Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung kann ich verschiedenen Kollegen die Glückwünsche des Hauses zu ihren Geburtstagen übermitteln: dem Herrn Abgeordneten Jungherz zum 65. Geburtstag am 14. Februar,
dem Herrn Abgeordneten Schütz zum 60. Geburtstag am gleichen Tage.
Ebenfalls den 60. Geburtstag hat am 16. Februar Herr Kollege Huth gefeiert.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat werden die von dem Herrn Bundesminister der Finanzen auf Grund des § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung übersandten Zusammenstellungen der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben dem Haushaltsausschuß überwiesen. Inzwischen ist die Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im ersten Halbjahr des Rechnungsjahres 1960 — Drucksache 2467 — eingegangen. Ich unterstelle, daß das Haus mit der Überweisung dieser Vorlage an den Haushaltsausschuß einverstanden ist. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes — Drucksache 2543 —. Die Drucksache wird soeben verteilt. Ist das Haus mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? — Es ist so beschlossen. Die Vorlage wird dann als Punkt 19 d) der Tagesordnung behandelt.Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10. Februar 1961 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs, 2 GG nicht gestellt;Gesetz zu dem Abkommen vom 23. Mai 1957 über den Austausch von Postpaketen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik KubaGesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 29. April 1957 zur friedlichen Beilegung von StreitigkeitenGesetz zu dem Abkommen vom 2. März 1960 über die Aufstellung eines Teils des Gemeinsamen Zolltarifs betreffend die Waren der Liste G in Anhang I des Vertrages zur Gründung der Europäischen WirtschaftsgemeinschaftGesetz zur Ergänzung des Gesetzes fiber die Allgemeine Statistik in der Industrie und im BauhauptgewerbeGesetz zur Änderung des BundesjagdgesetzesGesetz zu dem Abkommen vorn 28. Januar 1930 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland betreffend die Behandlung von Versicherungsverträgen sowie Spezialrückversicherungs- und GeneralrückversicherungsverträgenFünftes Gesetz zur Änderung des TabaksteuergesetzesGesetz zu dem Abkommen vom 22. Dezember 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran über die Liquidation des früheren deutsch-iranischen VerrechnungsverkehrsGesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Neuordnung der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und StraßenbahnenGesetz zur Änderung des UnterhaltssicherungsgesetzesGesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender SchriftenZwölftes Gesetz zur Änderung des GrundgesetzesSechstes Gesetz zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen RechtsschutzesGesetz über die am 31. Oktober 1958 in Lissabon beschlossene Fassung der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 und über die am 31. Oktober 1958 in Lissabon beschlossene Fassung des Madrider Abkommens vorn 14. April 1891 über die Unterdrückung falscher oder irreführender HerkunftsangabenGesetz zu dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über dieAnerkennung und Vollstreckung ausländischer SchiedssprücheGesetz zu dem Abkommen vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der GrundsteuernDreizehntes Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes .In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat zum Gesetz zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriftenund zumSteuerbeamten-Ausbildungsgesetz
verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Seine Schreiben sind als Drucksachen 2485 und 2486 verteilt.ZumDreizehnten Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
hat der Bundesrat eine Entschließung gefaßt, die dem Sitzungsbericht als Anlage 2 beigefügt ist.Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 9. Februar 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Höcherl, Wacher, Bauer , Sühler, Fuchs und Genossen betr. Verordnung zur Beimischung von Kartoffelflocken zu Futtermitteln -Drucksache 2427 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2491 verteilt.Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen hat unter dem 14. Februar 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion
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8130 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Vizepräsident Dr. Dehlerder FDP betr. Einstellung von Heimkehrern als Beamte — Drucksache 2440 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2494 verteilt.Der Leiter der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin hat unter dem 17. Februar 1961 gemäß den §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol in Verbindung mit § 2 Ziffer 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (BGBl. I S. 1), § 3 (1) Ziffer 5 des Ersten Überleitungsgesetzes in der Fassung vom 21. August 1951 (BGBl. I S. 779) und § 4 (2) des Gesetzes über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. November 1950 (BUB!. S. 765)den Geschästsbericht der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlinund dieBilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1959/60vorgelegt, die als Drucksache 2538 verteilt werden.Die von der Bundesregierung gemäß Artikel 2 Salz 1 des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vorgelegtenErgänzungen zum Beschluß der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die beschleunigte Verwirklichung der Vertragsziele — Drucksache 2455 —sind vom Präsidenten im Benehmen mit dem Ältestenrat an den Außenhandelsausschuß überwiesen worden.Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dein 20. Februar 1961 in Ergänzung seiner vorläufigen Stellungnahme vom 27. Oktober 1960 — Drucksache 2171 — die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Dollinger, Wacher, Bauereisen, Meyer , Spies (Emmenhausen), Wittmann und Genossen betr. Ubersicht über das Auftragsvolumen der öffentlichen Hand — Drucksache 2113 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2539 verteilt.Die von der Bundesregierung gemäß Artikel 2 Satz 2 des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vorgelegtenVorschläge der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft füra) ein Allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheitb) ein Allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs— Drucksache 2532 -sind vom Präsidenten im Benehmen mit dem Ältestenrat an den Wirtschaftsausschuß überwiesen worden.Wir kommen zurFragestunde .Die erste Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — es handelt sich um die Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel — wird am Freitag aufgerufen.Es steht dann die Frage der Frau Abgeordneten Dr. Rehling aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts an:Sind die vorn Herrn Bundesaußenminister am 26. Juni 1958 in Aussicht gestellten Ermittlungen betr. die Ratifikation der UNESCO-Konvention über den Schutz von Kulturgütern im Krieg nunmehr abgeschlossen, und bis wann kann mit der Ratifizierung dieser Konvention gerechnet werden?Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Rehling darf ich wie folgt beantworten:
Die seinerzeit in Aussicht gestellten Ermittlungen sind inzwischen abgeschlossen worden. Sie haben ergeben, daß diejenigen Staaten, die der Konvention beigetreten sind oder ihr beizutreten beabsichtigen, die Schutzmaßnahmen, welche innerhalb von sechs Monaten nach Ratifizierung der Konvention getroffen sein müssen, in sehr unterschiedlichem Maße verwirklicht haben oder zu verwirklichen beabsichtigen.
Unabhängig von dem Ausmaß, in dem andere Staaten die Stipulationen der Konvention auf ihrem Gebiet durchführen, hat das Auswärtige Amt die Ständige Vertragskommission der Länder am 28. Januar 1960 — ich wiederhole: 1960 — gebeten, eine Stellungnahme der Länder zum Beitritt der Bundesrepublik zu der Konvention herbeizuführen. Nachdem die Länder im Juli vergangenen Jahres an die noch ausstehende Stellungnahme erinnert worden waren, sind zwischen Mitte September 1960 und Mitte Januar 1961 von neun Ländern Äußerungen zum Beitritt der Bundesrepublik zur Konvention eingegangen. Es fehlen noch die Stellungnahmen der Länder Saarland und Schleswig-Holstein. Wir haben diese beiden Länder noch einmal an ihre ausstehende Stellungnahme erinnert.
Soweit dem Auswärtigen Amt über die Ständige Vertragskommission bekannt geworden ist, soll keines der Länder des Bundes beabsichtigen, Bedenken gegen den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu der Konvention zu erheben. Das Auswärtige Amt erwartet demnach den Eingang der noch ausstehenden Antworten in absehbarer Zukunft. Danach kann die Konvention von der Bundesregierung zur Ratifizierung vorgelegt werden.
Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Frage des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer —:
Ich frage die Bundesregierung, weshalb Gemeinden, die Bundesgrenzschutzgarnisonen werden, nicht in gleicher Weise unterstützt werden wie Gemeinden, die Bundeswehrgarnisonen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, daß Ihre Frage sich auf die Gewährung von Finanzhilfen für Aufschließungsmaßnahmen und Folgeeinrichtungen bei der Errichtung von Standorten bezieht. Diese Finanzhilfen werden bei Grenzschutzstandorten nach Richtlinien gewährt, die der Herr Bundesminister der Finanzen zur Zeit noch als Entwurf herausgegeben hat. Für Bundeswehrstandorte bestehen eigene Richtlinien des Bundesministers für Verteidigung, die sich von den vorerwähnten nicht wesentlich unterscheiden. Die Höhe der Finanzhilfen richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten und ist deshalb für die einzelnen Standorte naturgemäß sehr verschieden. Von einer wesentlich unterschiedlichen Behandlung von Standorten der Bundeswehr und solchen des Bundesgrenzschutzes ist in meinem Hause nichts bekannt.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, ob berücksichtigt worden ist, daß man auch an Zuschüsse für Schulen denkt, die für die Kinder von Bundesgrenzschutzangehörigen erforderlich werden, und gegebenenfalls bei den Fürsorgemaßnahmen auch an den Ausbau von Krankenhäusern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es handelt sich hier wohl um den Standort Uelzen. Dazu darf ich mit-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8131
Dr. Hölzlteilen, daß mit der Stadt Uelzen völlige Einigkeit besteht und keinerlei Streitpunkte übriggeblieben sind. Soviel mir aber durch eine Rückfrage gestern noch bekannt wurde, beabsichtigt der Kreis Uelzen, ein neues Kreiskrankenhaus zu bauen, nicht etwa wegen des Bundesgrenzschutzes, sondern an sich. Nun verlangt der Kreis Uelzen für dieses Krankenhaus einen Zuschuß des Bundes, weil es wegen der teilweisen Mitbenutzung durch den Bundesgrenzschutz nach der Statistik um eineinhalb Betten vergrößert werden muß. Es liegt aber hierwegen beim Bundesgrenzschutz und bei uns noch keinerlei Antrag vor; es ist bisher nur mündlich vom Oberkreisdirektor auf diesen Sachverhalt hingewiesen worden. Die Frage, ob in Uelzen die Notwendigkeit besteht, zu Schulen Zuschuß zu leisten, kann ich augenblicklich nicht beantworten, Ich werde mich erkundigen. Die Schulen sind ja an sich Aufgabe der Gemeinden, und wie ich sagte, besteht mit der Stadt Uelzen völlige Übereinstimmung. Falls eine solche Frage beim Kreis Uelzen offen wäre — danach würde ich mich erkundigen —, dürfte ich Ihnen dann vielleicht persönlich noch Bescheid geben. Ich bin darüber augenblicklich nicht unterrichtet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz, und zwar zu der Frage des Abgeordneten Wittrock:
Wird der Herr Bundesjustizminister in der Konferenz der Justizminister .anregen, daß Todesurteile der Kriegs- und Sondergerichte des Dritten Reichs in einem schnellen und zügigen Verfahren zu tilgen sind, wobei sicherzustellen wäre, daß die jetzt in einigen Bundesländern bestehenden günstigeren Bestimmungen in der Praxis auf alle Bundesländer erstreckt werden?
Herr Kollege Wittrock, ich könnte an sich Ihre Frage mit einem kurzen Ja beantworten. Damit aber Mißverständnisse ausgeschlossen sind, darf ich noch eine Bemerkung machen. Ich gehe nämlich davon aus, daß Ihre Anfrage sich nicht nur auf Todesurteile, sondern in gewissem Umfang auch auf Freiheitsstrafen bezieht. Sie werden mir darin zustimmen, daß Strafvermerke nicht ohne jede Rücksicht auf die Straftat getilgt werden können. Wer wegen Mordès, Notzucht, Straßenraubes oder anderer schwerer Verbrechen bestraft worden ist, dem kann nicht ohne weiteres volle Straftilgung gewährt werden.
Anders ist es bei den militärischen Straftaten, die nicht zugleich einen Straftatbestand der allgemeinen Strafgesetze erfüllen. Hier bin ich mit Ihnen der Meinung, daß das gegenwärtig geübte Verfahren durchaus einer Beschleunigung und Verbesserung fähig und auch bedürftig ist. Ich werde das mir unterstellte Bundesstrafregister anweisen, die Straflöschungsgesuche auf vereinfachte und beschleunigte Art zu behandeln. Den Ländern werde ich entsprechende Vereinfachungen empfehlen. Ich will auch gern Ihre Anregung aufgreifen, auf der nächsten Justizministerkonferenz mit meinen Kollegen zu besprechen, wie die bestehenden günstigsten Bestimmungen in der Praxis allen Betroffenen zugute kommen können.
Was ich gesagt habe, gilt auch für Urteile von Sondergerichten, soweit hier nicht schon die Vorschriften über die Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege eingreifen.
Eine Zusatzfrage?
Werden Sie, Herr Bundesminister, bei Ihren Gesprächen mit den Landesjustizministern, die ja in der Vergangenheit offenbar einige Bedenken geäußert haben, darauf hinweisen, daß der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 10. November 1959 den Willen gebilligt hat, daß die Straftaten, um die es sich hier handelt, keine strafrechtliche Bedeutung mehr haben sollen?
Ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage richtig verstehe. Sie beziehen sich auf ein Urteil vom . . .
— ein Urteil vom 10. November 1959, in dem der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die bekannte Verordnung der Militärregierung in der britischen Zone den gesetzgeberischen Willen ausdrücklich gebilligt hat, daß rein militärische Straftaten wegen der Art der Umstünde ihrer Begehung und der gesamten politischen Verhältnisse in Zukunft keine rechtliche Bedeutung mehr haben sollen.
Herr Kollege, Sie reden jetzt von dem Urteil, das sich auf rein militärische Straftaten bezieht. Ich habe in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß wir in der Behandlung der rein militärischen Straftaten völlig einig sind. Auf Grund Ihrer Fragestellung habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß es nicht nur reih militärische, sondern auch gemeine Verbrechen gibt, und bei diesen ist ein Unterschied zu machen. Bei diesen gemeinen Verbrechen kann ich die Regeln für die militärischen Straftaten nicht ohne weiteres anwenden. Deshalb will ich mit den Ländern ins Benehmen treten, damit deren Verfahren möglichst vereinfacht und in Übereinstimmung gebracht werden.
Danke schön!
Wir kommen zu den Fragen, die den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen betreffen, und zwar zunächst zu der Frage V/l — des Herrn Abgeordneten Dröscher —.
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, abzuwenden, daß die deutschen Arbeitnehmer in den Munitionsdepots der US-
Armee durch Neuregelung der Gefahrenzulage bei gleicher Arbeit und gleichen Arbeitsplatzbedingungen erhebliche Einbußen am Lohn erfahren sollen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dröscher, die Arbeitsbedingungen für die deutschen Arbeitnehmer bei Stationierungskräften werden auf Grund des Truppenvertrags durch besonderen Tarifvertrag geregelt. In diesen Tarifverträgen sind für gefährliche, schmutzige oder schwierige Arbeiten
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8132 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Staatssekretär Dr. Hettlagebesondere Zuschläge vorgesehen. Über die Richtlinien, nach denen die Gefahrenzulagen bemessen werden, ist in einem bestimmten Munitionslager eine Meinungsverschiedenheit zwischen der amerikanischen Leitung und den deutschen Arbeitnehmern aufgetreten. Die Amerikaner sind der Meinung, daß die bisherigen Richtlinien und vor allen Dingen ihre praktische Handhabung zu Ungerechtigkeiten und ungleichmäßiger Zuweisung von Gefahrenzulagen geführt haben.Die amerikanischen Stationierungskräfte haben deswegen neue Richtlinien ausgearbeitet. die sowohl mit dem Betriebsrat wie mit den Gewerkschaften erörtert worden sind. Sie sind noch nicht in Kraft getreten. Wenn sie demnächst in Kraft treten, werden nach diesen neuen Richtlinien eine Anzahl von beteiligten deutschen Arbeitnehmern erheblich höhere Gefahrenzulagen erhalten als bisher. Ungefähr 240 werden eine höhere Gefahrenzulage bekommen, und ungefähr 260 bis 280 Arbeitnehmer werden voraussichtlich geringfügige Verminderungen der Gefahrenzulage zwischen 5 und 20 % zu erwarten haben. Wir haben geprüft, ob der Entwurf dieser neuen Direktive 2-5 irgendwelche Bestimmungen des Tarifvertrages oder des Truppenvertrages verletzt. Das ist nach unseren Feststellungen nicht der Fall.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wie ist die Regelung bei entsprechenden Arbeitnehmergruppen der Bundeswehr?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei der Bundeswehr werden für bestimmte schwierige Arbeiten Stundenzuschläge gewährt. Diese Stundenzuschläge sind nach dem Grad der Gefahr zwischen etwa 30 und 40 Pfennig bis zu 80 Pfennig die Stunde gestaffelt. Für schwere und gefährliche Arbeiten in Munitionsdepots wird in der Regel der Höchstbetrag gegeben. Wir sind mit diesen Grundsätzen in der großen Linie gut fertig geworden.
Eine weitere Zusatzfrage!
Wäre es nicht richtig, in Verhandlungen mit den Alliierten zu erreichen, die Regelung, die für die gleiche Arbeit unter den gleichen Arbeitsbedingungen bei der Bundeswehr besteht, auch auf die Arbeitnehmer der Stationierungskräfte auszudehnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dröscher, der Vergleich liegt nahe, damit gleichartige Arbeit in unserem Lande von deutschen Arbeitnehmern zu gleichartigen Bedingungen erfüllt wird. Auf der anderen Seite können wir nicht ganz ausschließen, daß sich auch die besondere andersartige Arbeitgeberauffassung der Amerikaner bei ihren Tarifverträgen in etwa niederschlägt. Wir lassen es uns angelegen
sein, das deutsche Modell nach Möglichkeit auch bei deutschen Arbeitnehmern bei den Stationierungskräften in Zukunft anwendbar zu machen.
Wir kommen zur Frage V/2 — des Abgeordneten Faller —:
Wann gedenkt das Bundesfinanzministerium den in Planung und Finanzierung längst vorbereiteten Neubau des Zollabfertigungsgebäudes Weil-Otterbach in Auftrag zu geben, um den unmöglichen Arbeitsverhältnissen der Beamten an der Zollabfertigung abzuhelfen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie fragen nach dem Stand des Neubaus eines Güterabfertigungsgebäudes bei dem Zollamt in Weil-Otterbach. Die Planungsvorarbeiten für diesen Neubau waren Anfang 1960 schon abgeschlossen. Auch die Bundesmittel dafür sind im Haushaltsplan 1960 zur Verfügung gestellt worden. Daß mit den Arbeiten in der Zwischenzeit noch nicht begonnen worden ist, beruht allein auf der Tatsache, daß ein Grundstück nur nach schwierigen Verhandlungen erworben werden konnte. Es handelt sich um ein Grundstück im Eigentum einer schweizerischen Erbengemeinschaft. Dieser Grunderwerb ist in der Zwischenzeit abgeschlossen worden. Die Baupläne sind genehmigt. Die Baumittel stehen bereit. Ich habe heute morgen rückfragen lassen, ob auf der Baustelle schon der erste Spatenstich getan sei. Das ist nicht geschehen. Aber die Bauverwaltung hat mitgeteilt, daß dem Beginn des Baus nunmehr nichts im Wege stehe.
Ich rufe auf die Frage V/3 — des Abgeordneten Kreitmeyer —:
Wie hoch ist der in den Bundeshaushaltsplänen 1951 bis 1960 veranschlagte Betrag für die nach dem Gesetz zu Artikel 131 GG zu versorgenden ehemaligen Berufssoldaten und RAD-Führer, und wie hoch ist die tatsächlich für diesen Personenkreis im gleichen Zeitraum ausgegebene Summe (Istzahl)?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Kreitmeyer, Sie fragen nach den Ausgaben für die Versorgung der Berufssoldaten der früheren Wehrmacht und der berufsmäßigen Angehörigen des früheren Reichsarbeitsdienstes und deren Hinterbliebenen, also kurz nach den Leistungen für 'den Personenkreis des 131er-Gesetzes. Für diese Versorgungsleistungen des Bundes sind in der Zeit von 1951 bis 1960 insgesamt 3963 Millionen DM veranschlagt und 3637 Millionen DM ausgegeben worden, d. h. die Ausgabe ist um rund 325 Millionen DM hinter dem Voranschlag zurückgeblieben. Das ist ein Unterschied von etwa 8 %. Solche Unterschiede liegen in der Natur der Sache und sind bei solchen geschätzten Ansätzen unvermeidlich. Hinzu kommt, daß man ,den Zugang und Abgang dieses Personenkreises nicht so schätzen kann, wie man etwa bei Beamten den Zu- und Abgang bei den Versorgungsbezügen schätzen kann.Es kommt weiter hinzu, daß aus diesem Haushaltsansatz auch 'die Zuschüsse des Bundes zu den
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8133
Staatssekretär Dr. HettlageVersorgungslasten anderer Dienstherren sowie die Nachversicherungen nach dem 131er-Gesetz zu bezahlen sind. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, daß in dem Finanzbericht 1961, der Ihnen als Drucksache vor einiger Zeit zugegangen ist, auf den Seiten 284 und 285 genauere statistische Angaben über die Entwicklung der Versorgungslasten aus dem 131er-Gesetz enthalten sind.
Eine Zusatzfrage!
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, ob es zutrifft, ,daß man sich, nachdem der Beförderungsschnitt für die aktiven Beamten, Offiziere und Richter endgültig gefallen ist, jetzt neuerdings entschließen will, das Gesetz dadurch zu komplizieren, daß man einen neuen Beförderungsschnitt für den Personenkreis einführt, der unter Art. 131 des Grundgesetzes fällt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine solche Absicht besteht nicht. Es ist im Gegenteil geplant, ,den sogenannten Beförderungsschnitt bei dem Personenkreis des 131er-Gesetzes zu überprüfen und in seinen Auswirkungen wesentlich zu verringern. Das geschieht in Verfolg des auch Ihnen bekannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts über die Unzulässigkeit des Beförderungsschnittes bei aktiven Beamten. An sich besteht Einvernehmen darüber, daß auf der Grundlage der Sondervollmacht des Grundgesetzes aus Art. 131 bei diesem Personenkreis eine verfassungsrechtliche Sonderermächtigung vorliegt, so daß gegen den Beförderungsschnitt bei diesem Personenkreis verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben sind.
Die Frage ist von der Bundesregierung geprüft und im Grundsatz bereits dahin entschieden worden, daß der bisherige Beförderungsschnitt für den Personenkreis des 131er-Gesetzes wesentlich gemildert werden soll.
Eine zweite Zusatzfrage!
Glauben Sie wirklich, Herr Staatssekretär, daß Sie bei dieser gemilderten Form des Beförderungsschnittes — wie Sie sie jetzt darzustellen versuchen — um die fälligen Prozeßkosten herumkommen? Damit werden sich die Betroffenen nicht abfinden. Wäre es nicht besser, einmal die Verwaltungskosten zusammenzuzählen, die dieses unglückliche Gesetz in den zehn Jahren verursacht hat, um bei den Betroffenen das Gefühl der gerechten Behandlung aufkommen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, volle Gerechtigkeit ist in diesem Kapitel leider nicht zu verwirklichen.
Ich rufe auf die Frage V/4 — des Abgeordneten Dr. Miessner —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die unterschiedliche steuerliche Behandlung der Versorgungsbezüge der Beamten und der Renten der Arbeiter und Angestellten in zunehmendem Maße — vor allem von den rund 80 v. H. der Beamtenschaft umfassenden Beamten des einfachen und mittleren Dienstes — als unbefriedigend angesehen wird, weil die Renten praktisch steuerfrei sind, während die Versorgungsbezüge der Beamten in voller Höhe besteuert werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Miessner, Sie fragen nach den Gründen für die unterschiedliche Behandlung der Beamtenpensionen einerseits und der Sozialrenten andererseits bei der Einkommensteuer.
Nach dem geltenden Einkommensteuerrecht gehören alle Versorgungsbezüge, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unmittelbar erhält, also auch die Beamtenpensionen, zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Sie müssen voll versteuert werden. Dagegen gehören die Renten, die die Arbeitnehmer aus der Sozialversicherung oder aus einer betrieblichen Pensionskasse oder von einem Versicherungsunternehmen erhalten, nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Sie sind kein Arbeitslohn. Sie sind deshalb nur „sonstige Einkünfte" im Sinne des § 22 des Einkommensteuergesetzes. Da der Arbeitnehmer diese Renten aus einem Versicherungsverhältnis oder einem versicherungsähnlichen Verhältnis bezieht, unterliegen sie grundsätzlich der Besteuerung nach anderen Grundsätzen, d. h. sie sind überwiegend steuerfrei, und nur der Ertragsteil wird besteuert.
Diese unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung der Altersversorgung beruht auf dem System unseres Einkommensteuerrechts. Sie ist nicht verfassungswidrig, wie der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 29. Januar 1960 — es ist veröffentlicht — ausgeführt hat. Sie werden hervorheben, Herr Abgeordneter — Sie haben es an anderer Stelle, im Finanzausschuß des Bundestages, schon getan —, daß diese Regelung nicht ganz befriedigt. Man kann zwar diese unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung auf Grund des Systems der Einkommensteuer und der unterschiedlichen Quellen der Bezüge rechtfertigen; materiell führt sie jedoch dazu, daß ein Personenkreis seine Alterssicherung unversteuert bekommt, ein anderer Personenkreis sie versteuern muß. Es ist sehr schwer, diese Unterschiede in der Systematik unseres Einkommensteuergesetzes zu beseitigen. Sie könnten nur beseitigt werden, wenn ganz allgemein ohne Rücksicht auf die Art der Altersversorgung alle Altersbezüge einkommensteuerpflichtig würden. Welches Problem damit bei den Sozialrenten aufgeworfen würde, brauche ich Ihnen nicht zu sagen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, mir ist die steuerrechtliche Schwierigkeit der Frage durchaus bekannt. Ich möchte aber doch noch genauer fragen: Welche Vorarbeiten zu der Frage der Besteuerung der Versorgungsbezüge der Beamten sind in Angriff' genommen, nachdem der Finanzausschuß des Bundestages in der Sitzung vom 23. Juni 1960
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8134 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Dr. Miessnerersucht hatte, ihm bis Ende 1960 darüber Bericht zu erstatten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir haben diese sehr schwierige Frage zunächst unter Zugrundelegung sachdienlichen Materials bearbeitet und müssen sie auch mit den Ländern erörtern, da es eine einkommensteuerrechtliche Frage ist. Wir wollen Ihnen zu gegebener Zeit gern das Ergebnis unserer Prüfung zur Verfügung stellen. Ich nehme an, daß sich der Finanzausschuß des Bundestages dann sowieso noch mit dieser Frage befassen wird.
Danke schön.
Frage Nr. V/5 — des Herrn Abgeordneten Dewald —:
Ist die Bundesregierung bereit, von der ihr in § 27 Abs. 2 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung erteilten Ermächtigung Gebrauch zu machen und die Mindestrenten für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ensprechend den gestiegenen Versorgungsbezügen der Bundesbeamten 70 erhöhen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dewald, Sie fragen nach der Durchführungsverordnung der Bundesregierung über die Anpassung der Renten nach dem Wiedergutmachungsgesetz an die erhöhten Beamtenbezüge. Diese Mindestrenten nach den §§ 19 und 32 des Bundesentschädigungsgesetzes werden durch eine Änderungsverordnung der Bundesregierung den in der Zwischenzeit veränderten Beamtenbezügen angepaßt werden. Die Verordnung ist am 16. Februar im Bundeskabinett beschlossen worden. Sie sieht eine zweimalige Anpassung um 7 und um 8 v. H. vor, d. h. in der vollen Höhe der in der Zwischenzeit erfolgten Erhöhung der Beamten- und Versorgungsbezüge. Die Verordnung konnte bisher nicht veröffentlicht werden, da sie nach dem Grundgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Sie ist dem Bundesrat zugeleitet worden.
Danke sehr.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Cramer!
Herr Staatssekretär, gilt das auch für die Renten, die nach dem Härteparagraphen gezahlt werden und die an sogenannte Einkommensgrenzen gebunden sind? Ich glaube, sie sind nach dem Gesetz mit dem Satz von 360 DM beschränkt und durch Vereinbarungen unter den Ländern auf 450 bzw. 500 DM erhöht worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann Ihre Frage nicht zuverlässig beantworten. Die Anpassung nach der Änderungsverordnung der Bundesregierung trifft die Renten, die für Körper- und Sachschäden gewährt werden. Ob damit automatisch auch die Härterenten erfaßt sind, kann ich nicht ohne weiteres sagen.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die Frage einmal zu prüfen und mir persönlich schriftlich zu anworten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr gern!
Meine Damen und Herren, unseren Verhandlungen wohnen Abgeordnete des Österreichischen Nationalrates bei. Ich darf sie herzlich willkommen heißen.
Wir kommen zu der Frage, die den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten betrifft. Die Beantwortung der Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert unter VI ist auf Freitag zurückgestellt. Eine weitere Frage aus diesem Geschäftsbereich steht nicht an.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Bereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Frage VII/1 — der Frau Abgeordneten Dr. Lüders —.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß ausländische Arbeitskräfte zu einem beträchtlichen Teil freihändig — also ohne Vermittlung offizieller Stellen, sozusagen meistbietend — von Vertretern deutscher Arbeitgeber angeworben und mit den notwendigen Papieren versehen werden?
Frau Dr. Lüders, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten. Die Anwerbung von Arbeitnehmern im Auslande für eine Beschäftigung in der Bundesrepublik seitens eines Arbeitgebers bedarf nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in jedem Einzelfalle der vorherigen Zustimmung des für den Beschäftigungsort zuständigen Landesarbeitsamtes. Zuwiderhandlungen sind nach dem gleichen Gesetz mit Strafe bedroht. Soweit mit einzelnen Ländern Vereinbarungen über die Anwerbung und Vermittlung von Arbeitskräften nach der Bundesrepublik getroffen sind — das sind zur Zeit Italien, Spanien und Griechenland —, wird die erwähnte Zustimmung nur in seltenen Ausnahmefällen erteilt. In Italien und Spanien ist nach dortigem Recht die Anwerbung von Arbeitskräften unmittelbar durch einen ausländischen Arbeitgeber verboten und wird streng bestraft. Soweit den Arbeitsämtern Verstöße gegen die genannte Vorschrift bekannt geworden sind, wurden die betreffenden Arbeitgeber zunächst verwarnt; im Wiederholungsfalle wird Strafanzeige erstattet. Es ist jedoch andererseits zulässig, daß ein Arbeitgeber in der Bundesrepublik einem ausländischen Arbeitnehmer auf Grund von persönlichen Beziehungen oder auf Empfehlungen durch Verwandte, Freunde und Bekannte, die bereits bei ihm beschäftigt sind, unmittelbar ein Beschäftigungsangebot macht. Derartige auf den Namen lautende Beschäftigungsangebote sollen nach der zur Zeit in Vorbereitung befindlichen supranationalen Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Erreichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer sogar bevorzugt von allen behördlichen Beschränkungen befreit werden. Das zu Ihrer ersten Frage!
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8135
Eine Zusatzfrage?
Ich bin erstaunt. Sie haben gewiß recht mit dem, was Sie da sagen. Das sieht sehr schön auf dem Papier aus und klingt auch sehr schön hier im Saal.
Aber den Tatsachen entspricht es zu meinem lebhaften Bedauern nicht.
Frau Dr. Lüders, — —
Ich habe noch keine Frage gehört!
Ich möchte trotzdem der Frau Dr. Lüders — wenn Sie gestatten, Herr Präsident — eine kurze Antwort darauf geben. Sicherlich, Frau Dr. Lüders, wird es in Einzelfällen immer wieder vorkommen, daß diese Bestimmungen durchbrochen werden, wie auch ansonsten. Aber wir bemühen uns, das zu unterbinden.
Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Das will ich gerne glauben.
Ich rufe die Frage VII'2 — der Abgeordneten Frau Dr. Lüders — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß männliche verheiratete ausländische Arbeitskräfte erst allein nach Deutschland kommen und nach einiger Zeit Frauen und Kinder nachkommen lassen, ohne in der Lage zu sein, diese sachgemäß unterzubringen und zu unterhalten, so daß sie der öffentlichen Unterstützung zur Last fallen?
Nach den Regierungsvereinbarungen mit Italien, Spanien und Griechenland über die Anwerbung und Vermittlung von Arbeitskräften aus diesen Ländern nach der Bundesrepublik Deutschland dürfen die angeworbenen ausländischen Arbeitnehmer ihre Angehörigen erst dann nachkommen lassen, wenn die zuständige Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis für die Familienangehörigen zugesichert hat. Diese Zusicherung wird nur dann erteilt, wenn durch eine amtliche Bescheinigung nachgewiesen ist, daß ausreichender Wohnraum vorhanden ist.
Stellt sich nach einer besuchsweisen Einreise der Familienangehörigen heraus, daß ihre wohnungsmäßige Unterbringung im Bundesgebiet nicht gesichert ist oder sie der Fürsorge zur Last fallen, kann die Ausländerbehörde die Familienangehörigen in ihr Heimatland abschieben. Ihre Abschiebung aus Gründen der Hilfsbedürftigkeit ist jedoch bei Staatsangehörigen der Vertragsparteien des Europäischen Fürsorgeabkommens — das sind die Mitgliedstaaten des Europarates mit Ausnahme Osterreichs — weitgehend eingeschränkt.
Infolge der weitgehenden Aufhebung des Sichtvermerkszwanges für einen Besuchsaufenthalt im Bundesgebiet, gleichgültig für welche Zeitdauer, ist
es nicht möglich, Familienangehörige von im Bundesgebiet beschäftigten Arbeitnehmern bei der Einreise zurückzuweisen, wenn sie sich darauf berufen, lediglich zu einem besuchsweisen Aufenthalt einreisen zu wollen.
Eine weitere Frage?
Es tut mir sehr leid, aber ich muß eine Frage hinzufügen: Wie kommt es denn dann, daß sich so viele örtliche Instanzen darüber beschweren, daß immer mehr Familienangehörige unter irgendwelchen Vorwänden hereingeholt werden, ohne daß für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung der Leute etwas geschehen ist oder in der kurzen Zeit hätte geschehen können. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie der Meinung, daß im Grunde genommen das, was ich gefragt habe, Tatsache 'ist.
Frau Dr. Lüders, ich kann nicht bestreiten, daß solche Fälle vorkommen. Darf ich aus meiner vorherigen Antwort noch einmal kurz etwas herausgreifen! Wir haben ja keinen Sichtvermerkszwang. Wenn Familienangehörige von im Bundesgebiet beschäftigten ausländischen Arbeitnehmern zu Besuchszwecken hierher kommen, gibt es gar keine Möglichkeit, sie daran zu hindern. Wenn sich nun herausstellt, daß Unterkunftsmöglichkeiten nicht gefunden werden, daß die Leute eventuell sogar der Fürsorge zur Last fallen — das könnte natürlich nur eintreten, wenn der hier beschäftigte ausländische Arbeitnehmer seine Unterhaltspflicht vernachlässigt —, stehen wir jeweils vor einem schweren menschlichen Problem, das, wie ich eben auch noch sagte, dadurch erschwert wird, daß ein Abschieben aus Gründen der Hilfsbedürftigkeit infolge der Vereinbarungen über das Fürsorgeabkommen sehr schwer ist.
Ich glaube allerdings, Frau Dr. Lüders — solche Fälle gibt es, das kann ich nicht bestreiten —, daß die Zahl der Fälle in der Öffentlichkeit übertrieben dargestellt wird. Die menschliche Problematik, die vorhanden sein kann, wenn eine Familie im Vertrauen darauf, daß der Ernährer in Deutschland ist, hierher kommt und hofft, mit ihm zusammenleben zu können, ist etwas, Frau Dr. Lüders, woran ich sehr schwer trage.
Ich rufe auf die Frage VII/3 — der Abgeordneten Frau Dr. Dr. h. c. Lüders —:
Was gedenkt die Bundesregierung in den unter Fragen Nr. VII/1 und Nr. VII/2 aufgeführten Fällen zu tun, um den damit verbundenen Mißständen und der Belastung öffentlicher Kassen entgegenzuwirken?
Frau Dr. Lüders, ich glaubte annehmen zu dürfen, daß mit meinen bisherigen Antworten auch Ihre Frage 3 beantwortet wäre; ich sehe im Augenblick keine besonderen Möglichkeiten, die ich wahrnehmen könnte.
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8136 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Haben Sie nicht den Eindruck, daß es dringend notwendig wäre, die heute geltenden Bestimmungen über die Anwerbung, Unterbringung, evtl. Abschiebung oder Nichtabschiebung mit Beschleunigung grundlegend zu ändern? Es muß ja einen Weg geben, um diesen Verhältnissen, die höchst unerfreulich sind, ein Ende zu machen. Ist das nicht auch Ihre Auffassung?
Frau Dr. Lüders, wir werden uns mit zunehmender Harmonisierung der Wirtschaft im Bereich der EWG darauf einzustellen haben, daß die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die wir ja alle gewollt haben, mehr und mehr Platz greift. Wenn im nächsten Jahr vielleicht eine halbe Million ausländischer Arbeitnehmer bei uns beschäftigt sind, werden wir uns mehr und mehr damit befassen müssen, wie wir es ermöglichen, daß die Arbeitnehmer auch ihre Familien bei sich haben. Außer dem genannten Problem gibt es noch eine ganze Reihe anderer menschlicher Probleme, die sehr schwer zu lösen sind. Ich glaube aber nicht, daß die zur Zeit geltenden Bestimmungen einfach außer Kraft gesetzt werden können. Wir sind auf die ausländischen Arbeitnehmer angewiesen.
Sehen Sie keine Möglichkeit, schon jetzt vorsorglich etwas im Hinblick auf die Verhältnisse zu tun, die geschaffen werden, wenn immer mehr Arbeitnehmer hereingelassen werden? Können Sie nicht auch einen Druck auf die Arbeitgeber dahin ausüben, daß sie entsprechend den Vorstellungen, die Sie, Herr Minister, haben, etwas tun?
Doch, Frau Dr. Lüders, das tun wir. Die Landesarbeitsämter prüfen auch sehr genau, bevor sie die Erlaubnis zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer geben, ob die Verhältnisse beim Arbeitgeber geordnet sind, inwieweit Unterbringungsmöglichkeiten usw. bestehen. Ich glaube, es gibt keinen Punkt, der wie dieser in der Öffentlichkeit besprochen wird, so daß auch schon von der öffentlichen Meinung ein Druck auf die Arbeitgeber ausgeübt wird. Aber ich möchte noch einmal betonen, Frau Dr. Lüders, daß die Probleme nicht kleiner werden. Wir werden in der nächsten Zukunft noch mehr ausländische Arbeitnehmer als bisher haben.
Zu einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Schmidt das Wort.
Herr Minister, werden statistische Unterlagen erstellt, aus denen man auf die Bedeutung und den Umfang der hier vorgebrachten Klagen schließen kann?
Die Arbeitsbehörden tun das. Wir sind dabei, dieses Material zu sammeln, Herr Dr. Schmidt. Ich
möchte aber jetzt schon, ohne die Sache bagatellisieren zu wollen, sagen: Wo ein solcher Fall eintritt, wird er in der Presse natürlich breit erörtert. Der Zahl nach sind die Fälle, glaube ich, nicht von sehr großer Bedeutung. Damit möchte ich aber nicht gesagt haben, daß das einzelne menschliche Schicksal als unbedeutend anzusehen sei.
Frage VII/4 — des Abgeordneten Schneider —:
Welchen Standpunkt nimmt die Bundesregierung ein hinsichtlich der wiederholt geforderten Auflösung der Familienausgleichskassen und der Übernahme der Zahlungen des Kindergeldes durch den Bundeshaushalt mit dem Ziele einer Entlastung speziell der mittelständischen Wirtschaft?
Herr Kollege Schneider, nach Auffassung der Bundesregierung ist es vordringlich, zunächst die zweiten Kinder in die Kindergeldgesetzgebung einzubeziehen, soweit die Einkommenslage der Eltern dies erfordert. Die Aufwendungen hierfür soll der Bund aus allgemeinen Haushaltsmitteln tragen. Die Bundesregierung wird einen entsprechenden Gesetzentwurf in Kürze dem Bundesrat zuleiten. Eine Entscheidung darüber, wie das derzeitige System der Aufbringung der Mittel für die dritten und weiteren Kinder geändert werden soll, sollte dagegen nach Auffassung der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode nicht mehr getroffen werden. Es empfiehlt sich deshalb nach ihrer Auffassung auch nicht, die Auflösung der Familienausgleichskassen bereits jetzt gesetzlich zu regeln.
Frage VII/5 — des Abgeordneten Schneider —:
Was gedenkt der Herr Bundesarbeitsminister zu tun, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die in der Angestelltenversicherung freiwillig Versicherten endlich in die Lage versetzt werden, die für sie richtige Entscheidung für ihre Altersvorsorge zu treffen?
Nun kommen wir, Herr Kollege Schneider, zu einem Kapitel, das wir hier schon häufiger behandelt haben; es betrifft die freiwillig Versicherten in der Angestelltenversicherung.
Nach § 129 Abs. 2 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes steht jedem freiwillig Versicherten die Wahl der Beitragsklasse frei. Das war der erklärte Wille des Gesetzgebers. Damit hat es der Gesetzgeber diesen Personen überlassen, in eigener Verantwortung darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie von der Möglichkeit der Weiterversicherung Gebrauch machen wollen. Wenn es nicht immer ganz leicht ist, die vorteilhafteste Beitragsklasse zu wählen, so hat das seinen Grund darin, daß oftmals in sehr beträchtlichem Umfang Zeiten ohne Beitragsleistung anzurechnen sind. Von der Bewertung dieser Zeiten hängt oft entscheidend die Höhe des späteren Anspruchs ab.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, glauben Sie trotzdem nicht, daß die Versicherungs-
Schneider
anstalten in gleicher Weise. wie die Privatversicherungen verpflichtet sein sollten, über die Höhe der zu leistenden Prämien und der zu erwartenden Renten rechtzeitig klare und verständliche Auskunft zu geben, um Nachteile für die freiwillig Versicherten auszuschließen?
Herr Kollege Schneider, ich habe bei anderer Gelegenheit vor diesem Hohen Hause einmal ausgeführt, daß es mein Bestreben ist, dahin zu kommen, daß der Versicherte, so wie er ja heute, wenn er seine Versicherungskarte umtauscht, eine Aufrechnungsbescheinigung bekommt, aus der er sieht, wieviel und in welcher Höhe er Beiträge geleistet hat, von Zeit zu Zeit auch eine Mitteilung bekäme, in der ihm gesagt würde: In 'diesem Augenblick würde deine Rente soundso hoch sein, oder bis jetzt hast du die persönliche Bemessungsgrundlage bis da und dahin erreicht. Es bleibt dann immer noch freigestellt, was er weiter tut.
Oft wird aber verlangt, zu sagen, welche Rente jemand bei Eintreten des Versicherungsfalles, also nach dem 65. Lebensjahr, einmal bekommen würde. Das ist völlig unmöglich, weil gewisse Faktoren zu beachten sind, z. B. der durchschnittliche Jahresarbeitsverdienst, den ich heute für die in der Zukunft liegenden Jahre nicht kennen kann. Aber eine Größe läßt sich dauernd kontrollieren, nämlich wie hoch die persönliche Bemessungsgrundlage ist und wie sie sich verändern läßt.
Eine weitere Frage bitte! Herr Minister, wären Sie gegebenenfalls bereit, eine sorgfältige Überprüfung der laufenden Versicherungen und eine Beratung der Versicherten anzuordnen, damit weitere Schäden für die freiwillig Versicherten vermieden werden können, die bekanntlich darin bestehen, daß diese nicht immer die Höhe der zu leistenden Versicherung so kennen, daß ihnen, wie ich schon sagte, keine Nachteile entstehen? Und wären Sie damit in der Lage, jedem Versicherten zu garantieren, daß er von dem von ihm genannten Zeitpunkt an wenigstens in die Lage versetzt würde, die günstige Versicherungsmarke zu kleben?
Herr Kollege Schneider, das könnte ich im Augenblick gar nicht anordnen. Ich würde die noch nicht abgeschlossene Umstellung auf die neuen Renten und ich würde überhaupt die gesamte Bearbeitung damit unterbrechen. Die Rentenversicherungsträger sind aber dabei, mit Unterstützung meines Ministeriums die automatische Datenverarbeitung weiterzutreiben, und wir hoffen darauf, daß wir bald so weit sind, daß die Rentenversicherungsträger durch die automatische Datenverarbeitung solche Bescheide erteilen können. Zur Zeit, wo das noch in jedem Einzelfall nur von Angestellten ermittelt werden müßte, wären die Versicherungsträger hoffnungslos überfordert, wenn wir das anordnen wollten.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Felder aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung auf:
Warum gelten bei der Überführung von verstorbenen Soldaten im Frieden nicht die gleichen strengen hygienischen Bestimmungen hinsichtlich der Transportfahrzeuge, wie sie für alle anderen Bürger gesetzlich vorgeschrieben sind?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe auf Grund Ihrer Frage die Bestimmungen sämtlicher Länder überprüft und mit den Sonderbestimmungen des Verteidigungsministers verglichen und nicht feststellen können, daß wir die gesetzlichen Bestimmungen über die Hygiene nicht einhalten.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß Transporte von toten Soldaten mit Bundeswehrfahrzeugen vorgenommen worden sind, die im übrigen im Dienst der jeweiligen Einheit Verwendung finden, und daß das im Gegensatz zu den gesetzlichen Bestimmungen für Zivilisten steht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich nehme an, Sie meinen Bayern. Dort bestehen besondere Bestimmungen. In Bayern gilt das Polizeistrafgesetz vom 26. Dezember 1861. Auf Grund des Art. 61 Ziffer 3 dieses Polizeistrafgesetzes hat Bayern im Jahre 1942 eine Ministerialbekanntmachung erlassen. Nach § 3 dieser Ministerialbekanntmachung dürfen in geringeren Entfernungen nicht nur spezielle Leichenfahrzeuge, sondern auch andere Fahrzeuge benutzt werden. Außerdem aber heißt es in § 12 der Ministerialbekanntmachung, daß für Soldaten Sonderbestimmungen erlassen werden können. Eine solche Sonderbestimmung ist eben der Erlaß vom 16. Februar 1960, den Sie meinen.
Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß es den Prinzipien der Pietät mehr entsprechen würde, wenn eine allgemeine Regelung dergestalt erfolgte, daß das private Bestattungsgewerbe zur Überführung dieser Leichen herangezogen wird? Sind irgendwelche finanziellen Gründe dafür maßgebend, daß hier anders verfahren wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Ihre Frage ist berechtigt. Wir gehen aber in ,der finanziellen Fürsorge für die Soldaten sehr viel weiter, als es auf dem zivilen Sektor üblich ist. Wir überführen die Leichen verstorbener Soldaten auf den Wunsch ihrer Angehörigen auf Staatskosten auch an andere Orte, insbesondere an den Heimatort, was in den zivilen Bestimmungen nicht vorgesehen ist. In diesen Fällen sollen eben besondere Kraftfahrzeuge der Bundeswehr verwandt werden, die hinterher entsprechend den hygienischen Bestimmungen desinfiziert werden müssen — das ist in dem bayrischen Fall auch geschehen — und dann allerdings auch für andere Zwecke verwandt werden dürfen, jedoch nicht für Lebensmitteltransporte usw.
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8138 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe auf die Frage IX/1 — der Abgeordneten Frau Dr. Schwarzhaupt —:
Mit welchem Zuschuß zum Bau einer Bahnunterführung an der Saarstraße zwischen Wiesbaden und Wiesbaden—Schierstein kann die Stadt Wiesbaden im Haushaltsjahr 1961 durch das Bundesverkehrsministerium rechnen?
Bei ,der Beseitigung des schienengleichen Bahnübergangs der Saarstraße im Zuge der Bundesstraße 262 handelt es sich um ein Bauvorhaben, das die Stadt Wiesbaden als Trägerin der Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrt nach den zur Zeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen gemeinsam mit der Deutschen Bundesbahn durchführen muß. Als Zuschußmaßnahme des Bundes ist es im Bundeshaushalt 1961 noch nicht enthalten, weil ein entsprechender Antrag seitens der Stadt Wiesbaden noch nicht vorliegt. Um es nachträglich aufzunehmen, bedarf es dann der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen.
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Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8139
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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8140 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 2468)
;
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 14. Juli 1960 zwischen der Bundesregierung Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ;Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 2469)
.
Zu beiden Gesetzen liegen die Schriftlichen Berichte des Herrn Abgeordneten Dr. Wahl vor. Wir danken dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung, zunächst über den Gesetzentwurf unter Punkt 4 a) der Tagesordnung. Ich rufe auf Art. 1, Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. -- Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite Beratung und eröffne diedritte Beratung.Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Vizepräsident Dr. DehlerWir stimmen ab über den Gesetzentwurf unter Punkt 4 b) der Tagesordnung, Drucksache 2361. Aussprache wird nicht gewünscht. Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - § 5, - § 6, - § 7 § 8, - § 9, - § 10, - § 11, - § 12, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte um das Zeichen im Falle der Zustimmung. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite Beratung. Wir kommen zurdritten Beratung.Keine Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.Punkt 5 der. Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1958 und des Fünften Überleitungsgesetzes ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses 14. Ausschuß)
Es liegt der Schriftliche Bericht des Finanzausschusses - des Herrn Abgeordneten Schlick - vor. Wir danken dem Herrn Berichterstatter. Mündliche Ergänzung wird nicht gewünscht, auch keine Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung. § 1, mit der Änderung, wie er im Antrag des Ausschusses enthalten ist, - § 2, - § 3, - § 4, - § 5, - § 6, - Einleitung und Überschrift. Wir zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich schließe die zweite Beratung.Wir kommen zurdritten Beratung.Aussprache wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle die einstimmige Annahme des Gesetzentwurfs fest.Ich rufe auf Punkt 6:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. November 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Arabischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen (Drucksache 2358) ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2477)
Es liegt vor der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Regling. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Es wird keine Aussprache gewünscht.Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.Wir kommen zurdritten Beratung,und zwar zur Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischenBeteiligungen (Drucksache 2357) ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2461)
Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Goldhagen. Wird Ergänzung des Berichts gewünscht? - Nein. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Es liegen keine Wortmeldungen vor; wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf § 1 in der Fassung des Ausschusses, - § 2, - § 3, - § 4, 4-§ 5 in der Fassung des Ausschusses, - § 6 mit den Änderungen, die der Ausschuß beschlossen hat, -§ 7, - § 8, - § 9, - § 10, - § 11, - § 12, mit Änderung der Anlage zu § 12 und einer Änderung der Überschrift durch den Ausschuß, - § 13 mit Änderungen des Ausschusses, - § 14, - § 15, -§ 16, - § 17, - § 18, geändert durch den Ausschuß, - § 19, - § 20, - § 21, - § 22, - Einleitung und Überschrift.Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite Beratung.Wir kommen zurdritten Beratung.Keine Wortmeldungen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zuzustimmen wünscht, möge sich bitte erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme des Gesetzes fest.Punkt 8 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten D-Markbilanzergänzungsgesetzes ;
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8143
Vizepräsident Dr. DehlerSchriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2490)
.
Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Freiherr von Kühlmann-Stumm. Es wird keine mündliche Ergänzung gewünscht. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Keine Wortmeldungen; wir kommen zur Abstimmung.Ich rufe auf die §§ 1 bis 11, — § 12 in der Fassung des Ausschusses, — § 13 mit Änderungen des Ausschusses, — § 14 mit Änderungen, — ebenso § 15, — § 16, — § 17, — § 17 a, in der Fassung des Ausschusses eingefügt, — § 18, — § 19 in der Fassung des Ausschusses, ebenso § 20, — Einleitung und Überschrift.Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich schließe die zweite Beratung und eröffne diedritte Beratung.— Keine Wortmeldungen; wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Soziale Sicherheit ;Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 2447)
.
Eine Ergänzung des Mündlichen Berichts wird nicht gewünscht. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Wortmeldungen liegen nicht vor.Wir kommen iur Abstimmung. Ich rufe auf die Artikel 1, — 2, — 3 — sowie Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.Wir kommen zurdritten Beratung.Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 2489)b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 2488)
.
Wird eine Ergänzung des Schriftlichen Berichts gewünscht? — Herr Abgeordneter Odenthal!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Ich habe den Bericht des Ausschusses für Arbeit und seine Empfehlungen zu dem Antrag der FDP auf Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vorzutragen. Vorher möchte ich jedoch auf einige redaktionelle Änderungen hinweisen.Bei der Beratung sind folgende redaktionelle Änderungen zu berücksichtigen. Da das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Fassung vom 3. April 1957, zuletzt geändert durch das Dritte Änderungsgesetz zum AVAVG vom 28. Oktober 1960, durch diese Vorlage geändert und ergänzt wird — darauf kommt es an —, muß die Überschrift wie folgt lauten:Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung .Auf Grund dieser redaktionellen Änderung müssen in Art. 1, Zeile 6, nach den Worten „wie folgt" die Worte „geändert und" eingefügt werden.In Art. 1 Nr. 1 erscheinen die Worte „für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung" überflüssig, da aus dem Gesetz ohne weiteres hervorgeht, daß es sich nur um die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung handeln kann und nicht um eine andere Bundesanstalt mit anderen Zwecken und anderen Aufgaben.Aus dem Schriftlichen Bericht, den ich sehr straff gefaßt habe, ersehen Sie im wesentlichen, um was es geht. Ich bin beauftragt, Ihnen vorzutragen, was der Ausschuß Ihnen zur Annahme empfiehlt. Man muß nur einige Zahlen vorausschicken. Von 1948 bis zum heutigen Tage hat sich die Zahl der Beschäftigten verdoppelt. In einer ähnlichen Relation hat sich die Zahl der Arbeitslosen verringert. Wir rechnen heute mit 145 000 Arbeitnehmern, die arbeitswillig sind und Arbeit suchen. Auf der anderen Seite haben wir Stellenangebote in einer Größenordnung von 500 000 zu verzeichnen. Ich vermute — das war auch die Meinung im Ausschuß —, daß in diesen Zahlen noch sehr viel Luft ist. Denn man darf unterstellen, daß der Arbeitgeber, der fünf Arbeitskräfte benötigt, das Mehrfache dieser Zahl angibt, um wenigstens die fünf Kräfte zu bekommen.Zum andern dürfen wir nicht nur die Situation auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigen, sondern
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8144 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Vizepräsident Dr. Dehlermüssen auch die Finanzlage der Bundesanstalt in Betracht ziehen. Ich sagte eben, daß sich die Zahl der Versicherten verdoppelt habe. Im gleichen Umfang hätten sich auch die Beiträge erhöhen müssen. Wir haben aber die seit 1929 geltenden Beiträge von 61/2 % zunächst auf 4 %, dann zugunsten der Rentenversicherung von 4 auf 3 % und noch einmal von 3 auf 2 % gesenkt. Trotz dieser dauernden Senkung der Beiträge sind die Rücklagen von 1952 bis heute auf 5 Milliarden DM angewachsen.Diese Gesamtrücklage von 5 Milliarden DM ist zum großen Teil langfristig angelegt. Der Ausschuß hat den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß sie zum größten Teil kurzfristig angelegt wird.Im Ausschuß wurde über die Frage verhandelt, was nun zu geschehen hat. Darüber, daß eine Beitragssenkung herbeigeführt werden muß, bestand Einigkeit im Ausschuß. Insoweit entsprach der Ausschuß auch der Forderung der FDP, allerdings nicht hinsichtlich der von ihr vorgeschlagenen Formulierung, nach ,der alle drei Monate eine Neufestsetzung erfolgen sollte. Grundsätzlich stand der Ausschuß auf ,dem Standpunkt, ,daß der gesetzliche Beitrag von 2 % nicht geändert werden sollte, daß er aber je nach der Lage des Arbeitsmarktes und der Finanzlage der Bundesanstalt sowie nach den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes und den Aufgaben der Bundesanstalt gesenkt werden sollte.Dazu muß ich Ihnen einige ergänzende Worte sagen. Die Frage, ob man sich gegen Arbeitslosigkeit versichern kann, ist sehr umstritten. Die Regierung ist der Auffassung, daß sich der einzelne sehr wohl in einer Schadensversicherung gegen den Fall der Arbeitslosigkeit versichern kann. Wir sind hingegen ,der Meinung, daß das unmöglich ist. Die Unwägbarkeiten auf dem Arbeitsmarkt für den einzelnen und für die Gesamtheit sind so groß, daß hier eine Solidarhaftung eintreten muß, wie sie auch in der Sozialversicherung, zu der die Arbeitslosenversicherung bisher nicht gehört, vorgesehen ist.Es wurde dann eingewandt, daß ein Vergleich mit der Rentenversicherung und der Krankenversicherung einfach nicht möglich sei. Dort sei das Risiko auf Grund der Zahl der Krankheitsfälle sowie der Krankheitsdauer während einer Zeit von vielen Jahren ziemlich genau zu ermitteln. Aber auch in der Rentenversicherung und in der Krankenversicherung sei die Frage zu prüfen, ob nach zwei Kriegen und zwei Inflationen nicht vom Kapitaldeckungsprinzip zum Umlageverfahren übergegangen werden könne. In zwei Generationen, nach zwei Kriegen sind etwa 50 Milliarden Mark, gespart im Kapitaldeckungsverfahren, ins Nichts zerronnen; davon ist nichts übriggeblieben. Nach diesem Kriege haben wir wieder begonnen, im Kapitaldeckungsverfahren Kapitalien aufzusparen, aus deren Zinsen die Lasten gedeckt werden sollen. Dieser Gefahr weicht die Unfallversicherung durch die Erhebung einer Umlage aus, indem sie — nach den Zahlen der vergangenen Jahre — aus den überschaubaren Risiken in den einzelnen Berufszweigen und aus den Unfallhäufigkeiten sowie auf Grund der Unfallschwere jährlich die Umlage festsetzt. Wir haben auch überlegt —wir haben die Erörterung nicht vertieft, weil die Frage nicht auf der Tagesordnung stand; aber man sollte einmal darüber nachdenken —, ob man nicht auch in der Arbeitslosenversicherung eine Synthese zwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren finden könnte, die den Versicherten einen Anspruch auf die Leistungen gibt und ihnen nicht mehr Beiträge abverlangt, als zur Sicherung der Arbeitslosen bei einer kurzfristigen Arbeitslosigkeit und zum Auffangen einer stärkeren Arbeitslosigkeit erforderlich sind. Das würde bedeuten, daß für 1 Million, also 5 % der heute Versicherten, ein Auffangkapital vorhanden sein müßte, das im Gegensatz zu der bisherigen Methode kurzfristig angelegt werden müßte. 3 Milliarden DM müßten also kurzfristig angelegt werden, um sie zur Verfügung zu haben, falls ein geringerer Anstieg der Arbeitslosigkeit eintreten sollte.Im Ausschuß für Arbeit bestand Einstimmigkeit darüber, daß unabdingbare Grundlage aller Überlegungen ungekürzte Leistungen im Falle der Arbeitslosigkeit sind. Wir waren uns auch darin einig, daß im Falle einer größeren Arbeitslosigkeit nicht die Verhältnisse eintreten dürfen, wie wir sie 1929 mit Bedauern erlebt haben, daß der Leistung lange Wartezeiten vorausgehen, daß es nicht nur bei der Arbeitslosenhilfe, sondern auch bei der Zahlung des Arbeitslosengeldes zu Bedürftigkeitsprüfungen kommt.Wir waren auch darin einig, daß die heutige Hochkonjunktur nicht bestimmend für die Beitragshöhe sein darf. Darum soll der gesetzliche Beitrag von2 % des Grundlohns im Grundsatz bestehen bleiben. Nur der Gesetzgeber soll eine Erhöhung dieses Beitrages beschließen können und dürfen.Beitragszahlung, Beitragshöhe und die Rücklage stehen in einem ursächlichen Zusammenhang. Die Rücklage hat in diesen Tagen eine Höhe von 5 Milliarden DM erreicht. Wir sollten ein weiteres Anwachsen vermeiden. Wir sollten aber eine Reserve behalten, die alle die Gefahren ausschließt, die bei einem stärkeren Ansteigen der Arbeitslosigkeit entstehen könnten.Die Bundesanstalt ist nach Auffassung des Ausschusses kein Bankunternehmen, das den größten Teil der Rücklagen langfristig anlegen darf. Um eine Arbeitslosenzahl von nur 5 % der Versicherten auffangen zu können, ist schon eine Rücklage von3 Milliarden DM erforderlich. Diese Rücklage muß kurzfristig angelegt werden, damit die Leistungen nicht gefährdet werden, weil das restliche Kapital langfristig angelegt ist. Es wurde auch von einer Einfrierung, von einer Thesaurierung nach holländischem Vorbild gesprochen. Wir waren der Meinung, daß wir die Erörterung dieser Frage im Augenblick nicht vertiefen können. Würden die MilliardenBeträge der Rücklage bei der Deutschen Bundesbank angelegt, bestünde im Falle eines größeren Bedarfs kaum die Möglichkeit, die Rücklage als Konjunkturspritze zu gebrauchen; denn die Bundesanstalt hat keine Möglichkeit, auf die Methoden der Bundesbank einzuwirken.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8145
OdenthalDer zweite Fall, der Fall des Art. 120 des Grundgesetzes, wurde auch besprochen. Nach dieser Bestimmung muß der Bund im Falle der Leistungsminderung oder der Leistungsunfähigkeit der Bundesanstalt helfend eingreifen, damit die Leistungen gewährt werden können. Beides sind Illusionen. Wenn eine starke Krise den Arbeitsmarkt erschüttert, dann weiß keiner von uns, ob die Deutsche Bundesbank die eingefrorenen Mittel zu einer Konjunkturspritze verwenden wird oder überhaupt kann. Zum anderen: wenn eine Krise zu einer großen Beitragsminderung führt, fehlen dem Bund auch die Steuermittel, um helfend eingreifen zu können. Beide Hoffnungen, und zwar sowohl die Hoffnung auf die Thesaurierung als auch die Hoffnung auf den Rückgriff auf den Art. 120 des Grundgesetzes, enden dann praktisch in einer Geldneuschöpfung, also in einer Notendruckerei, die inflatorische Gefahren in sich birgt, wenn man bedenkt, in welcher Größenordnung die Rücklage eingefroren ist.Bei allem darf aber nicht vergessen werden, daß die Hauptaufgabe der Arbeitsverwaltung nicht in der Zahlung von Arbeitslosengeld besteht; das ist die fast allgemein herrschende Auffassung. Die Hauptaufgabe der Arbeitsämter liegt in der Berufsberatung, in der Arbeitsvermittlung für Jugendliche und für Erwachsene sowie bei den arbeitsfördernden Maßnahmen. Diese Aufgaben sind nach Auffassung der Minderheit des Ausschusses für Arbeit gesellschaftliche Aufgaben, die vom Staat getragen werden müssen, weil man sie in dieser Form nicht dem Arbeitnehmer und auch nicht dem Arbeitgeber aufbürden kann.Wir haben diese Fragen zwar aufgeworfen, wir haben sie aber nicht vertieft, weil im Augenblick nur die Frage der Beitragsenkung zur Debatte stand. Das schließt aber nicht aus, daß wir uns eines Tages grundlegend einmal mit der ganzen Aufgabe, mit der Gestaltung der Selbstverwaltung und mit der Frage der Aufbringung der Mittel beschäftigen müssen. Heute steht nur zur Debatte, ob nach dem Ermessen der Bundesregierung der Beitrag teilweise oder ganz, d. h. von 2 % bis auf 0 % gesenkt oder nach Lage des Arbeitsmarktes und nach der Finanzlage der Bundesanstalt zeitweise ausgesetzt werden soll.Dem Ausschuß lag ein Antrag der FDP vor. Dieser Antrag wurde nicht angenommen, weil er verwaltungsmäßige Schwierigkeiten zur Folge gehabt und unter Umständen dazu geführt hätte, daß sich der Gesetzgeber oder der Verwaltungsrat der Bundesanstalt alle drei Monate mit der Neuprüfung des Arbeitsmarktes bzw. der Finanzgebarung der Bundesanstalt befassen muß. Das war der wesentliche Grund. Es bestand auch keine Klarheit darüber, ob der Verwaltungsrat die Beitragsaussetzung ganz oder teilweise durchführen oder ob dies durch Rechtsverordnung geschehen soll. Die Mehrheit des Ausschusses hat sich dafür ausgesprochen, daß die Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates, der ja an den Ausgaben nicht beteiligt ist, an der Frage auch nicht interessiert sein kann, durch Rechtsverordnung eine Herabsetzung oder eineAussetzung — ganz oder teilweise — durchführen kann.Diesem Antrag standen zwei andere Anträge gegenüber. Der Kollege Storch hat beantragt, das Wort „ganz" zu streichen. Er hat gewünscht, daß nur eine teilweise Aussetzung der Beiträge eingeführt wird. Dein stand ein Antrag Odenthal gegenüber, der verlangt hat, den Beitrag nicht unter 1,5 % zu senken. Die Auffassung beider Antragsteller war die gleiche. Beide befürchteten, daß durch eine allzu starke Senkung des Beitrags die Gefahr entstehen könnte, daß die Aufgaben der Bundesanstalt gefährdet seien, nicht nur bezüglich der ungekürzten Gewährung des Arbeitslosengeldes, sondern auch hinsichtlich der Durchführung der Berufsberatung, der Arbeitsvermittlung oder der arbeitsfördernden Aufgaben, die man der Bundesanstalt weiter belassen sollte. Beide Anträge wurden mit Mehrheit abgelehnt.Von der Bundesregierung wurde mündlich zugesichert, daß sie nicht daran denke, den Beitrag so weit zu senken, daß die Wahrnehmung der eigentlichen Aufgaben der Arbeitsämter und der Bundesanstalt irgendwie gefährdet werde. Des weiteren wurde zugesichert, daß die Bundesregierung den Arbeitsmarkt dauernd beobachten und rechtzeitig eingreifen werde, sobald eine Beitragssenkung angezeigt erscheine. Diese Zusicherungen fanden die einmütige Billigung des Ausschusses. Nach Auffassung des Ausschusses und der Bundesregierung kann eine Beitragserhöhung über 2 % nur vom Gesetzgeber vorgenommen werden, wenn dazu Anlaß gegeben ist.Das ist im wesentlichen das, was ich Ihnen vorzutragen habe. Ich habe mich darauf beschränkt in der Annahme, daß Ihnen die Dinge bekannt sind. Bemerken darf ich noch folgendes. Wir waren uns klar darüber, daß die Ansprüche der Arbeitslosen an die Rentenversicherung nicht geschmälert werden dürfen. Es ist der Wunsch laut geworden, daß nicht erst von der sechsten Woche an, sondern sofort bei Eintritt der Arbeitslosigkeit, auch einer kurzfristigen Arbeitslosigkeit, die Anwartschaft und Wartezeit erhalten werden sollten.Meine Damen und Herren, ich habe als Berichterstatter noch die Pflicht, Sie zu bitten, den Antrag des Ausschusses anzunehmen, der dahin geht:Der Bundestag wolle beschließen,den Gesetzentwurf — Drucksache 1798 — in der aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung mit der Überschrift „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung " anzunehmen.Nach dem Beschluß des 21. Ausschusses wird dem § 164 Abs. 1 AVAVG folgender Satz 2 angefügt:Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Erhebung des Beitrages nach Maßgabe der Finanzlage der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenver-
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OdenthalSicherung zeitweise ganz oder zum Teil auszusetzen.Damit entfallen in § 209 Abs. 1 die Worte „Abs. 2 Nr. 3".
Ich nehme an, daß eine allgemeine Aussprache nicht gewünscht wird. Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe Art. 1 auf. Dazu liegen zwei Änderungsanträge vor, nämlich der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 764 und der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 765.
Herr Abgeordneter Keller hat das Wort zur Begründung des Änderungsantrags seiner Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Der Antrag wurde schon bei der ersten Beratung hinreichend begründet. Der Berichterstatter hat dargelegt, daß das Vermögen der Bundesanstalt mittlerweile auf etwa 5 Milliarden DM angewachsen ist. Im Ausschuß wurde darauf hingewiesen, daß 500 000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Bei dieser Arbeitsmarktlage wäre es unverantwortlich, das Vermögen der Bundesanstalt weiter anwachsen zu lassen. Ich habe deshalb den Auftrag, Sie zu bitten, unserem Antrag zuzustimmen, ,daß der Beitrag nur in Höhe von 1,5 v. H. erhoben wird, wie es der ursprüngliche Antrag Drucksache 1798 vorsieht.
Die Begründung zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 765 wird von dem Herrn Kollegen Scharnowski gegeben. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe ,den Antrag der SPD Umdruck 765. Wir waren im Ausschuß für Arbeit schon verschiedener Meinung. Die Regelung nach dem Wunsch des Bundestagsausschusses für Arbeit findet nicht den Beifall der SPD-Fraktion. Grundsätzlich lehnen wir eine Ermäßigung nicht ab, zumal wir eine gute Konjunktur und auch den großen Schatz in Nürnberg haben. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sind beide keine Anhänger einer unbegrenzten Krisenrücklage. Der jetzige Schatz von zirka 5 Milliarden DM reicht zumindest einstweilen aus, und wir können nicht noch weitere Milliarden hinzutun.
Wir sind also für eine vernünftige Beitragsbemessung, so in guten und anders in schlechten Zeiten. Es kommt aber nicht nur auf das Was, sondern jetzt und im wesentlichen auch auf das Wie an. Der vom Hohen Hause angenommene Beschluß des Bundestagsausschusses für Arbeit gäbe der Bundesregierung durch Ermächtigung das Recht, beispielsweise zu verordnen: „Der gesetzliche Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wird ab dann und dann bis auf weiteres nur in Höhe von 1 % oder noch niedriger erhoben." Oder es könnte verordnet werden: „Der gesetzliche Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wird ab dann und dann bis auf weiteres überhaupt nicht erhoben." Je nach Finanzlage der Bundesanstalt, so heißt es im Beschluß, wären Verordnungen dann auch, so meine ich, in der Gegenrichtung möglich. Solche Möglichkeiten werden in den zuständigen Ministerien auch schon erwogen.
Eine solche unbegrenzte Ermächtigung der Regierung geht zu weit, weil es sich hier um Milliarden handelt, die lediglich durch eine Rechtsverordnung bewegt werden. Die Entlastung ist sehr leicht, die nimmt jeder an; denn Nehmen ist seliger als Geben. Aber die Belastung — —
— Verkehrt ist es nicht. Was Sie meinen, gilt nur für das geistige Gebiet, für die geistigen Güter. In bezug auf die geistigen Güter ist es besser zu geben. Ich glaube, so hat es auch das Bibelwort gemeint.
Wir sind also der Meinung, daß diese Vollmacht zu weit geht und sich sehr wohl folgendes einspielen kann. Die Verordnung auf Herabsetzung auf, sagen wir, 1 % wird erlassen, wie es schon von den Herren Vertretern beider Ministerien angedeutet wurde. Die „sieben fetten Jahre" sind noch nicht vorbei. Das kann man wohl noch hinnehmen, wenn auch nicht prophezeien, wie lange sie noch dauern werden. Aber man gewöhnt sich dann an diese neue Regelung und vergißt dabei den § 164 Abs. i Satz 1, wonach der Beitrag grundsätzlich 2 % beträgt. Wenn in der Wirtschaft die Entwicklung eines Tages umgekehrt ist, wenn wir uns von der Hochkonjunktur in Richtung auf eine Krise mit Arbeitslosigkeit bewegen, dann ist die Belastung außerordentlich schwer. Sie wäre dann doppelt so hoch, und die Bundesregierung würde es selber sehr schwer haben, mit einer solchen Belastung im Wege einer Rechtsverordnung fertig zu werden. Wir sind der Meinung, daß man der Regierung eine solche Belastung und Alleinverantwortung für die Zukunft unmöglich auferlegen kann. Letztlich muß diese Verantwortung beim Parlament liegen, und das Parlament sollte eine solche Verantwortung, durch Rechtsverordnung Milliarden zu erheben oder nicht zu erheben, nicht einfach im Wege eines Ermächtigungsgesetzes der Bundesregierung übertragen. Zudem könnten sich in den nächsten Zeiten Argumente und Begründungen wandeln. Wir wissen alle, woran verschiedene Sachverständige dabei denken.
Auch eine völlige Beitragsaussetzung, wie sie in dem Beschluß des Bundestagsausschusses empfohlen wird, ist unmöglich. Man würde dadurch die Menschen, die heute noch eine feste Vorstellung von dem Begriff der Versicherung haben, zu der Auffassung verleiten, es gehe in der Arbeitslosenversicherung, die in gewissem Sinne ja eine Schadensversicherung ist, auch ohne jegliche Beitragsleistungen. — Auch dieser Passus ist auf Wunsch der Regierungsvertreter hineingekommen. Er könnte sich in der Zukunft für uns sehr schädlich auswirken. Es ist geeignet, das Grundprinzip der Versicherung und der Mitverantwortung der Sozialpartner ins Wanken zu bringen.
Diese Gründe sind es, die uns veranlassen, eine andere Fassung zu beantragen. Unser Antrag lautet:
Scharnowski
In Artikel 1 . . . erhält Nr. 1 folgende Fassung:
1. In § 164 Abs. 1 wird folgender Satz 2 angefügt:
Für die Zeit vom 1. April 1961 bis zum 31. März 1962 wird der Beitragssatz auf ein vom Hundert gesenkt.
Ich glaube, das ist eine Regelung, die wirtschaftlich beiden Teilen völlig Rechnung trägt: ein Jahr lang dauernd! dann können wir von neuem darüber sprechen. In der Zwischenzeit könnten wir uns auch überlegen, wie wir in dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die Bestimmungen über die Rücklagensicherung neu fassen können.
Unser Antrag beruht nicht auf einem kleinlichen Mißtrauen gegenüber der Regierung, sondern er bezweckt die Übernahme der Verantwortung durch Parlament und Regierung zusammen für Zeiten, die wir heute nicht übersehen können. Dem, was heute notwendig ist, entsprechen wir durch die Herabsetzung des Beitragssatzes auf 1 %. Damit würde der Beitragssatz noch 1/2 % unter dem Satz liegen, den die FDP beantragt hat; das sollte man bedenken. Wir hoffen, daß Sie unserem Antrag Ihre Zustimmung geben können.
Die Änderungsanträge sind begründet. Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin etwas überrascht über die Anträge, die seitens der SPD und der FDP gestellt worden sind. Ich fühle mich veranlaßt, darzulegen, wie sich die Ausschußberatung in Wirklichkeit vollzogen hat.
Zunächst eines zu Ihrer Berichterstattung, Herr Kollege Odenthal! Der Ausschuß war nicht einstimmig der Auffassung, daß der Beitrag gesenkt werden sollte. Richtig ist vielmehr folgende, in Ihrem Schriftlichen Bericht enthaltene Darstellung:
Der Ausschuß war weiter übereinstimmend der Auffassung, daß der insoweit z. Z. bestehenden Situation nicht durch gesetzliche Änderung des Beitragssatzes Rechnung getragen werden solle; vielmehr sei es richtig, einerseits den im Gesetz ... festgesetzten Beitragssatz von 2 v. H. des Arbeitsentgeltes grundsätzlich unverändert zu lassen, andererseits durch Erteilung einer Ermächtigung die Möglichkeit zu geben, verhältnismäßig kurzfristig die Erhebung des Beitrages zeitweise ganz oder zum Teil auszusetzen, um bis auf weiteres das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben nach Möglichkeit herzustellen.
Ich möchte im besonderen darauf hinweisen, daß es sich gerade wegen der großen Bedeutung dieses Gesetzentwurfs der Ausschuß für Arbeit bei seinen Beratungen wahrhaftig nicht leicht gemacht hat. Am 21. September 1960 fand die erste Ausschußberatung statt, in der übereinstimmend festgestellt wurde, daß es nicht zweckdienlich sei, die Rücklagen bei der Bundesanstalt noch zu vergrößern, sondern daß man einen geeigneten Weg suchen sollte, auf dem jeweils den Verhältnissen entsprechend der Beitrag angepaßt werden könne. Auch die Regierungsvertreter nahmen damals zu dem Antrag der FDP Stellung. Sie schlugen vor, diese Regelung im Wege einer Ermächtigung zu treffen, da dies die beste Lösung der Frage sei. Der Ausschuß war dann der Meinung, daß man den Präsidenten der Bundesanstalt sowie auch den Verwaltungsrat hören sollte. Das ist am 11. Januar 1961 geschehen. Der Präsident der Bundesanstalt wie auch der Verwaltungsrat waren der Auffassung, daß eine weitere Erhebung des Beitrags in Höhe von 2 % nicht notwendig sei, da die Rücklagen so weit angestiegen seien, daß man mit einem geringeren Beitrag auskommen könne. Der Verwaltungsrat und auch der Präsident
— genau, wie ich eben schon vorgelesen habe, wie der Ausschuß für Arbeit — waren der Auffassung, daß der Bundesregierung eine Ermächtigung gegeben werden sollte, wobei der Verwaltungsrat den Standpunkt vertrat, daß diese Ermächtigung dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt gegeben werden sollte.
Die Kollegen von der SPD-Fraktion haben dementsprechend in der 3. Ausschußsitzung einen Antrag gestellt, diese Ermächtigung nicht der Bundesregierung, sondern dem Verwaltungsrat bei der Bundesanstalt zu geben. Herr Kollege Scharnowski, im wesentlichen geht es nicht darum, wie Sie es dargelegt haben, daß die Ermächtigung der Bundesregierung zuviel Rechte einräumen würde, daß sie das nicht tragen könne, — —
— Zuviel Verantwortung, schön. Sie haben ja im Ausschuß den Antrag gestellt, daß diese Ermächtigung dem Verwaltungsrat gegeben werden soll.
— Nein, das ist offiziell im Ausschuß so behandelt worden. Wir haben diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, daß es nicht möglich ist, daß der Verwaltungsrat in eigener Sache über die Beitragserhöhung entscheidet.
Das sind Dinge, die von der Bundesregierung durchgeführt werden müssen.
Wenn Sie also heute den Antrag stellen, den Beitrag um 1 v. H. zu senken, dann ist das ganz entgegen Ihrer damaligen Auffassung. Sie haben sich genau wie wir von der CDU dagegen ausgesprochen, daß eine Beitragssenkung durchgeführt wird.
Herr Abgeordneter Scheppmann, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Scharnowski?
Bitte schön
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Herr Kollege Scheppmann, behaupten Sie, daß ich persönlich einen Antrag gestellt habe, die Herabsetzung des Beitrags dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt zu überlassen?
Im Ausschuß für Arbeit ist ein Antrag von der SPD-Fraktion vorgetragen worden, wonach dem Verwaltungsrat diese Ermächtigung gegeben werden soll.
Ich glaube, daß das allgemein von allen Ausschußmitgliedern bestätigt werden kann.
- Ich möchte doch annehmen, wenn ein Mitglied der SPD-Fraktion im Ausschuß für Arbeit einen Antrag stellt, daß ich das so bezeichnen kann, daß von der SPD-Seite aus ein solcher Antrag vorgelegt worden ist. Über den Antrag ist offiziell abgestimmt worden, und er ist auch mit den Stimmen der FDP-Mitglieder abgelehnt worden.Zu dem Antrag der SPD darf ich noch folgendes bemerken. Die Bundesanstalt hatte im Rechnungsjahr 1959 rund 1,6 Milliarden .DM Beitragseinnahmen bei einem Beitragssatz von 2 v. H. Sie würde also bei einer Senkung des Beitrages auf die Hälfte des derzeitigen Satzes einen Beitragsausfall von rund 800 bis 850 Millionen DM jährlich erleiden. Wenn man noch Zinseinnahmen und Rückflüsse aus Vermögensanlagen berücksichtigt, wären bei einem solchen Beitragsausfall die Gesamteinnahmen der Bundesanstalt im Jahre 1959 1 Milliarde DM gewesen. Die Gesamtausgaben der Bundesanstalt im Rechnungsjahr 1959 betrugen demgegenüber aber 1,250 Milliarden DM.Unter Voraussetzung ähnlicher Verhältnisse wie 1959 würde also die von der SPD gewünschte Beitragssenkung dazu führen, daß die Rücklagen der Bundesanstalt in einer Zeit der Hochkonjunktur und Überbeschäftigung angegriffen werden müßten. Gerade das aber sollte vernünftigerweise vermieden werden. Die Rücklage soll in Zeiten gewisser Schwankungen der Beschäftigungslage zum Ausgleich und dazu dienen, die Rechtsansprüche der Versicherten zu sichern, ohne daß eine Beitragserhöhung erfolgen muß.Ich möchte in diesem Zusammenhang nachdrücklich darauf hinweisen, daß die Vertreter der SPD im Ausschuß für Arbeit die Ermächtigung der Bundesregierung dahin beschränkt wissen wollten —das hat auch Herr Kollege Odenthal schon vorgetragen —, daß eine Beitragssenkung nur im Rahmen von 2 und 1,5 v. H. zulässig sein soll. Jetzt kommt plötzlich der Antrag, den Beitrag um 1 v. H. zu senken. Der jetzige Antrag steht also in schärfstem Gegensatz zu dem Antrag, der im Ausschuß für Arbeit gestellt worden ist. Deshalb möchte ich meinen, daß der Antrag auf Herabsetzung des Beitrages um 1 v. H., der hier von der SPD-Fraktion eingebracht wurde, mehr propagandistischen Charakter hat.
Die Fachleute der SPD im Ausschuß — das möchte ich einmal ganz deutlich sagen — waren nicht der Meinung, daß der Beitrag für ein Jahr nur etwa 1 v. H. zu betragen brauche. Im Gegenteil, sie hatten schwerste Bedenken gegen jeden Beitrag, der auch nur ein wenig unter 1,5 v. H. liegen würde.Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaube ich dargelegt zu haben, daß der Antrag, der hier seitens der SPD-Fraktion eingebracht worden ist, vom Hohen Hause abzulehnen ist. Ich würde das Hohe Haus bitten, diesem Antrag die Zustimmung nicht zu geben.Ganz kurz noch einiges zu dem Antrag der FDP. Im Ausschuß ist bereits darauf hingewiesen worden, daß man einen Vergleich mit dem Jahre 1957 nicht ziehen kann. Auf Grund der Zahl der Arbeitslosen allein kann man kein zuverlässiges Bild von der Finanzlage und dem Finanzbedarf der Bundesanstalt gewinnen. Im Ausschußbericht ist. mit Recht darauf hingewiesen worden, daß sowohl die Einnahmenwie auch die Ausgabenseite der Bundesanstalt von einer Vielzahl von Faktoren beeinflußt wird. Auf der Einnahmenseite sind dies die Zahl der Beitragszahler, die Höhe der Arbeitsentgelte und der Beitragssatz. Auf der Ausgabenseite sind dies die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld, die Höhe der Tabellensätze, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit und anderes.Eine Bezugnahme auf das Jahr 1957 zeigt mit aller Deutlichkeit, daß ,es auf die Zahl der Arbeitslosen als Vergleichszahl nicht entscheidend ankommt. Gerade im Jahre 1957 schloß der Haushalt der Bundesanstalt bei einem Beitragssatz von 2 v. H. mit einem Defizit von rund 40 Millionen DM ab. Es ergibt sich, daß eine Erhöhung der Beitragssätze über 1 v. H. zu spät käme, wenn sie erst einsetzen dürfte, sobald die Arbeitslosenzahlen von 1957 erreicht sind.Hinzu kommt folgendes. Wegen der Einführung des Schlechtwettergeldes können die Arbeitslosenzahlen mit denen von 1957 nicht mehr verglichen werden. Die Bezieher von Schlechtwettergeld — durch sie kann die Bundesanstalt erheblich belastet werden — werden nicht mehr als Arbeitslose gezählt, da ihr Beschäftigungsverhältnis während des Bezugs von Schlechtwettergeld nicht unterbrochen wird.Die im FDP-Antrag vorgesehene Bindung an Vierteljahreszahlen würde unter Umständen dazu führen, daß der Beitragssatz bis zu viermal im Jahr geändert werden müßte. Das würde zu einer untragbaren Unruhe und einer Belastung sowohl der Betriebe wie der Krankenkassen, die die Beiträge einziehen, führen. Bekanntlich wird der Beitrag zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung gemeinsam erhoben und aus einer einheitlichen Tabelle abgelesen. Jede Umstellung eines Beitragsteiles erfordert den Neudruck der gesamten Abzugstabelle. Die Umstellung erfordert nicht nur erhebliche Zeit, sondern verursacht auch beachtliche Kosten.Aus diesen Gründen sollte auch der Antrag der FDP, den Art. 1 in der Fassung des Entwurfs wieder-
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Scheppmannherzustellen, abgelehnt werden. Dieser Antrag ist praktisch einfach nicht durchführbar.Ich bitte das Hohe Haus, beide Anträge abzulehnen und dem Ausschußantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat viele Tatsachen vorgetragen, die allerdings nicht im Kurzprotokoll stehen und die zur Sachdebatte des Arbeitsausschusses gehören. Es ist zutreffend, daß die Bezugnahme auf das Jahr 1957 von Ihnen stets kritisiert worden ist. Aber Sie haben heute vergessen zu erwähnen, daß 500 000 freie Arbeitsplätze nicht zu besetzen sind. Sie haben weiter dargestellt, welche Aufgaben die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu erfüllen hat.
Sie haben aber nicht festgestellt, daß die Zuwachsrate eine Vermögensbildung in Höhe von 900 Millionen DM erbracht hat.
Ich habe deshalb zu dem überraschenden Antrag der SPD auf Senkung des Beitrags auf 1 % im Namen meiner Freunde folgendes zu sagen:
Die FDP-Fraktion hatte nach verantwortlicher Überlegung den Antrag gestellt, den Beitrag auf 11/2 % zu senken. Im Arbeitsausschuß hatten die Kollegen der SPD trotz unserer guten Argumente die größten Bedenken. Außerdem, meinten sie, sei die Senkung für den Arbeitnehmer ohne Bedeutung. Offenbar hat die SPD inzwischen erfahren, daß die Arbeitnehmer hierüber gänzlich anders denken.
Seit der Sitzung vom 26. Januar im Arbeitsausschuß hat sich weder auf dem Arbeitsmarkt noch in der gesamtwirtschaftlichen Situation etwas geändert. Deshalb müssen wir als Grund für diesen SPD-Antrag annehmen, daß sich die SPD entweder von unseren Argumenten hat überzeugen lassen oder daß sie angesichts der Kommunalwahlen in zwei Ländern und der nicht mehr fernen Bundestagswahl diese Wandlung vollzogen hat.
Als verantwortungsbewußte Partei sind wir der Meinung, daß unser Antrag einerseits die Erhaltung eines angemessenen Vermögens der Bundesanstalt ermöglicht, zum anderen die Bildung eines ungerechtfertigten Vermögens verhindert. Sollte sich zeigen, daß trotz der von uns vorgeschlagenen Senkung das Vermögen der Bundesanstalt sich weiter vergrößert, werden wir erneut Stellung nehmen.
Ich bitte das Hohe Haus, unserem Antrag — Drucksache 1798 — zuzustimmen und den der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Behrendt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine kurze Erwiderung auf die Darlegung des Kollegen Scheppmann. Ich bin sehr erstaunt, hier zu hören, daß, wenn ein Kollege, ganz gleich welcher Partei, in einem Ausschuß einen Antrag stellt, dieser Antrag bereits als Antrag seiner Fraktion gelte. Herr Kollege Scheppmann, ich könnte Ihnen nachweisen, wie ungeheuer viele Anträge, die nicht auf die Fraktion zu beziehen sind, von den Kollegen Ihrer Fraktion in unserem Ausschuß gestellt worden sind.
Man kann also, glaube ich, nicht schlechthin sagen, daß, wenn während der Ausschußberatung irgendein Kollege einen Vorschlag macht, bereits unterstellt werden kann, daß es sich in jedem Falle um den Antrag einer Fraktion handelt. Das vorweg zur Klarstellung.Dann haben Sie gesagt, es sei ein Antrag gestellt worden. Ich muß Ihnen an Hand der Protokolle, die mir vorliegen, beweisen, daß das nicht der Fall ist. Er stimmt, daß von einem unserer Kollegen nach dem Protokoll zweimal gesagt worden ist, man sollte in Erwägung ziehen, ob nicht die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hinsichtlich der Ermächtigung den Vorrang haben sollte. Aber im Protokoll ist— ich darf es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen — folgendes vermerkt:Abg. Storch beantragt,— damit unterstelle ich nicht, daß der Kollege Storch den Antrag gestellt hat, den Verwaltungsrat der Bundesanstalt zu ermächtigen; es ist überhaupt nicht im Protokoll ersichtlich, daß ein Antrag vorlag; von unserer Seite ist immer nur davon gesprochen worden, etwas zu erwägen —die Grundfrage, ob die Regierung oder der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu ermächtigen sei, zur Abstimmung zu stellen.Dann wurde abgestimmt und mit Mehrheit entschieden: die Bundesregierung. Dabei darf ich darauf hinweisen, daß sich die Mehrheit der Vertreter unserer Partei, wenn schon Ermächtigung, für die Bundesregierung und nicht für die Bundesanstalt entschieden hat. — Das muß man doch korrekterweise auch sagen.Ich glaube, dieser Fall wäre ausgestanden.Nun sagen Sie, Sie seien sehr erstaunt — ich habe hier heute morgen auch einige etwas bissige Bemerkungen des Kollegen Keller gehört —, daß wir heute mit einem Antrag kommen, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 1 % zu senken. Meine Damen und Herren, als wir mit der Beratung im Ausschuß für Arbeit anfingen, war die Finanzlage der Bundesanstalt so — wir haben es gehört und haben die schriftlichen Unterlagen ja auch bei den Protokollen liegen —, daß sie ein Rücklagevermögen von 3,7 Milliarden DM auswies. Ich glaube, es ist doch berechtigt, daß wir heute auf Grund der veränderten Finanzsituation bei der Bundesanstalt die Anträge stellen, die wir hier vertreten zu müs-
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Behrendtsen glauben. Wir stellen fest, daß z. B. bei den heute morgen stattfindenden Haushaltsberatungen Unterlagen vorhanden sind, in denen das Vermögen der Bundesanstalt bereits mit rund 5 Milliarden DM ausgewiesen ist. Damit liegt noch nicht die Endabrechnung für dieses Jahr vor. Wir alle wissen doch, daß wir bei dem verhältnismäßig guten Winter mit einem weiteren Zufluß zu den Rücklagen der Bundesanstalt in Höhe von Hunderten von Millionen zu rechnen haben. Da wir also jetzt schon 5 Milliarden DM Rücklagen bei der Bundesanstalt haben, war es für uns eine Pflicht, den neuen Antrag, den Herr Kollege Scharnowski begründet hat, einzubringen.Lassen Sie mich nun noch einiges zu der Ermächtigung der Bundesregierung und zu dem sagen, was der Kollege Scheppmann erwähnt hat. Während der Beratungen im Ausschuß hörten wir von dem Regierungsvertreter, daß der Bundesminister für Arbeit diese Ermächtigung so, wie sie im FDP-Antrag vorgesehen ist, nicht wünsche. Wir wissen, daß die Senkung oder Hebung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von recht erheblicher politischer Bedeutung ist, und wir hatten für diese Haltung großes Verständnis. Als dann die Vertreter der Regierung erklärten, daß die Bundesregierung ihrerseits bereit sei, diese Ermächtigung in einem Spielraum von 0 bis zu 2 % zu übernehmen — das stimmt, was Sie gesagt haben; die Ermächtigung sollte sich nur in diesem Rahmen bewegen —, ließ uns das natürlich aufhorchen, vor allen Dingen deshalb, weil dabei erklärt wurde, daß sie bei der Ermächtigung selbstverständlich auch wirtschaftspolitische und allgemeine politische Folgen zu beobachten habe. Wenn die Bundesregierung solche Weiterungen sieht, meinen wir, daß der Bundestag diese Weiterungen gleichfalls an erster Stelle zu sehen hat.Wenn über ein Beitragsaufkommen von jährlich 1 Milliarde DM zu befinden ist, so kann das nach unserer Meinung nicht allein im Entscheidungsbereich der Bundesregierung liegen; dann hat vielmehr der Bundestag darüber zu befinden, was mit ,dieser 1 Milliaide DM zu geschehen hat.
Die Entscheidung über 1 Milliarde DM ist wirklich eine hochpolitische Angelegenheit. Die 5 Milliarden DM, die die Bundesanstalt heute hat, seien — das war übereinstimmende Auffassung des Ausschusses — die Reserve, die die Bundesanstalt haben sollte.Was geschieht, wenn wir heute den Beitrag für ein Jahr um 1 % senken? Nach der Ausschußvorlage, die Sie vor sich liegen haben, wird das Beitragsaufkommen heute ungefähr bei 2 Milliarden DM jährlich und werden die Ausgaben wahrscheinlich wiederum bei ungefähr 1 Milliarde DM liegen. Wenn wir also das Beitragsaufkommen um die Hälfte kürzen, werden wir rund 1 Milliarde DM an Beitragseinnahmen haben und ungefähr den gleichen Betrag an Ausgaben, Leistungen und dergleichen mehr, so daß bei gleicher Beschäftigungssituation die von uns gewünschte Reserve von 5 Milliarden DM erhalten bleibt.Dabei muß man andererseits noch sehen, daß selbst bei einer Arbeitslosigkeit von 5 % 3 Milliarden DM bereits ausreichen würden, um ,die erforderlichen Leistungen für ein Jahr gewähren zu können. Wir meinen, daß das Sicherheit genug ist. Meine Damen und Herren, bei einer solchen Rechnung soll man uns einmal sagen, daß das etwas mit Propaganda zu tun habe! Ich bedauere sehr, daß Sie eine solche Äußerung getan haben. Natürlich hat unser Antrag — das wollen wir nicht verschweigen — auch in unserer Fraktion zu einigen Überlegungen im Hinblick auf konjunkturpolitische Auswirkungen geführt. Wir glauben, daß es ,dem 4. Bundestag vorbehalten bleiben muß, in eine eingehende Erörterung darüber einzutreten, inwieweit die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik antizyklische Maßnahmen treffen soll. Wir wissen, ,daß es heute nicht möglich ist, darüber zu beraten. Deshalb haben wir nach unseren Vorstellungen von dem, was möglich ist, den Antrag gestellt, den Beitragssatz für ein Jahr um die Hälfte, also auf 1 %, zu senken. Dann bleibt sowohl die Reserve erhalten als auch die Sicherung für eine mögliche Arbeitslosigkeit von 5 % gewährleistet.
Das Wort hat der Abgeordnete Scharnowski.
Das Wort hat der Abgeordnete Maier .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht nur — wie mein Kollege Scheppmann — leicht erstaunt, sondern sehr erstaunt über das, was wir heute hier im Hause erleben. Wir sind im Ausschuß nach eingehender sachlicher Beratung über diesen Gegenstand weithin einheitlicher Meinung gewesen. Lediglich vier Mitglieder des Ausschusses haben sich der Stimme enthalten, haben aber nicht dagegen gestimmt. Heute nun werden uns zwei Anträge vorgelegt.Zunächst einmal erleben wir die Neuauflage des Antrags der FDP. Kollege Keller, ich glaube, diese Rückkehr zum Ausganspunkt ist wirklich ein unglücklicher Vorgang, nachdem man sich doch von allen Seiten des Hauses die Mühe gemacht hat, über Ihren Antrag wirklich eingehend und sachlich zu diskutieren.Weiter ist ein Änderungsantrag von der SPD eingebracht worden. Meine verehrten Kollegen von der SPD, Ihnen muß ich schon sagen, daß ich durch Ihr Verhalten sehr überrascht bin. Sie haben — das ist schon zum Ausdruck gekommen, aber ich möchte das noch einmal mit allem Nachdruck unterstreichen — in keiner Phase der Beratungen eine andere Meinung zum Ausdruck gebracht, als sie von uns bereits im Ausschuß vertreten worden ist. Deshalb wundere ich mich, daß Sie heute diesen Antrag stellen. Niemandem von Ihnen ist es eingefallen, einen solchen Antrag im Ausschuß einzubringen.
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Maier
Wir hätten dann auch darüber diskutieren können, so wie wir mit Ihrer Mitarbeit und Unterstützung eingehend über den Antrag der FDP gesprochen haben.Nun, Kollege Keller, ein Wort zu Ihren Ausführungen. Es ist richtig: die Arbeitslosenzahl bewegt sich in der Höhe, die Sie angegeben haben. Aber würden wir denn nicht frevelnd handeln, wenn wir bei der Beurteilung der Lage den gegenwärtigen Zeitpunkt als Maßstab nehmen wollten? Gerade in der Arbeitslosenversicherung sind wir doch verpflichtet, an Zeiten zu denken — wenn wir sie schließlich auch alle nicht erwarten —, in denen wir nicht mehr die Macht und die Kraft haben, die Gefahr für alle Zukunft abzuwenden. Es ist doch sehr bedeutsam, daß wir bei der Anhörung der Sachverständigen deutlich die Sorge gespürt haben, die der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung vor der Zukunft hinsichtlich der Rücklagesicherung hat. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben das in der Sitzung zum Ausdruck gebracht. Auch wir sind für die zukünftige Entwicklung verantwortlich. Wir wissen, daß Amerika — ein reiches Land — schon seit Jahr und Tag fünf bis sechs Millionen Arbeitslose hat. Ist es unmöglich, daß auch uns eine Arbeitslosigkeit etwa in einer Größenordnung von i Million Arbeitslose trifft? Und dann, Kollege Keller, sind das in einem Jahr 3 Milliarden DM. in zwei Jahren 6 Milliarden DM, und die ganze Rücklage wäre weg.
Dabei ist der Beitragsrückgang noch nicht eingerechnet. Ich glaube, in dieser Frage dürfen wir uns wirklich nicht so tun, als handle es sich um eine leichte Angelegenheit.Wir haben mit großer Mehrheit — ich möchte sagen: fast einhellig — die Meinung vertreten: Wenn gegenwärtig schon mit dem Ziel, die Rücklage nicht weiter zu erhöhen, eine Beitragssenkung erfolgen soll, dann nur in Form einer Ermächtigung an die Bundesregierung, weil nur auf diese Weise die Gewähr gegeben ist, daß der jeweiligen Situation angemessen schnell und gründlich entschieden und gehandelt werden kann.
Ich bitte daher das Hohe Haus, die Anträge der SPD und der FDP abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Vogt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich konzediere dem Herrn Kollegen Behrendt gern, daß es richtig ist, daß der Herr Kollege Odenthal den Antrag gestellt hat, der Bundesregierung lediglich die Ermächtigung zu geben, die Beiträge bis zu 1,5 % zu senken. Herr Kollege Odenthal ist aber doch Ihr Sprecher in den Ausschußberatungen! Deswegen mußte es so erscheinen, daß der Antrag, den der Herr Kollege Odenthal im Ausschuß gestellt hat, für die SPD-Fraktion gestellt worden war. Daher die Ausführungen meines Kollegen Scheppmann, der Ausschußvorsitzender ist.Ich habe gern zur Kenntnis genommen, Herr Kollege Behrendt, daß Sie das hier richtiggestellt und erklärt haben, die Mehrzahl der Vertreter der SPD sei für eine Ermächtigung an die Bundesregierung gewesen.
— Ja, ich will gerade darauf eingehen. Sie haben allerdings geltend gemacht, Sie seien seinerzeit davon ausgegangen, daß die Rücklagen bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sich — nach Ihren damaligen Informationen — nur auf 3,7 Milliarden DM beliefen.Nun, ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal etwas aus der Stellungnahme zitieren, die uns der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung am 2. Dezember 1960 gegeben hat. Ich darf die Stelle zitieren, an der auf die Vermögens- und Rücklagenbildung Bezug genommen wird. Da heißt es:Die Bundesanstalt verfügt infolge der günstigen Entwicklung der letzten Jahre über ein Gesamtvermögen von ca. 4,45 Milliarden DM, Stand 31. März 1960, davon eine Rücklage von 3,7 Milliarden DM.Ich darf mich darauf zunächst beschränken.Es war — und, Herr Kollege Behrendt, das bitte ich mir auch zu konzedieren — allen Mitgliedern des Ausschusses bekannt, daß sich seit dem 31. März 1960 die Vermögens- und Rücklagenbildung bei der Bundesanstalt weiterhin positiv entwickelt hat, daß also das Vermögen und damit in einer gewissen Relation dazu auch die Rücklage weiter angestiegen sind. Wir sind also — und das möchte ich richtigstellen — weiß Gott bei unseren Beratungen im vorigen Monat nicht von der Fiktion ausgegangen, die Rücklage betrage nur 3,7 Milliarden DM. Das, Herr Kollege Behrendt, ist nicht richtig. Vielmehr waren wir uns alle bewußt, daß die Rücklage inzwischen größer geworden sei, und es war auch im Gespräch, daß die Rücklage bereits den Stand von 4,5 Milliarden DM erreicht habe. Das wollte ich zur Richtigstellung dessen sagen, was Sie vorhin als Begründung für den Antrag der SPD ausgeführt haben.Sie werden verstehen, daß ich bei einer solchen Situation überhaupt keine Gründe ausfindig machen kann, weshalb die SPD-Fraktion heute mit einem Antrag vor das Hohe Haus tritt, der eine Beschränkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 1 % qua Gesetz verlangt. Ich finde keine Gründe dafür. Nach den Verhandlungen im Ausschuß für Arbeit, die — das werden Sie mir doch zugestehen — immer sehr konziliant und sehr kulant geführt werden, habe ich dafür keinerlei Verständnis.
— Bitte, Herr Kollege Scharnowski!
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Herr Kollege Vogt, Sie haben noch nicht dargetan, was Sie von der Ermäßigung auf 1 % halten. Sie und auch keiner Ihrer Vorredner haben dazu ein Wort gesagt. Es wäre interessant, wenn Sie sich dazu äußerten. Ich bitte Sie, Ihre Meinung dazu zum Ausdruck zu bringen.
Herr Kollege Scharnowski, das ist zwar keine Frage gewesen, wie sie hier im Hause üblich ist; ich bin aber gern bereit, darauf auch noch einzugehen, insbesondere mich auch der Argumente zu bedienen, die Sie oder Ihre Kollegen im Ausschuß zu einer solchen eventuell vorzunehmenden Senkung geltend gemacht haben. Von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei war nur eine Senkung auf 1,5 % beantragt worden.
— Auch dazu will ich etwas sagen, Herr Kollege Scharnowski. Auch von mir persönlich! Aber lassen Sie mich erst einmal mit einigen Ausführungen in Fluß kommen und mich ein klein wenig mit dem auseinandersetzen, was Sie, Herr Kollege Scharnowski, vorhin so emphatisch vorgetragen haben.Ich möchte zunächst richtigstellen, daß es sich nicht um ein Ermächtigungsgesetz handelt. Ich habe den Eindruck, als wenn Sie durch Ihre Ausführungen, wie Sie sie vorhin vorgetragen haben, angegesichts der voll besetzten Tribüne den Anschein erwecken wollten, daß es sich hier im Bundestag um ein Ermächtigungsgesetz handele, und ich weiß nicht, ob dabei nicht einige Anspielungen auf gewisse Zeiten bezweckt wurden. Meine Damen und Herren, das ist ganz und gar nicht der Fall. Durch eine Anfügung an den § 164 AVAVG wird der Bundesregierung lediglich eine Ermächtigung erteilt, falls das Hohe Haus so beschließen sollte, wie der Ausschuß für Arbeit bei nur 4 Stimmenthaltungen beschlossen hat.Herr Kollege Scharnowski, Sie haben davon gesprochen, daß man es der Bundesregierung nicht überlassen könne, über Milliarden zu verfügen und eine so delikate Angelegenheit allein durch eine Rechtsverordnung zu regulieren. Ich verstehe nicht, Herr Kollege Scharnowski, daß Ihre Fraktion so wenig Vertrauen zu den Selbstverwaltungsorganen hat.
Wir sind froh darüber, daß wir eine so umfassende, umfangreiche und bis ins einzelne gehende detaillierte Darstellung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Ausschuß erhalten haben. Wir sind darüber froh und dankbar dafür; denn auf der Grundlage dieser umfangreichen und eingehenden Darlegungen haben wir eingehend und ausführlich im Ausschuß für Arbeit diskutieren und dann beschließen können.Ich darf Sie, meine Damen und Herren, die im Ausschuß mitgewirkt haben, doch daran erinnern, daß wir die Sachverständigen alle gehört haben. Es hat sich zwar insofern eine Groteske ergeben — immerhin, das ist nicht anzukreiden —, als alle Sachverständigen, die wir gehört haben — ausHandwerk, Handel und Industrie, auch die der beiden Gewerkschaften —, zugleich im Verwaltungsrat der Bundesanstalt Sitz und Stimme haben. Sie haben uns auf Anfrage bestätigt, daß sie sowohl die Meinung der von ihnen vertretenen Verbände und Organisationen dargelegt hätten als auch die Lage der Bundesanstalt berücksichtigt und natürlich auch als Mitglieder des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gesprochen hätten. Ich darf Ihnen im Vertrauen auch noch sagen, daß selbst der Vertreter des Finanzministeriums, den ich nachher ansprach, zu meinem Erstaunen ebenfalls Mitglied der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung war. Aber auch das ist ja kein Beinbruch. Dieses Anhören war für uns, für unsere Beratungen sehr förderlich.Herr Kollege Scharnowski, wir — ich meine jetzt die Fraktion der CDU/CSU — haben uns im Ausschuß dafür stark gemacht und werden uns sicher auch heute bei der Abstimmung im Plenum dafür stark machen, daß die Bundesregierung je nach der Finanzlage der Bundesanstalt von der ihr erteilten Ermächtigung zur Beitragssenkung oder -aussetzung Gebrauch machen soll. Wir tun das, weil wir wissen, daß die Bundesregierung oder das Bundesarbeitsministerium, bevor die Rechtsverordnung ergehen würde, mit dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt Fühlung nehmen wird und sich zunächst einmal die Stellungnahme der Bundesanstalt geben lassen wird. Auch das ist im Ausschuß besprochen und einhellig dargelegt worden.Ich muß es hier wiederholen: wir haben ,das Vertrauen zu diesem Selbstverwaltungsorgan bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, daß es der Bundesregierung auf Grund der Finanzlage der Anstalt Empfehlungen erteilen und sagen kann: Jetzt können wir so oder so handeln. Die Bundesregierung wird auf das Votum oder die Stellungnahme des Verwaltungsrates der Bundesanstalt sicher ein entscheidendes Gewicht legen. Insoweit war unser Antrag, war unsere Beschlußfassung in höchstem Maße von der Absicht initiert und beeinflußt, das Vertrauen in die Selbstverwaltung zu bestärken und der Selbstverwaltung eine entscheidende Rolle zuzuweisen bei dieser Ermächtigung, die wir der Bundesregierung erteilt haben.Ich darf deshalb, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, sagen, daß ich aus den zuletzt genannten Gründen den Antrag, den Sie heute ganz überraschend im Plenum eingebracht haben, überhaupt nicht verstehe. Im Ausschuß war von einer solchen Senkung keine Rede. Sie wissen ganz genau, daß wir darum gestritten haben, ob bei der Erteilung der Ermächtigung an die Bundesregierung eine Einschränkung dahin gehend gemacht werden sollte, der Bundesregierung nur die Möglichkeit zu gehen, auf 1,5 % zu senken und nicht weiter. Das waren Bleichlautende Anträge von Ihrem Kollegen Odenthal und von meinem Kollegen Storch, einem Mitglied der CDU/CSU-Fraktion. Aber die Mehrheit meiner Fraktion und zum Teil auch Kollegen Ihrer Fraktion, der SPD, haben sich dagegen gewandt. —
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8153
VogtIch darf auch sagen, warum. Ich selbst habe im Ausschuß ausgeführt, es sei tunlich und nützlich, der Bundesregierung die Ermächtigung zur Senkung oder gar zur Aussetzung im Rahmen von 0 bis 2 % zu erteilen; auch darum ist gestritten worden. Warum habe ich das vertreten, und warum haben meine Freunde aus der CDU/CSU-Fraktion das vertreten? Wir haben es vertreten, weil nämlich dann sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber eine fühlbare Entlastung bei der Beitragszahlung zu verzeichnen sein wird. Das ist hei 0,5 % und auch bei 1 % nicht der Fall.Wir brauchen uns hier über die Zahlen nicht zu unterhalten; Sie kennen sie ganz genau. Wenn aber die Bundesregierung bis 0 oder 2 %, oder was weiß ich, senken oder wenn sie für eine gewisse Zeit aussetzen kann, dann gibt es eine fühlbare Entlastung. Man kann aber nicht durch Beschluß des Bundestages der Bundesregierung die Auflage machen: Ihr habt jetzt auszusetzen, oder: Ihr habt für diese und jene Zeit — einen begrenzten Zeitraum — nur 1 % zu erheben. Das können wir hier, so zusammengerafft, nicht tun, wenn wir verantwortungsbewußt handeln. Wir müßten dann unsererseits zunächst einmal die Selbstverwaltungsorgane hören, um sagen zu können: in dieser Saison — Frühling, Sommer, Herbst oder Winter — ist es möglich, ist es vertretbar, ist es nützlich. Das wäre ein Verfahren, daß nicht sehr flexibel wäre. Ein Verfahren, das flexibel ist, ist die Erteilung einer Ermächtigung oder Entscheidungsbefugnis an die Bundesanstalt. Es wäre noch besser — das ist von uns noch mehr gutgeheißen worden —, diese Entscheidungsbefugnis, also die Ermächtigung der Bundesregierung zu geben. Denn sie könnte senken und auch heben, ohne erst den langen Weg über das Parlament zu gehen.Überlegen Sie einmal folgendes. Angenommen, wir beschlössen heute, daß die Beiträge, wie Sie es vorgeschlagen haben, für eine befristete Zeit gesenkt werden. Es könnte ja sein, daß wir während dieser Zeit die Beiträge wieder anheben müßten. Dann müßte das Hohe Haus das beschließen, und dem müßten Beratungen im Ausschuß vorangehen.
— Mein lieber Kollege Scharnowski, Sie und Ihre Kollegen im Ausschuß sind mit uns der Meinung gewesen, wir sollten eine Möglichkeit dafür schaffen, daß eine Senkung oder auch eine Anhebung möglichst rasch vorgenommen werden kann, ohne daß wir erst den Ausschuß oder das Parlament mit langwierigen Verhandlungen bemühen müssen;
das war doch bei unseren Beratungen im Ausschuß maßgebend.Ich darf mich aber noch ein wenig den Ausführungen des Herrn Kollegen Keller zuwenden. Er hat in seiner zweiten kurzen Rede zur Begründung des von der FDP-Fraktion gestellten Änderungsantrages ausgeführt, man müsse die Wiederherstellung derVorlage beschließen, zumal 500 000 Arbeitsplätze, wie er angab, offen seien. Nun, meine Damen und Herren, wenn man sich die eine Seite ansieht, muß man sich auch die andere ansehen und muß, verehrter Herr Kollege Keller, die notwendigen Schlußfolgerungen ziehen. Es ist ja doch kein Geheimnis, daß es trotz der mehr als 500 000 offenen Stellen — es sind fast 600 000 — eine bestimmte Quote von Arbeitslosen gibt. Das wissen Sie, Herr Kollege Keller, genauso gut wie alle hier im Saal. Es wird Sie wahrscheinlich interessieren, daß laut Statistik am31. Januar dieses Jahres 390 143 Arbeitslose vorhanden waren. Dabei sind die Bezieher von Schlechtwettergeld noch nicht einbezogen, und auch das hat bei den Beratungen im Ausschuß eine Rolle gespielt; darüber aber hat heute noch niemand gesprochen. Ich möchte nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß wir erst einmal die finanziellen Auswirkungen der Gewährung des Schlechtwettergeldes abwarten und uns Unterlagen darüber geben lassen müssen, bevor wir zu Schlußfolgerungen kommen. Alles das wirkt sich ja auf die gesamte Finanzlage der Bundesanstalt aus.Ich darf dem Hohen Hause empfehlen, beide Änderungsanträge abzulehnen, sowohl den Antrag der Fraktion der SPD als auch den der Fraktion der FDP, und den Antrag des Ausschusses anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei diesem Stand der Debatte ist es sicherlich notwendig, noch ein paar Worte zu sagen, damit am Schluß auch alle wissen, worüber nun im einzelnen abgestimmt wird. Die Dinge gehen im Augenblick doch schon ein wenig durcheinander mit den zwei Änderungsanträgen, von denen der unsere die Wiederholung unseres alten Antrags ist, während der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion etwas überraschend gekommen ist.Ich darf zunächst noch einmal ganz kurz sagen, was uns seinerzeit zu unserem Antrag veranlaßt hat. Der Kollege Atzenroth ist heute leider nicht da; er gehört dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt an. Aus dem Einblick in die Dinge, den er dort gewonnen hat, ist der Antrag entstanden. Ihm liegt die Überlegung zugrunde, die eigentlich schon so ziemlich der Mann auf der Straße anstellt: daß hei aller Anerkennung der Arbeit der Bundesanstalt und ihrer unteren Organe der Beitrag nicht mehr den veränderten Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt entspricht. Eine Überprüfung dieser Gegebenheiten hat uns zu dem Antrag veranlaßt.Wir haben den Beitragssatz auf 11/2 % bemessen. Das war natürlich nicht errechnet — das kann man nämlich nicht —, aber es war auch nicht willkürlich gegriffen, sondern beruhte auf den angestellten Ermittlungen. Nun aber überlegen Sie bitte einmal, was sich da abgespielt hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das darf man doch nicht übersehen. Wir sind auf völliges Unverständnis gestoßen
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8154 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Dr. Starkemit den 11/2%, mit unserem Senkungsantrag, und zwar nicht nur bei der Regierungspartei, sondern auch bei Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion. Man hat zunächst wie üblich gesagt: „Die kleinen Parteien! Jetzt kommen sie wieder mit solchen Anträgen! Was soll man denen für Bedeutung beimessen?" Schließlich kam es dann aber doch dazu, daß weitere Überlegungen angestellt werden mußten, weil der Antrag nun einmal da war und in den Ausschuß kam.Dann denken Sie einmal daran, was sich bei der Bundesanstalt abgespielt hat! bei der Bundesanstalt sind doch zuerst Erklärungen abgegeben worden, die ganz deutlich zeigten, daß man dort gar nicht senken wollte.
Eine Frage, Herr Dr. Starke. Sie sprechen davon, daß die Regierungspartei Bedenken gehabt habe. Haben Sie Kenntnis davon, daß auch der Verwaltungsrat der Bundesanstalt, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer paritätisch vertreten sind, lebhafte Bedenken gehabt hat?
Auf diese Frage kann ich nur antworten, daß ich mich hier zu der Stellungnahme des Verwaltungsrats gar nicht geäußert habe. Es steht doch fest, daß die Regierungspartei Bedenken hatte, und zwar grundsätzliche und erhebliche Bedenken, und daß es erst dann in den weiteren Beratungen dazu gekommen ist, daß man unseren Antrag, den wir eigentlich für selbstverständlich gehalten haben, auch einer Diskussion für wert hielt. Wir haben mit diesem Antrag also einen Stein ins Rollen gebracht.
Nun kam es in dem Ausschuß zu dem berühmten Kompromiß. Bei diesem Kompromiß haben wir uns nicht sehr wohl gefühlt. Wir haben ihm deshalb nicht zugestimmt. Meine Damen und Herren, eine solche Summe, die da in Bewegung gesetzt wird durch den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, und zwar auch bei der Veränderung nach oben oder unten durch 1 % oder 1/2 %, ist so groß, daß wir nicht glauben, daß man dazu der Bundesregierung eine Ermächtigung geben kann. Wir sind einfach grundsätzlich dagegen, durch solche Ermächtigungen die Rechte des Parlaments zu schmälern.
Ich will Ihnen auch sagen, warum wir dagegen sind. Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sollten sich das noch einmal überlegen. Es ist doch eine Grundsatzfrage, nicht eine Frage, wie man über eine augenblickliche Schwierigkeit hinwegkommt.
— Das ist eine Grundsatzfrage; denn gerade die Begründungen, die von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, gegeben worden sind, geben ganz deutlich das wieder, was wir aus der Vergangenheit schon kennen. Man kann immer begründen: Schnell, zuverlässig, zur rechten Zeit usw. — und deshalb Vollmachten! Überlegen Sie das doch einmal, meine Damen und Herren! Wenn Sie das auf alles anwenden, was wir hier tun, können Sie mit der Begründung in jedem Gesetz die Paragraphen praktisch durch eine Ermächtigungersetzen.
Aus diesem Grund müssen wir in diesem Punkt unbedingt hart bleiben.
Das führt aber dazu, meine Damen und Herren, daß wir Sie noch einmal bitten müssen, dieser Ausschußfassung nicht zuzustimmen. Überlegen Sie vielmehr, daß wir dann einen Weg einschlagen, auf dem wir langsam, aber sicher solche Ermächtigungen in immer größerem Umfang, in immer größerer Breite geben. Das ist etwas, was ein Parlament nicht tun sollte.
Wer von uns will denn daran zweifeln, daß im Falle einer Notlage, einer Verschlechterung der Situation, die jetzt gar nicht am Horizont sichtbar ist, das Parlament zeitgerecht, in einem vernünftigen Zeitraum die Beiträge so festsetzt, wie es notwendig ist! Wer daran zweifelt, möge die Ermächtigung geben. Wer aber daran glaubt, daß dies das Parlament in seiner Würde und auch in der nötigen Beschleunigung aus sich heraus zeitgerecht bewirken kann, der darf dieser Ermächtigung nicht zustimmen.
Darum möchte ich Sie noch einmal herzlich bitten: Überlegen Sie sich bei einem solchen Punkt, der wie ein Nebenpunkt aussieht, daß man einen solchen Weg nicht beginnen sollte.
Nun komme ich dazu, festzustellen, daß die 11/2 % doch eigentlich unstreitig sind. Kollege Vogt hat uns gesagt, die Bundesregierung werde von der CDU/CSU gedrängt werden, wirklich auf 11/2 % zu gehen.
— Ich meine das nicht so.
— Bitte sehr!
Zu einer Zwischenfrage der Abgeordnete Vogt!
Herr Kollege Dr. Starke, sind Sie in der Lage, mir nachzuweisen, daß ich das, was Sie soeben ausgeführt haben, vorhin gesagt habe?
Auf diese Frage antworte ich Ihnen folgendes. Ich habe gesagt, über die 1,5 % bestehe nach den Beratungen im Ausschuß doch offensichtlich Einigkeit. Es ging nur um die Form, wie diese Beitragssenkung zustande kommen sollte. Sie, Herr Kollege Vogt, haben hier noch einmal darauf hingewiesen, daß die Regierung in Übereinstimmung mit der Regierungspartei oder von ihr veranlaßt diese Senkung vornehmen werde.
— Das soll gar nichts Abfälliges sein, sondern nur eine Feststellung. Ich betone ausdrücklich, daß ich
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Dr. Starkenichts Abfälliges sagen, sondern nur eine Feststellung treffen wollte dahin, daß wir über die 1,5 % einig sind.Nach meiner Bitte, den Ausschußantrag abzulehnen, weil er eine Ermächtigung enthält, die wir nicht geben sollten und die auch sachlich nicht notwendig ist, komme ich zum Zweiten, zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, den Beitragssatz auf 1% zu senken. Die Freie Demokratische Partei ist natürlich ebenso wie die Regierungsparten von diesem Antrag überrascht worden, insbesondere weil er im Ausschuß nicht erwähnt worden ist. Ich möchte Ihnen folgendes dazu sagen. Sie, Herr Kollege Vogt, haben in Ihren Ausführungen — ich habe mir einiges davon notiert — gesagt, so könne man das nicht machen, man könne eine solche Entscheidung nicht in der Eile treffen usw. Gut, ich gebe Ihnen zu, auch wir sind durchaus dieser Meinung. Aber wenn wir auf dem Standpunkt stehen, daß es nicht mehr möglich ist, die Dinge in einer Plenarsitzung neu durchzudiskutieren, so würden wir uns, wenn wir aus diesem Grunde überhaupt auf eine sachliche Erörterung verzichteten, als Parlament selbst schaden. Meine politischen Freunde und ich erkennen also an, daß jetzt eine sofortige Entscheidung nicht möglich ist. Wir müssen deshalb überlegen, was wir aus der Situation machen.Auch wir können nicht sofort zu dem Antrag, den Beitragssatz auf 1 O/o zu senken, Stellung nehmen. Wir fragen deshalb die sozialdemokratische Fraktion, ob sie sich nicht entschließen könnte, zu beantragen — wir verzichten bewußt darauf, das selber zu tun, sondern möchten es Ihnen überlassen —, daß die ganze Angelegenheit an den Ausschuß zurückverwiesen wird, damit sie dort noch einmal unter dem Gesichtspunkt debattiert werden kann, ob eine Senkung auf 1 % möglich ist. Das sollte ein gemeinsames Anliegen sein. Sie wissen alle, daß die Beiträge der Arbeitslosenversicherung sowohl von den Unternehmern als auch von den Arbeitnehmern aufgebracht werden, so daß also alle Teile gleichmäßig betroffen sind.Wenn sich das Haus dazu entschließen könnte, die Vorlage zurückzuverweisen, dann könnten wir nicht nur diese Frage, sondern auch die von mir und meinen politischen Freunden angeschnittene Frage, ob man wirklich eine Ermächtigung braucht, noch einmal diskutieren. Nach meinem persönlichen Eindruck erwartet die Bevölkerung draußen, und zwar sowohl die Unternehmer als auch die Mitarbeiter in den Betrieben, daß hier eine sachliche und gerechte Entscheidung getroffen wird. Angesichts der augenblicklichen Situation möchte ich im Namen der Freien Demokratischen Partei noch einmal die Anregung geben, die Zurückverweisung an den Ausschuß zu beantragen. Mit einer Zurückverweisung vergibt sich das Parlament nichts, und wir könnten damit zu einer sachlichen Debatte und zu einer guten und gerechten Entscheidung kommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Kollegen Dr. Starke sehr dankbar, daß er die erweiterten Ausschußberatungen auf Eden politischen Kern der Sache zurückgeführt hat. Nur drei ganz kurze prinzipielle Bemerkungen!
Erstens. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Festsetzung bzw. Ermäßigung von Abgaben in einer Größenordnung, die in die Milliarden geht, Abgaben, die durch die Arbeiter und Angestellten sowie durch die Betriebe aufzubringen sind, Recht und Pflicht allein des Parlamentes ist. Es wäre eine gefährliche Praxis diese dem Parlament zustehende Aufgabe der Bundesregierung — dieser Bundesregierung oder der nächsten — zu übertragen. Es darf keine Möglichkeit geboten werden, mit Beträgen von einer derartigen Größenordnung in dieser oder jener Weise zu manipulieren. Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung, über die Höhe der Beitragsleistung zu entscheiden, und dieses Recht dürfen wir uns als Parlament nicht selbst beschneiden.
Herr Abgeordneter Schellenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogt?
Bitte schön.
Herr Kollege Professor Schellenberg, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß sich dieses Haus überhaupt keine Rechte vergibt, sondern daß dieses Haus jederzeit in der Lage ist, eine entsprechende Novellierung des Gesetzes vorzunehmen?
Herr Kollege Vogt, was hier beschlossen werden soll, ist ja eine Novelle, durch die die Bundesregierung ermächtigt werden soll, die Beiträge durch Rechtsverordnung herabzusetzen oder sogar auszusetzen. Sie selbst waren es, der sogar von einer Herabsetzung ,des Beitrages auf ein Minimum von 0,2 % — das überhaupt nicht sachlich ,diskutabel ist — gesprochen hat. Wenn wir hier ein Gesetz beschließen, muß das Parlament nach unserer Auffassung sein prinzipielles Recht auf genaue Festsetzung der Höhe der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wahren, und dieses Recht dürfen wir nicht durch Übertragung auf andere Stellen beeinträchtigen lassen.
— Aber, Herr Kollege Vogt, es handelt sich gerade darum, daß wir jetzt eine Novelle beschließen wollen, und ich habe gesagt, daß wir der Auffassung sind, im Rahmen dieser Novelle soll der Gesetzgeber selbst die Entscheidung über die Beiträge treffen und sie nicht der Bundesregierung — jedweder Bundesregierung! — durch Rechtsverordnung überlassen.
Eine zweite grundsätzliche Bemerkung! Zur Finanzlage der Bundesanstalt. Ihr Vermögensstand
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8156 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Dr. Schellenbergbeläuft sich, wie jetzt unstrittig festgestellt ist, auf 5 Milliarden DM. Das entspricht dem gesamten Beitragsaufkommen von 3 Jahren. Dieses Vermögen der Bundesanstalt aus einem Beitragsaufkommen von 3 Jahren ist so hoch, wie es niemals in einer Einrichtung der Arbeitslosenversicherung in der ganzen Welt gewesen ist.
Diese Finanzsituation zwingt doch das Haus zu einer Entscheidung darüber, ob die Ansammlung von Vermögenswerten weiter fortgesetzt werden soll.
Nun komme ich zum dritten. Der Inhalt unseres Antrags läuft nach dem Stande der Finanzlage, wie wir sie jetzt kennen, darauf hinaus, den gegenwärtigen Vermögensstand von 5 Milliarden zu belassen und nicht weiter ansteigen zu lassen. Der Satz von 1,5 %, den die FDP genannt hat, würde, wenn man die letzten sehr vorläufigen Zahlen zugrunde legt, zu einem weiteren Ansteigen des Deckungskapitals von 5 Milliarden führen, und das wollen wir nicht.
Da wir das nicht wollen und wir auf der anderen Seite der Auffassung sind, daß das Parlament selbst die Höhe des Beitrags festsetzen muß, haben wir unseren Antrag gestellt. In ihm liegt staatspolitisch und sozialpolitisch keinerlei Gefahr. Für die Dauer eines fest umgrenzten Zeitraums, nämlich für die Dauer eines Jahres, soll bei dem gegenwärtigen Stande der Finanzen darauf verzichtet werden, das Kapital noch weiter anwachsen zu lassen. Das ist der Inhalt unseres Antrages. Nach Ablauf dieses Zeitraumes kann man und soll man genauer überlegen. Da ist nämlich zum Beispiel die Überlegung erforderlich, wie durch die Arbeitslosenversicherung und ihre Beitragsgestaltung etwa die Konjunktur beeinflußt werden kann. Diese Erwägungen sind bei den jetzigen Erörterungen unseres Erachtens noch viel zu kurz gekommen.
Herr Dr. Starke hat das vorweggenommen, was wir nach dem Stande der Aussprache beantragen wollten. Wir beantragen, die Vorlage an den Ausschuß für Arbeit rückzuverweisen, auch deshalb, weil die Rechnungsergebnisse, über die uns der Ausschußbericht unterrichtet, sich nur auf das Jahr 1959 beziehen. Wir halten es zur Entscheidung des Hauses für unerläßlich, daß auch die Ergebnisse des Jahres 1960 und der gegenwärtige Finanzstatus der Anstalt berücksichtigt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Franzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Starke von der FDP-Fraktion hatte soeben gemeint, es sei eine Klarstellung erforderlich. Von einer Klarstellung war in seinen Ausführungen meines Erachtens nichts zu erkennen; denn sie ergaben wieder einen neuen Widerspruch. Aus diesem Grunde habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet.
Wir alle im Ausschuß und auch Sie hier im Hohen Hause sind der Meinung, daß das Vermögen der Bundesanstalt in der Form nicht weiter wachsen darf und soll. Wir müssen also in irgendeiner Form regulierend eingreifen. Wir haben infolgedessen keine Bedenken gegen eine Beitragssenkung; wir hatten nur Bedenken gegen die Art der Beitragssenkung. Nach unserer Auffassung muß man, wenn man die Gesamtsituation realistisch übersieht, grundsätzlich bei einem Beitragssatz von 2 Prozent bleiben. Man soll also nicht durch den Gesetzgeber die Beiträge herabsetzen; denn dann würden wir —das ist mehrfach gesagt worden — das Parlament zu sehr strapazieren. Wir würden auch nicht erreichen, was eigentlich erreicht werden soll: schnell und wirksam eingreifen zu können.
Wir haben dafür Erfahrungen und Beispiele aus der Weimarer Zeit. Damals wurden die Beiträge herauf- und herabgesetzt. Meist war es zu spät. Die Herabsetzung kam dann, wenn die Arbeitslosigkeit schon wieder angestiegen war, und dann mußten die Beiträge wieder heraufgesetzt werden. Der Grund dafür war — darüber sind wir uns doch im klaren —, daß die parlamentarische Behandlung immer schwerfälliger ist als eine Rechtsverordnung.
Herr Abgeordneter Franzen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Scharnowski?
Bitte sehr!
Herr Abgeordneter Scharnowski!
Herr Kollege Franzen, ist Ihnen nicht auch aufgefallen, daß im Bundestagsausschuß für Arbeit, als zwischen den Gruppen über den etwaigen Termin der Wirksamkeit gesprochen wurde, gesagt wurde, es würde doch noch viele, viele Monate dauern, bis die gedachte Regelung eintreten würde?
Sehr verehrter Herr Kollege Scharnowski, wir haben darüber gesprochen. Es wurden im Zusammenhang mit der Vorlage der FDP-Fraktion sogar Bedenken geäußert, ob die Bundesregierung stark genug sei, die Beiträge wieder zu erhöhen, wenn dies notwendig sei. Wir haben uns aber davon überzeugt, daß wir den Weg einschlagen sollten, den jetzt der Ausschuß für Arbeit gezeigt hat. Wenn wir heute mit dieser Gesetzesnovelle der Bundesregierung die Ermächtigung geben, dann wird auf der einen Seite bald für die Betroffenen die erforderlich Erleichterung eintreten,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8157
Franzenund andererseits wird unserem allgemeinen Anliegen Rechnung getragen werden.Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die Ausschußvorlage viel weitergeht als der Antrag der FDP-Fraktion.
Nach dem Antrag der FDP-Fraktion soll der Beitrag um ein halbes Prozent, also auf 1,5 %, gesenkt werden; dann soll aber — hier liegt in dem, was Herr Dr. Starke gesagt hat, ein Widerspruch — der Bundesregierung bzw. dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Ermächtigung gegeben werden, durch Rechtsverordnung diesen Beitrag, wenn es notwendig ist, wieder anzuheben. Das ist doch im Grunde dasselbe, was in abgewandelter Form der Ausschuß für Arbeit vorgeschlagen hat.Unser Antrag ist deshalb weitergehend, weil nach ihm die Bundesregierung ermächtigt werden soll, sofort und umgehend — das ist hier mehrfach gesagt worden — unter Umständen den Beitrag ganz auszusetzen. Eine solche Regelung wirkt sich auch günstig auf die Verwaltungsarbeit aus. Herr Kollege Scheppmann hat bereits darauf hingewiesen, daß es dann nicht notwendig ist, die Tabellen neu zu drukken. Beim Abzug der Sozialversicherungsbeiträge werden dann nur die Zahlen für die Krankenkassen- und Rentenversicherungsbeiträge abgelesen; die anderen Zahlen bleiben unberücksichtigt. Wenn dann die Bundesregierung und auch der Verwaltungsrat der Bundesanstalt der Auffassung sind, daß der Beitragsabzug für die Arbeitslosenversicherung wieder einsetzen muß, dann kann die alte Tabelle weiter benutzt werden.Dann wird eine solche Rechtsverordnung auch nur befristet erteilt.
— Doch! Wir haben ja noch keine Rechtsverordnung. Wir geben der Bundesregierung nur die Ermächtigung, eine solche Rechtsverordnung zu erlassen. Die Rechtsverordnung, die die Bundesregierung auf Grund dieser Ermächtigung erlassen kann, müßte meines Erachtens befristet sein.Nun wird hier gesagt, das Recht des Parlaments werde damit eingeengt. Das ist doch nur bedingt richtig. Die Kontrolle des Parlaments bleibt doch. Das Parlament hat die vornehme Aufgabe, die Tätigkeit der Bundesregierung insgesamt zu überwachen und zu kontrollieren. Es hat jederzeit das Recht und, wenn es notwendig ist, sogar die Pflicht, zu intervenieren; es kann durch Gesetzesvorlagen einen Zustand ändern, der im Interesse der Allgemeinheit geändert werden muß.Eine Rückverweisung an den Ausschuß würde unser aller Anliegen gefährden. Angesichts des Standes der Beratungen anderer Gesetzesvorlagen und der Zeit, die uns in dieser Legislaturperiode überhaupt noch zur Verfügung steht, glaube ich nicht, daß es zu einer abschließenden Beratung käme. Ich bitte Sie, die beiden Änderungsanträge der SPD und der FDP abzulehnen, weil der Ausschußantrag weitergeht. Ich bitte Sie weiter, demAntrag auf Rückverweisung Ihre Zustimmung nicht zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte doch noch einige Sätze zu diesem Fragenkomplex sagen. Herr Kollege Franzen hat soeben gesagt, daß nach meinen Ausführungen sozusagen die letzte Klarheit beseitigt war. Nun, das zwingt mich natürlich dazu, noch das eine oder andere zu sagen, auch für die, die der gleichen Meinung wie der Kollege Franzen sind.Es geht, das ist hier ja bereits sehr gut noch einmal ausgeführt worden, tatsächlich um die Frage der Aufgabe eines Rechtes — und zwar eines vornehmen Rechtes — des Parlaments. Es geht um die Festsetzung öffentlicher Abgaben. Darum kommen wir nun einmal nicht herum. Betrachten Sie die Sache doch bitte einmal ruhig und leidenschaftslos von dieser Seite. Alle Gesichtspunkte, die im Augenblick vielleicht den einen oder anderen in der Regierungspartei dahingehend beeinflussen mögen, daß es gerade jetzt eine bequemere Lösung sei, sollten noch einmal überprüft werden, weil es um die grundsätzliche Frage geht.Nun, Herr Kollege Franzen, was haben Sie dazu gesagt? Sie haben auf die Konjunkturverhältnisse in der Weimarer Zeit und darauf hingewiesen, daß damals die Beiträge immer zu spät festgesetzt worden seien. Wir können auch das jetzt hier nicht so ohne weiteres mit dieser Eindeutigkeit feststellen. Ich persönlich bin der Meinung, wir als Parlament müssen uns zutrauen, daß wir das zeitgerecht tun werden. Wenn Sie einmal daran denken, daß wir auf solchen Aufgabengebieten, wo es in gewissen Fällen einer Beschleunigung bedarf, Sondervorschriften eingeführt haben — z. B. bei den Zollbestimmungen —, dann sehen Sie doch, daß es andere Wege gibt, um dem Beschleunigungsanliegen wirklich Rechnung zu tragen. Zur Zeit aber steht das alles ja gar nicht an. Es erwartet doch niemand, daß plötzlich solch hektische Bewegungen auftreten und man dann derartig schnell Beiträge herauf- oder heruntersetzen oder die Beiträge zweimal nach oben verändern müßte. Das alles trifft hier nicht zu.Ich bin also der Meinung, daß wir sehr wohl den Grundsatzgesichtspunkt in den Vordergrund stellen sollten.Nun, Herr Kollege Franzen, haben Sie zuerst gesagt, um zu dem Kernproblem Stellung zu nehmen, es handele sich doch gar nicht um eine Beschneidung der Rechte des Parlaments; es sei ja nur eine Tabellenänderung in den Behörden. Ich meine: Wie immer man das nennt — Sie kommen doch nicht darum herum, daß das Problem in seinem Grundsatz hier aufgedeckt worden ist. Es ist eine Festsetzung öffentlicher Abgaben durch die Bundesregierung; und ich gebe dem Herrn Kollegen Dr. Schellenberg völlig recht: es dreht sich hier nicht um dies e Bundesregierung, es dreht sich um jede, es dreht sich
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8158 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Dr. Starkeum das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive.Daß selbstverständlich das Recht der Bundesanstalt als Selbstverwaltungskörper nicht beeinträchtigt wird, wenn das Parlament das festsetzt, das wissen Sie doch auch. Viel eher besteht die Gefahr, daß zwei Exekutiven, wenn sie nebeneinander stehen, nicht Rücksicht aufeinander nehmen, wie es das Parlament in seiner Ausschußarbeit immer tut.Dann geht es noch einmal um die Befristung; und hier muß ich nun beinahe antworten: das habe ich nicht verstanden. Daß es in der Vollmacht keine Befristung gibt, dagegen wenden wir uns doch unter anderem auch. Das können Sie doch nicht damit aufheben, daß Sie sagen, es würde dann die Rechtsverordnung befristet werden. Wenn sie nicht befristet wird, läge auch das im Rahmen der Vollmacht.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Dr. Starke, ist Ihnen entgangen, daß es im Ausschußbeschluß ausdrücklich heißt: „Die Erhebung des Beitrages nach Maßgabe der Finanzlage der Bundesanstalt"? Dadurch ist doch selbstverständlich eine Befristung gegeben.
Es tut mir schrecklich leid — ich kann die Frage nur damit beantworten: Da reden wir wohl aneinander vorbei. Eine solche Fristbestimmung bei einer Vollmacht an. die Bundesregierung — darüber sind wir uns doch alle klar — ist keine Befristung, sondern die Möglichkeit einer Befristung. Sie können doch nicht der Bundesregierung eine Vollmacht geben, in der etwa steht, daß sie nur erhöhen oder senken und das dann nicht mehr ändern darf.
— Aber diese Worte „nach Maßgabe" sind nicht die notwendige Einschränkung. Es ist gestern in unserer Fraktion, ohne daß wir uns darüber schon ganz klar geworden wären, erwogen worden, ob diese Ermächtigung nach Art. 80 des Grundgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht wird bestehen können. Unsere Juristen waren gestern der Meinung, die Gefahr, daß diese Regelung dann bei dem Bundesverfassungsgericht anhängig werde und dort festliege, sei sehr erheblich. Sie können nicht bestreiten, daß diese Gefahr besteht.
Nun noch ein Letztes. Herr Kollege Franzen, den Hinweis, daß der Gesetzgeber hier außerdem noch im Spiel bleibe, habe ich nicht verstanden. Wir können uns doch nicht auf den Weg begeben — und ihn sozusagen als kleineres Übel ansehen —, daß wir in Zukunft eine Art konkurrierender Gesetzgebung
haben: die eine durch Gesetz des Parlaments und die andere durch Rechtsverordnung der Regierung. Das erscheint mir nicht möglich. Daß wir alle im Interesse der Allgemeinheit handeln wollen, wie Sie, Herr Kollege Franzen, sagten, ist klar. Ich möchte Sie aber auf eins aufmerksam machen. Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen darauf hingewiesen, daß wir uns mit der Senkung gar nicht so leicht durchgesetzt haben. Unser Antrag ist am 20. April 1960 gestellt worden, und er ist erst sehr spät zur Beratung gekommen. Die Regierungspartei, die hier die Mehrheit hat und die auch über die Ansetzung dieser Sache entscheiden konnte, hat kein Recht, jetzt geltend zu machen, daß die Verabschiedung eilig sei. Damit man nicht im Abstand von wenigen Monaten zu zwei Senkungen kommen muß, was wir alle für unerträglich hielten, sollte diese Angelegenheit unter Berücksichtigung des prinzipiellen Gesichtspunkts und unter dem Gepunkt der Höhe noch einmal beraten werden.
Ich komme zum Schluß. Der Ausschußantrag liegt Ihnen vor, aber berücksichtigen Sie bitte auch den Antrag der Freien Demokratischen Partei, und vergessen Sie nicht, dabei die jetzige Gesamtlage zu berücksichtigen. Ich darf für meine Fraktion erklären, daß wir uns ausdrücklich dem Rückverweisungsantrag der Sozialdemokratischen Partei, den ich vorhin angeregt habe, nunmehr anschließen, und ich möchte Sie bitten, die Initiative, die von uns ausging, mit in Rechnung zu stellen und noch einmal eine sachliche Erörterung im Ausschuß für Arbeit im Interesse der Allgemeinheit zu ermöglichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Franzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erschrecken Sie bitte nicht Nur wenige Sätze.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß auch der Antrag der FDP eine Rechtsverordnung vorsieht. Also die von Herrn Dr. Starke vorgebrachten Argumente ziehen hier doch nicht.
Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die viel höheren Beiträge für die Krankenkassen und für die Unfallversicherung von der Selbstverwaltung ohne parlamentarische Zustimmung festgesetzt werden.
Hier geht es um 1 bis 2 %, die das Parlament festgesetzt hat, und in diesem Rahmen soll nun der Bundesregierung eine Ermächtigung erteilt werden, regulierend einzugreifen, wogegen es bei den Beiträgen in der übrigen Selbstverwaltung um bis zu 10 % geht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Kollege Franzen, ein Wort zur Finanzgestaltung in der Sozialversicherung muß ich doch noch sagen. Wir haben in
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Dr. Schellenbergder Krankenversicherung und in der Unfallversicherung ein reines Umlageverfahren, aus guten Gründen. Aber in den Bereichen, in denen Deckungsmittel für längere Zeiträume benötigt werden, in der Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung, bestehen feste Beitragssätze, die der Gesetzgeber festlegt. Deshalb überzeugt Ihr Beispiel der Krankenversicherung und der Unfallversicherung in keiner Weise.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Von Herrn Dr. Schellenberg ist der Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß für Arbeit gestellt.
Wer diesem Antrag auf Rückverweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer für den Antrag auf Rückverweisung ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? — Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir müssen auszählen. Wir stimmen im Hammelsprung ab über den Antrag des Abgeordneten Dr. Schellenberg auf Rücküberweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Arbeit.
Ich darf das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung bekanntgeben. Für den Überweisungsantrag wurden 146 Stimmen abgegeben, dagegen 184 Stimmen; ein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Der Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuß für Arbeit ist abgelehnt.
Damit komme ich zur Sachabstimmung. Der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 765 ist der weitergehende Änderungsantrag. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit. Ich darf die Enthaltungen feststellen. — Eine Enthaltung. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 764 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Ich lasse über Art. 1 in der Ausschußfassung mit den vorgetragenen Berichtigungen abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich lasse über Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit bei Enthaltungen und Gegenstimmen angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben dem Antrag der Sozialdemokratischen Partei zugestimmt, und ich möchte Ihnen hier nur sagen, warum wir das getan haben.
Wir haben das getan, weil wir überzeugt sind, daß die Regierungspartei, nachdem die Freie Demokratische Partei diesen Stein ins Rollen gebracht hat, die Absicht verfolgt, durch Rechtsverordnung vor den Wahlen — wenn auch nur vorübergehend — eine Beitragssenkung durchzuführen.
Dem wollten wir begegnen. Deshalb haben wir dem SPD-Antrag zugestimmt.
Meine Damen und Herren, ich bitte, sich zu beruhigen.
Das Wort zu einer Erklärung zur Schlußabstimmung hat der Abgeordnete Behrendt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Schlußabstimmung habe ich namens der sozialdemokratischen Fraktion folgende Erklärung abzugeben. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird der Vorlage ihre Zustimmung geben, um auf jeden Fall mit die Möglichkeit zu schaffen, daß bei der jetzigen Höhe der Rücklage der Bundesanstalt und der derzeitigen Lage am Arbeitsmarkt eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vorgenommen werden kann. Wir sind der Überzeugung, daß die Bundesregierung unserem Vorschlag, die Beiträge auf 1 % zu senken, folgen wird.
Andererseits erklären wir, daß wir unabhängig davon die Methode, über Beitragsaufkommen der Sozialpartner die Bundesregierung allein durch Rechtsverordnung entscheiden zu lassen, für falsch halten. Wir distanzieren uns davon eindeutig und ganz entschieden.
Das Wort hat der Abgeordnete Diebäcker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion habe ich zu erklären, daß wir zunächst einmal den Vorwurf der FPD, es handle sich hier um Wahl-
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Diebäckermache, auf das entschiedenste zurückweisen müssen.
Wir haben diese Dinge sehr verantwortungsbewußt behandelt.
Wir haben uns im Ausschuß diese Überlegungen nicht leicht gemacht und sind nach langen Beratungen schließlich zu dem Ergebnis gekommen, daß das, was sich uns hier in der Ausschußvorlage präsentiert, richtig ist.Unsere Meinung geht dahin, daß man die Reserven der Bundesanstalt unter gar keinen Umständen weiter ansteigen lassen sollte. Andererseits vertreten wir die Auffassung, daß die Beitragsgestaltung der Bundesanstalt sehr flexibel sein muß. Daher auch der Beschluß, daß man der Regierung eine entsprechende Ermächtigung geben sollte. Wir werden bei diesem Beschluß bleiben und in der dritten Lesung entsprechend abstimmen.
Wird weiter das Wort zu Reden oder Erklärungen gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, keine Gegenstimme.
Enthaltungen? —
Bei Enthaltungen rechts und einer Enthaltung links angenommen.
Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung — ich darf Sie um Ruhe bitten, um die Verhandlungen zu beschleunigen —:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Zählung der Bevölkerung und der nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten und Unternehmen im Jahre 1961 sowie über einen Verkehrszensus im Jahre 1962 (Drucksache 2255),
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 2487)
.
Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Kühlthau, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich darf bekanntgeben: bei diesem Schriftlichen Bericht ist in der Zusammenstellung infolge eines Versehens unterlassen worden, in § 10 das Datum „9. Mai 1961" in „6. Juni 1961" zu ändern. Die Änderung wurde wegen späterer Änderung des § 1 Abs. 1 notwendig. Diese richtiggestellte Fassung des § 10 der Beschlüsse des Ausschusses für Inneres
wird der Beratung in der zweiten und dritten Lesung zugrunde gelegt.
Wir kommen in zweiter Beratung zu den §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — 8, — 9, — 10, — 11, — 12, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht begehrt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Drucksache 1589),
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache 2433)
.
Ich erteile dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Dahlgrün, das Wort zu einem ergänzenden mündlichen Bericht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus damit einverstanden zu sein, daß der Berichterstatter sich bei der abschließenden Beratung dieses wichtigen Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen nicht schlicht und einfach auf den Schriftlichen Bericht bezieht, sondern einige Ausführungen ergänzend dazu macht. Das ist nicht allein notwendig und zweckmäßig, weil Sie sich heute mit einer sehr schwierigen und unübersichtlichen Materie befassen müssen, die dem mitberatenden Rechtsausschuß, dem Wirtschaftsausschuß und der Verwaltung sehr viel Mühe und Arbeit gekostet hat.Die Ausführungen sollen insbesondere mit Rücksicht auf die Bedeutung des Gesetzes erfolgen, um auch an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit erneut einmal wieder darauf hinzuweisen, daß wir Deutschen die Erklärung unserer Verfassung bitter ernst nehmen, nach der eine geeignete und in der Absicht vorgenommenen Handlung, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere Vorbereitungshandlungen zu einem Angriffskrieg, verfassungswidrig sind. Zur Erreichung dieses Verfassungszieles fordert das Grundgesetz in Art. 26 Abs. 2 ein Bundesgesetz, nach dem zur Kriegführung bestimmte Waffen d. h. also Waffen zur Gewaltanwendung zwischen Staaten im Kriegsfalle, nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden dürfen. Dieses Bundesgesetz liegt Ihnen heute vor
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Dr. DahlgrünDer gelegentliche leise Vorwurf, die Bundesregierung habe für diese Vorlage eine zu lange Zeit benötigt, ist meiner Ansicht nach nicht gerechtfertigt. Wir müssen bedenken, daß der Artikel des Grundgesetzes viele Jahre hindurch von besatzungsrechtlichen Vorschriften überlagert war, so daß das Bundesgesetz nicht erlassen werden konnte. Außerdem ist zu bedenken, daß das Kriegswaffenkontrollgesetz — ich sage ausdrücklich nicht Kriegswaffengesetz, sondern ,das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen — nicht nur den Verfassungsbefehl nach Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes erfüllt, sondern daß es ebenso stark der Rüstungskontrolle dient, zu der wir uns 1955 im Brüsseler Abkommen verpflichtet haben.Die Bundesregierung hat also ab 1956 mit Sorgfalt und Mühe die — wie Sie selbst gesehen haben — äußerst schwierige Materie zu dem Gesetzentwurf Drucksache 1589 vom Februar 1960 verarbeitet, den die beteiligten Ausschüsse, der Wirtschaftsausschuß und der an der Beratung beteiligte Rechtsausschuß innerhalb Jahresfrist beraten haben. Niemand kann und darf behaupten, daß das Parlament das Kriegswaffenkontrollgesetz säumig behandelt habe. In der Presse war heute morgen leider wieder zu lesen, daß die Bundesregierung einen solchen Vorwurf gegen das Parlament erhoben haben soll. Ich will nicht untersuchen, ob ein Vertreter der Bundesregierung vor einigen Monaten tatsächlich diesen Vorwurf erhoben hat oder nicht, oder ob hier ein Mißverständnis vorliegt; ,der Vorwurf ist ungerechtfertigt, gleichgültig, von welcher Seite er erhoben worden ist. Ich möchte deshalb — dabei setze ich Ihr Einverständnis voraus — gegen einen solchen Vorwurf schärfsten Protest einlegen.Zu der Auseinandersetzung über die Dauer der Beratung des Gesetzentwurfs ist es im Zusammenhang mit bedauerlichen Vorfällen gekommen, bei denen französische Marinestreitkräfte im Mittelmeer deutsche Schiffe unter Verletzung des völkerrechtlichen Grundsatzes der Freiheit der Meere aufgebracht und durchsucht haben. Ich stehe nicht an, hier zu erklären, daß wir diese Vorfälle als sehr ernst und als sehr bedauerlich ansehen; sie werden insbesondere an der Küste sehr ernst genommen, was ein Binnenländer vielleicht nicht ohne weiteres begreift. Verletzt fühlen sich nicht nur die betroffenen Reeder und Fahrensleute, sondern alle an der Wasserkante bis zum letzten Arbeiter im Hafen. Selbstverständlich sind die Planken eines deutschen Schiffes, das unter deutscher Flagge fährt, und der Bordraum einer deutschen Maschine überall in der Welt deutscher Boden, auf dem das Grundgesetz und selbstverständlich auch das Kriegswaffenkontrollgesetz mit der Vorschrift des § 4 gelten.Eines ist jedoch sicher: in solchen Fällen hilft auch das Kriegswaffenkontrollgesetz, wenn es erlassen ist, nicht weiter. Es kann nicht behauptet werden, daß das Kriegswaffenkontrollgesetz die Aufbringung deutscher Schiffe im Mittelmeer verhindert hätte, wenn es früher erlassen werden wäre. Wer das Völkerrecht verletzen und den Grundsatz ,der Freiheit der Meere nicht achten will, kann das mit oder ohne Kriegswaffenkontrollgesetz.Es erfüllt die beteiligten Kreise und sicher uns alle mit Genugtuung, daß bei der Durchsuchung deutscher Schiffe, die in großer Zahl aufgebracht wurden, nichts gefunden wurde. Mit den wilden Behauptungen, nach denen man hätte glauben können, daß ein deutsches Schiff in der Regel ein schwimmendes Waffenlager sei, kann es also nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen nicht weit her sein.An dieser Stelle darf ich gleich auch noch einen anderen Irrtum richtigstellen oder, vielleicht besser gesagt, eine Übertreibung auf das richtige Maß zurückführen. In einer Schlagzeile hat es heute morgen geheißen: „Schlag gegen den illegalen Waffenhandel". Wir müssen uns nun völlig darüber klar sein, daß das Kriegswaffenkontrollgesetz den illegalen Waffenhandel erschweren wird, daß es Handhaben zu einer besseren Kontrolle, zu einer besseren Überwachung bietet. Wir sollten uns aber keinen Sand in die Augen streuen lassen und glauben, daß der illegale Waffenhandel mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz auf einen Schlag zu Ende sein könnte. Diese Aufgabe kann das Gesetz nur sehr bedingt erfüllen.Meine Damen und Herren, seit Aufhebung der besatzungsrechtlichen Vorschriften hat die Bundesregierung unmittelbar auf Grund des Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes ein vorläufiges Genehmigungsverfahren angewendet. Die erteilten Genehmigungen in diesem vorläufigen Verfahren gelten gemäß § 27 des Kriegswaffenkontrollgesetzes weiter wie Erlaubnisse, die auf Grund des nach wie vor in Kraft befindlichen Waffengesetzes von 1938 erteilt worden sind. Es wäre gut — ich darf das an dieser Stelle einmal sagen wenn die Bundesregierung dem 4. Bundestag möglichst bald ein neues, für den zivilen Sektor geltendes Waffengesetz vorlegen würde, durch das das Waffengesetz von 1938, das novellierungsbedürftig ist, ersetzt wird. Soweit ich unterrichtet bin, sollen die Vorarbeiten an diesem Gesetzentwurf schon recht weit gediehen sein.Ich darf nun, meine Damen und Herren, mitteilen, daß von einigen Abgeordneten dieses Hauses ein Änderungsantrag auf Umdruck 768 eingebracht worden ist. Ich schlage Ihnen vor, diesem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. Der in diesem Änderungsantrag gewünschte Zusatz zum Kriegswaffenkontrollgesetz mag sich bei genauer Prüfung vielleicht als überflüssig erweisen. Aber er grenzt das Atomgesetz ganz klar vom Kriegswaffengesetz ab und hat den Sinn, Doppelgenehmigungen zu vermeiden.Damit nicht bei irgendeiner späteren Gelegenheit im Umkehrschluß für andere Gebiete vielleicht ein falscher Schluß gezogen wird, möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, daß das Kriegswaffenkontrollgesetz auf anderen Gebieten, z. B. auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Forschung und der Schädlingsbekämpfung, wo es sich ausschließlich um friedliche Zwecke handelt, natürlich keine Geltung hat.Ich darf also vorschlagen und darf Sie bitten, dem Gesetzentwurf nach dem Antrage des Ausschusses
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Dr. Dahlgrünsowie dem Antrag Umdruck 768 Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen schriftlichen und seinen ergänzenden mündlichen Bericht.Wir kommen in zweiter Beratung zu § 1 mit Anlage und dem Änderungsantrag Umdruck 768. Wird das Wort gewünscht?
— Sie verzichten im Hinblick auf die Ausführungen des Berichterstatters auf die Begründung.Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Memmel und Genossen auf Umdruck 768. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.Ich lasse nunmehr über § 1 in der Ausschußfassung samt Anlage — diese mit der soeben beschlossenen Änderung — abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe die §§ 2 bis 30 sowie Einleitung und Überschrift auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort zu einer Rede oder zur Abgabe einer Erklärung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Eine Enthaltung. Der Gesetzentwurf ist bei einer Enthaltung ohne Gegenstimmen angenommen.Punkt 13 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Zweiten Abkommen vom 16. August 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über gewisse Angelegenheiten, die sich aus der Bereinigung deutscher Dollarbonds ergeben ,Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache 2475)
.
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Müser, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. i bis 7, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Punkt 14 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung (Drucksache 2185),Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2481)
.
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Seuffert, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1 bis 16, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Punkt 15 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes ,Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (Drucksache 2482)
.
Ich nehme an, daß das Haus auf einen Bericht verzichtet.Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1 und 2, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmenDeutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22, Februar 1961 8163Vizepräsident Dr. Jaegerwünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Stimmenthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen folgendes bekanntzugeben. Der Entwurf des Entwicklungshilfegesetzes — Drucksache 2288 — wurde in der 138. Sitzung am 18. Januar 1961 an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zur Beratung im Unterausschuß Wirtschaftsentwicklung fremder Völker überwiesen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses bittet darum, nach Möglichkeit noch während der heutigen Plenarsitzung zu veranlassen, daß der Entwurf auch zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß überwiesen wird. Zur Begründung teilte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses mit, daß am 25. Januar 1961 ein Beschluß des Wirtschaftsausschusses über den Gesetzentwurf gefaßt worden sei. Wenn das Gesetz dem Beschluß des Wirtschaftsausschusses entsprechend beschlossen würde, bedeutete das einen Eingriff in die Zuständigkeit des Haushaltsausschusses, da dann erhebliche Mittel des Bundeshaushalts gebunden wären und der Haushaltsausschuß somit in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werde.Ich habe festgestellt, daß das Entwicklungshilfegesetz weitgehende finanzielle Auswirkungen hat, und schlage daher vor, dem Ansuchen des Haushaltsausschusses stattzugeben und somit den Entwurf eines Gesetzes über die Finanzierungshilfe für Entwicklungsländer aus Mitteln des ERP-Sondervermögens — Entwicklungshilfegesetz —, Drucksache 2288, dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, wir können nun noch Punkt 16 der Tagesordnung beraten:Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Ersten Neuordnungsgesetzes
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 2498),b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksachen 2484, zu 2484),
.
Die Berichte der Abgeordneten Seidel und Bals liegen Ihnen vor; ich danke den beiden Berichterstattern. Wir kommen zu den einzelnen Bestimmungen: Art. I, — II, — III, — IV, — Einleitung und Überschrift. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf als ganzem zuzustimmen wünscht, denbitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung grundsteuerlicher Vorschriften ,Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2493)
.
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Brecht, für seinen Schriftlichen Bericht. Ich rufe in zweiter Beratung die Art. I bis IX auf, ebenso Einleitung und Überschrift im Sinne des Ausschußberichts. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Umwandlung von Reichsmarkguthaben im Saarland ,Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache 2533),
.
Der Berichterstatter, der Abgeordnete Ruland, hat soeben einen schriftlichen Bericht vorgelegt, den wir ins Protokoll aufnehmen *). — Auf einen mündlichen Bericht wird unter diesen Umständen verzichtet. Ich danke dem Herrn Berichterstatter Ruland für seinen Bericht.Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr in der zweiten Beratung zu den einzelnen Paragraphen, §§ 1 bis 14, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht begehrt. *) Siehe Anlage 3.
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8164 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Vizepräsident Dr. JaegerWir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Angenommen.Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 15.00 Uhr.
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe auf Punkt 19 der Tagesordnung:
a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Steigerung der Baulandpreise ,
b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Zinszuschüssen zur Wohnungsversorgung für junge Familien und für Familien mit geringem Einkommen ,
c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen und des Mieterschutzgesetzes ,
d) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ,
e) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betreffend Gewährung von Darlehen zur Förderung der Wohnungsbeschaffung für junge Familien .
Die Punkte d) und e) sind neu. Besteht Einverständnis des Hauses darüber, daß sie noch auf die Tagesordnung gesetzt werden? — Ich darf das Einverständnis feststellen.
Zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Steigerung der Baulandpreise hat das Wort Herr Abgeordneter Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten hat eine Interpellation bereits vor ihrer Beratung im Bundestag so viel Aufmerksamkeit gefunden — ich meine nicht in diesem im Augenblick noch schwach besetzten Hause, sondern in der Öffentlichkeit — wie die Große Anfrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zur Steigerung der Baulandpreise auf Drucksache 2436, die heute ansteht und die ich namens der Interpellanten zu begründen habe.Presse und Rundfunk haben sich in den letzten Wochen bis zur Stunde mit der Frage beschäftigt, um was es bei der Großen Anfrage geht, ob sie, wie die Sozialdemokraten meinen, eine Frage anspricht, die dringend der Erörterung und Lösung bedarf, oder ob hier den Interpellanten lediglich etwas im Blickauf Kommunalwahlen und Bundestagswahlen eingefallen sei.In ,den vielen öffentlichen Stellungnahmen, die wir in diesem Zusammenhang zur Kenntnis nehmen konnten, findet sich je nach dem Standort der Betrachter eine recht unterschiedliche Behandlung der Baulandpreissituation. Man liest Überschriften wie „Die SPD rennt offene Türen ein", „Torpedo auf Bundesbaugesetz", „Falscher Baulandalarm", aber auch „Wohnwucher ist Krebsgeschwür", „Sollen Millionen Bausparer bitter enttäuscht werden?" oder gar „Der Kölner Erzbischof geißelt Bodenspekulanten".Schon derartige Überschriften beweisen, daß die SPD offenbar mit ihrer Großen Anfrage ins Schwarze getroffen, daß sie die Geister in Bewegung gebracht hat. Würde ein bloßes Wahlmanöver hierzu ausgereicht haben? Hätte es zu einer solch breiten Diskussion führen können? Beweist nicht zuletzt die bereits bisher spürbar gewordene Reaktion der Bundesregierung auf die Aktion der sozialdemokratischen Opposition, daß mit dem Ansprechen der Baulandpreise ein brennendes Politikum, ein wirklich besorgniserregender Sachverhalt zur Diskussion gestellt wird? In ,der Tat, wenn man von denen absieht, die aus Sachunkunde oder aus Verantwortungslosigkeit die Situation auf dem Baulandmarkt verharmlosen möchten oder selbst bei einem so ernsten Fragenkomplex Gefallen daran finden, Kritikern in erster Linie einseitige politische Motive zu unterschieben — wenn man von solchen Methoden der Vernebelung der Wahrheit absieht, so ergibt sich im Grunde genommen mindestens in der Erkenntnis des Übels eine weitgehend einheitliche Auffassung. Sie läßt folgendes feststellen:Die Baulandpreise, die seit zehn Jahren teils legal, teils illegal in ganz erheblichem Maße gestiegen sind, steigen seit der Aufhebung des Preisstopps leider weiter. Der einzige Unterschied scheint darin zu bestehen, daß die anhaltende Baulandpreissteigerung jetzt in vollem Umfange legalisiert ist. Ohne das umfangreiche Zahlenmaterial, welches sich auf Grund örtlicher Beobachtungen darbietet, im einzelnen anzuführen — ich bin aber in der Lage und bereit, es Ihnen für den Fall der Anzweiflung meiner Feststellungen zu unterbreiten —: es ergibt sich, daß die Bodenpreissteigerungen für den vergleichbaren Bauboden von der Einführung des Preisstopps bis zu dessen Aufhebung mindestens das Dreifache, oft das Zehnfache und manchmal ein weit darüber hinausgehendes Mehrfaches betragen. Der Mittelwert der Bodenpreissteigerungen dürfte nicht unter dem Siebenfachen Liegen.In konkreten Zahlen bedeutet das: In den für den Wohnungsneubau größeren Umfangs in erster Linie in Betracht kommenden stadtnahen Gebieten ist baureifes Gelände im allgemeinen nicht mehr unter einem Quadratmeterpreis von 40 DM zu kaufen.
In besseren Wohnlagen ist der doppelte bis dreifache Betrag aufzubringen. Das aber heißt, meineDamen und Herren: Der Eigenheimbauer muß heute
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Jacobibei freihändigem Geländeerwerb aus privater Hand damit rechnen, zwischen 25 000 und 50 000 DM allein für das Grundstück aufwenden zu müssen. Das ist eine zusätzliche Belastung, die über die Möglichkeiten eines Eigenheimbewerbers, der nicht gerade Industrieller oder erfolgreicher Kaufmann ist, erheblich hinausgeht. Schon diese unbestreitbare Feststellung — sie kann, wie gesagt, mit Zahlen aus unzähligen Orten belegt werden — zeigt, daß der Bau von Eigenheimen und von Mietwohnungen des sozialen Wohnungsbaus infolge der Baulandpreissteigerungen erheblich behindert ist. Man kann, ohne zu dramatisieren, in nicht wenigen Gebieten von einer echten Katastrophe sprechen.Diese Katastrophe ist jedoch nicht als eine natürliche oder notwendige Begleiterscheinung unserer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Wettbewerbswirtschaft zu begreifen; sie stellt, soweit es die handelnden Grundeigentümer und ihre Gehilfen anlangt, die schamlose Ausnützung einer Notsituation dar, in der der Fluch der Vertreibung von über elf Millionen Menschen aus dem Osten sich in den goldgemünzten Segen der Raumenge des verbliebenen Teiles unseres Vaterlandes verwandelt hat. An jener Katastrophe der Baulandspekulation sind aber nicht nur die Handelnden beteiligt. Sie anzuprangern, gibt es jederzeit und überall Gelegenheit. Von ihr ist gerade in den letzten Wochen oft Gebrauch gemacht worden. Der Herr Bundeswohnungsbauminister selbst hat von verbrecherischen Manipulationen gesprochen. Von Beamten aus seinem Hause war zu hören, daß die über die spekulative Entwicklung der Bodenpreise getroffenen Feststellungen teilweise zum Himmel schrien. Und es ist nicht von ungefähr, daß der Kölner Erzbischof, Kardinal Frings, vor wenigen Tagen in seinem Hirtenbrief zur Fastenzeit an die Bodenbesitzer die dringende Mahnung gerichtet hat, „sich jeder Art des Wuchers mit Grund und Boden zu enthalten".Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sei nur am Rande vermerkt. Hier und heute geht es in erster Linie um die Frage nach der staatlichen Mitverantwortung für die eingetretene Situation. Diese Mitverantwortung, insbesondere die der Bundesgesetzgebung und der Bundesregierung, kann schlechterdings nicht geleugnet werden. Das muß, soweit es das Prinzip anlangt, auch von der Mehrheit dieses Hauses zugegeben werden. Einstimmig gefaßte Entschließungen haben wiederholt der Notwendigkeit Ausdruck gegeben, der Bodenspekulation wirksam entgegenzutreten. So hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Mehrheit und der Opposition bereits bei Gelegenheit der Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes am 11. Juni 1953 seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß es notwendig sei — ich zitiere wörtlich —, „u. a. die Preisstoppvorschriften abzulösen und eine Regelung zu treffen, durch die Spekulationsgewinne am Grund und Boden ausgeschlossen werden".Durch ihre Beteiligung an Gesetzesinitiativen, die diesem Ziele zu dienen geeignet gewesen wären, haben führende Abgeordnete der Regierungspartei, darunter der derzeit amtierende Bundesminister fürWohnungsbau, das Gefühl, in der Verantwortung zu stehen, in der Vergangenheit deutlich unterstrichen. Aber jene Initiativen sind in ihren entscheidenden Teilen nicht realisiert worden. Ich denke dabei an die Bestimmungen im Initiativgesetzentwurf zu einem Bundesbaugesetz über die Planungswertabschöpfung. Ich nenne den Entwurf eines Gesetzes über die Bodenbewertung. Ich erinnere schließlich an die immer wieder infolge der Passivität der Mehrheit des 2. und dieses 3. Bundestages gescheiterten Bemühungen, raumordnerische Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Von den seit nunmehr zehn Jahren als notwendig erkannten Regelungen gegen die Bodenspekulation ist nichts übriggeblieben als die im Bundesbaugesetz getroffenen Maßnahmen. Von ihnen wird als einem verheißungsvollen Bündel, das sich demnächst auswirken werde, besonders wieder in den letzten Wochen gesprochen. Wie sieht es jedoch mit der bodenpolitischen Wirksamkeit der Instrumente des Bundesbaugesetzes in Wirklichkeit aus? Die Opposition hat während der Beratungen des Bundesbaugesetzes und bei seiner Verabschiedung kein Hehl aus ihrer Überzeugung gemacht, daß die bodenpolitischen Instrumente des Bundesbaugesetzes nicht halten können, was die Bundesregierung sich und der Öffentlichkeit davon versprach. Ich darf noch einmal kurz präzisieren, weshalb wir die im Bundesbaugesetz getroffene Regelungen für untauglich halten, der Bodenspekulation entgegenzuwirken. Ich kann Ihnen dies leider deshalb nicht ersparen, weil sich bei den Stellungnahmen zu unserer Großen Anfrage immer wieder die Feststellung findet, die Opposition möge doch erst einmal die Auswirkungen des Bundesbaugesetzes abwarten; die Große Anfrage komme ein halbes Jahr zu früh.Der Bodenpreis als solcher ist im Bundesbaugesetz unmittelbar nur in zwei Bestimmungen angesprochen, nämlich in derjenigen über die Aufhebung des Preisstopps und in dem Abschnitt über die Ermittlung von Grundstückswerten. Die Aufhebung des Preisstopps braucht hier nicht weiter erörtert zu werden, da sie kaum als tauglich angesehen werden kann, den Auftrieb des Bodenpreises zu begrenzen.Und die Grundstücksschätzung? — Die in den §§ 136 bis 144 geregelte Ermittlung von Grundstückswerten kann nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers die Bodenpreise nicht unmittelbar beeinflussen. § 142 des Bundesbaugesetzes bestimmt: die Gutachten haben keine bindende Wirkung. Gewiß ist die mit dem Institut der Grundstücksschätzung gesetzlich eröffnete Informationsmöglichkeit und die sogenannte Transparenz des Bodenmarktes eine durchaus zu begrüßende gesetzlich Institution. Es ist aber kaum einzusehen, worauf die Erwartung gegründet wird, die lediglich feststellenden, registrierenden, gutachtlich tätigen Schätzstellen könnten, wenn auch nur mittelbar, einen materiellen Einfluß auf die Bodenpreisentwicklung nehmen. Ausdrücklich stellt § 141 des Bundesbaugesetzes auf den Verkehrswert ab, eben jenen also, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt wird. Nach der Aufhebung des Preisstopps ist der gewöhnliche, im Geschäftsverkehr zu erzielende Preis aber haarge-
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8166 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Jacobinau der, den wir hier anprangern, nämlich der der freien Bodenspekulation.Es mag sein, daß durch die sachverständige Beratung der Schätzstellen dieser oder jener Baulanderwerber davon abgehalten wird, einen Preis zu zahlen, der über dem Verkehrswert liegt. In diesem Sinne, nämlich zum Schutze Unerfahrener, haben sich die auf landesrechtlicher Basis existierenden Schätzstellen in verschiedenen Bundesländern durchaus bewährt. Aber auch dort, wo derartige Schätzstellen bestanden, sind die Bodenpreisbewegungen genauso verlaufen wie in den übrigen Bundesländern. Auf Grund tatsächlicher Erfahrungen scheint uns damit erwiesen, daß die Grundstücksschätzung, so begrüßenswert sie in anderen Zusammenhängen ist, kein geeignetes Mittel zur Eindämmung der allgemeinen Baulandpreisentwicklung darstellt.Aber ich höre: „Die Baulandsteuer!" Nun, als spezifische Mittel des Bundesbaugesetzes zur Beeinflussung des Baulandmarktes kommen in der Tat nur die Baulandsteuer und die Vorverlegung der Fälligkeit des Erschließungsbeitrages in Betracht. Beiden Maßnahmen hat die Opposition ihre Zustimmung gegeben, weil sie sachlich gerechtfertigt sind und weil angesichts der Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause nichts Besseres zu erreichen war. Wir haben jedoch von Anfang an eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß auch diese beiden Instrumente zur maßgeblichen Beeinflussung des Baulandmarktes nicht taugen.
Wird die Baulandsteuer unter Zugrundelegung der im Bundesbaugesetz bestimmten Meßbeträge nach den Hebesätzen der übrigen Grundsteuerarten erhoben, so ergeben sich nach Berechnungen, die uns seinerzeit vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegt worden sind, Jahresbelastungen, die 2 v. H. des Verkehrswertes nicht überschreiten. Das hat seine leicht erklärbare Ursache darin, daß auch der Baulandsteuer die an dem Preisniveau von 1935 orientierten alten Einheitswerte zugrunde liegen. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß eine Belastung, die in aller Regel nicht einmal 2 v. H. des Verkehrswerts erreicht, den ökonomisch denkenden Eigentümer nicht zur Grundstücksveräußerung veranlassen kann. Diese Steuerbelastung stellt nur einen geringfügigen Bruchteil der laufenden Bodenpreissteigerungen dar.Ich darf in diesem Zusammenhang in Erinnerung rufen, daß die Bodenpreise im groben Mittel in keinem der letzten zehn Jahre um weniger als 50 v. H. des Ausgangswertes gestiegen sind. Selbst wenn sich, wozu unseres Erachtens kaum eine Hoffnung besteht, die Bodenpreissteigerungskurve wesentlich abflachen sollte, wird sie — und darf sie auch legitimerweise — der schleichenden Geldentwertung folgen. Aber selbst diese hat in den vergangenen Jahren pro anno jedenfalls mehr als 2 v. H. betragen. Daraus folgt, daß der Grundstückseigentümer einen größeren Kapitalgewinn dadurch erzielt, daß er das Grundstück solange wie möglich behält.Allenfalls wäre es theoretisch denkbar, die gemeindlichen Hebesätze der Grundsteuer so weit zu steigern, daß der Gegenwert der schleichenden Geldentwertung wesentlich überschritten würde. Das aber erfordert nach grober Schätzung Hebesätze von mindestens ca. 600 %. Es ist nur schwer vorstellbar, daß die Gemeinden das Odium auf sich nehmen, derart exorbitante Hebesätze zu bestimmen, die von denen der übrigen Grundsteuerarten so entscheidend abweichen. Man sollte die politische Belastung nicht unterschätzen, der sich die einzelne Gemeinde ihren Bürgern gegenüber auf diese Weise aussetzt. Dem Einwand, daß es den Gemeinden offenbar an dem notwendigen politischen Mut fehle, zu derartig radikalen Mitteln zu greifen, muß ich entgegenhalten, daß die Mehrheit dieses Hauses zu einer solchen Feststellung nicht legitimiert wäre. Den Mut zu einschneidenden Maßnahmen hätte dieses Haus haben müssen.
Den Gemeinden den Schwarzen Peter zuzuspielen, ist nicht nur unsachlich; es ist auch unfair, und es erinnert ein wenig an die beliebte Methode des „Haltet den Dieb!"Selbst wenn sich einzelne Gemeinden zu so einschneidenden Maßnahmen entschließen sollten, müßte — es ist wichtig, das festzuhalten — der Erfolg begrenzt sein. Das folgt schon aus der außerordentlich einschränkenden Bestimmung des Begriffs der baureifen Grundstücke in der durch das Bundesbaugesetz eingeführten Neufassung von § 12 a des Grundsteuergesetzes. Entgegen der sonst im Bundesbaugesetz beachteten gegenständlichen Beschränkung wird hier in den Begriff der Baureife auch noch die versorgungsmäßige Erschließung hineingezogen.Darüber hinaus schränkt § 12 a Abs. 6 den Kreis der in Betracht kommenden Grundstücke weiter dadurch erheblich ein, daß land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke, selbst wenn derartiges Gelände baureif im Sinne des Gesetzes ist, so gut wie grundsätzlich freigestellt bleiben. Wenn aber dieses Gelände in einem förmlichen Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen ist, bleibt der landwirtschaftliche Eigentümer von der Baulandsteuer freigestellt, solange dem Inhaber des Betriebes geeignetes Ersatzland nicht nachgewiesen werden kann. Jedermann aber weiß, daß es praktisch überhaupt nicht möglich ist, in vollem oder auch nur in einem ins Gewicht fallenden Umfang landwirtschaftliches Ersatzland für die zu Siedlungszwecken in Anspruch genommenen landwirtschaftlichen Flächen zu stellen.Zur Baulandsteuer und ihrer Wirksamkeit hat es im übrigen in Ihren eigenen Reihen von Anfang an vorsichtig geäußerte Zweifel gegeben.
Der Herr Bundeswohnungsbauminister selbst hat beispielsweise vor dem Deutschen Maklertag in München bereits im Oktober des vergangenen Jahres noch vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen die im Bundesbaugesetz getroffenen Regelungen als ein „Minimum sozialer Bodenordnung" be-
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Jacobizeichnet. Er fügte hinzu, die Regelungen des Gesetzes könnten jederzeit verbessert werden, falls sie sich als nicht ausreichend erweisen sollten. Eine solche Erklärung — sie steht nicht allein da—läßt doch klar erkennen, daß die Bundesregierung im Grunde genommen der Durchschlagskraft der Baulandsteuer nicht traut. Nach alledem bedarf es unseres Erachtens keiner Prophetie, um vorauszusagen, daß die Baulandsteuer wegen der Fortgeltung des alten Einheitspreisniveaus, wegen der im Verhältnis dazu unerheblichen Steuermeßbeträge, wegen des engen Begriffes der baureifen Grundstücke und wegen der sehr weitgehenden Freistellungen keinen in die Breite gehenden Einfluß auf den Baulandmarkt ausüben wird.Wie steht es nun mit der Vorverlegung der Fälligkeit des Erschließungsbeitrages? Diese Maßnahme kann, wenn die Handhaben des Bundesbaugesetzes ausgeschöpft werden, einen möglicherweise schwerwiegenden Impuls auf die Entscheidungen des Grundeigentümers bewirken. Ich sage „möglicherweise". Es handelt sich um Beträge, die für den einzelnen Eigentümer dann eventuell durchaus ins Gewicht fallen können. Auch hier wird allerdings vornehmlich derjenige Grundeigentümer betroffen, der nicht genügend wirtschaftliche Bewegungsfreiheit besitzt, den fällig gewordenen Erschließungsbeitrag zunächst einmal zu investieren. Dies zu tun, würde sich aber gegebenenfalls lohnen, weil eines bei den Beratungen des Bundesbaugesetzes wie manches andere auch nicht genügend erwogen worden ist, nämlich die Tatsache, daß der Grundeigentümer für den Fall der späteren Veräußerung nicht nur den von ihm aufgewandten Erschließungsbeitrag von dem Erwerber erhält. Vielmehr kann er auch damit rechnen, daß ihm später ein Ersatz gegeben wird in dem Umfange und mit dem Bewertungsmaßstab, der zu jenem künftigen Zeitpunkt für vergleichbare Grundstücke anzuwenden ist. Die laufend anzupassenden Erschließungsbeiträge richten sich nämlich nach den jeweiligen Grundstücks- und Baupreisen. Trotz der Vorleistung des Erschließungsbeitrages hat daher der Eigentümer vollen Anteil an der sich darin auswirkenden Boden- und Baupreissteigerung, die, soweit ich das in privaten Berechnungen überprüfen konnte, sogar höher ist als die Zinsaufwendungen für den Bauherrn, der sich die zu investierenden Erschließungsbeiträge vom Kapitalmarkt beschafft hat.Im übrigen sind — das ist Ihnen allen wohl noch in Erinnerung — dieselben in letzter Minute bei der Grundsteuer in das Gesetz eingeführten Beschränkungen auch bei dem Erschließungsbeitrag beschlossen worden. Nach § 135 Abs. 4 kann bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken der Beitrag gestundet werden, solange das Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des Betriebes genutzt werden muß. Diese sehr allgemein gefaßte Stundungsvoraussetzung wird wohl bei der Mehrzahl der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke vorliegen.Alle diese Erwägungen führen zu dem Ergebnis, daß die vorzeitige Fälligkeit des Erschließungsbeitrages als bodenmarktpolitisches Instrument nur sehr bedingt wirken wird, nämlich nur gegenüber den Grundeigentümern, die nicht in der Lage sind, die Erschließungsbeiträge aus liquiden Mitteln aufzubringen.Bleiben die städtebauliche Enteignung und das gemeindliche Vorkaufsrecht! Auch die Vorschriften über die Enteignung und über das gemeindliche Vorkaufsrecht können nicht als Instrumente der Baulandpreisbeeinflussung angesprochen werden. Für das gemeindliche Vorkaufsrecht liegt das eigentlich für jedermann auf der Hand, denn die Gemeinde kann nur in einen abgeschlossenen Vertrag eintreten und muß daher zwangsläufig den vereinbarten Preis gegen sich gelten lassen. Auch im Bereich der Enteignung nimmt das Bundesbaugesetz den Verkehrswert als entscheidenden Maßstab für die Entschädigung hin. Das aber heißt: die Enteignungsentschädigung folgt dem im freien Spiel der Kräfte gebildeten Preis.Eine gewisse Bedeutung kann allenfalls der Bestimmung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 zukommen, wonach ein spekulativer Preisauftrieb nach dem angemessenen Angebot des Enteignungsbewerbers nicht mehr zulässig sein soll. Indes werden die praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Bestimmung nicht gering sein, da es oft genug im Streit sein wird, was die angemessenen Bedingungen sind.Lassen Sie mich nach diesen um der Sache willen leider unerläßlichen fachlichen Ausführungen etwas über den Kern der politischen Meinungsverschiedenheiten sagen, um die es im Zusammenhang mit dem Bundesbaugesetz geht. Entgegen unserer soeben begründeten Ansicht hat die Bundesregierung wiederholt erkennen lassen, daß sie noch immer daran glaubt, die Regelungen des Bundesbaugesetzes würden ausreichen, der Steigerung der Baulandpreise, der Zurückhaltung von Bauland und der hemmungslosen Bodenspekulation wirksam zu begegnen. Nur so ist die kürzlich an die Bauwilligen zu unserer Überraschung gerichtete Empfehlung verständlich, noch einige Monate mit dem Grundstückskauf zu warten, und zwar so lange, bis die Maßnahmen des Bundesbaugesetzes wirksam geworden seien. Man konnte das in den verschiedensten Zeitungen lesen. Wir halten solche Vertröstungen, das Erwecken von Erwartungen und Hoffnungen für unverantwortlich.
Wir sind sogar der Überzeugung, daß auch auf der anderen Seite dieses Hauses kein ernsthaftes Vertrauen in die bodenpolitische Wirksamkeit des Bundesbaugesetzes gesetzt wird. Die im Plenum dieses Hauses stattgefundenen beiden letzten Lesungen des Gesetzes haben deutlich gemacht, daß das Bundesbaugesetz nach der Absicht der Mehrheit bestimmte ökonomische und berufsständische Interessen respektieren sollte und daß bei der politischen Entscheidung eben jene Gesichtspunkte und nicht die des Baulandmarktes den Ausschlag gegeben haben.
Hinzu kommt — das muß hier noch einmal in allerOffenheit ausgesprochen werden —, daß man der
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8168 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
JacobiErörterung der grundsätzlichsten Fragen wie derjenigen der Einführung einer Bodenwertsteigerungsabgabe sowie eines Planungswertausgleichs — von der Lubahnschen Grundrentenabgabe einmal ganz abgesehen — ausgewichen ist und daß man Lösungen gesucht hat, die den politischen Konstellationen und Interessengruppierungen innerhalb der Regierungspartei entsprachen und einen schnellen Abschluß der Beratungen des Bundesbaugesetzes ermöglichten. Dieser schnelle Abschluß der Beratungen des Bundesbaugesetzes erschien der Regierung nötig — Sie wissen das alle, meine Damen und Herren —, um vor allem die Mietengesetzgebung noch in einem ausreichenden zeitlichen Abstand vor den Neuwahlen zu absolvieren. Hier haben politische Zweckmäßigkeitserwägungen den Ausschlag gegeben. Es liegt auf der Hand, daß die den Kern der Bodenpolitik betreffenden sachlichen Gesichtspunkte dabei zu kurz kommen mußten.In dieser Situation können wir uns nicht damit abfinden, gegen unsere Überzeugung die Öffentlichkeit auf den höchst ungewissen und unsicher erscheinenden künftigen Erfolg untauglicher Maßnahmen vertröstet zu sehen.
Es wäre für uns ohne Zweifel einfacher und bequemer, wenn wir jene 1 bis 11/2 Jahre zuwarteten, bis die Praxis über die Tauglichkeit des Bundesbaugesetzes endgültig entschieden haben dürfte. In der sicheren Überzeugung, daß unbeschadet aller übrigen Vorzüge des Bundesbaugesetzes der in ihm enthaltene bodenmarktpolitische Gestaltungsversuch scheitern wird, bedeutet weiteres Zuwarten jedoch nichts anderes als die Legalisierung immer weiterer Bodenpreissteigerungen. Wir halten es deshalb für unsere Verpflichtung, die bodenpolitische Debatte nicht zur Ruhe kommen zu lassen und wirksame bodenpolitische Maßnahmen zu fordern. Dazu gehört zunächst der Beitrag — darüber war in den letzten Tagen in der Presse plötzlich viel zu lesen —, den der Bund in eigener Verwaltungskompetenz leisten kann, nämlich durch die Bereitstellung von bundeseigenen Grundstücken zu tragbaren Bedingungen innerhalb kürzester Zeiträume. Zur Entfaltung der theoretisch in der Baulandsteuer enthaltenen Möglichkeiten halten wir die alsbaldige gesetzliche Neuregelung der Einheitsbewertung für erforderlich.Schließlich glauben wir, daß die im Bundesbaugesetz umgangene Frage der Bodenwertsteigerungsabschöpfung bzw. des Planungswertausgleichs oder eine ähnliche Regelung der gesetzlichen Fundierung bedarf.Dem kann nicht mit dem Argument ausgewichen werden, daß es dazu eventuell einer Grundgesetzänderung bedürfe. Selbst wenn dem so ist, daß diese Materie der Landesgesetzgebung untersteht, weiß doch jeder, daß von dort aus eine die gesamte Bundesrepublik umfassende einheitliche Regelung niemals erwartet werden kann. Das liegt an vielfältigen Besonderheiten. Nur eine bundeseinheitliche Regelung kann überhaupt Erfolg versprechen, wenn man einen solchen in dieser Sache will, meine Damen und Herren, wovon wir von Ihnen bisher nicht überzeugt worden sind.Wenn man sich auch mit Recht scheut, materielle Grundprinzipien unserer Verfassung anzutasten, so stellen sich doch Kompetenzregelungen, wenn die Länder nicht an ihnen interessiert sind, lediglich als eine formale Korrektur dar. Daß eine solche unmöglich sei, kann nicht im Ernst behauptet werden.Sie werden also zu all diesen Fragen Stellung nehmen müssen. Sie werden nachher bei der Abstimmung über unsere Entschließungsanträge mit Ihrer Entscheidung zu zeigen haben, ob Sie wirklich zu den Worten stehen, die wir in den vergangenen Jahren gelegentlich von Ihnen gehört haben.Schließlich bedarf eine mit dein Wohnmarktproblem eng zusammenhängende, in der letzten Legislaturperiode ebenfalls völlig unberührt gebliebene Materie der Regelung, von der auch in diesen Tagen wieder, nachdem wir die Große Anfrage bekanntgegeben haben, merkwürdigerweise viel die Rede war, nämlich die Raumordnung. Es liegt auf der Hand, daß eine vorausschauende großräumige Ordnungspolitik die Entwicklung solcher Gebiete bevorzugt fördern kann, in denen zur Zeit noch tragbare Bodenpreise gegeben sind oder erreicht werden können.Eine Aktivierung der Raumordnung im Zusammenhang mit der Bodenfrage hat aber nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn alsbald nach der Entscheidung über die Standortfrage die Möglichkeit des vorsorglichen treuhänderischen Erwerbs der zur Plandurchführung notwendigen Flächen gegeben ist. Hier ist wiederum das von mir in diesem Hause bereits mehrfach erwähnte Instrument -der öffentlichen Landankaufs- oder Bodenordnungsgesellschaften angesprochen. Die Realisierung derartiger Pläne ist ohne größere gesetzgeberische Arbeit möglich. Die Gründung entsprechender Gesellschaften fällt in die Verwaltungskompetenz der beteiligten Gebietskörperschaften. Der gesetzlichen Regelung bedürften allenfalls gewisse, wohl notwendige Steuerbefreiungen. Der entscheidende Faktor dürfte hier in der Bereitstellung der erforderlichen Geldmittel liegen. Scheut man andere, in den Marktmechanismus tiefer eingreifende Maßnahmen, so wäre es eine der nützlichsten öffentlichen Investitionen, große zur Aufschließung und Besiedlung benötigte Flächen vorsorglich zu erwerben. Entsprechende Pläne sind dem Vernehmen nach von der Bundesregierung erwogen worden, offensichtlich aber über dies-es Stadium nie hinausgelangt.Möglicherweise wirken sich auch hier gewisse Abhängigkeiten aus, denen die Regierung und die Mehrheit dieses Hauses immer wieder dann Rechnung tragen, wenn -es darum geht, mutig Neuland zu betreten. Sie wissen genau, was ich damit meine, aber Sie gestehen es wahrscheinlich nicht ein. Ihre Baulandpolitik war bisher interessentengebunden. Sie war eine Politik der Rücksichtnahme auf den großen Grundbesitz. Sie war eine Politik der großen Worte und der kleinen Taten,
eine Politik, die für die kleinen, wirtschaftsschwachen Eigenheimer viele Worte einsetzte, zugleich aber hohe Spekulationsgewinne ermöglichte.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8169
JacobiMan darf wirklich davon sprechen, daß die Entwicklung, die sich daraufhin vollzogen hat, zum Himmel schreit. Mehr als 3 Millionen Bausparer stehen in vielen Orten ratlos da. Von ihnen haben mehr als 100 000 zwar den Zuteilungsbescheid in Händen, doch keinen Bauplatz.Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem wird auch mit einer demnächstigen Bereitstellung von bundeseigenem Gelände allein nicht beigekommen werden. Es genügt nicht, irgendwo Gelände zur Verfügung zu stellen, es gilt vor allem auch, den Preis für den Bauboden nachhaltig tragbar zu machen. Wir sind sehr begierig, zu sehen, was bei den von Ihnen angekündigten Beratungen über Regelungen, die Sie nun mit einem Mal präsentieren, effektiv herauskommen wird. Zu solchen Maßnahmen gehört aber auch, daß sie in absehbarer Zeit vollzogen werden.Dem Bausparer — und Sie sprechen in diesem Zusammenhang ja auch immer wieder von der Notwendigkeit der Entballung der Ballungsräume — ist in der Tat nicht dadurch geholfen, daß er irgendwo in die Randgebiete ausweichen kann.
— Ach, Herr Mick, Sie haben sich schon einmal in einem Gespräch mit mir nicht durchsetzen können. Wenn Sie mir jetzt den Einwand machen, ich hätte angedeutet, Bausparer gehörten auf die Hohe Straße in Köln, dann muß ich sagen, daß das doch wirklich kein ernsthafter Hinweis ist. Ich spreche doch nicht gegen die Entballung der Ballungsräume, sondern ich weise lediglich darauf hin, daß bei der Ansiedlung von Bausparern auch der Arbeitsplatz, die Entfernung zu ihm und vieles andere mit berücksichtigt werden müssen.Im übrigen, wenn der Baulandsparer irgendwo weit draußen vor der Stadt ein Grundstück bekommt, für das er vor Jahren etwa 3000 DM hätte aufbringen müssen und können, dann verlangt man von ihm heute, auch ganz weit draußen, das Dreibis Vierfache des Preises. Kommt trotz dieser Schwierigkeiten ein Bau zustande, so muß der Eigenheimer für die Fahrt zum Arbeitsplatz auch noch zusätzliche Belastungen auf sich nehmen. Das alles ist zu beachten, dem allem ist Rechnung zu tragen.Aber, meine Damen und Herren, es kommt nicht nur auf die Erkenntnis dieses Sachverhalts an, es kommt darauf an, daß Sie sich willens und fähig zeigen, durchgreifende Maßnahmen zu treffen. Und hier haben wir einige Sorgen.Kürzlich war in einer angesehenen Wirtschaftszeitschrift zu lesen, die CDU/CSU kranke an einem unbewältigten Interessenpluralismus. Als Symptome dieser Malaise wurden die Krankenversicherungsreform und die Konjunkturpolitik genannt. Nun, was mit der heute zur Behandlung anstehenden Großen Anfrage der SPD angesprochen wird, Baulandnot und Baulandwucher, gehört demselben Bereich unbewältigter, von mächtigen Interessenten beherrschter Probleme an, dem Bereich, in dem es unabweisbar erforderlich ist, ein glaubhaftes und dauerhaftes System der sozialen Sicherheit zu schaffen. Hier sind Entscheidungen zu treffen, die den gesellschaftlich-kulturellen Notwendigkeiten unserer Zeit Rechnung tragen. Hier gilt es ganz besonders, das allgemeine Wohl dem egoistischen Einzelinteresse gegenüber durchzusetzen.Mit einer vom Gesetz her längst fälligen Baulandaktion des Bundes, die möglicherweise auch noch auf die lange Bank geschoben wird — wir sind begierig, heute hierüber einiges klarer dargestellt zu erhalten, als dies durch die bisherigen Presseverlautbarungen geschehen ist —, allein ist nur ein Schritt getan. Er führt nicht auf den richtigen Weg, wenn er nicht unverzüglich erfolgt und wenn er nicht mit strengen Absicherungen gegen jeden Mißbrauch versehen wird.Die sozialdemokratischen Vorstellungen hierzu werden Ihnen durch zwei Entschließungsanträge unterbreitet, die im Verlaufe der Aussprache durch meinen Freund Dr. Brecht begründet werden. Die darin enthaltenen Vorschläge sind von uns im Laufe der letzten Jahre wiederholt in mannigfacher Form vorgetragen worden, ohne daß die Bundesregierung und die sie tragende Mehrheit dieses Hauses ihnen ernsthafte Beachtung geschenkt haben. Wir sind begierig, zu hören, was die Bundesregierung und die sie tragende Mehrheit nicht zuletzt auch zu den damit verbundenen grundsätzlichen Fragen zu sagen haben.Sie, meine Damen und Herren, sind durch unsere Große Anfrage spürbar unruhig geworden. Möge es die fruchtbare Unruhe ,des angesprochenen Gewissens sein, die sich dabei äußert. Dann gibt es vielleicht noch eine Hoffnung darauf, daß den gewissen- und schamlosen Bodenwucherern mehr und mehr die Chance und die Freude am Geschäft verdorben wird. Sie darauf anzusprechen, an Ihr Gewissen zu appellieren und wirksame Taten von Ihnen zu verlangen, ist der Sinn unserer Großen Anfrage.
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD-Fraktion über die Steigerung der Baulandpreise gibt der Bundesregierung eine willkommene Gelegenheit, zu dieser hochpolitischen Frage eingehend vor dem Parlament und damit vor der gesamten Öffentlichkeit Stellung zu nehmen.Der Baulandmarkt und die Entwicklung der Baulandpreise sind für die Wohnungsbau- und Städtebaupolitik der Bundesregierung von grundlegender Bedeutung. Daher legte die Bundesregierung bereits dem 2. Bundestag das Bundesbaugesetz vor. Das Gesetz konnte damals vom 2. Bundestag wegen Arbeitsüberlastung nicht mehr verabschiedet werden. Die Bundesregierung legte den Gesetzentwurf erneut dem 3. Bundestag vor, der nach eingehenden
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8170 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Bundesminister LückeBeratungen das bedeutende Gesetzeswerk im vergangenen Jahr verabschieden konnte. Mit dem Bundesbaugesetz wird einer Entwicklung auf dem Baulandmarkt gesteuert, die in einzelnen Bereichen der Bundesrepublik zu unvertretbaren Mißständen geführt hat. Das Gesetz bietet Möglichkeiten, den Baulandmarkt zu aktivieren und so zu gerechten Baulandpreisen zu kommen. Daß die bis zum Herbst letzten Jahres geltenden Regelungen des Preisstopps für unbebaute Grundstücke — seit 1936, also seit 25 Jahren galt der Preisstopp — zu grotesken Verzerrungen der Preisbildung für Bauland geführt haben, ist bekannt, zeigt jedoch die Dringlichkeit — aber auch die außerordentliche Schwierigkeit — der hier zur Regelung anstehenden Materie an.Das Ziel der Bundesregierung ist eine Preisgestaltung des Baulandes, welche die Erfüllung folgender politischer Ziele weiterhin ermöglicht und erleichtert.1. Eine breite Streuung des Eigentums an Grund und Boden -- vor allem in der Form des Eigenheimes. Die geschichtliche Erfahrung lehrt uns, daß persönliches Eigentum zugleich Bürge und Voraussetzung für die Freiheit des einzelnen Menschen ist. Unsere bedrohte Lage am Eisernen Vorhang fordert mehr denn je persönliches Eigentum in den Händen breiter Kreise. Das Eigentum an Grund und Boden ist die sicherste, glaubwürdigste und ursprünglichste Form des Eigentums überhaupt. Deshalb muß der Baulandmarkt so geordnet sein, daß es jedem möglich ist, zu gerechtem Preis Eigentum an Grund und Boden zu erwerben, der dafür in zumutbarem Umfange gespart hat. 1,3 Millionen Eigenheime sind seit 1950 gebaut worden. Zur Zeit bestehen in der Bundesrepublik 3,4 Millionen Bausparverträge mit einer Bausparsumme von insgesamt 55 Milliarden DM. Das sind Zahlen, die mehr als Worte beweisen, wie groß der Widerhall der Forderung der Bundesregierung nach breit gestreutem Eigentum in weitesten Kreisen unseres Volkes ist.2. Den Bau familiengerechter Wohnungen im sozialen Wohnungsbau. Weit über 5 Millionen Wohnungen sind seit 1949 errichtet worden, davon mehr als 3 Millionen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues. Die Bundesregierung steht nach wie vor zu ihrer wiederholt gegebenen Erklärung, auch in den nächsten Jahren bis zur Beseitigung des Wohnungsfehlbestandes jährlich jeweils 500 000 Wohnungen zu bauen, Die Fortführung ihrer erfolgreichen Wohnungsbaupolitik darf nicht durch die Entwicklung der Baulandpreise gehemmt oder gefährdet werden.3. Die Auflockerung und Gliederung der Städte, besonders die Sanierung überalteter und ungesunder Wohngebiete. Um diese Aufgaben zu bewältigen, müssen großzügig neue Baugebiete aufgeschlossen werden. Es wird ein wachsender Flächenbedarf entstehen. Er ergibt sich folgerichtig aus den veränderten Wohngewohnheiten der Menschen heute und den modernen Fertigungsmethoden der Industrie. Eine Befriedigung dieses Bedarfs im unmittelbarem Anschluß an die bisherigen Standortevon Industrie und Wohnungen dürfte kaum möglich sein. In diesen Brennpunkten des Baugeschehens ist es sehr schwierig, geeignetes Bauland zu tragbaren Preisen zu schaffen. Besonders betroffen werden hier die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Und gerade diesen Menschen gilt die besondere wohnungspolitische Vorsorge der Bundesregierung.4. Eine gesunde Raumordnung, vor allem aber eine Entlastung der Ballungsräume, in deren Kerngebieten die Bevölkerungsdichte bereits auf rund 2200 Menschen je qkm angestiegen ist.Diese vier Punkte umreißen in großem Rahmen die wohnungspolitischen Ziele der Bundesregierung. Der Baulandmarkt muß so geordnet werden, daß ihre Verwirklichung möglich wird.Was ist bisher geschehen? Welche konkreten Vorschläge sind bisher gemacht und gesetzlich verankert warden?Im Jahr 1953 wurde das Baulandbeschaffungsgesetz beschlossen. Die mit diesem Gesetz gesammelten Erfahrungen haben folgendes bestätigt: Mit enteignungsrechtlichen Handhaben allein ist die Baulandfrage nicht zu lösen. Hinzu kam, daß die Entschädigungsvorschriften dieses Gesetzes an die noch bestehenden Preisbindungen für unbebaute Grundstücke anknüpfen. Der Preisstopp war jedoch auf völlig andere wirtschaftliche Verhältnisse abgestellt. Er widersprach den Prinzipien unserer marktwirtschaftlichen Ordnung, erwies sich als wirkungslos und sogar schädlich. Der Preisstopp mußte daher als geeignetes Ordnungsinstrument ausscheiden.In der zurückliegenden Zeit, in den letzten Jahren, sind eine Reihe von Vorschlägen zur Auflokkerung des Baulandmarktes gemacht worden. Soweit sie eine Änderung der Grundstruktur unserer Gesellschafts- und Verfassungsordnung bedingten, konnte ihre gesetzgeberische Realisierung ernsthaft nicht erwogen werden. Andere Vorschläge sahen die Abschöpfung entweder aller sogenannten unverdienten Bodenwertsteigerungen oder jedenfalls der durch die städtebauliche Planung hervorgerufenen Wertsteigerung des Bodens vor. Hierher gehören die Vorschläge zur Einführung einer Grundrentenabgabe und eines Planungswertausgleichs.Ein wissenschaftlicher Beirat hat diese Vorschläge eingehend untersucht. Das Ergebnis dieser Untersuchung stellte den gewünschten Erfolg in Zweifel und wies nach, daß es keinen praktikablen Weg für ihre Durchführung gab.Die Grundrentenabgabe sollte eine Stabilisierung der Baulandpreise bezwecken, indem man den Eigentümern von Baugrundstücken die Abgabe einer Zuwachsrente auferlegte. Diese Zuwachsrente sollte aus der Differenz zwischen einer Stopprente und der jeweiligen Zeitrente im Zeitpunkt der Veranlagung errechnet werden. Dabei ist schon die Ermittlung des Ausgangswertes — das wird jeder bestätigen, der sich mit Grundstücksfragen befaßt — äußerst schwierig. Auch die Zeitrente läßt sich mit
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8171
Bundesminister Lückehinreichender Genauigkeit nicht ermitteln. Schließlich ist die nach diesem Vorschlag notwendige Unterscheidung zwischen „verdientem" und „unverdientem" Wertzuwachs praktisch kaum oder nur außerordentlich schwierig durchzuführen. Dieser Vorschlag ging von der Erwartung aus, daß der Käufer eines Grundstückes sich nur zu dem Kaufpreis bereitfinden wird, welcher der kapitalisierten Stopprente unter Berücksichtigung der Geldwertveränderung entspricht. Diese Annahme trifft nicht zu. Da die Abgabe in Form einer Rente erhoben werden sollte, hätte der Käufer nur einen Teil der Gesamtkosten des Grundstückes sofort aufbringen müssen, und zwar beim Kauf. Die Belastung durch die Grundrentenabgabe wäre nur zu einem Bruchteil unmittelbar wirksam geworden. Die mit entsprechenden Regelungen im Ausland gesammelten Erfahrungen zeigen, daß die Käufer nicht nur im Ausland, sondern auch bei uns geneigt sind, die künftigen Belastungen zu unterschätzen. Die reinen Kaufpreise wären daher mit Sicherheit über den bereinigten Stopppreis hinausgegangen.Die der Grundrentenabgabe zugedachte preissenkende Wirkung beruht im übrigen auf einem Trugschluß. Selbst wenn der Käufer nur den um die Kaufkraftminderung des Geldes erhöhten Stopppreis zahlen würde, müßte er noch die von ihm an die Gemeinde zu entrichtende Abgabe in Rechnung stellen. Im Endeffekt würde ihn das Grundstück also auch dann schließlich genau so viel kosten, wie er ohne Grundrentenabgabe zu zahlen hätte.Auch gegen die Einführung eines Planungswertausgleichs bestanden Bedenken. Vor der Bebauung lassen sich die Steigerungen des Bodenwertes nicht so genau bewerten, wie das für eine Abgabe notwendig ist. Dieser nicht zu unterschätzende Unsicherheitsfaktor ließ befürchten, daß die Abgabebescheide in großem Umfange zu Rechtsstreitigkeiten geführt hätten.Diese Überlegungen führten zu dem Schluß, daß das erstrebte Ziel, Ordnung auf dem Baulandmarkt, sich nicht durch eine einzelne Maßnahme erreichen läßt. Vielmehr mußten eine Mehrzahl von Regelungen getroffen werden, die aufeinander abgestimmt sind und in ihrer Gesamtheit die ihnen zugedachten Funktionen erfüllen. Das ist im Bundesbaugesetz geschehen:1. Am 29. Oktober 1960, vor nunmehr also rund vier Monaten, wurde der Preisstopp für unbebaute Grundstücke, nachdem er 25 Jahre gegolten hatte, aufgehoben. In der Praxis ist er weitgehend umgangen worden. Wegen seiner inneren Unwahrhaftigkeit hat er zahlreiche Eigentümer von Bauland vom Verkauf zurückgehalten. Er war die Ursache für die Unübersichtlichkeit des Baulandmarktes und machte zuverlässige Aussagen über die tatsächlichen Wert- und Preisverhältnisse unmöglich.2. Das Angebot an Bauland wird in dem notwendigen Umfang vergrößert. Das Gesetz legt den Gemeinden die Verpflichtung auf, in ihren städtebaulichen Plänen in ausreichendem Umfang Baugebiete auszuweisen und zu erschließen.3. Die Gemeinden werden wirtschaftlich in die Lage versetzt, diese Erschließung von Bauland vorzunehmen. Der Zeitpunkt, in ,dem die Beitragspflicht der Grundeigentümer für die Straßenkosten entsteht, wurde vorverlegt. Die Beitragspflicht entsteht also jetzt bereits mit der endgültigen Herstellung der Straße und nicht erst mit der Bebauung des Grundstücks. Durch diese Regelung wird zusätzlich ein wirksamer Angebotsdruck auf diejenigen Grundstücke ausgeübt, die an erschlossenen Straßen liegen, aber nicht bebaut werden.
4. Für unbebaute Grundstücke ist eine Baulandsteuer eingeführt worden. Die bisherige Grundsteuer für diese Grundstücke wird auf das Vierfache erhöht und steigt alle zwei Jahre bis höchstens zum Sechsfachen. Die Gemeinde kann zusätzlich durch Festsetzung eines besonderen Hebesatzes eine weitere Erhöhung dieser Steuer vornehmen.5. Mit den Vorschriften über das Vorkaufsrecht wird den Gemeinden die Möglichkeit gegeben, vor allem in solche Grundstückskäufe einzutreten, die in Hortungsabsichten abgeschlossen worden sind. Die Gemeinden werden gleichzeitig verpflichtet, die so erworbenen Grundstücke innerhalb von drei Jahren an Bauwillige zu veräußern.6. Die Baulandumlegung, die ihrem Wesen nach ja ein Baulandbeschaffungsinstrument ist, wurde verbessert. In Sanierungsgebieten können Grundstücke mit einer Bebauungspflicht zugeteilt werden, also mit der zwingenden Auflage, sie in absehbarer Zeit zu bebauen.7. Bei den Stadt- und Landkreisen werden unabhängige Gutachterausschüsse errichtet. Sie werden auf Antrag den Verkehrswert von unbebauten und bebauten Grundstücken ermitteln. Damit werden die Baulandpreise transparent. Den ernsthaften Interessenten wird ,die Möglichkeit eröffnet, eine objektive Aussage über den Wert eines Grundstückes zu erhalten. Diese der Aufklärung dienende Maßnahme wird ergänzt durch die Einführung von Kaufpreissammlungen und die Ermittlung von Richtwerten für Grundstücke bestimmter Art und Lage. Diese Richtwerte werden veröffentlicht und erleichtern die Ubersicht über die Marktsituation.8. Das Enteignungsverfahren zur Baulandbeschaffung ist vereinfacht und verbessert worden.Ziel dieser Maßnahmen ist es, einen funktionsfähigen Baulandmarkt zu erreichen. Nur im Zusammenwirken aller Maßnahmen, vor allem aber durch die verstärkte Ausweisung von Bauland, wird dieses Ziel erreicht.Nun dürfte es der SPD-Fraktion bekannt sein, daß die bodenordnerischen Maßnahmen des Bundesbaugesetzes — soweit sie überhaupt schon in Kraft sind — sich praktisch noch gar nicht ausgewirkt haben können. Die Einrichtung der Gutachterausschüsse erfordert eine gewisse Anlaufzeit wie auch die vorzeitige Erhebung der Erschließungsbeiträge und die Erhebung der Baulandsteuer.
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8172 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Bundesminister LückeSchließlich ist zumindest bei den Experten der SPD-Fraktion, die ja beim Bundesbaugesetz mitgearbeitet haben, bekannt, daß die Vorschriften über die Bauleitplanung und das gemeindliche Vorkaufsrecht noch gar nicht in Kraft sind. Es ist daher unter jedem Gesichtspunkt unmöglich, bereits heute schon ein Urteil über die Wirksamkeit dieser Maßnahme des Gesetzes abzugehen.
Diese Auffassung, meine sehr verehrten Damen und Herren, kam dann auch in einem Schreiben des Herrn Kollegen Dr. Brecht in seiner Eigenschaft als Direktor des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsunternehmen vom 19. Januar zum Ausdruck.
Herr Dr. Brecht richtete dieses Schreiben an seine Mitglieder. Herr Dr. Brecht stellt fest — ich zitiere nun Ihren Text —, „daß diese drei Maßnahmen" — es handelt sich um die erwähnte Regelung der Erschließungsbeiträge, um die Gutachterausschüsse und um die Baulandsteuer —, „namentlich die letztgenannten zwei, erst im weiteren Verlauf, vielleicht erst nach 1-2 Jahren wirksam werden können".
Herr Dr. Brecht fährt in seinem Schreiben an die 2300 Unternehmen, die im Gesamtverband gemeinnütziger Unternehmen zusammengeschlossen sind, fort: „Die Bewertungsausschüsse werden vielfach gerade erst gebildet und kommen allmählich erst dazu, sich einzurichten". Nun kommt Herr Dr. Brecht dann in seinem Schreiben zu dem durch nichts zu belegenden Urteil, daß eine „wirksame Einflußnahme auf die Entwicklung der Bauland- und Bodenpreise nicht gegeben ist." Die mit diesem Schreiben von den Mitgliedern des Gesamtverbandes gemeinnütziger Unternehmen angeforderten Unterlagen über die Baulandpreisentwicklung sollen also die Behauptung von Herrn Dr. Brecht stützen. Dieses Schreiben wurde am 19. Januar geschrieben, und am 24. Januar reichte die SPD die Große Anfrage ein.
Jedes Gesetz, meine Damen und Herren, braucht eine Bewährungszeit. Der Übergang von der Zwangswirtschaft auf dem Gebiet des Bau- und Bodenrechts zur sozialen Marktwirtschaft braucht ebenfalls seine Zeit. In wenigen Wochen kann nicht eine 25 Jahre währende Zwangswirtschaft überwunden werden.
Man sollte im Hinblick auf die Durchführung des Gesetzes sich davor hüten, ein solch bedeutendes Gesetzeswerk zu diskriminieren.
Staatspolitisches Handeln von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung ist erfolglos — und es war eine Tat, dieses bedeutende Gesetz ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses zu verabschieden —,wenn es keine Resonanz in der Verantwortung der l Bürger findet. Die Bundesregierung erwartet auch von der Sozialdemokratischen Partei in Bund, Ländern und Gemeinden,' daß sie sich für die Durchführung des Gesetzes einsetzt und dem Gesetzgebungswerk eine ausreichende Bewährungschance gibt. Der Gesetzgeber hat in diesem Reformwerk auf dem Gebiet des Baulandmarktes und des Bodenrechts echte Verantwortungsfreude gezeigt. Die Gemeinden und Kreise sind nun mit der Durchführung des Gesetzes beauftragt und führen diese Aufgabe derzeit durch. Sie haben dabei die Hauptlast zu tragen. Nun sollte man zunächst einmal die Bestimmungen anwenden, bevor man die Alarmglocke schlägt.
Auch das beste Bauland ist schließlich nur so viel wert, wie der Käufer dafür zu zahlen bereit ist.
Bei überhöhten Preisforderungen sollten Käufer daher im jetzigen Zeitpunkt von Bodenkäufen Abstand nehmen.
Ich wiederhole diesen Satz im Interesse, im wahren Interesse der Bausparer und der Eigenheimwilligen: Bei überhöhten Preisforderungen sollten Käufer daher im jetzigen Zeitpunkt von Bodenkäufen Abstand nehmen. Der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei hat hier vorhin diese Aufforderung als unverantwortlich bezeichnet. Ich möchte antworten: Unverantwortlich muß man wohl eine Panikmache nennen, die von der Sozialdemokratischen Partei mit ihrer Großen Anfrage auf diesem Gebiet bewirkt wird.
Meine Damen und Herren, mir ist aus vielen mir vorliegenden Berichten und aus zahlreichen Gesprächen bekannt, daß auch Wohnungsunternehmen, und zwar nicht wenige, bereits jetzt so handeln. Sie wissen, daß in der Übergangszeit Vorsicht am Platze ist. Ich bin sicher, daß sich diese Haltung in der Zukunft als wirtschaftlich vernünftig herausstellen wird.Der Appell an die staatsbürgerliche Verantwortung des einzelnen Bürgers ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn auch die Gemeinden und die Länder ihn richtig verstehen. Vorratswirtschaft mit Bauland in der öffentlichen Hand ist nur dann gut, wenn sie tatsächlich der Baulandbeschaffung dient. Deshalb muß diese auch mit einer Bodenpreispolitik Hand in Hand gehen. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß zahlreiche Gemeinden und auch die Kirchen bereits in der Vergangenheit durch Beschaffung und Bereitstellung von Bauland zu außerordentlich günstigen Preisen einen hervorragenden Beitrag zur Behebung der Baulandnot geleistet haben. Das Bundesbaugesetz gibt der Selbstverwaltung und damit der Selbstverantwortung der Gemeinden breiten Raum. Die in diesem Gesetz gegebenen Möglichkeiten gewinnen nur dann echten Wert, wenn die Gemeinden ihre Aufgabe im Rah-
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Bundesminister Lückemen dieses Gesetzes erkennen und tatkräftig durchführen, und sie sind dabei, es zu tun. Nur so können die wichtigen Ziele des Gesetzes erreicht werden: ein funktionsfähiger Baulandmarkt und schließlich gerechte Baulandpreise.Nach diesen Vorbemerkungen darf ich die in der Großen Anfrage, Drucksache 2436, gestellten Fragen im einzelnen wie folgt beantworten:Zu 1. Es ist der Bundesregierung aus zahlreichen vorliegenden Berichten und Unterlagen bekannt, daß von einer Steigerung der Bodenpreise nach Aufhebung des Preisstopps und nach Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes generell nicht die Rede sein kann.
Was jetzt vor sich geht — und das wird übereinstimmend in zahlreichen mir vorliegenden Berichten bestätigt —, ist lediglich, daß die unglückselige Entwicklung der bisher gezahlten Schwarzmarktpreise zutage getreten ist.
Es liegt auf der Hand, daß es irreführend ist, dieheute gezahlten Preise mit den früheren nur aufdem Papier stehenden Stopppreisen zu vergleichen.
Die Preisentwicklung des Baulandes war und ist in den einzelnen Gebieten der Bundesrepublik sehr unterschiedlich. In den Ballungsgebieten zeigen die Preise naturgemäß vielfach noch eine steigende Tendenz. Diese hat aber seit Jahren bestanden und kann im jetzigen Zeitpunkt, da das Bundesbaugesetz zum Teil noch gar nicht wirksam ist, zum Teil noch gar nicht in Kraft getreten ist, auch nicht eingedämmt sein. In nicht wenigen Gebieten zeigt sich dabei bereits eine deutliche Vermehrung des Angebots an Bauland.Für das Gebiet der gesamten Bundesrepublik ergibt die Fortführung der wissenschaftlichen Erhebungen über die Gestaltung der Baulandpreise, auf die in den Untersuchungen des Wissenschaftlichen Beirats für Fragen der Bodenbewertung Bezug genommen ist, eindeutig folgende Feststellung — so der Bericht —: Selbst in den Ballungsgebieten kann von einer ernsthaften Behinderung des Wohnungsbaues, insbesondere auch des Eigenheimbaues, im allgemeinen nicht die Rede sein. 620 000 Wohnungen sind im letzten Jahre genehmigt worden, die gleiche Anzahl wird wohl im laufenden Jahre genehmigt werden, und wir werden auch in diesem und im nächsten Jahr die gesteckten Ziele erreichen.Zu 2. Da die Maßnahmen des Bundesbaugesetzes, wie bereits dargelegt, entweder noch nicht in Kraft oder praktisch noch nicht durchgeführt sind, ist es irreführend, die Sachlage so darzustellen, als ob etwaige jetzt auftretende Zurückhaltungstendenzen mit den Maßnahmen des Bundesbaugesetzes im Zusammenhang stünden. Diese Frage läßt sich daher in der hier gestellten Form nicht beantworten.Zu 3. Die Bundesregierung hat bereits rechtzeitig alle erforderlichen Schritte unternommen, um die beschleunigte Durchführung des Bundesbaugesetzessicherzustellen. Sie wird das auch künftighin tun. Vor allem wird sie darauf hinwirken, daß die Gemeinden in ausreichendem Umfange in ihren Plänen Bauland ausweisen. Sehr Wesentliches hängt dabei auch von einer gesunden Raumordnung in den Ballungsgebieten .ab.
Zu 4. Die Bundesregierung hält die Maßnahmen des Bundesbaugesetzes für wirksam. Sie sind im übrigen bewußt so angelegt, daß ihre Wirksamkeit ohne Änderung des Systems jederzeit verstärkt werden kann.Zu 5. Die Bundesregierung ist entschlossen, die für eine Bebauung mit Wohnungen, insbesondere mit Familienheimen, in Betracht kommenden Grundstücke aus dem Bundesvermögen zu verkaufen. Sie beabsichtigt, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, um die Grundstücke zu Preisen zu verkaufen, die für breite Schichten der Bevölkerung tragbare Mieten und Belastungen ergeben. Sie ist zudem bestrebt, diese Maßnahmen auch auf das Sondervermögen des Bundes auszudehnen. Auch wird sie bemüht sein, die Länder und Gemeinden auf ihre Verpflichtung aus § 89 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes hinzuweisen und deren Erfüllung weiterhin verstärkt zu erreichen.Zum Schluß stelle ich fest: Ich habe niemals einen Zweifel daran gelassen, daß eine Lösung der Baulandfrage nur im Rahmen einer wirksamen Raumordnung und einer umfassenden Städtebaupolitik möglich ist. Dabei sind die Entlastung der Ballungsgebiete und die Auflockerung, Gliederung und Durchgrünung der vielfach zu dicht bebauten und besonders in den letzten Jahrzehnten ungeordnet gewachsenen Städte die vordringliche Aufgabe. Nur im Rahmen einer solchen Politik wird es möglich sein, auf die Dauer ausreichendes Bauland zu gerechten Preisen für die breiten Schichten unserer Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung hat gerade in diesen Tagen gezeigt, daß sie entschlossen ist, ihre Politik in dieser Richtung weiterzuentwickeln. Ich hoffe zuversichtlich, meine Damen und Herren, daß alle Parteien des Hohen Hauses die Bundesregierung in ihrem Willen unterstützen, diese zukünftige Aufgabe in gemeinsamer Arbeit zu meistern.
Ich darf wohl unterstellen, daß mehr als 30 Mitglieder des Hauses die Beratung der Antwort wünschen. Die Aussprache soll nach der Begründung der weiteren vorliegenden Gesetzentwürfe gemeinsam erfolgen.Zunächst gebe ich das Wort zur Begründung des Punktes b:Antrag der Fraktion der SPD — Gesetzentwurf über die Gewährung von Zinszuschüssen zur Wohnungsversorgung für junge Familien und für Familien mit geringem Einkommen —Herrn Abgeordneten Hauffe.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, den Gesetzentwurf meiner Fraktion zu begründen, und will das wie folgt tun.
Dieser Gesetzentwurf soll eine Lücke in der Wohnraumversorgung unserer Bevölkerung schließen. Leider ist es so, daß die Wohnungsbaumittel in den letzten Jahren nur noch in Töpfchen zur Verfügung gestellt wurden. Wir haben uns vergeblich bemüht, von dieser Töpfchenwirtschaft wegzukommen. Unser Vorschlag war, die Mittel global zur Verfügung zu stellen, entsprechend der Wohnungsnot zu verteilen und es weitgehend den Gemeinden zu überlassen, wie und wo gebaut wird. Aber es ist nun leider einmal so, daß bei der Mehrheitspartei dieses Hauses ein ungeheures Mißtrauen gegen die Gemeinden besteht. Man bekommt den Eindruck, daß für Sie die Gemeinden die unzuverlässigsten Gebilde in unserem Staate sind,
und deswegen sind Sie bei der Töpfchenwirtschaft geblieben.
Nun müssen wir folgendes tun. Da unsere anderen Bemühungen leider hoffnungslos gescheitert sind, müssen wir eben versuchen, für die Personen, die jetzt nicht zum Zuge gekommen sind, ein neues Töpfchen zu schaffen.
So leid es uns tut: wir müssen diese Sammlung vergrößern.
Hinzu kommt folgendes. Es wurde immer als Ideal angesehen — so wie es eigentlich bei Investitionen sein sollte -, weitgehend mit Darlehen zu arbeiten und sie entsprechend zu verbilligen, um eine normale Belastung zu haben. Nun, auch das hat bei Ihnen in der letzten Zeit wenig Gegenliebe gefunden. Sie sind mehr und mehr zu den Zinssubventionen übergegangen. Uns ist es gleich, in welcher Form geholfen wird; die Hauptsache ist, es wird geholfen. Deswegen haben wir uns diesmal, in der Hoffnung, bei Ihnen recht viel Sympathie zu finden, zu dieser Methode der Zinssubvention entschlossen. Um so überraschter sind wir, daß jetzt von Ihnen ein Antrag vorliegt, nach dem etwas weniger gegeben werden soll, und zwar 30 statt 50 Millionen DM; diese sollen nicht in Form von Zinssubventionen, sondern plötzlich wieder als Darlehen gegeben werden. Aber trotzdem sind wir froh, Herr Mick, daß unsere Initiative Sie aus Ihrer Trägheit hervorgelockt hat und daß Sie wenigstens etwas zu tun bereit sind.
— Schön, wenn Sie auf Grund unserer Initiative ein bißchen schneller gelaufen sind und wenn von Ihnen noch ein paar mitgelaufen sind und das nun der Erfolg ist, dann wollen wir zufrieden sein.
Wir wollen nun nicht darüber streiten, wer zuerst da war. In der Öffentlichkeit waren wir zufällig eher da. Wenn Sie früher schneller gelaufen sind, dann haben Sie das versteckt getan.
Genauso ist es doch mit dem Anbieten von Bauland aus Bundesbesitz. Wir wollen doch auch hier nicht streiten, bei wem die erste Initiative lag. Ich bin zufrieden, wenn etwas geschieht. Ich habe diesbezüglich sogar noch eine weitere Hoffnung. Darauf werde ich im Verlaufe meiner Ausführungen noch zurückkommen.
Ich hoffe, daß das Bekanntwerden einer SPD-Initiative auf einem anderen Gebiet die CDU/CSU veranlassen wird, auch hier etwas schneller zu laufen. Hoffentlich sind Sie dann sogar soweit, daß Sie den Gesetzentwurf eher einbringen als wir. Ihnen steht ja in Form des Ministeriums der größere Apparat zur Vorbereitung zur Verfügung.
Nun einige Worte zu dem begünstigten Personenkreis! Wie schon gesagt, sind diejenigen, die wir bedenken wollen, die Normalverbraucher, die bisher in keine Kategorie gepaßt haben. Es ist doch so, daß wir bei der Wohnraumversorgung praktisch einen ähnlichen Zustand haben, wie er vor der Währungsreform bei der Lebensmittelkartenverteilung vorhanden war. Wir wollen jetzt den Leuten etwas bringen, die keinerlei Berechtigung haben, irgendwie als Angehörige einer besonderen Kategorie bevorzugt zu werden.
Zu diesem Personenkreis, der auf der Strecke geblieben ist, gehören insbesondere die jungen Familien. Die Aktion „Junge Familie", die von dem Herrn Minister gestartet wurde, ist unzureichend, weil sie sich nur auf das Eigenheim bezieht. Sie wissen, daß ich ein sehr großer Verfechter des Eigenheimes bin. Aber es ist einfach nicht zu bestreiten, daß es eine große Zahl von Menschen — besonders junge Familien — gibt, die sich beim besten Willen noch kein Eigenheim leisten können, einmal, weil das notwendige Eigenkapital nicht zur Verfügung steht, zum anderen, weil kein geeigneter Bauplatz vorhanden ist. Wenn ein solcher zu finden wäre, wäre vielleicht der Weg zum Arbeitsplatz zu weit. Andererseits können junge Menschen — das ist sehr häufig der Fall — aus beruflichen Gründen sich noch nicht endgültig binden und seßhaft werden. Deshalb sind sie vorerst einmal auf eine Mietwohnung angewiesen. Aber auch diese Menschen haben einen Anspruch auf eine anständige Wohnung. So entsteht nun leider der Zustand, daß die junge Familie in sehr vielen Fällen mit in der elterlichen Wohnung sitzt. Oft wohnen beide Eheleute aber auch getrennt jeweils bei ihren Eltern und können nicht zusammenkommen. In anderen Fällen hocken sie in unwürdigem Zustand als Untermieter. Oftmals sitzen neben den Eltern und Großeltern die jungen Familien mit Geschwistern zusammen in dem Einfamilienhaus und machen dieses Häuschen, das einmal ein Ideal war, zum Elendsquartier. Deshalb ist es notwendig, daß etwas für die jungen Familien geschieht.
Dasselbe gilt für die Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen, die sich kein Eigenheim bauen
Hauffe
können. Der Herr Minister bestreitet zwar seit Jahr und Tag und weist auf die Statistik hin, daß es noch genügend Antragsteller mit geringen Einkommen gäbe, die sich ein Eingenheim bauen wollten.
Aber ich verlange genauso lange von dem Herrn Minister und dem Ministerium, daß diese Statistik getrennt werden möge in bauwillige Personen, die tatsächlich ein geringes Einkommen haben, und solche, die ,diesem Personenkreis auf Grund des Zweiten Wohnungsbaugesetzes gleichgestellt sind. Der Herr Minister hat uns bisher immer verwehrt, hierüber Genaues zu erfahren. Ich habe die Befürchtung, er weiß warum. Aber der Herr Staatssekretär hat uns in einer der letzten Fragestunden Hoffnung gemacht, daß das Ministerium bereit sei, diese Statistik einmal zu trennen. Hoffen wir, daß wir die getrennten Zahlen bald bekommen, damit wir wirklich wissen, wieviel Personen aus den Bevölkerungskreisen mit geringem Einkommen in der Lage sind, sich ein Eigenheim zu bauen.
Ferner ist es notwendig, daß wir etwas tun, weil im kommenden Jahre ein Zustand eintritt, der unsere gesamte Wohnungsbaufinanzierung bedrohlich gefährdet. Im nächsten Jahre ist es nämlich so weit, daß der Betrag von 700 Millionen DM durch die Degression so weit gekürzt ist, daß die verbleibenden Mittel wahrscheinlich gar nicht mehr ganz ausreichen, um die Bausparprämien zu decken.
— Ich habe es gehört und komme darauf zurück, Herr Baier. Aber vom Hörensagen allein bin ich noch nicht befriedigt; denn eigentlich müßte der Gesetzentwurf jetzt schon da sein, wenn das Gesetz im nächsten Jahr praktiziert werden soll. Stellen Sie sich einmal den Ablauf des Terminkalenders vor!
Ich habe immerhin die Hoffnung, daß etwas geschieht; denn die Töpfchen mit den Sonderprogrammen bleiben uns sonst als einzige Finanzierungsmöglichkeit. Zusätzlich sind Mittel aus den Rückflüssen vorhanden, aber sie fließen auch wieder in die Töpfchen, so daß die Normalverbraucher auf der Strecke bleiben.
Sie werden etwas über die Finanzierungsmöglichkeit für die in unserem Gesetzentwurf beanspruchten 50 Millionen DM wissen wollen. Wir können Ihnen sagen: in diesem Jahre wäre es leicht, durch Umgruppierung einiger Positionen im Haushalt diesen Betrag zu beschaffen. Die Vorschläge werden wir im Ausschuß bei der Beratung machen. Ich nehme nicht an, daß Sie gewillt sind, die Ausschußberatungen heute bereits bei der ersten Lesung im Plenum vorzunehmen. Wenn der Herr Minister sein angekündigtes Versprechen hält, daß die Bausparprämien in Zukunft gesondert finanziert werden sollen, bleibt uns aus den Wohnungsbaumitteln für das nächste Jahr eine beträchtliche Anzahl von Millionen zur Verfügung. Dann könnten wir mit den von uns gewünschten Zinszuschüssen und mit den dann zur Verfügung stehenden Mitteln auf Grund
des Zweiten Wohnungsbaugesetzes sehr schöne Mischfinanzierungen durchführen, die einen vollen Erfolg gerade für den Personenkreis möglich machen würden, der bisher zu kurz gekommen ist.
Sie werden mich fragen: Ihr Gesetzentwurf hat eine Laufzeit von sieben Jahren; was soll nach diesen sieben Jahren geschehen? Nun, wir hoffen, bis dahin ist — ganz egal wie — der endgültige Gesetzentwurf über Miet- und Lastenbeihilfen verabschiedet.
Dafür gilt das, was ich vorhin angedeutet habe. Sie haben ja durch eine Presseverlautbarung gehört, daß die SPD bereits initiativ ist, etwas vorzuschlagen. Ich nehme an, daß der Pressedienst, in dem das steht, im Ministerium bestimmt gelesen wurde. Ich habe die Hoffnung, daß dann das geschieht, was wir heute bereits zweimal erlebt haben. Die Bauland-Interpellation der SPD hat das Wollen des Ministeriums — wie der Herr Minister es ausgedrückt hat; er sagte, daß es sein Wollen war — derart beschleunigt, daß es sichtbar geworden ist, nämlich bereits acht Tage vor der Debatte im Bundestag., Ferner haben wir erreicht, daß unser Gesetzentwurf Ihnen einen eigenen Gesetzentwurf, wenn auch bloß mit 30 Millionen, für junge Familien, entlockt hat.
Wir hoffen, daß unsere Initiative die in Ihrem stillen Kämmerlein schlummernden Vorschläge für die endgültige Regelung der Miet- und Lastenbeihilfen auch bald an das Tageslicht bringen wird.
Zu der Vorlage unter c) — Drucksache 2542 — soll keine Begründung und Aussprache erfolgen.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs unter d) — Drucksache 2543 —, Antrag der Fraktion der CDU/ CSU, hat ,der Abgeordnete Baier das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hauffe, nun bringen wir Ihnen bereits etwas, bezüglich dessen Sie uns sicher nicht nachsagen können, wir liefen Ihnen nach, sondern ,das ist unsere Initiative.
Ich habe die Ehre, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion Drucksache 2543 zu begründen. Schon seit mehreren Jahren hat sich in zunehmenden Maße gezeigt, ,daß die traditionelle Förderungsform des sozialen Wohnungsbaus — Kapitalsubventionen — überholt ist und zu groben Ungerechtigkeiten geführt hat. Viele Menschen, die in den ersten Jahren der Nachkriegszeit ein geringes Einkommen hatten, haben eine solche Wohnung zu einer niedrigen Miete erhalten. Inzwischen ist ihr Einkommen im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung meist erheblich angestiegen, aber diese Leute wohnen nach wie vor in diesen Wohnungen zu den gün-
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Baier
stigen Mieten, und sie denken auch nicht daran, sie für andere, bedürftige Kreise frei zu machen. Sie versperren damit denjenigen den Zugang zu den billigen Wohnungen, die erst am Anfang ihres beruflichen Aufstieges stehen, nämlich den jungen Ehepaaren, um die Sie von ,der SPD sich heute mit Ihrem Antrag ebenfalls bemüht haben.Ich glaube auch, daß mit dieser alleinigen Form der Förderung keine gebührende Rücksicht auf das Familieneinkommen im Verhältnis zur Familiengröße genommen wird. Diese Zustände bedürfen deshalb dringend einer Korrektur. Sie lassen sich zwar im Augenblick leider nicht ganz ändern, da schon ,die vergebenen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues vielfach falsch belegt sind. Diese Dinge eines Tages zu regulieren, wird die Aufgabe eines Wohnungswirtschaftsgesetzes sein, das die Bundesregierung für die nächste Legislaturperiode bereits in Aussicht gestellt hat und in dem ,die zweifellos sehr viel schwierigeren Probleme gerade auch im Zeichen des Abbaus der Zwangswirtschaft einer Lösung zugeführt werden.Um so mehr muß nun aber verhindert werden, daß die jetzt neu gebauten Sozialwohnungen das gleiche Schicksal erleiden. Es ist deshalb an der Zeit, eine entscheidende gesetzliche Änderung des Finanzierungssystems im sozialen Wohnungsbau vorzunehmen. Dies kann nur in der Weise gelingen, daß an die Stelle der objektgebundenen Subventionsformen die auf das Subjekt, auf den Menschen ausgerichtete Subvention tritt. Das bedeutet also, daß in der sozialen Wohnungsbauförderung der Schwerpunkt auf die Miet- und Lastenbeihilfen gelegt werden muß.In der Wohnungsbauförderung hatten wir ursprünglich nur die Objektfinanzierung, die Darlehensform. Dazu kam dann die Aufwendungsbeihilfe als Zinszuschuß. Jetzt kommt als dritter Finanzierungsfaktor die subjektgebundene Miet- und Lastenbeihilfe. Ich glaube, dieser Finanzierungsfaktor verdient das Prädikat, wirksam, gerecht und rationell zu sein. Diesem Ziel dient der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Er sieht vor, daß bei nach dem 1. Januar 1962 bezugsfertig werdenden Wohnungen der Bezieher eine Miet- und Lastenbeihilfe erhält, wenn ,die Miete oder Belastung über einen bestimmten Prozentsatz ides Familieneinkommens hinausgeht. Auf diese Miet- und Lastenbeihilfen besteht ein Rechtsanspruch; sie sind nicht mehr wie bisher auf die einkommensschwache Bevölkerung beschränkt und nicht mehr von einer besonderen Anordnung der Länder abhängig.Leider haben die Länder von den Möglichkeiten der §§ 46 und 73 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes über Miet- und Lastenbeihilfen nur zögernd und zum Teil überhaupt nicht Gebrauch gemacht. In Zukunft wird jeder Bezieher einer im sozialen Wohnungsbau geförderten Wohnung in den Genuß der Miet- und Lastenbeihilfen kommen, wenn er die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.Damit wird eine wirkliche Hilfe für die jungen Ehepaare geschaffen, deren Einkommen zwar über dem der Minderbemittelten liegt, das aber in denersten Jahren der Ehe meistens noch nicht so hoch ist, daß sie die Sozialmiete tragen können, wenn nicht andere lebenswichtige Grundbedürfnisse darunter leiden sollen.Die Schwierigkeit, die aus der Baukostenüberteuerung entsteht, über die hier heftig diskutiert wird, wird dadurch künftighin besser aufgefangen werden können. Kinderreiche Familien und junge Ehepaare werden diese Finanzierungsform besonders begrüßen, weil hierbei auf die Familiengröße und auf das Einkommen gebührend Rücksicht genomen wird. Diese Förderungsmethode ist deshalb viel wirksamer als der von der SPD aufgezeigte Weg. Ihre Zahlen, meine Damen und Herren, gehen— gestatten Sie mir den Ausdruck — ins Illusionäre.
— Sie wollen mit Ihrem Antrag 1,750 Milliarden Zinszuschüsse aus Haushaltsmiteln, um damit entsprechende Kapitalmarktmittel zu mobilisieren. Daß das eine Illusion ist, nicht nur im Hinblick auf den Haushalt, sondern auch auf die Kapazität der Bauwirtschaft, werden Sie zugeben müssen.
— Inerhalb von fünf Jahren!
— Na, wir können ja darüber noch sprechen. Im übrigen wird durch die von Ihnen vorgeschlagene Maßnahme der Gewährung der Zinszuschüsse bewirkt, daß einheitliche, starre Mieten zustande kommen, statt einer individuellen Hilfe, die gerade für die jungen Familien besonders notwendig erscheint. Die CDU ist davon überzeugt, daß der Weg, den wir Ihnen heute mit dem Antrag vorschlagen, im Ergebnis auch der für den Staat rationellere Weg ist, weil nur dort Hilfe gewährt wird, wo sie wirklich nötig ist.Ich will es Ihnen erläutern. Wenn beispielsweise das junge Ehepaar in den ersten drei Jahren seiner Ehe noch verhältnismäßig wenig verdient, kann es beim Bezug der Sozialwohnung die Mietbeihilfe in Anspruch nehmen. Verdient es dann mehr, wird es unter Umständen in der Lage sein, die Miete aus eigenem Einkommen aufzubringen, ohne weiterhin staatliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen.Bei den Zinszuschüssen wird die für den Staat sehr teure Subventionierung in allen Fällen sieben Jahre lang ohne Ansehung der Person und ohne Rücksicht auf die individuelle Einkommenslage gezahlt werden müssen. Der Anteil der Miete, der nach dem CDU-Antrag selbst aufgebracht werden muß, ist dem Abbaugesetz entnommen. Soweit bisher Erfahrungen mit dem Abbaugesetz vorliegen, scheinen diese Sätze richtig gewählt zu sein. Sie sollen deshalb auch für die Zukunft beibehalten werden.Dagegen hat die CDU/CSU in ihrem Antrag eine Änderung der Wohnflächengrenzen vorgenommen. Bekanntlich waren bisher die Wohnflächengrenzen für die Neubauwohnungen auf 40 qm für
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das Ehepaar und auf je 10 qm für jedes weitere Familienmitglied festgelegt. Die CDU ist der Auffassung, daß diese Grenzen für die Zukunft erweitert werden sollten, zumal ihnen bei der wesentlichen Ausweitung der Miet- und Lastenbeihilfen als Finanzierungsfaktor viel größere Bedeutung für die Bauplanung zukommen wird, als es in der Vergangenheit der Fall war. In dem Entwurf ist deshalb vorgesehen, die Basis auf 50 qm für das Ehepaar heraufzusetzen und die Grenze für das Ehepaar mit einem Kind auf 65 qm und für das Ehepaar mit zwei Kindern auf 80 qm festzusetzen. Alsdann soll sich die Wohnflächengrenze für jedes weitere Familienmitglied um 10 qm erhöhen.
— Aber wenn Sie zugehört haben, müssen Sie gemerkt haben, Herr Hauffe, daß wir diese Maßnahme als wesentlichen Finanzierungsfaktor betrachten, was bei den bisherigen Miet- und Lastenbeihilfen nicht der Fall gewesen ist.
Hiermit wird eine wirklich großzügige Regelung getroffen, die vor allen Dingen auch verhindern soll, daß- die jungen Ehepaare ihre Wohnungen zu klein wählen müssen und sich jedesmal nach der 1 Geburt eines Kindes wegen der Enge der Behausung zu einem Umzug entschließen müssen.Die Miet- und Lastenbeihilfen sollen nach dem Entwurf vom Bund und von den Ländern je zur Hälfte getragen werden. Der finanzielle Aufwand, der hieraus entsteht, läßt sich schwer voraussagen. Er wird weitgehend davon abhängen, welche Mietsätze die Länder in Zukunft bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zugrunde legen. Um die Gefahr auszuschließen, daß die einzelnen Länder künftig mit zu hohen Finanzierungsmieten operieren, ist in dem Entwurf vorgesehen, daß die Mieten mit dem Bundesminister für Wohnungsbau abgestimmt werden müssen. Nur wenn eine solche Abstimmung stattfindet, wird der Bund zur Erstattung der Hälfte der Kosten verpflichtet sein. Dadurch wird hoffentlich auch erreicht, daß wir künftig in der Bundesrepublik im sozialen Wohnungsbau zu einem einheitlicheren Mietenspiegel kommen.Die weiteren Einzelheiten des von der CDU/CSU vorgelegten Gesetzentwurfs betreffen gesetzestechnische Fragen. Ich kann es mir wohl versagen, sie hier im einzelnen zu behandeln. Dazu werden wir im Ausschuß Gelegenheit haben.Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzesantrag wird ein weiterer Schritt in der Richtung auf allgemeine Miet- und Lastenbeihilfen getan, um ein großes sozialpolitisches Ziel der CDU/CSU zu verwirklichen.Ich beantrage, die Vorlage an den Bundestagsausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht —federführend — und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen.
Das Wort zur Begründung des Antrags unter Punkt 19 e der Tagesordnung, Drucksache 2545, hat Herr Abgeordneter Mick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung; ich bin eben erst des Glückes gewahr geworden, daß ich diesen Antrag begründen soll.
— Ach wissen Sie, Herr Brecht, bei uns ist die Organisation nicht so stramm wie bei Ihnen; bei uns geht schon einmal etwas daneben.
Aber wir können in der Beziehung, was Straffheit der Organisation angeht, vielleicht noch mancherlei von Ihnen lernen.
Zur Sache! Die CDU/CSU-Fraktion beantragt, einen Betrag von 30 Millionen DM für die Wohnungsbauförderung für junge Familien — junge Eheleute — zur Verfügung zu stellen. Wir gehen dabei von dem Gedanken aus, daß gerade die jungen Eheleute große Schwierigkeiten haben, über die normalen öffentlichen Mittel hinaus Finanzierungsmittel aufzubringen, die ihnen zu einer Wohnung verhelfen können. Wir sind der Meinung, daß, wenn wir den jungen Leuten persönlich etwas an die Hand geben, in Zukunft für diesen Personenkreis das Erlangen einer Wohnung einfacher sein wird als bisher.
Es handelt sich um einen Antrag zum Haushalt, über den bei der zweiten Lesung des Etats entschieden werden wird.
Nunmehr soll die gemeinsame Aussprache über die Große Anfrage und über die Anträge erfolgen. Es ist angeregt worden, die Debatte zu scheiden in die Aussprache über die Probleme des Baulands und der Baulandpreise und die Aussprache über die finanziellen Fragen. Besteht Einverständnis darüber? — Das ist der Fall.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst zu der Großen Anfrage der SPD betreffend Steigerung der Baulandpreise, Drucksache 2436, Stellung zu nehmen. Ich will nun völlig dahingestellt sein lassen, aus welchem Grunde diese Große Anfrage zum gegenwärtigen Zeitpunkt eingebracht worden ist. Ich bin nicht der Meinung, daß das geschehen ist, weil in diesem Jahre das besondere Ereignis der Bundestagswahl bevorsteht, sondern ich bin schon der Auffassung,
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Dr. Willdaß dieses Problem von so großer Tragweite ist, daß eine Diskussion darüber in diesem Hause fällig war.
Ein Problem von so großer sozialpolitischer Tragweite sollte eigentlich niemals vom Tisch dieses Hauses kommen. Wenn wir einmal vom Paradies absehen wollen, in dem ja nur zwei Menschen auf einem großen Gelände wohnten — ich möchte beinahe glauben, daß es deshalb ein Paradies war, weil da nur zwei Menschen wohnten —, möchte ich doch daran erinnern, daß eigentlich immer das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundbesitzer und dem Abhängigen, der seine Wohnungsbedürfnisse nicht selber decken konnte, die Ursache für schwere sozialpolitische Auseinandersetzungen, Revolutionen, Umwälzungen und dergleichen mehr gewesen ist. Es ist daher kein Wunder, daß sich von der Antike her, angefangen von den römischen Agrargesetzen bis zum Bundesbaugesetz eine gerade Linie zieht: nämlich eine Auseinandersetzung zwischen den Kreisen, die als Bodenbesitzer anzusprechen sind, und dem zahlenmäßig weitaus überlegenen Bevölkerungsteil, dessen Wohnbedürfnis eben núr durch einen Anteil an dem heimischen Grund und Boden gedeckt werden kann. Ohne einen solchen Anteil kann man ja eigentlich nur in Luftschlössern leben; da braucht man keinen Grund und Boden.Nun ist dieses ganze Problem sehr schwierig, weil es bodenordnerische Maßnahmen voraussetzt, über deren Tragweite natürlich verschiedene Auffassungen vorhanden sein können. Wir haben uns im Deutschen Bundestag zehn lange Jahre hindurch, wie Sie wissen, von der 1. Legislaturperiode an mit dieser Angelegenheit zu beschäftigen gehabt, und wir haben im vorigen Sommer das Bundesbaugesetz verabschiedet, das ja — ich sagte das schon einmal von dieser Stelle aus — den etwas irreführenden Namen „Baugesetz" führt, obwohl es mit dem Bauen nur sehr wenig zu tun hat, sondern mit dem Bauboden. Das Gesetz müßte eigentlich „Bundesbaubodengesetz" heißen. Das zu sagen ist mir deshalb wesentlich, um darzutun, worum ,es im Grunde immer wieder geht.Die Situation ist doch so: Nach den großen Zerstörungen, ,die wir im zweiten Weltkrieg gehabt haben, ist eine Landesplanung, eine Bodenordnung immer nur in der Voraussetzung möglich gewesen, daß sie auch praktikabel ist. Alle Planung ist ja sinn- und zwecklos und stellt eine reine Zeitvergeudung dar, wenn sie nachher nicht durchsetzbar ist. Wir haben deshalb eine ganze Reihe von Maßnahmen in dieses Bundesbaugesetz aufgenommen, von denen wir annehmen, daß sie dazu beitragen würden, die noch immer in großem Umfange bestehende Wohnungsnot zu beseitigen. Ich erinnere an die Tagung der Akademie für Städtebau und Landesplanung, die im vorigen September stattgefunden hat. Bei dieser Tagung sind diese Dinge behandelt worden. Herr Staatssekretär Dr. Ernst hat damals auch Zahlen genannt; er erwähnte u. a., daß für die 1,2 Million Wohnungen, die wir noch zu bauen haben werden, um die dringendste Wohnungsnot zu beseitigen, immerhin noch ein Baulandbedarf von etwa 400 qkm, d. h. 400 Millionen qm vorhanden ist.Wenn ich also heute höre, daß man bundeseigenen Boden in einer Größenordnung von 6 bis 7000 ha hierfür freimachen kann, dann kann man sich ausrechnen, daß das ungefähr 70 Millionen qm sind, also etwa 15 % des Bedarfs an Grund und Boden, der schon für diese 1,2 Million Wohnungen erforderlich ist. Ich hoffe, ich habe mich bei dieser etwas flüchtigen Berechnung nicht geirrt, Herr Staatssekretär; sie erschien mir aber immerhin wichtig, um eine ungefähre Vorstellung von der Größenordnung zu haben, um die es hier geht.Nun ist die Frage, ob es möglich sein wird, allein auf diesem Wege zu einer Lösung zu kommen. Ich habe, glaube ich, schon dargetan, daß das nicht der Fall sein wird. Wir werden also nach wie vor auf den freihändigen Erwerb von Grund und Boden angewiesen sein, und es ist ja auch der Gegenstand der Anfrage der SPD, zu welchen Bedingungen das möglich sein soll.Nun darf man, glaube ich, ohne weiteres zugeben, daß sich die Mißstände auf dem Gebiet des Bodenmarktes in den letzten Jahren nicht verringert haben. In der Tat hat sich auf diesem Gebiet der Bodenpreisforderungen auf dem Baubodenmarkt eine Situation entwickelt, die von allen Seiten dieses Hauses, insbesondere auch von dem Herrn Bundeswohnungsbauminister selbst, als schwer erträglich angesehen wird. Ich entsinne mich auch noch des Appells, den er vor wenigen Monaten auf der Maklertagung in München mit Recht an die Makler gerichtet hat — von denen in einem Jahr durch etwa 4000 Makler Grundstücke im Wert von 8 Milliarden DM umgesetzt worden waren —, dazu beizutragen, daß es nicht immer wieder den Anschein hat, die Höchstpreise würden gerade durch dieses Vermittlungsgewerbe hochgetrieben. Ich habe die Befürchtung, daß das geschieht.Ich möchte es nicht unterlassen, von dieser Stelle aus einmal auf die Anzeigen hinzuweisen, die zum Beispiel in der „Süddeutschen Zeitung" jeden Sonnabend erscheinen und in denen ungezählte neue Maklerfirmen eine preistreibende Tendenz erkennen lassen, die geradezu allem Hohn spricht, was wir hier durch die Gesetzgebung auf dem Gebiete der Bodenpreissenkung zu erreichen versuchen. Dies einmal auszusprechen, halte ich für geradezu erforderlich.
Nun ist die Frage, wieweit die Bestimmungen des Bundesbaugesetzes in dieser von uns angegebenen Richtung der Verbilligung des Baubodens wirksam geworden sind oder wirksam werden können. Der Sprecher der SPD, Herr Jacobi, hat hier vorgetragen, daß er nicht glaubt, die im Bundesbaugesetz enthaltenen Bestimmungen könnten von irgendeiner einschneidenden Bedeutung sein. Ich möchte ihn daran erinnern, daß die SPD der Baulandsteuer zugestimmt hat, nicht aber meine Fraktion, die Freien Demokraten. Wir haben es deshalb nicht getan, weil wir nicht der Meinung gewesen sind, daß diese Steuer erforderlich ist und weil wir uns von ihr nichts versprochen haben.Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22, Februar 1961 8179Dr. WillIch möchte aber auch sagen, daß der FDP die bauordnerischen Maßnahmen, die ursprünglich in Aussicht genommen waren, zu weit gingen. Es ist, glaube ich, loyal und fair, dem Bundesbaugesetz eine längere Bewährungsfrist zu geben, als es bisher möglich war. Hier hat der Herr Bundeswohnungsbauminister mit Recht darauf hingewiesen, daß man die Wirkungen einer 25jährigen Zwangswirtschaft nicht im Handumdrehen beseitigen kann.Das Bundesbaugesetz ist weithin noch nicht in Kraft getreten, und es ist — und das möchte ich mit Nachdruck sagen — im wesentlichen Sache der Gemeinden, aus diesem Instrument überhaupt etwas zu machen. Hierzu muß ich allerdings bemerken, daß ich etwas skeptisch bin. Ich möchte dazu diesem Hohen Hause eine Unterhaltung nicht vorenthalten, die ich vor gar nicht langer Zeit einmal mit einem Landrat hatte. Ich fragte ihn, welche Erfahrungen er mit dem Bundesbaugesetz bisher gemacht habe und was er überhaupt davon halte? Darauf hat er mir einige Antworten gegeben, die immerhin so interessant sind, daß ich sie hier wiedergeben möchte.Erstens, sagte er, bin ich als Landrat in der Situation, daß ich alle fünf Jahre wiedergewählt werden muß. Das ist im nächsten Jahr der Fall. Ich kann nicht annehmen, daß meine bäuerliche Bevölkerung mich wiederwählen wird, wenn ich ihr zumuten würde, einen geringeren Preis bei Landverkäufen zu nehmen, als er freiwillig angeboten wird. Aus diesem Grunde ist mein Interesse an diesem Gesetz nicht gerade überwältigend groß.Zweitens, meinte er, rühren in meinem Landkreis drei Viertel der Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer her. Ich bin also auf das Lebhafteste daran interessiert, daß die Grunderwerbsteuer einen hohen Ertrag bringt und daß hohe und nicht geringe Kaufpreise gezahlt werden.Drittens, erklärte er, daß ein Gesetz nicht durchsetzbar sei, wenn es nicht populär sei. Das Bundesbaugesetz aber sei, insoweit es Schätzstellen vorsieht, seiner sicheren Überzeugung nach nicht populär. Er werde also solche Schätzstellen nicht einrichten.
Nachdem ich diese drei durchschlagenden Argumente gehört hatte, die — das muß man zugeben — ohne weiteres einleuchtend sind, war mir klar, daß die Anwendung dieses Gesetzes bei den Gemeinden und Landkreisen schwierig sein wird. Auf der Tagung der Akademie, die ich erwähnte, ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß es in der Selbstverwaltung der Gemeinden liegen wird, die Bestimmungen anzuwenden, die ihnen das Bundesbaugesetz gibt.Das wird nun aus einer Reihe von Gründen nicht ganz einfach sein. Einer der Gründe besteht darin, daß im Gemeinderat auch die Leute sitzen, auf die es ankommt und deren Interessen dadurch stark betroffen werden. Ein anderer wird darin bestehen, daß weithin die Fachleute in den Gemeinden einfach nicht vorhanden sind, die diese Bestimmungen,die das Bundesbaugesetz bietet, durchführen könnten. Es wird also — und das ist das, was ich hier sagen möchte — im wesentlichen darauf ankommen, daß auch von der Seite der Bundesregierung und der Länderregierungen alles geschieht, um die Gemeinden überhaupt einmal aktiv werden zu lassen. Sie werden von sich aus nicht so sehr geneigt sein, etwas zu unternehmen, weil die Dinge einmal kompliziert sind und zweitens auch massive Interessen berühren.Im wesentlichen wird es noch auf die städtebauliche Planung ankommen, die hier in Rede steht. All diese Fragen, die wir hier anschneiden, beziehen sich nicht gleichmäßig auf das ganze Bundesgebiet, sondern eigentlich immer nur auf die großstädtischen Randgebiete und auf die Ballungszentren. Dort gibt es diese Bodenpreissteigerungen. Weite Teile des Bundesgebietes werden davon nicht berührt, die Landwirtschaft praktisch überhaupt nicht. Herr Jacobi hat auch schon aufgeführt, wieviel Leute davon überhaupt nicht betroffen werden. Das verdichtet das Problem auf einen verhältnismäßig kleinen Kreis von Grundeigentümern in diesen Ballungsgebieten, in denen allerdings 40 % der deutschen Bevölkerung wohnen, was bei der Prüfung dieser Probleme auch nicht zu übersehen ist.Ich meine, es wird darauf ankommen, hier zunächst einmal etwas Geduld zu üben. Bei einem Gesetz von einer solchen Tragweite, das solche Anforderungen an die Ausführenden stellt, wie es hier der Fall ist, darf man billigerweise der Auffassung sein, daß die Dinge heute einfach noch nicht spruchreif sind. Ein Jahr später werden wir, wie ich hoffe, in einer wesentlich besseren Situation sein, um über diese Fragen erneut diskutieren und überlegen zu können, ob eine Novellierung schon angezeigt ist.Von der Baulandsteuer hält meine Fraktion, wie ich schon sagte, nicht sehr viel. Ich habe auch den Eindruck, daß das auf keiner Seite des Hauses der Fall ist. Der Herr Wohnungsbauminister hat vorhin auch gesagt, daß sie zunächst einmal nur ein Versuch war und daß man imstande sein werde, diese Maßnahme zu verstärken, wenn sich herausstelle, daß sie bisher nicht ausreichend gewesen sei. Wir dürfen wohl davon ausgehen, daß die Nachfrage nach Baugelände in den nächsten Jahren zwar noch vorhanden sein wird, daß sie aber doch nicht mehr so dringend sein wird, wie es in den letzten fünf oder sechs Jahren der Fall war. Immerhin ist der Bau von über 5 Millionen Wohnungen nicht spurlos an dem Bedarf vorübergegangen, und auch die 1,2 Million Eigenheime, die inzwischen errichtet worden sind, haben einen erheblichen Rückgang des Bedarfs bewirkt. Wir sehen das auch an den nicht wenigen Landkreisen, die die Wohnungsbewirtschaftung schon abschaffen konnten, weil eben ein ausgeglichener Vorrat an Wohnungen gegenüber dem nachgewiesenen Bedarf vorhanden ist.Ich möchte die Auffassung meiner Fraktion zusammenfassend dahin präzisieren, daß das Bundesbaugesetz im Augenblick und in einer nahen Zukunft in seiner Wirksamkeit noch nicht zu überprüfen ist. Wir werden geraume Zeit brauchen, um
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Dr. Willzu sehen, welche Bestimmungen nützlich gewesen sind und welche nicht. Ich zögere nicht, zu glauben, daß die Vorfälligkeit der Anliegerbeiträge zu den Erschließungskosten ein hauptsächlicher Faktor für die künftige Entwicklung sein wird. Im übrigen wird uns die Zukunft, und zwar eine baldige Zukunft, lehren, ob wir auf dem richtigen Wege waren. Es ist diesem Hause nicht benommen, durch neue Maßnahmen oder durch Verstärkung der bisherigen zu größeren Erfolgen zu kommen, als es bisher den Anschein hat.Zu den ergänzenden Anträgen, die heute eingereicht worden sind, kann ich im Augenblick, da sie mir ebenso neu sind, wie es auch von Ihnen erklärt worden ist, nur sagen, daß meine Fraktion der Überweisung dieser Anträge an die genannten Ausschüsse zustimmen wird. Ich darf mir für meine Fraktion vorbehalten, dann in den Ausschußberatungen im einzelnen zu diesen Paragraphen und zu diesen Gesetzesinhalten Stellung nehmen.Im ganzen werden wir, das kann ich grundsätzlich sagen, dem Inhalt der Anträge, die von beiden Seiten dieses Hauses gekommen sind und die eine Begünstigung der jungen Familien vorsehen, zustimmen. Ich darf mir aber vorbehalten, zu den einzelnen Bestimmungen bei dieser Gelegenheit noch Stellung zu nehmen.Ich stimme daher für meine Fraktion der Überweisung dieser Großen Anfrage und der Anträge unter Buchstaben b) bis d) an die in Vorschlag gebrachten Ausschüsse zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Brecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Kern bei der heutigen Debatte ist die Große Anfrage der SPD-Fraktion über die Bodenpreise. Wenn ich jetzt dazu etwas sagen werde, dann möchte ich gleich von vornherein bemerken: ich führe hier kein Plädoyer für eine Novelle zum Bundesbaugesetz. Um das geht es ja gar nicht. Ich habe gar nicht verstanden, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister in der Beantwortung dieser Anfrage zu einem lebenswichtigen Problem sich in großen Auseinandersetzungen über das Bundesbaugesetz ergangen hat.
In unserer Anfrage steht etwas ganz anderes. In unserer Anfrage steht nirgends, daß die Bodenpreissteigerungen wegen oder infolge des Bundesbaugesetzes eingetreten seien, sondern es steht darin: nach dem Bundesbaugesetz. Das heißt, zeitlich nach Inkrafttreten und obwohl ein Bundesbaugesetz ergangen ist, sind noch diese Preissteigerungen eingetreten. Nun lassen Sie mich aber einmal deutlich machen, daß wir hier nicht zu einerNovelle des Bundesbaugesetzes sprechen, sondern zu einer gesellschaftspolitisch ungeheuer wichtigen Grundsatzfrage und Grundfrage unseres gesamten öffentlichen und sozialen Lebens, dazu, daß wir in einer Welle steigender Bodenpreise stehen.
Ich möchte an sich sehr gern auch zu den anderen Ausführungen etwas sagen, werde mir das aber völlig versagen, also nicht zu den Problemen der Mietbeihilfen usw. sprechen. Ich möchte dazu nur sagen: ich danke dem Herrn Minister, daß er mit der CDU nun so klug geworden ist, all das zu bringen, was die SPD bei der Beratung des LückeGesetzes bereits beantragt hat.
Alles nämlich, was Sie heute bringen, die Mietbeihilfen auch für Grundsteuererhöhungen und auch für die Wohnungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes,
Ich möchte mich nicht mit dem Herrn Minister darüber auseinandersetzen, daß er ein Rundschreiben des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsunternehmen zitiert hat. Es ist für mich — als Verbandsleiter, nicht ohne weiteres als Politiker — natürlich immer sehr erfreulich, wenn ein Minister aus Rundschreiben einer solchen Organisation Nutzen zieht und Belehrungen entgegennimmt.
Es ist aber in dem Schreiben gar nichts anderes gesagt, als was wir bereits in der Debatte zum Bundesbaugesetz und in der ganzen weiteren Entwicklung gesagt haben. Wir haben nicht gesagt, daß diese sogenannten drei Maßnahmen sofort wirken und alles in Ordnung bringen, sondern wir haben damals schon gewarnt und gesagt, diese drei und die sonstigen weiteren Maßnahmen werden nicht ausreichen, und es muß erst etwas anderes dazukommen, um Einfluß auf die Bodenpreise zu nehmen. Wenn man aber hier über ein diesbezügliches Rundschreiben sprechen will, muß schon exakter zitiert werden. Man darf nicht einzelne Sätze aus dem Zusammenhang herausnehmen.Mir ist in der Debatte eine Version aufgefallen, die mich sehr traurig stimmte. Es wurde nämlich gesagt — und das stand auch in der Presse, die Sie beeinflussen —: Es dreht sich nur darum, daß wir jetzt endlich die Preise haben, die früher schon be-
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Dr. Brechtstanden, zuzüglich der Schwarzmarktpreise. Sie haben gesagt: Wir haben ja nur die Schwarzmarktpreise; das ist also gar nicht so schlimm, sondern sie sind jetzt nur offenbar geworden. Ich möchte Ihnen hierzu zunächst folgendes sagen. Ich bestreite entschieden, was in Ihrer Presse an einer Stelle gestanden hat, daß 90 % aller Käufe vor der Aufhebung des Preisstopps im Schwarzhandel getätigt worden sind. Wenn das zuträfe, würden fast alle Verkäufe auch des Bundes, der Kirchen und vieler anderer Stellen zu Schwarzmarktpreisen erfolgt sein, was Sie sicherlich nicht behaupten wollen.Ich will heute — damit auch dies ganz klar ist — den Preisstopp nicht verteidigen. Der Preisstopp ist ja nur juristisch am 29. Oktober vorigen Jahres aufgehoben worden. Wirtschaftlich ist er längst vorher aufgehoben worden, und zwar vom Jahre 1952 an, nämlich von dem Zeitpunkt an, zu dem das Korrelat zum Preisstopp, die Grundstückserträge, zunächst bei den Geschäftsraummieten und dann beim frei finanzierten Wohnungsbau freigegeben wurden. Die Preise bilden sich ja nicht nur nach einem juristischen Faktum, sondern sie bilden sich am Markt nach ganz anderen Grundsätzen. Diese Zusammenhänge mit der wirtschaftlichen Aufhebung des Preisstopps bei den Geschäftsraummieten könnte man beinahe wissenschaftlich nachweisen. Als Sie die Grundstückserträge immer mehr freigegeben haben, ist auch der Preisstopp innerlich durchlöchert worden. Dies war eine zwangsläufige Folge.
— Das habe ich in den Debatten über das Bundesbaugesetz sehr eingehend und sehr eindringlich und mehrfach gesagt; das ist gar nichts Neues.Aber zurück zu dem Hinweis auf die legalisierten Schwarzmarktpreise. Ich frage mich wirklich in allem Ernst: haben wir denn das Bundesbaugesetz und haben wir die Bauordnungsmaßnahmen in diesem Gesetz beschlossen, um Schwarzmarktpreise zu legalisieren und zu einer gültigen Preisnorm zu machen? Sie reden immer nur davon — der Herr Minister hat es gestern abend im Fernsehen auch wieder blendend gemacht —, daß wir „gerechte" Preise haben wollen. Andere sagen dann einmal „tragbare Preise", und andere sagen „jedem zugängliche Preise". Ja, sind denn die legalisierten Schwarzmarktpreise, die jetzt verteidigt werden, gerechte oder tragbare Preise? Meiner Ansicht nach ist das wirklich keine Begründung, nicht einmal eine Entschuldigung; denn es müßte alles nur Mögliche geschehen, um gerade die Schwarzmarktpreise wirksam zu unterbieten und unter diese Preise herunterzugehen. Im übrigen kann ich Ihnen, Herr Minister, obwohl ich auch hier auf Einzelbeispiele verzichten will, absolut den Nachweis erbringen, daß auch Preise, die Schwarzmarktpreise waren oder in der Zeit der Schwarzmarktpreise gegolten haben, inzwischen in den weiteren Monaten gestiegen sind.
Ich nenne nur ein Beispiel aus München mit einem Preis von 40 DM im Oktober, als der Schwarzmarktpreis also legalisiert war, und einem heutigen Preis von 70 DM. Ich habe weiter von einem Makler in der Umgebung von Bielefeld im Oktober ein Preisangebot in der Maklerliste von 15 DM gefunden, in einer neuen Preisliste desselben Maklers für dasselbe Grundstück jedoch von 25 DM. Ja, ist denn das keine Preissteigerung nach Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes und über die legalisierten Schwarzmarktpreise hinaus?Wenn diese These der legalisierten Schwarzmarktpreise stimmte, wäre das eine nachträgliche Verdummung und es wäre eine schwere Benachteiligung all der Menschen und Institutionen, die in der Zeit vorher legal geblieben sind und eben nicht mit Schwarzmarktpreisen gehandelt haben. Wer — der Herr Minister sagt das auch immer — ein Verfechter von gerechten, von tragbaren, von angemessenen Preisen sein will, darf nicht einfach davon ausgehen, daß die gerechten Preise nun eben die legalisierten Schwarzmarktpreise wären.Es ist auch gesagt worden — Herr Kollege Will hat es zuletzt getan —, für diese Debatte sei es zu früh; diese Maßnahmen des Bundesbaugesetzes könnten sich noch gar nicht so recht auswirken; die Wirksamkeit komme erst noch. Das ist eine sehr beliebte These geworden. Daraus wird dann abgeleitet, daß man nur zu warten brauche, und in Kürze werde alles anders. Das „Hamburger Echo" hat ein Bild dazu mit den Worten überschrieben: „Warte, warte nur ein Weilchen!", weil dann die Preise heruntergehen. Der Herr Minister hat das gestern abend im Fernsehen, wie er es heute noch einmal erklärt hat, außerordentlich deutlich gesagt. Ich weiß nicht, ob diese These für die Bausparer und die Kaufinteressenten gerade die richtige ist und ob es nicht sehr, sehr gefährlich ist, wenn sie diesem Sirenengesang für die Zukunft folgen wollen.Eines, Herr Minister, ist auf jeden Fall wahr und klar: Wer in der Vergangenheit nach dieser These gelebt und gehandelt hat, ist bitter hereingefallen, denn die Preise sind in der Vergangenheit ständig gestiegen. Ich würde also davor warnen, diese These wieder in den Vordergrund zu rücken.Im übrigen darf ich Ihnen folgendes sagen. Schon am 1. Dezember hat das Blatt von Herrn Stiller festgestellt, der Markt habe sich bereits beruhigt. Zur gleichen Zeit hat Herr Herlt in der „Welt" einen Artikel geschrieben und gesagt: „ Die Spekulanten haben ihre große Zeit." Auf dem Deutschen Maklertag haben die Makler erklärt, die Bestimmungen des Bundesbaugesetzes seien wirkungslos. Da kann man doch jetzt nicht nachträglich sagen, das komme erst in einiger Zeit zum Austrag. Wenn das wahr wäre, wäre das das Eingeständnis, daß die Bundesregierung oder daß wir in unserer Wirtschaftsordnung mit unserer Preispolitik in ein sozial geradezu gefährliches Spiel hineingeraten, daß wir nämlich von Faktoren anderer Art im marktwirtschaftlichen Mechanismus abhängig sind, so daß alle diese Maßnahmen, die wir ergreifen wollen und die auch die Regierung und der Minister ergreifen wollten, wirkungslos bleiben, weil andere, stärkere Kräfte dagegenstehen und das unmöglich machen. Ich lasse deshalb dieses Argument selbst für diese Bundesregierung nicht gelten; denn ich kann mir nicht den-
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Dr. Brechtken, daß die Bundesregierung etwa mit der Kalkulation vorgegangen ist: Wir heben den Preisstopp auf, dann wird zunächst einige Monate nichts geschehen, und die Gegenmaßnahmen werden erst nach einem halben Jahr oder nach dreiviertel Jahren wirksam werden. Das würde doch das Eingeständnis bedeuten, daß die Preisbildung in der Zwischenzeit völlig dem freien Spiel der Kräfte überlassen ist und daß der Entwicklung der Preise und der weiteren Preissteigerung Tür und Tor geöffnet wird. Es kann nicht sein, daß das die Absicht gewesen ist.Im übrigen darf ich an ein Zitat erinnern, Herr Minister. Sie sagen immer, man habe gar nicht erwarten können, daß diese Maßnahmen sofort wirken würden, man habe vielmehr damit rechnen müssen, daß sie erst in einigen Monaten oder in einigen Wochen zum Zuge kommen würden. In einer offiziellen Pressenotiz Ihres Ministeriums, die dann auch in das offiziöse Bundesbaublatt vom September 1960 übernommen worden ist, heißt es:Vor allem wird an dem wichtigen 29. Oktober der Preisstopp für die unbebauten Grundstücke entfallen. Gleichzeitig— gleichzeitig!, also nicht erst nach einigen Monaten, wie jetzt gesagt wird —werden die bodenpreisdämpfenden Vorschriften über die Einrichtung von Gutachterausschüssen zur Bodenpreisschätzung wirksam werden.Gleichzeitig, nicht erst in Monaten! So und ähnlich ist an vielen anderen Stellen gesagt worden. Nun soll man heute doch nicht sagen: Nein, das war schon vorgeplant; wir wußten, daß einige Monate vergehen würden, bevor diese Wirksamkeit eintritt. Das ist keine rechtfertigende Begründung, sondern das ist eine Anklage der eigenen Konzeption und der eigenen Maßnahmen.
Wenn das so stimmen würde und wenn Sie das so hellseherisch gewußt hätten, hätten Sie den Preisstopp in diesem Zeitablauf nicht aufheben und die Gegenmaßnahmen nicht einleiten dürfen; dann hätte die Preisbindung noch weiter laufen müssen, bis die Wirksamkeit der anderen Maßnahmen eingetreten wäre.
— Ich sage, daß sie keine Wirkung gehabt haben. Der Herr Minister verteidigt sie. Er hat damals gesagt, sie würden sofort wirksam; heute sagt er, sie würden in ein paar Monaten wirksam.
Die Sache ist doch so, daß diese Maßnahmen, um die es hier geht, weder sofort noch nacheinigen Monaten wirken.Ich will zum Bundesbaugesetz im einzelnen und zu den drei Maßnahmen nicht mehr sprechen. Dazu, namentlich zu dem Erschließungsbeitrag, hat mein Kollege Jacobi das Erforderliche gesagt. Bei dem Erschließungsbeitrag handelt es sich nur um ein Kostenelement. Es dreht sich in der Belastung höchstens um die Zinsdifferenz, denn jeder Erschließungsbeitrag kann irgendwie von dritter Seite finanziert werden. Daß die Transparentmachung des Bodenmarktes eine gewisse Zeit braucht und daß sie nicht eine preisbeeinflussende Wirkung haben kann, darüber kann man nicht mehr streiten.Zur Baulandsteuer will ich noch auf zwei Dinge hinweisen. Herr Ministerialrat Rössler, der uns seinerzeit im Ausschuß beraten hat und der zweifellos der beste Kenner der Baulandsteuer ist, hat in einem Artikel, der nicht in einer dieser bösen SPD-Zeitungen erschienen ist, sondern in dem Organ des Zentralverbandes der Haus- und Grundbesitzer, gesagt, in der Fassung der zweiten Lesung hätte die Baulandsteuer noch einen Betrag von rund 50 Millionen DM erbracht. Sie wissen, in der zweiten Lesung wurde die Baulandsteuer mit 188 zu 180 Stimmen angenommen. Ich darf hier Herrn Kollegen Will korrigieren: die SPD — das rechnet sie sich hoch an — hat die Baulandsteuer nie gebilligt und vertreten.
— Eine Wertausgleichsabgabe, jawohl, dafür sind wir eingetreten. Nun sagt Herr Rössler in seinem Artikel weiter, nachdem die Vergünstigungen für Gärtnereien, für die Landwirtschaft, für den Mittelstand eingeführt worden seien, seien als möglicher Ertrag der Baulandsteuer in der gesamten Bundesrepublik noch 10 Millionen DM übriggeblieben.
— Moment, Herr Czaja! Von diesen 10 Millionen DM gehen auch noch die Rückvergütungen ab.Wenn nun insgesamt von der Baulandsteuer in der ganzen Bundesrepublik vielleicht 5 oder 6 Millionen DM übrigbleiben, dann hat dieser Ertrag angesichts des Gesamtvolumens des Bodenmarktes überhaupt keine Bedeutung. Es ist doch beinahe naiv, anzunehmen, daß bei einem Umsatz von 800 oder 900 Millionen DM am Grundstücksmarkt eine Mehrbelastung von 5 oder 6 Millionen DM auf die Preise eine Wirkung hätte. Hier ist eine Wirkung einfach nicht zu erwarten.Es gäbe zur Baulandsteuer noch einiges andere zu sagen. Ich möchte mich auf das beziehen, was mein Kollege Jacobi gesagt hat.Einen Punkt möchte ich aber noch berühren. Wir reden hier von Baulandpreissteigerungen und Bodenpreissteigerungen. An der Stelle, wo sich zur Zeit und seit Wochen die großen Bodenpreissteigerungen vollziehen, gibt es gar keine Baulandsteuer. Wenn Sie wollen, ist insofern schon eine Wirkung— eine negative — am Markt eingetreten. Die Interessenten und Spekulanten weichen alle vom erschlossenen Bauland auf das Bauerwartungsland aus.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8183
Dr. BrechtDort vollziehen sich im Augenblick die riesenhaften Preissteigerungen. Da können Sie mit der Baulandsteuer nichts machen, die gibt es dort nicht.
Die Gemeinden können Bebauungspläne aufstellen, ja, aber, Herr Dr. Czaja, Sie wissen auch, wie lange es dauert, einen Bebauungsplan aufzustellen. Gehen Sie doch einmal hin und stellen Sie einen Bebauungsplan für ein Gebiet auf, das vielleicht 15, 20 oder 30 km von der bebauten Ortschaft entfernt ist. Sie würden ausgelacht werden. Aber dort im Bauerwartungsland vollziehen sich die großen Preissteigerungen. Unsere Anfrage bezog sich auch darauf.Lassen Sie mich nun etwas zu unseren Anträgen sagen. Wir haben zwei Anträge gestellt. Ich bitte Sie, diese beiden Anträge gemeinsam mit uns zu verabschieden. Ich hatte gehofft, daß wir mit dem Herrn Bundeswohnungsbauminister sehr viel mehr einig wären, weil er früher auch immer gegen die Bodenpreissteigerungen und gegen die verbrecherische Preisentwicklung am Bodenmarkt gesprochen hat. Wir haben ,das damals immer dankbar begrüßt. Heute war er sehr zurückhaltend in der Kritik an den Bodenpreisen. Er hat zwar letzthin, als die Baupreise in Gefahr standen oder als er glaubte, sie wären wegen der Verhandlungen der Tarifpartner in Gefahr, sofort mit einer Pressenotiz eingegriffen und vor der Steigerung der Baupreise gewarnt. Gegen die Steigerung der Bodenpreise hat er selbst heute, wo wir ihm Gelegenheit gegeben haben, nur ein schwaches Wort gesagt. Trotzdem glauben wir, daß wir vielleicht noch zu einer Übereinstimmung in manchen Auffassungen auf diesem Gebiet kommen können.Der erste Entschließungsantrag auf Umdruck 766 behandelt die Möglichkeit, ,daß Bauland des Bundes zur Verfügung gestellt wird, und die hierzu erforderlichen Maßnahmen. Sie selbst haben einen ähnlichen Entschließungsantrag vorgelegt, der aber in einigen Punkten seht viel matter ist und nicht so weit geht und nicht so klar in den herausgestellten Notwendigkeiten ist. Neben ,der ministeriellen Ankündigung, die wir durchaus begrüßen, daß der Bund Bauland zur Verfügung stellt, ist es notwendig, daß das Parlament heute zu dieser gesellschaftspolitischen Frage eine klare Entscheidung trifft. Diese klare Entscheidung legen wir Ihnen in unserem Antrag auf Umdruck 766 vor, wobei wir sagen:Die Bundesregierung wird ersucht,— durch einen Termin —bis spätestens 1. Mai 1961— d. h. alsbald —den Gemeinden die im Besitz des Bundes befindlichen Grundstücke . . . anzubieten;— und zwar das Land, das für die Bebauung mit Wohnungen im sozialen Wohnungsbau geeignet ist oder das als Tauschland in Frage kommen kann —. Ich möchte glauben, daß man darüber einig werden könnte. Auch der Termin müßte Ihnen, Herr Minister, und Ihnen von der CDU erwünscht sein, damit die Aktion tatsächlich mit einiger Beschleunigung vor sich geht und nicht verzögert wird.Im übrigen darf nicht nur auf ein kommendes Gesetz verwiesen werden. Das kommende Gesetz ist wegen der Bestimmung in § 47 der Reichshaushaltsordnung sicherlich erforderlich. Aber die Grundstücke können den Gemeinden schon jetzt unabhängig von diesem Gesetz sehr bald angeboten werden. Wenn man die Bodenpreise noch beeinflussen und ihrer Steigerung wirksam entgegentreten will, muß schnell und durchgreifend gehandelt werden.Nun kommt das zweite. Sie haben einen sehr, sehr weichen und für uns unbefriedigenden Vorschlag in Ihrem Entschließungsantrag gebracht, welche Einflußnahme auf die Preise in Frage kommen soll. Es hat aber keinen Zweck, nur zu sagen, es müßten sich dabei tragbare Preise ergeben. Man muß einmal ganz klar bekennen, was man will. Es müssen mit dieser Maßnahme und mit anderen Maßnahmen die derzeitigen Bodenpreise herabgedrückt werden. Es nützt gar nichts, sie etwa im Sinne der legalisierten Schwarzmarktpreise zu stabilisieren; es muß vielmehr ein wirklicher Druck auf den Bodenpreis ausgeübt werden. Deshalb schreibt der Antrag unter dem zweiten Punkt vor, daß entsprechende Preise zugrunde zu legen sind. Tragbar müssen sie sein, aber sie müssen nachhaltig das Preisgefüge des Baulandmarktes drücken.Dabei möchte ich gleich noch etwas anschließen. Denken Sie nicht so sehr daran — das klingt etwas aus Ihrer Entschließung —, daß das nur in Form eines Sozialbonus für diesen oder jenen Erwerber von Grundstücken geschehen könnte. Hier dreht es sich nicht darum, daß man wie bei den Volksaktien oder bei anderen Aktien etwas verschenkt und einzelne besonders begünstigt. Hier geht es vielmehr wirtschaftspolitisch darum, daß durch eine marktwirtschaftlich konforme Maßnahme, nämlich durch ein verstärktes Angebot, ein Preisdruck im Ganzen ausgeübt wird und damit auch ein Preisdruck auf der ganzen breiten Ebene. Deshalb darf die Maßnahme nicht an irgendein oligopolistisches oder . monopolistisches Gebilde angeknüpft werden, das nun als Einzelstelle die Grundstücke mit einem Sozialbonus weitergeben kann. Wir wissen so einiges, und Herr Platow hat es ja in seinem Informationsdienst schon vorzeitig ausgesprochen. Ich möchte nur rechtzeitig eine Warnung gegen eine solche Absicht anbringen. Man sollte das nicht tun. Denn es kommt darauf an, eine preispolitische Wirksamkeit auf breiter Ebene und in Gänze zu erzielen.Nun kommt das dritte! Es muß sichergestellt werden, daß Spekulationsgewinne ausgeschlossen werden. Es gibt da einfache Formulierungen obligatorischer Art, die natürlich im Ernstfall nicht wirken. Aber Sie werden mit uns der Meinung sein: man darf nicht einen solchen Batzen von bundeseigenen Grundstücken wie in ein Faß ohne Boden werfen, und nachher treiben die Erwerber damit wieder Spekulationen.
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8184 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Dr. BrechtDas ist nicht der Sinn einer solchen Grundstückshergabe. Ich meine, es sollte Übereinstimmung darin bestehen, daß die Sicherung gegen derartige Spekulationen nicht nur obligatorisch, sondern dinglich getroffen werden muß. Ich sage das deshalb, weil ich weiß, daß der Herr Wohnungsbauminister kein Freund der Wiederkaufsrechte ist. Er hat sie ja aus dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, soweit er konnte, herausgeboxt. Aber hier kommt er nicht darum herum, diese Form. der dinglichen Absicherung gegen Bodenspekulation zu bringen.Im übrigen bin ich der Meinung, es ist zweifellos erfreulich, wenn das Angebot des bundeseigenen Baulandes kommt. Wir nehmen dazu ein bißchen in Anspruch: wenn wir es nicht in unserer Großen Anfrage erstmalig vorgeschlagen hätten, wäre dieses Angebot der Bundesgrundstücke nicht gekommen oder mindestens nicht so früh gekommen. Wahrscheinlich wäre es zu einem Zeitpunkt gekommen, der Ihnen genehmer gewesen wäre als der, den wir Ihnen jetzt vorgeschlagen haben.
— Für uns, jawohl, das kann ich Ihnen sagen! Denn wir gehen an diese Probleme entgegen Ihrer Behauptung im DUD nicht aus wahltaktischen Erwägungen heran.
— Ob Sie es glauben oder nicht, Herr Baier. Ich weiß, daß Sie ein ungläubiger Thomas sind. Aber einmal werden Sie vielleicht auch das noch glauben. Sie haben schon manches von dem gelernt, was ich gesagt habe.
Aber nun möchte ich noch etwas anderes sagen. Die Gemeinden werden angesprochen, auch sie sollen in ähnlicher Weise Grundstücke abgeben, ebenso die Länder.
Dazu — es sind ja überwiegend CDU-Länder — will ich nichts sagen, bezüglich der Gemeinden muß ich etwas sagen.
— Nicht ,deshalb, sondern wiederum aus einer sachlichen Situation heraus, die Sie anerkennen sollten.Die Gemeinden haben in den letzten 10, 12 Jahren—auch der Herr Wohnungsbauminister müßte das anerkennen — ihren Bodenvorrat in einem Maße zur Verfügung gestellt — ,Ausnahmen gibt es überall —, daß gesagt werden muß, der Bodenvorrat der Gemeinden ist weitestgehend ausverkauft.
Wir hätten die Wohnungsbaumaßnahmen der letzten 12 Jahre gar nicht so betreiben können, wenn nicht dieser Bodenvorrat der Gemeinden als Bodenhilfe dagewesen und verwendet worden wäre.
Wir hätten namentlich nicht die Preise im Rahmen des Preisstopps halten können, wenn die Gemeinden nicht bei ihren Verkäufen von Boden soziale Einsichten bezüglich der sozialen Gestaltung der Bodenpreise gehabt hätten.
Deshalb sollte man vorsichtig sein und nicht gegenüber den Gemeinden immer gleich den Finger erheben — der Herr Minister tut das so gerne, und deshalb müssen Sie gestatten, daß ich dagegen etwas sage —, man sollte nicht kritisieren und sagen: Aber ihr Gemeinden jetzt auch! Die Gemeinden, Herr Minister, haben auf dem Gebiet in ungewöhnlichem Ausmaße vorgeleistet! Es ist nicht mehr wie recht und billig, daß der Bund jetzt nachleistet, nachdem auch dem Bund — nicht nur den Gemeinden — mit dem Zweiten Wohnungsbaugesetz — schon damals — die Verpflichtung auferlegt worden ist, in gleicher Weise bodenwirtschaftlich tätig zu sein. Das ist unser Antrag auf Umdruck 766.Nun haben wir noch eine Entschließung auf Umdruck 767 vorgelegt. Lassen Sie mich noch dazu ein paar Worte sagen.Wir begrüßen die Bereitstellung von Bundesbauland, wenn auch nur mit Vorbehalt, weil ja die bundeseigenen Grundstücke nicht immer gerade da liegen, wo sie benötigt werden, und weil wir noch nicht wissen, wie sich diese Sache abwickelt. Wir haben schon Meldungen aus Hamburg, Stuttgart und anderen Gegenden, wo gesagt wird: „In unserer Gemeinde sind keine ausreichenden bundeseigenen Grundstücke vorhanden, um damit einen wirksamen Einfluß ausüben zu können." Aber unabhängig davon glauben wir, daß über diese Maßnahme hinaus — nachdem die anderen drei im Bundesbaugesetz vorgesehenen Maßnahmen nach unserer Meinung völlig — oder wenigstens teilweise — versagt haben, weitere Maßnahmen notwendig sind.Die notwendige Einwirkung wird nicht mit der Baulandsteuer erreicht, auch wenn sie im Sinne von Herrn Staatssekretär Professor Ernst verschärft wird; er hat das ja in seinem letzten Artikel angekündigt. Die Bodenpreise müssen vielmehr mit ganz anderen Mitteln beeinflußt werden. Ein Einfluß auf die Bodenpreise ist nur dadurch möglich, daß der Bodenerwerb für die spekulative Wirtschaft und erwerbswirtschaftlichen Interessenten uninteressant gemacht wird. Der Boden ist keine Ware! Er ist nicht irgendein Konsumgut, das wie alles andere beliebig ersetzbar ist. Er ist keine Ware, mit der man wie mit einer Aktie Gewinne erzielen kann. Deshalb fordern wir erneut, wie wir es schon beim Bundesbaugesetz getan haben, daß eine Wertzuwachs- oder Wertausgleichsabgabe, oder wie Sie es nennen wollen, mit dem Ziele eingeführt wird, daß die Gewinne aus dem unverdienten Wertzuwachs zugunsten der Allgemeinheit abgeschöpft werden.Es ist durchaus nicht so, daß das nicht zu machen wäre. Wir sagen der Bundesregierung ja nicht, daß sie das in einer bestimmten Weise zu tun habe, etwa im Sinne der Dortmunder Vorschläge über
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Dr. Brechteine konsequente Einheitsbesteuerung oder im Sinne der Lubahnschen Grundrente oder im Sinne der Wertausgleichsabgabe, die der Herr Minister einmal selbst mit unterschrieben hat. Wir lassen alle Möglichkeiten offen, hier eine zweckmäßige und gute Konstruktion zu finden. Aber ohne eine solche Abschöpfung von Bodengewinnen, ohne eine Erfassung des unverdienten Vermögenszuwachses aus der Bodenwertsteigerung kann auf die Dauer kein nachhaltiger Einfluß auf die Bodenpreise gewonnen werden. Daraus erklärt sich unser zweites Anliegen, das wir in dieser Entschließung niedergelegt haben und das in der CDU-Entschließung völlig fehlt. Ich hoffe, daß Sie unserem Antrag folgen, mit dem die Bundesregierung ersucht wird, einen Gesetzentwurf über eine Bodenwertzuwachsabgabe vorzulegen.Ich glaube, wir kämen mit der Lösung des Problems sehr viel schneller zu einem Ziel und könnten sehr viel schneller befriedigende Verhältnisse auf dem Bodenmarkt herbeiführen, wenn auch nur angekündigt oder zu verstehen gegeben würde, daß wir alle nicht bereit sind, die Bodengewinne ins Uferlose Isteigen zu lassen, sondern daß wir im Interesse der Gesamtheit gemeinsam alles tun werden, um die Bodengewinne in den Griff zu bekommen.Wir freuen uns sehr über den Aufruf gegen die Bodenspekulation, den Herr Kardinal Frings in seinem Fastenhirtenbrief gebracht hat.
Ich darf Ihnen daraus vorlesen:
An die Besitzer von Bauland richte ich die dringende Mahnung, sich jeder Art des Wuchers mit Grund und Boden zu enthalten. Bei der ungeheuren Verknappung des Bodens und der immer noch herrschenden Wohnungsnot ist auch ein Zurückhalten von baureifem Land nicht mehr zu rechtfertigen, wenn Bauwillige sich melden und den gerechten Preis zahlen wollen.Wir sind für diese Erklärung sehr dankbar, wissen aber, daß diese Mahnung allein nicht genügt. Meine Damen und Herren, auch Sie werden kaum der Auffassung sein, daß es nur dieses Hirtenwortes bedarf, um den Bodenwucher zu unterbinden. Ich glaube vielmehr, wir sind verpflichtet, auch von uns aus und hier eine Maßnahme zu ergreifen, wie wir sie in unserem Entschließungsantrag empfohlen haben.Lassen Sie mich zum Schluß noch eine Bitte und eine Warnung aussprechen. Herr Will hat zu Beginn seiner Ausführungen mit Recht gesagt, daß es sich bei der Steigerung der Bodenpreise um ein Problem handele, das nicht verniedlicht und verharmlost werden dürfe. Ich möchte wirklich die Warnung aussprechen, auch an den Herrn Minister, auch an die CDU, daß dieses Problem nicht bagatellisiert werden darf. Es ist nicht nur ein Problem der Einzelbeispiele, und es ist nicht so, daß jetzt schon auf breiter Ebene gesagt werden kann, wie es der Herr Minister schon andeutete: Wir haben ein größeres Angebot von Grund und Boden. Nein, das kommt zwarauch einmal vor, aber das ist eine Einzelerscheinung, die man nicht verallgemeinern darf.Ich habe heute im DUD gelesen, daß nur ich der Sünder, der Bodenpreissteigerer bin, weil ich die Bodenpreise heraufgeredet haben soll. Dazu muß ich sagen: etwas Dümmeres kann wirklich nicht geschrieben werden als dies.
Es lohnt sich einfach nicht, sich mit einem solchen „Argument" auseinanderzusetzen.
— Wenn Sie Ihren Leuten glauben und vertrauen, dann müßten Sie darauf vertrauen, daß Ihre Bodenbesitzer im Sinne der Mahnung von Herrn Kardinal Frings keinen Bodenwucher treiben, sondern nachgeben und die Preise senken: Das wäre doch die Konsequenz, die eintreten müßte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Brecht, befinden sich in Ihren Reihen nicht auch Leute, die Boden besitzen? Sollten sich diese der Sache nicht auch ein bißchen annehmen?
Selbstverständlich. Aber ich darf dazu sagen: Dann müssen auch die Gemeinden genannt werden! Die tun es doch auch. Ich kann Ihnen scharenweise Fälle anführen, in denen wirklich Maßnahmen marktwirtschaftlicher Art ergriffen werden, um bodenpreisdrückend zu wirken. Das ist die Aufgabe.
— Ich habe nichts gegen die Kirchen gesagt, und ich erkenne in vollem Umfang an, daß auch die Kirchen in den vergangenen 10 Jahren viele Grundstücke dem Wohnungsbau zur Verfügung gestellt haben. Aber mindestens gleichzeitig gilt, daß es die Gemeinden auch getan haben.Ich möchte noch vor einem anderen Argument warnen, nämlich vor der Erklärung, die neuerdings auch zu hören ist: die Bodenpreise und ihre Steigerung lägen ebenso im Trend der allgemeinen Preissteigerung, und es sei in der Marktwirtschaft das Natürlichste von der Welt, daß auch die Bodenpreise steigen müßten. Im „Rheinischen Merkur" vom 17. Februar stehen noch die Sätze:In den Klein- und Mittelstädten ziehen die Bodenpreise zwar langsam an, halten sich jedoch durchaus im Rahmen der übrigen Preisbewegung.
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8186 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Dr. BrechtEin sehr beachtliches und meines Erachtens geradezu gefährliches Eingeständnis!
— Warum? Weil Sie die Bodenpreisentwicklung niemals gleichsetzen können etwa der Preisentwicklung von Strümpfen, von Seifen oder von Schuhen. Der verantwortliche Politiker muß eben ein anderes Verhältnis zum Boden haben. Der Boden ist eben keine Ware, die ersetzbar ist wie jede andere. Darüber aber kann man beinahe nicht mehr diskutieren. Hier geht es um das Bekenntnis, um das innere gesellschaftspolitische Verhältnis zum Boden, ob es Ware ist oder nicht, und wie man zur Spekulation steht. Aber hören Sie weiter, was der „Rheinische Merkur" gesagt hat:Aus den Großstädten und sonstigen Ballungsgebieten . . . wird in vereinzelten Fällen von stark überhöhten Preisen berichtet.Und nun das Eingeständnis, passen Sie bitte sehr genau auf:Das wird aber in einem marktwirtschaftlich orientierten Land immer so sein, wie auch in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wohnungsbau zutreffend ausgeführt wird.
Ich meine, wenn so die Bodenpreisentwicklung in eine unmittelbare Parallele zur Steigerung der Aktienkurse oder zur Steigerung der Preise für Goldmünzen oder zum sonstigen Wirtschaftsaufschwung gebracht wird, wie das Herr Platow an einer Stelle getan hat, dann hat man eben nicht das richtige Verhältnis zum Boden als einem nationalen Gut, das nicht wie eine Ware gehandelt werden kann.
— Nein, das tue ich sicher nicht, darauf können Sie sich verlassen. Aber wenn Sie wollen, lese ich Ihnen noch das Bekenntnis ,des alten Bundes der Bodenreformer vor, dem seinerzeit viele von Ihnen angehört haben und in dem auch Ihr Fraktionsvorsitzender Mitglied gewesen ist.
Darin steht genau das über das Verhältnis zum Boden und die daraus erwachsende Aufgabe, die ich hier vertreten habe.
Wir können uns aber freuen, daß es auch andere Stimmen gibt, Stimmen, die diese Bodenpreissteigerung angekreidet haben. Ich erinnere noch einmal an den Fastenhirtenbrief von Herrn Kardinal Frings. Ich erinnere daran, daß zahlreiche Pressestimmen— auch in der Presse, die nicht der SPD nahesteht— durchaus anerkannt und hervorgehoben haben, daß hier Preisvorgänge zu verzeichnen sind, die für unsere Volkswirtschaft, für unsere Konsumwirtschaft und für unsere Mietpreisentwicklung geradezu gefährlich sind. Ich erinnere an die Äußerung des DGB und an die Stellungnahme, die der Deutsche Mieterbund gegeben hat. Nun brauchen Sie nicht gleich wieder zu schreien, der Deutsche Mieterbund sei kommunistisch unterwandert. Wir sollten von diesen Dingen ernst und gewissenhaft reden. Wir alle tragen die große schwere Verantwortung. Wir sollten nicht nur an einer Novelle oder einer Änderung des Bundesbaugesetzes herumarbeiten, sondern uns ernst mit dem Problem beschäftigen, wie wir den fortgesetzten Steigerungen der Bodenpreise begegnen und sie unterbinden können.Denjenigen von Ihnen, die meinen, wir hätten die Sache aufgebauscht, wir hätten unnötigerweise Alarm geschlagen, wir hätten großes Theater oder Tamtam gemacht, möchte ich sagen: Sie hätten die Beschlüsse des SPD-Parteitages in Hannover etwas genauer lesen müssen! Wir haben nämlich bereits damals im Rahmen der sechs Punkte für die Wohnungspolitik einstimmig beschlossen:Die Zurückhaltung von Bauland ist durch gezielte Maßnahmen auszuschalten. Bodengewinne und Bodenwertsteigerungen sind zugunsten der Allgemeinheit abzuschöpfen.Unsere Große Anfrage ist die erste Maßnahme, um diesen eindeutigen Beschluß zu verwirklichen.
Wir bitten Sie, mit uns gemeinsam dem sozialen und gesellschaftspolitischen Krebsübel der fortgesetzten Bodenpreissteigerung wirksam entgegenzutreten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Brecht, um mit dem Letzten, was Sie gesagt haben, anzufangen: Wir haben das, was in Hannover geschehen ist, sehr wohl verfolgt. Wir waren aber der Meinung, daß Sie in Hannover zusammen waren, um zu überlegen, wie Sie die Wahlen gewinnen können. Auf der anderen Seite sind Sie böse, wenn wir diese Ihre
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8187
MickGroße Anfrage als wahltaktisches Manöver bezeichnen.
— Natürlich habe ich das nötig, Herr Jacobi!Herr Kollege Brecht, Sie sagten, daß Sie nicht gedächten, ein Plädoyer gegen das Bundesbaugesetz zu halten. Herr Kollege Brecht, ich bin der Meinung, daß Sie das auch gar nicht nötig hatten, denn dieses Plädoyer haben Sie schon so weit in der Öffentlichkeit gehalten, z. B. im SPD-Pressedienst, daß Sie das hier wirklich nicht zu wiederholen brauchten.
Für die Öffentlichkeit, Herr Dr. Brecht, sieht das dann so aus: „Die mit dem Bundesbaugesetz eingeführten Maßnahmen funktionieren nicht, sie sind mindestens bis jetzt wirkungslos. Den Bausparern ist nicht damit gedient", usw. Warum Sie das hier noch wiederholen sollten, ist mir unerfindlich; denn Sie nehmen doch sicher an, daß wir, wenn wir vor einer solchen Debatte stehen, auch den SPD-Pressedienst lesen.Nun wehre ich mich aber entschieden dagegen, Herr Dr. Brecht — das bin ich schon meiner Herkunft schuldig, denn ich habe noch nie Dinge vertreten, die nicht mit meiner sozialen Auffassung übereinstimmen; für mich ist jedes Eigentum sozialverpflichtet, auch das Eigentum, das ich vielleicht einmal selbst besitze, ist sozialverpflichtet —, daß Sie nun einfach unterstellen, wir verträten jetzt die These, der früher umgangene Stopppreis sei heute der Normalpreis, das sei jetzt in Ordnung und damit hätten wir uns abzufinden. — Wir haben uns oft genug sehr ernsthaft darüber unterhalten, daß das kein guter Zustand ist. — So, Herr Dr. Brecht, haben wir nicht gewettet, so sollten Sie nicht mit uns diskutieren. Das haben weder der Minister noch Ihre Kollegen im Ausschuß verdient. Das ist Schaumschlägerei, aber keine ernsthafte Diskussion.
Herr Kollege Dr. Brecht, Sie kennen genau die Situation, die bestand, bevor wir überhaupt zur Beratung des Bundesbaugesetzes kamen. Sie wissen auch, welcher Ruf damals erhoben wurde: Aufhebung des Preisstopps, und zwar bedingungslose Aufhebung des Preisstopps, jenes Preisstopps, von dem wir alle wußten, daß nicht mehr viel dahinter stand. Sie wissen ebenso gut, daß wir uns mit aller Entschiedenheit dagegen gewehrt haben, eine Aufhebung des Preisstopps auch nur zu erwägen, bevor andere Maßnahmen getroffen waren. Glauben Sie doch nicht im Ernst, daß meine Freunde und ich hier eine Spiegelfechterei anstellen, uns zwei Jahre hinsetzen, um bis zur oft physischen Erschöpfung — Sie waren selbst dabei — ein Gesetz zu beraten und schließlich zu verabschieden, von dem wir selbst nicht glauben, daß es etwas taugt!Herr Dr. Brecht, das Bessere ist des Guten Feind, und von uns hat heute niemand das Recht und es ist einfach unfair — ich bin Herrn Will für seine Worte in diesem Zusammenhang dankbar —, heuteschon Dinge zu verdammen, die man in ihrer Konsequenz noch gar nicht absehen kann.
— Ich weiß nicht, wie gut Sie rechnen können, Herr Jacobi; es haben sich aber schon andere Leute verrechnet als der Herr Abgeordnete Jacobi.
— Was Sie hier soeben gesagt haben? Beruhigen Sie sich nur, Herr Kollege Jacobi, ich komme auf einige Passagen noch zusprechen. Man kann nicht alles auf einmal tun.Solange nach dem Kriege Wohnungen gebaut wurden — insbesondere im sozialen Wohnungsbau —, hatten wir immer große Sorgen. Ich glaube, das ist unbestritten. Es ging noch nie etwas so glatt, daß wir restlos glücklich waren. Wenn öffentliche Mittel zur Verfügung standen, waren keine I. Hypotheken da, und wenn I. Hypotheken da waren, dann fehlten die öffentlichen Mittel, dann waren die Hypothekenzinsen zu hoch; dann kam die KoreaKrise, dann kamen Kreditrestriktionen usw. usw. Es war immer ein großes Geschimpfe und Genörgel. Wenn dann aber die Richtfeste gefeiert wurden und wenn alle diese Schwierigkeiten überwunden waren, dann wurden auf einmal gute Reden gehalten, Reden, die von Stolz auf eine Leistung erfüllt waren. Das gilt sowohl für den einzelnen Bauherrn als auch für Wohnungsunternehmen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wir hatten viele Anstände mit dem Wohnungsbau. Aber wenn wir dann am Ende eines Jahres hier symbolisch Richtfest feierten und feststellten: Trotz allem haben wir wieder 500 000, 560 000, 580 000 Wohnungen gebaut, dann wußten wir doch, daß etwas geleistet worden war.Es gibt sogar Leute, die dem Herrn Bundeswohnungsbauminister vorgeworfen haben, er sei ein ehrgeiziger Mann, der nichts anderes im Schilde habe, als in Permanenz neue Rekorde im Wohnungsbau aufzustellen. Das sage ich, um hier auch eine andere Seite zu Wort kommen zu lassen.Nun sind wir wirklich nicht der Meinung, daß man bei Fragen, die mit ,den Baupreisen zusammenhängen, und auch bei sonstigen Sorgen, die wir im Wohnungsbau, insbesondere im sozialen Wohnungsbau, im Augenblick haben und praktisch immer gehabt haben, die Schwierigkeiten einfach mit einer Handbewegung abtun und sagen kann: Es ist alles in bester Ordnung. Wogegen wir uns aber mit aller Entschiedenheit wehren, ist, daß nun mit aller Gewalt — und ich befürchte: aus ganz bestimmten Gründen — ein Karnickel gesucht wird, das für negative Zustände verantwortlich gemacht werden soll. Ich befürchte ebenfalls, daß es deshalb geschieht — Herr Dr. Brecht, diesen Verdacht haben Sie bei Kleinigkeiten so oft an unsere Adresse ausgesprochen —, weil große Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen. Dann macht es sich ganz gut, wenn
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8188 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Mickeine böse Regierung, eine böse Mehrheit usw. Gesetze verabschiedet und dann gerade wegen des Gesetzes etwas nicht florieren kann. Nun sollen Dinge bagatellisiert, als nicht wahr hingestellt werden, weil man es sich politisch nicht erlauben kann usw. usw.Ich glaube, daß wir sehr wohl zwischen den Polen, dem Pol der Gerechtigkeit auf der einen Seite und dem, was praktisch möglich ist, auf der anderen Seite, gerungen haben, um zu einer Lösung der anstehenden Probleme zu kommen, und daß es schon wert ist, diese Tatbestände etwas näher zu umreißen.Was Sie, Herr Dr. Brecht, eine gerechte Lösung nennen, braucht nicht meine gerechte Lösung zu sein, und was dem Mann, der ein Eigenheim bauen will, gerecht erscheint, das braucht für den Bauern, der seine Existenz verliert und für den der Boden auch nicht vermehrbar ist,
noch lange nicht gerecht zu sein. Zwischen diesenbeiden Polen gilt es, sich hindurchzumanövrieren.Daß das nicht einfach ist, werden Sie mir zugeben.Ich bin überzeugt, Herr Dr. Brecht, wir hätten im Bundesbaugesetz vielleicht gerechtere Lösungen finden können. Aber wie lange diese gerechten Lösungen hätten auf sich warten lassen, bis sie eine Lösung gewesen wären, das ist ein Frage, die wir sehr eingehend zu untersuchen hätten. Ich bin ein Mann der Arbeiterbewegung, wenn auch nicht ein Mann der Arbeiterbewegung, die auf Ihrem Flügel sitzt. Ich weiß, wie lange, wie unendlich lange man kämpfen muß, um recht zu bekommen.
— Verehrte Frau Kollegin Heise, dort, wo Ihre Kollegen vertreten sind, noch härter. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Deutschen Gewerkschaftsbund,
dessen Mitglied ich bin.
Sie haben heute und auch bei der Beratung des Bundesbaugesetzes vorgeschlagen; einen Planungswertausgleich durchzuführen; es war auch von einer Grundrentenabgabe die Rede, und so weiter und so fort. Schön, Lösungen, von denen man sagen könnte, daß sie einem Gerechtigkeitsprinzip entgegenkommen. Aber wer sagt denn, daß unter diesen Bedingungen auch nur ein einziger seinen Grund und Boden verkauft? Wer gibt Ihnen die Gewähr, daß dadurch überhaupt Boden angeboten wird? Dann müßten Sie zweifellos solche Lösungen, auch die, die Sie heute erneut vorgeschlagen haben, mit Regelungen verbinden, die ich mir nicht anders vorstellen kann, als daß die Enteignungsbestimmungen in starkem Maße verschärft werden.Sie selbst, Herr Kollege Dr. Brecht, haben bei den Verhandlungen die Enteignung als letztes Mittel bezeichnet. Ich nehme also an, daß Sie mit dieserMöglichkeit der Enteignung nicht leichtfertig umgehen wollen. Dann müssen Sie mir allerdings auch sagen, wie Sie mit Ihren jetzigen Vorschlägen zum Zuge kommen wollen, ohne die Enteignung entsprechend zu erleichtern und zu einem frühen Zeitpunkt möglich zu machen. Sonst verstehe ich nicht, wie man hier schnell — und darauf kommt es an — Wirkungen sollte erzielen können.Niemand ist wohl unter uns, der Bodenspekulanten verteidigt. Es ist auch niemand unter uns, der die Praktiken bestimmter Makler verteidigt. Nun, ich habe immer ein etwas eigenartiges Gefühl bei dem Wort „Makler", weil man gewöhnlich vor dieses Wort noch „ehrlicher" hinzusetzen muß. Ich glaube, das ist der einzige Berufsstand, bei dem das der Fall ist. Es wäre vielleicht gut, wenn einmal in den eigenen Reihen der Makler Umschau gehalten würde nach Elementen, die dieses Attribut „Makler" nicht verdienen.Herr Dr. Brecht, Sie haben die Gemeinden immer so in cumulo behandelt. Sie haben von den Gemeinden immer in cumulo als den guten Leuten gesprochen, die sich bis auf das letzte entäußert haben. Dazu muß wohl auch gesagt werden, daß es auch unter den Gemeinden solche und solche gibt, solche, die sich in der Tat bis aufs Hemd ausgezogen haben, aber auch solche, die noch ein ganz nettes — ich hätte fast gesagt: Fettpolster, aber hier .heißt es wohl: — Bodenpolster haben, zum Teil, Herr Dr. Brecht, auch in Gebieten, die wir als Ballungsräume der Wohnungsnot ansehen. Das ist etwas, was wir als einzelne auf kommunaler Ebene auszutragen haben, und ich glaube, daß auf meiner kommunalen Ebene schon Entsprechendes geschehen ist und auch weiter geschehen wird.Nun war beim Bundesbaugesetz unsere Hauptidee nicht die, daß über die Grundsteuer C oder auch vorzeitige Erschließung allein Wirkungen zu erzielen seien. Wir waren vielmehr immer der Ansicht und haben das auch immer vertreten, daß diese Maßnahmen gebündelt getroffen werden müssen. Wir haben vor allen Dingen darüber gesprochen, daß wir eine Vermehrung des Angebots an Bauboden erreichen wollen. Ich war lange genug in der Kommunalpolitik, um zu wissen, daß es vor Verabschiedung des Bundesbaugesetzes den Gemeinden zum Teil einfach unmöglich war — finanziell unmöglich war —, in großem Umfange Gelände zu erschließen; sie waren einfach nicht in der Lage, auf Jahre hinaus im voraus die Erschließung zu finanzieren. Diesen Nachteil haben wir im Bundesbaugesetz beseitigt, und es ist den Gemeinden vom Finanziellen her heute zweifellos möglich, Bauland, auch wenn es nicht der Gemeinde gehört, in größerem Umfang und ohne daß sie sich auf Jahre, vielleicht auf ein Jahrzehnt hinaus im voraus finanziell exponieren müssen, vorzusehen. Daß auch das, Herr Dr. Brecht, nicht von heute auf morgen geht, daß dem Planungen vorauszugehen haben usw., ist wohl klar.Daß gewisse Bestimmungen des Bundesbaugesetzes, gerade betreffend die bodenordnenden Maßnahmen, so spät wirksam werden konnten, liegt ja nicht zuletzt daran, daß die Gemeindevertreter, die
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Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8189
MickVertreter der kommunalen Spitzenverbände darum baten, diese Bestimmungen später in Kraft zu setzen, weil sonst die Gemeinden einfach nicht in der Lage wären, die Vorarbeiten entsprechend zu leisten; und Ihre Fraktion war es, die dem lebhafte Unterstützung lieh. Das waren Argumente, denen wir uns nicht verschließen konnten. Dann darf man aber heute nicht sagen: „Das alles ist ja noch gar nicht in Kraft getreten."Es gibt nun noch größere Sorgen darüber hinaus, und zwar Sorgen, die wir zweifellos mit den jetzigen Möglichkeiten zu beheben nicht in der Lage sind. In der vergangenen Woche hörte ich im Rundfunk, daß in Düsseldorf der erste Spatenstich zu einer Satellitenstadt von 40 000 Einwohnern getan wurde und daß der leitende Mann der Düsseldorfer Stadtverwaltung dann gleichzeitig sagte: „Das ist das letzte Gelände, das wir in Düsseldorf zur Verfügung stellen können; darüber hinaus können wir in großem Umfang nichts mehr erschließen, weil wir nichts mehr haben." Ich glaube, dieser Fall Düsseldorf steht nicht allein; es wird schon jetzt noch mehr solcher Fälle geben, und in Zukunft werden noch mehr auftauchen. Von hierher gesehen werden die Fragen der Raumordnung sehr dringend und entscheidend für das, was weiter geschehen soll.Aber auch hier habe ich noch etwas zur Gemeindepolitik zu sagen. Mir scheint, daß wir, wenn in manchen Gemeinden die Ämter für Wohnungsbau und Wohnungsbauförderung so gut arbeiten würden und könnten wie die Ämter für Wirtschaftsförderung, in manchen Punkten dieses Desaster vor allen Dingen in den Ballungszentren nicht in dem Maße hätten, wie es heute der Fall ist. Darüber kann ich mir wohl ein Urteil erlauben, welche Klimmzüge hier gemacht worden sind, um diesen und diesen und noch einen und noch einen Betrieb an Land zu ziehen, ehe man den ersten Gedanken daran verschwendet hatte, nun auch die erste Wohnung für die Arbeitskräfte zu bauen.
Und wenn ich dazu jetzt noch höre, daß man sich z. B. im Fall München schon jetzt lebhafteste Sorge darüber macht, wie man über die Einheimischen hinaus nun auch noch all die Pendler in der Stadt unterbringen soll, so scheint mir, daß man dabei von völlig falschen Voraussetzungen ausgeht. Hier müssen andere Überlegungen angestellt werden, die Fragen, die uns aufgegeben sind, zu lösen.Die vielgeschmähte Baulandsteuer C ist, nebenbei gesagt, ein Mittel, das in einer stärkeren Dosierung verabreicht werden könnte, wenn die jetzige Dosierung nicht genügt. Es ist absolut keine Feigheit von uns, daß wir diese Steuer nicht von vornherein höher angesetzt haben. Im Gegenteil, wir haben uns ja sehr viele Gedanken darüber gemacht, daß es Gebiete gibt, in denen diese Steuer überhaupt nicht notwendig ist, nämlich in den Gebieten mit geringer Bautätigkeit. Wenn wir den Gemeinden hier Variationsmöglichkeiten durch die Hebesätze geben, so ist das doch wirklich keine Feigheit, sondern wir geben lediglich eine Möglichkeit, je nach den örtlichen Notwendigkeiten das zu tun, wasgetan werden muß. So wie wir keinen einheitlichen Baumarkt in der Bundesrepublik haben, haben wir auch keinen einheitlichen Bodenmarkt in der Bundesrepublik.Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn wir aus der heutigen Großen Anfrage der SPD ein Fazit ziehen sollten, dann dieses: daß wir gewillt sind, alles zu unternehmen, damit die Baulandpreise in einem erträglichen Rahmen bleiben beziehungsweise auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden. Das erreicht man nicht, indem man Panikstimmung gegen Bestimmungen erzeugt, die überhaupt noch nicht in Kraft getreten sind beziehungsweise wirksam werden konnten. Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn, und man soll keinen jungen Hund ersäufen, da man noch nicht weiß, was aus ihm wird. So darf ich abschließend sagen, daß wir die Entwicklung der Bodenpreise mit großer Sorge und großer Aufmerksamkeit weiter beobachten werden, ebenso die Maßnahmen, die das Bundesbaugesetz hier vorsieht, und wie sie wirken. Wir werden vor allem beobachten, ob und inwieweit sie auch angewendet werden. Wenn Sie uns dann nachweisen, daß hier nicht genug getan ist, können wir darüber die nächste Debatte führen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schröter .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet, weil ich es für nötig halte, daß dem Herrn Minister auf einige seiner Ausführungen eine sehr deutliche Antwort gegeben wird. Herr Minister Lücke, Sie haben es für nötig gehalten, dieses wichtige staatspolitische Problem, das alle Völker schon einmal bewegt hat und nun auch unser Volk und vor allem seine Abgeordneten wieder einmal besonders bewegen sollte, das Bodenproblem, hier zu behandeln und die Dinge zu vernebeln,
indem Sie das Stichwort ausgeben, das Ihre getreuen Fraktionspaladine soeben aufgenommen haben, von einer Panikmache der Sozialdemokratie, von einer Irreführung der öffentlichen Meinung, von der Diskriminierung des Bundesbaugesetzes. Sie haben den Appell an die Sozialdemokratische Partei gerichtet, sie möge in den Gemeinden und in den Ländern dafür sorgen, daß das Gesetzerfüllt werde.Herr Minister, ich darf Sie daran erinnern, daß die sozialdemokratische Fraktion und ihre Vertreter in den Ausschüssen Ihre getreuesten Mitarbeiter waren. Fragen Sie Ihren Herrn Staatssekretär! Ich selber weiß das aus eigener Erfahrung, und ich habe ja auch einmal mit dem Abgeordneten Lücke zusammengearbeitet. Wir wissen, wie schwierig die Regierungsvertreter es hatten, sich gegen ihre eigenen Parteifreunde sowohl im Wohnungsbauausschuß wie im Rechtsausschuß durchzusetzen und wie verzweifelt sie manchmal waren — ich will nicht aus der Schule plaudern —, wie sie von ihren eigenen Leuten im Stich gelassen wurden, wie die Opposi-
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Schröter
tion dann heranmußte und sich überwinden mußte einzuspringen.Das wissen Sie, Herr Minister, das weiß Ihr Staatssekretär, und deshalb ist es nicht angängig, daß Sie die Behandlung dieses wichtigen Problems einleiten, indem Sie die Sozialdemokratie beschuldigen, sie bringe diese Dinge jetzt nur aus wahltaktischen Erwägungen vor. Herr Minister, es geht hier um ein sehr ernstes Problem. Ich weiß, daß Sie im Gegensatz zu vielen Ihrer Parteifreunde dieses Problem in seiner ganzen Tragweite erkennen. Deswegen wende ich mich an Sie ganz persönlich, um Ihnen zu sagen: Die Sozialdemokratie betreibt hier keine Panikmache, sondern sie warnt rechtzeitig. Es hat oft im deutschen Volke Situationen gegeben, in denen solche Warnungen notwendig waren. Wir können ja mal in die Geschichte zurückschauen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere dieser Dinge noch; ich weiß das auch noch aus eigenem Erleben.Im Kaiserreich hatten wir einmal eine Kolonie Tsingtau, auf 99 Jahre von den Chinesen gepachtet. Da war man plötzlich zu der Erkenntnis gekommen: Wenn wir dort im fernen Osten jetzt investieren, werden wahrscheinlich andere kommen und die ganzen Gewinne einheimsen. Da wußte man — und man hörte auf die Warnungen derjenigen, die sie erhoben —, daß die Haifische, die Bodenspekulanten sich zuerst da bereichern würden. Da hat Vizeadmiral Schrameyer mustergültig Ordnung geschaffen und eine menschenwürdige Siedlung aufgebaut aus den Erträgnissen der Bodengewinne.Die Australier haben ihre Hauptstadt Canberra in einer öden Gegend errichtet, die bezüglich des Bodens absolut wertlos war. Aber durch die Arbeit und die Opfer der Allgemeinheit wurden die Gewinne und der Wert des Bodens gesteigert. Sie haben diese Gewinne abgeschöpft und damit eine mustergültige Stadt erbaut, in der alle öffentlichen Einrichtungen ohne Belastung der Bürger im allgemeinen nur aus diesen Bodengewinnen finanziert wurden. Vielleicht können die Herren einmal hinfahren und sehen, daß diese Stadt Canberra, die in einer öden Gegend errichtet wurde, sich ganz gut entwickelt hat. Dort drohte keine Enteignung und gab es keine Gefahr für das Eigentum, das heilige Palladium.Meine Damen und Herren, hier sind Zwischenrufe von Herrn Czaja und Herrn Pelster gekommen, und Herr Mick hat Ausführungen gemacht, die eine so profunde Unkenntnis des Bodenrechtsproblems bewiesen, daß man geneigt wäre, ihnen ein Privatissimum darüber zu lesen. Der Boden ist keine Ware, die man beliebig vermehren und irgendwohin transportieren kann wie die anderen Waren. Der Boden trägt Monopolcharakter, und diesen Monopolcharakter nutzen die Spekulanten aus, und zwar besonders in bedrängten Zeiten des Volkes. Das weiß der Herr Minister, und wir haben ja einmal gemeinsam eine Ausgabe unterschrieben. Deswegen stellen wir rechtzeitig diesen Antrag, Herr Minister, nicht aus Daffke, nicht um Ihnen Schwierigkeiten bei der Wahl oder sonstwie zu machen, sondern um Ihnen Gelegenheit zu geben, hier wirklich ander richtigen Stelle den Hebel anzusetzen. Deshalb unser Antrag; und wir erwarten von Ihnen, daß Sie sich ernsthaft damit auseinandersetzen.Die SPD, sagte ich, hat Sie gestützt. Wir haben Sie immer wieder gestützt. Sie können das Protokoll des Rechtsausschusses nachlesen, dort werden ja Wortprotokolle geführt. Es war zum Erbarmen, wie jedesmal um die Waffe gekämpft wurde, die Sie, Herr Minister, in die Hand bekommen sollten, um das Problem zu lösen, zu entschärfen. Da kam man mit den geringsten Kleinigkeiten; es gab immer noch eine Gruppe, die berücksichtigt werden mußte. Es war zum Verzweifeln, und man konnte schon annehmen, es bleibt überhaupt nichts mehr übrig.Wenn wir jetzt rechtzeitig warnen und Ihnen dazu noch etwas in die Hand geben wollen, Herr Minister, dürfen Sie darin keinen Angriff sehen und keine Übellaunigkeit einer anderen Parteifakultät. Sie müssen vielmehr den Ernst von Männern aus der Opposition sehen, die sich hier zusammengefunden haben, die dieses Problem erkannt haben und um dessen Lösung schon seit Jahrzehnten ringen.Herr Minister, wie wäre es, wenn Sie einmal eine Erhebung darüber anstellen ließen, wie die Bodenpreise hier, seitdem Bonn Bundeshauptstadt geworden ist, gestiegen sind? Sie sind doch nicht deshalb gestiegen, weil die Bodenbesitzer hier so tüchtig sind, sondern weil das gesamte deutsche Volk jetzt hier seine Zentralstelle hat. Deshalb sind gewisse volkswirtschaftliche Wirkungen eingetreten. Diese kann sich aber nicht der einzelne zuschreiben. Wie wäre es, wenn wir darüber einmal einen Bericht bekämen? Wir kennen bis jetzt nur allgemeine Schätzungen, die in der Presse veröffentlicht wurden. 1952 kostete drüben auf ,dem Gelände, das wir sehen, wenn wir aus dem Bundeshaus rausgucken, der Quadratmeter 4 DM; heute kostet er 64 DM. In Godesberg damals 4 DM; jetzt 40 DM. Wie wäre es, wenn wir darüber mal genaue Auskünfte bekämen? Das Volk sollte sehen, daß es hier nicht darum geht, Leute zu enteignen; das wird ja immer unterstellt. Die Leute werden ja entschädigt. Außerdem sind so viele Bremsen eingebaut, die dafür sorgen, daß die Methode: „Wasch mir den Pelz und mach mich nicht naß" zum Zuge kommt.Herr Minister, das würde ich für gut halten. Dann hätten wir einen Ansatzpunkt, von dem aus wir endgültig vorgehen könnten. Mit Moralpredigten kommen Sie den Haifischen auf dem Gebiet der Bodenpreise genausowenig bei, wie Herr Minister Erhard den Haifischen auf dem Gebiet der sonstigen Preise mit Moralpredigten beikommt. Der Heilige Franziskus hat den Vögeln gepredigt; das hat vielleicht eine gewisse symbolische Bedeutung. Den Haifischen Moralpredigten zu halten, hat keine Wirkung.Merken Sie, meine Herren, denn nicht, wie ernst dieses Problem ist, wie hier unsere Gesellschaft unterminiert wird? Sie müssen diesen Kräften, die ebenso gefährlich sind wie die Kommunisten auf der anderen Seite, beikommen; Sie .müssen ihnen energisch Halt gebieten. Dazu will die SPD-Fraktion Ihnen eine Möglichkeit geben.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8191
Schröter
Auf Einzelheiten möchte ich jetzt nicht eingehen. Wir werden im Ausschuß Gelegenheit haben, über die Dinge zu reden. Etwas möchte ich zum Schluß aber noch sagen. Ich wollte dem Herrn Minister schon einmal in einem Zwischenruf zurufen: „Sagen Sie dem Minister, daß er Achtung haben soll vor den Träumen des Abgeordneten Lücke!" Scheinbar handelt es sich jetzt um Träume; diese haben aber eine sehr reale Grundlage.Wenn dann gesagt wurde, die Gutachter hätten ausgeführt, das festzustellen sei zu schwierig, dann frage ich mich: warum haben andere Länder und Städte früher — ich könnte viele Beispiele anführen — Möglichkeiten gefunden, Bodengewinne zu erfassen? Also, Herr Minister, gehen Sie ans Werk und vergessen Sie nicht, was Sie als Abgeordneter gedacht und auch gefordert haben. Vielleicht haben wir dann die Freude, daß Sie gemeinsam mit der Opposition das große Problem lösen, das uns gestellt ist. Es handelt sich hier um eine Schicksalsfrage; das soll nicht pathetisch gesagt sein. Denken Sie daran: es gibt Stunden, die man nicht verpassen darf.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schröter, ich bin hierhergekommen, um Ihnen dafür zu danken, daß Sie uns bei der Durchbringung des Bundesbaugesetzes in verschiedenen Situationen wesentliche Unterstützung angedeihen ließen, und weil Sie mit großem Ernst über diese Frage gesprochen haben. Sie sind ja aus der Bodenbewegung hervorgegangen.
Sie ermahnten mich gelegentlich auch mit echter Menschlichkeit, daß ich als Minister nicht die Träume meiner Abgeordnetenzeit vergessen sollte. Herr Kollege Schröter, ich kann Ihnen sagen, daß aus diesen Träumen zumindest ein Gesetz geworden ist, ein Bundesbaugesetz, das auch in Ihrer Fraktion als ein bedeutender Schritt auf diesem Gebiet angesehen wird.
Herrn Kollegen Jacobi mußte ich mit sehr harten Worten antworten. Er sprach bei der Begründung der Großen Anfrage davon — ich zitiere aus dem Gedächtnis —, daß die Regierung verantwortungslos gehandelt und nichts getan habe. Ich habe ihm gesagt, daß das, was hier geschieht, was hintergründig läuft, ernster ist. Ich ermahne in diesen Wochen, in denen die Bestimmungen in Kraft treten, die Menschen, zu warten, wenn überhöhte Preise gefordert werden. Ich muß sagen, daß das nicht verantwortungslos ist, daß ich es aber als Panikmache ansehe, wenn die SPD-Fraktion in dieser Weise zu dem Thema spricht. Das habe ich vorhin ausgeführt, und ich stehe dazu. So wie Sie, Herr Kollege Schröter, gesprochen haben, muß 'die Diskussion geführt werden. Um das Ihnen und Ihrer Fraktion zu sagen, dazu bin ich hierhergekommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Begründung der Großen Anfrage der SPD durch Herrn Kollegen Jacobi sprach der Pessimismus, der ihm so oft in diesem Hause eigen gewesen ist, wenn es sich darum gehandelt hat, auf dem Gebiete der Wohnungs- und Grundstückswirtschaft die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft einzuführen. Die Entwicklung hat ihm stets unrecht gegeben. Das wird man ohne weiteres sagen können, wenn man die Entwicklung seit dem Jahre 1950 einmal übersieht.
— Nein, den Baulandmarkt nicht, die gesetzgeberischen Maßnahmen.
Ich sage, Sie haben bei allen Vorlagen, die hier zur Erörterung standen, immer Pessimismus an den Tag gelegt. Dieser Pessimismus hat sich nachher stets als nicht gerechtfertigt erwiesen. Ich spreche hier nicht von dem Baulandmarkt. Daß Sie da in der Vergangenheit pessimistisch waren, mag sein. Da handelt es sich weniger um gesetzgeberische Maßnahmen. Heute haben Sie den Pessimismus bei der Beurteilung der Auswirkungen und der Anwendung des Bundesbaugesetzes erneut bewiesen.Man kann doch wohl sagen, daß sich die Vertreter der SPD, die heute gesprochen haben, trotz Bekenntnisses zur sozialen Marktwirtschaft, anscheinend mit dieser sozialen Marktwirtschaft sehr schwer tun. Herr Kollege Brecht hat ausgeführt, daß das Programm von Hannover gezielte Maßnahmen fordert, um die soziale Marktwirtschaft zu verwirklichen. Eben das — gezielte Maßnahmen in der verschiedensten Weise — ist der Inhalt des Bundesbaugesetzes. Dabei haben wir keineswegs — das möchte ich gleich vorangestellt haben — daran gedacht, die Schwarzmarktpreise zu sanktionieren. Im Gegenteil: wer an den langen Beratungen teilgenommen hat, weiß, daß es unser Bestreben und unser Ziel immer gewesen ist, durch unsere Gesetzgebung zu einem Markt und zu Preisen für den Grund und Boden zu kommen, die wir für vertretbar halten. Niemals haben wir daran gedacht, den Preisen, die damals als Schwarzmarktpreise galten, Ewigkeitsbedeutung zu geben. Aber wir haben immer den Standpunkt vertreten, das könne man nur durch Mehrung des Angebots erreichen. Diese Mehrung des Angebots wollten wir vor allen Dingen durch entsprechende Planung und Erschließung von Grund und Boden erreichen.Gerade die Vorschriften über die Planung und Erschließung treten erst am 1. Juli dieses Jahres in Kraft. Sie, meine Herren von der Opposition, sind es doch mit gewesen, die damals in den Beratungen des Ausschusses darauf gedrängt haben, daß diese Vorschriften erst am 1. Juli in Kraft treten. Wir hätten einen früheren Zeitpunkt vorgezogen; aber Sie und die Länder waren dieser Mei-
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Dr. Hesbergnung. Wir haben dann wohl oder übel darin eingewilligt.
— Es kommt darauf an, wie man das beurteilt, Herr Jacobi. Wir sind der Auffassung, daß das Bundesbaugesetz ein abgewogenes System der verschiedensten Maßnahmen darstellt, das geeignet ist, den Baulandmarkt und die Baulandversorgung zu beleben. Wenn Sie uns unterstellen, daß man das in wenigen Wochen erreichen könnte, dann unterlassen Sie vollkommen, sich einmal den Verlauf der Beratungen des Bundesbaugesetzes vor Augen zu führen. In den ganzen Beratungen waren wir davon ausgegangen, daß es ein langwieriger Prozeß ist, aus der Zeit der Zwangsbewirtschaftung des Bodens zur sozialen Marktwirtschaft überzuleiten.Nun möchte ich noch ein paar Worte zu dem sagen, was in der Diskussion bzw. in der Begründung des Herrn Kollegen Jacobi ausgeführt worden ist; sodann werde ich unseren Entschließungsantrag begründen. Sie haben die Entwicklung seit dem Inkrafttreten der Bestimmungen über den Preisstopp usw. in Ihrer Großen Anfrage in Bausch und Bogen verurteilt. Sie haben auch die These vertreten, seit diesem Tage sei auf der ganzen Linie eine Preissteigerung zu verzeichnen. Dem stehen Berichte von Organisationen, Sachverständigen und dergleichen gegenüber, die anders urteilen. Wir haben uns nach der schweren Anklage der Großen Anfrage ebenso veranlaßt gesehen, die verschiedensten Stellen zu befragen, wie das auch die Bundesregierung getan hat. Aus den zusammenfassenden Berichten, die uns vorliegen, können Sie Gegenteiliges entnehmen; ich nenne den Bericht des Volksheimstättenwerkes, den Bericht der Bundesvereinigung deutscher Heimstätten, die Stellungnahme des Deutschen Städtebundes, die Stellungnahme des Siedlungswerkes der Evangelischen Kirche, die Haltung der GAGFAH, auch den Bericht der Kleinwohnungsbau AG Krupp und den der Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten, — wirklich unabhängige Einrichtungen. Die Berichte legen dar, daß seit der Aufhebung des Preisstopps eine gewisse Preissteigerung sich lediglich noch in Ballungszentren — hier aber keineswegs allgemein — fortgesetzt hat. Jedoch wird allgemein die Ansicht vertreten, daß der Trend nach oben aufgehört habe und ein Kulminationspunkt gekommen sei.
Es ist doch überhaupt noch nicht zu erwarten, daß sich die Maßnahmen auswirken konnten, die am 1. November in Kraft getreten sind. Denn erst heute geben die Gemeinden die Baulandsteuerbescheide heraus, und die meisten Gemeinden sind noch nicht daran gegangen, die Baulücken mit der Baulandsteuer zu belegen. Das läuft doch alles erst an. Es ist erklärlich, daß man zuerst einmal abwartet, was sich hier ergibt. Wichtig ist, daß sich fast überall, auch jetzt schon, das Angebot trotz des in gewissen Bezirken festzustellenden anhaltenden Steigens der Preise mehrt.Man muß die Preissteigerungen, die noch zu verzeichnen sind, aber auch einmal analysieren. Aus der Unzahl der Berichte, die uns vorliegen, ist beispielsweise über die Unterschiede im Preisspiegel und in der Preisbewegung sehr Interessantes zu entnehmen. Wiederholt wird uns berichtet, daß gerade die Preissteigerungen in kleineren Gemeinden, die in den letzten Monaten noch eingetreten sind, sehr oft sogar und nicht zuletzt auf die Anhebung der Erschließungskosten zurückzuführen sind, die in den Preisen für Grundstücke, die von Anliegerbeiträgen frei sind, zum Ausdruck kommen. Es ist eine allgemeine Erscheinung, daß die Erschließungskosten steigende Tendenz haben. Auch Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, werden derartige Tabellen wahrscheinlich bekannt sein.Ich möchte hier einmal ganz deutlich herausstellen, daß die Preise vor allen Dingen in den Ballungszentren, aber auch in anderen Gemeinden, in denen noch solche Auftriebstendenzen festgestellt wurden, sehr maßgeblich von den Großabnehmern beeinflußt werden. Es sind die Großabnehmer, die die Preise verderben, die so sehr zur Anhebung der Preise beitragen. In Hamburg z. B. hat das größte gemeinnützige Unternehmen 125 ha zu einem verhältnismäßig hohen Preis aufgekauft. Andere Unternehmen haben sich dem Beispiel angeschlossen. Ein solcher voluminöser Grundstücksumsatz mußte natürlich geradezu zu einer Torschlußpanik führen; es mußte sich ein allgemeiner Preisanstieg ergeben. Wenn das nun noch von Unternehmen mit maßgebender gemeindlicher Beteiligung geschieht, kann man das nur auf das entschiedenste verurteilen, weil die Leidtragenden die Baulandbewerber aus den Kreisen der Arbeiter, Angestellten, Beamten und des Mittelstandes sind.
Eine solche Handlungsweise hat mit Gemeinnützigkeit nichts mehr zu tun.
Hamburg ist aber kein Einzelfall. Riesige Aufkäufe durch große Unternehmen sind auch andernorts, und zwar sowohl in Großstädten als auch in Kleinstädten, festzustellen. So wird beispielsweise berichtet, daß die Gemeinde Eningen in der Nähe von Reutlingen in der letzten Zeit 8 ha aufgekauft und dafür 15 Millionen DM gezahlt habe, also 18,75 DM pro Quadratmeter. Jetzt verlangt sie mit Erschließungskosten 45,70 DM für den Quadratmeter.
Daß das entsprechende Rückwirkungen auf die Preise in Reutlingen haben muß, kann man sich vorstellen. In Verden an der Aller hat ein auswärtiges Unternehmen einen großen Besitz erworben, den es zunächst noch gar nicht bebauen will. Das Unternehmen vergibt den Boden auf eine Reihe von Jahren zu einem recht anständigen Pachtzins, um ihn dann später zu bebauen. Dadurch ist der örtliche Beamtenbauverein benachteiligt, weil er nicht in der Lage ist, diese Methode mitzumachen.Solche Hortungen am Stadtrand sowohl großer wie kleiner Gemeinden müssen im Gemeindezen-Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8193Dr. Hesbergtrum und an der Peripherie zu Preissteigerungen führen. Hier gilt im großen genau dasselbe wie im kleinen, wenn die Liebhaberpreise in bevorzugten Wohnvierteln tonangebend für die Preise des Bodens in diesem Stadtviertel werden.Eine solche unvernünftige Preispolitik, wie sie die erwähnten Wohnungsunternehmen betrieben haben, ist auch bei einigen Stadt- und Gemeindeverwaltungen festzustellen. Erfreulicherweise ist es nicht ,bei allen so. Wir sind die Letzten, die nicht anerkennen, daß ein großer Teil der Gemeinden in den letzten Jahren gemeindliches Bauland eingesetzt hat, um damit der Wohnungsversorgung zu dienen. Aber wir haben auch hinreichende Beispiele einer Bodenpolitik, wie sie nicht sein soll, daß die Gemeinden nämlich Schrittmacher für die Schwarzmarktpreise gewesen sind und daß sie auch jetzt noch in einer Weise vorgehen, die man nicht billigen kann. Ich denke hier beispielsweise an den Fall der Stadt Nürnberg, die das Gelände aufgekauft hat, das Sie alle kennen, und bei der Berechnung der Preise Kosten mit hineinrechnet, die der Bodennutzer wirklich nicht auf sich nehmen sollte.Solches, meine Damen und Herren, ist leider nur zu oft festzustellen. Es ist daher in höchstem Grade bedauerlich, daß die gekennzeichnete Haltung einzelner Kommunen und großer gemeinnütziger Unternehmen praktisch die Spekulation angeheizt hat und daß man sie nachher auch noch anderen in die Schuhe schiebt.Für ebenso unverantwortlich halten wir es aber auch, wenn hier durch solche Pressepropaganda im Verfolg der Großen Anfrage die Zurückhaltung und die Bodenpreispolitik beeinflußt werden. Wir begrüßen daher unsererseits die Aufforderung- des Herrn Bundesministers Lücke, Zurückhaltung zu wahren, abzuwarten, bis sich die Preise einpendeln.
Sie brauchen nicht bis zum Sankt-NimmerleinsTag zu warten, Herr Jacobi. Lassen Sie es doch einmal an uns herankommen. Wir hegen jedenfalls die Zuversicht, daß sich die Grundstückspreise auf einer vertretbaren Basis einpendeln werden. In dieser Haltung werden wir bestärkt durch die Auffassung des größten Teils der Befragten, daß der Kulminationspunkt in den meisten Gemeinden überschritten ist. Wir vertrauen auch darauf, daß sich das Bundesbaugesetz als eine praktikable Handhabe der Baulandversorgung erweisen wird. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, daß das Bundesbaugesetz ein wohlausgewogenes System von Maßnahmen zu Baulandbeschaffung .darstellt. Ich habe bereits gesagt, daß es eine ausreichende Ausweisung von Baugebieten durch Planung ermöglicht und daß es vor allen Dingen etwas erleichtert, was bisher so erschwert war, nämlich die ausreichende Erschließung; denn die Gemeinden sind durch die Fälligkeitsvorschriften für die Erschließungsbeiträge in der Lage, die Verplanung und Erschließung zu finanzieren.Meine Damen und Herren, ich will vor allen Dingen aber auch hervorheben, daß wir gerade in denEnteignungsvorschriften eine Regelung getroffen haben, die die grundgesetzlichen Normen vom sozialgebundenen Eigentum realisiert. Mit den Gutachterausschüssen ist eine Handhabe zur Orientierung über die Preise gegeben, und Unerfahrene werden vor überhöhten Forderungen geschützt, sobald diese Stellen tätig werden. Es sind leider erst einige wenige Gemeinden, die diese Gutachterausschüsse einrichten konnten. Aber das ist verständlich; nach Inkrafttreten des Gesetzes mußten ja erst einmal die Rechtsverordnung des Bundes und dann auch die entsprechenden Verordnungen der Länder erlassen werden.Ein endgültiges Urteil über die Güte des Bundesbaugesetzes ist erst auf Grund einiger Praxis nach Inkrafttreten aller Bestimmungen möglich. Am 1. November 1960 sind doch nur die Veranlagungsvorschriften für die Baulandsteuer und die Vorschriften für die Erschließungsbeiträge in Kraft getreten. Erst am 1. Juli können wir damit rechnen, daß die neuen Planungsvorschriften entsprechende Auswirkungen haben. Es ist voreilig, meine Damen und Herren, schon jetzt zusätzliche Maßnahmen zu fordern. Auch auf anderen Gebieten hat die Normalisierung ihre Zeit gedauert, was Herr Minister Lücke bereits vorhin dargelegt hat.Sie halten nun daran fest, daß die Abschöpfung des Wertzuwachses geeignet wäre, die Preise schnell zu normalisieren, und meinen, daß der Termin nicht abgewartet werden sollte, an dem ein Urteil über die Handhaben des Bundesbaugesetzes möglich ist. Ihr Entschließungsantrag Umdruck 767 rollt damit die Diskussion, die hier vor zehn Monaten geführt worden ist, wieder auf. Es würde zu weit führen, das Für und Wider an dieser Stelle noch einmal eingehend zu erörtern. Das werden wir im Ausschuß tun müssen. Auf den ersten Blick erscheint diese Abschöpfung einfach und gerecht. Aber ich richte die Frage an Sie: warum haben die Länder, in deren Kompetenz nach dem Grundgesetz das Wertzuwachssteuerrecht gehört, die Wertzuwachssteuer noch nicht eingeführt? Ich möchte annehmen, daß frühere Erfahrungen abschreckend gewirkt haben. Bekanntlich führt nicht alles, was gerecht erscheint, in seinen Konsequenzen zu dem gewünschten Ergebnis.Dem Anliegen, billiges Bauland zu erzielen, wird man nicht gerecht, wenn die Wertabschöpfung zur Abwälzung der Belastung auf den Erwerber führt, das Bauland mithin durch solche Maßnahmen noch teurer wird. Wir haben genügend Erfahrungen aus der Zeit nach der ersten Inflation von 1924 bis 1930. Die damals bestehende Wertzuwachssteuer ist infolge der Konjunktur über die Preise auf die Erwerber abgewälzt worden. Ich glaube nicht, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie eine Regelung vorschlagen können, die die Abwälzung ausschließt. Mit dem Sachverständigen Dr. Halstenberg, der an unseren Beratungen im Ausschuß teilgenommen hat und den sicher auch Sie hoch schätzen, kann man sagen:Bei keiner der in Rede stehenden Lösungen kann die Überwälzung der Abgabe— d. h. der Preisanstieg —
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Dr. Hesbergmit Sicherheit ausgeschlossen werden. In diesem Fall wird eine längere Übergangszeit erforderlich sein, bis durch den Mechanismus der Überwälzungsversuche, die Steigerung des Angebots, eine eintretende partielle Bedarfsdekkung und die Anpassung an die finanzielle Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit der Nachfragenden wieder eine überschaubare Marktsituation geschaffen wird.Also auch der von Ihnen so sehr geschätzte Herr Halstenberg kommt zu dem Urteil, daß es eines langen Prozesses bedarf, bis sich solche Maßnahmen auswirken.
— Gleichwohl, Herr Jacobi, werden wir uns im Ausschuß in einer erneuten Prüfung über diese Frage zu unterhalten haben. Meine Freunde und ich sind nie der Meinung gewesen, daß man nach Verabschiedung des Bundesbaugesetzes die Hände in den Schoß legen sollte. Allerdings glauben wir nicht, daß wir mit solchen steuerlichen Maßnahmen zu Rande kommen.Sie haben von Herrn Minister Lücke gehört, wie er es sich denkt, den Baulandmarkt, die Baulandpreise entsprechend zu beeinflussen. Sie haben aus seinen Ausführungen entnommen, daß seine Überlegungen zurückgehen in die Zeit, als Herr Minister Lindrath dieses Ministerium verwaltete. Wir begrüßen diese Initiative, Bundesbesitz mit einzusetzen, um eine Verflüssigung des Baulandmarktes, eine Senkung der Baulandpreise zu erreichen. Wir erblicken darin den Versuch, mit marktkonformen Mitteln zu einem Ausgleich der Preise zu kommen, und wir sehen in der Konzeption einen bedeutungsvollen Beitrag zur Realisierung der sozialen Marktwirtschaft auf diesem Sektor des Wirtschaftsgeschehens. Der beabsichtigte Einsatz ist der Zielsetzung der Bodenvorratswirtschaft der Gemeinden vergleichbar, wie sie vor und nach dem ersten Weltkrieg gedacht worden ist, aber sehr oft von den Gemeinden in den letzten Jahren verwässert worden ist. Es war immer die Absicht, bei der Bodenvorratswirtschaft mit diesem Vorrat, den die Gemeinden erworben hatten oder neu erwerben, preisregulierend einzugreifen, und wir halten den Einsatz in der Größenordnung, wie er vom Ministerium gedacht ist, für wirksam. Selbst wenn die Grundstücke nicht überall günstig gelegen sein sollten, wird durch die Möglichkeit des Austauschs doch dadurch Baugelände auf den Markt kommen können.Wir halten es aber auch für notwendig, daß die Maßnahmen des Bundes eine Ergänzung erfahren, indem eine gleiche Regelung vorgesehen wird für Grundvermögen, das zum Sondervermögen des Bundes gehört, und für das Eigentum juristischer Personen, an denen der Bund beteiligt ist. Das kommt in unserem Entschließungsantrag, in dem wir die Maßnahmen der Bundesregierung begrüßen, zum Ausdruck.Wir beschränken uns in unserem Entschließungsantrag aber nicht auf den Bundesbesitz. Wir halten dafür, meine Damen und Herren, daß Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände das gleiche tun sollten, daß aber auch Wohnungsunternehmen und Organe der staatlichen Wohnungspolitik den Baulandbewerbern Grundstücke zur Verfügung stellen sollten. Es ist meines Erachtens nicht notwendig, daß diese großen Wohnungsunternehmen einen Baulandvorrat haben, der für fünf, sechs und noch mehr Jahre ausreichen würde. Sie sollen hier gemeinnützig wirken. - Auch in Umdruck 766 ist dieses Thema angeschnitten. — Meine Freunde und ich haben nichts dagegen, daß die Gemeinden als Mitbewerber auftreten, aber nur von Fall zu Fall. Wir glauben nach vielen örtlichen Erfahrungen nicht, daß, wenn der Bund verpflichtet würde, den Gemeinden generell diesen Bundesbesitz anzubieten, dabei das Beste herauskäme. Wir haben hier gewisse Bedenken und möchten daher eine generelle Anbietungspflicht nicht gutheißen. Wir glauben, daß man damit unter Umständen den Bock zum Gärtner machen würde.Schließlich halten wir es für notwendig, daß der Bund auf die Länder dahin einwirkt, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Beschleunigung der Planung und Erschließung angehalten werden. Nachdem Handhaben zur vermehrten Erschließung gegeben sind, möchten wir auch, daß man sich ihrer in den Gemeinden bedient.Nicht zuletzt fordert unser Entschließungsantrag aber auch, auf die beschleunigte Einsetzung der Gutachterausschüsse einzuwirken. Dieser Unterrichtungsmöglichkeit bedarf es dringender denn je, namentlich jetzt, wo wir doch erwarten können, daß eine gewisse Beruhigung eintritt. Verhindert doch gerade diese Einrichtung der Gutachterausschüsse, daß die Baulandbewerber auf alle möglichen Preisforderungen eingehen.Es ist bekannt, meine Damen und Herren, daß die Ballung in einer großen Anzahl von Städten nicht zuletzt auf die Gewerbesteuerinteressen der Gemeinden zurückzuführen ist. Man animiert unentwegt — das hat mein Kollege Mick bereits erwähnt — Betriebe, sich innerhalb der Mauern der Stadt niederzulassen, ohne zu bedenken, daß der Bevölkerungszuwachs gar nicht oder nur sehr schwer unterzubringen ist. Hier sollte man bei der Verteilung der öffentlichen Mittel Zurückhaltung üben, wenn die Gemeinden nicht so verantwortlich handeln, wie es die Lage auf dem Baulandmarkt erfordert. Dementsprechendes fordern wir in unserem Entschließungsantrag.Vor allen Dingen aber ist es in unserem Antrag für uns ein Anliegen, daß Konsequenzen für das Haushaltsrecht gezogen werden, um zu ermöglichen, daß Vorratsgelände des Bundes zu Preisen eingesetzt werden kann, von denen allgemein preisregulierende Tendenzen ausgehen, daß der Bund also nicht gezwungen wird, Preise zu nehmen, die der allgemeinen Entwicklungstendenz entsprechen. Wir wünschen, daß Preise gewährleistet werden, die tragbare Mieten und Belastungen für den Familienheimbau und für den Bau von Wohnungen im sozialen Wohnungsbau sichern. Eines diesbezüglichen Beschlusses bedarf es vordringlich.
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Dr. HesbergDaher bitten wir dieses Hohe Haus, noch heute unserem Entschließungsantrag zustimmen zu wollen, damit die Bundesregierung die geforderten gesetzlichen Maßnahmen unverzüglich vorbereiten kann. Wir wollen damit einen Beitrag leisten in unserem I— durch Jahrzehnte hindurch erfolgreichen — Bemühen, die Wohnungsnot zu beseitigen und im Bereich des Wohnungswesens Eigentum für die deutschen Familien zu schaffen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Reitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache 2543 wurde dem Hohen Hause zwar sehr kurzfristig zugestellt, so daß eine genaue sachliche Durcharbeitung der Vorlage nicht mehr möglich war, wir konnten aber trotzdem feststellen, daß einige Verbesserungen der jetzigen Regelung der Miet- und Lastenbeihilfen darin enthalten sind, Maßnahmen, die von meiner Fraktion — leider muß ich hier den Herrn Kollegen Baier revidieren — schon früher, und zwar beim Lücke-Gesetz, vorgeschlagen, aber leider nicht akzeptiert wurden.
Gleichzeitig enthält der Antrag Drucksache 2543 einige Bestimmungen, mit denen wir uns so nicht einverstanden erklären können. Wir werden deshalb unsererseits entsprechende Änderungsanträge bei den Beratungen einbringen.
Außerdem möchte ich jetzt schon darauf aufmerksam machen, daß nach unserer Auffassung die Stellungnahmen der Länder noch eingeholt werden müssen, da diese nach dem Antrag noch stärker gebunden werden sollen, als es bis jetzt der Fall ist.
Der Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht stimmen wir zu und hoffen, daß in einer sachlichen Beratung ein Gesetz erarbeitet wird, welches von dem ganzen Haus angenommen werden kann.
Liegen weitere Wortmeldungen zu Punkt 19 der Tagesordnung Buchstaben a bis e vor? — Das ist offenbar nicht der Fall. Dann kann ich die verbundene Aussprache schließen.Wir kommen nun zuerst zum Buchstaben a. Die Große Anfrage der Fraktion der SPD selbst ist damit erledigt. Aber es liegen drei Anträge vor, zuerst der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 763. Ist eine Ausschußüberweisung beantragt? —
— Ist der Antragsteller damit einverstanden? —
— Dann lasse ich nummernweise abstimmen über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 763.Ziffer 1! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ziffer 2! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Ebenfalls einstimmig angenommen.Ziffer 3! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —
Bei zahlreichen Enthaltungen links angenommen.Ziffer 4! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ziffer 5! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Damit kommen wir zum Antrag Umdruck 766 der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Ich darf im ganzen abstimmen lassen?
— Sie beantragen Ausschußüberweisung; an welchen Ausschuß?
— Sie beantragen Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen. Der Antrag auf Ausschußüberweisung geht nach der Geschäftsordnung vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einstimmig dem Ausschuß überwiesen.Wir kommen zum Antrag Umdruck 767 der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei. Ist auch hier Ausschußüberweisung beantragt?
— Ja. Wer für Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Eine Gegenstimme. Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme dem Ausschuß überwiesen.Damit kommen wir zu b), Drucksache 2443. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. Es erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Wir kommen zu c), Drucksache 2542. Ich schlage Ihnen das gleiche vor wie bei der Drucksache vor-
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Vizepräsident Dr. Jaegerher. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Wir kommen zu d), Drucksache 2543. Auch hier möchte ich Ihnen das gleiche vorschlagen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Dann kommen wir zu e), einem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 2545. Hier ist, soweit ich sehe, nur Überweisung an den Haushaltsausschuß gewünscht. — Widerspruch erfolgt nicht; dann ist auch dies beschlossen und der Punkt der Tagesordnung damit abgeschlossen.
— Das war bislang hier nicht beantragt, aber Sie können es beantragen. Sie wünschen Überweisung auch an den Wohnungsbauausschuß? —
— Wenn es beantragt ist, muß ich den Antrag annehmen, und dann können wir darüber abstimmen. Auf Begründung und Gegengründe wird offenbar verzichtet. Ich lasse abstimmen. Wer zusätzlich für die Überweisung an den Wohnungsbauausschuß ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
Meine Damen und Herren, ich muß die Abstimmung wiederholen lassen. Wer für die zusätzliche Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Ich komme zu Punkt 20 der Tagesordnung:a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Kaffeesteuer ,b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Teesteuer .Es ist getrennte Begründung, aber gemeinsame Aussprache vorgeschlagen. — Das Haus ist einverstanden.Wer begründet, 'bitte? — Herr Abgeordneter Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich könnte jetzt, ähnlich wie vor mir mein Kollege Jacobi, darauf hinweisen, daß das hier zur Beratung anstehende Thema in der Öffentlichkeit bereits breiteste Resonanz gefunden hat. Wir hören Stellungnahmen, wir hören Dementis dazu; auch hier wird Stellung genommen und am nächsten Tag wird widerrufen, und so weiter. Das geschieht von Ministern, das geschieht von Abgeordneten. Aber unabhängig davon darf ich wohl für uns in Anspruch nehmen, daß wir seit Jahren die hohe Kaffesteuer immer wieder angegriffen und beanstandet haben.Wir bringen heute einen neuen Antrag. Aber noch liegt unser Antrag auf Senkung der Kaffeesteuer Drucksache 1441 vom 1. Dezember 1959 unerledigt im Ausschuß.
— Vielen Dank! Vielleicht haben Sie sich aber doch etwas geändert, Herr Pelster!
Unser damaliger Antrag wurde am 4. Mai, also immerhin nach fünf Monaten, vom Plenum nach der ersten Lesung an den Ausschuß überwiesen.Meine Kollegin Frau Beyer hat noch bei der Beratung im Plenum gesagt: „Ich darf heute schon sagen, daß wir uns im Hinblick auf die Gesamtsituation bei der Beratung im Ausschuß vorbehalten werden, über diesen Antrag hinauszugehen." Die Gesamtsituation hat sich, glaube ich, geändert. Aber zunächst wurde im Ausschuß dieser Antrag nach längerer Beratung vertagt, weil „das Auswärtige Amt noch keine völlige Klarheit zu den Problemen geben" konnte, so heißt es im Ausschußprotokoll.Die Gesamtsituation ist aber Inzwischen eine andere; das ist doch wohl unbestritten.
— Nein, nein. Die Anzeigen, das wissen Sie, sind nicht von uns, die interessieren uns nicht. Ich habe deshalb eingangs ausdrücklich darauf hingewiesen, daß wir uns seit Jahren darum bemühen und nicht durch die Anzeigen angereizt worden sind, jetzt erneut einen Antrag zu stellen. Wir meinen, daß die Gesamtsituation sich eben geändert hat, wie die Kollegin Beyer schon gesagt hat; und die Gesamtsituation hat sich nun mal schneller geändert, als leider unsere Anträge — wir sind das schon gewohnt — hier im Hause behandelt werden. Deshalb unser Antrag Drucksache 2437.Zunächst einmal zur fiskalischen Seite. Da wird immer wieder behauptet — das war im Jahre 195e so, als Sie den Zoll auf die Steuer umlegten —, dei Ausfall sei nicht tragbar. Bei jeder Gelegenheit heißt es: ,,Es ist nicht tragbar".Dabei muß man sich doch auch einmal vor Augen halten, wie es überhaupt zu dieser Steuer gekommen ist und welches Ausmaß diese Verbrauchsteeei angenommen hat. Darf ich daran erinnern, daß wir bis 1945 überhaupt keine Kaffeesteuer kannten, daß nicht wir, sondern die Alliierten uns damals diese Steuer bescherten, und zwar sehr hoch, mit einer Begründung, die ich hier nicht wiedergeben will; sie ist nicht sehr schmeichelhaft; aber immerhin war sie nun einmal so. Wir haben 1953 die Kaffeesteuer gesenkt, und von da an ist das Aufkommen an Kaffeesteuer einschließlich Zoll- und sonstigen Aufkommen — Umsatzsteuer, Umsatzausgleichsteuer usw. — laufend gestiegen, und zwar von 600 Mil-
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Reglinglionen DM im Jahre 1953 auf 888 Millionen DM in 1959; und man darf annehmen, daß im Jahre 1961, wenn nichts geändert wird, ,ein Aufkommen von rund 1 Milliarde — Steuer, Zoll und was dazu gehört — erreicht wird.Wäre inzwischen wenigstens eine Umstellung dieser Steuer — die ja nach Gewicht erhoben wird — erfolgt, so daß wir zumindest bei den billigen Kaffeesorten eine gewisse Erleichterung hätten feststellen können! Wäre weiter ein allmählicher Abbau erfolgt, wie z. B. bei der Zollsenkung 1958! Nun, dann wäre die heutige hohe Belastung vielleicht kein Grund mehr zur Beanstandung. Aber nichts ist in diesem Sinne geschehen. Wir haben nach wie vor die Steuer von 1953, bis auf die Umwandlung von Zoll auf Steuer im Jahre 1958. Sonst hat sich nichts geändert. Es bleibt festzustellen, daß jedes Kilo Kaffee eine Belastung von 5 DM zu tragen hat. Da aber ohne Unterschied auf jedem Kilo Kaffee 5 DM Belastung liegen, ganz gleich, wie hoch der Einkaufspreis ist, sollten wir bedenken, daß bei den Lagervorräten des Großhandels tatsächlich die steuerlichen und Zollbelastungen insgesamt mehr betragen als der gesamte Einkaufswert des Rohkaffees. Das bleibt immerhin festzustellen und sollte auch uns zu denken geben.Aber anscheinend interessiert das alles nicht. Sie sagen, wir sollten das wiederum zu den Akten legen.
— Bitte!
Sind die Kaffeehalden bei den Bauern oder sind sie in den staatlichen Lägern bzw. beim Großhandel?
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Sie sind in den Entwicklungsländern. Es ist unterschiedlich, das wissen Sie genau so gut wie ich. Sie sind einmal bei den privaten Sammelstellen, zum andern bei den staatlichen und den halbstaatlichen Sammelstellen.
Aber bis zum Abbau dieser Halden — darin sind wir uns doch einig — wird der Bauer in den Entwicklungsländern nicht das Geringste davon haben.
Wenn wir aber nicht für den Abbau der Halden sorgen, wird doch die Arbeit bei den Kaffeebauern, bei den Kaffeeplantagenbesitzern, irgendwie behindert und gestört. Das ist doch ebenso einleuchtend.
— Ja, wir müssen etwas dafür tun, meine ich.
— Ob es hilft oder nicht, ich sagte Ihnen schon, wir sollten diese Geste dennoch tun. Die Vertreter dieser Entwicklungsländer würden dann zumindest unseren guten Willen feststellen können. Wir sollten es tun, selbst wenn diese Maßnahme nicht von heute auf morgen zu einer radikalen Besserung führen kann. Wir können, darüber sind wir uns klar und das gestehen wir Ihnen zu, durch diesen stufenweisen Abbau, den wir vorschlagen, unmöglich alle diese Kaffeehalden abbauen. Das ist völlig klar, ) aber wir sollten auch auf diesem Wege dazu beitragen, etwas zu tun. Es genügt nicht, daß wir Geld hingeben, wir sollten ihnen auch Ware abnehmen.
Ich darf deshalb unsere Meinung zu dem vorliegenden Antrag noch einmal kurz zusammenfassen. Bis 1945 gab es keine Kaffeesteuer. Ich bitte das insbesondere bei der Ausschußberatung bedenken zu wollen. Zweitens ist die Belastung des Kaffees durch Steuern und Zölle heute immer noch höher als der Lagereinfuhrwert beim Großhandel. Drittens hat die Bundesrepublik von allen kaffeeverbrauchenden Ländern die höchsten Belastungen des Kaffees. Ein Abbau der Belastungen erscheint mir sowohl im Rahmen der EWG als auch als gute Geste gegenüber den Entwicklungsländern daher dringend erforderlich. Ich bitte, die Beratungen im Ausschuß in diesem Sinne zu forcieren.
Zur weiteren Begründung hat das Wort der Abgeordnete Peters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Ausführungen meines Herrn Vorredners zu dem Antrag über die Aufhebung der Kaffeesteuer einige Ausführungen über die Aufhebung der Teesteuer hinzufügen. Ich spreche also zu dem Antrag der Sozialdemokratischen Partei auf der Drucksache 2438 — Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Teesteuer —.Ganz allgemein darf ich, glaube ich, feststellen, daß das, was hier zur Begründung für die Aufhebung der Kaffeesteuer gesagt wurde, auch für die Aufhebung der Teesteuer gilt, nur daß es sich bei Tee um weit geringere Mengen und weit kleinere Beträge handelt. Rein fiskalisch gesehen ließe sich die Aufhebung der Teesteuer in einem Jahre durchaus verkraften. Nur um die Marktverhältnisse nicht zuungunsten des Kaffees zu verschieben, beantragen wir analog zu dem Antrag Drucksache 2437 einen stufenweisen Abbau der Teesteuer.Wir haben uns über dieses Thema in diesem Hause schon oft unterhalten, zuletzt — wie Herr Regling schon sagte — am 4. Mai 1960.
Damals beantragten wir die Wiederherstellung des alten, 1953 beschlossenen Steuersatzes von 3 DM pro Kilo und wollten damit die von der Mehrheit dieses Hauses gegen unsere Stimmen beschlossene Erhöhung der Steuersätze — in Kompensation der Ermäßigung der Zollsätze — wieder aufheben. Jetzt beantragen wir dagegen die Aufhebung des Teesteuergesetzes. Wenn Sie unserem heutigen Antrag zustimmen, können wir den im Mai 1960 behandelten Antrag als erledigt betrachten; er liegt noch unerledigt im Finanzausschuß. Man könnte allerdings die Anträge auch miteinander verbinden. Dann hätten wir nicht einen Abbau in drei Stufen, sondern einen in vier Stufen; zuerst käme die Wiederherstellung des alten Satzes von 3 DM und dann der weitere Abbau.Obwohl die Meldungen sehr widersprechend sind, hoffen wir doch, daß wir in den Ausschüssen und im Hohen Hause eine Mehrheit für unsere Anträge finden. Das Auswärtige Amt soll ja der gleichen Meinung wie wir sein, daß den Entwicklungsländern beim Absatz ihrer Landesprodukte geholfen werden muß. Das bezweckt unser Antrag. Das wäre nach unserer Auffassung eine echte Entwicklungshilfe. Sie wäre kein Geschenk, kein Almosen und völlig unabhängig von allen möglichen und denkbaren eigennützigen privatwirtschaftlichen, weltanschaulichen, vielleicht auch militärisch-strategischen oder sonstigen Erwägungen. Dadurch böte man den Entwicklungsländern das, was man wünscht und anstrebt: einen erweiterten Absatzmarkt für die Produkte des Landes. Wenn wir uns in dem Bestreben einig sind, mit fühlbaren Maßnahmen Entwicklungshilfe dort zu leisten, wo sie notwendig und vertretbar ist, können wir das mit der Annahme unserer heutigen Gesetzentwürfe einmal unter Beweis stellen.
— Über die Zahlen können wir uns im Ausschuß unterhalten.
— Die Zahlen habe ich im Moment nicht zur Hand. Aber sie sind anders, als sie von Ihnen geschätzt worden sind. Die Schätzungen des Herrn Finanzministers gehen weit an den Tatsachen vorbei. Es
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Petersist soeben schon herausgestellt worden, daß der Herr Finanzminister eine Erhöhung der Einnahmen aus der Kaffeesteuer im Jahre 1961 um 9 % erwartet. Auf der anderen Seite wird aber davon gesprochen, daß eine Konsumerweiterung von nur 8 % zu erwarten ist, wenn die Steuersätze völlig wegfallen. Diese Schätzungen gehen also völlig aneinander vorbei. Darüber müssen wir uns im Ausschuß unterhalten.Sicherlich bedeutet die Annahme unserer Anträge, daß der Bund auf eine Einnahme verzichtet. Aber wir sollten uns doch darüber im klaren sein, daß alle Entwicklungshilfen staatliche Hilfen sein müssen. Wegen ihres Gewinnstrebens sind der Privatwirtschaft bei allen Hilfen enge Grenzen gesetzt. Alle Hilfen werden bei ihr immer Gegenstand wirtschaftlicher Erwägungen sein. Deshalb werden Maßnahmen, die von ihr ausgehen, an dem eigentlichen Sinn der Entwicklungshilfe vorbeigehen.Entwicklungshilfen müssen also staatliche Maßnahmen sein, und diese staatlichen Maßnahmen müssen uns natürlich etwas kosten. Die Privatwirtschaft wird unserer Überzeugung nach bestenfalls Anleihen und Kredite gewähren können, die dann noch zusätzlich vom Staat abgesichert werden müssen. Da müssen wir also auch wieder eingreifen.Diese Erkenntnis scheint, wie ich glaube, im Auswärtigen Amt vorzuherrschen und auch dem Bundeswirtschaftsministerium nicht fremd zu sein. Auch dort soll man — wie gesagt, die Meldungen sind sehr widersprechend — für eine weitgehende Senkung oder Aufhebung der Kaffee- und Teesteuer sein. Wenn wir dann noch hören, daß der Deutsche Industrie- und Handelstag sich zu der Auffassung bekennt — ich möchte wörtlich zitieren —, „daß Verbrauchsteuern auf Erzeugnisse, die im wesentlichen in den Entwicklungsländern hergestellt werden, wie z. B. Kaffee und Tee, möglichst umgehend abgebaut werden sollen", und wenn wir hören, daß auch Teile der CDU-Fraktion sich dafür einsetzen, dann hoffen wir, diesmal für unser Anliegen im Hohen Hause eine Mehrheit zu finden.
Der Herr Kollege Regling hat schon darauf hingewiesen, daß die Tee- und Kaffeesteuern keine sogenannten klassischen Steuern sind, sondern daß sie erst 1949 durch die Besatzungsmächte eingeführt wurden. Es erscheint auch wichtig, darauf hinzuweisen, daß wir uns international gesehen mit unseren Steuersätzen auf einer sehr einsamen Höhe bewegen und daß innerhalb der EWG außer uns nur noch Frankreich eine Teesteuer kennt; alle übrigen Länder in der EWG kennen sie nicht.Daß wir mit der Aufhebung der Tee- und Kaffeesteuer natürlich auch dem Verbraucher helfen wollen, ist selbstverständlich. Darauf ist schon hingewiesen. Heute sagt man nicht zu Unrecht: Jede dritte Tasse trinkt der Staat. So hoch ist die Belastung! Hier wäre eine wirklich fühlbare Entlastung des Konsumenten möglich.
Nach allen bisherigen Erfahrungen und Schätzungen ist der erwartete Anstieg des Konsums doch so hoch, daß wir daraus wirklich eine Hilfe für die Entwicklungsländer geben könnten. Die Belastung des Staates durch die Mindereinnahmen ist durch den stufenweisen Abbau der Steuern tragbar, und wir meinen, angesichts der Zielsetzung auch von uns allen zu verantworten. Der allgemein ständig steigende Steuerertrag erfordert nach unserer Meinung für diesen Antrag keinen besonderen Dekkungsvorschlag.Wir bitten das Hohe Haus um die Überweisung auch dieses Antrages an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß.
Die beiden Anträge sind begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Das Hohe Haus hat dem Herrn Bundesfinanzminister bereits die Glückwünsche zur Genesung ausgesprochen. Ich brauche das nur noch festzustellen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich für dieses Zeichen einer freundlichen Sympathie gegenüber dem Bundesfinanzminister herzlich bedanken. Ich bin auch sehr glücklich und sehr froh, daß ich wieder hier sein darf.Meine Damen und Herren, um so mehr bedaure ich, daß ich mich zu diesem Antrag in Widerspruch setzen muß, daß ich also mit der Annahme dieses Antrages nicht einverstanden bin, und zwar aus einer Anzahl von Gründen, die ich in aller Ruhe und in aller Sachlichkeit, ohne Emotionen, vortragen will.Zunächst einmal wollen wir uns in einem kurzen Überblick über die Zahlen klarwerden. Herr Kollege Schmidt, Sie haben die Zahlen vorhin gewünscht. Der letzte Herr Redner hat gesagt, der Bundesfinanzminister könne dazu etwas sagen. Das will ich gern tun. Im Haushaltsjahr 1961 ist das Aufkommen an Kaffeesteuer mit 750 Millionen DM und an Teesteuer mit 29 Millionen DM als Schätzung angesetzt. Ich wiederhole: 750 Millionen DM Kaffesteuer, 29 Milionen DM Teesteuer. Die Kaffeesteuer ist von wesentlicherer Bedeutung als die Teesteuer. Die Argumente, die mein Herr Vorredner für die Entwicklungshilfe genannt hat, sind natürlich bei einem Aufkommen an Teesteuer von etwa 30 Millionen DM nicht sehr gewichtig, wenn man sich die Verteilung der Teeimportländer über die Welt ansieht. Berücksichtigt man, daß der Wegfall der Kaffee- und Teesteuer naturgemäß auch Verluste an Ausgleichs- und Umsatzsteuer zur
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8200 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Bundesfinanzminister EtzelFolge haben würde, so würden sich die Anträge der SPD im Rechnungsjahr 1961 — da kann man nur eine Auswirkung auf neun Monate annehmen, weil sie sich vor dem 1. April nicht auswirken würden — für neun Monate auf 216 Millionen DM Steuerausfälle belaufen, im nächsten Rechnungsjahr 1962 würden es 570 Millionen DM und im Rechnungsjahr 1963 sogar 860 Millionen DM sein.Ich will einmal sagen, warum ich grundsätzlich nicht dafür sein kann. Es ist Ihnen bekannt — wir werden uns in Kürze in diesem Hohen Hause sehr ernsthaft darüber auseinandersetzen müssen —, daß die Bundesausgaben aus vielen Gründen in der letzten Vergangenheit sehr gestiegen sind. Ich bin nicht sehr glücklich darüber, das sage ich sehr freimütig. Aber sie sind gestiegen. In einer Situation, wo auf der einen Seite die Ausgaben steigen, horrend steigen, kann auf der anderen Seite meines Erachtens eine Senkung solcher Beträge, die in drei Jahren bereits 860 Millionen DM ausmachen, ganz einfach nicht vertreten und nicht verantwortet werden. Ein Verzicht auf die Beträge, die nach den Anträgen der SPD für den Bundeshaushalt ausfallen würden, ist daher nach meiner Ansicht ausgeschlossen, denn die Einnahmeausfälle würden durch Verbrauchssteigerungen nicht ausgeglichen.Ich bitte, zunächst einmal einen Unterschied zu machen zwischen den Verbrauchssteigerungen, die auf einer allgemeinen Einkommensvermehrung beruhen, und den Verbrauchssteigerungen, die auf der Senkung beruhen. Soweit durch die allgemeine Einkommensvermehrung eine Verbrauchssteigerung ) eintritt, kann eine dadurch herbeigeführte Einnahmevermehrung nicht als Ausgleich für Verluste angesehen werden, die durch eine Senkung der Teesteuer und der Kaffeesteuer entstehen. Wenn Sie allerdings sagen wollen: Jegliche Steigerung des Verbrauchs rechtfertigt eine Senkung der Kaffee- und der Teesteuer, dann muß das, meine ich, allgemein gelten, und dann kann man morgen bei der Tabaksteuer anfangen, übermorgen zum Branntweinmonopol übergehen usw. Mit diesen Gedankengängen kann man, glaube ich, hier nicht operieren.Als Ausgleich für Steuersenkungen könnte nur ein Ausgleich angesehen werden, der durch einen auf diese Steuersenkung zurückzuführenden erhöhten Umsatz veranlaßt ist. Hier könnte man sagen: „Wenn du, Etzel, sagst: ,Wir haben eine verminderte Einnahme', bekommst -du dafür einen gewissen Ausgleich." Aber wie hoch ist dieser Ausgleich? Das sollte man doch einmal einen Augenblick überlegen. Wir haben — das ist bereits erwähnt worden — ein Gutachten des IFO-Instituts machen lassen, d. h. nicht wir, sondern der Wirtschaftsminister. In einer komplizierten Rechnung, in einer geometrischen Reihe, ist, aufbauend auf den Erfahrungen und Entwicklungen der letzten Jahre — es ist weit in die Vergangenheit gegriffen worden —, geschätzt worden, daß die Verbrauchssteigerungen bei Kaffee und Tee bei einer völligen Beseitigung der Steuern 8 % ausmachen würden, bei einer Senkung auf nur die Hälfte 4 %. Das besagt das Gutachten. Ihr Antrag zielt auf eine völlige Beseitigungab; es würde also per Saldo eine Verbrauchssteigerung um 8 % erzielt werden. Dieser Wert ergibt sich, wie gesagt, aus langen Erfahrungen, tief in die Vergangenheit hinein erforscht. Ich könnte das vertiefen. Sie werden aber nicht wollen, daß ich das jetzt im einzelnen hier vortrage. Das kann im Ausschuß diskutiert werden. Jedenfalls: 8 %!Legt man diese Zahl zugrunde, so würden die Einnahmeausfälle — aus diesem Zusammenhang! — im Rechnungsjahr 1961 sich um höchstens 28 Millionen DM, im Rechnungsjahr 1962 um höchstens 39 Millionen DM und im Rechnungsjahr 1963 nur um 30 Millionen DM mindern, so daß z. B. vom Rechnungsjahr 1963 an — das ist das Ziel, das angesteuert wird — fortlaufend ein jährlicher Einnahmeausfall von mindestens 830 Millionen DM zu erwarten wäre. Wir haben also mit diesem Antrag einen Ausfall von 830 Millionen DM zu erwarten, dem natürlich noch eine allgemeine Steigerung der Steuern gegenübersteht; aber die haben wir ja auf allen Sektoren, das ist nichts Besonderes. Ich habe hier eine Vorlage, wie das berechnet worden ist. Aber ich will Sie heute abend in dieser späten Stunde mit all diesen Fragen verschonen; das kann im Ausschuß sicherlich sehr gut diskutiert werden.Das Ganze wird mit einer Entwicklungshilfe begründet. Der Vorteil — und das ist das Entscheidende —, der sich durch eine Beseitigung der Kaffee- und Teesteuer für die Entwicklungsländer ergeben würde, wird im allgemeinen in der Öffentlichkeit weit überschätzt. Geht man von einer geschätzten Einfuhr von der zur Zeit 208 000 t Rohkaffee und rund 7000 t Tee aus und nimmt man über die Schätzung des IFO-Instituts hinaus aus Vereinfachungsgründen eine Verbrauchsausweitung von 10 % an — also nicht von 8 % —, so würden sich die Mehreinfuhren nur auf rund 20 000 t Rohkaffee und 700 t Tee belaufen! Ich bitte Sie: 20 000 t Rohkaffee und 700 t Teel Das ergäbe bei einem Preis von 4400 DM für 1 t Rohkaffee und 5750 DM für 1 t Tee einen Gewinn für alle Entwicklungsländer von rund 90 Millionen DM. Also: wir verzichten hier auf rund 830 Millionen DM, um den Entwicklungsländern mit praktisch 90 Millionen DM zu helfen! Das scheint mir nicht mehr sehr sinnvoll zu sein.
Dieser Betrag spielt im Vergleich zu dem Bedarf, den die Ausfuhrländer an Entwicklungshilfe haben, überhaupt keine Rolle. Wir haben in diesen Tagen eine Anzahl Zahlen gehört, die ganz andere Größenordnungen darstellen. Mit diesen 90 Millionen DM ist es nicht zu machen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seuffert?
Bitte sehr!
Herr Bundesminister, glauben Sie ernsthaft, daß im Rahmen des Gemeinsamen
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SeuffertMarktes diese Kaffeesteuer auf die Dauer aufrechterhalten können? Davon haben Sie noch kein Wort gesagt!
Herr Kollege Seuffert, in aller Freundschaft: die Zeitdisposition — wenn ich zu diesem Problem Stellung nehmen soll — müssen Sie mir überlassen! Das Stichwort „Europa" steht noch auf meinem Zettel. Ich habe die Absicht, dazu nach etwas zu sagen. Ich wußte, daß das käme und daß da auf mein schwaches Herz geschossen würde.Aber ich sage noch einmal: 90 Millionen Mark, das ist keine Größenordnung, die ins Gewicht fällt. Überlegen wir doch einmal, was herauskäme, wenn nun die 90 Millionen wie mit einer Gießkanne auf die Kaffee und Tee produzierenden Länder verteilt würden! Was bliebe da für das einzelne Land übrig? Vor einigen Tagen hat einer der hier vertretenen Diplomaten gemeint, wir möchten doch die Kaffeesteuer senken. Er wurde dann gefragt: „Ja, was erzeugt denn Ihr Land an Kaffee?" — Da waren es nur ein paar Tonnen. Der Vorschlag war also überhaupt nicht gerechtfertigt. Also, das hat gar keinen Sinn. Nun zu dem anderen Punkt, der hier schon diskutiert wurde: es liegen einige hundert Millionen Sack Kaffee auf Lager, die zum Teil den Regierungen, zum anderen Teil dem Handel gehören. Wir würden mit einer solchen Aktion also zunächst einmal gar nicht den Plantagenbesitzern helfen, ganz abgesehen davon, daß insoweit, als es die Plantagenbesitzer betrifft, auch noch einiges zu sagen wäre. Denn ob die Herren Plantagenbesitzer in ihrem eigenen Land wirklich Entwicklungshilfe in dem Sinne treiben, wie wir sie uns vorstellen, oder ob sie nicht Fehlinvestitionen oder andere Investitionen vornehmen, wäre auch noch zu untersuchen.
— Ja, Kapital in die Schweiz bringen! Ich habe nicht daneben gestanden; aber es wird behauptet.Noch ein Gesichtspunkt! Kaffee- und Teesteuer sind Gewichtssteuern und daher von Lohn- und Preisbewegungen unabhängig. Je mehr sich der Lohn- und Rentenspiegel in der Bundesrepublik hebt, desto weniger macht sich natürlich die Belastung des einzelnen Verbrauchers durch die Kaffee- und Teesteuer bemerkbar. Kaffee ist heute bereits — das will ich gerne anerkennen — ein Volksgetränk, kein Luxusgetränk. Aber die Tasse Kaffee ist nur mit 2,5 Pfennig Kaffeesteuer belastet. Ich glaube, daß das nicht sehr schlimm ist.In breiten Kreisen wird erörtert, ob man nicht auf andere Genußmittel — ein Genußmittel ist Kaffee; ich trinke gerne Kaffee — sogar erhöhte Sätze legen müßte. Dann würde das Ganze sinnlos. Das muß man auch einmal sehen.An das Bundesfinanzministerium sind aus breiten Kreisen Zuschriften gelangt, diese Sache habe nicht die volle Sympathie der deutschen Bevölkerung. Manche haben auf die gesundheitliche Auswirkung aufmerksam gemacht. Dieser kann man natürlich durch Trinken von Kaffee Haag etc. weitestgehend ausweichen.Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir aber, daß ich als Finanzminister — und ich hoffe, dabei in Ihrem Sinne und in Ihrer aller Namen zu sprechen— ein paar kritische Worte zu der Propaganda, sage, die zur Zeit von dem World Coffee Promotion Committee in der Welt und in Deutschland betrieben wird. Der Vertreter der SPD hat sich davon distanziert; er hat gesagt, daß damit ihr Antrag nichts zu tun habe. Ich unterstelle das gern als richtig. Ich muß sagen, ich bin durch diese geschmacklose Art, wie eine ausländische Gesellschaft durch Annoncen in deutschen Zeitungen die Politik der Bundesregierung attackiert, ganz einfach degoutiert.
— Was sie kostet, will ich Ihnen auch sagen. Wir haben festgestellt — „Der Volkswirt" hat das jedenfalls unwidersprochen gebracht —, daß dieses Komitee in der Bundesrepublik allein 500 000 Dollar, das sind über 2 Millionen DM, ausgibt. Man sollte diesen Betrag besser zu einer Senkung der Preise verwenden. Ich glaube, das wäre vernünftig.
Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß deutsche Firmen z. B. für den Automobilexport in den Vereinigten Staaten in der Weise werben würden, daß sie durch Zeitungsannoncen die Steuerpolitik der Vereinigten Staaten angreifen würden. Hier wird einfach geschmacklos gehandelt. Ich wehre mich dagegen im Namen der Regierung, aber auch im Namen des Hohen Hauses. Hier wird einfach unsere Würde tangiert.
Soeben ist gesagt worden, in der Bundesregierung sei man sich nicht ganz einig über das, was der Bundesfinanzminister erzähle; das Auswärtige Amt und der Wirtschaftsminister seien anderer Meinung. Ich kann Ihnen sagen, daß ich diese heutige Erklärung mit Zustimmung des Herrn von Brentano und des Herrn Professor Erhard abgebe.
— Jedenfalls kann ich Ihnen das erklären.Ich komme zu der letzten Frage, der Frage, die Herr Seuffert soeben angeschnitten hat. Auf meinem Zettel steht das Stichwort „Europa". Es ist gefragt worden: Können Sie denn diese hohen Steuern angesichts der sinkenden Zölle auf die Dauer überhaupt halten? Oder können Sie sie vielleicht sogar erhöhen? Denn die letzte Erhöhung war ja eine Reaktion auf eine Zollsenkung, die wir damals nicht aus fiskalischen Gründen, sondern auf Wunsch der Hansestädte vorgenommen haben, um zu verhindern, daß der Kaffeeimport über ganz andere Häfen fließt, nehmen wir an, über die Häfen Hollands und Belgiens. Hier ist ein echtes Problem aufgetaucht.
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8202 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Bundesfinanzminister EtzelIch gebe gern die Erklärung ab, daß es nicht meine Politik und die Politik der Bundesregierung sein kann, Zollsenkungen dort, wo sie vorgenommen werden, durch Erhöhung der Verbrauchsteuern zu kompensieren. Das ist nicht unsere Absicht. Hier ist ein Problem, das noch ungelöst im Raume steht, über das wir uns sicherlich noch unterhalten müssen.Ich bitte daher aus all den Gründen, die ich angegeben habe, dem Antrag nicht zuzustimmen. Gegen die Überweisung in den Ausschuß habe ich nichts. Aber ich glaube, daß ich die Zustimmung zur Steuersenkung nicht geben kann.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kaffeesteuer ist an und für sich immer ein sehr beliebtes Diskussionsthema. Die abendliche Stunde heute ist dazu weniger geeignet. Aber die Kaffeesteuer und Teesteuer haben auch die Freien Demokraten schon vor vielen Jahren beschäftigt, und zwar als sie seinerzeit ein Bündel von Vorschlägen eingebracht hatten — ich glaube, es sind jetzt ungefähr zehn Jahre her —, wobei ist auch um die Senkung bzw. Beseitigung der Kaffeesteuer und auch von Bagatellsteuern ging.Wenn ich jetzt „Bagatellsteuer" sage, dann denke ich dabei selbstverständlich sofort einmal an die Teesteuer. Ich bin sogar der Auffassung, daß man die Teesteuer mit ihrem auf 29 Millionen DM geschätzten Aufkommen auf einmal beseitigen könnte, ohne daß das im Bundeshaushalt im geringsten etwas ausmachen würde. Ich will mich deshalb bei der Teesteuer nicht weiter aufhalten, obwohl es durchaus wichtig wäre, zumal da die Belastung dort noch besonders stark ist, noch stärker als bei der Kaffeesteuer, sondern ich will zur Kaffeesteuer übergehen.Ich bedaure nur das eine, Herr Bundesfinanzminister, daß ich Ihnen heute, wo Sie das erste Mal wieder da sind, leider nicht zustimmen kann, wenigstens in dieser Hinsicht nicht. Ich habe mich gefreut, als ich heute in der Zeitung las, daß Sie zu den Milliardenbeträgen, die bei den Verhandlungen in den Vereinigten Staaten jetzt genannt werden, gesagt haben: Man soll doch bei all diesen Milliardenbeträgen mit den Füßen auf dem Boden der Realitäten bleiben. Aber jetzt hatte ich das Gefühl, daß Sie die Füße nicht mehr auf dem Boden der Realitäten lassen; sonst hätten Sie einen Ausfall von 30 Millionen DM bei der Teesteuer nicht als finanziell untragbar bezeichnen können.Es hat mich noch etwas überrascht. Wir sind in der letzten Zeit eigentlich immer gewöhnt, daß im Zeichen der bevorstehenden Wahlen gegenüber Wünschen von allen möglichen Bevölkerungskreisen sehr großzügig verfahren wird, daß Zugeständnisse gemacht werden. Wir erfahren aus der Zeitung, daß auf Grund des Grünen Plans ohne weiteres zusätzlich 300 Millionen DM gegeben werden.Ich habe erfahren, daß sich der Bundeshaushalt jetzt um ganz erhebliche Beträge gesteigert hat. Da wundert mich eigentlich, daß hier gar nicht auch an die psychologische Wirkung gedacht wird, wenn man von vornherein, bevor überhaupt die erste Lesung stattgefunden hat, schon morgens in der Zeitung liest, daß die CDU/CSU gegen dieses Gesetz, gegen die Herabsetzung ist.
Ich bin der Auffassung, man sollte sich als Fraktion nicht von vornherein so endgültig in der Verneinung festlegen, sondern zuerst einmal die Begründung abwarten.
— Ich möchte jetzt nicht das wiederholen — obwohl ich das wortwörtlich könnte —, was ich schon am 6. November 1958 gesagt habe.Herr Bundesfinanzminister — er ist nicht mehr da —, ich muß feststellen, daß die Prognosen bezüglich des Ausfalls usw., die ich damals gestellt habe, sich eher realisiert haben als das, was seinerzeit seitens der Regierung gesagt worden ist. Damals wurde zur Begründung gesagt, nur durch den Zollabbau entstehende Ausfall solle ausgeglichen werden, der Haushalt könne einen solchen Ausfall — seinerzeit waren es 123 Millionen DM — nicht verkraften. Dementsprechend seien die Sätze festgesetzt. Eine Verbrauchssteigerung, so wurde damals gesagt — genau das gleiche, was vorhin wieder anklang —, sei nicht zu erwarten.Der Herr Bundesfinanzminister selber hat heute von einem sehr komplizierten Gutachten gesprochen. Aber so komplizierte Gutachten haben es manchmal an sich, daß man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Ich habe hier einige wenige, aber sehr aufschlußreiche Zahlen. Sie zeigen den Kaffeeverbrauch pro Kopf der Bevölkerung in anderen, uns vergleichbaren Staaten an. Danach steht die Bundesrepublik in Europa erst an zwölfter Stelle. Der durchschnittliche Kaffeeverbrauch pro Kopf der Bevölkerung beträgt in den Vereinigten Staaten 7,3 kg, in Schweden 9,1 kg, Dänemark 8,5 kg, Finnland 7,8 kg. Norwegen 7,1 kg, Belgien 6,2 kg, Holland 4,5 kg, Frankreich 4,4 kg. Bei uns beträgt er lediglich 3,5 kg. Und da wollen Sie behaupten, es sei nicht damit zu rechnen, daß in der Bundesrepublik nach Beseitigung der gegenwärtig bestehenden 112%igen Belastung eine erhebliche Steigerung des Verbrauchs eintreten würde, obwohl doch unser Lebensstandard dem der genannten Völker gleich ist oder ihn sogar übertrifft!! Vielleicht würden die Deutschen dann auch manchmal nicht mehr, aber besseren Kaffee, mit mehr Bohnen, trinken,
vielleicht auch hier im Bundeshaus, als das bisher der Fall ist. Diese Zahlen geben mir die Zuversicht, daß durch die Verbrauchssteigerung der Ausfall nicht so hoch wird, wie man zunächst annimmt.Noch etwas zu dem Steuerausfall! Wie war es nun damals mit dem Ausgleich, von dem der Herr
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Frau Dr. Diemer-NicolausBundesfinanzminister seinerzeit gesprochen hat? Schlagen Sie einmal die Allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushalt 1960 in dem dünneren braunen Band auf! Sie werden feststellen, wie die Einnahmen aus der Kaffeesteuer auf einmal sprunghaft gestiegen sind. Im Jahre 1958 wiesen sie mit 497,5 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr nur einen Zuwachs um 36 Millionen DM auf. Im Jahre 1959 betrugen sie schon 642,2 Millionen DM, und jetzt rechnet der Herr Bundesfinanzminister mit 750 Millionen DM. Vom Jahre 1958 bis zum Jahre 1961 ist also nicht nur ein Ausgleich des Ausfalls von 123 Millionen DM, der durch die Zollsenkung erwartet wurde, eingetreten, sondern es ist ein zusätzlicher Einnahmebetrag von 250 Millionen DM zu verzeichnen.
Der damalige Einnahmeausfall wurde also weit überkompensiert. Ich muß feststellen, daß sich die damalige Schätzung des Finanzministeriums als falsch erwiesen hat.
Um so skeptischer bin ich jetzt natürlich auch gegenüber den in dem Gutachten enthaltenen Schätzungen.
Dann noch etwas! Es wurde so getan, als hätte die Frage, ob wir eine Kaffeesteuer haben oder nicht und wie hoch sie ist, im internationalen Raum, bei den EWG-Verhandlungen, im GATT oder auch bei der Unterstützung der Entwicklungsländer keine entsprechende Bedeutung. Es wurde gesagt, wenn ich 90 Millionen mit einer Gießkanne verteile, wieviel kommt dann auf die einzelnen? Gerade weil ich die Entwicklung der Kaffeesteuer besonders verfolgt habe, habe ich feststellen müssen, daß Deutschland im GATT im Jahre 1958 gar keine liebenswürdigen Worte wegen des seinerzeitigen Vorgehens — der Erhöhung der Kaffeesteuer und der Teesteuer — von den übrigen Verhandlungspartnern des GATT hörte. Ich habe vielmehr in den Zeitungen gelesen, daß Deutschland aufgefordert wurde, in Zukunft diese Finanzzölle zu senken. Ich kann es jetzt nicht genau sagen, ob auch „Beseitigung" dabei stand; aber in der GATT-Tendenz würde das ja in vollem Umfang liegen.Auch darf man die Frage hinsichtlich der Entwicklungsländer nicht nur unter dem Aspekt sehen, wieviel nun in den einzelnen kaffeeanbauenden Ländern auf den einzelnen Kaffeebauer zukommt, sondern man muß hier auch die psychologische Wirkung bedenken. Der Bundestag hat im vergangenen Oktober 15 Abgeordnete zur Tagung der IPU nach Tokio geschickt. Eines der Themen, die dort mit großer Gründlichkeit behandelt wurden, war die Frage, wie den Entwicklungsländern, die vielfach Monokulturen haben, vor allen Dingen rohstofferzeugende Länder sind, geholfen werden kann. Ausgiebig wurde dort die Forderung vorgetragen — gerade auch von den Ländern, die dort vertreten waren —, daß die den Verbrauch hemmenden Maßnahmen beseitigt werden müßten. Auch beim Kaffee handelt es sich in einzelnen Ländern um Monokulturen. Der Kaffeeanbau hat auch in kleineren Ländern eine weitaus größere Bedeutung, als wir uns vorstellen, und wenn wir tatsächlich Wert darauf legen, bei diesen Ländern nicht in Mißkredit zu kommen, sollten wir die psychologische Wirkung nicht unterschätzen, die darin liegt, daß wir jetzt unseren guten Willen zeigen und damit Ernst machen, die Belastungen, die den Verbrauch behindern können, zu beseitigen, indem wir die Finanzzölle, die wir nach 1945 gegen unseren Willen einführen mußten, wieder abschaffen. Diese psychologische Wirkung — fragen Sie bitte Ihre Kollegen, die mit auf dieser Tagung der IPU waren — dürfen Sie in gar keiner Weise unterschätzen. Sie ist für die Behandlung des Problems sehr wesentlich.Im Ausschuß wird noch ausgiebig die Möglichkeit sein, zu Einzelpunkten Stellung zu nehmen, auch dazu, wie die Hausfrauen diese Frage sehen. Der Preis wird immer pro Tasse ausgerechnet, es wird gesagt, es macht pro Tasse 2,5 Pf aus. Die Hausfrauen kaufen aber den Kaffee nicht pro Tasse ein, sie gehen auch normalerweise nicht — es sei denn, sie haben gerade ein Kaffeekränzchen, was auch nicht mehr so häufig vorkommt — ins Kaffeehaus. Sie kaufen eben für die Familie den Kaffee, halbpfund- oder pfundweise. Da ist es doch folgendermaßen: Wenn sie für ein Pfund Kaffee 9 DM ausgeben, sind beim Verbraucherpreis 3 DM für die öffentliche Hand darin enthalten. Ich habe schon einmal folgendes gesagt, auch in bezug auf andere Verbrauchsteuern, die sehr hoch sind: Wenn bei uns eingeführt würde, was in Amerika in einzelnen Staaten der Fall ist, daß die sales-tax eigens ausgewiesen wird — Preis soundsoviel und Steuer soundsoviel —, wenn also draußen auf dem Schild stände bei einem Pfund Kaffee: Preis 6 DM, Steuer 3 DM, Summa 9 DM, seien Sie sicher, dann ständen Sie heute auch anders zu dieser Frage, ob Sie es den Hausfrauen auch weiterhin zumuten können, in diesem Fall für den täglichen Verbrauch so viel an öffentlichen Abgaben zu zahlen!
— Meine Herren, seien Sie nicht so böse! Die Frauen haben wahrscheinlich nicht die Absicht, nachher die Einsparungen für sich zu verwenden. Sie werden sich aber sehr freuen, besonders auch in den Haushaltungen, in denen heute noch sehr genau gerechnet werden muß, wenn sie weniger Blümchenkaffee, sondern Ihnen im Zeichen der Pflege der Familie und des ehelichen Gemütes einen guten Bohnenkaffee vorsetzen können.
Meine Damen und Herren, nachdem Sie die Stimme der deutschen Hausfrau vernommen haben, hoffe ich, daß wir zu der Überweisung kommen können. Wird noch das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Krammig!
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8204 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sowohl Herr Kollege Peters als auch Herr Kollege Regling haben die Senkungsanträge unter anderem damit begründet, daß den Entwicklungsländern dadurch sehr stark geholfen werde. Herr Bundesminister Etzel hat hier einige Zahlen genannt, die ich leider nicht unwidersprochen hinnehmen kann, aber keineswegs in dem Sinne, daß er zu niedrige Zahlen genannt hätte, sondern in dem Sinne, daß er viel zu hohe Zahlen genannt hat.
Herr Minister Etzel hat ausgeführt, wenn der Kaffeeverbrauch auf Grund einer völligen Beseitigung der Kaffeesteuer größer werde, flössen etwa 90 bis 100 Millionen DM in die Entwicklungsländer. Das stimmt nicht, meine Damen und Herren. Herr Minister Etzel geht von einem Preis von 4400 DM pro Tonne aus. Dieser Preis wird aber nicht demjenigen gezahlt, der den Kaffee in Brasilien verkauft, dem Farmer, sondern er wird dem Händler gezahlt. Wenn die von einem Fachmann in einer Zeitung veröffentlichte Nachricht stimmt, die ich vor einigen Tagen gelesen habe, daß man in den Einzelhandelsgeschäften in Brasilien ein Kilo Rohkaffee für 80 Pfennig kaufen kann, wissen Sie, was dann bei einem Verzicht auf die ganze Kaffeesteuer und bei einer Steigerung des Konsums um 12,6 Prozent — das hat Herr Professor Haberler ausgerechnet, der ein Sachverständiger innerhalb des GATT ist — in die Entwicklungsländer fließt? Das sind ganze 20 Millionen DM. Und da wollen Sie, auf die Dauer gesehen, auf ein Kaffeesteueraufkommen von 700 Millionen DM, so wie es für 1961 geschätzt worden ist, verzichten? Ich glaube, das lohnt nicht. Diese Zahlenangaben müssen einmal richtiggestellt werden. Herr Kollege Peters sprach von fühlbaren Maßnahmen. Das ist keine fühlbare Maßnahme im Sinne der Entwicklungshilfe.
Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus, Sie haben vorhin gesagt, die Freien Demokraten beschäftigten sich seit zehn Jahren mit der Kaffee- und Teesteuer. Sie haben gleich darauf folgen lassen, daß man ja auf die 29 Millionen DM Teesteuer verzichten könne. Sie beschäftigen sich persönlich wahrscheinlich noch nicht zehn Jahre mit der Kaffee- und Teesteuer.
— Dann ist es um so unverständlicher, daß Sie noch nicht dahintergekommen sind, daß Kaffeesteuer und Teesteuer so eng zusammenhängen, daß man auf die eine nicht verzichten kann, ohne die andere zu benachteiligen. Sie hätten wissen müssen, daß diese beiden Steuern so eng miteinander verflochten sind, daß man entweder auf beide verzichten muß oder bei deiden nichts tun darf.
Bei Ihrer Statistik haben Sie ganz vergessen — das möchte ich nur nebenbei erwähnen —, daß wir im Bierkonsum immerhin an der Spitze Europas stehen, ausgenommen Belgien. Die anderen trinken weniger Bier und dafür etwas mehr Kaffee. Ich
weiß nicht, ob die Bierbrauer mit Ihrer Argumentation ganz einverstanden sind.
— Wir brauchen ja nicht überall in der Welt an der Spitze zu stehen; es genügt, wenn wir in einigen Dingen an der Spitze stehen. Auch das begrüße ich keineswegs, sondern in manchem bedauere ich es lebhaft.
— Wieso? Ich begrüße es, daß mehr Bier getrunken wird, damit die Länder mehr Biersteuer haben, mein Lieber.
Meinen Sie, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, Ihre bayerischen Kollegen trinken kein Bier?
So ist eis richtig.
Frau Dr. Diemer-Nicolaus sprach auch von der Fehlschätzung der eintretenden Ausfälle. Frau Dr. Diemer-Nicolaus, wenn ich recht unterrichtet bin, sind Sie auch versorgungsmathematisch gebildet. Sie dürften eigentlich wissen, daß wir uns auch bei der Sozialproduktsteigerung sehr verschätzt haben, zur großen Freude aller Finanzminister in der Bundesrepublik einschließlich des Bundesfinanzministers und eines Ihrer Herren Kollegen, mit dem ich viel zu tun habe, weil er Finanzminister in einem Lande ist. Der ging sogar so weit, bei der Sozialproduktsteigerung im vorvorigen Jahr davon auszugehen, daß es überhaupt keine gäbe, und hatte dann Ende des Rechnungsjahres 40 Millionen mehr in seiner Tasche, als er vermutet hatte. Sehen Sie, auf Grund dieser wirklich als Wunder zu bezeichnenden Sozialproduktsteigerung im letzten Jahr sind die Einkommen natürlich mitgewachsen, und entsprechend den Einkommen sind auch die Konsummengen größer geworden. Aber damals, als die Zahlen vorgelegt wurden, konnte das nur ein Hellseher wissen, und nicht der Bundesfinanzminister.
Herr Abgeordneter Kramming, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Diemer-Nicolaus?
Bitte sehr.
Herr Kollege, sind Sie der Auffassung, daß die Zahlen, die ich genannt habe, nach denen der Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung nur 3,5 kg — gegenüber 7 kg und noch mehr in den übrigen Ländern — beträgt, nicht richtig sind?
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Frau Kollegin, Sie haben so viele Zahlen genannt, daß ich sie gar nicht alle behalten habe. Die Zahl 3,5 bestreite ich gar nicht. Es können sogar 3,7 kg sein, nicht einmal 3,5. Nach den letzten Meldungen, die vorliegen, sind es 3,7 kg. Warum soll ich denn das bestreiten? Das sind doch Tatsachen. Davon reden wir ja gar nicht. Aber in diesem Zusammenhang hatte ich gesagt: Weil wir doch ein bißchen mehr Bier trinken als andere Leute und vielleicht auch etwas mehr Wein, als in den nordischen Ländern und in den Vereinigten Staaten getrunken wird, deswegen können wir doch nicht eimerweise Kaffee mehr trinken. Wo soll denn das bleiben?
So ist es doch.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich zum Schluß kommen.
— Vielleicht holen Sie mal ein Maß hierher; dann spreche ich noch weiter darüber. Aber der Herr Präsident wird nicht damit einverstanden sein. -
Innerhalb der Fraktion der CDU/CSU bestand große Neigung, da wir diese Anträge alle Jahre wieder
wie das Christuskind auf den Tisch gelegt bekommen, auch der Ausschußüberweisung nicht zuzustimmen.
— Herr Kollege Seuffert, ich möchte Ihnen dazu noch folgendes sagen; das sage ich jetzt aber ganz privat und nicht im Auftrage meiner Fraktion: Wenn ich an Ihrer Stelle säße und so große Hoffnungen hätte, die Bundestagswahl zu gewinnen, dann hätte ich diese Anträge nicht jetzt gebracht, sondern nachher, wenn ich die Macht im Staate hätte.
Aber Sie rechnen ja selber nicht damit, daß Sie sie bekommen. — Wir werden der Ausschußüberweisung zustimmen und die Dinge im Ausschuß weiter zu behandeln haben.
Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit schlage ich vor, die Kaffeestunde nicht weiter auszudehnen. Es liegen auch keine Wortmeldungen mehr vor.Ich schlage Ihnen vor, wie es bereits beantragt ist, die beiden Entwürfe an den Finanzausschuß und außerdem gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zudem Vertrag vom 15. Juli 1960 zwischen derBundesrepublik Deutschland und der Franzöischen Republik über Leistungen zugunsten französischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten als federführenden Ausschuß und den Ausschuß für Wiedergutmachung und den Haushaltsausschuß zur Mitberatung vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 14. Dezember 1957 über die bodenständige Verteidigung und Polizei nach Artikel 5 des Protokolls Nr. II des revidierten Brüsseler Vertrages .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung — federführend — und an den Ausschuß für Inneres — mitberatend — vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. November 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan zur Förderung und zum Schutz von Kapitalanlagen .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — mitberatend — vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes . im Saarland .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Punkt 25 und Punkt 26 schlage ich vor zurückzustellen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 27:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960 (Drucksache 2442, Umdruck 595).
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8206 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
Vizepräsident Dr. JaegerBerichterstatter ist der Abgeordnete Schultz. Auf den mündlichen Bericht wird verzichtet. Das Wort zur Aussprache wird nicht begehrt. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir jetzt die unstrittigen Punkte erledigen.Ich rufe Punkt 29 auf:Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks der ehem. Infanteriekaserne in Mülheim an die Stadt Mülheim (Drucksache 2441).Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 30 auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der ehem. Deutschmeister-Kaserne (jetzt Caritaskrankenhaus) in Bad Mergentheim an den Caritasverband für Württemberg (Diözese Rottenburg) e. V. (Drucksachen 2321, 2499).Berichterstatter ist der Abgeordnete Windelen. Ist er im Saal? — Ich nehme an, das Haus verzichtet auf den mündlichen Bericht.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2499 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig beschlossen.Ich rufe auf Punkt 31:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines bundeseigenen Teilgrundstücks des ehemaligen Flugplatzes HamburgBahrenfeld an die Grundstücksgemeinschaft Benno Behrens, Franz Glogner und Hans Kauffmann in Hamburg (Drucksachen 2363, 2530) .Berichterstatter ist der Abgeordnete Windelen. Ich nehme an, Sie verzichten auf den mündlichen Bericht. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 32 auf:Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Ersten Verordnungzur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Drucksache 2534).Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Außenhandelsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 33 der Tagesordnung:Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Drucksache 2535).Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Außenhandelsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 34 der Tagesordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Immunitätsangelegenheiten — betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Karl-Heinz Sommer und Theodor Harnach gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 19. September 1960 (Drucksache 2531).Berichterstatter ist der Abgeordnete Muckermann. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 19. September 1960 die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Mainz in der Strafsache gegen den Hilfsarbeiter Karl-Heinz Sommer und den Bauschreiner Theodor Harnach wegen Beleidigung des Deutschen Bundestages mit der Bitte überreicht, eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt werden soll. Es liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Die beiden Beschuldigten haben nach reichlichem Alkoholgenuß in einer Gaststätte beleidigende Äußerungen getan, die sich zum Teil gegen den Deutschen Bundestag gerichtet haben, z. B. „Die Lumpen in Bonn haben gar nicht das Recht, das Deutschlandlied zu singen" und „Die verraten und verkaufen uns". Es sind außerdem beleidigende Äußerungen gegen den Bundeskanzler gefallen, der jedoch nach einer Mitteilung des Bundeskanzleramtes von einem Strafantrag abgesehen hat, sofern sich die Beschuldigten wegen der Beleidigungen öffentlich entschuldigen würden.Der Ausschuß hat gemäß seiner früheren Praxis in dieser Sache entschieden, daß der Bundestag von einer Verfolgung absehen könne, weil er sich in diesem Falle nicht beleidigt fühlen könne; es liege nicht im Interesse des Deutschen Bundestages und diene nicht seinem Ansehen, wenn in diesem Falle von der bisherigen Regelung abgewichen würde.Ich empfehle Ihnen, sich die Stellungnahme des Ausschusses zu eigen zu machen und von einer Strafverfolgung abzusehen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8207
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nichts dagegen, daß solche Leute nicht verfolgt werden. Aber ich weiß nicht, ob wir uns hier all das anhören müssen, was sie sich an üblen Beschimpfungen geleistet haben, und ob man den Bericht in solchen Fällen in Zukunft nicht so abfassen kann, daß das sehr abgekürzt wird. Ich wäre jedenfalls dankbar, wenn die Damen und Herren Kollegen des Immunitätsausschusses das für die Zukunft einmal überprüfen wollten.
Meine Damen und Herren! Ich bin ,der Auffassung, daß wir in die Rechte eines Berichterstatters hier nicht eingreifen können und daß das höchstens für die Zukunft geprüft werden kann, aber keineswegs eine Kritik für die Berichterstatter sein darf.
Dann darf ich, nachdem das Wort nicht weiter gewünscht wird, wohl feststellen, daß Widerspruch gegen den Antrag des Ausschusses nicht erhoben wird.
— Dann lasse ich abstimmen. Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Karl-Heinz Sommer und Theodor Harnach wegen Beleidigung des Deutschen Bundestages wird nicht erteilt.
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung gegen eine Anzahl von Stimmen mit Mehrheit angenommen.
Die Punkte 25 und 26 sind für Donnerstag und Freitag zurückgestellt.
Ich komme jetzt zum einzigen noch offenen Punkt der Tagesordnung. Ich rufe auf Punkt 28:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Abgeordneten Gontrum, Dr. Löhr, Dr. Rheinhard, Worms, Dr. Martin und Genossen betr. Schiffbarmachung der Lahn (Drucksachen 1374, 2483).
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Cramer, hat einen Schriftlichen Bericht eingereicht, für den ich ihm danke.
Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit möchte ich trotz der Wichtigkeit des Problems bitten, die Diskussion kurz zu fassen. Wer wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Reitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in der Drucksache 2483 wiedergegebene Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums ist fast gleichlautend mit derjenigen, die der Herr Verkehrsminister in der 118. Sitzung in diesem Hause zu demselben Fragenkomplex vorgetragen hat, obwohl in der Presse inzwischen die Erklärung eines CDU-Kollegen zu lesen war, daß auf Grund seiner Verhandlungen die Bundesregierung der Schiffbarmachung der Lahn jetzt positiv gegenüberstehe.Die Drucksache 1374 enthält den Antrag, zur Schiffbarmachung der Lahn bis Wetzlar für den ersten Bauabschnitt 1960 die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Dieser Antrag wurde von Kollegen der CDU, und zwar überwiegend aus Hessen, gestellt. Zur Beratung ihres Antrags wurden die Antragsteller vom Verkehrsausschuß zu seiner 78. Sitzung eingeladen; aber sie erschienen nicht.
Daraus mußte man den Eindruck gewinnen, daß es Ihnen eigentlich nicht so sehr um die Sache selbst ging, sondern daß man dadurch in dem Kommunalwahlkampf in Hessen der dortigen Regierung eins auswischen wollte.
Daß dies in der Frage der Schiffbarmachung der Lahn aber nicht am Platze war, hat die hessische CDU-Landtagsfraktion am 26. April 1960 selbst bestätigt, stellte sie doch an diesem Tag fest, daß niemand die Ernsthaftigkeit des Bemühens der hessischen Landesregierung um den Ausbau der Lahnschiffahrtsstraße anzweifele.
Es ist doch eine Tatsache, daß die hessische Regierung sich schon fast ein Jahrzehnt lang, bedingt durch den Montanunionvertrag, um alle notwendigen Maßnahmen für das Lahn-Dill-Gebiet bemüht. Sie hat in allen mündlichen und in allen schriftlichen Verhandlungen mit der Bundesregierung als Eigentümerin der Bundeswasserstraße Lahn die Notwendigkeit der Schiffbarmachung bis Wetzlar im Interesse der dortigen Wirtschaft stets nachdrücklich vertreten und in Bereitschaft zur Regelung dieser Frage immer ihre volle Unterstützung gegeben. Sie war auch bereit, einen diesbezüglichen Staatsvertrag abzuschließen; leider wurde dieser von der Bundesregierung abgelehnt.Der Ansicht des Herrn Verkehrsministers, der Ausbau der Lahn sei zur Zeit volkswirtschaftlich nicht begründet, muß ich allerdings entgegenhalten, daß nach einem wissenschaftlichen Gutachten die Rentabilität gesichert ist und daß die Kosten im Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Erfolg als gering ermittelt worden sind. Welche Bedeutung die Entscheidung der Hohen Behörde — der Wegfall der Frachtvergünstigung für das Lahn- und das Dillgebiet — in wirtschaftlicher Hinsicht hat, zeigt deutlich die sofort erfolgte Anrufung des Europäischen
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8208 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961
ReitzGerichtshofes. Man war sich bewußt, daß der Wegfall der Sondertarife für die betroffenen Unternehmen der Eisenerzeugung und des Eisenerzbergbaues eine kaum tragbare Verschlechterung ihrer Ertrags- und Wettbewerbslage gegenüber günstiger gelegenen Gebiete bedeutet.Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Mai 1960, welches die seither geltenden Ausnahmetarife für Kohle und Erz aufgehoben hat, bringt es mit sich, daß die Unternehmen des Lahn- und des Dillgebietes die Nachteile durch eigene Anpassungsmaßnahmen nicht ausgleichen können. Es handelt sich in diesem Raum immerhin um 50 000 Arbeitnehmer und deren Lebensinteressen.In dem Bericht kommt zum Ausdruck, die Bundesregierung möge die Frage des Ausbaus der Lahn im Rahmen eines zweiten Vierjahresprogramms für die Bundeswasserstraßen näher prüfen. Falls sich ergeben sollte, daß nur auf diesem Gebiet geholfen werden könnte, wäre dies trotz der dadurch zum Ausdruck gebrachten Anerkennnung, daß Hilfe notwendig sei, keine positive Stellungnahme. Ich bitte deshalb die Bundesregierung, alles zu versuchen, damit die zugesagten Untersuchungen schnellstens abgeschlossen werden, und dann gegebenenfalls die Mittel für die Lahnkanalisierung 1962 in den Etat aufzunehmen. Denn wenn diese Kanalisierung überhaupt Wirklichkeit werden soll — und im Interesse der dortigen Wirtschaft wäre das notwendig —, muß sie so schnell wie überhaupt möglich geschehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gontrum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Reitz, ich muß Sie leider enttäuschen. Es war nicht so, daß wir den Antrag wegen des Kommunalwahlkampfes eingebracht haben, sondern die Industrie- und Handelskammer in Wetzlar ist an uns alle herangetreten, die wir Abgeordnete im Landtag oder im Bundestag waren, und hat auf einer Tagung das ganze Problem mit uns zur Sprache gebracht. Es war aber von den eingeladenen Abgeordneten des Bundestages niemand da außer meiner Wenigkeit. Da das Problem für den Raum des Lahn-Dill-Gebietes eine unerhörte Wichtigkeit besitzt, habe ich mich selbstverständlich veranlaßt gesehen — wie könnte ich es anders gemacht haben? —, mich dafür zu interessieren und abzusprechen, was zu tun wäre. Mit meinen Freunden bin ich zu dem Ergebnis gekommen, einen Initiativantrag einzubringen. Das ist dann geschehen.
Daß dieser Antrag, der eingebracht und im Verkehrsausschuß behandelt wurde, einen Sinn hatte, ergibt die Entschließung, die Empfehlung, die vom Ausschuß gegeben worden ist. Wir haben auch gar nicht damit gerechnet, daß man ein so schwieriges und angesichts der finanziellen Ausweitung bedeutsames Problem von heute auf morgen in Angriff nehmen könnte.
Die hessische Regierung hat einiges getan und ein Gutachten besorgt; die Bundesregierung hat desgleichen getan. Ein entscheidendes Gutachten der Bundesregierung liegt noch nicht vor. In der 100. Sitzung des Verkehrsausschusses haben wir festgestellt, daß die Bundesregierung, wenn sie über die Strukturverhältnisse des gesamten Gebietes die entscheidenden Unterlagen besitzt, sich intensiver und vernünftiger mit dem gesamten Problem auseinandersetzen kann. Wir, die wir den Antrag eingebracht haben, sind mit Ihnen einer Meinung, daß das Problem auf dem Tisch bleibt und so rasch wie möglich geklärt werden muß. Wenn es erforderlich ist, muß dann die Lahn-Kanalisierung durchgeführt werden.
Das Wort wird nicht mehr begehrt.
— Herr Abgeordneter Jahn! Hoffentlich sprechen nicht alle hessischen Abgeordneten.
Es wohnen auch nicht alle hessischen Abgeordneten an der Lahn, Herr Präsident.Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was Herr Kollege Gontrum hier soeben gesagt hat, war nur der mühselige und nicht geglückte Versuch, sich dafür zu rechtfertigen, daß er den von ihm mit unterzeichneten Antrag da, wo es notwendig war, nicht ernsthaft vertreten hat. Er hat nicht dementiert, daß er in dem Zeitpunkt, zu dem darüber im Ausschuß gesprochen wurde, dort nicht gewesen ist und seinen Antrag nicht vertreten hat. Auf diese Feststellung kam es dem Kollegen Reitz in erster Linie an.Aber noch eine weitere Bemerkung. Es ist von großem Interesse, hier zu erfahren, daß Herr Kollege Gontrum die Ehre hatte, von der Industrie- und Handelskammer in Wetzlar eingeladen zu werden. Es ist nur falsch, wenn er erzählt, es seien alle Abgeordneten eingeladen gewesen. Herr Kollege Reitz war nicht eingeladen, ich war auch nicht eingeladen.
Es handelte sich offenbar um eine Privatveranstaltung unter christlich-demkoratischen Vorzeichen. Sie können also nicht sagen, daß wir alle dazu eingeladen gewesen wären.Daß Sie den Antrag gestellt haben, war sicherlich sehr nützlich. Aber es wäre nützlicher gewesen, wenn dabei dann schließlich etwas mehr herausgekommen wäre, als das tatsächlich der Fall war. Die Bundesregierung kann sich wahrhaftig nicht herausreden und behaupten, wie Sie es auch hier getan haben, es läge kein brauchbares Gutachten vor. Das Gutachten, das die hessische Landesregierung von Professor Leibbrand eingeholt hat, stammt von einem der anerkanntesten Verkehrsexperten, die es auf diesem Gebiet überhaupt gibt. Dieses Gutachten kommt in einer sehr gründlichen Untersu-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Februar 1961 8209
Jahn
chung zu völlig klaren und eindeutigen Ergebnissen. Auf der Grundlage dieses Gutachtens kann man sich entscheiden, wie man will. Es wäre wirklich an der Zeit, daß endlich einmal von der Bundesregierung ein klares Wort dazu gesagt würde, was sie selbst mit der Bundeswasserstraße Lahn tun will.
Das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Gontrum.
Ich habe nur gesagt, daß die Industrie- und Handelskammer eingeladen hat. Wen sie eingeladen hat, weiß ich nicht.
— Entschuldigen Sie, das können Sie mir doch nicht
zum Vorwurf machen, denn darüber weiß ich gar nichts. Ich nahm es an, denn man hat mir gesagt, es sind die Abgeordneten eingeladen.
Das Wort wird nicht mehr begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 23. Februar, also auf morgen, 14.30 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.