Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir kommen zum zweiten Punkt der gemeinsamen Tagesordnung für die Sitzungen dieser Woche, nämlich zur
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1962 (Drucksache IV/200), Berichte des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß).
Ich rufe auf den
Einzelplan 04 -- Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes .
Dais Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel als Berichterstatter.
— Herr Dr. Vogel hält einen Bericht nicht mehr für notwendig. Das Haus verzichtet auf einen mündlichen Bericht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist die Aufgabe des Parlaments bei der Beratung dies Haushalts des Bundeskanzlers, nicht nur die Einzelheiten seines Haushalts zu prüfen, sondern auch die Frage zu stellen, ob die politische Führung der Bundesrepublik, für die der Bundeskanzler verantwortlich ist, den innen- und außenpolitischen Aufgaben unserer Tage gerecht wird.Ich möchte zunächst dem Herrn Bundeskanzler danken, daß er seinen Urlaub unterbrochen hat, um an den Beratungen seines Haushalts teilzunehmen. Ich möchte den Wunsch hinzufügen, daß der jetzt unterbrochene Urlaub ihm die verdiente Erholung und Stärkung seiner Gesundheit bringen möge.Wenn der Bundestag im Juli in die Sommerferien geht, wird das erste Jahr seiner Legislaturperiode bereits zu Ende sein. Wir haben deshalb alle die Pflicht, die Frage zu stellen, ob die nach so qualvollen Bemühungen schließlich zustande gekommene Koalition einen guten Start gehabt hat, einen Start, der zu der Hoffnung berechtigt, daß sie fähig sein wird, mit den schwierigen innen- und außenpolitischen Aufgaben in einer Weise fertig zu werden, die den Interessen unseres Volkes entspricht.Wir Sozialdemokraten müssen diese Frage verneinen. In der schwierigsten Periode der kurzen Geschichte unserer Bundesrepublik haben wir die schwächste Regierung. Ihre Politik ist verworren und unklar. Sie weicht Entscheidungen aus. Sie läßt es an Initiativen fehlen, und der Herr Bundeskanzler läßt die Dinge in einer bei ihm bisher ungewohnten Weise schleifen,
oder er trägt durch seine Äußerungen noch selber zur Unsicherheit und Unklarheit über den Kurs der Regierung bei.Meine Damen und Herren, ich möchte das hier an einer Reihe von Beispielen beweisen, die wir alle miterlebt haben und die jeder auf ihre Richtigkeit hin nachprüfen kann. Ich muß mich dabei beschränken, denn die Gesamtzahl der Beispiele ist zu groß.Beginnen wir mit der Außenpolitik! Ich darf hier erinnern an meine Bemerkungen am Schluß der Debatte über die Regierungserklärung am 6. Dezember 1961. Damals habe ich erklärt, daß wir den Wunsch der Regierung respektieren, vor allem im Zusammenhang mit den Verhandlungen über Berlin schwierige Verhandlungen nicht durch öffentliche Parlamentsdiskussionen zu belasten. Aber diese unsere Erklärung, an die wir uns halten, ist kein Freibrief für eine vom Parlament völlig unkontrollierte Außenpolitik der Regierung. Ich will hinzufügen, daß der Bundesaußenminister in der Zwischenzeit bemüht war, die Fraktionen, auch die sozialdemokratische Fraktion, über wichtige internationale Besprechungen und Verhandlungen zu informieren. Dennoch ist der gegenwärtige Zustand unbefriedigend, weil wir keine volle Übersicht haben und weil vor allem eine weitgehende Unklarheit über die außenpolitischen Vorstellungen und Ansichten der Regierung besteht. Wir behalten uns deshalb ausdrücklich vor, zu gegebener Zeit eine außenpolitische Debatte im Bundestag zu fordern, um die Regierung zu einer Darstellung ihrer Politik zu veranlassen und ihre Ansichten im einzelnen kritisch zu untersuchen.Die Unsicherheit und die Unentschlossenheit der Regierung ist auf allen Gebieten der Außenpolitik
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Ollenhauersichtbar. Was ist z. B. heute die Europapolitik der Regierung? Wir wissen bis heute noch nicht, welchen Inhalt das Gespräch des Bundeskanzlers mit dem französischen Staatspräsidenten de Gaulle in Baden-Baden am 15. Februar 1962 gehabt hat. Die Vorstellungen des Generals de Gaulle über die Schaffung einer politischen Union, eines „Europa der Vaterländer", sind unvereinbar mit einer Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Europas im Zusammenhang mit den bestehenden europäischen Institutionen. Realisiert man die Pläne des französischen Staatspräsidenten, dann wird ein Stillstand in der Fortentwicklung der europäischen Integration auf wirtschaftlichem Gebiet, vielleicht sogar eine Gefährdung des bisher Erreichten unvermeidlich sein.Was will der Herr Bundeskanzler? Was will die Bundesregierung? Gibt es hier eine Übereinstimmung zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Bundeswirtschaftsminister? Alles Fragen, auf die wir bisher keine klare Antwort erhalten haben.Weiter: Wie steht der Herr Bundeskanzler zu der Erweiterung der EWG durch den Beitritt von Großbritannien und anderen europäischen Ländern? Die Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers in seinem Interview mit der französischen Zeitung „Le Monde" vom 10. März 1962 haben ausgerechnet jene Kreise in Großbritannien gestärkt, die gegen die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EWG sind, und sie haben den britischen Europaminister Heath zu einer bemerkenswert scharfen Distanzierung von den Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers veranlaßt. Es gibt auch keine Information und keine eindeutige Erklärung der Bundesregierung zu einer Frage, die für die Weiterentwicklung der europäischen Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung ist.Die Unklarheiten gehen noch weiter. Am 27. November 1961 hat der Verteidigungsminister Strauß in einem Vortrag in der Georgetown University in Washington die Schaffung einer Atlantischen Union auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet gefordert, weil nach seiner Meinung die Einigung Europas durch den Gang der Entwicklung bereits überholt sei. Der Herr Bundeskanzler hat demgegenüber in einem Interview vom 3. April mit Herrn Sulzberger für die „New York Times" erklärt, eine Atlantische Union sei unmöglich, weil sie das Ende der europäischen Idee bedeuten würde. Welches ist hier die Auffassung der Bundesregierung? Angesichts der Bedeutung der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen den europäischen Gemeinschaften und den Vereinigten Staaten handelt es sich hier um einen zentralen Punkt unseres zukünftigen Verhältnisses — vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet — zu den Vereinigten Staaten. Es ist unerträglich, daß hier jede eindeutige und klare Feststellung über die Politik der Bundesregierung fehlt.Wir haben in der vorigen Woche in diesem Hohen Hause eine Debatte über die atomare Rüstung gehabt, in der der Herr Verteidigungsminister eine Reihe von Feststellungen getroffen hat, die wesentlich von seinen bisherigen Aussagen zur Frage der atomaren Ausrüstung der Bundeswehr und des Ausbaues der NATO zur vierten Atommacht abweichen; sie stehen auch in Widerspruch zu wiederholten Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers. Ich frage: ist die von Herrn Strauß in der vorigen Woche hier entwickelte Auffassung jetzt die verbindliche Auffassung der Bundesregierung, und kann sie als Richtlinie der Politik auf diesem Gebiete angesprochen werden? Wir sind skeptisch und haben Zweifel angesichts der großen Neigung der Koalition, diese Frage immer wieder zum Streitgegenstand in innenpolitischen Auseinandersetzungen zu machen. Käme die Bundesregierung zu einer klaren Entscheidung im Sinne der vom Bundesverteidigungsminister vertretenen Auffassung, dann hätte das eine große, vor allem außenpolitische Bedeutung; denn dann könnte sie die Bundesregierung veranlassesn, durch die Entwicklung und Vertiefung dieses Standpunktes einen positiven Beitrag zu den schwierigen Genfer Abrüstungsverhandlungen zu leisten.Der Herr Bundeskanzler hat sich zu den Genfer Verhandlungen unterschiedlich geäußert. Er hat einmal erklärt, man könne von Genf nichts erwarten, und ein anderes Mal behauptet, Genf habe bis jetzt nichts verdorben. Soweit wir sehen können, sind diese Randbemerkungen der einzige Beitrag — sowohl in bezug auf die Abrüstung als auch in bezug auf die Gespräche über Berlin — der Bundesregierung zu den für uns alle lebenswichtigen Beratungen in Genf. Das ist wiederum ein unbefriedigender Zustand.Sicher wird die Bundesregierung erklären, daß auch sie zu den Möglichkeiten der Genfer Verhandlungen Stellung genommen habe. Aber wir fürchten, daß diese Stellungnahme dahin geht, alles zu verwerfen, was in irgendeiner Weise die Stellung der Bundesrepublik in der gegenwärtigen militärischen Konstellation in Europa und in der Welt verändern könnte. Niemand will eine Gefährdung unserer Sicherheit oder eine einseitige Verschiebung des Kräfteverhältnisses zuungunsten des Westens. Aber wenn sich unsere Verbündeten in Genf bemühen, Wege in der Richtung einer kontrollierten Abrüstung und der Entspannung der internationalen Lage zu finden, dann kann sich unsere Politik nicht in .einer reinen Negation oder in einer völligen Inaktivität bei der Untersuchung und Prüfung von möglichen positiven Schritten erschöpfen.
In diesem Zusammenhang warten wir noch immer auf eine verbindliche Erklärung der Bundesregierung, wie es mit der Behauptung von Herrn Dr. Dehler in seinem umstrittenen Fernsehgespräch steht, daß die von ihm dort vertretenen Ansichten über die deutsche Außenpolitik den Koalitionsvereinbarungen entsprechen. Wir stehen auch hier vor einem großen Fragezeichen. Es scheint, als hätten wir unsere Außenpolitik suspendiert; mindestens heben wir ihre Wirkungsmöglichkeiten durch widersprechende Äußerungen des Bundeskanzlers oder seiner Minister weitgehend auf.Meine Damen und Herren, nehmen wir das Kapitel der Innenpolitik. Wir haben in der vorigen Woche den Fernseh- und Rundfunkaufschrei des Bundeswirtschaftsministers ,diskutiert. Ich will diese Auseinandersetzung jetzt hier nicht fortsetzen.
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Ollenhauer— Ob das gut ist, werden wir erst noch sehen. — Ich will sie nur aufnehmen ,als einen weiteren Beweis für die Führungslosigkeit der Bundesregierung.
Herr Professor Erhard hat Alarm gegeben; nicht vor dem Parlament, sondern ohne Fühlungnahme mit den entscheidenden Faktoren unserer Wirtschaft und der Politik außerhalb des Parlaments,
ohne mit diesem Alarmruf auch nur die Andeutung von konkreten Maßnahmen zu verbinden, die die Regierung zu ergreifen gedenkt. schließlich weiß doch jeder im Volk, daß fiat die Wirtschaftspolitik, die jetzt zu der angeblich so bedrohten Lage geführt hat, die Regierung und vor 'allem der Wirtschaftsminister in erster Linie die Verantwortung trägt
und daß es daher nicht genügt, das Volk zu alarmieren, sondern immer auch zu sagen, was die Regierung selbst zu tun gedenkt.
Als Herr Erhard dann schließlich vor dem Parlament selbst sprach, wollte er es nicht so schlimm gemeint haben; er sei kein Pessimist, die 'augenblickliche Lage sei nicht so beunruhigend, aber die Zukunft mache ihm Sorgen. Dann kamen seine Vorschläge, reichlich dünn und nicht verpflichtend.
Denn als er hier im Bundestag sprach, war sich nicht einmal die 'Koalition über Umfang und Inhalt des geplanten Baustopps einig; jedenfalls kamen die beiden Fraktionen der Koalition mit getrennten Anträgen. Vielleicht schafft man's bis zur dritten Lesung! Aber da greift man Verbraucher, Arbeitnehmer und Gewerkschaftler an und fordert sie zum Maßhalten auf. Und dann steht man mit fast leeren Händen da, wenn das Parlament wissen will, was geschehen wird.Her Erhard hat davon gesprochen, man werde mit fester Hand führen. Bis jetzt drückt sich diese feste Hand nur in der Dramatik und in der Pathetik aus, mit der er seinen Auftritt im Fernsehen und im Rundfunk vollzogen that.
Meine Damen und Herren! Was ist die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung? Und wenn die Lage tatsächlich so ernst ist — warum nicht am Anfang sachliche Gespräche mit allen Beteiligten und einen 'ernsten Versuch, für alle .tragbare Schritte zu überlegen?Dann, meine Damen und Herren, nehmen wir den Haushalt selbst, den wir jetzt beraten und der mit einem Defizit von 1,7 Milliarden DM eingebracht wurde. Herr Starke hat sicher unter besonders schwierigen sachlichen und zeitlichen Umständen das Finanzministerium übernehmen und .den Haushalt vorlegen müssen. Aber diese Regierung ist ja in ihrer Finanz- und Steuerpolitik keine von ihren Vorgängerinnen so unterschiedliche Regierung. Man wußte z. B., daß der Haushalt für Verteidigung auf 15 Milliarden DM ansteigen würde. Man wußte, daß die früheren feierlichen Erklärungen, es würden nie mehr als 9 Milliarden DM sein, längst überholt sind. Warum dann nicht rechtzeitige Verhandlungen mit den Ländern? Warum die flucht in die globale 12%ige Kürzung, die ungerechteste, aber für die Koalition bequemste Form, sachlichen Entscheidungen aus .dem Wege zu gehen und wesentliche Teile der Ausgabengestaltung der Bürokratie in den einzelnen Ministerien zu überlassen?
— Meine Damen und Herren, ich sage weiter: es ist ein Verdienst des Haushaltsausschusses und nicht der Regierung,
wenn er diese schlechteste Lösung durch seine Streichung abgewehrt hat.
Aber, meine Damen und Herren, wie wird es weitergehen, wenn sich im kommenden Haushaltsjahr der Ausgleich des Haushalts noch schwieriger gestaltet? Welche Vorstellungen hat die Regierung für eine Neuordnung der Finanzen und Steuern und für die Herbeiführung eines gerechten Ausgleichs, eines gerechten Ausgleichs der Ausgaben für die militärische und die soziale Sicherheit? Das ist eine Lebensfrage; denn die Stabilität der inneren Ordnung kann nur aufrechterhalten bleiben, wenn es nicht zu einer einseitigen Beeinträchtigung der sozialen und kulturellen Leistungen kommt. Die Erhaltung des sozialen Friedens und die Erreichung eines Höchstmaßes von sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit ist in unserer Zeit von der gleichen entscheidenden Bedeutung wie die Erhaltung und Star-kung unserer militärischen Sicherheit.Auf der sozialen Seite stehen wir vor einem eindeutigen Offenbarungseid.
Herr Blank hat die Große Anfrage der Sozialdemokratie, die nichts anderes wollte als eine Erklärung der Bundesregierung über ihre Absichten auf drei wichtigen Gebieten der Sozialpolitik, mit dem offenen Eingeständnis beantwortet, daß er nicht in der Lage sei, eine sachliche Antwort zu geben.
Wir warten noch heute auf sie, obwohl Herr Blank unmittelbar nach den Wahlen erklärt hat, er wolle die wichtigsten und am meisten umstrittenen Gesetzentwürfe im ersten Jahr und nicht erst in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode einbringen. Meine Damen und Herren, es gibt wieder Terminschwierigkeiten! Man will die Wahlen in NordrheinWestfalen abwarten, um dann erst die Karten auf den Tisch zu legen. Die Regierung glaubt, die Posi-
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Ollenhauertion der CDU .in Nordrhein-Westfalen zu verbessern, wenn sie nicht sagt, was sie im Schilde führt. Es vst schlecht um eine Regierung bestellt, die das Fehlen einer klaren Aussage über ihre Absichten für eine Verbesserung ihrer Position hält.Ich möchte es mit den Beispielen genug sein lassen. Es ist eine bedrückende Zwischenbilanz. Und das Traurige ist, meine Damen und Herren, daß nun dieser Raum der Unsicherheit und der Unentschlossenheit ausgefüllt wild mit Affären, Affären aller Art. Sie machen sich breit in der öffentlichen Meinung, als seien sie Politik oder als könne man mit ihnen Politik machen. Ich denke hier nur daran — wir haben darüber gesprochen —, wie heute z. B. Presseoffiziere Politik machen können. Wenn dann 'die Angelegenheit hier im Parlament zur Sprache kommt, verteidigt der Herr Verteidigungsminister mit allen „Waffengattungen" seiner rednerischen Begabung
die Meinungsfreiheit und die Schreib- und Redefreiheit des Soldaten, als ob es darum ginge! Der verantwortliche Pressereferent eines Ministers hat nicht eigene Politik zu machen, sondern die Politik seines Ministers zu interpretieren und zu erläutern.
Ich gebe zu, daß das nicht immer einfach ist.
Aber wenn sich der Presseoffizier dadurch in den Möglichkeiten, seine eigenen Ansichten zu vertreten, beengt fühlt, dann muß er seine Position aufgeben. Die Demokratie kennt nicht nur die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit in Wort und Schrift, sie kennt auch die Verantwortung gegenüber dem Amt.
Ich möchte übrigens einmal erleben, was Herr Strauß tun würde, wenn ein aktiver Offizier öffentlich Meinungen in Verteidigungs- und Militärfragen vertreten würde, die seinen Auffassungen widersprechen.
Meine Damen und Herren, wir haben dann die Angelegenheit des Botschafters Dr. Kroll. In der Öffentlichkeit wurden ihm Äußerungen unterstellt, die im Widerspruch zu der außenpolitischen Haltung der Bundesregierung stehen. Es wurde ein Kesseltreiben gegen ihn veranstaltet, und schließlich wurde er durch ein ungewöhnlich scharfes Telegramm des Bundeskanzlers nach Bonn zurückberufen. Dann folgten lange Besprechungen. Der Außenminister bemühte sich, auf den Kern der Sache zu kommen und festzustellen, ob die erhobenen Vorwürfe stimmten. Der Kanzler — entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, Herrn Kroll zu sehen — empfing den Botschafter nicht. Die Sache endete für die Öffentlichkeit damit, daß der Botschafter in Urlaub geht, dann noch einmal nach Moskau auf seinen Posten zurückkehren und später im Auswärtigen Amt als Berater in Ostfragen ein Amt übernehmen soll. Das ist jedenfalls die offizielle Darstellung über die Beilegung des Falles. Damit keinZweifel darüber entsteht: wir sind der Meinung, daß ein Botschafter sich bei der Ausübung seines Amtes an die Richtlinien der Politik der Regierung zu halten hat, vor allem, wenn er in einer so schwierigen Position steht wie Herr Dr. Kroll in Moskau. Keine Regierung kann auf diese selbstverständliche Loyalität ihrer diplomatischen Vertreter verzichten. Offensichtlich hat Herr Kroll aber auch nicht anders gehandelt; denn sonst wäre die jetzige Vereinbarung mit ihm nicht zu verstehen.Die Frage ist, meine Damen und Herren, ist damit die Angelegenheit erledigt. Wir sind der Meinung: nein! Denn in dieser für das Ansehen der Bundesrepublik so schädlichen Affäre fehlt die Beantwortung der Frage: wer hat eigentlich dieses Kesseltreiben gegen Herrn Kroll in Gang gesetzt, und, wenn es sich um Angehörige des Amtes oder der Botschaft handelt, was geschieht mit ihnen? Hier müssen im Interesse des Ansehens des Amtes die Karten auf den Tisch gelegt und die Schuldigen zur Verantwortung -gezogen werden.
Meine Damen und Herren, wenn es Differenzen zwischen dem Amt und einem Botschafter gibt, dann müssen sie direkt sachlich und offen zwischen den Beteiligten geklärt werden. Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, daß man bei uns in der Bundesrepublik hohe Repräsentanten der Bundesrepublik in Heckenschützenmanier abschießen kann.
Herr Bundeskanzler, hier hätten Sie nicht pingelig sein dürfen,
sondern hätten mit klaren Worten und gegebenenfalls mit einem Machtwort 'eingreifen müssen; denn das ist keine Ressortangelegenheit, sondern das war und ist eine Frage der Sachlichkeit und der Sauberkeit in unserer Verwaltung. Die Angelegenheit Kroll war leider nicht der erste Fall dieser Art, und sie sollte eine deutliche Warnung für diejenigen sein, die glauben, daß man mit Intrigen Politik machen kann. Eine solche Einstellung kann der Politik und dem Ansehen der Bundesrepublik nur schaden.Es gibt noch einen Punkt im Falle des Botschafters Kroll, der einen besonderen politischen Aspekt hat. Die Bundesrepublik hat mit Zustimmung aller drei Fraktionen das sowjetische Memorandum vorn 27. Dezember 1961 mit einer sachlich abgewogenen Gegendarstellung beantwortet. Niemand hat von dieser Beantwortung in 'bezug auf unsere Beziehungen und in bezug auf eine Annäherung der beiderseitigen Standpunkte Wunder erwartet, aber man konnte die Hoffnung haben, daß sie zu einer allmählichen Normalisierung und Besserung der Atmosphäre hätte führen können. Meine Damen und Herren, das ist nun erst einmal durch die Auseinandersetzungen um Dr. Kroll überdeckt worden, und ich frage mich, ob die Angriffe gegen Dr. Kroll nicht auch diesen Zweck mitverfolgten.Meine Damen und Herren, es ist uns kein Vergnügen, diese kritische Aufzählung machen zu müssen. Es geht hier nicht um die Aufzählung von Grün-
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Ollenhauerden, die die Opposition veranlassen, auch in diesem Jahr gegen den Haushalt des: Bundeskanzlers zu stimmen. Wir haben in der Aussprache über die Regierungserklärung im Dezember vorigen Jahres Zweifel und Besorgnisse über die Fähigkeit der Regierung zum Ausdruck gebracht, die vor uns liegenden schwierigen außen- und innenpolitischen Aufgaben zu lösen. Diese Befürchtungen sind in der kurzen Zeit seit Dezember bestätigt worden. Eine Koalition, deren Partner sich ständig über Inhalt und Bedeutung des Koalitionsabkommens streiten,
eine Koalition, die letzten Endes nur auf der gemeinsamen egoistischen und parteipolitischen Überlegung beruht, die Sozialdemokratie auf jeden Fall aus der Mitverantwortung im Bund herauszuhalten, eine solche Koalition ist unfähig, eine überzeugende und klare Regierungspolitik zustande zu bringen.
Wir haben — es mag bitter sein — zur Zeit keine Regierung.
Wir haben eine Anzahl von Ministern, die mit mehr oder weniger Geschick die Aufgaben ihrer Ressorts vertreten und verwalten. -
Es ist 'ein völlig andere Lage als in 'den früheren3) Jahren. Damals haben wir oft hart und zäh gerungen um sachliche Positionen in der Führung der Innen-und Außenpolitik. Heute gibt es da, wo die Regierung führen sollte und ihre Politik vertreten sollte, ein Vakuum, einen Leerlauf, in einer Zeit, in der die Entwicklung mehr denn je eine wache, aktive und an Initiativen reiche Bundesregierung erfordert.
Herr Bundeskanzler, Sie bestimmen nach unserem Grundgesetz die Richtlinien der Politik. Sie haben diese besondere Verantwortung in .den vergangenen Jahren immer ohne Furcht und ohne Scheu auf sich genommen.
— Ohne Furcht und ahne Scheu. — Heute fehlt diese Führung. Ich 'treffe diese Feststellung ohne eine Spur von Genugtuung. Ich treffe sie mit Sorge; denn in diesem Augenblick geht es mir nicht um einen taktischen Vorteil für Opposition oder Koalition in dem Kampf um die Ausübung der Regierungsgewalt. Es geht um das Schicksal unseres Volkes, und, Herr Bundeskanzler, es ist Ihre Verantwortung und die Verantwortung Ihrer politischen Freunde, aus diesem unhaltbaren 'Zustand, in dein wir jetzt stehen, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sieht sich nicht in der Lage, dem Haushalt des 'Bundeskanzlers zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Lassen Sie mich zunächst Herrn Kollegen Ollenhauer danken für die Eingangsworte, die er gesprochen hat. In der Tat, es ist ein ziemlicher Wechsel seit gestern auf heute, wenn ich mir diesen Saal betrachte und wenn ich an den Comer-See denke.
Ich danke Ihnen aber für die guten Wünsche, Herr Ollenhauer, und ich hoffe bestimmt, daß ich nach Ostern doch Ihren Ratschlägen, die ich eigentlich in den Satz „Landgraf, werde hart" zusammenfassen möchte, folgen werde.
Meine Damen und Herren, Herr KollegeOllenhauer hat gesagt, die politische Führung, und zwar sowohl die innen- und außenpolitische, und der Start der Koalition habe gezeigt, daß sie unfähig sei. Ich kann Herrn Ollenhauer in keiner Weise darin beipflichten.
— Daß Sie lachen würden und dem nicht zustimmen, war ja klar, meine Damen und Herren.
Aber wenn es Herrn Ollenhauer gestattet ist, nun zu allem nein zu sagen, dann darf ich doch zu einigem wenigstens ja sagen.
Ich sage aus Überzeugung zu recht vielen Dingen ja, nicht zu allen, das werden Sie noch hören, meine verehrten Damen und Herren.Wenn aber gesagt wird, daß eine Koalition, wie sie jetzt geschaffen worden sei, unfähig sei, dann bestreite ich das entschieden, und ich will Ihnen sofort dazu zwei Beispiele aus der letzten Vergangenheit anführen. Bitte, denken Sie an die Rede des Finanzministers Starke, als er den Haushaltsplan einbrachte. Ich glaube, das ganze Haus hat unter dem Eindruck dieser Rede gestanden; denn er sprach doch davon, und zwar in sehr ernsten Worten, daß man nicht alles auf einmal haben könne und daß gespart werden müsse.
Meine Damen und Herren, während ich manchmal — ich will sehr vorsichtig sein — von Freunden, die man im Ausland hat, höre, daß man von sozialdemokratischen Herren, wenn sie ins Ausland kämen, dort andere Worte höre, als sie hier im Bundestag gesprochen würden — was mich sehr wundert —, kann ich Ihnen sagen, daß z. B. die Reise, die Herr Mende in die Vereinigten Staaten
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Bundeskanzler Dr. Adenauergemacht hat, dort einen sehr großen Eindruck hinterlassen hat.
Herr Ollenhauer hat mir dann vorgeworfen, die Politik sei verworren und ich ließe die Zügel schleifen. Ich folge ihm in der Gestaltung dessen, was ich zu sagen habe, und möchte auch zunächst über die Außenpolitik sprechen.Meine Damen und Herren, ich spreche jetzt zunächst einmal von Berlin. Ich kann hier nur erklären — und möchte das nicht nur vor der deutschen Öffentlichkeit, sondern vor der gesamten WeltÖffentlichkeit sagen —, daß unser Standpunkt bezüglich Berlin derselbe geblieben ist und bleiben wird.
Ichglaube, dieser Standpunkt ist sehr klar. Wir müssen doch, um Berlin zu retten, dafür sorgen, daß die drei früheren alliierten Mächte, die Vereinigten Staaten an der Spitze und dann England und Frankreich, ,als Vorkämpfer für die Sache Berlin in der Welt dastehen, nicht wir — wir stehen dahinter —, und wir müssen alles tun, damit Berlin Hoffnung behält und Leben behält. Aber die außenpolitischen Auseinandersetzungen müssen die Drei 'f ihren. Was Herr Präsident Kennedy darüber gesagt hat, das wissen wir doch alle, und das Bekenntnis, das er zu Berlin und zur Freiheit Berlins abgelegt hat, wax so klar und deutlich wie nur je. Wenn wir jetzt dazwischenredeten, würden, glaube ich, Mißtöne herauskommen. Aber daß wir mit den Vereinigten Staaten —
— Meine Damen und Herren, Sie wissen genau, daß sich dann Sowjetrußland gegen uns wenden würde, und zwar in ganz anderer Weise als gegen die Vereinigten Staaten.
Seien wir doch gerade in der Sache Berlin, meine Damen und Herren, einsmal weg von aller Parteipolitik, gegeneinander ehrlich und vertrauensvoll!
Ich betone namentlich, meine Damen und Herren, daß wir in dieser Sache zusammenstehen müssen, die Opposition und die Regierungskoalition;
denn wenn wir nicht zusammenstehen, wenn man uns hier vorwirft, daß wir, die Bundesregierung,
und die Koalition, die hinter ihr steht, in der Frage Berlin unklar und verworren seien, dann, meine Damen und Herren, schaden wir Berlin.
Darüber sollte 'man sich doch wirklich klar sein.
Nun hat mir Kollege Ollenhauer weiter Unklarheit in der Europa-Politik vorgeworfen. Er hat von meiner Zusammenkunft mit dem französischen Staatspräsidenten gesprochen und dazu gesagt, daß Herr de Gaulle doch das Europa der Vaterländer und den Stillstand der wirtschaftlichen Integration Europas haben wolle. Meine Damen und Herren, das ist völlig falsch. Lassen Sie mich zunächst doch einmal diesen Worten „Europa- der Vaterländer" und auf 'der anderen Seite „europäische Integration", wenn ich kann, den Hals herumdrehen!Meine Damen und Herren, keiner in diesem Saale ist der Auffassung, daß wir, auch wenn die Politische Europäische 'Union vollzogen ist, kein deutsches Vaterland mehr haben. Das wollen wir doch behalten,
und ebenso wollen die Franzosen ihr Vaterland behalten, und ebenso wollen die Italiener ihr Vaterland behalten.
Woraus besteht denn nach Ihrer Auffassung das Vaterland? Das Vaterland, meine Damen und Herren, äußert sich in der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Land, nicht in erster Linie in militärischen Rüstungen, sondern in 'der Gemeinsamkeit der Kultur, in der 'Gemeinsamkeit der Sprache, in all dem, was den Menschen mit einem Land, in dem er aufgewachsen ist, verbindet,
und deswegen habe ich, auch wenn 'die politische Integration, wie ich 'hoffe, im Juni dieses Jahres beginnt, nach wie vor ein deutsches Vaterland, und Sie haben es auch.
Deswegen ist die 'Gegenüberstellung: Europa der Vaterländer oder integriertes Europa, falsch. Ich werfe Ihnen das gar nicht vor, Herr Ollenhauer, sondern ich benutze die 'Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit einmal klarzustellen, 'daß man so gar nicht sprechen soll,
wie es die Öffentlichkeit in der Regel tut. — Ich komme gleich darauf zurück, meine Herren, was in Baden-Baden, in Turin und in Cadenabbia gesprochen worden ist.Nun hat der Kollege Ollenhauer von meinem Interview mit dem Chefredakteur von „Le Monde" und davon gesprochen, daß die Kreise Großbritanniens, die nicht für den Eintritt in die EWG seien, dadurch Sukkurs von mir bekommen hätten. Ich weiß nicht, Herr Kollege Ollenhauer, ob Sie gehört haben, was Herr Macmillan erklärt hat. Herr Macmillan hat doch, und zwar im 'britischen Parlament, erklärt, alle diese Behauptungen seien völlig falsch und er habe an meinen Erklärungen nichts auszusetzen. Das ist auch richtig, meine Damen und Herren. Das, was ich „Le Monde" gesagt halbe, ist drüben in Großbritannien von gewissen Kreisen einfach entstellt worden.
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Bundeskanzler Dr. AdenauerNun, meine Damen und Herren, Baden-Baden! Hier müssen Sie die Nichtanwesenheit von Herrn Schröder entschuldigen; er muß an der Ministerratsbesprechung der WEU in London, die heute stattfindet, teilnehmen. Zunächst haben wir in Baden-Baden die Stunden des Vormittags damit verbracht, daß wir über die Weltprobleme gesprochen haben, und nachmittags haben wir, Staatspräsident de Gaulle und ich, über die europäische politische Integration verhandelt. Bei der Gelegenheit hat Herr de Gaulle mir ausdrücklich darin zugestimmt, daß die jetzt bestehenden europäischen Institutionen ihre Aufgabe ausgezeichnet erfüllt haben und daß sie völlig unangetastet bleiben müssen. Das war die Feststellung, die wir getroffen haben. Dann haben wir uns noch über andere Fragen der politischen Union, der europäischen Union unterhalten; wir waren auch da derselben Meinung.Dann hat sich innerhalb des Kreises der Sechs Widerstand erhoben, der namentlich von Angehörigen von Benelux herkommt. Herr d e Gaulle hat sich nun, wie Sie wissen, in Turin mit Herrn F a n -fani getroffen. Herr Fanfani hat mir über diese Unterredung, die er in Turin gehabt hat, jetzt in Cadenabbia sehr ausführlich berichtet. Es zeichnet sich da eine Lösung ab, die in einer gewissen Variante, die nicht von Bedeutung ist, von dem, was wir in Caddenabbia besprochen haben, abweicht, — nicht in der Frage der weiteren Funktion der bestehenden europäischen Gemeinschaften. Es ist nun zu hoffen, daß wir in der Sitzung des Ministerrates der EWG, die in der nächsten Woche stattfindet, mit allen Sechs, auch mit den Beneluxländern, einig werden und daß in der ersten Hälfte des Monats Juni eine Zusammenkunft der Regierungschefs in Rom stattfindet, in der dann der erste Schritt zur Politischen Union getan wird.Nun, meine Damen und Herren, bitte ich noch einmal an die EWG zurückzudenken. Auch bei der EWG sind wir davon ausgegangen, daß sie Schritt für Schritt und in verschiedenen Stadien hergestellt werden muß. Ganz dasselbe müssen wir auch hinsichtlich der Politischen Union machen. Wir müssen auch hier Schritt für Schritt vorgehen, aber, meine Damen und Herren, beharrlich vorgehen und konsequent vorgehen. Darum handelt es sich jetzt.Verehrter Herr Ollenhauer, Sie haben eindeutige Erklärungen der Bundesregierung zu Europa vermißt. Ich glaube, der Vorwurf ist ungerechtfertigt. Wir, die Bundesregierung und insbesondere ich, haben immer und konsequent als letztes Ziel der Politik der Herstellung der verschiedenen Organisationen von der Montanunion über die EWG die Politische Union bezeichnet. Ich glaube, dabei sind wir geblieben. Man braucht das nicht alle 14 Tage zu erklären. Man muß nur die Politik geradlinig weiterverfolgen.
Ich bin fest überzeugt, daß wir zum Ziele kommen, wenn wir einig und geschlossen, geduldig und beharrlich weiter dem Ziele zustreben.Herr Kollege Ollenhauer hat dann davon gesprochen, daß Herr Strauß in einem Vortrag vor der Georgetown-Universität von einer AtlantischenUnion gesprochen habe, während ich in dem Interview, das ich in den letzten zehn Tagen mit Herrn Sulzberger, dem Vertreter der New York Times gehabt habe, nicht von einer Atlantischen Union, sondern von einer Partnerschaft gesprochen habe. Das isst richtig. Ich erinnere mich auch, daß Herr Strauß, der im übrigen Verteidigungsminister und nicht Wirtschaftsminister ist, von der Atlantischen Union gesprochen hat. Es ist auch richtig, daß Herr Kennedy von der atlantischen Partnerschaft gesprochen hat. Ich spreche auch von der atlantischen Partnerschaft; denn jetzt, in diesem Stadium der Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, müssen wir, glaube ich, doch sehr sorgfältig darauf achten, daß nicht das politische Ziel in den Hintergrund tritt oder unmöglich gemacht wird. Wenn man in einer Wirtschaftsgemeinschaft, die doch Beschlüsse fassen kann, 'die für alle Länder Gesetzeskraft haben, zu weit geht, ich meine, den Rahmen zu weit spannt, platzt nachher die ganze Geschichte, und das müssen wir vermeiden.
Bei 'der Weltlage, in der wir uns heute befinden und die wahrscheinlich noch sehr lange andauern wird, ist nach wie vor das Ziel die Politische Gemeinschaft, ist das dasjenige, was zum Weiterbestehen sicher Westeuropas, hoffentlich eines Tages ganz Europas absolut notwendig ist.
Diese eindeutige Erklärung der Bundesregierung zu Europa, die Herr Kollege Ollenhauer vermißt, ist also mehrfach abgegeben worden. Mit meinen Worten habe ich sie hier noch einmal abgegeben.Nun, meine Damen und Herren, ist auch von der NATO gesprochen worden. Sie werden aus der Presse entnommen haben, daß ich noch am Sonntag mit dem Generalsekretär der NATO eine lange Aussprache gehabt habe. Da Herr Stikker und ich von den ersten Anfängen unserer Außenpolitik an immer ein sehr gutes persönliches Verhältnis gehabt haben, war ein solches politisches Gespräch im Hause des Herrn Stikker am Corner See sehr viel ungezwungener und sehr viel ergiebiger, als wenn man in irgendeinem Büro zusammengekommen wäre.Nun möchte ich Sie bitten, doch einmal abzuwarten, was der NATO-Rat bei seiner nächsten Zusammenkunft in Athen für Beschlüsse fassen wird. Er wird dort Beschlüsse fassen über die Frage der atomaren Waffen, das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, kurz und gut, über alle diese Themen, die — das gebe ich ohne weiteres zu — besonders für uns Deutsche von lebenswichtiger Bedeutung sind. Warten Sie doch diese fünf Wochen noch ab! Ich kann Ihnen nur sagen, ich bin aus dieser Unterredung mit Herrn Stikker sehr befriedigt herausgegangen. Ich war sehr zufrieden und zum Teil sogar überrascht über die Fortschritte, die Herr Stikker mir schildern konnte. In wenigen Wochen wird die NATO-Ratssitzung vorbei sein, und ich nehme an, daß dann wirklich der Zeitpunkt gekommen sein wird, um in diesem Saale in breiter Öffentlichkeit über die Entwicklung der NATO zu sprechen.
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Bundeskanzler Dr. AdenauerHerr Ollenhauer hat die Ansicht geäußert, wir hätten unsere Linie in der Außenpolitik verändert; Ursache dafür seien die Koalitionsverhandlungen über die Außenpolitik gewesen. Nun, meine Damen und Herren, diese Verhandlungen über die Außenpolitik hat Herr von Brentano, als er noch Außenminister war — ich bedaure,. daß er es nicht mehr ist —
— ja, meine Damen und Herren, soll ich denn sagen: Gott sei Dank, daß er es nicht mehr ist? —,
schriftlich niedergelegt und in meiner Gegenwart Herrn Kollegen Mende übergeben. Herr Mende hat dann mit seinen Leuten gesprochen und diese von Herrn von Brentano niedergelegten Richtlinien unserer Außenpolitik akzeptiert.
— Meine Herren, wenn Sie einmal Koalitionsverhandlungen führen sollten,
werden Sie diese wohl nicht auf offenem Markt führen. Ich glaube, daß Sie sie in möglichst kleinem Kreis führen würden, und ich bin fest überzeugt, daß dann auch allerhand gemunkelt, geredet und geschwätzt würde, was gar nicht zutrifft. Das ist doch immer so, meine verehrten Herren.
Nun zur Innenpolitik. Die wirtschaftliche Lage ist ein sehr ernstes und sehr umfangreiches Problem. Das ist sie meiner Meinung nach von jeher gewesen. Sie werden wohl aus der Presse ersehen haben, daß meine Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung nicht von gestern oder vorgestern sind. Ich stimme Ihren Ausführungen bei. Sie werden das vielleicht den Bemerkungen entnommen haben, die ich in der „Welt am Sonntag" in ihrer letzten Nummer gemacht habe. Man kann nicht etwa nur die Gewerkschaften dafür verantwortlich machen. Ich denke nicht daran. Ich sage Ihnen auch in aller Offenheit: Ich habe mich in den vergangenen Jahren, sogar häufig, auch über die Unternehmer geärgert, weil diese — solange sie das Bestellbuch voll hatten — geneigt waren, alles zu bewilligen, was gefordert wurde. Sie wollten lieber fortarbeiten und die Preise lin die Höhe setzen, als bestreikt zu werden. Das ist doch die Situation.Was mich immer so besorgt gemacht hat, das war die sprungweise Erhöhung der Baupreise, seit nunmehr drei Jahren jedes Jahr, dreimal um 8 %, und jetzt um noch mehr als 8 %. Was mir dabei am meisten Kummer gemacht hat, ist, daß die Bausparer durch diese sprungweise Erhöhung gerade der Baukosten so tief getroffen worden sind.
Dies hat mich seit langem veranlaßt, mich mit der ganzen Materie eingehend zu befassen. Denn ich halte es für ein ganz schweres Unrecht
— verzeihen Sie! —, wenn eine Regierung nicht versucht, wenigstens das Vertrauen der Bausparer lebendig zu halten.
Aber wir sind nicht das einzige Land, das unter den Gefahren der Überbeschäftigung leidet. Manche von Ihnen werden genauso wie ich regelmäßig die „Neue Zürcher Zeitung" verfolgen. Gerade in der „Neuen Zürcher Zeitung" hat vor wenigen Tagen ein ausführlicher Bericht über den Überschwang der Konjunktur gestanden.
— Ich bin ja noch nicht fertig! Ich kann doch nicht immer trösten!
Danach haben sich in der Schweiz sowohl die Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber zu einem sehr vernünftigen Standpunkt des gemeinsamen Handelns bekannt.
Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß es gelingt, daß auch in der Bundesrepublik die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber sich in der Frage der Konjunktur finden. Denn es ist sowohl das Interesse der Arbeitgeber wie das der Arbeitnehmer wie das der Konsumenten — von denen überhaupt keiner spricht —
wie das der Sparer, das gewahrt werden muß. Ich habe auch das sehr offen in der „Welt am Sonntag" gesagt.Ja, meine Damen und Herren, die Bundesregierung — damit ich damit anfange — ist schuldig, der Bundestag ist auch schuldig,
es sind schuldig die Länder, und es sind schuldig die Kommunen.
Es sind auch schuldig eine ganze Anzahl von Leuten, die zuviel verdient haben.
Halten Sie mich denn für so töricht und blind, daß ich das nicht auch sehe und meine Meinung darüber habe, wie gering manche Leute den Wert des Geldes einschätzen und es einfach für nichts ausgeben?!
Die ganze Angelegenheit, um die es sich handelt, die Überführung unserer Wirtschaft in ein neues Stadium, wo die Bestellungen, das Geld nicht mehr
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 965
Bundeskanzler Dr. Adenauerin dieser Weise nach Deutschland hereinfließen, ist in hohem Maße auch eine Aufgabe des moralischen und politischen Denkens. Da müssen wir miteinander, auch alle Parteien, nach dem Rechten sehen. Wir müssen unseren Leuten — die hinter Ihnen stehen, die hinter der Koalition stehen — und der gesamten Öffentlichkeit klarzumachen versuchen, daß wir alle in einem Boot sitzen. Dazu brauchen wir Zeit. Das kann man nicht von heute auf morgen machen. Es ist manches Vertrauen zerstört worden, das wieder begründet werden muß. Man muß auch versuchen, dem ganzen deutschen Volke klarzumachen, daß nun eine andere Epoche in der Entwicklung angebrochen ist, sowohl auf sozialem Gebiete wie auf wirtschaftlichem Gebiete, mit der man sich auseinandersetzen muß und die man zum Wohl des allgemeinen Besten führen sollte.Nun, meine Damen und Herren, der Herr Kollege Ollenhauer hat auch Sätze gesprochen, die mich, wenn ich an die Vergangenheit denke, sehr wohltuend berührt haben. Er hat so, kurz gesagt, ausgesprochen, früher wäre ich ein Mann von Tatkraft gewesen, der gewußt hätte, was er gewollt hätte, und jetzt ließe er die Zügel einfach schleifen. Nun, ich muß Ihnen, glaube ich, eine Enttäuschung bereiten, Herr Ollenhauer. Ich glaube, ich bin noch ganz derselbe, der ich früher auch gewesen bin.
Aber, meine Damen und Herren, in der Außenpolitik ist es wirklich nicht das Wichtigste, alle acht Tage oder alle vierzehn Tage mit einem neuen Gedanken zu kommen.
Die Situaton ist doch genau dieselbe, meine Damen und Herren. Das Wichtigste ist, das Vertrauen, das wir erworben haben, zu behalten.
Glauben Sie mir, wenn die Deutschen alle Monate oder alle vierzehn Tage oder alle zwei Monate mit einer neuen Ansicht die Welt überraschten, dann würde man draußen an uns zweifeln und würde sagen: Es sind doch immer dieselben unruhigen und nicht zuverlässigen Deutschen.
Wenn irgendwo, dann muß man in der Außenpolitik an einer klaren Richtung festhalten und darf nicht verlangen, man solle immer etwas Neues sagen.
Sehen Sie, meine Freunde, meine Damen und Herren, — —
— Ich glaube, ich brauche mich nicht zu entschuldigen.
Meine Damen und Herren, das möchte ich Ihnen hier sagen — und jedes Wort davon ist überlegt —: Die Beziehungen zwischen uns und den Vereinigten Staaten und auch die Beziehungen zwischen Präsident Kennedy und mir sind so gut, wie sie nur je gewesen sind, einschließlich der Administration Eisenhower/Dulles, und das ist doch das Wichtigste von allem.Sie wissen auch, meine Damen und Herren, daß die Beziehungen zu Frankreich ausgezeichnet sind und sich immer wieder, auch in diesen Zeiten bewährt haben.
Wir sind uns doch wohl darin einig, daß ohne gute und freundschaftliche Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland ein Europa von Dauer sich nicht schaffen läßt.Was nun unsere Beziehungen zu Großbritannien angeht, meine Damen und Herren, so habe ich den ernsten und wohlüberlegten Wunsch, daß Großbritannien in die EWG als vollwertiges Mitglied eintreten möge.
Ich hoffe ;sehr, daß die Verhandlungen, die begonnen haben, zu dem von uns allen zu wünschenden und speziell von mir gewünschten Erfolg führen werden, so daß ich glaube, meine Damen und Herren, daß ich nichts weiter hinzuzufügen brauche.In der Außenpolitik wird Europa werden. Wir hoffen alle, daß Großbritannien abs vollwertiges Mitglied mit uns zusammenarbeitet. Die NATO macht eine Entwicklung zum Guten durch. Warten Sie die Sitzung des NATO-Rates in Athen ab!In der Frage der Innenpolitik möchte ich ein Wort zu den Angriffen von Herrn Ollenhauer auf Herrn Blank sagen. Ein Minister kann nicht das wollen Sie bitte verstehen — einem Abgeordneten, gleichgültig welcher Fraktion, seine Gedanken über größere Probleme sagen, ehe er nicht weiß, ob das Kabinett diese Gedanken teilt. Daher halte ich es für durchaus richtig, wenn man auf eine solche Frage höflich antwortet: — Entschuldigen Sie, aber ich hoffe, daß ich in kurzer Zeit in der Lage sein werde, Ihre Frage zu beantworten.Wir sind uns wohl alle darüber einig, daß wir auf sozialem Gebiet große Aufgaben vor uns haben. Auch die beiden Koalitionspartner sind sich darin einig.
Deswegen glaube ich: die Opposition sollte weiter fortfahren — das ist aber ein Wunsch; ich kann Ihnen keinen Rat geben — in einer konstruktiven Opposition; denn die braucht man.
.
— Ja, das ist meine ehrliche Überzeugung;
denn es ist doch kein Mensch allwissend. Jeder weiß doch, daß er auch nur ein Mensch ist und daß es da sehr gut ist, wenn einer auf ihn aufpaßt und ihn auf Mängel hinweist. Das ist doch ganz selbstverständlich.
Ich habe gesagt: Eine konstruktive Opposition istnur erwünscht und kann vom Standpunkt der parlamentarischen Demokratie aus nur erwünscht sein.
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966 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Bundeskanzler Dr. AdenauerIch bitte Sie, wenn Sie diesen Haushaltsplan verabschiedet haben, daran zu denken, daß es eine sehr schwere Aufgabe war, in einer solchen Situation, in der wir uns augenblicklich befinden, einen Haushaltsplan aufzustellen. Sie haben ganz recht, Herr Kollege Ollenhauer: Der Haushaltsplan 1963 wird sehr schwierig werden, wird noch schwieriger werden, und man wird sich sehr überlegen müssen, wie man ihn zum Ausgleich bringt. Aber verzeihen Sie, wenn ich Ihnen darauf nur sage: über den Haushaltsplan 1963 sprechen wir zu gegebener Zeit; heute handelt es sich um den Haushaltsplan 1962.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Wahlen vom 17. September, mit denen meine politischen Freunde durchaus nicht ganz zufrieden waren, blieben drei Alternativen übrig: Entweder hätte der sehr verehrte Herr Kollege Mende hier gestanden und die Koalition zwischen CDU und SPD angegriffen, oder ich hätte hier gestanden und die Koalition zwischen FDP und SPD kritisiert, oder es kam so wie heute, daß Sie eben die Koalition zwischen uns kritisieren mußten. Es gab dann noch eine vierte Möglichkeit, daß keiner kritisiert hätte, nämlich bei einer Allparteienregierung, aber das wäre langweilig und undemokratisch.
Nun haben Sie uns zunächst einmal den Vorwurf gemacht, daß diese Koalition ja beschlossen worden sei, um Sie herauszuhalten. Ich weiß nicht, wie die Sozialdemokratische Partei in anderen Bereichen denkt. Vor einigen Jahren ist in Düsseldorf eine Regierung umgebildet worden. Doch wohl auch zu dem Zweck, die CDU aus der Koalition herauszuhalten! In Hamburg, in Hessen oder in Niedersachsen werden die auch herausgehalten. Das entspricht einer Übung.
— Es ist überhaupt eine Übung, daß eben eine Minderheit in der Opposition steht und eine Mehrheit die Verantwortung trägt.Die Kritik, ,die dann kam, hat mich überrascht, Herr Kollege, und ich muß sagen: sie hat mich auch sehr befriedigt. Der Herr Bundeskanzler hat schon davon gesprochen, und ich möchte es noch einmal aufgreifen. Wir hörten von Ihnen: diese politische Führung sei schwach, sie sei verworren und unklar; der Herr Bundeskanzler lasse die Zügel schleifen; früher habe er ohne Furcht und Scheu die Verantwortung übernommen; jetzt sei es an ihm, ein Machtwort zu sprechen. — Ich habe mich bei dieser Rede daran erinnert, wie oft der gleiche Bundeskanzler kritisiert worden ist als ,der Mann der einsamen Entschlüsse, als der autoritäre Kanzler; diese Regierung wurde damals als Kanzlerdemokratie bezeichnet. Es scheint nicht ganz leicht zu sein, meineverehrten Damen und Herren, es Ihnen recht zu machen.
— Ihm schon gar nicht, Idas 'wissen wir.
Ich glaube, daß wir mit dieser Kritik ganz einverstanden sein können. Sie zeigt uns, wie ich meine, daß wir uns auf der richtigen Mittellinie bewegt haben. Daran ändern auch nichts die einzelnen Punkte, die von Ihnen genannt worden sind, Herr Kollege, und auf die ich wenigstens kurz antworten will.Sie haben sich hier geäußert, daß die Europapolitik nicht mehr klar sei. Sie wollten Informationen über die Gespräche, .die .inzwischen von dem Herrn Bundeskanzler mit dem französischen Staatspräsidenten und dem italienischen Ministerpräsidenten geführt worden sind. Es liegt auf ,der Hand, daß man über Einzelheiten hier im Plenum nicht sprechen kann. Die Diskussion werden wir, wie ich hoffe, in Kürze im Auswärtigen Ausschuß fortführen. Ich bin überzeugt, daß ich für meine Freunde hier spreche — ebenso bin ich überzeugt, daß es keinen Unterschied zwischen dem Willen 'der Regierung und dem Willen meiner Freunde gibt —, wenn ich sage: wir wollen diese Europapolitik fortsetzen, von der wir überzeugt sind, daß sie die wichtigste Voraussetzung .der Außenpolitik schlechthin ist und bleiben wird.
Wir haben die Verträge über 'die Montanunion und die Verträge von Rom abgeschlossen, um auf dem Wege über die wirtschaftliche Einigung zur politischen Einigung Europas zu kommen. Wir haben 1 die Resolution von Bad Godesberg begrüßt, weil sie den Weg für eine politische Einigung frei machen sollte. Wir wissen, daß Meinungsverschiedenheiten in der Diskussion des Fouchet-Ausschusses entstanden sind. Ich selber habe zu denjenigen gehört, die vor einer falschen Entwicklung gewarnt haben, und ich würde diese Warnung auch wiederholen, wenn es notwendig wäre. Aber es soll kein Zweifel an folgendem bestehen: :auch für meine Freunde und für mich ist eine Voraussetzung der ,europäischen Politik die enge freundschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich.
Zum zweiten nenne ich hier eine volle Übereinstimmung mit den übrigen Partnern der Gemeinschaft der Sechs, die gemeinsam über den Weg nach vorne zu entscheiden haben. Ich würde es :aufrichtig begrüßen, wenn die bevorstehende Ministerkonferenz oder dis Konferenz der Regierungschefs, die für Juni geplant ist, uns auf dem Wege zur politischen Integration — wie der Bundeskanzler es gerade sagte — voranführen würde.Ebenso gibt es keine Meinungsverschiedenheit — insbesondere in bezug auf die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft — über das Verhältnis zwischen Deutschland ,und Großbritannien. Ich habe hier schon einmal gesagt und wiederhole es: wir sind der Überzeugung, daß der Beitritt Großbritanniens 'einen ent-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 967
Dr. von Brentanoscheidenden Schritt nach vorne bedeutet. Wir haben diese politische Entscheidung begrüßt. Ich habe an die Bundesregierung nur die Bitte zu richten, alles zu tun, was in ihrer Macht steht, damit die Verhandlungen zwischen der EWG und Großbritannien, die sicherlich nicht leicht sein werden, sobald wie möglich erfolgreich abgeschlossen werden.Dann ist auch nach der atlantischen Union oder der atlantischen Partnerschaft gefragt worden. Ich glaube, es kommt hier nicht so sehr darauf an, welche Formulierungen man gebraucht, als vielmehr darauf, was man politisch will. Für meine politischen Freunde und für mich gibt es eigentlich eine sehr klare Antwort: Wir wollen ein möglichst starkes einiges Europa als Partner starker Vereinigter Staaten in einer atlantischen Gemeinschaft.
Diejenigen, die vor wenigen Tagen hier in Bonn die Rede des amerikanischen Unterstaatssekretärs Ball hören konnten, werden mir zustimmen, daß zwischen der Auffassung, die er vertreten hat, und der Auffassung, die hier vertreten wird, kein Unterschied besteht. Ich habe das aufrichtig begrüßt; denn es gab Zeiten, in denen die amerikanische Politik gerade in dieser Frage vielleicht in einer Nuance verschieden war von der, die ich eben vertreten habe.Sie haben dann noch kritisiert, Herr Kollege Ollenhauer, daß man über die Frage der atomaren Rüstung so verschiedene Formulierungen höre, und dann haben Sie — und das habe ich doch notiert, weil es mich besonders interessiert hat — festgestellt, daß die Koalition geneigt sei, diese Frage zum Streitgegenstand in der inneren Politik zu machen. Herr Kollege Ollenhauer, ist das nicht eine Erinnerungslücke? Wenn ich mich recht erinnere — aber ich mag mich täuschen —, dann war es doch die Sozialdemokratische Partei, die einmal die Frage der atomaren Bewaffnung zum Streitgegenstand der inneren Politik gemacht hat.
Heute geht es darum — und ich glaube, es ist auch nicht so schwer, das richtig zu formulieren —, daß wir den Wunsch haben, daß die atlantische Gemeinschaft in ihrer Abwehrkraft genauso stark ist wie der potentielle Gegner, daß also auch die atlantische Gemeinschaft wissen muß, daß sie in der Lage ist, über die gleichen Waffen zu verfügen, die der mögliche Angreifer besitzen kann und besitzen wird. Über die andere Frage, wie das nun gemacht wird, haben wir uns schon oft unterhalten. Ich glaube, noch niemand hat den Stein der Weisen gefunden und gesagt: „So und nicht anders muß es sein." Aber ich glaube, auch die, die die Erklärung des amerikanischen Präsidenten in Ottawa gehört haben, und auch die, die die Bemerkungen gehört haben, die der amerikanische Staatssekretär Ball zu diesem Thema gemacht hat, werden mir zustimmen, wenn ich sage: Wir sind, wie ich glaube, auf dem richtigen Weg, ohne einen falschen Perfektionismus auch diese Frage in einer befriedigenden Weise zu beantworten. Und nur darum geht es und um nichts anderes.Sie haben dann, Herr Kollege Ollenhauer, von Genf gesprochen, und Sie sagten, Sie sähen einen Widerspruch in den Erklärungen des Bundeskanzlers, der zu Beginn der Konferenz einmal sagte, man könne nicht viel davon erwarten, und der vor kurzem sagte, sie habe immerhin nichts verdorben. Ja, meine Damen und Herren, ich glaube, diese Formulierung war vollkommen richtig. Auch ich war der Meinung, als die Konferenz anfing, man solle nicht zu viel davon erwarten; und leider hat sich diese etwas pessimistische Betrachtung bestätigt; und jetzt ist die Konferenz zu Ende, und da können wir mit einer gewissen Befriedigung feststellen: Es ist wenigstens kein Unheil geschehen. Meine Damen und Herren, können Sie eigentlich sehr viel mehr über den Ablauf der Konferenz sagen?Dann sagen Sie, wir hätten keinen Beitrag zu der Konferenz geleistet, und der Beitrag dürfe doch nicht in der reinen Negation bestehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, daß auch dieser Vorwurf so unbegründet ist, wie er es auch früher war, wenn er in gleichem Zusammenhang erhoben wurde. Wissen Sie nicht, daß diese Konferenz wie auch die vorangegangenen vorbereitet wurde zwischen den Verbündeten mit der Bundesrepublik, und ist nicht der wichtigste Beitrag, den die Bundesrepublik in einer solchen Konferenz leisten kann, der, zu einer Einigkeit der freien Welt beizutragen? Und das ist gelungen.
Ich weiß nicht, ob allzu viele Beiträge, die auf allzu viel Phantasie beruhen, sehr glücklich sind. Ich sehe in dieser Situation, ich sage es ganz offen, die erneute Äußerung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, der sich wieder einmal für eine Konferenz der 52 Siegerstaaten über den Inhalt eines Friedensvertrages ausgesprochen hat, nicht als einen sehr sinnvollen Beitrag zu den Genfer Beratungen an.
Daß im übrigen in der Nuance auch einmal Unterschiede innerhalb der Koalition über außenpolitische Fragen bestehen — sollte das so arg erscheinen? Ich habe den Eindruck, daß auch in Ihrer eigenen Partei manchmal Meinungsverschiedenheiten über einzelne außenpolitische Probleme bestehen. Das sollte man nicht so tragisch nehmen.Dann nannten Sie Herrn Kollegen Dehler und sagten, Sie stünden nach seinen Erklärungen vor einem großen Fragezeichen. Nun, meine Damen und Herren, auch wir stehen manchmal vor großen Fragezeichen.
Dann nahmen Sie zu den innenpolitischen Vorgängen Stellung und sprachen von einem Aufschrei, der die Führungslosigkeit zeige. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wiederhole es auch hier noch einmal: wir waren unserem Wirtschaftsminister Professor Erhard aufrichtig dankbar, daß er einmal das Kind beim Namen genannt hat.
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968 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. von BrentanoIch glaube, es war höchste Zeit, daß hier von verantwortlicher Stelle ein mahnendes Wort an die gesamte deutsche Öffentlichkeit gesprochen worden ist, und ich glaube, daß auch die Aussprache, die wir hier im Parlament hatten, dazu beigetragen hat.Gewiß, man mag über die eine oder andere Formulierung streiten und mag die Ursachenkette bei Ihnen oder bei uns etwas anders sehen; aber alles in allem empfinden wir doch sicherlich genauso wie jeder unserer Wähler draußen auf der Straße, daß eine gewisse Unordnung entstanden ist, mit der wir uns beschäftigen müssen.Wenn Sie dann sagen, die CDU oder die Bundesregierung und Herr Erhard trügen ja die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik und seien deswegen auch verantwortlich für das, was Sie heute kritisierten, dann muß ich Ihnen widersprechen. Wir tragen gern die Verantwortung für das, was in den vergangenen Jahren geschehen ist. Herr Kollege Erhard hat ja darüber einen kurzen Überblick gegeben, als er hier von dieser Stelle sprach. Es wird doch niemand ernstlich bestreiten, daß sich seit 1949, als wir erstmals hier zusammenkamen, im Wirtschaftsbereich der Bundesrepublik erstaunliche Dinge ereignet haben.
Sie können es sich doch nicht so einfach machen, zu sagen: weil nun Herr Erhard oder die Bundesregierung die Verantwortung für die wirtschaftspolitische Entwicklung trage, trage er auch die Verantwortung für die Fehler, die von einzelnen im Wirtschaftsleben begangen werden. Nein, meine Damen und Herren, dafür trägt man nicht die Verantwortung, es sei denn, daß man dazu schweigt. Herr Erhard und die Bundesregierung haben sich entschlossen, dazu nicht mehr zu schweigen, sondern mit dazu beizutragen, daß fehlerhafte Entwicklungen aufgefangen werden.
— Ich glaube nicht, daß man solche Dinge hier im Plenum besprechen sollte.
— Meine Damen und Herren, wollen Sie, daß wir die Meinungsfreiheit beschränken?
— Ich glaube nicht, daß man der politischen Situation und den 'beteiligten Menschen einen Dienst erweist, wenn man hier in der Öffentlichkeit Dinge diskutiert, die, wie ich meine, in einem kleinen Kreis besser, zumindest vorbereitend, diskutiert werden sollten. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie die Gelegenheit benutzen würden, diese Frage vielleicht einmal im Auswärtigen Ausschuß zu besprechen. Ich meine aber doch, Herr Kollege Ollenhauer, wenn Sie die Befürchtung äußern, daß etwa die Abberufung eines Botschafters den Prozeß der Normalisierung zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion erschweren könnte, dann überschätzen Sie wohl das Gewicht eines Botschafters, oder Sie unterschätzen die Schwierigkeiten auf dem Wege zur Normalisierung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Ollenhauer hat festgestellt, daß wir zur Zeit die schlechteste Regierung hätten, die wir bis jetzt 'hatten. Ich möchte vorsichtig sein und mit )einem understatement sagen, ich könnte mir eine noch schlechtere vorstellen.
Ich meine, wir hatten auch schon schlechtere, und, meine Kollegen von der SPD, die Art und Weise, in der Sie z. B. gegen die letzte Bundesregierung reagierten, scheint mir doch bei einem Vergleich mit dem, wie Sie heute reagieren, darauf hinzudeuten, daß Sie jene für weniger gut gehalten haben als die jetzige. Wenn ich an 'die Debatte über den Einzelplan 14 denke — ich bezeichne das als eine durchaus positive Entwicklung —, so verstehen Sie, was ich meine. Jedenfalls werden Sie es nicht bedauern, daß es keine absolute Mehrheit mehr gibt, sondern daß die Notwendigkeit zu einer Koalitionsregierung vorhanden Ist. Sie werden auch ohne weiteres einsehen, daß mit einer Koalitionsregierung unweigerlich Schwierigkeiten verbunden sind, die es bei einer Regierung, 'die nur von einer Partei, sei
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 969
Dr. Bucheres welche auch immer, getragen wird, nicht gibt. Jedenfalls dürfen Sie an der FDP keine Kritik üben, weil wir das getan haben, was zu tun auch Sie bereit waren, nämlich eine Koalition mit der CDU einzugehen.
— Herr Kollege Hermsdorf, ich bestreite nicht, daß Sie immer nur von einer Allparteienregierung gesprochen haben. Das macht aber keinen wesentlichen Unterschied aus; denn in einer Allparteienregierung wäre außer Ihnen sehr bestimmend die CDU gewesen und sehr wenig bestimmend die darin auch vertretene FDP. Wir wollen uns aber nicht länger mit dieser Koalitionsbildung aufhalten.,Sie haben heute konkrete Vorwürfe erhoben und haben gesagt, die Politik der Bundesregierung sei verworren, man lasse die Zügelschleifen. Das ist — es ist schon gesagt worden — ein Vorwurf, der im Gegensatz zu dem Vorwurf steht, der früher erhoben wurde, auch von uns, dem Vorwurf einer Kanzlerdemokratie. Die Wahrheit gebietet, zu sagen, die Schwierigkeiten, die in dieser Koalition aufgetreten sind, sind bis jetzt jedenfalls nicht durch den Herrn Bundeskanzler hervorgerufen worden.Sie halben anerkannt, der Herr Bundeskanzler sei eigens aus dem Urlaub zu dieser Debatte zurückgekommen. Ich finde auch, das ist eine Tatsache, die man anerkennen muß und die anzuerkennen wir vielleicht früher keine Gelegenheit hatten. Das Klima hat sich sicher wesentlich verbessert. Ich bin nicht so anmaßend, zu sagen, das komme daher, daß nun das strahlende FDP-Hoch über das schwarze CDU-Tief hergezogen sei. Es ist eben wie beim Wetterbericht oft, man kann nicht klar erkennen, welche verschiedenen Strömungen zu dem schönen oder schlechten Wetter beitragen. Jedenfalls ist es doch auch beachtenswert — und sind wir dankbar dafür —, daß der Herr Bundeskanzler sich dafür eingesetzt hat, daß unser Parteivorsitzender nach den USA reisen konnte und — ich meine, das müßte doch in unser aller Interesse sein — daß dort der Vorsitzende einer Partei gegen die Vorurteile Stellung nehmen konnte, die doch sicher von niemand in diesem Hause geteilt werden, wir seien eine revanchistische und neutralistische Partei usw., Gedanken, die in Amerika verbreitet waren. Wir müssen uns doch alle freuen, daß es Herrn Mende gelungen ist, das auszuräumen. Das ist doch, wenn auch nicht im wesentlichen, so doch ru. a. ein Erfolg dieser Koalition.Sie haben selbst erwähnt, Herr Ollenhauer, daß man über Außenpolitik doch jetzt besser als früher informiert wird. Nun lassen Sie mich zur Außenpolitik etwas sagen. Ich finde, daß gerade in der Außenpolitik durchaus gesagt werden darf, der Einfluß der FDP mache sich bemerkbar. Wir waren z. B. die ersten, die auf das Memorandum der Sowjetunion vom 27. Dezember den Standpunkt vertraten, dieses Memorandum verdiene eine Antwort, während Sie von der SPD — und auch zunächst die CDU sicher — in diesem Punkt zumindest wesentlich zurückhaltender waren. Als dann Herr Mende sagte, die Bundesregierung müßte —selbstverständlich mit Billigung und nach Unterrichtung unserer westlichen Alliierten — Gespräche mit der Sowjetunion führen, da war es Herr Brandt, der ganz energisch dagegen war, während dann die Bundesregierung in ihrer Antwortnote auf besagtes Memorandum auch die Notwendigkeit solcher Gespräche anerkannte.Über die Verbesserung der Situation in der Notstandsgesetzgebung hatten wir schon Gelegenheit beim Einzelplan des Bundesinnenministeriums zu sprechen. Ich will es nur noch andeuten.Nun die Kritik an der Europapolitik. Sicher ist diese Europapolitik mehr oder weniger unklar. Das will ich nicht bestreiten. Aber die Bundesrepublik ist doch hier in derselben Lage wie die anderen europäischen Staaten auch. Wenn das heute etwas ironisch gebrauchte Wort von der flexiblen Politik angebracht ist, so doch hier. Das gilt für jeden europäischen Staat, der sich immer wieder auf die sich wandelnden Situationen der anderen, die Einstellung der anderen Partner, seinerseits einrichten muß. Wenn wir an den geschichtlichen Vorgang der Einigung Deutschlands denken: er war doch wesentlich unproblematischer als eine europäische Einigung, sollte man meinen. Er hat ja auch von mindestens 1815 bis 1871 gedauert, und heute sind wir uns in allen Parteien noch nicht so völlig einig, wie nun dieses Deutschland, jetzt in Form der Bundesrepublik, aufgebaut sein soll, mehr föderalistisch oder weniger föderalistisch. Das sind doch Schwierigkeiten, aus denen heraus man keinen Vorwurf machen kann, wenn hier kein ganz klares Bild entsteht.Die Kritik der SPD richtete sich dann gegen den Finanzminister. Ich finde es nicht gerade schön, daß Sie hier den Punkt „zwölfprozentige Kürzung" herausgegriffen haben, der ja sicher durch die ausgezeichnete Arbeit des Haushaltsausschusses erledigt ist. Aber diese zwölfprozentige Kürzung war doch ein Notbehelf, zu dem Herr Starke aus Zeitmangel greifen mußte, weil er mehr oder weniger einen Haushalt übernehmen mußte, für den er zwar äußerlich verantwortlich ist, für den er aber die innere Verantwortung doch nicht voll und ganz übernehmen konnte.Wir müssen doch neben diesem kleinen Schönheitsfehler anerkennen, daß die Finanzpolitik, wie sie Herr Starke jetzt eingeleitet hat, sehr dazu beitragen kann, eine Umkehr von dem verhängnisvollen politischen Weg zu finden, den wir eingeschlagen hatten. Es ist zwar noch nicht so weit, daß Herr Starke die Richtlinien der Politik bestimmt; aber wir wollen uns darüber gar nicht täuschen, daß er einen sehr kräftigen Einfluß auf diese Dinge nimmt und kraft seiner Position als Finanzminister, die auch das Grundgesetz anerkennt, auch nehmen kann.Wenn er diese Umkehr bei der Frage der Gehälter im öffentlichen Dienst sehr deutlich hat werden lassen, so soll das nicht bedeuten, daß man ausgerechnet auf diesem Gebiet nur ablehnend sei gegen eine Gehaltserhöhung, sondern daß hier einmal mit dieser Umkehr begonnen werden soll. Das ist doch nun nicht sozialreaktionär. Dies ist ja der wesentlichste Vorwurf, der dieser Bundesregierung
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970 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. Buchergemacht wird, und er wird ihr gemacht, weil die FDP dabei sei. Das sei jetzt ein sozialreaktionärer Kurs. Ist es denn „sozialreaktionär", wenn man, wie der Herr Bundeskanzler mit Recht gesagt hat, dafür sorgt, daß der Bausparer von seinem jahrelang angesparten Geld, wenn er es zugeteilt bekommt, wirklich etwas hat, daß er nicht von Jahr zu Jahr feststellen muß: es ist wieder weniger geworden, und es reicht jetzt nicht einmal mehr zum ersten Stock, es reicht nur noch zum Keller, was ich hier herausbekomme?Wenn Sie die versicherungstechnische Bilanz ansehen, die schon vorliegen soll — und hoffentlich recht bald veröffentlicht wird —, und dabei feststellen, daß die großen Segnungen, die uns die dynamische Rente bringen sollte, die Ihnen von der SPD ja noch nicht weit genug ging, dazu führen, daß die Anpassung der Bestandsrenten wahrscheinlich ein weiteres Jahr gar nicht mehr möglich sein wird, ohne die Beiträge oder die Staatszuschüsse zu erhöhen, dann werden Sie sich auch wieder überlegen müssen, was nun sozialreaktionär ist und was andererseits nur 'eine scheinbare Sozialpolitik ist.Schließlich darf ich auch noch darauf hinweisen, daß unser Sprecher in der Rundfunkauseinandersetzung zu diesen Fragen, mein Kollege von Kühlmann-Stumm, sich betont nicht nur gegen die erneuten Lohnforderungen gewandt hat — nicht arbeitnehmerfeindlich war —, sondern sich auch gegen jenes Protzentums ausgesprochen hat, das heute schon erwähnt worden ist, gegen jene ungebildeten Banausen, die glauben, sie müßten in Luxuslokalen abends drei- und vierstellige Zechen machen. Das ist genauso ein Anliegen von uns.Ich meine, wenn ich es recht im Kopf habe, es gibt doch einen Paragraphen im Einkommensteuergesetz, der auch eine Besteuerung nach dem Lebensaufwand 'ermöglicht. Wenn es ihn nicht gibt, müßte man ihn nach meiner Ansicht schaffen. Hier muß auch 'einmal eingegriffen werden. Das ist durchaus unsere Ansicht.
Sie können heute in der Presse lesen, daß sich Herr Bundesschatzminister Lenz sehr energisch gegen d'en Tiefschlag ausgesprochen hat, den die Preiserhöhungen beim Volkswagenwerk unserer ganzen Wirtschaftspolitik versetzt haben. Sehen wir uns einmal die Mitglieder dieses Aufsichtsrates an! Da haben wir einen Staatssekretär a. D. Busch und Herrn Brenner, der, glaube ich, vom Deutschen Gewerkschaftsbund ist. Nun, zusammen gibt das noch keinen „brennenden Busch", aus dem die Stimme Gottes zu vernehmen wäre. Nebenbei wundere ich mich auch, daß ausgerechnet immer emeritierte Staatssekretäre offenbar das Reservat auf derartige Posten haben. „Emeritiert" bezieht sich hier offenbar weniger auf d e n Verdienst als auf d a s Verdienst. Diese Sache sollte man sich auch einmal ansehen.Wir sollten uns wirklich überlegen, ob man so Weiterwirtschaften kann, wie sich der Aufsichtsrat in diesem Fall überfahren läßt. Wie unstandesgemäß, vom Volkswagen überfahren! Nun, deshalb ist auch er am Leben geblieben. Aber am Lebenbleiben sollte er als Aufsichtsrat meiner Ansicht nach nicht. Man müßte wirklich prüfen, ob ein solcher Aufsichtsrat nicht abgelöst werden muß.
Sie sehen also, daß wir uns nicht nur gegen Lohnerhöhungen wenden und hier einen sturen Kurs verfolgen, der die Bezeichnung „sozialreaktionär" verdienen könnte, sondern daß wir das Ganze in der Wirtschaft sehen. Das ist ja genauso das Anliegen der Bundesregierung.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 971
Obwohl wir uns alle Jahre über den gleichen Punkt unterhalten, muß ich sagen, daß ich die Zähigkeit und Hartnäckigkeit der SPD, mit der um diesen Punkt gekämpft wird, anerkenne. Es ist in der Tat ein rein politischer Punkt, und wir sollten uns keinen Augenblick darüber im unklaren sein, daß es n u r ein politischer Punkt ist. Denn daß auch dieser Titel der Kontrolle des Präsidenten des Bundesrechnungshofes unterliegt, wird auch von Ihnen nicht bestritten; und daß in den vergangenen 13 Jahren im Rechnungsprüfungsausschuß gerade hinsichtlich dieses Titels Beanstandungen des Herrn Präsidenten noch niemals vorgelegen haben, darf ich als bekannt voraussetzen.
Nun, meine Damen und Herren, wie mir scheint, kommt es hier auf etwas anderes an. Wir unterscheiden uns hier vielleicht ein wenig in unseren Vorstellungen. Die SPD hat — das ist von ihrem Standpunkt aus begreiflich — in den letzten 12 Jahren danach getrachtet, den Status der Minderheit im Parlament in etwa auszugleichen und ihren, wenn
Sie wollen, politischen Machtbereich zu erweitern, indem sie versucht hat, der Mehrheit und der Regierung bestimmte Zügel anzulegen oder deren Wirkungsbereich einzuengen. Das ist ein politisch durchaus verständliches Anliegen. Umgekehrt werden Sie es uns zugute halten müssen, daß wir als Mehrheit für uns das Recht in Anspruch nehmen müssen, zusammen mit der Regierung bestimmte Dinge so zu machen, wie wir es für richtig halten, und daß wir es ablehnen, uns den Willen der Minderheit aufzwingen zu lassen. Das ist wohl ein ebenso berechtigtes politisches Anliegen.
Ich möchte infolgedessen auch keine Unklarheit darüber lassen, daß es uns hier weniger um die Höhe der Summe geht. Sie beantragen eine Kürzung um 3 Millionen DM. Sie wissen aber ziemlich genau, daß eine solche Kürzung auch Dinge treffen würde, deren Streichung auch Ihnen politisch nicht erwünscht sein könnte.
Ich möchte diese Debatte nicht lange auswalzen; ich fürchte auch, daß wir uns in diesem Punkte niemals werden einigen können. Wir glauben, daß es ein berechtigtes Anliegen der Bundesregierung ist, einen solchen Titel zu haben. Es gibt gewisse Vorstellungen, die darauf hinauslaufen, man könne das gesamte politische Leben der Nation sich wie in modernen Bauten abspielen lassen, in denen es keine Vorhänge, sondern nur noch Glasfenster gibt, die sozusagen Tag und Nacht unter Scheinwerferbeleuchtung stehen. Wir haben mit ,der modernen Architektur die Erfahrung gemacht, Herr Kollege Schoettle, daß 'die Leute auch froh sind, wenn einmal Vorhänge da sind bzw. wenn überhaupt bestimmte Vorgänge — auch der Politik, ich glaube, jede Bundesregierung hätte einen Anspruch darauf, daß sie das tun könnte — sich etwas intimer abspielen. Ich glaube, das muß nicht unbedingt ein staatspolitischer Schaden für das Ganze sein. In dieser Beziehung unterscheiden sich unsere Ansichten. Vielleicht werden mit dem Wandel der modernen Architektur auch Sie einmal zu der Erkenntnis kommen, daß 'der Standpunkt, den wir all die Jahre hindurch mit Konsequenz, und zwar mit der gleichen Konsequenz wie Sie Ihren Standpunkt vertreten haben, zu keinem Schaden für das deutsche Volk geführt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Vogel veranlassen mich, noch einige Bemerkungen zu machen. Zunächst einmal, Herr Kollege Vogel, ist es nicht richtig, daß es zu diesem Titel noch niemals zu einer Beanstandung des Bundesrechnungshofes gekommen sei. Sie erinnern sich alle der Vorgänge im Bundespresseamt im Zusammenhang mit dem Selbstmord. Sie erinnern sich des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion, daß darüber ein Bericht erstattet werden solle. Sie kennen den Bericht des Bundesrechnungshofes. Sie wissen, daß es dabei einige Schwierigkeiten gibt. Ich spreche jetzt nicht von der Höhe des Ansatzes und von der Streichung,
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972 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Hermsdorfich möchte mich bei diesem Titel ausschließlich auf die Kontrolle beziehen.Der Antrag ist durchaus nicht deshalb schlechter, weil er hier bei jeder Haushaltsberatung vertreten wird, eher im 'Gegenteil. Wenn Sie offen sind, müssen Sie zugeben, daß wir Parallelfälle haben, wo es genauso um Politik geht wie im .Bundespresseamt und wo ein Unterausschuß die Verwendung der Mittel dieses 'Geheimtitels untersucht. Es hat niemals darüber irgendeinen Vorwurf in der Öffentlichkeit gegeben.Sie sagen, die 'Dinge, die sich hinter dem Vorhang abspielten, seien mitunter notwendig. Ich will Ihnen etwas sagen: die Dunkelkammer ist in der Politik eine sehr schlechte Sache.
— Aber es ist eine Dunkelkammer, weil niemand die Möglichkeit hat, die Sache zu durchleuchten. Ich führe den Einzelplan 27 an, Herr Kollege Vogel. In diesem Einzelplan haben Sie Kapitel, wo mit wesentlich höheren Beträgen Geheimtitel veranschlagt sind. Die Verwendung dieser Mittel wird durch einen Fünferausschuß kontrolliert. Es hat noch niemals eine öffentliche Diskussion darüber gegeben. Wenn es diese oder jene Meinungsverschiedenheit gegeben hat, sind sie in diesem Ausschuß in aller Sachlichkeit und Kollegialität besprochen worden. Man hat wenigstens dann in diesem Hause das Gefühl, daß eben nichts in der Dunkelkammer geschieht, sondern daß hier auch die Opposition die Möglichkeit hat, die Dinge zu untersuchen. Nur darauf kommt es uns an. Es kommt uns nicht darauf an, hier über diesen Titel ein Riesengeschrei zu machen und zu sagen, da und dort und jenes, sondern es kommt uns einfach darauf an, festzustellen, daß hier ein Titel von 13 Millionen DM vorhanden ist, der von keiner Seite dieses Hauses außer von der Regierung einmal durchleuchtet werden kann, und das halten wir für eine schlechte Sache.Ich möchte Ihnen folgendes sagen, Genosse — —
— verzeihen Sie —, Herr Vogel. Wir können ganz gut sagen: Genosse; denn im Haushaltsausschuß stellen wir beide manchmal Anträge, in denen es dann heißt: Vogel und Genossen. In diesem Falle wären wir also gar nicht so weit voneinander weg. Warum sollen wir uns darüber streiten?Ich möchte Ihnen, Herr Vogel, noch folgendes sagen. Wenn Sie bei diesem Titel die Möglichkeit geben, daß ein kleines Gremium des Parlaments — und sei es nur von jeder Fraktion einer— die Dinge untersucht, sparen wir uns erstens die ewigen Debatten, die wir zu jedem Haushalt darüber führen, und sparen Sie sich einen Antrag, den Sie einmal stellen werden, wenn hier oben eine sozialdemokratische Regierung steht.
— Diesen Antrag werden Sie als ersten stellen, und ich kann nur erklären, wir würden dem zustimmen und würden die Kontrolle von uns aus auf jeden Fall verankern.
Meine Damen und Herren, trotz der Heftigkeit bei diesem Punkt habe ich den Eindruck, daß das innenpolitische Klima doch sehr freundlich geworden ist, da die eine Seite die andere mit „Genossen", die andere wiederum die Gegenseite mit „Freunde" anredet.
Herr Abgeordneter Niederalt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Hermsdorf möchte ich doch noch mindestens einen grundsätzlichen Gedanken in dieser Debatte, die uns alle Jahre beschäftigt, beisteuern.
Der Antrag, der alljährlich von der Opposition gestellt wird, wird damit begründet, daß man sagt, hier müsse ein kleiner Unterausschuß — bestehend aus drei, vier oder fünf Mitgliedern — eingesetzt werden, damit auch bei diesen Titeln das Recht der parlamentarischen Kontrolle ausgeübt werden könne. Ich gebe zu," das ist für jemanden, der sich näher mit den Dingen befaßt, ein Argument, das auf den ersten Blick einleuchtet. Wenn man aber etwas nachdenkt, dann werden Sie zugeben müssen — und das können Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht leugnen —, daß das DreiMann-Gremium — so möchte ich es einmal nennen
— ein ganz schlechter Ausweg ist; denn es stellt in keiner Weise eine parlamentarische Kontrolle dar. Es ist nur eine Scheinkontrolle; das müssen Sie alle, meine Damen und Herren in diesem Hohen Hause, wissen, damit Sie sich innerlich mit diesem ständigen Antrag auseinandersetzen können. Es ist deshalb nur eine Scheinkontrolle, weil die drei Männer, die in diesem Unterausschuß wären, niemandem, weder der Fraktionsführung, noch der Fraktion, noch dem Bundestagsplenum etwas sagen dürften.
Was ist denn das für eine Kontrolle?
Herr Abgeordneter Niederalt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hermsdorf?
Bitte schön!
Herr Kollege Niederalt, sind Sie der Auffassung, daß alle Unterausschüsse oder Kontrollausschüsse, die wir bei den übrigen Geheimtiteln haben, eine schlechte Sache sind?
Sie steuern genau auf das Ziel hin, auf das ich hinaus will.
— Ich bin der Auffassung — und daraus habe ich noch nie ein Hehl gemacht, Herr Kollege Schäfer —, daß diese Institutionen auch bei den anderen Titeln— es ist noch ein Titel — genauso wenig gut sind, wie sie gut wären, wenn wir sie hier 'einführen würden. Das ist und bleibt eine Scheinkontrolle. Ich
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Niederaltwiederhole, es ist nichts anderes als Augenwischerei, wenn ich mich mal ganz deutlich ausdrücken darf. Da ist es mir schon lieber, wenn ein Beamter wie der Präsident des Bundesrechnungshofs, der völlig frei und nicht weisunggebunden ist, die Kontrolle ausübt. Ich meine also, wir sollten diesen Gedanken bei den Anträgen, die alljährlich von der Opposition gestellt werden, etwas mehr in den. Vordergrund rücken.Ich glaube, man kann den Antrag der SPD mit gutem Gewissen ablehnen.
Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin über die Ausführungen des Herrn Kollegen Niederalt einigermaßen erschüttert.
Denn die Abwertung der Tätigkeit der vom Bundestag bestellten Kontrollkommission und auch der des Bundesbeauftragten bzw. des Bundesrechnungshofes, die darin liegt, gibt doch sehr zu denken.
Aber Sie haben heute Geburtstag. Der Herr Bundeskanzler hat einen Wunsch geäußert. Er hat vorhin gemeint, es sei gut, daß eine konstruktive Opposition vorhanden sei. Wollen Sie nicht mit uns dem Wunsch des Herrn Bundeskanzlers entsprechen? Wollen Sie nicht dafür sorgen, daß diese konstruktive Opposition Gelegenheit bekommt, zunächst eine kleine Flurbereinigung bei diesem Geheimtitel vorzunehmen, eine Flurbereinigung, die gestatten würde, Herr Bundeskanzler, schätzungsweise etwa 40 % des Geheimfonds öffentlich auszuweisen, richtig zu etatisieren? Vielleicht lassen Sie sich einmal von Ihren verantwortlichen Herren darüber Bericht erstatten, daß aus diesem Geheimfonds eine ganze Fülle von Ausgaben bestritten wird, die das Licht der Öffentlichkeit weder aus politischen noch aus anderen Gründen zu scheuen haben. Dann würde zunächst einmal eine Möglichkeit der Legalisierung und Reduzierung des Geheimfonds an diesem Teil entstehen.
Zweitens aber mache ich Ihnen den Vorschlag — wir würden uns sofort einigen —: Gehen wir von diesem Unterausschuß ab, setzen wir den für diese Dinge geschaffenen Rechnungsprüfungsausschuß als Unterausschuß des Haushaltsausschusses ein, um die parlamentarische Kontrolle des dann noch verbleibenden Restes dieses Geheimfonds unter dem Siegel der absoluten Verschwiegenheit auszuüben. Dann wären wird endlich diese alljährliche Erörterung los, und dem Kontrollrecht des Parlaments wäre endlich Rechnung getragen.
Meine Damen und Herren, ich darf feststellen, daß die beiden Kollegen, die soeben miteinander die Klingen gekreuzt haben, Geburtagskinder sind. Wir können ihnen gratulieren.
Herr Kollege Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Bemerkung gegenüber Herrn Kollegen Niederalt: Ich nehme an, daß Sie bewußt über das Wesentliche dieser kleinen Kontrollausschüsse hinweggesehen haben, nämlich darüber — das ist vermutlich das, was Ihnen in die Nase sticht, Herr Kollege Niederalt, wenn ich es einmal populär ausdrücken darf —, daß bei solchen Ausschüssen auch die Opposition wenigstens ein bißchen die Nase in die Geschichte hineinstecken kann. Ich nehme an, daß Ihnen das nicht paßt und daß das der entscheidende Grund ist, warum Sie eine solche Art von parlamentarischer Kontrolle ablehnen.
Nun stelle ich Ihnen noch eine Frage: Wollen Sie auch die sehr, sehr bescheidene parlamentarische Kontrolle z. B. beim Bundesnachrichtendienst in die Kategorie der überflüssigen Kontrollen und Kontrollausschüsse einbeziehen?
Nun zu dem Antrag selber! Ich bitte den Herrn Präsidenten, eine getrennte Abstimmung vorzunehmen, einmal über den Streichungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion und zum andern über den Haushaltsvermerk, der das Problem der parlamentarischen Kontrolle beinhaltet. Wir haben diesen Haushaltsvermerk genau der Formulierung entnommen, die die FDP-Fraktion im Jahre 1959 bei der Beratung dieses selben Titels beantragt hat.
Ich nehme an, daß wenigstens die FDP sich noch daran erinnert.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr !begehrt. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung. Die Antragsteller haben gewünscht, getrennt abstimmen zu lassen. Ich lasse also zunächst über den Tail des Änderungsantrags der Fraktion der 'SPD auf Umdruck 47 abstimmen, mit dem eine Kürzung um 3 Millionen DM verlangt wird. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist eindeutig die Mehrheit; abgelehnt.Ich komme nunmehr zur Abstimmung über die Einfügung des Haushaltsvermerks, über die der Herr Abgeordnete Schoettle soeben gesprochen hat. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
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Vizepräsident Dr. JaegerIch bitte um die Gegenprobe. — Das zweite war die Mehrheit.
— Enthaltungen?
Ich stelle fest: zahlreiche Enthaltungen rechts.
— Meine Damen und Herren, beruhigen Sie sich wieder, damit wir weiter abstimmen können!Ich lasse nunmehr über den Einzelplan 04 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe!— Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.Wir kommen nunmehr zumEinzelplan 05 — Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts .Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Conring. Wünscht er das Wort?
— Er wünscht es nicht. Das Haus verzichtet auf Berichterstattung.Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.Wer dem Einzelplan 05 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war 'die Mehrheit; angenommen.Ich rufe auf denEinzelplan 10 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaftund Forsten .Berichterstatter sind die Abgeordneten Brese und Dr. Gleissner. Herr Abgeordneter Brese, ist es notwendig, daß Sie das Wort ergreifen? — Herr Abgeordneter Dr. Gleissner? — Das Haus verzichtet auf Berichterstattung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wer wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Schmidt!
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat mit Drucksache IV/309 idem Hohen Hause empfohlen, die von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zum Einzelplan 10 Tit. 572, 573, 574, 578 und 608 eingebrachten und bei Beratung des Grünen Plans begründeten Erhöhungsanträge — entsprechend Umdruck 29 *) — abzulehnen und sie damit für erledigt zu erklären. Ich darf Sie, meine verehrten Damen und Herren, bitten, dieser Empfehlung nicht beizutreten.*) siehe 16. Sitzung Anlage 13Wir von der Sozialdemokratischen Partei haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß für uns die Verbesserung der Agrarstruktur eine besonders wichtige Voraussetzung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Europäischen Markt ist. Gerade weil wir im Wettkauf mit der Zeit sind und es aller Anstrengungen bedarf, diesen zu gewinnen, haben meine Freunde und ich die Erhöhung der Ansätze in den Tit. 572, 573, 574 und 578 um 185 Millionen DM beantragt. Dieser Betrag soll mit 30 Millionen DM der Flurbereinigung, 105 Millionen DM der Aussiedlung, Aufstockung und Althofsanierung, 20 Millionen DM den regionalen Strukturmaßnahmen, 20 Millionen DM dem Wirtschaftswegebau und mit 10 Millionen DM der gemeinschaftlichen Anwendung von Maschinen zugute 'kommen.Ich. brauche nicht erst zu betonen, daß alle diese Maßnahmen lebensnotwendig sind. Selbst bei der Würdigung der gegenüber dem Jahre 1961 erhöhten Ansätze im neuen Etat ist es einfach erforderlich, einmal eine besondere Anstrengung zu machen. Diese würde auf dem Gebiete der Flurbereinigung z. B. durch Vollvorfinanzirung für die Betroffenen Anreiz und gleichzeitig Entlastung für die Dauer des Verfahrens sein. Sie würde bei der Aussiedlung und der Aufstockung die bereits durch Bindungsermächtigung in Anspruch genommenen 95 Millionen DM mehr als ausgleichen und dem immer stärker werdenden Bedürfnis Rechnung tragen.Die Ablehnung unseres Antrags dm Fachausschuß, der dann erfolgte Beschluß über eine Bindungsermächtigung von 150 Millionen DM und deren Kürzung durch den Haushaltsausschuß tauf 95 Millionen DM haben sowieso schon zu Unsicherheit und Unruhe in unseren bäuerlichen Gebieten geführt. Dazu hat besonders auch die vor wenigen Tagen bei den zuständigen Bankinstituten und bei den Landwirtschaftsministerien der Bundesländer eingegangene Verfügung über idle Außerkraftsetzung der Richtlinien für die Althofsanierung geführt. Diese so außerordentlich erfolgreich angelaufene Maßnahme wird zum Erliegen kommen, da der jetzige Haushaltsansatz bei weitem nicht dazu ausreicht, die zur Zeit vorliegenden Anträge ,auf Aussiedlung überhaupt zu befriedigen.Für den Wirtschaftswegebau sind durch Beschluß des Ausschusses die Richtlinien für 1962 insofern geändert worden, als unter bestimmten Voraussetzungen, etwa der Steuerschwachheit der Gemeinden oder Benachteiligung der Gemeinden, 60% Zuschuß gewährt werden. Natürlich werden jetzt sehr viele bisher nicht zum Zuge gekommene Gemeinden und Gmeinschaften den Wunsch haben, Wirtschaftswege zu bauen. Deswegen wird auch die Summe, die wir im Etat angesetzt haben, nicht ausreichen. Wir brauchen eine Aufstockung, wie ,wir sie in unserem Antrag vorgesehen hatten.Für diese Erhöhungen, von denen ich nur einige herausgehoben habe, haben wir angeboten, die Düngemittelsubvention zu streichen. Wir haben diesen Vorschlag nicht leichten Herzens gemacht. Aber bei Würdigung der Notwendigkeiten 'muß doch wohl die Verbesserung der Agrarstruktur der Düngemittelsubvention vorgezogen werden.
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Meine Damen und Herren, ich darf doch um etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit für den Redner bitten. Privatgespräche bitte ich in die Wandelgänge zu verlegen.
Der Vollständigkeit halber darf ich noch erwähnen, daß wir unter Ziffer 2 b des Umdrucks 29 beantragt hatten, den Ansatz für die Altershilfe in Höhe von 100 Millionen DM in den Einzelplan 11 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — überzuführen. Dieser Antrag sollte der Bereinigung des Grünen Plans dienen und den Einzelplan 10 auf seine eigentlichen Aufgaben zurückführen. Wir freuen uns, daß wir mit diesem Verlangen mit dem Bundesrechnungshof und auch mit den Bauernverbänden einer Meinung sind.
Die Sorge um die Zukunft der in unserer Landwirtschaft tätigen Menschen bewegt uns alle. Wir sind alle gemeinsam aufgerufen, nach Wegen zu suchen, die in die Zukunft weisen. Die Beratung im Fachausschuß konnte uns diese Notwendigkeit leider — ich sage ausdrücklich: leider — nicht immer bestätigen. Alle unsere Anträge verfielen der Ablehnung.
Wir wissen ganz genau, daß die Einnahmen des Bundes nur einmal ausgegeben werden können. Aus diesem Grunde haben wir auch im eigenen Haushalt den entsprechenden Deckungsvorschlag gesucht. Das ist in diesem Jahr aus vielerlei Gründen, die hier schon genügend erörtert worden sind, notwendig; zur Regel darf es aber nicht werden. Die Regierung legt nur einen Vorschlag für den Haushalt vor. Der Bundestag allein muß über die Prioritäten entscheiden. In unserem Fall glauben wir, daß unsere Vorschläge die Interessen der deutschen Landwirtschaft auf dem Wege in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft besonders fördern. Ich darf Sie daher entgegen den Empfehlungen des Haushaltsausschusses bitten, unseren Anträgen auf Umdruck 29 Ihre Zustimmung zu geben.
Gestatten Sie mir, daß ich diese Beratungen nicht vorbeigehen lasse, ohne noch einmal auf einen Antrag einzugehen, den wir bei der Beratung des Grünen Plans eingebracht hatten: den Antrag auf Erhöhung der Milchsubvention um 2 Pf. Wir hatten damals — um es kurz in Ihre Erinnerung zurückzurufen — festgelegt, daß die Auszahlung modifiziert werden sollte. Futterbaubetriebe sollten bei einer Milchleistung bis 24 000 kg 3 Pf zusätzlich, die übrigen Betriebe 2 Pf haben. Darüber ist hier schon gesprochen worden.
— Ich möchte die Beratungen nicht vorbeigehen lassen, ohne noch einmal darauf hinzuweisen; es ist ja eine allgemeine Beratung.
Dieser Antrag ist seinerzeit abgelehnt worden. Wir haben uns dann im Ausschuß geeinigt: 1 Pf Subventionierung für alle abgelieferte Milch. Im Haushaltsausschuß ist dieser Antrag dann auf die Festlegung zurückgeführt worden, daß nur für die Werkmilch 1 Pf gegeben wird.
Der Herr Minister hat mir seinerzeit schon gesagt, daß die Zahl der Betriebe, die wir in unserem Antrag bei der Erhöhung ausschließen wollten, recht groß sei. Von den jetzt für Subventionierungszwecke zur Verfügung stehenden 115 Millionen DM werden 600 000 Betriebe 80 000 DM bekommen und nur 75 000 Betriebe 35 Millionen DM. Ich sage das nur, um einmal die Größenordnung darzustellen. Es ist — daran besteht kein Zweifel —, weil in der Frage der Erhöhung der Subventionierung nur wenig geschehen ist, draußen auf dem Lande ein absolutes Unbehagen vorhanden. Die Bauern wissen natürlich, daß es angesichts der Festlegung, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier hinsichtlich der Erhöhung von Preisen getroffen hat, ausgeschlossen ist, in absehbarer Zeit mit einer Erhöhung des Milchpreises und mit auch einer Verbesserung des Einkommens auf dem Lande — vor allen Dingen in den milchliefernden Betrieben — zu rechnen. Ich darf das nur am Rande erwähnen. Wir haben bei der Beratung des Grünen Planes schon darauf hingewiesen, daß die Landwirte in den betroffenen Betrieben für den Beschluß, nur die Werkmilch mit 1 Pf zu subventionieren, absolut kein Verständnis haben.
Das Wort hat derAbgeordnete Peters.Peters ,(FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — einschließlich des Grünen Planes — weist mit 3,786 Milliarden DM ein Mehr gegenüber dem Vorjahr von 518 Millionen DM aus. Wir sehen in der Erhöhung des Agrarhaushalts den Willen der Bundesregierung und des Parlaments, der Landwirtschaft in ihrer schwierigen Lage zu helfen. Wir erkennen das um so mehr an, als die Bundesregierung und das Parlament sich bei dem Ausgleich des Haushalts 1962 nicht gerade in einer leichten Lage befinden.Leider ist die Landwirtschaft auf eine verstärkte Hilfe angewiesen. Der Wirtschaftspolitik ist es nämlich nicht gelungen, diesen Zweig unserer Volkswirtschaft gleichermaßen an der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung teilnehmen zu lassen. Für die Landwirtschaft wird es darum immer entscheidend sein, welche Preise sie für ihre Erlöse erzielt. Man muß hier die Verkaufserlöse den Hilfen gegenüberstellen, die mittelbar und unmittelbar gewährt werden. Zu den unmittelbaren Hilfen rechne ich die Förderungsbeiträge für die Milch mit 585 Millionen DM, die Handelsdüngerverbilligung mit 185 Millionen DM, die Treibstoffverbilligung mit 294 Millionen DM, die Ausgleichsbeträge für Eier und Geflügel bis zum 30. Juni mit 90 Millionen DM und die Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse — einschließlich Tabak — mit 43 Millionen DM. Das ergibt zusammen 1,2 Milliarden DM als unmittelbare Preisverbesserung für landwirtschaftliche Erzeugnisse; das sind 240 Millionen DM mehr als im Vorjahr. Diese beachtliche Summe 'stellt aber nur 6 % der Verkaufserlöse dar.Daneben hat die Bundesregierung ebenfalls höhere Beträge zur strukturellen Verbesserung
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Peters
ländlicher Bereiche, landwirtschaftlicher Betriebe und der Verarbeitung und Verwertung agrarischer Erzeugnisse bereitgestellt. Diese Hilfen zur strukturellen Verbesserung können nur mittelbar und langfristig wirken. Sie erfordern zudem eine nicht unerhebliche Eigenbeteiligung und vermögen die Bilanz landwirtschaftlicher Betriebe nicht kurzfristig zu verbessern. Einschließlich der Bundesbeteiligung an der ländlichen Siedlung wurden folgende mittelbare Hilfen gewährt: 1 Milliarde DM Bundeszuschüsse, 500 Millionen DM Bundesdarlehen und ca. 400 Millionen DM vom Bund verbilligter Kapitalmarktmittel.Bei voller Würdigung dieser Bundeshilfen darf nicht vergessen werden, daß immer der landwirtschaftliche Erzeugerpreis von größerer Bedeutung ist. Schon wenn die Erzeugerpreise um 10 % niedriger lägen, 'würde dadurch die landwirtschaftliche Gesamtbilanz mit über 2 Milliarden DM belastet.Aus diesem Grunde begrüßen wir es, daß die Bundesregierung die Vorschläge der EWG-Kommission vom 25. November 1961 für eine gemeinsame Agrarpolitik nicht annahm, sondern bis zum 14. Januar 1962 verhandelte, um ein günstigeres Ergebnis für die eigene Landwirtschaft und die Bundesrepublik zu erreichen.
In der beschlossenen Abschöpfungsregelung mag noch manches Unberechenbare liegen; dennoch glauben wir, daß durch diese Regelung ein Schutz des deutschen Erzeugerpreisniveaus möglich ist. Erreichbar ist das allerdings auf weite Sicht nur, wenn die Bundesregierung bei künftigen Verhandlungen jede rechtliche Möglichkeit nutzt, 'das derzeitige deutsche Preisniveau zu halten, gegebenenfalls zu verbessern. Das gilt für den Getreidepreis wie für die Preise der Veredelungsprodukte.Es stimmt uns allerdings sehr nachdenklich, daß jetzt, Monate nach Abschluß der Verhandlungen in Brüssel, Meinungsverschiedenheiten aufgetreten sind über die Auslegung der Beschlüsse, über die Schutzklausel, über die Höhe der Richtpreise für Getreide und auch über die Aufbringung des Gemeinsamen Agrarfonds. Eine weitere Aufweichung der Schutzklausel gibt nach unserer Meinung der Bundesregierung Idas Recht, von der Verzichterklärung über die Mindestpreise nach Artikel 44 des EWG-Vertrages zurückzutreten. Diese Verpflichtung hat die Bundesregierung sogar der eigenen Landwirtschaft gegenüber.Wir hätten bei dieser Gelegenheit gern von Herrn Minister Schwarz gehört, was nun bei den letzten Verhandlungen in Brüssel endgültig 'beschlossen worden ist, nachdem man da anscheinend zu einem weiteren Kompromiß, jedenfalls zu einer klaren Beschlußfassung gekommen ist.In diesem Zusammenhang erscheint es besonders bedenklich, wenn nur nach wochenlangen Verhandlungen Preiszusammenbrüche verhindert werden können. Grundsätzlich darf das Schicksal der deutschen Landwirtschaft im Zuge der Verwirklichung des gemeinsamen Agrarmarktes nicht nur von den Beschlüssen und Maßnahmen der EWG-Bürokratieabhängen. Die politische Verantwortung kann nach unserer Auffassung nur von den gewählten Vertretern im Parlament getragen werden.Nur wenn es der Bundesregierung gelingt, weitere Preisbelastungen durch die Agrarpolitik im Gemeinsamen Markt von der eigenen Landwirtschaft abzuhalten, werden deren Anliegen sich in Maßen halten. Diese Ansprüche beruhen immerhin auf Gesetz. Die Bundesregierung ist nach dem Landwirtschaftsgesetz gehalten, eine Wirtschafts- und Agrarpolitik zu treiben, die Aufwand und Ertrag in der Landwirtschaft ins Gleichgewicht bringt.Die Hilfen ides Bundes bedürfen immer wieder, meine Damen und Herren, einer kritischen Überprüfung durch das Parlament. Neben der großräumigen Agrarpolitik liegen hier die Hebel, Einfluß zu nehmen. Ich habe den Eindruck, 'daß wegen der Kürze der Zeit für die Etatberatung und gewisser festeingefahrener Gewohnheiten dies nicht hinreichend möglich war.Über die Notwendigkeit der Erhöhung des Auszahlungspreises für Qualitätsmilch dürften 'in diesem Hohen Hause nur ,geringfügig unterschiedliche Meinungen bestehen. Der Haushaltsausschuß hat den 4. Milchpfennig — allerdings nur für Werkmilch — nach vorjähriger Jahresmenge bewilligt. Die hierfür erforderlichen 115 Millionen DM finden mit 63 Millionen DM ihre Deckung aus der nach dem 1. Juli überflüssig werdenden Eierprämie, wenn die EWG-Abschöpfungsregelung in Kraft tritt. Wegen der unerfreulichen Betrugsaffären, die im Zusammenhang mit 'der Auszahlung 'der Eierprämie vorgekommen sind, sollte schon vor dem 1. Juli eine Neuregelung angestrebt werden.Es erscheint uns dringend notwendig, ein Gesetz zu verabschieden zur Anwendung von Ausgleichsbeträgen für Eier auf der Basis eines angemessenen Einschleusungspreises. Wir wollen damit verhindern, daß die deutschen Eierpreise weit unter die Gestehungskosten gedrückt werden.Im Zusammenhang mit ,der umstrittenen Handelsdüngerverbilligung erscheint eine Überprüfung der Kartellpreise angebracht. Vor einer echten Preissenkung für Handelsdünger kann die Landwirtschaft keine mittelbare Verteuerung dieses wichtigen Betriebsmittels in Kauf nehmen. Die Hochsee-, Logger-und Küstenfischerei erhält neben erheblich aufgestockten Mitteln zur Modernisierung und Abwrackhilfe erstmalig eine Fangprämie von 20 Millionen DM. Das entspricht im Durchschnitt einer Prämie von 7% des Fangwerts gegenüber einer Durchschnittsprämie von 9%, die die ausländische konkurrierende 'Fischerei bekommt.Bei den strukturellen Maßnahmen der Flurbereinigung, Aufstockung und Aussiedlung sind die Haushaltsansätze von zusammen 425 Millionen DM im Vorjahr auf 600 Millionen DM in 'diesem Jahr aufgestockt, wozu für 1962 noch 95 Millionen DM zinsverbilligte Kapitalmarktmittel treten. Nach dem Beschluß ides Haushaltsausschusses ist die von der Bundesregierung vorgesehene Bindungsermächtigung von 50 Millionen DM auf 95 Millionen DM aufgestockt worden und damit 'der vorherigen Bin-
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dungsermächtigung gleichgestellt. Um so unverständlicher erscheint es uns, daß das Bundesministerium bei den Ländern die Althofsanierung, für die im vorigen Jahr 27 Millionen DM ausgegeben worden sind, angeblich wegen Geldmangels gestoppt hat. Dafür hätten wir gern eine Erklärung. Meine Fraktion hat außerdem schon eine Kleine Anfrage eingebracht. Wir wünschen jedenfalls, daß die Althofsanierung fortgeführt wird.Die Summen zur Förderung der Landwirtschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren, mögen hoch erscheinen. Leider ist es bisher nicht gelungen, damit den Abstand der Arbeitseinkommen in der Agrarwirtschaft zur industriell-gewerblichen Wirtschaft nach dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes aufzuholen.Der Übergang zum Gemeinsamen Markt wird uns vor weitere Schwierigkeiten stellen. So wie wir mit vollem Recht von unseren Partnern in der EWG fordern, daß sie ihre Wettbewerbsverzerrungen abbauen — bei den Januarbeschlüssen isst das bekanntlich kaum gelungen —, sollten wir zeitig damit beginnen, zusätzliche Belastungen — innere Verzerrungen — in unserer Volkswirtschaft abzubauen. Als größtes Positivum erscheint uns deshalb, daß die Bundesregierung der Landwirtschaft für den Dieselverbrauch von 1961 31,5 Pf je Liter zurückvergütet, wofür 294 Millionen DM vorgesehen sind. Damit ist in diesem Bereich die Wettbewerbsgleichheit in etwa hergestellt. Leider ist das auf anderen Gebieten nicht der Fall. Ich denke dabei insbesondere an die Höhe des Agrarzinses und an die Höhe der deutschen Frachten.Durch das Richtpreissystem für Getreide ab 1. Juli wird die Landwirtschaft, vor allem in marktfernen Gebieten, die große Belastung durch die hohen Frachten in der Bundesrepublik zu spüren bekommen. Wir glauben nicht, daß die 25%ige Senkung der Getreidefrachten bei der Bundesbahn eine ausreichende Hilfe sein wird. Wir glauben das im besonderen deshalb nicht, weil diese Tarifsenkung nur für Getreide und nur für die Bundesbahn gilt. Eine Senkung der Transportkosten auf das EWG-Niveau muß auf dem Wege über eine Neuregelung und vermutlich durch Hilfen das private Transportgewerbe der Binnenschiffahrt und des Straßenverkehrsgewerbes umfassen und für alle landwirtschaftlichen Güter gelten.Eine ähnliche Wettbewerbsverzerrung wie im Verkehr haben wir im Bereich des Agrarkredits. Seit vielen Jahren erhält die konkurrierende Landwirtschaft des Auslandes, vor allem in den EWG-Ländern, den Agrarkredit zu bedeutend günstigeren Konditionen als in der Bundesrepublik.Ich nehme an, daß mir entgegengehalten wird, der . Titel Zinsverbilligung sei bedeutend erhöht und mache heute fast 230 Millionen DM aus. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser Position sind aber fast alle Zinsverbilligungen -- auch die für allgemeine strukturelle Maßnahmen voriger Jahre — enthalten. Von dem im Grünen Bericht ausgewiesenen Fremdkapital der deutschen Landwirtschaft in Höhe von 13 bis 14 Milliarden DM sind durch die bisherige und die nun auf 3 % erweiterte Zinsverbilligung nur knapp 3 Milliarden zinsverbilligt. Diese Tatsache sollte uns sehr zu denken geben und uns veranlassen, den Hofkredit für betriebswirtschaftlich gerechtfertigte und auch schon durchgeführte Maßnahmen einer befriedigenden Lösung zuzuführen. Für den von Herrn Minister Schwarz angekündigten Hofkredit sind in diesem Haushaltsplan leider nur 27 Millionen als Zinsverbilligungsmittel vorgesehen. Die erweiterte Zinsverbilligung auf 3 % sollte nicht für alle bisher verbilligten Kredite gegeben werden, sondern speziell nur für landwirtschaftliche Betriebe. Man sollte sie nicht geben für Einrichtungen der Verarbeitung und Vorratshaltung usw., ob im genossenschaftlichen oder privaten Bereich. Diese weitere Verbilligung sollte beschränkt bleiben auf landwirtschaftliche Betriebe; dadurch würden wir weitere Mittel freibekommen. Wir ersuchen die Bundesregierung, die Richtlinien so zu gestalten, daß ein umfassender Hofkredit verwirklicht wird, für den in Zukunft die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der unabweisbare Mehrbedarf dieses Jahres müßte aus Wenigerausgaben des diesjährigen Grünen Plans bei anderen Titeln gedeckt werden.In dem Gesamtvolumen des Etats sind noch enthalten 416 Millionen für die Vorratshaltung, 100 Millionen für die Deiche, 100 Millionen für die Altershilfe der Landwirte und beträchtliche Beträge für die Wirtschaftsberatung, für die Verbraucherberatung, für Ausbildung und Fortbildung der Landjugend und für die landwirtschaftliche Forschung. Wegen der Kürze der Zeit ist es mir nicht möglich, auf jede einzelne Position näher einzugehen. Trotzdem möchte ich auf die Bedeutung dieser Maßnahmen hinweisen.Zusammenfassend darf ich für die Freien Demokraten erklären, daß wir dem Einzelplan 10 zustimmen. Trotz schwieriger Haushaltslage des Bundes sind 328 Millionen mehr im ordentlichen Haushalt, 190 Millionen mehr im außerordentlichen und 270 Millionen mehr an verbilligten Kapitalmarktmitteln für die Belange der Landwirtschaft eingesetzt als im Vorjahr. Wir sehen darin den Willen der Bundesregierung, der Landwirtschaft in ihrer schwierigen Lage zu helfen. Ich verhehle aber nicht, daß wir in Zukunft manche Position im Haushalt umdisponieren möchten, um zu einer besseren Wirkung der eingesetzten Mittel zu kommen.Darüber hinaus habe ich ein besonderes und altes Anliegen meiner Fraktion vorzubringen. Wir sind der Auffassung, daß der Aufbau des Grünen Planes ein anderes Gesicht bekommen muß. Im Grünen Plan sollten nur solche Maßnahmen enthalten sein, die sich unter Bezugnahme auf das Landwirtschaftsgesetz unmittelbar auf die Ertragslage der Landwirtschaft auswirken. Alle Ansätze für mittelbare Hilfen, die der strukturellen Verbesserung ländlicher Bereiche dienen, gehören nach unserer Auffassung in den ordentlichen Haushalt.Lassen Sie mich abschließend kurz etwas sagen zu den Anträgen der SPD. Ich beziehe mich nur auf die Umdrucke, die uns schriftlich vorgelegen haben. Umdruck 46 betrifft die Bundesanstalt für Naturschutz, Landschaftspflege und Vegetationskunde;
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Peters
ihm stimmen wir zu, weil wir der Meinung sind, daß dieser Umzug nicht so eilig ist, daß er vielmehr erst in einigen Jahren erfolgen könnte.Den Anträgen Umdruck 50, 51 und 58 können wir nicht zustimmen. Zum Umdruck 58, dem bedeutendsten von den dreien, bei Tit. 571, Förderung der ländlichen Siedlung, eine Bindungsermächtigung von 65 Millionen auszuwerfen, sind wir der Meinung, daß bei einem Gesamtvolumen von 650 Millionen DM für das Siedlungsprogramm 1962 eine Länderbeteiligung von 200 Millionen absolut angemessen ist. Bei der Haushaltslage des Bundes ist es nicht zu rechtfertigen, die Länder um 65 Millionen zu entlasten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist eigentlich nicht der geeignete Zeitpunkt, ,um hier heute eine grüne Debatte mit europäischem 'Einschlag zu wiederholen. Wir haben uns vor ganz kurzer Zeit darüber 'hier in aller Breite ausgesprochen, und ich meine nicht, daß wir nach so kurzer Zeit bei der allgemeinen Aussprache über den Haushalt des Bundesernährungsministeriums all das wiederholen sollten, ohne daß eigentlich wesentlich neue Gesichtspunkte dabei vorgetragen werden könnten.
Ich habe den Eindruck, daß in der Zwischenzeit nur eine Frage die Beteiligten draußen im Lande bewegt: das ist die Althof-Sanierung, von der hier auch gesprochen wurde. Bezüglich der Althof-Sanierung ist zu sagen, daß in der Tat diese von der Bundesregierung vorgeschlagene Maßnahme viel Widerhall findet, auf viel Zustimmung stößt und daß infolgedessen ,die Anträge sich häufen. Die Bundesregierung hat bei der Aufstellung des Etats dafür gesorgt, daß dem Rechnung getragen ist. Im Jahre 1961 hatten wit 27 Millionen DM für diese Zwecke zur Verfügung. Im Jahre 1962 werden wir 40 Millionen DM zur Verfügung 'haben. Die große Zahl der Anträge hat uns Veranlassung gegeben, zu überlegen, ob wir nicht auch in diesem Jahr noch weitergehen können. Erfreulicherweise bietet ja der Grüne Plan dazu die Möglichkeit; denn die Titel innerhalb des Grünen Plans sind untereinander verschiebbar, und wir haben die Hoffnung, ,daß die Mittel, die für die Altdorf-Sanierung zur Verfügung gestellt werden, in diesem Jahr ,auf etwa 60 Millionen DM erhöht werden. 'Das ist dann gegenüber dem Vorjahr mehr als eine Verdopplung. Ich freue mich, daß wir ,auf diesem Gebiet gute Fortschritte machen können. Persönlich bin ich der Auffassung, daß wir im Jahre 1963 versuchen sollten, für die AlthofSanierung noch etwas mehr zu tun. Ich glaube infolgedessen, daß die Feststellung, die in verschiedenen Zeitungen, auch in Agrarzeitungen, erschien, nicht ganz zutrifft, daß diese Seite der Agrarpolitik vernachlässigt würde. Sie wird nicht vernachlässigt, sondern sie wird mehr gefördert als im Vorjahr und hoffentlich auch in diesem Jahr noch weiter gefördert werden.
Im übrigen meine ich, sollten wir auch deshalb hier nicht die grüne Debatte erneuern, weil der Einzelplan 10 derjenige Einzelplan ist, der im großen und ganzen keine Kürzungen erfahren hat, während alle anderen Etats 'im Haushaltsausschuß Auseinandersetzungen ausgesetzt waren, die immer das Ziel hatten, ,die Ansätze zu kürzen. Es ist uns doch im Haushaltsausschuß gelungen, den Einzelplan 10 ohne Kürzungen zu verabschieden, und zwar bei einem gegenüber dem Vorjahr erhöhten Volumen. Ja, der Haushaltsausschuß hat, wie Sie wissen, noch 115 Millionen DM hinzugelegt, damit der vierte Milchpfennig ausgezahlt werden kann.
Das sind Tatsachen, die man neben der Althofsanierung in den agrarischen Kreisen auch einmal hervorheben sollte: daß es dem Haushaltsausschuß gelungen ist, die zwölfprozentige Kürzung bei diesem Haushalt zu vermeiden, diesen Haushalt in seinem alten Volumen zu 'belassen und ihm im Gegensatz zu allen anderen Haushalten noch um über 100 Millionen aufzustocken. Ich meine, das wäre wohl der Erwähnung wert.
Im übrigen kann sich eigentlich die SPD, deren Redner hier die alten Anträge zum Grünen Plan wieder zur Sprache gebracht haben, nicht darüber beschweren, daß die Koalition und insbesondere die CDU ihre eigenen Vorstellungen über Agrarpolitik hat. Wenn Sie meinen, daß die 185 Millionen, die für die Düngemittelverbilligung im Etat ausgesetzt sind, besser anderweit verteilt werden sollten, so ist das Ihr gutes Recht, derartige Auffassungen zu haben. Sie werden aber der Regierungskoalition und insbesondere auch der CDU zugestehen müssen, daß sie darüber eben andere Auffassungen hat und daß sie infolgedessen, weil sie die Düngemittelverbilligung beibehalten will — in diesem Jahr wenigstens beibehalten will; man kann nicht für alle Zukunft reden —, die Anträge der SPD ablehnen muß, weil für sie keine Deckung da wäre.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rehs zur Begründung des Antrags Umdruck 58.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in der Frage der Eingliederung des vertriebenen und verdrängten Landvolks schon so oft hier oben gestanden, daß ich heute gerne einem Kollegen von der CDU/CSU den Vortritt überlassen hätte. Ich hätte mich besonders gefreut, wenn es ein Mitglied der Grünen Front gewesen wäre, schon um die berufliche Solidarität mit den schwer geprüften, von jenseits des Eisernen Vorhanges stammenden Menschen zu bekunden. Leider hat gerade diese Kategorie der Kollegen in diesen Fragen bisher fast immer geschwiegen und, wenn sie das Wort genommen hat, negativ dazu gesprochen.
— Kollege Struve, wir brauchen uns darüber ja,glaube ich, nicht zu streiten; es sind Tatsachen, die
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 979
RehsSie nicht in Abrede stellen können. Ich könnte Ihnen an Hand der Protokolle sonst alles mögliche nachweisen. — Infolgedessen bleibt mir nichts anderes übrig, als daß ich als Nichtlandwirt wieder einmal für meine Schicksalsgefährten das Wort nehme.Ich möchte Sie nur daran erinnern, meine Damen und Herren von der CDU, daß der Bundeskanzler im Oktober 1958 in Bad Godesberg auf dem 1. Ostpreußischen Bauerntag erklärte:Gerade das Ausmaß und die Intensität der Eingliederung des ostdeutschen Bauerntums ist der Maßstab für den Willen zur Wiederherstellung Gesamtdeutschlands.. . . Die Eingliederung des ostdeutschen Bauerntums als politischer Auftrag ist im weitesten Sinne des Wortes allen verantwortlichen Kräften Deutschlands klarzumachen, zunächst um der von diesem harten Schicksal betroffenen Menschen willen, dann aber unseres ganzen Volkes willen.Das war ein Wort! Was ist von diesem Wort übriggeblieben?Im Jahre 1955 wurden noch 13 700 Stellen gefördert. Jahr für Jahr ist die Stellenzahl um zirka 1000 bis auf rund 8700 im Jahre 1960 zurückgegangen. Von den rund 400 000 heimatvertriebenen und verdrängten Bauernfamilen — das ist schon eine sehr reduzierte Zahl — sind nur rund 4 % auf Vollbauernstellen wirklich eingegliedert.Der seinerzeit mit großer Selbstzufriedenheit verkündete Fünfjahresplan wird nicht erfüllt werden. Das Bundesernährungsministerium hat damals erklärt:die ostdeutschen Bauern würden nunmehr die Gewißheit haben, daß etwa jede zweite Familie . . . in diesen fünf Jahren mit einer Eingliederung rechnen könne.Dieses Ziel wird nicht erreicht werden. Der Plan hatte ja als einzigen positiven Kern überhaupt nur die Zusage, daß wenigstens für fünf Jahre mit einer bestimmten Mindestsumme gerechnet werden könne. Alles andere war Selbsttäuschung. Ich habe vorausgesagt, daß bei den Betroffenen, wenn der erste Enthusiasmus verflogen sein würde, eine große Enttäuschung eintreten würde. Alles, was damals von mir vorausgesagt worden ist, ist eingetreten.Im Juni vorigen Jahres hat der Bundeskanzler abermals die Eingliederung der ost- und mitteldeutschen Bauern als „eine der wichtigsten innerdeutschen Entwicklundsaufgaben" erklärt und festgestellt — ich zitiere —, daßgemessen an den vom Bundesgesetzgeber festgelegten Grundsätzen der weitaus größere Teil der Aufgabe noch vor uns liegt.Noch vor wenigen Wochen hat der Bundeskanzler den Präsidenten des Bauernverbandes der Vertriebenen empfangen und ihm zugesichert, daß er für eine verstärkte Förderung der Eingliederungsmaß-. nahmen sargen werde.Meine Damen und Herren, was ist daraus geworden, so fragen wir, wenn wir uns diesen Haushaltansehen? Der Bauernverband der Vertriebenenschnieb hierzu bereits am 15. Februar 1962 mit Recht:Zauberei? Siedlungsetat 1962 erhöht und trotzdem weniger Mittel.650 Millionen DM stehen im Etat. Das sind zunächst 12 Millionen DM weniger als im Vorjahr. Die Bundesmittel sind hiervon mit rund 367 Millionen DM angesetzt, 200 Millionen DM sollen von den Ländern kommen. Aber von den Bundesmitteln sind 290 Millionen DM verbraucht, müssen also vorweg abgezogen werden. Dann bleiben von den Bundesmitteln effektiv nur 77,4 Millionen DM übrig. Um den Ansatz nur einigermaßen wieder hinzukriegen, muß man wieder zu demselben komplizierten Verfahren greifen und neue Bindungsermächtigungen in Höhe von 290 Millionen DM schaffen. Aber auch diese Summe reicht nicht aus, um den Ausgleich herbeizuführen, weil ja davon noch die Nebenkosten mit über 38 Millionen DM fortgehen usw.Ich will auf diese Einzelheiten nicht eingehen, ebensowenig wie auf 'die immer wiederholten und immer wieder unberücksichtigt gebliebenen Forderungen auf Veränderung der Finanzierungsrichtlinien, Vereinfachung des Finanzierungsverfahrens usw. Die Fachleute kennen alle diese Dinge, die anderen interessiert das sowieso nicht. Jedenfalls möchte ich feststellen, daß die Länder zur Durchführung des diesjährigen Siedlungsprogramms 710 Millionen DM angefordert hatten und daß diese Summe im Haushalt um 60 Millionen auf 650 Millionen DM gekürzt worden ist. Sie ist also um diese 60 Millionen DM geringer als im Vorjahre, in dem schließlich 425 Millionen DM Haushaltsmittel zur Verfügung standen.Der neue Vertriebenenminister hat am 19. Dezember 1961 geäußert, selbstverständlich würde bei den weiteren Planungen auf die inzwischen eingetretenen Änderungen im Kosten- und Preisgefüge Rücksicht genommen werden. Von dieser Erklärung hat sich ebensowenig wie von den vorher schon von mir zitierten Äußerungen des Bundeskanzlers auch nur das geringste in diesem Haushalt niedergeschlagen.Wenn die Mittel im Haushalt jetzt nicht erhöht, sondern gegenüber dem Vorjahr noch um 60 Millionen DM reduziert werden, erweisen sich alle jene Äußerungen, mit denen man die heimatvertriebenen und verdrängten Bauern bisher beschwichtigt hat, als leere Redensarten.Die Kluft zwischen der wirklichen Lage, d. h. den gestiegenen Bau- und Bodenpreisen, und dem Mittelansatz wird immer größer. Schon in den Jahren 1954 bis 1960 — lassen Sie mich auf diese eine Zahl hinweisen — waren die Kosten der Eingliederung um rund 115 % gestiegen, während die bundesseitig zur Verfügung gestellten Mittel nur um 55 % erhöht worden waren. Seitdem hat sich das Bild noch rapide verschlechtert. Wir haben unlängst im Vertriebenenausschuß einen Bericht des Ernährungsministeriums erhalten, in dem darauf hingewiesen worden ist, daß der Anstieg der Baukosten allein in den letzten Jahren auf ca. 31 bis 35 % zu beziffern ist.Aber das ist noch nicht alles. Ich sagte bereits, daß bei dem Ansatz von 650 Millionen DM im Haushalt
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980 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Rehsnoch eine Länderbeteiligung von 200 Millionen DM einkalkuliert ist. Die Länder haben aber bereits erklärt, daß sie hiervon nur 135 Millionen DM aufbringen können. Es fehlen also weitere rund 65 Millionen DM, um wenigstens den ohnehin unzulänglichen Ansatz mit 650 Millionen DM .erfüllen zu können.Was der Kollege von der FDP hier vorhin erklärt hat, daß man bei der augenblicklichen Situation den Ländern das zumuten müsse, ändert an der Sachlage nichts. Vor allem übersieht man bei dieser Auffassung völlig, daß nach dem Bundesvertriebenengesetz die Bereitstellung der Mittel in vollem Umfange Aufgabe des Bundes ist, daß also der Bund diese Aufgabe nicht einfach von sich schieben kann.Der Agrarausschuß des Bundesrates hat deshalb bereits im Februar dieses Jahres einen Beschluß gefaßt, durch den der Bund aufgefordert wird, in Höhe des Länderausfalles bei diesen 200 Millionen DM einzutreten. Das ist in der Tat das Mindeste, was vom Bund gefordert werden muß.Mit unserem Antrag Umdruck 58 wollen wir diese Verpflichtung des Bundes hinsichtlich des Länderausfalles bei den 200 Millionen DM dadurch absichern, daß eine entsprechende weitere Bindungsermächtigung bis zusätzlich 65 Millionen DM im Haushalt verankert wird.Meine Damen und Herren, wir bedauern, daß bei der mangelnden Entschlußkraft der Bundesregierung und der Mehrheitsparteien hinsichtlich dieses Gesamtproblems in den vergangenen Jahren jetzt nichts anderes übrig bleibt, als zunächst den Weg dieser weiteren Bindungsermächtigung zu gehen. Die bisherige Handhabung des Systems der Bindungsermächtigung ist ein eklatantes Zeichen dafür, wie man sich bei den Mehrheitsparteien und bei der Bundesregierung immer wieder um klare Entschlüsse in dieser Frage herumgedrückt und die Konsequenzen immer wieder vor sich hergeschoben hat.Wir haben im Vertriebenenausschuß des Bundestages zu unserem Teil mit den uns notwendig erscheinenden Arbeiten zur Herbeiführung einer Änderung bei der Behandlung dieses Fragenkreises begonnen. Ich erinnere daran, daß wir unlängst eine Besichtigungsfahrt zu verschiedenen Siedlungsstellen in Nordrhein-Westfalen unternommen haben. Dabei haben wir uns nicht nur davon überzeugen können, welch wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Agrarstruktur gerade durch die bäuerlichen Siedlungen der Vertriebenen erzielt worden ist, sondern auch davon, welch große Bedeutung die dort errichteten Nebenerwerbssiedlungen haben und weiter haben werden. Wir haben uns von dem Vertreter des Düsseldorfer Landwirtschaftsministeriums mitteilen lassen, daß allein in Nordrhein-Westfalen 20 000 Siedler-Eignungsscheine ausgegeben worden sind. Hierbei handelt es sich also um Menschen, bei denen alle Voraussetzungen für die Übernahme von Höfen und die Errichtung von Siedlungen geprüft worden sind. Der zuständige Ministerialdirigent hat uns dazu erklärt, daß allein in Nordrhein-Westfalen noch für die nächsten 10 bis 15 Jahre jährlich mindestens 2000 Stellen eingerichtet werden können.Ich möchte hervorheben, daß sich die zuständigen Vertreter des Bundesvertriebenenministeriums und des Bundesernährungsministeriums bei den Bemühungen im Vertriebenenausschuß des Bundestages positiv beteiligt haben. Aber das reicht natürlich nicht aus. Vor allem muß wahrgemacht werden, was ich vorhin aus der Erklärung des Bundeskanzlers im Jahre 1958 in Bad Godesberg zitierte, nämlich allen verantwortlichen Kräften Deutschlands klarzumachen, daß die Eingliederung des ostdeutschen Bauerntums ein politischer Auftrag ist, damit auch besonders in diesem Hohen Hause ein besseres Verständnis hierfür entsteht. Gerade daran hat es bisher bei der Bundesregierung und auch bei den Mehrheitsparteien gefehlt, und auch in diesem Haushalt sind wieder keine Konsequenzen gezogen worden. Ich möchte das mit allem Nachdruck sagen.Vor allem wird auch der neue Bundesvertriebenenminister zeigen müssen, ob er dem politischen Kernproblem seiner ministeriellen Aufgabe gewachsen ist und daß er auch dort zu reden und sich durchzusetzen versteht, wo es wirklich notwendig ist. Ich möchte ihn daran erinnern, daß er im Vertriebenenausschuß auf meine ausdrückliche Frage, ob denn wenigstens der Betrag von 65 Millionen DM, der bei den Ländern ausfalle, durch den Bund gesichert sei, sich ausdrücklich hierfür stark gemacht hat. Herr Minister, dieses Wort von Ihnen hängt bis zu diesem Augenblick noch in der Luft. Nach dem, was ich vorhin von dem Kollegen von der FDP gehört habe, der das abgelehnt hat, soll es also offenbar auch weiter in der Luft hängenbleiben. Ihr eigenes Wort steht damit auf dem Spiel, Herr Minister!Meine sehr verehrten Damen und Herren, die vertriebenen und verdrängten ostdeutschen Bauern haben, wie die ostdeutschen Menschen überhaupt, bisher eine große Geduld gezeigt. Ich möchte nicht zuviel sagen, aber doch feststellen, daß die Geduldsfähigkeit in dieser Frage nahezu ausgeschöpft ist. Wenn man nicht das Notwendige tun will, dann sollen die 'Bundesregierung und die Regierungskoaliton es sagen. Dann soll man keine Ansprachen auf Kundgebungen halten •und keine tönenden Worte im Munde führen. Diese ohnehin schwergeprüften Menschenhaben es nicht verdient, daß man sie an der Nase herumführt.
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Es geht hier um echte Sozialpartnerschaft, die die überholten Formen überwinden muß. Auch echte Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft ist neben der wirklichen Vorsorge für den Landarbeiter für unseren Antrag bestimmend. Eine Nichteinbeziehung der Landarbeiterhaushalte würde ahne Frage als erneute Diskriminierung empfunden wenden und muß unbedingt verdrießen, was zur Folge haben wird, daß weitere Kräfte aus dem landwirtschaftlichen Sektor abwandern. Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, daß nur 10% aller in der Landwirtschaft tätigen Personen Landarbeiter sind. Wie aus dem Prozentsatz zu entnehmen ist, wird nur eine geringe Anzahl von Landarbeiterfamilien die Mittel in Anspruch nehmen, ,die gegenüber 1961 um 20 Millionen DM erhöht worden sind. Ihre Einbeziehung hat daher weniger tatsächliche, als vielmehr optische und 'moralische Bedeutung, und dem müssen wir unbedingt Rechnung tragen.
Sie werden nicht bestreiten können, daß bei den niedrigen Landarbeiterlöhnen die Ehefrauen mitarbeiten müssen. Auch sie sind in !ihrer Arbeitskraft überfordert. Auch sie 'haben eine Erleichterung ihrer Hausarbeit verdient. Ich glaube daher, alle haben das Gefühl, daß diesem Antrag im Interesse der Landarbeiterfrau zugestimmt werden muß. Der Antrag Umdruck 51 liegt Ihnen im Wortlaut vor. Ich darf Sie bitten, ihm zuzustimmen.
Noch eine kleine Schlußbemerkung zu unserem Anliegen, das wir im Haushaltsausschuß und im Ernährungsausschuß vorgebracht haben, den Verbraucherzentralen 165 000 DM für die Aufklärung der Verbraucher zukommen zu lassen. Von den Herren der Regierungsparteien und Regierungsvertretern ist uns fest zugesagt worden, daß man unseren Wunsch mit Wohlwollen berücksichtigen wird. Wir sprechen die Erwartung aus, daß es nicht bei der wohlwollenden 'Berücksichtigung bleibt, sondern daß das Wohlwollen in tatsächliche Maßnahmen umgemünzt wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß diese Frage uns im Ernährungsausschuß mehrfach beschäftigt hat. Es ist unbestritten, daß die !Bundesregierung und die CDU-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 983
StruveFraktion in der zurückliegenden Zeit, in der 3. Legislaturperiode, jedes Jahr 25 Millionen DM für den Landarbeiterwohnungsbau eingesetzt haben. Das Hohe Haus als Ganzes dürfte sich einig darin sein, daß dies eine richtige und auch auf weite Sicht gute Maßnahme ist, um den Landarbeiterwohnungsbau in Form von Eigenheimen weiter zu fördern.Hier wird aber eine Förderung beantragt, die in keiner Weise geeignet ist, unseren Landarbeitern zu helfen. Ich darf daran erinnern, daß die Bundesregierung für diesen Zweck, die Arbeit der Bauersfrau zu erleichtern, im vergangenen Jahr 30 Millionen DM, in diesem Jahr 50 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat, um ,auf dem Wege einer 25%igen Beihilfe dafür zu sorgen, die Arbeit der Bauersfrau und damit ihr Los zu erleichtern, ihr, die zugleich Mutter und Erzieherin der Kinder, aber auch mitarbeitende Kraft ides Bauern im Stall und auf dem Felde ist.Vergessen wir aber nicht, daß für diese Hilfe auch ein 75%iger Kredit notwendig ist. Wollen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, etwa dem Landarbeiter raten, wenn er 900 DM Zuschuß bekommen kann, 2700 DM Schulden zu machen, in ein Landarbeiterwohnhaus eine Einrichtung hineinzubauen, die er gar nicht gebrauchen kann?
Denn eine derartige kombinierte Warmwasser- und Heizungsanlage, die mit den Mitteln aus diesem Titel gefördert werden soll, ist für den Landarbeiter nicht geeignet.
Ich bitte deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
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984 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 46 hat der Herr Abgeordnete Bading das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat einen gewissen Seltenheitswert, wenn ein Mitglied des Ernährungsausschusses sich dafür einsetzt, daß im Einzelplan 10 etwas gekürzt wird; ich bitte, das auch entsprechend zu würdigen.
Es handelt sich um folgendes. Wir hatten bisher zwei Bundesanstalten gehabt: die Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege und die Bundesanstalt für Vegetationskartierung. Diese beiden Bundesanstalten sollen zusammengelegt werden; der künftige Sitz soll Bad Godesberg sein. Nun ist bereits schon im vergangenen Jahr mit dem Ministerium vereinbart worden, daß der Umzug der Bundesanstalt für Vegetationskartierung, die bisher in Stolzenau in Niedersachsen domizilierte, langsam vor sich gehen soll. Es handelt sich hier nicht um die Verlegung eines Postamtes oder einer Behörde, sondern um die Verlegung einer wissenschaftlichen Anstalt. Da es sich um eine naturwissenschaftliche Anstalt handelt, laufen bei ihr auch sehr viele Feldversuche und Naturversuche. Man kann also den Umzug nicht plötzlich vornehmen, wenn man die wissenschaftliche Arbeit nicht stören will.
Meine politischen Freunde und ich sind der Auffassung, daß wir Gelegenheit haben, in diesem Jahre die Umzugskosten für die Stolzenauer Anstalt noch einzusparen. Wir gewinnen damit zwar keine sehr große Summe; aber es handelt sich immerhin um
132 000 DM. Der Umzug ist auch gar nicht in der Weise, wie es im Etat vorgesehen ist, möglich. Das Haus, in dem die Bundesanstalt untergebracht werden soll, steht noch nicht ganz zur Verfügung; es sind dort noch andere Behörden untergebracht.
Daher bitte ich das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anstalt, die hier soeben von dem Herrn Vorredner angesprochen worden ist, hat uns schon häufiger beschäftigt. Sie wissen, daß das Mahlow-Gutachten erstattet worden ist. Dies Gutachten hat sich kritisch zu der Anstalt in Stolzenau, aber auch zu der anderen Bundesanstalt — für Naturschutz- und Landschaftspflege — geäußert. Sie wissen ferner, daß unser Kollege Dr. Gleissner mit Zustimmung des Haushaltsausschusses in gründlicher Arbeit, die Monate gedauert hat, mit allen in Frage kommenden Stellen Fühlung genommen hat. Er hat sich auch mit dieser Anstalt beschäftigt. Wir sind seinerzeit im Haushaltsausschuß dazu gekommen, der Bundesregierung zu empfehlen, sowohl die Bundesanstalt für Vegetationskartierung in Stolzenau als auch die Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege aufzulösen und den Versuch zu machen, beide Anstalten entweder zusammenzulegen oder ihre Aufgaben anderen Bundesanstalten zu übertragen. Das ist mit aller Gründlichkeit geschehen; hier ist nichts überstürzt gemacht worden. Man ist mit Sachverstand an die Dinge herangegangen und hat mit allen Stellen Fühlung gehalten. Das hat sich etwa im Jahre 1960/61 abgespielt.
Dann ist einige Zeit vergangen. Schließlich hat sich die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft, der der Herr Vorredner als stellvertretender Vorsitzender angehört, und die sich aus Mitgliedern von Fraktionen des Bundestages und der Länderparlamente zusammensetzt, mit dieser Frage beschäftigt. Gerade diese Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft hat den Vorschlag gemacht, die beiden Anstalten zusammenzulegen.
Nachdem zwischen den Beteiligten auf Grund sorgfältiger und langwieriger Prüfungen Einverständnis darüber besteht, diese Anstalten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zusammenzulegen, sollte man nun nicht plötzlich zum Rückzug blasen. Man sollte nicht den Eindruck erwecken, daß man — aus welchen Gründen auch immer — nach so langer Zeit jetzt die Durchführung dieser Maßnahme nicht mehr ins Auge fassen möchte. — Wollen Sie eine Frage stellen? Bitte.
Herr Kollege Conring, sind Sie sich darüber klar, daß hier gar keine Meinungsverschiedenheiten bestehen, sondern daß es sich lediglich darum handelt, den Umzug langsam durchzuführen und in diesem Jahr noch nicht zu beginnen?
Ich bin mir darüber klar, daß gewisse Kräfte am Werk sind, die die Zusammenlegung nicht schätzen und die ihrerseits gern dazu beitragen würden, daß dieser Zusammenschluß, der gewollt und beabsichtigt ist, praktisch nicht zustande kommt. Ich spreche das deshalb aus, weil ich in niedersächsischen Dingen hoffe einigermaßen zu Hause zu sein. Es erweckt den Eindruck, daß man hier die Sache abbremsen will, um sie allmählich wieder in ein anderes Fahrwasser zu leiten. Denn das ist ja sicher — deshalb bedarf es gar keines Antrages von Ihrer Seite; nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich 'das sage —, daß jede nur mögliche Rücksicht auf die umziehenden Beamten, Angestellten und Arbeiter genommen wird. Das ersehen Sie ja schon daraus, mit welcher Behutsamkeit und welcher Sorgfalt die Sache über Jahre hinaus geprüft worden ist. Und daß das jetzt plötzlich überstürzt werden müßte zum Nachteil der in Frage kommenden Beamten und Angestellten, die umziehen müßten, davon ist keine Rede.Ich möchte Sie deshalb bitten, daß wir diese Meinungsverschiedenheit nicht weiter vertiefen, sondern daß wir gemeinsam nach \\dieser Aussprache hier in diesem Hohen Hause der Bundesregierung noch einmal in die Erinnerung rufen: Bitte, nimm die Rücksicht, die nötig und möglich ist — davon geht sie
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Dr. Conringsowieso aus —. Nehmen Sie aber ebenso viel Rücksicht auf uns, .die wir diesen Antrag aus sachlicher Überzeugung abzulehnen beabsichtigen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu den Abstimmungen.
Zunächst Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 58. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 50, Änderungsantrag der SPD. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag 50 ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 51. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 51 ist abgelehnt.
Änderungsantrag Umdruck 46 der Abgeordneten Bading, Dr. Schmidt , Seither, Dr Mommer und Genossen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, ich bitte um Wiederholung! Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. —Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 46 ist abgelehnt.
Zu dem Antrag des Ausschusses zum Einzelplan 10 ist Einzelabstimmung beantragt. Ich gebe diesem Antrage statt.
Ich lasse über den Ausschußantrag in Drucksache IV/309 abstimmen.
Zunächst Ziffer 1! Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
— Das wäre abgelehnt!
Ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer der Ziffer 1 des Antrages des Ausschusses zu Einzelplan 10 — Drucksache IV/309 — zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ziffer 2 a) des Antrages des Ausschusses! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Angenommen!
Ziffer 2 b) ! Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen!
2 el Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Angenommen!
2 d! Wer zustimmen will, gebe ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
2 e! Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — 2 e ist angenommen.
Damit sind sämtliche Ziffern des Antrages des Ausschusses zum Einzelplan 10 und der Einzelplan 10 in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 12 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr .
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist notwendig, zu dem gedruckt vorliegenden Bericht auf dem Gebiete der Bewilligung von Bundesmitteln für die Deutsche Bundesbahn und zu dem Problem der Flugsicherung einige ergänzende Bemerkungen zu machen.Die Mehrheit im Haushaltsausschuß hat bei der Behandlung der Etatansätze für die Deutsche Bundesbahn eine Kürzung um 280 Millionen DM in einem bestimmten Falle vorgenommen. Die Kürzung bezieht sich auf jenen Betrag, der als freiwillige Zuwendung des Bundes unter Abschnitt B verzeichnet ist: Beitrag zu den strukturell bedingten überhöhten Versorgungslasten der Deutschen Bundesbahn. Vorgesehen waren 555 Millionen DM. Gestrichen wurden nach einer Kampfabstimmung durch Mehrheitsbeschluß 280 Millionen DM. Verblieben sind im Haushaltsplanentwurf, wie er vom Haushaltsausschuß dem Hohen Hause vorgelegt wurde, 275 Millionen DM.Ich muß auf diese Dinge besonders um deswillen aufmerksam machen, weil es wegen der Entwicklung in diesem Jahre und wegen der Entwicklung in den folgenden Jahren erforderlich ist, auf die Tatsachen zu verweisen: Die Deutsche Bundesbahn hat die Altersversorgung ihrer Beamten allein zu tragen. In anderen Fällen wird die Alterssicherung dadurch finanziert, daß der Bund zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten namhafte Zuschüsse leistet. Aus diesen Erwägungen hielt es die Ausschußminderheit für geboten, alle Zuwendungen für die Bundesbahn ungekürzt zu bewilligen, zumal der strittige Ansatz von 555 Millionen DM einen Betrag von 85 Millionen DM enthält, der der Bundesbahn de facto schon im Dezember 1961 über eine vorübergehende, zweckgebundene Einlage bei der Deutschen Verkehrs- und Kreditbank AG zur kassenmäßigen Abwicklung ihres Defizits im Geschäftsjahr 1961 zugeflossen ist.Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, meine Damen und Herren, daß in der Sitzung des Haushaltsausschusses in Anwesenheit des Präsidenten der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn eine Reihe von Fragen gestellt worden sind, die nur zum Teil beantwortet werden konnten. Diese Fragen spielen in die Erörterung, um die es sich hier handelt, entscheidend hinein. Ich habe in der Zwischen-
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Ritzelzeit die schriftliche Antwort erhalten, die also im Bericht des Ausschusses nicht mehr wiedergegeben werden konnte, und zitiere wenige Teile daraus.Ich habe damals gefragt, wie es zu erklären sei, daß für die Bundesbahn im Bundeshaushalt 1962 rund 400 Millionen DM mehr vorgesehen seien als im Vorjahr. Die mir vorliegende Antwort geht dahin, daß 100 Millionen DM Liquiditätsdarlehen seien; ihr Ursprung seien allgemeine wirtschaftspolitische Wünsche der Bundesregierung; zweitens, der Rest resultiere sich aus Erhöhungen des Ansatzes für Versorgungsbezüge. Ein zweiter Schritt zur Annäherung an die Vorschläge des Brand-Gutachtens zum Problem der Versorgungslasten sei mit diesem Ansatz von seinerzeit 555 Millionen DM getan, es sei aber nicht in voller Höhe das eingesetzt, was das Brand-Gutachten gefordert habe; es seien nicht 937 Millionen oder 700 Millionen DM eingesetzt, sondern eben nur 555 Millionen DM. Diese 555 Millionen DM sind nun durch Mehrheitsbeschluß des Haushaltsausschusses um 280 Millionen DM gekürzt worden.Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen, ob diese Kürzung um 280 Millionen DM durch den Haushaltsausschuß, der ja für seine „Scharfrichtertätigkeit" gegenüber dem Bundeshaushalt allseitiges Lob erhalten hat — man kann dem mit gemischten Gefühlen zustimmen —, eine echte Kürzung ist. Das fragt sich allen Ernstes. Ich bestreite es, und zwar aus folgendem Grunde. Es ist in meinen Augen praktisch nichts anderes — und ich möchte als Berichterstatter doch darauf hinweisen, damit sich das Hohe Haus keine Illusionen macht — als eine Verschiebung des Etatansatzes auf die Rechnung.Die Regierung hat durch Kabinettsbeschluß vom 30. Januar 1957 die Summe für die Versorgungslasten wie eine eigene Verpflichtung übernommen. Es handelt sich um einen der heutigen Bundesbahn wesensfremden Personenkreis, um verdrängte Reichsbahnbedienstete, volksdeutsche Bedienstete fremder Staatsbahnen, Westberliner Eisenbahner, Kriegsversehrte und Kriegshinterbliebene des ersten und zweiten Weltkrieges. Es sind erhebliche Mehraufwendungen aus diesem Anlaß in den Etat, in die Wirtschaftsrechnung der Deutschen Bundesbahn hineingebracht worden, die nicht ureigene Aufgaben der Deutschen Bundesbahn darstellen, die bekanntlich erst im Jahre 1950 erstanden ist. Es sind im ganzen 310 plus 555 Millionen DM nach dem Regierungsentwurf.Die Deutsche Bundesbahn hat auf die im Haushaltsausschuß gestellte Frage geantwortet, daß nach ihrer Auffassung in den Einzelplan 12 gehören die Jahresrate aus dem Verkehrsfinanzgesetz, der Zuschuß zur Rheinbrücke Kehl, der Beitrag aus dem Straßenbauplan, und daß man verschiedener Meinung sein könne in bezug auf die Anpassungsbeihilfe von 170 Millionen und das Liquiditätsdarlehen von 100 Millionen. Sämtliche Abgeltungsleistungen des Bundes beruhen nach Auffassung der Deutschen Bundesbahn auf einer rechtlichen Zahlungspflicht des Bundes auf Grund Gesetzes, eines Kabinettbeschlusses, Verpflichtung zu gleichen Startbedingungen und Wettbewerbsgrundlagen und auf derStellung des Bundes als Eigentümer. Ich wollte den schriftlich vorliegenden Bericht in dieser Hinsicht um diese Feststellungen ergänzen.Dann noch wenige Bemerkungen zu dem Problem der Verbeamtung von nahezu 2000 Angestellten des Flugsicherungsdienstes. Dem Haushaltsausschuß lag unter anderem ein Bericht vor, der schon dem Verkehrsausschuß vorgelegen hatte. Der Bericht stammte vom Bundesverkehrsministerium. In diesem Bericht ist gesagt, daß die Bundesanstalt für Flugsicherung bisher fast ausschließlich mit Angestellten besetzt sei. Es sei in Aussicht genommen, heißt es weiter, ihren personalrechtlichen Aufbau grundlegend zu ändern. Hierfür sind rechtliche, fachliche und personalwirtschaftliche Überlegungen maßgebend. Die rechtlichen Überlegungen gründen sich auf den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 des Grundgesetzes, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Beamten zu übertragen ist, und auf § 4 des Bundesbeamtengesetzes, wonach Berufung in das Beamtenverhältnis auch für solche Tätigkeiten zulässig ist, die aus Gründen der Sicherung des Staates oder des öffentlichen Lebens nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen. Die fachlichen und personalwirtschaftlichen Gesichtspunkte sind in erster Linie in der Notwendigkeit begründet, durch eine weitere Ausbildung eine vielseitige Verwendung zu sichern. Die vielschichtigen Probleme können nur dann zufriedenstellend gelöst werden, wenn für das gesamte im Flugsicherungskontrolldienst und im flugsicherungstechnischen Dienst beschäftigte Personal Planstellen ausgebracht werden, um die Übernahme dieser Kräfte in das Beamtenverhältnis zu ermöglichen.Bei der Vorberatung und Vorbereitung der Berichterstattung im Haushaltsausschuß wurde an den Vertreter der 'Regierung die Frage gerichtet, aus welchen Gründen diese das, was in der Zwischenzeit laut wurde, verlangte, nämlich nicht abzuwarten mit der Genehmigung dieser nahezu 2000 Stellen für den Flugsicherungsdienst als Beamtenstellen, bis der Haushaltsausschuß, wie 'dem Hohen Hause bekanntgeworden ist, im Monat Mai, nach den Osterferien, zu einer gründlichen Erörterung dieser Stellenplanwünsche kommen könne. Man hat in den Besprechungen erklärt, daß eine beschleunigte Verabschiedung auch um deswillen notwendig sei — die Gründe lagen ja im übrigen schon schriftlich vor —, weil für einen Teil des Personals mindestens die Gefahr der Abwerbung bestehe. Das hat dann dazu geführt, daß sich Berichterstatter und Mitberichterstatter in den Beratungen des Haushaltsausschusses stark dafür gemacht haben, diesem Wunsch des 'Bundesverkehrsministeriums zu entsprechen.Das geschah zu einem Zeitpunkt, in dem der Haushalt 'dem Haushaltsausschuß offiziell noch nicht überwiesen worden war, so daß also nur vorgesehen werden 'konnte, diesen Beschluß dann zu fassen, wenn der Herr Bundesfinanzminister seine Etatrede gehalten habe und der Haushaltsentwurf dem Haushaltsausschuß überwiesen worden sei.
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RitzelAls das vorbei war, habe ich dort auf Grund von Erfahrungen, die ich in der Zwischenzeit machen mußte, dem Haushaltsausschuß den. Antrag vorgelegt, man möge 'diese sogenannte Verbeamtung auf den Monat Mai verschieben, um damit dem Bundestag, vor allem dem .Haushaltsausschuß Gelegenheit zu einer gründlichen Besprechung der doch sehr umfangreichen Vorschläge in bezug auf Verbeamtung zu geben. Ohne Debatte hat der Haushaltsausschuß diesen Antrag mit Mehrheit abgelehnt, und so steht nun heute das Plenum vor der Frage, ob es diese weitgehende Verbeamtung im Rahmen des Flugsicherungsdienstes vornehmen soll oder nicht.Meine Damen und Herren, ich würde pflichtwidrig handeln, wenn ich Ihnen nicht sagen würde, daß in der Zwischenzeit Angestellte des Flugsicherungsdienstes, Gewerkschaftsvertreter und andere Personen bei mir und wohl auch bei anderen Mitgliedern des Hohen Hauses vorstellig geworden sind mit dem Hinweis darauf, daß das ein verfrühter Beschluß sei und daß man selbst einer gründlichen Beratung im Haushaltsausschuß des Bundestages das Wort rede.Das ist das, was auf diesem Gebiet im Rahmen der Etatberatung zu Einzelplan 12 ebenfalls zur Entscheidung des Hauses steht.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort 'hat der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die kurze für die Beratungen des Einzelplans 12 zur Verfügung stehende Zeit erlaubt es leider nicht, die gesamte Verkehrspolitik der Bundesregierung einer kritischen Analyse zu unterziehen. Ich habe die Hoffnung, daß wir bei der Beratung des nächsten Haushalts mehr Zeit und eine bessere Gelegenheit dazu finden.
Das ist leider immer die gleiche Hoffnung; vielleicht erfüllt sie sich im Herbst dieses Jahres.
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— Ja, aber auch nur zum teilweisen Verlustausgleich, also keine Kapitalzufuhr. Meine Damen und Herren von der CDU und FDP, ist durch Ihr Verhalten im Haushaltsausschuß die Erklärung der Bundesregierung, eine Gesundung der Bundesbahn anzustreben, nicht unglaubwürdig und sinnlos geworden?
So muß man das zweifellos werten, wenn man diese Beschlüsse zur Kenntnis genommen hat. Es waren Beschlüsse gegen die Stimmen der Opposition. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß wir uns auch im Haushaltsausschuß gegen diesen Streichungsantrag erklärt haben. Meine Damen und Herren, ist Ihnen denn bisher nicht klargeworden — ich wiederhole das noch einmal —, daß jede Mark, die Sie von dem ursprünglichen Ansatz abgestrichen haben, für die Bundesbahn einen Verlust bedeutet? Ich möchte Ihnen raten, Herr Niederalt, wenn Sie an meiner These irgendwelche Zweifel haben, bei der Bundesbahn anzurufen. Sie wird Ihnen die Richtigkeit meiner Ausführungen gern bestätigen.Wir wollen den Weg einer erneuten Defizitwirtschaft bei der Bundesbahn nicht gehen. Wir haben deswegen eine — —
— Auf die 12%ige Kürzung kommen wir noch zurück. Den Antrag wird nachher mein Freund Seibert begründen.
— Nein, das ist eine völlig irrige Auffassung. Sie haben bei der Bundesbahn durch die Kürzung um 280 Millionen DM den Ansatz nicht um 12 %, sondern um 28 % gekürzt. Sie sind also gerade beim Bundesvermögen weit über die allgemeine Kürzung hinausgegangen. Sie treiben damit wieder eine Finanz- und Haushaltspolitik, die das Bundesvermögen aushöhlt. Das halte ich für außerordentlich gefährlich.
Wir sollten uns klar darüber sein, daß die Betriebsverluste der Bundesbahn in den vergangenen Jahren unecht waren und nicht mit der Leistungskraft der Bundesbahn im Zusammenhang stehen. Diese Verluste wurden dadurch verursacht, daß die Bundesbahn das relative Verkehrsmonopol praktisch eingebüßt hat, daß sie betriebsfremde und ungewöhnliche Belastungen im Tarifgebäude nicht mehrausgleichen kann und daß sie sich in der tariflichen Bindung weitgehend nach ihren Wettbewerbern orientieren muß.Ihnen ist so gut wie mir bekannt, daß diese Entwicklung zur Kostenorientierung einzelner für die Wirtschaft bedeutsamer Tarife drängt. Mit der Senkung der Kohlen-, Heizöl- und der Getreidetarife haben wir einen ersten und — wie mir scheint — richtigen Schritt auf diesem Wege getan. Wir Sozialdemokraten begrüßen die Senkung der Kohlentarife. Wir haben sie seit langem gefordert, weil wir in den überhöhten Kohlentarifen eine unzumutbare Benachteiligung des Bergbaus im Wettbewerb mit dem Heizöl sahen. Hätten Sie nur zeitiger damit begonnen! Dann hätte man die Wettbewerbsverzerrungen auf diesem Gebiet schon früher etwas bereinigen können.Das Angebot des Mehrmengentarifs durch die Bundesbahn läßt erkennen, welche Möglichkeiten für weitere Senkungen auch heute noch vorhanden sind.Die Bundesbahn hat — wenn ich recht unterrichtet bin — die Senkung des Kohlentarifs von einer jährlichen Mindestabnahme von 3000 t abhängig gemacht. Wenn das nichtig ist, könnte ich ein solches Verhalten nicht billigen, weil eine solche Maßnahme sich erstens gegen 95% der Kohlenhändler richtet, die eine solche Jahresmindestmenge von 3000 t einfach nicht erreichen und die sich von der Bundesbahn gegenüber ihren Wettbewerbern ganz offensichtlich benachteiligt fühlen, und weil zweitens solche Maßnahmen geeignet sind, typische Massengüter von der Schiene auf die Straße über lange Strecken zurückzuverlagern. Ich empfehle daher dringend, Herr Bundesverkehrsminister, zu prüfen, ob eine solche Einschränkung nicht beseitigt werden kann. Sonst muß in den betroffenen Kreisen der Eindruck entstehen, daß die Bundesbahn eine mittelschichtfeindliche Tarifpolitik betreibt.Herr Kollege Müller-Hermann, ich muß mich jetzt an Sie wenden. Sie haben in der Presse angekündigt, in der dritten Lesung des Haushalts einen Entschließungsantrag im Sinne Ihres Bundesbahn-Memorandums einbringen zu wollen. Wir werden über einen solchen Antrag, wenn er kommt, in der dritten Lesung ausführlich reden. Eines aber möchte ich heute schon vorwegnehmen, weil es zu den Grundsatzfragen der Verkehrspolitik gehört. Sie schreiben in Ihrem Memorandum, daß es dringend erforderlich sei, die „finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn aus einem völlig willkürlichen und undurchschaubaren Spiel mit Zahlen zu lösen und auf eine wirtschaftlich sinnvolle und haushaltsrechtlich vertretbare Basis zu stellen". Als ich das im Memorandum las, hatte ich zunächst den Eindruck, als ob Sie mit dem „undurchschaubaren Spiel mit Zahlen" zunächst eine Attacke gegen die Bundesbahn reiten wollten. Ich hatte mir vorgenommen, Sie vor aller Öffentlichkeit hier zu fragen, auf Grund welcher Tatsachen Sie so schwerwiegende Vorwürfe erheben.Nun hatten wir gestern erfreulicherweise ein Gespräch, und dieses Gespräch hat mich eines anderen belehrt. Sie sind — wenn ich das recht verstanden habe — über die zweifelhafte Haltung entrüstet, die
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Dr. Bleißdas Bundesfinanzministerium gegenüber der Bundesbahn eingenommen hat. Der Herr Bundesfinanzminister ist leider nicht anwesend. Ich möchte in seiner Abwesenheit fragen — wir schließen uns hier der Frage von Herrn Müller-Hermann an —, warum ein „völlig willkürliches Spiel mit Zahlen getrieben wird" und was der Herr Bundesfinanzminister zu tun gedenkt, um die Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn — ich zitiere Herrn Müller-Hermann — „auf eine wirtschaftlich sinnvolle und haushaltsrechtlich vertretbare Basis zu stellen".Ich frage weiter, inwieweit die Haushaltsexperten die berechtigten Klagen von Herrn Müller-Hermann unterstützen. Sind auch sie der Meinung, daß hier vom Finanzministerium ein undurchsichtiges Spiel mit Zahlen getrieben wird?
— Sie finden es nicht? Dann habe ich erhebliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der CDU festzustellen, und wir sind gespannt, wie dieser Streit ausgehen wird. Wir vermerken jedenfalls zunächst einmal diese Unterschiedlichkeit der Auffassung.
— Sicher, aber wir wollen gerade diese für die Bundesbahn entscheidende Meinungsverschiedenheit klären. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dazu beitrügen. Wir erwarten von Ihnen eine Erklärung, wie Sie sich insbesondere zu diesem Passus im Memorandum von Herrn Müller-Hermann stellen.Wenn seitens des Bundesfinanzministeriums Mißtrauen gegen die Bundesbahn gehegt und gepflegt werden sollte, dann würde ich den Herrn Bundesfinanzminister um eine Auskunft bitten, was von ihm oder in seinem Hause für Bedenken gegen die Bundesbahn geltend gemacht werden und warum er bisher nichts unternommen hat, um Mißverständnisse in den Zahlen der Betriebsrechnung, die ja auch der Öffentlichkeit zugänglich sind, aufzuklären.Mit den übrigen Punkten des Memorandums zur Bundesbahn werden wir uns kritisch auseinandersetzen, falls in der dritten Lesung ein entsprechender Antrag eingebracht werden sollte.Heute darf ich zur Bundesbahn folgendes abschließend feststellen. Pläne und Gutachten über die Bundesbahn haben wir genügend bekommen. Die Bundesbahn braucht keine neuen Pläne, sondern Kapital. Was haben Pläne für einen Sinn, wenn sie von den Haushaltsexperten der CDU nicht honoriert werden? Seit mehr als einem Jahrzehnt reden wir über die Lasten der Bundesbahn. Es ist wirklich an der Zeit, daß dieses Kapitel endlich einmal abgeschlossen wird.Wir fordern, daß dem Bundestag so schnell wie möglich der modifizierte Brand-Bericht vorgelegt wird, damit wir in politischer Entscheidung die Frage der Übernahme der Lasten auf den Bund, einer angemessenen Abgeltung nichtkostengedeckter Sozialtarife definitiv entscheiden können. Diese Entscheidung drängt, weil bestimmte Veränderungen im Montanbereich zu erwarten sind, 1963 wird die Moselkanalisierung abgeschlossen sein. Aus derMoselkanalisierung werden sich eine Reihe von strukturellen Umlagerungen ergeben. Schließlich noch ein Drittes. In den nächsten Jahren schließt sich auch das Netz der Rohrleitungen. Damit verschärft sich die Wettbewerbslage in der Energieversorgung des süddeutschen Raumes.Wir Sozialdemokraten wünschen, nicht zuletzt im Hinblick auf den zunehmenden Wettbewerb auf dem europäischen Markt, einen leistungsfähigen Schienenverkehr. Deshalb fordern wirI., daß die Bundesregierung uns endlich sagt, wann sie die erheblichen Verlustvorträge in den Bilanzen der Bundesbahn durch Forderungsverzicht ausgleichen wird. Dann wäre die Bilanz zunächst bereinigt.II. fordern wir, daß die Bundesregierung unter Verzicht auf alle per dato bestehenden Forderungen an die Bundesbahn eine Aufstockung des Eigenkapitals bewirkt. Damit würde die Kapitalstruktur der Bundesbahn verbessert werden.III. Wir fragen; ob die Bundesregierung bereit ist, sich der Bundesbahn gegenüber fest zu verpflichten, den Kapitaldienst für die 500-Millionen-DM-Anleihe bis zur völligen Tilgung zu übernehmen. Nur dann wäre eine stufenweise Eigenkapitalaufstockung aus diesem Titel sichergestellt.IV. Wir wünschen, daß die Bundesregierung klipp und klar erklärt, ob sie bereit ist, betriebsungewöhnliche Lasten auf den Bund zu übernehmen und einen angemessenen Abgeltungsbetrag für den Sozialverkehr zu leisten. Herr Kollege Müller-Hermann, wir wollen diese Entscheidungen nicht in die 5. Legislaturperiode vertagen.Diese vier Fragen sind für uns entscheidend. Wir wünschen eine leistungsfähige Bundesbahn. Aber wir erwarten auch, daß die Bundesbahn einen fairen Leistungswettbewerb treibt und nicht durch spezielle oder gezielte Tarifaktionen mehr Verkehr an sich zu ziehen versucht. Derartige Tarifaktionen würden automatisch Gegenmaßnahmen der anderen Verkehrsträger auslösen mit dem Ergebnis, daß das Tarifgestrüpp nicht lichter, sondern dichter würde. Wenn man im Zusammenhang mit dem Schienenverkehr von Undurchsichtigkeit sprechen will, dann scheinen mir nicht die Bilanzen, sondern die Tarife das geeignete Gesprächsthema zu sein. So weit zur Bundesbahn!Jetzt noch einige Sätze zum Straßenbau. Im Rahmen dieser Haushaltsdebatte ist es nicht möglich, den gesamten Straßenbau zu behandeln. Wir werden hoffentlich noch im Laufe dieses Jahres eine Debatte über die Steuer- und Finanzreform haben. Im Rahmen einer solchen Aussprache wird auch die Problematik des gesamten Straßenbaues zur Sprache kommen müssen.Lassen Sie mich heute nur kurz herausstellen, daß die Straßennot — das ist an dieser Stelle wiederholt zum Ausdruck gekommen — in den Städten und Gemeinden am größten ist und daß wir uns auf die Dauer nicht mit der Kompetenzverteilung, wie sie im Grundgesetz vorgenommen worden ist, herausreden können. Es muß erreicht werden, daß durch ein Übereinkommen zwischen Bund und Ländern einheitliche Schwerpunkte in der Straßenbaupolitik
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Dr. Bleißgeschaffen und die finanziellen Probleme gemeistert werden.Der Haushaltsplan für 1962 läßt leider erkennen, daß der erste Vierjahresplan für dein Bundesfernstraßenbau nicht erfüllt wurde. Er bleibt mit einigen hundert Millionen hinter dem Soll zurück. Das ist eine betrübliche Tatsache. Wir hatten gemeint, daß man bei dem steigenden Aufkommen an Mineralölsteuer zumindest den ersten Vierjahresplan voll hätte bedienen können.Als Gründe für die Nichterfüllung sind die Umstellung des Haushaltsjahres auf das Kalenderjahr und die verspätete Verabschiedung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes angegeben worden.
— Nun, diese beiden Gründe sind immer wieder, auch von Herrn Minister Seebohm angeführt worden; nachzulesen insbesondere in den Verhandlungsprotokollen des Verkehrsausschusses. Ich unterstelle, daß beide Gründe richtig sind. Aber der dritte und wesentlichste Grund in der Argumentation wird verschwiegen: nämlich die Zweckentfremdung von mindestens 400 Millionen DM Mineralölsteuer jährlich!Meine Damen und Herren, zu dem Sockelabbau wird mein Fraktionsfreund Ritzel im Verlaufe der weiteren Haushaltsberatung noch Stellung nehmen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel?
Glauben Sie nicht, daß die Dinge einander ausschließen? Sie sagen auf der einen Seite: es sind Hunderte von Millionen Reste entstanden, und auf der anderen Seite begründen Sie das damit, daß 400 Millionen zusätzlich nicht noch dazugekommen sind. Wir glauben, umgekehrt, daß die Reste dadurch entstanden sind, daß die Straßenbauämter der Länder in dieser Sache gar nicht nachkommen konnten, und wir haben Ihnen das vorausgesagt.
Herr Kollege Vogel, ich rede im Moment nicht von den Ist-Ausgaben, ich rede von der Finanzierungsgrundlage, und die Finanzierungsgrundlage des Vierjahresplans bleibt eben hinter dem Erfordernis um einige hundert Millionen zurück. Es hätte zweifellos mehr getan werden können, wenn die Mittel rechtzeitig zur Verfügung gestanden hätten. Damit ist wohl Ihre Frage beantwortet.Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wir werden zu der Straßenbaufinanzierung in der dritten Lesung noch Stellung nehmen. Lassen Sie mich heute nur folgendes sagen: Wir werden in der zweiten Lesung keinen Antrag auf Sockelabbau stellen; denn selbst wenn die Begründung noch so überzeugend wäre, würden Sie nach Lage der Dinge unseren Antrag ablehnen. Wir werden aber in der dritten Lesung einen Entschließungsantrag hinsichtlich des Sockelabbaus einbringen, und wir hoffen zuversichtlich, daß wir dann bei derDiskussion und Abstimmung über diesen Antrag auch die Unterstützung unserer Herren Kollegen von der FDP-Fraktion finden werden.Lassen Sie mich zu dem Straßenbau noch ein Wort sagen. Im Zusammenhang mit der Ankündigung der Baustoppmaßnahmen hat der Herr Bundesverkehrsminister, wenn ich recht unterrichtet bin, kürzlich Bedenken geäußert, ob die Terminierung beim Straßenbau eingehalten werden kann. Warum die Skepsis? Der Straßenbau ist stark kapitalintensiv. Der Anteil der Lohnkosten liegt zwischen 9 und 11%. Wenn unsere Informationen richtig sind, kann von einer Überhitzung der Konjunktur im Straßenbau gar keine Rede sein. Wenn wiederum unsere Informationen richtig sind, werden sich aus dem Straßenbau auch keinerlei Rückwirkungen auf das allgemeine Preisniveau ergeben. Deswegen sind wir erstaunt gewesen über die Skepsis des Herrn Bundesverkehrsministers. Ich möchte Sie fragen, Herr 'Bundesverkehrsminister: Rührt Ihre Skepsis etwa von Kabinettsbeschlüssen her? Wenn das der Fall sein sollte, möchten wir heute schon gegen eine Verzögerung des Straßenbaus schwere Bedenken erheben und unseren Protest anmelden.Insbesondere werden wir uns — das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit sagen — scharf gegen jeden Versuch einer Aufhebung der Zweckbindung von Mineralölsteuern wenden. Alle diejenigen von Ihnen, meine Damen und Herren, die den Debatten in den letzten Jahren beigewohnt haben, sind wohl mit mir der Auffassung, daß der Straßenbau die Crux ides letzten Jahrzehnts ist. Deswegen haben wir im Straßenbau keine Überhitzung zu befürchten, die man 'dämpfen müßte, sondern einen wachsenden Notstand zu beklagen, den wir mit allen Mitteln beiseitigen sollten.Es wäre deshalb grotesk und gefährlich, etwa den Straßenbau in die Baustoppmaßnahmen einzubeziehen. Wir haben nicht die Sorge, daß hier Maß gehalten werden muß. Wir haben alle Anstrengungen zu machen, endlich einmal die Größenordnung zu finden, die notwendig ist, um ein weiteres Offnen der Schere zwischen Motorisierung und Straßenbau zu verhindern. Wir lehnen eine Kürzung der Mittel ab. Wir werden uns dafür einsetzen, daß im Gegenteil die Zweckentfremdung gelockert wird; denn wir meinen, daß gerade die Gemeinden einen ständig stark wachsenden Mittelbedarf haben.Die Hilfe für die Gemeinden aus dem Einzelplan 12 ist völlig unzureichend. Ich will das heute nicht vertiefen. Darauf werden wir noch in der dritten Lesung zurückkommen.Aber eine Grundsatzfrage muß auch hier behandelt werden, das Problem der Mittelvergabe, die Richtlinien also, die vom Bundesverkehrsministerium erlassen worden sind. Wir haben uns im Verkehrsausschuß schon sehr intensiv über die Richtlinien und ihre Anwendung unterhalten. Ich halte es aber für dringend notwendig, daß die Richtlinien auch vor dem Hohen Hause noch einmal zur Sprache gebracht werden. Es ist einfach unverständlich, daß
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992 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. Bleißbei ihrem Erlaß der Wille des Gesetzgebers nicht respektiert wurde. Sie stehen teilweise in einem diametralen Gegensatz zudem Willen des Gesetzgebers.Lassen Sie mich hierfür zwei Beispiele anführen. Wir haben im Ausschuß ausdrücklich beschlossen — darüber gibt es einen Schriftlichen Bericht —, daß nach § 5 a des Bundesfernstraßengesetzes auch Zuwendungen für die Verlegung von Straßenbahnen im Zuge von Ortsdurchfahrten gegeben werden sollen. In den Richtlinien, die veröffentlicht worden sind, wird diese Möglichkeit ausgeschlossen. Ich darf Sie, Herr Bundesverkehrsminister, fragen, warum in Ihrem Hause von dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers abgewichen wurde? Weiter darf ich fragen, wer bei der Ausarbeitung der Richtlinien federführend war? Wenn das Bundesfinanzministerium die Federführung hatte, dann müssen wir unser Befremden darüber zum Ausdruck bringen, daß von der Bürokratie versucht wird, den klaren Willen eines Gesetzes durch Richtlinien zu vereiteln.Lassen Sie mich noch ein zweites Beispiel nennen. Im Ausschuß bestand Einmütigkeit darüber, daß auch die Kosten des Grunderwerbs beim Straßenbau erstattet werden sollten. Die Kosten des Grunderwerbs spielen gerade beim Straßenbau der Gemeinden eine erhebliche Rolle. Viele notwendige Bauten sind in der Vergangenheit einfach deshalb nicht zur Ausführung gekommen, weil es den Gemeinden nicht möglich war, den erforderlichen 'Grunderwerb zu finanzieren. Dieser offensichtliche Mangel, der bisher in der Straßenbaufinanzierung bestand, sollte durch das Gesetz behoben werden.Was steht nun in den Richtlinien? Dort heißt es, daß bei Grunderwerb ein Zuschuß von 40% geleistet werden kann, wenn die Kosten des Grunderwerbs 10 % der zuschußfähigen Baukosten nicht übersteigen. Lassen Sie mich das einmal in Zahlen ausdrücken. Wenn bei einem Bauprojekt mit reinen Baukosten in Höhe von 1 Million DM ein Geländeerwerb in Höhe von 500 000 DM erforderlich ist, dann würde der Bund zu der Baugrundbeschaffung in Höhe von 500 000 DM einen Zuschuß von sage und schreibe 40 000 DM geben. Das würde also bedeuten, daß der Bund ganze 8% aufbrächte, während die Gemeinde 92 % der Kosten des Grund und Bodens bezahlen müßte.Nun, Sie werden mir zugeben, daß die meisten Gemeinden einen solchen Zuschuß überhaupt nicht aufbringen können. Und was noch schlimmer ist: auch in diesem Falle werden wieder die ärmsten Gemeinden am härtesten getroffen. Das war nicht der Wille des Gesetzgebers. Wir wollten gerade den armen, den kleinen Gemeinden wirksam helfen.Deswegen scheinen uns die Richtlinien nicht tragbar zu sein. Wir sind der Meinung, daß sie so schnell wie möglich korrigiert werden müssen.Meine Damen und Herren, das sind einige wenige Grundfragen, die ich hier zur Sprache gebracht habe. Wir sind aber der Meinung, daß es nicht allein diese Mängel sind, sondern daß die Gesamtheit der Verkehrspolitik eben nicht die Zügigkeit aufweist,die mir in unserer heutigen Zeit geboten erscheint. Die unbefriedigende Behandlung des Straßenbaues in seiner Gesamtheit, die mangelnde Kapitalhilfe für die Bundesbahn, das Fehlen einer vernünftigen verkehrspolitischen Konzeption der Bundesregierung veranlassen uns zu unserem Bedauern, den Einzelplan 12 abzulehnen.
Meine Damen und Herren, da wir beim Verkehr sind: ich muß den Fahrplan einhalten. Infolgedessen unterbreche ich jetzt bis 14.30 Uhr und nicht länger. Wir fahren um 14.30 Uhr fort.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die Sitzung wird wieder aufgenommen. Wir fahren in der Debatte zum Einzelplan 12 fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eisenmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Der 3. deutsche Bundestag hat in seiner Legislaturperiode eine ganze Reihe von Gesetzesmaßnahmen beschlossen, die ohne Zweifel von großer Bedeutung für die Weiterentwicklung der Verkehrspolitik und der Verkehrswirtschaft gewesen sind. Ich erinnere daran, daß wir noch im August — kurz vor Schluß der Legislaturperiode — die vier Verkehrsnovellen verabschiedet und damit die Voraussetzung für einen gewissen verkehrspolitischen Kurswechsel geschaffen haben, nämlich einen Kurswechsel von den bis dato doch sehr stark dirigistischen verkehrspolitischen Überlegungen zu mehr kostenorientierten, marktwirtschaftlichen verkehrspolitischen Überlegungen.Ich sagte 'damals — und ich glaube, alle Vertreter dieses Hauses, die zu diesen Verkehrsnovellen sprachen, haben etwa die gleiche Auffassung vertreten —, daß das ein Anfang dazu sein ,solle, die Verkehrspolitik mehr nach marktwirtschaftlichen und an Iden Kosten sich orientierenden Gesichtspunkten weiterzuentwickeln.Wir gingen davon aus, daß die Verkehrspolitik nach optimal volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten ist und daß wir die Verkehrseinrichtungen und Verkehrsanlagen entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen und technischen Möglichkeiten erhalten .und ausbauen müssen. Deswegen müssen wir, glaube ich, unter Beachtung der Verkehrsnovellen, die letztes Jahr verabschiedet wurden, auch in der 4. Legislaturperiode daran denken, die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß die privaten und die öffentlichen Verkehrsträger Chancengleichheit im Wettbewerb haben und damit gleichrangig werden. Das gilt vor allem für die Eisenbahn, die Binnenschifffahrt und den Straßenverkehr.Ich glaube, man muß das auch im Hinblick auf die Vorbereitung einer organischen Überleitung der deutschen Verkehrsträger auf Idle EWG-Ebene sagen. Wir sind gut beraten, wenn wir diese Dinge
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 993
Eisenmannin den nächsten Wochen in diesem Hohen Hause sehr sorgfältig behandeln und diskutieren, damit wir nicht ähnliche Überraschungen erleben, wie sie die Landwirtschaft im vergangenen Jahr aus der EWG-Ebene heraus erfahren hat.Wenn man die Dinge so sieht und erkennt, daß die Verkehrspolitik und die Verkehrswirtschaft eine stark integrierende Bedeutung haben, dann müssen wir, glaube ich, aber auch gemeinsam Überlegungen anstellen, um die Voraussetzungen für eine konstruktive europäische Verkehrspolitik im Binnenverkehr, d. h. bei der Eisenbahn, der Binnenschiffahrt und dem Straßenverkehr, zu schaffen, und zwar immer unter dem Gesichtspunkt, daß die Chancengleichheit für die privaten und die öffentlichen Verkehrsträger und zwischen den einzelnen Verkehrsträgern hergestellt werden muß.Wir Freien Demokraten haben hier, meine verehrten Damen und meine Herren, noch einige Sorgen hinsichtlich der 'Situation, wie wir sie zur Zeit noch beim grenzüberschreitenden Verkehr vorfinden. Ich glaube, daß wir gut beraten sind, wenn wir demnächst Vergleichskataloge aufstellen über die Fixkosten für unsere Verkehrsträger einschließlich der fiskalischen Lasten und zweitens Vergleichskataloge hinsichtlich 'der direkten und indirekten Lasten der binnenländischen Verkehrsträger und der ausländischen Verkehrsträger aufstellen. Ich glaube, daß wir zwangsläufig zu gemeinsamen Regeln und Vorschriften im Interesse einer organischen Entwicklung der europäischen Verkehrswirtschaft kommen müssen. Diese Dinge werden sicher von unseren Freunden, die im EWG-Parlament die Verkehrsfragen vertreten, sehr sorgfältig beachtet werden. Ich meine aber auch, daß der Verkehrsausschuß und dieses Hohe Haus diese Fragen vorbereitend behandeln müssen, um gute, dem Verkehr, der Wirtschaft und dem Verbraucher dienliche Lösungen zu erreichen.Zur Bundesbahn! Herr Kollege Dr. Bleiß hat heute morgen über die Situation der Deutschen Bundesbahn eingehende Bemerkungen gemacht. Mein Gott, wer in diesem Hohen Hause wäre nicht bereit, wenn die Kapitalmarktlage und die ganzen wirtschaftlichen Umstände es zuließen, Ihrem Gedanken zu folgen! Aber, Herr Kollege Dr. Bleiß, in der Situation, in der wir sind, können wir leider Ihren Anliegen nicht folgen. Wir sind durchaus der Meinung, daß man sich die Erfahrungen, die im Brand-Bericht niedergelegt sind, zu eigen machen sollte. Es fragt sich nur, inwieweit man sich diese Erfahrungen in allen Punkten in der derzeitigen Situation zu eigen machen kann. Wir sind der Meinung, und auch der Herr Bundesfinanzminister hat das in seiner Haushaltsrede sehr ausführlich gesagt, daß die Bundesbahn durch eine verstärkte Rationalisierung und Modernisierung zu einer Eigenwirtschaftlichkeit kommen müßte. Ich gebe selbstverständlich zu, daß die derzeitige Kapitalausstattung vielleicht noch nicht ausreichend sein mag; aber es erhebt sich, Herr Kollege Dr. Bleiß, die Frage, ob es nicht gut wäre, einmal zu erfahren, nach welchem Modus die Bundesbahn zum Beispiel ihre Abschreibungen für das bewegliche und das feste Anlagevermögen vor-nimmt. Vielleicht könnte man sich eines Tages darüber unterhalten, ob es nicht gut wäre, einmal nicht den bundesbahneigenen Rechnungshof, sondern einen Rechnungshof, der sonst für die anderen öffentlichen Haushalte seine Aufgaben erfüllt, einzusetzen, um einen objektiven Einblick zu bekommen in die tatsächliche Situation des Kostengefüges, der betriebsfremden Lasten und der eigenen Lasten bei der Bundesbahn unter Beachtung des Zieles, daß wir zu einer Eigenwirtschaftlichkeit unter Zug um Zug erfolgender Abnahme der betriebsfremden Lasten kommen und das Gemeinwirtschaftliche zurückdrängen. Ich glaube, wenn wir in die europäische Verkehrspolitik überleiten wollen, wenn wir in Deutschland zu einer Harmonisierung und Koordinierung der verkehrspolitischen Maßnahmen kommen wollen, muß der bedeutendste Verkehrsträger, die Bundesbahn, ohne Zweifel eine bestimmte Weichenstellung erhalten.Ich will damit sagen, daß man prüfen soll, wie man hier zu einer größeren Eigenwirtschaftlichkeit kommen kann, um daraus die Folgerungen zu ziehen im Sinne eines echten Leistungswettbewerbs, der sich eigentlich in den Verkehrsnovellen abgezeichnet hat. Wir werden jedenfalls diese Entwicklung sehr aufmerksam verfolgen und sind bereit, den Gedanken — ich möchte ihn einmal so nennen — weiter fortzuentwickeln, daß wir von einer reinen Verwaltungsbahn zu einer Kaufmannsbahn kommen, eben im Sinne der echten Eigenwirtschaftlichkeit.Ein Wort zur Seeschiffahrt! Wir verfolgen mit größter Aufmerksamkeit auch die Entwicklung bei der deutschen Seeschiffahrt. Wir wissen, daß eine hochentwickelte Exportwirtschaft ohne Zweifel eine leistungsfähige Seeschiffahrt benötigt. Es kann kein Zweifel darüber sein, daß hier aber auch technische und wirtschaftliche Fragen an uns herantreten, und wenn ich recht informiert bin, haben ja die Fragen der Darlehenshergabe und Zinsverbilligung und diese Dinge den Haushaltsausschuß sehr, sehr eingehend beschäftigt. Man ist dort zu Lösungen gekommen, die der Problematik, eine leistungsfähige Seeschiffahrt zu schaffen, weitgehend Rechnung tragen.Ich glaube, es muß dies auch in Verbindung mit der Tatsache gesagt werden, daß zur Zeit nur rund 35 % der Exportgüter durch die deutschen Seeschiffe durchgeführt werden. Ich will also damit sagen auf der einen Seite, daß wir durchaus bereit sind, den Neubau von großen, leistungsfähigen Seeschiffen durch geeignete Darlehen zu fördern, um damit zu einer Umstrukturierung der Seeschiffahrt zu kommen. Wir müssen aber auf der anderen Seite größten Wert darauf legen — und ich glaube, das ist ein echtes Anliegen des ganzen Hohen Hauses —, daß die zur Zeit für die deutsche Seeschiffahrt noch bestehende Flaggendiskriminierung abgebaut wird.Ein weiteres Problem, das hier bei der Seeschifffahrt vorhanden ist, ist die Frage, daß wir nach wie vor eine latente Depression auf den Frachtenmärkten haben. Sie wissen es vermutlich, daß die Tanker sehr stark in die Trockenfracht eingebrochen sind und daß hier ein sehr scharfer Wettbewerb vorhanden ist.
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994 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
EisenmannIch will mich nicht noch einmal darüber aussprechen; ich habe im letzten Jahr darüber gesprochen, inwieweit die D-Mark-Aufwertung für die Seeschiffahrt und die Reedereien glücklich gewesen ist. Ich glaube, darüber gibt es heute in diesem Hohen Hause nur eine Auffassung: sie war eine sehr unglückliche Maßnahme für die ausschließlich im Export tätigen Reedereien mid die im Export tätige Seeschiffahrt.Um aber zu einem Abbau der Flaggendiskriminierung zu kommen, könnte ich mir vorstellen, daß man bei Außenhandelsgesetzen diese Frage sehr eingehend betrachtet, und ich könnte mir vorstellen, daß man bestimmte Leistungen von Entwicklungshilfen und die Lieferung von Entwicklungsgütern zum Teil mehr als bisher mit der deutschen Seeflotte durchführen könnte.Ein Wort in diesem Zusammenhang auch zur deutschen Binnenschiffahrt! Herr Kollege Ramms wird allerdings darauf noch näher eingehen. Ich kann es mir nicht ersparen, darauf hinzuweisen, wie notwendig der Ausbau eines zusammenhängenden Binnenwasserstraßennetzes ist. Als Bewohner des norddeutschen Küstenraums sehen wir mit großer Sorge die Entwicklung hinsichtlich der Konzentration verschiedener mit der Schiffahrt zusammenhängender Dinge im Rheinmündungsraum. Wir sind der Meinung, daß das nasse Dreieck des Großhafens Hamburg mit den Häfen Kiel und Lübeck durch den Bau eines Nord-Süd-Kanals in eine Verbindung gebracht werden muß, um über den Nord-Süd-Kanal und einen leistungsfähigen Mittellandkanal die Wirtschaftsverbindung zum Industrierevier an Rhein und Ruhr und zu dem übrigen westeuropäischen Raum zu gewinnen. Die Umstrukturierung der Handels- und Verkehrsströme für den norddeutschen Küstenraum und die Küstenstädte ist in der Tat eine ernste Sorge, die nicht zuletzt auch aus der EWG-Sicht heraus neu bedacht werden muß.Ich würde sehr dankbar sein, wenn das Hohe Haus und speziell auch der Verkehrsausschuß und dann in der Folge auch der Haushaltsausschuß sich mit dieser speziellen Frage recht bald beschäftigen würden, um das Problem in Angriff zu nehmen, nämlich den Bau eines Nord-Süd-Kanals, um damit die Verschlechterung der Wettbewerbssituation im norddeutschen Küstenraum zu beheben.In diesem Zusammenhang aber auch ein Wort zum Ausbau der seewärtigen Verbindungen zu unseren Seehäfen. Es kann kein Zweifel darüber sein, daß mit der zunehmenden Schiffsgröße die seewärtigen Verbindungen durch die eingesetzten Naßbagger vertieft werden müssen. Dabei müssen aber auch die Landverbindungen zu den Seehäfen und Küstenstädten intakt bleiben oder besser ausgebaut werden.In diesem Augenblick möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen: ich persönlich bin der Auffassung, daß man nicht gut beraten wäre, wenn man gerade in diesem Sektor des Tiefbaus, in der Naßbaggerei, hinsichtlich der Bauvorhaben entscheidende Streichungen vornähme. In diesem Sektor kann man sowieso nur im Frühjahr, im Sommer und im Frühherbst arbeiten. Wenn man dann auch noch zu Streichungen der Kapazitäten von 10 oder 20 obo käme, dann wäre das, glaube ich, für die Küstenstädte und Seehäfen eine entscheidende Benachteiligung. Ich kann Ihnen sagen, daß die Naßbaggerei in keiner Weise voll ausgelastet ist. Im Gegenteil, sie wartet dringend auf Aufträge. Ich könnte mir vorstellen, daß hier von ,den ministeriellen Ausnahmen speziell auf diesem Sektor des Tiefbaus dringend Gebrauch .gemacht werden müßte, wenn es im Tiefbau überhaupt zu Streichungen kommen sollte.Ein Wort zur Luftfahrt. Ich kann sagen und mit Freude feststellen, daß sich die Deutsche Lufthansa auf Grund der vorzüglichen ,Sicherheit im Luftverkehr und auf Grund ihres guten Service einen ausgezeichneten Namen innerhalb 'der Luftverkehrsgesellschaften in der Welt wieder erworben hat. Es kann kein Zweifel sein, daß die Deutsche Lufthansa wirklich eine ausgezeichnete Werbung für Deutschland durchführt. Wir wissen sehr wohl um den harten Wettbewerb auf den einzelnen Flugstrecken, und wir wissen, daß man daran denken muß, im Laufe der Zeit zu einer Kapitalerhöhung zu kommen, um die Lufthansa einer Eigenwirtschaftlichkeit zuzuführen. Wir würden es auch sehr begrüßen, wenn 'die Bemühungen, die das Verkehrsministerium eingeleitet hat, verstärkt fortgesetzt werden, daß man zum Zusammenschluß der europäischen Luftverkehrsgesellschaften in der Airunion käme, um damit zu einer besseren Ausgewogenheit auf den verschiedenen Flugstrecken zu gelangen.Unsere besondere Sorge gilt auch der Flugsicherung und dem Flugsicherungsdienst im oberen Luftbereich. Herr Kollege Dr. Bleiß hat über diese Fragen auch vom Personellen her gesprochen. Auch wir sind der Meinung, daß man die Stellenbewertung und die Eingruppierung der im Flugsicherungsdienst tätigen Angestellten und Beamten sehr sorgfältig prüfen muß, weil sie 'mit der Sicherung der Passagiere und 'des Fluggeräts eine hohe Aufgabe erfüllen.Ich bin allerdings der Meinung, daß man auch in der Zusammenarbeit zwischen )der Lufthansa und den Nahfluggesellschaften zu einer 'besseren Harmonisierung und Koordinierung gleicher und fast gleicher Aufgaben kommen könnte, nämlich dahingehend, daß die Nahverkehrsfluggesellschaften mehr zur Aussprache mit der Deutschen Lufthansa herangezogen werden. Denn sie sind doch eigentlich zum großen Teil die Zubringer zu den zentralen Flughäfen. Hier ist keine Konkurrenz vorhanden, weder in der Personenbeförderung noch auf dem Frachtenmarkt, sondern beide, die Deutsche Lufthansa und die binnenländischen Nahverkehrsfluggesellschaften, sind aufeinander zugeordnet. Hier zu einer Synthese beizutragen ist ein echter Auftrag, der erfüllt werden kann.Ein abschließendes Wort zum Straßenbau. Zum Straßenbau möchte ich auch vorweg eine persönliche Bemerkung machen. Ich bin der Auffassung, daß wir nicht gut beraten wären, wenn wir auch im Straßenbau zu einem generellen Baustopp kämen. Aus der Situation des Landes, in dem ich wohne, Schleswig-Holstein, kann ich sagen, daß wir drüben im norddeutschen Raum, in den Zonenrandgebieten
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Eisenmannüberhaupt keine Auslastung der Straßenbaufirmen haben. Viele kleinere und mittlere Straßenbaufirmen warten dringend auf Bauaufträge. Wir haben hier den Tatbestand, daß die Preise seit zwei bis drei Jahren im Grunde etwa gleichgeblieben sind. Bezüglich der Bundesfernstraßen und Bundesautobahnen können wir feststellen, daß auf einen Kilometer Autobahnbau nur rund 15 Beschäftigte kommen. Da wir beim Bund, bei den Ländern und bei den Kommunen nur rund 125 000 Beschäftigte im Tiefbau für alle Straßenbauvorhaben haben, glaube ich nicht, daß wir gut beraten wären, wenn wir hier Maßnahmen durchführen wollten, die zu entscheidenden Verzögerungen beim Ausbau unseres Straßennetzes führen und nicht die Voraussetzung für die bestmögliche wirtschaftliche und verkehrliche Bedienung unserer 'Wirtschaft schaffen würden. Ich könnte mir vorstellen, daß wir hier unter Umständen am falschen Platz sparen würden. Ich bin also der Auffassung, daß man diese Dinge im Gegensatz zum Hochbau sehr sorgfältig überprüfen müßte. Mit meinen Freunden von den Freien Demokraten bin ich der Meinung, daß wir gerade im Straßenbau alle Voraussetzungen schaffen müssen, damit wir eine kontinuierliche Investitionspolitik für alle Bauvorhaben auf diesem Gebiet durchführen können. Das heißt, wir müssen eine vorausschauende Planung bei langfristig gesicherter Finanzierung erreichen, um gleichzeitig auch zu einer gerechten Verteilung der Mittel auf der Einnahmenseite und auf der Ausgabenseite zu kommen.Wir wollen ein leistungsfähiges Straßennetz. Wer will es nicht? Wir haben darüber in diesem Hause schon wiederholt gesprochen. Ich bin aber der Meinung — und ich glaube, Sie alle sind es mit mir —, daß das Straßennetz und seine Funktion genauso gut und stark ist, wie das schwächste Glied es zuläßt. Wir haben hier ohne Zweifel zwei Schwerpunkte, die sich klar abzeichnen und denen wir unsere Sorge zuwenden müssen. Das sind die Ballungszentren des Verkehrs in unseren Großstädten einerseits und die peripheren Räume andererseits. In den peripheren Räumen, in den Randgebieten, den wirtschaftlich schwachen und verkehrsungünstig gelegenen Gebieten müssen wir vom Verkehrlichen her alle Voraussetzungen schaffen, damit wir dort über die Verkehrserschließung zu einer Raumordnung auf der einen Seite und zu einer besseren wirtschaftlichen Untermauerung und damit zu einer besseren Wettbewerbsfähigkeit auf der anderen Seite kommen.Mit großer Spannung sieht die Fraktion der Freien Demokraten auch dem Bericht entgegen, den die Sachverständigenkommission, die in diesen Wochen eingesetzt worden ist, uns hinsichtlich der Lösung der Verkehrsprobleme in den Großstädten hoffentlich bis zum nächsten Frühjahr vorlegen wird. Es kommt in den Großstädten ja darauf an, eine Synthese zwischen dem Individualverkehr und dem Massenverkehr der öffentlichen Verkehrsmittel zu finden. Gleichzeitig sehen wir mit Interesse den Vorschlägen entgegen, wie man dort die Verkehrsanlagen koordinieren oder aber in eine Synthese bringen kann mit der Lösung der Aufgaben des zivilen Bevölkerungsschutzes. Die Sachverständigenkommission hat hier ohne Zweifel eine verantwortungsvolle Aufgabe erhalten.In diesem Zusammenhang möchte ich es mir nicht versagen, noch ein Wort zur schematischen Führerscheinentziehung zu sagen. Ich persönlich bin der Auffassung, daß man in einem Rechtsstaat schlecht beraten ist, wenn man zu einer schematischen Führerscheinentziehung schreitet. Wenn ich höre, daß einem in drei deutschen Ländern der Führerschein auf Grund einer Punktwertung schematisch entzogen werden kann, dann muß ich sagen, daß mir das nach meiner Auffassung vom Recht nicht mehr erträglich erscheint. Ich bin darüber hinaus der Meinung, daß es schon ein Unterschied ist, ob man pro Jahr 100 000 km oder nur 10 000 km am Steuer sitzt. Ich fürchte, es gibt hier vom Rechtlichen her und auch von den Tatbeständen her keinen absoluten Maßstab. Um so vorsichtiger sollte man damit sein, diese Dinge in ein Schema zu pressen und eines Tages dann dem einzelnen zu sagen: Nun ist es so weit, — weg mit dem Führerschein!Ein Zweites in diesem Zusammenhang. Eine Frage, die ich persönlich ansprechen möchte, weil sie mir aufs äußerste zuwider ist, ist die Promillegrenze. Der Mensch hat nun einmal keinen Eichstrich in seinem Körper, und solange wir hier kein einheitliches wissenschaftliches Ergebnis besitzen, kann man, glaube ich, auch nicht zu einer Schematisierung auf diesem Gebiet kommen.
Ich bin persönlich der Auffassung, daß bei Trunkenheit am Steuer ohne Zweifel die härteste Strafe angebracht ist. Wir alle sind durch die Fahrer, die trotz Trunkenheit am Steuer sitzen, gefährdet. Man muß aber auch hier sehr, sehr vorsichtig vorgehen, um ,die Maßnahmen nicht allzusehr in ein Schema hineinzupressen. Es ist mir bekannt, daß das Ergebnis der gleichen Blutproben in verschiedenen Instituten zwischen 0,9 und 0,4 pro mille geschwankt hat. Solange so etwas vorkommt, kann man nicht schematisieren. So lange sollte man sehr, sehr vorsichtig sein mit der Festsetzung einer Promillegrenze von 0,8, 1,2 oder 1,5, da hier keine Klarheit über ein absolutes Ergebnis erzielt ist. Man weiß nun einmal, daß wir keinen Eichstrich im Körper haben.Schließlich ein Wort zu dem Zonenrandraum. Ich habe schon angedeutet, ich wäre dem Herrn Bundesverkehrsminister sehr dankbar, wenn er mir in etwa sagen könnte, welche Verzögerungen die Flutkatastrophe im norddeutschen Raum für die Fertigstellung der Südumgehung Hamburg und damit für den Bau der weiteren Brücken im Hamburger Raum gebracht hat. Weiter ist in diesem Zusammenhang zu fragen, ob man bereit ist, entsprechend unseren Vorstellungen die Nord-Süd-Straßen nach Schleswig-Holstein und nach Nordeuropa, also die Bundesstraßen 5 und 4, die die größten Frequenzen von allen Bundesstraßen im norddeutschen Raum haben, vierspurig auszubauen. Wann ist mit dem Ausbau dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindungen zu rechnen? Herr Bundesverkehrsminister, Sie dürfen über-
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Eisenmannzeugt sein, daß es gerade im norddeutschen Raum keine Überhitzung auf dem Verkehrssektor gibt. Insoweit könnte ich mir vorstellen, daß dort keine Maßnahmen zum Tragen kommen dürfen, die irgendwie zur Eindämmung der Straßenbauvorhaben führen könnten.Abschließend möchte ich sagen: die Fraktion der Freien Demokraten wird dem Verkehrshaushalt 1962 zustimmen. Wir sind froh darüber, daß insgesamt doch erheblich mehr Mittel zur Lösung der Verkehrsaufgaben in diesem Haushalt eingesetzt sind als in den Vorjahren. Wir hoffen, daß diese Mittel dazu benutzt werden, ein zusammenhängendes Straßennetz, ein Binnenwasserstraßennetz und andere Verkehrsanlagen und -einrichtungen zu schaffen, die damit einerseits der Wirtschaft und andererseits der Verkehrssicherheit dienen.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Ramms.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Worte zum Thema Wasserbau. Wir sollten von dieser Stelle aus dem Finanzminister und auch dem Verkehrsminister unseren Dank dafür aussprechen, daß die Ansätze für den Wasserbau wieder in den ordentlichen Haushalt gekommen sind. Damit werden wenigstens die Gelder garantiert, die eine kontinuierliche Arbeit gewährleisten.Wir wissen, daß ,die Auseinandersetzung im Verkehrswesen selbst zwischen 'der Bundesbahn, dem Güterkraftverkehr und der Binnenschiffahrt sich zugespitzt hat. Sie wissen vielleicht auch 'zum Teil, woran das liegt. Wir wollten die gleichen Voraussetzungen, die gleichen Startbedingungen für alle drei Verkehrsträger. Wir haben seinerzeit bei der Verabschiedung der Verkehrsgesetze hier im Hause beschlossen, daß die Bundesregierung bis Ende 1962 dafür sorgen sollte, daß die gleichen Startbedingungen erreicht oder daß zumindest die Startbedingungen angeglichen werden. Bis 'heute lassen sich diese gleichen Startbedingungen auch nicht annähernd erkennen.Im ordentlichen Verkehrshaushalt sind hauptsächlich Mittel zur Beseitigung vieler Engpässe, zum Bau zweiter Schleusen an den Kanälen, auch zur Beseitigung einiger Hindernisse, wie zu geringe Fahrwassertiefen, eingesetzt. Manche Wasserstraßen sind heute noch nicht genügend ausgebaut, so daß sie nur mit zwei Meter Tiefgang befahren werden können. Wir müssen uns im Verkehrsausschuß überlegen, ob wir diese Maßnahmen 'bei .der Aufstellung des nächsten Vierjahresplanes nicht noch forcieren könnten, um damit die Umlaufzeiten der Schiffe zu verkürzen und auch zu 'besseren Erträgen in der Binnenschifffahrt und sogar zu ganz 'erheblichen Frachtsenkungen zu kommen, wie sie sich nach dem Ausbau des Dortmund-Ems-Kanals ergeben haben. Im Augenblick sind für den Bau zweiter Schleusen am WeserDatteln-Kanal die Mittel für den Ausbau der Schleuse Friedrichsfeld vorhanden. Der Weser-Datteln-Kanal — gebaut 1926 bis 1928 mit einer Kapazität für rund 4 Millionen t — befördert 'heute rund 12 Millionen t. Die Schleusen können den Betrieb nicht mehr 'bewältigen. Liegezeiten von rund 24 Stunden — manchmal auch bis zu 48 Stunden — sind für die Schiffe erforderlich, um 'zu 'Berg zu kommen. Wenn Sie aber nur eine einzige Staustufe, nämlich die Schleuse Friedrichsfeld in den Ausbau hineinnehmen, dann schieben Sie 'das 'Problem langsam, aber sicher vor sich her. Das heißt, die Mittei, die im Augenblick angesetzt sind, sind nicht so angesetzt, daß sie sehr schnell für die Verkürzung der Umlaufzeit in der Binnenschiffahrt wirksam werden. Wir müssen uns überlegen, ob wir nicht alle fünf Staustufen, zumindest die nächsten zwei großen Staustufen mit hineinnehmen sollten, um hier die Umlaufzeiten zu verkürzen.Etwas Ähnliches gilt für den Ausbau der zweiten Schleuse Oldenburg, damit nicht noch einmal Wartezeiten entstehen, wenn diese Schleuse ausfällt, Wartezeiten von rund drei Wochen, wie es vor anderthalb Jahren in Oldenburg der Fall gewesen ist.Kollege Eisenmann hat die Frage des Neubaus von Kanälen, besonders des Nord-Süd-Kanals, angeschnitten. Dazu darf ich sagen, daß nicht nur der NordSüd-Kanal ein Problem für den nächsten Vierjahresplan ist, sondern daß man auch andere Kanäle einbeziehen muß. Nicht nur die Schiffahrt hat von dem Neubau von Kanälen ihre Vorteile, sondern auch die gesamte übrige Wirtschaft, die sich an den neuen Wasserstraßen ansiedelt. Sie brauchen sich nur einmal den Ausbau der Mittelweser anzusehen 'und Sie werden erkennen, daß die Industrien in diesem Gebiet ein Vielfaches von dem in ihre Werke investiert haben, was die Ausbaukosten der Mittelweser betragen haben. Hier zeigt sich, daß sich an den Wasserstraßen neue Industriezentren ansiedeln und damit auch die Auflockerung anderer Industriegebiete erfolgt.Herr Dr. Bleiß, Sie haben von dem Mißtrauen gesprochen und gefragt, warum in Ihrem Ministerium, Herr Finanzminister, ein Mißtrauen gegen die Deutsche Bundesbahn vorhanden ist. Ich möchte Ihnen die Frage entgegenhalten: Ist die Deutsche Bundesbahn unter Umständen 'durch ihr Verhalten nicht selber schuld 'daran, daß hier ein Mißtrauen aufkommt? Als wir 1958 'das Kostenermittlungsgesetz verabschiedeten, haben wir für die Kostenermittlung, für 'die Leistung und für die Gewinne das Geschäftsjahr 1959 zugrunde gelegt. Während die Binnenschiffahrt und der Güterkraftverkehr der Aufforderung des Gesetzes und der Aufforderung des Statistischen Amtes in Wiesbaden nachgekommen sind, hat die Deutsche Bundesbahn lediglich die Unterlagen aus dem Spitzenmonat ihres Herbstverkehrs, vom November 1960, zugrunde gelegt, so daß sich die Dinge in etwa verschoben haben.Wie ist es bei den Verkehrsgesetzen gewesen? Als wir 1961 die Verkehrsgesetze verabschiedeten, haben — daran erinnere ich mich noch sehr gut — der Herr Verkehrsminister und auch unser Kollege Müller-Hermann gesagt, wir müßten den Verkehr behutsam an 'die Marktwirtschaft heranführen. Der Herr Minister hat weiter gesagt, unsere Aufmerksamkeit habe auch den Partikulieren zu gelten, die
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Ramms) bei einer zu schnellen Heranführung der Verkehrswirtschaft an die Marktwirtschaft die zunächst Leidtragenden sind. Wie steht .es heute? Die Tarifbildung der Deutschen Bundesbahn hat in der letzten Zeit versucht, sich der freien Marktwirtschaft sprunghaft anzugleichen. Ob hierbei die Tarife noch kostendeckend gewesen sind oder kostendeckend sind, wage ich zu bezweifeln. Ich darf' Ihnen zwei Beispiele nennen. Die Deutsche Bundesbahn hat beim Heizöltarif eine Ermäßigung von 60% beantragt. Früher hat die deutsche Binnenschiffahrt gegenüber der Bundesbahn von Gelsenkirchen nach Mainz mit 6,10 DM im Vorteil gelegen. Heute liegt die Binnenschiffahrt einschließlich Ausladen mit rund 5,90 DM im Nachteil. Wenn .ich Ihnen sage, daß der Frachtsatz der Deutschen Bundesbahn bei 10,20 DM je t liegt, können Sie sich selber ausrechnen, ob hier tatsächlich noch eine echte Kostendekkung gegeben ist.Im Eisenbahnverkehrsgesetz ist auch die Vorschrift enthalten, daß die Deutsche Bundesbahn bei Nichtgenehmigung der von ihr geforderten Tarife die Ausfälle bezahlt bekommt. Ich muß fragen: wer bezahlt den anderen Verkehrsträgern ihren Ausfall?Der Verkehrsminister hat, wie ich vorhin bereits angedeutet habe, am 29. Juni 1961 gesagt, daß unsere Aufmerksamkeit den Partikulieren zu gelten hat. Daß die deutsche Binnenschiffahrt leistungsfähig ist, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Der Anteil der deutschen Binnenschiffahrt am gesamten Transportaufkommen hat von 1932 bis heute bei rund 30% gelegen, das Aufkommen der Bundesbahn 1936 bei 68 %, das Aufkommen des Güterkraftverkehrs, ebenfalls 1936, bei 2%. 1961 betrug das Aufkommen der Bundesbahn aber nur noch 51 %, während der Güterkraftverkehr heute 19 % aller Güter befördert. Sie sehen also, von wo und wohin die Güter abgewandert sind: von der Bundesbahn zum Kraftwagen, nicht von der Bundesbahn zur Binnenschiffahrt.Man kann zwar behaupten, daß prozentual der Anteil der Binnenschiffahrt zwar gleich geblieben ist, von ,dem absoluten Zuwachs des Güterverkehrs aber sie mehr mitbekommen hat als die Deutsche Bundesbahn. Darüber läßt sich streiten.Bedenken Sie auch, daß die deutsche Binnenschifffahrt diese 30 % des gesamten Güterverkehrsvolumens mit 60 000 Menschen bewältigt hat! Sie hat im Jahre 1961 rund 175 Millionen t bei einer Kilometerleistung von 40,2 Milliarden befördert. Die Deutsche Bundesbahn hat für 51 % des Gesamtaufkommens rund 475 000 Menschen eingesetzt.Nachdem die Bundesbahn die Genehmigung für die Ermäßigung der Heizöltarife erhalten hat, sagt sie nun: Um der Kohle den Marktanteil zu erhalten, sind wir gezwungen, die Kohletarife zu ermäßigen. Sie hat zunächst versucht, 15 %Ermäßigung durchzubekommen. 11 bis 13 °/o auf langen Strecken und 6% im Nahverkehrsbereich rind genehmigt worden.Ich brauche hier nicht mehr von den sogenannten Mehrmengenrabatten zu sprechen, auch nicht von den Treuerabatten; denn diese Rabatte sind Gott sei Dank vom Verkehrsministerium nicht genehmigt worden. Aber dieser Antrag auf Mehrmengen- und Treuerabatte ist ausschließlich als ein Versuch anzusehen, echten Verdrängungswettbewerb zu betreiben. Denn diese Tarifnachlässe kämen hauptsächlich den Großabnehmern, .den Abnehmern, die am Wasserumschlagsnetz liegen, zugute.
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— Wir haben bereits damit begonnen. Wir wollen nur, daß dieses Programm in einem festumrissenen Zeitraum realisiert wird. Ich könnte mir vorstellen, daß das in einem Zeitraum von vier Jahren geschehen kann. Diesem Zweck wird eine Entschließung dienen, die meine Freunde von der CDU/CSU-Fraktion gemeinsam mit dem Koalitionspartner zur dritten Lesung einbringen werden.
Das Wort hat der Herr Bundesminiister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Debatte über die Verkehrsfragen sind sehr viele Probleme angesprochen worden. Die entscheidende, grundsätzliche Tatsache ist, daß wir durch die Verkehrsgesetze, die der letzte Bundestag verabschiedet hat und die am 1. August 1961 in Kraft getreten sind, eine Wendung in der bisher mehr nach Ordnungsprinzipien geführten Verkehrspolitik zur Marktwirtschaft hin vorgenommen haben. Das war notwendig, einmal, um die Prinzipien unserer Wirtschaftspolitik auch im Verkehr anzuwenden, zum anderen, weil es erforderlich ist, im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um eine gemeinsame Verkehrspolitik in Europa aufbauen zu können. Die Gesetze, die damals von der Bundesregierung eingebracht wurden, sind, wie Sie wissen, durch dieses Hohe Haus im Sinne der Marktwirtschaft wesentlich verstärkt worden über das hinaus, was die Bundesregierung seinerzeit vorgeschlagen hatte.Marktwirtschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren, bedeutet nicht nur Leistungswettbewerb, sie bedeutet auch Preiswettbewerb, und in einem solchen Preiswettbewerb ergeben sich sehr viel unangenehmere Verhältnisse für alle Beteiligten, als sie bisher in einem geordneten Leistungswettbewerb geherrscht haben. Deshalb sind wir von Anfang an der Auffassung gewesen, daß eine Marktwirtschaft im Verkehr, die den Preiswettbewerb herbeiführt, den Ausgleich der Wettbewerbsverzerrungen, also die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen voraussetzt, und zwar sowohl im Inland, also innerhalb der Bundesrepublik, wie auch im Raum der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Das aber ist eine Aufgabe, die keineswegs leicht und einfach ist und die nicht innerhalb kurzer Zeit gelöst werden kann.Herr Kollege Bleiß hat auf verschiedene, damit zusammenhängende Probleme hingewiesen und dazu Fragen gestellt. Er hat sich zunächst einmal mit den Wegekosten beschäftigt, hat aber auch die anderen Probleme angesprochen. Wir verstehen unter diesen Wettbewerbsverzerrungen zunächst einmal im wesentlichen die von den Staaten selbst durch ihre Maßnahmen hervorgerufenen Verhältnisse, durch die gegenseitige Diskriminierungen entstanden sind. Wir sind, wie Sie wissen, der Auffassung, daß jeder Verkehrsträger die ihm anzulastenden Wegekosten selbst tragen soll, wissen aber, daß schon im Inland, hier besonders bei der Binnenschiffahrt, sich bei der Durchsetzung dieses Prinzips dadurch Schwierigkeiten ergeben, daß wir im Land einen internationalen Verkehr auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen haben, einen Verkehr, der gesichert ist in seiner Unbelastbarkeit gegenüber Steuern und Abgaben durch völkerrechtliche Normen, die seit dem Wiener Kongreß bestehen und über die Mainzer und Mannheimer Akte im vorigen Jahrhundert gefestigt wurden, aber auch noch ihren Niederschlag fanden in den Friedensverträgen nach 1918. Daher standen wir immer auf dem Standpunkt, daß dieses Wegekostenproblem sich nur europäisch und nicht etwa allein innerhalb unseres Landes wird lösen lassen, und wir sind dankbar, daß diese Problematik innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und bei der Entwicklung einer gemeinsamen Verkehrspolitik einer Lösung entgegengeführt werden kann. Natürlich werden, solange diese Lösungen sich nicht abzeichnen, die Interessenten, das heißt die Verkehrsträger, sich bemühen; ihren Standpunkt mit äußerster Energie herauszustellen, und werden dabei mich vor Übertreibungen und Schwarz-weiß-Malerei nicht zurückschrecken.Sehr verehrter Herr Kollege Bleiß, Äußerungen der Bundesbahn und insbesondere von Bundesbahnbeamten sind nicht Äußerungen des Bundesministers für Verkehr oder 'des Bundesministeriums für Verkehr, das wissen Sie so gut wie ich. Was von meinem Ministerium und von meinen Mitarbeitern herauskommt, sind Äußerungen des Ministeriums, aber ich würde es zurückweisen, Äußerungen der Bundesbahn, 'ihrer Beamten, ja sogar ihres Vorstands als Äußerungen des Ministeriums anzusehen. Das hat nicht nur etwas mit der von Ihnen mit Recht angesprochenen Meinungsfreiheit zu tun, sondern damit, daß die Bundesbahn ein Verkehrsträger ist, der das Recht haben muß, sich seiner Haut genauso zu wehren wie die Binnenschiffahrt oder der Güterverkehr auf der Straße, die Luftfahrt oder die Seeschiffahrt. Man wird ihr nicht in den Arm fallen dürfen mit der Begründung, daß sie 'der Träger ides Basisverkehrs in unserem Land ist, und sich vor allem wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Staat, also zur öffentlichen Hand, völlig zurückzuhalten habe. Ich würde das unbillig finden, obwohl ich ihr manches Mal mehr Takt wünschte. Diesem Streit der Referenten, den Sie beklagen, sehe ich mit Gelassenheit zu, und ich finde, daß die Argumente, die dabei 'herauskommen, uns alle nur Möglichkeiten geben, die Probleme entsprechend klar zu beurteilen und uns eine übergeordnete Meinung zu diesen Auseinandersetzungen zu bilden.
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Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmNun zu den Problemen, die sich bei der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen stellen. Das wichtigste Problem ist, wie ich schon eben gesagt habe, das Problem der Wegekosten. Um nun die Heranziehung der einzelnen Binnenverkehrsträger zu den Kosten ihrer Verkehrswege zu prüfen, haben wir eine vergleichende Wegekostenrechnung der Eisenbahn, des Straßenverkehrs und der Binnenschiffahrt schon in der vergangenen Legislaturperiode in einem besonderen Arbeitskreis im Bundesverkehrsministerium bearbeitet und dabei methodische Grundlagen erarbeitet.Die Ergebnisse sind dann bereits Anfang des vorigen Jahres der Deutschen Bundesbahn und den Verbänden der Verkehrsträger, aber auch der verladenden Wirtschaft zur Stellungnahme zugeleitet worden. Zu diesen Stellungnahmen hat sich anschließend der Arbeitskreis noch einmal schriftlich geäußert. Das Einholen dieser Stellungnahmen hat sehr viel Zeit erfordert.Nun haben wir das gesamte Material schon vor einiger Zeit einem Gutachtergremium, das sich aus den Professoren Dr. Seidenfuß, Gießen, als geschäftsführendem Vorsitzenden, Dr. Dr. Böttcher, Köln, Dr. Napp-Zinn, Frankfurt, Dr. Riedel, Frankfurt-Mannheim, und Dr.-Ing. habil. Wehner, Berlin, zusammensetzt, übergeben. Die Gutachter sollen sich zunächst mit der Methodik beschäftigen, damit wir auch gleichzeitig Ergebnisse gewinnen, die uns bei unserer Arbeit zur Grundlegung einer gemeinsamen Verkehrspolitik in Europa dienen und die Lösung desWegekostenproblems auf europäischer, nicht nur auf deutscher Ebene ermöglichen können. Das sind doch sehr umfangreiche Arbeiten, die sich nicht von heute auf morgen durchführen lassen. Wir sind seit Jahren dabei, und nur wer sich in diese Arbeiten intensiv vertieft hat, kennt die Stricke und Fallen, die darin liegen, und die Schwierigkeiten, mit denen wir zu rechnen haben.Das zweite Problem, das sich bei 'der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen stellt, ist das Problem der Unterschiede in der Besteuerung der drei Binnenverkehrsträger. Hier ergeben sich Differenzierungen, die auf den Wettbewerb einwirken können und die deshalb auf ihre Vertretbarkeit überprüft werden müssen. Auch diese Prüfungen sind schwierig, weil es nicht nur auf die rechtlichen Tatbestände, sondern vor allen Dingen auf deren wirtschaftliche Auswirkung ankommt. Wir haben deshalb mit dem Bundesfinanzministerium eine Gruppe gebildet, die einen quantifizierten Steuerrechtsnormenvergleich durchführt. An 'diesen Untersuchungen beteiligen wir ebenso die Vertreter der Praxis und der Wissenschaft. Wir wollen versuchen, mit Hilfe dieses angestrebten Untersuchungsergebnisses dann im Interesse eines fairen Wettbewerbs einen Ausgleich herbeizuführen, aber auch hierbei wiederum schon Grundlagen gewinnen für die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen im europäischen Raum.Nun kommt das wichtige dritte Problem, das bearbeitet werden muß: die Klärung der außerordentlich verwickelten Selbstkostenstruktur im Verkehrswesen und das dazu erlassene Gesetz über die„Statistik der Kosten und Leistungen im Güterverkehr". Wir haben dieses Gesetz Ende 1958 beschlossen und im Jahr 1959 die Erhebungen durchgeführt. Alle Unterlagen der Erhebungen des Jahres 1959 stehen uns zur Verfügung, Herr Kollege Ramms, auch alle Unterlagen der Bundesbahn über ihre Kasten und Leistungen über das ganze Jahr 1959. Ich habe mich extra auf Grund Ihrer kürzlichen Bemerkung darüber vergewissert. Auch die Umlaufzahlen sind für das ganze Jahr 1959 erarbeitet. Vielleicht kommt eine Verwechslung bei Ihnen dadurch zustande, daß die Bundesbahn im November 1960, also unabhängig vom Jahre 1959, noch eine besondere Umlaufsermittlung für Güterwagen von sich aus durchgeführt hat und diese Ermittlung zusätzlich zur Verfügung stellt; das hat aber für die Ermittlungen, die das Jahr 1959 betreffen, keine Bedeutung. Wir haben also für das Jahr 1959 alle Ermittlungen zusammengestellt, die natürlich erst im Laufe des Jahres 1960, z. T. erst gegen Ende des Jahres angefallen sind.Beauftragt mit der Fertigstellung dieser Arbeit ist das Statistische Bundesamt. Das Statistische Bundesamt kann man, wie Sie wissen, ähnlich wie den Bundesrechnungshof, nicht jagen, rund gerade wir Menschen, die im Verkehr tätig sind, sollten uns freuen, daß es in Deutschland noch Leute gibt, die Zeit haben oder sich Zeit lassen.
Ich bemerke das mit aller Bescheidenheit. Trotzdem möchte ich mich bemühen, Ihnen anzugeben, zu welchen Terminen das Statistische Bundesamt uns Unterlagen übermitteln wird. Es hat uns mitgeteilt, daß wir mit dem Beginn der Lieferung über die Fahrzeugerhebung für den Güterkraftverkehr ab April 1962, für die Binnenschiffahrt ab Mai 1962, für die Eisenbahn ab Juni 1962 rechnen können, und daß mit der Unternehmenserhebung für den Güterkraftverkehr ab Juli 1962, für die Binnenschiffahrt wahrscheinlich schon im Juni 1962 und für die Eisenbahnen schon ab April 1962 gerechnet werden kann. Die vollständigen Ergebnisse werden dann gegen Ende dieses Jahres vorliegen. Die Erhebungen werden, wie Sie wissen, erstmals gesichertes repräsentatives statistisches Material liefern und eine Analyse der wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Kosten und Leistungen ermöglichen. Damit haben wir, auch wenn sich die Grundlagen auf das Jahr 1959 beziehen, glaube ich, doch die Grundlage, um uns über die Selbstkostenstruktur des Verkehrs auch in den kommenden Jahren rascher ein Bild zu verschaffen.Die vierte Gruppe von Problemen, die insbesondere international eine Rolle spielen, ist die der Harmonisierung der verschiedenen sozialen Bedingungen bei den einzelnen Verkehrsträgern im In-und Ausland. Hier geht es vor allem um Fragen der Arbeitszeit, der Arbeitsbedingungen und um ähnliche Probleme, die im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geklärt werden müssen, wenn wir zu einer gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik kommen wollen.Neben diesen Fragen spielt noch der von Ihnen erwähnte modifizierte sogenannte Brand-Bericht
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Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmeine Rolle. Herr Kollege Dr. Bleiß, wir haben diesen modifizierten Brand-Bericht bis auf einige Tabellen, die uns die Bundesbahn erst im Mai glaubt liefern zu können, fertig. Wir hoffen, daß wir dann die Unterlagen werden unterbreiten können. Es ist ja auch schon mit Ihnen verabredet worden, in welcher Form und in welcher Weise sie dem Hohen Hause zugehen sollen. Wir werden uns also sicherlich noch vor den großen Ferien, wenn nicht, dann jedenfalls im Herbst mit dem modifizierten Brand-Bericht auch im Verkehrsausschuß eingehend beschäftigen können.Eine Frage, die heute weiter eine große Rolle in der Diskussion gespielt hat, ist, wie sich diese neuen Verkehrsgesetze bisher ausgewirkt haben; denn wir können natürlich nicht stehenbleiben; das Leben geht laufend weiter. Hier geht es vor allen Dingen um die wesentlich eingeschränkte Tarifgenehmigungsmöglichkeit des Bundesministers für Verkehr. Sie wissen, daß wir heute bei Behandlung der Tarifanträge praktisch keine Koordinierung zwischen den einzelnen Verkehrsträgern und mit der verladenden Wirtschaft mehr haben. Wir haben nur zu prüfen, ob die beantragten Tarife unbillig sind, ob sie ein verkehrsgerechtes Entgelt darstellen und ob sie etwa das allgemeine Wohl schädigen. Ein verkehrsgerechtes Entgelt dürfte dann gegeben sein, wenn die Selbstkosten gedeckt sind.Herr Kollege Ramms, bei der Prüfung der Anträge der Bundesbahn, insbesondere auch bezüglich der von Ihnen angesprochenen Tarife für Mineralölprodukte, sind diese Untersuchungen über die Selbstkosten vom Ministerium sehr exakt durchgeführt worden. Ich kann feststellen, daß die Selbstkosten bei all diesen Tarifanträgen der Bundesbahn gedeckt waren und sind.Selbstverständlich endet die Prüfung der Tarifanträge zur Frage des unbilligen Wettbewerbs nicht erst dann mit einer Versagung, wenn ein ruinöser Wettbewerb festgestellt wird. Hier spielt vielmehr schon die Frage, ob ein Verdrängungswettbewerb vorliegt ein neuer Begriff, der im Gesetz nicht festgelegt ist — eine entscheidende Rolle. Nach der Auffassung des für alle Kartell- und Wettbewerbsfragen sehr sachverständigen Mitgliedes der Europäischen Kommission, unseres Freundes von der Groeben, ist der Verdrängungswettbewerb schon im allgemeinen als unbillig anzusehen, aber insbesondere dann, wenn er in die Substanz eines anderen eingreift, nicht nur bei einem Verkehrsträger, sondern ganz allgemein. Er wirkt dann diskriminierend. Deswegen muß man die Grenze des Verdrängungswettbewerbs und die von ihm ausgehenden Folgen sehr scharf erkennen.Gerade mit Rücksicht auf .den besonderen Schutz, den die Bundesregierung ,den Einzelunternehmen des Mittelstandes im Güterverkehr und in der Binnenschiffahrt, also hier den Partikulieren, angedeihen lassen will, gerade um zu erreichen, ,daß sich nicht durch den Eintritt des Verkehrs in die Marktwirtschaft bei diesen Verkehrsträgern Konzentrationen in großem Maße ergeben, hat der Bundesminister für Verkehr den Antrag der Bundesbahn auf den Mehrmengentarif für Kohle abgelehnt. Er ist alsohier durchaus im Rahmen dessen geblieben, was er im vorigen Sommer zu diesen Fragen gesagt hat. Diese Mehrmengentarife fördern nach unserer Auffassung einen Verdrängungswettbewerb, der gerade mit Rücksicht auf die Partikuliere als unbillig angesehen werden kann.Im übrigen bemühen wir uns, die durch die Gesetze neu eingeführten Begriffe einer Klärung entgegenzuführen. Auch hier bedienen wir uns entsprechender Gutachter. Zur Zeit wird ein Gutachten erstellt, das diese Begriffe sowohl von der juristischen wie von der verkehrswirtschaftlichen Seite erläutern wird, und wenn ich dem verehrten Herrn Kollegen Ramms, den ich leider nicht mehr sehe, sage, daß einer der Gutachter Herr Professor Dr. Dr. Most ist, wird er mir zugeben, daß das ein Mann ist, der die Verhältnisse in der Binnenschiffahrt kennt; er wird gerade aus seiner Kenntnis sowohl der Eisenbahn wie der Binnenschiffahrt heraus in ,der Lage sein, aus verkehrswirtschaftlichen und verkehrswissenschaftlichen Gründen uns gut zu beraten. Ich glaube sagen zu können, daß wir, wenn wir in absehbarer Zeit Richtlinien zu der Genehmigung ,der Tarife herausbringen, uns mit diesen Richtlinien auf ein gut fundiertes Material stützen werden, mit dem wir dann auch wirklich arbeiten können.Als weiterer großer Fragenkomplex im Verkehr ist in allen Reden natürlich die Bundesbahn angesprochen worden. Ich muß sagen, daß das, was ich jetzt ausführen werde, unter dem Eindruck des Änderungsantrages steht, den ,die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1962 hinsichtlich der Einfügung eines neuen § 8 gestellt haben. Nach diesem Antrag sollen die Mittel für die Fortführung begonnener und ,die Inangriffnahme neuer Baumaßnahmen ,des Bundes sowie die Ausgabeansätze zur Förderung von Baumaßnahmen anderer Stellen in Höhe von 20 % ,des Jahresansatzes gesperrt werden, soweit nicht eine rechtliche Verpflichtung zu ihrer Leistung besteht. Es handelt sich hier um eine konjunkturpolitische Maßnahme, die in die Verkehrspolitik eingreift. Für .die Bundesbahn, die natürlich als ein zum Bund gehörendes Unternehmen auch unter diesen Aspekt fällt, bringt diese Bestimmung sicherlich gewisse, mindestens moralisch bindende Verpflichtungen in bezug auf ihr Investitionsprogramm.Ich darf sagen, daß bei der Bundesbahn durch den Bund die in den letzten Jahren entstandenen Betriebsverluste bis einschließlich 1960 — das Jahr 1961 war ja ausgeglichen — verrechnet worden sind gegen die der Bundesbahn früher gewährten Darlehen und ähnliche ihr gewährten Mittel, so daß praktisch der Bund die ganzen Betriebsverluste übernommen hat, die der Bundesbahn bisher erwachsen sind. Auf der anderen Seite hat der Bund Wert darauf gelegt, daß das Investitionsprogramm der Bundesbahn keine Einschränkungen erfährt. Gerade das hat ja wahrscheinlich den Haushaltsausschuß auch zu der Art bestimmt, in der er an dem „erratischen Block", wie er genannt wurde, der Bundesbahnzuschüsse einen für ,den Bundesminister für
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1004 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmVerkehr ungemein schmerzlichen Abstrich vorgenommen hat. Sie können sich vorstellen, daß der Bundesminister für Verkehr sehr froh war, daß es ihm endlich gelungen war, beim Bundesministerium der Finanzen bezüglich der Bundesbahn jene Unterstützung des Bundes zu erhalten, die es der Bundesbahn auch in diesem Jahre ermöglichen würde, eine abgeglichene Gewinn- und Verlustrechnung vorzulegen.Nun ist bei diesen Fragen sehr oft ein gewisser Irrtum in der Betrachtung der Probleme entstanden, weil ja bekanntlich der Durchblick durch die Finanzgebarung der Bundesbahn nicht ganz einfach ist, wenn man sich nicht schon lange Zeit damit beschäftigt. Die Rechnung der Bundesbahn gliedert sich einmal in die Betriebsrechnung; in dieser Betriebsrechnung sind den Erträgen die Aufwendungen 'gegenübergestellt. Aus dieser Betriebsrechnung erfolgt dann die Entwicklung der Gewinn- und Verlustrechnung, in der die Erträge den Aufwendungen gegenübergestellt sind und in der sich natürlich auch die Ergebnisse der dritten Rechnungsgruppe, der Kapitalrechnung, niederschlagen. Aber die Kapitalrechnung einerseits und die Betriebsrechnung mit der Gewinn- und Verlustrechnung andererseits sind eben absolut 'zwei Paar Stiefel, und wenn man nun bei der Kürzung in die Betriebsrechnung eingreift, kann man natürlich nicht erwarten, daß ein Ausgleich der entstandenen Löcher in der Betriebsrechnung über die Kapitalrechnung erfolgen kann. Die Kapitalrechnung hat ganz andere Quellen als die Betriebsrechnung, und infolgedessen kann man nichts aus der Kapitalrechnung, bei der ja Kapitalbeträge — Eigenkapital und Fremdkapital — aufgenommen werden, etwa in die Betriebsrechnung hinübernehmen.Es ist deswegen z. B. nicht gerechtfertigt, wenn zum Ausgleich der Kürzung darauf hingewiesen wird, 'daß der Bundesbahn erstmalig, und zwar in Verfolg der Vorschläge, die das Brand-Gutachten gebracht hat, vom Bund eine echte Eigenkapitalverstärkung zur Verfügung gestellt wird. Sie wird allerdings in der Form gewährt, daß der Bundesbahn die Aufnahme einer Anleihe von 500 Millionen DM gestattet wurde, für die der Bund den Zinsendienst und die Amortisation übernimmt, natürlich, Herr Kollege Bleiß, nicht nur für ein Jahr. Das wäre natürlich keine Maßnahme zur Eigenkapitalverstärkung, sondern eine Zinsunterstützung für eine vorübergehende Zeit, die ohne Bedeutung wäre. Ich kann diese Zusage des Bundesfinanzministeriums eben nur so auffassen, daß an Stelle der von dem Brand-Gutachten gewünschten echten Zuführung von Eigenkapital durch den Besitzer, nämlich den Bund, an die Bundesbahn in Höhe von etwa 200 Millionen DM jährlich der Bundesbahn nunmehr für 1961 und 1962 ein Betrag von 500 Millionen DM über eine Anleihe zugeführt wird, die sich nicht als Fremdkapital, sondern als Eigenkapital niederschlagen soll.Nun ist man vielleicht der Meinung, daß diese Kapitalaufstockung dazu dient, der Bundesbahn ein echtes, neues Kapital zuzuführen. Das stimmt nicht; denn diese Kapitalaufstockung wird zum größten Teil durch die sonstigen kurz- und mittelfristigenKredite aufgezehrt, die in diesem Jahr abgedeckt werden müssen. Die Kapitalaufstockung bildet also keinen Bestandteil etwa der Kapitalrechnung, der sich in vermehrten Ausgaben niederschlagen kann. Praktisch ist also über diese 500 Millionen DM dadurch bereits disponiert, daß die von der Bundesbahn bisher laufend aufgenommenen sonstigen Kredite aus der Vergangenheit in einer Größenordnung von über 400 Millionen DM daraus abgedeckt werden.Für die Kapitalrechnung der Bundesbahn kommt aber nun in Frage, was in § 8 im Zusammenhang mit einem angekündigten Gesetz vorgesehen ist, wonach Behördenbauten, also auch Bauten, die die Bundesbahn im Hochbausektor ausführt, gesperrt werden sollen. Von dem Anteil der Bauwünsche der Bundesbahn entfallen für das kommende Jahr ungefähr 150 Millionen DM auf Hochbauten. Dies entspricht praktisch ungefähr 20 % des Gesamtbetrages, der von der Bundesbahn für Ingenieur- und Tiefbauten sowie Hochbauten eingesetzt ist, Wenn die Hochbauten aus konjunkturpolitischen Gründen nicht mehr durchgeführt werden können, wird also die Bundesbahn in der Lage sein, diese 150 Millionen DM in der Kapitalrechnung zu ersparen. Sie erspart sie aber nicht etwa in der Form, daß sie diese 150 Millionen DM für andere Zwecke zur Verfügung hat, sondern eben dadurch, daß sie für diese 150 Millionen DM in diesem Jahr keine zusätzlichen kurzfristigen Kredite aufnimmt. Das ergibt sich aus der Situation und dem dabei zu beachtenden Rahmen.Dadurch gewinnt man also nichts für den Ausgleich der Betriebsrechnung. In der Betriebsrechnung ausschließlich Gewinn- und Verlustrechnung ist es, wie Sie wissen, so, daß der Betrag der Kürzung von 280 Millionen DM natürlich bei den Erträgen in Fortfall kommt. Ich hätte gewünscht, daß man, wenn man eine solche Kürzung durchführt, wenigstens dem zuständigen Bundesminister in Verbindung mit dem Finanzminister die Möglichkeit der Aufteilung überlassen hätte und diese Aufteilung nicht von vornherein im Haushaltsausschuß festgelegt hätte. Ich habe diese Gedanken dort auch vorgetragen. Die Bundesbahn muß nun also versuchen, alles zu veranlassen, was sie tun kann, um dieser Kürzung mit Ersparnissen zu begegnen. Die Personalausgaben lassen sich nicht weiter einsparen, denn hier ist schon eingerechnet, daß gewisse Minderausgaben für Besoldung durch eine Ersparnis an Arbeitskräften, wie sie für das Betriebsjahr veranschlagt ist, eintreten. Auch an Kohle und den laufenden Betriebsstoffen kann nicht gespart werden.Die Bundesbahn kann ihrerseits nur sparen, indem sie auf ihre Lagerbestände zurückgreift und ein Jahr lang versucht, weitgehend aus den Lagerbeständen zu leben, um damit maximal einen Betrag von etwa 110 Millionen DM ersparen zu können. Das bedeutet natürlich, daß entsprechende Aufträge storniert werden, die hier bei der Betriebsrechnung der Bundesbahn unter den Sachausgaben mit ihren insgesamt 495 Millionen DM ausgewiesen sind und die also um etwa 110 Millionen DM gekürzt werden können. Selbstverständlich wirkt sich das insbesondere auf jenes Material aus, das lagerbeständig ist, wie z. B. Schienen. Es ist meines Erachtens durchaus gerechtfertigt, daß die Bundesbahn hier versucht,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1005
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmalle nur möglichen Ersparnisse zu machen. Es würde sich, wenn ihr dies gelingt, ergeben, daß bei der Gewinn- und Verlustrechnung, wie sie jetzt vorliegt, am Ende des Jahres nicht eine ausgeglichene Rechnung vorliegt, sondern — wenn diese Ersparnisse möglich sind — ein Unterschuß von etwa 170 Millionen DM verbleibt. Dabei muß ich allerdings bemerken, daß die Erträge, die gegenüber dem Vorjahr etwas höher veranschlagt wurden, sowohl im Personenverkehr wie im Güterverkehr, in den ersten drei Monaten 1962 nicht das gehalten haben, was wir erwarteten; denn wir haben in den ersten drei Monaten dieses Jahres eine um 3 % geringere Wagengestellung gehabt. Es ist aber noch nicht aller Tage Abend, und vielleicht besteht die Möglichkeit, daß einiges davon wieder aufgeholt wird.Sie wissen, daß die Bundesbahn sich auf der anderen Seite aus verkehrserhaltenden Gründen genötigt gesehen hat, ihre Massenguttarife an das Tarifniveau im Ausland, insbesondere in den EWG-Ländern, anzupassen, und daß infolgedessen auch hier noch Mindereinnahmen erwartet werden müssen. So wird der aus dem Bundeshaushalt zu deckende Verlust wohl noch höher werden.Herr Kollege Eisenmann hat ferner von der Seeschiffahrt gesprochen. Ich kann diese Frage verhältnismäßig schnell mit dem Hinweis darauf beantworten, daß wir alle unter dem Eindruck der außerordentlich großen Sorge stehen, die uns die wachsende Flaggendiskriminierung in der Welt bereitet. Praktisch kann man sagen: das Prinzip der Freiheit der Meere und der Gedanke der Freiheit des Luftverkehrs wird allmählich durch eine vollendete Diskriminierung in allen Erdteilen abgelöst. Ob es gelingt, diese großen internationalen Verkehrsträger aus diesen diskriminierenden Bindungen herauszulösen, die sich vor allen Dingen auch dadurch ergeben, daß neu entstehende und weiter sich entwickelnde Länder den Wunsch haben, sich auf dem Gebiet der Seeschiffahrt oder der Luftfahrt autark zu machen, bleibt natürlich der Zukunft vorbehalten. Ich kann nur dringend empfehlen, daß das Außenhandelswirtschaftsgesetz in verstärktem Maße zur Anwendung kommt, daß die darin gegebenen, vom Bundestag bewilligten Möglichkeiten zum Schutz gegen Flaggendiskriminierungen wirklich eingesetzt werden. Man kann immer wieder nur hoffen, daß es gelingt, bei den internationalen Verhandlungen zu erfreulichen Ergebnissen zu kommen.Ich darf weiter auf das eingehen, was Herr Kollege Eisenmann über die Projekte in der Investition, also im Straßenbau und im Wasserbau, gesagt hat. Wir müssen unter dem Eindruck des vorgeschlagenen § 8 des Haushaltsgesetzes wohl folgendes festhalten:Ich bin mit den Vorrednern aus meiner Kenntnis der Verhältnisse durchaus darüber einig, daß wir im Tiefbau keine Überhitzung haben. Die Preise, die wir im Tiefbau — sowohl im Wasserstraßenbau wie im Straßenbau — bezahlen, sind durchaus angemessen und verhalten sich im Verhältnis zu den Preisen der Jahre 1958 bis 1960 fast unverändert. Nur bei den Brücken ist eine geringe Preissteigerung zu verzeichnen. Immerhin konnte ich, als wir im vorigenJahr die Autobahn von Wuppertal nach Kamen einweihten, darauf hinweisen, daß die im Jahre 1956 dafür veranschlagte Bausumme beim Abschluß der Bauarbeiten um 0,2 %o unterschritten worden ist.
Das ist vielleicht auch ein Zeichen dafür, daß man auf diesem Gebiet noch einen genügenden Wettbewerb hat und daß immer noch freie Kapazitäten zur Verfügung standen.Nun gibt es natürlich beim Tiefbau — darauf hat der Kollege Eisenmann schon hingewiesen — noch bestimmte Einrichtungen, für die ein Ausweichen überhaupt nicht möglich ist; ich erinnere hier nur an die Naßbaggereibetriebe. Die Naßbaggerei ist z. B. einer der Zweige der Bauwirtschaft, bei denen eine Überhitzung noch nie vorhanden gewesen, sondern stets eine Unterbeschäftigung vorhanden ist. Es sind Spezialfirmen mit Spezialgeräten, bei denen man natürlich gar keine Möglichkeit hat, sie bei anderen Aufgaben einzusetzen, die auf der anderen Seite aber natürlich auch sehr daran interessiert sind, ihr zu geringes Arbeitsvolumen zu halten. Das sind natürlich Fragen, die uns besondere Sorge machen.Da wir — mit Zustimmung des Hohen Hauses — seit Jahren danach gestrebt haben, einen möglichst kontinuierlichen Baufortschritt zu haben und nach Möglichkeit auch die ungünstige Jahreszeit für unsere Bauten mit heranzuziehen, sind wir dazu übergegangen, die Aufträge so frühzeitig zu vergeben, daß praktisch das Hauptbauvolumen schon in den Wintermonaten vergeben ist, damit die guten Baumonate, die Sommer- und Herbstmonate, voll für die Ausführung dieser Aufträge ausgenutzt werden können. Denn es ist ganz klar: die Auswirkungen einer Sperrung von Mitteln für Investitionen im Tiefbau, die man zu Beginn der Sommermonate ausbringt, kann man auch im Herbst und Winter nicht wieder aufholen, wenn man dann hinterher die Mittel noch glaubt freigeben zu können; das ist dann endgültig vorbei und diese Zeit ist verloren!Deswegen stimmt es durchaus, Herr Kollege Bleiß, daß ich festgestellt habe: Nach einer 20 %igen Sperrung der Mittel für den Tiefbau insgesamt, Wasserstraßenbau und Straßenbau, können die bisher ins Auge gefaßten Ziele der Fertigstellung oder des Beginns einzelner Bauvorhaben natürlich nicht mehr eingehalten werden, sondern sie werden sich um eine entsprechende Zeit verschieben. Es ist in der lezten Zeit in der Öffentlichkeit oft Kritik daran geübt worden, daß die angesagten Termine nicht pünktlich eingehalten werden. Allerdings kann man bei so großen Bauvorhaben solche Termine ohnehin immer nur für einen gewissen Zeitraum angeben. Ich war also genötigt, von vornherein auf diese Konsequenz hinzuweisen.Wir haben also schon in erheblichem Maße im Winter Aufträge für den Straßenbau vergeben. Wir haben bis jetzt praktisch 1550 Millionen DM in diesem Jahr vertraglich gebunden. Ich halbe somit zur Zeit überhaupt nur noch 300 Millionen DM zur Verfügung, so daß eine Kürzung der bauwirksamen Mittel um 20%, die 360 Millionen DM erfordern
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1006 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmwürde, nicht mehr möglich ist, sondern nur noch eine solche um 17 %. Das hat mich veranlaßt, sofort sämtliche Vergaben zu stoppen. Als erstes habe ich — charity begins at home — die Vergabe der jetzt zur Vergabe anstehenden Arbeiten für die Beendigung der sogenannten Drei-Städtestraße — von Braunschweig über Salzgitter zur Nord-Süd-Autobahn — im Raume der Stadt Salzgitter, Stadtteil Lebenstedt, gestoppt. Es ist ganz klar, daß man bei diesen Kürzungen nicht etwa danach verfahren kann, ob und welche guten und freundschaftlichen Beziehungen bestehen, sondern daß man gerecht verfahren muß und daß alle Beteiligten betroffen werden.Bei der Südumgehung Hamburgs wirken sich natürlich nicht nur die Flutkatastrophe, sondern auch diese Kürzungen aus. Wir hoffen trotzdem bis zur Fertigstellung der Vogelfluglinie die Südumgehung Hamburgs in Betrieb nehmen zu können. Es wird eine Verzögerung um einige Monate geben. Immerhin ist der gesperrte Betrag nicht unerheblich, und Sie werden verstehen, daß ich, wenn ich mich hier unterwerfen muß, die weitere Vergabe von Anschlußaufträgen zu unterlassen habe; denn wir haben ja die uns verbleibenden Mittel schon weitgehend, sogar über das uns gesetzte Maß hinaus, gebunden.Ähnlich liegt es beim Wasserstraßenbau. Auch hier sind die Mittel so weit gebunden, daß Anschlußaufträge nun nicht mehr vergeben werden können. Wir brauchen beim Wasserstraßenhaushalt nicht unerhebliche Mittel — das wissen die Herren des Haushaltsausschusses sehr gut — zur Abdeckung von Vorfinanzierungen, so z. B. für schon ausgeführte Arbeiten im Bereich des Neckars, der Mittelweser, der Elbe und des Dortmund-Ems-Kanals. Wir haben natürlich in diesem Jahr auch schon zahlreiche Aufträge vergeben, z. B. die Aufträge für die Moselkanalisierung, zu der wir nach internationalen Verträgen verpflichtet sind, denn dort sollen die Arbeiten nach Möglichkeit bis Ende des nächsten Jahres so gefördert sein, daß die Schiffahrt aufgenommen werden kann. Wir haben auch eine Reihe sonstiger Arbeiten vergeben. Die Kürzungen müssen also dort vorgenommen werden, wo wir Aufträge bisher noch nicht vergeben konnten.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1007
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1008 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Nun zu der Frage der Promillegrenze. Es hieße Wasser in den Rhein tragen, jetzt von dem Alkohol als einer Gefahr — besonders im Verkehr, aber auch sonst — zu sprechen. Sie kennen alle die großen Bedenken, 'die hinsichtlich des Einflusses bestehen, den der Alkohol auf die Volksgesundheit ausübt. Sie wissen auch, in welchem Maße 'das heimliche Trinken — wie man es früher nannte — schädigend auf die Volksgesundheit wirkt. Davon will ich hier jetzt nicht sprechen.Ich habe seinerzeit ein Gutachten des Bundesgesundheitsamtes angefordert. Das Bundesgesundheitsamt sollte feststellen, bei welchem Wert des Alkohols im Blut eine absolute Fahruntüchtigkeit für alle Menschen gegeben ist; d. h. also, bei welchem absoluten Wert eine Fahrtüchtigkeit unter keinen Umständen mehr besteht. Ferner sollte in diesem Gutachten der 'Grenzwert festgestellt werden, bei dem bei einer überwiegenden Mehrzahl von Menschen 'Fahruntüchtigkeit angenommen werden muß. Das Gutachten wird von einer Reihe von Professoren erstellt werden; dabei werden natürlich die wissenschaftlichen Methoden der Untersuchung genau geprüft werden. Das Gutachten liegt bisher noch nicht vor. Auch das erste Teilgutachten ist noch immer nicht eingereicht worden. Es sollte Aussagen über den soeben erwähnten Grenzwert bringen. Ich will gerne darauf noch warten und die Sache erst dann endgültig zu einer Entscheidung vorlegen, wenn wir auch über den absoluten Wert Bescheid wissen. Ich für mein Teil kann Ihnen nicht sagen, wann dieser Wert erreicht ist; aber ich weiß, daß er bei den einzelnen Menschen verschieden erreicht wird, und daß die Gefahr eben dann sehr groß ist. Es ist jetzt in München ein Fall gewesen, wo ein junges Mädchen, das mit ihrem Begleiter in einer Wirtschaft gesessen hat, nachts zurückgefahren ist und beim Fahren über den Sendlinger Torplatz einen Fußgänger überfahren und tödlich verletzt hat. Das Interessante war, daß das Mädchen und ihr Begleiter bei der polizeilichen Vernehmung aussagten, die Ampel habe auf Grün gestanden, und der Fußgänger hätte deshalb die Straßenkreuzung nicht überschreiten dürfen; in Wirklichkeit war die Ampel aber seit 10 Uhr abends albgeschaltet, und der Unfall ereignete sich nachts um 1/21 Uhr. Wenn da vielleicht einer sagt, dieses 'Mädchen oder der Begleiter — sie hatten, wie sie sagten, kaum etwas getrunken — seien noch fahrtüchtig gewesen, dann kann ich es nicht ändern. Hier scheint mir denn doch die Sache wirklich so zu sein, daß man diese Probleme nicht nach irgendeiner propagandistisch-politischen Seite ausspielen durfte; und vor allem, meine sehr verehrten Damen und Herren: halten wir uns in solchen Fällen bitte nicht an das, was eben auch die großen Automobilclubs mit Rücksicht auf ihre Mitglieder und ihre Mitgliedsbeiträge der Öffentlichkeit laufend unterbreiten müssen, sondern arbeiten wir danach, was wir nach unserem Gewissen für notwendig halten.Zum Schluß darf ich noch ein Wort über das Klima im Verkehr sagen. Herr Kollege Müller-Hermann, Sie wissen genauso gut wie ich, daß wir im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn, im Verwaltungsrat 'der Bundesanstalt für Güterfernverkehr Herren dieses Hauses begrüßen.
— Verzeihung — wir haben im Verwaltungsrat der Bundesbahn von jeder Fraktion ein Mitglied, nämlich 'die Herren Rademacher, Günther und Seibert; vielleicht habe ich sogar noch einen vergessen, und wir haben noch einen mehr. Aber jede Fraktion ist im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn durch
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1009
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmein Mitglied unseres Verkehrsausschusses vertreten; und es wäre ja verhältnismäßig einfach, wenn die Herren, die — wenn auch aus anderen Gründen — dem Verwaltungsrat angehören, in ihren Fraktionen jeweils gebeten würden, Über die Angelegenheiten der Bundesbahn zu berichten, um ein besseres Verhältnis zwischen diesem Hohen Hause und der Bundesbahn herbeizuführen. Ich würde es sehr dankbar begrüßen.Darüber hinaus möchte ich aber bemerken, daß die Frage des Klimas innerhalb ides Verkehrssektors tatsächlich nur durch den Wettbewerb, den Preiswettbewerb .beeinträchtigt ist. In einer geordneten gemeinsamen Zusammenarbeit ist die Geschichte mit dem Klima nicht so schlimm, da kann man sich schon vertragen. Wenn aber die Dinge so hart auf hart gehen und wenn die Preise so knapp sind, wird die Sache mit dem Klima sehr schwierig. Man sollte nicht meinen, daß man bei dem Anstreben einer möglichst für die verladende Wirtschaft guten Verteilung des Ladeaufkommens auf die Verkehrsträger durch scharfen Preiswettbewerb erwarten kann, daß zwischen den Verkehrsträgern ein besonders gutes Klima herrscht. Das soll nicht heißen, daß ich nicht schon wiederholt öffentlich idem größten Verkehrsträger dringend nahegelegt habe, als der größte und als der älteste der Brüder für ein solches gutes Klima besonders Sorge zu tragen und mehr, als es bisher geschehen ist. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich bei diesem ,Bemühen unterstützen würden.
Damit ist die allgemeine Aussprache zum Einzelplan 12 geschlossen. Wir kommen nun zur Behandlung der vorliegenden Anträge. Es sind zwei Anträge, 'auf Umdruck 54 zu Kap. 1202 und auf Umdruck 53 zu Kap. 1215. Werden die Anträge begründet? — Das Wort zur Begründung des Antrags 54 hat ,der Abgeordnete Seibert.
Der Deutsche Bundestag hatte am 12. Februar 1958 die Einsetzung einer unabhängigen Prüfungskommission für die Bundesbahn gefordert. Der Bericht dieser Prüfungskommission wurde dem Hohen Hause am 10. Februar 1960 vorgelegt. Der Bericht schlägt vor, die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn zu bereinigen. Ein gleicher Vorschlag wurde bereits im Jahre 1957 durch die europäische Verkehrsministerkonferenz unter dem Stichwort „Normalisierung der Konten" allen europäischen Parlamenten vorgelegt. Andere europäische Staaten sind diesem Vorschlag 'bereits weitgehend gefolgt. So hatten beispielsweise Belgien 74% und Frankreich 71% der betriebsfremden Lasten einschließlich der Wegekosten übernommen, die Bundesrepublik demgegenüber — nach dem Stand von 1959 — nur 16 %. Es ist daher zu begrüßen, daß die Bundesregierung endlich in ihrem Entwurf zum Bundeshaushalt 1962 einen ersten entscheidenden Schritt in dieser Richtung vollzogen und daß sich .der Herr Bundesminister der Finanzenin seiner Haushaltsrede am 13. März zu diesen Maßnahmen bekannt hat.
Mit Bedauern mußten wir hingegen verzeichnen, daß die Mehrheit ides Haushaltsausschusses am 28. Februar eine Kürzung des Ansatzes im Regierungsentwurf um 280 Millionen DM beantragt hat. Dabei muß festgestellt werden, daß der vorgeschlagene Kürzungsbetrag von 280 Millionen DM nicht, wie allgemein vom Herrn Bundesminister der Finanzen empfohlen, 12 %, sondern 24% ausmacht. Eine 12%ige Kürzung hätte einen Betrag von 140 Millionen DM ergeben.Diese Kürzung ist .ein Rückschritt auf dem Weg der -finanziellen Neuordnung zwischen Bund und Bundesbahn und bedeutet praktisch die Aufrechterhaltung der seit Jahren bestehenden Diskriminierung der Deutschen 'Bundesbahn gegenüber den Bahnen anderer europäischer Staaten.Die Deutsche Bundesbahn schloß in den Nachkriegsjahren — mit Ausnahme des Jahres 1951 — mit einem finanziellen Defizit, und zwar, wie man hinzufügen muß, mit einem künstlichen, mit einem unechten Defizit ab. Das ist vor allem auf folgende Gründe zurückzuführen. Die heute großenteils behobenen Kriegsschäden der Deutschen Bundesbahn mußten von ihr aus eigener Kraft beseitigt werden. Demgegenüber erhielten z. B. die Bahnen in Belgien 1,6 Milliarden, in Frankreich 3,8 Milliarden, in Italien 3 Milliarden D-Mark. Die Deutsche Bundesbahn erhielt keine Unterstützung. Stattdessen wurde ein Jahrzehnt lang Gutachten auf Gutachten über die Bundesbahn erstellt. Das letzte Gutachten ist das 1958 von diesem Hause in Auftrag gegebene sogenannte Brand-Gutachten. Leider wurden bis zu dem Haushaltsvoranschlag 1962 aus den wertvollen Anregungen dieser Gutachten .keine entscheidenden Konsequenzen gezogen. Der überwiegende Teil der Bahninvestitionen für die Beseitigung der Kriegsschäden und des in den Kriegsjahren entstandenen Nachholbedarfs mußte mit Fremdmitteln finanziert werden.Lassen Sie mich neben dieser Feststellung drei sehr aufschlußreiche Zahlen nennen. Im Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn von 1961 ist die Summe von 8 Milliarden DM Kreditverbindlichkeit ausgewiesen. Dafür müssen im Jahr 1962 allein 850 Millionen DM Zinsen und Tilgungsraten aus der laufenden Betriebsabrechnung entrichtet werden. Diese 850 Millionen DM machen rund 11 % der laufenden Einnahmen der Deutschen Bundesbahn aus. Kein Betrieb der übrigen Wirtschaft kennt derartige Belastungen, um so weniger, als es den übrigen Betrieben der Wirtschaft ermöglicht wurde, in reichem Umfang von der weit kostengünstigeren Selbstfinanzierung bzw. Eigenfinanzierung Gebrauch zu machen. Allein bei einer derartigen, der Bundesbahn von ihrem Eigentümer selbst auferlegten Finanzierungspolitik mußte zwangsläufig ein sogenanntes Defizit auftreten.Der zweite entscheidende Punkt betrifft die hohen Versorgungslasten der Deutschen Bundesbahn. Selbst nach Abnahme der politischen Pensionsver-
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1010 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Seibertpflichtungen der Bundesbahn durch den Bund dm Jahre 1957 betragen die Versorgungslasten der Deutschen Bundesbahn heute noch 56% der an das aktive Personal gezahlten Gehälter. Diese weit überhöhte Belastung ist darauf zurückzuführen, daß sich die Personalvermehrung bei der Deutschen Bundesbahn bzw. früher Reichsbahn während des Krieges jetzt mehr und mehr in den Versorgungslasten der Deutschen Bundesbahn auszuwirken beginnt. Den übrigen Bereichen der Wirtschaft sind derartige Versorgungslasten fremd. Während bei der Deutschen Bundesbahn die Versorgungslasten 56 % der Gehälter der aktiven Beamten ausmachen, hat die Wirtschaft durchschnittlich nur mit 'einer 22%igen Belastung zu rechnen. Das Scheindefizit der Deutschen Bundesbahn muß auch damit zwangsläufig größer werden. Andere Länder innerhalb der EWG haben ihren Bahnen die Pensionslasten abgenommen. Die oft herausgestellte Wirtschaftlichkeit der niederländischen Bahn z. B. beruht letzten Endes mit darauf, daß ihr die Pensionsverpflichtungen vom niederländischen Staat abgenommen wurden.Ein letzter Punkt betrifft die Tarifauflagen der Deutschen Bundesbahn. Dem Brand-Gutachten, das allen Kollegien dieses Hauses vorliegt, ist zu entnehmen, daß allein beim Berufs- und Schülerverkehr ein Defizit von jährlich über 600 Millionen DM entsteht. Auch früher war der Berufs- und Schülerverkehr unwirtschaftlich, jedoch konnte über die damaligen Einnahmen im Güterverkehr ein innerbetrieblicher Ausgleich gefunden werden. Bei der heutigen, stark geänderten Verkehrslage ist dies hingegen 1) nicht mehr möglich. Deshalb ist es notwendig, der Deutschen Bundesbahn für diese Auflagen im Berufsverkehr gemäß § '28 des Bundesbahngesetzes den Verlust zu erstatten.Aus diesen drei Punkten, die die größten Belastungen darstellen, die der Deutschen Bundesbahn auferlegt sind — Fremdfinanzierung, Versorgungszahlung und Berufsverkehrsleistungen — einerseits und der fehlenden Erstattung durch den Bund andererseits ergeben sich zwangsläufig die Verlustabschlüsse der Bundesbahn.Dieses nicht auf betrieblichen Entscheidungen der Deutschen Bundesbahn beruhende Defizit — man muß dies mit Nachdruck betonen — 'kann nur dadurch 'beseitigt werden, daß der Bund als Eigentümer der Deutschen Bundesbahn die finanziellen Beziehungen zur Deutschen Bundesbahn auf eine neue Basis stellt, d. h. erstens die notwendige Kapitalaufstockung vornimmt, zweitens die überhöhten Versorgungslasten abdeckt und drittens entsprechende Ausgleichszahlungen für die tariflichen Auflagen leistet. Die Diskussion über diese entscheidenden und allein wirksamen Maßnahmen darf auch nicht abgetan werden mit dem Hinweis, die Deutsche Bundesbahn solle sich selbst durch innerbetriebliche Maßnahmen helfen — eine Meinung, die auch vorhin wieder 'zum Ausdruck gebracht wurde. Meine Damen und Herren, die Deutsche 'Bundesbahn hat seit eh und je rationalisiert. Dies verlangt schon allein 'der technische Fortschritt. Allein in den letzten vier Jahren der Rationalisierung wurde das Eisenbahnpersonal um 52 000 Beschäftigte verringert, obgleich in dieser Zeit die Verkehrsleistungengestiegen sind und allgemein die Arbeitszeit sowie die höchst zulässige Dienstzeit bei der Bahn 'herabgesetzt werden konnten. Letztere beträgt aber immer noch 56 Stunden wöchentlich. Weitere innerbetriebliche Rationalisierungen ohne Kapitalzufuhr sind bei der Deutschen Bundesbahn nicht möglich. Das Eisenbahnpersonal kann nicht noch mehr belastet werden. Es muß mit einem gerechten Teil an dem Rationalisierungsergebnis beteiligt sein. Auch die da und dort wiederholt, sicher unüberlegt gestellte Forderung, die Deutsche Bundesbahn solle sich gesundschrumpfen, ist kein geeigneter Weg. Er führt zu Schließungen von Nebenstrecken und sonstigen Bahnanlagen zum Nachteil der Bevölkerung und 'der Wirtschaft. Die 'finanziellen Einsparungen sind dabei unibedeutend und stehen in gar keinem Verhältnis zu den Nachteilen, die dadurch 'den betroffenen Gebieten entstehen. Daß dieser Weg absolut falsch ist, haben auch besonders in letzter Zeit die wiederholten Anfragen verschiedener Kollegen aus lallen Fraktionen, aus den verschiedenen Gebieten 'unserer Bundesrepublik an den Herrn Bundesverkehrsminister eindeutig gezeigt.Meine Damen und Herren, die 'Bundesregierung hat 'endlich in Anlehnung an 'die Empfehlung der europäischen Verkehrsministerkonferenz sowie an das Brand-Gutachten versucht, die finanzielle Beziehung zischen Bund und Bundesbahn zu bereinigen. Das allein ist der Weg, der zu geordneten finanziellen Verhältnissen der Deutschen Bundesbahn führt 'und zugleich den Erfordernissen einer .europäischen Verkehrspolitik im Sinne des Europäischen Wirtschaftsvertrages Rechnung trägt.Der Haushaltsausschuß hat sich trotz dieser Erkenntnis, nur auf Grund fiskalischer Überlegungen dafür entschieden, eine 24%ige Kürzung vorzuschlagen. Wer aber glaubt, mit dieser Kürzung Mittel für den 'Bundeshaushalt einzusparen, unterliegt einem Trugschluß.
Er übersieht, daß die gleichen Beträge am Ende des Haushaltsjahres nur unter einer anderen Bezeichnung auf den Bund 'zukommen, und der Bund kann sich seinen Verpflichtungen als Eigentümer der Bundesbahn dann nicht entziehen.
— Herr Stoltenberg, so ist es, wie ich sage, da beißt keine Maus einen Faden ab. Die SPD-Fraktion ist mit dem Kürzungsvorschlag des Haushaltsausschusses nicht einverstanden. Ich weiß auch, Herr Stoltenberg, daß eine Anzahl von Kollegen aus der Koalition mit dieser Kürzung nicht einverstanden sind. So hat mir zum Beispiel der Herr 'Kollege Rademacher von der Freien Demokratischen Partei noch vor einigen Tagen erklärt 'und mich ermächtigt, hier für ihn zu erklären, daß er den Antrag der Sozialdemokratischen Partei unterstützt.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1011
Seibert — Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, daß Herr Rademacher heute nicht hier sein kann, wissen Sie genauso gut wie ich, und auch, warum er nicht da sein kann.Ich komme zum Schluß. — Ja, bitte, Herr Eisenmann.
Ich wollte nur klarstellen, Herr Kollege Seibert, daß Herr Kollege Rademacher heute nicht anwesend ist, da er an einer in Hamburg stattfindenden Verkehrstagung teilnehmen muß.
Vielen Dank für diese Definition. Ich hatte ja gesagt, daß er leider nicht hier sein kann und ,daß er mich deshalb ermächtigt hat, für ihn hier diese Erklärung abzugeben.
Mir geht es nur darum, die 'Stimmung der Kollegen hier zu demonstrieren. Ich weiß nämlich, daß sehr viele so denken, wie ich es gesagt habe. Ich weiß aber auch, daß sehr viele nicht so stimmen können, wie sie denken.
Die SPD-Fraktion hat einen Antrag eingebracht mit dem Ziel, den vom Haushaltsausschuß gekürzten Zuschuß für die kriegsbedingten überhöhten Versorgungslasten wieder auf den im Haushaltsentwurf stehenden Betrag zu bringen. Dieser Antrag sollte allgemein unterstützt werden. Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Seibert hat ,am Schluß seiner Ausführungen gemeint, daß viele Mitglieder des Hauses nicht so stimmen würden, wie sie denken. Ich befürchte, er hat recht. Es wirft sich in diesem Zusammenhang, meine Herren von der CDU, wirklich ein sehr ernstes Problem 'auf. Das Problem lautet: Ist dieses Parlament fähig, sich von Argumenten überzeugen zu lassen? Ich habe den Eindruck, daß Sie nicht in der Lage sind, 'die Entwicklung, die Sie durch Ihre Fraktionsbeschlüsse angebahnt haben, irgendwie nach den Gründen ,der Vernunft zu ändern. Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie in der Lage sind, Argumente und Tatsachen so zu würdigen, daß Sie von dem einmal gefaßten Fraktionsbeschluß abgehen könnten und abzugehen bereit wären. Das ist bei einer Haushaltsberatung eine sehr ernste Sache. Ich habe keine Hoffnung, Sie zu überzeugen.
— Ich bitte Sie, mir zu glauben, daß ich nicht vor-
schlagen werde, Geld zu bewilligen, ohne Ihnen
auch den Ausgleich oder, wenn Sie wollen, die Deckung dafür zu zeigen.
Zunächst eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Müller-Hermann. Er sagte: Die Bundesbahn soll ihren Aufwand selbst erwirtschaften und verdienen. Einverstanden. Er sagte weiter, sie soll von betniebsfremden politischen Lasten freigestellt werden. Einverstanden. Nur, Herr Kollege Müller-Hermann, die Konsequenz scheint auch in Ihren Überlegungen in diesem Jahre offensichtlich nicht gezogen zu werden; sonst hätten Sie hier schon erklären müssen, daß Sie bereit sind, der Bundesbahn zu geben, was ihr auf Grund eines mehrfach gefaßten Kabinettsbeschlusses gehört, nämlich eine Entlastung dm Bereich der 555 Millionen DM, von denen 280 Millionen DM der Bundesbahn erneut angelastet worden sind. Ich habe als Berichterstatter heute morgen bereits auf den Charakter dieser Dinge hingewiesen.
Herr Kollege Ritzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Kollege Ritzel, sind Sie mit mir nicht auch der Meinung, daß die Trennung der Verantwortlichkeiten, die Sie hier soeben aufgezeigt haben, einfach nicht in einem Jahr realisiert werden kann?
Ich werde Ihnen nachher zeigen, daß die Hohe Bundesregierung im Jahre 1957 einen Kabinettsbeschluß gefaßt hat, der nicht von heute, sondern von 1957 ausging und der endlich einmal eine entsprechende Entlastung der Deutschen Bundesbahn von betriebsfremden Lasten einleitete. Sie haben ein großes Mitverdienst auf diesem Gebiete. Nur unterbrechen Sie jetzt den Gang und überlassen uns, der Opposition, der Minderheit, die Verfechtung von Überlegungen, die Ihre eigene Regierung seit mehreren, nämlich seit vier Jahren hatte. Aber Sie sind nicht bereit — ich befürchte, daß das Endergebnis so sein wird —, die Konsequenzen aus den Möglichkeiten zu ziehen, die eine solche Maßnahme zum Nachteil der Deutschen Bundesbahn vermeiden ließen.Als wir in der Sitzung des Haushaltsausschusses über die Frage berieten, wie denn die Bundesbahn diesen Ausfall von 280 Millionen DM entgegen dem Haushalt des Regierungsentwurfs verdauen soll, hat ein geschätztes Mitglied des Haushaltsausschusses —sein Vertreter der CDU — gesagt: Dann soll man weniger investieren. Nicht wahr, Herr Kollege Conring? Sie übersehen dabei — und hier beziehe ich mich nun auf den Herrn Bundesverkehrsminister —, daß es sich um zwei völlig verschiedene Arten von Stiefeln handelt. Investitionen, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Wirtschaftlichkeitsrechnung der Bundesbahn gehören in die Kapitalrechnung; das hat der Herr Bundesverkehrsminister vorhin klipp- und klargestellt. Aber
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1012 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
RitzelAufwendungen, die der Bundesbahn nunmehr neu aufgelastet werden, gehören zu den laufenden Aufwendungen und haben mit den Investitionen nichts zu tun. Wenn Sie glauben, daß es möglich sei, eine Deckung im Rahmen der Bundesbahnwirtschaft zu Lasten von Investitionen zu linden, dann werden Sie sich von Sachverständigen darüber belehren lassen müssen, daß das ein Trugschluß ist, daß diese Möglichkeit nur dazu führen kann, daß entsprechende Minderbegebungen auf dem Anleihemarkt zugunsten der Finanzierung von Investitionen eintreten.
Herr Abgeordneter Ritzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stoltenberg?
Bitte sehr, Herr Kollege.
Wie verträgt sich, Herr Kollege Ritzel, diese Darstellung der Rechtslage, die wir auch schon von der Bundesbahn kennen, mit der Tatsache, daß kurz nach Beschluß des Haushaltsausschusses Investitionsaufträge für einige hundert Millionen Mark gestoppt worden sind?
Das ist ganz klar: weil die Bundesbahn in dem Augenblick noch gar nicht wußte, wie die neue Anleihe aufkommen würde.
Sie ist zum Glück wesentlich überzeichnet worden. Die Bundesbahn hat recht, wenn sie sich im Rahmen des Möglichen nach verschiedenen Seiten hin den Rücken 'deckt. Herr Kollege Stoltenberg, die Rechnung zahlt aber die deutsche Volkswirtschaft und insbesondere die deutsche Stahlindustrie, die nicht zuletzt durch derartige Dinge veranlaßt worden ist, nach Leipzig zu gehen, um sich in der Sowjetzone Aufträge zu holen.
Wenn aber der Standpunkt vertreten werden sollte, man solle weniger investieren, dann darf ich Sie an die geschichtlichen Tatsachen erinnern. Beschäftigen Sie sich doch einmal mit dem Brand-Gutachten und stellen Sie einmal fest, daß beispielsweise im Jahre 1959 die 'Bundesrepublik nur 11,2 % aller Strecken elektrifiziert hatte, Frankreich dagegen 16,7 %, Belgien 18,8 %, Luxemburg 22,4%, Italien 44 %, die Niederlande 50 %, von der Schweiz ganz zu schweigen! Inzwischen hat sich die Elektrifizierung der Deutschen Bundesbahn der Situation in Belgien und in Frankreich in etwa angenähert. Aber noch immer bleibt sehr viel zu tun übrig.Meine Damen und Herren, es muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß schon die auf dem Kabinettsbeschluß vom 30. Januar 1957 beruhendeZuweisung aus dem Verkehrshaushalt an die Bundesbahn eine Art von Falschbuchung gewesen ist —nicht von Fälschung, sondern von falscher Buchungweil die Dinge, die hieraus bezahlt werden,überhaupt nicht in den Haushalt der Bundesbahngehören. Das ,sind für sie betriebsfremde Lasten, diean sich im entsprechenden Haushalt der Bundesrepublik Deutschland zu erscheinen haben. Darüber werden wir uns in der nächsten Zeit noch näher unterhalten müssen.Nun hat mein Kollege Seibert bei der Begründung des Änderungsantrags Umdruck 54 den Vorschlag gemacht, der Bundesbahn hier entsprechend entgegenzukommen. Wir haben folgenden Ausgleich vorgeschlagen. Wir haben vorgeschlagen, in Kap. 60 02 Tit. 999 einen entsprechenden Betrag einzusetzen. Meine Damen und Herren, vielleicht bedeutet es für Ihre Entscheidung eine nicht unwesentliche Erleichterung, wenn ich Ihnen sage, wie meine Fraktion sich diesen Vorgang vorstellt. Ich greife damit schon auf 'den Änderungsantrag Umdruck 62 voraus, der an sich erst bei dem Einzelplan 60 aufzurufen ist; aber es erscheint mir zweckmäßig, darauf jetzt schon hinzuweisen. Wir wollen also bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer eine Mehreinnahme im Betrage von 168 Millionen DM verzeichnet wissen.Ich möchte das kurz begründen. Nach dem Ansatz im Einzelplan 60 bzw. im Finanzplan 1962, Seiten 48/49, errechnet sich das Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer für den Bund wie folgt: 1. Soll-Aufkommen an Lohnsteuer 12 Milliarden, 2. Soll-Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer 12,7 Milliarden, 3. Soll-Aufkommen an Körperschaftsteuer 8,4 Milliarden, 4. Soll-Aufkommen an Kapitalertragsteuer 1,07 Milliarden. Das Soll-Gesamtaufkommen beträgt also nach den Ansätzen im Bundeshaushalt 34,17 Milliarden. Demgegenüber 'beträgt das Gesamtaufkommen der eben genannten Steuern in sämtlichen Länderhaushalten zusammen 35 Milliarden. Das Soll-Aufkommen der Länder übersteigt das Soll-Aufkommen des Bundes demnach um 830 Millionen. Der Anteil des Bundes hieran beträgt laut Schätzung der Länder 35 % gleich 291 Millionen.In der Sitzung des Finanzausschusses des Bundestages am 22. März erklärte sich der Bundesfinanzminister bereit, folgende Höherschätzungen vorzunehmen: Soll Lohnsteuer für 1962 250 Millionen DM, Soll veranlagte Einkommensteuer 100 Millionen DM, zusammen 350 Millionen DM. Davon ein Bundesanteil von 35 %, macht 123 Millionen DM aus, die auch inzwischen in den Einzelplan 60 eingestellt worden sind.Da der Finanzausschuß des Bundestages bei seiner Schätzung des Aufkommens an Einkommen- und Körperschaftsteuer geblieben ist, ergibt sich jetzt nach dieser Bundesratsschätzung also ein Mehraufkommen von 291 Millionen DM, abzüglich der bereits eingesetzten 123 Millionen DM somit ein Betrag von 168 Millionen DM, der nicht in Einzelplan 60 erwartet wird. Das ist eine kaum wegzuradierende Tatsache. Der Finanzausschuß hat eine Höherschätzung von 291 Millionen DM vorgenommen, deren Einzelbeträge aber zum Teil aus anderen Quellen kommen, einmal, wie schon erwähnt, 250 Millionen DM aus der Lohnsteuer, dann 100 Millionen DM aus der veranlagten Einkommensteuer. Davon ein Anteil von 35% für den Bund, macht 123 Millionen DM. Dann werden folgende Beträge hinzugesetzt: 10 Millionen DM aus der Umsatz-
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Ritzelausgleichsteuer, 100 Millionen DM aus den Zöllen, 60 Millionen DM aus der Tabaksteuer. Das ergab eine Summe von 293 Millionen DM. In typisch deutscher Gründlichkeit hat man dann eine Einnahmemöglichkeit von 2 Millionen DM, die in dieser Rechnung noch enthalten war, gestrichen, damit man auch auf den vom Bundesrat errechneten Betrag von 291 Millionen DM kam, nur auf einem etwas anderen Wege. Man behält also noch eine Reserve von 168 Millionen DM für das Rechnungsjahr 1962 frei.Vorhin ist schon darauf hingewiesen worden, daß diese Dinge auch mit dem Antrag zusammenhängen, den die Regierungsparteien auf Umdruck 70 eingebracht haben. Ich darf — der Herr Bundesverkehrsminister hat schon davon gesprochen — auf den Text hinweisen:Die Mittel für die Fortführung begonnener und für neue Baumaßnahmen des Bundes sowie die Ausgabenansätze zur Förderung von Baumaßnahmen anderer Stellen sind in Höhe von 20 vom Hundert des Jahresansatzes gesperrt, .. .Wir können im Augenblick nicht sagen, was das bei der Bundesbahn ausmacht, welche Auswirkungen sich auf die deutsche Volkswirtschaft aus diesem sehr raschen, wenn auch nach Überwindung mancher Schwierigkeiten und Beiseitelegung vieler anderer Entwürfe entstandenen Antrag der Regierungsparteien ergeben werden.Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen undHerren: zuerst haben wir in heißem Bemühen im Haushaltsausschuß an Stelle der ursprünglich vorgesehenen Generalkürzung um 12 % Einzelausgleichungen in dem Ihnen bekannten Ausmaß vorgenommen, um den Etat auszugleichen. Nun kommt dieser Antrag und nimmt keine Rücksicht auf die Bundesbahn, auf den Straßenbau, will 20 % kürzen, um der Überhitzung zu begegnen. Vorhin hat der Herr Bundesverkehrsminister glaubwürdig nachgewiesen, was uns bei meiner Fraktion seit geraumer Zeit bekannt ist, was Ihnen ebenso bekannt sein dürfte, daß es im Bereich des Straßenbaus überhaupt keine Überhitzung gibt.Meine Damen und Herren, wenn Sie nunmehr diesen Antrag auf Umdruck 70 ohne Rücksicht auf die Konsequenzen im Straßenbau ebenfalls zum Gegenstand eines Mehrheitsbeschlusses in diesem Hohen Hause machen, dann übernehmen Sie eine Verantwortung, um die Sie niemand beneiden wird. Nicht nur, daß Sie das Wort der Bundesregierung vom Herbst vorigen Jahres bei Abgabe der Regierungserklärung nicht beachten, Sie schädigen den deutschen Straßenbau. Ein kluger Mann hat einmal gesagt, daß schlechte oder überhaupt keine Straßen die teuersten Straßen seien, die es gebe. Ich habe heute morgen eine Notiz in einer sehr bekannten Zeitung gefunden, die ich doch Ihrer Aufmerksamkeit empfehlen möchte. Es ist die heutige Nummer der „Welt", in der von einem „Fehlstart" gesprochen wird:Es wäre zu schön gewesen. Der dritte Bundestag hatte den Anlauf genommen und sich, jenäher sein Ende war, um so verkehrsfreundlicher gezeigt. Während der Wahlmonate dann hörte man selbstredend alle Kandidaten bekennen, es sei süß und ehrenvoll, sein Leben der Verbesserung des Straßenbaus zu weihen. Und nun haben wir den 'Salat: Kaum sind ,die Volksvertreter in Amt und Würden, schon hat man den Verkehrsetat um runde 750 Millionen gekürzt. Eine verkehrspolitische Rekordleistung!Die Sperre eines Fünftels 'der Straßenbaumittel des Bundes hat schon Ausschreibungsstopps und Auftragsstornierungen nach sich gezogen, sogar bei Autobahnstrecken. Nebenher ist zu befürchten, daß auf diese Weise die Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens für den Straßenbau durchlöchert wird. Ganz zu schweigen von dem nicht minder traurigen Kapitel, daß die Bundesbahn 280 Millionen nachweint.Noch im vorigen Bundestag waren Regierung und Abgeordnete 'darin einig, die nicht gebauten Straßen seien die teuersten; Bund, Länder wie Gemeinden müßten endlich aile finanzielle Kraft zusammennehmen, das Straßennetz dem Verkehr anzupassen. Freilich, Vater Staat muß sparen. Aber sparen bedeutet nicht einfach streichen, dort, wo vielleicht der geringste Widerstand zu erwarten ist, ganz bestimmt aber die späte Einsicht, daß die falsche Sparsamkeit teuer zu stehen kommt. Die Öffentlichkeit, Wahlparolen noch im Ohr, hätte so gern erlebt, wenn das Parlament für den Verkehr auf die Barrikaden gestiegen wäre.Gibt es doch vernünftige wirtschaftliche Gründe, daß 400 Kilometer Bundesstraße geopfert werden sollen, die man noch in diesem Jahr bauen wollte? Bei mangelnder Kapazität der Straßenbauer können sie nicht liegen, ebenso wenig bei ihrer Preisdisziplin. Da die Verteuerung der Automobile die Straßen auch nicht leerer machen wird, sucht man den Sinn 'des Beschlusses wohl vergeblich. Denn mit dem „überhitzten" Hochbau hat der Straßenbau nur eins gemeinsam: die letzten drei Buchstaben.Meine Damen und Herren, ich 'komme damit zum Schluß.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage 'des Herrn Abgeordneten Dr. Dresbach?
Bitte, Herr Kollege Dresbach!
Herr Kollege Ritzel, haben Sie soeben eine Verlautbarung der Deutschen Straßenliga vorgelesen?
Nein. Ich bedaure, daß Sie es nicht gehört haben. Es war eine Mitteilung der „Welt" in der Nummer von heute, dem 10. April, unter der Überschrift „Fehlstart", Herr Kollege Dresbach. Aber sei dem, wie ihm wolle, Sie übernehmen mit einem auf den Straßenbau ausgedehnten Antrag, 20 % nicht auszugeben, sondern sie zu blockieren, eine Verantwortung, die — ich wiederhole es — das deutsche
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RitzelVolk, den deutschen Verkehr und alle Verantwortlichen teuer 71.1 stehen kommen wird. Wir stehen in diesem Jahre am Ende des ersten Vierjahresplans für den Straßenbau. Es sind nur 33/4 Jahre, ich habe die Zahlen hier; die Zeit erlaubt es leider nicht, Ihnen nachzuweisen, was aus dem ersten Vierjahresplan noch auszuführen wäre und was nun — Sie haben die Erklärungen des Herrn Bundesverkehrsministers gehört — nicht ausgeführt werden wird. Mindestens 360 Millionen DM aus den Mitteln für den Straßenbau werden gesperrt, blockiert, torpediert.Mein Wunsch ist, daß Sie doch lieber noch eine Fraktionssitzung abhalten sollten, um sich zu überlegen, ob ,Sie bei dem urspünglich gefaßten Beschluß, alle Anträge der Opposition kurzerhand niederzuwalzen, wirklich aus guten Gründen und mit gutem Gewissen verbleiben können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein verehrter Herr Vorredner feiert heute seinen Geburtstag.
Er hat sich eben so strapaziert, daß es mir angesichts dieses Tages für ihn besonders leid tut; denn er hat durch die Emphase, mit der er hier Dinge hochspielte, die gar nicht hochgespielt zu werden brauchen, seiner eigenen Gesundheit einen schlechten Dienst erwiesen. Er ist vor allen Dingen auch in einer Art und Weise mit Dingen ins Zeug gegangen, die erstens in keinem direkten Zusammenhang mit der Sache stehen und die zweitens in aller Ruhe und mit aller Sachlichkeit behandelt werden sollten.Verehrter Herr Kollege, ich habe vor mir den Umdruck 70 liegen, in dem steht, daß die Mittel für die Fortführung begonnener Baumaßnahmen gesperrt werden sollen. Herr Kollege Ritzel, wieviel Titel sperren wir im Laufe eines Jahres?
— Ich kann ihn auch bis zu Ende lesen; nur möchte ich das Hohe Haus, nachdem ihm so lange Vorlesungen zugemutet worden sind, nicht noch mit weiteren Vorlesungen behelligen.
Außerdem steht darin:Der Bundesminister der Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft Befreiungen von dieser Sperre zulassen.
— Wer das lesen kann, Herr Kollege Schäfer, weiß,was das zu bedeuten hat. Es heißt mit anderenWorten, es ist eine Kannvorschrift, und es ist imGrunde genommen dem Ermessen der Bundesregierung anheimgestellt, hier so zu verfahren, wie vernünftigerweise wirtschaftlich verfahren werden sollte. Und darum geht es! Es hat doch keinen Zweck, hier Dinge, die das gar nicht verdienen, unnütz aufzublasen und sie hochzuspielen!Überhaupt möchte ich hier einmal eines fragen: Hat es einen Sinn, die Deutsche Bundesbahn, die immerhin das größte Bundesvermögen darstellt und von der wir von der Regierungskoalition behaupten, daß sie uns genauso wertvoll ist und genauso am Herzen liegt wie Ihnen von der Opposition, zu einer Angelegenheit der Parteipolitik zu machen? Es hat doch keinen Sinn, derart zu argumentieren. Wir sind weder „bundesbahnfeindlich" noch sind wir auf der anderen Seite Bundesunternehmen gegenüber besonders „freundlich", sondern wir sind gehalten — und das gilt auch für Sie —, als Parlament so objektiv und sachlich wie möglich auch das Bundesvermögen zu betrachten. Das ist doch die einzig vernünftige Haltung.
Dabei möchte ich mich in aller Form dagegen verwahren, daß hier so getan wird, als stünden Mitglieder meiner Fraktion — ich kann hier wohl auch für die Koalition sprechen — unter einem Stimmzwang. Herr Kollege Ritzel, wir haben Ihnen in der Vergangenheit oft genug unter Beweis gestellt, wo der stärkere, sagen wir, wenn Sie schon so wollen, Überredungszwang angewandt wird, bei Ihnen oder bei uns. Wir möchten uns auch in jeder Beziehung gegen das andere Argument verwahrt haben. Wenn wir auf Grund sehr reiflicher Überlegungen und nach sehr ausführlichen Debatten im Haushaltsausschuß zu einem Beschluß gekommen sind, der von der Regierungsvorlage abweicht — wir sind uns dessen genau bewußt —, dann haben wir unsere guten Gründe dafür gehabt. Ich möchte hier einige davon vortragen, möchte das Hohe Haus allerdings nicht zu lange damit behelligen, nachdem diese Debatte meiner Ansicht nach schon über Gebühr gedauert hat.Sind es sogenannte „fiskalische Bedenken" allein, die dazu geführt haben? Ich verwahre mich auch dagegen, .daß fiskalisches Denken in diesem Hohen Hause schon zu einem Vergehen abgestempelt wird, wie es anscheinend der Fall ist. Dieses Hohe Haus hat die Verpflichtung, in einem sehr hohen Maße „fiskalisch" zu denken, nämlich staatspolitisch zu denken. Ich möchte sagen, fiskalisch ist hier in unserem vorliegenden Falle auch staatspolitisch.
— Nein, meiner Überzeugung nach ist das untrennbar miteinander verbunden, Herr Kollege Dr. Schäfer.
Welche Gründe waren es? Es ist Ihnen aus dem Gang ,der Verhandlungen bekanntgeworden, daß die finanzielle Manipuliermasse, die .das Haus überhaupt noch zur Verfügung hat, auf ein Minimum zusammengeschrumpft ist. Sie beträgt gegenwärtig
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Dr. Vogelnur noch rund 7 Milliarden DM. Überlegen Sie bitte, daß auf Grund unserer Kürzungen im Haushaltsausschuß, die Sie ja allgemein gebilligt 'haben und die Sie, Herr Kollege Ritzel, und andere sich als eine gemeinsames Verdienst an den Hut gesteckt haben,
diese Manipuliermasse sich jetzt schon um über eine Milliarde DM verringert hat. Nach dem Vorschlag der SPD würde sie sich in Zukunft noch weiter verringern. Wohin soll die Reise gehen? Das ist die Frage, die Sie sich stellen müssen. Ich sehe mit Kummer voraus, daß das Hohe Haus sich sein ureigenstes Recht, nämlich den Etat selber zu manipulieren, Jahr für Jahr einengt und daß Sie in wenigen Jahren an einer noch ganz anderen Marke stehen werden als in diesem Jahr.
Dafür ist gerade der Haushalt des Bundesverkehrsministeriums ein besonders markantes Beispiel. Wovon sind wir denn ausgegangen? Von einem Haushaltsjahr zum anderen ist der zweite Block der Pensions-Lasten der Bundesbahn von 175 auf 555 Millionen DM erhöht worden. Gleichzeitig ist in Aussicht genommen worden, daß wir uns in der Zukunft mit einem ziemlich gleichbleibenden Plafond von rund 30 % der Pensionsausgaben zu Lasten des Bundeshaushalts abfinden sollten. Man muß bedenken, daß der Prozentsatz der Verbeamtungen bei der Bundesbahn ständig wächst. Das geschieht aus wohlerwogenen Gründen; ich will das gar nicht kritisieren.
— Bitte, das kann ich Ihnen mit Prozentzahlen nachweisen. Der Prozentsatz der Beamtenstellen an der Beschäftigtenzahl ist in den letzten Jahren trotz der Abnahme der Beschäftigtenzahl weiter gestiegen; das ist gar nicht zu leugnen. Wenn das der Fall ist, dann bedeutet das, daß bei einem gleichbleibenden Plafond von 30 % die Pensionslasten weiter wachsen werden. Das heißt, das Hohe Haus verpflichtet sich, Jahr für Jahr höhere fixe Kosten auf sich zu nehmen. Über diesen Gang der Dinge müssen Sie sich völlig im klaren sein, wenn Sie dem Vorschlag der SPD folgen wollen.Die Ihnen auch zugängliche Aufstellung über die Finanzhilfen des Bundes für die Bundesbahn weist aus, daß der Bund bis zum Jahre 1961 — einschließlich des Jahres 1961 — nicht weniger als 8,3 Milliarden DM bis jetzt an die Bundesbahn geleistet hat. Selbst wenn Sie unserem Kürzungsvorschlag folgen, wird die Deutsche Bundesbahn immer noch mehr — selbst in diesem finanziellen Notjahr des Bundes! ich möchte es ein „Notjahr" ausdrücklich nennen —, nämlich immer noch 120 Millionen DM mehr behalten als in dem bezüglich seines Haushalt ohnedies schon sehr hohen Rekordjahr 1961.
— Plus die 500 Millionen Garantie für die Anleihender Bundesbahn! Man kann, weiß Gott, in einersolchen finanziellen Situation des Bundes nichtsagen, daß hier etwa die Bundesbahn schlecht weggekommen wäre, sondern sie ist, gemessen an der gesamten Situation des Bundes, gut weggekommen. Wenn sie nicht alles bekommen hat, was sie wünschte, was auch wir ihr gern gegeben hätten, dann kann man dabei nicht an der gesamten Lage der Bundesfinanzen vorbeisehen.
Herr Dr. Vogel, gestatten Sie ein Zwischenfrage des Abgeordneten Seibert?
Herr Dr. Vogel, Sie haben vorhin gesagt, daß die Zahl der Beamten sich von Jahr zu Jahr vergrößere. Wenn Sie den Haushaltsplan der Bundesbahn genau kennen und den Wirtschaftsplan, dann muß Ihnen auch bekannt sein, daß der Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn allein für dieses Jahr eine Kürzung der Beamtenplanstellen um 2400 Stellen vorsieht.
Das ist keine Widerlegung dessen, was ich gesagt habe. Ich habe die Statistik leider nicht hier. Ich bin aber gern bereit, sie Ihnen sofort zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie die Zahlen von 1951 mit denen von 1961 vergleichen, können Sie eine deutliche Steigerung des Prozentsatzes der Zahl der Beamten innerhalb der Beschäftigtenzahl bei der Bundesbahn feststellen, Ich bin jederzeit bereit, das nachzuweisen.
— Doch, das beweist eine ganze Menge. Es beweist nämlich den Trend, die Richtung, in die es geht.Ein zweites darf bei dieser Überlegung nicht außer acht bleiben. Hier sind in einer, ich glaube, übertriebenen Weise die wirtschaftlichen Folgen dargestellt worden, die eintreten würden, wenn das Hohe Haus unserem Vorschlag folgte. Nun, die Bundesbahn hat für das Jahr 1'962 eine Investitionsmasse von 2,7 Milliarden DM vorgesehen. Es wird niemand behaupten können, daß diese Einschränkung, die wir vornehmen, angesichts einer solchen Investitionsmasse zu solchen Folgen führen würde, wie sie der Herr Kollege Ritzel an die Wand gemalt hat. Wir wissen aber umgekehrt, daß die Taktik, die hier angewandt wird, ich möchte einmal sagen, höchst durchsichtig und, ich glaube, gegenüber diesem Hohen Hause sehr fragwürdig ist.
Es sind Kündigungen ausgesprochen worden, ehe das Hohe Haus entschieden hatte. Auf die bloße Ankündigung hin, daß leine solche Kürzung vorgesehen sei, sind Streichungen an Aufträgen vorgenommen worden, die noch gar nicht vergeben werden durften, da man noch gar nicht das Verfügungsrecht darüber hatte. Wir kennen diese Formen, Pressionen auf das Hohe Haus auszuüben, aus vielen anderen, leider sehr beklagenswerten Vorgängen.
Ich möchte Sie nicht allzu lange aufhalten. Ich fühlte mich verpflichtet, Ihnen die Gründe darzu-
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Dr. Vogellegen, aus denen wir nach reiflicher Überlegung Ihnen diesen Vorschlag unterbreitet haben. Daß bei einem Unternehmen von dieser Größe und bei solchen Zuwendungen es naturgemäß für den Haushaltsausschuß nahelag, hier auch eine Streichung vorzunehmen, war, glaube ich, nichts Außergewöhnliches.Aber wogegen wir uns verwahren möchten, ist, daß man auf der einen Seite den Haushaltsausschuß für die Streichungen, die er vorgenommen hat, lobt, auf der anderen Seite aber sich weigert, auch dann die nötigen Konsequenzen zu ziehen, wenn es einmal unbequem sein mag. Wir nehmen für uns in Anspruch, genauso gegenüber der Bundesbahn eine wohlwollende, wenn Sie wollen, entgegenkommende Haltung einzunehmen wie Sie. Die Art und Weise aber, wie man jetzt versucht, draußen daraus politisches Kapital zu schlagen, weisen wir auf das entschiedenste zurück.
Herr Dr. Bleiß!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zum Wort gemeldet, weil ich die Ausführungen von Herrn Vogel hier nicht unwidersprochen lassen möchte. Herr Kollege Vogel, uns geht es darum, für die Bundesbahn eine gesunde Grundlage zu schaffen. Es geht hier nicht um Prestigefragen.
Ich will nicht zurückblättern in dem Buch der Ver- handlungen, die stattgefunden haben, sondern Ihnen nur folgendes sagen: Sie wissen doch wahrscheinlich selbst, daß der Herr Bundesfinanzminister früher bei seinen Haushaltsansätzen davon überzeugt war, daß mit dem ursprünglichen Ansatz von 275 Millionen DM nicht auszukommen sei. Auf sein besonderes Petitum hin wurde der Haushaltsansatz auf 555 Millionen DM heraufgesetzt. Nachher ist man dann wieder — ich möchte meinen: etwas unterschwellig
— an die Haushaltsexperten der CDU herangetreten und hat sie darum gebeten, den Haushaltsansatz auf 275 Millionen zu reduzieren.
— Herr Kollege Vogel, uns geht es darum, daß die Bundesbahn endlich einmal aus der Verlustwirtschaft herauskommt, und wenn Sie diese 280 Millionen DM abstreichen, die ursprünglich einmal auf Wunsch und mit Willen des Finanzministers in den Haushalt hineingekommen sind — es war ja eine Regierungsvorlage und nicht eine Vorlage der Opposition —,
dann bedeutet das einen Verlust. Damit würden Sie erneut die Bundesbahn in eine Defizitwirtschaft hineinzwingen. Sire zwingen die Bundesbahn zu Verlusten, die Sie ohnehin später nach dem Bundesbahngesetz ausgleichen müssen. Darum geht es. Uns geht es darum, daß das große Bundesbahnvermögen, das größte Sondervermögen des Bundes, nicht mehr fiskalisch ausgehöhlt, sondern daß mit dieser fiskalischen Aushöhlung endlich Schluß gemacht wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Niederalt?
Bitte.
Herr Kollege Bleiß, ist Ihnen auch bekannt, daß der Entwurf des Haushalts nicht nur die von Ihnen genannte Summe für die Bundesbahn, sondern auch einen Länderbeitrag von 1740 Millionen DM enthielt, der nicht einzubringen war?
Aber, Herr Kollege Niederalt, gerade weil wir das wissen, hat Herr Kollege Ritzel Ihnen einen sehr ausführlichen Deckungsvorschlag gemacht.
Herr Abgeordneter Iven zur Begründung des Antrags Umdruck 53!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Umdruck 53 beantragen wir, die in Einzelplan 12 Kap. 12 15 Tit. 101 vorgesehene Verbeamtung der meisten Dienstkräfte des Flugsicherungsdienstes nicht durchzuführen.Die Bundesregierung wollte mit der beabsichtigten Verbeamtung wahrscheinlich die personellen Voraussetzungen im Bereich der Flugsicherung verbessern. Genau das Gegenteil ist eingetreten. Bei den im Haushaltsplan eingesetzten Stellen ergeben sich für fast alle Betroffenen in bezug auf die Eingruppierung Verschlechterungen. Zum Beispiel werden Angestellte, die bisher ein Gehalt bezogen haben, das mit den Bezügen eines Oberinspektors vergleichbar ist, in der Vorlage der Bundesregierung nach Obersekretär eingestuft.Die Bundesregierung gewährt zwar eine Ausgleichszahlung in der Höhe des Differenzbetrages. Diese Ausgleichszahlung schließt die Betroffenen aber so lange von der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst aus, bis der Ausgleichsbetrag durch Besoldungserhöhungen aufgezehrt ist. Neben diese materielle Schlechterstellung tritt die psychologische, indem die Tätigkeiten geringer bewertet werden, als es bisher der Fall war. Auch ergeben sich wesentliche negative Wirkungen im Hinblick auf die Beförderungsmöglichkeiten.Unter diesen Gesichtspunkten haben 250 Delegierte von allen deutschen Flughäfen am 12. März auf einer Tagung in Frankfurt sich gegen die beabsichtigte Verbeamtung ausgesprochen. Der Herr Minister hat am vergangenen Freitag im Verlaufe der Fragestunde auf eine Anfrage des Herrn Kollegen Zoglmann wörtlich erklärt, er habe „schon viele einstimmige Beschlüsse erlebt, bei denen diejenigen, die abgestimmt haben, nicht der Meinung waren, die sie durch ihre Abstimmung zum Ausdruck gebracht hatten."
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Iven
Da die Betroffenen sich an dieser Stelle nicht zu der Haltung des Ministers äußern können, möchte ich hier sagen, daß ein Bundesminister unser demokratisches Zusammenleben völlig verkennt,
wenn er eine demokratische Entscheidung einzelner Gruppen in unserer Bevölkerung auf diese Weise abqualifiziert.Herr Minister, Sie sind gut beraten, wenn Sie die Aussage vom Freitag hier fan dieser Stelle korrigieren.In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 23. März kann man eine Anzeige lesen, in der sich mehrere Flugleiter, die sich in ungekündigter Stellung im Bundesdienst befinden, um andere Stellen im Ausland oder bei in- und ausländischen Privatfirmen bemühen. Dabei handelt es sich um einen Teil der hier Betroffenen.Damit wird also durch die beabsichtigte Maßnahme die Personallage in unserer Flugsicherung erschwert. Es ist allgemein bekannt, daß die deutsche Flugsicherung seit Jahren unter erheblichem Personalmangel leidet. 15-20 % der Dienstposten in der Flugverkehrskontrolle und im technischen Flugsicherungsdienst sind unbesetzt. Deshalb können u. a. ,die vorgeschriebenen Wartungszeiten für technische Anlagen, die der Sicherung des Luftverkehrs dienen, seit geraumer Zeit nicht mehr eingehalten werden. An der jetzt schon kritischen Personalsituation scheiterten bisher auch einige besonders wichtige Anliegen der Luftverkehrslenkung, die dringend einer Lösung bedürfen.1. Die Ausdehnung der Flugverkehrskontrolle auf den Luftraum oberhalb 8000 m Höhe, damit auch der bisher unkontrollierte zivile und militärische Düsenluftverkehr, der in sprunghaftem Wachsen begriffen ist, durch lückenlose Überwachung von den ,Bodenstellen gesichert werden kann. Es kann nicht mehr wie bisher geduldet werden, daß die Vermeidung von Zusammenstößen im oberen Luftraum nach dem Prinzip „Sehen und gesehen werden" allein dem Piloten zugemutet wird. Bei den hohen Geschwindigkeiten der Düsenflugzeuge sind die Flugzeugführer nicht mehr in der Lage, andere Flugzeuge rechtzeitig zu erkennen und ihnen auszuweichen.2. Eine bessere Koordinierung der zivilen und militärischen Flugsicherungsstellen, vor allem im Bereich des oberen Luftraumes ähnlich der auf diesem Gebiet vorbildlichen Regelung in den Vereinigten Staaten, wo die amerikanische Bundesluftfahrtbehörde sowohl für die Flugsicherung des zivilen wie des militärischen Verkehrs zuständig ist.3. Erstellung einer langfristigen Planung zur Ausrüstung der deutschen 'Flugsicherung mit besseren technischen Anlagen und Geräten, wie sie die einschlägige Fachindustrie heute schon anbietet. Ein solches Entwicklungsprogramm zum Ausbau der Flugsicherung, das in England und in den USA schon längere Zeit vorliegt, kann nur dann sinnvoll erarbeitet werden, wenn vorher die personellen Voraussetzungen geschaffen worden sind. Es darfnicht wieder vorkommen, daß Radarpräzisionsanlagen, die an den Flughäfen Hamburg, Hannover, Düsseldorf und München seit bereits fünf Jahren vorhanden sind, mangels Personal auch heute noch nicht eingesetzt werden können. Dieser unbegreifliche Zustand wurde von meinem Freund Helmut Schmidt in diesem Hause schon einige Male bean- standet.4. Ein ausreichender Bestand an wirklich qualifiziertem Personal ist auch aus dem Grunde dringend erforderlich, um die allgemeine Leistungsfähigkeit der Flugsicherung zu steigern und die Möglichkeit von „Beinahe-Zusammenstößen" in der Luft auszuschließen. Über der Bundesrepublik werden jährlich noch immer 200 bis 300 solcher „Beinahe-Zusammenstöße" registriert.Wir glauben, daß diese Flugsicherungsprobleme nur gelöst werden können, wenn die Personalsituation in den zuständigen Fachausschüssen dieses Hauses zuvor sorgfältig geprüft und analysiert ist und bessere Vorschläge für die Einrichtung einer leistungsgerechten Laufbahn für Flugsicherungsbeamte erarbeitet worden sind.Eine überstürzte Verbeamtung fast des gesamten Flugsicherungspersonals zu Bedingungen, die für die Mehrzahl der Angestellten erhebliche Nachteile mit isich bringen, dürfte daher kaum zu verantworten sein.
Aus diesen Gründen bitten wir, unserem Antrag 1 zuzustimmen, vor allem, weil er keine finanziellen Konsequenzen mit sich bringt.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich bin etwas überrascht, daß unser verehrter Kollege Iven, der hier soeben gesprochen hat, sich mit den Debatten der letzten Jahre offenbar nur soweit 'beschäftigt hat, als Vertreter seiner Fraktion etwas gesagt haben, dagegen nicht all das zur Kenntnis genommen hat, was der Bundesminister für Verkehr auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt — des jetzigen Senators Schmidt — mündlich und schriftlich geantwortet hat. Das müßte Ihnen alles bekannt sein, und ich will das Hohe Haus nicht aufhalten, indem ich diese ganzen Geschichten noch einmal vorlese. Ich stelle nur fest, daß ein großer Teil der von Ihnen vorgetragenen Momente so nicht zutreffen, wie Sie sie dargestellt haben.Ich greife nur einen Punkt heraus. Sie haben sich sehr ausführlich mit den oberen Luftwegen beschäftigt. Sie wissen, sehr geehrter Herr Kollege, und Ihre Fraktion weiß es genauso, daß darüber der Vertrag über die Schaffung der Organisation „Eurocontrol" vorliegt. Das Hohe Haus hat dieses Gesetz vorliegen. Es ist noch nicht verabschiedet. Ich frage
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Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmdeswegen umgekehrt: Warum ist es noch nicht verabschiedet? Ich sehe gar keine Schwierigkeiten, warum es nicht verabschiedet ist und warum wir den großen Plan, der hier auf internationaler Ebene in Paris schon ausgearbeitet wird, —
— Deswegen meine Frage! Aber ich wollte nur darauf hinweisen, Herr Kollege Dr. Schäfer, daß wir diese Luftsicherung über 7000 m Höhe einer internationalen Organisation übertragen werden.
— Nein, nicht nur eine technische Frage. Es ist auch eine Organisationsfrage; und natürlich auch eine technische Frage, denn international werden nun ,die Einrichtungen geprüft und ausgewählt, die zur Lösung der Probleme 'am zweckmäßigsten und richtigsten sind, schon damit wir nicht Fehlinvestitionen betreiben. Das ist doch der Sinn dieses ganzen Eurocontrol-Vertrages. Aber das wissen Sie, Herr Kollege Iven, doch genauso wie ich, und deswegen brauchten Sie uns das nicht vorzutragen.Sehen Sie: daß man bei den heutigen Geschwindigkeiten unserer Flugzeuge nicht mehr nach Sicht fliegen kann, ist doch klar — das kann man allenfalls noch, solange man mit einem Sportflugzeug unten herumkutschiert —; das konnte man auch schon nicht mehr bei 400 oder 500 km Stundengeschwindigkeit. Deswegen haben wir ja die Flugsicherung eingeführt.Ich bin mit Ihnen durchaus der Meinung, daß es sehr schwierig ist, die Flugsicherung personalmäßig richtig einzustellen. Aber das ist ja gerade der Sinn unserer langjährigen Bemühungen. Jetzt sind wir glücklich und endlich .soweit, daß wir im Vergleich mit anderen Laufbahnen — ich habe es neulich schon gesagt: eine Verbeamtung setzt natürlich eine Eingliederung in eine der Laufbahnen voraus, und wir können nicht für jede Sparte eine gesonderte Laufbahn erstellen — mit der Eingliederung in die Laufbahn den Herren, die dort arbeiten, vor allen Dingen eine Sicherung für die Zukunft geben wollen.Man kann sicher über diese oder jene Einzelfrage noch Überlegungen anstellen. Ich würde aber trotzdem der Meinung sein: Gerade wenn wir eine Sicherung dieses Personalkörpers wollen, sollten wir doch die Möglichkeit haben, diese Beamtenstellen jetzt und endgültig zu bewilligen.
— Wir werden, Herr Kollege Dr. Schäfer, darüber im Mai ja noch eingehend beraten. Besetzt werden die Stellen jetzt nicht. Es soll uns nur die Möglichkeit gegeben werden, den Herren zu sagen, daß diese Stellen vorhanden sind, und wir wollen mit ihnen darüber sprechen, ,wie jeder einzelne Fall behandelt werden soll.Zu der Bemerkung, die Sie einleitend machten: Seit anderthalb Stunden warten die Herren derÖTV auf mich, um diese Fragen mit uns zu besprechen.
— Aber, Lieber Herr Kollege, Sie werden glauben, — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Iven?
Iven ,(SPD) : Herr Minister, Sie verhandeln heute mit den Herren der ÖTV. Warum haben Sie nicht vor der Aufstellung des Haushaltsplans mit den Herren der ÖTV verhandelt? Das ist ja das Thema, worüber wir jetzt reden.
Lieber Freund, meine Mitarbeiter haben wiederholt und eingehend mit ihnen verhandelt. Der Minister muß doch nicht immer alle Verhandlungen, die von seinem Ministerium geführt werden, auch persönlich führen; das könnte er ja gar nicht schaffen. Ich habe die Herren heute hierher gebeten, um bestimmte Spannungen und Unstimmigkeiten in einer Unterhaltung — nicht einer Verhandlung; denn dazu müßte ich die Herren des Finanz- und Innenministeriums hinzuziehen — einmal aufzuklären. Deswegen ist das ganz nett, wenn man solche Gespräche führt, und zwar in einem freundschaftlichen Geist.
— Ja, sicher, ich habe die Herren ja auch deswegen hierher gebeten. Nett ist es, daß das Zusammentreffen nicht im Sinne einer Verhandlung, sondern als Unterhaltung veranstaltet wird. Darauf bezog sich das Wort „nett". Ich darf nur bemerken, Herr Kollege Iven: ich meine, im allgemeinen berät der Ältere den Jüngeren, ja?
Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 54 zu Kap. 12 02. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 53 zu Kap. 12 15! Wer zustimmen will, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12 in der Fassung der Beschlüsse des Haushaltsausschusses. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan ist angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 23 — Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit .
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1019
Vizepräsident Dr. DehlerBerichterstatter ist Herr Abgeordneter Gewandt. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegen Ihnen sowohl der Mündliche als auch der Schriftliche Bericht zum Einzelplan 23 vor. Da es sich bei dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit jedoch um ein neues Ministerium mit neuen Aufgaben handelt, scheint es tunlich, einige Bemerkungen zu diesem Bericht zu machen.Ich möchte die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf zwei Probleme lenken, die bei den Beratungen des Haushalts eine besondere Rolle gespielt haben. Es handelt sich dabei einmal um die Frage der parlamentarischen Mitwirkung bei der Vergabe der Mittel an die Entwicklungsländer, zum anderen um das Problem, inwieweit eine Kontrolle der Projekte im Ausland möglich ist.Sie wissen alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit an der Frage besteht, inwieweit Mittel, die der Steuerzahler aufbringt, sinnvoll verwandt werden. Es ist nicht zu verkennen, daß an die Stelle der anfänglichen Schwärmerei in der Frage der Entwicklungspolitik in der letzten Zeit eine etwas nüchternere Betrachtungsweise getreten ist. Ich glaube, das ist gut so; denn dadurch werden wir an Fehlurteilen gehindert.Angesichts des ständig wachsenden Volumens der Entwicklungshilfe ist es nur zu natürlich, daß die deutsche Öffentlichkeit eine umfassendere Unterrichtung wünscht, und es ist weiter nur natürlich, daß das Parlament seine Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Mittelvergabe ernsthaft überprüft.Wir haben es im Haushaltsausschuß sehr lebhaft begrüßt, daß es das Ministerium Scheel als eine besondere, neue Aufgabe ansieht, die Ausführung der mit deutschen Mitteln finanzierten Projekte im Ausland zu kontrollieren, und zwar nicht nur rechnerisch, sondern auch in bezug auf die Auswirkung auf die wirtschaftliche und auf die gesellschaftliche Struktur in den Entwicklungsländern. Ich glaube, der Steuerzahler hat ein Recht darauf, Gewißheit zu erhalten, daß die Mittel, die aus seiner Tasche für die Förderung von Projekten in den Entwicklungsländern aufgebracht werden, für sinnvolle wirtschaftliche Vorhaben ausgegeben werden.Für das Parlament ergibt sich nun die Frage, inwieweit wir an der Mittelvergabe in angemessener Weise beteiligt werden können. Dem Haushaltsausschuß lag eine Reihe von Vorschlägen vor. Der Haushaltsausschuß hat allerdings bezüglich der Vergabe der technischen Mittel mit Mehrheit beschlossen, so zu verfahren, wie man früher bei vergleichbaren Titeln im Auswärtigen Amt verfahren ist. Man hat da nämlich vom Ministerium die Aufstellung eines Wirtschaftsplanes gefordert, der vom Parlament zu genehmigen ist und in allen Einzelheiten darlegt, in welcher Form von den Mitteln nach Tit. 300 Gebrauch gemacht werden soll. In den Erläuterungen heißt es, daß Verpflichtungen erst dann eingegangen werden dürfen, wenn für die einzelnen Maßnahmen Erläuterungen und Kostenvoranschläge vorliegen, aus denen die Art der Durchführung, die Höhe der Kosten und die gegebenenfalls vom Empfängerland zu erbringenden Leistungen ersichtlich sind. Der Herr Minister hat bei den Beratungen im Haushaltsausschuß sehr deutlich darauf hingewiesen, daß ihm und seinem Hause es ein besonderes Bedürfnis ist, das Parlament laufend zu informieren und auch der Offentlichkeit in höchstem Maße Informationen zuteil werden zu lassen.Diese Frage der Mitwirkung des Parlaments stand naturgemäß auch bei Tit. 570 im Vordergrund der Erörterungen. Hierbei handelt es sich um ,die Kapitalmittel. Man hat, wie ich glaube, eine sehr weitgehende parlamentarische Mitwirkung sichergestellt. Auf Antrag der Koalitionsparteien ist vom Haushaltsausschuß nämlich eine Einfügung angenommen worden, 'die folgenden Wortlaut hat: „Die Bundesregierung unterrichtet den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Entwicklungshilfe des Deutschen Bundestages in regelmäßigen Zeitabständen über den Stand der Zusagen, den Verhandlungsstand bei wichtigen Projekten und über die Auszahlung .auf dem Gebiete der Kapitalien." Das heißt, daß die beiden genannten Ausschüsse vor dem Abschluß mit fremden Ländern untertchtet werden. Weiter heißt es: „Die Bundesregierung unterrichtet rechtzeitig die beiden Ausschüsse, falls wegen eines Einzelfalles § 45 b der Reichshaushaltsordnung zur Anwendung gebracht werden soll." Ich meine, daß hierdurch eine sinnvolle Mitwirkung des Parlaments gewährleistet ist. Wir nehmen der Regierung jedoch nicht die nötige Beweglichkeit. Wir haben es wiederholt erlebt, daß uns die Entwicklungsländer vorgehalten haben, daß eine schnelle Hilfe häufig sehr viel wirksamer ist als eine vielleicht umfangreichere Hilfe, die zu spät gegeben wird. Durch die Einfügung dieser beiden Sicherungsklauseln ist die parlamentarische Mitwirkung in ausreichendem Maße gesichert und andererseits der Bundesregierung die erforderliche Elastizität ermöglicht.Im übrigen möchte ich in diesem Zusammenhang abschließend noch darauf hinweisen, daß man sich naturgemäß davor hüten muß, die Aufgaben der Exekutive und der Legislative zu vermengen. Sicher ist, daß uns als Bundestag nach Art. 110 Abs. 2 des Grundgesetzes die Feststellung des Hauhalts obliegt; aber man kann sicher hieraus nur in einem begrenzten Umfang ein Mitwirkungsrecht für einzelne Ausführungsmaßnahmen ableiten. Ich meine also, daß der Haushaltsausschuß durch seine Beschlüsse die Gewähr gegeben hat, daß das Parlament entsprechend unterrichtet wird und daß es in gewissem Umfange mitzuwirken vermag, weil es rechtzeitig über den Stand der Verhandlungen unterrichtet wird. Ich glaube, daß hiermit eine gesunde Kompromißlösung gefunden worden ist und daß wir damit auch vor .der Kritik der Öffentlichkeit bestehen können, die sich ja gelegentlich entzündet an dem Kauf vergoldeter Betten für Ministerdamen in irgendeinem afrikanischen Land. Wir erleben je wiederholt in illustrierten Zeitungen eine etwas überzeichnete Kritik.Ich meine, daß der Haushaltsausschuß mit seinen Beschlüssen die Gewähr dafür gegeben hat, daß wir
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Gewandtuns auf dem laufenden halten und daß die Gelder in sinnvoller Weise mit unserer Mitwirkung ausgegeben werden. Ich bitte deshalb, den Empfehlungen des Haushaltsausschusses gemäß unserem Bericht die Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Die Aussprache wird eröffnet. Das Wort hat Herr Abgeordneter Kalbitzer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Umfang der Entwicklungshilfe, über die wir hier im Laufe der Plenarberatungen zu entscheiden haben, umfaßt alles zusammen etwa 7 Milliarden DM. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, hierüber noch etwas mehr zu sagen, als der Herr Berichterstatter freundlicherweise schon erwähnt hat.Unter der Verantwortung des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dessen Einzelplan 23 hier vorliegt, werden, wenn Sie das Haushaltsgesetz genehmigen, 1962 nicht so sehr im Einzelplan 23 als vielmehr im Haushaltsgesetz selber diese etwa 7 Milliarden von Ihnen bewilligt werden. Ich will Ihnen gleich sagen, meine Damen und Herren, daß wir Sozialdemokraten bereit sind, diese astronomischen Summen mit zu bewilligen; aber vor dieser Bewilligung muß eine Diskussion stattfinden und muß über etliche Punkte Klarheit geschaffen werden.Wir brauchen für das Ausgeben dieser Summen eine sorgfältigste Planung. Es ist kein Vorwurf gegen irgend jemanden, wenn ich feststelle, daß bisher auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe so gut wie alles improvisiert ist. Wir wissen zur Zeit nicht, wie die Finanzierungen für diese gewaltigen Summen aufzubringen sind. Wir sind uns keineswegs klar, wie die Verteilung zu organisieren ist, und es ist durchaus noch umstritten, wie die zweckmäßige Verteilung vorzunehmen ist und wie der Erfolg — oder Mißerfolg — auch wirklich kontrolliert und festgestellt werden kann.Einigkeit besteht nur über einen Teil, nämlich darüber, daß man diese Kontrolle durchführen sollte, so daß man sich also im Grundsatz schon einig ist, aber keineswegs über das Wie.Vor allen Dingen ist doch überhaupt nicht geklärt — man hat etliche Besprechungen gehabt, ohne bisher zum Ziel zu kommen —, welches politische Konzept für die Verwendung vorliegt, und wir wissen bis jetzt auch nicht, wie innerhalb der Bundesregierung die Kompetenzen eigentlich verteilt sind. Wir wissen, daß sich das neue Ministerium viel Mühe gibt und daß, wie ich gerne zugebe, es auch etlichen Erfolg gehabt hat, die bundesdeutsche Entwicklungspolitik zu koordinieren und zu konzentrieren. Aber wir haben bis jetzt leider keine Klarheit darüber, wie eigentlich noch die Eigensüchteleien beim Bundeswirtschaftsministerium und im Auswärtigen Amt in diesen Fragen ausgehen werden und ob es wirklich gelingt, hier eines Tages eine einheitliche Verantwortung festzustellen.Ich sagte schon und wiederhole, daß wir bereit sind, diese gewaltigen Summen zu bewilligen. Aber wir sind nicht bereit, die Verantwortung für die Vergabe, für die Kontrolle dieser gewaltigen Summen der Ministerialbürokratie allein zu überlassen. Wir sind der Meinung, daß das Parlament bei der Vergabe dieser Beträge wesentlich mitwirken muß.
Es genügt keinesfalls — so wie es der Herr Berichterstatter vor mir sagte —, daß sich das Haus informiert hält. Es muß mehr geschehen, es muß eine Mitwirkung erfolgen, und zwar ehe die Dinge abgeschlossen sind, ehe die Zusagen perfekt gemacht worden sind.Nun zu einigen Einzelheiten. Ich muß sagen, es ist für das Haus wie für mich irritierend, festzustellen, daß bei dem im Augenblick zur Debatte stehenden Einzelplan 23 nur etwa 406 Millionen DM für Entwicklungshilfe — alles zusammen — ausgezeichnet sind, während ein gewaltiger Betrag von 1,85 Milliarden DM Zusagen und ein weiterer Betrag von 1,25 Milliarden DM Vorausplanungen in § 22 des Haushaltsgesetzes festgelegt sind und noch ein weiterer Betrag von im ganzen 4 Milliarden DM im nächsten Paragraphen, in § 23 des Haushaltsgesetzes, für die Bürgschaften für Entwicklungshilfe festgelegt ist.Auf diese beiden §§ 22 und 23 des Haushaltsgesetzes beziehen sich dann auch schließlich die von unserer Fraktion zu stellenden Anträge, weil wir es für sinnvoller halten, unsere Anträge auf Mitwirkung des Parlaments bei Verteilung und Kontrolle dieser Summen bei dem Etat zu stellen, in dem die Summen wirklich stehen, und nicht nur dort, wo kleine Teilbeträge im Einzelplan 23 ausgewiesen sind.Die Anomalität dieser merkwürdigen Unterbringung der hohen Summen ist die Folge der bis heute ungeklärten Finanzierung der Entwicklungspolitik. Im Ausschuß für Entwicklungspolitik ist es bis zur Zeit nicht gelungen — auch das verdient hier heute festgestellt zu werden —, alle — ich sage: alle! — zur Entwicklungpolitik zählenden Haushaltspositionen ausfindig zu machen.Die Entwicklungshilfe wurde im vorigen Jahr, 1961, zuerst in dieser Milliarden-Größenordnung bewilligt. Dann kamen die Bundestagswahlen, die zögerliche Regierungsbildung, auch die zögerliche Behandlung des Themas Entwicklungspolitik im Parlament selber. Diese Umstände haben es bis heute verhindert, daß uns alle letzte Klarheit, soweit sie in diesem Etat liegt, gegeben werden kann.Aber, meine Damen und Herren, täuschen wir uns nicht: die Öffentlichkeit und die Presse aller Qualitäten haben sich trotz unserer zögerlichen Haltung — ich sage: mit Recht — dauernd um diese Dinge gekümmert. Die Öffentlichkeit hat den Eindruck erhalten, daß die Entwicklungshilfe zur Korruption führe oder — um dasselbe vornehmer und zurück-
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Kalbitzerhaltender und von Kennern formuliert zu sagen — daß die bisherige Geldhergabe der Entwicklungshilfe im wesentlichen nutzlos, falsch und sinnlos gewesen sei. Ich will dieses fundierte Urteil eines Kenners der Materie nicht ohne weiteres generalisieren. Aber ich kann auch nicht sagen, daß diese Vorwürfe unbegründet seien.Aus unserem Hause hat sich die Kritik erhoben, die ganze Entwicklungshilfe sei Vergeudung, wir hätten selbst auch Armut im eigenen Lande. Von einem Kollegen in diesem Haus, der sich besonders als Juniorpartner der Bundesregierung fühlt, wurde die Frage der Entwicklungshilfe so dargestellt, als ob wir sie mal geben oder mal ebensogut für uns behalten könnten. Ich muß Ihnen sagen, daß die Entwicklungshilfe eine ernstere Sache ist.Die Entwicklungshilfe ist langfristig ebenso wichtig wie die Verteidigungspolitik. Soll uns die Verteidigungspolitik im augenblicklichen Ost-West-Konflikt schützen, so soll die Entwicklungshilfe den Konflikt zwischen der Armut, in der die Mehrheit der Erdbevölkerung lebt, und dem Reichtum, in dem die Minderheit der Erdbevölkerung lebt, für die Zukunft überwinden. Wenn unsere Kinder im Jahre 2000 nicht den Kampf auf Leben und Tod zwischen dem Norden, dem industrialisierten Teil unseres Erdballs, und dem Süden, den tropischen, den Hungergebieten, führen sollen, dann ist es unsere Aufgabe, jetzt zu versuchen, die Weltarmut zu bekämpfen. Hier sage ich Ihnen, ich bin Optimist. Die technischen Mittel für diesen friedlichen Sieg haben wir.Es gilt — und das ist die Frage der Entwicklungspolitik, —, diese Waffen richtig einzusetzen. Das Ziel meines politischen Lebens, meine Damen und Herren, ist es, das Elend der Menschen im eigenen Lande und in der Welt zu bekämpfen. Ich halte die Hilfe für eine moralische Pflicht. Wem aber alle diese Notwendigkeiten und die ethischen Begründungen nichts Igelten, dem muß ich sagen, daß, wenn die Bundesrepublik zur freien Welt gehören will, wir gar keine andere Möglichkeit haben, als diesen Grundsatz der Entwicklungspolitik für die Freiheit mit einzusetzen.Nun muß man auf einen Punkt näher eingehen, nämlich darauf, daß der Entwicklungspolitik, nachdem sie gerade ins Leben gerufen worden ist, schon der Geruch der Korruption anhaftet. Es ist unsere Aufgabe, nicht etwa darin herumzuwühlen, sondern klarzumachen, was dagegen getan werden kann und welche Verantwortung das Parlament selber hier hat. Wir hören von Palästen der neuen Potentaten in den Elendsgebieten, und alle unter uns sträuben sich dagegen, für derartige Dinge unsere Steuergroschen hinzugeben. Aber in Wirklichkeit sind die Seidenfäden der Korruption viel feiner gesponnen, als derartige Illustriertengeschichten ahnen lassen. Diese Präsidentenpaläste oder sonstige pompöse Bauten in den Entwicklungsgebieten sind zwar Zeichen des aufreizenden Luxus; aber sie sind nur allzuoft Abschiedsgeschenke der scheidenden Kolonialmacht, und es ist also zu fragen, wo eigentlich die Ursache hierfür liegt.Es bestehen unter den Beteiligten und auch in unserer Öffentlichkeit weitgehende Mißverständnisse darüber, was Entwicklungshilfe eigentlich ist. Nicht alle diejenigen, die die Entwicklungshilfe fordern, wollen damit die Armut bekämpfen; viele wollen sich vielmehr selbst nur entwickeln. Dieses gilt für Europäer genausogut wie für die Menschen in den Entwicklungsländern. Viele sehen darin nur das eigene Geschäft und den eigenen Vorteil, nicht die Notwendigkeit, die Völker allmählich aus der Armut zu befreien.Außenpolitiker insbesondere halten die Entwicklungspolitik gelegentlich für ein Waffenarsenal, in dem goldene Kugeln lagern, die es zu verschießen gilt. Sie halten die Entwicklungshilfe für einen gewaltigen internationalen Reptilienfonds. Meine Damen und Herren, wer die Entwicklungshilfe so ansieht, kann nicht erwarten, daß sie zweckmäßig eingesetzt wird.Geschäftsleute dagegen halten die Entwicklungshilfe oftmals für einen großen Subventionstopf für ihre eigenen Geschäfte. Hier kommt ein kompliziertes Mißverständnis auf. Natürlich ist die Entwicklungshilfe nicht von kommerziellen Geschäften zu trennen; denn selbstverständlich sollen sich ja die Empfänger eines Tages wirtschaftlich unabhängig machen; sie sollen selbständig werden. Aber hier ist festzustellen, daß nicht jedes Geschäft mit den Entwicklungsländern auch Entwicklungshilfe ist. Das ist nur allzuoft eine Tarnung. Es kann nur ein einziges zulässiges Kriterium für die Entwicklungshilfe geben, nämlich dies, ob sie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Empfänger dient. Es gibt doch nur zu oft die Praxis, die versucht, die Gelder, die wir zu bewilligen haben, für sich selbst loszumachen. Ich spreche hier von den Entwicklungsprojektesuchern. Da geht in irgendeinem Lande — nennen wir es euphemistisch Fleuretanien — einer umher, der die Gebiete kennt, und sucht nach einem Projekt im Interesse seines eigenen Geschäfts. Nun, das sei ihm natürlich nicht verwehrt. Das ist eine selbstverständliche Geschäftspraxis. Die Frage ist nur, ob diese seine Praxis wirklich auch dem Empfänger dient. Wenn er' sich bei solchen Geschäften in gewissen Ländern auch der Bestechung bedient, ist es unsere Aufgabe, wenn wir von solchen Dingen wissen — und wir wissen davon —, solchen Mißbräuchen den Riegel vorzuschieben.Die zentrale Frage der deutschen Hilfe ist also die der wirksamen Kontrolle, damit unsere Leistungen zweckmäßig und erfolgreich eingesetzt werden. Dieses zentrale Problem ist durch die Vorschläge, die der Haushaltsausschuß gemacht und der Berichterstatter vorgetragen hat, keineswegs geklärt.Nun lassen Sie mich noch kurz einige Punkte zu dem neuen Ministerium Scheel, wie es vorhin genannt wurde, sagen. Der neue Minister und seine Mitarbeiter kennen das Problem zweifellos. Wir haben den Eindruck, daß sie gewillt sind, ihr Bestes zu tun. Ich sage das heute, konnte es aber vor wenigen Wochen noch nicht sagen. Wir waren vor einiger Zeit durchaus noch der Meinung, daß das neue Ministerium das allgemeine Durcheinander zwischen den Kompetenzen der verschiedenen Regierungsinstanzen nur noch verstärken würde. Wir haben inzwischen den Eindruck gewonnen, daß sich dieses Ministerium bemüht, die Aufgaben für die
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KalbitzerEntwicklungshilfe zu konzentrieren und die Verantwortlichkeiten zu koordinieren. Das heißt nicht, daß nicht andere Ministerien im Rahmen ihrer Aufgaben durchaus Überlegungen für die Entwicklungspolitik mit beizusteuern haben. Niemand wird verkennen, daß sich natürlich das Auswärtige Amt mit seinen außenpolitischen Erwägungen hierzu Gedanken macht, ebenso wie natürlich das Wirtschaftsministerium seine Perspektiven für die deutsche Wirtschaft dazu liefern muß. Nach unserer Meinung muß nur schnellstens der Zustand überwunden werden, daß die genannten Ministerien weiterhin eigene Aufgaben der Entwicklungspolitik für sich sehen. Wir würden so etwas für eine nicht zu verantwortende Doppelarbeit halten.Der Herr Berichterstatter hat erklärt, daß wir nicht die Rechte von Legislative und Exekutive zu vermischen hätten. Dieses Argument scheint mir zu traditionell und der heutigen Situation und dem Umfang der hier in Frage stehenden Mittel nicht gerecht zu werden. Natürlich kannte man bei Erlaß I der Reichshaushaltsordnung keine Entwicklungshilfe. Infolgedessen sind die politischen Tatbestände von heute nicht mit in die Reichshaushaltsordnung einkalkuliert und eingeschlossen worden. Weil es aber zur Zeit des Erlasses der Reichshaushaltsordnung das ganze Problem noch nicht gegeben hat, darf man nicht schließen, daß die Vergabe der Mittel eine bloße Verwaltungsaufgabe sei. Das halten wir für absurd. Die Folge dieser These, Herr Berichterstatter, ist, daß wir als Parlament über den Verbrauch an Schreibpapier und über den Kauf von Autos für das neue Ministerium beschließen. Wir beschließen aber nicht darüber, wie schließlich diese Milliardenbeträge vergeben werden. Das Parlament würde, wenn wir uns Ihrer Meinung anschlössen, in die Rolle eines Beckmessers der Politik verfallen. Das halte ich für eines Parlaments unwürdig.
Wir würden uns die Köpfe über die Nebensächlichkeiten heiß reden und die entscheidenden politischen Aktionen im wesentlichen dem Ministerium, also der Bürokratie, überlassen. Dafür genügt es eben auch nicht, daß wir uns auf dem laufenden halten, wie das hier so schön heißt, sondern dazu ist notwendig, daß sich das Parlament an der Entscheidung beteiligt. Ich glaube, nicht zuviel zu sagen, wenn ich vermute, daß wir in absehbarer Zeit so etwas wie ein Gesetz zur Bewirtschaftung der Entwicklungsfinanzierungen haben müssen, eine Ergänzung der bisherigen Grundlage der Bewirtschaftung, also der Reichshaushaltsordnung.Inzwischen — das ist die Lage der Dinge — müssen wir mit Provisorien auskommen. Sowohl der Vorschlag des Haushaltsausschusses als auch der etwas weitergehende Vorschlag meiner Fraktion, nämlich in den Haushalt selber Klauseln einzubauen, die die Mitwirkung oder mindestens die Information des Parlaments sicherstellen, sind natürlich Provisorien; denn die Finanzierung der Entwicklungspolitik ist ja keine Aufgabe für ein oder zwei oder drei Jahre, sondern sie wird langfristig und mit steigender Heftigkeit auf uns zukommen. Es muß also geklärt werden, wie die Bewirtschaftung gesetzlich vorgenommen werden soll.Der Haushaltsausschuß hat 190 Millionen DM für die technische Hilfe vorgesehen und mit einer Klausel versehen, durch die ein Plan herauszustellen ist, der durch den Bundestag genehmigt werden muß. Ich glaube, daß für diesen — finanziell gesehen —kleinen, wenn auch politisch außerordentlich wichtigen Teil der Entwicklungspolitik diese von Ihnen vorgeschlagene Klausel, wonach ein Plan vom Parlament oder vom Ausschuß des Parlaments zu genehmigen sei, genügt.Anders ist es, wie gesagt, bei dein finanziell ungleich größeren Etat für die Kredite und Bürgschaften. Im Einzelplan 23 sind nur etwa 150 Millionen DM ausgeworfen. In den Erläuterungen heißt es, die Regierung unterrichte das Parlament oder seine Ausschüsse in regelmäßigen Zeitabständen. Das ist zu begrüßen.; es ist mehr als gar nichts. Aber es trifft nicht den Kern der politischen Notwendigkeit, weil nämlich — ich möchte es nur allgemein sagen, weil ich heute hier nicht das Letzte sagen kann und will — nicht die Mitwirkung des Parlaments in ausreichendem Maße vorgesehen ist. Warum bringt man eigentlich diese freundliche Klausel gerade in diese Position des Einzelplans 23 mit seinen 150 Millionen DM? Diese 150 Millionen DM sind längst den Bach herunter, wie man so sagt. Wir können also diese 150 Millionen DM nur noch von hinten fotografieren; wir können uns nur noch im Nachherein erzählen lassen, was man eigentlich damit gemacht hat. Im Haushaltsgesetz selbst ist dagegen in § 22 ein Betrag von 1,85 Milliarden DM ausgewiesen worden. Man hat uns im Ausschuß erzählt, daß auch diese 1,85 Milliarden DM bereits zugesagt worden seien. Auch darüber könne also nicht mehr frei entschieden werden, wobei ich anmerken darf, daß ich bezweifle, daß den Empfängern dieser 1,85 Milliarden DM gegenüber auch der Vorbehalt gemacht worden ist, daß die Parlamentsbewilligung noch aussteht. Aber das ist nur ein Schönheitsfehler, den man hier nicht breitzutreten braucht.In diesem § 22 des Haushaltsgesetzes steht noch die Ermächtigung für weitere 1,25 Milliarden DM, die erst in nächster Zeit zugesagt werden sollen. Für diese 1 1/4 Milliarde DM sollte die Klausel gelten, daß das Parlament mitwirken muß. Ich möchte Sie, Herr Präsident, bitten, bei der Abstimmung über das Haushaltsgesetz über den von uns vorgelegten Umdruck 63 abstimmen zu lassen.Diese 1 1/4 Milliarden D-Mark werden aller Voraussicht nach nicht den vollen Umfang der Ermächtigung darstellen, die wir in diesem Jahr zu bewilligen haben. Auch hier müssen wir damit rechnen, daß noch ein Nachtrag vorgelegt werden muß. Nun, darüber kann man sprechen, wenn die Vorlage wirklich kommt. Aber es wäre vielleicht gut, das Parlament und die Öffentlichkeit schon jetzt auf das vorzubereiten, was noch auf uns zukommt.Die Klausel, die eine vorherige Unterrichtung des Ausschusses vorsieht, muß verpflichtend festlegen, daß das Parlament schon vor der Erteilung von Zusagen eingeschaltet wird. Wir sind uns dabei durchaus der politischen Problematik bewußt, daß man eine Finanzzusage an ein fremdes Land natürlich nicht auf offenem Markt vorher in allen Einzelhei-
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Kalbitzerten diskutieren kann. Wir sind gern bereit, auf vernünftige Vorschläge der Regierung, wie man die Vertraulichkeit — nicht für immer, aber bis die Zusage gemacht ist — wahren kann, einzugehen, wenn sie nur praktikabel sind.§ 23 des Haushaltsgesetzes sieht eine Erhöhung des Bürgschaftsvolumens um je 2 Milliarden DM für Entwicklungshilfekredite Privater und für Entwicklungsimporte vor. Wir haben die Methode der Bundesbürgschaften ja schon seit Anfang der 50er Jahre. Nur die Zweckbestimmung der Milliardenbürgschaften hat jetzt gegenüber früher radikal gewechselt, und weil der Zweck gewechselt hat, muß natürlich auch die Methode der Bewilligung und der Kontrollen wechseln. Denn es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir bei Bürgschaften für deutsche Exporteure zur Förderung des deutschen Exports ein viel geringeres Risiko eingegangen sind, als wir jetzt eingehen, wenn wir künftig den Großteil dieser Bürgschaften für Finanzierungen der Entwicklungspolitik vorsehen. Die Regierung selber rechnet, wenn ich richtig informiert bin, mit einem Verlustrisiko von etwa 20%. Auch die bisherigen Erfahrungen mit den Bürgschaften machten ja schon klar, daß sie, wenn sie an Entwicklungsländer gegeben wurden, eines Tages umgeschuldet werden mußten. Wir wissen also, daß diese Bürgschaften außerordentlich risikobelastet sind, daß ihr Zweck gewechselt hat und daß sie demzufolge auch anders bewirtschaftet und kontrolliert werden müssen, als es in der Vergangenheit geschehen ist.Das berechtigte öffentliche Mißtrauen gegen die bisherige Entwicklungshilfe ist nur zu überwinden, wenn wir von jetzt an klaren Wein einschenken. Herr Berichterstatter, ich verkenne keineswegs, daß Sie Ihren Hinweis, man sei jetzt bereit, zu informieren, mit guter Absicht gegeben haben. Aber Sie müssen auch verstehen, daß sich das Parlament um seiner eigenen politischen Bedeutung willen mit einem solchen Zugeständnis nicht abfinden kann. Wir Sozialdemokraten werden uns in der zweiten Lesung bei der Abstimmung über \\den Einzelplan 23 der Stimme enthalten,
— ich erkläre das noch, Herr Dr. Vogel —, um den Regierungsparteien die Möglichkeit zu geben, in das Haushaltsgesetz selber die Klauseln einzufügen, die notwendig sind, um das Mitwirkungsrecht des Parlaments zu garantieren. Wenn Sie allerdings — und jetzt komme ich auf Ihr „Nanu" — in der zweiten Lesung die wirksamen Kontrollen für 'die Vergabe der Entwicklungsmittel ablehnen, sind wir nicht in der Lage, diesem Haushalt in der dritten Lesung zuzustimmen. Sie wissen, wir Sozialdemokraten haben für die Entwicklungshilfe gekämpft, als die Regierung sie ablehnte. Wir haben dieses Haus 1960 ermahnt, in größere Entwicklungshilfeverpflichtungen einzutreten, zu einer Zeit also, als das Parlament noch außerordentlich zögernd war. Wir sind keinesfalls heute auf dem Wege, uns vor der Verantwortung klamm heimlich zu drücken. Aber wir sagen Ihnen: diese Verantwortung mit Ihnen zu teilen, sind wir nur bereit und nur in der Lage, wenn wir das Recht der Mitwirkung haben. Ist das nicht derFall, wird es bei der Muschelei und bei dem Halbdunkel bleiben, in dem die Sache bisher gewesen ist, und es werden allen Mißgünstigen und allen Sensationshungrigen übermäßige Chancen gegeben, Skandale zu wittern, und es werden auch echte Skandale heraufziehen. Wir möchten uns und wir möchten Sie — das ganze Parlament — davor bewahren. Wir bitten Sie also, das echte Mitspracherecht des Parlaments zu verankern und die Kontrollen für die Entwicklungshilfe zu verstärken. Wenn Sie dazu nicht in der Lage sein sollten, müssen wir unsererseits in der dritten Lesung den Einzelplan 23 ablehnen.
Herr Abgeordneter Kalbitzer, einen Augenblick! Sie haben beantragt, daß wir jetzt im Rahmen der Beratungen des Einzelhaushalts 23 über den Änderungsantrag auf Umdruck 63 abstimmen. Ihr Antrag betrifft eine Änderung des Haushaltsgesetzes. Der Antrag kann also erst bei Beratung des Haushaltsgesetzes im Laufe des heutigen Abends aufgerufen werden. Darf ich Ihr Einverständnis annehmen?
Herr Präsident, genau dasselbe hatte ich Ihnen auch vorgeschlagen.
Dann ,sind wir uns einig. Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal auf die Eingangsworte meines Herrn Vorredners zurückkommen, in denen er bestätigt hat, daß die Sozialdemokratie die Aufgabe und die Verpflichtung zur Entwicklungshilfe als gemeinsame Aufgabe ansieht und auch bereit ist, die Beträge zu billigen, die im Haushalt dafür ausgeworfen sind, daß wir also die ganze Entwicklungshilfe als eine gemeinsame Aufgabe aller Teile dieses Hauses betrachten und betreiben wollen.Das scheint mir deshalb so besonders bedeutsam, weil sich damit von selbst die Verpflichtung der Bundesregierung zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Haus und mit dem Ausschuß, der besonders mit der Behandlung der Fragen der Entwicklungshilfe beauftragt ist, ergibt. Ich glaube, nach den bisherigen Beratungen sagen zu dürfen, daß der Vertreter der Bundesregierung sich bereit erklärt hat, in jedem Falle die entsprechenden Auskünfte zu geben, daß er zugesagt hat, die Kontrolle, die sich als technisch und praktisch möglich erweist, dem Hause zu überlassen, d. h. ihm dabei behilflich zu sein. Das allerdings würde ich als Voraussetzung für die Zusammenarbeit des ganzen Parlaments mit der Regierung in der Frage der Entwicklungshilfe ansehen.Natürlich gibt es zeitliche Verschiebungen. Fangen wir einmal mit der Kompetenzfrage an! Der Herr Minister hat das begreifliche Bedürfnis, zunächst einmal sein Ministerium zu entwickeln. Er kann damit eigentlich erst am Ende dieser Woche beginnen, wenn der Haushalt verabschiedet ist und
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Marguliesihm die Positionen und die Mittel zur Verfügung stehen, die notwendig sind.
— Ich lasse mich gerne belehren: es dauert also noch einen Monat länger. Aber in weiser Vorausahnung, daß der Bundesrat keine Einsprüche dagegen erheben wird, wird der Minister am Samstag— ausnahmsweise am Samstagmorgen — mit der Entwicklung seines Ministeriums beginnen. Wir als Parlament haben ein ebenso legitimes Interesse daran, daß das Ministerium, welches wir schon vor geraumer Zeit ins Leben gerufen haben, endlich seine Funktionen übernimmt, so wie wir sie uns vorgestellt haben.Wir haben dieses Ministerium ja nicht aus koalitionsarithmetischen oder sonstigen Gründen verlangt und nachher geschaffen, sondern deshalb, weil wir ganz schlicht der Auffassung waren, daß Summen, wie sie hier zur Debatte stehen, einer besonderen eindeutigen Kontrolle bedürfen und daß eine klare Verantwortlichkeit gegeben sein muß. Wir wünschen also eine Zusammenfassung aller Aufgaben der Entwicklungshilfe in dem neugeschaffenen Bundesministerium für die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Im Augenblick kann das noch nicht der Fall sein. Das ergibt sich eben daraus, daß das Ministerium noch nicht voll arbeitsfähig ist. Aber die Notwendigkeit wird eigentlich von keiner Seite bestritten, vom Minister vielleicht noch am ehesten. Aber so, wie die Dinge bisher gelaufen sind — sie haben sich mehr oder weniger pragmatisch entwickelt; Anregungen von außen haben eine verhältnismäßig große Rolle gespielt —, meinen wir, daß mit der Bildung des Ministeriums, mit dem Tag, an dem es arbeitsfähig wird, eben ein neuer Ausgangspunkt dafür geschaffen ist, wie die Entwicklungshilfe betrachtet und behandelt werden soll.Ich sagte schon: alle Aufgaben der Entwicklungshilfe müssen in diesem Ministerium zusammengefaßt werden. Strittig ist eigentlich zwischen uns nur der Termin, die Frage, wann das geschehen kann. Gut, darüber müssen wir natürlich in erster Linie dem Minister das Wort lassen.Ich sehe es aber ausgesprochen ungern, daß das Auswärtige Amt zur Zeit die Verhandlungen über die Assoziierung im Rahmen des EWG-Vertrages führt an Stelle des Ministers, den wir doch gerade für diese Aufgaben berufen haben.
Er wäre auch rein persönlich der geeignetste Mann für diese Aufgabe, weil er die Herren alle persönlich kennt. Ich muß schon sagen: Ich sehe es als einen besonderen Knüller bundesrepublikanischer Regierungsweisheit an, einer Weisheit, die ein schlichter Abgeordneter nie begreifen wird, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister zu der gleichen Zeit, während der das Auswärtige Amt in Brüssel die Verhandlungen führt, die Botschafter der assoziierten Staaten aus Brüssel nach Bonn einlädt und hier durch seinen Staatssekretär über die speziellen Auffassungen unterrichten läßt. Es bedarf wohl keiner besonderen Begründung, daß das natürlich nicht dieAuffassung von Entwicklungshilfe ist, die dieses Haus hat.
Ich möchte gleich hinzufügen: ich habe gar keine Lust, wieder die Prügel für das Ergebnis hinzunehmen, wie im Januar in Abidjan. Wie Sie wissen, gehöre ich dem Europäischen Parlament an und auch der Commission permanente paritaire, in der sowohl die europäischen Abgeordneten als auch die Abgeordneten der 16 assoziierten Staaten sitzen. Diese 16 Abgesandten der 16 assoziierten Staaten waren ausgesprochen ungehalten über das Ergebnis der Pariser Konferenz vom Dezember. Sie waren vor allen Dingen über einige psychologische Ungeschicklichkeiten verärgert. Man kann schließlich nicht erwarten, daß die afrikanischen Minister .die Bedeutung eines deutschen Staatssekretärs so genau kennen wie wir,
wo wir doch manchmal auch nicht genau wissen, wer eigentlich regiert,
ob der Minister oder der Staatssekretär.
— Ich sagte gerade: wo man das selbst manchmal nicht genau wissen kann, darf man nicht erwarten, daß das die afrikanischen Minister wissen und sie den Staatssekretär, der ihnen da den Vortrag über die soziale Marktwirtschaft gehalten hat, entsprechend bewerten konnten.Wenn die Bundesregierung erwartet, daß wir, die Abgeordneten, die aus dieser oder jener Funktion heraus die Meinung der Bundesregierung draußen vertreten müssen, und zwar sowohl die Abgeordneten der Opposition wie die der Koalition — denn wir können ja den Partnern gegenüber keine verschiedenen Meinungen vertreten —, wenn die Bundesregierung also erwartet, daß wir dort ihre Haltung vertreten und verteidigen, dann kann das natürlich nur ein Ergebnis der Zusammenarbeit sein.Wir werden im Mai die nächste gemeinsame Sitzung in Straßburg haben, und ich weiß jetzt schon— ich bin darüber informiert worden —, daß unter den Assoziierten eine ganz beträchtliche Erregung herrscht über die Art und Weise der Verhandlung, nicht so sehr über den Inhalt. Aber ich glaube, es ist auch ungeschickt, wenn die Bundesregierung in Brüssel den Anschein erweckt, als ob sie einen bestimmten Teil des EWG-Vertrages in Zweifel zöge. Das sollte man eigentlich immer vermeiden. Es ist doch ganz klar, daß der Abschnitt IV, den selbstverständlich niemand gelesen hat, zum Vertrag gehört, daß er mit die Unterschrift der deutschen Regierung trägt und daß er, coûte que coûte, erfüllt werden muß und daß es immer gut ist, gleich zu zeigen, daß man das tun will; vielleicht kommt man dann sogar in den Verhandlungen etwas billiger weg. Aber ich glaubte doch auf diese Umstände hier aufmerksam machen zu müssen.Wenn wir also in der Kompetenzfrage jetzt im Augenblick nicht drängen wollen, so möchte ich doch noch eine Anmerkung dazu machen. Ich möchte
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Marguliesmich zwar in den Dschungelkrieg der Bürokratie der einzelnen Ressorts nicht einmengen; aber ich sehe doch auch mit einigen Bedenken, daß dieser Krieg neuerdings damit geführt wird, daß einzelne Abgeordnete unter dem Titel „Entsendung von Sachverständigen" in die an sich munter blühende Entwicklungstouristik unserer Bürokratie eingeschaltet werden. Das halte ich doch für einigermaßen bedenklich, und es wird Sache der Haushaltskontrolle sein, zu prüfen, wie die einzelnen Titel und wie die Mittel daraus verwandt worden sind. Als interministerielle Kampfmaßnahme sehe ich das jedenfalls ausgesprochen ungern, und ich hoffe, daß es nur der Erwähnung dieses Umstandes bedurfte, um diesen Mißstand abzustellen.Wenn ich mich bis jetzt mehr mit der Kompetenzfrage beschäftigt habe, die sich sicherlich in absehbarer Zeit dank der wirksamen Tätigkeit des Haushaltsausschusses, der ja im Mai wieder daran gehen will, lösen wird, so darf ich jetzt zunächst einmal einige Worte zu der Frage der Kontrolle sagen. Selbstverständlich hat Herr Kalbitzer recht, wenn er die strikte Kontrolle aller Ausgaben der Entwicklungshilfe durch das Parlament fordert. Das ist an sich so selbstverständlich, daß man darüber gar nicht zu sprechen braucht. Auch die Regierung ist ja bereit, dieser Kontrolle die entsprechenden Möglichkeiten zu liefern. Aber ich glaube, wir sollten auch nichts Unmögliches verlangen. Ich habe mir mal ausgerechnet, wieviel Zeit uns zur Verfügung steht. Wir können damit rechnen, daß am 1. Oktober, jedenfalls in der ersten Woche nach der Sommerdie Beratungen über den nächsten Haushaltsplan beginnen werden; dann sind wir also schon wieder mittendrin. Wir haben damit jetzt noch ganze drei Monate Zeit, zu beraten. Wenn Sie nun mal die Summen ansehen und in etwa überschlagen, um wieviele Einzelpositionen es sich dabei handeln kann, dann kommen Sie auf einige hundert. Diese in der Zeit, die uns noch bis zur Sommerpause zur Verfügung steht, kontrollieren zu wollen, halte ich für unmöglich; das ist technisch nicht möglich, das ist nicht praktikabel.Deshalb bin ich der Meinung, daß die sozialdemokratische Fraktion doch noch einmal überprüfen möge, ob ihr nicht die Zusicherungen, die ihr in bezug auf Information, auf rechtzeitige Unterrichtung gegeben worden sind, genügen können, um dem Einzelplan 23 zuzustimmen, nachdem sie ihn doch im Prinzip anzunehmen bereit ist. Der Änderungsantrag zum Haushaltsgesetz — über den freilich erst heute nacht abgestimmt werden wird — ist, ich bedauere, das noch einmal sagen zu müssen, einfach nicht durchführbar. Wir würden damit für das Parlament eine Kontrolle fordern, eventuell, wenn der Antrag angenommen wird, bekommen, die durchzuführen wir gar nicht in der Lage sind. Aus rein zeitlichen Gründen schaffen wir das nicht. Da hätte ich Bedenken, eine Verantwortung zu fordern, die wir nachher nicht ausüben können.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kalbitzer?
Bitte!
Herr Kollege Margulies, ist Ihnen nicht aufgefallen, daß in unserem Antrag gar keine speziellen Forderungen gestellt sind, wie häufig Sie zusammenzutreten haben und wie detailliert Sie jedes Projekt zu prüfen haben? Könnten Sie nicht erwägen, daß es ausreichte, wenn das Parlament kontrollierte, ob wenigstens die Bürokratie kontrolliert, oder ob sie nur blind zusagt? Das wäre doch die Frage.
Herr Kalbitzer, in Ihrem Antrag lese ich: „ ...bedürfen der vorherigen Unterrichtung des Ausschusses." Also nur gegen diese Formulierung habe ich soeben gesprochen, weil ich das einfach für nicht durchführbar halte. Ich bin mit Ihnen der Meinung, und ich glaube, alle Beteiligten sind der Meinung, daß wir Prinzipien für die Vergabe von Entwicklungshilfe entwickeln sollten und dann prüfen müssen, ob die Bürokratie entsprechend diesen Richtlinien jeden Einzelfall prüft. Wir haben die Zusage der Regierung, daß die von uns bilateral vergebene Kapitalhilfe eine eindeutige Projekthilfe sein muß, also gebunden an ein spezielles, durchaus im einzelnen prüfbares Objekt. Aber der Teil an Kapitalhilfe, den wir bilateral vergeben, ist ja doch nur ein kleiner Teil der Gesamtsumme, und es wird unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß wir auch bei den multilateral vergebenen Mitteln eine ausreichende Einsicht bekommen, ob diese Mittel entsprechend dem von uns vorgeschriebenen Zweck verwendet werden, das heißt also, in einer Weise verwendet werden, die der Stärkung der Wirtschaftskraft der Länder dient, in die diese Entwicklungshilfe fließt.
Ich wollte also nur die Bitte an die Opposition aussprechen, es nun hier nicht an einer Haarspalterei aufzuhängen; der Ausdruck gefällt mir selber nicht, aber es fiel im Moment kein anderer ein. Sie wissen es selbst, und, Herr Kalbitzer, wir haben es mehrfach besprochen, daß es einen bestimmten Punkt gibt, bis zu dem die Dinge vertraulich behandelt werden müssen. Erst von diesem Punkt an kann ,die Kontrolle des Parlaments einsetzen. Diese Kontrolle ist uns zugesagt. Lassen wir doch die Geschichte nun mal ein halbes Jahr laufen, sehen wir einmal zu, wie sich die Zusammenarbeit entwickelt. Sollte sie nicht den Vorstellungen dieses Hauses entsprechen, dann haben wir ab 1. Oktober bei Beratung des neuen Haushalts sofort die Gelegenheit, unseren Willen durchzusetzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Darlegungen des Kollegen Kalbitzer veranlassen mich zu einer kurzen Replik. Herr Kalbitzer, ich möchte zunächst einmal sagen: Es hat mich sehr verwundert, daß Sie in Aussicht gestellt haben, dem Haushalt des Ministeriums Scheel nicht Ihre Zustimmung zu geben. In
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Gewandtden Ausschüssen haben Sie uns von der Regierungskoalition immer zu größeren Taten in bezug auf die Bewilligung von Beamtenstellen und Mitteln veranlassen wollen; und hier versagen Sie nun Ihre Zustimmung. Aber ich möchte eigentlich nur auf die sachlichen Bemerkungen eingehen, die Sie gemacht haben, weil ich meine, daß Sie von falschen Voraussetzungen ausgehen. Zu den prinzipiellen Darlegungen, Herr Kollege Kalbitzer, will ich deshalb nichts sagen, weil ich glaube, daß wir im Prinzip über Sinn und Ziel der Entwicklungshilfe einer Meinung sind.Heute kommt es doch nur darauf an, zu prüfen, in welcher Weise wir eine mißbräuchliche Verwendung von Entwicklungshilfegeldern verhindern können und inwieweit das Parlament mitwirken kann. Es ist schon wiederholt festgestellt worden, daß es eine Hauptaufgabe des neuen Hauses ist, die Auswirkung unserer Entwnicklungshilfe im Ausland zu kontrollieren, und zwar nicht nur eine rechnerische Kontrolle bezüglich der Projekte durchzuführen, sondern auch die Auswirkung auf die Wirtschafts- und Sozialstruktur in den einzelnen Ländern zu beobachten.In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß der Rechnungsprüfungsausschuß bereits im letzten Bundestag die Bundesregierung darauf hingewiesen hat, daß es vielleicht zweckmäßig sei, beim Abschluß internationaler Verträge, in denen Deutschland finanziell verpflichtet wird, darauf zu drängen, daß unsere Art der Rechnungskontrolle zugelassen wird. Wieweit das international durchführbar ist, ist eine zweite Frage.Aber nun lassen Sie mich noch eines sagen zu der Mitwirkung des Parlaments. Es heißt nach dem Beschluß des Haushaltsausschusses ausdrücklich, daß die Unterrichtung der Ausschüsse regelmäßig erfolgen muß, und zwar über den Verhandlungsstand. Das bedeutet, daß sie — nämlich Haushaltsausschuß und Ausschuß für die Entwicklungshilfe — noch während der Verhandlungen in der Lage sind, zu debattieren und ihre Meinung kundzutun und dann natürlich auch die Weichen zu stellen. Das ist eine sehr weitgehende Mitwirkung der Ausschüsse, wie sie bei anderen, vergleichbaren finanziellen Zuwendungen nicht besteht.Im übrigen wird ausdrücklich festgestellt, daß dann, wenn eine Inanspruchnahme nach § 45 b der Reichshaushaltsordnung, d. h. eine Verpflichtung über ein Haushaltsjahr hinaus, angestrebt wird, sogar eine Zustimmung der Ausschüsse erforderlich ist.Ich glaube also, daß wir mit diesen Beschlüssen ein Maximum an Kontrolle gewährleisten. Es kann also nicht mehr vorkommen, daß — nehmen wir einmal das schlechte Beispiel — sich irgendwo ein Potentat auf Kosten der deutschen Steuerzahler einen Palast baut. Die Auswirkungen der Entwicklungshilfe werden kontrolliert, es wird die Durchführung der Projekte kontrolliert. Sie wissen genauso wie wir, daß die Gelder nur projektgebunden gegeben werden, so daß ein Mißbrauch nicht möglich ist.Im übrigen haben wir nach dieser Bestimmung, die der Haushaltsausschuß vorgesehen hat, im Par-lament die ausreichende Möglichkeit, mitzuwirken, ohne dabei die nötige Bewegungsfreiheit der Bundesregierung einzuengen. Ich glaube, das ist ,der richtige Weg. Wir haben später, wenn wir mehr Erfahrungen gesammelt haben, immer noch Gelegenheit, uns zu überlegen, ob andere Formen der Mitwirkung möglich sind.Sie haben eingewandt, Herr Kollege Kalbitzer, daß meine Darlegungen von einer etwas zu traditionellen Betrachtungsweise ausgingen. Herr Kollege Kalbitzer, ich habe mich hier im Rahmen des geltenden Haushaltsrechts geäußert. Wenn Ihnen dieses Haushaltsrecht nicht konveniert, dann muß man sich vielleicht einmal überlegen, ob man .es im Hinblick auf diesen besonderen Tatbestand ändert. Aber im Augenblick können wir eben nichts anderes tun, als im Rahmen des geltenden Rechts unsere Bestimmung zutreffen. Ich glaube, wir haben da dem Hause die beste Lösung vorgeschlagen, die unter den derzeitigen Verhältnissen möglich ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wischnewski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit zwei, drei Sätzen auf das antworten, was der Kollege Gewandt gesagt hat. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die Sozialdemokraten sich im Haushaltsausschuß um die Arbeitsfähigkeit dieses neuen Ministeriums bemüht haben. Wenn man ein neues Ministerium will — das war der Wille der Koalition und entspricht im übrigen auch einer alten sozialdemokratischen Vorstellung, und wir haben von vornherein erklärt, es handle sich nicht um ein Koalitionsministeriums —, dann muß man auch bereit sein, einem solchen Ministerium entsprechende Arbeitsmöglichkeiten zu geben. Dafür haben wir uns eingesetzt.Und nun zu dem, was über die parlamentarische Kontrolle gesagt wurde! Meine Damen und Herren, wenn die Opposition überaus mißtrauisch ist in dieser Frage, dann trägt die Schuld daran die vorige Bundesregierung. Lassen Sie mich das mit aller Eindeutigkeit sagen! Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung 1 850 000 000 DM mehr an Entwicklungshilfe zugesagt, als das Parlament beschlossen hatte.
Es ist kein Ausschuß gefragt worden, kein Mensch ist überhaupt gefragt worden. Wir haben im vergangenen Jahr einen Unterausschuß für Entwicklungshilfe gehabt; Herr Kollege Majonica war Vorsitzender. Es ist nicht einmal der Versuch unternommen worden, diesem Ausschuß zu sagen, daß man mit den zur Verfügung gestellten Mitteln nicht auskommt. Man hat 1 850 000 000 DM mehr zugesagt und versucht, das +in diesem Jahr so mit der linken Hand im Haushaltsgesetz zu regeln. Mit einer solchen Regelung können wir nicht einverstanden sein. Das aber ist der Beweis, daß die parlamentarische Kontrolle im vergangenen Jahr überhaupt nicht funktioniert hat, und da sind wir nun mißtrauisch.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1027
WischnewskiWenn Sie nicht eine vernünftige Regelung herbeiführen, können Sie für diese Milliarden unsere Stimme nicht haben.Bitte schön, Herr Kollege Gewandt!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage: Ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß wir gerade auf Grund gewisser Erfahrungen jetzt im Haushaltsgesetz die Mitwirkung des Parlaments vorgesehen haben,
und zwar eine sehr weitgehende?
Das ist nur eine Information und keine Mitwirkung, eine Information, die sich jeweils erst hinterher auswirken wird.
— Ihre Formulierung, Herr Kollege Gewandt, ist sicher, das gebe ich zu, eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Situation. Nach der jetzigen Formulierung werden Zusagen von 1 850 000 000 DM, ohne daß ein Mensch im Parlament gefragt wird, sicher nicht mehr möglich sein, aber eine rechtzeitige Einschaltung des Parlaments sichert diese Formulierung auch nicht.
Dann noch ein Wort zu dem, was Herr Kollege Margulies gesagt hat. Er meinte, der Ausschuß habe nicht die notwendige Zeit, eine Kontrolle vorzunehmen. Herr Kollege Margulies, der Bund hat bis Ende des vergangenen Jahres für Entwicklungshilfe Zusagen in Höhe von etwa 6 Milliarden gemacht. Diese 6 Milliarden sind zusammengefaßt in 32 Positionen, und ich bin der Meinung, daß wir sehr wohl Zeit haben, in unserem Ausschuß die Notwendigkeit und Richtigkeit dieser 32 Positionen im Rahmen von 6 Milliarden zu prüfen. Deshalb müssen wir auf der Regelung bestehen, die wir vorgeschlagen haben. Andernfalls ist eine Zustimmung zu diesem Haushalt von unserer Seite nicht möglich.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf feststellen, daß die Diskussion, von einzelnen abweichenden Meinungen über bestimmte Komplexe abgesehen, doch eine recht erfreuliche Einheitlichkeit zeigte. Ich freue mich vor allem darüber, daß Herr Kollege Kalbitzer als Sprecher der Sozialdemokratischen Partei sich hinter die Anforderung der Summen, .die zur Diskussion stehen, gestellt hat.Er hat in seiner Rede auch zu Organisationsfragen Stellung genommen und die Frage gestellt, wie der organisatorische Aufbau des Ministeriums und wie die Zusammenarbeit der verschiedenen mit den Fragen der Entwicklungspolitik befaßten Häuser sich in der Zukunft gestalten wird. Die Organisation derEntwicklungshilfe ist eine verhältnismäßig schwierige Angelegenheit. Sie wissen, daß vor nicht allzu langer Zeit die Vereinigten Staaten eine neue Organisationsform entwickelt haben, eine zentrale Behörde, Agency for International Development genannt. Das war, glaube ich, die siebte oder achte Organisationsänderung in dem Gesamtbereich der Entwicklungspolitik. Da die Amerikaner am ehesten begonnen haben, diese Aufgabe praktisch anzufassen, haben sie auf diesem Sektor auch die längste Erfahrung, und es zeigt sich, daß sie bis in die jüngste Zeit hinein noch nicht die beste Form gefunden haben. Ich vermute, die gegenwärtige wird möglicherweise auch nicht die letzte sein.
— Das gilt für die AID, was Sie jetzt sagen; Herr Kollege. Ich vermute also, daß wir, da wir erst Lehrlinge sind, noch einiges Lehrgeld zahlen. Aber wir bemühen uns, die beste Form zu finden, und in diesem Zusammenhang darf ich sagen, daß, noch nicht einmal von allen erwartet, diese erste Art der Abgrenzung der Aufgaben sich bis heute sehr positiv ausgewirkt hat.Herr Kollege Kalbitzer hat davon gesprochen, daß die Öffentlichkeit jetzt mit viel mehr Kritik an das Problem der Entwicklungspolitik herangeht als früher. Das ist schon richtig. Aber ich glaube, man kann nicht deutlich genug sagen, daß die Richtung, die die Kritik in gewissen Zeitungen nimmt — nämlich immer wieder den Eindruck zu erwecken, als würde die Bundesregierung Dinge finanzieren, die sie dann in illustrierten Zeitungen wiederfindet —, nicht weitergegangen werden sollte, weil sie falsch ist.
Es muß nun einmal festgestellt werden, daß die Bundesregierung jetzt und auch in der Vergangenheit bei der Finanzierung der Entwicklungshilfe in allen Fällen ohne Ausnahme nur Projekte finanziert hat, die sie kannte, und Projekte, von denen sie der Meinung war, daß sie dem Wohle und der Verbesserung des Lebensstandards der Völker dienten.Das muß nun endlich einmal festgestellt werden. Weder der Palast, der immer wieder durch die Zeitungen geistert, noch das goldene Bett, das durch die Zeitungen geht, noch goldene Bestecke oder kostbare Porzellanservice sind von der Bundesregierung finanziert worden. Das sind ganz andere Quellen gewesen, wobei man nebenbei bemerkt einmal unterstellen darf, daß auch die Sitten in anderen Kontinenten andere sind als bei uns.
— Und die Unsitten.
Ich habe mich über die nüchterne Art gefreut, in der Herr Kollege Kalbitzer die Entwicklungspolitik insgesamt definiert hat: als eine langfristige eigenständige Aufgabe, deren Phasen manchmal einen anderen Verlauf nehmen als diejenigen, die unserem außenpolitischen Interesse und der jeweiligen Interessenlage unserer Volkswirtschaft entsprechen. Die Kunst ist es eben, diese Gebiete möglichst im-
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Bundesminister Scheelmer in Übereinstimmung zu bringen, und da geben wir uns die allergrößte Mühe.Ich darf Herrn Kollegen Kalbitzer sagen, daß sein Verdacht nicht berechtigt ist, die ganze Entwicklungspolitik und das ganze Finanzierungsgeschäft würden von der Bürokratie gemacht, ohne daß irgend jemand darauf Einfluß nehmen könnte. Es wird Ihnen nicht entgangen sein, daß bei den politisch wichtigen Entscheidungen das Kabinett die entscheidende Stelle ist und daß in fast allen diesen Fällen Kabinettsdiskussionen vor der Entscheidung stattgefunden haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?
Bitte sehr.
Herr Minister, wenn das so ist, welche Hemmungen haben Sie dann, dem Parlament oder einem entsprechenden Ausschuß es zu gleicher Zeit vorzulegen?
Das will ich ja, das ist ja vorgesehen. Ich komme jetzt im einzelnen darauf.
Die Anregung von Herrn Kalbitzer, eine gesetzliche Grundlage für die Entwicklungspolitik insgesamt zu schaffen, halte ich für erwägenswert. Ich glaube, wir müssen uns in Kürze mit dieser Frage im Parlament befassen. Ich darf aber sagen, Herr Kollege Kalbitzer, daß die Bürokratie ja doch nicht so ganz wertlos ist; denn Ihre Vermutung, daß die berühmten 1,85 Milliarden DM auf Grund des § 45 b der Haushaltsordnung im vergangenen Jahr zusätzlich bewilligt worden sind, ohne daß der Empfänger der Gelder eine Vorbehaltsklausel zur Kenntnis bekommen hätte, trifft nicht zu. Die Bürokratie hat — ich habe mich davon überzeugt — stets sehr genau und präzise dafür gesorgt, daß alle die Bewilligungen, die ohne parlamentarische Zustimmung gegeben worden sind, einen Vermerk tragen, daß die parlamentarische Bewilligung noch nachgeholt werden muß und daß insoweit abgeschlossene Verträge naturgemäß nicht wirksam werden können. Das darf ich hier, auch um Mißverständnissen vorzubeugen, feststellen.
— Wir bekommen ja auch die nachträgliche Bewilligung des Parlaments für diese Zusage, Herr Kollege Wischnewski.
Nun komme ich zu den Bemerkungen des Herrn Berichterstatters, der wie die Herren Kollegen von der SPD das Hauptgewicht auf die Kontrolle und auf die Beobachtung der Wirkung der Entwicklungshilfe gelegt hat. Meine Damen und Herren, der Vorschlag, den Sie .in Tit. 570 finden — ich darf ein-
mal davon ausgehen, daß im Bereich des Tit. 300 alles zur Zufriedenheit des ganzen Hauses geregelt worden ist —, kommt, glaube ich, den Wünschen des Parlaments in einem überaus großen Umfang entgegen. Denn eines muß ja festgehalten werden: nach dem Grundgesetz besteht nun einmal eine Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive, die — schon um der Kontrolle willen — berechtigt ist; denn wenn sie nicht bestünde, gäbe es keine Kontrolle. Deswegen, glaube ich, kann die Mitwirkung des Parlaments nur einen beschränkten Umfang annehmen. Wenn ich für jedes einzelne Projekt, für jeden einzelnen Vorgang eine Bestätigung des Parlaments hätte — und sei es nur durch die Information —, wäre ja eine Kontrolle nachher einfach ausgeschlossen, wir wären sozusagen zu Verbündeten geworden, das Parlament hätte gar keine I Grundlage mehr, die Regierung zu kontrollieren. Deswegen haben wir versucht, einen anderen Weg zu gehen.
Meine Damen und Herren, wie sieht denn diese Art der Kontrolle aus? Hier ist noch nicht deutlich zum Ausdruck gekommen, daß wir nicht nur im nachhinein die beiden Ausschüsse über das informieren wollen, was die Regierung getan hat, sondern — ich darf hier zitieren —:
Die Bundesregierung unterrichtet den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Entwicklungshilfe des Deutschen Bundestages in regelmäßigen Zeitabständen über den Stand der Zusagen,
— das ist eine vollzogene Sache —
den Verhandlungsstand bei wichtigen Projekten und über die Auszahlungen auf dem Gebiet der Kapitalhilfe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was heißt das denn, daß wir die beiden Ausschüsse über den Verhandlungsstand unterrichten? Das heißt doch, daß wir bereit sind, die wichtigen Projekte — und zwar bevor eine Zusage gegeben worden ist — in regelmäßigen Abständen mit den beiden Ausschüssen zu diskutieren. Was heißt „Abstände", und wo sind die Möglichkeiten? Meine verehrten Kollegen, ich darf doch darauf hinweisen: Der Ausschuß hat es in der Hand, seine Termine festzulegen und seine Tagesordnung aufzustellen, eine Tagesordnung, die die Verpflichtung enthält, Bericht zu erstatten. Das ist doch Sache des Ausschusses.
Zu einer Zwischenfrage Herr Abgeordneter Kalbitzer.
Herr Minister, könnten Sie mir sagen, wo in der Klausel, für die Sie sich so Warm einsetzen und die auf Seite 18 des Mündlichen Berichts steht, das Wörtchen „bevor" steht, auf das Sie immer so drängen und das ich leider nicht finden kann? Ich sehe nur, daß Sie hinterher Bericht erstatten wollen und ,daß 'Sie freistellen, es vorher zu tun, aber daß Sie es nicht hineinschreiben. Warum schreiben Sie es nicht hinein, wenn Sie davon sprechen?
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Das muß wohl ein Mißverständnis sein. Es heißt doch hier: „den Verhandlungsstand bei wichtigen Projekten". Wenn das Projekt erledigt ist, gibt es keinen Verhandlungsstand mehr; dann gehört das zu den Zusagen oder zu den Auszahlungen. Ich glaube, das ist eindeutig, daß wir hier die Bereitschaft erkennen lassen, über die eingeleiteten Verhandlungen mit dem Ausschuß zu diskutieren, bevor eine Zusage gegeben wird. Nehmen Sie es mir doch ab, daß das nicht etwa eine Methode sein soll, das Parlament zu düpieren, sondern daß wir die Absicht haben, mit dem Parlament zusammenzuarbeiten. Das geht doch, meine verehrten Kollegen, schon aus folgendem hervor. Lesen Sie doch einmal den nächsten Satz! Was hier beanstandet worden ist, nämlich das Parlament habe zu den 1,58 Milliarden nichts sagen können, wird doch in der Zukunft dadurch ausgeschlossen sein, daß wir bei Anwendung des § 45 b der Reichshaushaltsordnung in jedem Falle den Ausschuß vorher befragen wollen. Hier steht ja:
Die Bundesregierung unterrichtet rechtzeitig die beiden Ausschüsse, falls wegen eines Einzelfalles § 45 b RHO zur Anwendung gebracht werden soll.
Das „rechtzeitig" bedeutet selbstverständlich „vorher".
— Das ist der letzte Satz des zweiten Absatzes der Erläuterungen zu Tit. 570 auf Seite 18. Das heißt doch, meine verehrten Kollegen, daß wir die nicht abgeschlossenen Verträge diskutieren wollen. Darüber, daß wir, falls tatsächlich die Ermächtigung in Anspruch genommen werden soll, die der Herr Bundesfinanzminister auf Grund des § 45 b hat, den Ausschuß vorher zu unterrichten gedenken, kann, glaube ich, eine Regierung gar nicht hinausgehen. Das ist wirklich das weitestgehende Entgegenkommen, das wir hier zeigen konnten.
— Das steht hier auf Seite 18!
Ich möchte annehmen, daß wir mit dieser Regelung in der Tat zu einer vernünftigen Zusammenarbeit kommen. Ich darf Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, daran erinnern, ,daß dieses Verfahren nicht neu ist. Es hat sich gerade in der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesfinanzminister und dem Haushaltsausschuß bei Anwendung des § 33 der Reichshaushaltsordnung in der Vergangenheit hundertfach bewährt. Kein Mitglied des Haushaltsausschusses hat sich bisher über dieses Verfahren beschweren können. Genauso ist es bei der Zusammenarbeit der Bunderegierung mit dem Handelspolitischen Beirat gewesen, bei der sich dieses Verfahren ebenfalls bewährt hat, ein Verfahren, .das wir jetzt als Verbesserung hier einführen wollen.
Der Antrag der SPD-Fraktion bringt natürlich — darauf hat Herr Kollege Margulies mit Recht hingewiesen — auch technische Schwierigkeiten mit sich. Ich habe einmal festgestellt, was beispielsweise der Punkt 2 dieses Antrags bedeuten würde, wenn nämlich dem § 23 ein dritter Absatz hinzugefügt
werden sollte. Pro Quartal gibt es hier im Durchschnitt 5000 Geschäftsvorgänge. Ich glaube, es hieße das Parlament überfordern, wenn man es hier einschaltete. Das würde die Kontrolle des Parlaments geradezu aus den Angeln heben. Das könnte eine Methode sein, das Parlament von der wirklichen Kontrolle abzuhalten, indem es mit Papier überschwemmt würde. Das ist der Grund, warum ich darum bitten möchte, von diesem Antrag abzusehen und einmal abzuwarten, wie ernst es der Bundesregierung mit ihrer Entschlossenheit ist, mit dem Parlament zusammenzuarbeiten.
Meine Damen und Herren! Ich habe in der Diskussion festgestellt, ,daß erfreulicherweise — was nicht in allen politischen Bereichen ,der Fall ist — in allen Fraktionen völlige Einigkeit über die Grundlagen der Entwicklungspolitik und ihre Notwendigkeit besteht. Hier brauchen wir nicht mehr zu erklären, warum wir Entwicklungspolitik treiben. Es besteht Einigkeit über die Höhe der Mittel, die wir zur Verfügung stellen müssen, aber auch über die Leistungsgrenzen, denen wir selbst unterliegen.
Die Bundesregierung wird sich bemühen, die Zusammenarbeit mit dem Parlament so zu gestalten, daß das Parlament zufrieden sein wird. Niemand ist mehr an einer Kontrolle auf diesem Gebiete interessiert, einer Kontrolle, 'die tatsächlich den Steuerzahler zufriedenstellt, wie ihm gegenüber notwendig ist, als die Bundesregierung und das zuständige Ministerium.
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bemerkungen sowohl des Herrn Ministers wie auch der Herren Gewandt und Margulies veranlassen mich, noch einige kurze Ausführungen zu diesem Kapitel zu machen.Erstens. Es besteht gar kein Zweifel, daß die sozialdemokratische Fraktion im Haushaltsausschuß alle Versuche unternommen hat, um dieses Ministerium arbeitsfähig zu machen.
Zu diesem Beschluß steht die sozialdemokratische Fraktion heute noch genau wie damals.
Ich will nicht auf das Verhalten der Koalition in dieser Frage zurückkommen. Ich möchte nur sagen: wir, die sozialdemokratische Fraktion, haben alle Anstrengungen unternommen, um dieses Ministerium arbeitsfähig zu machen.
Zweitens. Wir haben hier Kritik geübt und haben Kontrolle verlangt aus dem ganz einfachen Grund,
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1030 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Hermsdorfweil wir in der bisherigen Entwicklungspolitik, die von der vorhergehenden Regierung betrieben worden ist, nicht im mindesten mit der Vergabe der Mittel einverstanden waren, weil wir immer erst hinterher gefragt worden sind, wenn wir auf die Nase gefallen waren.
Drittens. Wir haben im Haushaltsausschuß vorgeschlagen — das ist auch hier wieder durch meinen Kollegen Kalbitzer geschehen —, einen qualifizierten Sperrvermerk anzubringen. Das ist im Haushaltsausschuß abgelehnt worden. Dafür haben sie einen Vermittlungsvorschlag gemacht, aber — jetzt kommt der entscheidende Punkt — nur zum Titel 570 und nur zum Einzelplan 23. Aber, Herr Minister, der entscheidende Punkt ist doch, daß diese Kontrolle, die im Einzelplan 23 festgelegt ist, sich auf ganze 150 Millionen DM bezieht, während in § 22 des Haushaltsgesetzes, wo von Beträgen über 1,5 Milliarden DM die Rede ist, nicht ein einziges Wort über die Kontrolle gesagt worden ist. Nur darauf kommt es an, daß Sie bereit sind, dieselbe Zusage, die bei den 150 Millionen DM gegeben worden ist, auch bei den 1,75 Milliarden DM zu geben.
— Wenn Sie uns diese Zusage geben, sind wirschon ein ganz wesentliches Stück weitergekommen.Ich möchte ganz offen sagen, unsere ablehnende Haltung war ausschließlich von der Frage der Kontrolle diktiert. Wir stellen nochmals fest, das hat nichts mit dem Minister und dem Ministerium zu tun. Im Gegenteil, wir sind der Auffassung, daß sich der Minister alle Mühe gibt, Ordnung in das Gehäuse zu bringen. Es hat des weiteren auch nichts mit unserer Einstellung zur Entwicklungshilfe als ganzer zu tun. Wir sind für diese Entwicklungshilfe. Sie haben gegen unseren Willen sogar noch Streichungen vorgenommen. Wir werden uns deswegen jetzt bei der zweiten Lesung der Stimme enthalten. Wenn wir eine verbindliche Erklärung des Herrn Ministers hinsichtlich der Kontrolle des Betrages von mehr als 1,5 Milliarden DM bekommen, werden wir uns noch einmal über diese Frage unterhalten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Ich darf auf die Frage des Herrn Kollegen Hermsdorf hier erklären, daß sich unsere Bereitschaft selbstverständlich auch auf die Bindungsermächtigung bezieht. Selbstverständlich!
Gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Kalbitzer?
Bitte sehr.
Herr Minister, darf ich unterstellen, daß Sie also auch bereit sind, zuzustimmen, daß §§ 22 und 23 des Haushaltsgesetzes um einen entsprechenden Passus ergänzt werden?
Ich glaube, mit dieser meiner Erklärung ist Ihrem Anliegen in vollem Umfange Rechnung getragen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23 in der Fassung des Haushaltsausschusses. Wer zustimmen will, gebe Zeichen! — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 25 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung .Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Heiland. Wünscht er das Wort? — Das ist nicht der Fall.Wir beginnen mit der allgemeinen Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jacobi.Jacobi ,(SPD) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte der Versuchung widerstehen, eine größere wohnungspolitische Debatte auszulösen, obwohl es an sich Anlässe genug hierfür gibt. Aber wir befinden uns wieder einmal — wie jedes Jahr, wenn der Haushalt beraten wird — in Zeitnot, und ich möchte Rücksicht auf dieses Haus nehmen, das heute noch eine ganze Reihe von Einzelplänen in zweiter Lesung zu verabschieden hat.Hinzukommt, daß der verantwortliche Ressortchef, Herr Bundeswohnungsbauminister Lücke, durch seinen bedauerlichen Unfall, der ihn immer noch an seine Wohnung fesselt, verhindert ist, heute und hier Rede und Antwort zu stehen. Wir hätten ihn vieles zu fragen und ihm manches ausführlich zu sagen. Das muß nun zu einem anderen Zeitpunkt geschehen. Wir möchten um der Sache willen, um die es dabei geht, aber auch aus kollegial-menschlichen Gründen hoffen, daß nicht noch Monate darüber vergehen müssen. 'Wir möchten in dieser Stunde unser Bedauern über das Mißgeschick zum Ausdruck bringen, das den Herrn Minister von seinen Amtsgeschäften fernhält, und ihm eine baldige Genesung wünschen.
Wir haben mit dem Bundesminister Lücke oft die Klingen gekreuzt, und das wird sicherlich auch in Zukunft gelegentlich geschehen, wenn er einen Kurs steuert, den wir nicht für richtig halten. Aber das
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Jacobi
kann uns nicht davon abhalten, einen wirklich ehrlich gemeinten Wunsch auszusprechen. Wir können Gegner sein, wir müssen uns nicht als Feinde gegenüberstehen.Ich beschränke mich nach dem Gesagten namens der SPD-Fraktion auf einige allgemeine Bemerkungen und verbinde mit ihnen zugleich die Begründung unserer Änderungsanträge, die Ihnen auf Umdruck 60 seit einigen Tagen vorliegen.Aus dem schlichten Bundeswohnungsbauminister ist mit der neuen Regierungsbildung ein Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung geworden. Das ist zunächst nur ein Firmenschild. Wir und mit uns die mit Recht wißbegierige Öffentlichkeit sind auf Vermutungen angewiesen, was denn da eigentlich an neuen Aufgaben angepackt werden soll, welche Zielvorstellungen bestehen und wie sie verwirklicht werden sollen. Wenn man den Haushalt betrachtet, so ist bis auf neue Stellenanforderungen kaum etwas von einer neuen Linie oder gar von einer neuen Konzeption zu entdecken. Zwar wird überall verkündet, die Wohnungsbauförderung könne allmählich zu Ende gehen, da der Wohnungsnot im wesentlichen der Garaus gemacht sei, und nun beginne die große Aufgabe des Städtebaus und der Raumordnung. Der Haushalt vermittelt hierfür keinerlei Anhaltspunkte.
— Den kenne ich, aber ich weiß auch, was dahintersteckt und was damit gemacht werden kann. Ich komme noch auf einige Punkte in diesem Zusammenhang zu sprechen. Unterstellen Sie mir bitte nicht, daß ich den Haushalt nicht genau studiert hätte.
Es sind eine Reihe neuer Gesetze angekündigt worden, und das sogar in verschiedenen Lesarten, kann man sagen. Über diese können wir heute noch nicht sprechen; sie liegen noch nicht vor. Wir werden also sehen müssen, wie wir sie beurteilen können. Wir haben aber dennoch einige Fragen, nämlich folgende: Wie steht es, wenn von Städtebau und Raumordnung so viel gesprochen wird, eigentlich hinsichtlich der Abstimmung mit den Ländern? Wie weit ist man da? Was hat man einzuleiten begonnen? Wie steht es hinsichtlich der Abstimmung mit den Städten, bei denen die Städteplanung und die Sanierung eine Rolle spielt? Was hat man getan, um Bund, Länder und Städte an die Aufgaben heranzuführen und zu einer Kooperation zu bringen? Was ist das Leitbild der raumordnungspolitischen Vorstellungen der Bundesregierung, die ja vorliegen müssen, wenn man das Aufgabengebiet der Raumordnung mit mehr als Worten anpacken will? Schließlich meinen wir, daß in der Wohnungsbauförderung die Erkenntnis ersichtlich sein muß, wie man sich bei einem weiteren Auslaufen der bundesseitigen Wohnungsbauförderung eine Konzentration auf die dringlichsten Aufgaben denkt, was man tun will, um keine weiteren Zersplitterungen entstehen zu lassen. Insofern ist ein Blick in den Haushalt nur nach der negativen Seite hin aufschlußreich.Es ist heute wiederholt, so aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers, betont von der Notwendigkeit einer konstruktiven Opposition die Rede gewesen. Nun, dazu gehört, daß diese Opposition nicht nur negative Kritik übt, sondern daß sie Anregungen unterbreitet. Mit einigen Fragen, die ich nun stelle, will ich solche Anregungen verbinden und möchte Sie bitten, darüber nachzudenken.Wir möchten wissen, wie es mit dem Ansatz der restlichen Mittel auf die dringlichsten Aufgaben bestellt ist, d. h. welche Vorarbeiten geleistet sind und welche Gedanken über einen konzentrierten Einsatz dieser Mittel bestehen, ob man bereit ist, sie zur Überwindung der noch bestehenden wirklichen Notstände einzusetzen, ohne sie nach der bisherigen Praxis zu verzetteln, etwa unter dem Leitmotiv allgemeiner gesellschaftspolitischer Detailziele.Wir möchten wissen, was man zu tun gedenkt hinsichtlich der stärkeren Förderung der Wohnungsversorgung der wirklich Minderbemittelten, die sich sonst nicht helfen können. Wir wissen, daß zumindest bei denen unter Ihnen, die im Ausschuß mit uns zusammenarbeiten, aber wohl auch bei allen anderen. die die Praxis und den Alltag kennen, kein Zweifel darüber besteht, daß hier noch sehr viel mehr zu tun ist, als gemeinhin zugegeben wird.Uns scheint es ebenso vordringlich — und darauf zielen zum Teil unsere Änderungsanträge —, eine bessere Wohnungsversorgung der jungen Familien und alter Leute zu verwirklichen und dies ebenfalls nach den sachlichen Erfordernissen, entsprechend dem effektiven Bedarf, zu tun.Wir meinen, 'daß die Forderung der Eigentumsmaßnahmen in Zukunft mehr und mehr, wenn nicht sogar ausschließlich, durch Bürgschaften und zeitweilige Zinszuschüsse erfolgen sollte. Wir glauben, daß Kapitalsubventionen, die ja nach der eigenen Politik der Regierung immer mehr in Fortfall kommen sollen, hier in der Tat allmählich entbehrt werden können.Wir erwarten, daß die Modernisierung des Altwohnungsbestandes in Zukunft nach dem Bedarf durch Bürgschaften und zeitweilige Zinszuschüsse für Fremdkapital erfolgt, ohne Rücksicht auf den Rechtsträger.Wir regen an, die städtebauliche Sanierung mit zahlreichen anderen, jetzt zersplitterten Maßnahmen, wie z. B. den Demonstrativbauten, zu koppeln und zu verbinden.Wir mahnen, den nicht mehr begreifbaren Perfektionismus im Wohnungsbau für Zuwanderer und ähnliche Kategorien zu beseitigen. Auch sind wir der Meinung, daß die Zersplitterung in der Verwendung der gesetzlich gebundenen Rückflüsse endlich aufgegeben werden und an ihre Stelle ein konzentrierter Einsatz treten sollte. Es handelt sich ja immerhin um 160 Millionen DM.Schließlich erscheint uns auch die Aufspaltung nach Zinszuschüssen und ,Aufwendungsbeihilfen bei jeder Einzelmaßnahme entbehrlich. Wir sollten uns alle gemeinsam Gedanken darüber machen, ob man bei diesen Punkten, die ich erwähnte — weitere will ich hier nicht vortragen —, nicht doch in gemein-1032 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 104 April 1962Jacobi
saurer Arbeit weiter kommen könnte, als das bisher der Fall war. Jeder weiß, daß der Anteil der Mietbeihilfen mehr und mehr steigen wird, da sie jetzt — und demnächst wird es in noch viel stärkerem Umfang der Fall sein — eine Art Finanzierungselement geworden sind.Wir sind über das fortgesetzte Ansteigen der Mieten, auch im sozialen Wohnungsbau, sehr besorgt. In fast allen Ländern liegen die Sätze, wenn demnächst die Aufwendungsbeihilfen auslaufen, auf einer Höhe, die bedenklich ist. Wir haben ausgerechnet, daß wir. im 'Schnitt mit 2,50 oder 2,60 oder 2,80 DM pro Quadratmeter, wenn nicht noch mehr, rechnen müssen. Das sind Beträge, die erhebliche Sorgen auslösen. Wir sollten uns nicht einfach damit abfinden, zu sagen, dafür seien die Mietbeihilfen da. Das wäre justament eine Entwicklung, die sicherlich 'bedauerlich wäre. Wir behalten uns vor, mit Rücksicht auf die Abwesenheit des Ministers auf diesen sozial, aber auch gerade jetzt ebenso lohnpolitisch-konjunkturell sehr bedeutsamen Fragenkomplex zurückzukommen.Wir könnten zur Wohnungspolitik noch vieles sagen. Aber wir werden demnächst dazu ausführlich Gelegenheit haben, wenn die Große Anfrage der SPD über die Baulandpreise, wie wir annehmen, Mitte Mai beraten wird und wenn der von Ihnen in der Öffentlichkeit vielfach angekündigte Gesetzentwurf über Maßnahmen zur Beeinflussung der Baupreise erörtert wird.Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß es diesem Jahre noch keine Besorgnis über die Wohnungsbauergebnisse geben muß. Ende 1961 hatten wir bereits 555 000 neue Wohnungen im Bau: Überhangsbauten, die sich in diesem Jahre auswirken, und weitere 182 000 bereits genehmigte, aber noch nicht begonnene Bauten. Diese Produktion reicht bis weit nach 1963 hinein. Wir werden also 1962 dank der fortgesetzten gemeinsamen Anstrengungen sicherlich wieder ein Wohnungsbauergebnis um 550 000 herum haben.Aber es gibt Schatten und Bedrohungen für den Wohnungsbau im Jahre 1963, die sich heute bereits deutlich abzeichnen. Ich brauche nur die Baulandpreise, die Baupreise und die jetzt angekündigten Beschränkungen zu erwähnen. Wir haben die Sorge, daß von ihnen auf weitere Sicht auch der Wohnungsbau erfaßt wird, sowohl im ganzen, als auch was von den öffentlich geförderten Wohnungsbau betrifft.Hierzu werden wir nachher, wenn wir Ihren Antrag auf Neufassung des § 8 des Haushaltsgesetzes diskutieren, mit einem eigenen Antrag und durch Fragen klarstellen, ob und inwieweit der öffentlich geförderte Wohnungsbau von dieser Maßnahme ebenfalls betroffen wird. Vielleicht stellt 'sich heraus, daß unsere Sorgen unbegründet sind. Aber wir möchten das durch reine exakte Erklärung der Regierung abgesichert wissen.Wir erwarten im übrigen seit langer Zeit eine Reihe von angekündigten Gesetzen, deren beschleunigte Vorlage unerläßlich ist, weil wir Zeit brauchen, sie 'sorgfältig zu beraten. Wir dürfen nichtwieder Gefahr laufen, in eine Art Galoppberatung hineinzugeraten, die Gesetzen niemals zuträglich war. Wir haben darüber leidvolle Erfahrungen in der Vergangenheit genug sammeln können. Wir erwarten also das Gesetz über ein 'soziales Miet-und Wohnrecht, das Gesetz gegen Mietwucher, von dem so oft die Rede ist, aber leider nicht in einem beruhigenden Sinne, weil man sich zwischen den Ressorts offenbar nicht darüber klar ist, wie man diesen Skandal, der zum Himmel schreit, anpacken will. Wir erwarten die oft angekündigte Novelle zum Zweiten Wohnungsbaugesetz. Wir hoffen auf konkrete Vorstellungen der Regierung zum Gedanken der Raumordnung, eventuell sogar auf ein eigenes Gesetz der Regierung. Wir erwarten das Gesetz zur städtebaulichen Neugestaltung einschließlich der Sanierung und ein entsprechendes Finanzierungsgesetz, um nur einige wiederholt angekündigte Vorlagen zu 'erwähnen.Nun zu unseren Anträgen. Wir haben zunächst einen Antrag auf Streichung des Ansatzes für die Veröffentlichungen des Ministeriums in Tit. 310 gestellt. Wir sind der Meinung, daß genügend Möglichkeiten anderer Art als etwa durch die Herausgabe von teuren Drucksachen und Broschüren bestehen, dem Ministerium Gehör zu verschaffen und der Öffentlichkeit klarzumachen, was das Ministerium plant und tut. Die Tatsachen und Erfolge sprechen dann doch gegebenenfalls von sich aus 'ausreichend genug. Aber wir können nicht zugeben, daß — wie es heißt — ,,die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Tätigkeit des Ministeriums, 'insbesondere zur Förderung des Eigentumsgedankens, des Städtebaus und über die Ergebnisse der Bauforschung .. . im dringenden Bundesinteresse" liegt. Wir haben nach gewissen Erfahrungen, auch mit anderen Ressorts, ein wenig Sorge, daß hier das Bundesinteresse mit dem Regierungsinteresse sehr stark verwechselt wird. Deshalb schlagen wir vor, den Ansatz um 100 000 DM zu kürzen.
— Doch, dann bleiben immer noch 50 000 DM übrig.
— Nun ja, das ist eine Situation, die auch nicht bedrohlich ist; denn es gibt andere Bundesmittel, mit denen Regierungspropaganda und Unterrichtung betrieben werden kann. Das kann der Herr Bundeswohnungsbauminister in anderer Weise bewerkstelligen. Wir haben jedenfalls diesen Antrag gestellt; Sie können ihn ja ablehnen.
Im übrigen wird die Praxis erweisen, ob unser Mißtrauen berechtigt war oder ob wir durch Sie ins Unrecht gesetzt werden, wenn wir diesen Streichungsantrag vertreten.Wichtiger erscheinen uns die beiden anderen Anträge. Da ist zunächst einmal der Tit. 545. Nach den Erläuterungen, die Sie auf' Seite 19 finden, kann der Betrag als Ersatz für fehlendes Eigenkapital im Familienheimbau verwendet werden. Wir halten das für 'bedenklich, weil wir auf Grund der Praxis des
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Ministeriums besorgt sind. Es ist nämlich zu befürchten, daß auch dieser Titel überwiegend dem Familienheimbau zugute kommt. Für diesen Familienheimbau gibt es aber den Tit. 606 mit einem Ansatz von 25 Millionen DM. Ich will in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß der Tit. 545 damals auf Grund einer Bundestagsentschließung geschaffen worden ist, um .die Wohnungsversorgung junger Familien, die nicht in der Form von Familienheimen zu Wohnungen gelangen, zu ermöglichen. Dazu lag ursprünglich ein SPD-Gesetzentwurf vor. Er ist nicht mehr beraten worden. Später hat die CDU den. Gedanken aufgegriffen anläßlich der letztjährigen Haushaltsberatung und eine entsprechende Ermächtigung gebracht, die jetzt mit einem Teilansatz von 20 Millionen DM verwirklicht werden soll. Dabei muß aber dieser Betrag entsprechend der Vorgeschichte auch tatsächlich der Förderung des Mietwohnungsbaus für junge Familien vorbehalten bleiben.
— Nein, wir haben Anhaltspunkte dafür, daß das in keiner Weise sicher ist. Bitte, sehen Sie sich einmal freundlicherweise die Erläuterungen dazu an. Wer will, kann damit auch etwas anderes treiben.
Wir haben die Pflicht, der besonderen Not der jungen Familien Rechnung zu tragen, die eben doch zum großen Teil leider nicht in der Lage sind, in absehbarer Zeit an einen Familienheimbau zu denken. Wir wollen doch, verehrte Damen und Herren, uns nicht mehr in solchen optimistischen Hoffnungen wiegen, wie es sie eine Zeitlang gab, als Herr Lücke — damals war er noch nicht Minister — sinngemäß erklärte, sein Ziel sei, daß der Bräutigam der Braut am Tage der Hochzeit den Schlüssel zum Eigenheim übergebe. Das ist wunderschön, aber es hat sich doch infolge der Verhältnisse als eine utopische Hoffnung herausgestellt. Das ist also ein Konzept, das sich leider Gottes nicht verwirklichen läßt. Es ist eine wohnliche Unterversorgung der jungen Familien vorhanden. Wir beantragen, den Betrag, von dem hier die Rede ist, auf 50 Millionen DM zu erhöhen mit der klaren Erläuterung, daß daraus Darlehen an junge Familien zur Erlangung einer Miet- oder Genossenschaftswohnung gegeben werden sollen. Die Erhöhung ist eben damit begründet, daß es wesentlich mehr junge Familien gibt, die wohnlich noch nicht versorgt sind und eine Mietwohnung anstreben und ohne diese Erhöhung gar nicht untergebracht werden können, mehr jedenfalls als solche, die sich ein Familienheim bereits leisten können.Nachdem aber für die Wohnungsförderung junger Familien in Form von Familienheimen in Tit. 606 die erwähnten 25 Millionen angesetzt sind, muß für Mietwohnungen mindestens ein Betrag von 50 Millionen DM gegeben werden. Dieser Betrag ist, wie Sie zugeben werden, gegenüber den tatsächlichen Erfordernissen noch äußerst gering veranschlagt.Hinsichtlich der Erläuterungen zu diesem Titel gemäß unserem Umdruck 60 bitte ich erstens um Berichtigung eines Schreibfehlers. Es muß heißen: Zur Erlangung einer Miet- oder Genossenschaftswohnung — statt Miet- und Genossenschaftswohnung. Das „und" ist also durch ein „oder" zu ersetzen.Zweitens bitte ich für den Fall einer Ablehnung des eigentlichen Antrages, also der Titelerhöhung, um getrennte Abstimmung zu unserem Textänderungsantrag zu den Erläuterungen; denn diese Erläuterungen haben ihre Bedeutung auch für den Fall, daß es bei der von der Bundesregierung vorgesehenen Summe von 20 Millionen DM bleibt. Ich habe die Gründe hierfür angeführt.Was nun hinsichtlich der wohnlichen Unterversorgung der jungen Familien zu beklagen ist, was hinsichtlich unzähliger junger Menschen, ihrer Wohnungsnot und ihrer Verzweiflung zu sagen ist, das gilt in ähnlicher Weise auch für viele unserer alten Menschen. Wir kennen hier besonders erschütternde Notstände. Wir beantragen deshalb, einen neuen Haushaltstitel 607 einzuführen und vorerst einen Betrag von 20 Millionen DM dabei auszuwerfen für die Förderung von Alterswohnheimen und Altersheimen. Wir meinen, daß die Bundesregierung und der Bundestag sich nicht länger mehr der besonderen Aufgabe entziehen können, auch für den Bau von Alterswohnheimen und Altersheimen etwas zu tun, wie dies längst in allen anderen europäischen Ländern in großem Umfange geschieht. Wir haben bis jetzt einen solchen Sonderantrag nicht gestellt in der Hoffnung, daß endlich einmal die verschiedenen Sonderförderungen beendet und in eine Förderungsmaßnahme zusammengefaßt werden. Das ist nicht geschehen. Vielmehr hat das Ministerium die Aufsplitterung geradezu weiter ausgebaut. Nachdem dies aber so ist, kann jetzt die Förderung von Alterswohnheimen nicht mehr vernachlässigt werden. Durch die Schaffung solcher besonderer Wohnanlagen oder entsprechender Kleinwohnungen im Rahmen anderer Wohn- und Siedlungsanlagen wird auch erreicht, daß die Auflockerung in den vorhandenen Wohnungsbeständen mit ihrer beklagenswerten Doppelbelegung gefördert wird und daß entsprechend größere Wohnungen für die nachwachsende Bevölkerung frei gemacht werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir bitten Sie, sich mit unseren Erwägungen und Argumenten auseinanderzusetzen.
Wir würden es um der Betroffenen willen bedauern, wenn Sie unsere Anträge ablehnen würden. Sollten Sie es tun, so kommen Sie bitte nicht mit Gründen ideologischer Art. Wir wissen, daß Sie besonders in der Wohnungsbaupolitik leicht geneigt sind, ihren Entscheidungen eine Art gesellschaftspolitisches Leitbild zugrunde zu legen.
Das ist Ihr gutes Recht, und wir wollen Ihnen dieses Recht nicht verwehren. Ihre Pflicht aber ist, daß im rosigen Licht, das aus der Sicht einer programmatischen Grundhaltung die Wirklichkeit oft verklärt und verzaubert, die harten Realitäten und Erfordernisse des Alltags nicht übersehen werden. Helfen Sie den jungen Familien, helfen Sie auch unseren
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alten Menschen. Stimmen Sie unseren Anträgen zu. Stimmen Sie sie jedenfalls nicht einfach nieder und bagatellisieren Sie die von uns hier erwähnten Notstände nicht, die Anlaß zu unseren Anträgen sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Baier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jacobi, wir haben uns sehr gefreut und sind Ihnen dankbar für die menschliche Geste, die Sie gegenüber dem Bundeswohnungsbauminister Paul Lücke mit den Genesungswünschen zum Ausdruck brachten. Wir können uns nur aus vollem Herzen anschließen.
Ich habe aber dann im weiteren Verlauf Ihres Diskussionsbeitrages, fast möchte ich sagen, einen Schrecken bekommen, und ich habe den Eindruck, daß Sie mit Ihrer Konzeption der Wohnungsbaupolitik plötzlich wieder um einige Jahre zurückgefallen sind. Ich will darauf nachher mit einigen Worten eingehen.
— Aber gern!
Sie haben auf die neue Aufgabe des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hingewiesen, auf das Firmenschild, wie Sie es nannten. Sie fragen nach der Aufgabe, die das Ministerium haben soll. Ich glaube, Herr Kollege Jacobi — ohne jetzt in eine große Diskussion einzutreten —, Sie wissen genauso gut wie wir, um welche Bemühungen es in der Raumordnung geht: daß wir vom Bund her das Bemühen haben, ein Leitbild aufzustellen — mit dem wir uns in der nächsten Zeit auch im Ausschuß zu befassen haben werden —, und daß es letztlich um die notwendige Erneuerung der Städte und Dörfer geht. Das ist auch für Sie als altes Mitglied des Wohnungsbauausschusses kein neues Problem; ich habe deshalb Ihre Frage nicht ganz verstanden; ich glaube, sie war mehr deklamatorisch;
vor allem, wenn ich auch an unsere Tagung in Berlin denke, wo wir uns zusammen mit dem Bundesrat kürzlich doch eine ganze Woche lang über diese neuen Aufgaben des Ministeriums Lücke unterhalten haben. Ich meine, im Einzelplan 25 ist im Ansatz des Titels 571 auch ein Betrag — sicherlich ein sehr bescheidener Betrag; ich persönlich bedaure das sehr — ausgebracht, um Studien und Modelle für diese neuen Aufgaben zu entwickeln. Ich bin sicher, wir werden damit in diesem Jahr beginnen können und werden in den nächsten Monaten die Verpflichtung haben, gemeinsam — und das ist unser Anliegen auch hier — diese neue, meiner Meinung nach sehr wichtige Aufgabe auch vom Bund her zu bewältigen.
Ich möchte noch ein Wort zu den Bemühungen zur Raumordnung sagen. Im Augenblick ist vielleicht nicht einmal das Entscheidende, daß erhebliche neue
Mittel bereitgestellt werden. Es wird schon viel erreicht, wenn es dem Raumordnungsminister — ich darf diesen Ausdruck einmal benützen — möglich ist, die bereits vom Bund ausgeworfenen Mittel, die raumwirksam sind, nämlich 8,1 Milliarden DM, in diesem Sinne besser einzusetzen als bisher, so daß sie der Raumordnung dienen.
— Sicherlich.
— Ja, ich glaube, zum Teil kennen Sie sie, und das andere werden wir gemeinsam erarbeiten.
Worüber ich enttäuscht bin, Herr Kollege Jacobi, ist die Tatsache, daß Sie heute bei Ihren Ausführungen über den Einzelplan des Wohnungsbauministeriums so stark von der vorrangigen Förderung des Familienheimbaues abgerückt sind.
Sie hatten es sich in den letzten Jahren — zumindest in der Öffentlichkeit — ,angewöhnt, auch auf die Wichtigkeit, und auf den Vorrang der Familienheimpolitik hinzuweisen. Heute haben Sie bei einigen Titeln das Mißtrauen zum Ausdruck gebracht, die Mittel könnten für Familienheime, für Eigenheime eingesetzt werden. Ich muß Ihnen ehrlich gestehen, daß es mich enttäuscht hat, daß Sie heute diese Haltung eingenommen haben.
Bitte sehr.
Herr Kollege Baier, ist Ihnen entgangen, daß ich lediglich hinsichtlich der Förderung von Wohnungen für junge Familien darauf hingewiesen habe, es bestehe hier ein besondederer Bedarf, es bestünden hier auch besondere Schwierigkeiten in der überwiegenden Anzahl der Fälle, mit Familienheimen zu helfen, so daß hier gesichert sein ,müsse, daß auch Mietwohnungen gefördert werden, und daß das nichts mit grundsätzlicher Zustimmung oder Ablehnung des Familienheimgedankens zu tun hat?
Herr Kollege Jagobi, wenn Sie das gesagt hätten, wäre es in Ordnung;
aber Sie haben gesagt, es könnte möglich sein, daß solche Mittel auch für Familienheime und Eigenheime eingesetzt werden.
— Aus diesem Titel, jawohl, dieses Mißtrauen haben haben Sie zum Ausdruck gebracht, und nichts anderes habe ich hier gesagt.
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Sie haben im übrigen vorhin von diesem Platz aus gesagt, der Familienheimbau sollte in Zukunft stärker vom Kapitalmarkt her bedient und die Darlehensförderung durch den Bund mehr oder weniger abgelöst werden.
Das ist für uns ein Anzeichen dafür, zumal Sie nämlich gleichzeitig andere Förderungsmaßnahmen auf anderen Gebieten vorschlagen, daß Sie von der vorrangigen und wichtigen Förderung des Familienheimbaues heute ganz wesentlich und entschieden wieder abgerückt sind. Das ist es, was mich enttäuscht.
Herr Baier, haben Sie nicht den Eindruck gehabt, daß es bei den Vorschlägen von Herrn Jacobi darauf ankam, auf die Finanzierung aus Kapitalmarktmitteln deshalb hinzuweisen, weil ja die Mittel für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau von Jahr zu Jahr geringer werden, so daß dieser Rückgang infolge der Degression durch den Umweg über die Kapitalmarktmittel aufgehoben wird?
Diesen Eindruck habe ich leider nicht gehabt.Ich darf zu allem, was Sie, Herr Kollege Jacobi, zur Wohnungsbaupolitik gesagt haben, feststellen, daß Sie so kreuz und quer auf dem Gebiet der Wohnungsbaupolitik da und dort eine Blume ,gepflückt und kritische Anmerkungen angebracht haben. Es ist nicht möglich, hier auf [die Einzelheiten einzugehen. Ich glaube, wir wollen es uns aufheben, bis der Minister da ist und wir, wie auch Sie richtig sagten, hier eine eigene Debatte über dieses Thema führen können. Aber ich glaube, eines muß ich für meine Fraktion feststellen: daß wir uns bereits bei diesem Etat, und zwar speziell im Haushaltsausschuß, darum bemüht haben, daß bei verschiedenen Aufgaben, die zweifellos auslaufen, eine gewisse Bereinigung erfolgt und auf der anderen Seite Platz für die neuen, notwendigen Aufgaben geschaffen wird.An einem werden wir auch in Zukunft festhalten, nämlich mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß das Wohnungsbaudefizit so bald als möglich beseitigt und damit der Weg frei wird für die Marktwirtschaft auch auf dem Wohnungsbausektor. Und zum zweiten werden wir an der eigentumspolitischen Zielsetzung im Wohnungsbau so wie bisher uneingeschränkt festhalten.Meine Damen und Herren! Zu den einzelnen Anträgen, die von der SPD-Fraktion in dem Umdruck 60 gestellt wurden, darf ich folgendes sagen. Der Veröffentlichungs-Titel, der nun auf Vorschlag der Sozialdemokratie ganz gestrichen werden soll, war im Haushaltsvoranschlag mit 150 000 DM eingesetzt. Wir haben während der Haushaltsberatungen auch hier geprüft, ob eine Einsparung möglich ist, und haben gemeinsam mit den Kollegen von der SPD im Haushaltsausschuß diesen Titel auf 100 000 DM gekürzt. Wir glauben, daß eine weitere Kürzung dieses Titels keineswegs vertretbar ist, daß vielmehr auch in puncto Veröffentlichungen für die neuen Aufgaben wie Raumordnung, Erneuerung derStädte und Dörfer der Titel in dieser Höhe gehalten werden muß. Wir wissen aus der Erfahrung der vergangenen Jahre, daß hier nicht etwa parteipolitische Arbeit, wie Sie unterstellt haben, geleistet wird, sondern daß eine sehr gute Aufklärungsarbeit durch das Ministerium erfolgte, indem nämlich Material, Broschüren über den Familienheimbau und seine Förderung, etc. bereitgestellt wurden, die für die Menschen draußen, gerade für den kleinen Mann, sehr nützlich waren, wenn er sich einmal mit dem Problem des Bauens befaßt hat. Auch im Hinblick auf die neuen Aufgaben sind wir der Meinung, daß diese 100 000 DM sehr gut angelegt sind und daß wir keinen Anlaß haben, diesen Titel zu streichen.Zu Ihrer weiteren Forderung, Tit. 545, Darlehen für junge Ehepaare, aufzustocken und die Erläuterungen zu ändern, darf ich feststellen, daß es bekanntlich im vergangenen Jahr ein Antrag der CDU war, für 30 Millionen eine Bindungsermächtigung einzusetzen, um speziell den jungen Ehepaaren bessere Möglichkeiten in der Versorgung mit Wohnungen zu geben. Wir erkennen diese Notwendigkeit genauso an, wie Sie von der SPD sie anerkennen. Es zeigt sich aber, wenn Sie den Etat betrachten, daß von diesen 30 Millionen DM Bindungsermächtigungen fast noch keine Mittel abgeflossen sind.
— Das bedauern wir genauso wie Sie, aber das ist nicht die Schuld des Wohnungsbauministeriums gewesen, Herr Kollege Dr. Brecht.Ich darf feststellen: Mitte April wurde im letzten Jahr der Haushalt verabschiedet, der Richtlinienentwurf ist bereits am 28. April den Ländern zugegangen — das ist für ein Ministerium eine ungeheure Geschwindigkeit, gewissermaßen ein Rekord, den es erreicht hat —, und am 17. Juli 1961 sind die Richtlinien erlassen worden. Lediglich die Länder-Durchführungsbestimmungen sind erst Ende 1961, vielfach erst Anfang 1962 erlassen worden, und das ist 'der Grund, weshalb die Mittel nicht abgeflossen sind.Die Mittel werden also in diesem Jahre ausreichen, und 'ich glaube, bei der schlechten Finanzlage des Bundes ist es deshalb nicht notwendig, diese Mittel aufzustocken. Im übrigen möchte ich auch bekennen, daß ,es im Vorjahr bei der Antragstellung unsere Absicht war, hier mit einer Initialzündung zu wirken, 'daß also die Länder sich beteiligen, und einige Länder wie zum Beispiel Baden-Württemberg machen es auch bereits.Zu Tit. 607, Zuschüsse zur Förderung des Baues von Alterswohnheimen, möchte ich feststellen — nicht ironisch, Herr Kollege Jacobi —: Ihre viel kritisierte Töpfchenwirtschaft würden wir um ein weiteres Töpfchen erweitern, wenn wir diesem Antrag stattgeben würden. Darüber sind wir uns doch sicherlich einig. Es gilt für Alterswohnheime das gleiche wie 'bei der wohnungsmäßigen Unterbringung unserer jungen Ehepaare: es ist eine Aufgabe, deren Wichtigkeit und Notwendigkeit wir alle voll anerkennen. Ich bin allerdings der Meinung, daß unsere alten Menschen immer noch am besten aufgehoben sind, wenn es ihnen möglich ist, im Familienver-
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band mit ihren Kindern zu wohnen. Das ist natürlich nicht immer möglich; aber wir kennen auch die gesellschaftliche Entwicklung, die dahin geht, daß es auch in Fällen, wo es möglich wäre, nicht geschieht. Das aber nur ,als Anmerkung.
Ich darf darauf hinweisen, daß wir im Wohnungsbauetat 'bereits im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr Mittel, wenn auch weit weniger, als Sie gefordert haben, für diese Zwecke eingesetzt haben. Das wird im Rahmen des Nötigsten, wo Härtefälle auftauchen, sicherlich ausreichen. Ich darf weiter darauf hinweisen, daß im Etat des Bundesministeriums des Innern in Kap. A 06 02 Tit. 570 ein Betrag von 12 Millionen eingesetzt ist, wovon rund ein Drittel für den Ausbau von Altersheimen der Wohlfahrtsverbände Verwendung findet. Also auch hier wird etwas für die Alterswohnheime getan.Zum Schluß darf ich noch feststellen: das Entscheidende ,dabei ist, daß es sich beim Bau von Altersheimen nach dem Grundgesetz zweifelsfrei um eine Aufgabe der Länder und der Gemeinden handelt
und daß wir es uns bei unserer Finanzlage einfach nicht erlauben können, in diese Aufgabe der Länder und der Gemeinden mit einer weiteren Finanzierung einzusteigen.Wir haben uns gemeinsam mit Ihnen im Haushaltsausschuß bemüht, den Etat auszugleichen, ihn wiederum ins Gleichgewicht zu bringen. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wollen diesen Etat um weitere 50 Millionen erhöhen und belasten ihn mit Aufgaben, die teilweise oder ganz in die Kompetenz der Länder gehören. Wir sehen uns deshalb nicht in der Lage, Ihrem Antrag zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über Umdruck 60, Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Es ist getrennte Abstimmung beantragt.
Zunächst Ziffer 1. Wer der Ziffer 1 dieses Änderungsantrags Umdruck 60 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; Ziffer 1 ist abgelehnt.
Ziffer 2. Wir stimmen zunächst über die erste Hälfte der Ziffer 2 ab, von „In Tit. 545" bis „erhöht". Habe ich Sie recht verstanden, Herr Kollege Jacobi?
Wer dieser Bestimmung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; das ist abgelehnt.
Jetzt kommen die Sätze 2 und 3, von „In den Erläuterungen" bis „gewährt werden". Wer diesem Passus zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. —
Gegenprobe! — Es tut mir leid, Herr Kollege Jacobi, das ist auch abgelehnt.
Ziffer 3 des Umdrucks 60. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt. Damit ist der Umdruck 60 im ganzen abgelehnt.
Ich rufe den Einzelplan 25 nach dem Antrag des Ausschusses auf. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf:
— Einzelplan 26 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte .
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 61 auf. — Herr Abgeordneter Rehs!
— Wollen Sie begründen?
— Bitte begründen Sie den Antrag Umdruck 61.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 56 des Bundesvertriebenengesetzes ist als Verpflichtung des Bundes und der Länder bestimmt, das Kulturgut der Vertreibungsgebiete im Bewußtsein der Vertriebenen, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu erhalten. Das bedeutet, wie das Vertriebenenministerium in seinem Jahresbericht richtig festgestellt hat, daß die Kultursubstanz des deutschen Ostens nicht als musealer Wert betrachtet und behandelt werden darf, sondern daß es hierbei um die Sicherung des Bestandes des gesamtdeutschen Kulturgutes und damit auch um einen Beitrag zur Selbstverwirklichung des deutschen Volkes geht.Der Bund ist dieser Aufgabe bisher aber immer nur in sehr bescheidenem Umfang nachgekommen. Im Haushalt hat für die Erfüllung der damit verbunnen umfangreichen Verpflichtungen jährlich immer nur etwa 1 Million zur Verfügung gestanden. Das ist, wenn man den Betrag in Relation zu den 10 Millionen Vertriebenen bringt, pro Person eine Kulturförderung von jährlich 10 Pf.Die Länder haben diese Verpflichtung — das muß anerkannt werden — zum Teil wesentlich ernster genommen. Der Bundesrat hat bereits zum Etat 1960 darauf hingewiesen, daß die Maßnahmen, um die es sich hier handelt, vom Bund leider immer wieder zurückgestellt worden seien, daß sie nicht in dem anerkannt notwendigen Umfang in Angriff genommen und nicht mit der für diese Aufgabe unerläßlichen Sorgfalt und Vertiefung durchgeführt worden seien. Der Antrag des Bundesrats auf Erhöhung der Mittel ist aber leider sowohl damals wie im Haushalt 1961 und auch in diesem Jahr wieder, in dem
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Rehsvom Bundesrat eine Anhebung der Kulturmittel auf 2 Millionen DM gefordert war, abgelehnt worden.Wir werden selbstverständlich im Vertriebenenausschuß — darüber ist bereits gesprochen worden —, wenn der jährlich gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes zu erstattende Bericht der Bundesregierung vorliegt, im einzelnen darüber zu sprechen haben. Wir werden dann die Verteilung dieser Mittel, ihren richtigen schwerpunktmäßigen Ansatz usw. miteinander erörtern. Wir wollen bei diesen Dingen weder einen Kulturdirigismus noch eine einseitige Verzettelung. Aber der Grad der Zugehörigkeit, das Bekenntnis zu den Vertriebenen und Flüchtlingen, die Deklaration des gesamtdeutschen Bewußtseins müssen glaubwürdig gemacht werden, auch durch die Bereitschaft, die Kulturgüter dieses Personenkreises noch besser zu bewahren und die schöpferischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Kräfte der Vertriebenen und Flüchtlinge wesentlich mehr zu fördern.Wir haben es aus diesem Grunde begrüßt, daß eine geringfügige Anhebung des Ansatzes in diesem Haushalt zu Tit. 601 erfolgt ist. Angesichts der großen Bedeutung dieser Aufgabe halten wir aber die Anhebung um mindestens weitere 400 000 DM für geboten. Wir bleiben damit noch mit 500 000 DM unter der vom Bundesrat beantragten Erhöhung und haben, glaube ich, damit auch weitgehend auf die Zwangssituation bei diesem Haushalt Rücksicht genommen. Wir halten es aber für nötig, meine Damen und Herren, daß der Bundestag sich mit der Annahme unseres Antrags zu dieser Aufgabe bekennt und zum Ausdruck bringt, daß auf diesem Gebiet künftig mehr geschehen muß.Es wäre angezeigt, bei dieser Haushaltslesung auch die übrigen mit dem Einzelplan 26 zusammenhängenden Probleme der Heimatvertriebenen, Sowjetzonenflüchtlinge und Kriegssachgeschädigten zu erörtern. Dies um so mehr, als sich das erste Jahr der Legislaturperiode faktisch bereits seinem Ende nähert und außer Ankündigungen, Reden und Interviews aus dem Ministerium jedenfalls bis zur Stunde, mit Ausnahme neuer Richtlinien für die Möbeleinrichtung — 'darüber wird an gegebener Stelle näher zu sprechen sein —, seitens der Regierung noch nicht das geringste auf den Tisch gelegt worden ist. Gleichwohl will ich mir mit Rücksicht auf die besonders „starke" Besetzung dieses Hauses und die vorgeschrittene Zeit hier eine umfassende Auseinandersetzung ersparen und mich auf einige, allerdings kritische Bemerkungen beschränken.Diese Bemekungen muß ich vor allem an die Adresse ,des Herrn Bundesvertriebenenministers richten. Herr Minister Mischnick, Sie haben mit einigen Erklärungen bei Ihrer Amtsübernahme keineu sehr glücklichen Start gehabt. Das ist in der Presse, insbesondere in ,der Vertriebenenpresse, zum Ausdruck gekommen. Da ist von einer Unterkühlung des Verhältnisses zu Iden Vertriebenen usw. die Rede gewesen. Ich will diese Dinge hier nicht im einzelnen untersuchen. Konnten Sie schließlich von der Skepsis der Heimatvertriebenen überrascht werden angesichts der Tatsache, daß ausgerechnet Ihr eigener Parteivorsitzender vor der Wahl das von Ihnen übernommene Ministerium für überflüssig erklärt hatte? Ich muß weiter fragen: Konnten Sie es als völlig fernliegend ansehen, daß die Vertriebenen sich fragten, ob sie damit etwa politisch an den Rand gedrückt werden sollten? Deshalb wäre meines Erachtens ein bißchen mehr Einfühlungsvermögen von Ihrer Seite gut gewesen, und ich möchte sagen, es liegt bei Ihnen, durch Verhalten und Ton die richtige Temperatur herbeizuführen. Das ist gerade deshalb nötig — insofern sind wir derselben Überzeugung —, weil diese Dinge von uns allen, glaube ich, nur so gesehen werden können, daß eine richtige Zusammenarbeit mit den Geschädigtenverbänden und der Geschädigtenverbände untereinander in der gegenwärtigen Situation nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern eine politische Verpflichtung ist.Ich meine, Sie sollten sich immer vor Augen 'halten, daß 'die Menschen, die Sie in Ihrem Ministerium zu betreuen haben, zum Teil 17 Jahre auf Maßnahmen warten, die auch ihnen das Gefühl vermitteln, daß sie von dem wirtschaftlichen Aufstieg und dem kulturellen Dasein in der Bundesrepublik nicht völlig ausgeschlossen sind. Wenn man diesen Menschen zuruft, man solle den Bogen nicht überspannen, muß das, wie auch immer diese Äußerung dort in Unna im einzelnen gelautet haben mag, zu einer heftigen Abwehrreaktion führen. Ich kann auch Ihre Äußerung, es sei nichts gefährlicher, als wenn die Vertriebenen ihre Forderungen in der falschen Form, zum falschen Zeitpunkt und in der falschen Art vorbrächten, nur als ein peinliches Ausweichen ansehen. Was kann man denn nach 17 Jahren des Wartens diesen Menschen insoweit überhaupt noch vorhalten? Welcher Zeitpunkt kann denn nach Ihrer Meinung für diese Menschen überhaupt der richtige sein, ihr Anliegen vorzubringen? Und welche der Forderungen, die sie stellen, sind denn ernstlich der Sache nach und auch dem Umfang nach als ungerechtfertigt anzusehen? Denken Sie doch bitte nur an die Hunderttausend, die noch in den Durchgangslagern sitzen, und ,die Hunderttausend, die sich in den Altvertriebenenlagern befinden, oder die 340 000 Vertriebenen, die allein von der Unterhaltshilfe mit 155 DM im Monat leben müssen, oder an die Heimatvertriebenen, ,die seit vielen Jahren keinen C-Ausweis haben und in der Bundesrepublik von den Ansprüchen aus dem Lastenausgleich ausgeschlossen sind! Oder denken Sie an die 1,3 Millionen Vertriebenen, 'die, ohne die Hauptentschädigung aus dem Lastenausgleich erhalten zu haben, verstorben sind!Ihr Fraktionsfreund, der Finanzminister Starke, hat angekündigt, daß der nächste Etat noch schwieriger sein wird. Mit welchen Aussichten haben dann diese Menschen zu rechnen, wenn Sie sie jetzt schon darauf hinweisen wollen, daß der Zeitpunkt nicht günstig sei? Halten Sie in vier Jahren diesen Zeitpunkt für gekommen? Ich kann Ihnen also, Herr Minister — das gilt für Ihr ganzes Haus —, nur zurufen: Ihre Aufgabe als Vertriebenenminister ist es nicht, zu beschönigen, sondern der Bundesregierung, dem Bundestag und der Öffentlichkeit zu sagen, was ist.
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1038 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
RehsIch darf daran erinnern, meine Herren aus dem Vertriebenenministerium, daß meine Freunde und ich — Wenzel Jaksch, Richard Reitzner, der leider immer noch krank ist — seit Jahren, im Jahre 1960, 1961 usw., immer wieder gefordert haben, daß das öffentliche Bewußtsein in der Bundesrepublik nicht durch die Selbstbelobigung mit natürlicherweise großen Zahlen für die schon getätigten Aufwendungen irregeführt wird, sondern daß in aller Eindeutigkeit und Dringlichkeit auch dargestellt wird, was noch fehlt. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen: Wer hier retuschiert, verletzt nicht nur die Wahrheit, das Gerechtigkeitsgefühl der Betroffenen, sondern der verhindert oder behindert zumindest auch die Möglichkeit, zu den erforderlichen Entschlüssen und Maßnahmen zu kommen, indem er in der Öffentlichkeit und im Parlament falsche Vorstellungen nährt.Herr Minister Mischnick, Sie haben in Wiesbaden davon gesprochen, daß man versuchen müsse, von Novelle zu Novelle mit den Dingen weiterzukommen. Ich möchte Sie sehr dringlich und herzlich davor warnen, sich von diesem subalternen Novellendenken in Ihrem Hause infizieren zu lassen. Sie haben als Abgeordneter in diesen Fragen seinerzeit eine andere Sprache geführt. Ich erinnere Sie nur an Ihre Äußerung bei der Beratung der 14. Novelle zum Lastenausgleich im Bundestag. Sie erklärten damals in Übereinstimmung mit mir zum Stichtag, man solle den Mut haben, eine endgültige Lösung zu finden, damit wir nicht von Jahr zu Jahr oder alle drei Jahre mit den Stichtagen nachziehen müßten. Sie wissen genau wie ich — und das weiß Ihr ganzes Haus —, daß der große soziale Deklassierungsvorgang, der mit den Vertreibungen verbunden ist, noch lange nicht behoben ist. Warum lassen Sie den Mut, den Sie damals bei der 14. Novelle vom Bundestag und der Regierung gefordert hatten, jetzt vermissen, indem Sie als Minister selber diese überfälligen Lösungen faktisch weiter verschleppen lassen?Im Vertriebenenausschuß, um nur noch das eine zu erwähnen, und auch anderwärts haben Sie angekündigt, daß bis zum 31. Mai 1962 eine Regelung erfolgen würde, um die durch die Rentenanpassung eingetretene Rentensteigerung auch für die vertriebenen Bezieher von Unterhaltshilfe usw. wirksam werden zu lassen. Nun ist bis heute auch insoweit nichts auf dem Tisch.
— Mir ist nichts davon bekannt. Jedenfalls zeichnet sich nichts ab, was in dieser Richtung das Ziel sichern kann. Herr Minister Mischnick, damit steht zum zweitenmal Ihr Wort auf dem Spiel. Wir verkennen Ihre Lage keineswegs. Sicher hängt vieles bei Ihnen und Ihrem Hause auf den gesetzgeberischen Ebenen, die Sie zu betreuen haben, aus den Unterlassungen der vergangenen Jahre herüber. Aber man kann den Menschen, die so lange auf diese Regelungen gewartet haben und die in den fetten Jahren der Bundesrepublik auch mager genug gehalten worden sind, jetzt nicht mit MaßhalteParolen kommen. Sie kann man damit nicht überzeugen.Herr Minister, ich bitte Sie also, ein anderes Tempo in Ihrem Hause durchzusetzen, und Sie werden es tun müssen, wenn Sie angesichts der von Ihren Kollegen Erhard und Starke angekündigten finanziellen Entwicklung der Bundesrepublik mit den künftigen Maßnahmen nicht immer noch mehr in Bedrängnis geraten wollen und wenn die Menschen, um die es dabei geht, nicht weiter zu kurz kommen sollen.Ich will mich auf diese Mahnung beschränken. Ich bitte Sie, dafür zu sorgen, daß sie in der Bundesregierung gehört und von Ihren Koalitionsfreunden beherzigt wird.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Vertriebene.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Ihnen, Herr Kollege Rehs, außerordentlich dankbar für die Unterstützung, die aus Ihren Worten spricht, bei den schweren Aufgaben, die vor meinem Hause liegen. Nun ist es natürlich so, daß auch mein Haus im Rahmen des Gesamtetats gesehen werden muß und daß manche Vorstellungen, die man vielleicht sehr schnell verwirklicht haben möchte, in diesen Rahmen eingebaut werden müssen. Eine Sache muß ich allerdings mit aller Deutlichkeit klarstellen. Sie haben schon erwähnt, daß das Wort vom „Bogen überspannen" sehr unterschiedlich kommentiert worden ist. Ich darf hier wiederholen: Wenn mir in einer Kundgebung zugerufen wird, in der Bundesrepublik gebe es keine Gerechtigkeit, dann ist die einzige Antwort darauf, daß das den Bogen überspannen heißt.
Zu behaupten, hier in der Bundesrepublik gebe es keine Gerechtigkeit, heißt — und ich wiederhole wörtlich, was ich gesagt habe — die Axt an die Wurzel unserer Demokratie legen. Ich habe hinzugefügt, ich verschwiege nicht, daß es noch viele Punkte gebe, die noch nicht gerecht gelöst seien, und daß wir uns um gerechte Lösungen bemühen würden. Zu dem, was ich da gesagt habe, stehe ich nach wie vor.Herr Kollege Rehs, ich bin mit Ihnen der Meinung, daß es natürlich notwendig sein wird, die Punkte, die noch keine befriedigende Regelung gefunden haben, wie sie sich das ganze Haus vorstellt, sobald wie möglich in Ordnung zu bringen. Meine Ankündigung, daß die 16. Novelle mit Wirkung vom 1. Juni in Kraft treten soll, bleibt bestehen, und ich bin sicher, 'das ganze Haus wird zu der einmütigen Überzeugung kommen, daß sie mit Wirkung vom 1. Juni in Kraft tritt; denn es geht darum, den Anschluß an die durch das Vierte Rentenanpassungsgesetz geschaffenen Tatbestände zu finden, also für die Unterhaltshilfe bei den Freibeträgen den Übergang zu finden. Die entsprechende Vorlage wird in den nächsten Tagen im Kabinett behandelt werden. Ich bin sicher, daß wir dann gemeinsam zu
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1039
Bundesminister Mischnickdem Ergebnis kommen, diese Bestimmungen zum 1. Juni dieses Jahres in Kraft zu setzen.Noch ein letztes. Sie haben mit Recht gesagt, Herr Kollege Rehs, man dürfe nichts beschönigen. Genau das habe ich in mehreren meiner Reden getan. Es darf auf der einen Seite nicht beschönigt werden, was an Schwierigkeiten noch auszuräumen ist. Ich bin auf der anderen Seite aber der Meinung, ,daß man als zuständiger Minister auch den Mut haben muß, zu sagen, was im Augenblick nicht möglich ist, sondern was erst morgen oder übermorgen gelöst werden kann. Dazu stehe ich auch nach wie vor.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Windelen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Worte zum Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 61. Es wird hier wie im Vorjahr eine Erhöhung des Ansatzes beantragt. Dies geschieht — wie im Vorjahr — ohne entsprechenden Antrag des Fachausschusses.
Der Haushaltsausschuß hat sich mit dem Antrag des Bundesrates auf Erhöhung beschäftigt. Er hat dabei untersucht, ob — wie Sie, Herr Rehs, unterstellt haben — die Länder sich tatsächlich in entsprechendem Maße an dieser Aufgabe beteiligt haben. Der Haushaltsausschuß hat feststellen müssen, daß das in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen ist. Bis zum Jahre 1960 haben die Länder nur einen Bruchteil der Mittel aufgebracht, die für diese Maßnahmen von Bund und Ländern aufgebracht werden sollten. Im Jahre 1961 betrug der Länderanteil schließlich ca. zwei Drittel der Mittel des Bundes, ein sehr erfreulicher Ansatz in Anbetracht der Höhe der Mittel, die die Länder vorher für diese Aufgabe aufgebracht hatten. Das Vertriebenenministerium hat uns versichert, daß auf Druck des Haushaltsausschusses in dieser Sache die Länder im Jahre 1962 bereit sein werden, etwa in gleichem Maße wie der Bund einzusteigen.
Der Haushaltsausschuß sah sich genötigt, alle Ansätze sehr eingehend zu prüfen und Kürzungen vorzunehmen. Die Regierung hatte ja bekanntlich eine pauschale ,Kürzung aller dieser Ansätze von 12 °/o vorgesehen. Der Haushaltsausschuß hat darauf verzichtet, diesen Ansatz zu kürzen, ja, er hat eine Erhöhung um 100 000 DM passieren lassen.
Aus den genannten Gründen sehe ich mich nicht in der Lage, Ihren Antrag zu unterstützen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rutschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rehs, Sie haben hier im Tonfall mahnender Beschwörung an den Bundesvertriebenenminister Worte gerichtet, die eigentlich recht hart waren, obwohl Sie sie
in einen sehr väterlichen Ton verpackt hatten. Aber sie waren deshalb doch nicht richtig. Ich muß sagen, ich finde diese Art der Kritik an dem Bundesvertriebenenminister unberechtigt. Sie tun gerade so, als ob der Bundesvertriebenenminister schon seit Jahren in dieser Verantwortung stünde,
und nehmen nicht zur Kenntnis, daß der Bundesvertriebenenminister erst fünf Monate im Amt ist und er deshalb gar nicht in der Lage sein konnte, solche ausgereiften Gesetzentwürfe vorzulegen, wie Sie sie verlangt haben.
— Aber Herr Kollege Schäfer, das war doch der
Tenor der ganzen Rede des Herrn Kollegen Rehs.
Ich halte es nicht für sehr redlich, wenn man das tut.
Sie gehen nun auf genau dieselben Anwürfe ein, die in einer bestimmten Presse erschienen sind und von denen Sie genau wissen, Herr Rehs, daß sie nicht stimmen. Wenn Sie sie in diesem Hause wiederholen, machen Sie sich diese Vorwürfe zu eigen. Ich bin erstaunt darüber. Ich hätte erwartet, daß Sie in dieser Beziehung etwas anders reagieren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Rehs Herr Kollege Rutschke, haben Sie überhört, daß ich ausdrücklich erklärt habe, wir sähen die Schwierigkeiten, die für den Minister infolge der bisherigen jahrelangen Unterlassungen in seinem Hause bestehen, wir hielten es aber gerade im Hinblick auf den 17 Jahre dauernden Zustand für nötig, daß mehr Tempo aufgedreht wird?
Ich darf die Gegenfrage stellen: Sind Sie der Meinung, Herr Kollege Rehs, daß in dieser kurzen Zeit von fünf Monaten all das nach Ihrer Meinung Versäumte hätte nachgeholt werden können?
— Herr Kollege Rehs, es ist für Sie natürlich einfach, jemanden für etwas verantwortlich zu machen, für das er an sich keine Verantwortung trägt. Was ich Ihnen am meisten übelgenommen habe, ist, daß Sie diese Beschuldigungen, von denen Sie genau wissen, daß sie nicht stimmen, hier wiederholt haben. Das scheint mir nicht redlich zu sein.Im übrigen darf ich Ihnen noch einmal sagen — das habe ich neulich in Zusammenhang mit der Kriegsopferversorgung schon einmal gesagt —: Bemühen Sie sich doch bitte darum, daß von Ihrer Seite zumindest dort, wo Sie es beeinflussen können, Bremsen angelegt werden, daß der Preisverfall nicht so schnell vor sich geht. Wenn Sie das tun wollten, würden Sie den Vertriebenen einen größeren Gefallen tun als mit solchen Reden, in denen
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1040 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. RutschkeSie etwas fordern, das in so kurzer Zeit einfach nicht gemacht werden konnte.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich komme zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 61. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Es folgt die Abstimmung über den Einzelplan 26, Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe? — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 28 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder .
Ich frage den Berichterstatter, den Herrn Abgeordneten Peters, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck 56 der Fraktion der SPD hat das Wort Herr Abgeordneter Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion habe ich die Erklärung abzugeben, daß sie die Notwendigkeit des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder nicht anzuerkennen vermag. Sie beantragt deshalb auf Umdruck 56 die Streichung des Einzelplans 28.
In den letzten Wochen haben wir sehr viel vom Maßhalten gehört. Der Herr Finanzminister hat gerade am letzten Wochenende wieder darauf hingewiesen, daß Erschütterungen im Wirtschaftsleben nur durch Maßhalten und vor allem durch Sparsamkeit, besonders bei der öffentlichen Hand, abgefangen werden können. Nun sollte man nach den vielen Reden, sosehr sie auch gerechtfertigt sein mögen, wirklich zu Konsequenzen kommen. Nach den ersten Versuchen der Ausgabenbeschränkung in dem zur Beratung stehenden Haushaltsplan sollte man ein gutes Beispiel geben, wo immer sich Gelegenheit dazu bietet, und damit beweisen, daß diese Mahnungen ernst gemeint sind und vor allem auch von Ihnen selber ernst genommen werden. Es wäre doch gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber dem Staatsbürger als Steuerzahler ein treffliches Beispiel, wenn die Koalitionsparteien und die Bundesregierung, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion entsprechend, einem wirklichen Zuviel an Ministerialbürokratie entsagten.
— Nein, ein Zuviel in der Ministerialbürokratie, zumindest in der Spitze, dürfte bei dem Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder offensichtlich vorhanden sein.
Wenn wir von einem Zuviel an Ministerialbürokratie sprechen, so soll damit — diese Feststellung möchte ich ganz besonders hervorheben — auch nicht die geringste Abwertung der in diesem Ministerium zur Dienstleistung eingesetzten Beamten zum Ausdruck gebracht werden. Wir sind vielmehr davon überzeugt, daß sich gewiß alle in diesem Ministerium festgehaltenen Beamten eine produktivere Tätigkeit wünschen.
Der Herr Finanzminister hat wohlwollend vermerkt, daß das Parlament endlich wieder zu einer seiner legitimen Aufgaben zurückgefunden habe, nämlich zu der, bei der Haushaltsberatung unnötige Ausgaben zu streichen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist aber auch entschlossen, hierbei nicht auf halbem Wege stehenzubleiben. Sie ist gewillt, nicht nur die Streichung aller unnötigen Ausgaben herbeizuführen, sondern dann auch die verfügbaren Mittel auf solche Maßnahmen zu konzentrieren, die wichtig und dringend sind, aber bislang nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Zunächst aber sollte man dort sparen, wo ohne Schaden gespart werden kann. Das ist unseres Erachtens beim Einzelplan 28 möglich. Darum darf ich das Hohe Haus bitten, dem Antrag Umdruck 56 zuzustimmen.
Keine Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Schmücker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir legen Wert auf die Feststellung, daß sich das Ministerium und der leitende Minister bewährt haben. Wir werden darum dem Streichungsantrag nicht zustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 56. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte war die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 56 zum Einzelplan 28 ist abgelehnt.Wer dem Antrag des Ausschusses, den Entwurf des Einzelplans 28 unverändert nach der Vorlage anzunehmen, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen? — Gegenprobe! — Gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1041
Einzelplan 30 — Geschäftsbereich des Bundesministers für besondere Aufgaben .
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht? — Herr Dr. Vogel verzichtet.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 66. Soll er begründet werden? — Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Einzelplan 30 handelt es sich nach der Meinung der Sozialdemokratischen Partei um ein Ministerium, das gegen Ende der Wirren der Koalitionsverhandlungen geschaffen worden ist, um einem Gebäude den Halt zu geben, dessen es offenbar bedurfte. Vielleicht war es auch nur eine Koalitionsarithmetik, die einen weiteren Minister verlangte.
Für die Sozialdemokratische Partei steht auf jeden Fall fest, daß man Herrn Krone, dem wir unsere persönliche Hochachtung durchaus bekunden können — ich bedaure, daß er 'das nicht gehört hat —,
einen Sessel geschaffen hat, nach dem er sich vermutlich nicht einmal gedrängt hat und für den keinerlei sachliche Notwendigkeit zu ersehen ist. Wir meinen, daß die „besonderen Aufgaben", für die dieses Ministerium angeblich errichtet wurde, von seinem jetzigen Inhaber auch erledigt werden könnten, ohne daß man einen Apparat aufbaut, der immerhin für ,das erste Jahr 600 000 DM kostet und der Positionen und Institutionen schafft, die noch lange existieren werden und bezahlt werden müssen, wenn der Herr Minister längst nicht mehr in seinem jetzigen Amt sein wird und wenn die „besonderen Aufgaben" längst nicht mehr für so wichtig erachtet werden, daß dafür ein Ministerium konserviert werden müßte.
— Die Propheten!
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält das gesamte Ministerium für eine reine koalitionspolitische Institution und 'beantragt deshalb die Streichung des gesamten Einzelplans 30.
Herr Abgeordneter Schmücker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde bejahen die Aufgabe dieses Ministeriums.
— Was sagten Sie?
— Doch. Für Ihre Ungläubigkeit bin ich nicht verantwortlich.
Aber wenn Sie einmal darüber nachdenken, daß es völlig unmöglich ist, politische Aufgaben exakt mit Ressorts zu decken, werden Sie vielleicht sogar feststellen, daß das auch für Ihre Fraktion zutrifft. Darüber hinaus möchte ich ,feststellen, daß der Minister das volle Vertrauen unserer Fraktion genießt.
Wir werden gegen den SPD-Antrag stimmen, wir werden den Einzelplan 'bejahen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag 66, die gleichbedeutend ist mit der eigentlichen Abstimmung über den Einzelplan selbst. Ich verfahre nach unserer berge-brachten Form nur, damit niemand aus der Gewohnheit kommt.
Wer dem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Der Einzelplan 30 in der Fassung des Ausschusses! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Einzelplan 30 ist angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan 31 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Atomkernenergie .
Ich frage den Herrn Berichterstatter Abg. Dr. Gleissner, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf dem schriftlich abgegebenen Bericht kurz einige Bemerkungen anfügen, und zwar vor allein hinsichtlich der Kürzungen. Wenn Sie den Bericht des Haushaltsausschusses ansehen, dann finden Sie fast bei allen Titeln Kürzungen, und Sie werden fragen, ob diese Kürzungen schematisch entstanden sind. Ich 'darf darauf hinweisen, daß diese Kürzungen etwa im Umfang von 20 Millionen DM uns vom Ministerium selbst als Vorleistung angeboten worden sind. Der Haushaltsausschuß hat darüber hinaus nur wenige Millionen an Kürzungen hinzugefügt, und zwar bei den Titeln, wo Auseinandersetzungen mit den Ländern bestehen, wo das Verhältnis Land—Bund in Frage steht. Wir haben beispielsweise bei den Tit. 620, 630, 631 — den Strahlentiteln — keine Kürzung ausgebracht. Es liegt jetzt ein Antrag vor zu Tit. 620, obwohl dieser Titel jedes Jahr erhöht worden ist, auch in diesem Jahre wieder, und zwar von 3,5 Millionen auf 4,5 Millionen, und obwohl uns weder im Ausschuß noch bei anderer Gelegenheit eine Mehranforderung im Sinne 'dieses Antrages bekanntgeworden ist.Bei Tit. 950 haben wir eine erhebliche Kürzung angebracht, weil das einer der Titel ist, der ganz
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1042 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. Gleissnerbesonders in der Auseinandersetzung stand, um hier — ich darf mich mal vorsichtig ausdrücken — den Titel bis zu einem gewissen Teil abzubauen. Hier geht es um Aufgaben, die bisher vorn Bundesatomministerium aus seinem Auftrag heraus großzügigerweise übernommen worden waren, die aber künftig in stärkerem Umfange den Ländern delegiert werden können. Das Atomministerium hat an anderer Stelle, vor allem bei der Entwicklung der Atomtechnik, vermehrte Aufgaben, ansteigende Kosten und Ausgaben. Aus 'diesem Grunde haben wir geglaubt, hier ist der Weg, den wir mit diesen Kürzungen gegangen sind, angebracht.Ich möchte zu Kap. 04 von mir aus keine Bemerkungen mehr machen und mich auf den einen Satz beschränken: Bei Kap. 04 — Raumfahrtforschung — haben wir eine Gesamtkürzung von 25 Millionen DM angebracht und eine qualifizierte Sperrung vorgenommen, vor allem mit der Begründung, daß das Parlament mit der Materie noch nicht genügend beschäftigt war.Im übrigen sind die gesamten Kürzungen in einem Umfange von 52 Millionen DM, vor allem bei Kap. 02 — Atom — etwa analog den Grundsätzen und den Erfahrungen, die wir bei der Behandlung des Einzelplans 06 zugrunde gelegt haben, vorgenommen worden.
Ich danke 1 dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß Herr Kollege Dr. Gleissner in seine Berichterstattung bereits unseren Antrag einbezogen hat.
Sie wissen, Herr Kollege Niederalt, daß ich nicht bereit bin, bösartige Bemerkungen zu machen. Ich wollte nur feststellen, daß das nicht ganz korrekt war.Ich bitte den Herrn Präsidenten, zu gestatten, daß ich nicht nur den Tit. 620, sondern gleichzeitig das Kap. 31 04 Tit. 677 behandle, weil es in unmittelbarem Zusammenhang steht.Herr Dr. Gleissner hat hier ausgeführt, daß der Haushalt dieses Ministeriums um mehr als 12 % gekürzt worden ist und daß das Ministerium von sich aus diese Kürzung angeboten hat. Wir haben uns als Berichterstatter bis auf das Kap. 04 in dieser Frage geeinigt. Beim Kap. 04 war — vielleicht darf ich das einmal sagen — Herr Gleissner als Hauptberichterstatter doch nicht ganz so sicher, wie er es eigentlich bei Behandlung dieses Titels hätte sein sollen.Meine Damen und Herren, es ist für einen sozialdemokratischen Sprecher bei dieser Haushaltsberatung wirklich schwierig, zu argumentieren, weil Sieentschlossen sind, jeden Antrag, den wir hier stellen, abzulehnen.
— Aber, Herr Stoltenberg, Herrn Schwabe haben Sie auch nur zugestimmt, weil es nichts kostet und weil es Sie populär macht. Das ist doch gar keine Frage, nicht wahr? Damit will ich keinesfalls die, möchte ich sagen, glänzende Rede meines Freundes Schwabe abwerten; ganz im Gegenteil. — Aber ich möchte sagen, es fällt uns außerordentlich schwer, hier immer wieder zu argumentieren und dabei ein wenig den Eindruck zu haben, daß Sie eigentlich sagen: „Na schön, man könnte darüber reden; aber wir sind nicht bereit, darüber zu reden, weil wir der Auffassung sind, daß die Haushaltslage erfordert, daß wir den Antrag niederstimmen." Das ist sehr schwer.Ich möchte Ihnen auch sagen, daß wir es uns bei allen unseren Anträgen gar nicht so einfach gemacht haben; Sie werden festgestellt haben, daß wir für die Mehrzahl unserer Anträge Deckungsvorschläge gemacht haben.
— Gestatten Sie, Herr Leicht: dabei dürften wohl die Meinungen ein wenig auseinandergehen.Ich wollte nur sagen: was Sie uns immer vorwerfen, haben Sie heute in dieser Haushaltsberatung von Anfang bis Ende praktiziert: „Wir stimmen nie, der, wir werden als Fraktion geschlossen stimmen, und die sollen ruhig da oben stehen und sich den Mund fusselig reden, wir werden da gar nicht mehr zuhören." Das ist heute absolut praktiziert worden.
Nun lassen Sie mich zu dem Kap. 31 04 kommen. Mein Kollege Kalbitzer hat heute abend hier beim Bundesminsiterium für Entwicklungshilfe oder beim Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Frage der Kontrolle der Regierung angeschnitten. Wir haben in Kap. 31 04 Verpflichtungen von über 40 Millionen DM für dieses Jahr. Aus diesen Titeln geht klar hervor, daß die Regierung Verträge eingegangen ist, die jedes Jahr in der nächsten Zeit Verpflichtungen von 30 Millionen DM auf uns zubringen. Ich möchte hier als Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion ganz deutlich machen: Natürlich hat die Regierung, das wird ihr niemand bestreiten, die Möglichkeit, in internationalen Verhandlungen alle Vorstellungen, die sie hat, auszuhandeln. Aber wenn dann Verpflichtungen auf dieses Haus zukommen, soll die Regierung, bevor sie einen solchen Vertrag abschließt, uns auch sagen, was das kostet, und soll zumindest einmal den Fachausschuß hören, bevor sie einen solchen Vertrag abschließt.
Denn ist doch einfach eine Praxis: Von dieser Regierung und einem Teil der Presse wird behauptet, dieses Parlament sei ausgabefreudig. Das ist einfach gar nicht wahr. Hier werden von der Regierung
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1043
HermsdorfVerträge eingegangen, die wir nur noch zu akzeptieren und für die wir dann die Ausgaben zu bewilligen haben. Das ist auf die Dauer unerträglich. Da muß die Regierung, bevor sie einen solchen Vertrag abschließt, in diesem Hause einmal sagen, was das für finanzielle Verpflichtungen sind.
— Verzeihung, wo beschließt man es denn?
— Aber entschuldigen Sie, ich rede jetzt nicht mehr vom Entwicklungshaushalt, sondern vom Atomhaushalt, und da beschließt man das überhaupt nicht, sondern da haben wir nur das zu übernehmen, was die Regierung inzwischen beschlossen hat. Ich habe den Entwicklungshaushalt nur als Beispiel angeführt, um zu sagen, wie nötig eine Kontrolle ist; wobei ich ganz freimütig hinzufüge, daß mir die Erklärung, die Herr Minister Scheel hier abgegeben hat, absolut ausreicht. Aber hier steht fest, daß die Regierung Verträge abgeschlossen hat, obwohl selbst zwischen dem Verteidigungsminister und anderen Ressorts hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Verträge sehr unterschiedliche Meinungen bestanden. Trotzdem ist abgeschlossen worden, und jetzt haben wir zu zahlen. Das wollen wir nicht. Weil wir der Auffasusng sind, daß diese Mittel im Kap. 31 04 Tit. 677 in diesem Jahr nicht notwendig sind, möchten wir über die bereits gestrichenen 10 Millionen hinaus noch weitere 10 Millionen streichen, um der Regierung völlig klarzumachen, daß es auf die Dauer ein unmöglicher Zustand ist, finanzielle Belastungen auf das Parlament zu wälzen und das nur noch beschließen zu lassen. Wir möchten, daß der Fachausschuß zumindest vorher darüber unterrichtet wird.
Nun komme ich zu Tit. 620. Ich möchte Sie doch sehr bitten, daß wir uns über diese Frage in aller Kollegialität unterhalten. Ich gebe offen zu, daß die sozialdemokratische Fraktion im Haushaltsausschuß zu diesem Titel keinen Änderungsantrag gestellt und nicht zu erreichen versucht hat, die Mittel zu erhöhen.
— Herr Stoltenberg, ein klein wenig sachlicher wäre mir auch lieb. So sollten wir beide uns hier nicht unterhalten. Wir machen es ja sonst vernünftiger, nicht wahr.
— Natürlich verstehe ich das.Ich habe dann als Mitberichterstatter erfahren, worum es sich handelt. Es geht hier insbesondere um die Entwicklung der Kernchemie. Dabei muß ich Ihnen folgendes sagen. Es ist gar kein Zweifel, daß die Kernchemie in unserem Lande für die Industrie ein sehr entscheidender Faktor ist, daß wir hier erstens zwar nicht den Anschluß haben, aber zweitens mit den anderen absolut noch gleichziehen können, ohne gewaltig einzupumpen, daß wir in der Industrie nicht einen Riesenbetrag von Mitteln brauchen, sondern nur einen kleineren, um die Arbeit fortzusetzen, die das Ministerium in dieser Frage bisher geleistet hat.Was ist geschehen? Das Ministerium hat, nachdem in der Bundesrepublik, bei der Industrie und teilweise auch bei verschiedenen Instituten zunächst kein so großes Interesse bestand, sozusagen eine Reise quer durch die Bundesrepublik unternommen, hat die Industrie darauf aufmerksam gemacht, um welchen wichtigen Faktor es sich handelt und welche Bedeutung er für die Zukunft haben kann. In zweijähriger Arbeit hat das Ministerium erreicht, daß jetzt endlich ein Teil der Industrie und ein Teil der Institute diese Aufgabe auf die Hörner genommen, bestimmte Pläne entwickelt hat und nun mit bestimmenden Forderungen an das Ministerium -herantritt.Was ist der Tatbestand? Der Tatbestand ist, daß das Ministerium auf Grund seiner Vorarbeit bereits im Haushalt 1962 bei diesem Titel von 4,5 Millionen DM eine Ausgabe von 2,9 Millionen DM hat und die Ansprüche, die auf Grund seiner Arbeit gestellt worden sind, überhaupt nicht mehr befriedigen kann. Entweder müssen Sie eine Erhöhung vornehmen oder Sie müssen sagen: Zurück; alles, was wir in den letzten zwei Jahren gesagt haben, gilt nicht mehr, wir haben jetzt hier keine Mittel mehr, wir müssen jetzt alles zurückdrehen. Deshalb beantragen wir eine Erhöhung des Titelansatzes um 2,5 Millionen DM.Nun möchte ich Ihnen noch etwas sagen, meine Damen und Herren. Wir behandeln hier einen Haushalt von 53 Milliarden DM, und bei diesem Titel beantragen wir Sozialdemokraten eine Erhöhung von 2,5 Millionen DM. Ich bitte Sie, mir doch zu glauben, daß wir mit diesen 2,5 Millionen DM, die die Kernphysik betreffen, doch nicht etwa eine parteipolitische Propaganda oder sonst etwas machen können, sondern daß es sich hier um ein rein sachliches Anliegen der deutschen Industrie und des Ministeriums handelt und daß das auch im Interesse der deutschen Volkswirtschaft liegt. Da meine ich, daß Sie aus diesen Vernunftsgründen diesem Antrag auf Erhöhung der Mittel um 2,5 Millionen DM für diesen Zweck, der so wichtig für die Entwicklung der deutschen Industrie ist, im Interesse unserer Volkswirtschaft zustimmen sollten.
. Jetzt hat Herr Abgeordneter Dr. Bechert das Wort zu dem Änderungsantrag Umdruck 64.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD stellt auf Umdruck 64 zu Kap. 31 02 Tit. 950 den Antrag, den Ansatz von 37,7 Millionen DM um 4 Millionen DM auf 41,7 Millionen DM zu erhöhen. Zur Begründung führen wir an, dieser Tit. 950 ist der Schwerpunkt des Forschungsförderungsprogramms des Bundesministeriums für Atomkernenergie. Der Haus-
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1044 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. Becherthaltsausschuß hat den Regierungsentwurf mit 46,7 Millionen DM um 9 Millionen DM auf 37,7 Millionen DM gekürzt. Das hat zur Folge, daß im Rahmen des Forschungsförderungsprogramms vom Bundesministerium für Atomkernenergie keine neuen Forschungsvorhaben im Haushaltsjahr 1962 gefördert werden können; denn die nach der Kürzung durch den Haushaltsausschuß übriggebliebenen 37,7 Millionen DM reichen gerade aus, die bereits früher bewilligten Forschungsvorhaben in diesem Geschäftsjahr weiter zu fördern. Nur ein Spielraum von 500 000 DM bleibt dem Ministerium für die Forschungsförderung aus Titel 950. Kein Mensch wird im Ernst behaupten wollen, daß damit Forschungsförderung in nennenswertem Umfang betrieben werden kann. Die Mitglieder des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft waren in der Sitzung am 22. März dieses Jahres übereinstimmend der Meinung, die vom Haushaltsausschuß bei Tit. 950 vorgenommene Kürzung sei zu bedauern und nicht zu vertreten, und es sollte daher eine Möglichkeit gefunden werden, so sagte damals der Ausschuß, daß der Titel nicht oder zumindest nicht um 9 Millionen DM gekürzt werde.Am Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung in Berlin ist die Abteilung Kernphysik noch nicht aufgebaut. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion schlägt vor, für den Aufbau der Abteilung Kernphysik an diesem Institut in Berlin einen Betrag von 4 Millionen DM im Haushaltsjahr 1962 zu bewilligen. Damit kann ein modernes Hochbeschleunigungsgerät, ein van-de-Graaf-Beschleuniger von 5,5Millionen Volt Beschleunigungsspannung angeschafft werden. Mit der von meiner Fraktion vorgeschlagenen Bewilligung von 4 Millionen DM kann der Bundestag einen Beitrag leisten zum Ausbau Berlins als Kultur- und Wissenschaftszentrum Deutschlands, einen Beitrag, der dem Ansehen Berlins und dem Ansehen unseres Volkes dient. Mein Fraktionskollege Hermsdorf hat bereits einen Dekkungsvorschlag gemacht: bei Kap. 31 04, Weltraumforschung, soll Tit. 677 um 10 Millionen DM gekürzt werden.Die Änderungsanträge der Fraktion der SPD zu Einzelplan 31, die Herr Kollege Hermsdorf und ich begründet haben, bedeuten, daß von den bei Kap. 31 04 eingesparten 10 Millionen DM, wenn Sie unserem Vorschlag zustimmen, für die friedliche Atomkernforschung 6,5 Millionen DM bei Kap. 31 02 ausgegeben werden. Dann bleibt nach unserem Vorschlag immer noch eine Einsparung von 3,5 Millionen DM sogar gegenüber dem Vorschlag des Haushaltsausschusses. Die Kürzung um 12 % gegenüber der Regierungsvorlage wird durch unsere Änderungsanträge in keiner Weise berührt.Ich bitte Sie, unserem Antrag auf Umdruck 64 zuzustimmen. Sie erweisen damit der deutschen Forschung und dem Ansehen Deutschlands einen wesentlichen Dienst.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Vertretern der Opposition ist hier Kritik an einigen Kürzungsvorschlägen des Haushaltsausschusses geübt worden. Es ist auch in der Öffentlichkeit von diesem oder jenem Beirat und von diesem oder jenem Verband eine ähnliche Kritik laut geworden, zum Teil in einer schärferen und auch unsachlichen Form, im Gegensatz zu den sachlichen Ausführungen meiner Vorredner.
Ich möchte deshalb doch gern einige Sätze zu diesen Beschlüssen Ides Haushaltsausschusses sagen. Ich möchte zunächst einmal betonen, damit das Zahlenbild hier in den richtigen Größenordnungen erscheint, ,daß dieser Einzelplan gegenüber dem Vorjahr eine ganz ungewöhnliche Ausdehnung erfahren hat, nämlich mehr als eine Verdoppelung, eine Erhöhung des Volumens von 170 auf 359 Millionen DM. Selbst wenn wir die Erweiterung der Aufgaben dabei nicht berücksichtigen — die Mittel für die Raumforschung —, so ist nach der Regierungsvorlage allein auf .dem Sektor des Atomwesens, der Kernphysik eine Erweiterung immerhin von 170 auf rund 300 Millionen vorgesehen.
Ihre Kritik der Beschlüsse des Haushaltsausschusses hat bei den Titeln des Atombereichs angesetzt. Bei der Weltraumforschung gehen Ihre Streichungsvorschläge über unsere Vorstellungen hinaus. Die Beschlüsse des Haushaltsausschusses auf' dem Sektor des Atomwesens halten sich durchaus — das möchte ich einmal sehr deutlich sagen — im Rahmen der 12 %-Grenze, und sie erreichen nicht einmal ganz die 12 %. Von 300 Millionen sind hier durch die Beschlüsse des Haushaltsausschusses insgesamt 22 Millionen gekürzt worden.
Nun darf ich ganz kurz zu den einzelnen Titeln Stellung nehmen, die angesprochen wurden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Dr. Stoltenberg, sind Sie nicht der Auffassung, daß wenigstens hinsichtlich der Kontrolle unsere Meinung, daß hier die Regierung Verträge eingeht, ohne den Fachausschuß vorher zu informieren, richtig. ist?
Herr Hermsdorf, zu dieser Frage habe ich noch nicht Stellung genommen; ich werde gleich darauf eingehen.Ich möchte zunächst etwas zum Allgemeinen sagen. Bei den hier von Ihnen angesprochenen Titeln haben Sie uns dringend und auch mit beachtlichen Argumenten nahegelegt, den Tit. 620 zu erhöhen. Ich muß Sie aber darauf verweisen, daß wir hier bei der Regierungsvorlage geblieben sind. Wir sind nicht etwa von ,der Regierungsvorlage abgewichen. Es ist für uns wirklich etwas schwer, jetzt, wo wir diesen Vorschlag am Abend vorgelegt bekommen, ganz abgesehen von den Grundsatzbeschlüssen, die auch ihre Bedeutung haben, einen
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1045
Dr. Stoltenbergsolchen Antrag zuzustimmen. Ich darf aber auf die Möglichkeit hinweisen, daß unbestritten der Finanzminister selbst intern die Möglichkeit hat, gegen Einsparungen un anderer Stelle hier einer solchen sachlichen Notwendigkeit zu entsprechen, wenn sie sich in den Beratungen der Ressorts als unabweisbar herausstellt. Ich bitte also um Verständnis, daß wir auch aus diesem Grunde diesem Antrag nicht zustimmen.Nun komme ich zu Tit. 950. Er ist im Grunde der einzige Titel gewesen, bei dessen Beratung es im Haushaltsausschuß Differenzen gab. Bei einem anderen Titel — Karlsruhe — haben Sie sogar weitergehende Einsparungsvorschläge gemacht, die erst nach langer Diskussion fallengelassen wurden. Nur bei Tit. 950 sind ernsthafte Auffassungsunterschiede auf dem Atomsektor zwischen den Fraktionen im Haushaltsausschuß sichtbar geworden. Ich möchte aber hier gegenüber einer anderen Darstellung betonen, die zum Teil auch in der Öffentlichkeit gegeben wurde, daß immerhin der Geldansatz dieses Titels nach unseren Beschlüssen höher ist als im Vorjahr. Denn hier sind die Mittel für Garching und für Jülich, die im Vorjahr in diesem Titel waren, ausgegliedert und in besondere Titel genommen. Wenn Sie diese Beträge zusammenrechnen, ist eine Steigerung des Geldansatzes gegenüber dem Vorjahr festzustellen.Es ist aber nicht zu bestreiten — da ist ihre Darstellung durchaus richtig —, daß die Verfügungsmöglichkeit des Ministeriums in diesem Jahr sehr begrenzt ist, sehr eng ist. Aber, meine Damen und Herren, das hängt nun einmal mit dem System der Bindungsermächtigungen zusammen. Wenn eben in den Vorjahren große Bindungsermächtigungen gegeben und große Verpflichtungen eingegangen sind, die sich in diesem Jahr auswirken, dann führt das bedauerlicherweise dazu, daß in diesem Jahr die Möglichkeit zu neuen Verpflichtungen begrenzt ist. Ich darf aber immerhin darauf verweisen, daß auch in diesem Jahr eine kleinere Bindungsermächtigung von 6 Millionen in den Empfehlungen des Haushaltsausschusses vorgesehen ist. Die Tatsache also, daß in diesem Jahr infolge der Bindungsermächtigungen der Vorjahre nur in geringem Umfang neue Verpflichtungen eingegangen werden können, bedeutet in keiner Weise, daß die Mehrheit des Haushaltsausschusses und die Koalitionsfraktionen die Bedeutung dieser Arbeit und die Notwendigkeit verkennen, auch auf diesem Gebiet nach gewissen Richtlinien, über die wir uns im Ausschuß unterhalten haben, in Zukunft tatkräftig zu wirken und bestimmte Vorhaben zu finanzieren.Ich komme nun als letztes zu der Frage der Weltraumforschung. Ich muß Ihnen offen sagen, Herr Kollege Hermsdorf, hier ist Ihr Antrag wenig überzeugend. Entweder Sie beantragen die völlige Streichung ,der Titel, wie Sie es im Ausschuß getan haben, oder Sie müssen mindestens die schon vom Haushaltsausschuß reduzierten Positionen jetzt so stehenlassen. Er scheint uns aber, offen gesagt, völlig sinnwidrig zu sein, zu sagen: Weil hier noch keine Vorstellungen vorliegen, weil uns .die Verträge noch nicht zugeleitet sind, kürzen wir einen Ansatz von ursprünglich 30 Millionen auf 10 Millionen DM. Wir haben im Haushaltsausschuß beschlossen, daß +die Ansätze in einem gewissen Umfang gekürzt und qualifiziert gesperrt werden. Das heißt, daß die Regierung erst nach der parlamentarischen Entscheidung über die zur Zeit noch in den Verhandlungen befindlichen 'Staatsverträge in der Lage ist, auf Grund eines besonderen Beschlusses des Haushaltsausschusses Verpflichtungen einzugehen. Das ist auch eine Selbstverständlichkeit.Ich habe mich sehr 'darüber gewundert, daß die Vertreter interessierter Verbände der Luftfahrtindustrie und der Raumforschung eine 'heftige Kritik an diesen Beschlüssen geübt haben, eine Kritik, die auch in der Presse ihren Niederschlag gefunden hat. Diese Kritik zeugt allerdings von einer völligen Unkenntnis der rechtlichen, politischen und vor allem der haushaltsrechtlichen 'Seite dieser Angelegenheit. Es ist völlig unmöglich, daß das Parlament .in einem Stadium, in dem über internationale Staatsverträge verhandelt wird, die 'dem Parlament überhaupt noch nicht zugegangen sind und die auch vom Kabinett noch nicht verabschiedet worden sind, große Summen bewilligt und ohne Sperrvermerke der Exekutive übergibt.Über diese Fragen hat es zwischen den Fraktionen des Bundestages und im Grunde, wie ich glaube, wenn ich einmal von gelegentlichen Diskussionen absehe, auch mit 'der Bundesregierung niemals eine Meinungsverschiedenheit •gegeben. Wir haben mit der Ausbringung erster Ansätze unsere Auffassung vertreten, ,daß wir die Argumente, die für eine Beteiligung der Bundesrepublik an diesen Vorhaben sprechen, ernst nehmen. Aber es ist völlig klar, daß die endgültige Entscheidung 'darüber erst fallen kann, wenn uns 'die Ratifizierungsverträge vorliegen.Ich darf meine Ausführungen zusammenfassen. Entgegen manchen Behauptungen, die von interessierter Seite und auch in der Öffentlichkeit erhoben wurden und 'die auch etwas in den Reden der Oppositionsvertreter anklangen, sind wir der Auffassung, daß wir mit der Steigerung dieses Etats von 170 Millionen DM nach der Empfehlung des Haushaltsausschusses auf über 300 Millionen DM der Bedeutung dieses 'Sektors, insbesondere des Sektors des Atomwesens, der Arbeit auch des Ministeriums und des Herrn Ministers Balke in vollem Maße Rechnung tragen, einer Arbeit, +deren Dringlichkeit wir auch heute abend unterstreichen möchten.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegen von der SPD haben vorhin an die Kollegialität der Mitglieder des Fachausschusses appelliert. Es ist in diesem Haus ein offenes Geheimnis, daß die Meinungen der Mitglieder eines Fachausschusses nicht immer ganz mit den Auffassungen der Mitglieder des Haushaltsausschusses übereinstimmen. Die Mitglieder des Fachausschusses aus der CDU/CSU und der
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1046 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Frau GeisendörferFDP möchten ganz klar und deutlich zum Ausdruck bringen, daß wir durch die Zustimmung zu dem Vorschlag des Haushaltsausschusses, d. h. zu der Ablehnung Ihrer Vorschläge nicht irgendwie eine Verständnislosigkeit oder eine Unterbewertung der Arbeit und der Aufgaben des Atomministeriums bekunden wollen.Wir sind ebenso überzeugt wie Sie, daß auf dem Atomgebiet dank der Förderung der Forschung jetzt ein Stadium erreicht worden ist, in dem die Erkenntnisse aus dem Bereich der Forschung in das Gebiet der technischen Nutzung und praktischen Anwendung eindringen. Einerseits müssen also Mittel für die Förderung der technischen Entwicklung bereitgestellt werden, andererseits besteht weiterhin die Notwendigkeit, die Atomforschung weiter zu fördern. Denn die Atomforschung geht in der ganzen Welt weiter, und die technische Nutzanwendung — davon sind wir alle mit Ihnen zusammen überzeugt — muß ständig von der intensiven Grundlagenforschung ergänzt, begleitet und vorbereitet werden. Wir wissen ebenso wie Sie, daß die naturwissenschaftlichen Möglichkeiten auf diesem Gebiet noch lange nicht ausgeschöpft sind und daß wir in sehr viel größerem Maße, als das Ihre Anträge ausdrücken, noch Mittel zur Verfügung stellen könnten, um wirklich dringend notwendige und auch begründete Anliegen auf diesem Gebiet zu erfüllen. Wir wissen aber ebensosehr, daß wir alle miteinander verpflichtet sind, für eine Deckung und einen Ausgleich des Haushalts zu sorgen. Deswegen sehen wir uns nicht in der Lage, Ihren Anträgen zuzustimmen.Wir haben allerdings noch einige Anregungen und Hoffnungen. Das eine ist, daß entsprechend dem Anliegen, das Sie, Herr Kollege Bechert, vorhin ausgesprochen haben, die Mittel für das Hahn-MeitnerInstitut auf irgendeine andere Weise noch beschafft werden können. Hier zeichnet sich eine Möglichkeit ab. Ich möchte heute noch nicht näher davon sprechen; denn man soll eine Sache erst dann in die Welt hinausposaunen, wenn sie ganz perfekt ist.Das zweite ist die Bitte an den Haushaltsausschuß, wenn die Mittel aus Kap. 31 04 nicht ausreichen sollten, sie nicht aus dem übrigen Haushalt des Atomministeriums zu decken, sondern überplanmäßige Mittel in Anspruch zu nehmen.Das dritte ist die Hoffnung und die Erwartung, daß bei der Aufstellung des Haushaltsplans 1963 in Zusammenarbeit mit dem Fachausschuß Gedanken und Erwägungen angestellt werden, damit vielleicht eine bessere Ausgewogenheit der Kürzungen und der Zurverfügungstellung der Mittel erreicht wird. Denn wir sind allerdings auch der Meinung, daß die Kürzungen nicht in sehr glücklicher Weise erfolgt sind und daß man die Mittel im Rahmen des Gesamthaushalts anders und vielleicht besser verteilen könnte. Gerade auf dem Gebiet der Atomkernenergie, der Raumfahrt und der Raumforschung, einem Gebiet, auf dem es in diesem Hause sehr wenige Sachverständige gibt, sind, glaube ich, die Mitglieder des Fachausschusses dadurch, daß sie sich mehr als andere bemüht haben, in diese Materie einzudringen, in besonderer Weise befähigt, denMitgliedern des Haushaltsausschusses einige wertvolle Hinweise und Ratschläge zu geben, von denen wir hoffen, daß sie im Haushalt 1963 ihren Niederschlag finden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst stelle ich fest, daß Sie entschlossen sind, auch in diesem Falle unsere Anträge abzulehnen, aber auch zugegeben haben, und zwar sowohl Frau Geisendörfer wie Herr Dr. Stoltenberg, daß es sich bei beiden Anträgen der sozialdemokratischen Fraktion um ein absolut berechtigtes Anliegen handelt, um das Sie nicht ohne weiteres herumkommen.Verehrte Frau Kollegin Geisendörfer, ich bedanke mich für Ihre charmante Zusage, und ich hoffe, daß Sie den Versuch machen werden, Ihre Haushaltskollegen von der Berechtigung dieses Anliegens zu überzeugen.
— Das haben Sie schon. Dann können Sie ja zustimmen; dann sind wir fertig!Frau Kollegin Geisendörfer, hier hat niemand — wenigstens ich nicht — an die Kollegialität des Fachausschuses appelliert, sondern es ist der Regierung nur hinsichtlich der Verträge gesagt worden, daß man zumindest den Fachausschuß einmal hätte hören sollen. Ich meine, das ist etwas ganz anderes als den Fachausschuß und den Haushaltsausschuß in dieser Frage gleichzusetzen. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: auch wenn wir in der Opposition sind, in diesem Fall sind wir hart. Aber uns kam es nur darauf an, daß bei diesen Verträgen der Fachausschuß vorher gehört wird, damit wir wenigstens wissen, was dahintersteckt.Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben gesagt, wir seien insofern inkonsequent, als wir im Haushaltsausschuß die völlige Streichung und jetzt nur diese 10 Millionen beantragt hätten. Herr Stoltenberg, da muß ich Ihnen sagen, daß Sie die Anständigkeit und die Kompromißfreudigkeit der Sozialdemokratischen Partei noch nicht begriffen haben;
sonst hätten Sie eine solche These nicht vertreten. Ich habe im Haushaltsausschuß im Namen meiner Fraktion die völlige Streichung beantragt. Nur über eine Tatsache kommen wir auch nicht hinweg, und da sind wir viel zu nüchtern, um sie nicht zu sehen. Wir möchten hier nicht eine Position beziehen, in der uns eventuell, wenn wir die völlige Streichung des betreffenden Titels beantragen, ein gewisser Anschluß in der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung fehlt. Diesem Vorwurf möchten wir uns keinesfalls aussetzen. Aus diesem Grunde haben wir uns bereit erklärt, über die Verträge zu reden, aber im ersten Jahr nicht in diesem Ausmaß Mittel bereitzustellen, ohne daß das Parlament gefragt worden ist, sondern wir wollen 10 Millionen DM dafür einsetzen.
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HermsdorfJetzt habe ich aber noch eine ganz konkrete Frage. Ich habe weder von Ihnen, Herr Dr. Stoltenberg, noch von Frau Kollegin Geisendörfer gehört, daß Sie die Berechtigung des dem Antrage zu Tit. 620 zugrunde liegenden Anliegens verneinen. Sie haben nur gesagt, hier handelte es sich um eine Regierungsvorlage.Nun muß ich ganz offen sagen: wir haben im Haushaltsausschuß mit der Vertretung dieses Petitums einen Kollegen 'beauftragt, der in dem Augenblick, als dieses Petitum auf der Tagesordnung stand, nicht da war. Das kann Ihnen genauso passieren, wie es uns passiert ist. Ich bin sogar sicher, daß wir, wenn wir die Sache im Haushaltsausschuß aufgebracht hätten, darüber wahrscheinlich viel vernünftiger und mit einem ganz anderen Ergebnis hätten reden können als heute abend. Es ist also nicht so, daß wir das nicht wollten. Wir haben das einfach durch das Fehlen eines Kollegen versäumt.Jetzt habe ich eine Frage an den Herrn Minister; er hat sich ja zu Wort gemeldet. Ich wäre ihm sehr dankbar, wenn er diese Frage beantworten würde. Herr Dr. Stoltenberg hat gesagt, daß man, falls zum Tit. 620 Anforderungen auf die Regierung zukommen, den Versuch machen sollte, diese Anforderungen aus anderen Titeln, aus außerplanmäßigen Mitteln oder irgendwie sonst zu decken. Ursprünglich war der Tit. 620 voll ausgelastet, es ging sogar so weit, daß aus Tit. 620 nicht alle Anforderungen bestritten werden konnten und man den Tit. 950 mit heranziehen mußte. Nachdem aber bei Tit. 950 heute eine solche Streichung vorgenommen worden ist, ist die Möglichkeit gegenseitiger Deckung zwischen den Tit. 620 und 950 nicht mehr gegeben. Aus diesem Grunde sind wir sehr daran interessiert, vom Herrn Minister eine Erklärung zu 'hören, ob er, falls zu Tit. 620 bestimmte Forderungen auf uns zukommen, bereit ist, diese aus anderen Titeln zu decken und aus welchen. Eines möchten wir nicht, und auch da haben wir eine klare Frage an den Minister: Wir möchten keinesfalls, daß die Mittel — da bin ich völlig mit der Frau Kollegin Geisendörfer einig — aus den Kapiteln 3102 und 3104 gegenseitig deckungsfähig sind. Das möchten wir unter gar keinen Umständen. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Hier hätten wir gern eine verbindliche Erklärung des Ministers.
Der Herr Bundesminister für Atomkernenergie.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine merkwürdige Situation für einen Minister, wenn er sich dem konzentrierten Wohlwollen des Parlaments ausgesetzt sieht. Ich bedanke mich sehr,
insbesondere da die Debatte in der Form einer praxis elegantissima abläuft. Ich möchte, weil wir mit der Platzziffer 31 im Rennen um den Haushalt liegen, mich auf einige allgemeine Bemerkungen undAusführungen zu einigen speziellen Punkten beschränken.Zunächst ist ganz allgemein die Wachstumsrate für das Arbeitsgebiet, das ich zu vertreten habe, natürlich von Jahr zu Jahr steigend. Wir haben nahezu beim Punkt Null angefangen. Es ist gar kein Wunder, daß der Haushaltsansatz der Regierung für dieses Ministerium in jedem Jahr erheblich ansteigen wird. Darin kommt zum Ausdruck, daß wir allmählich das Fundament für diese Arbeit geschaffen haben und daß jetzt natürlich die Forschungsaufgaben in drängender Fülle auf uns zukommen. Zum Vergleich möchte ich dem Hohen Hause eine Zahl nennen. Wir haben in \\den sechs Jahren, in denen das Atomministerium der 'Bundesrepublik besteht, im ganzen soviel an Bundesmitteln ausgegeben, wie Frankreich in einem Jahr für die friedliche Anwendung der Kernenergie ausgibt. Sie sehen also, welche Größenordnungen hier doch, wie man heute sagt, auf uns zukommen werden. Es ist leider so, daß man, 'wenn man bei diesen Gebieten der neuen Technik A gesagt hat, sich durch das Alphabet bis Z hindurchbuchstabieren muß.Wir haben uns bei der Regierungsvorlage bemüht, nur solche Zahlen zu nennen und Ansätze zu beantragen, deren Erfüllung im Laufe des Haushaltsjahres möglich erscheint. Das ist in unserem Fall sehr schwierig, weil sich gewisse Forschungsvorhaben auf mehrere Jahre erstrecken und sehr genau bedacht werden- müssen. Das Angebot des Ministeriums, eine Kürzung vorzuschlagen, erfolgte zu einer Zeit, als die 12%ige Kürzung des Haushalts zur Debatte stand; und wir haben es für zweckmäßig gehalten, selber dazu sachkundige Vorschläge zu machen. Ich möchte aber dem Hohen Hause offen sagen: wir werden, wenn ,die Bundesrepublik Deutschland nicht eine Politik des Als-ob betreiben will und wirklich eine Rolle im internationalen Wettbewerb, der für unsere Wirtschaft so wichtig ist, spielen will, in jedem Jahr mit höheren Haushaltsansätzen kommen müssen. Es wird darüber zu streiten sein, wie das am 'besten auf die einzelnen Titel zu verteilen ist.Ich möchte hier auf eine immer wiederkehrende falsche Vorstellung von unserer haushaltsmäßigen Berechtigung zu sprechen kommen. Wir können haushaltsmäßig nicht mit 'dem Einzelplan 04 — mit dem Innenministerium — verglichen werden. Das Innenministerium treibt Forschungsförderung durch pauschale Förderung. Es ist kein Wissenschaftsministerium in unserem Sinne. Es gibt aber ein Atomwissenschaftsministerium; das ist das Bundesministerium für Atomkernenergie; denn es hat durch die Ergänzung des Grundgesetzes diese Eigenschaft bekommen. Meiner Ansicht nach wäre es auch gefährlich, davon zu sprechen, 'daß man die Forschung z. B. in Tit. 950 allmählich abbauen könnte, weil diese Aufgaben von den Ländern übernommen werden könnten. Ich kann aus meiner nunmehr sechsjährigen Erfahrung feststellen, daß die Länder diese Aufgaben einfach nicht wahrnehmen. Viel-. leicht können sie es nicht, vielleicht wollen sie es nicht. Jedenfalls dürfen wir die Forschungsaufgaben, die in diesem wichtigen Titel betreut wer-
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1048 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Bundesminister Dr. Balkeden, nicht dem Wohlwollen .der Länder aussetzen, solange nicht ,durch Gesetze feststeht, daß die Finanzierung dieses Titels dann eben nicht mehr von uns übernommen zu werden braucht.Die Manipulationssumme von 500 000 DM und die Bindungsermächtigungen von 6 Millionen DM sind natürlich schmerzlich wenig. Es wird nichts anderes übrigbleiben — und das möchte ich hier doch offen sagen, weil es an die Öffentlichkeit dringt —, als die betroffenen Forschungsinstitute und insbesondere die Forscher davon zu verständigen, daß wir die Anträge nicht mehr in dem bisherigen Umfang erfüllen können. Schmerzlich ist das hauptsächlich im Falle Berlins. Die 4 Millionen DM, die wir für das Hahn-Meitner-Institut brauchen, müssen nun irgendwie anders aufgebracht werden. Denn hier kommt ein merkwürdiger Zufall hinzu. Wir haben die ganzen Jahre mit dem Antrag für das Berliner Institut gezögert, weil der Lehrstuhl für Kernphysik nicht zu 'besetzen war. Es hat sich kein Forscher gefunden. Ausgerechnet vor wenigen Wochen ist der junge Forscher gefunden, ,der als Professor für Kernphysik an das Institut gehen will. Nun fehlen uns die Mittel für die Aussteuer.
Vielleicht läßt sich, wie Frau Kollegin Geisendörfer andeutete, doch noch ein Weg finden, um diesen Wunsch zu erfüllen.Zu Tit. 620, Kernchemie: Da ich selbst Chemiker bin, bin ich an diesem Arbeitsgebiet besonders interessiert. Hier kommt aber ein Gesichtspunkt zum Vorschein, ,der zuerst auch für die Physik gegolten hat. Wir sind auf dem Gebiet der Kernchemie, also der Erforschung der chemischen Eigenschaften radioaktiver Materie, rückständig. Das hängt mit Fragen zusammen, .die wir hier nicht zu erörtern brauchen, zum Teil auch 'mit Nachkriegserscheinungen. Wir haben nun angefangen, ein Kernchemie-Programm durchzuführen, ebenso wie bisher das Kernphysik-Programm. Auch hier wird am Anfang etwas weniger gebraucht als später. Der Regierungsansatz von 4,5 Millionen DM ist dahin zu verstehen, daß das eine Summe ist, die wir in diesem Jahr vernünftig unterbringen müssen. Aber ich darf insbesondere die Kollegen von der verehrten Opposition darauf hinweisen, daß der Tit. 620 eine Wachstumsrate haben 'wird, was' sich wahrscheinlich schon im nächsten Haushalt zeigen wird.Nun zur Frage der Weltraumforschung! Dieses Gebiet ist ein Erbstück, das wir von der dritten Bundesregierung übernommen haben. Sie wissen, daß das Bundesministerium für Atomkernenergie für diese Aufgaben zunächst nicht prädestiniert war. In der dritten Bundesregierung wurde seinerzeit aus den bekannten Gründen — das Angebot Großbritanniens zur Beteiligung an der Blue-Streake-Rakete — das Innenministerium beauftragt, die internationalen Verhandlungen zu führen. Das hat dann zu den von Ihnen, Herr Kollege Hermsdorf, beanstandeten Vertragsabschlüssen geführt. Ich möchte darauf hinweisen, daß damals kein Fachausschuß unterrichtet werden konnte, weil dieser Fachausschuß gar nicht bestand. Erst in der vierten Wahlperiode wurdeein Fachausschuß damit betraut. Diese Verträge sind aber ratifikationsbedürftig, d. h. die ganze Diskussion über die Finanzierung muß noch in diesem Hohen Hause stattfinden, wenn die Staatsverträge dem Parlament zur Ratifikation vorgelegt werden. Man sollte das also abwarten. Ich kann hierin auch kein Versäumnis gegenüber dem Parlament sehen.Die Finanzierung dieser Arbeiten, die uns vor dieselben Probleme stellt wie die Finanzierung der Atomkernenergie, werden wir mit sehr bescheidenen Beträgen beginnen müssen. Sie werden sehr rasch ansteigen; die Gründe dafür brauche ich nicht auszuführen. Genauso wie die Kernphysik dient die Raumfahrtforschung und Raumfahrttechnik vor allem der Niveausicherung unserer industriellen Produktion und damit der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Unsere Absicht ist weder, Menschen auf den Mond zu schießen, noch, eine paramilitärische Organisation aufzuziehen. Sie kennen die Arbeit des Ministeriums seit Jahren und wissen, daß wir uns auf friedliche Zwecke beschränken.Die Summen, die beantragt worden sind, umschließen zum größten Teil die internationalen Verpflichtungen, die auf uns zukommen, deren Wirksamkeit, wie gesagt, von der Ratifikation abhängt. Die 10 Millionen DM, die wir im Haushaltsansatz für die eigenen Arbeiten behalten haben, werden für das Anlaufjahr 1962 vielleicht reichen. Der Sperrvermerk ist natürlich hinderlich. Ich erkenne aber eine gewisse Berechtigung des Parlaments an, zu verlangen, daß ein Programm vorgelegt wird. Wir sind zur Zeit mit seiner Erarbeitung beschäftigt.Ich möchte mich der Bitte der Frau' Kollegin Geisendörfer anschließen, daß das, was in diesem Haushaltsjahr 1962 an Wünschen offen bleibt, für das Haushaltsjahr 1963 mit doppelter Begeisterung genehmigt wird.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 64. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —Das letztere ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Einzelplan 31, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Atomkernenergie . Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Herr Abgeordneter Dr. Bechert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft bin,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1049
Dr. Bechertfühle ich mich verpflichtet, festzustellen, daß die Kürzung des Kap. 31 02 — —
— Das ist eine Erklärung für mich persönlich.
-- Ich sage: Da ich Vorsitzender bin, fühle ich mich verpflichtet. Ich habe nicht gesagt, daß ich namens des Ausschusses spreche, sondern in meiner Eigenschaft als Vorsitzender fühle ich mich verpflichtet, eine Erklärung abzugeben.
— — ,daß die Kürzung des Kap. 31 02 des Einzelplanes 31 die Förderung der Forschung auf das empfindlichste trifft, die eine der wesentlichsten Aufgaben des Bundesministeriums für Atomkernenergie ist.
Einen Augenblick! Herr Abgeordneter Vogel, es ist eine sehr interessante Frage, die Sie aufwerfen. Aber vor allem steht in diesem Hause die Redefreiheit. Der Präsident schützt zunächst die Redefreiheit. Er hört sich an, was gesagt wird. Wenn Sie dann anderer Meinung sind, können Sie das Wort nehmen, wenn ein
— lassen Sie mich erst aussprechen! — Verstoß gegen die Geschäftsordnung vorkommt, werde ich das so, wie es die Geschäftsordnung befiehlt, ahnden, oder, wenn es noch schwieriger ist, den Ältestenrat mit ,der Sache befassen. Aber jetzt würde ich empfehlen, diese — zugegeben schwierige — Variante: „weil ich Vorsitzender ides Ausschusses bin, fühle ich mich verpflichtet" passieren zu lassen. —Meine Damen und Herren, so etwas muß in diesem Hause und in diesem Saale erlaubt sein!
Bitte, fahren Sie fort!
Die Kürzung entspricht nicht dem Ersuchen des Deutschen Bundestages vom 29. Juni 1961 an die Bundesregierung, unverzüglich alle Maßnahmen zu ergreifen, die den Anschluß an die internationale Entwicklung sicherstellen. Dieses Ersuchen an die Bundesregierung ist vor einem Dreivierteljahr vom Bundestag einstimmig beschlossen worden, nachdem ,der Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft seinen Bericht über die Förderung der Atomforschung in Drucksache 2867 des 3. Deutschen Bundestages vorgelegt hatte. Frau Kollegin Geisendörfer war damals die Berichterstatterin.
Die Bundesrepublik gerät in die Gefahr, auf dem Gebiet der Erforschung und Nutzung der Atomkernenergie für 'friedliche Zwecke ein unterentwickeltes Land zu bleiben.
Also, jetzt muß ich aber doch etwas sagen, Herr Abgeordneter Dr. Bechert! Was Sie jetzt gesagt haben, hätten Sie sagen können; ich hätte keinen Anstoß an Ihrer Formulierung genommen: „Weil ich Vorsitzender des Ausschusses bin, fühle ich mich verpflichtet." Das kann man sagen. Aber das, was Sie jetzt gesagt haben, würde eigentlich unter die Bestimmungen der §§ 35 und 36 der Geschäftsordnung fallen, „Persönliche Bemerkungen" und „Abgabe von Erklärungen", die vorher dem Präsidenten gemeldet werden müssen, damit er seine Zustimmung geben kann. Aber der Präsident kann ja nicht wissen, was in der Haushaltsberatung jeweils gesagt wird. — Herr Abgeordneter Dr. Vogel?
— Sie wollten mich darauf aufmerksam machen, daß es die beiden Bestimmungen der Geschäftsordnung gibt?
— Ich bedanke mich sehr. — Herr Abgeordneter Niederalt?
— Vielleicht hätte der Präsident, wenn er gewußt hätte, was der Herr Abgeordnete sagen wollte, von den Möglichkeiten der §§ 35 und 36 in diesem Falle Gebrauch gemacht. Dann hätte der Abgeordnete doch sagen können, was er jetzt gesagt hat. Im Zweifelsfalle, Herr Kollege Niederalt, empfehle ich Großzügigkeit.
Jetzt geht es weiter! Ich rufe auf den
Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung .
Das Wort als Berichterstatter hat zunächst der Herr Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Der Einzelplan 60 war der letzte Einzelplan, den der Haushaltsausschuß an jenem denkwürdigen Freitag behandelt hat. Es war mir daher leider nicht möglich, einen Schriftlichen Bericht zu geben. Ich wäre deshalb eigentlich gehalten, Ihnen hier und jetzt einen längeren Bericht zu erstatten, weil die Materie, die in Einzelplan 60 behandelt ist, doch sehr wichtig ist. Auf der anderen Seite weiß ich, unter welchem Zeitdruck die Verhandlungen hier stehen. Ich möchte deshalb das Hohe Haus bitten, damit einverstanden zu sein, daß ich den Bericht zu Protokoll gebe *).
*) Siehe Anlage 2
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1050 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
NiederaltHier und jetzt müssen Sie mir nur ein paar Bemerkungen gestatten, die auf einige wichtige Punkte hinweisen, die dann im einzelnen im Bericht ausgeführt sind.Die erste Bemerkung möchte ich zum Ziel der diesjährigen Haushaltsberatungen machen. Das Ziel der diesjährigen Haushaltsberatungen war ein zweifaches. Einmal war der Haushaltsausschuß gehalten, die globalen Kürzungen durch gezielte Sparmaßnahmen zu ersetzen. Sie wissen, die Summe der globalen Kürzungen war in Höhe von 620 Millionen DM angesetzt. Das zweite Ziel bestand darin, den Länderbeitrag, der im Haushaltsentwurf mit 1740 Millionen DM angegeben war, so herabzudrücken, daß der Bundesrat moralisch keine Möglichkeit mehr hat, so will ich mich einmal ausdrükken, den Vermittlungsausschuß im zweiten Durchgang anzurufen.Ich glaube, Ihnen sagen zu dürfen, daß diese beiden Ziele durch die Beratungen des Haushaltsausschusses, die ja einen Kürzungsbetrag per saldo von 1132 Millionen DM ergeben haben, erreicht worden sind.Eine zweite Bemerkung zu den Steuerschätzungen. Sie erinnern sich vielleicht daran, daß der Bundesrat im ersten Durchgang vorgeschlagen hat, den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer um 291 Millionen DM zu erhöhen. Der Haushaltsausschuß ist dieser Empfehlung des Bundesrats materiell — wenn ich mich so ausdrücken darf — gefolgt, aber nicht formell. Er hat sich nämlich, dem Vorschlag des Finanzausschusses dieses Hohen Hauses folgend, dazu entschlossen, eine Erhöhung der Steuerschätzungen um insgesamt 291 Millionen DM vorzunehmen. Der Haushaltsausschuß hat aber diese Steuerhöherschätzung nicht allein auf den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer verlagert, sondern sie auf verschiedene andere Positionen verteilt. Der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer wurde nur um 123 Millionen DM erhöht. Die restlichen Höherschätzungen von zusammen 168 Millionen DM verteilen sich auf andere Steuern.Eine letzte Bemerkung. In der Öffentlichkeit wird häufig die Frage gestellt: Wie kommt es, daß das Haushaltsvolumen nur um 135 Millionen DM geringer wurde, obwohl doch rund eine Milliarde eingespart wurde? Das hat zwei Ursachen. Einmal mußte die Globalkürzung von 620 Millionen DM — Stichwort: 12 °/o — durch unsere gezielten Einsparungen ersetzt werden. Das bedeutet daß von der runden Milliarde, die wir eingespart haben, schon 620 Millionen durch die im Haushaltsentwurf als Minderausgabe vorgesehene globale Kürzung automatisch konsumiert worden sind.Zum anderen mußten wir bei der Lastenausgleichsabgabe auf Grund neuerer Schätzungen eine wesentliche Erhöhung vornehmen. Diese Maßnahme wirft keine Deckungsprobleme auf; denn es handelt sich um einen durchlaufenden Posten. Aber dieser durchlaufende Posten beeinflußt wesentlich die Optik; denn das Haushaltsvolumen wird dadurch erhöht. So kommt es, daß trotz der vom Haushaltsausschuß beschlossenen Kürzung um rund eine Milliarde praktisch das Haushaltsvolumen nur um 135 Millionen DM niedriger ist, als es im Entwurf vorgesehen war.Ich darf mich auf diese Bemerkungen beschränken und bitte das Hohe Haus, den Einzelplan 60 mit den Beschlüssen des Haushaltsausschusses anzunehmen.
Das Wort hat die Mitberichterstatterin Abg. Frau Krappe.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wegen der sehr späten Stunde möchte Ach nur zwei kurze Bemerkungen zum Kap. 60 05 und A 60 05 — Bundeshilfe für Berlin — als Berichterstatterin machen.
Zunächst möchte ich mich im Namen Berlins dafür bedanken, daß der Berliner Senat für seine Vorstellungen volles Verständnis gefunden hat, was sich in den 'eingesetzten Summen bei den beiden Kapiteln niederschlägt. Der Senat wird dadurch in die Lage versetzt, die finanziellen Schwierigkeiten nach dem 13. August überwinden zu können.
Zum anderen möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben — wiederum im Namen Berlins —, daß das gleiche Verständnis vorherrschen wird, wenn die neueren Hilfsmaßnahmen, die im Wirtschaftskabinett mit dem Berliner Senat beraten worden sind und noch beraten werden, hier im Bundestag in den Gesetzen ihren Niederschlag finden werden. Für diesen Fall möchte ich mich schon heute bedanken.
Wird das Wort gewünscht zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 62? — Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf den Umdruck 62 begründen. Ich will es sehr kurz machen. Ich darf anknüpfen an ,die Ausführungen des Berichterstatters Herrn Niederalt.Wir sind den Anregungen des Bundesrates gefolgt mit Ziffer 1 unseres Antrages, nämlich die Steuerschätzungen für den Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer um insgesamt 291 Millionen zu erhöhen. Wir kennen selbstverständlich genauso gut wie Sie, meine Damen und Herren, die Stellungnahme des Finanzpolitischen Ausschusses dieses Hauses. Wir sind aber der Auffassung, daß wir, wenn wir die finanzielle Unterstützung der Länder brauchen, bei den Steuerschätzungen mindestens auch die gleichen Maßstäbe anlegen müssen, wie sie die Länder für ihre eigenen Steuerschätzungen angelegt haben, und daß wir nicht davon abweichen können. Deshalb halten wir es nur für eine Zwangsläufigkeit aus der Situation heraus, daß hier zu den 123 Millionen, die schon angesetzt waren, weitere 168 Millionen hinzukommen, so daß es 291 Millionen im ganzen sind.
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Dr. SchäferZu Ziffer 2: Auch hier folgen wir der Anregung des Bundesrates. Nach § 75 der Reichshaushaltsordnung muß das Defizit des letzten Jahres mit rund 161 Millionen nicht in diesem Jahr eingesetzt werden, sondern kann genauso gut im nächsten Jahr eingesetzt werden. Dieser Haushalt ist so überstürzt aufgestellt, so überstürzt beraten worden — der Herr Finanzminister hat bei anderer Gelegenheit gesagt, daß er den Haushalt 1963 gewissenhaft vorbereiten werde —, gut, dann soll in einem so überstürzt zustande gekommenen Haushalt auch nicht ein Defizit übernommen, sondern die Möglichkeit, es im nächsten Jahr zu übernehmen, ausgenützt werden. Wir glauben, daß es recht nützlich sein wird, wenn man dem Bundeshaushalt diesen kleinen Spielraum von rund 161 Millionen auf diese Weise verschafft. Ich darf Sie deshalb bitten, zu 1 und 2 zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Niederalt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Koalitionsparteien darf ich bitten, den soeben von Herrn Kollegen Dr. Schäfer begründeten Antrag abzulehnen.
Der erste Antrag befaßt sich mit den 168 Millionen, von denen ich als Berichterstatter hier soeben dargelegt habe, daß sie den Differenzbetrag darstellen zwischen der Schätzung durch den Bundesrat und den Schätzungen, die der Finanzausschuß und der Haushaltsausschuß beim Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer vorgenommen haben. Ich darf dazu bemerken, daß sowohl der Finanzausschuß als auch der Haushaltsausschuß nicht von ungefähr von der Bundesratsauffassung abgewichen sind. Der Herr Bundesfinanzminister hatte, wie er in seiner Etatrede bei der ersten Lesung schon dargetan hat, noch einmal eine Sachverständigenkommission einberufen. Diese Kommission, der Vertreter der Bundesbank, des Statistischen Bundesamtes und der verschiedenen wissenschaftlichen Institute angehörten, kam einhellig zu der Auffassung, daß nach den derzeitigen Ergebnissen der Steuereingänge überhaupt keine Veranlassung zu Steuerhöherschätzungen bestehe. Obwohl diese Kommission zu diesem Ergebnis gekommen war, haben wir sowohl im Finanzausschuß als auch im Haushaltsausschuß die Einkommen- und Körperschaftsteuer und Lohnsteuer um 123 Millionen höher eingeschätzt. Es kann also ein weiteres Hinaufgehen nach meiner Meinung kaum verantwortet werden.
Das ist der erste Teil Ihres Antrages.
Der zweite Teil betrifft das Defizit des Haushalts 1961. Es ist richtig, daß das Defizit des Haushalts 1961 — rund 160 Millionen DM, wenn ich es recht im Kopf habe — erst im Haushalt 1963 eingesetzt werden müßte; das heißt, die Haushaltsordnung bestimmt, daß spätestens im zweiten Jahr dieses Defizit eingesetzt werden muß. Wie ist nun aber die Situation? Wir wissen, daß die Haushaltsprobleme, die Deckungsprobleme im Haushaltsjahr 1963 bestimmt nicht leichter sein werden. Nun frage ich Sie: hat es unter diesen Umständen einen Sinn, das Defizit aus dem Haushaltsjahr 1961 auf das Jahr 1963 zu verschieben, gewissermaßen die Schuld vor sich herzuschieben? Ich glaube, nein. Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir dieses Defizit im Haushalt 1962 belassen.
Ich bitte deshalb, den Antrag auch insoweit abzulehnen.
Abstimmung über Umdruck 62, Änderungsantrag der Fraktion der SPD! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 62 ist abgelehnt.
Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung —! Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Einzelplan 60 ist angenommen.
Ich rufe auf
Haushaltsgesetz 1962 .
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Herr Abgeordneter Schoettle als Berichterstatter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur einige Anmerkungen zu dem Mündlichen Bericht zu machen, von dem ich übrigens noch nicht begriffen habe, warum er „mündlicher Bericht" genannt wird, obwohl er schriftlich vorliegt; aber das ist eine Sache, die wir schon seit dem Anfang dieses Parlaments mit uns schleppen, ohne jemals hinter das Geheimnis dieser Sprachregelung gekommen zu sein.Ich habe dem Hause vorzuschlagen, einen Antrag anzunehmen, der von mir und von dem Herrn Kollegen Dr. Vogel unterschrieben ist. Er betrifft im Grunde genommen lediglich eine Korrektur. Bei der Eile der Beratungen und vor allem bei der Eile der redaktionellen Bearbeitung des Beratungsergebnisses im Haushaltsausschuß ist vergessen worden, im § 9 Abs. 6, der sich mit der einseitigen Deckungsfähigkeit einer Reihe von Haushaltstiteln beschäftigt, einen Punkt einzufügen — der zunächst als 14 a) und später in der Korrektur mit einer neuen Nummer versehen einzufügen wäre — des Inhalts:Einsparung bei Kap. 23 02 Tit. 300 — Zur Verstärkung der in Kap. 23 02 Tit. 332 und Tit. 600 veranschlagten Mittel —Das ist also im Grunde genommen eine redaktionelle Sache.Dann möchte ich 'das Haus auf den neuen § 12 nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses aufmerksam machen. Ich mache deshalb darauf aufmerksam, weil hier eine Ermächtigung erteilt wird, die nicht ganz gewöhnlich ist. Bekanntlich hat der
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SchoettleHaushaltsausschuß die Beratung des Haushalts 1962 in der Zeit, die ihm quasi vorgeschrieben war, nur dadurch durchführen können, ,daß er die Personaltitel insgesamt ausklammerte und die Beratung dieser Personalien auf eine Zeit nach der Beratung des Haushaltsgesetzes verschob. Das war eine der entscheidenden Voraussetzungen für die einigermaßen rechtzeitige — wenn man so will — Verabschiedung des Haushalts in diesem Hause. Der § 12 zieht die Konsequenz aus diesem Tatbestand, indem er dem Haushaltsausschuß die Aufgabe stellt, nach der Verabschiedung des Gesetzes über die Personaltitel zu beraten.In § 12 Abs. 1 wird gesagt, daß Ausgaben bei den Tit. 101 und 102 nur nach Maßgabe der für das Rechnungsjahr 1962 durch den Haushaltsplan und durch den Haushaltsausschuß des Bundestages nach den Abs. 2 und 3 bewilligten Planstellen geleistet werden, Die darüber hinausgehenden Beträge sowie die davon abhängigen Sachausgaben sind gesperrt. Das ist eine 'der Klauseln, die es möglich machen, nach dem Abschluß der Beratungen hier im Plenum weiter zu beraten. Der Abs. 2 ermächtigt den Haushaltsausschuß, die Konsequenzen aus dem Abs. 1 zu ziehen, indem er ihm die Möglichkeit gibt, Planstellen zu streichen, umzuwandeln oder zu übertragen sowie im Rahmen des Regierungsentwurfs des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1962 umzuwandeln oder zusätzlich zu schaffen. Abs. 4 bezieht die Regelungen der Abs. 1 und 2 auf die beamteten Hilfskräfte und nichtbeamteten Kräfte.Ich glaube, daß es unter den obwaltenden Umständen keine andere Möglichkeit gab, den Haushaltsausschuß in die Lage zu versetzen, die Personaltitel 'doch noch zu beraten und Bedürfnisse der Verwaltung je nachdem zu realisieren oder aber in bestimmtem Umfange auch Ansprüche zu verweigern, als eben diesen § 12, der 'in dieser Form sicher eine einmalige Erscheinung in der Haushaltsgesetzgebung sein wird.Ich bitte das Haus, diesen Vorschlägen und nachträglichen Änderungen zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Hierzu liegen einige Änderungsanträge vor. Zunächst rufe ich den Änderungsantrag auf Umdruck 70 der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf. —Zur Begründung Herr Abgeordneter Schmücker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 70 beziehe ich mich auf die Ausführungen der Koalitionssprecher während der Beratungen des Einzelplans des Bundesministers für Wirtschaft. Die Koalitionsfraktionen sind der Meinung, daß über die Streichung von 1 Milliarde hinaus, die der Haushaltsausschuß in Übereinstimmung mit der Regierung vorgenommen hat, weitere konjunkturelle Maßnahmen notwendig sind.
Besondere Schwierigkeiten herrschen auf dem Baumarkt. Nun müssen wir wohl oder übel auch
dort ansetzen. Wir schlagen Ihnen vor, daß 20 % der Mittel gesperrt werden, nicht gekürzt, Herr Kollege Ritzel. Der Unterschied hat sich ja inzwischen bei Ihnen in der SPD herumgesprochen; denn ein ähnlich lautender Antrag liegt von Herrn Dr. Schäfer vor.
Die Sperrung soll nur so weit reichen, als nicht rechtliche Zahlungsverpflichtungen 'bestehen, die vor allen Dingen den Wohnungsbau betreffen. Wir sind der Meinung, daß die Entsperrung vom Bundesfinanzminister in Übereinstimmung mit 'dem Bundeswirtschaftsminister vorgenommen werden soll, weil wir diesen § 8 nicht aus Etatsgründen, sondern aus volkswirtschaftlichen Gründen vorschlagen.
In Abs. 2 bitten wir, zu beschließen, daß dem Wohnungsbauminister die Einhaltung 'des Termins für die Auszahlung erlassen wird.
Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß nur ganz kurz noch einmal sagen: es handelt sich bei unserem Antrag um eine konjunkturpolitische Maßnahme; wir möchten, daß die Gelder nicht die Kapazität übersteigen, weil das ja zu den bekannten Überhitzungserscheinungen 'führt. Man soll uns nicht damit kommen, daß wir vorhandene Kapazitäten nicht ausnutzen wollten. So töricht sind wir nicht; im Gegenteil, wir haben das Vertrauen, daß von der Bundesregierung alle Anstrengungen gemacht werden — und wir sind 'der Meinung, daß das unbedingt notwendig ist —, um die Konjunktur in den Griff zu bekommen, gerade auf dem Bausektor. Wir sind davon überzeugt, daß 'die beiden betroffenen Herren, Herr Starke und Herr Erhard, ihre Vollmachten so auslegen werden, daß sie die vorhandene Kapazität ausnützen, aber auch dafür sorgen, daß das geschickt geschieht und daß nicht Geldmittel auf den Markt geworfen werden, die dieser nicht verkraften kann.
Ich bitte Sie, den Antrag auf Umdruck 70 anzunehmen.
Zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 70 liegt auf Umdruck 71 der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Schäfer, Jacobi , Ritzel, Dr. Brecht vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist das vermutlich der letzte Antrag, der bei dieser Haushaltsberatung in der zweiten Lesung zu behandeln ist.
— Ich sagte „vermutlich", Herr Kollege Schäfer! — Da reizt es mich, eine Bemerkung zu machen zu der Art der Behandlung der sozialdemokratischen Anträge in dieser zweiten Lesung. Ich will es in einer Form machen, die Ihnen vielleicht sympathischer ist als eine scharfe Polemik. Im alten schwäbischen Landtag in der Zeit vor 1933 — ich muß das schwäbisch sagen, vielleicht brauchen Sie dazu keinen Übersetzer — gab es eine sozialdemokratische Fraktion, die zeitweise sogar 'die stärkste Fraktion in diesem Parlament war, trotzdem aber nicht an der
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SchoettleRegierung beteiligt war, weil es Leute gab, 'die der Meinung waren, daß die Stimmen nicht gezählt, sondern gewogen werden müßten.
Außerdem gab es eine andere Fraktion, das war die des Bauernbundes, eine rechtskonservative Angelegenheit. Bei einer Beratung — ich weiß nicht, ob es eine Haushaltsberatung war oder etwas anderes — redeten die Sozialdemokraten wie heute hier in diesem Hause zu ihren Anträgen, und ein gemütlicher schwäbischer Bauernbündler meinte: „Schwätzet Ihr nur, Ihr Sozialdemokraten, wir stimmen ab!"
Nach diesem Verfahren ist es heute in diesem Haus auch zugegangen.
— Das bißchen, was Sie sich abgebrochen haben, Herr Kollege Niederalt, zählt eigentlich nicht.Nun aber zu dem Abänderungsantrag, wobei ich diese Einleitung zu entschuldigen bitte. Man muß ja in dieser späten Stunde auch etwas zur Auflockerung der Atmosphäre tun.Wir stimmen im Prinzip mit dem Vorschlag überein, den die Koalitionsfraktionen in der neuen Fassung des § 8 des Haushaltsgesetzes zum Ausdruck bringen, nur sind wir der Meinung, daß die Formulierungen dieses Antrags nicht ganz genau den Punkt treffen, auf den es ankommt, und daß zum Beispiel ein Punkt fehlt. Wir glauben, daß, nachdem heute in diesem Hause allgemeine Übereinstimmung darüber herrscht, daß zum Beispiel beim Straßenbau 'keine Überhitzung vorliege und ,daß hier nicht Mittel gespart werden dürften, das ausdrücklich in diesem § 8 gesagt werden müßte. Deshalb schlagen wir vor, daß ein Halbsatz eingefügt wird. An der Stelle, wo es bei Ihnen heißt: „von Baumaßnahmen anderer Stellen", wollen wir sagen: „mit Ausnahme der für \\den Straßenbau vorgesehenen öffentlichen Mittel". Wir glauben, daß das eine notwendige Ergänzung des Antrages der Koalitionsparteien ist.Außerdem sind wir der Meinung, daß Abs. 2 der von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Fassung eigentlich die Tatbestände nicht trifft; denn die Mittel für das Wohnungsbaujahr 1962 sind im wesentlichen verteilt; deshalb hat Abs. 2 in der Fassung dieses Antrages eigentlich keinen Sinn. Wir sind der Überzeugung, man muß aus vielen guten Gründen klipp und klar sagen, daß die Bestimmungen des § 8 Abs. 1 auf den öffentlich geförderten Wohnungsbau keine Anwendung finden sollen, weil in diesem Bereich unter keinen Umständen irgendeine Hemmung des Baugeschehens eintreten darf.Wir schlagen deshalb eine andere Fassung des Abs. 2 in diesem Paragraphen vor und bitten den Herrn Präsidenten, die Abstimmung über diese Vorschläge nach Abschnitten getrennt vorzunehmen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schoettle, Sie haben soeben den Antrag begründet, der auf eine Änderung des Koalitionsantrags abzielt, und Sie haben gesagt, daß Sie „im Prinzip" dem Antrag der Koalition zustimmen.Ich möchte ganz kurz etwas sagen zu dem, wie Sie das dargelegt haben. Der Antrag der Koalition ist natürlich sehr, sehr sorgsam überlegt. Er soll den Sinn haben, die Erscheinungen auf dem Baumarkt gar nicht zu beseitigen, sondern einzudämmen, von denen Sie, wenn Ihre Worte „im Prinzip" einen Sinn haben sollen, genauso denken wie wir, nämlich daß sie ausgesprochen schädlich sind.
— Den Baumarkt. Sie sind schädlich.
— Ich darf mir erlauben, zunächst einmal bei dem Wort Baumarkt zu bleiben. Diese Erscheinungen sind, wenn das Wort „im Prinzip" einen Sinn haben soll, auch nach Ihrer Ansicht nicht dem angemessen, was sein sollte. Wenn Sie mir nun einmal sagen wollten, was Sie eigentlich im Auge haben mit den Kürzungen, dann wäre ich außerordentlich dankbar. Ich glaube, es würde für die Koalition sehr wissenswert sein, wenn Sie sagten, was Ihres Erachtens mm der § 8 des Haushaltsgesetzes, wie ihn die Sozialdemokratische Partei sieht, bedeutet.
Das würde ich gern einmal von Ihnen hören, damit wir uns noch darüber unterhalten können. Ich will also nicht wissen, was Sie hier ausnehmen wollen, sondern ich möchte wissen, was drinbleibt.
— Sie haben ja die Begründung von Herrn Schmücker schon gehört.Ich möchte noch einmal sagen: dieser Antrag der Koalition ist sehr, sehr sorgsam überlegt.
Wir wollen heran an die Erscheinungen auf dem Baumarkt, von denen ich sprach. Wir sind der Meinung, daß mit dem § 8, wie ihn die Koalition formuliert hat, nichts, aber auch gar nichts passiert, was schädlich ist, weder beim Wohnungsbau noch beim Straßenbau.
Wir sind der Meinung — wir haben ja alle Ausnahmemöglichkeiten in diesem Paragraphen vor-
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Bundesfinanzminister Dr. Starkegesehen —, daß man das einmal untersuchen muß, und zwar praxisnah.
— Na ja, Sie sagen jetzt „Vollmachten"; wenn Sie jetzt gleich noch „Ermächtigungsgesetz" sagen, übertreiben Sie noch mehr, Herr Kollege Schäfer.
— Warum ich „Vollmachten" sage? Sie haben das Wort „Vollmachten" so betont; es klang schon so ähnlich.Wenn Sie mir einmal sagen wollten, wie Sie an die Geschichte in anderer Weise herankommen wollen, als daß Sie eine generelle Kürzung machen, um überhaupt etwas in den Griff zu bekommen, und dann eine Ausnahmemöglichkeit geben, die der Finanzminister und der Wirtschaftsminister regeln, mit der man alles regeln kann, was passieren könnte, dann wäre ich Ihnen dankbar.Aber nun zu sagen — von Ihnen aus gesehen —, der Abs. 2 in der Fassung der Koalition sei nicht richtig oder überflüssig, und Sie bringen dann einen anderen, — ich finde, daß Sie eben nicht ganz zum Ausdruck bringen, was Sie eigentlich mit Ihrem Antrag wollen. Wir haben uns darauf geeinigt, daß man in dieser Form einmal versuchen soll, an die Erscheinungen auf dem Baumarkt, die wir alle nicht gern wollen, heranzugehen. Wir haben mit den Ausnahmemöglichkeiten zugleich jede Möglichkeit geschaffen, um unerwünschten Dingen entgegenzutreten.
— Wir halten den sozialen Wohnungsbau natürlich auch nicht für unerwünscht,
aber ich wäre dankbar, wenn Sie doch einmal für uns ausführten, was Sie mit Ihrem Antrag hier wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Bundesfinanzminister, darf ich Ihren Darlegungen entnehmen, daß mit dem Antrag der Koalitionsparteien gemeint ist, daß man Konjunktur dämpfen will in einem Gebiet, wo gar keine Überhitzung besteht, nämlich im Tiefbau?
Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Da ich die Frage nicht verstanden habe, kann ich darauf keine Antwort geben. Ich weiß nicht, was Sie damit meinen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer? —Bitte.
Herr Finanzminister, habe ich Sie nun richtig verstanden, wenn ich Ihren Worten entnehme, daß Sie eigentlich in erster Linie auf dem Gebiet des Wohnungsbaus und des Straßenbaus ansetzen wollen?
Ob Sie mich richtig verstanden haben? — So wie Sie das sagen, habe ich es weder gesagt noch gemeint; sondern wir haben gesagt, wir wollen, um die Dinge überhaupt einmal in den Griff zu bekommen, eine generelle Maßnahme treffen. Wir werden uns dann überlegen, wo man die Ausnahmen ansetzen muß.
Im übrigen wissen Sie doch wie wir — wenn ich Ihnen das einmal sagen darf —, daß die Wohnungsbaumittel für das Jahr 1962 verteilt sind, und zwar in einem Sinne, daß sie rechtliche Verpflichtungen darstellen. Wenn Sie also den Satz lesen: „soweit nicht eine rechtliche Verpflichtung zu einer Leistung besteht", sind wir uns doch völlig einig, was das bedeutet. Warum wollen Sie dann den Absatz ändern?
— Der Abs. 2 betrifft doch etwas ganz anderes. Abs. 2 betrifft das, was sich im Jahre 1962 abspielen wird, und über das Jahr 1963 werden wir uns im Herbst unterhalten, wenn wir sehen, wie die ganze Lage ist.Aber das, was Sie meinen, der Wohnungsbau im Jahre 1962, — der hat doch sein Geld. Wie Sie wissen, ist es im Herbst 1961 verteilt worden. Deshalb ist ausdrücklich hineingeschrieben worden, damit kein Irrtum entsteht: „soweit nicht eine rechtliche Verpflichtung zu einer Leistung besteht". Eine rechtliche Verpflichtung entsteht, wenn Sie das Geld verteilt haben. Aber das ist, glaube ich, zur Genüge bekannt.Was den Straßenbau anbelangt, so lassen Sie uns das einmal genau überlegen, was wir da machen. Zunächst einmal ist die Koalition davon ausgegangen, daß unter die 20%ige Kürzung, um es mit einem Wort zu sagen, der gesamte Hochbau und der gesamte Tiefbau fallen müssen. Mit der Ausnahmebestimmung hat die Regierung jede Möglichkeit, das so zu steuern, wie wir wollen. Wenn Sie aber glauben, daß man sich gewisse Lieblingskinder aussuchen kann und dann, indem man sie erwähnt, sagen kann: „Die Regierung ist gegen das oder jenes", dann muß ich sagen: nein, das sind wir nicht. Wir sind einfach gegen diese generellen Überhitzungserscheinungen auf dem Baumarkt, und denen wollen wir, wie Sie wissen, mit weiteren Gesetzen, die wir Ihnen noch vorlegen und die der Bundeswirtschaftsminister bereits angekündigt hat, gleichfalls zu Leibe rücken.
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Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Bundesminister, hat an der Formulierung, die Sie hier vorgetragen haben bzw. hier schriftlich vorliegt, auch der Bundesverkehrsminister mitgewirkt, und sind seine Bedenken, die heute nachmittag in seinen Darlegungen hier zum Ausdruck kamen, in der Formulierung mit berücksichtigt worden?
Ich bin davon überzeugt; denn Sie haben den Bundesverkehrsminister gehört. Im allgemeinen werden solche Paragraphen nicht vorgelegt, ohne daß sie abgestimmt sind.
— Ich glaube, ich habe bisher nicht festgestellt, daß ich mit dem Bundesverkehrsminister verschiedene Meinungen über diese Probleme habe.
Ich möchte also, meine sehr geehrten Herren von der Opposition, sagen: was Sie mit diesen Änderungsanträgen machen, ist nichts anderes als ein Appell dahin, daß Sie draußen sagen wollen: Die Leute sind gegen Straßenbau, die sind gegen Wohnungsbau. — Ich sage Ihnen noch einmal: Wir sind das in gar keiner Weise, sondern wir sind alle geschlossen wie Sie — denn sonst hat der Satz „im Prinzip" gar keinen Zweck — gegen die Überhitzungserscheinungen auf dem Baumarkt. Bitte, äußern Sie, nachdem unser Paragraph angenommen ist und wir mit ihm arbeiten, dann Ihre Kritik an den Ergebnissen dessen, was wir jetzt tun wollen und was wir auch tun werden.
Präsident. D. Dr. Gerstenmaier: Herr Abgegeordneter Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, aus welchem Grunde die Koalition dem Herrn Bundesfinanzminister Beifall gespendet hat.
Ich hatte den Eindruck, er wollte einfach nicht verstehen, was die sozialdemokratischen Änderungsanträge bezwecken.
Ich will es Ihnen ganz klar sagen. Sie beabsichtigen offenkundig, das gesamte Volumen, das man als ' Bauvolumen bezeichnen kann, wie Sie sagen, in den Griff zu bekommen. Wir sind der Meinung, daß dort, wo keine Überhitzung besteht, aber die Notwendigkeit besteht, die Aktivität fortzusetzen, z. B. im
Straßenbau, die Ermächtigung der Bundesregierung nicht gelten soll. Das ist unsere Meinung.
Wir sind der Meinung, daß die Ermächtigung auch auf den sozialen Wohnungsbau nicht Anwendung finden soll, den wir ausdrücklich ausgenommen wissen wollen. Das ist der Sinn unserer Anträge und nichts anderes. Wenn ich sage, daß wir im Grundsatz der gleichen Auffassung sind wie die Koalition, so heißt das nicht mehr und nicht weniger, als daß wir die Dinge nicht einbezogen wissen wollen, von denen wir der Überzeugung sind, daß sie nicht unter das Kapitel „Überhitzung der Baukonjunktur" fallen. Wenn Sie das nicht begreifen, kann ich Ihnen auch nicht helfen.
Herr Abgegeordneter Schmücker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ganz hübsch, daß wir zum Schluß noch ein kleines Feuerwerk erleben. Aber, Herr Schoettle, nicht immer soll man die Schuld bei dem anderen suchen.
Sicherlich machen auch wir Fehler. Aber überlegen Sie sich bitte auch einmal, was ich in ganz kurzen Ausführungen darzulegen versuche.
Wir schlagen Ihnen vor, daß die Bundesregierung, d. h. der Bundesfinanzminister in Übereinstimmung mit dem Bundeswirtschaftsminister, das Recht erhält, eine Entsperrung vorzunehmen. Das bedeutet nichts anderes, als daß der Herr Bundesfinanzminister versuchen soll, die Geldmittel mit der vorhandenen Kapazität in Übereinstimmung zu bringen. Sie sagen ganz generell: Es ist keine Überhitzung im Tiefbau festzustellen. Wie wollen Sie Hoch- und Tiefbau heute noch exakt trennen?
Natürlich können Sie das nicht, meine Damen und Herren; denn Hoch- und Tiefbau stehen miteinander in Zusammenhang.
Außerdem ist es so: es mag unter dem Strich so aussehen, wie Sie sagen, Herr Schoettle. Aber die Verhältnisse sind doch regional völlig unterschiedlich, und darum können wir uns doch nicht von Gesetzes wegen festlegen. Da müssen wir doch jemanden haben, der die Verantwortung übernimmt und sich konjunkturpolitisch vernünftig verhält, damit wir die Verhältnisse endlich in den Griff bekommen und keine weiteren Preissteigerungen stattfinden. Dabei könnten Sie uns übrigens auf anderen Gebieten noch sehr gut helfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
1056 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier nicht, Herr Kollege Schmücker, um ein Schlußfeuerwerk, sondern um das, was der Herr Bundesfinanzminister vorhin gemeint, aber nicht getan hat, als er davon sprach, daß man sehr sorgfältig überlegen müsse. Da hier offensichtlich noch Unklarheiten bestehen, möchte ich noch einen kleinen Beitrag zur Aufklärung leisten.
Wir haben, wenn die 20% gesperrt werden, im Straßenbau zunächst einmal eine Sperre hinsichtlich 360 Millionen DM.
Wir haben die Tatsache, die nicht bestritten werden kann, daß das Bundesverkehrsministerium auf Grund des drohenden Antrags Umdruck 71 bereits Arbeitsaufträge eingestellt hat. Wir haben die Tatsache, daß der 1. Vierjahresplan auf dem Gebiet des Straßenbaues, der am 31. Dezember dieses Jahres endet, in einem erschütternden Umfange nicht ausgeführt werden kann.
Wir haben heute aus .dem Munde des Herrn Bundesverkehrsministers gehört, daß es auf dem Gebiet des Straßenbaues eine durchaus ausreichende Kapazität und in keiner Weise eine Überhitzung gibt. Warum also eine solche Maßnahme in einer derartigen Verkehrssituation? Wir haben doch alle miteinander, die Bundesregierung ebenso wie die einzelnen Fraktionen des Hohen Hauses, der Öffentlichkeit fortgesetzt erklärt, daß es der Wille des Bundestages sei, dem Verkehrswesen durch Straßenbau, wo immer möglich, zu Hilfe zu kommen. Nun stehen ,die Mittel im Haushalt, und nun wollen Sie den ganzen Apparat in Verwirrung bringen. Die Mittel sind im Einzelplan 12 bewilligt worden. Die Maßnahmen, über die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier und draußen gesprochen hat und über die die Presse geschrieben hat, bezogen sich niemals auf den Straßenbau, sondern immer nur auf den Hochbau. Vom Straßenbau hatte bis dahin niemand zu sprechen gewagt, weil es einfach nicht zu verantworten gewesen wäre, den Straßenbau in dieser schlimmen Weise zu treffen. Das ist der Grund für unseren Änderungsantrag. Wenn Sie, um noch einmal mit den Worten des Herrn Bundesfinanzministers zu sprechen, so sorgsam überlegen, wie es die Lage erfordert, sollte es nicht schwer sein, den von uns gestellten Änderungsantrag anzunehmen.
Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So einfach liegen die Dinge leider nicht, wie Sie, Herr Kollege Ritzel, es soeben dargestellt haben.
Herr Kollege Ritzel, wollen Sie bitte einmal die Preisrätselfrage lösen: Ist eine Straßenbrücke ein Hoch- oder Tiefbauobjekt?
— Moment einmal, das ist auch einer der wichtigen Punkte. Damit fängt es an. Das können Sie mit einem Gelächter nicht abtun, das ist eine ernsthafte Frage.
Dazu will ich noch etwas weiteres sagen. Bereits im November vergangenen Jahres sollte gerade im Lande Baden-Württemberg die Autobahn Karlsruhe—Basel fertig sein. Sie ist noch nicht fertig, sie wird erst im Julifertig werden. Glauben Sie, daß das an den fehlenden Mitteln gelegen hat, Herr Kollege Ritzel? Das hat an ganz anderen Faktoren gelegen, die Sie hier nicht aufgezählt haben. Aber eines ist sicher: beides ist heute eng miteinander verquickt.
Ich will Ihnen einen anderen Fall anführen. Beispielsweise konnten die Rheindämme nicht erhöht werden, weil überhaupt keine Firmen mehr Angebote einreichten. Wollen Sie da noch sagen, daß im Oberrheintal keine Überhitzung da war?! Wie können Sie das sagen?!
Die Lage ist heute regional so verschieden, Herr Kollege Ritzel, daß Sie das alles nicht einfach in einen Topf werfen können.
Sie verwechseln konstant Sperre und Kürzung — ich muß Ihnen sagen, Sie wissen es ganz genau, Herr Kollege Ritzel; bei vielen anderen Kollegen würde ich sagen, sie wußten es im Augenblick nicht —, Sie wissen genau, was eine Sperre heißt und was eine Entsperrung bewirken kann. Da jederzeit die Möglichkeit einer Entsperrung gegeben ist, braucht keineswegs das einzutreten, was Sie jetzt mit Flammenschrift an 'die Wand malen. Das ist wohl bei diesem Antrag das entscheidende. Die Bundesregierung soll einerseits die Möglichkeit der Dämpfung behalten, andererseits die Möglichkeit erhalten, überall dort die Schleusen zu ziehen, wo die Kapazität dafür gegeben ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Bemerkungen. Es geht uns nicht darum, mit Flammenschrift etwas an die Wand zu werfen,
sondern Licht in das Dunkel zu bringen.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Sie wollten sicher nicht sagen, Herr Kollege Jacobi, daß wir schon Mitternacht haben und ich der Nebukadnezar bin.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1057
Nein, keinesfalls Herr Präsident.
— Bei Ihnen ist es sowieso schwer, Herr Niederalt. Das weiß ich.
Während der Debatten um den Haushalt des Wirtschaftsministers gab es, soweit ich mich der Auseinandersetzungen in diesem Hause entsinne — Sie können das im Protokoll nachlesen —, volle Übereinstimmung darüber, daß der soziale Wohnungsbau von sogenannten dämpfenden Maßnahmen ausgeschlossen bleiben sollte. ,Das ist das eine.
Das andere. Soeben hat einer Ihrer Sprecher eine Erklärung abgegeben, ,der soziale Wohnungsbau werde ja insoweit nicht betroffen, als Mittel bereits bewilligt würden. Mit anderen Kollegen der CDU, mit denen ich heute im Laufe des Nachmittags sprach, ergab sich eine Übereinstimmung darüber, daß der soziale Wohnungsbau nicht gedrosselt werden dürfe. Ich habe Anhaltspunkte dafür, daß man auch im Bundeswohnungsbauministerium über das, was hier offenbar doch beabsichtigt ist, nicht sehr glücklich ist. Ich weiß nicht, ob zwischen den verschiedenen Ressorts eine Übereinstimmung der Auffassungen herbeigeführt worden ist.
Förmlich erschütternd war der mangelnde Sachverstand — entschuldigen Sie, Herr Bundesminister
I) Dr. Starke —; den Sie hier zum Ausdruck gebracht haben. Ich habe volles Verständnis dafür, daß Sie ein Mann sind, der sich in Not befindet und zusehen muß, wie er mit seinem Etat durchkommt.
Aber Sie sollten sich doch bei Erwägungen, die bestimmte Fachsparten betreffen, darüber im klaren sein, daß man mit fiskalischen Maßnahmen allein solche Dinge nicht treffen kann und daß es sowieso ein Problem für sich ist, vom Haushalt her Konjunkturpolitik zu betreiben. Sie haben in der Öffentlichkeit seit Wochen angekündigt, daß Sie gesetzliche Maßnahmen zur Dämpfung der Baukonjunktur beantragen wollten. Das scheint mir der richtige Weg zu sein, und da sollte man sich im einzelnen über Maßnahmen unterhalten. Aber dem Finanzminister, und just dem Finanzminister, der so mangelhafte Sachkunde in der Frage der Wohnungsbaupolitik an den Tag legte, die Entscheidung darüber zu überlassen, was gesperrt und wie lange gesperrt werden sollte, dazu können wir uns nach dem, was wir hier gehört haben, nicht entschließen.
— Bitte!
Herr Kollege Jacobi, zeugt es, wenn Sie den Vorwurf mangelnder Sachkunde erheben, nicht von mangelnder Sachkunde, wenn Sie immer noch nicht erkennen, daß es sich hier nicht um eine fiskalische Maßnahme handelt, sondern um eine Frage der Konjunkturpolitik, daß diese Frage mit 'der Frage .des Haushaltsausgleichs überhaupt nichts zu tun hat?
Moment, Herr Kollege Stoltenberg, das mag sein, wie es will, und Sie können das theoretisch so oder so rubrizieren. In dem Augenblick aber, wo Sie dem Finanzminister praktisch die Sachentscheidung in die Hand geben — etwa bei Vorhaben 'des sozialen Wohnungsbaus —, haben Sie eine Entscheidung getroffen, die verderblich ist.
Jedenfalls müssen wir offen 'bekennen, daß wir nicht davon überzeugt sind, daß zwischen den Ressorts eine Übereinstimmung erzielt ist. Ich wäre dankbar, wenn der hier anwesende Vertreter des Herrn Bundeswohnungsbauministers, den ich während der Ausführung des Herrn Finanzministers beobachtet habe, einmal freimütig sagen würde, wie sein Haus über diesen Antrag im Zusammenhang mit dem öffentlich geförderten Wohnungsbau denkt.
Keine weiteren Wortmeldungen, wir kommen zu dien Abstimmungen.Ich lasse in folgender Form abstimmen. Herr Abgeordneter Schoettle hat getrennte Abstimmung nach Absätzen beantragt. Nun kommt etwas, was für die Freunde von Geschäftsordnungsfinessen interessant ist. Den Änderungsantrag Umdruck 71 zu § 8 Abs. 1 betrachte ich als einen Änderungsantrag zum Antrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 1 und lasse über ihn deshalb zuerst abstimmen, obwohl der Antrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 1 der weitergehendeÜber den Antrag Umdruck 71 zu § 8 Abs. 2 lasse ich vor dem Antrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 2 abstimmen, weil der Antrag Umdruck 71 zu § 8 Abs. 2 nach der übereinstimmenden Meinung der Sachverständigen der sachlich weitergehende ist. Über den Antrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 2 wird also an vierter Stelle abgestimmt. Alles klar?Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 71 zu § 8 Abs. 1 ab. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.Wir kommen zu dem Änderungsantrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 1. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.Wir stimmen nun ab über den Änderungsantrag Umdruck 71 zu § 8 Abs. 2. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.Schließlich stimmen wir ab über den Änderungsantrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 2. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegen-
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1058 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Präsident D. Dr. Gerstenmaierprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag isst angenommen, damit § 8 des Haushaltsgesetzes in der so geänderten_ Fassung.Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 68. Er betrifft eine redaktionelle Änderung in § 9 Abs. 6, die der Herr Abgeordnete Schoettle als Berichterstatter schon begründet hat. — Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 63 betreffend § 22 und 23 des Haushaltsgesetzes. Wird dazu das Wort gewünscht?
— Der Antrag ist bereits begründet. Wird sonst dazu das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen.Ich lasse über den Änderungsantrag Umdruck 63 im ganzen abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz im ganzen. Wer dem Haushaltsgesetz mit den in der Einzelberatung der zweiten Lesung beschlossenen Änderungen, im übrigen in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Gegenstimmen ist das Haushaltsgesetz 1962 angenommen.Ich lasse noch abstimmen über die Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses Drucksache IV/200, den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf Drucksache IV/184 für erledigt zu erklären. Wer zustimmen will, den bitte ich um ,ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.Damit ist die zweite Lesung des Bundeshaushalts 1962 beendet.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 12. April 1962, 9 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.