Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge auf Ausschußüberweisung. Es ist fraglich, in welcher Reihenfolge abgestimmt werden soll. Diese Frage ist bei den knappen Mehrheiten im Hause von Bedeutung, denn bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt. Das heißt, wenn ich
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962 2303
Vizepräsident Dr. Schmid
erst den Antrag zur Abstimmung stelle, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend sein soll, so ist dieser Antrag bei Stimmengleichheit abgelehnt, und im anderen Falle ist es entsprechend. Wir wollen trotzdem so verfahren.
Wer dafür ist, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend sein soll, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Da die Ablehnung dieses Antrags eine Ablehnung auch des anderen Antrags logisch nicht ausschließen würde, ist auch über den zweiten Antrag abzustimmen, wonach der Ausschuß für Außenhandelsfragen federführend sein soll. Wer dafür ist, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war eindeutig die Mehrheit; federführend ist der Außenhandelsausschuß. Die beiden anderen sind mitberatend.
Punkt 3:
Beratung der Sammelübersicht 12 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache IV/793).
Niemand wünscht das Wort. — Das Haus stimmt den in der Sammelübersicht enthaltenen Anträgen des Ausschusses zu.
Punkt 4:
Beratung der Ubersicht 8 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache
IV/835) .
Wird hier ein Bericht erstattet? — Das ist nicht der Fall. Der Ausschuß beantragt, von einer Äußerung zu den in der Übersicht aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Ist das Haus mit dem Antrag des Ausschusses einverstanden? — Das ist der Fall.
Punkt 5 ist abgesetzt. Punkt 6:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1962 (Drucksache IV/702),
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für
Sozialpolitik (Drucksache
IV/836)
Berichterstatter ist der Abgeordnete Biermann.
— Sie verweisen auf den Schriftlichen Bericht. — Das Haus ist damit einverstanden.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf § 1, — § 2, — § 3, — § 4. — Wer einverstanden ist, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
§ 5! — Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 158 vor.
— Doch, er ist verteilt; ich habe ihn hier.
Zur Begründung der Herr Abgeordnete Meyer.
Meyer (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wie in jedem Jahre, wenn wir die Frage der Rentenanpassung behandeln, haben wir uns auch in diesem Jahre wieder mit dem Sonderzuschuß zu beschäftigen. Im Bericht lesen wir den Satz, daß die Mehrheit dieses Hauses die Einbeziehung des im Jahre 1957 gewährten Sonderzuschusses deshalb ablehnt, weil dieser Rentenbestandteil, wie es hier heißt, nicht „lohnbezogen" sei. Ich möchte mich deshalb mit dieser Frage grundsätzlich beschäftigen. Es geht hier immerhin um etwas mehr als 2 Millionen betroffene Menschen, die man wohl als Klein- und Kleinstrentner bezeichnen muß. Kann denn nun wirklich unterstellt und exakt bewiesen werden, daß der Sonderzuschuß nicht lohnbezogen ist und daß die im Jahre 1957 erfolgte pauschale Rentenumstellung nach sogenannten Faktoren exakt lohn- und beitragsbezogen durchgeführt wurde?
Ich möchte mich auf zwei Beispiele beschränken, um zu zeigen, daß dieser Beweis — und wir bitten recht herzlich darum, endlich einmal den Beweis anzutreten — nicht vorhanden ist. Ich nehme das Beispiel zweier Schwestern in Bad Nauheim, die bis zur Rentenreform ungefähr die gleiche Rente — ein eigenartiger Zufall — von 144 DM erhielten. Jetzt erfolgte die pauschale Umstellung. Gerade dieses Beispiel — und es wären mehrere anzuführen
— ist ein Beweis für die völlige Auseinanderzerrung der Fälle dieser 6,5 Millionen pauschal umgestellten Rentner.
Wie sieht es hier nun aus? Die eine Rentnerin war nach altem Recht eine sogenannte Frühinvaliditätsrentnerin. Wie Kenner der Materie wissen, waren in den Tabellen für die Frühinvalidität besonders hohe Faktorenwerte angesetzt. Daher betrug diese Rente nach der Umstellung 210 DM. Dagegen wurde die Schwester, die eigenartigerweise auch eine Rente von 144 DM gehabt hatte, Bestandsrentnerin, d. h. sie blieb auf dem Status von 144 DM stehen. Und diese Rentnerin hat mehr an Beiträgen bezahlt als die andere, die als Frühinvaliditätsrentnerin 210 DM Rente erhielt.
Die beiden, die in einem Haushalt leben, sind jetzt also um 100 DM auseinandergekommen, denn die andere hat ja nur die 21 DM Zuschuß auf die alte Rente bekommen, der nicht mit angepaßt wird, und das ist in jedem Jahr immerhin ein Betrag, der bei 12, 13, 14 DM im Jahre liegt. Wenn
* siehe Anlage 2
2304 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1962
Meyer
man das jetzt — vier Anpassungen haben wir hinter uns — zusammenrechnet, kommt man zu dem Ergebnis, daß der Unterschied zwischen diesen beiden ursprünglich gleich liegenden Renten inzwischen 100 DM ausmacht. Sie können doch nicht sagen, daß das damals eine exakte Lohnbezogenheit gewesen ist. Es war ein Regulativ, so möchte ich sagen, nach dem man sich in etwa gerichtet hat. Aber es sind dabei Ungerechtigkeiten und große Verzerrungen herausgekommen.
Ein anderes Beispiel! Die Witwenrenten werden, wenn der Rentenfall nach 1957 eingetreten ist, zu einem neuen Rentenfall erklärt. Bei der Berechnung wird zunächst die Rente des Verstorbenen nach neuem Recht errechnet. Es werden nicht, wie es doch grundsätzlich 'beischlossen worden war, 60 % der Rente des Verstorbenen gewährt. Vielmehr ist dies bei diesen 6,5 Millionen pauschal umgestellten Renten nicht der Fall. Die Folge davon ist — wir haben sie hier in diesem Hause des öfteren angeprangert —, daß bei ungefähr 80 % der bisher eingetretenen Witwenrentenfälle die Rente nicht 60 % erreicht, sondern höchstens bei 35 oder 40 % der pauschal umgestellten Rente des Verstorbenen liegt. Hier haben Sie also wieder ein sehr interessantes Beispiel, wie es mit der „Lohnbezogenheit" aussieht.
Wo ist denn nun die richtige Lohnbezogenheit der Rente bei den pauschal umgestellten Renten oder bei den Witwenrenten, die jetzt nur 35 % ausmachen? Man kann also nicht sagen, das sei eine exakt lohnbezogene Umstellung der Renten.
Mir sind aus meiner Praxis allerdings auch einige Fälle bekannt, in denen die Witwen später mehr Rente bekommen als .die Rentner, deren Rente 1957 pauschal umgestellt worden ist.
Das ist die Frage, die ich grundsätzlich ansprechen möchte. Wie in jedem Jahre bin ich sehr begierig darauf, nun endlich einmal den Nachweis der Lohnbezogenheit der seinerzeitigen Umstellung von 6,5 Millionen Renten zu bekommen. Dann könnten wir uns damit auseinandersetzen. Wenn Sie aber immer nur lapidar dieses Prinzip als Argument vorbringen, ist das wenig überzeugend.
Eine andere Betrachtungsform! Ich will jetzt einmal das Grundsätzliche Ihrer Auffassung verlassen. Seinerzeit sind doch für weit über 2 Millionen Menschen — Kleinrentner — Sonderzuschüsse gegeben worden. Sagen Sie uns doch bitte einmal, aus welchem Grunde diese Sonderzuschüsse gewährt wurden. Hatten Sie dabei die Vorstellung, daß es sich um einen echten Teuerungszuschlag handelte, weil die Renten so klein waren, daß man angesichts der gestiegenen Preise einen Ausgleich über einen solchen Teuerungszuschlag oder Sonderzuschlag geben mußte; wir haben ja schon früher Teuerungszulagengesetze in der Rentenversicherung gehabt.
— Ja, es scheint so! Wenn es sich hier aber um einen Teuerungszuschlag handelt, dann können Sie doch nicht sagen: „Dieser Teuerungszuschlag ist nicht mehr existent, dieser Teuerungszuschlag hat keine Bedeutung mehr, die Teuerung ist inzwischen abgebaut worden." Nein, ich muß Ihnen sagen, idaß die Teuerung ganz lustig weitergegangen ist. Wenn Sie also 1957 von diesen Vonstellungen eines Teuerungssonderausgleichs ausgegangen sind, können Sie doch jetzt in diesem Zustand einer verstärkten Teuerung nicht den Sonderzuschlag ausnehmen.
Ich möchte meine Ausführungen zusammenfassen und feststellen: diesen 2 Millionen Kleinstrentnern ist nicht mit Ihren prinzipiellen Feststellungen geholfen, sondern diesen Rentnern ist nur damit geholfen, daß Sie sich endlich aufraffen und entschließen, auch .den Sonderzuschlag in die Rentenanpassung mit einzubeziehen. Denn nach unserer Auffassung müßten gerade die kleineren Renten stärker angehoben wenden.