Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 32. Sitzung des Bundestags und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Scharnberg für sechs Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeordneter Sträter für vier Wochen wegen Krankheit.
Der Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Dr. Baade, Margulies, Dr. Atzenroth, Dr. Königswarter, Stiller, Dr. Graf Henckel, Heye, Dr. Köhler, Dr. Werber, Even, Winkelheide, Wieninger, Schmitt , Diedrichsen, Dr. Brühler, Seidl (Dorfen), Dr. Jentzsch, Dr. Hesberg, Bazille, Blachstein, Dr. Mocker, Dr. Hammer, Seidel (Fürth), Frau Albertz, Raestrup, Wirths, Neuburger, Dr. Schuberth, Reitzner, Brockmann (Rinkerode), Dr. Eckhardt, Dr. Gülich, Schwann, Diekmann, Ritsch und Gockeln.
Danke schön!
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß Sie mit der Erteilung des Urlaubs für die Herren Abgeordneten Scharnberg und Sträter über eine Woche hinaus einverstanden sind. — Das ist offenbar der Fall.
Zur heutigen Tagesordnung weise ich darauf hin, daß durch Beschluß des Hauses bzw. durch interfraktionelle Vereinbarungen festgelegt worden ist, daß von der nicht erledigten Tagesordnung des Mittwoch die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit heute erledigt werden soll; dieser Punkt wird auf die Tagesordnung gesetzt.
Das gleiche gilt für die Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des Bundesentschädigungsgesetzes .
Dann steht hier aufgeführt die Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend „Vulkan"-Fall , wobei ich darauf hinweisen muß, daß der Minister nicht zur Verfügung stehen kann. Ich weiß nicht, ob die Interpellanten Wert darauf legen, diese Frage heute beantwortet zu bekommen?
— Er befindet sich, wenn ich recht unterrichtet bin, auf Auslandsreise. Stimmt das? — Ja, also vielleicht können wir uns darüber verständigen. Ich bitte, mir freundlichst Bescheid zu geben.
Ferner wird die Tagesordnung erweitert um die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Vertragspartnern des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens und Japan (Drucksache 473) und um die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Zollzugeständnislisten zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) (Drucksache 474).
Außerdem weise ich darauf hin, daß die Drucksache für den Punkt 8 der heutigen Tagesordnung — zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages — noch nicht verteilt worden ist. Wenn die Verabschiedung heute erfolgen sollte, müßte auf die fristgemäße Verteilung dieser Drucksache verzichtet werden. Ich bitte, freundlichst zu überlegen, ob dieser Verzicht erfolgt.
Das war zur Tagesordnung bekanntzugeben.
Dann können wir in die Tagesordnung eintreten. Wir kommen zur
Fragestunde .
Es ist gebeten worden, die Frage 1 zurückzustellen, weil der Fragesteller nicht hier ist. Vielleicht kommt er noch. — Er ist entschuldigt, wird also heute nicht kommen. Dann würden wir die Frage später erledigen müssen.
Zur Frage 2 Herr Abgeordneter Dr. Bergmeyer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erlaube mir, an den Herrn Bundesminister für Verkehr folgende Anfrage zu richten:
Trifft es zu, daß das Bundesministerium für Verkehr und die Deutsche Bundesbahn sich mit dem „Problem der rollenden Landstraße" befassen, und ist mit einer baldigen Verwirklichung dieser Pläne zu rechnen?
Bitte, Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann beide Fragen bejahen. Bei der rollenden Landstraße und auch bei dem sogenannten Anhänger-Behälter-Verkehr handelt es sich darum, daß der ganze Lastzug oder auch nur der Anhänger auf einen Flachwagen der Bundesbahn verladen werden soll, was dann über eine Rampe zu geschehen hätte wie z. B. bei der Überfahrt nach der Insel Sylt oder bei der Fahrt durch den St. Gotthard-Tunnel. Das Problem ist technisch gelöst, und auch die damit zusammenhängenden tariflichen Fragen stehen vor der Klärung. Seit einigen Jahren schon wird dieses Problem erörtert. Die Bundesbahn war zunächst etwas zurückhaltender als der Bundesminister für Verkehr, der auch im Rahmen seiner verkehrspolitischen Gesamtmaßnahmen sehr darauf gedrängt hat, diese Form der Zusammenarbeit zwischen Schiene und Straße zu fördern.
Die abschließende Stellungnahme der Bundesbahn wird für den 4. Juni erwartet. Wir glauben daher, daß in kürzester Frist mit dieser Form einer gemeinsamen Transportleistung von Schiene und Straße gerechnet werden kann.
Ist die Frage damit erledigt, Herr Abgeordneter Bergmeyer?
Jawohl.
Zur Frage 3 Herr Abgeordneter Schneider .
Welche Gründe verhinderten den Herrn Bundesminister für Arbeit bisher, eine endgültige gesetzliche Lösung betreffend die Rechtsverhältnisse der Versorgungskasse der Träger der Reichsversicherung zu veranlassen?
Wann ist mit der Vorlage eines diesbezüglichen Gesetzes zu rechnen, und ist insonderheit sichergestellt, daß die Weiter- und Zuschußversicherten eine gerechte Regelung erfahren?
Bitte, Herr Bundesminister für Arbeit!
Die Versorgungskasse der Träger der Reichsversicherung ist kein Sozialversicherungsträger. Sie unterstand als Körperschaft des öffentlichen Rechts der Aufsicht des Reichsarbeitsministers und ist nach dem 8. Mai 1945 in Berlin stillgelegt. Ihr Vermögen wird zur Zeit treuhänderisch vom Bund und vom Senat Berlin verwaltet.
Forderungen gegen die Versorgungskasse werden von zwei Gruppen erhoben, erstens von den Krankenkassen als Rückversicherungsträgern für ihre Angestellten, zweitens von den Weiter- und Zusatzversicherten. Der Vermögensbestand in Berlin reicht zur Deckung dieser Forderungen nicht aus. Eine gesetzliche Lösung setzt aber notwendigerweise eine Klärung der Deckungsfrage voraus. Nachdem die Selbstverwaltungsorgane in den Spitzenverbänden der Krankenkassen ihre Tätigkeit aufgenommen haben, werden die Verhandlungen über die Deckungsfrage bereits geführt und in der nächsten Zeit hoffentlich abgeschlossen.
Der Entwurf eines Gesetzes, der vor allen Dingen die Forderung der Weiter- und Zusatzversicherten im Rahmen der erworbenen Anwartschaften klarstellt, wird dem Hohen Hause voraussichtlich im Herbst dieses Jahres zugeleitet werden.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ist die Frage erledigt? Schneider (DP): Jawohl.
Zur Frage 4 Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen!
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Lande Nordrhein-Westfalen Anstrengungen gemacht werden, um die Verlegung des Gmelin-Institutes von Clausthal-Zellerfeld nach Köln zu erreichen? Ist die Bundesregierung bereit, geeignete Schritte zu unternehmen,
um diesen für das Zonenrandgebiet schweren Schlag abzuwenden?
Der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist der Bundesregierung bekannt, daß das Gmelin-Institut für anorganische Chemie sich bemüht, seinen Sitz von Clausthal-Zellerfeld nach Köln zu verlegen. Das Institut ist eine Einrichtung der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Die Max-Planck-Gesellschaft und mit ihr dieses Institut werden im Rahmen des Königsteiner Abkommens von den Ländern gefördert. Die Bundesregierung hat in den Organen der Gesellschaft weder Sitz noch Stimme. Sie ist daher zu unserem Bedauern nicht in der Lage, unmittelbaren Einfluß auf die Pläne der Gesellschaft hinsichtlich des Sitzes des Instituts zu nehmen.
Herr Staatssekretär, eine Zwischenfrage.
Eine Zusatzfrage, bitte!
Ist die Bundesregierung bereit, mittelbaren Einfluß zu nehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit ihr mittelbarer Einfluß gegeben ist, gerne. Ich kann allerdings nicht sagen, wie weit dieser Einfluß gehen wird.
Frau Dr. Brökelschen: Danke schön!
Zur Frage 5 Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die staatliche Telefonverwaltung in Spanien es ablehnt, Telefongespräche mit West-Berlin zu vermitteln, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um diese ungerechtfertigte und für Berlin in hohem Maße auch wirtschaftlich nachteilige Sperre aufzuheben?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen, Herr Professor Dr. Gladenbeck, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die spanische Verwaltung hat 1949, als der Fernsprechverkehr zwischen der Bundesrepublik und Spanien aufgenommen wurde, mitgeteilt, sie könne gegenwärtig der Ausdehnung des Fernsprechverkehrs auf die Westsektoren von Berlin nicht zustimmen. Auf mehrfache Schreiben des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen an die spanische Verwaltung und an die spanische Fernmeldegesellschaft Compañía Telefónica Nacional de España, den Fernsprechverkehr auch auf Berlin auszudehnen, ist eine Antwort seitens der spanischen Verwaltung nicht eingegangen. Lediglich die spanische Fernmeldegesellschaft hat am 10. August 1953 mitgeteilt, daß sie ihrer Regierung die Zulassung von Berlin (West) zum Fernsprechverkehr mit Spanien vorgeschlagen habe. Da weitere unmittelbare Bemühungen bei der zuständigen spanischen Fernmeldeverwaltung keinen Erfolg versprachen, wurde das Auswärtige Amt gebeten, in der Angelegenheit tätig zu werden. Dieses hat die Deutsche Botschaft in Madrid beauftragt, bei den zuständigen spanischen Behörden Vorstellungen zu erheben und auf die nachteiligen Folgen einer Ausnahme West-Berlins aus dem Fernsprechverkehr zwischen der Bundesrepublik und Spanien besonders hinzuweisen. Bisher hat jedoch die spanische Regierung hierzu noch nicht Stellung genommen. Das Auswärtige Amt hat daher die Botschaft in Madrid gebeten, nochmals in dieser Angelegenheit vorstellig zu werden.
Ist die Frage erledigt, Herr Abgeordneter Friedensburg? — Jawohl.
Zur Frage 6 Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Ich frage den Herrn Bundesminister der Finanzen:
Wann werden endlich die in Berlin wohnenden Alt-Versicherten der früheren Zusatzversorgungsanstalt des Reiches und der Länder — jetzt Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder — in gleicher Weise wie ihre im Bundesgebiet wohnenden Kollegen Leistungen erhalten?
Der Herr Bundesminister der Finanzen!
Über die Aufnahme der Rentenzahlungen an die in Berlin wohnenden ehemaligen Rentner der jetzigen Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wird zwischen dem Finanzministerium und dem Senator für Inneres der Stadt Berlin und der Versorgungsanstalt selbst verhandelt
— ich darf auf die Schwierigkeiten aufmerksam machen, die seit zwei Jahren bestehen — mit dem Ziel, die Zahlungen baldigst wieder aufzunehmen. Ob und in welchem Umfange hierzu der Versorgungsanstalt Ausgleichsmittel zur Verfügung gestellt werden, wird noch geprüft. Die Durchführung der erforderlichen Vereinbarungen setzt aber das Einverständnis der Berliner Gewerkschaften damit voraus, daß mit Wirkung vom 1. Juli 1954 alle neueingestellten Berliner Angestellten und Arbeiter in der gleichen Weise ihre zusätzliche Alters-und Hinterbliebenenversorgung durch Versicherung bei der Versorgungsanstalt erhalten, wie es beim Bund, in den Ländern und in einem Teil der Gemeinden geschieht. Die Aufnahme der Zahlungen an die Berliner Altrentner würde jedoch in jedem Fall unmöglich sein, wenn die Berliner Gewerkschaften ihre bisherige Forderung auf eine beamtenähnliche Versorgung der Angestellten und Arbeiter des Landes und der Stadt Berlin aufrechterhalten sollten.
Eine Zusatzfrage an den Herrn Minister!
Eine Zusatzfrage, bitte.
Am 30. April 1953 hat der Herr Bundesminister der Finanzen auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion erklärt, daß die Wiederaufnahme von Leistungen erleichtert
werde, wenn das Land Berlin der Versorgungsanstalt neue Versicherungen zuführe. Entspricht es den Tatsachen, daß zwar das Land Berlin diesem Ratschlag entsprechen wollte, daß aber der Herr Bundesminister der Finanzen im Zusammenhang mit dem Haushalt des Landes Berlin seine Zustimmung zu einer derartigen Regelung nicht erteilen wollte?
Nach meinen Unterlagen entspricht das nicht den Tatsachen.
Ich danke.
Die Frage ist erledigt.
Zur Frage 7 Herr Abgeordneter Dr. Mommer. — Scheint nicht da zu sein.
— Dann stellen wir die Frage zurück.
Zur Frage 8 Herr Abgeordneter Thieme.
Meine Frage richtet sich an den Herrn Bundesminister für Verkehr:
Trifft es zu, daß der Herr Bundesminister für Verkehr den Sitz des Luftfahrt-Bundesamtes bereits bestimmt hat, obwohl das Gesetz über das Luftfahrt-Bundesamt noch nicht verabschiedet ist, und trifft es zu, daß als Sitz des Amtes Waggum bei Braunschweig endgültig festgelegt worden ist?
Der Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Beide Fragen sind zu verneinen. Das Gesetz über das Bundesluftfahrtamt hat den Bundesrat passiert und ist dem Hohen Hause noch nicht zugeleitet. Im jetzigen Stadium der Angelegenheit kann der Bundesminister für Verkehr über den Sitz des Bundesluftfahrtamts gar keine Entscheidung treffen.
Die Frage ist erledigt.
Zur Frage 9 Herr Abgeordneter Dr. Mommer. — Ist nicht anwesend.
Zur Frage 10 Herr Abgeordneter Meyer .
Meyer (SPD): Eine Frage an den Herrn Bundesminister für Arbeit:
Hat das Bundesministerium für Arbeit Vorbereitungen getroffen, die Ungerechtigkeiten zu beseitigen und den Teilnehmern am ersten Weltkrieg die gleichen Rechte in der Rentenversicherung zu geben, die den Teilnehmern am zweiten Weltkrieg gesetzlich zustehen? Ist insbesondere daran gedacht, das Gesetz über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21. Dezember 1937 einschließlich Durchführungsverordnung der Verordnung über die Gewährung von Steigerungsbeträgen im jetzigen Krieg vom 8. Oktober 1941 (RGBl. I S. 634) anzupassen und auch die Militärzeit, die vor dem ersten Weltkrieg geleistet wurde, einzubeziehen?
Der Herr Bundesminister für Arbeit!
Die Gewährung von Steigerungsbeträgen für Militärdienstzeiten und Kriegsdienstzeiten ist unterschiedlich geregelt. Für Militärdienstzeiten, die vor dem 1. Oktober 1935 liegen, werden keine Steigerungsbeträge gewährt, wohl aber für spätere Zeiten, in der Invalidenversicherung nach Klasse II, in der Angestelltenversicherung nach Klasse B. Für Kriegsdienstjahre des ersten Weltkrieges werden Steigerungsbeträge angerechnet, und zwar in der Angestelltenversicherung in Höhe der vor der Einziehung geleisteten Beiträge, in der Invalidenversicherung im allgemeinen nach Klasse II. Für den zweiten Weltkrieg besteht auch für die Invalidenversicherung eine günstigere Regelung.
Die unterschiedliche Gewährung von Steigerungsbeträgen in der Invalidenversicherung an Teilnehmer des ersten und Teilnehmer des zweiten Weltkrieges erklärt sich im wesentlichen aus der historischen Entwicklung der deutschen Sozialversicherung. Damals wurde es als Fortschritt empfunden, daß den Soldaten Steigerungsbeträge gewährt wurden. Bei einer Neuregelung ist zu berücksichtigen, daß für jede Anrechnung von Versicherungszeiten, für die keine Beiträge entrichtet worden sind, Zahlungen aus Bundesmitteln, d. h. aus dem Steueraufkommen des Volkes, in erheblichem Umfang und für längere Dauer erforderlich werden. Diese Frage wird im Beirat meines Ministeriums zur Neuordnung der Sozialversicherung und zur Sozialreform sehr ernst behandelt. Wir müssen sehen, hier zu einer Regelung zu kommen, die in Wirklichkeit den berechtigten Interessen der davon Betroffenen Rechnung trägt.
Ist die Frage erledigt? — Bitte, Herr Abgeordneter,!
Meyer (SPD): Da gerade im Ministerium sehr viel über die Verbesserung der Altrenten gesprochen wird: ist sich der Herr Bundesminister für Arbeit darüber im klaren, daß vor allem die Regelung dieser Frage, die bereits im 1. Bundestag eine Rolle gespielt hat, mit dazu beitragen würde, den Altrentnern zu helfen? Es gibt sehr, sehr viele Menschen, die vor ihrer Militärdienstzeit im ersten Weltkrieg nicht versichert waren und deshalb heute für fast 10 Jahre keinerlei Steigerungsbeträge aus den Rentenversicherungen bekommen.
Bitte, Herr Bundesminister!
Ob man bei der Erhöhung der Altrenten diese Frage bereits gesetzlich regeln kann, kann ich zur Zeit noch nicht mit Ja oder Nein beantworten. Wir haben die Frage in meinem Haus sehr ernst beraten, und ich habe heute nachmittag eine neue Besprechung, um mich mit meinen Herren darüber abzustimmen, in welcher Form wir den Gesetzentwurf unserem Beirat unterbreiten wollen. Vielleicht ist es möglich, einen Teil der Ungerechtigkeiten aus dem ersten Weltkrieg dabei auszugleichen. Ihnen aber heute im Rahmen dieser Fragestunde eine feste Zusage zu geben, bin ich nicht in der Lage.
Meyer (SPD): Danke sehr!
Frage 10 ist erledigt.
Zur Frage 11 Herr Abgeordneter Schneider .
Welche Bemühungen hat die Bundesregierung hinsichtlich der Sicherung und Pflege der deutschen Kriegsgräber im Ausland unternommen?
Welches ist der Stand der Verhandlungen, insbesondere mit den zuständigen französischen Behörden, im Hinblick auf die 280 000 deutschen Soldatengräber, von denen Tausende ohne schnelle Hilfe dem Verfall preisgegeben sind?
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die deutschen Auslandsmissionen haben sich seit ihrer Errichtung nach Weisung der Bundesregierung in allen Ländern für die Erhaltung der deutschen Kriegsgräber eingesetzt. Der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" wird bei seiner Arbeit in jeder möglichen Weise von der Bundesregierung unterstützt.
Um die dauerhafte Erhaltung und die Pflege der deutschen Kriegsgräber im Ausland sicherzustellen, sind Abkommen mit den Staaten, auf deren Gebiet sich deutsche Kriegsgräber befinden, erforderlich. Die Bundesregierung hat bisher mit Belgien, Luxemburg und Norwegen Kriegsgräberabkommen abgeschlossen. Verhandlungen mit der britischen, italienischen, griechischen und ägyptischen Regierung über den Abschluß von Kriegsgräberabkommen sind aufgenommen worden. Die Bundesregierung ist bestrebt, in nächster Zeit mit den übrigen Regierungen, auf deren Gebiet sich deutsche Kriegsgräber befinden, zwischenstaatliche Abkommen abzuschließen. Die Pflege der verhältnismäßig wenigen deutschen Kriegsgräber in Finnland, in der Schweiz, in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Portugal, in Schweden, in den südamerikanischen Staaten, in der Türkei und in Syrien ist sichergestellt.
Die Bundesregierung hat bisher erhebliche Geldmittel für die ordnungsmäßige Pflege der deutschen Kriegsgräber im Ausland aufgewandt. Im Haushaltsjahr 1954 sind für diesen Zweck 4,5 Millionen DM vorgesehen.
Die bisher noch nicht hergerichteten deutschen Soldatenfriedhöfe im Ausland werden, soweit notwendig, neu angelegt, in würdiger Form ausgestaltet und mit Denkmälern versehen werden. Die Bundesregierung bleibt bemüht, unbekannte Tote, die auf den Friedhöfen beerdigt sind, zu identifizieren, um auch den Angehörigen dieser Toten Gewißheit über deren letzte Ruhestätte zu verschaffen. Die Bundesregierung wird dafür sorgen, daß das ewige Ruherecht der Toten auf den endgültig ausgestalteten Friedhofsanlagen gewährleistet wird.
Verhandlungen mit der französischen Regierung über die Pflege der deutschen Kriegsgräber in Frankreich sind im April dieses Jahres aufgenommen worden. Sie haben vor einigen Tagen zur Ausarbeitung eines deutsch-französischen Vertrages geführt, der nunmehr den beiden Regierungen zur Genehmigung vorgelegt werden wird. Der Vertrag soll mit der Unterzeichnung in Kraft treten. Die Umbettungsarbeiten des „Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge" werden daher noch im Laufe des Sommers beginnen können.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die Frage ist erledigt. Zur Frage 12 Herr Abgeordneter Altmaier. Altmaler :
Ist dem Herrn Bundesminister für Verkehr bekannt, daß bereits vor der am 27. April 1954 erfolgten Verkehrskatastrophe bei Hanau — bei der es eine Anzahl Tote und viele Verletzte gab — mehrere Lokomotivführer infolge Überfahrens des gleichen Lichtsignals in disziplinarischer Hinsicht bestraft wurden, und warum hat die Deutsche Bundesbahn zur Abwendung eines Verkehrsunfalles aus Sicherheitsgründen nicht die erforderlichen Schritte unternommen?
Der Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es handelt sich um das Einfahrtsignal R des Bahnhofs Steinheim am Main. Dieses Signal ist ein Lichtsignal und hat schon so lange, wie es besteht, den üblichen Anforderungen entsprochen. Trotzdem ist es allerdings im Laufe des vorigen Jahres dreimal vorgekommen, daß dieses Signal überfahren worden ist. Das lag aber nicht daran, daß hier technische Mängel vorlagen, sondern es ist in allen drei Fällen festgestellt worden, daß es sich hier um eine Unachtsamkeit der verantwortlichen Lokomotivführer gehandelt hat. Obwohl dies der Fall ist, hat die Bundesbahn die Lichtstärke dieses Signals nach den früheren Vorfällen vergrößert, und trotzdem ist jetzt wieder dieser Unfall passiert, der diesmal schwerere Folgen gehabt hat.
Es ist mißlich, in einer solchen Situation festzustellen, ob die Schuldfrage wieder durch den Hinweis auf menschliches Versagen zu beantworten ist oder ob es sich hier um technische Mängel handelt. Es hat aber am Tage nach dem Unfall zur selben Tageszeit und unter denselben Lichtverhältnissen eine Signalschaufahrt unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft stattgefunden, und hierbei ist festgestellt worden, daß das Signal keinerlei Mängel aufwies. Im übrigen bleiben das Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und das Gerichtsurteil abzuwarten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Altmaier!
Ist der Herr Staatssekretär mit mir der Auffassung, daß das Personal der Deutschen Bundesbahn, Beamte, Arbeiter und Angestellte, geradezu ein europäisches Beispiel sind für Gewissenhaftigkeit, Diensttreue und Zuverlässigkeit und daß es, wie es im Volksmund heißt, nicht mit rechten Dingen zugehen kann, wenn ein und dasselbe Signal bereits siebenmal überfahren worden ist, so daß sich der Betriebsrat mehrfach gezwungen gesehen hat, bei der zuständigen Eisenbahndirektion die Ersetzung des Lichtsignals durch ein Flaggenstandsignal zu verlangen?
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Zuverlässigkeit des Personals der Deutschen Bundesbahn ist mir bekannt. Diese Tatsache wird auch dadurch unterstrichen, daß bei einer Million Zugkilometer nur 0,04 % der Unfälle darauf zurückzuführen sind, daß ein Lokomotivführer ein Signal nicht beachtet. Deshalb ist auch die Tatsache, daß hier im Fall Steinheim dreimal vorher ein an sich in Ordnung befindliches Signal überfahren worden ist, erstaunlich. Vielleicht liegt es daran, daß diese Strecke so frei und so übersichtlich zu sein scheint, daß die betreffenden Lokomotivführer, die großenteils, soweit ich unterrichtet bin, jahrelang dieselbe Strecke fahren, eben aus diesem Grunde die nötige Achtsamkeit haben vermissen lassen. Es liegt mir aber fern, hier ein Werturteil über die Qualität der Lokomotivführer zu fällen. Ich werde gern Gelegenheit nehmen, die Tatsache, daß Sie meine erste Antwort nicht befriedigt hat, der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn noch einmal zu übermitteln mit der Bitte, erneut die Frage zu prüfen, ob die Situation vielleicht durch technische Mittel gebessert werden kann.
Eine weitere- Frage, Herr Abgeordneter Altmaier!
Wenn Sie zum Schluß noch eine Frage gestatten, Herr Staatssekretär, möchte ich fragen: Sind Sie mit mir der Auffassung, daß es bei diesen Fragen und Antworten nicht darauf ankommt, ob der Herr Staatssekretär recht hat oder der Fragesteller, die Eisenbahndirektion oder die Lokomotivführer, sondern daß hier nur eine Gruppe recht behalten darf und recht behalten muß: die Fahrgäste der Eisenbahn, die täglich zu Hunderttausenden ihre Gesundheit und ihr Leben der Eisenbahn anvertrauen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stimme dem Herrn Abgeordneten zu.
Zur Frage 13 Frau Abgeordnete Döhring.
Eine Frage an den Herrn Bundesminister für Arbeit:
Aus welchen Gründen haben Sie, Herr Bundesminister, die Anerkennung des Lehrberufes „Geprüfte Hauswirtschaftsgehilfin" und die Ausbildungsordnung herausgegeben, ohne gleichzeitig die Voraussetzungen einheitlicher Grundlagen für die Auswahl der Lehrhaushalte bekanntzugeben, und wer sind die beteiligten Arbeitnehmerverbände und die Hausfrauenbünde, die in dem Erlaß vom 8. März 1954 im Bundesarbeitsblatt Nr. 6, Seite 150, erwähnt sind, auf deren Antrag Sie die Ausbildungsordnung mit den Ausbildungsunterlagen anerkannt haben?
Bitte, Herr Bundesminister für Arbeit!
Der Lehrberuf „Geprüfte Hauswirtschaftsgehilfin" besteht praktisch seit Beginn der 20er Jahre. Prüfungsbestimmungen für die Hausgehilfinnen wurden 1925 vom preußischen Handelsminister, 1941 vom Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung herausgegeben. Die Anerkennung des Berufs „Geprüfte Hauswirtschaftsgehilfin" für das Bundesgebiet vom 8. März 1954 durch den Bundesminister für Arbeit brachte lediglich die notwendige Bestätigung dieser Sachlage. Sie ist mit Rücksicht auf einen Beschluß des Verwaltungsausschusses des Landesarbeitsamtes NordrheinWestfalen im Frühjahr 1953 erfolgt, der dahin ging, die weitere Vermittlung weiblicher Jugendlichen in hauswirtschaftliche Lehrstellen durch die Arbeitsämter einzustellen, weil eine rechtliche Regelung für die hauswirtschaftliche Lehre fehle und keine bindenden Vorschriften für die Arbeits- und Lohnverhältnisse der Hausgehilfinnen beständen. Dieser Beschluß des Verwaltungsausschusses kurz vor der Schulentlassung 1953 gab Anlaß zu erheblicher Beunruhigung in den Kreisen der Elternschaft und der weiblichen Jugend, die sich bereits für eine solche hauswirtschaftliche Ausbildung entschlossen hatte, ebenso natürlich unter den Hausfrauen, die eine hauswirtschaftliche Lehrstelle beim Arbeitsamt gemeldet hatten. Beim Bundesministerium für Arbeit liefen daraufhin von mehreren Verbänden Anträge ein, die hauswirtschaftliche Lehre nunmehr anzuerkennen.
In Berlin wurden der Beruf „Geprüfte Hauswirtschaftsgehilfin" und die Ausbildungsordnung durch den Magistrat von Groß-Berlin, Abteilung Arbeit, bereits am 10. November 1947 anerkannt. Die Ausbildungsordnung diente der Regelung im Bundesgebiet als Muster. Ihre jetzige Fassung wurde in einer Sitzung, die am 4. August 1953 im Bundesministerium für Arbeit stattfand, mit Vertretern der Hausfrauenverbände, des DGB, der DAG, von konfessionellen Verbänden, der Schulverwaltungen, der Berufsschullehrerschaft usw. erarbeitet.
Selbstverständlich hat das Bundesministerium für Arbeit das größte Interesse daran, alles zur Sicherung der Qualität der Ausbildungsstellen zu tun. Bundeseinheitliche Regelungen für die Prüfung der Lehrhaushalte sind in Vorbereitung. Mit der Anerkennung jedoch zu warten, bis diese fertig sind, erschien im Hinblick auf die bevorstehende Schulentlassung unzweckmäßig. In der Praxis werden die Familienhaushalte seit Jahren in örtlich unterschiedlicher Form durch Kommissionen der Hausfrauenverbände unter Mitarbeit der Berufsberaterinnen der Arbeitsämter, der hauswirtschaftlichen Berufsschullehrerinnen und der Gewerkschaften überprüft. In Niedersachsen z. B. sind derartige Kommissionen bereits durch einen Erlaß vom 30. Juni 1946 mit der Unterschrift des späteren Kultusministers Grimme eingesetzt worden.
An den Verhandlungen über die Anerkennung des Lehrberufs „Geprüfte Hauswirtschaftsgehilfin" waren folgende Organisationen beteiligt: 1. der Deutsche Hausfrauenbund, Berufsverb and der deutschen Hausfrau, Frankfurt am Main; 2. die Hausfrauenvereinigung der katholischen deutschen Frauenverbände, Berufsorganisation für katholiche Hausfrauen, Köln; 3. die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Hausfrauenfragen im Deutschen Evangelischen Frauenbund; 4. die DAG, Fachgruppe Gehobene hauswirtschaftliche Berufe, Hamburg; 5. der Berufsverband katholischer Hausgehilfinnen in Deutschland, Sitz München; 6. der Bund der deutschen katholischen Jugend, Haus
Altenberg; 7. der Evangelische Verband weiblicher Jugend Deutschlands. Der DGB hat an den Verhandlungen teilgenommen, konnte sich aber nicht entschließen, der Anerkennung, soweit Familienhaushalte in Betracht kommen, zuzustimmen.
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Frau Abgeordnete!
Ich möchte den Herrn Bundesarbeitsminister fragen, ob er die von ihm aufgeführten Organisationen bzw. Verbände, unter denen der DGB nicht vertreten ist, für so repräsentativ hält, daß er die als Täuschung wirkende Formulierung im Bundesarbeitsblatt, die Arbeitnehmerverbände und Hausfrauenbünde hätten dieser Anordnung zugestimmt, wählen konnte?
Der Herr Bundesminister für Arbeit, bitte!
Darauf möchte ich Ihnen sagen: in der Frage der Ausbildung und der Beschäftigung von Hausgehilfinnen bin ich allerdings der Meinung, daß die von mir genannten Organisationen sehr wohl berechtigt sind, für sich in Anspruch zu nehmen, hier ein bedeutendes Wort mitzusprechen. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund handelt es sich um eine Organisation, die unter den Hausgehilfinnen nur sehr wenige Mitglieder hat. Es ist ja auch nicht so, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund sich nicht an den Verhandlungen beteiligt hätte; er hatte nur gewisse grundsätzliche Bedenken, seine Zustimmung zu geben, weil ihm daran lag, daß mit der Veröffentlichung einer derartigen Festlegung möglichst auch die Schaffung einer gewissen Grundlage für die Entschädigung der Lehrlinge der Hauswirtschaft verbunden werde. Deshalb bin ich sehr wohl der Meinung, daß wir berechtigt waren, darauf hinzuweisen, daß die hauptsächlich in Frage kommenden Verbände, sowohl die der Hausfrauen wie die der anderen, die sich um diesen Personenkreis junger Menschen bemühen, ihre Zustimmung gegeben haben.
Zu einer Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Döhring!
Sind dem Herrn Bundesarbeitsminister die — wie die Erfahrung zeigt — unzureichenden Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Ausbildung in privaten Haushaltungen bekannt, und sind Sie, Herr Bundesarbeitsminister, bereit, die praktischen Maßnahmen für Ihren Erlaß so lange zurückzustellen, bis mit den wirklich maßgebenden Organisationen eine Klärung und Beschlußfassung hierüber herbeigeführt ist?
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Frau Abgeordnete, wenn Sie mir erst einmal sagten, wen Sie als die wirklich maßgebenden Organisationen ansehen. Im allgemeinen möchte ich Ihnen aber sagen, daß ich bereits in der Beantwortung Ihrer Frage darauf hingewiesen habe, daß in meinem Haus die Frage der Voraussetzungen für die hauswirtschaftliche Lehre in den Privathaushaltungen sehr ernst geprüft wird und wir bemüht sind, recht bald auch hierfür eine bindende Ordnung zu geben. Es geht aber nicht, daß man den großen Kreis von jugendlichen Menschen, die in eine Hauswirtschaftslehre eintreten möchten, so lange ohne eine Vermittlungsmöglichkeit bei den Arbeitsämtern beläßt; denn diese ganze Verordnung ist ja nur herausgekommen, weil sich der Verwaltungsrat des Landesarbeitsamts Nordrhein-Westfalen auf den Standpunkt gestellt hat, daß die dortigen Arbeitsämter keine Vermittlungen vornehmen sollten. Die gesetzliche Grundlage, die dort von der Selbstverwaltung als Voraussetzung der Tätigkeit der Arbeitsämter gefordert wurde, mußten wir vordringlich schaffen, um in diesem Jahre eine reibungslose Vermittlung dieser Menschen zu ermöglichen.
— Bringen Sie die Unterlagen; dann können wir uns noch darüber unterhalten. Auf jeden Fall hat dort der Verwaltungsrat gesagt: Wir wollen keine Vermittlungen vornehmen, wenn wir nicht die gesetzliche Grundlage haben.
Jetzt haben Sie sie, und der Verwaltungsrat hat ja letzten Endes kein Gesetzgebungsrecht, sondern das Gesetzgebungsrecht hat dieses Hohe Haus.
Die Frage ist damit erledigt.
Frage 14. — Herr Abgeordneter Mommer ist nicht anwesend.
Zur Frage 15 Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Meine Frage richtet sich an den Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amts:
Trifft es zu, daß bei der Hundertjahrfeier des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom die Bundesregierung zwar durch den Herrn Bundesminister Strauß, jedoch nicht durch ihren Botschafter bei der italienischen Republik vertreten war und kurze Zeit später, als der Oberbürgermeister der Stadt Rom einer Gruppe von über 30 angesehenen und bekannten deutschen Schriftstellern und Publizisten einen Empfang gab, sich der Botschafter durch seinen Kulturattaché vertreten ließ? Billigt das Auswärtige Amt die Abwesenheit des Missionschefs bei derartigen kulturellen Anlässen?
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
An der Feier des 125jährigen Bestehens des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, die am 21. April dieses Jahres in den Räumen des Deutschen Archäologischen Instituts stattgefunden hat, haben der Botschafter und einige andere Mitglieder der Botschaft teilgenommen. Zu dem Empfang des Oberbürgermeisters der Stadt Rom für eine Gruppe deutscher Schriftsteller und Publizisten war der Botschafter nicht eingeladen, ebenso kein anderer Angehöriger der Botschaft.
Zur Frage 16 Herr Abgeordneter Schmidt .
Wann rechnet die Bundesregierung mit der Freigabe der Zivilluftfahrt oder mit einer Betriebserlaubnis für die AG. für Luftverkehrsbedarf? Welche Maßnahmen hat der Bund als Hauptaktionär vorbereitet für den Fall, daß zum Liefertermin der in USA bestellten Verkehrsflugzeuge noch keine Betriebserlaubnis vorliegt? .
Der Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir könnten mit der zivilen Luftfahrt beginnen, wenn uns die zur Zeit von den Besatzungsmächten ausgeübte Lufthoheit zurückgegeben würde. Das wäre natürlich die beste Lösung. Die Rückgabe der Lufthoheit an die Bundesrepublik hängt aber voraussichtlich von dem Inkrafttreten des Deutschland-Vertrages ab. Deshalb hat die Bundesregierung bei der Alliierten Hohen Kommission den Antrag gestellt, der Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf unabhängig von dem Inkrafttreten des Deutschland-Vertrages die Erlaubnis zu geben, die ersten vier jetzt lieferbaren Flugzeuge zu übernehmen und in Betrieb zu setzen. Juristische Hindernisse stehen dem nicht entgegen. Die Entscheidung der Alliierten Hohen 'Kommission steht nach unseren Informationen kurz bevor. Wir glauben zu der Annahme berechtigt zu sein, daß diese Entscheidung positiv ausfällt. Für den Fall aber, daß sich diese Hoffnung nicht erfüllen sollte, hat die Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf eine einstweilige Verwendung der von ihr gekauften Flugzeuge durch ausländische Luftverkehrsgesellschaften ins Auge gefaßt. Die Möglichkeit hierzu besteht. Selbstverständlich wäre uns eine solche Zwischenlösung nicht erwünscht.
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Schmidt.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär: Handelte es sich bei dem Schritt der Bundesregierung, von dem Sie soeben sprechen und der vor wenigen Tagen in der Presse veröffentlicht wurde, um den ersten Schritt, den die Bundesregierung in dieser Sache unternommen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe das nicht verstanden.
Ich frage: Handelt es sich bei dem Schritt bei den alliierten Behörden, von dem Sie soeben sprachen, um den ersten Schritt, den die Bundesregierung in dieser Sache bisher unternommen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Um den ersten offiziellen Schritt, um den ersten schriftlichen Antrag an die Hohe Kommission nach vorhergegangenen monatelangen Verhandlungen zwischen den einzelnen beteiligten Persönlichkeiten.
Die Frage ist erledigt.
Zu Frage 17 bitte Herr Abgeordneter Schmidt !
Darf ich fragen:
Welches waren Gegenstand und Ergebnis der luftverkehrspolitischen Verhandlungen, die der Herr Bundesminister für Verkehr kürzlich mit staatlichen und privaten Stellen in England persönlich geführt hat?
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich nehme hierzu in erster Linie auf die Erklärung Bezug, die mein Herr Minister am 8. April dieses Jahres an dieser
telle abgegeben hat. Als der Herr Bundesminister für Verkehr Ende März/Anfang April einer Einladung der britischen Regierung folgte, hat er weder mit britischen Behörden noch mit privaten Personen oder Gesellschaften Abmachungen getroffen. Er hat auch keine Verhandlungen geführt, die etwa als Vorbereitung verkehrspolitischer Vereinbarungen hätten dienen können. Zweck seines Besuches war die Unterrichtung des Ministers und seiner Mitarbeiter über das britische Verkehrswesen und eine Aussprache über Verkehrsprobleme, die heute in allen Ländern aktuell sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt!
Wollen Sie damit sagen, Herr Staatssekretär, daß das Abkommen, das für die und im Namen der Deutschen Lufthansa in England geschlossen worden ist, ausschließlich durch Organe der Deutschen Lufthansa betrieben wurde und ausschließlich von ihr verhandelt und vereinbart worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl.
Eine Zusatzfrage?
Darf ich eine weitere Zusatzfrage stellen. Können Sie Auskunft darüber geben, Herr Staatssekretär, ob die Deutsche Lufthansa bereit ist, gleiche Verträge auch mit anderen ausländischen Luftverkehrsunternehmen zu schließen? Sind Sie der Meinung, daß das von Ihnen erwähnte Abkommen die hoffentlich freundschaftlichen Beziehungen der Deutschen Lufthansa zu den übrigen ausländischen Luftverkehrsunternehmen nicht beeinträchtigen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich zunächst die letzte Frage beantworten. Wir sind ebenso wie die Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf — die spätere Lufthansa — davon überzeugt, daß die freundschaftlichen Beziehungen zu anderen Luftverkehrsgesellschaften durch die Vereinbarungen, von denen Sie sprechen, nicht beeinträchtigt werden. Eine gewisse Unruhe, die in den letzten Wochen in Erscheinung getreten ist, scheint sich
allmählich verständlicherweise zu legen. Die Frage, ob die Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf bereit und in der Lage sein würde, mit anderen ausländischen Luftverkehrsgesellschaften ähnliche Vereinbarungen zu treffen wie die Vereinbarungen, die Sie meinen, aber immer noch nicht genannt haben, nämlich die Vereinbarungen zwischen der Luftag einerseits und den britischen Luftverkehrsgesellschaften andererseits, kann ich Ihnen auch bejahen mit dem Vorbehalt, daß die Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf — bzw. die Lufthansa — bei solchen Vereinbarungen mit anderen ausländischen Luftverkehrsgesellschaften diejenigen Rücksichten zu nehmen hat, die sich aus dem Vertrag mit den britischen Luftverkehrsgesellschaften ergeben.
Danke sehr. Präsident D. Dr. Ehlers: Die Frage ist erledigt. Zur Frage 18 Herr Abgeordneter Höcherl!
Ich frage den Herrn Bundesarbeitsminister:
Ist die Bundesregierung bereit, zur Klärung aller Sozialbezüge an die Einführung eines Sozialpasses heranzugehen, der sowohl im Interesse der auszahlenden Stellen als noch mehr im Interesse der Empfänger selbst gelegen sein muß?
Der Herr Bundesminister für Arbeit!
Die Einführung eines Sozialpasses wird in meinem Ministerium nicht erwogen. Sozialpässe sind in den 70 Jahren, in denen die deutsche Sozialversicherung besteht, nie gebraucht worden. Wenn ich die Frage recht verstehe, darf ich sie so auslegen, daß letztlich eine verschärfte Kontrolle für Empfänger öffentlicher Sozialleistungen erstrebt wird. Ich halte es sozialpolitisch nicht für richtig, alle Sozialleistungsempfänger durch die Einführung von Sozialpässen einer derartigen verschärften Verwaltungskontrolle zu unterwerfen.
Keine weitere Zusatzfrage? — Zur Frage 19 Herr Abgeordneter Höcherl.
Ist die Bundesregierung bereit, nach dem Vorbild ausländischer Staaten den immer noch reichlich vorhandenen schwarzen Kapitalien eine Legalisierung dadurch zu ermöglichen, daß den Kreditinstituten die Möglichkeit zur Führung von anonymen, dem absoluten Bankgeheimnis unterliegenden Konten eingeräumt wird, die einem bestimmten Steuersatz unterworfen sein müßten?
Der Herr Bundesminister der Finanzen.
Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, anonyme Konten bei den Kreditinstituten zur Legalisierung der sogenannten schwarzen Kapitalien zuzulassen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß unter den schwarzen Kapitalien praktisch doch hinterzogene Steuergelder zu verstehen sind. Derjenige, der sein Vergehen gutmachen will, kann den legalen Weg des § 410 der Reichsabgabenordnung benützen. Bei den anderen wird auf einen Erfolg nicht zu rechnen sein. Es wird die Steuermoral geschädigt sein, und der Steuerehrliche wird das Gefühl haben, daß vom Staat auf diesem Umweg eine Belohnung für einen geglückten Steuerhinterzug ausgesprochen wird.
Keine Zusatzfrage.
Zur Frage 20 Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem von zuständiger Stelle versichert worden ist, daß die Angelegenheit im Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen behandelt werden soll, ziehe ich die Anfrage einstweilen zurück.
Damit ist die Frage 20 erledigt.
Frage 21 ist wegen dienstlicher Abwesenheit des Ministers und des Staatssekretärs zurückgestellt worden.
Zur Frage 22 Herr Abgeordneter Dr. Löhr.
Billigt der Herr Bundesminister für Wohnungsbau im Rahmen seiner Mietpreispolitik die Anwendung der Verordnung PR Nr. 71/51 vom 29. November 1951 für Bauten, die mit öffentlichen Mitteln erstellt und nach Jahren zum normalen Marktpreis an private Käufer veräußert wurden?
Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau, bitte!
Herr Präsident! Der Herr Kollege Dr. Löhr will mit seiner Anfrage offenbar meine Auffassung dazu hören, daß nach der Verordnung PR Nr. 71/51 die Möglichkeit einer Mieterhöhung für den mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnraum, der nach dem 17. Oktober 1936 bezugsfertig geworden ist und für den die öffentlichen Mittel bis zum 31. Dezember 1950 bewilligt worden sind, nicht vorgesehen ist. Hierzu bemerke ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft, der für die Verordnung PR Nr. 71/51 federführend ist, folgendes. § 1 der Verordnung enthält das Verbot für die Preisbehörden, die Miete für Wohnraum, der bis zum 17. Oktober 1936 bezugsfertig geworden ist, in Zukunft unter diese Stichtagmiete herabzusetzen. Für den nach diesem Stichtag bezugsfertig gewordenen Wohnraum sind, den veränderten Verhältnissen dieses Wohnraums, insbesondere der Baukosten hierfür, entsprechend, andere Grenzen vorgesehen. Bei dem mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnraum, der nach dem 17. Oktober 1936 bezugsfertig geworden ist und für die öffentlichen Mittel vor dem 31. Dezember 1950 bewilligt worden sind, ist eine Mietherabsetzung unter den Mietbetrag unzulässig, welcher der Bewilligung der öffentlichen Mittel zugrunde gelegt ist. Hierdurch wird eine Verwaltungsanweisung des ehemaligen Reichskommissars für die Preisbildung, nach der bei öffentlich geförderten Wohnungen eine Nachprüfung der Miete durch die Preisbehörden in der Regel unterbleiben
sollte, in Form einer objektiven Rechtsnorm noch stärker untermauert. Maßgebend für diese Regelung ist der -Gesichtspunkt, daß eine amtliche Stelle bei der Bewilligung der öffentlichen Mittel die Miete bereits auf ihre Angemessenheit überprüft hat, so daß eine nochmalige Befassung der Preisbehörden sich erübrigt.
Die gleiche Erwägung liegt auch dem Umstand zugrunde, daß in der Verordnung PR Nr. 71/51 eine ausdrückliche Vorschrift über die Möglichkeit einer Erhöhung der Miete in Fällen dieser Art fehlt. Es ist angenommen worden, daß im Regelfall bei der Bewilligung der öffentlichen Mittel eine ausreichende Kostenmiete selbstverantwortlich oder auf Grund der Bedingungen des Darlehnsgebers gebildet werden konnte. Es hat sich allerdings herausgestellt, daß dies doch nicht immerder Fall gewesen ist. Soweit nachgewiesen werden kann, daß in Fällen dieser Art die Miete, die der Bewilligung der öffentlichen Mittel zugrunde gelegt wurde, unzureichend war, können die Preisbehörden auf Grund des § 3 der Preisstoppverordnung eine Ausnahmegenehmigung zu einer Mieterhöhung erteilen. Der Grundsatz dieser Vorschrift kann mangels einer ausdrücklichen Regelung für Fälle dieser Art in der Verordnung PR Nr. 71/51 weiter als geltendes Recht angesehen werden. Wenn die Rentabilität unter Zugrundelegung der Gestehungskosten in diesen Fällen nicht gegeben ist, ist es auch unerheblich, ob sich das Grundstück noch in der Hand des ursprünglichen Bauherrn befindet oder später weiterveräußert worden ist.
Im übrigen wird bei der von der Bundesregierung beabsichtigten Neuregelung der Mieten die von dem Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Löhr angeschnittene Sonderfrage der Mietpreisbildung für die Zukunft weitgehend erledigt.
Ist die Frage damit erledigt, Herr Abgeordneter? — Jawohl.
Zur Frage 23 ebenfalls Herr Abgeordneter Dr. Löhr.
Ist der Herr Bundesminister der Finanzen bereit, eine angemessene Entschädigung für die von den Besatzungsmächten in der Gemarkung der Gemeinde Münster, Landkreis Dieburg , zur Munitionslagerung beschlagnahmten 251 ha Gemeindewald zu zahlen?
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat das Wort.
Der Wald der Gemeinde Münster im Landkreis Dieburg ist von der amerikanischen Besatzungsmacht in Anspruch genommen. Ein Anspruch auf Gewährung einer Nutzungsvergütung richtet sich daher gegen die Besatzungsmacht und nicht gegen den Bund.
Ich hatte nur eine sehr kurze Zeit, um die Feststellungen für die Beantwortung der Frage zu treffen. Auf Grund meiner Ermittlungen kann ich folgendes erklären. Die Besatzungsmacht hat im Jahre 1949 einen Vergütungsantrag der Gemeinde mit der Begründung abgelehnt, daß früher auch die deutsche Wehrmacht den Wald unentgeltlich genutzt habe. Sie hat sich aber anscheinend davon überzeugen lassen, daß diese Begründung nicht durchschlagend ist, und scheint nunmehr grundsätzlich bereit zu sein, eine Nutzungsvergütung an die Gemeinde zu zahlen. Das muß erst endgültig geklärt werden. Nur dann, wenn das nicht einträte, käme die Gewährung einer Bundeshilfe aus Billigkeitsgründen in Frage. Ich werde die Entwicklung verfolgen lassen und dem Herrn Fragesteller Mitteilung über den Verlauf und das Ergebnis der weiteren Erhebungen machen.
Jetzt schon möchte ich aber vorsorglich darauf hinweisen, daß eine Nutzungsvergütung nicht dem jährlichen Reinertrag entsprechen kann, weil ja der Wert des nicht geschlagenen Holzes jeweils dem Grundstückseigentümer, also der Gemeinde, verbleibt. Für die Berechnungen ergeben sich daraus große technische Schwierigkeiten. Das Bundesfinanzministerium hat infolgedessen im Benehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Richtlinien ausgearbeitet über die Gewährung angemessener Nutzungsvergütungen für beschlagnahmte forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke zu Lasten des Besatzungskostenhaushalts. Diese Richtlinien bedürfen der Genehmigung seitens der Alliierten Hohen Kommission und werden dann in Kraft gesetzt.
Die Frage ist erledigt. Zur Frage 24 hat das Wort der Abgeordnete Dr. Löhr.
Ist der Herr Bundesminister der Finanzen der Ansicht, daß sein Rundschreiben vom 12. Mai 1951 — II C Bes. 4035-469/51 - die Grundlage dafür abgibt, daß es einen Schadensersatzanspruch für solche Schäden ausschließt, die durch in der Gemarkung verstreut liegende Munition in dem nicht beschlagnahmten Teil des Gemeindegeländes angerichtet werden?
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Das Rundschreiben vom 12. Mai 1951 betrifft die Fälle, in denen infolge der Entmunitionierung Schäden entstehen. Die Schäden jedoch, auf die sich die Frage bezieht, dürften nicht bei der Entmunitionierung, sondern infolge Selbstentzündung eingetreten sein. Jedenfalls war es so in dem Fall, der zu Ihrer Fragestellung wohl den Anlaß gegeben hat.
In diesem Fall hatte eine im beschlagnahmten Teil des Gemeindewaldes liegende Phosphorgranate sich selbst entzündet und einen Waldbrand verursacht, der dann auch auf den nicht beschlagnahmten Teil des Gemeindewaldes übergriff. Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß sich die genannte Bestimmung des Rundschreibens hierauf nicht anwenden läßt. Schäden durch Selbstentzündung alter deutscher Munition werden vielmehr in der Regel als Kriegsfolgeschäden angesehen werden müssen, deren Behandlung gemäß § 366 des Gesetzes über den Lastenausgleich einer besonderen Regelung vorbehalten ist. Ein Besatzungsschaden, der nach dem Gesetz Nr. 47 der Alliierten Hohen Kommission abzugelten wäre, könnte nach Lage der Dinge dann in Betracht kommen, wenn ein Waldbrand seine Ursache in einer von der Besatzungsmacht selber veranlaßten Sprengung hätte. Der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs wird sich in diesem besonderen Fall jedoch kaum führen lassen.
Ist die Frage erledigt? — Ja. Damit ist die Fragestunde beendet.
Meine Damen und Herren, zum weiteren Verlauf der Tagesordnung! Es war an sich ursprünglich vorgesehen, jetzt die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit vorzunehmen. Da die ChristlichDemokratische Union heute Parteitag hat und eine große Zahl von Abgeordneten nicht hier sind, war vorgesehen, daß Abstimmungen nach Möglichkeit heute nicht stattfinden sollten. Es ist eine Vereinbarung darüber zustande gekommen, daß unter diesem Gesichtspunkt die Beratung dieses Gesetzentwurfs heute abgesetzt werden soll. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
— Offenbar ist die Mehrheit des Hauses damit einverstanden.
Dann rufe ich Punkt 2 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Zusammentritt der Bundesversammlung .
Herr Abgeordneter Dr. Reif wünscht den Antrag zu begründen. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der dem Hohen Hause mit Drucksache 492 vorgelegt wird, stellt das Haus vor eine Entscheidung über einen symbolischen Akt, über einen Akt, in dem sich die demokratische Volksgemeinschaft symbolisch zum Ausdruck bringt. Deshalb hat dieser Antrag auch mit den einzelnen politischen Parteien im Bunde gar nichts zu tun. Ich möchte das Haus geradezu bitten, es als einen technischen Zufall zu betrachten, daß die Fraktion der FDP diesen Antrag gestellt hat. Wir sind überzeugt, daß er ebenso von jeder anderen Fraktion dieses Hauses gestellt worden wäre, wenn nicht wir ihn zufällig gestellt hätten.
Die Wahl des Bundespräsidenten in Berlin soll im Bewußtsein aller Deutschen den Willen unseres Volkes zur Einheit unseres staatlichen Lebens bekunden. Wir wissen, daß damit weder staatsrechtlich noch politisch irgend etwas geschieht. Wir wissen, daß das auch nicht etwa als ein Schachzug im außenpolitischen Spiel betrachtet werden kann und betrachtet werden darf. Alles das ist hiermit nicht gemeint. Wir denken aber daran, daß die Weimarer Demokratie sehr arm an Symbolen gewesen ist. Gewissenhafte Kritiker des Geschichtsverlaufs haben u. a. immer wieder darauf hingewiesen, daß es vor allen Dingen der nachwachsenden Generation an inhaltsschweren Symbolen gefehlt hat, die eine unmittelbare Verbindung mit der Demokratie gezeigt hätten.
Nun kann man Symbole bekanntlich nicht machen. Man kann nur den historischen Augenblick festhalten, der symbolträchtig ist; und hier besteht eine solche Möglichkeit. Es besteht die Möglichkeit, daß der Volksschullehrer an dem Tage, an dem das Staatsoberhaupt gewählt wird, seiner Klasse nicht nur die verfassungsmäßige Bedeutung dieses Aktes klarmacht, sondern in seinen Ausführungen auch die große nationale Bedeutung einer Wahl des Bundespräsidenten in Berlin betont. Der Name Berlin hat nun einmal, wie das Schicksal es gewollt hat, eine große nationale Bedeutung.
Ich habe nun in den Zeitungen gelesen, daß hier und da Bedenken aufgetaucht seien, diese oder jene Besatzungsmacht könne daran Anstoß nehmen.
Ich glaube, es hieße die große und moralisch bedeutsame Rolle, die alle drei westlichen Besatzungsmächte in der Geschichte der Demokratie und der Freiheit gespielt haben, unterschätzen, ja, ich möchte es beinahe als eine Kränkung ansehen, wollten wir mit solchen Gedanken spielen. Wir können das nicht glauben. Ich bitte deshalb, daß das Haus diesen Antrag ohne taktische Überlegungen lediglich als ein Anliegen der deutschen Volksgemeinschaft betrachtet und demgemäß entscheidet.
Meine Damen und Herren, wenn ich recht unterrichtet bin, ist eine Vereinbarung dahingehend zustande gekommen, daß eine Debatte nicht stattfinden soll.
Zu einem Antrag hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schlage dem Hohen Hause vor, diesen Antrag dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht
— auch, Herr Kollege Brandt — und dem Gesamtdeutschen Ausschuß zu überweisen und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß zu bestimmen.
Ferner bitte ich die beiden Ausschüsse, ihre Beratungen so zu beschleunigen, daß die abschließende Beratung dieses Gegenstandes gleich am ersten Tag nach den Pfingstferien stattfinden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist der Auffassung, daß es sich hier nicht um eine Verfassungs- oder Rechtsfrage handelt, nicht um die Frage, wie eine Verfassungsbestimmung auszulegen ist, sondern in erster Linie und nur um eine rein politische Frage, um ein Bekenntnis zu Berlin.
Daher beantragen wir, daß die Federführung bei dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen liegt und daß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht nur mitberatend tätig wird.
Es liegen zwei Anträge vor, darüber muß abgestimmt werden. Ich darf zunächst unterstellen, daß das Haus mit der Überweisung des Antrages an diese beiden Ausschüsse einverstanden ist. Darüber besteht keine
Meinungsverschiedenheit, Herr Abgeordneter Menzel?
Es handelt sich nur um die Frage der Federführung.
Zunächst ist der Antrag gestellt, den Antrag dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Weitergehend ist in diesem Fall kein Antrag. Wer ist dafür, daß federführend der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist? — Wer ist dagegen? — Meine Damen und Herren, ich bitte freundlichst, die Abstimmung zu wiederholen und die Hände recht hoch zu nehmen, damit wir einen klaren Eindruck haben. Die Besetzung des Hauses ist unterschiedlich, und zwar nicht durch die Lässigkeit von Abgeordneten, sondern durch Vorgänge, die Ihnen bekannt sind. Wer ist dafür, daß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend ist? Bitte die Hand hoch zu heben! — Und wer ist dafür, daß der Ausschuß für Gesamtdeutsche Frauen federführend ist? — Meine Damen und Herren, ich bin nicht imstande, völlig klar zu erkennen, welches die Mehrheit ist. Wir müssen diese Frage leider durch Hammelsprung entscheiden.
Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen den Vorschlag, daß wir diese Frage in einem Gang erledigen. Wer dafür ist, daß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend ist, begibt sich durch die Ja-Tür; wer dafür ist, daß der Ausschuß für Gesamtdeutsche Fragen federführend ist, begibt sich durch die Nein-Tür. Ist das klar?
— Gerechtfertigt nicht sachlich, sondern dadurch,
daß ich in der Abstimmung über den ersten Antrag, den des Herrn Abgeordneten Dr. Krone, bin.
Ich bitte freundlichst, den Saal zu räumen, soweit es noch nicht geschehen ist.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis des Hammelsprungs bekannt. Dafür, daß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend ist, haben gestimmt 175 Abgeordnete, für den Gesamtdeutschen Ausschuß 152, enthalten hat sich ein Abgeordneter.
— Meine Damen und Herren, wir hatten darüber keine Debatte! Ich habe pflichtgemäß das Ergebnis einer Abstimmung bekanntgegeben. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Drucksache 542). (Erste Beratung 20. Sitzung.)
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Lindenberg. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Alleine Damen und Herren! Die Drucksache 542 stellt eine Überarbeitung des Regierungsentwurfs vom 19. Februar 19b4 dar, enthalten in der Drucksache 272, der als Entwurf eines Gesetzes über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen dem Bundestag in erster Lesung vorgelegen hat. Die Bearbeitung erfolgte durch den zuständigen Ausschuß für Geld und Kredit im Einvernehmen mit dem Rechtsausschuß.
Der Gesetzentwurf befaßt sich mit der staatlichen Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen, die erteilt sein mull, wenn das Wertpapier in Verkehr gebracht wird, und steilt als Grundsatz auf, daß bei der Begebung von Anleihen der vorbezeichneten Art die Zustimmung der öffentlichen Hand erforderlich ist, d. h. daß solche Anleihen nur dann auf dem Kapitalmarkt untergebracht werden können, wenn der Bund damit einverstanden ist.
Eine gesetzliche Regelung dieser Materie war erforderlich, nachdem am 31. Dezember 1953 das Gesetz über den Kapitalverkehr vom 15. Dezember 1952 durch Zeitablauf außer Kraft getreten war. ich dart als bekannt voraussetzen, dab Teilschuldverschreibungen beider Art — auf den Inhaber oder auf Order — nach dem früheren Kapitalverkehrsgesetz bei einer erstmaligen Begebung der Genehmigung des Bundesministers für Wirtschaft unterlagen. Diesem stand bei seiner Entscheidung ein sogenannter „Ausschuß für Kapitalverkehr" zur Seite, dem neben Vertretern des Bundesfinanzministeriums u. a. auch drei Vertreter der Länder angehörten. Wurde eine solche Genehmigung nach dem Kapitalverkehrsgesetz erteilt, so ersetzte diese laut ausdrücklicher Bestimmung des Kapitalverkehrsgesetzes die staatliche Genehmigung nach § 795 BGB. Während der Dauer des Kapitalverkehrsgesetzes war also die Bestimmung des § 795 BGB suspendiert. Sie mußte logischerweise in dem Augenblick wieder zum Zuge kommen, in dem das Spezialgesetz, das Gesetz über den Kapitalverkehr, außer Kraft trat, nämlich am 31. Dezember 1953. Ich lasse dabei bewußt dahingestellt, ob außerdem die einschlägigen Vorschriften einer sicherlich längst vergessenen Notverordnung der Weimarer Demokratie vom 8. Dezember 1931 zu berücksichtigen waren, die allerdings am Grundsatz der staatlichen Genehmigung nichts änderten, sondern lediglich ein besonderes Verfahren vorschrieben.
Der Ausschuß hat sich entschlossen, unter Anknüpfung an den früheren Rechtszustand, wie er im BGB vorgesehen war, eine Änderung und Ergänzung der einschlägigen Vorschriften des BGB vorzunehmen, und zwar in folgendem Umfange:
1. Neben im Inland ausgestellten Inhaberschuldverschreibungen sind genehmigungspflichtig inländische Orderschuldverschreibungen, letztere, wenn sie Teile einer Gesamtemission darstellen.
2. Die Genehmigung, solche Wertpapiere in den Verkehr zu bringen, wird von dem zuständigen Bundesminister, d. h. dem Bundesminister für Wirtschaft, im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde erteilt.
3. Der Genehmigungspflicht sind alle Aussteller solcher Teilschuldverschreibungen unterworfen, gleich, ob es sich um private Interessenten oder öffentliche Verbände, z. B. Gemeinden, handelt, ausgenommen Bund und Länder; jedoch sollen die Länder ihre für den Kapitalmarkt bestimmten Schuldverschreibungen nur in Verkehr bringen, wenn ihre oberste Landesbehörde sich zuvor mit dem Bundeswirtschaftsminister ins Benehmen gesetzt hat.
4. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften zieht Nichtigkeit der Schuldverschreibungen und Schadensersatz des Ausstellers nach sich und wird geahndet nach den Grundsätzen des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 in der Fassung, wie sie die §§ 6 und 7 des Entwurfs enthalten. Dabei sollen juristische Personen neben ihren Vertretern gesamtschuldnerisch haften. Die früheren Strafbestimmungen des § 145 a des Strafgesetzbuches, die bereits durch das Kapitalverkehrsgesetz aufgehoben waren, werden nicht wieder eingeführt.
Soweit ein kurzer Überblick über die Technik des Gesetzentwurfes, wobei ich es dem Hohen Hause ersparen kann, ins einzelne gehende Rechtsausführungen über die eben aufgeführten vier Grundsätze vorzutragen, zumal da als Anlaß der Beschlußfassung über das frühere Kapitalverkehrsgesetz ähnliche Tatbestände gegeben waren. Ich komme im nachfolgenden jedoch auf einen wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes zu sprechen.
Es könnte die Frage aufgeworfen werden, welcher Unterschied besteht zwischen der Genehmigung, die nach dem vorliegenden Gesetz erforderlich ist, und derjenigen nach dem kurz geschilderten Genehmigungsverfahren des Kapitalverkehrsgesetzes. Ist es überhaupt erforderlich, die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch Begebung von Anleihen von einer staatlichen Sanktion abhängig zu machen, ganz gleich, ob sie im Rahmen des neuen Entwurfes erfolgt oder wie bislang, d. h. bis zum 31. Dezember 1953, nach dem Gesetz über den Kapitalverkehr?
Zur Beantwortung dieser Frage legt der Ausschuß Wert auf die Feststellung, daß mit dem Auslaufen des Kapitalverkehrsgesetzes alle kapitalmarktpolitischen Lenkungsbefugnisse enden, die bisher den Kapitalmarkt reglementiert haben, von der erwähnten Notverordnung des Jahres 1931 bis zum Kapitalverkehrsgesetz des Jahres 1952. Der neue Entwurf ist zu verstehen als Ausdruck unserer sozialen Marktwirtschaft, deren Bestreben es ist, den staatlichen Dirigismus wie überall so auch auf dem Gebiet des Kapitalverkehrs zu beseitigen. In dem Maße, in dem sich der Ausschuß zu diesem Grundsatz bekennt und ihm mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Durchbruch zu verhelfen sucht, muß aber der Ausschuß auch berücksichtigen, daß der Kapitalmarkt im Augenblick und in der nächsten Zeit noch eines gewissen Schutzes des Staates bedarf. Wir wissen, wie schwierig es ist, gerade auf dem Kapitalmarkt wieder normale und gesunde Verhältnisse herbeizuführen. Er ist bildlich gesprochen noch eine zarte Pflanze des Wirtschaftslebens und bedarf der Obhut durch die schützende Hand des Gärtners. Ich darf daran erinnern, daß erst die jetzt zur Beratung stehenden Steuer- und Finanzgesetze eine wichtige Voraussetzung für die nachhaltige Gesundung des Kapitalmarktes bilden sollen. Eine schrankenlose Freigabe des Kapitalmarktes für die Bedürfnisse der Wirtschaft und des Staates könnte zu einem rücksichtslosen Wettlauf zur Befriedigung der Kapitalbedürfnisse um jeden Preis führen. Daß eine solche Wirtschaftspolitik zu schweren Schäden führen könnte, liegt auf der Hand. Selbst in den ruhigen Zeiten um 1900, als das BGB in § 795 das Erfordernis staatlicher Genehmigung aufstellte, herrschte keine schrankenlose Freiheit des Kapitalmarktes. Es ist interessant, sich die einschlägigen Ausführungen der Motive zum BGB bei dieser Gelegenheit durchzusehen. Es heißt dort:
Nicht nur zum Schutze des Publikums gegen Ausbeutung durch schwindelhafte Unternehmungen, sondern auch um Störungen des Staatskredites durch Schuldverschreibungen der bezeichneten Art zu verhüten, ist die Beschränkung der Ausgabefreiheit geboten.
Wir würden heute nach den Erfahrungen von zwei
Weltkriegen noch hinzufügen können: nicht nur
zur Vermeidung von Störungen des Staatskredites,
sondern auch zum Schutze der Währung.
Aus diesen Gründen kann im Augenblick eine schrankenlose Freigabe des Kapitalmarktes nicht verantwortet werden. Die Genehmigung nach dem neuen Entwurf erscheint dem Ausschuß als ein marktkonformes Mittel zur Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft. Auch äußerlich besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Genehmigung nach dem Kapitalverkehrsgesetz und den Erfordernissen des Entwurfs. Es kann nicht mehr Sinn der Genehmigung sein, etwa im Sinne von § 6 des früheren Kapitalverkehrsgesetzes zu prüf en, ob eine Emission mit dem Ziele im Einklang steht, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken. Doch soll andererseits dem Wirtschaftsminister die Möglichkeit gegeben werden, darauf zu achten, daß sich die Bedingungen und Umstände von Emissionen den wechselnden Verhältnissen des Kapitalmarktes anpassen und auf seine jeweilige Leistungsfähigkeit Rücksicht nehmen. Die Genehmigung dient deshalb in diesem Sinne der Gewährleistung der Verkehrssicherheit auf dem Kapitalmarkt sowie dem Schutz der Währung. Der Wirtschaftsminister ist nunmehr nicht nur in der Lage, schwindelhafte Emissionen zu verhindern, sondern er kann auch anderen Umständen entgegenwirken, wie unangemessenen Bedingungen oder einem Übermaß von ausgegebenen Schuldverschreibungen bestimmter Art, die die Befriedigung des Kreditbedürfnisses anderer Stellen unmöglich machen würden. Daß eine solche Maßnahme nur von überregionaler Stelle, d. h. dem Wirtschaftsminister, ausgeübt werden kann, folgt aus der Struktur des modernen Kapitalmarktes. Dabei sollen die Länder nicht ausgeschaltet werden, sondern sie werden in vielleicht noch stärkerem Maße als beim Kapitalverkehrsgesetz beteiligt.
Ich sprach soeben von der Struktur eines modernen Kapitalmarktes. Er ist ein einheitlicher Organismus nicht nur unter dem Gesichtspunkt regionaler Bedürfnisse, sondern er muß diese Funktion auch behalten in Ansehung der Kreise, die sich seiner bedienen wollen. Wer über ihn Kreditmittel sich verschaffen will, muß sich den gleichen Spielregeln unterwerfen. Das muß im Grundsatz für Anleihen, bei denen als Kreditnehmer der Bund oder die Länder auftreten, gleichermaßen gelten wie für Anleihen, die Private aufzunehmen gedenken. Wenn auch für den Bund in § 4 des Entwurfes keine Genehmigungspflicht statuiert
wird, kann der Ausschuß als selbstverständlich voraussetzen, daß der Bundesregierung in erster Linie eine pflegliche Behandlung des Kapitalmarktes am Herzen liegt, um so mehr als der Bundeswirtschaftsminister als oberste Genehmigungsinstanz und als Hüter der sozialen Marktwirtschaft ein entsprechendes Wort im Kabinett mitzusprechen hat.
Diese Überlegungen gelten abgewandelt auch für Anleihen der Länder. Der Entwurf hat in § 4 allerdings eine sehr lockere Vorschrift eingebaut, wonach sich die oberste Landesbehörde bei Ausgabe oder Unterbringung von Anleihen auf dem Kapitalmarkt zuvor mit dem zuständigen Bundesminister ins Benehmen zu setzen hat. Der Ausschuß ist sich darüber klar, daß ein Sich-ins-Benehmen-Setzen nicht bedeutet, daß ein Land um eine staatliche Genehmigung nachsuchen muß. Der Ausschuß kann wegen des Grundgesetzes und will aus wohlüberlegten anderen Gründen dem Gesetzgeber nicht vorschlagen, den Ländern zuzumuten, sich um eine Genehmigung im Sinne von § 3 des Entwurfs zu bemühen. Er vertraut auf eine loyale Handhabung der Vorschrift des § 4 Satz 2 durch die Länder in der Überzeugung, daß an der Ordnung des Kapitalmarkts nicht nur der Bund, sondern im gleichen Maße aus öffentlichen Gründen auch die Länder interessiert sind. Er erwartet deshalb, daß das Benehmen zwischen der obersten Landesbehörde und der entsprechenden Bundesbehörde in der Praxis nicht zu einer nichtssagenden Formalität gemacht wird. Es ist wichtig, daß sich das Benehmen, d. h. die Herstellung eines Einverständnisses zwischen Bund und Ländern, nicht allein auf die Anleihe als solche bezieht, sondern daß zwischen Bund und Ländern über die Anleihebedingungen Klarheit geschaffen wird, z. B. über Zinsfuß, Emissionskurs, Rückzahlungskurs, Laufzeit, Umfang und Zeitpunkt der Ausgabe. Die Ordnung des Kapitalmarkts hat in den vergangenen Monaten gerade in diesem Punkt bei Begebung öffentlicher Anleihen, wie wir ja alle wissen, sehr zu wünschen übriggelassen. Möge die Frage des Benehmens in Zukunft zu einem Beispiel „guten Benehmens" der Länder werden.
Ich komme damit zum Schluß meines Berichts. Das vorliegende Gesetz bedarf, wie Bundesregierung und Ausschuß anerkennen, der Zustimmung des Bundesrates. Der Bundesrat hat zum Regierungsentwurf gemäß Art. 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung genommen. Er hat mit Schreiben vom 22. Januar 1954 einige Änderungen angeregt, die der Ausschuß zu einem Teil mit Zustimmung der Bundesregierung übernommen hat. Soweit den Änderungen nicht entsprochen worden ist, ergeben sich die Gründe hierfür aus meinen Darlegungen von selbst.
Namens des Ausschusses für Geld und Kredit stelle ich daher den Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen, dem Gesetzentwurf Drucksache 272 in der Fassung der Drucksache 542 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und darf bei dieser Gelegenheit einmal wieder an den § 74 Abs. 1 der Geschäftsordnung erinnern, wonach Berichte in der Regel schriftlich zu erstatten sind. Ich bitte darum. das in allen Ausschüssen freundlichst in Betracht zu ziehen.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung — ich bitte mir zu sagen, wenn Wortmeldungen vorliegen —: §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,-9,10, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift in der zweiten Beratung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Diese Paragraphen, Einleitung und Überschrift sind einstimmig angenommen worden.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Nach der Vereinbarung soll eine allgemeine Aussprache entfallen. Einzelberatung entfällt, da Änderungsanträge nicht vorliegen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden ist.
Ich komme zu Punkt 4 und Punkt 5 der heutigen Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung des Ingenieurberufes (Drucksache 343);
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur" (Drucksache 439);
5. a) Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung des Chemikerberufes (Drucksache 341);
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung „Chemiker" (Drucksache 441).
Es ist eine Verständigung darüber erzielt worden, daß diese Gesetzentwürfe ohne Begründung und Aussprache den Ausschüssen überwiesen werden sollen. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes als federführenden Ausschuß und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vor.
— Wirtschaft? Wir haben Mittelstand, Herr Abgeordneter Mellies. Also jetzt muß ich Klarheit herstellen.
— Sie sind für Mittelstand.
— Wirtschaft hatte ich bisher gar nicht vorgeschlagen. Also Sie beantragen, daß auch der Ausschuß für Wirtschaftspolitik, und zwar federführend, damit befaßt wird. — Bestehen Bedenken gegen eine Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik? — Es bestehen keine Bedenken.
Es dreht sich nun um die Frage der Federführung. Zunächst war beantragt, den Ausschuß für
Sonderfragen des Mittelstandes federführend sein zu lassen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
— Meine Damen und Herren, in dieser Besetzung war es die Mehrheit; darüber besteht kein Zweifel. Wir können doch nicht prophetisch abschätzen, welches Ergebnis sich in fünf Minuten ergeben würde; das geht zu weit.
Ich bitte noch einmal: Wer dafür ist, daß der Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes federführend ist, möge die Hand erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Also federführend ist der Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstands.
Ich komme zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der DP, CDU/CSU und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Zweiten Durchführungsverordnung zum Bremischen Übergangsgesetz zur Regelung der Gewerbefreiheit .
Auch dieser Gesetzentwurf soll ohne Begründung und Aussprache an den Ausschuß überwiesen werden. Ich darf annehmen, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik zuständig ist. — Das ist die gemeinsame Überzeugung des Hauses; die Überweisung ist erfolgt.
Auch zu Punkt 7:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Müller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Zucker (Zuckergesetz) (Drucksache 487),
ist eine Vereinbarung herbeigeführt worden, daß der Gesetzentwurf ohne Begründung und Aussprache an die Ausschüsse überwiesen werden soll. Federführend ist sicher der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. — Ich glaube, darüber besteht kein Zweifel. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß dieser Gesetzentwurf auch an ihn überwiesen wird.
— Der Haushaltsausschuß mit Zucker?
— Wegen der Rückwirkung auf die Einfuhr- und Vorratsstellen. Dann unterstelle ich, daß das Haus mit diesen beiden Überweisungen an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und den Haushaltsausschuß einverstanden ist. Federführend ist der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. — Die Überweisung ist erfolgt.
Punkt 8:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages . (Erste Beratung: 31. Sitzung.)
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Rösch Darf ich Sie bitten, das Wort zu nehmen.
Frau Rösch , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Haushaltsausschuß hat sich im Auftrag des Plenums mit dem Gesetzentwurf Drucksache 540 beschäftigt, hat die Begründung dazu eingehend geprüft und empfiehlt Ihnen, die Vorlage mit den geringfügigen Änderungen, die auf Drucksache 559 niedergelegt sind, im übrigen unverändert anzunehmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich rufe auf § 1. Dazu liegt ein Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Brese auf Umdruck 118*) vor. Soll er begründet werden?
— Offenbar nicht. Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Brese — Umdruck 118 —, in § 1 Abs. 3 die Worte „monatlich 750 Deutsche Mark" durch die Worte „monatlich 600 Deutsche Mark" zu ersetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist gegen sehr wenige Stimmen abgelehnt worden.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf — falls das Wort gewünscht wird, bitte ich, das mitzuteilen — die §§ 2, — 3, — 4, —5, — 6, — 7, — 8, — 9, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Eine allgemeine Aussprache soll nicht stattfinden. Eine Einzelberatung entfällt, da Änderungsanträge nicht vorliegen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem von allen Fraktionen des Hauses eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ist das da hinten eine Enthaltung?
— Aha, bei einigen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen ist dieser Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich komme zum Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den deutsch-chilenischen Briefwechsel vom 3. November 1953 betreffend die zollfreie Einfuhr von 50 000 t Chilesalpeter in der Zeit vom 1. Juli 1953 bis 30. Juni 1954 ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 430).
*) Siehe Anlage 1
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Finckh. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Drucksache 289 handelt es sich um den Entwurf eines Gesetzes über den deutsch-chilenischen Briefwechsel vom 3. November 1953. Vereinbarungen über die zollfreie Einfuhr von Chilesalpeter waren bereits in der Vorkriegszeit mit Chile getroffen worden. Bei dem Abschluß eines Handelsvertrages mit Chile am 2. Februar 1951 wurde daher die Verpflichtung zur Gewährung von Zollfreiheit für die Einfuhr von Chilesalpeter durch Notenwechsel, der ausdrücklich als bindender Bestandteil des Handelsvertrages bezeichnet wurde, nur neu festgelegt.
Gleichzeitig wurde in der dem Protokoll von Torquay vom 21. April 1951 beigefügten Zollzugeständnisliste Nr. XXXIII zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen das Zollzugeständnis an Chile sowohl hinsichtlich der Menge als auch des Zollsatzes multilateral gebunden, indem mit jedem beteiligten Vertragspartner des GATT für eine Gesamtmenge von 70 000 t die zollfreie Einfuhr von natürlichem Natriumnitrat und natürlichem Natronsalpeter in der Zeit vom 17. Februar 1951 bis 30. Juni 1952 vereinbart wurde — Bundesgesetzblatt 1951 Teil II Anlagenband III Seite 2737 —. Im Anschluß an das Zollzugeständnis des TorquayProtokolls wird Chile seitdem jedesmal für ein Jahr durch besonderen Briefwechsel Zollfreiheit für die Einfuhr von Chilesalpeter bis zu 50 000 t zugestanden, der dem GATT-Sekretariat mitzuteilen ist, weil er eine Änderung und Ergänzung der deutschen Zollzugeständnisliste bedeutet.
Erstmalig wurde ein derartige Briefwechsel am 6. September 1952 für die Zeit vom 1. Juli 1952 bis 30. Juni 1953 unterzeichnet. Ihm wurde mit Gesetz vom 14. August 1953 zugestimmt. Der der gegenwärtigen Kabinettsvorlage als Anlage beigefügte Briefwechsel vom 3. November 1953 sieht nunmehr die Verlängerung der im ersten Briefwechsel enthaltenen Vereinbarungen für die Zeit vom 1. Juli 1953 bis 30. Juni 1954 vor.
Tatsächlich wurden in dem am 30. Juni 1953 abgelaufenen Kontingentsjahr nur etwa 3000 t Chilesalpeter in die Bundesrepublik eingeführt. Einnahmenmäßig wäre daher schon aus diesem Grunde eine Zollfestsetzung bei Chilesalpeter für die deutsche Zollverwaltung uninteressant. Der Grund hierfür ist, daß Chilesalpeter gegenüber den deutschen synthetischen Stickstoffdüngern zu teuer ist und bei Erhebung eines Zolles von der deutschen Landwirtschaft nicht gekauft würde. Wir können ruhig sagen, daß die zollfreie Hereinnahme von Chilesalpeter, der ein wichtiges chilenisches Ausfuhrprodukt darstellt, lediglich ein deutsches Entgegenkommen im Interesse der Erhaltung der guten deutsch-chilenischen wirtschaftlichen Beziehungen und des deutschen Exports nach Chile ist.
Ich bitte daher das Hohe Haus im Auftrag des Außenhandelsausschusses, dem Antrag gemäß Drucksachen 289 und 430 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Art. I, —Art. II, — Art. III, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Keine allgemeine Aussprache, Einzelberatung entfällt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes über den deutsch-chilenischen Briefwechsel vom 3. November 1953 betreffend die zollfreie Einfuhr von 50 000 t Chilesalpeter in der Zeit vom 1. Juli 1953 bis 30. Juni 1954 zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Das ist angenommen worden.
Ich komme zum nächsten Punkt der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handelsvertrag und den Notenwechsel vom 1. August 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ecuador ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 431).
Berichterstatter ist ebenfalls Herr Abgeordneter Finckh. — Ich bitte freundlichst zu unterstellen, daß die schriftliche Begründung der Regierung den Abgeordneten geläufig ist. — Bitte, Herr Abgeordneter!
Der Handelsvertrag mit Ekuador ist ein Meistbegünstigungsvertrag. Er sieht die Meistbegünstigung auf dem Gebiet der Zölle und sonstiger Eingangsabgaben sowie die Inländerbehandlung in Angelegenheiten der inneren Besteuerung und sonstiger innerstaatlicher Bestimmungen wirtschaftlicher Natur vor. In Zusammenhang mit den übrigen, nicht ratifikationsbedürftigen Abkommen wird durch den Abschluß des Handelsvertrages die erforderliche Rechtsgrundlage für den Handelsverkehr der Bundesrepublik Deutschland mit der Republik Ekuador wiederhergestellt. Die Bestimmungen des Handelsvertrages sollten daher alsbald auch formell in Kraft treten.
Die bereits vom Kongreß in Ekuador angenommenen deutsch-ekuadorianischen Verträge vom 1. 8. 1953 wurden in dem ekuadorianischen Amtsblatt — Registro Oficial Nr. 401 — bereits veröffentlicht. Mit der Veröffentlichung gewannen die Verträge in Ekuador Gesetzeskraft. Der Austausch der Ratifikationsurkunden wird erfolgen, sobald der Bundestag der Gesetzesvorlage seine Zustimmung erteilt hat. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen bittet Sie daher um Annahme des Entwurf s.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf Art. I, — II, — III, — IV, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; die aufgerufenen Artikel, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Ich rufe auf zur allgemeinen Aussprache der
dritten Beratung.
Einzelberatung entfällt. Ich bitte die Damen und
Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes über den
Handelsvertrag und dem Notenwechsel vom
1. August 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ekuador zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Schlußabstimmung entfällt bei internationalen Verträgen.
Ich bitte um die Berichterstattung zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das deutschösterreichische Protokoll vom 14. Dezember 1953 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Loden ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) (Drucksache 517).
Berichterstatter ist auch hier Herr Abgeordneter Finckh. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutschen und österreichischen Vertreter haben in dem Protokoll vom 14. Dezember 1953 das Zollzugeständnis in der Weise verlängert, daß im Text des bisherigen Abkommens über Loden statt „bis 31. Januar 1954" gesetzt wird „bis 30. Juni 1955", und zwar in der Annahme, daß diese neue Frist nun ausreichen wird, einen klaren Überblick über den Einfluß des Zollzugeständnisses für Loden auf dem inländischen Markt zu gewinnen. Bei dem Zollzugeständnis für Loden handelt es sich um ein Objekt von geringerer Bedeutung, so daß diese Abmachungen nicht von Gegenzugeständnissen abhängig gemacht Wurden. Das Protokoll soll mit Wirkung vom 1. Februar 1954 in Kraft gesetzt werden, damit die Geltung des am 31. Januar 1954 ablaufenden Zollzugeständnisses nicht unterbrochen wird.
Der Außenhandelsausschuß hat die Angelegenheit behandelt und der Verlängerung zugestimmt. Ich bitte daher das Hohe Haus im Namen des Außenhandelsausschusses, dem Antrag auf Drucksache 517 zustimmen zu wollen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf Art. I bis IV, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes über das deutsch-österreichische Protokoll vom 14. Dezember 1953 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Loden in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen. Eine Schlußabstimmung entfällt.
Ich komme zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zollabkommen vom 30. Dezember 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 518).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schneider (Bremerhaven). — Scheint nicht anwesend zu sein.
Sind die Damen und Herren bereit, auf die mündliche Berichterstattung zu verzichten?
— Das ist der Fall. Der schriftliche Bericht wird nachgereicht und ins Protokoll aufgenommen werden *).
Ich rufe auf zur zweiten Beratung: Art. I, — II, — III, — IV, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Einzelberatung entfällt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes über das Zollabkommen vom 30. Dezember 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich komme zu Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Entwurfs einer Siebzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen .
Hier ist eine Begründung und Aussprache nicht vorgesehen. Ich schlage Ihnen vor, diesen Verordnungsentwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? — Die Überweisung ist erfolgt.
Punkt 14:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Abgabenfreie Einfuhr von Tabakwaren im Reiseverkehr (Drucksachen 335, 217).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Tenhagen.
Wenn ich recht unterrichtet bin, ist eine Rücküberweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und den Ausschuß für Außenhandelsfragen — federführend der Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen — vereinbart. — Sie sind damit einverstanden.
Ich komme zu Punkt 15:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Oberländer gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz (Az. 1044/1 E — 55007/54) vom 2. April 1954 (II/23) (Drucksache 520).
An Stelle von Herrn Abgeordneten Dr. Wahl ist der Abgeordnete Dr. Dittrich bereit, die Berichterstattung zu übernehmen; ich bitte darum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Herr Dehler genießt zwar eine Art Narrenfreiheit, aber das geht entschieden zu weit", behauptete der Vorsitzende des Gesamtdeutschen Blocks-BHE, Professor Dr. Theodor Oberländer, nach einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur vom 20. Mai 1953.
*) Siehe Anlage 3
Meine Damen und Herren, ich darf nur die Stenographen bitten, die Anführungsstriche nicht zu vergessen.
— Bitte, Herr Abgeordneter!
Dr. Dehler hatte vorher erklärt, daß der BHE eine Partei der politischen Charakterlosigkeit sei, die sich meistbietend verkaufe und eine tödliche Gefahr für die Demokratie darstelle, usw.
Es handelt sich hier nach Ansicht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität um Behauptungen im Wahlkampf, die nach der bisherigen Praxis des Deutschen Bundestages die Genehmigung zum Strafverfahren nicht herbeigeführt haben. Der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität hat sich in seiner Sitzung vom 7. Mai 1954 mit dem Antrag des Bundesministers der Justiz vom 2. April 1954 beschäftigt und schlägt dem Hohen Hause vor, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Oberländer nicht zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache 520 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. —Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist gegen wenige Stimmen angenommen worden.
Zu den Punkten
16. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität über die Wahlanfechtung des Walter Sternfeld, München 23, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 2. Deutschen Bundestag am 6. September 1953 des im Wahlkreis 200 (MünchenNord) gewählten Abgeordneten Gumrum — Az. 13/53 — (Drucksache 511);
17. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität über die Wahlanfechtung des Landesvorsitzenden der Bayernpartei, Dr. Besold, im Namen der Partei und im eigenen Namen und anderer Mitglieder der Bayernpartei gegen die Gültigkeit der Wahl zum 2. Deutschen Bundestag am 6. September 1953 der Landesliste Bayern der CSU und SPD sowie der im Wahlkreis 200 (München-Nord) und 203 München-West) gewählten Abgeordneten Gumrum und Dr. Graf — Az. 6/53 bis 12/53 — (Drucksache 512);
18. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität über die Wahlanfechtung des Herbert Noll, Husum, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 2. Deutschen Bundestag am 6. September 1953 des im Wahlkreis 1 (Husum-SüdtondernEiderstedt) gewählten Abgeordneten Giencke — Az. 15/53 — (Drucksache 513) und
19. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität über die Wahlanfechtung des Dr. Bernhard Gericke, Wolfsburg, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 2. Deutschen Bundestag am 6. September 1953 des im Wahlkreis 54 (PeineGifhorn) gewählten Abgeordneten Dr. Schöne — Az. 1/53 — (Drucksache 514)
liegt die schriftliche Begründung vor. Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz ist durch die Anwesenheit in Straßburg verhindert, den Bericht mündlich zu erteilen. Ich darf unterstellen, daß das Haus von den Drucksachen 511, 512, 513 und 514 Kenntnis genommen hat. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache 511 betreffend Wahl des Abgeordneten Gumrum im Wahlkreis 200 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache 512 betreffend Wahl der im Wahlkreis 200 und 203 gewählten Abgeordneten Gumrum und Dr. Graf zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache 513 betreffend Wahlanfechtung gegen die Gültigkeit der Wahl des im Wahlkreis 1 gewählten Abgeordneten Giencke zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache 514 betreffend die Wahl des im Wahlkreis 54 gewählten Abgeordneten Dr. Schöne zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; dieser Antrag ist ebenfalls angenommen.
Punkt 20:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ).
Ich bitte die Damen und Herren, die dem interfraktionellen Antrag zu Punkt 20 betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Meine Damen und Herren, von der Tagesordnung vom Mittwoch ist die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit abgesetzt, desgleichen wegen Abwesenheit des Herrn Bundesinnenministers die Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend „Vulkan"-Fall. Wir haben also noch die Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des Bundesentschädigungsgesetzes durchzuführen. Ich schlage Ihnen aber vor, vorweg die ohne Debatte zu erledigenden beiden Gesetzentwürfe zu behandeln.
Ich rufe also auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Vertragspartnern des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens und Japan (Drucksache 473);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 556).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Brand . Darf ich ihn bitten, daß Wort zu nehmen.
*) Siehe Anlage 2.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen einige kurze Erläuterungen zu Drucksache 473 geben. Im Oktober 1953 stellte auf der achten GATT-Tagung in Genf Japan den Antrag auf vorläufige Aufnahme. Eine Einigung kam auf der Grundlage zustande, daß Japan bis zum Abschluß der Zollverhandlungen, spätestens bis zum 30. Juli 1955 als vorläufiger Vertragspartner in das GATT aufgenommen wird. Die Gewährung der Meistbegünstigung und der Zollzugeständnisse im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens an Japan sollte jedoch durch eine besondere Erklärung über die Regelung der Handelsbeziehungen festgelegt werden.
Diese Erklärung bildet den Gegenstand des vorliegenden Gesetzentwurfs. Danach gewähren die Unterzeichnerstaaten Japan die Meistbegünstigung und damit die im Rahmen des GATT vereinbarten Zollzugeständnisse. Als Gegenleistung gewährt Japan den Unterzeichnerstaaten die Meistbegünstigung.
Der Außenhandelsausschuß hat festgestellt, daß der Handelsverkehr zwischen Japan und der Bundesrepublik eine ständige Steigerung zugunsten der Bundesrepublik aufweist, und empfiehlt dem Hohen Hause die Annahme des Gesetzentwurfs.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich rufe zur zweiten Beratung auf: Art. I, — II, — III, — IV, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen .—Das ist die Mehrheit; angenommen.
Eine allgemeine Aussprache und Einzelberatung der dritten Lesung entfällt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes betreffend die Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Vertragspartnern des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens und Japan in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Die Schlußabstimmung entfällt. Wir kommen zum nächsten Punkt:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Zollzugeständnislisten zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Drucksache 474);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 557).
Berichterstatter ist wieder Herr Abgeordneter Brand .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in Torquay 1951 unterzeichnete Erklärung der GATT- Vertragspartner galt bis zum 31. Dezember 1953. Auf Vorschlag des Präsidenten der Vollversammlung der GATT-Vertragspartner soll die Bindung der Zollzugeständnislisten um einen Zeitraum von 18 Monaten verlängert werden. Diesem Vorschlag hat sich der Außenhandelsausschuß angeschlossen, da die Vereinigten Staaten von Amerika auf Grund des Randallberichts ihre derzeitige Handels- und Zollpolitik überprüfen und deshalb die Führung von Zollverhandlungen ungünstig erscheint. Der Außenhandelsausschuß empfiehlt die Annahme des Gesetzentwurfs.
Ich gestatte mir, eine Bemerkung anzufügen. Beide Gesetzentwürfe, also sowohl Drucksache 473 als auch Drucksache 474, wurden am 24. Oktober 1953 paraphiert, jedoch dem Außenhandelsausschuß des Bundestags erst am 6. Mai mit einem Hinweis auf die Eilbedürftigkeit zugeleitet. Der Ausschuß legt Wert darauf, die Vorlagen in Zukunft so rechtzeitig zu erhalten, daß die Abgeordneten genügend Zeit zu einer gründlichen Unterrichtung und Meinungsbildung haben.
Darüber hinaus möchte ich mir den Hinweis gestatten, daß ganz allgemein die Information von Bundestagsausschüssen persönlich, zeitlich und sachlich vorrangig gegenüber den Informationen von Organisationen und Vereinigungen erfolgen sollte, die außerhalb des Parlaments stehen.
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß das Haus mit dieser Feststellung einverstanden ist.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung Art. I, — Art. II, — Art. III, — Art. IV, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf in der
dritten Beratung
insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen. Eine Schlußabstimmung entfällt.
Ich komme zur
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des Bundesentschädigungsgesetzes .
Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Hauffe das Wort.
Ich weise darauf hin, daß der im Augenblick nicht anwesende Herr Bundesfinanzminister sich auf dem Wege zum Plenarsaal befindet.
Hauffe , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage meiner Fraktion befaßt sich mit einem Kapitel, von dem man eigentlich annehmen sollte, daß es zum heutigen Zeitpunkt, also neun Jahre nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Staates, der Vergangenheit angehört. In der Anfrage wird die Bundesregierung gefragt, wann die Rechtsverordnungen zu den §§ 14, 15 und 37 des Bundesergänzungsgesetzes endlich ergehen. Man muß dabei darauf hinweisen, daß das Bundesergänzungsgesetz angesichts des Fehlens der Rechtsverordnungen eigentlich seinen Sinn verloren hat. Wenn der letzte Bundestag überstürzt dieses Gesetz angenommen hat, dann doch deshalb, um wenigstens zu einem Teil mit der Wiedergutmachung praktisch arbeiten zu können; denn bisher wurde die
Wiedergutmachung in den einzelnen Ländern auf Grund von Ländergesetzen, d. h. Besatzungsgesetzen vorgenommen.
Das Fehlen der Rechtsverordnungen ist besonders tragisch angesichts der Bedeutung der in Frage stehenden Vorschriften. Schauen wir uns einmal an, was diese Paragraphen bzw. die Titel des Gesetzes, zu denen die Paragraphen gehören, beinhalten. Die §§ 14 und 15 des Ergänzungsgesetzes gehören zum Zweiten Abschnitt, Ersten Titel: Schaden an Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit. Man darf wohl annehmen, daß eine Entschädigung dieser Ansprüche heute dringend erforderlich ist; denn auf diesen Schäden an Leben, Körper und Gesundheit beruhen zum größten Teil die Rentenansprüche alter Leute und Witwen, die während der Zeit von 1933 bis 1945 Schaden erlitten haben und die nicht mehr in der Lage sind, sich selber zu erhalten. Zum großen Teil handelt es sich dabei um Leute, die heute bereits das 70. Lebensjahr überschritten haben. Das macht die Dinge um so tragischer.
In § 14 Abs. 9 und auch in § 15 Abs. 8 heißt es: Die Bundesregierung wird ermächtigt, zur Durchführung der vorstehenden Bestimmungen Rechtsverordnungen zu erlassen.
Wenn die Rentner und Invaliden, die Witwen und Waisen bei ihren zuständigen Landesbehörden anfragen, wann mit der Regelung ihrer Renten zu rechnen ist, dann bekommen sie meistens recht lakonische Antworten, wie z. B. ein alter, 74jähriger Rentner, dem das Bundesarbeitsministerium am 2. Februar dieses Jahres geschrieben hat:
Die Rechtsverordnungen zu § 15 Abs. 8 des
Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung
für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 18. September 1953 sind bisher noch
nicht ergangen.
Der Schlußsatz heißt:
Da das Bundesergänzungsgesetz von den Ländern durchgeführt wird, stelle ich Ihnen anheim, sich von Zeit zu Zeit bei der für Sie zuständigen Entschädigungsbehörde nach dem Stand der Gesetzgebung zu erkundigen.
Sehr mit Recht fragt der Mann in einem Schreiben an mich, wie lange er denn als 74jähriger noch Zeit hat, sich „von Zeit zu Zeit nach dem Stand der Gesetzgebung zu erkundigen".
Da die Regierung nicht einmal in der Lage war, bis jetzt die Rechtsverordnungen zu erlassen, glaubt man schon gar nicht, es wagen zu dürfen, zu einem anderen Kapitel des Bundesergänzungsgesetzes, das in unserer Großen Anfrage nicht erfaßt ist, eine Frage zu stellen. In den §§ 64 und 65 wird nämlich darauf hingewiesen, daß die Rentengesetzgebung noch an das Ergänzungsgesetz angepaßt werden soll. Es dürfte ja bekannt sein, daß ein großer Teil der Menschen, die 1933 verfolgt und aus ihren Stellungen geworfen wurden, auch Schaden in der Altersversorgung, in der Invalidenversicherung erlitten haben. Das Wirtschaftsratgesetz gibt diesen Menschen nur einen Ausgleich für Zeiten der Arbeitslosigkeit, nicht aber für Zeiten der Beschäftigung in geringerer Tätigkeit. Auch hier fehlt die Gesetzgebung. Aber wenn die Rechtsverordnungen noch nicht da sind, kann man von der Bundesregierung, besonders von dem Herrn Bundesarbeitsminister nicht erwarten, daß er die nötigen Gesetzentwürfe zur Ergänzung der Sozialgesetzgebung vorlegt.
Das Bundesergänzungsgesetz hat somit praktisch keinen Vorteil für den Geschädigten des Dritten Reiches gebracht, sondern einen Nachteil. Das geht besonders daraus hervor, daß die Zahl der vor dem Erlaß des Bundesergänzungsgesetzes von den Landesentschädigungsbehörden ergangenen Bescheide noch einmal so hoch war wie heute. Ich habe die genauen statistischen Zahlen von Bayern und von Baden-Württemberg erhalten; ich glaube, daß es in den anderen Ländern nicht besser ist. Die Dinge, die erledigt werden können, wie die Haftentschädigung usw., sind heute Gott sei Dank zum großen Teil erledigt. Je weiter aber die Ergänzungsvorschriften auf sich warten lassen, desto mehr werden die Entschädigungen für Schaden an Leben und Gesundheit in Reserve bleiben. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich hier einen Vergleich ziehe: die Peiniger der Menschen, die 1933 aus ihren Stellungen geworfen wurden, die verhaftet wurden usw., haben zum großen Teil, weil sie Angehörige des öffentlichen Dienstes sind, wohlerworbene Rechte. Diese wohlerworbenen Rechte sind ihnen gewahrt worden; sie werden im Alter von 70 Jahren auf Grund des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes versorgt. Ihre Opfer aber, die sie von 1933 bis 1945 gequält haben und die heute noch auf die Regelung ihrer Rechtsansprüche warten, müssen zusehen, wie die wirtschaftliche Existenz ihrer Peiniger gesichert ist, sie aber selber sich weiterhin in einer großen wirtschaftlichen Notlage befinden.
Ich möchte deshalb den Herrn Bundesfinanzminister, der wohl für diese Dinge zuständig ist, darum bitten, alles daranzusetzen, daß diese Rechtsverordnungen erlassen werden, daß die Menschen, die von 1933 bis 1945 gelitten haben und die heute weiter Not leiden müssen, mindestens gleichbehandelt werden mit denen, die sie gepeinigt haben. Das ist eine drastische Feststellung. Ich muß sie aber treffen, um vielleicht der Behörde plausibel zu machen, daß hier eine Unterlassungssünde vorliegt, wie sie schwerwiegender in der Verwaltung wohl kaum zu finden ist.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß der Herr Bundesfinanzminister auf seinem Wege zu diesem Saal noch nicht da ist. Ich darf ausdrücklich darauf aufmerksam machen, daß es für das Haus ein schwer erträglicher Zustand ist, daß die Minister nicht anwesend sind, wenn Große Anfragen behandelt werden.
Wir müssen zum mindesten erwarten, daß die Herren Beamten der Ministerien ihre Minister rechtzeitig darüber unterrichten, was herankommt.
Ich bin nicht in der Lage, eine Beantwortung durch die Regierung herbeizuführen. Will das Haus eine Pause einlegen?
— Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen vorschlagen, eine Pause von fünf Minuten einzulegen.
Wir werden die Sitzung um 11 Uhr 15 fortsetzen. Wir hoffen, daß der Herr Bundesfinanzminister bis dahin eingetroffen sein wird.
Die Sitzung wird um 11 Uhr 19 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß ich eine kleine Störung in den Ablauf der Tagesordnung des Hauses gebracht habe. Es war mir leider nicht bekannt, daß der Punkt Drucksache 317 auf die heutige Tagesordnung gesetzt worden ist. Ich bitte, das zu entschuldigen.
Ich darf die Anfrage beantworten. Die Arbeiten an den von der Bundesregierung zu § 14 — das ist der entscheidende; Schaden am Leben —, zu § 15 — Schaden an Körper und Gesundheit — und zu § 37 — Schaden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen — des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung mit Zustimmung des Bundesrats zu erlassenen Rechtsverordnungen sind sofort nach Inkrafttreten dieses Gesetzes im Bundesfinanzministerium aufgenommen worden. Wenn bisher noch keine dieser Rechtsverordnungen, die zum Teil bereits völlig ausgearbeitet und mit Begründung vorliegen, dem Bundesrat zugeleitet wurde, so liegt der Grund hierfür im folgendem.
Der Bundesrat hat bei der Verabschiedung des Bundesergänzungsgesetzes am 17. Juli 1953 einen Beschluß gefaßt, der eine Novellierung des ganzen Gesetzes unter Veränderung der Grundstruktur des Gesetzes gefordert hat. Er hat in Verfolg dieses Beschlusses im Dezember 1953 seinem Sonderausschuß für Wiedergutmachungsfragen den Auftrag erteilt, eine solche Novelle auszuarbeiten. Solange diese Arbeiten des Sonderausschusses schwebten und damit zu rechnen war, daß der Bundesrat für eine völlige Umänderung auch der Grundstruktur des Gesetzes eintreten würde, war es natürlich untunlich, dem Bundesrat Rechtsverordnungen vorzulegen, die zur Voraussetzung hatten, daß das Bundesergänzungsgesetz in seiner Struktur nicht verändert würde, und die daher auf dem alten Gesetz aufbauten.
Im Bundesrat haben in der Zwischenzeit eingehende Erörterungen über diese Pläne einer völligen Änderung des Gesetzes stattgehabt. Diese Erörterungen haben zu dem Beschluß geführt, daß der Bundesrat seinen Auftrag an den Sonderausschuß, einen Änderungsgesetzentwurf vorzulegen, zurückgenommen hat und daß er es der Bundesregierung überläßt, zu gegebener Zeit eine Novelle zu dem Gesetz vorzulegen, die nunmehr das Ziel hat, gewisse Änderungen gesetzestechnischer Art vorzunehmen.
Infolgedessen ist jetzt die Rechtsgrundlage für den Erlaß der Rechtsverordnungen klar, deshalb wird dieser Tage die erste Rechtsverordnung auf Grund des § 14 dem Bundesrat zugehen. Sie ist im Umlaufwege bereits dem Kabinett unterbreitet. Die Rechtsverordnungen zu §§ 15 und 17 werden dann sofort folgen; ihre endgültige Fassung ist eine Arbeit; die nur mehr ganz geringe Zeit beanspruchen wird.
Die gewünschten Verordnungen können also nunmehr dem Bundesrat zugehen. Die Verzögerung trat wegen der Pläne ein , das ganze Bundesentschädigungsgesetz grundlegend zu ändern.
— Die Verordnungen zu §§ 15 und 37
gehen jetzt dem Bundesrat zu — zu § 14 dieser Tage, zu § 15 und § 37 sofort anschließend. Ein Bedürfnis, darüber hinaus allgemeine Verwaltungsvorschriften seitens der Bundesregierung zu erlassen, ist bisher nicht hervorgetreten. Die Ausführung des Gesetzes ist ja im allgemeinen und grundsätzlich Sache der Länder. Die Länder haben auch bereits in großem Umfange Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des Gesetzes erlassen.
Das Haus hat die Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers entgegengenommen. Ich frage: Wird eine Beratung der Anfrage gewünscht? — Sie wird von der Fraktion der SPD gewünscht. Das sind mindestens 30 Mitglieder. Wir treten in die Beratung ein. Ich bitte um Wortmeldungen. — Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion in der Frage der Wiedergutmachung ist, auf einer möglichst breiten Basis, möglichst mit allen Fraktionen und Mitgliedern dieses Hauses gemeinsam zu einer Regelung dieser Aufgabe zu kommen, da wir diese Regelung seit jeher als eine Ehrenschuld des deutschen Volkes angesehen haben und noch ansehen.
Wir sind daher bis zum äußersten bemüht, aus dieser uns so am Herzen liegenden Frage möglichst jede Polemik zu verbannen. Ich werde mich deshalb auch jetzt in der Antwort auf die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers einer größtmöglichen Zurückhaltung befleißigen, obgleich uns Anlaß zu einer gewissen Bitterkeit durchaus schon vorzuliegen scheint.
Immerhin hat dieser Tage eine erste interfraktionelle Besprechung über eine Verbesserung und grundlegende Neufassung des Bundesentschädigungsgesetzes stattgefunden. Ich freue mich, sagen zu können, daß alle Fraktionen beteiligt waren und alle Fraktionen dieses Hauses den gleichen Wunsch nach einer solchen Verbesserung des Gesetzes zum Ausdruck gebracht haben. Es ist von uns auch besprochen worden, daß der Herr Bundesminister der Finanzen von dieser Einhelligkeit interfraktioneller Art verständigt werden sollte. Ich wundere mich deshalb darüber, daß der Herr Bun-
desminister der Finanzen darüber bisher noch nicht unterrichtet zu sein scheint.
Nun, meine Damen und Herren, in der Sache selbst ist die Antwort und die Auskunft, die der Herr Bundesminister der Finanzen uns gegeben hat, nicht befriedigend, und ich bitte jetzt insbesondere Herrn Ministerialrat Dr. Kuschnitzky, doch nicht dem Herrn Bundesfinanzminister ins Ohr zu flüstern, während das Ohr des Herrn Bundesfinanzministers für dieses Haus erbeten wird.
Herr Bundesminister, Sie haben gesagt, daß die Arbeiten sofort aufgenommen worden seien, um die erforderlichen Rechtsverordnungen auszuarbeiten. Wir alle wissen ja, daß das Gesetz sehr große Lücken enthält, die durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrats ausgefüllt werden sollen. Aber die Erklärung, die Sie für das monatelange Ausbleiben dieser Rechtsverordnungen gegeben haben, ist doch wohl kaum befriedigend. Sie haben gesagt, jetzt erst sei die Rechtsgrundlage für die Verordnungen klar, nachdem der Bundesrat durch einen Beschluß seine Absicht, das Gesetz von Grund auf zu novellieren, zurückgezogen habe. Das kann doch nicht sein. Das Bundesentschädigungsgesetz, das von Ihrem Hause ausgearbeitet ist, trat am 1. Oktober 1953 in Kraft und i s t in Kraft, und ohne Rücksicht darauf, welche Pläne der Bundesrat verfolgte oder noch verfolgt, und welche Pläne im Bundestag bestehen, war und ist es Ihre Pflicht gewesen, sofort auf Grund des geltenden Gesetzes die zu seiner Ausführung erforderlichen Verordnungen zu erlassen.
Man kann doch nicht ein Gesetz als nicht existent behandeln, weil man weiß, daß Pläne bestehen, es zu novellieren. Und Sie haben leider auch nicht gesagt, warum denn der Bundesrat die Arbeiten seines Sonderausschusses abgebrochen hat. Doch deshalb, weil die Beamten Ihres Ministeriums im Bundesrat erschienen sind und dort gesagt haben, Sie selber würden diese Novelle in die Hand nehmen,
und Sie selber würden zum Zwecke dieser Novelle einen beratenden Ausschuß einberufen, der aus drei Vertretern des Bundesrates und aus je einem Vertreter der Fraktionen des Bundestags bestehen sollte.
Das war bereits im März, und seit März ist dieser
Ausschuß noch nicht einmal einberufen worden.
Unsere Fraktion hat schon im März beschlossen, daß mein Parteifreund Greve in diese Kommission gehen sollte; auch die anderen Fraktionen haben ihre Vertreter, soweit ich weiß, bestimmt. Uns haben noch nicht einmal die Briefe aus dem Bundesfinanzministerium erreicht, durch die die Fraktionen aufgefordert sind, sich an dieser Kommission zu beteiligen.
Das ist eine Art der Ausführung, die der großen Aufgabe des Bundesentschädigungsgesetzes nicht angemessen sein dürfte.
Im übrigen ist der Entschluß, dieses Gesetz einer gründlichen Novellierung zu unterziehen, keineswegs fallengelassen, insbesondere nicht in diesem Hause fallengelassen.
Ich erinnere daran, daß von dieser Stelle aus für die Fraktion der CDU/CSU, die gegenwärtig sogar allein die absolute Mehrheit des Bundestages darstellt, der Herr Kollege Gerstenmaier mit großem Nachdruck erklärt hat, daß die Zustimmung zum Gesetz an einem der letzten Tage der Legislaturperiode des 1. Bundestages nur ein Provisorium bedeuten könne und der 2. Bundestag von Anfang an an eine strukturverändernde und grundlegende Verbesserung des Bundesentschädigungsgesetzes herangehen müsse. Das ist auch in der interfraktionellen Besprechung, die vor einigen Tagen stattgefunden hat, erneut zum Ausdruck gekommen. Ich hoffe, daß gerade auch von der Regierungskoalition diese meine Ausführungen bestätigt werden.
Infolgedessen wissen Sie, Herr Bundesminister der Finanzen, daß die politisch verantwortlichen gesetzgebenden Körperschaften nach wie vor die Absicht dieser strukturverändernden und grundlegenden Novellierung hegen. Das aber befreit Sie doch nicht davon, ein geltendes Gesetz auszuführen, solange es gilt, und man kann nicht sagen, es sei „untunlich", das Erforderliche nach dem Gesetz zu tun, solange solche gesetzgeberischen Absichten noch im Schwange sind. Denn bedenken Sie doch bitte: es handelt sich bei den Verfolgten und Geschädigten einerseits um einen Kreis von Personen, die schon ein hohes Lebensalter erreicht haben. Wir sind jetzt im zehnten Jahre nach Schluß der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, und wenn wir nicht endlich etwas tun, um den vielfach siebzigjährigen, ja teilweise achtzigjährigen Menschen etwas zuzuführen - und gerade dazu fehlen auch die Rechtsverordnungen —, dann wird ein beträchtlicher Teil der Verfolgten diese Wiedergutmachung überhaupt nicht mehr erleben.
Andererseits handelt es sich um die damaligen Jugendlichen, die ebenfalls von der Verfolgung besonders betroffen und an der Berufsausbildung gehindert wurden oder deren Berufsausbildung unterbrochen wurde. Diese Menschen haben erst einmal acht, zehn, teilweise zwölf Jahre ihres beruflichen Lebens durch Unterdrückungsmaßnahmen verloren. Inzwischen sind weitere neun Jahre in das Land gegangen. Sie haben ein Lebensalter erreicht, in dem ihnen das Nachholen der Berufsausbildung oder das Ersetzen der Schäden immer schwieriger wird. Auch da ist also größte Eile geboten. Daher bedauern wir, daß diese Verordnungen nicht alsbald erlassen worden sind. Ich glaube, mich recht zu erinnern, daß Sie damals bei der Beratung des Gesetzes gesagt haben, an diesen Ausführungsverordnungen werde bereits gearbeitet.
Aber, Herr Bundesfinanzminister, ich weiß auch, daß gerade die Sachkenner und Sachbearbeiter sowohl in Ihrem Hause als auch im Bundesministerium der Justiz in der Zeit zwischen dem 1. und 2. Bundestag an andere Arbeitsplätze versetzt worden sind.
Darunter leidet natürlich die Arbeit. Auch ist der
Mitarbeiterstab, den Sie für diesen Zweck haben,
außerordentlich klein. Ich darf einmal auf folgendes Paradoxon hinweisen. Wir kennen kein Bun-
desministerium und keine Bundesbehörde, aus deren Haus nicht immer Wünsche um Vermehrung des Personals an uns herangetragen werden. Das geht manchmal so weit, daß gleich tausend zusätzliche Angestellte gefordert werden, um dieses oder jenes durchzuführen.
Aber noch nie haben wir gehört, daß ein Bundesministerium oder etwa Ihr Haus, Herr Bundesfinanzminister, den Wunsch geäußert hätte, zusätzliche Kräfte einzustellen, um die Wiedergutmachung u id die Bundesentschädigung mit der Beschleunigung durchzuführen, die sachlich geboten ist.
Wir bemerken auch einen merkwürdigen Unterschied in der Großzügigkeit und in der Rang- und Reihenfolge. Man hat nicht gezögert, z. B. auszusprechen, daß die ehemaligen Mitglieder der Legion Condor die Zeit, in der sie Bomben auf Guernica geworfen haben, sogar doppelt angerechnet bekommen,
weil das öffentlicher Dienst für Deutschland gewesen sei.
Aber die gleichartige Großzügigkeit oder Eile vermissen wir bei den Entschädigungen vollauf. Ja, da stellt sich das Bundesinnenministerium z. B. auf den Standpunkt, daß Hochschullehrer, die unbesoldet, also auf sogenannte Kolleggelder und ähnliche Gebühren und Beträge angewiesen waren, d. h. ordentliche Honorarprofessoren, Privatdozenten und sogenannte nichtbeamtete Professoren, zu ihrer Zeit in keinem öffentlichen Dienst gestanden hätten. Das widerspricht nicht nur der gesamten preußischen und deutschen Tradition, sondern ich mache darauf aufmerksam, daß unter diesen Hochschullehrern Männer von europäischem Ruf und von Weltruf sind, denen man als öffentlichen Dienst ihre Hochschultätigkeit vor 1933 abspricht im gleichen Augenblick, in dem man sagt, daß die Kriegsabenteuer in der Legion Condor öffentlicher Dienst für Deutschland gewesen seien.
Wir bitten Sie also herzlich, unsere Große Anfrage doch als einen sehr freundlichen Wink aufzufassen, daß ohne Rücksicht auf die auch in diesem Hause bestehenden und von uns weiterverfolgten Pläne zu einer grundlegenden Änderung und Verbesserung des Gesetzes das Gesetz zunächst jedenfalls so ausgeführt wird, wie es da ist. Denn das Gesetz sollte eine Wohltat und eine rechtliche Befriedigung der Rechtsansprüche der Verfolgten bringen. Es hat sich aber bisher durch das Ausbleiben der Ausführungsverordnungen als ein Nachteil und in einem Nachlassen der Entschädigungszahlungen ausgewirkt.
Ich darf Sie zuletzt auch auf einen Zusammenhang hinweisen, der mir von entscheidender Bedeutung zu sein scheint. Die Wiedergutmachung ist eine Rechtsangelegenheit, weil es darum geht, Unrecht wieder so auszugleichen, daß in Deutschland Recht werde. Ich bedaure deshalb überhaupt, daß diese Fragen im Bundesfinanzministerium bearbeitet werden. Leider ist das auch in einer großen Anzahl von Ländern der Fall. Nach unserer Überzeugung gehörte diese Rechtsangelegenheit mehr in das Bundesministerium der Justiz. Aber gerade weil es eine Rechtsangelegenheit ist und weil der Sinn dieser Gesetzgebung und ihrer Ausführung darin besteht, wieder Recht werden zu lassen und dort, wo Enteignungen und Ausplünderungen vorgenommen worden sind, auf rechtliche Weise den Status herbeizuführen, der ohne dieses Unrecht bestanden hätte, sollten wir in Deutschland darauf achten, daß rechtliches Verhalten im eigenen Hause beginnt. Wir haben im Zusammenhang mit dieser Frage nämlich auch in den auswärtigen Beziehungen einiges in Ordnung zu bringen, worum wir alle in diesem Hause uns bemühen. Ich denke an die große Frage des rechtlos und unter Verstoß gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Auslande fortgenommenen deutschen Privateigentums. Unser aller Kampf geht darum, daß dieser Verstoß gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts wiedergutgemacht wird. Aber glauben Sie denn, daß wir die notwendige moralische Position dafür haben, solange bei uns zu Hause die Enteignungen und die Entrechtungen, die die nationalsozialistische Gewaltherrschaft vorgenommen hat, nicht mit dem Ernst, mit dem Eifer und auch mit der Beschleunigung, Herr Bundesminister, durchgeführt werden, daß wir sagen können: Wir haben das Unsere zur Wiederherstellung des Rechts getan?!
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU hat nach dem Zusammenbruch immer wieder den Standpunkt vertreten, daß es im Interesse einer Befriedung des deutschen Volkes, im Interesse der Versöhnung aller Volksteile nicht richtig wäre, eine Rachepolitik gegenüber all denjenigen Menschen zu verfolgen,, die sich mehr oder minder bewußt oder unbewußt, formell oder auch nicht formell irgendwie im Sinne des nationalsozialistischen Staates eingesetzt haben. Sie hat von diesem Grundsatz nur alle jene Angehörigen des deutschen Volkes ausgeschlossen wissen wollen, die kriminalistisch gesehen gegen die Gesetze der Menschlichkeit verstoßen haben. Im übrigen haben wir aber immer wieder den Standpunkt vertreten, daß man einen dicken Strich unter die Ereignisse ziehen solle. Soweit beobachtet werden kann, ist dieser Standpunkt auch im großen und ganzen — bei dem einen Teil früher, bei dem anderen. Teil später — anerkannt worden, und heute ist sich wohl in dieser Anschauung alles, was an politischen Kräften in Deutschland wirkt, einig.
Keineswegs darf aber nunmehr ein meiner Meinung nach so vernünftiger und versöhnlicher Standpunkt in den grotesken Zustand ausarten, daß all die Menschen, die in der Nazizeit mehr oder minder materiell und seelisch-körperlich gelitten haben, sich auch weiterhin in größter wirtschaftlicher Not befinden, während diejenigen, die eben, weil sie sich mehr oder minder den Verhältnissen der zwölf Jahre angepaßt hatten, damals ein normales Leben führen konnten, sich auch weiterhin in einer guten wirtschaftlichen, in einer normalen Lage befinden, auch wenn sie vielleicht vorübergehend — wir denken an die ersten Jahre nach dem Zusammenbruch, an die Maßnahmen der Besatzungsmächte — mehr oder minder bedrängt worden sind. Ein solcher Zustand ist leider gegenwärtig immer noch zu verzeichnen.
Ich habe im Laufe der Jahre — nicht erst seitdem ich im Bundestag bin, sondern auch schon vorher — ungezählte Fälle kennengelernt. Menschen in großer Zahl sind an mich herangetreten und haben mich immer wieder auf diesen grotesken Zustand hingewiesen. Zum Ende des alten Bundestages ist dann endlich das Bundesentschädigungsgesetz angenommen worden, und man glaubte, nunmehr würden dieses Unrecht und dieser groteske Zustand beseitigt sein.
Alle diejenigen, die daran geglaubt haben, sind bis zum heutigen Tage enttäuscht. Das leugnet auch die CDU nicht.
Mein Kollege Dr. Gerstenmaier hat im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Bundesentschädigungsgesetzes seinerzeit auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß nicht nur die erforderlichen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften baldigst erlassen werden, sondern daß über das materielle Recht des Bundesentschädigungsgesetzes hinaus recht bald eine Novelle verabschiedet wird. Meine Fraktion hat in den letzten Monaten an dem Entwurf einer solchen Novelle gearbeitet. Mir ist soeben von der Fraktion mitgeteilt worden, daß diese Novelle jetzt fertiggestellt ist. Wir werden uns bemühen, in Gemeinschaft mit allen anderen Fraktionen in dem zuständigen Ausschuß recht schnell zu einer endgültigen Bereinigung dieser leidigen Angelegenheit zu kommen.
Es hat uns gefreut, daß der Herr Bundesfinanzminister heute die Erklärung abgegeben hat, daß in Kürze mit den Rechtsverordnungen zu rechnen sei. Er hat uns auf den Gang durch den Bundesrat hingewiesen, der noch bevorstehe. Wir hoffen, daß nun nicht etwa wieder viele Wochen und Monate ins Land gehen, sondern daß zumindest erst einmal das Bundesentschädigungsgesetz in der Form, wie es uns seit Monaten vorliegt, schnellstens durchgeführt wird. Zu dieser Durchführung sind die erwähnten Rechtsverordnungen notwendig. Wie ich aber schon erwähnt habe, ist es notwendig, über diese Verordnungen und Rechtsvorschriften hinaus, d. h. über das Konkretwerden des Bundesentschädigungsgesetzes hinaus noch schnellstens eine Novelle zu verabschieden. Wir hoffen, daß wir in den Ausschüssen und im Plenum sehr schnell zu einer Einigung mit den anderen Fraktionen kommen werden.
Wir wollen auch bei den kommenden Beratungen weiterhin im Geiste der Versöhnung — aus Gründen, die ich vorhin kurz angedeutet habe — an all diese Dinge herangehen. Wir von der CDU/ CSU wünschen, daß die vom Bundesentschädigungsgesetz Betroffenen ihre Früchte daraus erhalten, daß diese Kreise recht bald befriedigt werden. Es ist auch unsere Meinung, daß dieser — wie ich persönlich es nenne — groteske Zustand endlich beseitigt werden muß, daß die sogenannten Nazigeschädigten weiterhin in mehr oder minder großer Armut leben, während andere, die in der Nazizeit mindestens nicht schlecht gelebt haben, sich auch in Zukunft eines normalen Lebens erfreuen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich auf wenige kurze Erklärungen beschränken.
Erstens: Nach meiner Überzeugung wäre es aussichtslos gewesen, eine Stellungnahme des Bundesrats zu den Rechtsverordnungen zu erhalten, solange der Bundesrat selbst in seinen Ausschüssen an eine grundlegende Strukturänderung des Gesetzes dachte und die Gesetzgebungsarbeit dazu eingeleitet hatte. Ich bemerke, daß diese Rechtsverordnungen selbst kleine Gesetze sind. Die Rechtsverordnung zu § 14 umfaßt allein 31 Paragraphen. In der Begründung sind die Schwierigkeiten dargelegt. Sie umfaßt wieder ihrerseits 20 Seiten.
Zweitens: Ich lege Wert auf die Feststellung, daß die Entwürfe dieser Rechtsverordnungen im Benehmen mit Vertretern von Organisationen der Verfolgten ausgearbeitet worden sind. Ich hatte vor 48 Stunden — am letzten Mittwoch — selbst Gelegenheit, mit Goldman, der die Claims-Konferenz vertritt, zu sprechen. Goldman hat mir ausdrücklich erklärt, daß ihm seine Herren mitgeteilt haben, daß diese Rechtsverordnungen in dem Geist ausgearbeitet sind, den sie sich nur wünschen können: großzügig und grundsätzlich gut durchdacht, und hat mir persönlich den Dank für die Arbeit meiner Herren ausgesprochen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An der interfraktionellen Besprechung, von der Herr Dr. Arndt sprach, habe ich in dieser Woche — sie fand nämlich erst in der letzten Woche statt — für meine Fraktion teilgenommen. Wir sind an der Bearbeitung und Entscheidung über das Bundesentschädigungsgesetz, wie Sie wissen, nicht beteiligt gewesen. Wir haben aber im Laufe des letzten halben Jahres bei unseren Beobachtungen auch die Erfahrung gemacht, daß dieses Gesetz offenbar derart überstürzt und überhastet herausgekommen ist, daß eine Fülle von Fragen auftauchen, die normalerweise auf dem Wege der Gerichtsbarkeit einfach nicht lösbar sind. Im Hinblick auf die Bedeutung des Komplexes, der hierdurch geregelt werden soll, besteht zweifellos das dringende Bedürfnis, daß diese Arbeit von uns allen gemeinsam noch einmal sehr sorgfältig in Angriff genommen wird. Wir sind bereit, gemeinsam mit den anderen Fraktionen an einer derartigen Überarbeitung und, soweit möglich, Verbesserung dieses Gesetzes mitzuwirken.
Wir haben auch erst in dieser Woche erfahren, welche Gründe dafür vorgeherrscht haben, die seit langem bestehenden Rechts- und Durchführungsverordnungen zurückzuhalten. Ich möchte Herrn Dr. Arndt daran erinnern, daß dies leider nicht der erste Fall ist, bei dem die Öffentlichkeit erfahren muß, daß Gesetze des Bundestages in ihrer Durchführung sehr stark dadurch behindert wer-
den, daß die Rechts- und Durchführungsverordnungen zu lange auf sich warten lassen.
Ich darf beispielsweise daran erinnern, daß wir auf die zur Durchführung des Feststellungsgesetzes zum Lastenausgleichsgesetz notwendigen entscheidenden Verordnungen anderthalb Jahre gewartet haben bzw. heute noch warten.
Wir stimmen Ihnen also durchaus zu, wenn Sie zum Ausdruck bringen, daß die zuständigen Bundesministerien gehalten sein sollten, Gesetze, die hier beschlossen worden sind, auch ohne jede Verzögerung in Kraft zu setzen ohne Rücksicht darauf, was etwa noch an Novellen beabsichtigt ist.
Das kommt auch in unzähligen Briefen zum Ausdruck, die an uns gelangt sind, und soweit ich weiß, haben auch die Verbände der Nazi-Geschädigten dies in Eingaben an alle Fraktionen sehr unmißverständlich ausgesprochen. Ich kann daher nicht annehmen, Herr Bundesfinanzminister, daß die Verbände, wie Sie das eben zum Schluß andeuteten, mit der Bearbeitung, ihrem Tempo und mit dem Ausmaß der Beteiligung der Verbände zufrieden sein sollten. Das, was uns zugegangen ist, spricht jedenfalls dagegen.
Meine Damen und Herren, ich habe im Interesse der Lösung dieser ganzen Frage eine sehr herzliche Bitte. Die Entschädigung der Nazi-Verfolgten ist einer der großen Komplexe, die der Zusammenbruch mit sich gebracht hat und die geregelt werden müssen. Ich glaube aber, wir dienen der Sache schlecht, wenn wir nun, erfüllt von irgendwelchen Ressentiments, immer noch Vergleiche anstellen, die doch weiß Gott nicht zutreffend sind. Herr Dr. Arndt, ich habe es nicht begriffen, daß Sie nun in diesem Zusammenhang glaubten, auf irgendwelche Vergünstigungen oder auf Gleichstellung mit anderen Soldaten, die ihre Pflicht getan haben, nämlich auf die an der Legion Condor Beteiligten, hinweisen zu sollen.
— Verzeihung, Herr Dr. Arndt, nach meiner Auffassung und nach Auffassung meiner politischen Freunde
hat jeder deutsche Soldat, der auf Befehl seiner dafür zuständigen Stelle sein Leben eingesetzt hat, das Recht, als Soldat behandelt zu werden.
Es dient nicht der Lösung des Problems, das wir hier noch vor uns haben, wenn wir mit solchen Ressentiments an die Materie herangehen.
— Das habe ich nicht behauptet. Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, ich glaube, ich habe völlig unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß ich eine sehr beschleunigte und durchaus befriedigende Regelung des Komplexes der Entschädigung für die Nazi-Verfolgten vertrete und daß wir bereit sind, alles zu tun, was notwendig ist.
Ich wende mich nur im Interesse des Befriedungseffektes, den doch diese ganze Gesetzgebung haben soll, dagegen, daß man Leistungen an deutsche Soldaten nun immer wieder in Vergleich stellt mit noch nicht geleisteten Entschädigungen für Taten, deren Opfer nicht weniger zu achten und zu werten sind — —
Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat der Abgeordnete Baur .
Ich habe folgende Frage, um deren Beantwortung ich bitte: War Spanien 1936/1937 mit Deutschland im Krieg? Bestand die Notwendigkeit, daß Hitler die Legion Condor nach Frankreich schickte? Ist Ihnen bekannt, daß diese Legion das kleine Städtchen Guernica am Markttag angriff, obwohl es nicht im Frontbereich lag, und Feuer auf Frauen und Kinder eröffnete? Ist das als ein Dienst am Vaterland zu bezeichnen? Bitte, geben Sie Antwort!
Ich habe Sie nicht ganz verstanden.
— Seien Sie nicht so nervös, meine Damen und Herren, ich werde schon antworten; haben Sie keine Befürchtungen! Ich habe die Frage nicht ganz verstanden, weil die Übertragungsanlage — weiß Gott — nicht vorbildlich ist.
Meine Auffassung ist die: Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß die deutschen Soldaten, die in Spanien gefochten haben, ihre Pflicht haben tun müssen und gar keine Möglichkeit gehabt haben, zu fragen oder 'u überlegen, ob der Befehl, den sie bekommen haben, richtig ist. Das ist meine Meinung.
Es dient auch nicht der politischen Befriedung, an der wir doch alle, wie es immer wieder in den Worten zum Ausdruck gebracht wird, interessiert sein sollten,
wenn man so tut, als ob der ganze Komplex der Entnazifizierung mit einem Riesenwohlwollen und nur im Blick auf die wirklichen Verbrecher seine Erledigung gefunden habe.
Erst vor wenigen Wochen ist die Öffentlichkeit in einer, wie ich hoffe, peinlichen Weise davon überrascht worden, daß Spätestheimkehrer, Leute, die neun Jahre in russischer Gefangenschaft gewesen sind,
nun noch, ich glaube, in Bayern, durch die Entnazifizierungsmühle gedreht werden sollten.
Ich erwähne all diese Dinge, um zum Ausdruck zu bringen, daß wir eine befriedigende Lösung im Interesse unseres Volkes nur finden werden, wenn wir auf allen Seiten bereit sind, das Bestmögliche
zu tun und nicht immer Vergleiche dahin und dorthin zu ziehen und festzustellen, daß dieses besser und jenes schlechter sei.
Wir werden bereitwillig an der Überarbeitung dieses Gesetzes mit allen Fraktionen des Bundestags mitwirken, um zu- einer schnellen Lösung zu kommen.
Ich stelle fest, daß Sie meine Fragen nicht beantwortet haben, Herr Kollege!
Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen!
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wolff.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es muß einen Menschen mit Bitterkeit erfüllen, wenn er eine solche Betrachtung der Angelegenheiten der Opfer aus der Nazizeit hört, wie sie eben von einem Kollegen der CDU zum Ausdruck gekommen ist.
— Entschuldigen Sie bitte. Ich konnte es mir auch gar nicht vorstellen, weil Ihre Herren dem Problem anders gegenüberstehen. Es sind ja so viele Abgeordnete hier, daß man sie nicht alle kennen kann. Ich sehe auch sehr schlecht. Deshalb habe ich das verwechselt. Gesichter verschwimmen einem Menschen, der nicht gut sieht, aber Charaktere können einem nicht verschwimmen, denn an ihren Taten soll man sie erkennen, steht schon an einer Stelle, die geheiligter ist als dieses Haus.
Ich entsinne mich noch der Sitzung, in der der Herr Abgeordnete Gerstenmaier erklärt hat, daß es die Verpflichtung des gesamten deutschen Volkes und vor allem der in dieses Hohe Haus geschickten Abgeordneten und der Bundesregierung sei, das Unrecht wiedergutzumachen. Ich glaube, daß viele warmen Herzens zu dieser Erklärung stehen.
Herr Bundesfinanzminister, es tut mir furchtbar leid, daß Ihre Ausführungen, wie ich sagen muß, mehr von fiskalischen als von menschlichen Gesichtspunkten geleitet waren. Wenn man an dieser Stelle etwas fordert, was nicht einmal eine Wiedergutmachung des Unrechts bedeutet, dann muß man sich doch vergegenwärtigen, was in jener Zeit geschehen ist.
Herr Finanzminister, Sie erklären, Sie konnten aus irgendwelchen technischen Gründen die Ausführungsbestimmungen bis heute nicht erlassen. Zugegeben, Herr Finanzminister! Aber Sie sind auch mit sehr starkem Zögern an diese Angelegenheit herangegangen. Es hat sehr lange gedauert, bis überhaupt ein Entwurf der Bundesregierung gekommen ist. Der Ausschuß hat schon an anderen Entwürfen gearbeitet, ehe überhaupt ein Entwurf der Bundesregierung vorlag. Wenn Sie, Herr Finanzminister, heute sagen, die Herren der Claims Conference seien begeistert gewesen über den Entwurf, den man ihnen vorgelegt habe, dann muß ich hier feststellen: die Claims Conference ist nicht die Stelle, die die politisch, rassisch und religiös Verfolgten in Deutschland zu vertreten hat!
Sie hat auch nicht das innere Interesse daran, das wir daran haben, die mitten in der Arbeit für diese Menschen stecken.
Herr Bundesfinanzminister, Ihnen als gutem Verwaltungsmann wird doch klar sein, daß durch das Fehlen der Ausführungsbestimmungen zum Bundesentschädigungsgesetz die Gesetze der Länder blockiert gewesen sind.
In den Etats der Länder waren Summen eingesetzt. Ich komme selber aus einer solchen Behörde und weiß, was dort zu tun ist und was dort gearbeitet wird. Diese Behörden werden angegriffen, weil sie nicht auszahlen. Sie können nicht auszahlen, weil das Bundesentschädigungsgesetz bis jetzt noch keine Ausführungsbestimmungen hat. Es gibt Länder, die für diese Entschädigung Summen in den Etat eingesetzt haben, — für die Entschädigung! Sprechen wir doch nicht von Wiedergutmachung, meine Herren! Wer kann wiedergutmachen, was unter den Trümmern begraben liegt? Wer kann wiedergutmachen, was in den Konzentrationslägern umgekommen ist? Wer kann wiedergutmachen den Schmerz der Witwen und Waisen, die ihren Mann und ihren Vater nicht zurückbekommen haben? Wer kann wiedergutmachen die Todesschreie von Millionen von Menschen? Das kann man nicht wiedergutmachen! Wir können nur entschädigen am Lebenden, um es ihm zu ermöglichen, am Leben nicht zu verzweifeln.
Herr Bundesfinanzminister — gestatten Sie, daß ich Ihnen das mit aller Offenheit sage —, Sie haben hinter das Projekt, das diejenigen umfaßt, die als Widerstandskämpfer oder als religiös oder rassisch Verfolgte in der Nazizeit gelitten haben, nicht die Wärme gesetzt, die Sie bei der Ausweitung des Gesetzes zu Art. 131 bewiesen haben. Da hätten Sie am liebsten noch die gesamte Gestapo und den SD hineingenommen. Es wird auch nicht lange dauern, Herr Finanzminister, dann werden wir die Anträge bekommen, daß all diese Kreise mit einbezogen werden sollen.
Inzwischen bleibt uns Abgeordneten nichts anderes übrig, als zu warten. Sie, Herr Finanzminister, sagen, daß die Sache noch etwas dauern wird und daß alles seinen Weg gehen muß. Vielleicht reicht es dann, Herr Finanzminister, noch dazu, daß das Bundesentschädigungsgesetz in seinen Ausführungsbestimmungen vorsieht: Für diejenigen von den Nazi-Verfolgten, die nun nicht mehr am Leben sind, werden Bundestag und Bundesregierung die Kränze zur Verfügung stellen! Herr Bundesfinanzminister, so kann man die Dinge nicht betrachten! Sie müssen nicht vom fiskalischen, sondern vom menschlichen Standpunkt aus denken. Millionen von Menschen haben unter diesem System gelitten und sind umgekommen. Es leben 75jährige, 80jährige, die an den Petitionsausschuß schreiben: „Wann kommt unsere Wiedergutmachung? Wir können nicht mehr laufen und die Dinge vorantreiben." Herr Bundesfinanzminister, es gibt eine Verpflichtung diesen Menschen gegenüber!
Verehrter Herr Kollege, der sie vorhin gesprochen haben, ich habe mich gewundert, daß Sie nicht errötet sind, als Sie die Leute aus der Organisation „Condor" jenen vorangestellt haben,
die zu der Zeit — —
— Das ist doch wahr, Herr Abgeordneter! Es nützt nichts, — —
-- Es nützt nichts, auch wenn Sie die Dinge noch so laut betonen! Sie haben erklärt, daß der Herr Abgeordnete Dr. Arndt — oder wer es war, ich weiß es nicht — die Ehre des deutschen Soldaten mit Füßen getreten habe oder so ähnlich.
— Augenblick! —, daß er die Leistungen der Organisation Condor nicht genügend gewertet habe. Herr Abgeordneter, ich nehme Ihnen das gar nicht übel,
Ihnen und den Herren, die der gleichen Meinung sind. Denn bekanntlich kann niemand über seinen eigenen Schatten springen.
Niemand ist in der Lage, innerlich einen Charakterwechsel vorzunehmen,
wenn er nicht davon überzeugt ist, daß man Unrecht an dem man vielleicht nicht mitbeteiligt war,
das man aber mit der Trägheit des Herzens mit angesehen hat, zum mindesten hat geschehen lassen. Sie wissen ja, diejenigen sind die Weisen, die vom Irrtum zur Wahrheit reifen. Und die im Irrtum beharren, — gestatten Sie mir, daß ich den Schlußsatz nicht ausspreche!
— Sie dürfen mir vieles raten. Sie müssen sich selber noch etwas raten. Sie müssen in sich gehen, um zu erkennen, daß Sie in einem demokratischen Bundestag sitzen,
der auf dem Grundrecht aller aufgebaut ist.
— Na, wissen Sie, wenn Sie aus der Zeit kommen, verehrter Herr Abgeordneter, in der die Lautstärke und die Kommißstiefel den Geist übertönt haben, dann ist es für mich eine Auseinandersetzung am untauglichen Objekt. Deswegen werde ich mich zurückhalten.
Herr Bundesfinanzminister, ich richte mich an Sie als den Chef der ausübenden Behörde. Denken Sie daran, daß viele Witwen, viele Waisen und viele in ihrer Gesundheit Geschädigte auf dieses Geld warten. Diejenigen, die die Entschädigung noch bekommen sollen, sind zum Teil schon alt, diejenigen, die überlebt haben, was über sie hereingebrochen ist, die eine Hölle überlebt haben, die kaum jemand, auch nicht derjenige überlebt hätte, der mit Lautstärke 2000 früher das „Heil" brüllen konnte. Die waren sehr feige, als es daranging, sich zu dem zu bekennen, was sie getan hatten. Da haben sie feige das Volk im Stich gelassen. Aber stellen Sie bei denen, die gelitten haben, Herr Finanzminister, das Fiskalische zurück und üben Sie Gerechtigkeit.
Das ist das, was ir wollen. Niemand von uns, verehrte Anwesende, denkt daran, die Ehre des deutschen Soldaten anzutasten.
Mein Kollege Dr. Arndt ist meiner Ansicht nach sehr, sehr loyal in allem gewesen, was er gesagt hat. Aber nehmen Sie nicht die Ehre des deutschen Soldaten zum Vorwand, um Unrecht in Recht zu verwandeln.
Das ist etwas, was man nicht tun darf. Der deutsche Soldat beginnt ja nicht beim Oberst, beim Major und beim General; er beginnt dort, wo man in vorderster Drecklinie gestanden hat.
Und wenn Sie diese Kreise fragen, die sind anderer Ansicht über die Freiwilligen der Organisation Condor.
Meine Herren und Damen, in Ihrer Hand liegt es, die Blockierung des Gesetzes aufzuheben.
Setzen Sie allen Druck dahinter, damit dieses Gesetz endlich die Ausführungsbestimmungen erhält. Daß es einer Novelle, einer Verbesserung bedarf, war uns allen klar. Warum die Sache eilig gegangen ist, war uns auch klar. Sonst hätte dieser Bundestag mit der ganzen Verhandlung neu beginnen müssen, und wir wären vielleicht Ende dieser Legislaturperiode dazu gekommen, zu sagen: Jetzt können wir das Buch über das Gesetz schließen; denn die, die dieses Gesetzes bedurften, leben nicht mehr.
Deshalb sage ich: es ist unsere Verpflichtung, den Menschen zu helfen; es ist unsere Verpflichtung, dieses Gesetz endlich zur Wirksamkeit zu bringen, den Länderbehörden zu helfen, daß sie die Mittel, die ihnen gegeben worden sind, ausschütten können. Vergessen Sie nicht, Herr Bundesfinanzminister, meine Herren und Damen: Millionen lebender Herzen stehen hinter diesem Gesetz, Millionen von Menschen, die durch ihren Widerstand gegen die Barbarei ein Opfer dieser Barbaren auf dem Schafott, in den Konzentrationslagern und in den Gefängnissen geworden sind und deren Witwen und Waisen zum Teil noch am Hungertuch nagen, da das, was sie bekommen, kaum zum Leben ausreicht. Wenn es für die Pensionen der Nazigenerale reicht, dann müssen wir uns schämen, wenn wir nicht auch an die Opfer aus der Nazizeit denken.
Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Herr Bundesfinanzminister zu dem Zeitpunkt, da ich die Große Anfrage meiner Partei begründet habe, nicht da war, mußte meiner Meinung nach auch seine Antwort so merkwürdig ausfallen, daß ich schon sagen muß: Sie ist alles andere als befriedigend.
Gestatten Sie mir aber nun ein paar Worte zu den Ausführungen des Herrn Kollegen D r. Gille, durch die die Diskussion eine Bitterkeit erhalten hat, wie sie hier eigentlich nicht hingehört. Herr Dr. Gille, bei der Frage der Legion Condor geht es gar nicht darum, ob den Berufssoldaten der deutschen Wehrmacht diese Zeit angerechnet wird oder nicht, sondern darum, daß der Freiwilligen-dienst im Spanischen Bürgerkrieg dem Dienst im deutschen Heer und für das deutsche Vaterland gleichgestellt wird. Das ist es, wogegen wir uns wehren.
Ich glaube, ein derartiger Dienst wird auch von manchem deutschen Soldaten, auch von manchem deutschen Berufssoldaten anders angeschaut, als Sie es hier darstellen.
Das ist nämlich keine Frage der grundsätzlichen nationalen Einstellung, sondern das geht auf den Boden der parteipolitischen Einstellung.
Deswegen diese Bitterkeit. Aber ich glaube, über diese Dinge kann man diskutieren, ohne eine derart scharfe Auseinandersetzung zu führen. Wenn der Herr Bundesinnenminister diese Dinge im Parlament vor der Verkündung zur Sprache gebracht hätte, wäre es zu dieser Art Diskussion nicht gekommen.
Aber wir befinden uns mit der Wiedergutmachung in einer tragischen Situation,
weil man, darauf müssen wir immer wieder hinweisen, heute erst — endlich —, ein Vierteljahrhundert nach dem Beginn der Verfolgung, den Geschädigten dasselbe Lebensrecht wie ihren früheren Peinigern gibt.
Das ist doch die furchtbare Situation, in der wir uns heute befinden.
Der Herr Bundesfinanzminister sagt weiter, der Bundesrat sei der Sündenbock, der die Rechtsverordnungen verhindert habe. Ich frage Sie, Herr Bundesfinanzminister, auf Grund Ihrer Verwaltungserfahrung mit diesem Bundestag usw.: Wielange dauern denn normalerweise die Novellierung eines Gesetzes und dann der Erlaß der Durchführungsverordnungen zu dieser Novellierung, bis das Gesetz praktiziert werden kann? Ich glaube, daß die Geschichte in einem Jahr nicht fertig wird. Das Bundesergänzungsgesetz ist doch im 1. Bundestag überstürzt mit der Begründung angenommen worden, es solle beschleunigt in die Praxis umgesetzt werden. Was der alte Bundestag hier als Willensdemonstration gebracht hat, haben Sie zuschanden gemacht!
Ich habe vorhin ausgeführt, daß auf Grund des Bundesergänzungsgesetzes bei den Länderwiedergutmachungsbehörden die Zahl der Bescheide auf die Hälfte abgefallen ist. Das dürfte wohl auch dem Bundesfinanzministerium bekannt sein. Ich habe weiter ausgeführt, daß eben diese Rechtsverordnungen zur Wiedergutmachung doch hauptsächlich Menschen betreffen, die arbeitsunfähig sind, die 70 und 80 Jahre alt sind. Dabei habe ich den Brief eines Geschädigten zitiert, der 75 Jahre alt ist, seit über 10 Jahren hundertprozentig beschädigt, der eine kranke Frau hat, demzufolge Geld für Wartung aufwenden muß und dem von einem Bundesministerium lakonisch geschrieben wurde, er möge von Zeit zu Zeit zu den Länderverwaltungen gehen und nach dem Stand der Gesetzgebung fragen. Dieser Mann schreibt: Wie lange soll ich denn mit meinen 75 Jahren noch da hingehen? Wie lange habe ich denn noch Zeit? Ein Vierteljahrhundert hat der Mann gelitten! Ich glaube, daß er mit seinen 75 Jahren zu einem zweiten Vierteljahrhundert keine Zeit mehr hat.
Dann sei Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, etwas noch zum Schluß gesagt. Aber vielleicht können Sie mir vorher noch mitteilen, wieviel Mann Personal Sie in Ihrer Wiedergutmachungsabteilung sitzen haben. Vielleicht können Sie mir sagen, wieviel Juristen seit der Verkündung des Gesetzes wieviel Arbeitsstunden für die Rechtsverordnungen aufgewandt haben, wenn sie gleich damit begonnen haben. Dann können wir vielleicht einmal Vergleiche ziehen zu anderen Gesetzen und vielleicht auch dahinterkommen, ob bei Ihnen der gute Wille da ist oder nicht.
Aber, Herr Bundesfinanzminister, als Sie das zweite Mal bierhergegangen sind, haben Sie gesagt, die Organisationen der Wiedergutmachungsberechtigten seien glücklich über eine Rechtsverordnung. Ich war nun neugierig, was das für Organisationen waren, und ich habe es dann auch gehört. Sie haben den Herrn Goldman angeführt. Herr Goldman ist, das wissen wir, der Vertreter eines ganz gewissen Kreises von Wiedergutmachungsberechtigten, aber der Wiedergutmachungsberechtigten, die nicht bei uns in Deutschland leben. Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie bloß die außerdeutschen Wiedergutmachungsberechtigten sehen, dann erwecken Sie — nehmen Sie mir's nicht übel — den Eindruck, als sei für Sie die Wiedergutmachung lediglich ein außenpolitisches Handelsobjekt!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedaure, daß ein solcher Disput entstanden ist um eine Angelegenheit, die uns eigentlich eine ernste Verpflichtung und eine Herzenssache sein sollte, die Verpflichtung nämlich, so schnell wie möglich den Menschen zu helfen, die neben den materiellen Nöten so unendlich viel Leid davongetragen haben. Es sollte uns allen aber jetzt eine dringende, fast möchte ich sagen, die dringendste Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß diese Angelegenheit beschleunigt und in Priorität vor allem anderen bereinigt wird.
Wir wissen, daß im 1. Bundestag die Sache nicht so ging, wie wir es gern gesehen hätten. Aber ich glaube und hoffe, Herr Finanzminister, daß Sie allen Bestrebungen der Parteien, die Sache zu bereinigen, entgegenkommen werden, vielleicht noch mehr als bisher.
Um eines bitte ich diejenigen, die wissen, daß ich ihre Ansicht in der Sorge um die Opfer des Dritten Reiches teile: wir wollen bitte nicht in den Fehler verfallen, daß wir durch Verallgemeinerung
irgendeiner Art auch wieder Menschen hart treffen.
Wir wollen keine Gruppe irgendwie verdammen; denn wir wissen, daß unter mancher Gruppe, die heute als verdammenswert bezeichnet wurde, Menschen waren, die gezwungen waren, etwas zu tun, und die genau so zu dem damaligen System standen wie Sie und ich.
Ich bin gar nicht der Meinung, daß man damit denen etwas Gutes tut, die heute noch als Opfer, als beklagenswerte Opfer herumlaufen.
Es ist, glaube ich, unsere Aufgabe, unsere ernsteste Aufgabe, und ich appelliere noch einmal an alle Kreise, zusammenzustehen und jetzt endlich nach einer so langen Zeit dafür zu sorgen, daß schnellstens geholfen wird, daß z. B. die wenigen Menschen, die so unendliches Leid davongetragen haben
— bitte, lassen Sie mich ausreden, Herr Kollege Baur —, die heute in hohem Alter leben, die ihre Kinder in den Konzentrationslagern verloren haben und die niemanden haben, der sie ernährt, nun endlich aus der entsetzlichen Not, in der sie mit einer viel zu kleinen Rente leben, herauskommen.
Der Appell muß über den Finanzminister hinaus an die Länder ergehen, die auch heute noch mit der Durchführung zurückhalten — ich will nicht sagen: bewußt und gewollt, aber im Hinblick auf die für sie ganz angenehme Situation, daß sie sagen können, sie hätten vom Bund noch nicht alle
Verordnungen bekommen. Ich glaube, daß wir so
der Sache und den Betroffenen am meisten dienen.
Meine Damen und Herren! Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache über die Große Anfrage.
Damit ist die heutige Tagesordnung erledigt.
Ich darf Sie jedoch noch für einige Augenblicke um Ihre Aufmerksamkeit bitten.
Die nächste Fragestunde ist am Donnerstag, dem 24. Juni 1954. Sperrfrist für eingehende Fragen ist Mittwoch, der 16. Juni 1954, 12 Uhr.
Die Abgeordneten werden gebeten, die Verhandlungsunterlagen für das Amnestiegesetz — Drucksache 523 und Umdrucke 114, 115, 116 und 117 — auf ihren Tischen liegenzulassen, damit sie nach Schluß der Sitzung zur Verwendung bei der Beratung eingesammelt werden können. Ein Neudruck würde zu große Kosten verursachen.
Meine Damen und Herren, nachdem wir heute zum letzten Male vor den Feiertagen versammelt sind, darf ich Ihnen die besten Wünsche zum Pfingstfest aussprechen und vor allem der Hoffnung Ausdruck geben, daß der kurze Urlaub Ihnen Gelegenheit zur Besinnung und Erholung gibt.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste, die 33. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 18. Juni 1954, 9 Uhr, und schließe die 32. Sitzung des Deutschen Bundestages.