Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen.
Unser Kollege Dr. Georg Baron Manteuffel-Szoege ist am 8. Juni 1962 plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben.Baron Manteuffel-Szoege wurde am 7. März 1889 in Montreux geboren. Nach dem Studium der Volkswirtschaft, Geschichte und Philosophie war er während des ersten Weltkrieges beim Kurländischen Kreditverein und im deutschen Genossenschaftswesen in Posen tätig. Von 1915 bis 1918 war er daneben Sekretär der Kurländischen Ritterschaft in Berlin. Von 1918 bis 1920 war er Abgeordneter im Baltischen Nationalausschuß und nahm als Freiwilliger an den Kämpfen der Baltischen Landeswehr teil.Nachdem Baron Manteuffel-Szoege 1920 seine Heimat verlassen mußte, verwaltete er bis 1945 seinen Familienbesitz in Ostpolen. Bis zum Entzug seiner Lehrbefugnis 1939 war er daneben Lehrbeauftragter für die Geschichte und Wirtschaft Osteuropas an der Universität Berlin.Nach dem Zusammenbruch von 1945 siedelte Baron Manteuffel-Szoege nach Bayern über. Hier war er zunächst als Kleinbauer, später als Treuhänder eines größeren Besitzes tätig. Nach dem Zusammenbruch nahm sich der Verstorbene mit aller Kraft der Nöte der Vertriebenen und Flüchtlinge an. Er wurde Vorstandsmitglied des Hauptausschusses der Flüchtlinge und Ausgewiesenen in Bayern und Vorsitzender des Beirates bei der Arbeitsgemeinschaft deutscher Flüchtlingsverwaltungen. Von 1950 bis 1953 war er Präsident des Hauptamtes für Soforthilfe in Bad Homburg.In den Jahren 1954 bis Ende 1958 war Baron Manteuffel-Szoege Vorsitzender des Verbandes der Landsmannschaften. Zugleich war er seit 1950 Vorsitzender der Deutsch-Baltischen Landsmannschaft im Bundesgebiet. Seit 1958 war er Vorsitzender des Parlamentarischen Beirats des Bundes der Vertriebenen.Baron Manteuffel-Szoege gehörte dem Deutschen Bundestag seit 1953 an und vertrat hier den bayerischen Wahlkreis Schwabach. Er war Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Ausschusses für Heimatvertriebene.Unser Kollege Baron Manteuffel-Szoege hat sich durch seine sachliche Arbeit, sein auf reicher Erfahrung beruhendes kluges Urteil und seinen vornehmen Charakter Achtung und Sympathie des ganzen Hauses erworben. Wir werden seinen Rat in Zukunft vermissen.Ich spreche den Hinterbliebenen und der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union die Anteilnahme des Hauses aus.Sie haben sich zum Gedenken des Verstorbenen von den Sitzen erhoben. Ich danke Ihnen.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 25. Mai 1962 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Gesetz zu dem Abkommen vom 1. Juni 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung in Verkehrsmitteln während der FahrtGesetz zu dem Abkommen vom 18. Januar 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über die Zollbehandlung der DonauschiffeViertes Gesetz zur Änderung des SoldatengesetzesGesetz zur Änderung des WehrsoldgesetzesGesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 13. Dezember 1957 über StraßenmarkierungenGesetz zur Einschränkung der Bautätigkeit.Zum Gesetz zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes hat der Bundesrat in der gleichen Sitzung verlangt, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einberufen wird. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/431 verteilt.Der Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums hat unter dem 21. Mai 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Glüsing , Dr. Stoltenberg, Struve, Wendelborn, Dr. Imle und Genossen betr. Nord-Ostsee-Kanal — Drucksache IV/386 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/426 verteilt.Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums hat unter dem 23. Mai 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Meis, Dr. Dollinger, Dr. Schmidt und Genossen betr. Selbstberechnung der Einkommen- und Körperschaftsteuer und Selbstveranlagung zu diesen Steuern — Drucksache IV/393 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/432 verteilt.Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 5. Juni 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 13. Dezember 1961 den Bericht der Bundesregierung über die Prüfung der Anrechnungsbestimmungen in den verschiedenen Zweigen des sozialen Leistungsrechts übersandt, der als Drucksache IV/446 verteilt ist.Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes hat am 29. Mai 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 14. Oktober 1959 über die Übertragung von Aufgaben auf das Bundesverwaltungsamt berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/443 verteilt.Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 2. Juni 1962 die Verordnung Z Nr. 1162 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1962 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 1951 und des Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Zucker-
Metadaten/Kopzeile:
1372 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Vizepräsident Dr. Jaegergesetzes vom 9. August 1954 zur Kenntnisnahme übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes hat unter dem 30. Mai 1962 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin übersandt, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.Der Herr Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 den Entwurf einer Verordnung zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der in Artikel 12 Abs. 1 der Protokolle über die Vorrechte und Befreiungen der EWG und der EAG vorgesehenen Steuer zugunsten der Gemeinschaft — Drucksache IV/403 — dem Finanzausschuß federführend und dem Ausschuß für Inneres mitberatend überwiesen mit der Bitte um Berichterstattung an das Plenum bis zum 27. Juni 1962.Der Herr Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 überwiesen: die Erste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung — Drucksache IV/418 — an den Außenhandelsausschuß, die Dreizehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 — Drucksache IV/439 — an den Außenhandelsausschuß.Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 7. Juni 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages in seiner Sitzung am 29. Juni 1961 über den weiteren Verlauf der Verhandlungen im Rat der EWG über die Verordnung Nr. 17 — Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrages — berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/461 verteilt.Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes hat unter dem 7. Juni 1962 ein Gutachten über Personalanforderungen des Bundesministers der Verteidigung aus Anlaß der Neuregelung von Zuständigkeiten und der Übernahme von Aufgaben aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers übersandt, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.Zu der in der Fragestunde ,der 30. Sitzung des Bundestages am 16. Mai 1962 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Atzenroth Nr. II/2 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Hettlage vom 21. Mai 1962 eingegangen. Sie lautet:Die Belastungen des Bundeshaushalts durch Prämien und Prämienzinsen können seit dem Inkrafttreten des Sparprämiengesetzes im Mai 1959 bis zu seinem Auslaufen im Jahre 1968 auf insgesamt 2,0 bis 2,1 Milliarden DM veranschlagt werden. Diese Ausgaben belasten den Bundeshaushalt fast ausschließlich erst in den kommenden Jahren , da die Prämienauszahlungen des Bundes an die Sparinstitute erst nach Ablauf der gesetzlichen Festlegungsfristen fällig werden. In den Rechnungsjahren 1959 bis 1963 sind nur relativ unbedeutende Beträge für vorzeitig fällig gewordene Prämien (in Fällen des Todes, der völligen Erwerbsunfähigkeit oder der Verheiratung), jedoch noch keine regulären Prämien aus Bundesmitteln zu leisten.Im einzelnen wird mit folgenden Zahlungen aus dem Bundeshaushalt gerechnet:1959 und 1960 unter 1 Million DM1961 2 Millionen DM1962 4 Millionen DM1963 10 Millionen DM1964 130 Millionen DM1965 340 Millionen DM1966 450 Millionen DM1967 500 Millionen DM1968 600 Millionen DM1959-1968 2 036 Millionen DMIch bitte zu beachten, daß es sich bei den Ausgaben für die Jahre 1965 und folgende um Schätzungen handelt, die wegen unzulänglicher Berechnungsunterlagen mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren behaftet sind.Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde .Ich rufe zuerst die Frage des Abgeordneten Ertl aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf:Treffen Pressemeldungen zu, wonach der ehemalige SS-Oberscharführer Robert Henkelmann aus Lünen, der im Jahre 1944 ein Rollkommando gegen Fremdarbeiter in Neunkirchen geleitet haben soll, von der italienischen Geheimpolizei als Spitzel in Südtirol im Zusammenhang mit den Sprengstoffanschlägen eingesetzt wurde?Die Frage wird vom Herrn Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz beantwortet.Dr. Strauß, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz. Da meine Kollegen vom Auswärtigen Amt durch ein unglückliches Zusammentreffen vonTerminen an der Antwort verhindert sind, habe ich es übernommen, die Antwort zu geben.Der Bundesregierung sind die Pressemeldungen über Henkelmann bekannt. Zum Sachverhalt kann sie erst Stellung nehmen, wenn Henkelmann, gegen den ein Auslieferungsverfahren wegen Betrugs läuft, an die deutschen Behörden ausgeliefert ist und von ihnen vernommen werden kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl!
Herr Staatssekretär, ist bereits abzusehen, wann die Auslieferung vollzogen wird?
Nein, das läßt sich in diesen Fällen nie mit hinreichender Exaktheit absehen.
Eine weitere Zusatzfrage?
Hat die Bundesregierung wegen dieser Pressemeldungen bereits Erkundigungen bei der italienischen Regierung eingezogen?
Die Erkundigungen laufen über unsere Botschaft in Rom.
Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe die von dem Abgeordneten Hansing gestellten Fragen II/1 und II/2 auf:
Stimmt es, daß zur Zeit noch 16 Algerier in der Bundesrepublik in „Schutzhaft" festgehalten werden, obwohl Frankreich alle inhaftierten Algerier — nach der Unterzeichnung des Vertrages von Evian — aus den Gefängnissen entlassen hat?
Ist irgendeiner der 16 in der Bundesrepubulik in Schutzhaft genommenen Algerier von einem deutschen Gericht verurteilt bzw. ist gegen einen von ihnen Anklage erhoben?
Ich darf davon ausgehen, daß sich die Fragen auf die Zahl derjenigen Algerier beziehen, die in einem in der Bundesrepublik geführten Ermittlungsverfahren in Untersuchungshaft — eine Schutzhaft gibt es bekanntlich nach deutschem Recht nicht — oder auf Grund eines hier ergangenen Strafurteils in Strafhaft einsitzen.In Strafverfahren, die vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof geführt werden oder die beim Bundesgerichtshof anhängig sind, befindet sich kein Algerier in Untersuchungshaft. Ebenso sitzt kein Algerier auf Grund eines Strafurteils des Bundesgerichtshofs in Strafhaft ein.Ob und wieviele Algerier in Strafverfahren, die bei den Staatsanwaltschaften oder Gerichten der Länder anhängig sind, in Untersuchungshaft einsitzen, ist der Bundesregierung gegenwärtig ebenso unbekannt wie die Zahl derjenigen Algerier, die sich auf Grund von Strafurteilen der Gerichte der Länder in Strafhaft befinden. Wir sind bemüht, ent-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1373
Staatssekretär Dr. Straußsprechende Unterlagen von den Landesjustizverwaltungen zu beschaffen, und bereit, nach Eingang der Unterlagen hierüber zu berichten.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe die von dem Abgeordneten Freiherrn zu Guttenberg gestellte Frage III/1 auf:
Aus welchem Grunde hat der Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Ende vergangenen Jahres die von der Europäischen Kommission im Rahmen eines Haushaltsentwurfs für 1962 angeforderten Mittel nicht in voller Höhe bewilligt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete wünscht Auskunft über einen Beschluß des Ministerrates, den der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit zu fassen vermag. Ich kann Auskunft geben nur über die Haltung der Bundesregierung, die in dieser Zeit ja auch den Vorsitz im Ministerrat hatte, bzw. über die Ansichten der anderen Regierungen, soweit sie mir bekanntgeworden sind.
Der Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat seinerzeit nach eingehender Prüfung die Anforderungen der Kommission nicht in voller Höhe bewilligt. Einmal ging er davon aus, daß die Kommission befähigt sei, gewisse interne Rationalisierungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Sie verfügte 1961 über einen gesamten Personalbestand von 1846 Planstellen, darunter 537 des höheren Dienstes. Wir nahmen an, daß da eine gewisse Marge für eine Umbesetzung liegt. Wir sind weiterhin von dem damals vorgelegten Nachtragshaushalt für 1961 ausgegangen, der ebenfalls noch nicht voll ausgenutzt war, abgesehen davon, daß auch einige bereits bewilligte Stellen des höheren Dienstes aus dem früheren Etat noch unbesetzt waren.
Es war zu der damaligen Zeit — im Dezember —noch nicht zu übersehen, wie weit neue Aufgaben der Kommission Personalanforderungen zur Folge haben würden. Das galt insbesondere für die Praktizierung der Kartellartikel und für die dann im Januar zustande gekommenen agrarpolitischen Beschlüsse. Wir haben für diese Zwecke die Kommission damals mit ihrer Zustimmung auf den Weg des Nachtragshaushalts verwiesen.
Wir haben seinerzeit die Überprüfung der von der Kommission beantragten 329 Stellen von der internen Sicht des Stellenkegels her durchgeführt. Unsere Sachverständigen sind zu dem Ergebnis gekommen, daß man dieses Soll auf etwa 70 Stellen streichen könnte. Im Ministerrat selbst ist dann eine Erweiterung um 20 auf 90 Stellen erfolgt. Die Kommission ist auf den Nachtragshaushalt verwiesen worden.
Selbstverständlich besteht im Ministerrat durchaus Klarheit darüber, daß wir für die inzwischen konkretisierten neuen Aufgaben der Kommission auch zusätzliche Stellen bewilligen müssen; aber
die damalige Anforderung ließ sich nach unserer Überzeugung mit dem Gebot einer sparsamen Haushaltsplanung nicht ganz vereinbaren; daher die nur teilweise Befriedigung der Wünsche der Kommission.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in dem von der Europäischen Kommission nunmehr vorzulegenden Nachtragshaushalt insbesondere auf dem Gebiet der Informationsmittel Mehrforderungen bestehen, und wird die Bundesregierung diese Mehrforderungen, insbesondere für Informationsmittel, unterstützen oder nicht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann darüber noch nichts Endgültiges sagen, darf aber bemerken, daß sich diese Streichungen im Informationshaushalt aus zwingenden Gründen, nämlich aus der Haltung anderer Delegationen, ergaben. Wir haben das damals mit großem Bedauern getan und dem betreffenden Kommissionsmitglied in Aussicht gestellt, daß wir bei diesem Etat diese Frage wohlwollender prüfen wollten.
Ich glaube, daß diese Antwort durchaus in der Richtung liegt, in die Sie zielen.
Glaubt die Bundesregierung nicht, daß in Konsequenz der Beschlüsse, die im Januar gefaßt worden sind, eine verstärkte Information, insbesondere unserer eigenen Bevölkerung, notwendig ist, und wird die Bundesregierung daher für den Fall, daß die zentralen Mittel bei der Europäischen Kommission sich nicht entscheidend vermehren lassen, dafür eintreten, daß die eigenen Informationsmittel der Bundesregierung auch in diesem Bereich verstärkt eingesetzt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich würde als erste Reaktion auf diese Frage sagen, daß die Information primär über den EWG-Haushalt finanziert werden sollte und daß es nicht Aufgabe des nationalen Etats wäre, hier gleichsam einzuspringen, wenn sich im Ministerrat keine Mehrheit für eine derartige Lösung finden läßt. Aber ich glaube, wir werden in diesem Jahre in bezug auf die Information zu einer günstigeren Lösung kommen.
Zu dieser Frage eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß sich aus der Tatsache, daß die Integrationspolitik doch ein hervorragender Bestandteil der Politik der Bundesregierung ist, auch Verpflichtungen in bezug auf die Information der deutschen Bevölkerung über spezifisch deutsche Aspekte der Integrationspolitik ergeben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dazu darf ich nur sagen, daß wir im Rahmen unserer Informationsetats be-
Metadaten/Kopzeile:
1374 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Staatssekretär Dr. Müller-Armackreits Mittel — etwa im Etat des Bundeswirtschaftsministeriums — für solche Zwecke haben. Die Aufgaben der europäischen Politik sind heute so verzahnt, daß wir im Rahmen dessen, was wir informatorisch tun, selbstverständlich auch diese Aufgabe erfüllen. Ich habe aus meiner Durchsicht der Presse, die ich täglich verfolge, den Eindruck, daß diese Dinge in der Tat in der Presse gebührend hufgenommen werden.
Die nächste Frage — III/2 — wird im Zusammenhang mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr behandelt werden.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung sowie aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen werden zurückgestellt.
Ich komme nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers, zuerst zur Frage VI/1 — des Abgeordneten Wittrock —:
Hält es die Bundesregierung im Rahmen der auch von ihr zu bejahenden Förderung des Baues kommunaler Anlagen für vertretbar, wenn die Bundesvermögensverwaltung die zum Bau solcher Anlagen benötigten bundeseigenen Grundstücke ungeachtet der örtlichen Schwierigkeiten nur gegen gleichgroßes Austauschgelände abgeben will, wie dies in Wiesbaden festgestellt werden mußte?
Herr Staatssekretär, darf ich bitten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, für eigene Zwecke dauernd entbehrliches bundeseigenes Gelände zur Errichtung kommunaler Anlagen den betreffenden Gemeinden käuflich zu überlassen. Sie verfährt bereits seit längerem nach diesem Grundsatz.
Was den speziellen Fall der geplanten Errichtung einer Kläranlage in Wiesbaden betrifft, so besteht an der hierfür in Aussicht genommenen bundeseigenen Fläche dringender eigener Bedarf des Bundes. Gleichwohl hat sich der Bund bereit gefunden, zur Förderung des von der Stadt Wiesbaden verfolgten Anliegens diesen Bedarf an anderer Stelle, nämlich auf einem von der Stadt zur Verfügung zu stellenden Austauschgelände zu befriedigen. Mit der Stadt ist inzwischen insoweit weitgehend Einvernehmen erzielt worden. Namentlich bringt die Forderung des Bundes nach Austauschgelände keinerlei Verzögerung im Beginn der Bauarbeiten für die Kläranlage mit sich.
Ergänzend ist noch zu bemerken, daß von der Forderung nach Ersatzgelände in Fällen eigenen Bundesbedarfs nicht abgegangen werden kann, weil die Öffentlichkeit mit Recht kein Verständnis dafür aufbringen würde, wenn der dann ungedeckte Bedarf des Bundes unter Umständen im Enteignungswege auf Kosten Privater befriedigt werden müßte.
Eine Zusatzfrage? — Bitte!
Darf ich zu der grundsätzlichen Erklärung, die Sie soeben am Schluß der Antwort auf die gestellte Frage abgegeben haben, folgendes fragen: Ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß dann, wenn Gemeinschaftsaufgaben zu erfüllen sind und diese Gemeinschaftsaufgaben — wie Sportstättenbau und ähnliche Dinge — nur dann erfüllt werden können, wenn bundeseigenes Gelände in Anspruch genommen werden kann, das Petitum auf Gestellung von Ersatzgelände zurückzutreten hat, um so die Sicherung der Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe zu gewährleisten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es kommt selbstverständlich auf die Lage des einzelnen Falles an. Ich kann mir vorstellen, daß er so gelagert ist, daß in dem von Ihnen angesprochenen Sinn entschieden wird. Im Grundsatz aber glaube ich an dem von mir vorhin Gesagten festhalten zu dürfen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Sind Sie nicht der Auffassung, daß im Rahmen des politischen Ermessens auch von der Bundesregierung alle Anstrengungen unternommen werden müßten — auch von .der Bundesregierung und ihren Einrichtungen —, um die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben in jedem Fall zu gewährleisten und Geländeschwierigkeiten deshalb auszuräumen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stimme Ihnen zu, daß sich die Bundesregierung in diesem Sinne wird entscheiden müssen. Man wird aber immer die Interessenlage abwägen müssen. Wenn der Bundesbedarf in keiner anderen Weise befriedigt werden kann, wird auf die Forderung nach Ersatzgelände nicht verzichtet werden können.
Bedeutet das, daß Sie einen Vorrang des Bundesbedarfs vor den sonstigen allgemeinen Gemeinschaftsaufgaben geltend machen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage kann nur an Hand des einzelnen Falles beantwortet werden.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Die nächste Frage wird im Zusammenhang mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet werden.Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, zuerst zu der Frage VII/1 — des Abgeordneten Börner —:Hat die Bundesregierung die Absicht, den Termin für das Inkrafttreten der gesetzlichen Verpflichtung zum Einbau von Diebstahlsicherungen in Kraftfahrzeugen vom 1. Juli 1962 auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben?Herr Bundesminister, darf ich bitten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1375
Herr Präsident, ich darf diese Frage zusammen mit der Frage beantworten, die der Herr Kollege Junghains für die Fragestunde am Freitag gestellt hat, da sie inhaltsgleich ist und Herr Kollege Junghans sich erfreulicherweise bereit erklärt hat, die Antwort heute entgegenzunehmen.
Bitte sehr. Ich rufe diese Frage III/2 aus Drucksache IV/462 — des Abgeordneten Junghans — auf:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Frist für den Einbau von Lenkradschlössern für Kraftwagen zu verlängern, da sich in der Praxis herausgestellt hat, daß die Herstellerfirmen von Lenkradschlössern den Bedarf in dieser Zeitspanne auf keinen Fall decken können?
Die Vorschrift, Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen und Krafträder mit hinreichend wirkenden Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung auszurüsten, wurde bereits am 7. Juli 1960 mit Zustimmung aller Länder erlassen. Für erstmals in Verkehr kommende Fahrzeuge gilt sie seit dem 1. Juli 1961 und soll für die anderen Fahrzeuge am 1. Juli 1962 in Kraft treten.
Die Öffentlichkeit wurde durch zahlreiche Pressemitteilungen, Rundfunk und Fernsehen wiederholt eingehend und rechtzeitig auf die Bestimmung und den Termin über das Inkrafttreten hingewiesen. Die einschlägige Industrie hat Sicherungseinrichtungen gegen die unbefugte Benutzung von Kraftfahrzeugen bereitgestellt, um jedem Kraftfahrzeughalter die rechtzeitige Ausrüstung seines Kraftfahrzeugs zu ermöglichen.
Trotzdem befürchten die obersten Landesverkehrsbehörden, daß der Termin vom 1. Juli 1962 in zahlreichen Fällen nicht eingehalten werden kann, weil die Bestellungen zu spät erfolgt sind, und daß durch Anträge auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen die Verkehrsbehörden übermäßig belastet werden. Um dies zu vermeiden, wurde auf Wunsch der obersten Verkehrsbehörden der Länder vorgesehen, in der 6. Ausnahmeverordnung zur Straßenverkehrszulassungs-Ordnung, die demnächst verkündet werden wird, eine Fristverlängerung äußerst bis zum 31. Dezember 1962 zuzulassen.
Diese Erleichterung gilt nur unter der Voraussetzung, daß der Führer eines noch nicht ausgerüsteten Fahrzeugs eine Bescheinigung mitführt, aus der zu ersehen ist, daß er trotz eines rechtzeitig, also vor dem 1. Juli, erteilten Auftrags die Sicherungseinrichtung bis zu diesem Termin nicht anbringen lassen konnte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die Kraftfahrzeugzubehörindustrie in den vergangenen Monaten nicht annähernd in der Lage war, den Bedarf an Lenkrad- und Getriebeschlössern zu befriedigen und daß sich beim Einbau der Sicherungseinrichtungen insbesondere durch den Arbeitskräftemangel in der Kraftfahrzeugindustrie
Schwierigkeiten ergeben haben? Sind Sie der Meinung, daß es in dem von Ihnen genannten Zeitraum möglich sein wird, diese Schwierigkeiten zu beheben?
Nach den uns zugegangenen Mitteilungen der Länder, mit denen das genau besprochen worden ist und die die Verhältnisse an Ort und Stelle überprüft haben, sind wir der Meinung, daß wir mit diesem verlängerten Zeitraum auskommen. Es hat sich ergeben — das haben auch die Stellen gesagt, die die Schlösser einbauen —, daß erst in den letzten sechs Wochen ein besonderer Druck gekommen ist. Ich selber habe mein Fahrzeug im Januar dieses Jahres ohne Schwierigkeiten umstellen können.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner!
Darf ich fragen, ob Sie bereit sind, noch einmal in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Kraftfahrzeughersteller eine publizistische Anregung für den Einbau dieser Schlösser zu geben, damit auch der letzte Kraftfahrer bis zum 31. Dezember dieses Jahres seine Chance wahrgenommen hat, die Sie freundlicherweise ja schon im Januar wahrgenommen haben?
Jawohl, ich werde das selbstverständlich gerne tun. Wir werden uns weiter bemühen, auf diesen Termin hinzuweisen, und die in Frage kommenden Kraftfahrzeugbesitzer bitten, sich möglichst bald mit ihrer Bestellung einzufinden. Durch die Vorschrift, daß bei Fehlen dieser Sicherung eine bereits erteilte Bestellung nachgewiesen werden muß, wird auch nur ein gewisser leichter weiterer Druck auf die Kraftfahrzeuginhaber ausgeübt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwabe!
Glauben Sie nicht, Herr Minister, daß die jetzt vorgesehene Regelung, wonach Kraftfahrer entweder eine eingebaute Sicherung haben oder aber eine Bescheinigung mit sich führen müssen, einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand mit sich bringt und dazu angetan ist, das Verhältnis von Kraftfahrern und Polizei durch die jetzt einsetzende Schnüffelei nach Lenkradschlössern unnötig zu belasten?
Nein, das glaube ich nicht. Im übrigen ist es nicht eine Schnüffelei, sondern es ist die Aufgabe der Polizei, sich davon zu überzeugen, daß die Kraftfahrzeuge so ausgestattet sind, wie die erlassenen Verordnungen das verlangen.
Ist sich die Bundesregierung darüber klar, daß durch eine so breit angelegte, gezielte und terminierte Vorschrift die bereits bestehende und beklagte Überhitzung im Gewerbe unnötig verschärft wird?
Metadaten/Kopzeile:
1376 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Ich glaube nicht, daß diese Überhitzung eintritt, Herr Kollege, wenn man die Frist um weitere sechs Monate ausdehnt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Minister, wie hoch schätzen Sie die Zahl der am 30. Juni noch nicht mit Sicherungen ausgerüsteten Fahrzeuge?
Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, das können Ihnen nur die Länder sagen; wir haben darüber jetzt noch keine Unterlagen. Die Fahrzeugbesitzer, die ihre Fahrzeuge noch nicht haben ausrüsten lassen können, werden natürlich nun bestrebt sein, das zu tun. Eine Statistik darüber wird sich kaum ermöglichen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Sind Sie bereit, Herr Minister, doch noch einmal zu prüfen, ob es, wenn die Frist schon bis zum 31. Dezember verlängert wird, zweckmäßig ist, etwa 4 oder 5 Millionen Bescheinigungen ausstellen zu lassen und damit von den Kraftfahrzeugwerkstätten und von den verschiedenen Stellen, die in Frage kommen, eine doch verhältnismäßig unnütze Arbeit ausführen zu lassen?
Herr Kollege, das ist wesentlich einfacher, als wenn die Kraftfahrzeugbesitzer sich zur Erteilung einer Ausnahmebescheinigung zur Polizei oder zur Zulassungsbehörde begeben müssen.
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte!
Höhmann (SPD) : Herr Minister, worauf stützt sich Ihre Annahme, daß bis zum 31. Dezember dieses Jahres alle Fahrzeuge mit Lenkradschlössern ausgestattet sein könnten, wenn nicht feststellbar ist, wieviel Fahrzeuge noch ausgestattet werden müssen?
Herr Kollege, wir haben keine Statistik, die uns erlaubt, diese Zahlen überhaupt zu ermitteln, und der Bundesrat würde uns auch kaum eine Statistikverordnung zulassen, die das ermöglichen würde. Infolgedessen können wir uns nur auf das verlassen, was die obersten Landesverkehrsbehörden uns angegeben haben. Sie haben mit uns gemeinsam vorgeschlagen, den 31. Dezember als neuen Termin festzusetzen und in der Zeit bis dahin eben einen Druck auszuüben, daß derjenige, der das Sicherungsschloß noch nicht hat anbringen lassen können, eine Bescheinigung mit sich führen muß. Das wird ihm natürlich auch nicht angenehm sein, so daß er sich bemühen wird, dem Mangel abzuhelfen. Letzten Endes geht es nicht darum, daß wir Spaß daran hätten, irgendwelche zusätzlichen Einrichtungen am Kraftfahrzeug anbringen zu lassen. Sie wissen ja, worauf es beruht, daß diese Vorschrift seinerzeit — auf Veranlassung der Länder, der obersten Landesverkehrsbehörden — in die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung eingefügt worden ist.
Höhmann (SPD) : Wieviel Arbeitsstunden, Herr Minister, glauben Sie, wird man in den zuständigen Länderministerien brauchen, um die nötigen Bescheinigungen ausstellen zu können?
Die Länder brauchen gar keine Bescheinigungen auszustellen. Infolge der generellen Ausnahmegenehmigung genügt es ja, wenn jeder, der das Schloß noch nicht hat, sich von der Stelle, wo er das Schloß bestellt hat, bescheinigen läßt, daß er es bestellt hat. Ich meine, das ist weiß Gott nicht schwierig. Wir haben es jetzt ja bei den Anhängern der Lastkraftwagen genauso gemacht.
Wir kommen zur Frage VII/2 — des Abgeordneten Dr. Jungmann —:
Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung angesichts der ständig steigenden Zahl schwerer Unfälle für notwendig, um die ärztliche Versorgung der Schwerverletzten am Unfallort sicherzustellen?
Die Bundesregierung verstärkt auf Grund eingehender Prüfung der gegebenen Möglichkeiten ihre Bemühungen um die Fürsorge für die Unfallverletzten. In Zusammenarbeit mit dem Kuratorium „Wir und die Straße", dem Deutschen Roten Kreuz, der Bundesverkehrswacht und den auf dem Gebiete der Unfallheilkunde, der Verkehrsmedizin und der Unfallchirurgie tätigen Arztorganisationen wie z. B. der Deutschen Gesellschaft für Unfallheilkunde, Versicherungs-, Versorgungs- und Verkehrsmedizin e. V. werden zur Zeit folgende Vorhaben bearbeitet:1. Kraftfahrzeugunfallausstattungen für Ärzte. — Es wird angestrebt, eine möglichst große Zahl von kraftfahrenden Ärzten, insbesondere von Ärzten auf dem freien Lande, mit „Kraftfahrzeugunfallausstattungen zu versehen, die eine fachgerechte erste Hilfeleistung des Arztes ermöglichen: Schock- und Kollapsbekämpfung, Schmerzlinderung, Verabreichung von Blutersatzmitteln, Anlegung von Schienen und Notverbänden usw.Zur Sammlung von Erfahrungen soll zunächst ein zeitlich und räumlich begrenzter Versuch mit 600 Ausstattungen unternommen werden. Die Vorarbeiten sind eingeleitet.2. Arzteinsatzwagen. — Es soll versucht werden, in den als Unfallschwerpunkte erkannten Bereichen Arzteinsatzwagen bereitzustellen. Durch geeignete Einschaltung in das Alarmsystem der Polizei sollen die mit einem Chirurgenteam besetzten und mit einer Spezialausrüstung versehenen Wagen möglichst schnell an die Unfallstelle herangeführt werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1377
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmJe eines dieser Fahrzeuge ist seit längerer Zeit bei der Universitätsklinik Heidelberg von Herrn Prof. Dr. Bauer und bei der Universitätsklinik Köln von Herrn Prof. Dr. Hoffmann erprobt worden; man hat damit gute Erfahrungen gemacht.Als erstes Planungsziel ist die Stationierung von zunächst etwa zehn Fahrzeugen dieser Art im Bundesgebiet vorgesehen.Wir hoffen, daß uns für die unter 1 und 2 vorgesehenen Maßnahmen die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden können.3. Richtiges Verhalten an der Unfallstelle. — Im Rahmen der Fürsorge für Unfallverletzte kommt auch der Hilfeleistung durch Laien besondere Bedeutung zu. Aus diesem Grunde wird zur Zeit eine breit angelegte Aufklärungsaktion gemeinsam vom Deutschen Roten Kreuz und der Bundesverkehrswacht durchgeführt, bei der den Verkehrsteilnehmern Gelegenheit gegeben wird, das Wesentliche über sachgerechtes Verhalten an der Unfallstelle kennenzulernen. Die Aufklärung soll in ständiger Arbeit fortgesetzt werden mit dem Ziel, nach und nach möglichst viele Verkehrsteilnehmer in der „Erste-Hilfe-Leistung durch Laien" auszubilden und zu schulen.4. Blutplasmadepots. — Die Frage, ob und inwieweit die Bundesregierung beabsichtigt, Depots für Blutplasma zur Sicherstellung einer schnellen Versorgung von Unfallverletzten in der Bundesrepublik einzurichten, hat Frau Bundesministerin Dr. Schwarzhaupt in der Fragestunde am 31. Januar 1962 beantwortet. Ich darf darauf Bezug nehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Minister, haben Sie im Rahmen der dankenswerten Maßnahmen, die hier in Erwägung gezogen worden sind, auch den Einsatz von Hubschraubern zur Behebung von Unfällen vorgesehen? Ich glaube, es wäre gut, wenn auch diese Frage. geprüft würde.
Diese Frage ist sehr eingehend geprüft worden, Herr Kollege. Sie ist, und zwar auch von den Ärzten und den Polizeibehörden, in negativem Sinne beantwortet worden: es erscheint wesentlich schwieriger, mit einem Hubschrauber an die Verletzten heranzukommen — das wäre noch erträglieh —, vor allem aber in diesem Hubschrauber auch die entsprechende Ausrüstung unterzubringen, die in den Arzteinsatzwagen untergebracht werden kann. Diese Arzteinsatzwagen können immer nur von einem Krankenhaus abgehen, in dem ein solches Chirurgenteam, wie es Herr Professor Bauer in Heidelberg erprobt hat, ständig zur Verfügung steht. Es gibt nur bestimmte Krankenhäuser bestimmter Größenordnung, die das überhaupt können. Der Abtransport von Schockverletzten mit Hubschraubern ist eine Maßnahme, die durchaus ein zweischneidiges Schwert sein kann. Wir haben in den letzten Jahren mehrfach Schockverletzte, Gestürzte vom
Nürburgring, mit Hubschraubern abtransportiert, die dann während des Transportes verstorben sind. Ob sie bei Unterlassung dieses schnellen Abtransports auch verstorben wären, kann ich nicht sagen. Aber im Hubschrauber ist die Versorgung eben nicht so gut möglich wie im Arzteinsatzwagen.
Meine Damen und Herren, bevor ich mit den Fragen fortfahre, darf ich Ihnen mitteilen, daß der Präsident der Deputiertenkammer von Nicaragua, Professor Dr. Juan José Morales Marenco, hier eingetroffen ist und dieser Sitzung beiwohnt. Ich darf ihn in diesem Hause begrüßen.
Ich komme zur Frage VII/3 — des Abgeordneten Dr. Rutschke —:
Warum hat der Herr Bundesverkehrsminister mit der Begründung, die Bundesstraße 293 falle unter den Baustopp, den geplanten Ausbau der Ortsdurchfahrten Wössingen und Gölshausen zurückgestellt, obwohl diese Ortsdurchfahrten durch die im Zusammenhang mit dem Ausbau stehenden Kanalisationsarbeiten der Gemeinden jetzt nahezu unbenutzbar sind?
Herr Bundesminister, darf ich bitten.
Im Zuge der Ortsdurchfahrten Wössingen und Gölshausen in der Bundesstraße 293 haben die zuständigen Gemeindeverwaltungen im vergangenen Jahr den Einbau von Ortskanalisationen bzw. Wasserleitungen vorgenommen. Mit der Straßenbauverwaltung wurde vereinbart, daß die genannten Ortsdurchfahrten nach erfolgter Setzung der dazu notwendigen Aufgrabungen im Jahre 1962 ausgebaut I werden. Die Vorbereitungen für diesen Ausbau sind inzwischen von der Straßenbauverwaltung ohne Verzögerungen abgeschlossen worden. Die Ausschreibung für die Ausbauarbeiten an der Ortsdurchfahrt Wössingen ist vor wenigen Tagen veröffentlicht worden. Ebenso wird die Ausschreibung für den Ausbau der Ortsdurchfahrt Gölshausen in etwa 10 bis 14 Tagen vorgenommen werden können. Es trifft im übrigen nicht zu, daß ich unter dem Vorwand, die Bundesstraße 293 falle unter den Baustopp, den geplanten Ausbau der Ortsdurchfahrten Wössingen und Gölshausen zurückgestellt habe. Derartige Äußerungen, die sich auf einzelne Objekte beziehen, sind von mir — mit Ausnahme zweier Objekte in Niedersachsen — nicht gemacht worden.
Wir kommen zur Frage VII14 — des Abgeordneten Dr. Rutschke —:
Teilt die Bundsregierung unter Berücksichtigung verkehrspolitischer und gesundheitspolitischer Belange die Meinung, daß insbesondere in Wössingen die Staub- und Schlammbelästigungen für die gesamte Bevölkerung gesundheitsschädlich sind und nicht zu lange andauern dürfen?
Auch die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß die von der Bevölkerung zwischen der Durchführung der Kanalisationsarbeiten und den eigentlichen Straßenbauarbeiten in Kauf zu nehmenden Belästigungen nicht zu lange andauern sollten. Die Straßenbauverwaltung hat deshalb die Ausschreibung der Arbeiten so vorbereitet, daß der Ausbau der beiden Ortsdurchfahrten unmittelbar nach
Metadaten/Kopzeile:
1378 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmdem Abklingen der bei Straßenaufgrabungen nicht zu vermeidenden Setzungen in Angriff genommen werden können. Zudem hat die Straßenbauverwaltung im Falle der Ortsdurchfahrt Wössingen zwischenzeitlich eine Ausbesserung der Fahrbahndecke vorgenommen, um die Verkehrsbelästigungen auf ein Minimum zu beschränken.
Dann rufe ich auf die Frage VII/5 — des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke —:
Teilt der Herr Bundesverkehrsminister die Auffassung, daß in jedem Falle Ortsdurchfahrten im Interesse der Bevölkerung vorrangig auszubauen sind?
Bitte sehr, Herr Bundesminister.
Der Ausbau der Ortsdurchfahrten und von Umgehungsstraßen, falls deren Anlage zweckmäßiger ist, wird von meinem Hause schon immer als vorrangig behandelt. Allerdings hat es sich in der Praxis gezeigt, daß gerade bei der Vorbereitung derartiger Arbeiten verständlicherweise zahlreiche Schwierigkeiten ausgeräumt werden müssen. Dazu gehören insbesondere der notwendige Grunderwerb, die Planfeststellung und die zeitliche Abstimmung der von den Gemeinden und der Straßenbauverwaltung im gemeinsamen Einvernehmen durchzuführenden Arbeiten, insbesondere wenn vorher noch Kanalisationsarbeiten oder andere Verlegungsarbeiten in der Straße durchgeführt werden sollen. Ebenso ist die haushaltsmäßige Abstimmung zwischen den verschiedenen Baulastträgern in der Regel nicht einfach. Dies führt gelegentlich dazu, daß Verzögerungen, die trotz guten Willens auf allen Seiten nicht ganz zu vermeiden sind, doch in Kauf genommen werden müssen.
Ich komme zur Frage VII/6 — des Herrn Abgeordneten Reichmann —:
Ist es zutreffend, daß die Bundesbahndirektion in Karlsruhe bei 21 Bahnhöfen in Südbaden die Einstellung der Stückgutabfertigung beabsichtigt?
Bitte sehr, Herr Bundesverkehrsminister.
Im Rahmen des Rationalisierungsprogramms der Deutschen Bundesbahn, das sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt, ist mit dem Fahrplanwechsel am 27. Mai 1962 auf 16 Bahnhöfen und Haltestellen in Südbaden der Stückgutdienst eingestellt worden. Ursprünglich sollten in diese Aktion der Deutschen Bundesbahn 20 Bahnhöfe und Haltestellen einbezogen werden. Jedoch hat sich die Deutsche Bundesbahn auf Anregung der Landesregierung entschlossen, bei vier Dienststellen das Verkehrsaufkommen noch eine Zeitlang zu beobachten, ehe eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Weitere Einschränkungen des Stückgutdienstes im südbadischen Raum sind, wie mir die für solche Maßnahmen allein zuständige Hauptverwaltung der Bundesbahn auf Anfrage bestätigte, gegenwärtig nicht beabsichtigt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß der gesamtwirtschaftliche Nachteil im Verhältnis zu den Einsparungen doch größer ist?
Herr Kollege, die Einsparungen ergeben sich nicht nur auf den einzelnen Bahnhöfen oder Haltestellen, sondern vor allen Dingen bei dem kostspieligen System der Nahgüterzüge, das erheblich vereinfacht werden kann. Diese Angelegenheit habe ich nicht zu beurteilen, ihre Beurteilung liegt ausschließlich bei der Bundesbahn. Die Hauptverwaltung hat die Bundesbahn bekanntlich wie einen Wirtschaftsbetrieb nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen. Sie braucht dabei also nicht auf allgemeinwirtschaftliche Grundsätze Rücksicht zu nehmen. Das ist ihr überlassen.
Danke schön.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dürr.
Herr Minister, nachdem Sie vorhin das Wort „Rationalisierung" gebraucht haben, möchte ich fragen: Was verstehen Sie denn in diesem Sinne unter Rationalisierung? Wäre es nicht besser und entspräche es nicht mehr der Wahrheit, wenn man in solchen Fällen statt des Wortes „Rationalisierung" das Wort „Leistungseinschränkung" gebrauchte?
Ich halte das nicht für richtig; denn es ist keine Leistungseinschränkung. Für die anderen Bahnhöfe kommt es vielmehr sogar zu einer Leistungsverbesserung, weil verschiedene Aufenthalte der Nahgüterzüge wegfallen und deshalb die anderen Bahnhöfe schneller und reibungsloser bedient werden können. Von Rationalisierung spricht man hier vor allen Dingen deshalb, weil der Stückgutverkehr bei der Bundesbahn bekanntlich defizitär ist, auf diese Weise also in erheblichem Umfang Kosten eingespart werden.
Ich komme zur Frage VII/7 — des Herrn Abgeordneten Ertl —:
Warum sind die Bahnübergänge am Tegernsee, obwohl immer wieder Unfälle sich ereignen, bis heute nicht durch intakte Ampeln gesichert?
Bitte, Herr Bundesverkehrsminister.
Bei der Frage handelt es sich um Bahnübergänge der Tegernsee-Bahn AG. Diese Bahnlinie gehört zu den nicht-bundeseigenen Eisenbahnen. Die Aufsicht obliegt nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz dem Land, auf dessen Gebiet die Bahn liegt. In diesem Fall ist demnach das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Bayern zuständig.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1379
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmIch habe mich mit dem Land Bayern in Verbindung gesetzt. Ich kann Ihnen daher mitteilen, daß die Angelegenheit von den zuständigen Stellen dort sehr aufmerksam verfolgt wird. Bereits in diesem Jahr sollen zwei weitere Bahnübergänge der Tegernsee-Bahn AG mit Blinklichtanlagen ausgerüstet werden.Der Kostenanteil der Bahn wird bei diesen Blinklichtanlagen aus Mitteln des Verkehrsfinanzgesetzes gedeckt werden.
Ich komme zur Frage VII/8 — des Herrn Abgeordneten Marquardt —:
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß in Lehrte ca. 100 Ruhestandsbeamten der Deutschen Bundesbahn bzw. ihren Hinterbliebenen die bisher benutzte Vertragswohnung gekündigt worden ist?
Herr Bundesminister, bitte.
Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn werden in Lehrte von insgesamt 682 Bundesbahnvertragswohnungen nur 31 von Ruhestandsbeamten und Rentnern, 4 von Hinterbliebenen, ferner weitere 6 Wohnungen von Betriebsfremden bewohnt. Diese Wohnungen werden dringend zur Unterbringung von aktiven Bediensteten benötigt, weil in Lehrte zur Zeit noch 83 Eisenbahner eine Wohnung suchen; darunter befinden sich 3 sehr vordringliche und 50 dringliche Fälle. Bezüglich 38 Wohnungen hat die Deutsche Bundesbahn daher die Kündigung ausgesprochen. Die Wohnungsfürsorge der Deutschen Bundesbahn erstreckt sich in erster Linie auf die Betreuung des aktiven Personals, das nicht zugunsten von Ruhestandsbeamten, Rentnern und Hinterbliebenen, insbesondere auch nicht zugunsten von Betriebsfremden benachteiligt werden soll. Da die 'Deutsche Bundesbahn in Lehrte in nächster Zukunft aus betrieblichen Gründen mit einer Abnahme des Wohnungsbedarfs rechnet, ist der Neubau von Wohnungen hier wirtschaftlich nicht zu vertreten, zumal der Wohnungsbedarf an anderen Schwerpunkten des Einsatzes bei der Deutschen Bundesbahn nicht gedeckt und ihre finanziellen Möglichkeiten, 'wie bekannt, stark eingeschränkt worden sind.
Eine Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Marquardt.
Herr Bundesminister, muß ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß für die Bundesbahn nicht das gelten soll, was für die Bundespost gilt, die nämlich dem von mir angesprochenen Personenkreis aus sozialen Gründen Vertragswohnungen beläßt oder Ersatzwohnungen. zur Verfügung stellt?
Jawohl, Herr Kollege, das ist so, wie Sie sagen. Es besteht ein Unterschied zwischen Bahn und Post. Wenn Sie sich die Endergebnisse der Betriebsverwaltungen ansehen, werden Sie auch leicht feststellen können, daß sich eben die Bundespost als eine Monopolverwaltung in einer wesentlich besseren finanziellen Situation befindet als die Bundesbahn als ein dem Wettbewerb ausgesetztes Unternehmen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marquardt.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß es der Fürsorgepflicht widerspricht, wenn Personen, die 40 Jahre im Dienst der Bundesbahn gestanden haben, die sich in hohem Lebensalter befinden und die zum Teil auch Vertriebene sind, jetzt mit Wohnungszwangsräumungsmaßnahmen bedroht werden?
Ich bin genau Ihrer Meinung und würde das sehr gern ändern. Es ließe sich aber nur dadurch ändern, daß die Bundesbahn die Mittel bekäme, für solche Personen zusätzliche Wohnungen zu errichten.
Ich komme zur Frage VII/9 — des Herrn Abgeordneten Peiter —:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung in der Frage ein, daß ausländische Lastzüge die deutschen Straßen ohne Fahrtenschreiber benutzen dürfen, während diese für deutsche Fahrzeuge über 7 t zwingend vorgeschrieben sind?
Herr Bundesminister, bitte.
Im Internationalen Abkommen über den Kraftfahrzeugverkehr von 1926 und im Genfer Abkommen über den Straßenverkehr von 1949 ist geregelt, welche Anforderungen an die technische Ausrüstung von ausländischen Kraftfahrzeugen im internationalen Verkehr gestellt werden dürfen. Die Ausrüstung mit einem Fahrtschreiber wird in keinem dieser beiden Abkommen verlangt. Die Bundesrepublik kann daher an ihren Grenzen ausländische Lastzüge nicht deshalb zurückweisen, weil der Fahrtschreiber fehlt.
Der Binnenverkehrsausschuß der Wirtschaftskommission für Europa hat jedoch im Januar 1962 den europäischen Staaten die Einführung von Fahrtschreibern für alle Lastkraftwagen empfohlen, deren zulässiges Gesamtgewicht 3,5 t überschreitet. Diese Forderung wird vor allem von den Gewerkschaften unterstützt, weil der Fahrtschreiber bei der Arbeitszeitkontrolle wertvolle Dienste leistet. Mit einer zunehmenden Verbreitung der Fahrtschreiber ist deshalb auch bei den ausländischen Lastzügen zu rechnen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peiter.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Ansicht, daß die Schuldfrage bei Unfällen sehr schwer zu klären ist, wenn kein Fahrtschreiber vorhanden ist?
Metadaten/Kopzeile:
1380 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Herr Kollege, dieser Ansicht bin ich durchaus. Deswegen habe ich ja selbst gegen heftigen Widerstand die Fahrtschreiber damals eingeführt.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peiter.
Sehen Sie, Herr Minister, keine Möglichkeit, sofort oder möglichst bald eine Regelung zu treffen, nach der ausländische Fahrzeuge auf deutschen Straßen einen Fahrtschreiber haben müssen?
Nein, das können wir nicht, weil wir eben durch internationale Abkommen gebunden sind. Diese internationalen Abkommen haben das damals leider nicht vorgesehen. Unsere Bemühungen, dazu zu kommen, daß auch die ausländischen Kraftfahrzeuge mit Fahrtschreibern ausgerüstet werden, haben ja einen gewissen Erfolg in der von mir soeben genannten Entschließung des Binnenverkehrsausschusses der Wirtschaftskommission für Europa in Genf gehabt.
Danke schön.
Ich komme zur Frage VII/10 — des Abgeordneten Josten —:
Bis wann kann mit einem reibungslosen Durchgangsverkehr auf der linken Moselseite für die Orte Hatzenport, Löf und Kattenes gerechnet werden?
Herr Bundesminister.
Der Ausbau des Abschnittes Lehmen-Bahnhof Burgen der Bundesstraße 416, auch linke Moseluferstraße genannt und erst kürzlich in die Baulast des Bundes übernommen, in dem die Orte Hatzenport, Löf und Kattenes liegen, wird bis Ende 1964 fertiggestellt sein. Ein reibungsloser Durchgangsverkehr auf der linken Moselseite auch auf den nordöstlich und südwestlich anschließenden Abschnitten Kobern-Lehmen und Bahnhof Burgen-Karden ist jedoch erst Ende 1965 möglich.
Die durchzuführenden Arbeiten sind deswegen sehr zeitraubend, weil vor dem eigentlichen Straßenausbau infolge des Moselstaues und der Verbreiterung der Straße Stützmauern von erheblicher Länge sowohl auf der Mosel- als auch auf der Bergseite errichtet werden müssen. Außerdem erfordert der Ausbau der Straße eine Verlegung der Bundesbahn Koblenz—Trier im Raume von Gondorf.
Die linke Moseluferstraße ist im Rahmen der Aufstufungsaktion im Abschnitt Koblenz-Karden am 1. Januar 1961 als Bundesstraße 416 in die Baulast des Bundes übernommen worden.
Bine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Bundesminister, sind Sie angesichts der von Ihnen soeben genannten Termine bereit, darauf hinzuwirken, daß bei den
Bauarbeiten an der Mosel in den Sommermonaten völlige Straßensperrungen soweit wie möglich unterbleiben?
Ich bin gern bereit, die Straßenbauverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz darum zu bitten. Die Durchführung der Arbeiten liegt in der Hand dieser Straßenbauverwaltung. Sie trifft die Einzelmaßnahmen, die sie für notwendig hält. Ich kann ihr hier nichts vorschreiben.
Wir kommen zur Frage VII/11 — des Herrn Abgeordneten Riegel —:
Wieviel Entschädigungs- und Versorgungsanträge von Hinterbliebenen und Geschädigten aus Anlaß des Eisenbahnunglücks am 13. Juni 1961 in Eßlingen sind noch anhängig?
Bitte, Herr Bundesminister.
Ich habe mir über den Stand der Angelegenheit zum 1. Januar dieses Jahres Bericht erstatten lassen. Ihre Anfrage gab Gelegenheit, den damals festgelegten Termin für den nächsten Bericht vorzuziehen. Daher kann ich Ihre Anfrage nach dem derzeitigen Stand wie folgt beantworten.
Bei dem schweren Eisenbahnunglück vom 13. Juni 1961 — es ist also gerade ein Jahr her — waren 35 Todesfälle — einschließlich der beiden Triebwagenführer — zu beklagen. 29 Verletzte mußten in Krankenhäusern behandelt werden. Das Eisenbahnunglück hatte einschließlich der Fälle leichter Verletzungen und reiner Sachschäden insgesamt 370 Personen betroffen und nicht, wie ursprünglich festgestellt, 382 Personen. Hinsichtlich dieser Betroffenen ist die Schadensregelung in 343 Fällen abgeschlossen. Auch in den restlichen 27 Fällen, bei denen es sich nur noch um Klärung bestimmter Einzelfragen handelt wie z. B. Höhe des Schmerzensgeldes, Höhe der Beerdigungskosten, Höhe des Verdienstausfalls, Höhe der entgangenen Dienste usw. ist überall der Unterhalt der Hinterbliebenen sichergestellt. Wenn Sie es wünschen, kann ich Ihnen noch weitere Einzelerläuterungen geben. Die Deutsche Bundesbahn ist bemüht, auch die noch offenen Einzelfragen raschestens zu klären. Das ist aber in manchen Fällen, in denen Rechtsanwälte eingeschaltet sind, etwas schwierig und erfordert entsprechende Zeit.
Wir kommen nun zu der zurückgestellten Frage III/2 — des Herrn Abgeordneten Ritzel —:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um Vertreter der deutschen Industrie bei Durchführung von Auslandsreisen zu veranlassen, nach Möglichkeit die Flugzeuge der Deutschen Lufthansa zu benutzen und dadurch den Bundesbeitrag zu den laufenden Kosten der Lufthansa entsprechend herabzusetzen?
Bitte, Herr Bundesminister.
Ich begrüße es, daß diese Frage vor dem Hohen Hause gestellt wird; denn ich hoffe, daß ihre
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1381
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmBehandlung in den Kreisen der deutschen Industrie die erwünschte Wirkung auslösen wird.Die Bundesregierung ist naturgemäß nicht in der Lage, die Vertreter der deutschen Wirtschaft zu veranlassen, daß sie bei Luftreisen die Dienste der Deutschen Lufthansa in Anspruch nehmen, soweit diese entsprechende Beförderungsmöglichkeiten anbietet. Dazu fehlen ihr — abgesehen von schon wiederholt und immer wieder öffentlich gegebenen Hinweisen — die Voraussetzungen. Eine Einwirkung — und zwar durch die zuständigen Bundesministerien — kommt allenfalls dort in Betracht, wo es sich um Reisen im Zusammenhang mit Projekten handelt, die im Ausland von deutschen Firmen erstellt werden und deren Bezahlung aus Bundesmitteln erfolgt. Im übrigen wiederhole ich den an die deutsche Wirtschaft gerichteten Appell, bei gleichwertigen Luftverkehrsverbindungen die Flugzeuge der Deutschen Lufthansa zu bevorzugen, so wie es in zahlreichen anderen Staaten selbstverständlich ist, das nationale Unternehmen in dem harten internationalen Wettbewerb zu unterstützen. Dieser Appell erscheint um so mehr berechtigt, als die Deutsche Lufthansa ständig bemüht ist, den Wünschen der Wirtschaft in Linienführung und Flugplangestaltung zu entsprechen, und ihre Leistungen bei einem Vergleich auf internationaler Ebene volle Anerkennung verdienen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Halten Sie es für möglich, Herr Bundesverkehrsminister, die deutsche Wirtschaft und insbesondere die Herren von der deutschen Industrie, vom Bundesverband der Deutschen Industrie, darauf hinzuweisen, daß die 45 Millionen DM, die wir beispielsweise in diesem Jahr der Lufthansa als verlorenen Zuschuß zu Lasten der Steuerzahler gewähren müssen, sehr wesentlich reduziert werden könnten, wenn sowohl auf dem Gebiete ides Personenverkehrs als insbesondere auch auf dem des Luftfrachtverkehrs die deutsche Wirtschaft und speziell die deutsche Industrie aus nationalen Gründen sich ihrer Pflicht mehr bewußt wären?
Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, die Sie in die Frageform gekleidet haben, Herr Kollege; ich vertrete diese Meinung aber auch für die deutsche Seeschiffahrt. Es ist im großen und ganzen so, daß wir bei unserer deutschen Industrie nicht die nötige Disziplin erleben, die deutschen Auslandsverkehrsträger, die in starkem Maße aus deutschen Steuermitteln unterstützt werden müssen, so zu bedienen, daß die defizitären Folgen entsprechend vermindert werden und der Steuerzahler entlastet wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Sind Sie bereit, Herr Bundesverkehrsminister, mit Ihrem Herrn Kollegen vom Bundesinnenministerium darüber in Erörterungen einzutreten, daß er dafür sorgt, idaß immer dort, wo Bundesmittel — etwa von Sportverbänden — für Auslandsflüge ausgegeben werden, diese zu Flügen mit der Deutschen Lufthansa benutzt werden?
Ich bin sehr gern bereit, darauf hinzuwirken. Ich habe mich auch bemüht, das jetzt bei der Durchführung der Fußball-Weltmeisterschaft zu erreichen. Leider nimmt die deutsche Mannschaft auf dem 'Rückflug einen Weg, der teilweise nicht mit Lufthansa-Flugzeugengeflogen werden kann, weil es sich um Strecken zwischen Nord- und Südamerika handelt, die wir nicht befliegen dürfen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Ist für die Bediensteten des Bundes eine derartige Vorschrift erlassen, wonach sie nur oder vornehmlich die deutschen Flugzeuge zu benutzen haben?
Jawohl, gnädige Frau!
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Als erste die Frage VIII/1 — des Abgeordneten Dr. Hamm —:
Trifft es zu, daß junge Beamte, die durch Losentscheid zur Ableistung des Grundwehrdienstes herangezogen werden, gegenüber solchen, die das Los nicht trifft, dadurch benachteiligt werden, daß ihnen bei der Festlegung des Beförderungsdienstalters die Zeit des Grundwehrdienstes nicht angerechnet wird?
Herr Kollege, die Befürchtungen sind nicht begründet, und zwar deswegen nicht, weil es Bestimmungen gibt, daß die abgeleisteten Wehrdienstzeiten dem Dienstalter zugerechnet werden müssen.
Ich komme zur Frage VIII/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut —:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die von der Bundesrepublik Deutschland mitfinanzierte, unverhältnismäßig hohe steuerfreie Besoldung der Bediensteten der Europäischen Behörden angesichts der Haushaltslage des Bundes und der sich daraus für die deutsche Beamtenschaft ergebenden Konsequenzen zu ändern?
Herr Kollege Kohut, die Dinge sind so, daß es sich keineswegs um steuerfreie Bezüge handelt. Im Brüsseler Bereich gibt es Gemeinschaftssteuervorschriften, die eine Steuer zwischen 8 und 19 Vo vorsehen. Für die Montanunion gibt es zwar keine Besteuerung, aber es gibt Abzüge in entsprechender Höhe.Man kann auch nicht die Inlandsbezüge vergleichen, sondern man sollte, um einen Vergleich zu erzielen, die Bezüge der deutschen Auslandsbeamten mit den Bezügen der Beamten bei diesen Institutionen vergleichen. Bei einem solchen Vergleich
Metadaten/Kopzeile:
1382 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Bundesinnenminister Höcherlstellt sich heraus, daß die Differenzen sehr geringfügig sind.
Eine Zusatzfrage?
Trifft es zu, daß Vizepräsident Mansholt 110 000 Gulden bezieht?
Ich kann das nicht ohne weiteres sagen, bin aber gern bereit, die Frage nachzuprüfen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß vor ungefähr zwei Jahren der Haushaltsausschuß sich mit diesen Fragen beschäftigt hat und daß Herr Staatssekretär Hettlage und Herr Finanzminister Etzel dem Haushaltsausschuß eine Zusage gegeben haben, daß der deutsche Vertreter keiner Besoldungsregelung zustimmt, ohne vorher den Bundestag konsultiert zu haben, und daß trotz dieser Zusage vor wenigen Wochen der deutsche Vertreter einer Neuregelung zugestimmt hat?
Mir ist bekannt, daß in sehr schwierigen Verhandlungen, in denen Frankreich und Deutschland einen restriktiven Standpunkt eingenommen haben, ein Kompromiß erzielt worden ist, der offenbar auch zeitlich notwendig war. Dem Hohen Hause sind inzwischen zwei Vorlagen über die Brüsseler Regelung zugeleitet worden. Ich kann mich nicht darüber äußern, ob die beiden von Ihnen genannten Herren vorher eine Konsultierung des Bundestages zugesagt haben. Wenn Sie das behaupten, nehme ich an, daß es richtig ist.
Herr Präsident, meine Frage richtete sich an die Bundesregierung, so daß auch der anwesende Herr Staatssekretär Hettlage diese Frage beantworten könnte.
Ich habe nichts dagegen, daß Herr Hettlage das beantwortet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin über die Vorfrage nicht unterrichtet, weil ich nicht anwesend war. Ich kann bestätigen, daß eine Fühlungnahme mit dem Haushaltsausschuß in Aussicht genommen oder zugesichert war für den Fall einer etwaigen Änderung der Besoldung bei den europäischen Gemeinschaften.
— Herr Abgeordneter, eine Vorlage für den Haushaltsausschuß ist meines Wissens beim Bundesminister vorbereitet.
Ich komme zur Frage VIII/3 — des Abgeordneten Sänger —:
Ist die Bundesregierung bereit, die vor einiger Zeit vom Bundesinnenminister in Aussicht genommene Dokumentation über den Verbleib der früher in Deutschland lebenden jüdischen Familien und Einzelpersonen in nächster Zeit zusammenzustellen und dem Bundestag zuzuleiten?
Herr Bundesminister, bitte!
Die Bundesregierung hat die Anregung, in Gedenkbüchern die Namen der durch die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen umgekommenen jüdischen Mitbürger zu ehren, mit allen beteiligten Stellen erörtert. Es ist vereinbart worden, daß zunächst alle vorhandenen Unterlagen über das Schicksal unserer früheren jüdischen Mitbürger beim Internationalen Suchdienst in Arolsen gesammelt werden. Wenn dieses Material vorliegt, kann übersehen werden, in welcher Form die Erstellung von Namenslisten möglich sein wird. Ein Zeitpunkt hierfür kann bei der Fülle und Vielseitigkeit des Materials leider noch nicht angegeben werden.
Ich rufe auf die Frage VIII/4 — des Abgeordneten Dr. Mommer —:
Wie erklärt es sich, daß bei gleichem Essengeldzuschuß an die Bediensteten des Bundes die Preise für Kantinenessen bei gleicher Qualität des Essens unterschiedlich sind oder bei gleichem Preis das Essen in der Qualität unterschiedlich ist?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 12. Juni 1962 lautet:
Daß in den Behördenkantinen — nicht anders als in gewerblichen Gaststätten — für Essen gleicher Qualität unterschiedliche Preise verlangt und bei gleichem Preis unterschiedliche Qualitäten geboten werden, beruht auf verschiedenen Ursachen. Preisunterschiede ergeben sich vor allem aus der unterschiedlichen Höhe der Gestehungskosten. Ferner gibt es unter den Kantinenpächtern Pächter, die für diese Tätigkeit besonders geeignet sind, und solche, die nur eine durchschnittliche Eignung aufweisen. Nicht jeder ist ein guter Einkäufer und nicht jeder findet bei der heutigen Arbeitsmarktlage einen guten Koch, der es versteht, mit den bescheidenen Mitteln, die für die preisgebundenen Kantinenmahlzeiten zur Verfügung stehen, allen Anforderungen gerecht zu werden.
Ich glaube nicht, daß bestehende Preis- und Qualitätsunterschiede über das Unvermeidliche hinausgehen. Die Behördenkantinen unterliegen der ständigen Kontrolle durch Kantinenausschüsse und Personalräte. Soweit wirkliche Mißstände vorliegen, werden Kantinenausschüsse und Personalräte sicherlich dafür sorgen, daß die Mißstände bald beseitigt werden.
Ich komme zur Frage VIII/5 — des Herrn Abgeordneten Kohut —:
Sieht sich die Bundesregierung auf Grund des föderativen Aufbaus der Bundesrepublik nach wie vor außerstande, im Einvernehmen mit den Landesregierungen die deutschen Universitäten so auszubauen, daß kein immatrikulationsberechtigter Student vom Studium zurückgewiesen wird, was angesichts der Milliardenzahlungen an Entwicklungsländer und in Anbetracht der Tatsache, daß viele Studenten Ausbildungsjahre durch die Militärzeit verlieren, in weiten Kreisen der Öffentlichkeit nicht verstanden wird?
Herr Bundesminister, bitte!
Die Bundesregierung hat mit den Ländern auf Grund eines vom Wissenschaftsrat empfohlenen Planes eine Absprache über den Ausbau der wissenschaftlichen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1383
Bundesinnenminister HöcherlHochschulen getroffen, die sich auf fünf Jahre erstreckt. Sie läuft seit dem Jahre 1960 und lautet so, daß jeder der Partner rund 1 Milliarde für den Ausbau beiträgt. Das Bundesministerium des Innern hat in diesem Jahr zur Erfüllung der Absprache einen Beitrag von 250 Millionen DM vorgesehen. Das Hohe Haus sah sich angesichts der schwierigen Haushaltslage nicht imstande, den vollen Betrag zu garantieren, sondern hat nur 200 Millionen DM zugebilligt, mit 50 Millionen DM Bindungsermächtigung.Ich glaube aber sagen zu können, daß es trotz dieser Einschränkungen gelingen wird, im Einvernehmen mit den Ländern dafür zu sorgen, daß die Vorhaben im Rahmen der bestehenden Baukapazität nicht verzögert, sondern nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrats — der wir uns ja immer bedienen — fortgeführt werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut!
Warum ist es denn nicht dazu gekommen, die neu vorgesehenen Universitäten zu errichten? Warum ziehen sich die vorbereitenden Verhandlungen jahrelang hin?
Der Bund ist an diesen Verhandlungen sehr unbeteiligt und gar nicht zuständig. Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie sich an den Baukosten beteiligen wird. Diese Beteiligung setzt aber voraus, daß die in erster Linie und ausschließlich zuständigen Länder entsprechende Beschlüsse fassen und selbst die Planung betreiben. Wir können vom Bund aus nichts dazu beitragen. Wir sind aber bereit, die Einrichtung des Wissenschaftsrats, an der ,der Bund beteiligt ist, zur Beratung zur Verfügung zu stellen. Das geschieht laufend. Keines der beteiligten Länder hat bisher einen formellen gültigen Beschluß zur Errichtung einer Hochschule gefaßt.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut!
Ist Ihnen bekannt, Herr Bundesminister, daß es den vielen Studenten, die zur Immatrikulation — sei es in der Pharmazie, in der Medizin oder auf technischen Gebieten — einfach nicht zugelassen werden, völlig gleichgültig ist, ob der Bund oder das Land zuständig ist? Sie sehen nur, daß Milliarden ins Ausland fließen, daß hier viele ausländische Studenten ausgebildet werden, daß für die ausländischen Studenten Arbeitsplätze vorhanden sind, daß aber für diejenigen, die von deutschen Steuerzahlern abstammen, kein Platz zum Lernen und zur Arbeit vorhanden ist. Das ist ein unmöglicher Zustand und muß, ob nun der Bund oder das Land zuständig ist, geändert werden.
Ich möchte annehmen, daß auch die beteiligten Studenten so viel Respekt vor der Verfassung haben, daß sie die föderative Struktur und die dadurch begründeten
Zuständigkeiten achten, genauso wie wir alle, innerhalb und außerhalb dieses Hauses zur Achtung dieser Vorschriften verpflichtet sind.
Das war sehr wenig!
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, in welchem Umfang sind noch Baumittel aus diesem Haushalt nicht entsperrt? Haben Sie Anträge auf Freigabe mit .dein Bundesfinanzministerium vereinbart?
Mir ist kein Fall bekannt, in dem Mittel gesperrt worden wären. Ich habe zur Zeit einen Beamten unterwegs, der bei den einzelnen Ländern feststellt, ob auf Grund der Kürzungen um 50 Millionen DM irgendwelche Maßnahmen gefährdet sind oder verzögert werden. Ich habe bisher keine Meldung bekommen, daß das der Fall ist, und zwar deswegen, weil einige Länder den vollen Betrag für die Maßnahmen in diesem Jahr eingesetzt haben.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen!
Wie ist es mit den allgemeinen Sperrungen nach dem Haushaltsgesetz, Herr Minister?
Bisher ist der Fall noch nicht akut geworden.
Würden Sie sich aber noch einmal darum kümmern?
Sehr gern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer!
Herr Minister, ist Vorsorge dafür getroffen worden, daß das Abkommen über den Wissenschaftsrat — auf dessen Empfehlungen Sie sich ja wiederholt zu Recht bezogen haben — rechtzeitig verlängert wird?
Wir sind in Verhandlungen mit den Ländern. Ich habe mich Anfang Mai an die Ministerpräsidentenkonferenz gewandt, um alle diese Vereinbarungen — MaxPlanck-Gesellschaft, Wissenschaftsrat, Honnefer Modell und Forschungsgemeinschaft — auf eine neue Basis zu stellen. Diese Dinge stehen im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Forschungsgesetz. Wir sind der Meinung, daß wir unter allen Umständen so rasch wie möglich feste Vereinbarungen erreichen müssen. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat eine Kommission von drei Mitgliedern ernannt, die mit mir Verhandlungen aufnehmen werden. Die Einladung wird von mir demnächst ergehen.
Metadaten/Kopzeile:
1384 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer!
Liegen Ihnen auf Grund der Empfehlungen des Wissenschaftsrats Anträge von Ländern auf Neugründungen von Universitäten vor?
Es liegt ein Antrag vor, zwar nicht auf Neugründung, sondern auf vorherige Zusage einer Kostenbeteiligung des Bundes. Dieser Antrag ist dem Herrn Bundeskanzler zugeleitet worden, der — soviel ich weiß — den Brief bereits in einem positiven Sinne beantwortet hat.
Auf welches Objekt bezieht sich denn das?
Auf ein nördliches Objekt.
Auf ein nördliches!
Ich komme zur Frage VIII/6 — des Abgeordneten Jahn —:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung gegen die Angehörigen der Sicherungsgruppe Bonn ergriffen, die nach Pressemeldungen an Morden an Juden beteiligt gewesen sein sollen?
Die Frage wird übernommen vom Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Das Bundesinnenministerium hat diese 'Nachricht in der Presse ebenfalls gelesen und daraufhin sofort einen Beamten an die Staatsanwaltschaft nach Berlin entsandt. Es hat eine Weisung gegeben, daß die beiden Beamten vorläufig des Dienstes enthoben werden und daß das Bundeskriminalamt nach § 21 der Bundesdisziplinarordnung die Vorerhebungen anstellt.
Ich komme zur Frage VIII/7 — des Abgeordneten Riegel —:
Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um den Schwerkriegsbeschädigten mit einer Erwerbsminderung von mindestens 70 % die kostenlose Benützung von Straßenbahnen, Schnellbahnen und Omnibussen — unbeschadet der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 1962 — weiterhin zu ermöglichen?
Bitte, Herr Bundesminister.
Das Urteil, auf das Bezug genommen wird, verbietet nicht, daß die Freifahrten auch in Zukunft in der bisherigen Weise erfolgen, sondern es hat nur eine Entscheidung darüber getroffen, wer die Kosten für diese Freifahrten zu tragen hat. In dem Urteil steht — uns ist nur der Tenor bekannt —, daß der Bund die Kosten zu tragen hat. Die Freifahrten bleiben nach der Verordnung vom Jahre 1943 nach wie vor erhalten; die Verkehrsunternehmer sind verpflichtet, diese Freifahrten zu gestatten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, es steht doch fest, daß der Bund auf Grund des Urteils einen Kostenersatz wird leisten müssen. Sind Sie der Auffassung, daß unbeschadet einer Kostenersatzleistung den Schwerstbeschädigten die kostenlose Fahrt auf den öffentlichen Verkehrsmitteln auch in Zukunft gewährt werden muß?
Ja, ich bin Ihrer Meinung.
Danke.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zuerst rufe ich die Frage IX/1 — des Abgeordneten Soetebier — auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit die Sturmflutgeschädigten, deren Wohnhäuser, Stallungen, Betriebsgebäude usw. am 17. Februar 1962 durch die Gewalt der Wassermassen zerstört oder beschädigt sind, endlich erfahren, wie und in welchem Umfange ihnen geholfen werden soll?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, über die Gewährung öffentlicher Beihilfen zur Beseitigung von Schäden durch die Flutkatastrophe sind inzwischen von der Bunderegierung einerseits und den vier beteiligten Küstenländern andererseits Richtlinien festgelegt worden. Die Kabinette der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben diesen Richtlinien zugestimmt. Eine endgültige Stellungnahme der Senate von Hamburg und Bremen steht noch aus.
In diesen Richtlinien ist eine gestufte öffentliche Beihilfe zur Schadensbeseitigung vorgesehen, die bei den geringeren Schäden und insbesondere bei Totalschäden volle Kostendeckung und bei größeren Schäden eine gewisse Abstufung des öffentlichen Beihilfeanteils an den Wiederherstellungskosten vorsieht. Die Richtlinien gehen davon aus, daß in erster Linie die Länder verpflichtet sind, die entsprechenden Kosten zu tragen, daß aber in einer Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gemeinsam die Mittel aufgebracht werden sollen, um die Schäden zu beseitigen.
Bitte, eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage, Herr Staatssekretär: Wann wird nach der Meinung der Bundesregierung der Zeitpunkt da sein, wo die Totalgeschädigten wissen, ob und wie sie entschädigt werden und wann sie mit dem Wiederaufbau beginnen können? Es ist bekannt, daß bis heute eine große Unruhe entstanden ist; keiner weiß, woran er ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, in den beteiligten Küstenländern Niedersachsen und Schles-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1385
Staatssekretär Dr. Hettlagewig-Holstein müßten die Richtlinien in diesen Tagen veröffentlicht, jedenfalls den nachgeordneten Behörden zugeleitet werden, damit sie Maßstäbe über die Gewährung öffentlicher Beihilfen zur Schadensbeseitigung haben. In den Senaten Hamburg und Bremen steht eine Beschlußfassung noch aus. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß das noch längere Zeit dauert.
Ich komme damit zur Frage IX/2 — des Abgeordneten Dr. Ramminger —:
Warum sind die Bauern in mehreren Gemeinden des Landkreises Wollstein an der bayrisch-tschechoslowakischen Grenze für zwangsweise Grundstücksabtretung zum Bau von strategischen Straßen während des 3. Reiches bis heute nicht entschädigt worden?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Ramminger fragt nach der Straßenbaulast für einige Straßen im Kreise Wolfstein. Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen nicht sagen, warum die Bauern des Landkreises Wolfstein für die Inanspruchnahme von Grundstücksflächen für Straßenbauzwecke seinerzeit vom Deutschen Reich nicht mehr entschädigt worden sind. Die Ansprüche, die damals gegen das Deutsche Reich entstanden sein können, sind durch das allgemeine Kriegsfolgengesetz geregelt, d. h. es wird vom Bund nur unter bestimmten, verhältnismäßig engen Voraussetzungen eine Entschädigung für die damaligen Verbindlichkeiten des Reiches gegeben. In diesem besonderen Fall, über den wir keine Unterlagen haben, haben wir uns durch eine Rückfrage bei der Oberfinanzdirektion darüber vergewissert, daß es sich nicht um Bundesstraßen handelt. Der Bund ist weder Eigentümer der Straßen noch werden sie von ihm verwaltet. Soweit wir unterrichtet sind, hat der Kreis Wolfstein sich bereit erklärt, die Straßenbaulast für diese Straßen zu übernehmen, d. h. die Gemeinden aus der Straßenbaulast zu entlassen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Ramminger!
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Oberfinanzdirektion München eben in diesem Fall einen Bescheid erlassen hat — angeblich gestützt auf das Kriegsfolgengesetz —, daß der Staat heute an diesen Straßen kein Interesse habe, daß sie daher den Gemeinden als Baulastträger zufielen und diese verpflichtet seien, die Grundeigentümer zu entschädigen? So heißt es in einem Brief der Oberfinanzdirektion München an die Gemeinde Hinterschmiding im Kreise Wolfstein. Fürchten Sie nicht, daß sich auf Grund einer solchen Entscheidung die einfachen Menschen dort, die Landleute, vom Staat betrogen fühlen, wenn man sie erst zwangsweise enteignet, dann die Straßen als nicht mehr benutzungsfähig ansieht und sie sozusagen den Gemeinden zurückgibt? Die Rechtssicherheit und das Vertrauen zum Staat sind hier in Gefahr, untergraben zu wer-
den. Diese Ansicht wurde mir von den Betroffenen sehr oft mitgeteilt.
Sind Sie nicht der Ansicht, Herr Staatssekretär, daß diese Angelegenheit noch in einem Kriegsfolgenschlußgesetz gerecht geregelt werden muß?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Ihre Mitteilung über die Stellungnahme der Oberfinanzdirektion bestätigt das, was ich sagte: Der Bund ist nicht an diesem Straßenland interessiert. Es fällt an die Gemeinde zurück. Der Bund ist nicht Eigentümer geworden, braucht die Grundstücke also auch nicht zu bezahlen. Allerdings sind sie den früheren Grundeigentümern durch Beschlagnahme entzogen worden. Wir sind dahin unterrichtet, daß dieser Gordische Knoten durch eine kluge Hilfe des Landkreises durchschlagen werden soll, indem der Landkreis diese Straßen in seine eigene Straßenbaulast zu übernehmen beabsichtigt.
Ich komme zu der von dem Abgeordneten Ritzel gestellten Frage IX/3:
Wie viele Einkommensmillionäre und wie viele Vermögensmillionäre gibt es nach dem neuesten Stand in der Bundesrepublik Deutschland?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Ritzel, die Frage nach der Zahl der Einkommensmillionäre und der Vermögensmillionäre ist von Ihnen schon zweimal in diesem Hohen Hause gestellt worden. Ich habe Ihnen seinerzeit eine Antwort geben müssen, die für Sie und die übrigen Damen und Herren des Hauses vielleicht nicht befriedigend war, weil der Zeitpunkt, für den Unterlagen zur Beantwortung Ihrer Frage zur Verfügung standen, weit zurücklag. Naturgemäß konnte Ihre Frage nur auf der Grundlage der Einkommensteuerstatistik und der Vermögensteuerstatistik beantwortet werden, mit all den Vorbehalten, die dabei im Hinblick auf die Besonderheiten des Steuerrechts und des Bewertungsrechts gemacht werden müssen.Die Frage nach dem letzten Stand möchte ich nunmehr zunächst nach den statistischen Unterlagen bei der Einkommensteuer für das Jahr 1957 beantworten; meine damalige Antwort bezog sich auf die Unterlagen von 1954. Nach der Einkommenstatistik für 1957 hatten ein Jahreseinkommen von mehr als 1 Million D-Mark 459 Steuerpflichtige gegenüber 110 im Jahre 1954. Die Einkommensteuerstatistik beweist im übrigen, daß sich die Zahl der Steuerpflichtigen in den folgenden Einkommensgruppen auch erheblich erhöht hat; ich will die Zahlen hier nicht im einzelnen wiederholen.Bei der Vermögensteuerstatistik liegen aus der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1960 nur Teilergebnisse vor. In einer Reihe von Ländern — Bremen, Baden-Württemberg, Bayern und Berlin — ist die Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1960 noch nicht abgeschlossen. Sie erin-
Metadaten/Kopzeile:
1386 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Staatssekretär Dr. Hettlagenerv sich, daß zu diesem Feststellungs- und Veranlagungszeitpunkt ein neues Vermögensteuergesetz mit wesentlich erhöhten Freibeträgen in Kraft getreten ist. Unter Würdigung dieser Teilergebnisse würden wir für das ganze Bundesgebiet schätzen — wie gesagt eine vorläufige Schätzung —, daß im Jahre 1960 8300 Vermögensmillionäre vorhanden waren gegenüber 3500 zum 1. Januar 1957. Ich darf die Zahlen wiederholen: 1. Januar 1960 rein nach der Vermögensteuerstatistik mit begrenztem Aussagewert 8300, am 1. Januar 1957 3503.Ihre Frage, Herr Abgeordneter, erfordert einige ergänzende Feststellungen darüber, wie sich das Einkommen und das Vermögen der daran anschließenden unteren und mittleren Einkommensgruppen entwickelt hat. Wenn Sie sich in der Einkommensteuerstatistik, die ein bedeutendes Ansteigen dieser Gruppen anzeigt, darüber unterrichten wollen, würde ich Sie bitten, eine Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes nachzulesen,
die im März 1961 in der Reihe 6 der Sammelreihe „Statistik der Bundesrepublik Deutschland" erschienen ist. Da finden Sie die Ergebnisse der Einkommensteuerstatistik 1957 auf alle Einkommensgruppen aufgeteilt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Darf ich zunächst, Herr Staatssekretär, zu dem Thema Einkommensmillionäre eine Zusatzfrage stellen. Sie haben sich heute wiederum auf die Zahlen von 1957 bezogen. Sehen Sie keine Möglichkeit — nach meinen Informationen existiert eine solche Möglichkeit —, durch eine einfache Rücksprache bei den einzelnen Oberfinanzdirektionen festzustellen, wie hoch die Zahl der Einkommensmillionäre nach dem neuesten Stand ist? Das ist ja wieder 5 Jahre her!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es wäre wahrscheinlich möglich, ungefähre Schätzungsergebnisse durch eine Rückfrage bei den Länderfinanzministern zu erreichen. Wir sind in diesen Punkten auf die Landesfinanzverwaltungen angewiesen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Da ich nur zwei Zusatzfragen stellen kann, muß ich davon absehen, Sie zu fragen, ob Sie Rückfrage bei den Landesfinanzverwaltungen gehalten haben. Aber ich möchte mir bezüglich der Vermögensmillionäre die Frage gestatten: Wie hoch ist denn das Vermögen in seiner Gesamtsumme, das diese Millionäre, deren Zahl zum 1. Januar 1960 auf 8300 geschätzt wird, repräsentieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bedaure, Ihre Frage nicht
beantworten zu können. Ich werde es festzustellen versuchen und Ihnen dann Mitteilung machen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt.
Sind Sie, Herr Staatssekretär, in der Lage, zum Vergleich Zahlen aus vergleichbaren Ländern zu nennen? Sie haben, soweit mir erinnerlich ist, beim letztenmal, als Sie auf die Frage des Kollegen Ritzel antworteten, Vergleichszahlen aus der Schweiz und Schweden genannt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir könnten diese Vergleichszahlen aus diesen Ländern auch heute beschaffen, Herr Abgeordneter. Aber ich muß immer wieder davor warnen, Vergleiche zwischen so verschiedenartigen Ländern anzustellen, erstens wegen der unterschiedlichen Bevölkerungsstruktur, zweitens wegen der unterschiedlichen Einkommensstruktur, und drittens vor allem wegen des unterschiedlichen Steuerrechts, das ja die Maßstäbe für diese Statistik liefert.
Wir kommen zur Frage IX/4 — des Abgeordneten Seuffert —:
Ist die Bundesregierung — nachdem die Befreiung der Einfuhr von nuklearen Brennstoff-Elementen von der Umsatzausgleichsteuer vorgesehen ist und die Stundung der Ausgleichsteuer bereits durchgeführt wird — bereit, dem Bundestag die Befreiung der inländischen Hersteller solcher Elemente von der Umsatzsteuer vorzuschlagen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es ist richtig, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die Einfuhr von atomaren Brennstoffelementen von der Umsatzausgleichsteuer zu befreien. Diese Maßnahme ist durch einen Erlaß des Bundesfinanzministers vom 2. April 1962, der im Bundeszollblatt veröffentlicht ist, seit dem 15. April 1962 im Verwaltungswege bereits durchgeführt. Es handelt sich hier im wesentlichen um Hilfsstoffe, die für die deutsche Atomwirtschaft erforderlich sind und die im Inland nicht oder nicht in ausreichender Menge hergestellt werden. Die Befreiung von Umsatzausgleichsteuer zwingt grundsätzlich nicht dazu, auch den inländischen Herstellern entsprechende Steuererleichterungen bei der Umsatzsteuer zu bewilligen. Ob in diesem Falle aus anderen Gründen eine Änderung der Umsatzbesteuerung im Inland bei gleichen Brennstoffelementen notwendig ist, wird zur Zeit noch geprüft.
Ist es nicht richtig, Herr Staatssekretär, daß gerade die Brennstoffelemente, auf die sich meine Frage bezieht, in der Tat im Inland hergestellt werden, wenn auch selbstverständlich diese Produktion im Aufbau begriffen ist, und ist es nicht richtig, daß die Befreiung der ausländischen Produktion auf diesem Gebiet von der Ausgleich-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1387
Seuffertsteuer — eine an sich begrüßenswerte Maßnahme — die inländischen Produzenten vor Schwierigkeiten stellt, die im Interesse des so wichtigen Beitrags der deutschen Wirtschaft auf diesem Gebiet vermieden werden sollten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich stimme mit Ihnen darin überein, daß Umsatzausgleichsteuer und inländische Umsatzsteuer sich gegenseitig bedingen. Wenn mit der einen Hand bei der Einfuhr etwas gewährt wird, muß es aus Billigkeitsgründen vermutlich mit der anderen Hand auch im Inland gewährt werden.
Kann also erwartet werden, daß die Bundesregierung diese Maßnahme erwägen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sagte, daß eine Untersuchung läuft, und werde mir erlauben, Sie über das Ergebnis zu unterrichten.
Danke.
Ich komme als letztes zu der zurückgestellten Frage VI/2 — des Abgeordneten Dröscher —:
Hält es die Bundesregierung für richtig, daß in einer Zeit, in der — wie von allen Behörden auch von der Forstverwaltung — Rationalisierung und sparsame Betriebsführung verlangt wird, beim Bundesforstamt Baumholder bisherige Forstwartstellen in Försterstellen bei gleichzeitiger Verkleinerung der bisherigen Reviere umgewandelt werden?
Darf ich bitten, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dröscher fragt nach der Rationalisierung im Forstwesen. Selbstverständlich, Herr Abgeordneter, stimmt die Bundesregierung mit Ihnen darin überein, daß auch in der Bundesforstverwaltung rationell und sparsam gewirtschaftet werden muß. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß diese Grundsätze in Baumholder auch nicht verletzt sind. Die sechs Reviere auf dem Truppenübungsplatz Baumholder sind forstwirtschaftlich gleichwertig und der Bedeutung nach Revierförstereien. Es ist deshalb nichtig und notwendig, gehobene Beamte, die bei einer siebenjährigen forstlichen Ausbildung die Erfüllung der entsprechenden Aufgaben gewährleisten, als Revierverwalter einzusetzen. Die bisherige Besetzung mit Forstwarten war ein Notbehelf aus der Übergangszeit.
Die 1958 vom Bundesschatzministerium veranlaßte Forsteinrichtung hat diese Mängel und Erfordernisse aufgedeckt. Die Umorganisation ist eine Folge dieser forstwirtschaftlichen neuen Beurteilung durch den Schatzminister. Die entsprechenden Konsequenzen sollen alsbald gezogen werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß mindestens einer der betroffenen Forstbeamten, der Teeile seines Waldes abgeben mußte, der Meinung ist, daß er die bisherige Mehrarbeit leicht hätte weiter leisten können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Die restlichen Fragen werden in der morgigen Sitzung in der Fragestunde beantwortet werden.Meine Damen und Herren, ich habe zum 60. Geburtstag die Glückwünsche des Hauses an Herrn Bundesminister Dr. Balke auszusprechen.
Für den verstorbenen Abgeordneten Reitzner ist neu der Abgeordnete Porzner in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße ihn und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit.
Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 und zu dem Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Rechtsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Juni 1961 zur Änderung des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt (Drucksache IV/396).Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Gesundheitswesen als federführenden Ausschuß und an den Rechtsausschuß als mitberatenden Ausschuß vor. — Widerpruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Metadaten/Kopzeile:
1388 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Vizepräsident Dr. JaegerIch rufe Punkt 5 des Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Rutschke, Ramms, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Keller, Opitz, Murr, Ollesch und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Lastenausgleich als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß vom 16. Mai 1961 zur Ergänzung des Beschlusses vom 8. Dezember 1954 betreffend die Anwendung des Artikels 69 des Vertrages vom 18. April 1951 über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und an den Wirtschaftsausschuß — mitberatend —. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Umsatzsteuerstatistik für das Kalenderjahr 1962 .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Finanzausschuß sowie nach § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsauschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Wirtschaftsausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 9 der Tageordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Artikels 64 Abs. 2 des Saarvertrages .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Außenhandelsausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über die Regelung gewisser vermögensrechtlicher, wirtschaftlicher und finanzieller Fragen .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Finanzausschuß sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Dritten Protokoll vom 6. März 1959 zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich komme zu Punkt 12 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin und des Steuererleichterungsgesetzes für Berlin (West) (Drucksache IV/435).Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und den Wirtschaftsausschuß — mitberatend — sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 1962 .Herr Abgeordneter Dr. Bleiß, Sie wünschen das Wort zur Begründung? — Bitte sehr!
Zu einer Bemerkung, Herr Präsident!Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Dringlichkeit der Materie wäre es nach unserer Auffassung notwendig gewesen, die Be-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1389
Dr. Bleißgründung unseres Antrags, der die Aufhebung der 20%igen Sperre der Straßenbaumittel bezweckt, dem Hohen Hause mündlich vorzutragen. Wenn ich recht unterrichtet bin, hat der Ältestenrat sich dahin geeinigt, daß lediglich eine schriftliche Begründung unseres Antrages zu Protokoll gegeben werden soll. Ich bedauere diese Regelung, aber ich füge mich der getroffenen Vereinbarung.Entscheidend für mich ist, daß über unseren Antrag noch vor den Parlamentsferien in diesem Hohen Hause entschieden wird. Denn die straßenbaulichen Verhältnisse, die durch die 20%ige Sperre entstanden sind, sind einfach unerträglich geworden.Die schriftliche Begründung unseres Antrags darf ich Ihnen, Herr Präsident, zu Protokoll geben *). Ich hoffe, daß wir in der zweiten und dritten Lesung ausreichend Gelegenheit haben, uns über die Problematik auseinanderzusetzen.
Die Begründung wird zu Protokoll genommen.Meine Damen und Herren, ich schlage vor Überweisung an den Haushaltsausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich komme zu Punkt 14 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Juni 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über Leistungen zugunsten italienischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — federführend — sowie an den Ausschuß für Wiedergutmachung und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Oktober 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko über den Luftverkehr .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu*) Siehe Anlage 2dem Abkommen vom 5. Juli 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkischen Republik über den Luftverkehr .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Punkt 17 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Fernmeldevertrag vom 21. Dezember 1959 .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 18 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Personalvertretungen im Bundesgrenzschutz (Drucksache IV/451).Eine Begründung ist nicht vorgesehen. Wird Debatte gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Dann schlage ich Überweisung an den Ausschuß für Inneres — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit — mitberatend —vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Die Punkte 19 a), b), c), d) und e) sollen in der Sitzung am Freitag aufgerufen werden.Wir kommen zu Punkt 20 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Erklärung vom 18. November 1960 über den vorläufigen Beitritt Argentiniens zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ;Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache IV/416).
.
Der Berichterstatter, der Abgeordnete Keller, hat einen schriftlichen Bericht vorgelegt. Soll er ergänzt werden? — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich dem Abgeordneten Keller für seinen schriftlichen Bericht danken.Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — Art. 2,— Art. 3, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.— Es ist so beschlossen.
Metadaten/Kopzeile:
1390 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Vizepräsident Dr. JaegerWir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die in Monaco am 18. November 1961 unterzeichnete Zusatzvereinbarung zu dem am 2. Juni 1934 in London revidierten Haager Abkommen vom 6. November 1925 über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster oder Modelle ;Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/417)
.
Der Berichterstatter, der Abgeordnete Dr. Reischl, hat soeben einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich danke.Ich rufe nunmehr in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. Ich darf dabei davon ausgehen, daß in Art. 3 Abs. 1 eingefügt ist: „Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft."Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! —Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine 'Enthaltungen. Einstimmig angenommen!Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des 'von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Niederlassungs- und Schifffahrtsvertrag vom 18. März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) (Drucksache IV/427)
.
Der Berichterstatter, der Abgeordnete Dr. h. c. Brauer, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke.Ich komme zur Abstimmung in zweiter Lesung und rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer idem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!Ich rufe auf Punkt 23 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zudem Abkommen vom 9. Juli 1961 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland, dem Abkommen über die zur Durchführung des Assoziierungsabkommens intern zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren und dem Abkommen über das Finanzprotokoll ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache IV/442)
.
Der Berichterstatter, der Abgeordnete Birkelbach, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke.Ich komme zum Antrag des Ausschusses, dem Gesetzentwurf auf Drucksache IV/280 die Zustimmung zu geben, und rufe auf Art. 1, 2, 3, 4 mit dem vom Ausschuß beantragten Zusatz, 5, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ausschußantrag und damit diesem Zusatz zu Art. 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Vertrag und das Gesetz über die Assoziierung der EWG mit Griechenland sind einstimmig angenommen worden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1391
Vizepräsident Dr. JaegerIch komme zum Entschließungsantrag des Ausschusses auf Drucksache IV/242 unter B Ziffer 2 — es handelt sich um zwei Ziffern —, in dem es heißt: „Die Bundesregierung wird ersucht, ...". Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Auch der Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen worden.Ich rufe den Punkt 24 der Tagesordnung auf:a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Kreditversorgung des Mittelstandes ,b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Förderung der Mittelschichten ,c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. stärkere Berücksichtigung freier Berufe bei staatlichen Aufträgen .Zu den Buchstaben a und c dieses Tagesordnungspunktes erhält das Wort zur Begründung der Abgeordnete Wieninger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in der Regierungserklärung am 29. November 1961 zum Ausdruck gebracht, daß sie die Lebensbedingungen des Mittelstandes, insbesondere in Hinsicht auf die Verbesserung der Wettbewerbslage, fördern wolle. Im Hinblick auf diese Absicht haben wir unseren Antrag auf Drucksache IV/192 vom 15. Februar 1962 eingereicht. Ich darf diesen Antrag namens der antragstellenden Fraktionen begründen.Die Kreditversorgung der kleinen und mittleren Betriebe ist im Zusammenhang mit der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von besonderer Bedeutung. Eine ausreichende Kreditversorgung ist gerade für die kleineren .und mittleren Betriebe der Wirtschaft betont wichtig, weil besonders sie gezwungen sind, das nachzuholen, was versäumt worden ist. Ich meine die Abdeckung eines Nachholbedarfs an Investitionen durch notwendige, aber mangels Kapitals bisher noch nicht durchgeführte Rationalisierungsmaßnahmen.Die Bereitstellung von kurz-, mittel- und langfristigen Krediten bereitet zur Zeit bei den Hausbanken keine besonderen Schwierigkeiten. Dies trifft allerdings nur dann zu, wenn ausreichende bankmäßige Sicherheiten geboten werden können. Wo diese Sicherheiten fehlen, insbesondere bei mangelndem Haus- und Grundbesitz, ist die Erreichung eines Bankkredites schon schwierig. Hauptsächlich bei solchen Kreditnehmern haben die Kreditgarantiegemeinschaften des Handwerks, des Handels und des Gast- und Beherbergungsgewerbes bisher segensreich gewirkt.Bei dem Stichwort Kreditgarantiegemeinschaften darf ich schon jetzt sagen, daß wir entgegen der Meinung der SPD diese Selbsthilfeorganisation der freien Wirtschaft nicht nur unbedingt erhalten, sondern auch fernerhin tatkräftig gefördert wissen wollen. Sie stellen echte Risikogemeinschaften mit einer Solidarhaftung dar und zeigen, daß die Wirtschaft, so gut sie es vermag, gegebene Selbsthilfemöglichkeiten aktiviert. Ihre Abschaffung bzw. ihre Umwandlung in eine einzige Bundeskreditgarantiekasse würde bedeuten, daß wir einen Teil des mittelständischen Kreditwesens verbürokratisierten und damit zu einer Schwerfälligkeit verurteilten. Darüber hinaus würde die Darlehnsvergabe aus der Beurteilung fachnaher und homogener Wirtschaftskreise entfernt werden.Ich sagte, die Kreditgarantiegemeinschaften haben bisher segensreich gewirkt. Das schließt aber nicht aus, daß es nicht wünschenswert wäre, wenn deren Arbeitsweise verbessert würde. Aus den Kreisen der mittelständischen Kreditnehmer wird nämlich immer wieder die Klage laut, daß die Bürgschaftsausschüsse der Kreditgarantiegemeinschaften den Sicherheitsstandpunkt übermäßig betonen. Jeder Einsichtige wird zwar verstehen, daß Kredite nur dann gegeben werden können, wenn die Kreditwürdigkeit erwiesen ist. Ein Überblick über den Status des Vermögens des Kreditnehmers muß ohne weiteres möglich sein, und daraus muß auch ohne weiteres eine gewisse Erfolgstendenz des Kreditbewerbers sichtbar sein. Bei dieser Gelegenheit ist es aber am Platz, festzustellen: auch Kreditgarantiegemeinschaften sind keine Wohlfahrtsämter. Ein Mindestmaß an Sicherheit kann nicht umgangen werden. Fremdgelder können nun einmal nicht à fonds perdu vergeben werden. Ich spreche von gewissen Sicherheiten. Andererseits sollten aber die Anforderungen danach auch nicht überspitzt werden. Von seiten der Kreditnehmer wird mit Recht bemängelt, daß die Kreditgarantiegemeinschaften in ihren Bürgschaftsausschüssen an Sicherheiten — einschließlich mancher problematischer Nebensicherheiten — hereinnehmen, was sie nur bekommen können.Wir wissen, die Ausfälle der Kreditgarantiegemeinschaften sind als gering, ja als kaum nennenswert zu bezeichnen. Da wäre es doch am Platze, den Gedanken der Förderung des Personalkredites stärker als bisher zum Zuge kommen zu lassen. Ich bin auch darüber unterrichtet, daß in den Bürgschaftsausschüssen die Behördenvertreter, denen es obliegt, die Interessen der Länder und des Bundes wahrzunehmen, teilweise eine recht enge und fiskalische Haltung an den Tag legen. Manchmal, so hörte ich aber auch, sind die Vertreter des Gewerbes unangemessen streng in ihren Anforderungen. Auf diesem Gebiete ist also eine Revision einer allzu engen Einstellung notwendig.Es wäre wünschenswert, wenn neben den Kreditgarantiegemeinschaften auch die Kredit- und Bankinstitute den Personalkredit mehr als bisher pflegen würden. Manche dieser Institute — das sei hier dankbar festgestellt — haben sich bisher schon einer großzügigen Handhabung befleißigt. Andere aber legen eine enge Auffassung an den Tag, die jede
Metadaten/Kopzeile:
1392 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Wieningerfortschrittliche, der Wirtschaft dienende Haltung vermissen läßt.Im Rahmen der Kreditversorgung des Mittelstandes wird die Hauptklage gegen die hohen Kreditkosten geführt. Neben den eigentlichen Zinsen werden Bereitstellungskosten und sonstige Gebühren verlangt. Aus den Kreisen des Mittelstandes wird immer wieder glaubwürdig argumentiert, daß diese Gesamtkreditkosten für mittelständische Kreditnehmer aus kalkulatorischen Gründen bei einem scharfen Wettbewerb nicht tragbar seien. Entweder müsse daher auf durchschlagende, kostensenkende Rationalisierungsmaßnahmen verzichtet und müßten die sich daraus ergebenden gesamtwirtschaftlichen Nachteile in Kauf genommen werden, oder aber der Betrieb begebe sich in Gefahr, von den kapitalstarken Mitbewerbern, die günstiger an langfristiges Geld gelangen, vom Markt verdrängt zu werden. Hier liegt das eigentliche Dilemma in Handwerk, Einzel- und Großhandel und in der Klein- und Mittelindustrie.Meine Damen und Herren, diese Argumentation ist begründet, ist richtig, wenn wir bedenken, daß Kleinkredite teurer sind, zwangsläufig teurer ein müssen als Großkredite. Somit ergibt sich auch auf dem Gebiete des Kreditwesens ein unvermeidlicher Wettbewerbsnachteil der kleineren Marktpartner.Aus diesem Grunde müssen wir mit allem Ernst prüfen, ob und in welcher Weise ein Programm zur Zinsverbilligung für langfristige Kreditvorhaben des gewerblichen Mittelstandes entwickelt werden kann. Ein solches Bundesprogramm zur Verbilligung der Kreditzinsen wäre sinnvoll, nützlich und gerecht bei längerfristigen Darlehen für Vorhaben der Rationalisierung und der Modernisierung der Betriebe.Ich darf erwähnen, daß in mehreren Ländern in der Bundesrepublik, so z. B. in Bayern, in Hessen und in Niedersachsen, in beschränktem Umfang Zinsverbilligungsaktionen laufen. Die Mittel sind allerdings in jedem Haushaltsjahr sehr rasch erschöpft. Die Nachfrage nach solchen Mitteln ist in allen Zweigen des gewerblichen Mittelstandes besonders groß. Es müßte doch möglich sein, daß sich unter dem Aspekt der Verbesserung des mittelständischen Kreditwesens die Bemühungen des Bundes und aller Länder — nicht nur der drei soeben erwähnten Länder Bayern, Hessen und Niedersachsen, sondern aller Länder — treffen. Auf diese Weise könnten ohne den Einsatz besonders großer Mittel wirksame Ergebnisse erzielt werden.Wenn wir einer solchen Maßnahme nähertreten, müssen wir allerdings eines besonders beachten. Die Kreditdecke müßte groß genug sein, um einem normalen Darlehensbedarf einigermaßen zu entsprechen. Dies wäre notwendig, damit nicht innerhalb der mittelständischen Wirtschaft Wettbewerbsverschiebungen eintreten zwischen solchen Betrieben, die zinsbegünstigte Kredite aufnehmen konnten, und anderen, die von dieser Möglichkeit mangels hinreichender Mittel keinen Gebrauch machen konnten.Eine weitere Sorge dürfte es dabei noch sein, eine Abgrenzung zu finden für die Vorhaben, die im Rahmen eines solchen Programms gefördert werden sollten. Die bisherigen ERP-Programme geben in dieser Hinsicht sinnvolle Fingerzeige, so daß diese Frage unschwer gelöst werden kann.Wie sähe nun die praktische Auswirkung einer derartigen Maßnahme aus? Bei einem Kreditvolumen für diese Zwecke von, sagen wir einmal, 1 Milliarde DM pro Jahr ergäbe sich bei einer Zinsverbilligung um 2 % ein jährlicher Aufwand von 20 Millionen DM. Wenn wir die bisherigen Leistungen der Länder Bayern, Hessen und Niedersachsen berücksichtigen und wenn wir auch zusätzlich noch annehmen wollten, daß sich die übrigen Länder der Bundesrepublik dieser Verbesserungsaktion für Mittelstandskredite anschließen, würde sich diese Summe noch verringern. Allerdings ist auch zu beachten, daß für die folgenden Jahre bei Fortführung der Förderung die Summe progressiv steigt. Man müßte daher eine Begrenzung der Aktion auf einige Jahre vorsehen und während dieser Zeit gegebenenfalls die Höhe der Förderungssumme staffeln, damit ein einigermaßen gleichbleibender Bundeszuschuß entsteht.Wie bescheiden sich dieser Vorschlag gegenüber der Förderung anderer Wirtschaftszweige durch den Bund ausnimmt, zeigt sich am Beispiel der Seeschiffahrt. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten das „Wirtschaftsbild" Nr. 709 vom 9. April 1962 zitieren. Es heißt dort:Zinszuschüsse für die Seeschiffahrt: Die für 1962 vorgesehenen 80 Milionen DM Zinszuschüsse entfallen zu 23 Millionen auf normale Zinsbeihilfen, 10 Millionen auf Abwrackprämien, 47 Millionen auf Neubaudarlehen. Insbesondere soll eine Erneuerung der überalterten Küstenmotorschiffe erreicht werden.Meine Damen und Herren, ich möchte gegen diese Maßnahmen zugunsten der Seeschiffahrt in keiner Weise Kritik üben; aber eines möchte ich doch feststellen: der gesellschaftspolitisch wichtige Korpus der mittelständischen Wirtschaft verdient doch mindestens ebensosehr die Förderung von Regierung und Parlament. Wir werden in den Ausschüssen für Mittelstandsfragen und Wirtschaft über dieses Problem ernsthaft zu beraten haben.Aber nicht nur die Fragen der Personalkredite und der Zinsverbilligung werden uns beschäftigen; eine ganze Reihe zusätzlicher Probleme werden wir in den Ausschüssen mit der Regierung und gegebenenfalls auch mit Sachverständigen aus der Kreditwirtschaft und aus den mittelständischen Verbänden diskutieren. Wir werden darüber zu reden haben, ob angesichts der Notwendigkeit, das Kreditvolumen zu 'erhöhen, nicht auch eine Verstärkung der Bundesbürgschaften für die Kreditgarantiegemeinschaften und gleichzeitig auch eine Vermehrung der Bundeshilfen aus dem ERP-Fonds eintreten muß.Ein anderes Thema unserer Beratungen wird folgendes sein. Seit langem wird in der Öffentlichkeit diskutiert, wie notwendig es sei, in neuen Stadtrandsiedlungen Gelegenheit zu bieten, daß sich dort mittelständische Unternehmen aus dem Handwerk und dem Einzelhandel ansiedeln können. Dieses Problem ist rein finanzieller Art und steht in unmit-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1393
Wieningertelbarem Zusammenhang mit der Kreditlage der mittelständischen Wirtschaft. Mittelständische Betriebe können nur dann in neuerbauten Stadtteilen Fuß fassen, wenn ihnen durch hinreichende Kredithilfen Chancen geboten werden, Entwicklungsdurststrecken zu überwinden. Da taucht die Frage auf, ob für diesen Zweck nicht ein eigener Finanzierungsstock gegründet werden müßte oder aber ob es nicht angebracht wäre, zur Erreichung eines guten Zieles eine eigene Bundesfinanzierungsgesellschaft ins Leben zu rufen. Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses haben sich zu dieser Frage bisher theoretisch positiv geäußert. Ich bin überzeugt, daß wir in Gesprächen mit den Herren Regierungsvertretern bei den Beratungen im Ausschuß zu einer nützlichen Lösung kommen.Weiter beabsichtigen wir, in den Ausschüssen darüber zu reden, ob der sogenannte Reuschelplan, der die Aktivierung von Kapitalmitteln aus dem Vermögen der Versicherungsgesellschaften für die Zwecke der Mittelstandskredite zum Ziele hat, realisierbar ist und ob er, wenn auch in modulierter Form, unseren Absichten dienen kann.Ferner werden wir darüber zu reden haben, ob die bisherigen Bemühungen zur Förderung junger nachwachsender Existenzen im Mittelstand als hinreichend angesehen werden können. Nach den Feststellungen der Bundesregierung im Mittelstandsbericht vom Jahre 1960 haben die mittelständischen Existenzen in der Bundesrepublik im Laufe der letzten Jahre um 40 000 zugenommen. Gleichzeitig ist aber die Zahl der in unselbständiger Arbeit Stehenden um mehrere Millionen gewachsen. Das bedeutet ein bedenkliches Zurückgehen des Proporzes der selbständigen Existenzen zu den Unselbständigen. Es besteht die Möglichkeit, daß wir die Kreditaktion für junge nachwachsende Existenzen verstärken müssen. Bisher sind für diesen Zweck im ERP-Kreditprogramm 10 Millionen DM ausgeworfen gewesen. Vielleicht stellt sich aber auch heraus, daß mit Kredithilfen allein die Gefahr der Mittelstandsflucht nicht beseitigt werden kann und daß wir zu anderen Maßnahmen — denkbar sind Anreize steuerlicher Art — gelangen müssen.Schließlich werden wir auch noch die Frage des Investitionssparens zu besprechen haben. Dieses Anliegen steht in innigem Zusammenhang mit den mittelständischen Kreditproblemen. Nachdem wir zunächst die Hoffnung auf steuerliche Berücksichtigung des nichtentnommenen Gewinns nach § 10 a des Einkommensteuergesetzes nicht nähren können, wäre es doch begrüßenswert, wenn wenigstens das Ansparen für Investitionszwecke in einem gewissen Maße steuerlich begünstigt würde. Der Arbeitsausschuß für Kreditfragen beim Bundeswirtschaftsministerium hat ausdrücklich festgestellt, daß die Nützlichkeit des Investitionssparens unter zwei Gesichtspunkten zu sehen ist: erstens unter dem Gesichtspunkt der Herbeiführung einer besseren Versorgung des Mittelstandes mit Investitionskrediten und zweitens unter dem Gesichtspunkt der Förderung der Eigenkapitalbildung bei mittelständischen Unternehmen. Unsere Sorge um das mittelständische Kreditwesen ist auf das Ziel gerichtet, die Modernisierung der Klein- und Mittelbetriebe zu ermöglichen, diese Betriebe gegenüber der Großwirtschaft konkurrenzfähig zu machen und es ihnen zu ermöglichen — mehr als dies bisher geschehen konnte —, Eigenkapital zu bilden. Wenn wir die mittelständische Wirtschaft lebensfähig erhalten wollen, müssen wir alles tun, um die Eigenkapitalbildung zu fördern.In der Denkschrift der ASU zur Finanzreform wird dargelegt, daß sich erwiesenermaßen bei den Unternehmen der Mittelwirtschaft während der letzten Jahre der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital trotz der Überkonjunktur kaum erhöht hat, bei einer Reihe von Wirtschaftszweigen sogar zurückgegangen ist. Die Hauptgemeinschaft des Einzelhandels stellt zu einer Untersuchung des Instituts für Handelsforschung in Köln Anfang Mai dieses Jahres fest, daß das Eigenkapital im Einzelhandel kaum halb so groß wie vor dem Krieg ist.Wenn wir die hier aufgeworfenen Fragen in den Ausschüssen gründlich besprechen, wird die Bundesregierung in Kenntnis der Meinungen der Fraktionen in der Lage sein, den im Antrag erbetenen Überblick zu erstellen. Ich bitte Sie, den vorliegenden Antrag dem Ausschuß für Mittelstandsfragen — federführend — und dem Ausschuß für Wirtschaft — zur Mitberatung — zu überweisen.
Wer begründet den Antrag unter b)? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Mit der Drucksache IV/246 wollen wir einmal der Bundesregierung Gelegenheit geben, das, was sie am 29. November vergangenen Jahres hier in ihrer Regierungserklärung in verhältnismäßig knapper und kurzer Form als ihren politischen Willen dargetan hat, zu verwirklichen. Gleichzeitig wollen wir den Regierungsparteien ähnliche Hilfestellung leisten: wir wollen mit dem ersten Teil dieses Antrags nichts anderes als die Ergänzung des am 13. Juli 1960 übermittelten Berichtes über die Lage der Mittelschichten, eine Ergänzung, von der wir damals bei der Beratung des sozialdemokratischen Antrages gesagt haben, daß sie sicherlich auf Grund der ursprünglich nicht in vollem Umfange vorhandenen statistischen Materialien erforderlich sein werde, und wovon die Bundesregierung gesagt hatte, daß eine solche Ergänzung auch nach ihrer Meinung erforderlich sei.Außerdem darf daran erinnert werden, daß am 16. Juni 1961, d. h. kurz vor Auslaufen der dritten Legislaturperiode, dieses Haus sich darüber einig war, daß eine solche Ergänzung des am 13. Juli 1960 übermittelten Berichtes über die Lage der Mittelschichten erforderlich ist. Die Frage ist nun, warum bis zur Stunde — auch im Zusammenhang mit den am 16. Juni hier gemachten Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers, einmal in Gestalt einer quasi-Regierungserklärung, dann in Gestalt einer schriftlich vorgelegten Regierungserklärung — solche Ergänzungsarbeiten nicht schon erstellt wor-
Metadaten/Kopzeile:
1394 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Lange
den sind. Dann würde sich dieser Antrag erübrigt haben.Mir scheint, daß die Saumseligkeit der Regierung in diesem Zusammenhang
— ich sage es noch einmal, wenn sich das „Na" auf „Saumseligkeit" beziehen sollte —, die Saumseligkeit der Regierung in diesem Zusammenhang vielleicht auch den guten politischen Willen vermissen läßt, das, was sie am 29. November vergangenen Jahres in ihrer Regierungserklärung dargelegt hat, in die Tat umzusetzen. Dort heißt es im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik in einem einzigen Absatz:In der Mittelstandspolitik werden wir fortfahren, gute Lebensbedingungen für die breite Mittelschicht mit den vielen gesunden selbständigen Existenzen im Handwerk, Handel und Gewerbe, in der Landwirtschaft und in den freien Berufen zu fördern. Neben dem Willen, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der vorhandenen Betriebe zu stärken, steht als wichtige Aufgabe, das Selbständigwerden bisher abhängiger Existenzen zu ermöglichen.Nun, auch am 16. Juni 1961 sind der Bundesregierung sicherlich Hinweise auf Sachverhalte außerhalb der bundesrepublikanischen Grenzen gegeben worden, Sachverhalte, die der Regierung selbst nicht unbekannt sind, von denen man sogar gesagt hat, daß man ihnen nachgehen werde, daß man prüfen werde, welche Erfahrungen dort gemacht worden sind. Bis zur Stunde ist davon nichts zu sehen. Ich denke vor allem an die Erfahrungen, die die Amerikaner mit der Small Business Administration auf der Grundlage des Small Business Act von 1958 gemacht haben. Wir alle hier in diesem Hause haben wohl Veranlassung, uns um diese Dinge ein wenig intensiver zu kümmern. Unter gar keinen Umständen können wir es bei bloßen Lippenbekenntnissen zu der Förderung der Selbständigen auf dem gewerblichen und freiberuflichen Sektor bewenden lassen. Wenn die ganze Auseinandersetzung um die Wirtschaftspolitik und um den Strukturwandel unserer Volkswirtschaft, nicht zuletzt auch im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und eines sich so ausweitenden Marktes, Sinn haben soll, dann müssen sich die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen — das sind Parlament und Regierung — auch über die Möglichkeiten der Selbständigen innerhalb der gewerblichen Wirtschaft, der freiberuflich Tätigen im Rahmen der gesamten Volkswirtschaft entsprechende Gedanken machen.Man kann das nur dann, wenn man in diesem Zusammenhang die notwendigen sachlichen Feststellungen trifft, wenn man sehr genau weiß, in welchem Verhältnis die Selbständigen, ihre Betriebe, ihre Unternehmungen auf dem gewerblichen Sektor und auch die freiberuflich Selbständigen mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern — Arbeiter wie Angestellte — zu den Bevölkerungsgruppen stehen, die ihre Existenzgrundlage im wesentlichen im Rahmen der Großwirtschaft finden. Wir können es uns einfach nicht gestatten, hier so zu tun, alsob wir wirtschaftlich weniger starke Unternehmungen und Betriebe hätten, die nicht imstande wären, volkswirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen. Es ist nicht so, daß es sich hier von vornherein um schwächere Betriebe, Unternehmungen, Existenzen handelt. Vielmehr werden diese Existenzen im Vergleich zur Großwirtschaft geschwächt, weil durch eine bestimmte Art der Politik und der Gesetzgebung — dabei geht es um den ganzen Bereich der Wirtschaftspolitik, um die Steuer- und Finanzpolitik mit der entsprechenden Gesetzgebung einschließlich der Sozialgesetzgebung — in diesen Bereichen gesetzgeberische Wirkungen entstehen, die diesen Selbständigen gegenüber den Großunternehmungen und der Großwirtschaft wirtschaftspolitische und marktpolitische Nachteile bringen.Hier muß angesetzt werden, und wir können nur ansetzen, wenn wir die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung haben. Nur dann können wir von dorther die notwendigen Maßnahmen treffen, die gleichartige Wettbewerbsvoraussetzungen gewährleisten.Man muß in diesem Zusamenhang erkennen, daß es nicht nur darum geht, Wettbewerbschancen gleicher Art zu schaffen. Vielmehr müssen die nach unserer Überzeugung gegenüber den Großformen unserer Wirtschaft benachteiligten kleinen und mittleren Unternehmungen in den Stand gesetzt werden, diese gleichartigen Chancen vom Ausgangspunkt her am Markte auf die Dauer zu sichern. Dazu gehört, wie gesagt, der unter Ziffer 1 unseres Antrags geforderte Ergänzungsbericht, bei dem wir natürlich — weil von 1960 bis 1962 schon wieder einige Zeit ins Land gegangen ist — die Wirkungen des Gemeinsamen Marktes mit erfaßt sehen möchten. Im übrigen soll er sich genau auf dieselben Sachverhalte beziehen, die in unserem ursprünglichen Antrag vom 5. Dezember 1958 enthalten gewesen sind. Uns kommt es nur darauf an — das ist ein sehr dringendes Wort an die Regierung —, daß dieser Ergänzungsbericht vergleichbares Zahlenmaterial und vergleichbare Tatbestände enthält und erfaßt, damit die einzelnen Wirtschaftszweige und -gruppen miteinander verglichen werden können. Die Regierung sollte uns nicht wieder in die Verlegenheit bringen, von dieser Stelle aus erklären zu müssen, daß der Bericht zwar eine außerordentliche Fleißarbeit ist, daß sehr viel Material zusammengetragen worden ist, daß er aber insoweit halb ist — und das war einmütige Erkenntnis dieses Hauses, da hat es nun keine Meinungsverschiedenheiten zwischen den Fraktionen gegeben —, als er nur Tatbestände und Zahlenmaterial enthält, das den Vergleich von :Bevölkerungsgruppe zu Bevölkerungsgruppe und von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig einfach nicht ermöglicht.Insoweit, meine Damen und Herren, scheint uns dringendes Gebot zu sein, diesen Ergänzungsbericht so schnell wie möglich hier im Hause zu haben, weil man sich nämlich nur — und darüber muß man sich wohl auch einmal klarwerden, selbst wenn mancher das aus weltanschaulichen Gründen nicht wahrhaben möchte — an Hand von Fakten und
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1395
Lange
eindeutigen Sachverhalten über weitere und notwendige Maßnahmen verständigen kann.Wir sollten — lassen Sie mich das in diesem Zusammenhang und an dieser Stelle auch sagen — endlich damit aufhören, dem anderen bei seinen wirtschaftspolitischen Absichten diese oder jene ideologische oder weltanschauliche Geheimniskrämerei zu unterschieben, so wie Sie das tun. Mit „Sie" meine ich jetzt die Fraktion der ChristlichDemokratischen und der Christlich-Sozialen Union, die wieder nichts Besseres vermocht hatte, als in dem Augenblick, wo unser Antrag das Licht der Öffentlichkeit erblickt hatte, zu erklären, daß hier sicherlich wieder zentralverwaltungswirtschaftliche Pferdefüße vorhanden oder verborgen seien. Übrigens gilt das auch für die Freie Demokratische Partei, die sich auch nicht solcher merkwürdiger und — das wissen Sie genauso gut wie wir — völlig falscher Feststellungen enthalten konnte.Ich bin der Meinung, wir sollten uns hier einmal im Ernst darum bemühen, gerade die Wirtschaftspolitik so sachlich wie möglich zu erörtern, und hier am allerwenigsten den Versuch unternehmen, von Weltanschauungen her irgendwelche wirtschaftspolitischen Doktrinen zu verkünden. Mir scheint, wenn größere soziale Gerechtigkeit, die angeblich von allen Seiten dieses Hauses gefordert wird, ihren Sinn haben soll, dann kann man sich bestenfalls noch über die Mittel streiten, um dieses Ziel größerer sozialer Gerechtigkeit zu erreichen. Ich sehe aber dem Grunde nach gar keine Möglichkeit, sichin diesem Zusammenhang noch über wirtschaftspolitische Weltanschauungen zu streiten.Ich würde also herzlich darum bitten, meine Damen und Herren, einmal von diesem merkwürdigen und völlig unzulänglichen Versuch zu lassen, den anderen — in diesem Falle die Sozialdemokraten — immer und immer wieder zu verdächtigen.Ein Weiteres kommt hinzu. Es gibt hier im Hause Fraktionen und es gibt in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit Parteien, die von sich aus so tun, als ob sie wirtschaftspolitische Erkenntnisse für bestimmte Betriebsgrößenklassen gepachtet hätten. Nun, sie sollten sehr genau wissen, daß das nicht so ist, und sie wissen das auch. Aber sie sollten endlich einmal von dem untauglichen Versuch lassen, denjenigen, denen eine gemeinsam zu vollziehende Wirtschaftspolitik auf diesem Gebiete dienen soll, den selbständigen Existenzen in Handwerk, Handel und Gewerbe, in kleinerer und mittlerer Industrie und in den freien Berufen, Sand in die Augen zu streuen.Sie haben, als unser Antrag an die Öffentlichkeit kam, nichts Besseres gewußt, als in Ihren Verlautbarungen zu sagen — wenn ich der dpa-Meldung vom 16. März glauben darf —, daß darin Tendenzen enthalten seien, die eventuell auf einen Grauen Plan hinausliefen. Darin steckt wieder all das, was ich soeben über Ihre Auslegung unserer Absichten angedeutet habe.
— Wenn Sie deutsch lesen können, werden Sie es merken, was drinsteckt, Herr Burgemeister.
— Natürlich werden wir uns darüber unterhalten. Ich sage es noch einmal: lassen Sie mal Ihre Vorurteile, lassen Sie mal Ihre merkwürdig eingefahrenen ideologischen Gleise hinter sich! Versuchen Sie einmal, sich in eine bestimmte Notwendigkeit hineinzudenken! Dann kommen wir wahrscheinlich viel schneller zueinander, auch in bezug auf das, was hier immer so beteuert wird, wie es soeben auch durch den Kollegen Wieninger wieder geschehen ist, daß man nämlich diesen Gruppen unter allen Umständen, quer durch das ganze Haus, helfen wolle. Natürlich will man das. Aber man muß es so tun, daß Hilfen für die Gruppen nicht gleichzeitig wieder entscheidende Förderungen für die Großwirtschaft sind. Wir haben darüber schon einmal, und zwar am 16. Juni 1961, geredet; ich brauche das also in diesem Zusammenhang nicht zu wiederholen.Bei anderer Gelegenheit haben Sie erklärt, daß dieser Antrag nichts sei als eine Anhäufung von wirtschaftspolitischen Zielen. Natürlich kann ein Antrag, wenn man so will, zuerst einmal nicht mehr sein. Aber vergegenwärtigen Sie sich einmal— und damit komme ich zum zweiten Teil unseres Antrags —, daß hier ein Gesetzentwurf gefordert wird, durch den einerseits die Fortschreibung der Sachverhalte sichergestellt und damit eine entsprechende Berichterstattung von Zeit zu Zeit ermöglicht werden soll, der zum anderen aber auch Maßnahmen gewährleisten soll, die die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Selbständigen, ihrer Betriebe und Unternehmen stärken und gegenüber marktbeherrschenden Unternehmungen sichern. Es steckt also für denjenigen, von dem ein solcher Gesetzentwurf verlangt wird, doch eine Kleinigkeit mehr in diesem Gesetzentwurf.Was soll denn mit diesem Gesetzentwurf, dessen zwei entscheidende Aufgaben ich dargelegt habe, erreicht werden? Wir wollen, daß man einen Blick über den Zaun tut, daß man also die Erfahrungen nutzt, die die Amerikaner mit dem Small Business Act gemacht haben. Die amerikanische Wirtschaftsgesellschaft ist nicht wesentlich anders strukturiert als unsere. Sie hat nur andere Abmessungen und damit anders geartete Betriebsgrößenklassen, vor allem in der Spitze. Wir sollten also die Erfahrungen einer modernen Wirtschaftsgesellschaft wie der amerikanischen einmal auswerten.Herr Wieninger hat vorhin von dem engen und wahrscheinlich immer enger werdenden Raum der Selbständigen gesprochen. Wenigstens scheint diese Entwicklung aus der Statistik hervorzugehen; ich selber bin gar nicht so pessimistisch wie Herr Wieninger. Auf jeden Fall hat unser Gesetzentwurf zum Ziel, daß dieser Raum der Selbständigkeit gegenüber allen aus der Konzentration der Wirtschaft kommenden Tendenzen zur Marktbeherrschung durch einzelne große Unternehmen und damit zur Einengung der Unabhängigkeit kleiner und mittlerer Unternehmungen offengehalten wird und daß
Metadaten/Kopzeile:
1396 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Lange
auf der anderen Seite die Wettbewerbsgleichheit in den verschiedenen Situationen der konjunkturellen Entwicklung und der einzelnen Wirtschaftszweige gewährleistet wird. Die konjunkturelle Entwicklung stimmt ja nicht in allen Bereichen mit dem Gesamttrend der Volkswirtschaft überein.Ich darf wiederholen. Mit dem von uns verlangten Gesetz sollen zwei Aufgaben erfüllt werden: erstens, wirksame Maßnahmen strukturpolitischer Art zu gewährleisten, die den Raum der Selbständigkeit innerhalb der Wirtschaft offenhalten; zweitens, die Wettbewerbsgleichheit in den verschiedenen konjunkturellen Situationen sicherzustellen. Daraus ergeben sich unterschiedliche Aufgaben, die durch entsprechende Maßnahmen — auf Grund gesetzlicher Befehle — der für die Politik Verantwortlichen gelöst werden müssen, wie das zu einem wesentlichen Teil auch nach dem Small Business Act der Amerikaner der Fall ist.Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß, wenn solche Überlegungen Platz greifen, die Selbständigen in Handwerk, Handel, Gewerbe, übriger Industrie und in den freien Berufen mit den Großunternehmungen, mit den Marktbeherrschern von der Wettbewerbssituation her gleichzustellen, sicherlich bestimmte Merkmale für die Förderung dieser Selbständigen, ihrer Betriebe oder Unternehmungen feststellbar sein müssen. Sicherlich müssen diese feststellbaren Merkmale auch Eingang in das Gesetz finden.Nun darf ich daran erinnern, daß es Kollege Schmücker war, der hier einmal gesagt hat, wer den Versuch mache, den „Mittelstand" zu definieren, oder was immer man an die Stelle dieses Wortes setzen will: Mittelschichten, Selbständige, oder was da immer gesagt sein mag,
— aber das sage ich, Herr Schmücker —
der töte den Mittelstand. Wir brauchen uns hier nicht über den Begriff zu streiten und brauchen in diesem Augenblick über den Begriff nicht zu philosophieren. Ich meine nur: wenn man eindeutige wirtschaftspolitische Sachverhalte für diese Betriebsgrößen, wie sie bei den selbständigen und vergleichbaren kleinen Kapitalgesellschaften vorliegen — ich denke da an die GmbH, auch an die Familiengesellschaften — erfassen will, muß man sicherlich feststellen, daß solche Betriebe und Unternehmungen erstens nicht zu den Marktbeherrschern gehören — denn dann verdienen sie eine entsprechende Förderung nicht —, daß zweitens auch Eigentum und Besitz, d. h. Verfügungsmacht, zusammenfallen müssen. Damit ist ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem vorhanden, was wir bei den anonymen Kapitalgesellschaften, vor allem bei den großen Publikumsgesellschaften, aber auch bei anonymen Kapitalgesellschaften mit nur einem oder ganz wenigen Großaktionären feststellen.Es kommt also darauf an, solche Merkmale zu finden. Man wird sicherlich nicht daran vorbeikommen, den Versuch zu machen, das für die einzelnen Wirtschaftszweige festzustellen, zumal die Begriffe „klein", „mittel" und „groß" auch noch von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig unterschiedlich sind.Ich deute hier also nur an, ich gebe kein Rezept. Denn letztlich hat den detaillierten Sachverstand mit den Ministerialbeamten die Bundesregierung und nicht das Parlament. Mir scheint, daß die Bundesregierung mit ihrem ins einzelne gehenden Sachverstand uns die notwendige Vorlage zuleiten und insoweit die notwendige Formulierungshilfe, wie wir das in den Ausschüssen immer nennen, leisten muß. Auch meine ich, daß die Bundesregierung nach der Regierungserklärung gar nicht anders kann, will sie sich nicht bei dieser Gelegenheit als eindeutiger Förderer der Großwirtschaft entpuppen. Wenn sie das will, schön, dann unterläßt sie auf diesem Gebiet alle wirksamen Maßnahmen.
Meine Damen und Herren, wir müssen in dieses Gesetz alle Voraussetzungen hineinpacken, die das gleichzeitige Tätigwerden in bezug auf Kartell- und Monopolrecht notwendig machen, wenn entsprechende Situationen eintreten. Dazu gehört es, die Wettbewerbsmöglichkeiten gegenüber marktbeherrschenden Unternehmungen zu sichern. Das bedeutet hier den Zwang zu einer entsprechenden Änderung des Kartellgesetzes, wenn man das so will. Die Bundesregierung soll das beabsichtigen, wie ich allerdings nur vom Hörensagen weiß. Ich bin mir aber nicht ganz klar darüber, wann das geschehen soll. Wenn wir uns der Aussagen des Bundeswirtschaftsministers vom 16. Juni 1961 erinnern, die er von dieser Stelle aus gemacht hat, müssen wir also erst mal warten, bis die Konzentrationsenquete vorliegt, ehe Schlußfolgerungen gezogen werden. Und wenn ich mir den Begleittext der Bundesregierung zu dem Kartellbericht über das Jahr 1961 ansehe, habe ich nicht mehr die geringste Hoffnung, daß seitens der Bundesregierung irgend etwas Entscheidendes geschehen wird in bezug auf das Kartellgesetz, auf das Wettbewerbsrecht und die dabei eine Rolle spielenden Probleme der marktbeherrschenden Unternehmungen einerseits und der Vertikalverträge, der sogenannten Knebelungsverträge andererseits, einschließlich der zu überprüfenden Frage der Preisbildung der zweiten Hand. Ich würde mich aber gern davon überraschen lassen, daß die Bundesregierung hier in dieser Weise tätig wird.Wenden wir uns nun den weiteren Punkten zu, die in diesem Zusammenhang erörtert werden müssen. Zuerst einmal geht es also darum, Wettbewerbsnachteile aus Steuer- und Sozialgesetzgebung zu beseitigen. Wir wissen seit Jahr und Tag, daß in der Einkommensteuergesetzgebung, im Einkommensteuertarif etliche Dinge sind, die sicherlich eine Benachteiligung der kleinen und mittleren Einkommensträger darstellen, eben gerade dieser Gruppen, die hier in Rede stehen. Wenn ich mich recht erinnere, hat in jüngster Zeit der Herr Bundesfinanz-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1397
Lange
minister oder das Ministerium verlauten lassen, daß es eifrig daran arbeite, diese Benachteiligung der Selbständigen aus dem Einkommensteuertarif herauszubringen, d. h. also den sogenannten Mittelstandsbauch im Einkommensteuertarif zu beseitigen. Wenn die Bundesregierung das wollte, hätte sie schon eher Gelegenheit gehabt, das zu tun. Sie hätte diesen sogenannten Mittelstandsbauch erst gar nicht entstehen lassen brauchen.Eine andere Frage ist, wie wir hier mit der Umsatzsteuer zu Rande kommen. Seit Jahren geht die Diskussion um eine Reform der Umsatzsteuer, und seit Jahren geht die Diskussion darum, daß diese Umsatzsteuer neben anderen Faktoren nicht zuletzt auch zu einer entsprechenden Zusammenfassung von Stufen des Warenweges, also zur Konzentration beigetragen habe und damit Wettbewerbsverzerrungen herbeigeführt habe. Vom Finanzministerium sind zu früherer Zeit sämtliche Versuche zur Reform der Umsatzsteuer abgelehnt worden. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung hat sich das Finanzministerium, hat sich ,die Bundesregierung dann auch einmal dazu verstanden, zu gestehen, daß hier eine Reform notwendig ist.Nun, meine Damen und Herren, wir müssen alle diese Fragen auch im Zusammenhang mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erörtern. Wenn man sich diese Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vergegenwärtigt, dann weiß man, daß wir, was die Harmonisierung der Steuergesetzgebung und der Wettbewerbssituation betrifft, von der EWG her jetzt letztlich gezwungen sind, in diesem Zusammenhang etwas zu tun. Das ist also auch nicht etwa aus eigenem Willen der Bundesregierung und der für die Finanz- und Steuergesetzgebung Verantwortlichen gewachsen, sondern die Absicht, auf diesem Gebiet etwas zu tun, besteht einfach deshalb, weil man den Notwendigkeiten des größer werdenden Markts im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht mehr ausweichen kann. Wenn es immer nur solcher massiver Einwirkungen von außerhalb der verantwortlichen Stellen der Bundesrepublik bedarf, dann ist das eine verdammt traurige Politik gegenüber den Selbständigen.
Die andere Frage ist, wie man in diesem Zusammenhang mit der Vermögensteuer zu Rande kommt. Wir wissen, daß jüngst auf diesem Gebiet in der letzten Legislaturperiode einige Verbesserungen eingetreten sind; aber alle großen Einkommens- und Vermögensträger, d. h. Großeinkommen und Großvermögen, sind im Vergleich zu dem, was den Trägern von kleinen und mittleren Einkommen auferlegt wird, bei weitem begünstigt. Ich will hier nicht auf die Entschließungen eingehen, die die Sozialdemokratische Partei Deutschlands während ihres Kölner Parteitages in diesem Zusammenhang gefaßt hat. Darin sind sicherlich einige sehr nachlesenswerte Formulierungen und Vorschläge, die der Bundesregierung einige Anregungen geben könnten. Man sollte sich ein wenig intensiver mit diesen Fragen befassen, um die Wettbewerbsnachteile für Handwerk, Handel, Gewerbe und kleinereund mittlere Industrie und für die selbständig und freiberuflich Tätigen zu beseitigen.Damit ist der Katalog all der steuerpolitischen Fragen sicher nicht abgeschlossen. Ich könnte noch weitere nennen, z. B. die Gewerbesteuer. Ich könnte einige andere Dinge nennen, die als Steuererträge in die Gemeindehoheit hineingehören, die sicherlich nur deshalb von dieser Seite her — von der Gewerbesteuer jetzt abgesehen — nicht angepackt werden, weil man sich einfach nicht an die notwendige Finanzverfassungsreform herantraut, die den Gemeinden die entsprechende Position innerhalb der Träger der öffentlichen Gewalt gibt und damit gleichzeitig auch die Gemeinden aus der verteufelten Situation herausbringt, in die sie immer wieder durch die Auseinandersetzung über diese von den Selbständigen als Ärgernissteuer bezeichneten Steuern geraten. Sehr zu Unrecht, weil nämlich dafür ganz andere, nämlich Bund und Länder, von der Gesetzgebung her verantwortlich sind, und nicht die Gemeinden. Insoweit wäre es also nützlich, wenn auch von hier aus entsprechende Änderungen einträten. Alle diese Dinge sind Voraussetzungen für ein solches Gesetz, das im wesentlichen Maßnahmen bewirken soll, um Wettbewerbsgleichheit zu sichern und Wettbewerbsverzerrungen auszuräumen.Ich komme nun wieder auf einen Punkt zurück, den wir schon einmal am 16. Juni 1961 hier erörtert haben. Herr Kollege Ruf ist im Augenblick nicht da. Es ging da um den Arbeitgeberanteil der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge und anderer gesetzlicher sozialer Lasten, die Betriebe und Selbständige zu tragen haben. Wir haben damals gesagt: Es ist sicherlich des Schweißes der Edlen wert, sich hier einmal etwas anderes einfallen zu lassen, als schlicht mit dem Argument zu kommen, man könne diese Dinge wegen der Selbstverwaltungsorgane und des Selbstverwaltungsgrundsatzes in der gesetzlichen Sozialversicherung nicht anpacken. Wir wollen ja gar nicht an die Arbeitnehmeranteile heran. Hier geht es vielmehr einfach darum, mit der fortschreitenden Konzentration, mit der fortschreitenden Kapitalintensität und der in dem umfassenden Dienstleistungsbereich im wesentlichen vorhandenen Arbeitsintensität — wobei zum Dienstleistungsbereich umfassender Art auch die gesamte Verteilung, der gesamte Handel gehört, ferner die gesamte Reparatur, die Werterhaltung, und was immer man will, nicht nur die unmittelbar persönlichen Dienstleistungen — gewisse Überlegungen anzustellen. Der Dienstleistungsbereich umfassender Art ist so arbeitsintensiv, daß er praktisch einen größeren Teil dieser sozialen Belastung zu tragen hat, als entsprechend der Kapitalintensität und entsprechend der weit größeren Produktivität des einzelnen Arbeitsplatzes in anderen Bereichen für die Sicherung unserer Menschen im sozialgesetzlichen Sinne getan wird. Hier wäre es also sicherlich erforderlich, daß die Bundesregierung — das geht nicht nur das Bundeswirtschaftsministerium, sondern auch das Bundesarbeitsministerium an — sich in diesem Zusammenhang noch einmal weitere Meinungen, Auslassungen, Darstellungen geben läßt als nur die eine von Herrn Professor Müller aus Freiburg im Breisgau.
Metadaten/Kopzeile:
1398 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Lange
Meine Damen und Herren, damit wollte ich nur andeutungsweise den Katalog der Steuer- und Sozialgesetzgebung darstellen. Ich könnte noch auf die Kindergeldgesetzgebung mit der von uns von vornherein abgelehnten Sondersteuer für die Selbständigen verweisen, wobei ich nicht den Kollegen Schmücker an seine damalige Äußerung erinnern mag.
— Ich will Sie gar nicht zitieren, Herr Kollege Schmücker.
— Ich glaube, wir sind mittlerweile alle miteinander ein wenig klüger geworden, so daß wir — so hoffe ich, Herr Kollege Schmücker — zu einer vernünftigen, die ungerechtfertigte Belastung der Selbständigen künftig vermeidenden Kindergeldgesetzgebung gelangen werden.In diesem Zusammenhang ist auch immer wieder darauf verwiesen worden, daß mit den steuerpolitischen Maßnahmen die Kapitalbildung bei diesen Gruppen gefördert werden solle. Das ist sicherlich richtig und nützlich. Nur ist die Kapitalbildung durch steuerliche Maßnahmen ein sehr langfristiger Prozeß. Mir will scheinen, daß die steuerpolitischen Maßnahmen auf diesem Gebiete durch kreditpolitische Maßnahmen wirkungsvoll ergänzt werden müssen.Nun 'könnte jemand in diesem Hause sagen: Dazu hat ja soeben ein Sprecher der Regierungspartei hier etwas vorgetragen. Meine Damen und Herren, „spät kommt ihr, doch ihr kommt" könnten wir als Überschrift über diesen Antrag setzen, den Sie zur Kreditversorgung des Mittelstandes eingebracht haben. Wir halben schon in unserem Antrag vom 5. Dezember 1958 im Zusammenhang mit der Erstellung 'des Berichtes über die Lage der Mittelschichten das gefordert, was Sie heute, dreieinhalb Jahre später, fordern.
— Ich würde vorsichtig sein mit solchen Behauptungen: Im Fordern seid ihr immer schnell bei der Hand! Es ist nicht so, wie Sie es immer behaupten. Es wäre eine billige Retourkutsche, wollte ich jetzt dagegensetzen: Sie sind immer mit dem Ablehnen sehr schnell bei der Hand, und Sie stützen sich dann immer auf Ihre Verantwortung, die Sie für die öffentliche Finanzwirtschaft und für den Haushalt hier tragen. Nun, meine Damen und Herren, die gleiche Verantwortung, die Sie tragen, trägt die Opposition auch. Insofern ist es vielleicht ganz nützlich, wenn aus der unterschiedlichen Beurteilung der Sachverhalte hier einiges einmal im Wechselgespräch und in der gegensätzlichen Darstellung erörtert werden kann, so daß die Regierungsparteien endlich auch begreifen, daß das, was sie als ihre Verantwortung immer herausstellen, als etwas Unabdingbares herausstellen möchten, ebengar nicht so unabdingbar ist, sondern zum Teil und im wesentlichen der Bequemlichkeit entspringt.
— Das haben Sie noch gar nicht gewußt, Herr Kollege Schmücker. Das ist gut; einer muß es Ihnen ja gelegentlich einmal sagen.
— Ich denke, ein solches Recht haben wir, Herr Schmücker.
— Das ist gar nicht anmaßend!
— Das ist gar nicht anmaßend, Herr Schmücker. Wenn hier gesagt wird: wir wollen ja alle den Selbständigen helfen, dem Handwerk, dem Handel, dem Gewerbe, der kleinen und mittleren Industrie und den freiberuflich Tätigen, — nun, ich meine, dann sollten wir uns auch gemeinsam Gedanken machen, und dann sollte die eine Seite — das sind Sie — sich nicht immer gegenüber Vorschlägen, Vorstellungen, Auffassungen der Opposition hinter der sogenannten Regierungsverantwortung verschanzen.Ich sagte also, daß die steuerpolitischen Maßnahmen sicherlich durch entsprechende kreditpolitische Maßnahmen ergänzt werden müssen, weil nach unserer Überzeugung diese kreditpolitischen Maßnahmen die schneller wirkenden Mittel sind.Nun hat hier Kollege Wieninger auf eine Sache hingewiesen, die wir auch schon am 16. Juni 1961 klargestellt haben. Wir haben das auch gegenüber der Bundesregierung schon getan. Damals hatte die Bundesregierung hinsichtlich unserer Forderung nach ausreichender Kreditversorgung zu erträglichen Bedingungen und nach der Errichtung einer Bundes-Kredit- und Garantiekasse in der schriftlichen Regierungserklärung gesagt: „Kommt nicht in Frage! Außerdem ist das ein dirigistisches Mittel!" Da haben wir der Bundesregierung sagen müssen, daß sie ein solches ihrer Meinung nach dirigistisches Mittel schon hat, nämlich im Bereich der freiberuflich Tätigen und der dort notwendigen Kreditversorgung. Dort ist nämlich in einer Vereinbarung zwischen dem Bundesschatzministerium und der Lastenausgleichsbank diese effektiv zu einer Bundes-Kredit- und Garantiekasse für die freiberuflich Tätigen gemacht worden. Sie wissen das so genau wie wir. Damals ist kein Einpruch dagegen erhoben worden; damals ist nicht geltend gemacht worden, daß ein solches Führungsinstitut, ein solches Kopfinstitut die Aufgaben, die da in einheitlicher Kreditauslegung liegen, nicht wahrnehmen könne. Damals ist auch mit keinem Wort gesagt
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1399
Lange
worden, daß das eine dirigistische Maßnahme sei. Im Gegenteil: diese Vereinbarung zwischen Bundesschatzministerium und Lastenausgleichsbank ist als ein entscheidender Fortschritt auf dem Gebiet der Kreditversorgung der Selbständigen und insbesondere der freiberuflich Tätigen gefeiert worden. Wenn die gleiche Forderung für den gewerblichen Sektor erhoben wird, so ist das eine Forderung nach dirigistischen Maßnahmen — nach der Aussage der Bundesregierung. Da kann man nur fragen, ob die Bundesregierung in Bewußtseinsspaltung lebt.Was wollen wir denn? Wir wollen doch nichts anderes, als die Vielzahl der unterschiedlichen Kreditprogramme und der in den unterschiedlichen Kreditprogrammen enthaltenen unterschiedlichen Kreditbedingungen weitgehend vereinheitlichen, damit die Wettbewerbsverzerrungen, die gerade auf dem gewerblichen Sektor infolge der unterschiedlichen Kredithergabe vorhanden sind, beseitigt werden.Und jetzt kommt der Ruf gewisser Organisationen, die da sagen: „Aber wir dürfen nicht angetastet werden!" Das hat also hier soeben Herr Wieninger auch getan. Ich verweise wieder auf den 16. Juni 1961. Wir haben damals gesagt: Kein Mensch denkt daran, die Kreditgarantiegemeinschaften des Handels, des Handwerks, des Fremdenverkehrs- und Gaststättengewerbes und, soweit vorhanden, auch des Gartenbaus zu beseitigen. Im Gegenteil, ein solches Kopfinstitut, wie wir es parallel zur Lastenausgleichsbank für die freiberuflichen Selbständigen wollen — —
— Nein, nicht zweigleisig! Ein solches Kopfinstitut, durch das dann praktisch alles an Programmen gesteuert würde, bedient sich genauso, wie es heute die Ministerien tun müssen, wie es die Länder und der Bund tun müssen, der Kreditgarantiegemeinschaften und auch der Hausbanken. An den vorhandenen Organisationen würde sich also nichts ändern, nicht einmal an ihrer Aufgabenstellung. Aber es würde möglicherweise erreicht werden, Herr Wieninger — daß dies nicht der Fall ist, haben wir ja alle miteinander bei anderer Gelegenheit einmal beklagt —, daß die Kreditgemeinschaften eben auch nicht mehr zu unterschiedlichen Bedingungen arbeiten müssen. Das ist noch ein Problem am Rande, das dann eine Rolle spielt. Deshalb muß man, meine ich, hier die ausreichende Kreditversorgung zu erträglichen Bedingungen und die Errichtung einer Bundes-Kredit- und Garantiekasse ermöglichen.Im übrigen gibt es ja hinsichtlich des sogenannten modifizierten Personalkredits gar keinen Streit zwischen uns. Denn es ist eine uralte Erkenntnis, daß man mit Hilfe der öffentlichen Bürgschaften und Garantieerklärungen letztlich das, was man vor Jahrzehnten in der deutschen Volkswirtschaft und in den übrigen Volkswirtschaften als reinen Personalkredit gekannt hat, wegen der Gesamtzusammenhänge der Währungs- und Wirtschaftspolitik heute einfach nicht mehr verwirklichen kann. Diese Form der Kredithergabe kann man in dem früherenUmfange nicht mehr praktizieren. Deshalb muß man den Personalkredit modifizieren. Man muß die Leute von den Bedingungen des Kapitalmarktes, die sie nicht erfüllen können, freistellen.Zum weiteren muß durch diese ausreichende Kreditversorgung erreicht werden, daß die Selbständigen in Handwerk, Handel, Gewerbe und in den freien Berufen Kredite, auch Umschuldungskredite und Ähnliches sowie Existenzgründungskredite, zu den gleichen Bedingungen bekommen können, zu denen Großunternehmungen ihren Kapitalbedarf am Geld- und Kapitalmarkt befriedigen können.Das zu dieser Frage! Ich würde es dankbar begrüßen, wenn die Polemik, wir wollten die Kreditgarantiegemeinschaften beseitigen, und Ähnliches ad acta gelegt würde, so daß darüber Gespräche für morgen und übermorgen und nicht mehr Gespräche aus der Vergangenheit heraus zu führen wären. So viel zur Kreditversorgung und zur Bundes-Kredit- und Garantiekasse.Wir würden es des weiteren dankbar begrüßen, wenn die Selbsthilfeeinrichtungen der Selbständigen auf den verschiedensten Gebieten auch durch allgemeine steuer- und finanzpolitische Maßnahmen sowie durch wirtschaftspolitische Maßnahmen anders, als das bisher der Fall gewesen ist, gefördert würden. Ich denke da vor allem an das Instrument der Arbeitsgemeinschaften, das immer noch im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer so ein Stiefkind ist. Es kann nämlich passieren, daß, wenn das innere Verhältnis der Arbeitsgemeinschaft nicht geklärt ist, für den Umsatz der Arbeitsgemeinschaft und den Umsatz der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft, d h. für ein und dieselbe Leistung, zweimal die Umsatzsteuer gezahlt werden muß. Solche Maßnahmen sind sicherlich keine Förderung von Selbsthilfeeinrichtungen.Auf der anderen Seite sollten wir uns auch nicht irgendwelchen Entwicklungen von morgen und übermorgen mit unseren gesetzestechnischen, unseren wirtschaftspolitischen, steuerpolitischen und finanzpolitischen Maßnahmen entgegenstellen. Wir sollten nur immer darauf achten, daß alle wie auch immer gearteten neuen Formen — dabei denke ich nicht zuletzt auch an den Handel, der ja auf dem Wege ist, sich unter schweren Geburtswehen neue Formen zu erarbeiten — unter einer Voraussetzung stehen, nämlich unter der Voraussetzung gleicher Wettbewerbsbedingungen, d. h. vergleichbarer Belastungen. Keine dieser Formen darf bevorzugt oder benachteiligt werden.Schließlich werden wir uns auch überlegen müssen, ob wir bei solchen gesetzgeberischen Maßnahmen noch mit dem Unternehmensbegriff im Sinne des heutigen Steuerrechts auskommen. Dieser Begriff erscheint mir im Hinblick auf das Grundgesetz mehr als fragwürdig. Die Unternehmen sind nämlich sicherlich vom Gehalt und der Größe her völlig unterschiedlich zu werten. Das gleiche gilt auch für die Umsätze und die Erträge von Unternehmungen und Betrieben. In diesem Zusammenhang müßte man — das wäre eine gemeinsame Aufgabe — sehr sorgfältig überlegen, ob nicht den verschiedenen Funktionen und Aufgaben der Betriebsgrößenklas-
Metadaten/Kopzeile:
1400 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Lange
sen in der Volkswirtschaft angemessene Begriffsbestimmungen gefunden werden können. Auch von hier aus wäre dann die Gleichbehandlung gewährleistet, und entsprechend dem Grundgesetz würde dann Ungleiches auch ungleich behandelt. Möglicherweise wären wir dann — dafür kann ich im Augenblick noch kein Patentrezept geben; aber das ist sicherlich der Überlegung aller in diesem Hause an diesen Fragen Interessierten wert — aus einer Position heraus, durch die die kleinen und mittleren Unternehmungen und Betriebe bei allgemeinen Maßnahmen gesetzgeberischer oder politischer Art immer wieder in die Klemme geraten, während die Großen, Kapitalstarken davon gar nicht berührt werden, ihnen im Gegenteil sogar noch ein entsprechender Vorsprung gesichert wird.Darüber hinaus sei noch der Hinweis gestattet, daß über das Mittelstandsinstitut an der Kölner und Bonner Universität hinaus für die Selbständigen etwas den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft Vergleichbares im Rahmen der Großwirtschaft, auch durch öffentliche Mittel gefördert, geschaffen werden sollte. Es sollte also ein Institut für die Mittelschichten errichtet werden, um deren Unternehmungen und Betrieben die Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik zu vermitteln.Des weiteren sollte die Aufgabe wieder angepackt werden, die Alterssicherung der Selbständigen auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Man sollte es also nicht nur bei der gesetzlichen Grundlage einer Altersversorgung für das Handwerk oder für bestimmte Gruppen sogenannter lizensierter Berufe belassen. Mit solchen, auf gesetzgeberischen Maßnahmen beruhenden wirtschafts-, finanz- und steuerpolitischen Wirkungen könnten wir auch den Druck vom Arbeitsmarkt nehmen, der auf diese kleinen und mittleren Betriebe ausgeübt wird.Wir haben hier also den Versuch gemacht, ein Gesetz zu erwirken, das unter ganz bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen veranlassen kann, die die Wettbewerbsgleichheit der Selbständigen in Handwerk, Handel, Gewerbe, kleinerer und mittlerer Industrie und bei den freien Berufen mit der Großwirtschaft gewährleisten sollen. Die Wirkung dieser Maßnahmen muß ständig überprüft werden, damit es nicht durch einmal eingeleitete oder von selbst sich ergebende Wirkungen solcher Maßnahmen wieder zu Wettbewerbsverzerrungen kommt; denn die Wirtschaft ist ein lebendiges Ganzes. Die Wirtschaft ist aber nicht um ihrer selbst willen da, sondern um der Existenz der in ihr tätigen Menschen und der Existenz unseres Volkes willen da.Wir alle miteinander betonen immer wieder die gesellschaftspolitische Bedeutung der Selbständigen und ihre Förderungswürdigkeit. Ich meine, eine Regierung, die diese Auffassung in der 4. Legislaturperiode wiederum kundgetan hat, sollte endlich vom Wort zur Tat schreiten und in Übereinstimmung mit dem Parlament unter Auswertung aller Erfahrungen in vergleichbaren Industriegesellschaften und -staaten in der Bundesrepublik gesetzgeberische Grundlagen schaffen, die die Existenz der Selbständigen in der Wirtschaft von morgen und auch von übermorgen in einem größer werdenden Markt zu unser aller Nutzen sichern und gewährleisten.Was den Antrag selbst betrifft, so bin ich geneigt, an Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, noch einmal die Bitte zu richten, über den Punkt 1, weil er nur eine Ergänzung des bisher vorgelegten Berichts darstellt, sofort zu beschließen und den Punkt 2 den Ausschüssen zu überweisen, und zwar dem Ausschuß für Mittelstandsfragen, dem Wirtschaftsausschuß, dem Ausschuß für Arbeit und auch dem Ausschuß für Sozialpolitik, weil hier auch sozialpolitische Fragen angerührt worden sind. Ich wäre also dankbar, meine Damen und Herren, wenn Sie sich zu einer solchen Behandlung dieses Antrages bequemen könnten. Ansonsten müßte der Antrag in der Gänze an die genannten Ausschüsse überwiesen werden. Es wäre aber nützlich, meine Damen und Herren, wenn wir uns auf der Grundlage dieses Antrags zu einem Gespräch finden könnten, auf der Grundlage dieses Antrags, von dem wir sagen: er kann das Ergebnis haben, daß morgen und übermorgen solche Debatten, die aus der Sorge um die Selbständigen in unserer Wirtschaft, auf der anderen Seite auch aus der Sorge um die sich ständig verstärkenden Konzentrationstendenzen geboren sind, nicht mehr geführt zu werden brauchen.
Das Wort zur Begründung des Antrages Drucksache 384 — Punkt 24 c der Tagesordnung — hat Herr Abgeordneter Wieninger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag Drucksache 384 vom 9. Mai dieses Jahres zielt auf eine stärkere Berücksichtigung der freien Berufe bei der Vergabe staatlicher Aufträge hin. Wir wollen die Bundesregierung veranlassen, freiberuflich Tätige bei der Planung, Leitung und Durchführung von wirtschaftlichen Maßnahmen der öffentlichen Hand — vor allem auf dem Bausektor — mehr, als dies bisher der Fall war, zu fördern. Nach unserer Meinung sollten die Behörden sich keiner Arbeiten annehmen, die ohne Schwierigkeiten auch von der freien Wirtschaft bzw. von den freien Berufen erfüllt werden können. Das gilt beispielsweise von der Tätigkeit der Architekten, der Statiker, von Entwicklungsfachleuten und Technikern. Die zunehmende Übernahme solcher Aufgaben durch die öffentliche Hand darf heute als übertrieben bezeichnet werden. Wir glauben, daß es auch im Interesse der Verwaltungsvereinfachung liegt, wenn bei den Behörden Kompetenzen abgebaut werden und sich nicht etwa ausweiten und wie Jahresringe an Bäumen wachsen. Zudem halten wir auch dafür, daß die Betrauung von Angehörigen der freien Berufe schöpferisch befruchtend wirken würde, so daß z. B. in der Planung durch die Zuführung neuen Blutes und neuer Ideen nur ein Gewinn erzielt werden könnte.Wir haben die Hoffnung, daß die Bundesregierung unsere Absicht fördern und daß das Vorgehen des Bundes auch bei den Verwaltungen der Länder und
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1401
WieningerGemeinden Schule machen wird. Ich darf Sie bitten, den Antrag an den Ausschuß für Mittelstandsfragen — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft — mitberatend — zu überweisen.
Wir haben eine verbundene Debatte über den Punkt 24 Buchstaben a, b und c der Tagesordnung vorgesehen. Wortmeldungen habe ich bis jetzt allerdings nur zu Punkt 24 b; das ist der Antrag der Fraktion der SPD. Herr Abgeordneter Schmücker!
— Ich habe nichts dagegen. Sie wollen also zu allen drei Punkten sprechen. Bitte sehr. Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist trotz vieler Schönheitsfehler gut, daß dieses Haus hin und wieder eine Mittelstandsdebatte führt. Nun haben die Debatten von Experten es an sich, daß die Beteiligung sowohl rechts — links ja immer — als auch sonst hier im Haus ziemlich schwach ist. Aber bei der Mittelstandspolitik handelt es sich eigentlich gar nicht um eine Sache eines Ressorts. Wie die hier gehaltenen Reden bewiesen haben, geht die Mittelstandspolitik quer durch die ganze Politik. Sie bleibt nicht einmal innerhalb der Wirtschaftspolitik stehen. Es ist wohl gut, wenn wir uns dieser Tatsache immer wieder bewußt werden.Ich will nur ganz wenige allgemeine Erklärungen abgeben und dann sehr konkret auf die vorliegenden Anträge eingehen.Herr Kollege Lange, Sie haben uns viele Ratschläge gegeben. Sie haben das leidlich nett und freundlich gemacht. Ich habe Ihnen schon vorher gesagt: etwas mehr Feuer, vielleicht 'bekommen wir etwas mehr Zuzug von draußen, dann ist es nicht so leer hier im Saal. — In einem möchte ich Ihnen klar und deutlich widersprechen. Ich bin zwar der Meinung, daß es nicht erlaubt ist, irgendwelche weltanschaulichen oder, wie Sie sagen, ideologischen Vorwände zu benutzen, um sich aus einer sachlichen Kalamität herauszuwinden. Aber ich bin nicht der Auffassung, daß die Wirtschaft ohne Zusammenhang mit einer weltanschaulichen Grundhaltung betrachtet werden kann.
Ich gestehe Ihnen ohne weiteres zu, daß Sie z. B. in Ihren Reihen den Sozialismus weithin aufgegeben haben. Aber wir können Ihnen nicht so weit entgegenkommen, daß wir die unsererseits festgelegte weltanschauliche Bindung nunmehr auch aufgeben.
Sie halben weiter auf die gemeinsame Arbeit angespielt. Sie ist notwendig, und wir sind dazu bereit. Ich würde keineswegs bei den von Ihnen angeführten Punkten sagen: Ach Gott, ihr kommt spät; das macht ihr anders, hier habt ihr irgendwelche Hintergedanken usw. Im übrigen bin ich der Meinung, daß die Feststellung, eine gewisse sozialitische Tendenz könne da sein, doch keine Verdächtigung ist; ich finde im Sozialismus nichts Unanständiges. Wenn er überholt ist, müssen Sie das hier ganz offen sagen. Wenn man sich zur gemeinsamen Arbeit bereit erklärt, darf man dem anderen nicht immer so vieles unterschieben. Herr Kollege Lange, ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: ich werde Ihr Referat durchsehen und werde Ihnen alle diese behutsamen Kraftausdrücke gesammelt zur Verfügung stellen. Dann wollen wir uns — wir sind ja nicht nur parlamentarische, sondern auch Berufskollegen — darüber einmal unterhalten.Nun zu den wenigen grundsätzlichen Dingen. Ich finde, es ist schon ein sehr wesentlicher Fortschritt, daß wir uns hier in diesem Hause — eine andere Meinung wird wenigstens nicht laut — darin einig sind, daß eine Wirtschaft ohne Klein- und Mittelbetriebe nicht existieren kann. Das war keineswegs immer so. Gerade die deutsche Arbeitnehmerschaft muß ein großes Interesse daran haben, daß vor allen Dingen die kleinen beruflichen selbständigen Existenzen eine Lebensmöglichkeit haben; die Arbeitnehmer sind doch diejenigen, die dort hineinwachsen können; sie brauchen das nicht zu tun, aber die Tatsache, daß sie es können, macht sie frei.Der Streit um die Abgrenzung — er wurde hier ganz kurz erwähnt — ist auch nach meiner Meinung müßig, wenngleich ich Ihnen, Herr Lange, recht gebe, daß man für konkrete Maßnahmen auch Merkmale nötig hat. Wir können hier, wie auch bei anderen Punkten, einiges von den sehr praktischen Amerikanern lernen, die bekanntlich fünf Merkmale aufgestellt haben, von denen zwei erfüllt sein müssen, wenn man in den Genuß der Small-business Vorschriften kommen will.Herr Kollege Lange, es reizt mich, noch einen Satz zu sagen zu unserer alten Kontroverse: Stand oder Schicht? Ich möchte nämlich die Behauptungen ausräumen, wir hingen, wenn wir „Mittelstand" sagen, veralteten berufsständischen Vorstellungen in Schuschnigg- oder Dollfuß-Art an. Es ist gut, daß die Auseinandersetzung darüber nicht mehr so stark wie früher ist; aber die Behauptung ist nicht ganz ausgeräumt. Ich möchte daher für uns noch einmal sagen: wir haben den herkömmlichen Begriff Stand genommen, weil er für die Menschen etwas bedeutet und weil er sich dem Wandel der Zeit angepaßt hat. Sie von der SPD haben sich nach Ihrem neuen Programm doch auch nicht umgetauft, Herr Kollege Lange. Das Wort „Stand" bedeutet, daß der eine neben dem anderen steht, daß sie nebeneinander stehen. Bei dem Wort „Schicht" habe ich immer den Eindruck, daß hier „von oben nach unten" die Rede ist.Dort also sind gewisse Wertvorstellungen. Sie meinen das nicht so, daß weiß ich wohl. Aber ich möchte ausdrücklich sagen, daß es nach meiner Meinung unfair wäre, wenn man uns weiterhin unterstellen wollte, daß wir mit dem bewußten Festhalten an dem Wort „Mittelstand" irgendwelche veralteten
Metadaten/Kopzeile:
1402 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
SchmückerVorstellungen verknüpften. Nein, meine Freunde,wir sind von der Einheit der Wirtschaft fest überzeugt und haben das hier immer wieder betont.Ich möchte auch hier sagen: alle Sorgen des Mittelstandes sind irgendwie gleichzeitig auch Sorgen der Gesamtwirtschaft. Wir sprechen im Mittelstand über die Belastung der lohnintensiven Betriebe. Ach, es gibt in der Großwirtschaft sehr viele Bereiche, die die gleichen Sorgen haben. Ich brauche nur an den Bergbau zu erinnern. Wir sprechen über Umsatzsteuerfragen. Diese Fragen gehen die Großwirtschaft oder die mittlere Wirtschaft — wie Sie wollen — in gleicher Weise an. Ja, es ist nicht einmal möglich, zwischen den mittelständischen Gruppen eine Abgrenzung zu finden. Handwerk, Handel, Gewerbe, Industrie, selbst die freien Berufe, — das geht ineinander über. Es ist gar nicht möglich, da eine klare Abgrenzung zu finden. Es ist auch gar nicht notwendig. Wir müssen nur dafür sorgen, daß die Berücksichtigung des selbständigen Unternehmertums, ich möchte sagen, der Unternehmen aller Betriebsgrößen überall erfolgt: bei den Steuern, Finanzen, in der Sozialpolitik, Wirtschaft, bis hinein in das Unternehmensrecht.Ich würde es richtiger finden, daß man, statt ein Gesetz zur Förderung der Mittelschichten zu machen — ich komme gleich im einzelnen darauf —, die Regierung auffordert, bei jedem Gesetz, das sie einbringt, sich wenigstens in einem kurzen Passus dazu zu äußern, wie sich das Gesetz auf die mittlere und kleinere Wirtschaft auswirkt. Ich glaube nicht, daß es möglich ist, in einem Spezialgesetz die breiten Fächer anzusprechen. Mittelstandspolitik geht in alle Bereiche. Es gibt überhaupt kein Ressort — nicht einmal das Außenministerium —, das dabei ausgeschlossen sein könnte. So hat die CDU/CSU es gehalten, und wir sind froh darüber, daß sich viele unserer Vorstellungen auch in anderen Bereichen durchgesetzt haben. Wir bestreiten gar nicht, daß wir auch Anregungen von anderen Seiten bekommen haben.Aber eines möchte ich mit Bezug auf die vielgeschmähte „absolute Mehrheit" sagen: die „Untätigkeit" — Sie sagten wörtlich: „diese Bequemlichkeit" — kann doch wohl nicht allzu groß gewesen sein. Darf ich einmal im Telegrammtempo nur die wesentlichen Gesetze aufzählen, die in der letzten Legislaturperiode gemacht worden sind. Es begann mit der Verbesserung der Einkommensbesteuerung. Dann kam die Senkung durch Erhöhung der Freibeträge, es kamen die 10. und 11. Umsatzsteuernovelle, es kam die Erhöhung der Freibeträge bei der Vermögensteuer, die Erhöhung des Freibetrages bei der Gewerbesteuer. Wir haben die Konzentrations-Enquete veranlaßt. Wir haben hier die schwierige Altersversorgung des Handwerks durchgefochten. Wenn auch viele Gesetze mit Zustimmung des gesamten Hauses verabschiedet worden sind, so war es doch in weiten Kreisen eine widerstrebende Zustimmung; wenigstens die Ausschußberatungen haben sich als außerordentlich schwierig erwiesen. Herr Kollege Lange, was Sie vorhin an Grundsätzen für die besondere Betrachtung der verschiedenen Umsatzgrößen dargelegthaben, habe ich vor einigen Jahren im Finanz- und Steuerausschuß verfochten, aber ich habe mich gegen Ihre Kollegin — ich glaube, es war Frau Beyer — nicht durchsetzen können. Ich hoffe, daß wir nun noch einiges erreichen. Wir haben ferner die Gewerbeordnung novelliert, und es war eine umfangreiche Novelle. Es kamen die Neufassungen des Arznei- und des Apothekengesetzes, die Berufsgesetze; ich will sie gar nicht alle einzeln aufzählen. Besonders möchte ich an die Einrichtung des Mittelstandsinstituts bei den Universitäten Köln und Bonn erinnern. Das ist doch nicht etwa wenig, sondern man muß feststellen, daß dieses Parlament in Rede und Gegenrede und zusammen mit der Regierung eine umfangreiche Arbeit geleistet hat.Darüber hinaus: es muß doch auch als Erfolg gewertet werden, daß die absolute Zahl der beruflich Selbständigen seit 1956 wieder im Steigen begriffen ist. Leider sind in einzelnen Bereichen zwar auch Abgänge zu verzeichnen, aber ich halte das mehr für eine Folge des Organisationsrechts als für einen Schwund innerhalb dieses Bereiches. Wir können feststellen, daß z. B. die Zahl der selbständigen Handwerker zurückgegangen ist, daß aber bei der Gesamtstatistik der Dienstleistungen ein Zugang vorhanden ist. Das liegt eben daran, daß ein Teil der neuen Existenzen nicht mehr zum Handwerk gehört. Daraus ergeben sich sehr wichtige Fragen. Aber die wesentliche Feststellung ist doch die, daß die Zahl der Selbständigen seit 1956, zwar nicht in sehr bedeutenden Größenordnungen, aber doch ständig im Wachsen begriffen ist.Ich komme zu dem Antrag der SPD. Herr Lange, Sie haben den Wunsch geäußert, den ersten Absatz hier sofort zu verabschieden. Wenn es uns gelingt, in der Zwischenzeit eine Kürzung durchzuführen, würden wir einverstanden sein. Aber vielleicht ist es richtiger, daß sich der Mittelstandsausschuß morgen oder jedenfalls so schnell wie möglich zusammensetzt; denn wir sehen ein, daß der erste Absatz nur dann Sinn hat, wenn er sofort verabschiedet wird.Aber, Herr Kollege Lange, in diesen Antrag ist doch einiges hineingepackt, das etwas mehr besagt als das, was Sie hier ausgedrückt haben. Sie haben gesagt, es sei lediglich die Fortsetzung der bisherigen Berichte angestrebt. Insoweit einverstanden. Aber beim Durchlesen des umfangreichen Textes kommt doch etwas zum Vorschein, was Sie als, ich will einmal sagen, „ärgerlich" bezeichnet haben, nämlich unsere Befürchtung, hier werde so eine Art Grauer oder Grüner Bericht angestrebt. Wir meinen, daß es nicht genügt, das Verhältnis der Selbständigen zu den übrigen Bevölkerungsgruppen festzustellen, sondern daß es innerhalb der Gruppen der Selbständigen sehr viel zu untersuchen gibt. Vor allen Dingen müssen wir immer wieder den Gesamtzusammenhang herstellen. Vielleicht liegen wir da auch gar nicht weit auseinander. Dann dürfte es um so einfacher sein, in einer knappen Formulierung das durchzusetzen, was Sie hier als „Fortsetzung" der bisherigen Berichte vorgeschlagen haben.Sie haben dann gesagt, daß man auch sehr viel vom Ausland lernen könne. Sie haben hier den
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1403
SchmückerSmall Business Act angeführt. Nun, auch wir sind ja mit einigen Kollegen drüben gewesen und haben die Lage untersucht. Wir müssen feststellen, daß eine Übernahme für unsere Verhältnisse nicht möglich ist.Aber eine Konsequenz sollten wir ziehen. Das besagt vor allem unser Antrag, der vom Kollegen Wieninger zum Schluß noch begründet worden ist. Wir sollten die Konsequenz ziehen, daß eine viel stärkere Beteiligung der Selbständigen, der Freiberuflichen und der kleinen Unternehmen an der Vergabe von öffentlichen Aufträgen durchgesetzt wird. Das ist die wesentliche Aufgabe der Small Business Administration. Dabei muß die Finanzierung sichergestellt werden. Drüben gibt es nicht das Kreditsystem, wie wir es haben. Wenn wir etwas übernehmen, können wir das nur mit unserem System tun.Zum zweiten haben Sie einen Gesetzentwurf zur Förderung der Mittelschichten vorgeschlagen. Dieser Gesetzentwurf, Kollege Lange, soll all das enthalten, was Sie hier aufgezählt haben. Das geht doch gar nicht. Es ist doch erforderlich, bei den entsprechenden Gesetzen jeweils das oder ein Teil von dem zu tun, was Sie hier vorgeschlagen haben. Man kann doch nicht einen Gesamtgesetzentwurf zur Förderung der Mittelschichten ausarbeiten und dabei etwa die Frage des Wettbewerbs anschneiden. Das gehört doch ins Kartellrecht. Ich habe mich über diese Formulierung sehr gewundert. Aus Ihren Ausführungen ging aber hervor, daß Sie in der Tat einen einheitlichen Gesetzentwurf zur Förderung der Mittelschichten wollen und in diesem Gesetzentwurf alles das behandelt, ja sogar geregelt werden soll, was natürlicherweise in Spezialgesetze gehört und bei der Beratung solcher Gesetze diskutiert werden muß.Ich will einmal davon absehen, daß dieser Gesamtgesetzentwurf natürlich nicht unsere Zustimmung finden kann, weil wir meinen, daß es nicht zweckdienlich ist, so zu verfahren. Wenn Sie Ihren Antrag so auffassen, daß hier vordringliche oder wichtige Maßnahmen aufgezählt worden sind, können wir uns im Ausschuß darüber verständigen. Es wäre eine gute Sache, wenn man einen solchen Katalog im Mittelstandsausschuß erarbeiten könnte. Aber bitte: dann sich bei den jeweiligen Gesetzen bemühen, die Maßnahmen zu treffen, die nötig sind!Ich darf nun zu einigen Einzelheiten kommen. Da heißt es: „die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Selbständigen, ihrer Betriebe und Unternehmen stärken". Einverstanden! Weiter: „deren Wettbewerbsmöglichkeiten gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen sichern". Wir werden im Herbst, wenn die Kartellnovelle kommt, Gelegenheit haben, nicht nur zu der Frage der marktbeherrschenden Unternehmungen, sondern dann auch zur Frage der Preisbindung zu sprechen. Dann werden wir rufen: Hic Rhodos, hic salta! Aber ich wollte nicht auf den Bundeswirtschaftsminister anspielen; er ist zur Zeit auf Rhodos. Aber wir werden dann genötigt sein, endgültig zu sagen, wie wir zu den Problemen stehen. Ich selber habe nie einen Hehl aus meinem Standpunkt gemacht; ich brauche nur auf Veröffentlichungen zu verweisen. Aber wir müssen uns dann bekennen.Aber nun darf ich Ihnen, da Sie Ihrerseits uns so wohlmeinende Ratschläge gegeben haben, einmal einen Rat geben. Ich meine das ernstlich und kollegial. Ich vertrete nicht den Standpunkt, daß ein Abgeordneter in der Lage ist — ich denke da an die Anrede, die Herrn Kollegen Leber hier widerfuhr, als er als Gewerkschaftsführer angesprochen wurde —, exakt zwischen 'den einzelnen Funktionen zu trennen, in denen er gerade tätig ist; er muß vielmehr seine politische Glaubwürdigkeit an allen Plätzen unter Beweis stellen. Wir bemühen uns 'daher, auch in unseren Gesprächen mit der Großwirtschaft und mit den gewerkschaftlichen Freunden darauf hinzuweisen, daß man auch in der Arbeit, die nichts mit dem Parlament zu tun hat, die man als vorparlamentarisch bezeichnet, 'die politische Gesinnung deutlich machen muß.Da haben auch Sie doch etliche Möglichkeiten. Ich weiß, daß es für Sie nicht leicht ist. Vielleicht haben Sie in Ihrer Fraktion schon einmal darauf hingewiesen. Aber wenn zum Beispiel in Bremen — da haben wir leider nichts zu sagen — eine große Siedlung gebaut wird — Sie kennen die Herren, die die Geschäfte dort führen — und es den selbständigen Einzelhändlern gegen die Verfassung zugemutet wird, ein begrenztes Sortiment zu führen, während die Konsumgenossenschaften machen können, was sie wollen, haben Sie in der Tat, so meine ich, Möglichkeiten, dort, wo Sie Verantwortung haben — ich sage nicht: parlamentarische Verantwortung —, einmal zu beweisen, daß es Ihnen ernst damit ist, das selbständige Unternehmertum als mit allen anderen gleichberechtigt anzusehen. Wir können nicht sagen, daß marktbeherrschende Unternehmen etwa nur gewisse große Kapitalgesellschaften seien. Ich finde, daß man da auch an andere Bereiche zu denken hat.Ich habe noch eine andere unschöne Nachricht aus der Nähe von Bremen. Bei Verabschiedung unseres Baugesetzes hat man noch schnell eine Sondersitzung gemacht und dann einem großen Kaufhaus eine Baugenehmigung erteilt. Die Stadt hat eine absolute sozialdemokratische Mehrheit! Herr Lange, Sie müssen sich solche Hinweise schon gefallen lassen und sollen sich auch einmal bemühen, daß so etwas nicht passiert. Gechieht das, so geben wir Ihnen gern das Recht, mit uns darüber zu streiten.Sie haben einiges zu den Wettbewerbsnachteilen aus Steuer- und Sozialgesetzgebung gesagt. Darüber wird noch einer meiner Kollegen sprechen. Wir sind nach den Debatten der letzten Jahre zu der Überzeugung gekommen, daß in der Tat — wie soll ich mich ausdrücken? — der unterschiedliche Kapitaldruck, also die unterschiedliche Belastung des Kapitals, einer der Hauptgründe für die Benachteiligung der kleinen und mittleren Unternehmen ist. Wir werden dieses Problem sicherlich über eine bessere Kreditversorgung, auch über eine unmittelbare Verbesserung der Steuergesetzgebung mildern können. Sie erwähnten den „Mittelstandsbauch". Ich erinnere daran, daß wir hier in der dritten Lesung des
Metadaten/Kopzeile:
1404 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
SchmückerHaushalts schon einige konkrete Vorschläge zu seiner Beseitigung gemacht haben.Ich bin mit Ihnen einverstanden, daß hier viel getan werden kann. Aber dem Kern kommen wir so noch nicht bei. Wir müssen dafür sorgen, daß insgesamt das Kapital unter einen gleichen Druck gestellt wird, gleichgültig, ob der Inhaber dieses Kapitals ein Großaktionär oder ein kleiner Unternehmer oder gar die öffentliche Hand ist.Aber mit Sondermaßnahmen ist es so eine Sache. Ich darf daran erinnern, daß wir lange Zeit über eine Berücksichtigung der mitarbeitenden Ehefrau bei der Einkommensteuer diskutiert haben. Dann kam das Splitting, und das Thema war vom Tisch, d. h. also, alle bekamen diesen Vorteil.Nun möchte ich Sie einmal fragen: Wie stellen Sie sich das mit dem Arbeitnehmerfreibetrag vor, den Sie bei jeder Debatte vorschlagen? Wenn er käme, wäre es doch ungerechtfertigt, wenn die anderen nicht auch einen solchen Freibetrag bekämen. Wenn die anderen ihn aber auch bekommen, brauchen wir ihn nicht einzuführen, sondern dann können wir dasselbe über den Tarif erreichen. Sie wollen doch nicht sagen — Herr Seuffert vertritt diesen Standpunkt immer wieder —, daß der Arbeitnehmer keine Möglichkeit habe, während der Selbständige z. B. zu irgendwelchen Kongressen fahren und dabei so nebenbei einiges an Steuerbegünstigungen für private Zwecke in die Tasche stecken könne. Die Chancen haben sich bei der heutigen Arbeitsmarktlage weitgehend geändert. Ich habe nicht gesagt, daß ich gegen einen Arbeitnehmerfreibetrag bin; ich habe nur gesagt: wenn man jeweils einzelnen Gruppen etwas gibt, einmal den Arbeitnehmern, einmal diesen und jenen, dann soll man alles gleichschalten und eine einheitliche Regelung über den Tarif treffen.Es bleibt eine Aufgabe, die Investitionen im Mittelstand zu fördern. Das ist nicht mit kleinen Freibeträgen und ähnlichen Dingen zu machen. Dazu ist vielmehr eine Gleichstellung des Sparens im eigenen Betrieb — das ist doch die Investition im Mittelstand — mit anderen Sparformen notwendig. Sie entsinnen sich, daß wir, zwar nicht als Gesamtfraktion, aber in einer kleinen Gruppe, immer wieder einen dahin gehenden Versuch gemacht haben. Leider haben wir beim Finanzministerium bisher keine Gegenliebe gefunden. Auf die Dauer ist es unmöglich, daß die Sparvorgänge je nach ihrer Art unterschiedlich begünstigt werden. Ich bleibe dabei: was man früher nichtentnommenen Gewinn nannte, ist nichts anderes als Sparen im eigenen Betrieb. Dieses Sparen muß begünstigt werden.
Mit den beiden nächsten Punkten in Ihrem Antrag sind wir einverstanden.Nun wieder eine Frage, auf die wir gern eine Antwort hätten. Sie verlangen, der Gesetzentwurf solle „Voraussetzungen für ein leistungsfähiges Institut der Mittelschichten schaffen, und den Selbständigen, ihren Betrieben und Unternehmen die Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik zu vermitteln". Ich entsinne mich, daß auch im Wahlkampf dieser Programmpunkt eine große Rolle gespielt hat. Wir meinen, daß mit dem Universitätsinstitut Köln-Bonn von uns ein Anfang gemacht worden ist. Es wäre sicherlich nützlich, wenn andere Universitäten etwas Ähnliches machten oder wenn es zu einer Zusammenarbeit der vielen bestehenden Institute käme. Aber Sie schlagen hier vor, Kollege Lange, daß eine Art Max-Planck-Institut für die mittlere Wirtschaft geschaffen wird. Das halte ich für unmöglich, denn die Wirtschaft ist eine Einheit. Man kann nicht Erkenntnisse nur für eine Größenordnung vermitteln. Sie können das Fachschulwesen und viele andere Einrichtungen fördern. Aber angesichts der Vielfältigkeit der gesamten mittelständischen Wirtschaft, in der sich alles, nur in kleineren Abmessungen wiederholt, was in der Gesamtwirtschaft vorgeht, halte ich es für sinnlos, ein spezielles Institut der von Ihnen bezeichneten Art zu errichten. Sie können wohl die bestehenden Institute auffordern, ihr Augenmerk auf die Bedürfnisse und Belange auch der mittleren Wirtschaftskreise zu richten; aber ein neues Institut? Wie sollte es mit den anderen Instituten zusammenarbeiten? Wie gesagt, wir sind gern bereit, uns mit Ihnen im Ausschuß darüber zu unterhalten. Ich meine, wenn es nur gelingt, die vielen bestehenden Institute zur Zusammenarbeit zu bringen, haben wir schon etwas Gutes fertiggebracht,Der Gesetzentwurf soll weiter „die Alterssicherung der Selbständigen auf gesetzliche Grundlagen stellen". Hoffentlich wird es nicht ganz so schwer wie bei der Altersversorgung des Handwerks. Darum haben wir uns acht Jahre mühen müssen. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß „insoweit" — das ist der Standardausdruck von Herrn Lange — die Mittelstandsgruppe innerhalb der CDU/CSU sich klar durchgesetzt hat. Wir haben auf dem Parteitag in Dortmund einen Beschluß gefaßt, der die Möglichkeit eröffnen soll, daß die Selbständigen an der Sozialversicherung teilnehmen. Ich habe immer diesen Standpunkt vertreten; ob er richtig ist, war in unseren Reihen strittig.Eine Umfrage, die wir organisiert hatten, hat ergeben, daß die meisten — vor allen Dingen die kleineren — Selbständigen die Hauptfrage haben: Wann kann ich aufhören, wann kann ich mit Anstand aufhören? Ich verweise auf die erhöhte Lebenserwartung, auf die Schwierigkeiten beim Erbübergang. Es ist dringend notwendig, daß wir als Mittelständler nicht nur die ohnehin schwache Rolle eines Arbeitgebers übernehmen, sondern daß wir sozialpolitisch vor allen Dingen auch die Freiberuflichen und die kleinen Selbständigen, die kein Betriebsvermögen bilden können, in unsere Betreuung nehmen. Wir sollten das Bundesarbeitsministerium bitten, uns baldmöglichst Vorschläge hierfür zu machen. Aber auch in unseren eigenen Reihen, d. h. in den zuständigen Ausschüssen, sollten wir uns bemühen, in einer eingehenden Aussprache einen gangbaren Weg ausfindig zu machen.Meine Damen und Herren, die Sache ist außerordentlich schwierig; darüber sind wir uns alle klar. Denken wir nur an die ersten begeisterten Vorschläge, das alles in Selbstverwaltung zu machen!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1405
SchmückerDie versicherungsmathematischen Voraussetzungen sind ja gar nicht gegeben. Man weiß nie, wie sich dieser Kreis entwickelt. Bei den breiten Schichten der Arbeitnehmerschaft weiß man, daß immer ein natürlicher Zugang da sein wird. Man kann aber nie sagen, ob die Zahl der Selbständigen in 10 Jahren nicht etwa doppelt so groß ist; sie kann auch um eine Million abgenommen haben. Das kann kein Mensch voraussagen. Darum ist eine Lösung in Selbstverwaltung, oder wie man es ausdrücken mag, nach meiner Meinung ausgeschlossen. Man muß eine andere Form in Anlehnung an die bestehenden Institute finden.Der Schlußsatz des Antrages, meine Damen und Herren, steht etwas in Widerspruch zu einigen Ausführungen des Kollegen Lange; denn er hat Wert darauf gelegt, daß im Mittelstand durchaus gesunde, solide Unternehmen sind. Ich finde das sehr richtig. Hier heißt es, daß den Arbeitnehmern gleiche soziale Bedingungen ermöglicht werden sollen wie in der Großwirtschaft. Nun, in weiten Bereichen des Mittelstandes sind diese gleichen Bedingungen vorhanden. Wir sollten uns bei der gesamten Sozialpolitik immer wieder darum bemühen, daß wir das kleine Unternehmertum sozial wettbewerbsfähig halten. Das ist das Richtige und nicht der andere Weg, auf dem immer wieder alles zurückgeschoben wird, weil man glaubt, man habe es mit Sonderbelastungen zu tun, die so oder so in der gesamten Kalkulation nicht aufgehen, aber doch in Zusammenhang mit ihr gesehen werden müssen.Zu Einzelfragen werden noch Kollegen von mir sprechen.Ich möchte vorschlagen, daß wir uns bemühen, heute oder aber im Mittelstandsausschuß eine kürzere Formulierung für den ersten Absatz zu finden; dann würden wir zustimmen. Im übrigen beantragen wir Überweisung an den Mittelstandsausschuß, der eine dankbare und wichtige Aufgabe erfüllt, wenn er diesen Antrag und die übrigen Anregungen berät.
Das Wort hat der Abgeordnete Opitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen meiner Herren Vorredner kann ich mich wohl entschieden kürzer fassen. Wir glauben nicht, daß der Antrag der Fraktion der SPD zur Förderung der Mittelschichten in dieser Form im Moment eine wirkliche Hilfe für den Mittelstand darstellt. Wir sind nicht der Meinung, daß ein jährlich neu zu erstellender Bericht diesem Mittelstand einen wirklichen Gewinn bringen würde; dafür sind ein oder zwei Jahre, wie wir glauben, zu kurz. Wir wissen, daß sich die Situation des Mittelstandes in den letzten zwei Jahren nicht verbessert hat. Wir haben die Befürchtung, daß die Ministerien durch die enorme Arbeit, die solche Berichte mit sich bringen, gar nicht mehr zu ihrer eigentlichen Aufgabe kommen. Vor allen Dingen glauben wir, daß sich die vielfältigen Probleme, diein diesem Antrag angeschnitten sind, nicht durch einen Gesetzentwurf lösen lassen. Es ist schon schwer, überhaupt den Begriff „Mittelstand" oder „Mittelschichten" zu umreißen; denken wir doch nur an den Einzelhandel, an den Großhandel, an das Handwerk und an die Landwirtschaft; denken wir an die freien Berufe, an große Teile der Unselbständigen, Beamte, Angestellte und Facharbeiter. Man könnte fast von einem selbständigen bzw. unselbständigen Mittelstand sprechen.All diese Probleme durch einen Gesetzentwurf zu lösen, scheint uns einfach unmöglich zu sein. Wir sind der Meinung, daß nur spezifische gezielte Maßnahmen die Situation des Mittelstandes verbessern können. Ich hoffe, daß wir uns alle darüber einig sind, daß eine Verbesserung eintreten muß. Ich glaube allerdings, daß in der Vergangenheit Bund und Länder oft den Mittelstand benachteiligt haben, beginnend mit der unsozialen Entwertung der Lebensversicherungen, in deren Folge gerade viele Mittelständler, ihrer Altersversorgung beraubt, im höchsten Alter gezwungen wurden, die Arbeit wiederaufzunehmen. Wer durch Schaffung von Hausbesitz Eigenvorsorge getroffen hatte, durfte, falls sein Haus stehenblieb, durch Lastenausgleichszahlungen wiederum einen Teil seiner Altersversorgung für die Allgemeinheit opfern. In der schwersten Zeit des Wiederaufbaus mußte dann der Mittelstand aus Dankbarkeit noch Investitionshilfe für die Großindustrie zahlen. Wir sind der Meinung, daß gewiß nach der völligen Demontage der Wirtschaft dieser Weg richtig war, um die Wirtschaft zunächst einmal wieder anzukurbeln. Es war richtig, dieser Großwirtschaft auch Starthilfe durch Abschreibungsmöglichkeiten zu geben. Mittlerweile ist aber dieser Start geglückt, und es wäre nun endlich einmal an der Zeit, ernsthaft zu überprüfen, ob die Abschreibungsmöglichkeiten in dieser Form zur Zeit noch angebracht sind.Ich möchte fast sagen: Der Mittelstand hat in der Vergangenheit, wie man so sagt, immer stillgehalten; aber gedankt hat man dem Mittelstand das geduldige Stillhalten schlecht. Wie ich schon sagte, sind in der Vergangenheit allzuoft Behelfs- und Verlegenheitslösungen insbesondere auf dem Wege der Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik zu Lasten des Mittelstands gefunden worden. Darum ist es auch Aufgabe dieses Hauses, sich Gedanken darüber zu machen und Maßnahmen zu ergreifen, um die ungerechtfertigte und einseitige Belastung vom Mittelstand zu nehmen.Der Mittelstand will allerdings keine staatlichen Subventionen, und er will auch keine Sonderrechte. Er will nur eine gleiche Startmöglichkeit, er will nur gleich behandelt werden wie andere Wirtschaftszweige.Die Koalitionsparteien haben den Antrag zur Kreditversorgung des Mittelstandes eingebracht, weil infolge der geschilderten Verhältnisse eine Eigenkapitalbildung beim Mittelstand in den seltensten Fällen möglich war und weil die Bankguthaben des Mittelstands durch die Währungsreform auf 10 % reduziert wurden. Wir denken vor allen Dingen an Darlehen zur Umschuldung überhöhter kurz-
Metadaten/Kopzeile:
1406 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Opitzfristiger Verbindlichkeiten des Mittelstandes, und wir glauben, daß ERP-Mittel nicht nur für Investitionen, sondern auch für eine gewisse Lagerhaltung gewährt werden sollten. Vor allen Dingen aber geht es uns darum, eine Verbesserung der Kreditmöglichkeiten bei der Existenzgründung junger mittelständischer Unternehmungen zu erreichen. Die Schwierigkeiten der Kreditversorgung des Mittelstandes liegen meiner Meinung nach nicht nur an den fehlenden Mitteln, sondern vor allen Dingen auch bei der Schwierigkeit des Antrags- und Zuteilungsverfahrens und bei der Absicherung.Entschuldigen Sie, aber es wundert mich eigentlich, daß es noch nicht den Beruf des Zuschuß-, Kredit- oder Bürgschaftsberaters für geplagte mittelständische Betriebe gibt. Die Finanzierungshilfe ist nach unserer Meinung viel zu sehr zersplittert. Wenn wir daran denken, daß 1961 die Mittel allein zur Produktivitätssteigerung im Mittelstand aus sechs verschiedenen Programmen stammten, muß uns klar werden, daß hier eine Koordinierung, eine Vereinfachung erfolgen muß. Mittel und Wege müssen gefunden werden, die es dem Normalverbraucher, dem gewöhnlichen Sterblichen ermöglichen, in den Genuß dieser Mittel zu gelangen. Dazu müßten die Kreditgemeinschaften durch Übernahme von Bundesbürgschaften weiter gefördert sowie gegebenenfalls durch ERP-Kredite für den Haftungsfonds weiter unterstützt werden.Wir hoffen des weiteren, daß dieses Hohe Haus mit uns bereit sein wird — es ist heute schon angeklungen —, im nächsten Jahr den Mittelstandsbogen bei der Lohn- und bei der Einkommensteuer zu beseitigen, und daß damit dann eine erhebliche Entlastung für die mittelständischen Betriebe, für die mittelständischen Einkommen schlechthin eintritt.Dieses Haus wird noch Gelegenheit genug haben, seine Mittelstandsfreudigkeit unter Beweis zu stellen, nämlich dann, wenn es darum geht, bei kommenden Gesetzen und Änderungen zu verhindern, daß weitere starke Belastungen für den Mittelstand auftreten, Belastungen, die im voraus die geplanten Erleichterungen nichtig machen würden. Ich denke dabei vor allen Dingen an das Problem der Lohnfortzahlung. Ich denke an die Gefahren, die sich aus einer arbeitsrechtlichen Lösung ohne Ausgleich für die Betriebe ergeben. Hier könnte sich etwas entwickeln, was meiner Meinung nach zu einer Existenzfrage für viele mittelständische Betriebe werden könnte. Mein Wunsch geht dahin, daß auch bei den sozialpolitischen Entscheidungen die Mittelstandsfreudigkeit dieses Hauses anhält und daß wir auch dann die Förderung des Mittelstandes im Auge haben wie heute.Wenn wir all das, was wir heute planen und versprechen, in die Tat umsetzen wollen, scheint mir des weiteren entscheidend zu sein, daß wir der Regierung die Möglichkeit dazu lassen. Wir dürfen nicht weiterhin neue Belastungen auf diesen Etat packen. Wir dürfen nicht selber durch Augenblickslösungen unsere Finanzdecke sprengen und uns damit selbst den Weg zu entscheidenden Maßnahmen verbauen. Wir müssen dafür sorgen, daß wir endlich aus diesem Zeitraum der Versprechungen fürden Mittelstand herauskommen zu einer Verwirklichung, zu einer Aktivierung einer gesunden Mittelstandspolitik.Das Kindergeld muß selbstverständlich Zug um Zug auf allgemeine Steuermittel übernommen werden. Es ist dem Mittelstand nicht mehr zuzumuten, die Belastung durch das Kindergeld allein für die ganze Bundesrepublik zu tragen. Maßnahmen gegen eine zu starke und nicht notwendige Konzentration müssen ergriffen werden, um den Mittelstand überhaupt zwischen den Betrieben der Großwirtschaft konkurrenzfähig zu erhalten. Sie müssen ergriffen werden, bevor dieser Mittelstand zwischen den Machtgebilden der Wirtschaft zerrieben wird. Ich will die Probleme jetzt nicht im einzelnen ausdiskutieren. Dazu ist in den Ausschüssen ausgiebig Gelegenheit gegeben.Ich will nur noch einmal an die Probleme der Steuer- und Finanzreform erinnern, insbesondere an die Umsatz- und Gewerbesteuer und an die Wettbewerbsnachteile, die durch die Sozialgesetzgebung bei den lohnintensiven Betrieben entstanden sind. Jede dieser Fragen bietet Stoff und ist Grundlage für Diskussionen über Stunden. Wir werden uns in Zukunft damit zu befassen haben.Wenn Sie mit mir den Standpunkt vertreten, daß ein gesunder, wettbewerbsfähiger Mittelstand mit die Grundlage einer freiheitlichen demokratischen Entwicklung ist — und wenn wir über den Eisernen Vorhang schauen, dann bestätigt sich doch die Richtigkeit dieser These —, dann ergeben sich aus dieser Feststellung auch für Sie gesellschaftspolitische Richtsätze, die auf keinem Gebiet der Politik zugunsten anderer gesellschaftspolitischer Zielsetzungen vernachlässigt werden dürfen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Porten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, in Ergänzung dessen, was Herr Kollege Schmücker zu der im SPD-Antrag enthaltenen Forderung, die Alterssicherung der Selbständigen auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, dargelegt hat, folgende zusätzliche Bemerkungen.Für Handwerk und Landwirtschaft sind bereits gesetzliche Regelungen getroffen. Sie entsprechen den besonderen Verhältnissen dieser Gruppe. Für die übrigen Kreise besteht hier zweifellos ein ernstes Problem. Besonders brennend ist dabei die Frage der nicht mehr versicherungsfähigen älteren Selbständigen, die durch zwei Inflationen das für die Alterssicherung bestimmte Vermögen ganz oder weitgehend verloren haben. Ich möchte aber auf diesen weiten, sehr wichtigen Fragenkreis heute nicht im einzelnen eingehen; denn der Antrag der SPD zielt offenbar auf eine dauerhafte gesetzliche Regelung zugunsten der noch versicherungsfähigen Generation und der künftigen Selbständigen ab.Der CDU/CSU-Fraktion liegt auch eine Lösung für die ältere Generation am Herzen. Ich denke da-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1407
Portenbei insbesondere — Herr Kollege Lange und auch der FDP-Vertreter haben schon darauf hingewiesen — an die Aufwertung der auf gesetzlicher Basis abgeschlossenen Lebensversicherung. Die SPD-Fraktion hat hierzu in Drucksache IV/405 bereits einen Antrag gestellt, und ich hoffe, daß in diesem Wettrennen eine gute und für die Beteiligten zufriedenstellende Lösung gefunden wird.
Es entspricht .der Wesensart des Selbständigen, daß er soweit wie möglich selber für sein Alter vorsorgt durch die Bildung eines Vermögens und durch Abschluß privater Versicherungen. Eine gesetzliche Alterssicherung braucht deshalb in vielen Fällen keine volle Existenz am Lebensabend zu gewährleisten, sondern könnte auf eine zusätzliche Altersvorsorge beschränkt bleiben.Wir verkennen nicht, daß der Selbständige in der heutigen rauhen Wirklichkeit 'das Ideal der vollen Selbstvorsorge nicht mehr unbedingt verwirklichen kann. Die Steuer- und Soziallasten sind dafür zu hoch; außerdem muß er sein erarbeitetes Kapital wieder im eigenen Betrieb investieren, um modern und wettbewerbsfähig zu bleiben. Trotzdem ist er nicht sicher, daß er nach Erreichung der Altersgrenze seinen Betrieb an die jüngere Generation weitergeben kann. Die Selbstvorsorge sollte auch künftig der Schwerpunkt der Alterssicherung der Selbständigen sein und bleiben.Um so intensiver sollte man sich darauf besinnen, wie man dem Selbständigen die Vermögensbildung erleichtern kann. Das entspricht auch unserer Gesellschaftspolitik des breitgestreuten Eigentums, für die der Mittelstand im übrigen durchaus kein Monopol beansprucht. Die Maßnahmen der Eigentumspolitik sollten besonders dem Bedürfnis nach eigener Altersvorsorge angepaßt werden. Besondere Chancen müssen wir hierbei dem Selbständigen geben, insbesondere dem Nachwuchs; denn für ihn ist ja die Vermögensbildung nicht bloß eine wünschenswerte Zugabe zur gesetzlichen Rente, sondern eine ihm gemäße Lebensnotwendigkeit.Der Antrag der SPD geht auf gesetzliche Grundlagen der Alterssicherung, also auf eine Form staatlich geregelter Versicherungen aus. Das ist aber nun ein sehr schwieriger Aufgabenkreis, bei dem bedeutsame gesellschaftspolitische Akzente gesetzt werden sollten. Alle gesetzlichen Maßnahmen können nur eine Hilfe darstellen; denn selbsterarbeitetes Vermögen und Besitz sind die Merkmale des Selbständigen und nicht die staatlich gesicherte Rente allein. Überaus verschieden sind glücklicherweise 'bei den selbständigen Mittelständlern und freien Berufen die Verhältnisse, Wünsche und Pläne.Bei unseren Bemühungen um die Lösung dieses Problems wurde uns immer wieder nahegebracht: Viele Selbständige empfinden es als einen schweren Mangel, daß ihnen die freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung verschlossen ist. Sie haben oft nicht die nötigen Arbeitnehmerjahre und damit die erforderlichen Pflichtbeiträge aufzuweisen, die Voraussetzung für diefreiwillige Weiterversicherung bzw. für eine Altersrente sind. Darum sollten wir gemeinsam Überlegungen anstellen, wie man Selbständigen in angemessener Weise den Weg zur freiwilligen Weiterversicherung und zur Altersrente öffnen kann.Ich komme zum nächsten Punkt des SPD-Antrages, nämlich zu dem Antrag, Maßnahmen zu gewährleisten, welche „für die bei diesen Gruppen beschäftigten Arbeitnehmer Lebens- und Arbeitsbedingungen ermöglichen, die denjenigen der Arbeitnehmer in der Großwirtschaft vergleichbar sind". Bei dieser 'Fassung habe ich zunächst das ungute Gefühl, als solle hier der selbständige Mittelstand diskriminiert werden, also jener Mittelstand, für welchen die SPD gerade mit ihrem Antrag hilfreich eintreten will. Aber ich kann mir nicht denken, daß hier ernsthaft gemeint ist, im Mittelstand bestünden generell ungünstigere Arbeitsbedingungen als in der Großwirtschaft.Wie sieht es in Wirklichkeit aus? Zunächst die Löhne! Vergleiche zwischen benachbarten Industrie- und Handwerksbereichen sind möglich, und es gelten in der Regel auf beiden Seiten die gleichen Tariflöhne. Soweit für gute Fachkräfte ein übertariflicher Lohn gezahlt wird, gilt das sicher ebensosehr für das Handwerk und den Handel wie für die Industrie; denn wohl niemand ist so sehr auf seine treuen, zuverlässigen Gesellen und Facharbeiter angewiesen wie der Handwerker und der Einzelhändler.Unterschiede bestehen allerdings bei den betrieblichen sozialen Nebenleistungen und Einrichtungen. Hier ist es aus vielerlei Gründen, die ich wohl im einzelnen nicht aufzuführen brauche, unmöglich, eine Gleichheit und damit einen Wettbewerb um die Arbeitskraft unter gleichen Bedingungen zu erreichen. Es ist aber allzu oft in der Öffentlichkeit kritisiert worden, daß hier in großen Werken nicht selten des Guten zuviel getan werde, und man hat in der Öffentlichkeit das häßliche Wort vom „sozialen Unsinn" geprägt. Wir im Mittelstand halten es jedenfalls nicht für gerecht, daß die Aufwendungen für übersetzte freiwillige soziale Betriebsleistungen weiterhin steuerlich als Betriebsausgaben abgesetzt werden dürfen.
Denn dadurch werden, wie schon betont, die marktstarken großen Unternehmen in der Konkurrenz um die Fachkräfte begünstigt. Hier muß eine wettbewerbsgerechte Regelung geschaffen werden.Was die Arbeitsplätze und Werkstätten betrifft, so sollte man sich von überholten Vorstellungen aus alter Zeit freimachen und sich die modernen Werkstätten anschauen. Man sollte sich durch Inaugenscheinnahme davon überzeugen, wie es in den modernen mittelständischen Betrieben aussieht.Sehr schwer wiegt bei dem Vergleich der Arbeitsbedingungen, daß die meisten mittelständischen Betriebe dem Arbeitnehmer mehr Befriedigung an der Arbeit und ein persönlicheres Mitarbeiterverhältnis bieten können als das große Unternehmen. Häufig kehren unsere Mitarbeiter, die in ein großes Werk übergewechselt waren, wieder in eine handwerk-
Metadaten/Kopzeile:
1408 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Portenliche Werkstatt zurück, weil sie sich hier mit der vielseitigeren, mitverantwortlicheren Stellung verbundener fühlen. Wo der Chef und Inhaber ein Mensch gleichen Denkens und Arbeitens ist, weil er selbst lange Zeit als Gehilfe gearbeitet hat, herrscht zur Zufriedenheit der Beschäftigten immer ein gutes Betriebsklima.Es ist selbstvenständlich notwendig, daß die Arbeitsverhältnisse auch in den mittelständischen Betrieben nicht nur werkstattmäßig, sondern auch durch die Technisierung ständig verbessert werden. Es ist nämlich eine Lebensfrage für unsere Selbständigen, daß sie ihre Betriebe möglichst attraktiv für tüchtige Mitarbeiter machen. Hierbei sollte ihnen auch der Gesetzgeber helfen, nämlich dadurch, daß er ihnen eine weitgehende Eigenkapitalbildung ermöglicht, und, wie ich schon einmal betonte, durch eine Sozialpolitik für alle, durch eine Sozialpolitik auch für die Selbständigen. Deshalb brauchen wir eine Sozialpolitik, die auch den kleinen und den lohnintensiven Unternehmen gerecht wird. Wir müssen auf der ganzen Linie, wie schon so oft in diesem Hohen Hause gesagt wurde, in der Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik alles tun, um die mannigfachen Benachteiligungen der mittelständischen Selbständigen auszumerzen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.Ich möchte mir ersparen, auf all die Einzelfragen wie Lohnfortzahlung, Kindergeld usw. einzugehen. In den nächsten Wochen und Monaten werden wir in diesem Hause wohl noch ausreichend Gelegenheit haben, unsere gegenseitigen Standpunkte zu vertreten. Hoffentlich finden wir eine Lösung, die insgesamt auch für den Mittelstand geeignet ist und mit der alle Beteiligten in unserer deutschen Wirtschaft zurecht kommen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Riedel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Betriebe, der ja die heutige Debatte gilt, gehört neben der mehrfach besprochenen Verbesserung der Kreditversorgung auch eine Aktivierung der Gewerbeförderungsarbeit. Gewerbeförderung kann im Bereich der mittelständischen Wirtschaft bei den vorhandenen Größenordnungen nur als Gemeinschaftsarbeit geleistet werden. Damit kommt der Organisation der mittelständischen Selbstverwaltung eine erhöhte Bedeutung zu. Es bestehen auch schon eine Reihe von Erfahrungen, auf die wir uns heute für eine breitere Lagerung dieser Arbeit stützen können.Bevor ich zu Einzelmaßnahmen Stellung nehme, möchte ich als dringende Notwendigkeit für die Ausbreitung der Gewerbeförderungsarbeit einmal hinstellen, daß künftig die behördlichen Richtlinien für die Verwendung der nach dem Entschluß des Bundestages bereitgestellten Mittel auch den diesem Entschluß zugrunde liegenden Intentionen und dem damit verbundenen politischen Willen entsprechen und eben deshalb einen raschen Einsatz dieser Mittel ermöglichen.Es kann bei Hilfsmaßnahmen für den Mittelstand nicht anders gehen, als wie es bei Ingangsetzung der Großindustrie geschehen ist. Die Maßnahmen für Kapitalausstattung, Kreditversorgung und die Neubewertung nach der Währungsreform für 'die Großindustrie wie auch die unzähligen steuerlichen Einzelvergünstigungen für die verschiedenen einzelnen Industriezweige in den letzten Jahren basierten doch alle schließlich auf dem politischen Willen, Arbeitsplätze zu schaffen und diese zu sichern. In dem gleichen Maße erwarten wir für den Mittelstand, daß bei der Ausführung von Beschlüssen des Bundestages durch die beteiligten Verwaltungsstellen der politische Wille, nämlich die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Betriebe, im Auge behalten wird.Als weiter zu entwickelnde Maßnahmen für die überbetriebliche Gewerbeförderung möchte ich folgende nennen: erstens einen weiteren umfassenden Ausbau der Schulungseinrichtungen einschließlich der Lehrwerkstätten und auch Unternehmerakademien, vor allen Dingen höhere wirtschaftliche Lehranstalten; zweitens die intensive Unterstützung der betriebswirtschaftlichen Arbeiten, insbesondere durch Erweiterung der Betriebsberatungsstellen der Gewerbeförderungsanstalten, Verbilligung der Beratung für den Klein- und Mittelbetrieb, Herausgabe informierender und belehrender Literatur, Betriebsvergleiche und Erfahrungsaustausch. Als drittes wäre noch zu nennen eine Belebung der Forschungseinrichtungen einschließlich der Rationalisierungsgemeinschaften in Handwerk und Gewerbe.Die bis jetzt für das Handwerk zur Verfügung stehenden Gewerbeförderungsmittel in Höhe von 6 Millionen DM reichten bislang aus. Eine Förderung der Produktivitätssteigerung muß künftig his zu dem letzten Betrieb vorangetragen werden. Es steht zu erwarten, daß die Spitzenverbände der mittelständischen Wirtschaft in Bälde mit einem langjährigen Schulungsprogramm aufwarten, das sich nur bei einer Steigerung der bisher für die Gewerbeförderung zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel verwirklichen läßt. In Verbindung mit dem Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft und den Gewerkschaften wird bereits ein sogenanntes Dreijahresprogramm zur Produktivitätssteigerung für Mittel- und Kleinbetriebe erarbeitet. Dabei geht es im wesentlichen einmal um die Förderung des Beratungswesens und zum anderen um eine ganz bewußte Unternehmerschulung. Dazu ist erforderlich, daß Beratungsanwärter für die Betriebsbegehungen geschult werden. Dafür werden künftig — aus diesem Grunde weise ich darauf hin — erheblich mehr Mittel bereitgestellt werden müssen. Um die Durchführung dieses Dreijahresprogramms auf diesem Gebiet zu sichern, werden wir zu Haushaltsansätzen für die Gewerbeförderungsarbeit für die nächsten drei Jahre von je 8 Millionen DM — das ist also eine Steigerung um jährlich 2 Millionen DM — kommen müssen. Aus diesem Grunde ist hier einmal darzustellen, daß diese Gewerbeförderungsmaßnahmen eben nur dann die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1409
Riedelgewünschte Wirkung herbeiführen, wenn wir sie in einer flexiblen Art und Weise gestalten können. Es handelt sich hier um etwas ganz Neuartiges, um eine Ausweitung dieser Maßnahmen. Die Produktivitätssteigerung in der kleineren und mittleren Wirtschaft ist individuell .zu handhaben. Wir werden dabei um Betriebsbegehungen und ähnliche Maßnahmen nicht herumkommen.In diesem Zusammenhang weise ich auf die Aufgabe hin, die Vergabebestimmungen der politischen Willensbildung entsprechend abzufassen. Wenn das Wort noch gilt, daß, wo ein Wille ist, sich auch ein Weg zeigt, werden diese Maßnahmen des Bundestages, übersetzt in Verwaltungsarbeit, den Erfolg herbeiführen, daß tatsächlich die Gewerbeförderung eine Produktivitätssteigerung zur Folge hat, die gleichzeitig auch eine Stärkung der gesamten Volkswirtschaft bedeutet. Denn es ist nach wie vor durch die Umsatzzahlen und auch durch die Beschäftigtenzahl der Wirtschaft erwiesen, daß die deutsche kleinere und mittelständische Wirtschaft das zweite, aber nicht minder starke Bein der deutschen Volkswirtschaft ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Diebäcker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem zur Beratung stehenden Antrag der SPD betreffend Förderung der Mittelschichten werden unter anderem Maßnahmen zur Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Selbständigen, ihrer Betriebe und ihrer Unternehmungen gefordert. Diese Forderung lenkt unsere Aufmerksamkeit auf Aufgaben, um die es in der Vergangenheit sehr schlecht bestellt war. Ich meine die Ansiedlung von mittelständischen Unternehmen in neuen Wohnsiedlungen.Abgesehen davon, daß bei Errichtung von weiträumigen Siedlungen vielfach nicht schon zu Beginn der Planung hinreichender Grund und Boden für gewerbliche Zwecke ausgespart wurde, ist festzustellen, daß es an einer gesunden Mischung von kleinen, mittleren und großen Betrieben in diesen Wohnsiedlungen oftmals gefehlt hat und noch fehlt. Genossenschaftliche Unternehmen und Großfilialisten sind häufig in einer Weise zum Zuge gekommen, wie dies unseren Vorstellungen von einer Förderung mittelständischer Existenzen sowie auch den im heute zu beratenden Antrag niedergelegten Zielsetzungen keineswegs entspricht.Meine Damen und Herren, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß bestimmte, sogenannte „gemeinnützige" Wohnungsbaugesellschaften — ob auf sanften Druck der hinter ihnen stehenden Gemeinden, das bleibe dahingestellt — sich erst gar nicht die Mühe machen, bei der Vergabe von Ladenlokalen Wohlwollen gegenüber mittelständischen Bewerbern zu zeigen. Vielfach wurden auch die Bedingungen für mittelständische Unternehmen so gestellt, daß sie einfach nicht zum Zuge kommen konnten. Dafür hat ja Kollege Schmücker soeben schon einige Beispiele angeführt.Es sollte unser Bestreben sein, gerade auf diesem Gebiet geeignete Maßnahmen einzuleiten, um hier für einen gleichen Start der mittelständischen Unternehmen mit den übrigen Unternehmungsformen zu sorgen. Ich würde es im Interesse der Sache sehr begrüßen, wenn unsere Kolleginnen und Kollegen auch von der SPD gerade auf diesem Gebiete unsere Bemühungen draußen im Lande in geeigneter Weise unterstützten.Wichtig erscheint es mir, die hier auftretenden Probleme systematischer anzufassen, als das bisher geschehen ist. Geeignete Forschungsaufträge beispielsweise könnten die wissenschaftlichen Voraussetzungen zur Erreichung der strukturpolitischen Zielsetzungen einer gesunden Mischung von kleinen, Mittel- und Großbetrieben schaffen. Die Vertiefung der wissenschaftlichen Grundlagenforschung sollte unter dem Grundgedanken und unter dem Leitmotiv stehen: der Standort des mittelständischen Gewerbes in der modernen städtebaulichen Entwicklung.Einen breiten Raum innerhalb dieser Grundlagenforschung müßte die Behandlung von Finanzierungsfragen für mittelständische Betriebe in neuen Wohnsiedlungen einnehmen. Dabei sollten Finanzierungsmöglichkeiten und Finanzierungsarten besonders untersucht und vor allen Dingen auch Erfahrungen beachtet werden, die mittelständische Gewerbetreibende in der Vergangenheit auf diesem Gebiet gemacht haben. Wertvolle Ansätze der mittelständischen Wirtschaft auf diesem Gebiet existieren bereits; sie verdienen auch in finanzieller Hinsicht unsere Förderung. Es genügt unseres Erachtens nicht, allein über den ERP-Wirtschaftsplan Mittel für die Ansiedlung mittelständischer Unternehmen bereitzustellen. Es muß auch die bestmögliche Ansiedlung sichergestellt sein, die die Gewähr für eine Dauerexistenz bietet.Zur wissenschaftlichen Grundlagenforschung gehört nicht zuletzt die Bereitstellung von ausreichendem statistischem Material. Da die ersten Ergebnisse des Handelszensus 1960 frühestens im Jahre 1963 vorliegen werden, ist zu überlegen, ob nicht in kürzeren Zeitabständen die wichtigsten Strukturdaten der mittelständischen Schichten in Handwerk, Handel und dem übrigen Gewerbe erfaßt werden sollten. Diese Forderung ergibt sich allein schon aus dem Tatbestand, daß sich zur Zeit ein recht tiefgreifender Strukturwandel in unserer Absatzwirtschaft vollzieht.Eine Grundlagenforschung in diesem Sinne erscheint insbesondere im Hinblick auf die mannigfachen Umschichtungen wichtig, die sich möglicherweise aus der in der Zukunft in Angriff zu nehmenden Sanierung unserer Städte ergeben werden. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang Ihre Aufmerksamkeit auch auf die geplante Einrichtung von sogenannten Shopping-centres lenken. An immerhin 22 Plätzen der Bundesrepublik werden derartige Einrichtungen geplant. Kapitalkräftige Großunternehmen werden hier vermutlich in erster Linie zum Zuge kommen. Da diese Verkaufseinrichtungen stark überregionalen Charakter tragen und von Einfluß auf die mittelständischen Betriebe im weiten
Metadaten/Kopzeile:
1410 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
DiebäckerUmkreise sind, darf ihre Einplanung nicht der jeweiligen Gemeinde überlassen bleiben. Hier sollten überregionale Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Hier erwächst den Planungsgemeinschaften eine große Aufgabe. Die richtige Lösung dieser Aufgabe ist für den mittelständischen Handel in den betroffenen Gebieten von ganz besonderer Bedeutung.Der Förderung der Ansiedlung von mittelständischen Unternehmen wäre es auch dienlich, wenn bei der Vergabe von Grundstücken aus dem Eigentum des Bundes die Auflage gemacht würde, daß die diese Grundstücke übernehmende Gemeindeverwaltung mit der Wirtschaft über die Ansiedlung mittelständischer Betriebe verhandeln muß, wenn die Ansiedlung solcher Unternehmen im Zuge der Verwendung des Geländes für Wohnsiedlungszwecke angezeigt erscheint. Ernste, allerdings sehr schüchterne Versuche auf diesem Gebiet sind gemacht worden. Sie sollten dazu ermutigen, grundsätzlich bei Vergabe von bundeseigenen Grundstücken die erwähnte Auflage zu machen.Abschließend sei noch auf einen Gesichtspunkt hingewiesen, der meines Erachtens von ausschlaggebender Bedeutung für die Ansiedlung mittelständischer Unternehmen in neuen Wohnsiedlungen ist. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bewerbung um Läden in neuen Wohnsiedlungen vor allen Dingen aus der Tatsache, daß den mittelständischen Unternehmen vielfach nicht die notwendigen Kapitalien zur Verfügung stehen. Herr Kollege Wieninger hat dies in anderem Zusammenhang schon gestreift. Diese Tatsache ist für manche Bauträger geradezu Veranlassung, den zahlungskräftig erscheinenden Großbetrieben bei der Ansiedlung den Vorzug zu geben. Es ist erfreulich, festzustellen, daß für das Rechnungsjahr 1962 im ERP-Wirtschaftsplan immerhin gewisse Mittel für die Errichtung von mittelständischen Betrieben in neuen Wohnsiedlungen sowie zur Förderung der Existenzgründung im Bereich des gewerblichen Mittelstandes ganz allgemein zur Verfügung gestellt werden. Auch die erleichterte Gewährung von Zinsverbilligungsmitteln für Darlehen zur Finanzierung von gewerblichen Räumen des Mittelstandes bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus ist hier zu nennen.Diese Programme werden uns sicherlich dem erstrebten Ziel einer gesunden Mischung von Klein-, Mittel- und Großbetrieben näherbringen. Es ist dringend zu wünschen, daß diese Programme nicht einmalige Maßnahmen darstellen, sondern in den nächsten Jahren weiter fortgeführt werden. Dabei muß die Frage geprüft werden, ob gegebenenfalls noch erhöhte Beträge im Rahmen des ERP-Wirtschaftsplanes eingesetzt werden können, da die zur Verfügung stehenden 142 Millionen DM nur „unter anderem" für die Errichtung von neuen Betrieben in Wohnsiedlungen — und im übrigen für eine Reihe sonstiger Maßnahmen — gedacht sind. Mit derartigen Krediten kann jedenfalls ganz konkrete Mittelstandspolitik betrieben werden.Alle diese Überlegungen sollten, so meine ich, Veranlassung zu gezielten Maßnahmen auf dem hier in Rede stehenden Gebiete sein. Bei der Ansiedlung von mittelständischen Unternehmen in neuen Wohnsiedlungen beginnt nun einmal die Mittelstandspolitik. Es hat keinen Sinn, sich über den Druck der Großbetriebe gegenüber den mittelständischen Unternehmen zu erregen, wenn man nicht bestrebt ist, an dieser Stelle, d. h. bei der Ansiedlung neuer Betriebe, geeignete Startbedingungen für die mittleren und kleineren Betriebe zu schaffen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Artzinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD fordert in ihrem Antrag u. a., „Wettbewerbsnachteile für den Mittelstand aus der Steuergesetzgebung zu beseitigen". Derartige Nachteile gibt es in der Tat. Ich hoffe, daß wir im Mittelstandsausschuß reichlich Gelegenheit haben werden, uns darüber zu unterhalten. Wir werden diese Nachteile heute nicht ausdiskutieren können. Ich möchte mich daher auf einen einzigen Punkt beschränken: die Gewerbesteuer.
Die Organisationen des gewerblichen Mittelstandes stimmen darin überein — aber z. B. auch der Bund der Steuerzahler ist der Auffassung —, daß die Gewerbesteuer gänzlich beseitigt oder doch erheblich eingeschränkt werden sollte. So der Zentralverband des deutschen Handwerks und die LänderHandwerkstage, der Deutsche Gewerbeverband usw. Selbst der Deutsche Städtetag ist der Meinung, daß die Gewerbesteuer bei weitem nicht die starke Säule des Gemeindefinanzsystems bleiben dürfe, die sie heute ist.
Wo sich so viele gewichtige Stimmen vereinigen, sollten wir unser Ohr nicht versagen. Warum wird denn die Gewerbesteuer heute im Mittelstand als eine so leidige Steuer empfunden, die viel böses Blut macht?
Zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer wird heute immer noch gesagt, sie sei eine Ergänzungssteuer zur allgemeinen Einkommensteuer, ihre Berechtigung liege in der Vorbelastung des fundierten Einkommens. Nun, der Fundus des Betriebes ist dem gewerblichen Mittelstand in zwei Inflationen weitgehend verloren gegangen. Man kann diese Begründung zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer heute im Ernst nicht mehr heranziehen.
Weiter wird gesagt, die Gewerbesteuer habe ihren Grund darin, daß sie das Entgelt darstelle für den besonderen Vorzug, den der Gewerbebetrieb durch das kommunale Zusammenleben genieße. Ich glaube, man kann auch da nur sagen, daß die Vorteile der Gemeinde allen Bürgern gleichermaßen zugute kommen und keineswegs etwa nur den Gewerbetreibenden. Auch diese Entgelt-Theorie läßt sich ernsthaft nicht länger aufrechterhalten.
Schließlich hat man gesagt, die Gewerbesteuer könne doch auf die Allgemeinheit überwälzt werden, und aus diesem Grunde treffe sie ja gar nicht den Gewerbetreibenden; vielmehr werde sie schließlich von den Verbrauchern gezahlt. Das trifft gerade für den kleinen und mittleren Gewerbebetrieb sicherlich nicht überall und zu allen Zeiten zu; denn
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, • den 13. Juni 1962 1411
Dr. Artzinger
wir haben hier noch den sonst sehr selten gewordenen Markt der vollständigen Konkurrenz, der sehr häufig die Abwälzung der Gewerbesteuer nicht zulassen wird. Wir müssen bei unseren weiteren Erörterungen schon davon ausgehen, daß diese Steuer von dem getragen wird, der sie zahlen muß, nämlich von dem Gewerbetreibenden.
Die Gewerbesteuer ist eine tragende Säule unseres Gemeindefinanzsystems. Man kann über ihre Einschränkung nur dann ernsthaft sprechen, wenn man sagt, wie man den Gemeinden den Ausfall ersetzen will. Die Gewerbesteuer stellt heute 78 % der steuerlichen Einkünfte der Gemeinden. Das ist, wie wir glauben, erheblich zuviel. Wir meinen, daß die Gewerbesteuer mindestens auf einen Anteil von maximal 2/3, also von rund 80 % auf rund 65 % zurückgedrückt werden müßte.
Ein Rückgang des Gewerbesteueraufkommens bei nachlassender Konjunktur — wenn man den Gedanken einmal aussprechen darf — wäre heute bei dem starken Anteil der 'Gewerbesteuer für unsere Kommunen ein Unglück. Derjenige, dem die Selbstverwaltung am Herzen liegt, muß dafür eintreten, daß die Gewerbesteuer zurückgeführt wird. Wird aber idas Aufkommen an Gewerbesteuer eingeschränkt, so muß den Gemeinden dafür ein Ersatz gegeben werden.
Man könnte daran denken, den Gemeinden über den Steuerverbund zwischen Ländern und Gemeinden einen höheren Anteil zu gewähren. Aber das würde bedeuten, daß die Selbstverwaltung in eben dem Maße abgebaut würde. Es kommt darauf an, den Gemeinden eine autonome Geldquelle zu erschließen, über die sie in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden können.
Dem derzeitigen Gemeindesteuersystem fehlt eine Steuer zu Lasten derjenigen Bürger, die, ohne ein Gewerbe zu betreiben oder ohne Grundbesitz zu haben, doch dort Einkünfte erzielen und der Gemeinde auch Lasten auferlegen, nämlich eine Einwohnersteuer. Durch eine solche Steuer, die auch die bisher steuerfreien Gemeindeglieder erfaßt, würde das Interesse am kommunalen Leben gewiß verstärkt werden.
Die Sozialdemokratische Partei hat sich bisher einer solchen Steuer widersetzt. Wir möchten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, anläßlich dieser Debatte bitten, Ihren 'Standpunkt noch einmal zu überprüfen
und nach Möglichkeit mit uns gemeinsam einen Weg zu gehen, auf dem zwei auch von Ihnen gebilligte Ziele verwirklicht werden können, nämlich eine spürbare steuerliche Entlastung des kleinen und mittleren Gewerbe- und Handelsbetriebes und eine Entzerrung des Gemeindefinanzsystems, verbunden mit einer Stärkung der gemeindlichen Selbstverwaltung. Wenden Sie jetzt bitte nicht ein: Negersteuer, Kopfsteuer! Um eine Kopfsteuer, d. h. um eine urgestaffelte Einwohnersteuer kann und darf es sich auch nach unserer Meinung nicht handeln. Über die Ausgestaltung einer solchen Einwohnersteuer, gerade auch über die soziale Ausgestaltung, muß selbstverständlich noch gesprochen werden. Wir bitten aber dringend, unseren ernsthaften Vorschlag nicht von vornherein abzuweisen unter Berufung auf Argumente, die heute einfach keine Gültigkeit mehr haben. Ihre Aufnahme eines solchen Vorschlages wird ein untrüglicher Test dafür sein, wieweit es Ihnen mit einer iBerücksichtigung der Belange des 'gewerblichen Mittelstandes wirklich ernst ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen einer Debatte über den Mittelstand läßt es sich nicht vermeiden, einige Bemerkungen zur derzeitigen Einkommensbesteuerung zu machen. Der Kollege Schmücker hat dieses Gebiet bereits gestreift, und auch Kollege Lange hat die Mehrheit des Hauses zu Taten auf diesem Gebiet aufgerufen.Deshalb möchte ich nun in aller Kürze in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß die Regierungskoalition bei der Verabschiedung des Haushaltsplans diesem Haus eine Entschließung vorgelegt hat. Darin ist die Bundesregierung aufgefordert worden, dem Bundestag Vorschläge, wie es wörtlich heißt, „zur Verbesserung des Tarifs bei der Einkommen- und Lohnsteuer" vorzulegen. Zweitens ist gefordert worden, daß dem Bundestag Vorschläge zur Verbesserung der Grundsätze über die steuerliche Gewinnermittlung unterbreitet werden.Ich glaube, wir wissen alle, daß die derzeitige Haushaltslage eine lineare Steuersenkung nicht zuläßt. Eine lineare Steuersenkung wäre sicherlich die beste Möglichkeit einer Entlastung aller Steuerpflichtigen. Aber wir dürfen deshalb nicht das derzeitige Steuersystem und die derzeitigen Tarife zementieren. Es scheint nötig zu sein, zu einer Verbesserung des Tarifs zu kommen. Ich möchte hier nicht den unschönen Ausdruck vom „Mittelstandsbauch" gebrauchen. Wir wissen wohl alle, daß bei den mittleren Einkommen eine wesentliche Verbesserung eintreten muß, einmal, damit die Bezieher mittlerer Einkommen in der Lage sind, die nötigen Rücklagen zu schaffen, und zum anderen, weil sich eine selbständige Tätigkeit wieder lohnen muß.Der Diskussionskreis „Mittelstand" der CDU/ CSU-Fraktion hat vor einiger Zeit Vorschläge veröffentlicht, wie man die Tarife, die im Augenblick gelten, umgestalten kann. Wir sind sehr froh darüber, daß diese Vorschläge in der mittelständischen Wirtschaft eine so günstige Resonanz gefunden haben.Wir sind davon ausgegangen, daß der derzeitige Proportionalsatz von 20 % auf 18 % zu reduzieren sei. Weiter sind wir davon ausgegangen, daß die Proportionalzone, die jetzt bis 8000 DM bzw. für Verheiratete bis 16 000 DM reicht, auf 10 000 bzw. 20 000 DM ausgedehnt wird.
Metadaten/Kopzeile:
1412 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
GewandtIn diesem Zusammenhang wird man allerdings nicht nur von einer Entlastung sprechen können; denn eine Entlastung der mittleren Einkommen bedeutet eine Verminderung des Steueraufkommens, und das ist angesichts der augenblicklichen Haushaltslage schwer zu vertreten. Es ist also die Frage gestellt, ob man nicht die größeren Einkommen in der Bundesrepublik etwas stärker in Anspruch nehmen kann. Ich bin der Meinung, daß das möglich ist. Nirgendwo steht geschrieben, daß 53 % Maximalbelastung wirtschaftlich allein vertretbar sind. Ich möchte hier nicht die Beispiele der angelsächsischen Länder anführen, die bis zu 90 % gehen. Dieser Vergleich hinkt, weil dort noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Es müßte aber in der Bundesrepublik möglich sein, die höheren Einkommen bis zu 58 oder 59 % zu besteuern.Das ist natürlich nur ein Diskussionsvorschlag. Es wird Aufgabe der Regierung sein, diesem Haus möglichst bald konkrete Vorschläge vorzulegen. Wir haben dieses Ersuchen im Zusammenhang mit der Etatberatung an die Regierung gerichtet. Wir hoffen, daß die Regierung zusammen mit dem Etat, der im Oktober eingebracht werden muß, ein Steueränderungsgesetz vorlegt, das uns eine Verbesserung des Einkommensteuertarifs bringt, der zu einer gerechteren Belastung der Einkommen in der Bundesrepublik führt.
Das Wort hat der Abgeordnete Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Worte, insbesondere als Entgegnung auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmücker. Er glaubte aufzählen zu müssen, was alles im letzten Bundestag geschehen sei, und daraus die Folgerung ableiten zu können, es sei gar nicht gerechtfertigt, wenn wir sagten, die Bundesregierung tue nicht genug; das sei alles übertrieben. Herr Kollege Schmücker, ich darf daran erinnern, daß auch von anderer Seite erst vor wenigen Tagen folgendes gesagt worden ist:Mit gutem Willen allein, ohne festen Fahrplan, kann keine Regierung eine konsequente Mittelstandspolitik zustande bringen.Sie wissen schon, welche Zeitschrift ich zitiere: das „Deutsche Handwerksblatt". Darin wird weiter darauf Bezug genommen, das schon 1958 der Herr Präsident des Deutschen Handwerks der Regierung zugerufen hat, die Regierung solle sich zu einer konstruktiven, umfassenden Strukturpolitik aufraffen und schleunigst dafür ein praktisches Arbeitsprogramm entwickeln und dieses Programm auch verwirklichen. Ferner wird Beschwerde darüber geführt, daß immer nur im letzten Jahr einer Legislaturperiode einiges geschehen ist, aber nichts Zusammenhängendes und nichts Endgültiges.Es ist also schon richtig, daß wir unseren Antrag erneuert und eine Reihe von Forderungen aufgestellt haben. Damit soll der Anstoß dazu gegeben werden, daß die Regierung sich Unterlagen be-schafft, Material erstellt und alsdann ein geschlossenes Programm erarbeitet. Wir als einzelne Abgeordnete sind dazu einfach nicht in der Lage. Das ist kein Bekenntnis einer Unwissenheit; es ist einfach nicht möglich. Wir wissen, vor welchen schwierigen Aufgaben selbst der eigens gebildete interministerielle Ausschuß steht. Die Lösung dieser Aufgabe ist nun einmal notwendig, um zu einem geschlossenen Programm zu kommen. Der interministerielle Ausschuß ist nach wie vor tätig. Aber wo bleibt letzten Endes die Nutzanwendung? Wenn bereits etwas herausgekommen wäre, hätten wir unseren Antrag nicht zu erneuern brauchen.
— Ja, wir haben ihn gestellt. Wir haben auch seinerzeit schon zu diesem Punkt gesagt: es reicht nicht aus. Wir haben gesagt: es wird weiter gearbeitet werden müssen, damit uns ein geschlossenes Programm vorgelegt wird. Das ist bisher nicht geschehen. Deshalb fühlten wir uns veranlaßt, erneut diesen Antrag zu stellen. Wir hoffen Ihre Zustimmung dazu zu bekommen.Es genügen aber nicht nur der gute Wille und das Reden. Es genügt auch nicht, daß wir zwar keinen „Staatssekretär des Handwerks", aber einen Wirtschaftsminister haben, der sich selber gern als solchen bezeichnet. Man muß sich allseits darum bemühen, daß aus all diesen jahrelangen Vorarbeiten endlich etwas Positives herauskommt.Ich möchte noch auf zwei Dinge zu sprechen kommen; zunächst auf das Institut für Mittelstandsforschung. Wir wissen — ich habe es hier schon einmal gesagt —, daß dieses Institut Köln-Bonn bisher schon einige sehr gute Arbeiten vorgelegt hat. Wo haben diese aber ihren Niederschlag gefunden? Es gibt da eine sehr gute Ausarbeitung über den „versteckten öffentlichen Bedarf" und eine andere Ausarbeitung, die sich darüber verbreitet, daß der Mittelstand steuerlich weit mehr belastet ist als die anderen Wirtschaftsgruppen. Das sind doch Arbeiten, die auf wissenschaftlicher Grundlage erstellt sind. Aber wir sehen nicht den Erfolg, wir sehen nicht die Auswertung, und gerade darauf kommt es letzten Endes an.Wir haben weitere Institute. Das wissen wir, Herr Schmücker. Unser Antrag will ja auch nicht etwas ganz Neues schaffen. Wenn wir all das, was besteht, zusammenfassen und dann vielleicht, wenn hier und da etwas fehlt, das ergänzen und alles zu einem einheitlichen Ganzen machen, dann kann etwas daraus werden. Denn es ist nun einmal nicht möglich, Forschung auf technischem Gebiet in jedem Handwerksbetrieb durchzuführen. Die Großwirtschaft kann das tun; sie kann es sich finanziell erlauben, hat die Leute dazu usw. Wir brauchen hier also eine Forschungsmöglichkeit, deren Ergebnisse den einzelnen Betrieben weitergegeben werden. Das ist das, was wir meinen und anregen wollen, daß man Überlegungen anstellt, wie man auf diesem Gebiet weiterkommt, und zwar auch zum Nutzen des letzten kleinen Betriebs. Das gilt nicht
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1413
Reglingnur für das Handwerk, sondern auch für den Einzelhandel und alle anderen gewerblichen Betriebe.Herr Opitz führte mit Recht an, daß es fast noch eine neue Berufsmöglichkeit gebe, nämlich den Beruf eines Beraters für Darlehenszuschüsse und Förderungsmaßnahmen im gewerblichen Mittelstand. Er sagte, wenn ich recht gehört habe, daß es sechs verschiedene Programme gebe. In einer Sitzung des Mittelstandsausschusses im vorigen Bundestag haben wir von Sachverständigen gehört, daß man auf Bundesebene auf diesem Gebiet rund 100 verschiedene Programme kenne und daß die Länder zusammen nochmals 120 verschiedene Programme hätten. Insgesamt gibt es im Bundesgebiet also 220 Programme für Kreditmaßnahmen des Mittelstandes Es ist tatsächlich so, daß man einen Berater, einen Fremdenführer, einen Lotsen, oder wie wir es immer nennen wollen, braucht, um da durchzusteigen. Der Formularkrieg für den einzelnen Antragsteller ist ungeheuerlich. Hier sollte wirklich etwas getan werden. Genau das meinen wir, wenn wir in unserem Antrag von einer Bundeskredit- und Garantiekasse sprechen. All das sollte zusammengefaßt werden, um an einer Stelle Auskunft über alle Möglichkeiten zu erhalten. Vielleicht kommen wir dann von selbst dazu, eine große Anzahl dieser Programme zusammenzulegen oder die Maßnahmen zu straffen, so daß sie auch für den einzelnen überschaubar werden.Nun als Letztes zu den Gewerbeförderungsmitteln. Meine Damen und Herren, wir haben seit 1955, glaube ich, beim Bundeswirtschaftsminister einen Gewerbeförderungsmittelfonds für das Handwerk in Höhe von 6 Millionen und für den Einzelhandel und Fremdenverkehr in Höhe von 2 Millionen DM. Fast alle Ansätze haben sich seit 1955 im Laufe der Zeit verändert, nach oben natürlich, nur hier nicht. Das liegt leider an folgendem. Ich will dabei keineswegs dem einzelnen Beamten einen Vorwurf machen; aber die Antragstellung, die Kontrolle und die Abgrenzung werden derart schwierig gemacht, — von Jahr zu Jahr werden die Schwierigkeiten größer —, daß es kaum noch eine Organisation wagt, mit irgendwelchen neuen Gedanken zu kommen. Man muß eben damit rechnen, daß sie nicht in den eingeengten Rahmen passen. Da beruft sich dann das Wirtschaftsministerium auf das Finanzministerium oder auf den Bundesrechnungshof usw. Dabei gibt es so viele notwendige Dinge, so viele Aufgaben, die mit öffentlichen Mitteln getan werden müßten. Ich denke da, um nur ein Stichwort zu nennen, an die überbetriebliche Ausbildung unserer Lehrlinge. Wir wissen, daß heute in den einzelnen Berufen täglich neue Werkstoffe auftauchen und daß es einfach nicht möglich ist, die werkgerechte Verarbeitung dem Lehrling in der kurzen Lehrzeit beizubringen. Ich denke nicht an einen zweiten Schultag, auch nicht an eine Lehrwerkstatt statt Meisterlehre; aber es gibt da Möglichkeiten. Es würde zu weit führen, sie im einzelnen darzulegen. In der Praxis haben sich Möglichkeiten herausgeschält, wie man z. B. gerade den Anfang der Lehrzeit straffen kann. Hier sagt wieder das Wirtschaftsministerium: Fördern wollen wir im zweiten und dritten Lehrjahr, aber zu Anfang, — das widerspricht unseren Vorschriften.Hier muß etwas getan werden, man muß sich veränderten Gegebenheiten anpassen. Werfen wir wieder einen Blick nach draußen, nach Übersee! In Amerika hat Präsident Kennedy jetzt in den beiden Häusern des Kongresses ein Förderungsprogramm beschließen lassen, das eine Summe von 600 Millionen Dollar — also 2,4 Milliarden DM — für einen Arbeitsplan vorsieht, der über vier Jahre reicht und der vorsieht, aus der Vielzahl der 41/2 Millionen ungelernten Arbeitslosen herauszuholen, was herauszuholen geht. Mit großem Geldaufwand versucht man also Umschulungsmaßnahmen durchzuführen. Sicher, wir haben hier. ein anderes Ausbildungssystem; aber wir haben zu überlegen, was man tun könnte, um nach der abgeschlossenen Lehrzeit einen wirklich gut und in allen Lagen versierten Facharbeiter heranzubilden, um den guten Ruf, den der deutsche Facharbeiter heute noch in der Welt genießt, auch in der Zukunft zu erhalten.Es gibt also noch eine ganze Menge Probleme mehr, als in unserem Antrag genannt worden sind, obwohl unser Antrag manchmal schon als viel zu umfassend bezeichnet worden ist. Es ist gesagt worden, damit solle alles nur zerredet werden. Das ist nicht unsere Absicht. Wir möchten nur dazu beitragen, zu einer Gesamtkonzeption zu kommen, die erforderlich ist. Lassen Sie uns mit dem einen Antrag heute den Anfang machen! Hinsichtlich der Ziffer 2 unseres Antrags wollen wir im Ausschuß gemeinsam versuchen, zu dieser Gesamtkonzeption zu kommen, die ja auch die Regierung immer wieder anstrebt. Vielleicht können wir es gemeinsam schneller schaffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Soetebier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur eine kurze Feststellung treffen, weil ich glaube, daß der Mittelstand heute seinen seit langer Zeit besten Tag hat. Es ist erfreulich, daß alle Parteien dem Mittelstand helfen wollen. Für mich als Angehörigen des gewerblichen Mittelstandes ist das wirklich eine erfreuliche Feststellung. Wenn wir alle der Meinung sind, daß es eine dringende Notwendigkeit ist, die Betriebe auf diesem Sektor nicht nur zu erhalten, sondern auch zu fördern, dann tun wir nicht nur etwas, was für die Erhaltung unseres Staatswesens in dieser Form notwendig ist, sondern wir dienen auch allen Bevölkerungsschichten, gleich welcher Art. Wir haben uns heute hier bereit erklärt, zu versuchen, verschiedene Gesetze in der Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik zu novellieren. Wenn es uns gelingt, einen gemeinsamen und gangbaren Weg zu finden, wäre das ein Vorhaben, das sich ebenfalls sehr segensreich für die Gesamtheit auswirken würde.Ich will es mir versagen, jetzt auf Einzelheiten einzugehen. Ich möchte nur die Feststellung untermauern, daß es dringend notwendige Novellierungen gibt, die vielleicht seit Jahren notwendig gewesen sind, aber im Laufe der Sturm- und Drang-
Metadaten/Kopzeile:
1414 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Soetebierzeit unserer Bundesrepublik nicht zum Zug gekommen sind. So ist manches noch nicht geschehen, was vielleicht hätte schon getan werden können. Ich denke an den Belegschafts- und Behördenhandel. Sie wissen, daß das Gesetz, das diese Materie betrifft, noch beim Bundespräsidenten liegt. Ich glaube, eine gemeinsame Arbeit gerade für dieses Gesetz wäre fruchtbringend und könnte gut sein. Wir könnten auch hier versuchen, einmal die Hauptthemen, die uns ja draußen immer wieder vorgeworfen werden, zu behandeln.Genauso geht es beim grauen Markt. Mir liegt ein Schreiben einer Ihnen allen bekannten Firma vor, das Sie selber, meine Damen und Herren, vielleicht auch bekommen haben. Es wird mir mitgeteilt, daß ich zum Kreis der Personen gehöre, die sich in einem großen Geschäft des grauen Marktes Radioapparate, alle möglichen Elektroapparate mit einem Rabattsatz von 25 bis 35 Vo kaufen können. Das sind doch die Auswüchse, die wir alle kennen und die wir alle sehen. Das sind die Dinge, die uns draußen im weiten Lande immer wieder mit Recht vorgeworfen werden und bei denen wir gefragt werden, ob wir denn nicht die Möglichkeit haben, hier Änderungen einzuführen.Herr Professor Jürgensen, der ja ein bekannter Volkswirtschaftler an der Universität Hamburg ist, hat kürzlich in mehreren Vorträgen im norddeutschen Raum erzählt, wie es in Amerika zugeht. Er hat dabei festgestellt, daß der Mittelstand in Amerika durch die Verzahnung aller Betriebe mit der mittleren Großindustrie nicht nur nicht geringer geworden ist, sondern sich seit dem Jahre 1900 noch vermehrt hat. Dieser Weg, der in Amerika vorgezeichnet ist und der auch in anderen Ländern gangbar ist, sollte uns zu Überlegungen veranlassen, um vielleicht auch hier in gemeinsamer Arbeit etwas Vernünftiges zu erstellen.Es ist hier angeklungen, daß der Mittelstand nichts Besonderes will. Handel, Handwerk und freie Berufe wollen gar nichts Besonderes, sie wollen auch keine Subventionen oder sonst etwas. Aber sie wollen eine echte Steuerpolitik, sie wollen eine echte Politik in allen Sparten. Vor allen Dingen wollen sie in der Sozialpolitik nicht schwerere Opfer bringen, als sie notwendig und zu verkraften sind.Ich will nicht mehr von einem Staatssekretär für den Mittelstand sprechen, wie es eben anklang. Wir wissen, daß es auch in Europa, auch in der EWG Länder gibt, in denen ein Staatssekretär für Mittelstandsfragen amtiert. Wir wissen, daß bei uns in der Bundesregierung Fragen des Mittelstandes von verschiedenen Ressorts bearbeitet werden. Man könnte vielleicht daran denken, diese Arbeiten eines guten Tages zu koordinieren, vielleicht sogar in einem interministeriellen Ausschuß zusammenzufassen.Ich bin der Meinung, wir sollten froh sein, daß wir heute wieder einmal zu dieser Debatte gekommen sind. Der Worte sind genug gewechselt; der Mittelstand möchte jetzt endlich Taten sehen!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lange hat in seinen Ausführungen auch zu Problemen des Wettbewerbsrechts Stellung genommen und hat dabei den Herrn Bundeswirtschaftsminister als Zeugen dafür angeführt, daß wir die Absicht haben, in dieser Legislaturperiode oder wenigstens bis zum Eingang des Berichts zur Konzentrationsenquete nichts mehr auf diesem Gebiet zu tun. Ich weiß nun nicht, welche Rede er mit der Rede vom 16. Juni 1961 gemeint hat. Wahrscheinlich hat er die Regierungserklärung von November 1961 gemeint. Dort heißt es ja:Die Ergebnisse der bereits eingeleiteten Enquete über Entstehen und Vorhandensein wirtschaftlicher Macht werden die Grundlagen für Vorschläge und Maßnahmen der neuen Regierung bilden.Herr Kollege Lange, wir fassen das nicht so auf, daß in der Zwischenzeit nichts gegen die Konzentration unternommen werden sollte. Im Gegenteil, wir meinen, daß alle Materien, die in der Zwischenzeit gesetzlich geregelt werden, auch auf ihre Wirkung in Richtung einer Konzentration untersucht werden sollten. Wir hoffen nur, daß Sie sich in Ihrer Fraktion durchsetzen, wenn es vor allem bei sozialen Maßnahmen darum geht, konzentrationsfördernde Wirkungen bei den lohnintensiven Betrieben des Mittelstandes nicht zur Auswirkung kommen zu lassen.Wir sind der Ansicht, daß der Bericht zur Konzentrationsenquete möglichst bald fertiggestellt werden und daß dann das Problem im ganzen angepackt werden sollte.Sie haben schon von unserem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Kollegen Schmücker gehört, daß wir nicht darauf verzichten, auf dem Sektor des Wettbewerbsrechts initiativ zu werden, und daß im Herbst eine Kartellnovelle im Bundestag eingebracht werden soll.Wir wissen, daß das Kartellrecht unzulänglich ist. In seiner jetzigen Form erschwert es nur die Konzentration durch Verträge, während es Konzentrationsprozesse in anderer Form nur unzulänglich erfaßt. Die Regeln gegen den Mißbrauch von marktbeherrschenden Positionen reichen nicht aus.Aber neben dem Mißbrauch der Marktmacht muß bereits das Entstehen übermäßiger wirtschaftlicher Machtzusammenballung verhindert werden. Die bisherigen Bestimmungen sind völlig unzulänglich, da sie für Zusammenschlüsse nur eine Meldepflicht vorsehen, die vom Kartellamt nicht einmal erzwungen werden kann. Eine Genehmigungspflicht, wie sie die Regierungsvorlage 1957 vorgesehen und auch der Bundesrat gebilligt hatte, ist unserer Ansicht nach unerläßlich. Erst mit der Genehmigung sollten Zusammenschlüsse rechtswirksam werden können.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1415
Dr. SchwörerDarüber hinaus sind wir der Ansicht, daß wir in der Durchführung des Wettbewerbsrechts auf die Dauer nicht darum herumkommen, eine der amerikanischen Antitrustgesetzgebung ähnliche Regelung zu finden. Der Vorschlag, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb im Sinne dieses Anliegens zu verändern und zu verschärfen, ist nicht praktikabel. Gerade für den wirtschaftlich Schwachen ist es fast unmöglich, sein Recht gegen den stärkeren Wettbewerber in einem jahrelangen Zivilprozeß durchzusetzen. Bei einem Einsatz übergroßer wirtschaftlicher Macht gegen einen Mitbewerber, der dadurch in seiner Existenz und Selbständigkeit gefährdet wird, muß unserer Ansicht nach das Kartellamt auf Antrag Oder kraft eigener Initiative eingreifen können, um diesen Wettbewerber zu einem der sozialen Marktwirtschaft entsprechenden Verhalten zu veranlassen.Wir wissen, daß eine derartige Neuregelung bei uns auf Schwierigkeiten stoßen wird, weil wir zu einer perfektionistischen Gesetzgebung neigen. Wir sollten hier mehr nach dem Opportunitätsprinzip statt nach einem starren Legalitätsprinzip vorgehen, und eine Generalklausel sollte die Grundlage bilden, die dann durch die wirtschaftliche Praxis ausgefüllt werden könnte.Auch im Verfahren müßten wir unserer Ansicht nach neue Wege gehen. Es bietet sich hier das in den angelsächsischen Ländern und in Schweden mit Erfolg praktizierte Hearing-Verfahren an. Wir denken, daß die öffentliche Austragung von Streitigkeiten des Wettbewerbsrechts sicherlich ihre Wirkung an sich schon tun würde. Die Unternehmen mit einer starken Wirtschafts- und Finanzmacht würden sehr viel weniger geneigt sein, ihre Stellung mißbräuchlich auszunutzen, wenn ein öffentliches Austragen drohen würde. Schon die Existenz einer solchen Möglichkeit würde unserer Ansicht nach manche der kritisierten Erscheinungen im Entstehen verhindern.In diesem Zusammenhang möchten wir noch andeuten, daß eine Fortführung und Neuauflage des Konzentrationsberichts über 1963 hinaus zu erwägen wäre. Die Bekämpfung der Konzentration wird auf jeden Fall auch nach Eingang dieses Berichts auf der Tagesordnung, vor allem auch unserer Fraktion und des Diskussionskreises „Mittelstand", bleiben.Wir wissen, daß das Weitergehen des Konzentrationsprozesses zu wirtschaftlichen Machtblöcken führen muß, die direkt oder indirekt Regierung und Parlament beeinflussen und damit die Staatsautorität bedrohen können. Für uns als mittelständische Wirtschaft ist die weitergehende Konzentration deshalb so tödlich gefährlich, weil wirtschaftliche und soziale Maßnahmen zunehmend nach den Großbetrieben ausgerichtet werden. Die Freude und das Interesse an der Selbständigkeit wird dadurch im Nerv getroffen und die Jugend von der Bereitschaft zur Übernahme ihrer väterlichen Betriebe abgehalten.Wirtschaftliche Machtzusammenballungen bei Privaten, gesellschaftlichen Gruppen oder beim Staat fördern die Anonymität und zerstören das Interesse und Verantwortungsbewußtsein des Einzelnen und beseitigen damit die Voraussetzung für echtes und gesundes wirtschaftliches Wachstum. Dieses durch einen gesunden Wettbewerb mit gleichen Chancen für alle aufrechtzuerhalten, war immer das Anliegen der mittelständischen Abgeordneten der CDU/CSU.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man nach so vielen Rednern, nach einer derart langen, vielseitigen Debatte noch zum Wort kommt, hat man es nicht ganz einfach. Man hat es schon auf Grund des Antrages, der von der SPD gestellt worden ist, nicht einfach, heute in dieser Diskussion zu sprechen. Dieser Antrag der SPD ist besonders in seinem Punkt 2 so allumfassend, hier wird die Regelung so vieler Fragen in einem einzigen Gesetz verlangt, daß ich mich eigentlich wundern würde, wenn wir heute bereits zum Abschluß dieser Diskussion kämen. Hier könnten doch tatsächlich die gesamte Wirtschaftspolitik, die gesamte Sozialpolitik, das Kartellrecht — das vom Herrn Kollegen Schwörer durchaus mit Recht angeführt wurde —, die gesamten Steuergesetze angesprochen werden. Durchaus mit Recht ist ja in diesem Zusammenhang auch von der Gewerbesteuer, von der Reformierung der Einkommen- und Körperschaftsteuer und der Lohnsteuer gesprochen worden. Sehen Sie sich den Schluß des Antrages an! Dann wissen Sie, daß wir eigentlich erst am Anfang der Debatte stehen, wenn wir wirklich all die Probleme, deren Regelung Sie in einem Gesetz verlangen, ausdiskutieren wollten.Ich sage das, um Ihnen einmal ganz klar vor Augen zu führen, daß es einfach unmöglich ist, ein derartiges Gesetz zu machen. So geht es doch wirklich nicht. Als Juristin wundere ich mich immer wieder über die Gesetzesgläubigkeit bei uns Deutschen, darüber, daß die Deutschen glauben, man brauche nur ein Gesetz zu machen, und dann habe man schon die gewünschten Verhältnisse geschaffen. So geht es einfach nicht!
Politik können wir durchaus ohne die Schaffung eines derartigen Gesetzes machen. Die entsprechenden mittelstandsfreundlichen Maßnahmen können wir ergreifen, ohne ein derartiges Rahmengesetz — etwas anderes könnte es ja nicht sein — zu verabschieden.In der Diskussion wurde in vielen Fällen die Einigkeit zum Ausdruck gebracht. Herr Kollege Lange hat in seiner Begründung gesagt: Wir wollen doch alle helfen. Das ist richtig. Alle Parteien hier im Bundestag sind sich durchaus darin einig, daß es gesellschaftspolitisch und wirtschaftspolitisch eine wichtige Forderung ist, daß wir möglichst viele selbständge Existenzen, viele selbständige Unternehmen haben.
Metadaten/Kopzeile:
1416 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Frau Dr. Diemer-NicolausDer Grund, weshalb ich jetzt zum Schluß noch etwas sage, ist der, daß in diesem umfassenden Antrag der Sozialdemokratie auch die freien Berufe angesprochen werden. Von all den Diskussionsrednern, die bisher gesprochen haben — nehmen Sie es mir nicht übel —, war keiner Angehöriger eines freien Berufs. In dieser Beziehung bin ich die erste. Das, was in bezug auf den gewerblichen Mittelstand gesagt wurde, wird der Eigenart der freien Berufe vielfach nicht gerecht. Die freien Berufe, die durchaus nur ein mittelständisches Einkommen haben, wehren sich dagegen, daß ihre Probleme nur im Zusammenhang mit den Problemen des gewerblichen Mittelstandes behandelt werden. Die Probleme .der freien Berufe liegen vielfach anders. Ihre gesellschaftspolitische Bedeutung ist allseits anerkannt.Herr Kollege Lange, ich muß, wenn wir eine echte Debatte führen wollen, doch noch etwas auf Ihre Ausführungen eingehen. Sie haben vorhin — das ist Ihr gutes Recht als Opposition — den Vorwurf erhoben, in der letzten Legislaturperiode sei für den Mittelstand einschließlich der freien Berufe — Sie haben die freien Berufe immer wieder erwähnt — überhaupt nichts geschehen. Ich darf Sie doch bitten, sich einmal die Berichte des Bundesverbandes der freien Berufe anzusehen. In dem Bericht aus dem Jahre 1961, in dem ein Überblick über das gegeben wird, was in der 3. Legislaturperiode im Bundestag geschehen ist, steht, daß in dieser 3. Legislaturperiode im Gegensatz zur 2. Legislaturperiode doch eine erhebliche Anzahl von Maßnahmen zugunsten der freien Berufe und damit zugunsten einer bedeutenden Mittelstandsschicht — denn eine solche stellen die freien Berufe dar — getroffen worden sind.
Natürlich sind wir noch nicht zufrieden mit dem, was bisher geschehen ist. Die Frage der steuerlichen Gleichstellung haben wir als Freie Demokraten ja schon angeschnitten. All die Probleme wie etwa die Regelung der Umsatzsteuer, wovon heute in der Diskussion die Rede war, werden wir bei den entsprechenden Gesetzen noch ausgiebig behandeln müssen.Herr Kollege Lange, als Sie von den allgemeinen wirtschaftspolitischen Vorstellungen der SPD sprachen, haben Sie der CDU, aber auch der FDP, vorgeworfen, sie betrachte Ihre Wirtschaftspolitik als sehr stark ideologisch ausgerichtet. Ich gebe Ihnen durchaus das eine zu, daß — ich sage: erfreulicherweise — auch die Sozialdemokratische Partei heute eine wesentlich nähere Beziehung zum marktwirtschaftlichen Denken hat als früher. Aber, Herr Kollege Lange, es kommt nicht nur darauf an, daß man sich zu dem Prinzip des Wettbewerbs bekennt. Es kommt vielmehr auch darauf an, wie man nachher in der Praxis bei der Verwirklichung der Gesetze handelt.Hier muß ich Ihnen in aller Deutlichkeit doch folgendes sagen. Wir sind zwar in manchen Dingen, auf steuerpolitischem Gebiet gerade auch bezüglich der freien Berufe, seinerzeit im Finanzausschuß gleichmäßig vorgegangen. Sobald es aber um grundsätzliche Fragen ging, sobald es um die Abgrenzung der wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeit des einzelnen, der Abgrenzung der Rechte des Staates gegenüber der Freiheitssphäre des einzelnen geht, hat sich, ob das bei den Baugesetzen oder bei vielen anderen Gesetzen war, immer gezeigt, daß die Grenzlinie bei der FDP und der SPD eine andere ist. Wir grenzen den Freiheitsbereich des einzelnen gegen die Allmacht des Staates doch anders ab als Sie, billigen dem einzelnen mehr Freiheit zu. Um diese Tatsachen kommen Sie nicht herum, auch wenn Sie es als einen ideologischen Vorwurf betrachten! Ich kann es Ihnen gegebenenfalls im einzelnen noch weiter belegen.Sie haben bei der Erörterung der steuerpolitischen Maßnahmen auf die Bedeutung der Umsatzsteuer, der Vermögensteuer usw. hingewiesen. Ich stimme Ihnen durchaus zu: die Steuergesetze müssen in ihrer Wirkung auf freie Berufe und auf den Mittelstand immer wieder neu überprüft werden. In diesem Sinne hat sich ja auch Finanzminister Starke schon geäußert. Es ist weiterhin durchaus richtig, wenn Sie sagen, zur Förderung der Kapitalbildung müßten steuerpolitische Maßnahmen ergriffen werden. Wichtiger ist aber das, was in dem einen Antrag der Regierungskoalition verlangt wird: daß die öffentliche Hand nicht als Konkurrent der freien Berufe auftritt. Auch hier unterscheiden wir uns in der Grenzziehung von der SPD. Denken Sie an Ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen! Denken Sie daran, wie oft von der SPD gesagt wurde, daß Betriebe im Besitz der öffentlichen Hand bleiben sollten, um so gegebenenfalls einen Konkurrenzdruck auf die freie Wirtschaft ausüben zu können! Wir haben uns dagegen aus der Grundhaltung heraus, daß wir die Konkurrenz der öffentlichen Hand gegenüber den wirtschaftlich Selbständigen, gegenüber den freien Berufen ablehnen, immer mit aller Entschiedenheit für die Privatisierung des wirtschaftlichen Besitzes der öffentlichen Hand eingesetzt.Ich hoffe, daß Sie sich im Ausschuß trotzdem zu dem Antrag auf Drucksache 384, der eigentlich für mich der Anlaß war, hier das Wort zu ergreifen, zustimmend äußern werden. Sie werden hoffentlich auch bereit sein, ebenfalls daran mitzuwirken, daß die öffentliche Hand insbesondere auf dem Bausektor, wo sie heute einer der größten Auftraggeber ist, so verfährt, daß keine Arbeiten von den Bauverwaltungen übernommen werden, die von einem Freiberufler erfüllt werden können. Das sind die Architekten, das sind die Techniker, das sind die freien Geometer. Es ist schon mit Recht von Herrn Wieninger bei der Begründung darauf hingewiesen worden, daß wir damit zweierlei erreichen: erstens etwas Grundsätzliches, was uns allen am Herzen liegt, nämlich eine Stärkung und eine Förderung der freien Berufe, deren gesellschaftspolitische, deren staatspolitische Bedeutung für uns alle ganz selbstverständlich ist, und zweitens — auch dieses Moment dürfen wir nicht übersehen —, daß alsdann die Verwaltung von Aufgaben entlastet wird, die ihr, die eigentlich nur hoheitliche Funktionen hat, nicht eigen sind.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1417
Das Wort hat der Abgeordnete Burgemeister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann Ihnen die tröstliche Zusicherung geben, daß ich der letzte Sprecher meiner Fraktion bin.
Seit Bestehen des Deutschen Bundestages hat die CDU/CSU-Fraktion in ihren Reihen über zahlreiche Kollegen verfügen können, die sich tatkräftig mit der Lösung mittelständischer Probleme beschäftigt haben. Diese Kollegen taten dies schon zu einem Zeitpunkt, als es noch nicht zum guten Ton gehörte, sich mittelstandspolitischen Sorgen anzunehmen. Schon von Anfang an hat sich die CDU/CSU-Fraktion in diesem Bereich bemüht, Breitenarbeit zu leisten, und sie hat organisationsmäßig Voraussetzungen dafür geschaffen, daß sie die notwendigen Klarheiten gewinnen und sich das benötigte Material erarbeiten konnte, um darauf aufbauend Vorschläge für die Anpassung der Gesetzgebung an völlig veränderte Verhältnisse im mittelständischen Bereich zu entwickeln.Ich brauche hier wohl nicht daran zu erinnern, daß in diesem Kreis sehr bald die Erkenntnis dafür gewonnen wurde, daß im mittelständischen Bereich das angestrebte Ziel nicht mit Schutzgesetzen erreicht werden könne. So hat sich auch in den Kreisen der beteiligten Bevölkerungsgruppen sehr bald die Erkenntnis durchgesetzt, daß diese von der CDU/CSU-Fraktion befolgte Konzeption richtig war. Wir waren und sind daher der Meinung, auch heute noch, daß die beste Voraussetzung für das Gedeihen der mittelständischen Kreise in unserer Bevölkerung die soziale Marktwirtschaft und ein gut funktionierender Wettbewerb sind. Wenn heute dennoch Klagen in den Bereichen der mittelständischen Wirtschaft lautwerden, so deswegen, weil sich immer wieder neue Symptome offenbaren, die wirtschaftliche Schwierigkeiten anzeigen, vor allem in jenen Bereichen, in denen der Wettbewerb noch nicht voll wirksam ist. So klagen wir nicht über zuviel, eher über noch nicht voll ausreichenden Wettbewerb.Wenn trotz dauernder Bemühungen um laufende Verbesserungen im mittelständischen Bereich immer wieder neue Schwierigkeiten auftreten, so sind diese zu einem nicht geringen Teil mit darauf zurückzuführen, daß gerade im Bereich der mittelständischen Wirtschaft, vor allem beim Handwerk und beim Handel, sich in den letzten zwölf Jahren tiefgreifende Wandlungen vollzogen haben, die niemand gefordert und niemand gewollt hat, die sich aber durch den technischen Fortschritt und die damit verbundene Automation in der Industrie zwangsläufig auch im mittelständischen Bereich ergeben haben. Unsere Gesetze aber, vor allem auf dem Gebiete der Steuern und im Gewerberecht, die zum Teil schon vor Jahrzehnten entstanden sind und noch auf den damaligen Verhältnissen beruhen, bewirken, weil sie noch nicht voll auf den Wettbewerb der heutigen Zeit eingestellt sind, Verzerrungen und Verkrampfungen, die nicht immer sofort erkennbar sind, sondernsich erst nach und nach ergeben und damit die Arbeit für die Regierung sehr erschweren.Insoweit begrüßen wir es, daß auch die SPD-Fraktion sich jetzt darum bemüht, die von der CDU/CSU-Fraktion in Gang gesetzten Reformen unserer Gesetze zu unterstützen und die Bundesregierung zu bitten, notwendige Grundlagen zu erarbeiten und dem Parlament vorzulegen.
Der in der letzten Legislaturperiode von der Bundesregierung erarbeitete und vorgelegte Bericht über die Lage im mittelständischen Bereich hat bereits einen sehr guten Einblick geben können. Die Bundesregierung konnte darauf verweisen, daß schon eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Förderung des Mittelstandes, die sich aus diesem Bericht ergeben, durch sie bzw. durch die Initiative der CDU/CSU-Fraktion verwirklicht sind. Dennoch bleibt festzustellen, daß die bisher schon getroffenen Maßnahmen noch nicht alle Verzerrungen und Behinderungen beseitigen konnten. Soweit diese Verzerrungen erkannt sind oder noch erkannt werden, werden selbstverständlich die entsprechenden Vorlagen zu ihrer Beseitigung zu erarbeiten sein.Ich glaube, man soll und muß in diesem Zusammenhang auch einmal davon sprechen, daß durchschlagende Erfolge nicht nur durch eine Änderung und Anpassung der Gesetze an die neue, veränderte Zeit zu erreichen sind. So, wie die Gesetze noch in einer völlig anderen Zeit verwurzelt sind und erst an die Wettbewerbssituation der heutigen Marktwirtschaft angepaßt werden müssen, so wurzeln auch noch zu einem großen Teil die Vorstellungen der Menschen des Mittelstandes in der Vergangenheit. Dankenswerterweise haben viele Berufsverbände des Mittelstandes dies klar erkannt; sie richten einen nicht geringen Teil ihrer Kraft gerade auf die Aufgabe, die Menschen auf die neue Zeit auszurichten. In Kursen für Betriebsberatung, Betriebsförderung usw. werden diese Aufgaben mit Fleiß und Energie angepackt. Diese Bemühungen werden von der Bundesregierung finanziell unterstützt; das wird auch in Zukunft der Fall sein.Die SPD will mit ihrem Antrag auf Drucksache 246 die Bundesregierung anregen, die Verhältnisse in der mittelständischen Wirtschaft auch weiterhin aufmerksam zu beobachten und über die Entwicklung dem Parlament zu berichten. Dieses Bemühen wird auch von uns begrüßt. Wenn aber — was wir leider aus manchen Formulierungen herauslesen müssen — der Antrag der SPD dazu führen soll, für den Mittelstand eine ständige Berichterstattung nach dem Muster des Grünen Planes einzuführen, dann müssen wir uns auch heute wieder gegen solche Absichten wehren. Im Gegensatz zu dem geschlossenen Bereich der Agrarwirtschaft ist der Bereich der mittelständischen Wirtschaft sehr uneinheitlich und differenziert und läßt deswegen eine Berichterstattung im Sinne des Grünen Berichtes und Maßnahmen, wie sie im Landwirtschaftsgesetz vorgesehen sind, nicht zu. Wir stellen seit Jahren immer wieder fest, daß es gerade für den Mittelstand keinen „Grauen Plan" und keine generellen Hilfsmaßnahmen geben kann. Wir stellen auch heute wieder
Metadaten/Kopzeile:
1418 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Burgemeisterfest, daß wegen der Vielschichtigkeit und Differenziertheit in diesem Bereich nur gezielte punktuelle Maßnahmen wirksam sein können. Nach unserer Ansicht darf der von der SPD geforderte Bericht keine derartigen Tendenzen zeigen.Es muß noch viel mehr als bisher auf eine konsequente Verwirklichung der sozialen Marktwirtschaft gedrängt werden. In einer gut funktionierenden Marktwirtschaft, im Wettbewerb liegen die besten Chancen auch für die Entfaltung und Entwicklung des Einzelnen im Mittelstand. In der CDU/CSU-Fraktion ist die Mittelstandspolitik immer als eine gesellschaftspolitische Aufgabe verstanden worden. Sie wird es auch in dieser Legislaturperiode für uns bleiben. Insoweit betrachten wir es als eine besondere Aufgabe, die von der Bundesregierung festgelegten mittelstandspolitischen Zielsetzungen durch eigene Vorschläge voranzutreiben und immer wieder neue Grundlagen zu erarbeiten. Der Diskussionskreis „Mittelstand" der CDU/CSU-Fraktion hat sehr konkrete Vorschläge entwickelt und diese inzwischen der Fraktion vorgelegt.Der Hauptpunkt dieser Vorschläge betrifft die Steuer- und Finanzpolitik. Gerade durch die Steuer- und Finanzpolitik werden die ärgsten Verzerrungen hervorgerufen, die sich auch heute noch für die mittelständische Wirtschaft besonders nachteilig auswirken. Dies kann und muß immer wieder vor allem von dem derzeitigen Umsatzsteuersystem gesagt werden. So werden wir nicht müde werden, immer wieder auch darauf zu drängen, daß in der Frage der Umsatzsteuerreform die Kräfte nicht erlahmen und erkennbare Ansätze für eine Reform weiterentwickelt und vervollkommnet werden.Mit meinen mittelständischen Freunden bin ich der Meinung, daß für uns nur eine Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug oder Vorumsatzabzug in Frage kommt. Wenn verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen und wenn vor allem im Finanzministerium der Einwand erhoben wird, daß Ausnahmen in diesem System einer Mehrwertsteuer nicht zugelassen werden könnten, weil dadurch die Übersichtlichkeit und Anwendbarkeit einer solchen Steuer eingeschränkt würde, so sind wir der Meinung, daß darüber diskutiert werden sollte und daß darüber diskutiert werden muß, um festzustellen, wie solche Schwierigkeiten vermieden oder sie ausgeschaltet werden können. Uns erscheint es wichtiger, überhaupt einmal eine mögliche Reform zu diskutieren und Wege zu suchen, als von vornherein alle Vorschläge als undurchführbar abzulehnen.
Es sollte möglichst bald in diesem Hohen Hause eine Entscheidung darüber fallen, ob vom bisherigen System abgegangen werden soll oder nicht. Ohne eine solche Vorentscheidung noch in diesem Jahre wird sonst wohl kaum damit zu rechnen sein, daß in dieser Legislaturperiode eine Reform der Umsatzsteuer zu ermöglichen ist.Zu den Vorschlägen, die wir der Bundesregierung zu einer aktiven Mittelstandspolitik zu unterbreiten haben, gehört auch die Forderung, beschleunigteMaßnahmen für die Reform der Gemeindefinanzen durchzuführen. Diese Aufforderung richtet sich mit allem Nachdruck auch an die Länderregierungen. Bei den verschiedenen Lösungsvorschlägen sollte vor allem darauf geachtet werden, daß damit auch regional die Auflockerung der Ballungsgebiete erreicht wird.Das Problem der Gewerbesteuer ist bereits angeschnitten worden, so daß ich dazu nicht Stellung zu nehmen brauche. Zu den Vorschlägen an die Bundesregierung gehört auch die früher schon erhobene Forderung nach der Bereinigung der Einheitswerte. Damit soll keineswegs das Ziel verbunden sein, höhere Grundsteuern als bisher zu erheben. Es muß vielmehr eine den tatsächlichen Wertverhältnissen entsprechende Verteilung der Lasten auch auf diesem Gebiet herbeigeführt werden.Ferner sollte in diesem Zusammenhang gerade auch zur Eindämmung der Konzentration eine Novelle zur Vermögensteuer erarbeitet werden. Ziel einer solchen Änderung wäre vor allem eine weitere Anhebung der Freibeträge und eventuell eine zusätzliche Belastung aller derjenigen Vermögen, die nicht dem Lastenausgleich unterliegen und etwa über 10 Millionen DM hinausgehen. Dabei könnte auch die Frage der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer von der Einkommensteuer mit bereinigt werden.Über das Schachtel- und Organprivileg, falls wir in der Umsatzsteuerfrage nicht zu einem Systemwechsel kommen, ist in diesem Zusammenhang erneut gesprochen worden. Dieses Privileg gibt es aber nicht nur im Bereich der Umsatzsteuer; die Problematik des sogenannten Schachtelprivilegs stellt sich auch in der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie im Bewertungsgesetz für die Vermögen- und Gewerbesteuer.Von meinen Freunden im Diskussionskreis „Mittelstand" der CDU/CSU sind auch Vorschläge für eine Reform der Körperschaftsteuer erarbeitet worden, die vor allem das Ziel haben, konzentrationsbegünstigte Elemente dieser Steuer zu beseitigen. Im Rahmen der heutigen Ausführungen würde es jedoch zu weit führen, hierzu schon jetzt eingehende Angaben zu machen. Wir werden uns mit der Regierung über diese Vorschläge sehr intensiv unterhalten. Es geht dabei vor allem um die Besteuerung des ausgeschütteten und nicht ausgeschütteten Gewinns.Im Zusammenhang mit der Doppelbesteuerung ausländischer Unternehmen und aus den mit der Steuerflucht zusammenhängenden Problemen ergeben sich entscheidende Wettbewerbsverzerrungen in unserer Wirtschaft. Wenn auch die Bundesregierung, wie wir wissen, in diesen Fragen bei ihren Vertragspartnern nicht immer das rechte Verhältnis findet, sollte jedoch keine Mühe gescheut werden, Lösungen zu finden, die inländischen Betrieben eine Gleichstellung mit ausländischen Betrieben auf dieser Ebene ermöglichen.Zu dem Strauß der Steuerfragen gehört auch die Beseitigung von Steuerpivilegien der öffentlichen Hand. Wenn Wirtschaftsbetriebe der öffentlichenDeutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1419BurgemeisterHand im Wettbewerb mit Privatunternehmen stehen, muß die steuerliche Behandlung dieser Wettbewerber gleich sein.Weiter soll die Bundesregierung aufgefordert werden, zu überprüfen, inwieweit durch die Erbschaftsteuer die Konzentration begünstigt oder gefördert wird. Sie sollte, wenn sich das ergibt, dem Bundestage entsprechende Novellierungvorschläge unterbreiten.Die CDU/CSU-Fraktion ist der Meinung, daß die Bundesregierung alle Mühe darauf verwenden sollte, daß die Konzentrationsenquete, so wie geplant, im Jahre 1963 dem Bundestag vorgelegt wird. Käme der Bericht erst später in den Bundestag, so könnte man in dieser Legislaturperiode damit sicher nicht mehr viel anfangen. Auch ohne daß dieser Bericht dem Bundestag vorliegt, sollen und müssen wir jedoch schon jetzt Maßnahmen in den Bereichen erwägen und treffen, in denen konzentrationsfördernde Elemente bekannt sind.Wir begrüßen es daher, daß die Beratungen über die Aktienrechtsreform bereits aufgenommen werden konnten. Damit wird deutlich unterstrichen, daß die Bundesregierung ernsthaft daran interessiert ist, die Konzentration in unserer Wirtschaft zu beschränken. Auch die Reform des Genossenschaftsrechts wird aus diesem Grunde von uns begrüßt. Auch hier sind die Vorbereitungen bereits weit gediehen. Dennoch muß ich darauf hinweisen, daß im Anschluß an die Aktienrechtsreform unverzüglich eine Reform des GmbH-Rechts, möglichst noch in dieser Legislaturperiode, erfolgen sollte. Beide gesellschaftsrechtlichen Formen sind einander zu sehr verwandt, als daß man zwei verschiedene Konzeptionen nebeneinander bestehen lassen könnte. Im Gegensatz zu den vor kurzem abgegebenen Erklärungen der Regierung möchte ich daher den Wunsch äußern, daß dennoch an eine Erarbeitung eines entsprechenden Reformvorschlages für das GmbH-Recht baldmöglichts herangegangen wird.Die in der Regierungserklärung vom 29. November 1961 angekündigte Förderung wirtschaftlich schwach strukturierter Gebiete wird von uns sehr unterstützt. Die Bundesregierung wird von uns aufgefordert werden, dem Bundestag weitere Vorschläge für die Privatisierung von Betrieben des Bundesbesitzes zu unterbreiten. Ich denke dabei z. B. auch an eine Überführung der Handelsbetriebe, die im Bereich von Salzgitter von den damaligen Reichswerken unter der Firmenbezeichnung „Verso" aufgebaut wurden und die, gerade weil es sich hier um typisch mittelständische Betriebe handelt, für eine Privatisierung besonders geeignet erscheinen.Wenn es um die Eindämmung der Konzentration geht, muß zwangsläufig auch an die Privatisierung des gemeinnützigen Wohnungsbaubesitzes gedacht werden. Wir werden nicht müde werden, die Bundesregierung zu mahnen, entsprechende Vorlagen zu erarbeiten.Die Leistungsfähigkeit einer Volkskwirtschaft ist in hohem Maße vom beruflichen Können und Wissen der in dieser Wirtschaft Beschäftigten abhängig. Die Möglichkeit, einen Beruf selbständig ausüben zukönnen, wird von einer guten Ausbildung beeinflußt. Daher ist die Berufsausbildung ein wichtiges Element unserer mittelständischen Wirtschaftspolitik. Die gesetzliche Regelung dieser Berufsausbildung, die bisher noch nicht genügt, sollte daher möglichst bald erfolgen. Wir werden hier in Kürze Gelegenheit haben, uns darüber zu unterhalten.Abgerundet werden unsere Vorstellungen über eine gute und geschlossene Mittelstandspolitik durch entsprechende sozialpolitische Vorstellungen, über die hier zum Teil schon der Kollege Porten gesprochen hat und über die wir uns in Kürze ebenfalls werden unterhalten können.Wenn wir so umfassende Vorstellungen über strukturelle Maßnahmen entwickeln können, so ist dies vor allem deswegen möglich, weil die Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode des Bundestages mit ihrem interministeriellen Ausschuß für Mittelstandsfragen und mit dem in diesem Ausschuß erstellten Bericht über die Mittelstandsschichten eine gute Arbeit geleistet hat. Diese gute Vorarbeit muß nun aber — da sind wir der gleichen Meinung wie die SPD —durch entsprechende Maßnahmen in dieser Legislaturperiode ausgebaut und erweitert werden. Dazu können die mit dem Antrag der SPD geforderte Vorlage ergänzender Berichte und die vorgeschlagenen Maßnahmen nur dienlich sein.Wir haben uns inzwischen interfraktionell darüber unterhalten, inwieweit wir dem Antrag der SPD-Fraktion zustimmen können, den ersten Teil des Antrags Drucksache IV/246 schon heute zu verabschieden. Ich glaube, ich kann sagen, daß inzwischen eine Fassung gefunden worden ist, die die vom Kollegen Schmücker vorgetragenen Bedenken ausräumt, so daß wir uns damit in die Lage versetzt sehen, den ersten Teil dieses Antrags heute zu verabschieden und den zweiten Teil im Ausschuß weiter zu behandeln.Gegen diesen zweiten Teil des Antrags jedoch muß ich heute schon erhebliche Bedenken anmelden, weil er gerade die Dinge beinhaltet, in denen wir eben das sehen, Herr Kollege Lange, was wir, wie ich vorhin schon ausführte, nicht wollen, nämlich eine Art Grauen Plan nach dem Muster des Grünen Plans auch für den Bereich der mittelständischen Wirtschaft. Das wollen wir nicht, und deswegen wenden wir uns gegen die Fassung, die in dem zweiten Teil Ihres Antrags enthalten ist.Wir werden deswegen in den Ausschußberatungen vorschlagen, daß sich die Bundesregierung zugleich mit der Vorlage des Berichts, wie er in Punkt 1 des Antrags gefordert wird, darüber äußert, welche Absichten sie in diesem Bereich selber hat und in welcher zeitlichen Reihenfolge bzw. zu welchen Zeitpunkten sie dem Bundestag entsprechende Vorlagen unterbreiten wird.Die Bundesregierung muß selbstverständlich Vorstellungen darüber entwickeln, wie die Dinge verwirklicht werden können. Dazu ist die Erstellung eines Arbeits- und Zeitplans erforderlich. Gerade weil sich die Bundesregierung laufend mit Augenblicksproblemen 'beschäftigen muß, kann sie sehr
Metadaten/Kopzeile:
1420 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Burgemeisterleicht abgelenkt werden, und es könnten wichtige Probleme durch andere, ebenso wichtige Probleme beiseitegedrängt werden. Um eine solche ungewollte Zurückstellung zu verhindern, sollte der interministerielle Ausschuß wieder in Funktion treten. Ihm sollte wieder die Erarbeitung entsprechender Vorlagen übertragen werden. Dabei muß nach unserer Meinung die Federführung selbstverständlich wieder beim Bundesminister für Wirtschaft liegen, der sich ja selbst einmal als Staatssekretär des Mittelstandes bezeichnet hat.Herr Kollege Lange, ich wollte nicht zu sehr polemisch werden und bin es hoffentlich auch nicht geworden. Aber auf einen Punkt wollte ich noch zu sprechen kommen, nämlich auf den letzten Punkt Ihres Antrags, in dem Sie sagen:für die bei diesen Gruppen beschäftigten Arbeitnehmer Lebens- und Arbeitsbedingungen ermöglichen, die denjenigen der Arbeitnehmer in der Großwirtschaft vergleichbar sind.Es hätte mich und, ich glaube, alle meine Freunde und auch alle besonders in Familienbetrieben der mittelständischen Wirtschaft Beschäftigten gefreut, wenn Sie sich darüber hinaus auch Gedanken darüber gemacht oder Vorstellungen entwickelt hätten, wie man denjenigen helfen kann, die in diesen Familienbetrieben bei geringerem Einkommen als früher heute mehr Arbeit leisten müssen als umgekehrt die Arbeitnehmer, die bei weniger Arbeit mehr verdienen. Das ist das Problem, über das besonders gesprochen werden muß.
Es war davon die Rede, daß man nicht immer überzeugt ist, daß das, was in Ihren Anträgen anklingt, Wirklichkeit wird. Auch hierfür ein Beispiel, das manchen Zweifel aufkommen läßt. Ich höre gerade, daß im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen eine Illustrierte verbreitet wird, in der ein Kollege Ihrer Fraktion, der gleichzeitig Bürgermeister ist, dafür gerühmt wird, daß er eine Straßendampfwalze und andere Straßenbaugeräte angeschafft hat, um die Gemeinde von Straßenbaufirmen unabhängig zu machen. Gerade das wollen wir nicht, und das wollen Sie eigentlich auch nicht. Es sind dies öffentliche Arbeiten, die durchaus auch von Betrieben des mittelständischen Bereichs geleistet werden können und die nicht unbedingt von der öffentlichen Hand selbst ausgeführt werden müssen.Herr Kollege Lange, ich möchte damit meine Ausführungen schließen. Ich hoffe, daß wir im Ausschuß genügend Gelegenheit haben, zu all den aufgeworfenen Problemen sehr eingehend Stellung zu nehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Corterier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mit Freude feststellen, daß unser Antrag Drucksache 246 offensichtlich ein sehr starkes Echo bei den Koalitionsfraktionen gefunden hat; sonst wäre es wohl nichterklärlich, daß wir heute eine so erfreulich große Zahl sachverständiger Kolleginnen und Kollegen zu diesem Problem gehört haben.
— Sehr schön, Herr Schmücker!
Ich möchte mich darauf beschränken, unsere Forderung zu erläutern, daß die Bundesregierung Maßnahmen einleitet, durch die Wettbewerbsnachteile aus der Steuergesetzgebung beseitigt werden.Jemand, der der heutigen Diskussion unvoreingenommen zugehört hat, könnte der Meinung sein, dies seien alles Probleme, die völlig neu auf uns zugekommen seien, und wir alle in diesem Hohen Hause seien nun freudig bereit, für Abhilfe zu sorgen und uns gemeinsam um die Lösung dieser Probleme zu bemühen. Tatsächlich handelt es sich aber um Probleme, mit denen wir uns schon seit Jahren herumschlagen. Meine Fraktion ist nicht dafür verantwortlich, daß diese Probleme bisher nicht gelöst worden sind. Man sollte also nicht den Eindruck erwecken, daß es sich hier um Dinge handle, die nun plötzlich neu auf uns zukämen.Erfreulich ist immerhin, daß wir einig sind in dem Willen, zu versuchen, die Übelstände, die wir erkannt haben, durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen zu beseitigen.Ich bin mit Ihnen der Meinung, Herr Schmücker, daß sich der Ausdruck „Mittelstand" als Arbeitstitel eingebürgert hat und daß man ihn als solchen ruhig verwenden kann. Man muß sich aber darüber im klaren sein, daß wir es hier natürlich nicht mehr mit einem „Stand" zu tun haben. Insofern ist der Ausdruck nicht ganz exakt, und ich würde eher von „Mittelschichten" sprechen. Aber darüber wollen wir uns nicht streiten.Herr Kollege Opitz, Sie meinten, von dem Bericht hätte der Mittelstand nichts. Nun, Sie glauben ja wohl nicht, daß wir diesen Bericht dann vervielfältigen lassen, ihn dem selbständigen Mittelstand übersenden und dann sagen wollten: Da hast du eine Hilfe! — Davon kann doch keine Rede sein. Aus dem weiteren Verlauf der Diskussion ist wohl eindeutig hervorgegangen, daß die Berechtigung dieses Verlangens nach einem Bericht vom ganzen Hause anerkannt wird.Um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eines der Grundprobleme des modernen Steuerrechts schlechthin, ist es, wie wir wissen, schlecht bestellt. Das zeigt sich, wenn man einen Blick auf die verschiedenen Schichten in unserer Gesellschaft wirft. Wir alle wissen, daß gleiches Recht sich ungleich auswirkt, und das möchten wir in Zukunft vermieden wissen. Darunter leiden gerade die Selbständigen in Handel, Handwerk und Gewerbe, die freien Berufe und die kleinen und mittleren Industrieunternehmer.Es beginnt schon bei der sogenannten Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Ich habe einige Erfahrung auf diesem Gebiet. Vor einigen Jahren habe ich schon einmal einem Finanzamtsvorsteher in Süddeutschland klargemacht, daß es gewisse Berufszweige gibt, denen man eine ordnungsmäßige Buch-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1421
Corterierführung im formalen Sinne gar nicht zumuten kann, weil sie dazu einfach nicht in der Lage sind. Auf der anderen Seite können sie auch niemanden mit der Buchführung beauftragen, weil diese Kreise zu denen gehören, die am unteren Ende der Freien, wenn ich so sagen darf, stehen. Infolgedessen werden sie, wenn die Ordnungsmäßigkeit ihrer Buchführung einmal bemängelt wird, zweimal bestraft. Bei diesen Dingen beginnt es schon, und dort sollten wir ansetzen. Dieses Problem sollten wir neu regeln, so daß die Selbständigen in den Mittelschichten einen Vorteil davon haben.Auch wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß man keine Sondergesetze für den Mittelstand schaffen sollte, auch keine Sondersteuergesetze. Das haben wir hier und draußen oft genug verkündet. Was wir aber verlangen müssen, ist, daß gleiches Recht auch gleichbleibt und daß sich gleiches Recht nicht, wie es heute in der Praxis leider oft der Fall ist, ungleich auswirkt.Es gibt auf der anderen Seite eine Reihe von Dingen, die wir hier in diesem Hause im Verlaufe der letzten Jahre zunächst in der Absicht beschlossen hatten, einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen. Ich darf meine sehr verehrte Kollegin Frau Diemer-Nicolaus daran erinnern, daß wir einmal Sonderausgaben, erhöhte Sonderausgaben, doppelte Sonderausgaben für die Angehörigen der freien Berufe, die über fünfzig Jahre alt waren, geschaffen hatten. Das war damals — aus den bekannten Gründen — eine Notwendigkeit. Hinterher wurde dann aber bei einer weiteren Änderung des Einkommensteuergesetzes diese Erhöhung der Sonderausgaben für alle genehmigt. Damit war der ursprünglich gewollte Effekt natürlich wieder dahin.Ich bin mit Herrn Kollegen Schmücker durchaus einig, der sagte, der § 26 des Einkommensteuergesetzes, nämlich die Zusammenveranlagung oder die Getrenntveranlagung, habe damals sehr viel Staub aufgewirbelt. Mit Recht hat das Bundesverfassungsgericht gesagt: Der § 26 alter Fassung ist nicht verfassungsgemäß, er muß geändert werden. Was geschah dann? Wir haben das sogenannte Splitting geschaffen. Die Frau des Metzgers — das ist einer der typischen Berufe, in dem auf die Mitarbeit der Frau einfach nicht verzichtet werden kann; es gibt auch noch eine ganze Reihe anderer — muß heute zu den gleichen steuerlichen Bedingungen arbeiten, wie das vorher der Fall war; denn das Splitting gilt für alle Steuerpflichtigen, nicht nur für die mithelfende Ehefrau im Handwerksbetrieb, auf die damals unsere Bemühungen ja ausschließlich ausgerichtet waren und für die wir eine Gleichmäßigkeit in echtem Sinne 'erreichen wollten.Ähnlich ist es uns mit einer Reihe von anderen Dingen ergangen. Ich muß schon sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten unsere Bemühungen wirklich verdoppeln und heute nicht nur mit Erkenntnissen diskutieren, sondern versuchen, diese Erkenntnisse auch in die Tat umzusetzen. Ich glaube, wir sind uns im zuständigen Ausschuß sowohl auf der einen wie auf der anderen Seite über die Notwendigkeiten durchaus einig. Es muß nur etwas getan werden.
Metadaten/Kopzeile:
1422 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
— Seien Sie einmal friedlich!Herr Burgemeister, Ihnen kann geholfen werden, was die Betriebe und die in den Betrieben Beschäftigten angeht. Eine der Voraussetzungen muß allerdings sein, daß die augenblickliche soziale Schwäche, die bei einem wesentlichen Teil dieser Betriebe, verglichen mit stärkeren, vor allen Dingen mit Großbetrieben, vorhanden ist, nicht Anlaß sein darf — und damit deckt sich die Aussage des Kollegen Schmücker mit dem, was ich hier feststelle —, weite Teile der Arbeitnehmerschaft sozialpolitisch ungünstiger zu stellen als andere. Ich glaube, da sind wir uns einig.Was die mithelfenden Familienangehörigen betrifft, Herr Burgemeister, verfolgen Sie Ausschußprotokolle und auch Plenarprotokolle! Dann werden Sie feststellen, daß wir recht bald, wahrscheinlich sogar ohne Meinungsverschiedenheiten, zu brauchbaren Ergebnissen kommen. Insoweit kann Ihnen also durchaus geholfen werden.Jemand würde ich aber gerne warnen wollen: die Kollegin Frau Dr. Diemer-Nicolaus. Mir scheint, es ist völlig verfehlt — und deshalb möchte ich davor warnen —, einem Teil des Hauses — das ist wechselseitig verschieden — immer Gesetzesgläubigkeit zu unterstellen. Gewisse Bereiche sind nun einmal durch Gesetze geregelt, Gesetze, die wir schließlich zu gegebener Zeit nur wieder durch andere Gesetze, Novellierungen, ändern können. Insoweit muß sich auch Frau Kollegin Diemer-Nicolaus damit abfinden, daß gewisse Dinge ohne gesetzgeberische Maßnahmen einfach nicht zu machen sind.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1423
Lange
— Das hat doch kein Mensch behauptet! Lesen Sie einmal sehr sorgfältig, was da steht. Wenn wir noch ein und dieselbe Muttersprache sprechen, meine Damen und Herren, dann, meine ich, sollte es auch möglich sein, daß wir uns über die Begriffe, die hier verwendet werden, verständigen. Sie versuchen, hier wieder etwas hineinzugeheimnissen. Wir werden uns also darüber unterhalten, was von unserer Seite jetzt im einzelnen beantragt ist. Dieser Gesetzentwurf soll Maßnahmen gewährleisten und dann lesen Sie weiter! Das ist etwas ganz anderes, als was heute durch die Diskussion gegeistert ist. Aber ich würde sagen, wir sollten diesen Punkt jetzt nicht hier in der Plenardebatte zu klären versuchen, sondern wir sollten uns darüber im Ausschuß unterhalten. Das scheint mir nämlich wesentlich nützlicher zu sein, well sich in der Diskussion herausgestellt hat, daß hinsichtlich der einzelnen Fragenkreise weitgehend Berührungspunkte vorhanden sind. Ich würde also ernsthaft vorschlagen, den zweiten Teil einmal sehr sorgfältig im Ausschuß zu überprüfen.
Ich bin dann gar nicht mehr so sicher, Herr Kollege Burgemeister, ob Sie bei dem hier vorhin so tapfer ausgesprochenen Nein bleiben werden.
— Wir werden ja sehen, Herr Kollege Schmücker, wohin wir kommen. Es ist überhaupt interessant, festzustellen, was seitens der Regierungsparteien heute auf Grund unseres Antrages nun alles als der letzte und ausschließliche Wille dieser Regierungsparteien dargelegt worden ist. Da kann man eine ganze Menge durchaus unterschreiben. Auf der anderen Seite würde ich allerdings mit der Kollegin Diemer-Nicolaus sagen: Da wir hier im Hause drei verschiedene Fraktionen sind, gibt es sicherlich auch noch in verschiedenen und zuletzt wesentlichen Punkten Meinungsverschiedenheiten. Völlig klar! Aber ob die sich hier oder auf welchen Sachgebieten sie sich äußern müssen, das ist die nächste Frage, die wir dann in der, wie ich hoffe, vertieften sachlichen Ausschlußberatung klären können.Ich würde auch Herrn Burgemeister bitten, in bezug auf die Entwicklung der eigenen Partei genauso sorgfältig Ausschußprotokolle und Plenarprotokolle und auch Parteitagsbeschlüsse zu studieren, um nicht zu Formulierungen zu kommen wie: „Von Anfang an hat die CDU . . .", so als ob sie nie etwas anderes als heute vertreten hätte. Sie haben gelernt, wir haben gelernt, wir haben alle miteinander gelernt. Wieweit wir voneinander gelernt haben, steht dann noch auf einem anderen Blatt.Nun zu dem Antrag selbst.Zu Punkt 1 würden wir also folgendes vorschlagen — ich bitte, Herr Präsident, das verlesen zudürfen —:Der Bundestag wolle beschließen:Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag in Fortsetzung des am 13. Juli 1960 übermittelten Berichtes über die Lage der Mittelschichten — Drucksache 2012 der 3. Wahlperiode — einen Ergänzungsbericht vorzulegen. Dieser Ergänzungsbericht soll den ersten Bericht vervollständigen. Der Ergänzungsbericht soll dem Bundestag bis zum 31. Dezember 1962 erstattet werden.Darüber hinaus wird die Bundesregierung ersucht, sobald wie möglich dem Bundestag zu diesen Berichten vergleichbares Zahlenmaterial und vergleichbare Tatbestände in vergleichender Darstellung zu übermitteln.Das wäre also, wenn Sie so wollen, die neue Formulierung, über die wir uns ja wohl verständigt haben, über die zu entscheiden ich hier bitte, und zwar in dieser Lesung.Den Punkt 2 würde ich dann der Ausschußüberweisung anheimgeben.Nun lassen Sie mich zum Abschluß dieser Debatte noch eine letzte Feststellung treffen in Ergänzung zu dem, was Herr Kollege Schmücker in seinem Diskussionsbeitrag zu Beginn schon festgestellt hat. Ich bin der Meinung, daß ein solches Thema wie das hier jetzt abgehandelte nicht nur Angelegenheit des Bundeswirtschaftsministers, sondern Angelegenheit weiterer Ressorts und insoweit der ganzen Bundesregierung ist. Ich glaube, es würde auch der Regierungserklärung vom 29. November 1961 dienlicher sein, wenn sich bei der Auseinandersetzung über diese Frage heute neben dem tapfer ausharrenden Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft auch die übrigen beteiligten Ressorts auf der Regierungsbank präsentiert hätten.
— Blank war eine Zeitlang da, nachdem er nämlich von uns zitiert. wurde; von da nach da gekommen; völlig klar! Aber meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten alle miteinander als Parlament auch von der Regierung erwarten dürfen, daß sie den Verhandlungen dieses Parlaments mit mehr Achtung und mit mehr Aufmerksamkeit begegnet, als aus solcher Verhaltensweise erkennbar wird.
Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP betreffend Kreditversorgung des Mittelstandes, Drucksache IV/192. Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Mittelstandsfragen —federführend — und den Wirtschaftsausschuß — mitberatend —. — Das Haus ist einverstanden.Dann zum Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache IV/246, betreffend Förderung der Mittelschichten. Ziffer 1 soll in der von Herrn Abgeordneten Lange verlesenen Fassung, also verkürzt, zur Abstimmung gestellt werden. Es besteht Klarheit über den Wortlaut? — Wer zustimmt, gebe bitte Zei-
Metadaten/Kopzeile:
1424 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Vizepräsident Dr. Dehlerchen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ziffer 2 dieses Antrages soll ebenso wie der Antrag unter Punkt 24 c), Drucksache IV/384, dem Ausschuß für Mittelstandsfragen — federführend —, dem Wirtschaftsausschuß und dem Ausschuß für Arbeit überwiesen werden. Darf ich Einverständnis feststellen? — Kein Widerspruch.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Sechzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Drucksache IV/455).Keine Aussprache! Vorgesehen ist Überweisung an den Außenhandelsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe auf den Tagungsordnungspunkt 26:Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Siebzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (DrucksacheIV/456). Keine Aussprache! Vorgesehen ist Überweisung an den Außenhandelsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 27:Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Achtzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (DrucksacheIV/457). Vorgesehen ist lediglich Überweisung an den Außenhandelsausschuß. — Ohne Widerspruch; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 28:Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Neunzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Drucksache IV/ 458) .Vorgesehen ist Überweisung an den Außenhandelsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung. — Auch das ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 29:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Zweiundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Frühkartoffeln—Außen-Zollsatz) (Drucksachen IV/424, IV/444).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Müller . Wünscht er das Wort?
— Ohne Berichterstattung. Wir kommen zur Beschlußfassung über den Antrag des Ausschusses, dem Verordnungsentwurf unverändert zuzustimmen. Wer so beschließen will, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Tagesordnungspunkt 30:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Dreiundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Frühkartoffeln — Juni) (Drucksachen IV/429, IV/445).Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Glüsing . Wünscht er den Bericht zu erstatten? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Verordnungsentwurf unverändert zuzustimmen. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 31:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit über den von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme vorgelegten Entwurf einer Verordnung zur Durchführung einer Erhebung über die Löhne in gewissen Industriezweigen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Jahr 1961) (Drucksachen IV/398, IV/425).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schneider . Wünscht er das Wort? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 1, den Verordnungsentwurf zur Kenntnis zu nehmen. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen zum Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2:Der Bundestag wolle beschließen,2. die Bundesregierung erneut zu ersuchen, entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 ... darauf einzuwirken, daß ihr die Vorlagen so rechtzeitig zugehen, daß eine Stellungnahme bzw. eine Anregung des Bundestages vor einer Behandlung durch den Ministerrat möglich ist.Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1425
Vizepräsident Dr. Dehler Tagesordnungspunkt 32:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Immunitätsangelegenheiten — betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Jaksch gemäß Schreiben der Rechtsanwälte Hamburger, Dr. Haag und Malsy, Frankfurt (Main), vom 21. Dezember 1961 (Drucksache IV/437).Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Dittrich. Ich gebe ihm das Wort zum Bericht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erbitte Ihre Aufmerksamkeit für einen Immunitätsfall unseres Kollegen Jaksch. Dieser Immunitätsfall beschäftigte den Deutschen Bundestag schon in der letzten Legislaturperiode. Der Deutsche Bundestag kam damals in der 3. Legislaturperiode zu dem Ergebnis, die Immunität des Abgeordneten Wenzel Jaksch nicht aufzuheben.
Es handelt sich um ein Privatklageverfahren, das die Rechtsanwälte Hamburger, Dr. Haag und Malsy aus Frankfurt im Auftrage des Herrn F. Kögler aus London eingereicht haben und dem folgender Tatbestand zugrunde liegt.
Unser Kollege Jaksch hat im Jahre 1958 bei der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart ein Buch „Europas Weg nach Potsdam, Schuld und Schicksal im Donauraum" erscheinen lassen. In diesem Buch sind folgende Sätze enthalten:
Der Krieg wurde nicht länger als eine Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Faschismus angesehen, sondern als ein Waffengang zwischen den eroberungssüchtigen Deutschen und ihren friedfertigen Nachbarn. Im Zuge dieser Entwicklung kam es zu einer engen Zusammenarbeit zwischen dem zum Deutschenhasser gewandelten konservativen Lord Vansittart und einer Gruppe alliierter Sozialisten um Huysman und Gillies. Diese „Fight for Freedom" ... getaufte Aktion bediente sich auch der willfährigen Feder einiger Emigranten, um einen „harten Frieden" gegen alle Deutschen vorzubereiten.
In der Anmerkung 34 zu Seite 369 des oben zitierten Teils heißt es wie folgt:
Im März 1943 erschien im „Fight for Freedom"-Verlag der Vansittart-Gruppe eine Broschüre des ehemaligen sudetendeutschen Abgeordneten Franz Kögler
— eben des Privatklägers —
über die Sudetenfrage unter dem suggestiven Titel „Opresses Minority?" ..., worin er den englischen Lesern einen rosigen Ausblick zeigte. Irgendwelche vertragliche Sicherung der Rechte der Sudetendeutschen — so schrieb Kögler — seien nicht erforderlich. Die Völker der Tschechoslowakei würden nach Wiedererlangung ihrer Freiheit zu einem friedlichen Zusammenleben zurückkehren. „Und das wird die Rettung der deutschsprechenden Bevölkerung in der kommenden tschechoslowakischen Republik sein." Zu diesem Pamphlet eines Renegaten hatte die dem Vansittart-Flügel angehörende Frauensekretärin der Labour Party, Mary Suther, ein passendes Vorwort geschrieben.
In der Begründung zum Strafantrag ist dargelegt, die Ausführungen in der Anmerkung des Buches zeigten, daß der Verfasser unter den „Emigranten, deren willfähriger Feder sich die Aktion bediente, um einen harten Frieden gegen alle Deutschen vorzubereiten", auch den Anzeiger verstehe. Er sei ebenso wie der Beschuldigte Mitglied der ehemaligen Deutschen Sozialdemokratischen Partei der CSR gewesen. Der Beschuldigte habe durch die oben zitierten Ausführungen, so heißt es in der Privatklage, in seinem Buch somit einem früheren Parteifreund der Wahrheit zuwider vorgeworfen, daß er als Emigrant an der Vorbereitung eines harten Friedens für Deutschland mitgewirkt habe. Darüber hinaus sei der Anzeiger als Renegat bezeichnet worden und die von dem Anzeiger veröffentlichte politische Schrift als „Pamphlet" betitelt.
Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung kam in seiner Sitzung vom 30. Mai 1962 zu dem Ergebnis, Ihnen auf Grund eines neuerlichen Antrags der besagten Rechtsanwälte vom 21. Dezember 1961 zu empfehlen, die Immunität des Kollegen Jaksch nicht aufzuheben. Der Ausschuß konnte vor allem nicht erkennen, daß es sich um eine verleumderische Beleidigung handelt. Er kam vielmehr zu der Überzeugung, daß die Beleidigung durch die schriftstellerische Wirksamkeit des Kollegen Jaksch politischen Charakter trägt.
Wir bitten deshalb, die Immunität des Kollegen Jaksch nicht aufzuheben.
Das Wort wird nicht gewünscht. Sie haben den Antrag gehört. Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Punkt 33 der Tagesordnung:Beratung der Ubersicht 4 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/423).Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ausschuß empfiehlt, von einer Äußerung zu diesen Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Punkt 34:Beratung der Sammelübersicht 7 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache IV/440).
Metadaten/Kopzeile:
1426 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Vizepräsident Dr. DehlerDer Antrag des Hauses lautet, die in der Sammelübersicht enthaltenen Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen anzunehmen. Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Damit haben wir die für die heutige Sitzung vorgesehenen Tagesordnungspunkte behandelt. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf morgen, Donnerstag, den 14. Juni, 14.30 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.