Herr Präsident! Alleine Damen und Herren! Die Drucksache 542 stellt eine Überarbeitung des Regierungsentwurfs vom 19. Februar 19b4 dar, enthalten in der Drucksache 272, der als Entwurf eines Gesetzes über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen dem Bundestag in erster Lesung vorgelegen hat. Die Bearbeitung erfolgte durch den zuständigen Ausschuß für Geld und Kredit im Einvernehmen mit dem Rechtsausschuß.
Der Gesetzentwurf befaßt sich mit der staatlichen Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen, die erteilt sein mull, wenn das Wertpapier in Verkehr gebracht wird, und steilt als Grundsatz auf, daß bei der Begebung von Anleihen der vorbezeichneten Art die Zustimmung der öffentlichen Hand erforderlich ist, d. h. daß solche Anleihen nur dann auf dem Kapitalmarkt untergebracht werden können, wenn der Bund damit einverstanden ist.
Eine gesetzliche Regelung dieser Materie war erforderlich, nachdem am 31. Dezember 1953 das Gesetz über den Kapitalverkehr vom 15. Dezember 1952 durch Zeitablauf außer Kraft getreten war. ich dart als bekannt voraussetzen, dab Teilschuldverschreibungen beider Art — auf den Inhaber oder auf Order — nach dem früheren Kapitalverkehrsgesetz bei einer erstmaligen Begebung der Genehmigung des Bundesministers für Wirtschaft unterlagen. Diesem stand bei seiner Entscheidung ein sogenannter „Ausschuß für Kapitalverkehr" zur Seite, dem neben Vertretern des Bundesfinanzministeriums u. a. auch drei Vertreter der Länder angehörten. Wurde eine solche Genehmigung nach dem Kapitalverkehrsgesetz erteilt, so ersetzte diese laut ausdrücklicher Bestimmung des Kapitalverkehrsgesetzes die staatliche Genehmigung nach § 795 BGB. Während der Dauer des Kapitalverkehrsgesetzes war also die Bestimmung des § 795 BGB suspendiert. Sie mußte logischerweise in dem Augenblick wieder zum Zuge kommen, in dem das Spezialgesetz, das Gesetz über den Kapitalverkehr, außer Kraft trat, nämlich am 31. Dezember 1953. Ich lasse dabei bewußt dahingestellt, ob außerdem die einschlägigen Vorschriften einer sicherlich längst vergessenen Notverordnung der Weimarer Demokratie vom 8. Dezember 1931 zu berücksichtigen waren, die allerdings am Grundsatz der staatlichen Genehmigung nichts änderten, sondern lediglich ein besonderes Verfahren vorschrieben.
Der Ausschuß hat sich entschlossen, unter Anknüpfung an den früheren Rechtszustand, wie er im BGB vorgesehen war, eine Änderung und Ergänzung der einschlägigen Vorschriften des BGB vorzunehmen, und zwar in folgendem Umfange:
1. Neben im Inland ausgestellten Inhaberschuldverschreibungen sind genehmigungspflichtig inländische Orderschuldverschreibungen, letztere, wenn sie Teile einer Gesamtemission darstellen.
2. Die Genehmigung, solche Wertpapiere in den Verkehr zu bringen, wird von dem zuständigen Bundesminister, d. h. dem Bundesminister für Wirtschaft, im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde erteilt.
3. Der Genehmigungspflicht sind alle Aussteller solcher Teilschuldverschreibungen unterworfen, gleich, ob es sich um private Interessenten oder öffentliche Verbände, z. B. Gemeinden, handelt, ausgenommen Bund und Länder; jedoch sollen die Länder ihre für den Kapitalmarkt bestimmten Schuldverschreibungen nur in Verkehr bringen, wenn ihre oberste Landesbehörde sich zuvor mit dem Bundeswirtschaftsminister ins Benehmen gesetzt hat.
4. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften zieht Nichtigkeit der Schuldverschreibungen und Schadensersatz des Ausstellers nach sich und wird geahndet nach den Grundsätzen des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 in der Fassung, wie sie die §§ 6 und 7 des Entwurfs enthalten. Dabei sollen juristische Personen neben ihren Vertretern gesamtschuldnerisch haften. Die früheren Strafbestimmungen des § 145 a des Strafgesetzbuches, die bereits durch das Kapitalverkehrsgesetz aufgehoben waren, werden nicht wieder eingeführt.
Soweit ein kurzer Überblick über die Technik des Gesetzentwurfes, wobei ich es dem Hohen Hause ersparen kann, ins einzelne gehende Rechtsausführungen über die eben aufgeführten vier Grundsätze vorzutragen, zumal da als Anlaß der Beschlußfassung über das frühere Kapitalverkehrsgesetz ähnliche Tatbestände gegeben waren. Ich komme im nachfolgenden jedoch auf einen wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes zu sprechen.
Es könnte die Frage aufgeworfen werden, welcher Unterschied besteht zwischen der Genehmigung, die nach dem vorliegenden Gesetz erforderlich ist, und derjenigen nach dem kurz geschilderten Genehmigungsverfahren des Kapitalverkehrsgesetzes. Ist es überhaupt erforderlich, die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch Begebung von Anleihen von einer staatlichen Sanktion abhängig zu machen, ganz gleich, ob sie im Rahmen des neuen Entwurfes erfolgt oder wie bislang, d. h. bis zum 31. Dezember 1953, nach dem Gesetz über den Kapitalverkehr?
Zur Beantwortung dieser Frage legt der Ausschuß Wert auf die Feststellung, daß mit dem Auslaufen des Kapitalverkehrsgesetzes alle kapitalmarktpolitischen Lenkungsbefugnisse enden, die bisher den Kapitalmarkt reglementiert haben, von der erwähnten Notverordnung des Jahres 1931 bis zum Kapitalverkehrsgesetz des Jahres 1952. Der neue Entwurf ist zu verstehen als Ausdruck unserer sozialen Marktwirtschaft, deren Bestreben es ist, den staatlichen Dirigismus wie überall so auch auf dem Gebiet des Kapitalverkehrs zu beseitigen. In dem Maße, in dem sich der Ausschuß zu diesem Grundsatz bekennt und ihm mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Durchbruch zu verhelfen sucht, muß aber der Ausschuß auch berücksichtigen, daß der Kapitalmarkt im Augenblick und in der nächsten Zeit noch eines gewissen Schutzes des Staates bedarf. Wir wissen, wie schwierig es ist, gerade auf dem Kapitalmarkt wieder normale und gesunde Verhältnisse herbeizuführen. Er ist bildlich gesprochen noch eine zarte Pflanze des Wirtschaftslebens und bedarf der Obhut durch die schützende Hand des Gärtners. Ich darf daran erinnern, daß erst die jetzt zur Beratung stehenden Steuer- und Finanzgesetze eine wichtige Voraussetzung für die nachhaltige Gesundung des Kapitalmarktes bilden sollen. Eine schrankenlose Freigabe des Kapitalmarktes für die Bedürfnisse der Wirtschaft und des Staates könnte zu einem rücksichtslosen Wettlauf zur Befriedigung der Kapitalbedürfnisse um jeden Preis führen. Daß eine solche Wirtschaftspolitik zu schweren Schäden führen könnte, liegt auf der Hand. Selbst in den ruhigen Zeiten um 1900, als das BGB in § 795 das Erfordernis staatlicher Genehmigung aufstellte, herrschte keine schrankenlose Freiheit des Kapitalmarktes. Es ist interessant, sich die einschlägigen Ausführungen der Motive zum BGB bei dieser Gelegenheit durchzusehen. Es heißt dort:
Nicht nur zum Schutze des Publikums gegen Ausbeutung durch schwindelhafte Unternehmungen, sondern auch um Störungen des Staatskredites durch Schuldverschreibungen der bezeichneten Art zu verhüten, ist die Beschränkung der Ausgabefreiheit geboten.
Wir würden heute nach den Erfahrungen von zwei
Weltkriegen noch hinzufügen können: nicht nur
zur Vermeidung von Störungen des Staatskredites,
sondern auch zum Schutze der Währung.
Aus diesen Gründen kann im Augenblick eine schrankenlose Freigabe des Kapitalmarktes nicht verantwortet werden. Die Genehmigung nach dem neuen Entwurf erscheint dem Ausschuß als ein marktkonformes Mittel zur Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft. Auch äußerlich besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Genehmigung nach dem Kapitalverkehrsgesetz und den Erfordernissen des Entwurfs. Es kann nicht mehr Sinn der Genehmigung sein, etwa im Sinne von § 6 des früheren Kapitalverkehrsgesetzes zu prüf en, ob eine Emission mit dem Ziele im Einklang steht, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken. Doch soll andererseits dem Wirtschaftsminister die Möglichkeit gegeben werden, darauf zu achten, daß sich die Bedingungen und Umstände von Emissionen den wechselnden Verhältnissen des Kapitalmarktes anpassen und auf seine jeweilige Leistungsfähigkeit Rücksicht nehmen. Die Genehmigung dient deshalb in diesem Sinne der Gewährleistung der Verkehrssicherheit auf dem Kapitalmarkt sowie dem Schutz der Währung. Der Wirtschaftsminister ist nunmehr nicht nur in der Lage, schwindelhafte Emissionen zu verhindern, sondern er kann auch anderen Umständen entgegenwirken, wie unangemessenen Bedingungen oder einem Übermaß von ausgegebenen Schuldverschreibungen bestimmter Art, die die Befriedigung des Kreditbedürfnisses anderer Stellen unmöglich machen würden. Daß eine solche Maßnahme nur von überregionaler Stelle, d. h. dem Wirtschaftsminister, ausgeübt werden kann, folgt aus der Struktur des modernen Kapitalmarktes. Dabei sollen die Länder nicht ausgeschaltet werden, sondern sie werden in vielleicht noch stärkerem Maße als beim Kapitalverkehrsgesetz beteiligt.
Ich sprach soeben von der Struktur eines modernen Kapitalmarktes. Er ist ein einheitlicher Organismus nicht nur unter dem Gesichtspunkt regionaler Bedürfnisse, sondern er muß diese Funktion auch behalten in Ansehung der Kreise, die sich seiner bedienen wollen. Wer über ihn Kreditmittel sich verschaffen will, muß sich den gleichen Spielregeln unterwerfen. Das muß im Grundsatz für Anleihen, bei denen als Kreditnehmer der Bund oder die Länder auftreten, gleichermaßen gelten wie für Anleihen, die Private aufzunehmen gedenken. Wenn auch für den Bund in § 4 des Entwurfes keine Genehmigungspflicht statuiert
wird, kann der Ausschuß als selbstverständlich voraussetzen, daß der Bundesregierung in erster Linie eine pflegliche Behandlung des Kapitalmarktes am Herzen liegt, um so mehr als der Bundeswirtschaftsminister als oberste Genehmigungsinstanz und als Hüter der sozialen Marktwirtschaft ein entsprechendes Wort im Kabinett mitzusprechen hat.
Diese Überlegungen gelten abgewandelt auch für Anleihen der Länder. Der Entwurf hat in § 4 allerdings eine sehr lockere Vorschrift eingebaut, wonach sich die oberste Landesbehörde bei Ausgabe oder Unterbringung von Anleihen auf dem Kapitalmarkt zuvor mit dem zuständigen Bundesminister ins Benehmen zu setzen hat. Der Ausschuß ist sich darüber klar, daß ein Sich-ins-Benehmen-Setzen nicht bedeutet, daß ein Land um eine staatliche Genehmigung nachsuchen muß. Der Ausschuß kann wegen des Grundgesetzes und will aus wohlüberlegten anderen Gründen dem Gesetzgeber nicht vorschlagen, den Ländern zuzumuten, sich um eine Genehmigung im Sinne von § 3 des Entwurfs zu bemühen. Er vertraut auf eine loyale Handhabung der Vorschrift des § 4 Satz 2 durch die Länder in der Überzeugung, daß an der Ordnung des Kapitalmarkts nicht nur der Bund, sondern im gleichen Maße aus öffentlichen Gründen auch die Länder interessiert sind. Er erwartet deshalb, daß das Benehmen zwischen der obersten Landesbehörde und der entsprechenden Bundesbehörde in der Praxis nicht zu einer nichtssagenden Formalität gemacht wird. Es ist wichtig, daß sich das Benehmen, d. h. die Herstellung eines Einverständnisses zwischen Bund und Ländern, nicht allein auf die Anleihe als solche bezieht, sondern daß zwischen Bund und Ländern über die Anleihebedingungen Klarheit geschaffen wird, z. B. über Zinsfuß, Emissionskurs, Rückzahlungskurs, Laufzeit, Umfang und Zeitpunkt der Ausgabe. Die Ordnung des Kapitalmarkts hat in den vergangenen Monaten gerade in diesem Punkt bei Begebung öffentlicher Anleihen, wie wir ja alle wissen, sehr zu wünschen übriggelassen. Möge die Frage des Benehmens in Zukunft zu einem Beispiel „guten Benehmens" der Länder werden.
Ich komme damit zum Schluß meines Berichts. Das vorliegende Gesetz bedarf, wie Bundesregierung und Ausschuß anerkennen, der Zustimmung des Bundesrates. Der Bundesrat hat zum Regierungsentwurf gemäß Art. 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung genommen. Er hat mit Schreiben vom 22. Januar 1954 einige Änderungen angeregt, die der Ausschuß zu einem Teil mit Zustimmung der Bundesregierung übernommen hat. Soweit den Änderungen nicht entsprochen worden ist, ergeben sich die Gründe hierfür aus meinen Darlegungen von selbst.
Namens des Ausschusses für Geld und Kredit stelle ich daher den Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen, dem Gesetzentwurf Drucksache 272 in der Fassung der Drucksache 542 zuzustimmen.