Rede von
Josef
Stingl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion und die FDP-Fraktion schlagen Ihnen auf Umdruck 159 vor, in § 8 des Fünften Rentenanpassungsgesetzes die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Dabei gehen die beiden Fraktionen von sehr grundlegenden Überlegungen aus. Ich darf Sie bitten, mir zu erlauben, diese grundlegenden Überlegungen wenigstens in Kurzfassung darzustellen.
Das Rentenanpassungsgesetz paßt die Rente des einzelnen Rentners, ,die für ihn an die Stelle des Lohnes tritt, also Lohnersatzfunktion hat, an die veränderte allgemeine Bemessungsgrundlage, entsprechend den erfolgten Lohn- und Gehaltserhöhungen an. Die Erhöhung der Rente wird dabei so vorgenommen, daß der neue Zahlbetrag, den der einzelne Rentner für sich in Anspruch nehmen kann, sich nicht etwa aus der alten Rente plus einem Zuschlag zusammensetzt, sondern der neue Zahlbetrag ist die Rente, die neue Rente.
Wer nun erreichen will, daß ein Teil dieser Rente, nämlich der Teil, der neu hinzukommt, also eine Erhöhung ausmacht, nicht angerechnet wird, würde vom Prinzip der Lohnersatzfunktion abgehen. Er würde die Rente nämlich in eine Rente und einen jeweiligen Teuerungszuschlag — wie man es nennen könnte — gliedern. Darum handelt es sich eben nicht, es handelt sich um keinen Teuerungszuschlag, sondern die auf Grund der Anpassung zu beanspruchende Gesamtrente. Diese Rente läßt sich also nicht teilen.
*) Siehe Anlage 3
2306 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Stingl
Ein zweiter Punkt. Wenn wir ein ganzes Jahr lang Anrechnungsbestimmungen sozusagen außer Kraft setzen, dann erreichen wir, daß im nächsten Jahr, bei der nächsten Rentenanpassung neu überlegt werden muß, wie wir es denn in dem zukünftigen Jahr halten wollen. Bleiben wir dabei, daß nicht angerechnet wird, daß aber am Ende des Jahres 1963 die Nichtanrechnung ausläuft, daß also die Akten nicht daraufhin überprüft werden, wie hoch die Subsidiärleistung sein soll, würden wir vor der grotesken Situation stehen, daß im Jahre 1964 Ausgangspunkt für die Höhe der Subsidiärleistungen in der Kriegsopferversorgung und allen ähnlichen Bereichen eine Rente würde, die überhaupt nicht mehr existiert — die Rente aus dem Jahre 1962.
Drittens haben wir zu beachten, meine Damen und Herren, daß derjenige, der im Jahre 1962 Rentner geworden ist, und derjenige, der im Jahre 1963 Rentner wird, ungünstiger als der Altrentner gestellt wäre; denn die Freigrenze des Altrentners wäre in diesem Jahr höher, als sie bei den neuen Renten wäre.
Als Viertes bitte ich zu beachten, daß das Prinzip der subsidiären Leistungen — die eben in diesem § 8 aufgezählt sind — erschüttert würde, wenn wir jeweils auf die Dauer einen Teil der sonstigen Einkommen nicht anrechnen lassen, obwohl die in Betracht kommenden Gesetze in ihrer Konstruktion von anderen Grundsätzen ausgehen. Das Resultat würde in diesem Zusammenhang sein, daß ein Zuwachs an Arbeitseinkommen, über das der Betreffende verfügt, angerechnet wird, während ein Zuwachs an Rente nicht angerechnet wird. Das heißt: der aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedene würde bessergestellt als derjenige, der noch im Arbeitsleben ist. Oder anders ausgedrückt: derjenige, der eine Rente aus der Rentenversicherung bekommt, würde bei den Anpassungsbeträgen bessergestellt als der, der seinen Lebensunterhalt aus anderem Einkommen bereitet, das nicht unmittelbar Arbeitseinkommen sein müßte. Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß die Bestimmungen über die Anrechnung in den jeweiligen Gesetzen getroffen werden können, wobei wir durchaus der Meinung sind, daß die Frage, wie das dort geregelt ist, einer genauen, einer erneuten und einer sehr kurzfristigen Prüfung bedarf.
Ich darf hier mit allem Nachdruck für die beiden einbringenden Fraktionen sagen: wir sind der Meinung, daß das Problem in den zuständigen Gesetzen nun in der Tat in aller Kürze einmal abschließend geregelt werden muß, wobei wir uns durchaus bewußt sind, daß es viele Schwierigkeiten gibt. Wir sehen aber auch Möglichkeiten, daß man da noch einem Trend folgen kann, den z. B. das Erste Neuregelungsgesetz der Kriegsopferversorgung nach den Vorstellungen des Herrn Bundesarbeitsministers haben sollte.
Nun werden Sie mir sagen, es sei nicht sehr wichtig, ob man die Anrechnung bis Mai oder bis Dezember nicht festlege. Meine Damen und Herren, das ist entscheidend wichtig. Abgesehen von dean Gesichtspunkt, den ich vorhin darlegte, daß, wenn wir bis Dezember anrechnungsfrei lassen, die Anrechnungsfreiheit mit der neuen Tätigkeit des Gesetzgebers für das nächste Anpassungsgesetz zusammenfällt, muß dabei beachtet werden, daß man eine Frist geben muß, in der die zuständigen Sozialhilfeträger und die anderen Träger die Umrechnung durchführen können. Daß wir bis Mai frei halten wollen, soll nur den Zweck haben, daß nicht Beträge zurückverlangt werden müssen. Im Grunde aber wollen wir erreichen — und hier folgen wir dem Regierungsvorschlag in seiner ursprünglichen Fassung —, daß die Angelegenheit in den zuständigen Gesetzen 'geregelt, aber eine ausreichende Zeit gegeben wird, diese Umrechnung vorzunehmen.
Wir bitten Sie daher, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.