd-Emissionen und -Immissionen zu beachten sind. Ein Entwurf für die Technische Anleitung liegt bereits vor.
Zweitens. Eine wesentliche Verminderung der Schwefeldioxyd-Emissionen ist erst dann zu erwarten, wenn geeignete Verfahren zur Entschwefelung der Rauchgase entwickelt worden sind. Ein Verfahren, das sich in einer kleineren technischen Anlage beim Volkswagenwerk bereits bewährt hat, wird vom Bund deshalb durch ERP-Mittel gefördert mit dem Ziel, das Verfahren für mittlere und große Anlagen betriebsreif zu machen.
Drittens. Solange die Rauchgas-Entschwefelung in größerem Umfange noch nicht vorgenommen werden kann und die Schwefeldioxyd-Emissionen nicht wesentlich gesenkt werden, kann sich ein schnelles Ansteigen des Schwefeldioxyd-Pegels unter dem Einfluß bei uns seltener langandauernder Inversionswetterlagen auf Werte, die für die Gesundheit besonders anfälliger Personen bedenklich sind, wiederholen.
Ich halte es deshalb für erforderlich, daß für solche Fälle besondere Vorkehrungen getroffen werden. Dabei denke ich z. B. an die Bereitstellung schwefelarmer Brennstoffe in Kraftwerken.
Das Bundesministerium für Gesundheitswesen wird diese Frage mit den Ländern erörtern. Eine Fühlungnahme mit Nordrhein-Westfalen, das ja besonders betroffen ist, hat bereits stattgefunden.
Zusatzfrage!
Frau Ministerin, teilen Sie meine Auffassung, daß durch die Fernsehberichterstattung und Presseberichterstattung in der vergangenen Woche die Bevölkerung auf die bestehenden Gefahren in einem Maße aufmerksam wurde, das es sowohl von seiten Ihres Hauses wie auch vom Plenum her notwendig macht, alle erforderlichen Koordinierungen, die Sie dankenswerterweise schon aufgezeigt haben, einzuleiten, um wenigstens auf dem Wege der technischen Forschung die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß wir eines Tages auch gesetzgeberisch tätig werden können?
Ich glaube, daß alle diese Maßnahmen von der Sache her und um der Gesundheit der Bevölkerung willen unbedingt notwendig sind. Daß zusätzlich durch die Fernsehübertragungen und Pressemeldungen die Aufmerksamkeit darauf gerichtet worden ist, ist dankenswert. Aber dies war nicht nötig, um unsere Maßnahmen einzuleiten.
Letzte Zusatzfrage!
Frau Ministerin, ist Ihrem Hause bekannt, daß in einigen Großstädten der Vereinigten Staaten von Amerika schon besondere klimatische Verhältnisse — ich meine Nebel — dazu geführt haben, daß der gesamte Kraftfahrzeugverkehr lahmgelegt werden mußte, — ein Umstand, dem wir auch im Zusammenhang mit dieser Frage — es handelt sich dabei ja um das Freiwerden von Benzpyren — rechtzeitig und frühzeitig Beachtung schenken sollten?
Es ist mir bekannt, daß das in Los Angeles nötig war. Die klimatischen Verhältnisse sind dort, soweit ich unterrichtet bin, noch ungünstiger und gefährlicher als bei uns. Aber selbstverständlich müssen wir auch dies ins Auge fassen.
Damit ist die für heute vorgesehene Fragestunde erledigt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Verordnung über die Verringerung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von Eiprodukten .
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pflaumbaum.
Herr Präsident! Mehr sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag steht erneut die Frage an, welchem Ausschuß diese Verordnung zur Federführung zu überweisen ist, dem Ernährungsausschuß oder dem Außenhandelsausschuß. Die gleiche Frage hat bereits am 8. November 1962 angestanden, als es um den Antrag ging, die Abschöpfungssätze bei polnischen Gänsen zu senken. Damals entstand eine kurze Debatte darüber, die das Für und das Wider klärte. Man sollte meinen, daß schon in jener Debatte eine endgültige Entscheidung herbeigeführt und eine bestimmte Stellung bezogen worden wäre. Das Plenum entschied damals, die Federführung für die federlosen Gänse dem. Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu übertragen.
Ich möchte heute keine neue Debatte hierüber entfachen. Ich darf nur feststellen, daß die Abschöpfungssätze ein Grundelement der Marktordnung für die Ernährungswirtschaft und die Landwirtschaft sind und daß Preis und Produktion weitgehend davon abhängig sind und mit diesen Abschöpfungssätzen die Marktordnung nur in den Relationen der
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Dr. Pflaumbaum
einzelnen Erzeugnisse aufrechterhalten werden kann.
Namens der Fraktion der CDU/CSU darf ich deshalb hier den Antrag stellen, den Verordnungsentwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und dem Außenhandelsausschuß und dem Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Serres.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere namens der Mehrheit des Außenhandelsausschusses, den Ausführungen meines Herrn Vorredners nicht zustimmen zu können. Ich darf Sie bitten, die Federführung für diese Vorlage dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu übertragen.
Es trifft zu, daß bereits wiederholt in diesem Hause Debatten über die Beratung der Abschöpfungsverordnungen stattgefunden haben. Ich selbst bedauere, daß es bisher noch nicht zu einer klaren interfraktionellen Regelung dieser Frage gekommen ist. Wir sind deswegen leider gezwungen, diese Grundsatzdebatte bei jeder Vorlage erneut zu führen.
Ich möchte an die verehrlichen Fraktionen dieses Hauses den dringenden Wunsch und die dringende Bitte richten, diese Frage zu Beginn des kommenden Jahres, d. h. nach der Weihnachtspause, endlich einmal zu klären. Ich glaubte, diese Frage sei geklärt; denn als wir uns seinerzeit über das Abschöpfungserhebungsgesetz und den Abschöpfungstarif unterhielten, war eine interfraktionelle Verabredung darüber zustande gekommen, daß das Abschöpfungserhebungsgesetz federführend vom Finanzausschuß und der Abschöpfungstarif federführend vom Außenhandelsausschuß behandelt würde. Genauso sind von uns bisher die Zollvorlagen behandelt worden, das Zollgesetz durch den Finanzausschuß, der Zolltarif durch den Außenhandelsausschuß.
Ich vermag nicht einzusehen, weshalb heute eine andere Handhabung stattfinden soll. Ich bin auch nicht der Meinung, daß es sich hier nur um Fragen der Marktordnung handelt, sondern bin der Auffassung, daß es sich hier in sehr wesentlichem Umfang um handelspolitische Maßnahmen handelt. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, wie sollen wir uns demnächst mit handelspolitischen Fragen auf dem Agrarsektor befassen, wenn dieses Problem der Abschöpfung hier völlig ausgeklammert wird, d. h. der Ausschuß für Außenhandelsfragen sich nicht mehr damit befassen soll? Der Ausschuß für Außenhandelsfragen würde dann überhaupt nicht mehr in der Lage sein, in Fragen der Agrareinfuhr und der Agrarausfuhr tätig zu werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verfahrensmäßig werden hiernach Abschöpfungen wie Zölle behandelt, da sie wie diese den Warenverkehr über die Grenze erfassen und in ihrem Zweck sowie in ihrer wirtschaftlichen Funktion vergleichbar sind. Die Möglichkeiten des neuen deutschen Zollrechts, insbesondere der Zollgutverwendung, lassen sich zugunsten der Wirtschaft voll ausschöpfen.
Ich habe diesen Ausführungen des Herrn Bundesernährungsministers nichts hinzuzufügen.
Ich darf noch einmal den Wunsch äußern, daß möglichst bald die Fraktionen eine grundsätzliche Klärung dieser Frage herbeiführen. Für heute bitte ich Sie, diese Vorlage an den Außenhandelsausschuß als den federführenden Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Argument, Zölle und Abschöpfungen seien deshalb etwas Verschiedenes, weil Zölle durch Gesetz in Kraft und außer Kraft gesetzt werden, trifft in keiner Weise zu. Änderungen des Zolltarifs, also der Zölle, werden durch Verordnungen der Bundesregierung in Kraft gesetzt. Der Außenhandelsausschuß hat in dieser Wahlperiode bisher 43 Verordnungen behandelt. Rechtliche Grundlage für die Zollerhebung ist das Zollgesetz; für die Abschöpfung sind es die Marktordnungsgesetze Nr. 19 bis 22 sowie das Abschöpfungserhebungsgesetz in Verbindung mit den Verordnungen der Kommission, die in Deutschland unmittelbares Recht sind. Daher besteht kein Unterschied in der materiellen Bedeutung von Zöllen und Abschöpfungen.
Der Außenhandelsausschuß hat in seinen Beratungen mit allen Wirtschaftszweigen zu tun, insbesondere bei handelspolitischen Fragen, der Landwirtschaftsausschuß nur mit Fragen der Landwirtschaft. Bei der Entscheidung über die Höhe der Abschöpfungssätze werden jedoch zumindest indirekt die Interessen aller Wirtschaftszweige berührt.
Bei dieser Sachlage erscheint es mir fair, dem Außenhandelsausschuß die Federführung zu überlassen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge auf Ausschußüberweisung. Es ist fraglich, in welcher Reihenfolge abgestimmt werden soll. Diese Frage ist bei den knappen Mehrheiten im Hause von Bedeutung, denn bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt. Das heißt, wenn ich
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2303
Vizepräsident Dr. Schmid
erst den Antrag zur Abstimmung stelle, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend sein soll, so ist dieser Antrag bei Stimmengleichheit abgelehnt, und im anderen Falle ist es entsprechend. Wir wollen trotzdem so verfahren.
Wer dafür ist, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend sein soll, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Da die Ablehnung dieses Antrags eine Ablehnung auch des anderen Antrags logisch nicht ausschließen würde, ist auch über den zweiten Antrag abzustimmen, wonach der Ausschuß für Außenhandelsfragen federführend sein soll. Wer dafür ist, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war eindeutig die Mehrheit; federführend ist der Außenhandelsausschuß. Die beiden anderen sind mitberatend.
Punkt 3:
Beratung der Sammelübersicht 12 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache IV/793).
Niemand wünscht das Wort. — Das Haus stimmt den in der Sammelübersicht enthaltenen Anträgen des Ausschusses zu.
Punkt 4:
Beratung der Ubersicht 8 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache
IV/835) .
Wird hier ein Bericht erstattet? — Das ist nicht der Fall. Der Ausschuß beantragt, von einer Äußerung zu den in der Übersicht aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Ist das Haus mit dem Antrag des Ausschusses einverstanden? — Das ist der Fall.
Punkt 5 ist abgesetzt. Punkt 6:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1962 (Drucksache IV/702),
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für
Sozialpolitik (Drucksache
IV/836)
Berichterstatter ist der Abgeordnete Biermann.
— Sie verweisen auf den Schriftlichen Bericht. — Das Haus ist damit einverstanden.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf § 1, — § 2, — § 3, — § 4. — Wer einverstanden ist, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
§ 5! — Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 158 vor.
— Doch, er ist verteilt; ich habe ihn hier.
Zur Begründung der Herr Abgeordnete Meyer.
Meyer (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wie in jedem Jahre, wenn wir die Frage der Rentenanpassung behandeln, haben wir uns auch in diesem Jahre wieder mit dem Sonderzuschuß zu beschäftigen. Im Bericht lesen wir den Satz, daß die Mehrheit dieses Hauses die Einbeziehung des im Jahre 1957 gewährten Sonderzuschusses deshalb ablehnt, weil dieser Rentenbestandteil, wie es hier heißt, nicht „lohnbezogen" sei. Ich möchte mich deshalb mit dieser Frage grundsätzlich beschäftigen. Es geht hier immerhin um etwas mehr als 2 Millionen betroffene Menschen, die man wohl als Klein- und Kleinstrentner bezeichnen muß. Kann denn nun wirklich unterstellt und exakt bewiesen werden, daß der Sonderzuschuß nicht lohnbezogen ist und daß die im Jahre 1957 erfolgte pauschale Rentenumstellung nach sogenannten Faktoren exakt lohn- und beitragsbezogen durchgeführt wurde?
Ich möchte mich auf zwei Beispiele beschränken, um zu zeigen, daß dieser Beweis — und wir bitten recht herzlich darum, endlich einmal den Beweis anzutreten — nicht vorhanden ist. Ich nehme das Beispiel zweier Schwestern in Bad Nauheim, die bis zur Rentenreform ungefähr die gleiche Rente — ein eigenartiger Zufall — von 144 DM erhielten. Jetzt erfolgte die pauschale Umstellung. Gerade dieses Beispiel — und es wären mehrere anzuführen
— ist ein Beweis für die völlige Auseinanderzerrung der Fälle dieser 6,5 Millionen pauschal umgestellten Rentner.
Wie sieht es hier nun aus? Die eine Rentnerin war nach altem Recht eine sogenannte Frühinvaliditätsrentnerin. Wie Kenner der Materie wissen, waren in den Tabellen für die Frühinvalidität besonders hohe Faktorenwerte angesetzt. Daher betrug diese Rente nach der Umstellung 210 DM. Dagegen wurde die Schwester, die eigenartigerweise auch eine Rente von 144 DM gehabt hatte, Bestandsrentnerin, d. h. sie blieb auf dem Status von 144 DM stehen. Und diese Rentnerin hat mehr an Beiträgen bezahlt als die andere, die als Frühinvaliditätsrentnerin 210 DM Rente erhielt.
Die beiden, die in einem Haushalt leben, sind jetzt also um 100 DM auseinandergekommen, denn die andere hat ja nur die 21 DM Zuschuß auf die alte Rente bekommen, der nicht mit angepaßt wird, und das ist in jedem Jahr immerhin ein Betrag, der bei 12, 13, 14 DM im Jahre liegt. Wenn
* siehe Anlage 2
2304 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Meyer
man das jetzt — vier Anpassungen haben wir hinter uns — zusammenrechnet, kommt man zu dem Ergebnis, daß der Unterschied zwischen diesen beiden ursprünglich gleich liegenden Renten inzwischen 100 DM ausmacht. Sie können doch nicht sagen, daß das damals eine exakte Lohnbezogenheit gewesen ist. Es war ein Regulativ, so möchte ich sagen, nach dem man sich in etwa gerichtet hat. Aber es sind dabei Ungerechtigkeiten und große Verzerrungen herausgekommen.
Ein anderes Beispiel! Die Witwenrenten werden, wenn der Rentenfall nach 1957 eingetreten ist, zu einem neuen Rentenfall erklärt. Bei der Berechnung wird zunächst die Rente des Verstorbenen nach neuem Recht errechnet. Es werden nicht, wie es doch grundsätzlich 'beischlossen worden war, 60 % der Rente des Verstorbenen gewährt. Vielmehr ist dies bei diesen 6,5 Millionen pauschal umgestellten Renten nicht der Fall. Die Folge davon ist — wir haben sie hier in diesem Hause des öfteren angeprangert —, daß bei ungefähr 80 % der bisher eingetretenen Witwenrentenfälle die Rente nicht 60 % erreicht, sondern höchstens bei 35 oder 40 % der pauschal umgestellten Rente des Verstorbenen liegt. Hier haben Sie also wieder ein sehr interessantes Beispiel, wie es mit der „Lohnbezogenheit" aussieht.
Wo ist denn nun die richtige Lohnbezogenheit der Rente bei den pauschal umgestellten Renten oder bei den Witwenrenten, die jetzt nur 35 % ausmachen? Man kann also nicht sagen, das sei eine exakt lohnbezogene Umstellung der Renten.
Mir sind aus meiner Praxis allerdings auch einige Fälle bekannt, in denen die Witwen später mehr Rente bekommen als .die Rentner, deren Rente 1957 pauschal umgestellt worden ist.
Das ist die Frage, die ich grundsätzlich ansprechen möchte. Wie in jedem Jahre bin ich sehr begierig darauf, nun endlich einmal den Nachweis der Lohnbezogenheit der seinerzeitigen Umstellung von 6,5 Millionen Renten zu bekommen. Dann könnten wir uns damit auseinandersetzen. Wenn Sie aber immer nur lapidar dieses Prinzip als Argument vorbringen, ist das wenig überzeugend.
Eine andere Betrachtungsform! Ich will jetzt einmal das Grundsätzliche Ihrer Auffassung verlassen. Seinerzeit sind doch für weit über 2 Millionen Menschen — Kleinrentner — Sonderzuschüsse gegeben worden. Sagen Sie uns doch bitte einmal, aus welchem Grunde diese Sonderzuschüsse gewährt wurden. Hatten Sie dabei die Vorstellung, daß es sich um einen echten Teuerungszuschlag handelte, weil die Renten so klein waren, daß man angesichts der gestiegenen Preise einen Ausgleich über einen solchen Teuerungszuschlag oder Sonderzuschlag geben mußte; wir haben ja schon früher Teuerungszulagengesetze in der Rentenversicherung gehabt.
— Ja, es scheint so! Wenn es sich hier aber um einen Teuerungszuschlag handelt, dann können Sie doch nicht sagen: „Dieser Teuerungszuschlag ist nicht mehr existent, dieser Teuerungszuschlag hat keine Bedeutung mehr, die Teuerung ist inzwischen abgebaut worden." Nein, ich muß Ihnen sagen, idaß die Teuerung ganz lustig weitergegangen ist. Wenn Sie also 1957 von diesen Vonstellungen eines Teuerungssonderausgleichs ausgegangen sind, können Sie doch jetzt in diesem Zustand einer verstärkten Teuerung nicht den Sonderzuschlag ausnehmen.
Ich möchte meine Ausführungen zusammenfassen und feststellen: diesen 2 Millionen Kleinstrentnern ist nicht mit Ihren prinzipiellen Feststellungen geholfen, sondern diesen Rentnern ist nur damit geholfen, daß Sie sich endlich aufraffen und entschließen, auch .den Sonderzuschlag in die Rentenanpassung mit einzubeziehen. Denn nach unserer Auffassung müßten gerade die kleineren Renten stärker angehoben wenden.
Herr Abgeordneter Kühn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Meyer hat völlig recht gesagt: in jedem Jahre wieder das gleiche Problem. Nur daß es nicht sehr viel deutlicher dadurch wird, daß wir uns von beiden Seiten immer wieder die gleichen Argumente vorhalten. Wir sollten bei dieser Gelegenheit nicht eine ganze Reihe anderer Fragen mit anschneiden.
Sie haben die Frage der Berechnung der Witwenrenten angeschnitten. Auch wir meinen, daß da Dinge sind, die untersucht werden müssen. Wir glauben aber nicht, daß das grundsätzlich zur Frage des 21-DM-Sonderzuschusses gehört. Es ist vielmehr ein eigenes Problem. Wir sind in unserer Fraktion jedenfalls dabei, diese Fragen einmal zu untersuchen, damit wir allmählich einen Überblick bekommen. Erst dann kommen wir dazu, alle diese Schwierigkeiten — wie wir es uns vorgenommen haben, Herr Professor Schellenberg — nach Abschluß der großen Arbeiten, die wir im Sozialpolitischen Ausschuß vor uns haben, zu überlegen.
— Ja, aber Frau Kollegin Döhring, Sie wissen ja, was der Sozialpolitische Ausschuß inzwischen zu tun gehabt hat und was er noch zu tun hat. Es ist selbstverständlich, daß diese Dinge sehr sorgfältig bearbeitet werden müssen. Herr Professor Schellenberg und die Mitglieder des Ausschusses werden bezeugen, daß wir die Unfallversicherung in einer guten Atmosphäre beraten. Wir sollten uns die Arbeit nicht dadurch erschweren, daß wir jetzt übermäßig viel Probleme hineinpacken.
Zum Sonderzuschuß ist zu sagen — nur darum dreht es sich doch —: der Sonderzuschuß ist eben kein Bestandteil der Rente, der auf der Lohnbezogenheit aufbaut, sondern es ist in der Tat ein Sonderzuschuß, der seinerzeit all den Rentnern gegeben worden ist, die sonst zu keiner Verbesserung gekommen wären. Das muß man deutlich auseinanderhalten. Konsequenterweise müßte ja bei der inzwischen erfolgten Anpassung der Renten dieser Zuschuß, der gegeben worden ist, schon aufgezehrt
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2305
Kühn
sein. Dadurch, daß wir ihn ungekürzt bestehenlassen, gestehen wir ohnehin schon eine Sonderleistung zu.
— Ja, Herr Kollege Rohde, das ist in der Tat so. Wir sollten daher diese Dinge sorgfältig auseinanderhalten. Wir erweisen uns sonst selbst und auch den Rentnern in bezug auf die Ordnung der Dinge keinen guten Dienst.
Namens meiner Fraktion bitte ich deshalb, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Herr Kollege Kühn seinen Vortrag mit der Redewendung begann: „Endlich einmal", hatte ich die Hoffnung, daß seine Fraktion tatsächlich endlich einmal diese Ungerechtigkeit beseitigen und unserem Vorschlag zustimmen wollte.
Worum handelt es sich hier überhaupt? Man könnte beinahe fragen: Lohnt es sich überhaupt, über eine solche Frage zu debattieren? Herr Kollege Kühn, Sie haben von großen Arbeiten, besonderen Untersuchungen und Entscheidungen gesprochen. Ich darf Sie doch an den finanziellen Effekt erinnern: es handelt sich bei einem Zuschuß von 14 DM für die Witwe in einem Monat
und von 21 DM für den Rentner um ganze 90 Pf für die Witwe und um 1,30 DM für den Rentner monatlich mehr an Anpassung, mehr an Erhöhung der Rente. Ich glaube, angesichts dieses Betrages braucht man keine langen Betrachtungen darüber anzustellen, ob das nun durchgeführt werden soll oder nicht.
In der Begründung des Gesetzesvorschlages wird zu Recht darauf hingewiesen, daß der Kinderzuschuß von der Anpassung ausgenommen sein soll, weil er auf eine andere Art und Weise ständig angepaßt wird. Ferner soll die Höherversicherung ausgenommen sein, weil jeder Versicherte durch seine Beitragsleistung von vornherein weiß: die Höherversicherung ist von diesem Zuschuß ausgenommen.
Aber, meine Damen und Herren, der Sonderzuschuß wurde 1957 doch nicht als ein Geschenk von diesem Hause beschlossen, als einmalige Morgengabe, etwa vor dem Wahltermin 1957, sondern dieser Sonderzuschuß wurde hier in der klaren Erkenntnis beschlossen, daß die Rentenerhöhung unabhängig von den Faktoren mindestens einen Erhöhungsbetrag von 21 DM für jeden Rentner und von 14 DM für die Witwe monatlich bringen sollte. Das war der Wille dieses Hohen Hauses. Sie können doch heute nicht sagen, daß nunmehr nach fünf Jahren diese Erhöhung gegen das Prinzip der Lohnbezogenheit verstoße und daß deshalb der Sonderzuschuß ständig und für ewig von der Anpassung ausgeschlossen bleiben sein sollte. Das kann nicht richtig sein; denn dann ist schon damals der Sonderzuschuß in Höhe von 21 bzw. 14 DM falsch gewesen. Aber er war nicht falsch, sondern es war der Wille dieses Hauses, daß mindestens dieser Erhöhungsbetrag bei der Rentenreform herauskommen muß.
Insofern glaube ich, daß Sie diese kleine Hürde überspringen — es ist überhaupt gar keine Hürde, es ist nur eine kleine Stufe, eine Leiste, die Sie übersteigen — und unserem Antrag zustimmen sollten, damit endgültig dieses Unrecht beseitigt wird. Für den Rentner und die Witwe haben die geringen Beträge von 1,30 DM bzw. 1 DM im Monat immerhin Bedeutung. Deshalb möchte ich Sie nochmals bitten, endlich Ihr Herz in die Hand zu nehmen und dem Antrag zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Änderungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
§ 5, — § 6, — § 7. — Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen sind diese Paragraphen angenommen.
Zu § 8 liegt auf Umdruck 159*) ein Änderungsantrag vor. Er wird von Herrn Abgeordneten Stingl begründet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion und die FDP-Fraktion schlagen Ihnen auf Umdruck 159 vor, in § 8 des Fünften Rentenanpassungsgesetzes die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Dabei gehen die beiden Fraktionen von sehr grundlegenden Überlegungen aus. Ich darf Sie bitten, mir zu erlauben, diese grundlegenden Überlegungen wenigstens in Kurzfassung darzustellen.
Das Rentenanpassungsgesetz paßt die Rente des einzelnen Rentners, ,die für ihn an die Stelle des Lohnes tritt, also Lohnersatzfunktion hat, an die veränderte allgemeine Bemessungsgrundlage, entsprechend den erfolgten Lohn- und Gehaltserhöhungen an. Die Erhöhung der Rente wird dabei so vorgenommen, daß der neue Zahlbetrag, den der einzelne Rentner für sich in Anspruch nehmen kann, sich nicht etwa aus der alten Rente plus einem Zuschlag zusammensetzt, sondern der neue Zahlbetrag ist die Rente, die neue Rente.
Wer nun erreichen will, daß ein Teil dieser Rente, nämlich der Teil, der neu hinzukommt, also eine Erhöhung ausmacht, nicht angerechnet wird, würde vom Prinzip der Lohnersatzfunktion abgehen. Er würde die Rente nämlich in eine Rente und einen jeweiligen Teuerungszuschlag — wie man es nennen könnte — gliedern. Darum handelt es sich eben nicht, es handelt sich um keinen Teuerungszuschlag, sondern die auf Grund der Anpassung zu beanspruchende Gesamtrente. Diese Rente läßt sich also nicht teilen.
*) Siehe Anlage 3
2306 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Stingl
Ein zweiter Punkt. Wenn wir ein ganzes Jahr lang Anrechnungsbestimmungen sozusagen außer Kraft setzen, dann erreichen wir, daß im nächsten Jahr, bei der nächsten Rentenanpassung neu überlegt werden muß, wie wir es denn in dem zukünftigen Jahr halten wollen. Bleiben wir dabei, daß nicht angerechnet wird, daß aber am Ende des Jahres 1963 die Nichtanrechnung ausläuft, daß also die Akten nicht daraufhin überprüft werden, wie hoch die Subsidiärleistung sein soll, würden wir vor der grotesken Situation stehen, daß im Jahre 1964 Ausgangspunkt für die Höhe der Subsidiärleistungen in der Kriegsopferversorgung und allen ähnlichen Bereichen eine Rente würde, die überhaupt nicht mehr existiert — die Rente aus dem Jahre 1962.
Drittens haben wir zu beachten, meine Damen und Herren, daß derjenige, der im Jahre 1962 Rentner geworden ist, und derjenige, der im Jahre 1963 Rentner wird, ungünstiger als der Altrentner gestellt wäre; denn die Freigrenze des Altrentners wäre in diesem Jahr höher, als sie bei den neuen Renten wäre.
Als Viertes bitte ich zu beachten, daß das Prinzip der subsidiären Leistungen — die eben in diesem § 8 aufgezählt sind — erschüttert würde, wenn wir jeweils auf die Dauer einen Teil der sonstigen Einkommen nicht anrechnen lassen, obwohl die in Betracht kommenden Gesetze in ihrer Konstruktion von anderen Grundsätzen ausgehen. Das Resultat würde in diesem Zusammenhang sein, daß ein Zuwachs an Arbeitseinkommen, über das der Betreffende verfügt, angerechnet wird, während ein Zuwachs an Rente nicht angerechnet wird. Das heißt: der aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedene würde bessergestellt als derjenige, der noch im Arbeitsleben ist. Oder anders ausgedrückt: derjenige, der eine Rente aus der Rentenversicherung bekommt, würde bei den Anpassungsbeträgen bessergestellt als der, der seinen Lebensunterhalt aus anderem Einkommen bereitet, das nicht unmittelbar Arbeitseinkommen sein müßte. Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß die Bestimmungen über die Anrechnung in den jeweiligen Gesetzen getroffen werden können, wobei wir durchaus der Meinung sind, daß die Frage, wie das dort geregelt ist, einer genauen, einer erneuten und einer sehr kurzfristigen Prüfung bedarf.
Ich darf hier mit allem Nachdruck für die beiden einbringenden Fraktionen sagen: wir sind der Meinung, daß das Problem in den zuständigen Gesetzen nun in der Tat in aller Kürze einmal abschließend geregelt werden muß, wobei wir uns durchaus bewußt sind, daß es viele Schwierigkeiten gibt. Wir sehen aber auch Möglichkeiten, daß man da noch einem Trend folgen kann, den z. B. das Erste Neuregelungsgesetz der Kriegsopferversorgung nach den Vorstellungen des Herrn Bundesarbeitsministers haben sollte.
Nun werden Sie mir sagen, es sei nicht sehr wichtig, ob man die Anrechnung bis Mai oder bis Dezember nicht festlege. Meine Damen und Herren, das ist entscheidend wichtig. Abgesehen von dean Gesichtspunkt, den ich vorhin darlegte, daß, wenn wir bis Dezember anrechnungsfrei lassen, die Anrechnungsfreiheit mit der neuen Tätigkeit des Gesetzgebers für das nächste Anpassungsgesetz zusammenfällt, muß dabei beachtet werden, daß man eine Frist geben muß, in der die zuständigen Sozialhilfeträger und die anderen Träger die Umrechnung durchführen können. Daß wir bis Mai frei halten wollen, soll nur den Zweck haben, daß nicht Beträge zurückverlangt werden müssen. Im Grunde aber wollen wir erreichen — und hier folgen wir dem Regierungsvorschlag in seiner ursprünglichen Fassung —, daß die Angelegenheit in den zuständigen Gesetzen 'geregelt, aber eine ausreichende Zeit gegeben wird, diese Umrechnung vorzunehmen.
Wir bitten Sie daher, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei der Beratung und Verabschiedung der Rentenanpassungsgesetze hat es in jedem Jahr, Herr Kollege Kühn — und so geschieht es auch heute wieder —, eine Debatte über die Anrechnungsbestimmungen der Rentenerhöhung auf die übrigen Sozialleistungen, insbesondere auf die Leistungen laus der Kriegsopferversorgung, aus dem Lastenausgleichsgesetz und dem Bundesentschädigungsgesetz, gegeben.
Wir haben in den vergangenen Jahren sowohl im Ausschuß wie auch im Plenum immer wieder den Versuch unternommen, die Bestimmungen über die Anrechnung auf diese Sozialleistungen nicht zur Geltung kommen zu lassen, weil wir sie in der Sache als 'widersprüchlich und als sozial ungerecht empfunden haben und heute noch empfinden; denn mit dieser Methode — lassen Sie mich das einmal ganz deutlich sagen — wird im selben Augenblick gegeben und wieder genommen. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß auf Grund dieser Anrechnungsbestimmungen die Rentner, die noch eine andere Sozialleistung erhalten — und das sind ungefähr eine Million Rentner —, von der im Rentenanpassungsgesetz beschlossenen Rentenerhöhung praktisch ausgeschlossen bleiben, weil sie nach einer Schonfrist bis Ende Mai — Herr Kollege Stingl hat schon darauf hingewiesen — die Anrechnungsbestimmungen dann in voller Schärfe treffen.
Meine Damen und Herren, niemand konnte sich eigentlich darüber wundern, wenn deshalb draußen in der Öffentlichkeit immer wieder davon gesprochen wurde, daß der Staat gleichzeitig beide Hände in die Taschen des Rentners stecke, nämlich die eine Hand, die gibt, und die andere, die wieder wegnimmt.
Wir haben diese Regelung immer für untragbar gehalten, und, meine Damen und Herren von der CDU, ich kann es Ihnen leider auch in diesem Jahr nicht ersparen, Sie auf die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers und auf die Stellungnahme, die er vor der Bundestagswahl 1957 abgegeben hat, hinzuweisen. Er hat nämlich damals diese Regelung
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2307
Frau Korspeter
verurteilt und versprochen, sich für eine Verbesserung einzusetzen.
Leider, meine Damen und Herren, geschah nichts in dieser Hinsicht von Ihrer Seite, und wir blieben mit unserer Forderung immer wieder allein. Wir haben dann im vergangenen Jahr nach der Verabschiedung des damaligen Rentenanpassungsgesetzes einen Entschließungsantrag vorgelegt, durch den die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, im Bundestag Gesetzentwürfe zur Beseitigung der Härten, die sich aus den Anrechnungsbestimmungen ergeben, vorzulegen. Er wurde von Ihnen, meine Damen und Herren, von der CDU, der CSU und der FDP abgelehnt. Ein Antrag von Ihnen wurde angenommen, der die Bundesregierung lediglich ersuchte, zu prüfen, ob und inwieweit die in den verschiedenen Zweigen ides sozialen Leistungsrechts geltenden Anrechnungsbestimmungen reformbedürftig seien, und durch den die Bundesregierung aufgefordert wurde, dem Bundestag über das Ergebnis bis Ende Mai dieses Jahres zu berichten. Nun, wir haben diesen Bericht bekommen, aber leider mit einer für uns völlig unzulänglichen Schlußfolgerung, nämlich der, daß die Anrechnungsbestimmungen in den verschiedenen Zweigen des sozialen Leistungsrechts grundsätzlich nicht reformbedürftig seien. Dem Hause wurde dann auch dieser Entwurf eines Fünften Rentenanpassungsgesetzes wieder mit denselben Anrechnungsbestimmungen vorgelegt.
Ich freue mich, Herr Kollege Stingl, daß Sie es heute offenbar entgegen Ihrer Ansicht im vergangenen Jahr doch für notwendig halten, daß eine Änderung in den einschlägigen Gesetzen herbeigeführt wird. Sie waren im vergangenen Jahr nicht dieser Meinung; denn sonst hätten Sie unseren damaligen Entschließungsantrag annehmen müssen, und wir wären wahrscheinlich in diesem Jahr einen Schritt weiter und brauchten uns nicht heute wieder auseinanderzusetzen.
Wir haben deshalb bei den Beratungen im Ausschuß erneut die Aufhebung der Anrechnungsbestimmungen gefordert, und wir haben in diesem Jahr erfreulicherweise Schützenhilfe bekommen, und zwar von beiden Seiten, sowohl von den Mitgliedern der FDP als auch von den Mitgliedern der CDU. Die FDP legte einen modifizierten, einen ähnlichen Antrag vor. Die Kollegen der CDU erklärten, unser Antrag sei besser, sie wollten sich deshalb vorsichtigerweise erst einmal der Stimme enthalten. Aber einige Kollegen der CDU stimmten zu, so daß unser Antrag im Ausschuß angenommen und Grundlage des Schriftlichen Berichts wurde.
Wir alle wissen, daß diese Entscheidung des Ausschusses von den Betroffenen draußen mit großer Befriedigung aufgenommen wurde. Man sprach davon, daß endlich die große Härte, das jahrelange Unrecht beseitigt wurde.
Nun, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU und von der FDP, legen Sie dem Hause heute einen Antrag vor, der die Entscheidung des Sozialpolitischen Ausschusses wieder rückgängig machen soll. Lassen Sie mich dazu einmal ganz deutlich etwas sagen. Die Entscheidung im Sozialpolitischen Ausschuß, die sich positiv für die Sozialleistungsempfänger auswirken würde, fiel in den Zeiten Ihrer Koalitionskrise. Jetzt, wo Sie sich offenbar wieder zu einem vorläufigen Koalitionsfrieden zusammengefunden haben, rücken Sie von Ihrer damaligen Haltung ab, und ausgerechnet die Rentner werden die ersten Leidtragenden Ihrer Koalitionsabsprachen.
Wir bedauern, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, daß Sie sich wieder zu diesem Antrag entschlossen und ihn eingebracht haben und damit den Versuch unternehmen, die im Sozialpolitischen Ausschuß erreichten Verbesserungen wieder rückgängig zu machen. Herr Kollege Stingl hat zwar eine Reihe von versicherungstechnischen Argumenten angeführt. Man hat aber dabei den Eindruck, daß es doch wohl finanzielle Gründe sind, die Sie veranlassen, wieder eine Verschlechterung herbeiführen und die Anrechnungsbestimmungen zum Zuge bringen zu wollen. Dazu muß ich doch noch etwas sagen. Es sind keine Mehrausgaben für den Haushalt, sondern es wären nur Einsparungen, die durch erhöhte Rentenleistungen der Versicherungsträger im Bundeshaushalt gemacht werden können; und Sie wollen gerade hier, bei dem Personenkreis, der von den gestiegenen Lebenshaltungskosten ganz besonders betroffen ist, Einsparungen im Bundeshaushalt machen. Ich meine, das ist im Interesse der Kriegsopfer, ganz besonders der Kriegerwitwen, aber auch der Unterhaltsempfänger aus dem Lastenausgleich und dem Bundesentschädigungsgesetz sehr zu bedauern. Wir hoffen sehr, daß Ihr Antrag, den Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses wieder zu verschlechtern, keine Mehrheit finden wird; ich hoffe, daß sich die Kollegen von der CDU, die im Ausschuß für unseren Antrag gestimmt haben, auch hier im Plenum dafür einsetzen werden.
Wenn wir den Antrag des Ausschusses annehmen, hat das Bundesarbeitsministerium genügend Zeit, sich im Laufe des nächsten Jahres wirklich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie in den einschlägigen Gesetzen die Anrechnungsbestimmungen beseitigt werden können. Wir alle wissen aus den Diskussionen in den Verbänden, daß die leidige Frage der Anrechnungsbestimmungen mit Recht immer wieder, insbesondere bei den Kriegsopfern, eine große Rolle spielt und erhebliche Verbitterung auslöst. Ich habe des öfteren erlebt, daß Kollegen von der CDU sich von der eindringlichen Argumentation, die dort gegeben wurde, überzeugen ließen, daß sie dort draußen in der Öffentlichkeit dann erklärten, sich für eine gerechte Regelung einsetzen zu wollen.
Ich hoffe im Interesse des betroffenen Personenkreises sehr, daß sich hier im Plenum eine Mehrheit gegen den Antrag der CDU/CSU und FDP findet
2308 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Frau Korspeter
und wir den Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses annehmen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das politisch berechtigte Anliegen, das soeben von Frau Korspeter vorgetragen wurde, kann — das ist auch vom Kollegen Stingl ausgeführt worden — endgültig nur in den entsprechenden Gesetzen selbst geregelt werden. Diese Dinge sachlich im vorliegenden Gesetz, dem Fünften Rentenanpassungsgesetz, zu regeln, ist nicht möglich, weil damit zwar im Augenblick die bisher als ungerecht empfundenen Regelungen ausgemerzt würden, aber neue Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten entständen.
Frau Kollegin Korspeter, Sie haben gerade uns daraufhin angesprochen, daß wir im Ausschuß einen modifizierten Antrag eingebracht hatten. Ich darf Ihnen .sagen: zu diesem modifizierten Antrag waren wir aus eigener Kenntnis und nicht zuletzt auf Grund Ihrer Ausführungen vom 13. Dezember 1961 gekommen, weil Sie damals gerade auf die Kriegsopfer, die Lastenausgleichsempfänger und die Empfänger von Bundesentschädigung abgehoben hatten und nicht auf die anderen Probleme, die noch angesprochen werden. Wir haben den modifizierten Antrag vorgelegt und haben auch im Haushaltsausschuß eine Mehrheit dafür gefunden. Wir müssen aber ehrlich bekennen: wir haben uns in langen Debatten mit Sachkennern vom Ministerium davon überzeugen lassen müssen, daß der vorgesehene Weg in Systemwirren führen würde. Herr Stingl hat hier die klare Aussage gemacht, daß die Koalitionspartner bereit sind, nicht in Systemwirren hineinzutreiben, sondern die Dinge in den entsprechenden Gesetzen vom Grunde her vernünftig neu zu regeln.
Wenn Sie, Frau Kollegin Korspeter, hier sagen, es könnten finanzielle Gründe sein, die FDP und CDU zu dem Änderungsantrag veranlaßten, so muß ich das zurückweisen und muß sagen: nein, es sind gesetzessystematische Gründe, die uns leider Gottes zwingen, diesen Antrag vorzulegen.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, nach den Ausführungen, die im letzten Jahr im Sozialpolitischen Ausschuß und im Hause gemacht wurden, und noch mehr nach denen, die in diesem Jahre hier vorgetragen wurden, ist festzustellen, daß unser schwäbischer Landsmann Schiller schon vor vielen Jahren die Dinge richtig erkannte, als er meinte: „Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen." So ist es nämlich hier in der Rentengesetzgebung und beim Fünften Rentenanpassungsgesetz. Ich muß deshalb meine Fraktion und unsere Koalitionsfreunde bitten, dem Antrag der CDU/CSU, FDP,
wenn auch schweren Herzens, ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurden hier erhebliche Anstrengungen gemacht, um den Ausschußbeschluß wieder hinfällig zu machen. Herr Kollege Stingl hat rentenversicherungstheoretisch argumentiert, und Herr Kollege Spitzmüller hat — an Stelle koalitionspolitischer Tatsachen — gesetzessystematisch argumentiert.
Aber die Momente, die Sie, meine Damen und Herren, von der Regierungskoalition, in der Sache heranziehen, können nicht überzeugen. Sowohl Herr Kollege Spitzmüller wie Herr Kollege Stingl haben darauf hingewiesen, daß, wenn man in diesem Gesetz die Nichtanrechnung beschließen würde, ein unterschiedliches Recht für die laufenden Renten — die Altrenten — und die Neurenten geschaffen würde. Dieser Hinweis ist aus verschiedenen Gründen nicht überzeugend.
Erstens enthält das Gesetz, das wir heute verabschieden werden, hinsichtlich der Rentenanpassung für die Altrentner eine Reihe von empfindlichen Ungerechtigkeiten. Es wäre gewissermaßen ein Akt der ausgleichenden Gerechtigkeit, wenn nun in dem kleinen Bereich der Nichtanrechnung für die Altrentner eine günstigere Regelung als für die Neurentner geschaffen würde.
Zweitens behandelt das Gesetz, das wir heute zu verabschieden haben, lediglich die Anpassung für die laufenden Renten. Es ist deshalb gesetzessystematisch durchaus gerechtfertigt, für die laufenden Renten jene Regelungen zu treffen, die für diese Renten getroffen werden müssen.
Drittens, meine Damen und Herren von der alten und neuen Koalition, wenn Sie der Auffassung sind, wir müßten die Dinge gesetzessystematisch auch für die Neurentner regeln, dann können wir sogleich einen interfraktionellen Antrag zur dritten Lesung einbringen, dem § 8 einen Abs. 2 anzufügen, wonach für die Rentenzugänge des Jahres 1962 und des Jahres 1963 ebenfalls eine Nichtanrechnung stattfindet. Das könnten wir also gesetzessystematisch regeln, wenn Sie es wirklich wollen.
Ich bitte Sie, nicht rentenphilosophisch und gesetzessystematisch um die Entscheidung herumgehen zu wollen, die im Sozialpolitischen Ausschuß mit Unterstützung einiger Kollegen der CDU und bei Stimmenthaltung der Kollegen der FDP eine Mehrheit gefunden hat.
Herr Kollege Stingl und Herr Kollege Spitzmüller erklärten, gesetzessystematisch sollte die Nichtanrechnung in den jeweiligen Gesetzen geregelt werden. Meine Damen und Herren, wem sagen Sie das? Das fordern wir seit 1957, leider vergeblich. Es ist bisher leider nicht möglich gewesen, in den anderen Gesetzen, Bundesversorgungsgesetz, Bun-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2309
Dr. Schellenberg
desentschädigungsgesetz, usw., die Anrechnungsfreiheit durchzusetzen.
Die Regelung, die hier zur Abstimmung steht, gilt nur für die Zeit bis Dezember 1963. Eine solche zeitliche Begrenzung bis Dezember 1963 könnte für das gesamte Haus eine ständige Mahnung sein, im Laufe des nächsten Jahres die Dinge in den zuständigen Sozialleistungsgesetzen zu regeln.
Deshalb sind Ihre Argumente nicht stichhaltig. Es geht in der sozialpolitischen Wirkung praktisch darum, ob für mehr als 1 Million Menschen, die eine Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung erhalten, diese Anpassung für das ganze Jahr 1963 gewährt wird oder ob ab 1. Juni 1963 Anrechnungen erfolgen sollen.
Es ist nicht nur sozialpolitisch, sondern auch verwaltungstechnisch gerechtfertigt, für das ganze Jahr 1963 eine Nichtanrechnung zu beschließen; verwaltungstechnisch auch deshalb, weil die Durchführung der Anrechnungsvorschriften für die verschiedenen Dienststellen eine Fülle von Verwaltungsarbeit mit sich bringt, die in keinem sinnvollen Verhältnis zu den Beträgen steht, die angerechnet werden.
Deshalb bitte ich Sie, dem Beschluß des Ausschusses auch hier im Plenum zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Stingl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg, selten haben mich Ausführungen von Ihnen so enttäuscht und so wenig überzeugt wie die heutigen.
— Soll ich Ihnen was verraten? Ich war gar nicht da im Ausschuß.
Frau Kollegin Korspeter, es geht uns bei dieser Frage nicht um finanzielle Gründe, auch nicht um den Bundeshaushalt. Gewiß, wir würden die Frage auch von dieser Seite her prüfen. Aber seien Sie überzeugt, daß das für uns nicht ausschlaggebend war. Es geht uns in der Tat darum, daß wir unser ganzes System der aufeinander abgestimmten Sozialleistungen völlig durcheinander bringen.
Herr Kollege Schellenberg, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich es so sage: Es war billig, daß Sie sagten, man könne einen Absatz anhängen und auch für diejenigen, die 1962 und 1963 zugegangen seien, dieselben Anrechnungsbestimmungen schaffen. Woher wollen Sie bei dieser Gesamtrente eigentlich wissen, welcher Zugangsbetrag auf 1962 und welcher auf 1963 entfällt? Es gibt nur eine Gesamtrente. Sie müssen die Rentenversicherungsanstalt veranlassen, die Rente nach dem Stand von 1962 auszurechnen und dann nach 1963 umzurechnen. Sie würden also eine Berechnung der Rente für ein Jahr, wo der Betreffende noch gar nicht Rentner gewesen ist, verlangen und ihm dann sagen: Jetzt hast du diese Rente. Welcher Unsinn in der Rentengesetzgebung!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Stingl, würden Sie mir die Frage beantworten, ob das System mehr durcheinandergebracht wird, wenn die Anrechnung bis zum 31. Mai nicht erfolgt oder wenn sie bis zum 31. Dezember nicht erfolgt?
Es tut mir leid, Herr Kollege Geiger, daß Sie offensichtlich vorher nicht zugehört haben. Ich habe dazu vorher einiges gesagt.
Sie können sagen: Man kann statt des Mai den April nehmen, oder Sie können sagen, man kann statt des Mai den Juni nehmen.
— Nein, Herr Kollege Schellenberg, Sie können nicht den Dezember nehmen, weil es sich dann eben um das ganze Jahr handelt und weil ab 1. Januar die neuen Rentenanpassungsgesetze wirksam sind. Wenn Sie nun gar den Fall hätten, daß 1962 mit 6,6 %, im nächsten Jahr aber nur mit 4 % angepaßt wird, welch ein Durcheinander bekämen Sie dann in der Rentengesetzgebung!
Was bekämen Sie für Anrechnungsbestimmungen!
Nun haben Sie gesagt: Wir fügen einen Absatz ein, womit wir die Rentner gleichstellen. Wie ist es dann aber mit den Arbeitseinkommen? Wenn einer ein angerechnetes Arbeitseinkommen hat, dieses Einkommen aber steigt, wird die Anrechnung verändert. Er bekommt weniger aus der Kriegsopferversorgung, und er bekommt weniger auf Grund der anderen einschlägigen Bestimmungen.
Sie sehen: Wenn Sie wollen, daß eine Erhöhung des Lebensstandards eintritt, indem Sie eine Anrechnung jeder Art von Einkommenssteigerung bei den einschlägigen Leistungen nicht vornehmen, dann hilft Ihnen die jetzt zu entscheidende Bestimmung nichts. So etwas müssen Sie in das betreffende Gesetz schreiben, aber nicht in dieses, weil in diesem nur die Steigerung der Renten berücksichtigt wurde.
Wer die Anrechnungsfreiheit für ein Jahr beantragt, beantragt zugleich die Beseitigung der Anrechnung überhaupt, weil am Ende der Zustand eintritt, daß die jeweiligen Rentenzugänge anrechnungsfrei sind. Dann wird das System unserer aufeinander abgestimmten Leistungen ganz verworren. Wir haben dann keinen anderen Ausweg mehr als die Einheitsversorgung, die wir unter allen Umständen abzulehnen gewillt sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
2310 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stingl, Sie haben von der Anrechnung der Arbeitseinkommen gesprochen. Leider sind die Menschen, um die es hier geht in aller Regel keine Bezieher von Arbeitseinkommen. Vor allem handelt es sich um Bezieher von Ausgleichsrenten der Kriegsopferversorgung, die zumeist kein Arbeitseinkommen haben, und um die Bezieher sonstiger Sozialleistungen, die oft nicht über Arbeitseinkommen verfügen. Deshalb ist auch der Hinweis auf Anrechnung des Arbeitseinkommens praktisch nicht durchschlagend.
Im übrigen, Herr Kollege Stingl, können wir die Sache für 1962 einfach regeln, indem wir nämlich in einem Abs. 2 für den Rentenzugang 1962 bestimmen, daß 6,6 % der Rente unter den gleichen Voraussetzungen wie bei Abs. 1 unberücksichtigt bleiben.
— Herr Kollege 'Stingl, das können wir zahlenmäßig machen, wie wir wollen.
Ihre Argumentation ist — idas muß ich nochmals erklären — nicht sozialpolitisch, sie geht nicht von den sozialen Bedürfnissen aus, sondern Sie nehmen, um Ihr Anliegen hier begründen zu können, Zuflucht zu theoretischen Erörterungen.
Uns geht es praktisch darum, daß die Menschen, deren Renten angepaßt werden, nicht vom Juni an durch eine Anrechnung auf sonstige Sozialleistungen schlechtergestellt werden, als sie es bis einschließlich Mai nächsten Jahres sind. Das ist die Entscheidung, vor der das Haus steht.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Umdruck 159, § 8 in der Regierungsvorlage wiederherzustellen.
— Herr Abgeordneter Stingl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Schriftlichen Bericht, der Ihnen vorliegt, sind die beiden Fassungen des § 8 gegenübergestellt. Dabei ist in der Ausschußfassung in der ersten Zeile das Wort „den" weggelassen. Bei der Auslassung dieses Wortes soll es auch bleiben, wenn dem Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage entsprochen wird.
Diese Modifikation des Antrags auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage wird zur Kenntnis genommen. Ich lasse über
den Antrag in dieser Form abstimmen. Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 9, — 10, — 11, — 12, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe lauf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Ernst Meyer.
— Hier steht „Ernst"!
Meyer (SPD) : Es ist sicher symbolisch, Herr Präsident, denn es handelt sich um eine ernste Angelegenheit,
um eine ernste Angelegenheit deshalb, weil rund 7 Millionen Menschen von diesem Gesetz betroffen sind.
Die Sicherung des Lebensabends wird immer stärker zu einer gesellschaftspolitischen Frage und zu einer Frage der politischen Meinungsbildung. Das heißt, was in diesem Hohen Hause in der Frage der Rentenanpassungen beschlossen wird, wird gewissermaßen in allen Familien unseres Volkes besprochen. Eine ganze Reihe von Fragen sind auch diesmal wieder, beim Fünften Rentenanpassungsgesetz, offen geblieben, insbesondere die Frage der unterschiedlichen Behandlung der Altrentner und der Neurentner. Die Altrenter sind immer ein Jahr hinter der Entwicklung zurück. 1957 haben wir in diesem Hause und hat auch die Bundesregierung durch die sogenannte „Rentenfibel" den Rentnern gewissermaßen das heilige Versprechen gegeben, daß sie nicht wie bis dahin weiter hinter der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zurückbleiben würden. Sie sind aber immer um ein Jahr zurückgeblieben, und auch diesmal, beim Fünften Rentenanpassungsgesetz, fand sich im Sozialpolitischen Ausschuß leider keine Mehrheit dafür, diesen bedeutsamen Unterschied in der Behandlung der Altrentner und der Neurentner endlich aufzuheben.
Wir von unserer Seite haben des öfteren Versuche in dieser Richtung unternommen. 1958 haben wir eine Sonderzulage beantragt, worüber in diesem Hause eine große Debatte stattgefunden hat. Wir haben damals, als wir diesen Unterschied beseitigen wollten, nicht sehr gute Worte gehört. Beim Dritten Rentenanpassungsgesetz haben wir versucht, einen Ausgleich dadurch herbeizuführen, daß eine viermalige Zahlung im Jahr erfolgt. Im letzten Jahr haben wir versucht, eine Anhebung unter Berücksichtigung wenigstens der Hälfte des zurückliegenden Jahres vorzunehmen. Wir haben unseren Vorschlag, den wir beim Vierten Rentenanpassungsgesetz vorgebracht haben, so formuliert, daß der Ausgleich in Form einer Sonderzulage erfolgen sollte;
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2311
Meyer
damals spielte der Umstand, daß man kurz vor dem Weihnachtsfest stand, mit eine Rolle. Diese Sonderzulage hätte den Rentnern nicht nur die Hälfte der ansonsten verlorenen Anpassung gebracht, sondern sie hätte darüber hinaus für drei Millionen Klein-und Kleinstrentner eine sofortige Zulage von ungefähr 80 DM im Jahr bedeutet, die dann nach unserem Vorschlag aufgerechnet werden sollte.
In diesem Jahr war die Lage bei den Beratungen im Ausschuß folgendermaßen. Der Sprecher der CDU erklärte in einer kurzen Generalaussprache von vornherein, man werde sich in diesem Jahre an den Buchstaben der Regierungsvorlage halten und sei nicht bereit, irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Wir waren ja gerade Zeuge eines Vorganges: vorübergehend war gewissermaßen der Flügelschlag einer sozialen Koalition im Ausschuß zu spüren. Man war nämlich bereit, wenigstens die Anrechnungsbestimmungen in diesem Jahr nicht in Anwendung zu bringen, und CDU-Kollegen stimmten mit uns. Sie haben das durch Ihre Entscheidung im Augenblick wieder rückgängig gemacht.
Von unserer Seite wurde dann noch besonders die konkrete Frage an die Regierungsparteien gerichtet, ob sie gewillt seien, mit uns gemeinsam nach einem Weg zu suchen, um endlich diese Schere zwischen den Neu- und Altrentnern zu schließen. Wir wissen, daß die Neurenten im nächsten Jahr bereits um 8,2 % über den jetzigen Altrenten liegen werden. Auf diese von uns konkret gestellte Frage wurde erklärt, man halte sich an die soeben abgegebene Erklärung, daß man nicht bereit sei, nach einem gemeinsamen Weg zu suchen, um hier etwas Entscheidendes zu tun. Wir haben aus diesem Grunde unsere vorbereiteten Anträge zurückgehalten und hielten es für müßig, sie überhaupt einzubringen.
Von keiner Seite ist bisher der Unterschied zwischen den Alt- und Neurentnern bestritten worden. Es ist daher bei der Betrachtung dieses Problems immer wieder die Frage aufzuwerfen, zu welchem Zeitpunkt denn nun dieser Ausgleich einmal herbeigeführt werden soll. Wir hören Reden im Rundfunk, wir haben sogar den Herrn Bundesarbeitsminister am Bildschirm erlebt. Man erkennt mit großem Bedauern diesen Zustand an. Aber immer, wenn es darum geht, konkret an die Lösung dieses Problems heranzugehen, gibt es keine Möglichkeit einer Lösung.
Die Finanzlage, zu der ich kurz noch einiges sagen möchte, ist günstig. In den letzten Wochen gab es im Zusammenhang mit dem Fünften Rentenanpassungsgesetz sehr viele Zeitungsartikel und Prognosen über die allgemeine Lage der Rentenversicherung, über die Renten usw. usw. Zum großen Teil wurden pessimistische Prognosen gestellt. Wenn also jetzt in einem günstigen finanzpolitischen Augenblick die Mehrheit dieses Hauses nicht bereit ist, endlich den Unterschied zwischen den Alt- und Neurentnern aufzuheben, dann möchten wir uns gestatten, Ihnen konkret die Frage vorzulegen: wann ist dann nach Ihrer Auffassung der richtige Zeitpunkt, dieses den Rentnern im Jahre 1957 gegebene Versprechen, daß sie nicht hinter der Entwicklung
zurückbleiben sollen, einzulösen? Das ist die eine offengebliebene Frage beim Fünften Rentenanpassungsgesetz.
In diesem Jahre ist der Sozialbericht des Jahres 1962 ausgeklammert worden, der in jedem Jahre bei den Beratungen eine gewisse Rolle gespielt hat. In diesem Jahre kamen noch die „Versicherungstechnischen Bilanzen" per 1. Januar 1959 hinzu. Der Sozialpolitische Ausschuß beschloß, diese beiden für die Entwicklung der Sozialversicherung sehr wichtigen Dokumente zurückzustellen, später zu beraten, da wir ja in der Fülle der Arbeit stecken und uns gemeinsam alle Mühe geben wollen, möglichst schnell das umfassende Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz zu verabschieden. Also diese beiden Dokumente sind ausgeklammert.
Aber in Anbetracht der vielen Diskussionen und auch eines gewissen Pessimismus, der Unruhe nicht nur in die Kreise der Rentner, sondern insbesondere auch in die Kreise der Sozialversicherten, also der 22,5 Millionen Menschen getragen hat, die eine vernünftige Sicherung ihres Lebensabends erwarten, gestatte ich mir, einen kurzen Abschnitt aus der Zeitschrift „Die Sozialversicherung", dem gewissermaßen halboffiziellen Organ des Verbandes der Rentenversicherungen, zu verlesen. Dort heißt es:
Auf der anderen Seite hat sich im Jahre 1961 das Einnahme- und Ausgabevolumen der Rentenversicherungen beträchtlich vergrößert, wobei die Einnahmesteigerung das Ausgabenwachstum erneut übertraf. Die Zunahme der Rentenausgaben war vor allem durch das Wachsen der Zahl der Renten und die Erhöhung der Durchschnittsrenten infolge der Rentenanpassungen bedingt. Stärker noch als 1960 stiegen im Vorjahr die Beitragseinnahmen, und zwar in der Rentenversicherung der Arbeiter um 12 v. H., in der Angestelltenversicherung um 14 v. H. Der Unterschiedsbetrag zwischen Einnahmen und Ausgaben beider Versicherungen wuchs von 1,4 Milliarden 1960 auf 1,8 Milliarden DM 1961. Das Vermögen beider Rentenversicherungen erreichte Ende 1961 den Betrag von 18 Milliarden DM.
— Es kommen also jetzt noch die 1,8 Milliarden DM hinzu. —
Die Prognose hinsichtlich des gesetzlich vorgesehenen Rücklage-Solls am Ende des I. Dekkungsabschnitts hat sich gegenüber den früheren Sozialberichten erneut verbessert: Bei gegenwartsnahen Annahmen über die künftige Finanzentwicklung werden in beiden Rentenversicherungen, wie der Bericht hervorhebt, die fünfte und die sechste Rentenanpassung durchgeführt werden können, ohne daß die Rücklage unterschritten werden müßte.
Hier haben wir also das Zahlenmaterial, welches Zeigt, daß in irgendeiner Form der Ausgleich zwischen Alt- und Neurenten gefunden werden kann. Wir meinen, Sie sollten den Menschen draußen ehrlich sagen, daß Sie nicht gewillt sind, überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt — denn der jetzige Zeitpunkt ist, wie offizielle Verlautbarungen besagen,
2312 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Meyer
günstig — diesen Ausgleich zwischen den Alt- und Neurenten herbeizuführen.
Man kann das Problem nicht voll ausschöpfen, wenn man nicht gleichzeitig etwas über die Höhe der Renten sagt. Denn es gehört zu einem abschließenden Bericht, sich einen Überblick zu verschaffen, wohin die Entwicklung geht. Stimmen denn die pessimistischen Zahlen, die da immer wieder gegeben werden? Wie aus Veröffentlichungen der Rentenversicherungsträger hervorgeht, erhalten z. B. fast 20 % der männlichen und 78,8 % der weiblichen Arbeiter-Neurentner — also der Zugänge des Jahres 1959 — eine Rente von weniger als 100 DM im Monat.
— Das sind Zahlen des Verbandes der Rentenversicherungsträger. Das ist eine Auswirkung der neuen Rentenberechnungsart. Es handelt sich also nicht um die phantastisch hohen Renten, von denen wir in der Presse immer in pessimistischen Berichten lesen, in denen die Finanzgrundlage angegriffen wird. Mehr als 200 DM erhalten nur rund 2 % der Arbeitnehmer, die im Jahre 1959 zum erstenmal Rente bekamen.
Eindrucksvolle Zahlen vermittelte auch der Geschäftsbericht der Landesversicherungsanstalt Berlin, demzufolge 1960 in Berlin 8265 Rentner und 87 856 Rentnerinnen Beträge bis zu einer Höhe von 109 DM erhielten. Renten unter 150 DM bekamen sage und schreibe 16 792 Rentner und 120 278 Rentnerinnen der LVA. Ich will Sie mit diesem Zahlenmaterial, das ja nicht so schnell zu erfassen ist, nicht weiter langweilen, sondern will nur auf die Zahlen der Landesversicherungsanstalt Hannover hinweisen und auch auf die sehr interessanten Bemerkungen, die der hessische Arbeitsminister Hemsath als Berichterstatter im Bundesrat über das ganze Problem der Entwicklung der Renten gemacht hat. Ich möchte feststellen — ich könnte idas aus den weiteren Zahlen exakt nachweisen —, daß alle Zugangsrenten seit 1959 eine fallende Tendenz haben und daß auch die in diesem Gesetz in einer neuen Höhe festgelegten Höchstrenten nur in sehr seltenen Fällen erreicht werden.
Ich glaube, die ganze Frage müßte aber noch durchgesprochen werden, wenn wir uns mit dem Sozialbericht und mit der „Versicherungstechnischen Bilanz" zu beschäftigen haben. Ich könnte Ihnen auch noch nachweisen, daß nicht, wie es ursprünglich in den Absichten und Vorschlägen des Sozialkabinetts enthalten war, 60% der Rente eines Durchschnittslebens eines arbeitenden Menschen erreicht werden, sondern daß dieser Durchschnitt von Jahr zu Jahr sinkt. Das liegt einfach in der Rentenformel und in der laufenden Entwertung der Beiträge durch das Ansteigen der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage begründet. Heute sind wir bereits, wenn ich einen Rentner mit 100% Durchschnitt seiner Rentenbemessungsgrundlage als Beispiel nehme — das ist auf großen Gewerkschaftstagungen exakt bewiesen —, bei 45 % angelangt.
Das ist eine Erscheinung, die in keiner Form dem
draußen hörbaren Pessimismus entspricht. Sie muß
vielmehr zu einer Überprüfung der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage, der Rentenformel und anderer Dinge führen.
Wie in jedem Jahre — eigentlich war es nicht anders zu erwarten — haben Sie auch in diesem Jahre wieder den Sonderzuschuß abgelehnt. Sie haben aber nicht die von uns gewünschte Beweisführung antreten können, daß es sich bei diesem Sonderzuschuß um einen nicht lohnbezogenen Teil handelt, sondern Sie sind einfach mit allgemeinen Bemerkungen dieser Frage ausgewichen. Sie nehmen also lieber große Verwaltungsarbeit in Kauf, anstatt eine Rentenerhöhung von 1 DM oder 1,30 DM im Monat 2,5 Millionen Kleinrentnern zuzugestehen.
Die Frage der Anrechnungsbestimmungen ist nach unserer Auffassung noch nicht endgültig entschieden. Wir werden uns in der dritten Lesung gestatten, dem Hohen Hause einen neuen Antrag vorzulegen, und wir hoffen, daß wenigstens diese abgewandelte Form auf eine größere Bereitschaft stößt. Wir ersuchen jedenfalls recht herzlich darum.
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann sich über die Rede des Herrn Kollegen Meyer nur wundern. Er tut so, als ob wir uns heute zum erstenmal über diesen Problemkreis, über die Frage der Rentenschere, des Auseinanderklaffens der Altrenten und der Neurenten unterhalten. Dabei stehen wir doch heute vor dem 5. Rentenanpassungsgesetz, und bei allen Rentenanpassungsgesetzen haben wir die gleiche Diskussion geführt. Sie haben heute dasselbe gesagt wie in früheren Jahren. Wir haben unsere sachlichen Argumente bereits vorgetragen. Aber Sie haben offenbar kein Gehör für unsere sachlichen Argumente.
— Herr Kollege Meyer, bei Ihrer Fraktion ist es anders. Denn sie hat in diesem Jahr nicht den Mut gehabt, einen Antrag zu stellen. Ihre Fraktion hat es offenbar beeindruckt, was in diesem Jahr im Sozialbericht der Bundesregierung steht. Der Sozialbeirat hat immerhin in seinem Gutachten in diesem Jahr zum erstenmal kein Votum für die Rentenanpassung abgegeben. Das hat Ihre Fraktion offenbar beachtet. Auf Ihre Fraktion hat auch Eindruck gemacht, was die versicherungstechnischen Bilanzen aussagen. Wir haben uns ja in der ersten Lesung stundenlang über den Sozialbericht und die versicherungstechnischen Bilanzen unterhalten. Wie Sie nun noch davon sprechen können, die finanzielle Lage der Rentenversicherung gestatte ein Nachholen der Anpassung, ist mir einfach unverständlich.
Ich bitte Sie, der Ausschußfassung zuzustimmen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2313
Ruf
— Ja, der Ausschußfassung ohne Nachholen der Anpassung; meine Kollegen, Sie verstehen schon recht, was ich meine.
Wir wollen froh und dankbar sein, daß wir heute die 5. Rentenanpassung vornehmen können. Damit haben wir gegenüber 1956, seit der Rentenreform, die Renten im Durchschnitt um über 110% erhöht, wahrlich eine sehr beachtliche Leistung, auf die wir stolz sein können.
Wird in der Aussprache weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe auf § 8 und zugleich den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 1681. — Zur Begründung Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Präsident! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Herr Kollege Spitzmüller hat mit einem Schiller-Zitat geschlossen. Ich muß meine kurzen Ausführungen mit einem Spruch beginnen, der sonst nur bei traurigen Anlässen Anwendung findet, nämlich dem: „Es kann vor Nacht leicht anders werden, als es am frühen Morgen war." Vorgestern, Herr Kollege Spitzmüller, waren Ihre Kollegen von der FDP noch bereit, den Änderungsantrag, den wir eingebracht haben, im vollen Wortlaut zu unterstützen. Wir haben uns im Ausschuß für Sozialpolitik sehr eingehend über unseren Antrag unterhalten, und dort ergab sich für diese Änderung im Rahmen des von der FDP eingebrachten Antrags eine Mehrheit.
Wir haben es uns auch im Haushaltsausschuß nicht leicht gemacht, Herr Kollege Stingl. Dort konnte ich den Antrag für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begründen. Auch der Haushaltsausschuß hat sich davon überzeugen lassen, daß dieser Antrag in der Sache begründet ist. Zur Begründung unseres Antrags habe ich mich auf das bezogen, was der Herr Bundesarbeitsminister in Drucksache IV/446 mit dem Datum vom 5. Juni 1962 mitgeteilt hat. Auf Grund des Entschließungsantrags des Bundestags vom 13. Dezember 1961 hat er in dieser Drucksache einen Bericht über die Prüfung der Anrechnungsbestimmungen in den verschiedenen Zweigen des sozialen Leistungsrechts erstattet.
Ich hatte noch eine andere Begründung. Ich war in der glücklichen Lage, mich nicht nur auf die Zustimmung der FDP-Kollegen und einiger CDU-Kollegen stützen zu können, sondern auch auf Zahlen, die der Herr Regierungsvertreter genannt hat und die es uns durchaus berechtigt erscheinen lassen, daß unser Antrag angenommen wird. Ich will jetzt nicht in Versicherungsmathematik und in Versicherungsphilosophie machen; ich möchte Ihnen nur eine einzige Zahl nennen, die uns der Herr Regierungsvertreter im Haushaltsausschuß genannt hat. Er sagte, daß die Durchschnittsrente des Versicherten 174,40 DM beträgt. Wenn Sie davon 6,6 % neh*) Siehe Anlage 4
men, auf gut 10 Mark Rentenanpassung kommen und heute mit dem von Ihnen eingebrachten Antrag beschließen wollen, daß das, was an Rentenanpassung gegeben wird, gleichzeitig wieder bei der Kriegsopferrente und den anderen Renten in diesem Bereich gekürzt wird, ist das doch sicher eine schlechte Sache, und das wird von dem Betroffenen einfach nicht verstanden.
Es kommt noch etwas anderes hinzu. Im Haushaltsausschuß wurde gesagt: Wenn diesem unserem Antrag entsprochen wird, wird etwas den Bundeshaushalt in den nächsten Jahren Belastendes, Präjudizierendes geschaffen. Meine Damen und Herren, wir brauchen uns ja bei diesem Antrag nur auf ein Jahr zu beschränken, und wenn wir dann diese Zeit für eine Rentennovellierung nutzen und zu einer Änderung der die Rentner so belastenden Bestimmungen kommen, dann brauchen wir haushaltsmäßig gar. nicht so schwarz zu sehen. Dann haben wir es selbst in der Hand, eine haushaltsmäßige Belastung zu vermeiden.
Herr Kollege Kühn hat am 13. Dezember des vergangenen Jahres hier auch von der Reform gesprochen und auf den Zuruf meines Freundes Schellenberg „Im Jahre 2000!" eine Antwort nicht geben können. Aber es ist doch tatsächlich so: die Rentner leiden Not unter den Anrechnungsbestimmungen, die zu beseitigen unser Antrag bezweckt. Ich bitte Sie deshalb ebenso herzlich wie dringend, das zu tun, was im Ausschuß für Sozialpolitik und im Haushaltsausschuß die Mehrheit getan hat, nämlich unserem Antrag zuzustimmen. Wir machen damit denen, die mit einer kleinen Rente auf der Schattenseite des Lebens stehen, eine große Freude.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir bleiben bei dem Ziel, das Sie angesprochen haben; aber wir mußten uns leider davon überzeugen, daß dieser von uns im Ausschuß vorgeschlagene Weg, den Sie nun durch den Änderungsantrag Umdruck 168 zu dem Ihrigen machen, zu steinig, weil präjudizierend, und damit ungangbar wird. Es gibt einen an deren Weg. Kollege Stingl hat ihn aufgezeigt, und diesen Weg werden wir gemeinsam mit der CDU gehen. Ich darf im Auftrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP die Ablehnung des Antrages empfehlen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich in der Sache um einen Antrag, den die FDP im Sozialpolitischen Ausschuß gestellt und noch Ende der letzten Woche im Haus-
2314 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Dr. Schellenberg
haltsausschuß wiederholt hat. Der Meinungswandel von der letzten Woche bis heute ist interessant. Darüber hinaus handelt es sich um eine Angelegenheit, die von prinzipieller Bedeutung für die Gestaltung unseres Sozialrechts ist. Deshalb beantrage ich namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Aussprache.
Wird der Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützt? Ich bitte um Handzeichen. — Das sind mehr als 30 Mitglieder des Hauses. Wir kommen zur namentlichen Abstimmung. —
Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, mit Ja also, haben 176 stimmberechtigte und 10 Berliner Abgeordnete gestimmt, mit Nein 206 stimmberechtigte und 4 Berliner Abgeordnete; enhalten haben sich 8 stimmberechtigte Abgeordnete. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis:
Ja: 175 und 10 Berliner Abgeordnete Nein: 206 und 4 Berliner Abgeordnete Enthalten : 8
Ja CDU/CSU
Klein Maier (Mannheim) Frau Dr. Probst
SPD
Altmaier Auge
Bading
Bäumer Bals
Bauer Bazille
Dr. Bechert
Behrendt Berkhan Berlin
Beuster
Frau Beyer Biegler
Biermann Blachstein Dr. Bleiß Börner
Dr. h. c. Brauer
Brünen
Bruse
Büttner Busch
Corterier Cramer Diekmann
Frau Döhring Dopatka
Dröscher Frau Eilers
Dr. Eppler Erler
Eschmann
Faller Felder Figgen Folger Franke Dr. Frede
Frehsee
Frau Freyh Fritsch
Geiger Gerlach Glombig
Gscheidle
Haase Hamacher
Hansing
Dr. Harm Heide
Heiland
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock
Frau Herklotz Hermsdorf
Herold Hirsch Höhmann
Höhne
Hörauf
Frau Dr. Hubert Hufnagel
Hussong
Iven
Jacobs Jahn
Jaksch Jürgensen
Junghans
Junker Kaffka Kalbitzer
Frau Kettig Killat
Frau Kipp-Kaule
Dr. Koch
Könen Koenen (Lippstadt) Kohlberger
Frau Korspeter
Kraus
Dr. Kreyssig Dr. Kübler Kulawig
Lange Langebeck Lautenschlager
Leber
Lemper
Lenz Lücke (Osnabrück) Lünenstraß Marquardt
Marx
Matthöfer Matzner
Frau Meermann Merten
Metter
Metzger
Dr. Meyer Meyer (Wanne-Eickel) Dr. Mommer
Dr. Morgenstern Müller Müller (Nordenham) Müller (Ravensburg) Müller (Worms)
Dr. Müller Emmert
Dr. Nissen Ollenhauer Paul
Peters Porzner
Priebe
Ravens
Regling
Rehs
Dr. Reischl Reitz
Riegel
Dr. Rinderspacher Ritzel
Dr. Roesch Rohde
Frau Rudoll Sänger
Saxowski Dr. Schäfer
Frau Schanzenbach Scheuren
Dr. Schmid Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Dr. Schmidt (Offenbach) Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Schrader Schwabe
Seibert
Seidel Seifriz
Seither
Frau Seppi Seuffert
Stephan
Striebeck
Dr. Tamblé Theis
Wegener
Welke
Welslau
Weltner
Frau Wessel
Wienand
Wilhelm
Wischnewski
Frau Zimmermann
Zühlke
Berliner Abgeordnete
Frau Berger-Heise
Braun
Frau Krappe
Liehr
Mattick
Neumann
Dr. Schellenberg
Dr. Seume Urban
Wellmann
FDP
Dorn
Frau Dr. Flitz
Dr. Kohut Kreitmeyer Kubitza
Margulies Mertes
Opitz
Reichmann Dr. Rutschke
Dr. Schneider
Nein
CDU/CSU
Adorno
Dr. Althammer
Arndgen Dr. Arnold
Dr. Artzinger
Baier
Baldauf
Balkenhol Dr. Barzel
Bauer Bausch
Becker
Berberich Dr. Besold Bewerunge Biechele
Dr. Bieringer
Blank
Frau Dr. Bleyler
Blöcker
Frau Blohm Blumenfeld von Bodelschlwingh
Dr. Böhm Böhme (Hildesheim)
Brand
Frau Brauksiepe
Dr. Brenck
Dr. von Brentano
Brese
Brück
Bühler
Dr. Burgbacher Burgemeister
Dr. Conring Dr. Czaja Deringer
Dr. Dichgans
Dr. Dittrich Dr. Dollinger
Draeger
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2315
Dr. Dr. h.c. Dresbach Ehnes
Ehren
Eichelbaum Dr. Elbrächter
Frau Engländer
Falke
Dr. Franz Franzen
Dr. Fritz Funk (Neuses am Sand) Gaßmann
Gedat
Frau Geisendörfer
Gerns
D. Dr. Gerstenmaier Gewandt
Gibbert
Glüsing
Dr. Götz Goldhagen Dr. Gossel Gottesleben
Dr. h. c. Gilde
Günther
Hahn
Dr. Hahn
Dr. von Haniel-Niethammer Dr. Hauser
Dr. Hesberg
Hesemann Hilbert
Dr. Höchst Höfler
Hörnemann Hösl
Holkenbrink
Horn
Dr. Huys Illerhaus Dr. Jaeger Josten
Dr. Jungmann
Frau Kalinke
Dr. Kanka Kemmer
Dr. Kempfler
Frau Klee
Dr. Kliesing Klinker
Knobloch Dr. Knorr Dr. Kopf Krug
Frau Dr. Kuchtner Kühn Kuntscher
Leicht
Lemmrich
Lenze Leonhard
Lermer
Leukert Dr. Löhr Dr. Luda Majonica Maucher Meis
Memmel Mengelkamp
Menke
Missbach
Müller Müller-Hermann
Müser
Nieberg Niederalt Oetzel
Frau Dr. Pannhoff
Dr. Pflaumbaum
Frau Pitz-Savelsberg
Dr. Poepke
Porten
Dr. Ramminger
Rasner Rauhaus
Frau Dr. Rehling
Dr. Reinhard
Riedel Rollmann
Ruf
Ruland Scheppmann
Schlick
Dr. Schmidt Schmücker
Schneider
Frau Schroeder Schütz
Frau Dr. Schwarzhaupt
Dr. Schwörer
Dr. Seffrin
Seidl
Dr. Serres
Dr. Sinn
Spies
Dr. Stecker
Dr. Steinmetz
Stiller Stooß Storm Struve Sühler Unertl Varelmann
Verhoeven
Dr. Freiherr v. Vittinghoff-Schell
Vogt
Wacher
Wagner
Dr. Weber
Weigl Weinzierl
Frau Welter Wendelborn
Werner
Wieninger
Dr. Wilhelmi
Windelen
Winkelheide
Dr. Winter Wittmer-Eigenbrodt
Dr. Zimmer
Dr. Zimmermann
Berliner Abgeordnete
Hübner
Dr. Krone
Frau Dr. Maxsein Stingl
FDP
Dr. Atzenroth
Busse
Dr. Danz
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring
Dr. Dörinkel
Dürr
Dr. Emde
Ertl
Frau Funcke
Dr. Hamm Hammersen
Dr. Hellige
Dr. Imle
Keller
Frau Dr. Kiep-Altenloh Freiherr von Kühlmann-Stumm
Dr. Mälzig
Freiherr von Mühlen Murr
Peters
Dr. Rieger Sander
Schmidt Schultz
Soetebier
Spitzmüller
Dr. Supf Walter
Weber Zoglmann
Enthalten
CDU/CSU
Harnischfeger
Heix Katzer
Mick
Müller Rommerskirchen Teriete
Wullenhaupt
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Erklärungen werden nicht mehr abgegeben. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Zwei Gegenstimmen — der Herren Atzenroth und Margulies. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Wie mir mitgeteilt worden ist, soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung nunmehr Punkt 15 der Tagesordnung aufgerufen werden. — Sie sind damit einverstanden. Ich rufe Punkt 15 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hubert, Höfler, Frau Dr. Flitz und Genossen betr. Ratifizierung der Europäischen Sozialcharta (Drucksache IV/ 740).
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur einige wenige Worte zur Begründung des interfraktionellen Antrags betreffend die Ratifizierung der Europäischen Sozialcharta. Diese Charta ist nach jahrelangen Verhandlungen im Sozialausschuß des Europarates und auch im Expertenkomitee des Ministerrates und nach einer Konferenz der Sozialpartner schließlich im Europarat angenommen und am 18. Oktober 1961 in Turin von den meisten Staaten — darunter auch von der Bundesrepublik — unterzeichnet worden.
Wir haben hier in diesem Hause unter Bezugnahme auf eine Entschließung des Europarates, in der dem Wunsch Ausdruck gegeben wurde, daß alle Staaten diese Charta ihren Parlamenten binnen Jahresfrist zur Ratifizierung vorlegen sollten, einen Antrag eingebracht, der damals von unserer verehrten Frau Kollegin Dr. Weber angeregt war, der die Sozialcharta immer ganz besonders am Herzen gelegen hatte. Damals hat die Bundesregierung gesagt, es bedürfe noch einiger Besprechungen mit den anderen Ministerien und auch mit den Ländern.
Inzwischen sind neun Monate ins Land gegangen. Ich finde, es ist wirklich beklagenswert, daß wir in der Bundesrepublik die Sozialcharta noch nicht haben ratifizieren können. Im Oktober dieses Jahres hat der Bundesarbeütsminister auf eine Anfrage von mir in der Fragestunde noch einige andere Gründe aufgeführt. Er hat erklärt, man habe noch Besprechungen mit Osterreich, um für diese Charta
2316 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Frau Dr. Hubert
eine einheitliche Übersetzung in die deutsche Sprache festzulegen. Herr Minister, ich glaube, keiner von uns hier in diesem Hause sieht das als eine genügende Begründung dafür an, von uns aus die Ratifizierung hinauszuzögern. So schwierig kann letztlich auch ein solches Übereinkommen mit Osterreich nicht sein.
Und dann die Besprechungen mit den Ländern! Die Regierung hat ja diese Charta unterzeichnet. Diese Besprechungen mußten doch im wesentlichen schon vor der Unterzeichnung durchgeführt werden; sonst hätte die Bundesregierung sie nicht vornehmen können.
Der Bundesarbeitsminister meint, es wäre in diesem Falle so besonders schwierig, weil man hier Artikel aussuchen könne; man müsse nicht alle Artikel dieser Sozialcharta annehmen. Nun, diese Sozialcharta ist sicherlich nicht das Endziel der sozialen Gesetzgebung in Europa. Sie stellt eine Grundlage für die soziale Gesetzgebung und einen Kompromiß dar, bei dem durchaus auch auf die schwächeren Partner — etwa Griechenland oder die Türkei — Rücksicht genommen worden ist. Alle Bestimmungen „können" angenommen werden; zehn von den 19 müssen angenommen werden, wenn die Charta als ratifiziert gelten soll. Die Bundesregierung braucht sich aber keinesfalls zum Ziel zu setzen, nur das Mindestmaß zu erfüllen.
Welcher Artikel dieser Sozialcharta ist denn so geartet, daß er von uns in der Bundesrepublik nicht angenommen werden könnte? Alle Parteien dieses I Hauses haben nach langen Beratungen in Straßburg sämtlichen Artikeln der Charta zugestimmt. Die Bundesregierung und die Bundesrepublik sollten hier wirklich mit gutem Beispiel vorangehen und die Sozialcharta mit allen ihren Artikeln dem Hause möglichst umgehend zur Ratifizierung vorlegen. Damit würde ein Markstein für die Zukunft eines sozialen Europas gesetzt werden.
Ich bitte daher um Annahme dieses interfraktionellen Antrages.
Das Wort hat der Abgeordnete Schütz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine persönliche Bemerkung. Wenn in diesem Hause noch Frau Dr. Weber säße, wäre diese Stunde ihre große Stunde. Sie hat im Sozialausschuß des Europarates bei der Ausarbeitung der Sozialcharta drei Vorsitzende erlebt. Sie war das älteste Mitglied dieses Ausschusses nicht nur an Jahren, sondern auch hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit diesem Ausschuß. Als meine Fraktion mich beauftragte, ein paar Sätze zu dem Antrag, der ja ein interfraktioneller Antrag ist, zusprechen, habe ich an dietapfere Frau denken müssen, die so viele Stunden und Tage ihrer Arbeit in Straßburg auf die Sozialcharta verwendet hat.
Meine Damen und Herren, es ist erfreulich, daß wir hier einmal über eine Sache reden können, in der die Koalition und die Opposition im Grundsatz
übereinstimmen. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, daß ich die grundsätzlichen Ausführungen, die Frau Kollegin Dr. Hubert gemacht hat, jetzt nicht wiederhole. Ich könnte im großen und ganzen nur das gleiche sagen.
Meine Fraktion wird für den Antrag stimmen, bittet aber darum, daß auf die Festlegung des Datums, nämlich 31. Januar 1963, verzichtet wird. Ich werde dazu ein paar sachliche Bemerkungen machen.
Ein Zweites noch, Frau Kollegin Dr. Hubert. In dem Antrag, den auch unsere Fraktion unterzeichnet hat, steht, „mit allen ihren Paragraphen". Gestatten Sie mir als einem, der auch von Anfang an an dem Zustandekommen dieser Charta ;mitarbeiten durfte, die Bemerkung, daß ich es nicht für gut halte, wenn der Passus „mit allen ihren Paragraphen" stehenbleibt. Die Charta gliedert sich in fünf Teile. Sie enthält die 19 wichtigen sozialen Grundrechte. Ich will .sie hier nicht aufzählen. Diese 19 — ich möchte sagen — Kernstücke der Charta sind in 74 Absätze unterteilt. Hier sollen soziale Verhältnisse in Ländern zwischen Norwegen und der Türkei — in diesem großen Spannungsbogen — einheitlich geregelt werden. Wir sollten uns dartiber verständigen, daß das menschliches Können übersteigt. Die Verhältnisse in Norwegen, der Türkei und Griechenland sind so unterschiedlich, daß es kaum möglich ist, sie nach einheitlicher Gesetzgebung zu regeln. Deshalb haben wir uns im Ausschuß seinerzeit unter der hervorragenden Mitarbeit des Herrn Kollegen Birkelbach in einer harten Auseinandersetzung — nicht unter uns Deutschen — darüber verständigt. Die deutschen Vertreter — das darf ich dem Hause auch sagen — haben in allen Einzelheiten ohne Unterschied ihres politischen Standortes einheitlich mit Ja oder mit Neingestimmt, überall da, wo unter den verschiedenen Nationen Differenzen bestanden.
Das Kompromiß, das wir dort fanden, war, daß die ganze Charta als von einem Land ratifiziert gelten soll, wenn ein Land von den 19 wichtigen Grundrechten 10 oder von den 74 Einzelabsätzen 45 ratifiziert.
Meine Damen und Herren, ich würde dem Deutschen Bundestag empfehlen, der Regierung nicht mehr aufzuerlegen, als der — wenn Sie so wollen — Gesetzgeber der Sozialcharta, nämlich der Straßburger Europarat, den Regierungen auferlegt hat.
Dann noch ein Wort zur Problematik der Ratifizierung selber. Die Möglichkeit, bestimmte Artikel oder Absätze als verpflichtend auszuwählen, ist in internationalen Verträgen sonst im allgemeinen nicht vorgesehen. Die Sozialcharta räumt den Vertragsstaaten diese Möglichkeit ein, um ihnen die Ratifizierung zu erleichtern, um aber auch den Kontrollorganen des Europarates die Möglichkeit zu geben, daß die Artikel, die ratifiziert sind, auch wirklich durchgeführt werden und das kontrollierbar ist.
Die Bundesregierung hat uns schon einmal mitgeteilt, daß sich die Ratifizierung deshalb verzögert, weil eine Abstimmung mit den EWG-Staaten notwendig ist. Diese Abstimmung hat vor etwa zwei Wochen stattgefunden. Sie zeigte, daß auch Belgien,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2317
Schütz
1 Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande aller Voraussicht nach so wie die deutsche Bundesrepublik zwar nicht alle 19, aber doch wesentlich mehr als 10 dieser Hauptabschnitte, der sogenannten Grundrechte, ratifizieren werden. Die Bundesrepublik Deutschland wird keineswegs allein auf weiter Flur stehen, wenn von ihr nicht alle Bestimmungen ratifiziert werden sollten.
Lassen Sie mich aus den vielen nur ein einziges Beispiel anführen. Schwierigkeiten bestehen für uns bei Art. 7. Sein Abs. 1 legt den Vertragsstaaten die Verpflichtung auf, für die Zulassung zur Arbeit ein Mindestalter von 15 Jahren vorzusehen. Die Mehrzahl der deutschen Länder hat aber bisher eine achtjährige Schulpflicht. Das Schulentlassungsalter und damit auch das Berufseintrittsalter liegt daher in den meisten Bundesländern unter 15 Jahren. Der Bund hat nach der Verfassung keine Möglichkeit, diesen Zustand zu ändern. Das ist ein Beispiel für viele; es gibt noch drei oder vier weitere. Ich wollte an diesem einen Beispiel nur demonstrieren, daß unser Einwand begründet ist.
Meine Damen und Herren, mit diesen beiden Einschränkungen empfehle ich die Annahme des Antrages. Sollten Sie sich entschließen, den Antrag erst noch einem Ausschuß zu überweisen, dann sollte der Ausschuß für Sozialpolitik federführend sein, und es sollten die Ausschüsse für Arbeitsrecht, Wirtschaft, Familien- und Jugendfragen, für Auswärtiges, für Kommunalpolitik und Sozialhilfe — wennschon dennschon — mitberatend sein.
— Die Worte „mit allen ihren Paragraphen". Wenn das bliebe, dann würden Sie es der Bundesregierung nicht möglich machen, zu unterzeichnen.
Daß es von 1953 bis 1961 gedauert hat, bis die Sozialcharta zustande kam, hat seinen Grund darin, daß die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den 16 Ländern so verschieden sind und beim allerbesten Willen nicht über einen Kamm geschoren werden können. Das ist einvernehmlich so zustande gekommen, und ich würde bitten, daß wir es dabei auch belassen.
Herr Abgeordneter Schütz, gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung muß ich Sie bitten, mir Ihren Antrag schriftlich heraufzureichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der uns vorliegende interfraktionelle Antrag hat das Ziel, ,den Bundestag sobald wie möglich mit den Problemen der Europäischen Sozialcharta zu befassen. Die Frage ist nur, auf welche Art und Weise man dies am zweckmäckigsten tut. Meine politischen Freunde sind der Meinung, es wäre das beste, diesen Antrag zunächst,
ausschuß — federführend — und dem Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe — mitberatend — zu überweisen, damit das Parlament bereits jetzt wie im Ältestenrat auch vorbesprochen, dem Arbeitsdie Möglichkeit hat, in die Problematik einzudringen, und damit die Bundesregierung, die ersucht werden soll, ein Ratifizierungsgesetz vorzulegen, wenigstens vorläufig eine Übersicht darüber hat, ob die Teile der Europäischen Sozialcharta, die sie zur Ratifizierung vorlegen will, auch Aussicht auf Annahme in diesem Hohen Hause haben.
Der andere Vorschlag, diesen Antrag schon jetzt im Plenum anzunehmen — unter Umständen mit Modifizierungen —, ist zwar auch durchführbar; wir halten aber nach gewissenhafter Überlegung unseren Antrag auf Ausschußüberweisung für zweckmäßiger, denn hier muß eine Vorprüfung erfolgen. Die Probleme sind — ich kann weitgehend auf die Ausführungen des Kollegen Schütz verweisen — sehr kompliziert und zum Teil auch verfassungsrechtlicher Natur. Ich bitte deshalb, der Überweisung an den Arbeitsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schütz, ich bin außerordentlich enttäuscht über das, was Sie hier ausgeführt haben. Sie sind über den Antrag auf Streichung des Datums, den Sie schon angekündigt hatten, hinausgegangen und wollen nun auch noch die Worte „mit allen ihren Paragraphen" gestrichen haben. Mit der Streichung des Datums würden wir uns einverstanden erklären, denn in der Tat ist die Zeit jetzt etwas knapp geworden. Aber daß Sie die Worte „mit allen ihren Paragraphen" gestrichen haben wollen, halten wir für sehr bedauerlich. Schließlich haben wir seinerzeit alle Paragraphen nach langer und eingehender Überlegung angenommen, und wir alle, auch Sie und wir, haben uns etwas dabei gedacht, als wir .die Bestimmung bezüglich der fünfzehn Jahre als Eintrittsalter in diesen Beruf angenommen haben. Letzten Endes stellt diese Charta eine Basis dar, nicht etwas, was wir von heute auf morgen machen müssen, sondern etwas, was wir — das ist das Ziel — durch unsere Gesetzgebung erreichen wollen. Nach meiner Meinung sollten wir den Antrag heute direkt annehmen, um der Regierung diesen Auftrag zu erteilen, damit uns das Ratifikationsgesetz möglichst schnell vorgelegt wird.
Von der Überweisung an die Ausschüsse verspreche ich mir sehr wenig. Es kämen eigentlich nur der Arbeitsausschuß und der ,Ausschuß für Sozialpolitik in Frage. Meine Freunde und ich wollen aber zustimmen, bitten allerdings um getrennte Abstimmung über die Streichung des Datums und über die Streichung des Wortes „alle". Ist das möglich, Herr Präsident?
Selbstverständlich. — Das Wort hat der Abgeordnete Schütz.
2318 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geschätzte Frau Kollegin Hubert, es tut mir außerordentlich leid, daß ich Sie enttäuscht habe. Aber die Bundesregierung kann keinen Vertrag ratifizieren, gegen den dann Verfassungsklage eingereicht würde; denn wir haben nur in ganz wenigen Ländern neun Schuljahre, und damit beginnt in der Mehrzahl der Länder der Eintritt in das Berufsleben mit dem 14. Lebensjahr. Das würde also gegen die Charta verstoßen. Die Bundesregierung würde sie ratifiziert haben, und dann würde sich in diesem Hause immer wieder jemand finden, der die Bundesregierung packte und hier anklagte.
Ich wiederhole noch einmal: es beruht auf einer weisen Überlegung, daß wir den Staaten die Möglichkeit der Auswahl gegeben und gesagt haben: ihr könnt ratifizieren, wenn ihr wenigstens 10 von 19 der Grundrechte oder 45 von 74 der Einzelabsätze ratifiziert. Wir sind davon überzeugt, daß die Bundesregierung in der Lage sein wird, auf Grund des geltenden Rechts viel mehr als 10 von 19 und viel mehr als 45 von 74 zu ratifizieren. Wir sollten doch nicht — entschuldigen Sie — so haarspalterisch sein und eine so große Sache an so kleinen Dingen scheitern lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, in den Ausführungen von Frau Kollegin Dr. Hubert einen gewissen Widerspruch entdeckt zu haben. Einerseits wendet sie sich gegen die vom Herrn Kollegen Schütz beantragte Streichung des Datums, weil sie meint, daß der Bundestag sich möglichst bald mit dieser Materie befassen müsse.
Andererseits, Frau Kollegin Dr. Hubert, wenden Sie sich gegen die von uns vorgeschlagene Ausschußüberweisung, die den Bundestag am allerfrühesten mit dieser Problematik vertraut machen würde; die Beratung im Ausschuß würde zur Folge haben, daß die Bundesregierung nicht etwa ein Ratifizierungsgesetz mit einer gewissen von ihr gemachten Auswahl von Abschnitten ein wenig auf gut Glück an dieses Hohe Haus geben würde. Die Bundesregierung hat nach der in diesem Fall möglichen und zweckmäßigen Vorklärung im Ausschuß die Möglichkeit, ein Ratifizierungsgesetz einzubringen, das mit höchster Wahrscheinlichkeit sehr schnell und ohne weiteren Zeitverlust vom Haus verabschiedet wird. Ich glaube, bei Annahme unseres Vorschlags ist Ihrem Wunsch nach Zeitgewinn besser Rechnung getragen. Es handelt sich hier ja keineswegs um eine hochpolitische oder gar parteipolitische Frage. Es ist lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit, und hier halten wir die Ausschußüberweisung für besser.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Bevor ich zu Abstimmungen sachlicher Art aufrufe, muß ich über die Überweisungsanträge abstimmen lassen. Der Abgeordnete Dürr hat Überweisung an den Ausschuß für Arbeit — federführend —, an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe — mitberatend — beantragt. Soll noch an weitere Ausschüsse überwiesen werden?
Wer der Ausschußüberweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste ist die Mehrheit; die Ausschußüberweisung ist beschlossen.
— Wollen Sie die Überweisung an einen weiteren Ausschuß beantragen?
— Das Haus hat bereits beschlossen. Sie können zusätzlich den Antrag stellen, einen weiteren Ausschuß zu beteiligen. — Bitte!
Ich beantrage zusätzlich den Antrag auch an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen; denn im Grunde ist der Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe nicht damit befaßt. Das war ein Irrtum.
Also es wird zusätzliche Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik als mitberatenden Ausschuß beantragt. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Damit ist der Änderungsantrag Schütz erledigt.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. November 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/807).
Ich danke dem Abgeordneten Dr. Reischl für seinen Schriftlichen Bericht. Eine mündliche Ergänzung ist nicht notwendig.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2319
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 4. November 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/808).
Ich danke dem Abgeordneten Dr. Reischl für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1 bis 12, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!
Punkt 9 ist abgesetzt.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Februar 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Errichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutsch-luxemburgischen Grenze Drucksache IV/697)
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/823).
Ich danke dem Abgeordneten Regling für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache IV/827).
Ich danke der Frau Abgeordneten Dr. Hubert für ihren Schriftlichen Bericht — eine Ergänzung wird nicht nötig sein — und rufe in zweiter Beratung auf § 1, zu dem der Änderungsantrag der Abgeordneten Spitzmüller, Unertl, Dr. Althammer und Genossen auf Umdruck 169 vorliegt.*) Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich lege Ihnen — zugleich im Namen einer Reihe von Freunden im Deutschen Bundestag — einen Änderungsantrag vor, mit dem wir aber keineswegs beabsichtigen, die Zuständigkeit des Gesundheitsamtes für diese Aufgabe in Frage zu stellen. Mit diesem Antrag soll lediglich erreicht werden, daß das Gesundheitsamt im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens entscheiden kann, so daß dieses Gesetz praktikabel wird, nämlich auch dann praktikabel, wenn personelle Schwierigkeiten in der Besetzung des Gesundheitsamtes bestehen oder plötzlich entstanden sind.
So wie die Formulierung jetzt ist, mag das Gesetz in den Großstädten zu handhaben sein. Aber in den Landkreisen wird die Frage der Praktikabilität
s) Siehe Anlage 5
2320 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Spitzmüller
immer wieder aufgeworfen. Wir müssen einmal an den Schwarzwald, an Bayern, an Niedersachsen mit den großen und weiten Landkreisen denken, in denen es oft gewisse Schwierigkeiten gibt, wo das Gesundheitsamt mit nur einem Arzt besetzt ist und nur dieser eine Arzt zugelassen ist, das für die Arbeitsaufnahme notwendige Zeugnis auszustellen.
Unser Antrag bringt auch keine absolute Neuerung. Wir müssen uns vor Augen halten: der § 78 ist für die Bundeswehr — einschließlich den Zivilbediensteten — die Voraussetzung dafür, die Untersuchungen durch ihre Ärzte durchführen zu lassen. Dasselbe gilt für die Bundesbahn, und dasselbe gilt für die Seeschiffahrt. Die Kann-Ausnahme in § 18 beschränkte sich bisher auf die Krankenanstalten und neuerdings auf diese und die Haftanstalten mit den dort tätigen Personen. Es ist nicht einzusehen, warum ein Krankenhausarzt, der zugelassen ist, der die Untersuchungen vornehmen und das Zeugnis für die in der Krankenanstalt arbeitenden Personen ausstellen kann, dies nicht für das Personal eines neben dem Krankenhaus liegenden Einzelhandelsgeschäftes oder Hotel- und Gaststättenbetriebes soll übernehmen können.
Diese Ausnahme — so wird man sagen — könnte eine uneinheitliche Handhabung im Bundesgebiet bringen; in dem einen Kreis wird die Ausnahmebestimmung großzügig und in dem anderen wird sie eng gehandhabt. Ich möchte aber für die Antragsteller ausdrücklich betonen: diese Ausnahme kann einheitlich so gehandhabt werden, daß Krankenhausärzte nicht nur für den Bereich ihres Personals, sondern auch für andere vom Gesetz Betroffene zugelassen werden könnten. Die Konfliktsituation zwischen Hausarzt und Untersuchtem wird also bei Annahme unseres Antrags keineswegs auftreten, weil dieser Antrag lediglich die Möglichkeit geben soll, im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens eine solche Untersuchungsmöglichkeit zuzulassen. Keineswegs soll jeder Hausarzt in der Lage sein, ein solches Zeugnis auszustellen.
Ich bitte also, aus Gründen der Zweckmäßigkeit unserem Antrag die Zustimmung nicht zu versagen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatterin des Ausschusses muß ich dem Antrag des Herrn Kollegen Spitzmüller widersprechen. Wir haben schon im Ausschuß ausgiebig über diese Frage diskutiert, als wir das Bundesseuchengesetz verabschiedet haben. Die Untersuchungen nach diesem Gesetz sind rein seuchenhygienische Maßnahmen, die speziell zu den Aufgaben des Gesundheitsamtes gehören. Wir sollten hier nicht die Verantwortung, auch nicht die des Gesundheitsamtes, irgendwie verschieben, indem wir dem Gesundheitsamt die Möglichkeit geben, die Untersuchungen, sei es auf praktische Ärzte, sei es auf Krankenhausärzte, zu übertragen. Dann würden diese Ärzte eine Verantwortung übernehmen, die gar nicht in ihrer Hand sein soll.
Man stelle sich einmal vor, daß in einem Krankenhaus solche Untersuchungen vorgenommen worden sind. Das Krankenhaus ist nicht die dafür zuständige Behörde. Wenn wir für das in diesen Anstalten tätige Personal Ausnahmen gemacht haben, so sind wir damit schon sehr weit gegangen. Aber wir haben uns das sehr überlegt, weil es da wirklich zu Schwierigkeiten kommen könnte.
Ich bitte jedoch dringend, den Antrag des Kollegen Spitzmüller abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag der Abgeordneten Spitzmüller und Genossen Umdruck 169 trägt nicht meine Unterschrift. Ich habe im Ausschuß für Gesundheitswesen mitgearbeitet und kenne die Materie. Die Ausführungen des Kollegen Spitzmüller und die Überlegungen, die wir im Freundeskreis angestellt haben, haben dazu geführt, noch einmal zu prüfen, ob der im Ausschuß eingenommene Standpunkt richtig und haltbar ist.
Ich möchte hier einmal mit aller Deutlichkeit sagen: dieses Zeugnis stößt ohnedies draußen auf dem flachen Lande auf einigen Widerstand. Wenn wir bei Aushilfskräften oder bei den Kräften im Lebensmittel- und Gaststättengewerbe, die plötzlich eingestellt werden müssen, das Zeugnis des Gesundheitsamtes fordern, machen wir das Gesetz für unsere Bevölkerung draußen — ich .spreche hier insbesondere für das flache Land — nicht so praktikabel, wie wir es pflichtgemäß tun sollten. Das Küchenmädchen in einer Gaststätte oder die Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft müßte erst in die möglicherweise weit entfernte Kreisstadt fahren, um dort ein Zeugnis des Gesundheitsamtes zu holen. Das würde dazu führen, daß das Gesetz draußen umgangen wird. Insofern sind große Schwierigkeiten für den Gesetzgeber zu befürchten.
Frau Kollegin Hubert hat sich die Fragen sicher sehr sorgfältig überlegt. Sie meint, der praktische Arzt sei überfordert; er gehe ein Risiko ein, das man ihm nicht auflasten könne. Frau Kollegin Hubert, ich weise auf den Antrag hin. Sie haben ihn sicher genau durchgelesen. Dort steht ja: „Die zuständige Behörde kann zulassen, ...", natürlich auf Antrag des Arztes, „der über die für die Untersuchung notwendigen Einrichtungen verfügt". Wir haben hier also genügend Kautelen geschaffen, damit nichts passieren kann.
Die freie Arztwahl steht dabei gar nicht so sehr im Vordergrund. Ich bin stets ein Verfechter der freien Arztwahl gewesen und bin es noch. Sie steht aber hier nicht im Mittelpunkt. Im Mittelpunkt steht die Überprüfung der Frage, wie dieses Gesetz in der Peripherie draußen, fernab von den Städten, gehandhabt werden kann. Ich habe zwar den Antrag nicht unterzeichnet, aber ich halte ihn für vernünftig und möchte deshalb darum bitten, ihm stattzugeben.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2321
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Pannhoff.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch ich habe im Gesundheitsausschuß an der sehr lebhaften Debatte über den Gegenstand, den Herr Spitzmüller heute wieder mit seinem Änderungsantrag Umdruck 169 angesprochen hat, teilgenommen und bin der Auffassung gewesen, daß wir die seuchenpolizeilichen Vorschriften im Seuchengesetz auf keinen Fall aufweichen sollten. Nachdem ich aber heute noch einmal Überlegungen darüber angestellt habe, und zwar mit Kollegen und Freunden, die aus den Landkreisen kommen, habe ich mich doch davon überzeugen lassen, daß ein Ausnahmepassus in das Gesetz hineingebracht werden könnte, der allerdings nach meiner Auffassung klarer formuliert werden kann, als das in dem Antrag der Kollegen Spitzmüller und Genossen geschehen ist. Ich möchte Sie bitten, über die Formulierung, die ich Ihnen gleich vortragen werde, ein wenig nachzudenken und ihr dann die Zustimmung zu geben. Ich meine, daß sie auf der einen Seite den notwendigen seuchenpolizeilichen Schutz gibt und auf der anderen Seite dem Anliegen unserer Freunde, die in den Landkreisen wohnen, entgegenkommt.
Ich möchte folgende Formulierung vorschlagen:
Die zuständige oberste Landesbehörde kann im Sonderfall einem Arzt, der über die für die Untersuchungen notwendigen Einrichtungen verfügt, die Erlaubnis erteilen, das Zeugnis auszustellen.
Wenn Sie dieser Formulierung zustimmen könnten, wären, glaube ich, die Bedenken, die wir vom Grundsätzlichen her hatten, ausgeräumt, und wir könnten den Wünschen unserer Freunde in Landkreisen entgegenkommen.
Frau Abgeordnete Dr. Pannhoff, Sie müssen diesen Antrag schriftlich einreichen.
Herr Abgeordneter Dürr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein kurzes Wort zu dem Antrag der Frau Kollegin Dr. Pannhoff. Er kann in dieser Form nicht angenommen werden, weil dies — so geringfügig das Problem auch ist — die Anrufung des Vermittlungsausschusses zur Folge haben würde, und zwar aus folgendem Grund: In ständiger Beschlußfassung, könnte man sagen, ist der Bundesrat der Meinung, daß wir in Bonn nicht zu bestimmen hätten, ob eine oberste oder eine andere Landesbehörde eine solche Bestimmung ausführen soll. Das, so meint der Bundesrat — und wir können gar nicht behaupten, daß er dabei Unrecht hätte —, müsse von den Ländern geregelt werden. Deshalb ist der Fassung des Kollegen Spitzmüller der Vorzug zu geben.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse nunmehr über den Änderungsantrag der Abgeordneten Spitzmüller, Unertl, Dr. Althammer und Genossen auf Umdruck 169 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, das ist nicht klarfeststellbar. Wir müssen auszählen. Vielleicht genügt es aber, wenn wir die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen wiederholen. Wer dem Antrag Umdruck 169 zuzustimmen wünscht, den bitte ich sich zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Damit ist der Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Pannhoff erledigt.
Dann kommen wir zu § 1 des Gesetzes in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ,ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Mehrere Enthaltungen links, im übrigen ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen IV/829, zu IV/829)
.
Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Lange , für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe auf in zweiter Beratung Artikel 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Betstimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um .die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
2322 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Vizepräsident Dr. Jaeger
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen, Einstimmig angenommen.
Punkt 13 wird am Freitag aufgerufen. Ich rufe Punkt 14 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse nicht mehr bestehender öffentlicher Rechtsträger (Drucksache IV/ 822) .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen die Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — sowie an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Heimatvertriebene — mitberatend — vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 15 ist erledigt. Ich rufe Punkt 16 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Mittelstandsfragen über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Kreditversorgung des Mittelstandes (Drucksachen IV/192, IV/825).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Corterier. Er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, wofür ich ihm danke. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für Richtlinien des Rates
a) über die Einzelheiten zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für Großhandelsberufe
b) über die Einzelheiten zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für Hilfspersonen des Handels und der Industrie
c) über die Einzelheiten zur Verwirklichung
der Niederlassungsfreiheit und des freien
Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet
der Rückversicherung und Retrozession
d) zur Aufhebung aller Verbote oder Behinderungen von Zahlungen für Leistungen, wenn der Dienstleistungsverkehr nur durch Beschränkungen der entsprechenden Zahlungen behindert ist .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Lange . Auch er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. Eine mündliche Berichterstattung ist also nicht notwendig. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen,
von den Vorschlägen der Kommission der EWG — Drucksache IV/761 — Kenntnis zu nehmen.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Margulies und Genossen betr. intereuropäische Naturparks (Drucksachen IV/586, IV/777).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Rehling. Sie hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihr danke. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Futtergetreidepreise (Drucksachen IV/674, IV/831, zu IV/831).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Pflaumbaum. Er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe jetzt Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2323
Vizepräsident Dr. Jaeger
Forsten über den von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktordnung für Reis (Drucksachen IV/507, IV/778).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Bewerunge. Er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Margulies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Ausschusses, der Ihnen vorliegt, gibt der Reismarktordnung einige fromme Wünsche mit auf den Weg, die das Gegenteil der Verordnung besagen.
Ich möchte aber nicht über den Inhalt der Reismarktordnung sprechen. Mir ist hier ein Punkt aufgefallen, der die Rechte der Abgeordneten im Europäischen Parlament und die parlamentarische Kontrolle der Verordnungen der EWG betrifft. Wir haben im Europäischen Parlament im Oktober und im November, einmal auf Grund eines Berichts unseres Kollegen Deringer und das zweite Mal während des Kolloquiums mit dem Ministerrat auf Grund einer Arbeit unseres Kollegen Dr. Illerhaus, die Rechte der Abgeordneten sehr ausführlich erörtert.
Wir wissen alle — es ist eine alte Klage, die schon bei Abschluß der Verträge erhoben wurde —, daß die Rechte des Europäischen Parlaments etwas schwach ausgefallen sind, daß wir also keine rechte Möglichkeit haben, gegenüber der entscheidenden Stelle, nämlich gegenüber dem Ministerrat, wirksam zu werden. Wir können wohl die Vorschläge der Kommission beeinflussen, wobei immer noch nicht ganz sicher ist, ob ein entsprechender Hinweis des Parlaments von der Kommission aufgenommen wird. Ganz schlecht wird es aber, wenn das Europäische Parlament zu einem Verordnungsentwurf der Kommission eine Änderung beschlossen hat. Die Kommission ist der Meinung, daß diese Änderung richtig ist, und legt das dem Ministerrat vor, aber der Ministerrat nimmt die Änderung nicht auf. Oder: es wird ein Entwurf beim Ministerrat vorgelegt nach Stellungnahme seitens des Europäischen Parlaments, und der Ministerrat nimmt dann Änderungen an der Vorlage vor, zu denen das Europäische Parlament nicht mehr Stellung nehmen kann.
Die letzte Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle ist dann die Unterrichtung der nationalen Parlamente, in unserem Falle also des Deutschen Bundestages, der die Möglichkeit haben sollte, in seinen Ausschüssen von dem deutschen Mitglied des Ministerrats Rechenschaft darüber zu fordern, wie die Abstimmung verlaufen ist. Wir haben leider in Straßburg feststellen müssen, daß sich in solchen Fällen der Minister auf die Geheimhaltung im Ministerrat berufen kann.
Ich bitte um Entschuldigung, daß ich das hier an der Reismarktordnung aufhänge. Es ist eine prinzipielle Frage, mit der wir uns einmal gründlich auseinandersetzen sollten. Aber hier ist mir eine weitere Nuance aufgefallen. Das Europäische Parlament
hat zu der Vorlage der Kommission über die europäische Reismarktordnung eine Ergänzung beschlossen, und zwar hat das Europäische Parlament nach eingehender Debatte und — so bin ich darauf gekommen - auf meinen Antrag zu Art. 1 Nr. 4 — auf Seite 6 der Drucksache IV/507 — beschlossen, daß Reis erzeugende assoziierte Staaten genauso behandelt werden sollen wie die Erzeugermitgliedstaaten. Dieser Zusatz steht aber nicht in der Stellungnahme, die den nationalen Parlamenten übermittelt worden ist, und somit ist natürlich auch eine Stellungnahme zu dieser Ergänzung nicht möglich.
Ich wollte Sie auf diese Punkte hinweisen, um die „vollzählig" versammelte Bundesregierung
zu bitten, auf diesen Punkt zu achten, aber auch um Sie, meine Kollegen, darauf aufmerksam zu machen, daß wir nach Möglichkeit Methoden suchen müssen, wie wir wenigstens in den nationalen Parlamenten die parlamentarische Kontrolle, solange sie das Europäische Parlament nicht hat, ausüben können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2325
Vizepräsident Dr. Jaeger
zes zur weiteren Aufbesserung von Leistungen aus Renten- und Pensionsversicherungen sowie aus Kapitalzwangsversicherungen
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Aufbesserung der Leistungen aus Versicherungen, die vor der Währungsreform eingegangen sind
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Gesetz über Ausgleichsbeträge .
Ich nehme an, daß auf Begründung und Aussprache verzichtet wird. — Das ist der Fall. Zur Frage der Überweisung hat der Abgeordnete Seuffert das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint hier ein Mißverständnis vorzuliegen. Der Antrag der Fraktion der SPD wegen der Ausgleichsbeträge hätte eigentlich gar nicht unter diesem Tagesordnungspunkt aufgeführt werden dürfen; er hat nämlich mit den anderen Vorlagen gar nichts zu tun. Bei diesen Ausgleichsbeträgen handelt es sich um irgendwelche Ausgleichszahlungen für die Tatsache, daß von der Steuer befreite Betriebe der öffentlichen Hand bei Gemeinden domizilieren, die dann von diesen Betrieben keine Steuern bekommen. Die Vorlagen, die unter den Buchstaben a und b aufgeführt sind, gehören in den Wirtschaftsausschuß; der Antrag unter Buchstabe c muß an den Finanzausschuß überwiesen werden, denn es handelt sich bei ihm um eine Frage des Finanzausgleichs. Ich würde empfehlen, den Antrag zur Mitberatung dem Kommunalausschuß zu überweisen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Überweisung. Es ist beantragt, den Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Aufbesserung von Leistungen aus Renten- und Pensionsversicherungen sowie aus Kapitalzwangsversicherungen dem Wirtschaftsausschuß — federführend — zu überweisen. — Darüber besteht Einverständnis.
— Herr Abgeordneter Rasner wünscht, daß der Gesetzentwurf dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen wird. Besteht darüber Einmütigkeit? — Das ist der Fall. Eine Überweisung an weitere Ausschüsse wird nicht gewünscht.
Ferner ist beantragt, den Antrag der Fraktion der SPD betr. Aufbesserung der Leistungen aus Versicherungen, die vor der Währungsreform eingegangen sind, an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. — Das Haus ist einverstanden.
— Auch dieser Antrag soll dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Besteht hierüber Einverständnis?
— Das ist offenbar nicht der Fall. Lassen Sie den Antrag fallen, Herr Abgeordneter Rasner?
Der Antrag der Fraktion der SPD betr. Gesetz über Ausgleichsbeträge soll federführend an den Finanzausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe überwiesen werden. — Sie sind damit einverstanden.
Damit, meine Damen und Herren, stehen wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich habe darauf hinzuweisen, daß in der nächsten Sitzung, die ich hiermit auf Freitag, den 14. Dezember, 9 Uhr, einberufe, die Vereidigung der neuen Minister um 10 Uhr erfolgt.
Die Sitzung ist geschlossen.